Österreichische Münz- und Geldgeschichte: Von den Anfängen bis 1918. Mit einem Beitrag "Die österreichische Geldgeschichte von 1918 bis heute" 9783205121169, 3205981812, 9783205981817

150 48 66MB

German Pages [696] Year 1994

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Österreichische Münz- und Geldgeschichte: Von den Anfängen bis 1918. Mit einem Beitrag "Die österreichische Geldgeschichte von 1918 bis heute"
 9783205121169, 3205981812, 9783205981817

Citation preview

Günther Probszt ÖSTERREICHISCHE MÜNZ- UND GELDGESCHICHTE

Günther Probszt

• •

Osterreichische Münz- und Geldgeschichte Von den Anfängen bis 1918 Mit einem Beitrag von Helmut Jungwirth „Die österreichische Geldgeschichte von 1918 bis heute" Teil 1

3. Auflage

BÖHLAU VERLAG

WIEN

KÖLN • WEIMAR

Die abgebildeten Münzen werden im Kunsthistorischen Museum aufbewahrt Fotos: Elfriede Mejchar

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Probszt, Günther Frhr. von: Österreichische Münz- und Geldgeschichte : von den Anfängen bis 1918 / Günther Probszt. [Fotos: Elfriede Mejchar], Mit einem Beitrag: Die österreichische Geldgeschichte von 1918 bis heute / von Helmut Jungwirth. - Wien ; Köln ; Weimar : Böhlau. ISBN 3-205-98181-2 NE: Jungwirth, Helmut: Die österreichische Geldgeschichte von 1918 bis heute Teil 1 . - 3 . Aufl. - 1994

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 1973 by Böhlau Verlag Gesellschaft m. b. H. und Co. KG., Wien • Köln Druckerei: Tiskama Ljudske pravice, Slovenia

Weimar, 3. Auflage 1994

Inhalt

Abkürzungsverzeichnis Vorwort

Erster Teil

9 11

Grundlagen der Münz- und Geldgeschichte

I. Allgemeines

15

A. Einführung in die Münzkunde 1. Die Begrenzung des Stoffes 2. Geld — Münze 3. Einige Fachausdrücke 4. Theoretische Grundlagen 5. Münztechnik a) Entwicklung der Münzprägung 23, b) Prägestempel 26, c) Metallurgie 27, d) Münzgewicht 32 6. Münzpersonal B. Die Bedeutung der Münzkunde für die angrenzenden Wissenschaften 1. Politische Geschichte 2. Wirtschafts- und Verkehrsgeschichte 3. Kunst- und Kulturgeschichte 4. Heraldik und Sphragistik a) Wappen 45, b) Siegel 50 5. Münze und Recht 6. Münze, Sprache und Schrift 7. Historische Geographie 8. Münze und Archäologie 9. Münze und Chronologie 10. Münze und Genealogie 11. Metrologie 12. Münze und Volkskunde C. Quellen und Literatur zur Münz- und Geldgeschichte

15 15 17 19 21 23

52 59 62 63 65 65 67 70 75

II. Die Entwicklung der Numismatik zur Wissenschaft

78

A. Österreich B. Böhmen C.Ungarn

33 35 36 37 40 45

78 99 104 5

III. Die territoriale Entwicklung

109

A. Die österreichischen Länder B. Die Länder der Wenzelskrone C. Die Länder der Stephanskrone D. Gebietsveränderungen unter habsburgischer Herrschaft

109 121 124 125

Zweiter Teil

Bergwesen und Metallversorgung

I. Das Altertum

134

II. Das Mittelalter

139

A. Die österreichische Ländergruppe 1. Salzburg 2. Aquileia, Triest, Görz, Cilli 3. Kärnten 4. Steiermark 5. Krems und Wien 6. Tirol und Vorarlberg 7. Die Vorlande B. Die böhmische Ländergruppe 1. Böhmen 2. Mähren 3. Schlesien C. Die ungarische Ländergruppe 1. Ungarn 2. Siebenbürgen 3. Dalmatien, Slawonien, Kroatien, Bosnien

139 139 142 143 147 151 153 156 159 159 162 163 164 164 166 167

III. Die Neuzeit

169

A. Die österreichische Ländergruppe 1. Übersicht 2. Wien 3. Kärnten 4. Steiermark 5. Salzburg 6. Tirol 7. Vorderösterreich (Burgau) 8. Das 19. und die Anfänge des 20. Jahrhunderts 9. Österreichische „Neufürsten" B. Die böhmische Ländergruppe 1. Böhmen 2. Mähren 3. Schlesien

169 169 172 172 174 177 178 179 180 181 181 181 185 187

6

:

C. Die 1. 2. 3.

ungarische Ländergruppe Ungarn Siebenbürgen Kroatien

Dritter Teil

189 189 191 192

Münz- und Geldwesen

I. Das Altertum

195

A. Von der Natural- zur Geldwirtschaft B. Die Kelten C. Unter römischer Herrschaft 1. Noricum — Österreich 2. Böhmen und Mähren 3. Slowakei 4. Pannonien, Ungarn 5. Dakien D. Völkerwanderung

195 197 206 206 214 215 215 223 228

II. Das Münzwesen des Mittelalters

233

A. Die österreichische Ländergruppe 1. Karolingerzeit — Regensburg 2. Salzburg a) Laufen 237, b) Friesach 241 3. Friaul a) Aquileia 250, b) Triest 254, c) Laibach 254, d) Görz 255 4. Innerösterreich — Steiermark a) Enns 257, b) Fischau 258, c) Graz und Pettau 258, d) Zeiring 259, e) Judenburg 261, f) Cilli und Frangipan 263, g) Die Schinderlingzeit unter Friedrich V. (III.) 264 5. Tirol 6. Nieder- und Oberösterreich 7. Vorderösterreich B. Die böhmische Ländergruppe 1. Böhmen und Mähren a) Die Frühzeit 300, b) Die Denarperiode 301, c) Brakteatenperiode 306, d) Rechnungsweise 309, e) Die Groschenperiode 310, f) Die Goldwährung 322 2. Schlesien 3. Der Einfluß des böhmischen Münzwesens auf Österreich 4. Reichsmünzstätte Eger 5. Oberlausitz C. Die ungarische Ländergruppe 1. Ungarn 2. Kroatien und Slawonien 3. Dalmatien 4. Bosnien 5. Randgebiete

233 233 237 250 257

267 278 291 300 300

324 328 330 332 332 332 360 362 367 370 7

DI. Das Münz- und Geldwesen der Neuzeit

371

A. Der Übergang zum Gesamtstaat 1. Das Münzwesen unter Maximilian 1 a)Die Voraussetzungen 371, b) Wien 377, c) Graz 381, d) St. Veit 382, e) Hall 383, f) Lienz 387 2. Interregnum in Österreich — Karl V. 3. Das Münzwesen der Jagellonen in Böhmen und Ungarn B. Der Gesamtstaat 1. Ferdinand 1 2. Maximilian II. und seine Brüder — Rudolf II. und Matthias 3. Die Kipperzeit 4. Ferdinand II. und Ferdinand III 5. Leopold I. — Die „kleine Kipperzeit" 6. Joseph I. und Karl VI 7. Maria Theresia und ihre Söhne a) Maria Theresia 492, b) Joseph II. 517, c) Leopold II. 521 8. Franz II. und Ferdinand 1 a) Franz II. 522, b) Ferdinand I. und die Revolution von 1848 532 9- Franz Joseph 1 a)Das Ende der Konventionsmünze 537, b) Die Vereinsmünze 538, c)Die Zeit der österreichischen Währung 542, d) Die Kronenwährung 544 C. Das außerstaatliche Münzwesen 1. Die Geistlichkeit a) Salzburg 547, b) Brixen und Trient 555, c) Gurk 556, d) Wien 561, e) Olmütz 561, 0 Breslau 566 2. Neufürsten 3. Siebenbürgen

371 371

571 577

Weiterführende Literatur

587

388 390 393 393 412 425 440 461 476 492 522 537 547 547

Die österreichische Geldgeschichte von 1918 bis heute. Von Helmut Jungwirth

603

Literaturverzeichnis

614

Personenregister

655

Ortsregister

667

Sachregister

8

x

678

Abkürzungsverzeichnis

g

Pfund

ß Schilling

^

Pfennig

Abh. Abhandlung(en) AÖG. Archiv für österreichische Geschichte AÖGQ, Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen Apulum. Buletinul Muzeului Regional, Alba Julia, Alba Julia 1942 ff. APULUM Av. Avers, Vorderseite AvGTKär. Archiv für vaterländische Geschichte und Topographie, hg. vom Geschichtsverein für Kärnten Beitr. Beitrag (Beiträge) BfMF. Blätter für Münzfreunde Bl. Blatt (Blätter) BMB. Berliner Münzblätter BöHT. Bericht über den österr. Historikertag Blätter des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich BVLKNÖ C.mor.m. Casopis moravskeho musea (Acta musei Moraviae) CNI. Corpus nummorum italicorum Codex diplomaticus Silesiae, hg. vom Vereine für Gesch. u. Altertümer Schlesiens Cod.dipl.Sil. Denkschr. Denkschriften d. österr. Akademie d. Wissenschaften in Wien, phil.-hist. Klasse DtJbfN. Deutsches Jahrbuch für Numismatik Ehg.(in) Erzherzog(in) Fol.arch. Folia archaeologica, Budapest Forsch.inn.Gesch. Forschungen zur inneren Gesch. Österreichs, hg. von Alfons Dopsch Frhr. Freiherr (Baron) FRA. Fontes rerum austriacarum Fst. Fürst Gf. Graf GrGW. Grundriß der Geschichtswissenschaft, hg. von Aloys Meister HdbmunG. Handbuch der mittelalterlichen und neueren Gesch., hg. von G. v. Below u. F. Meinecke Hamb.Beitr. Hamburger Beiträge zur Numismatik Herzog Hg. JbAK. Jahrbuch fiir Altertumskunde, hg. von der k. k. Zentralkommission für Kunst- und histor. Denkmale (Wien) JbKSKH. Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des ah. Kaiserhauses JbLKNÖ. Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich JbNGGesch. Jahrbuch für Numismatik u. Geldgesch., hg. v. d. Bayer. Num. Gesellschaft JbStW. Jahrbuch des Vereines für Gesch. d. Stadt Wien JbZK. Jahrbuch der k. k. Zentralkommission (Wien) K. Kaiser König KgLgrH. Leobener Grüne Hefte, hg. von Franz Kirnbauer MA., ma, Mittelalter, mittelalterlich

9

MBNG. MCI. MDC. MGSLK. MhVSt. MInstr. Mitt. MIÖG. MMStSlg. MNG. MÖG. MoöLA. MöStA. MVGDB. MVGStW. MZK. Mzm. Mzst. MzW. Num.Cas. N.K. N.L. NLOEB. Num. Num.sb. Num.vij. o.J. Ostdt.Wiss. RIC. RMO. Rozpr. Rs. SB.München SB.Wien SOF. SchvST. StCOM. StCNum. Stslg., Wien Veröff.Ferd. Veröff.KNGÖ. VjschSWG. Vs. WB. Wiad.num. WnMH. WNZ. ZfN. ZfO. ZhVSt. Zschr. ZV.

10

Mitteilungen der Bayerischen Numismatischen Gesellschaft Mitteilungen des Clubs der Münzen- u. Medaillenfreunde in Wien Monumenta histórica ducatus Carinthiae Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde Mitteilungen des Historischen Vereines für Steiermark Münzinstruktion Mitteilung Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung Katalog der Münzen- und Medaillen-Stempel-Sammlung des k. k. Hauptmünzamtes in Wien Mitteilungen der österreichischen numismatischen Gesellschaft in Wien Mitteilungen der österr. Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde Mitteilungen des oberösterr. Landesarchivs Mitteilungen des österr. Staatsarchivs Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen Mitteilungen des Vereines für Geschichte der Stadt Wien Mitt. der k. k. Zentralkomm, für Erforschung u. Erhaltung der Kunst- u.historischen Denkmale Münzmeister Münzstätte Münzwesen Numismaticky öasopis ceskoslovensky Numizmatikai Közlöny Numismatické Listy — Prag, hg. von d. tschechosl. Num. Ges. Numismatische Literatur Osteuropas und des Balkans, hg. von G. Probszt, Graz Numismatik Numismaticky sbornik NumizmatiSke vijesti, Zagreb ohne Jahr Ostdeutsche Wissenschaft. Jahrbuch des Ostdeutschen Kulturrates The Roman imperial coins; Spink & Son Ltd., London Reichsmünzordnung Rozpravy óeské akademie (Abhandlungen der böhm. Akademie d. Wissenschaften in Prag) Rückseite, Revers Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse Sitzungsberichte der Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse Südost-Forschungen, München Schild von Steier — Beiträge zur steir. Vor- u. Frühgesch. u. Münzkunde, Graz Studii §i comunicári. Arheologie — Istorie — Etnografie (Acta Musei regionalis Apulensis) Studii cercetäri de Numismática (Numismat. Studien u. Forschungen), Editura Academiei Republicii Populare Romine Katalog der Münzen- und Medaillen-Stempel-Sammlung des k. k. Hauptmünzamtes in Wien Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum in Innsbruck Veröffentlichungen der Kommission für neuere Geschichte Österreichs Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Vorderseite, Avers Wörterbuch Wiadamoáci numizmatyczne, Warschau Wiener numismatische Monatshefte Numismatische Zeitschrift, hg. von der (seit 1947 österreichischen) numismat. Ges. in Wien Zeitschrift für Numismatik, Berlin Zeitschrift für Ostforschung, Marburg/Lahn Zeitschrift d. histor. Vereines für Steiermark Zeitschrift Zentralverwaltung

Vorwort

Ich habe an diesem Buch, das eine gedrängte Zusammenfassung des gewaltigen Stoffes bietet, jahrzehntelang gearbeitet, bis es endlich Gestalt annahm. Die ungeheure Fülle der einschlägigen Literatur fand ihren Niederschlag in meiner seit 1954 in Graz erscheinenden „Quellenkunde der Münz- und Geldgeschichte der ehemaligen ÖsterreichischUngarischen Monarchie" (mit Nachträgen von 1960 und 1963). Es versteht sich, daß hier nur die wissenschaftlich einwandfreien Arbeiten herangezogen wurden und vor allem solche, die unmittelbar auf historischen Quellen beruhen. Als ehemaliger Münzsammler bin ich natürlich auch mit dem Münzmaterial selbst vertraut. Dabei legte ich größtes Gewicht darauf, in diesem Buch die Funktion der Münze selbst in den verschiedenen Phasen des geschichtlichen Ablaufes darzustellen und somit ihre wechselreichen Formen begreiflich zu machen. Mein Vorbild für die Bearbeitung des Stoffes war der bedeutende österreichische Rechtshistoriker und Numismatiker Arnold Luschin von Ebengreuth, den ich als meinen Mentor bezeichnen darf. Er hat bis zu seinem Tode, 1932, meine numismatischen Arbeiten aufmerksam und kritisch verfolgt und durch wertvolle Ratschläge und Hinweise gefördert. Demzufolge sind insbesondere im ersten Teil dieses Buches viele Abschnitte zum Teil wörtlich aus der 2. Auflage seiner „Allgemeinen Münzkunde und Geldgeschichte des Mittelalters und der neueren Zeit" (1926, Lit.-Verz. 677) übernommen, da sie auch heute noch nicht überholt sind. Andere Autoren, deren Ansichten ich teilweise nicht überprüfen konnte, werden gleichfalls da und dort wörtlich zitiert, jedoch jeweils mit der Nummer des betreffenden Buches im Literaturverzeichnis. Aus Raumgründen mußte auf Fußnoten verzichtet werden. Dafür befinden sich im Abschnitt weiterführende Literatur, kapitelweise angeordnet, die Nummern der benützten Literatur sowie einige zusätzliche Hinweise, die den Text zu sehr belastet hätten. Leider konnten einige wichtige Neuerscheinungen, so etwa die grundlegende Arbeit von Erich Egg über das Münzwesen Kaiser Maximiiiansi. (Lit.-Verz. 189) nicht mehr verarbeitet werden, obwohl sie in das Literaturverzeichnis aufgenommen wurden. Ebenso war es nicht mehr möglich, die freundlichen Hinweise von Frau Univ.-Prof. Dr. Em. Nohejlovä-Prätovä im Text zu berücksichtigen, so daß sie am Ende der weiterführenden Literatur als Nachtrag aufgenommen wurden. Bei der Auswahl des Abbildungsmaterials bin ich von den Betreuern der Bundessammlung von Medaillen, Münzen und Geldzeichen in Wien, den Herren Hofrat Direktor Dr. Bernhard Koch (Mittelalter), den Kustoden Dr. Helmuth Jungwirth (Neuzeit) und Dr. Günther Dembsky (Altertum) auf das zuvorkommendste unterstützt und beraten worden. Ich bin ihnen daherzu ganz besonderem Dank verpflichtet. Bei der Durchsicht der Münzkästen hat mich Herr Oberaufseher J. Frank hilfreich unterstützt. Dem Verlag 11

Böhlau habe ich für die sorgfältige Betreuung der Drucklegung meines Werkes zu danken, nicht zuletzt auch für die Erstellung der drei Register. Manche Kürzungs- und Änderungsvorschläge sowie die technische Beratung bei der Bildauswahl haben dem Buch zweifellos zum Vorteil gereicht. Ich darf daher wohl der Hoffnung Ausdruck geben, daß dieses Buch nicht nur den Wünschen und Anforderungen der Numismatiker, sondern auch jenen der Historiker, vornehmlich der Wirtschaftshistoriker, entspricht und ihren Forschungen durch die Einbeziehung der Münz- und Geldgeschichte neue Wege eröffnet. Ich widme dieses mein Lebenswerk vor allem der Österreichischen Numismatischen Gesellschaft in Wien, der ich seit dem Jahre 1908 als Mitglied und seit 1967 als Ehrenmitglied angehöre. Sie hat mir stets ihre Förderung angedeihen lassen. Schließlich möchte ich auch des Instituts für österreichische Geschichtsforschung an der Universität Wien gedenken, dem ich jene wissenschaftliche Ausbildung verdanke, ohne die ich mich nie an die Abfassung dieses Buches gewagt hätte. Wien, im Herbst 1972

12

Günther Probs^t

Erster Teil Grundlagen der Münz- und Geldgeschichte

I. Allgemeines

A. Einführung in die Münzkunde

1. Die Begrenzung des Stoffes Für eine Darstellung der österreichischen Münz- und Geldgeschichte erscheint es sinnvoll, sich nicht ausschließlich auf das Staatsgebiet des heutigen Österreich zu beschränken, sondern auch die Entwicklung jener Länder mit einzubeziehen, die im Laufe von Jahrhunderten zur Donaumonarchie zusammengefaßt, bis in die Anfänge unseres Jahrhunderts eine mehr oder weniger straffe macht- und wirtschaftspolitische Einheit bildeten. Die Münz- und Geldgeschichte eines so umfangreichen Gebietes, das die Länder des Habsburgerreiches umfaßte, setzt sich aus einer fast unüberschaubaren Menge von Einzelheiten zusammen. Erst verhältnismäßig spät verschmolzen sie zu einer Einheit, der aber immer noch gewisse trennende Momente innewohnten. Es ist daher unerläßlich, sich hier auch mit diesen Einzelheiten auseinanderzusetzen, denn nur so können, insbesondere für die ersten Versuche einer territorialen Konsolidierung nach den Stürmen der Völkerwanderung sowie der Slawenherrschaft in den Alpenländern, die verschiedenen Phasen monetärer Entwicklung ins rechte Licht und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Es ist begreiflicherweise ganz unmöglich, auf dem verhältnismäßig beschränkten Räume eines Handbuches alle Faktoren, die im Laufe einer fast zwei Jahrtausende währenden Entwicklung das Geldwesen unseres geographischen Raumes gestaltet und beeinflußt haben, im einzelnen darzulegen. Es sollen daher nur jene Phasen näher beleuchtet werden, die für die folgenden das Fundament gebildet haben. Dabei ist zu beachten, daß Münzen oft die einzige beschriftete oder bildliche Quelle sind, die insbesondere über wirtschaftliche Verhältnisse (Handel, Verkehrswege usw.) verhältnismäßig verläßliche Auskunft gibt. Hier sei nur soviel gesagt, daß die Wirtschaft als wichtigster Träger des gesamten Geldwesens je nach der geographischen Lage dem Einfluß unterschiedlicher Faktoren unterlag. Bei größeren, zu einer politischen Einheit zusammengeschlossenen Territorien konnte es mitunter sogar vorkommen, daß einzelne Landstriche an das Geldwesen oft voneinander sehr verschiedene Anforderungen stellten, deren monetäre Berücksichtigung anderseits jedoch die Stabilität des Geldwesens gefährdet hätte. Abgesehen davon gibt es im Mittelalter gewisse Münzsorten, die das Ausland erobern und die dort geprägten Münzen an Bedeutung überragen. Wenn auch ein alter Rechtsgrundsatz besagt, daß der Heller nur dort gilt, wo er geschlagen wurde, war dies im Mittelalter keineswegs so selbstverständlich wie in der Neuzeit. Mithin zeigt die „Währungsgeographie" gewisser Gebiete oft einen außerordentlich vielfältigen Münzumlauf. Das wichtigste Hilfsmittel zu dessen Feststellung bilden die Münzfunde (677), deren sachgemäße Bearbeitung daher eines der Hauptanliegen der Geldgeschichte darstellt, da die schriftliche Überlieferung in Urkunden und anderen Quellen, z. B. in Urbaren und Rechnungsbüchern, viel zu lückenhaft ist, um zu einigermaßen gesicherten Ergebnissen zu gelangen. Leider hat man — da sich die Numismatik eigentlich erst in unserem Jahr15

hundert zur Wissenschaft entwickelte — die wissenschaftliche Bedeutung der Münzfunde erst vor gar nicht so langer Zeit erkannt, viel zu spät, um ein abgerundetes Bild gewinnen zu können. In den vergangenen Jahrhunderten wurden ungezählte Funde gehoben, ohne sie zu erfassen und daraus die geschichtlichen Schlüsse zu ziehen. Und selbst heute noch wird so mancher Fund entgegen den Bestimmungen des Denkmalschutzes verheimlicht und dadurch sachlicher Bestimmung entzogen. Um dieser hier bloß angedeuteten Vielfalt der Probleme gerecht zu werden, waren bei der Abfassung dieser Arbeit sowohl in thematischer wie z. B. auch in zeitlicher Hinsicht gewisse Beschränkungen erforderlich. Sie wird sich daher vor allem mit der Mün%e als Zahlungsmittel zu beschäftigen haben und alles, was sonst noch in das Gebiet der Numismatik fällt, ausklammern. Medaillen, Plaketten und Jetons, d. h. alle münzähnlichen Stücke ohne Geldzweck und -eigenschaft, die der Erinnerung der Mit- und Nachwelt an bestimmte Begebenheiten dienen sollten, bleiben hier ebenso außer Betracht, wie die Rait- oder Rechenpfennige, deren man sich zum sogenannten „Rechnen auf der Linie" bediente, das in Deutschland, seit es Kaiser Maximilian I. bei seinen Rechnungsbehörden einführte, allgemein verbreitet war. Ebensowenig können die gleichfalls münzähnlichen Stücke der „Zahl- oder Wertmarken" der Neuzeit hier aufgenommen werden, durch die Großbetriebe ihren Angestellten und Arbeitern ein Anrecht auf verbilligtes Essen u. dgl. in der Werkskantine oder an einer anderen vereinbarten Stelle beschaffen, da sie nur eine eng begrenzte Umlauffähigkeit besitzen. Sie sind bloßer Geldersatz, zugleich eine Legitimation einer Bezugsberechtigung. Dagegen sollen — schon des historischen Interesses wegen — ähnliche Marken kurz behandelt werden, wie etwa das sogenannte „Wahrzeichengeld" für die Bergbaubetriebe des Erzstiftes Salzburg, das einen ansehnlichen Aktionsradius besaß, wie auch ähnliche Gebilde anderer großer Montanbetriebe früherer Jahrhunderte. Das gleiche gilt für die „Notmünzen", die z. B. bei der Belagerung einer Stadt oder wegen anderer Zwangslagen kurzfristig ausgegeben werden mußten. Ausbeutemünzen auf Grund der besonderen Fündigkeit eines Bergwerkes oder Gedenkmünzen zur Erinnerung an ein besonderes Ereignis, wie etwa an einen Sieg, eine Fürstenhochzeit oder ein Regierungsjubiläum, geprägt, das heißt alle Stücke, die bildmäßig zwar von den Kurantmünzen abweichen, aber ihnen nach „Schrot und Korn" (s. unten S. 27) völlig gleichen und daher auch volle Zahlungsfähigkeit besaßen, gehören natürlich in den Rahmen dieses Buches. Auch die Goldabschläge von Silbermünzen, ferner solche in Klippenform, meist viereckig, sind trotz ihrer außergewöhnlichen Gestalt noch immer Münzen, wenngleich sie — gewöhnlich von den Herrschern als Geschenk dargeboten — in den seltensten Fällen als Kurantgeld verwendet worden sein dürften. Damit sind die thematischen Grenzen aufgezeigt. Was die zeitliche Begrenzung anbelangt, so muß diese sehr weit gesteckt werden und mit den ältesten Münzen beginnen, die auf dem Boden des von uns behandelten Gebietes nachweislich geprägt oder gefunden wurden, also mit jener Zeit, in der der früheste Münzumlauf innerhalb der einzelnen Landschaften festzustellen ist. Als Ende der Darstellung wurde das Jahr 1918 gewählt, da mit dem Zerfall der Donaumonarchie eine wirtschafts- und währungspolitische Einheit in eine Reihe von Nationalstaaten mit selbständigen Währungssystemen und unabhängigen Münzprägungen aufgelöst wurde, deren Darstellung im einzelnen den Rahmen dieses Buches sprengen würde.

16

2. Geld — Münze Die beiden Begriffe Geld und Mün^e sind streng voneinander zu trennen; sie werden in der historischen Literatur leider oft verwechselt, was leicht zu Irrtümern und unrichtigen Folgerungen führt. Das Geld, als der weitere Begriff, wird sehr verschieden definiert; über sein Wesen und seine eigentlichen Aufgaben im wirtschaftlichen Leben ist man keineswegs einig. Der Numismatiker, den nur der eindeutig umschriebene Begriff der Münze interessiert, beurteilt das Geld anders als die Nationalökonomen, die eine Reihe von Definitionen des Geldbegriffes aufstellten. Darauf näher einzugehen, ist hier leider nicht möglich. Trotzdem wollen wir sie in der Folge wenigstens kurz streifen. Ich stelle nun die Definition eines hervorragenden Numismatikers, der zugleich ein ebenso bedeutender Rechtshistoriker war, an den Anfang. Arnold v. LUSCHIN ( 6 7 7 , 6 9 1 ) nannte Geld einen „zur Erleichterung des Verkehrs verwendeten Gegenstand", der „bei den einzelnen Verkehrsakten die als Gegenwert gewünschte Ware ganz oder teilweise ersetzt". Die Geldeigenschaft kann „einem Gegenstande gegebenenfalls durch denVerkehr allein erteilt und gewahrt bleiben", während „die Eigenschaft einer Münze einem Geldstück nur durch den Staat verliehen wird. Der Kreis der als Geld dienenden Gegenstände ist daher ungleich größer als jener der Münzen, und damit ist auch der Geldgeschichte an sich ein weit über die Münzgeschichte hinausreichender Umfang gegeben. Es verringert sich jedoch dieser erheblich, sowie man die Grenzen der Geldgeschichte räumlich einschränkt, so zwar, daß beispielsweise die Geldgeschichte Europas im Mittelalter und der neueren Zeit. . . ungeachtet der lange vorherrschenden Naturalwirtschaft im großen ganzen doch mit der Geschichte der Metalle und Münzen als Zahlungsmittel zusammenfällt". Für die europäische Geldgeschichte in dem eben abgegrenzten Umfang kommen nach LUSCHIN folgende Geldarten, die nicht Münzen sind, in Betracht: Vieh- oder Kuhgeld nach einem allgemein festgestellten Wertansatz, das dem Verkehr vor allem als Werteinheit oder Rechnungsmünze diente; Zeuggeld bei den westnordischen Germanen, Leinwand in einigen Gegenden Schwedens, bei den Böhmen um 965 leichte Tüchelchen sehr dünnen Gewebes, die zum Metallgeld in einem festen Verhältnis standen, so daß man um sie die kostbarsten Dinge, wie Weizen und Sklaven, Pferde, Gold und Silber, kurz alles kaufen konnte; Tierhäute in Skandinavien, Fellgeld in Finnland und Westrußland. Ein anderer Forscher von hohem wissenschaftlichen Range, Hans GEBHART (294), verstand unter Geld „die unmittelbare oder mittelbare dingliche Erscheinung von mehr oder weniger meßbaren und umsetzbaren Werten, die in einer gegebenen Gegend als Geld anerkannt wird. Der Wertgrund ist die Substanz des Geldes . . . Geschichtlich wirklich gesehen ist Geld eine sehr vielfältige und bewegte Erscheinung — nach Form, Gehalt und Wirkung in vielen Beziehungen und Übergängen spielend, die der Starrheit des theoretischen Begriffs sich immer wieder entziehen . . .". Im allgemeinen ist also Geld alles, was als Zahlungsmittel verwendet werden kann, von den Kaurimuscheln und den Glasperlenschnüren primitiver Völkerschaften angefangen bis zum vollausgebildeten Zahlungsverkehr der Gegenwart, der sich ebenso der Banknoten und Münzen wie auch der Wechsel, Kreditbriefe, Kassenscheine und anderer Dinge bedient. Der Stoff, aus dem ein Zahlungsmittel besteht, ist demnach gleichgültig. In der Nationalökonomie wird der Geldbegriff sehr unterschiedlich interpretiert. DOBRETSBERGER (148) z. B., dem ich hier folge, nennt Geld „die Dokumente, die den Kaufanspruch beglaubigen . . . Es ist daher zweckmäßig, die Bezeichnung ,Geld' sowohl 17

auf das konkrete Kaufkraftdokument als auch auf die abstrakte Kaufkrafteinheit anzuwenden; der Sprachgebrauch tut dies, und die Währungspolitik bezieht sich auf beides". Als Träger abstrakter Kaufkraft kommen in Betracht „Güter, deren Nutz- oder Tauschwert mit dem ihnen verliehenen Kaufkraftwert übereinstimmt wie einstmals Teeziegel (China), Salzblöcke (Nordeuropa), Tierfelle (Rußland), Silberstücke, heute Goldmünzen. Was aber solche Dinge zum Geld macht, ist nicht ihr Stoffwert, sondern ihr Symbolwert. Daran hielt das Zahlkraftrecht aller Zeiten und Länder fest. Der Stoffwert des Kaufkraftdokuments, z. B. der Goldgehalt einer Münze, ist nur eine Garantie für den Geldbesitzer, die jedem Stück individuell beigegeben ist, daß er den Symbolwert, für den er die Münze in Zahlung nahm, unter allen Umständen realisieren kann . . . Goldmünzen sind demnach Kaufkraftdokumente mit anhaftender Stückgarantie". Kaufkraftträger kann aber auch ein Dokument ohne jeglichen Stoffwert sein, wie die Banknote und Scheidemünze oder das Kopfstück von Tierfellen. Der Symbolwert des Dokumentes ist aber nicht mehr durch seinen Stoffwert gesichert, „sondern durch gesellschaftliche Konvention oder gesetzlichen Annahmezwang. Die Stückgarantie ist durch soziale Garantie. ersetzt. Solches Geld setzt eine festgefügte Rechtsordnung und ein geordnetes Staatswesen voraus, sonst ist soziale Garantie wertlos; die Kaufkraftinhaber flüchten in das Geld mit vollem Eigenwert, d. h. mit Stückgarantie . . . Kaufkraftträger können auch wie der Wechsel, der Scheck, das Bankguthaben Forderungen gegen eine individuelle Person sein. Solche Kaufkraftdokumente haben weder Stückgarantie noch soziale Garantie, sondern bloß individuelle Garantie". Die Nationalökonomie selbst aber ist sich über die Auffassung vom Gelde keineswegs einig. Sie ist vor allem national gespalten. Der größte Teil der französischen Autoren, voran RIST, läßt das Zeichengeld nicht als „Geld" gelten. Die deutsche Geldtheorie, voran KNAPP (556), kehrt als Wesensmerkmal des Geldes die schuldentilgende Wirkung hervor. Gesetzlich kommt diese nur den Banknoten und begrenzt den Scheidemünzen zu, nicht aber dem Wechsel, Scheck und Bankguthaben. Diese sind daher nicht Geld. „Geld ist ein Geschöpf der Rechtsordnung, denn der Staat bestimmt, was gesetzliches Zahlungsmittel ist." Die angelsächsische Literatur hingegen „kennt diese Unterschiede nicht. Sie nimmt jedes Kauf kraftdokumentfür Geld, das gewohnheitsmäßig in Zahlung genommen wird, was immer sein Stoffwert oder seine gesetzliche Grundlage sein mag . . . Die angelsächsische Geldtheorie gibt zweifellos die zweckmäßigste Definition des Geldes: Kaufkraftdokumente, die gewohnheitsmäßig in Zahlung genommen werden. Das sind Banknoten, Scheidemünzen, aber auch Wechsel, Schecks, Bankguthaben, Kreditbriefe, Kassenscheine . . .". Und schließlich: „Ein Wesensmerkmal des Geldes ist, daß es bedingungslos zum Nominalwert in Zahlung genommen wird. Denn die Wertsumme, auf die es lautet, ist der einzige Inhalt der Geldschuld; sie muß eindeutig bestimmt sein." Die Münzen hingegen, die natürlich seit jeher zum Gelde gerechnet werden, „sind Metallstücke, die im Auftrag und nach Vorschrift eines Gemeinwesens in einer bestimmten Form gegossen oder geprägt werden, die ein von dem Gemeinwesen gewährleistetes Gewicht und einen bestimmten Feingehalt erhalten und mit einem bestimmten Zeichen versehen werden, damit sie als Geld verwendet werden können, d. h., damit sie bequem den Tauschverkehr an Gütern vermitteln, verhältnismäßig wertbeständig sind und die Anhäufung von Werten leicht ermöglichen. Die Verwendung der Münze setzt nicht nur eine ziemlich hohe Stufe der Technik (Metallgewinnung, Metallverarbeitung), eine entwickelte Verkehrswirtschaft, geordnete öffentliche Verhältnisse, sondern auch die Fähigkeit der Abstraktion voraus". 18

Man sieht aus der Gegenüberstellung der beiden Begriffe, daß die Münze ein ziemlich eindeutiger, das Geld aber ein vielschichtiger Begriff ist. Dementsprechend sind auch die Aufgaben der Münz- und Geldgeschichte verschieden, nur daß in Zeiten, als das Metallgeld, also die Münze, dominierte, Münz- und Geldgeschichte einem gemeinsamen Ziele zustrebten. „Die Münzgeschichte", sagt G E B H A R T (294), „fragt nach dem Münzfuß, dem Nominale, nach seiner Stellung im Währungssystem, nach Münztechnik und Münzrecht, nach der Organisation des Münzbetriebs. Weiterhin steht die Münze als Geld in ihrer Bedeutung neben anderen Geldarten zur Untersuchung, ihre Funktion als Tausch- und Zahlungsmittel sowie als Wertmaß, ihre Wertsubstanz, ihre Kaufkraft und schließlich ihre Bedeutung als Geld schlechthin im Rahmen des gleichzeitigen Wirtschafts- und Kulturstils." Die Münzgeschichte ist also nur ein Teil der Geldgeschichte, welche „sämtliche Gelderscheinungen der Geschichte in allen ihren Beziehungen mit einbegreift. . . Geldgeschichte ist die wesenseigene Aufgabe der Numismatik." Diese Forderung hat übrigens schon Hermann G R O T E 1865 in seiner „Geldlehre" gegeben, die er mit dem charakteristischen Satz eröffnet: „Wenn die Numismatik nicht lediglich eine Anweisung, Münzsammlungen zu ordnen, sein, sondern sich auch zum Wirtschaftlichen erheben soll, so darf sie sich nicht ausschließlich auf die Beantwortung der Frage ,Cujus sit imago et superscriptio?' beschränken, sondern sie muß auch darüber Auskunft geben: ,Quo valeat nummus, quem praebeat usum.' Mit der Münzenkunde muß die Geldkunde verbunden sein" (677). Abschließend sei hier noch Luschins Lehre von den Münzen, also der Numismatik angeführt. „Diese zerfällt, je nachdem das Äußere oder das Wesen der Münzen zum Gegenstand geschichtlicher Betrachtung gemacht wird: a) in die Münzkunde, die sich an die Erscheinungsform, an das äußere Bild der Münze hält und daher vorwiegend beschreibenden Inhalts ist; b) in die Münzgeschichte, welche die Münze als gewesenes Geld, also nach ihrer volkswirtschaftlichen Seite betrachtet. Die Münzgeschichte erweitert sich zur Geldgeschichte, sofern sie sich nicht auf Münzen beschränkt, sondern auch die übrigen im Verkehr üblichen Geldformen sowie die Ersatzmittel des Geldes in Betracht zieht" (677). Nach diesen Grundsätzen ist auch dieses Buch geschrieben. 3. Einige Fachausdrücke Es gibt harte oder Kurantmünzen. Harte oder, wie sie in früheren Jahrhunderten auch genannt wurden, grobe Münzen, sind im Sinne der älteren, konservativen Geldtheorien jene, bei der sich der Nennwert (valor extrinsecus) mit dem Metallwert (valor intrinsecus) nahezu zu decken hatte. Nur der sogenannte Schlagschat^ war gestattet, eine kleine Differenz zwischen den beiden angeführten Werten, aus der die Prägekosten und auch ein bescheidener Gewinn für den Münzherrn — Staat oder Herrscher — gedeckt werden mußten. Als Kurantmünzen bezeichnete man „seit dem 17. Jahrhundert das silberne Währungsgeld im Gegensatz zu den Gold- und Scheidemünzen und dem Papiergelde." Im österreichischen Raum war dieser Ausdruck kaum gebräuchlich. Scheidemünze „ist das von seinem Zwecke, Käufer und Verkäufer endgültig ohne Bruch auseinander zu scheiden, genannte Kleingeld" (1088). Es wird aus billigem Material hergestellt, das die nötige Widerstandsfähigkeit gegen Nässe, Schweiß oder Reibung besitzen soll, also Kupfer, Bronze, Nickel oder Aluminium, rein oder legiert. Andere Metalle, wie Zinn, Zink, Blei oder Eisen, die diese Widerstandskraft nicht besitzen, werden nur im Falle äußerster Notwendigkeit, 19

z. B. im Kriege, zur Herstellung sogenannter Notmün^en verwendet. Sie werden durch Rost, Oxydation, bei Zinn durch die Zinnpest, nur zu bald zerstört. Der Münzherr verbürgt oder gewährleistet in Form und Ausstattung den Wert der Münze. In alten Aktenstücken findet sich nicht selten auch der Ausdruck „Wehrschaft" oder adjektivisch „wehrhaft". Das bedeutet dasselbe wie heute Währung, eben die Gewährleistung von Gewicht und Gehalt durch die Obrigkeit. Heute spricht man von Silber-, von Gold- oder von Doppelwährung, je nachdem, ob nur eines oder beide Metalle das Münzsystem eines Staates bilden, wobei es noch Unterteilungen dieser Hauptbegriffe gibt, die dann später erklärt und definiert werden sollen. Früher gab es auch eine Taler- oder Gulden-, ja sogar eine Scheidemünzwährung. Eine Papierwährung ist erst das Ergebnis neuerer Zeiten und ist „infolge der Uneinlösbarkeit des Staatspapiergeldes der Gefahr schrankenloser Vermehrung ausgesetzt" (1088). Keine Währungsmünzen sind die sogenannten Handelsmessen, für die zwar der Metallwert verbürgt ist, die aber — wie z. B. die heute noch geprägten Levantinertaler (auch Mariatheresientaler genannt) mit der Jahreszahl 1780 — im eigenen Lande keinen Zwangskurs und keine gesetzliche Zahlkraft besitzen, also außerhalb des eigentlichen Münzsystems stehen. Schließlich gibt es auch noch den Begriff der Kreditmün^en, „bei denen nicht wie bei den Währungsmünzen Nennwert und Sachwert annähernd übereinstimmen, sondern der Nennwert erheblich höher ist als ihr Sachwert" (1088), was in erster Linie für die aus unedlen Metallen hergestellten Scheidemünzen, aber auch bei allen Silbermünzen in den Goldwährungsländern zutrifft. Zu den Kreditmünzen gehören im übertragenen Sinn auch alle papierenen Zahlungsmittel, alles Not- und Zeichengeld (metallene Wertmarken u. dgl.). Mit Nominale bezeichnet man den Nennwert einer Münze, den Namen, den ihr der Münzherr beigelegt hatte, also den Münzwert. „Nach den Diensten, die die Münze dem Menschen zu leisten hat, unterscheidet man vier Arten von Werten: den Nennwert (oder valor extrinsecus), den Verkehrswert, den Sachwert (oder valor intrinsecus) und den Tauschwert. Uralt ist der Streit darüber, ob der Staat dem Gelde seinen Wert gebe, also der Zahl-, Nenn- oder Nominalwert, der valor extrinsecus der Kanonisten dafür bestimmend sei, oder ob der Wert des Geldes auf seinem Metallgehalte beruhe, also der Sachwert oder valor intrinsecus das Maßgebende sei" (1088). Es ist aber „nicht zu bestreiten, daß die Wertschätzung der Münzen durch die Menschen auf beiden Momenten beruht. Denn der internationale Verkehrswert oder Kurs einer Münze richtet sich nach dem Feingehalte sowie der Nachfrage und dem Angebot derselben, während er nach dem gesetzlichen Landeswerte erst in zweiter Linie fragt, der dagegen im Binnenverkehr zuerst maßgebend ist. Der Tauschwert endlich oder die Kaufkraft des Geldes, das heißt die Menge von Gütern, die zu einer gewissen Zeit mit einer Münzart gekauft werden können, gehört in die Preislehre" (1088). Damit haben wir das Gebiet der Geldtheorie, der Frage nach dem Wesen des Geldes berührt, das als Tauschmittel, als Mittel einseitiger Leistungen, z. B. Erbschaft, Strafe, als Mittel der Wertaufbewahrung, des Werttransportes, der Kapitalsübertragung, z. B. Hin- und Rückgabe von Darlehen, und endlich als Wertmaßstab dient. Es braucht wohl nicht eigens gesagt zu werden, daß es ungezählte Geldtheorien gibt, die z. T. noch ins Altertum zurückgehen. Über sie hier nur eine Übersicht zu geben, ist nicht nur unmöglich, sondern widerspricht auch dem rein historischen Charakter dieses Buches. Sie werden daher im darstellenden Teil nur dort kritisch beleuchtet, wo eine solche Theorie erkennbar und das Münzwesen zu beherrschen oder zu beeinflussen imstande war. 20

4. Theoretische Grundlagen Jahrhundertelang wurde die Anschauung zäh verteidigt, daß Nenn- und Sachwert einer Münze (valor extrinsecus und intrinsecus), also Metall- und Verkehrswert sich nahezu decken müßten, wobei der Schlagschatv^ der die Prägekosten und den Münzgewinn des Münzherrn zu decken hatte, eine relativ geringe Differenz bildet. Eine Forderung, die sich auf dem Papier ebenso schön ausnahm wie sie in Wirklichkeit undurchführbar war, weil eben der Münzgewinn und nicht die Güte der Münze für die große Mehrheit der Münzherren das einzig Entscheidende war. Wäre dies nicht der Fall gewesen und hätte nicht einer immanenten Gesetzlichkeit zufolge die schlechte Münze stets die gute verdrängt, so wäre ein aus guter Münze bestehendes System das Natürliche und einzig Mögliche gewesen; schon deshalb, weil für Staaten, deren Einnahmen hauptsächlich aus den Erträgnissen des Fernhandels kamen, eine gute, vollgewichtige und edelmetallreiche Münze nicht nur Zahlungsmittel, sondern zugleich auch Handelsware darstellte. Es wird sich also zeigen, daß die guten Münzen deshalb meist in Auslandfunden auftreten, die schlechten dagegen, wie die Münzpatente mit ihren Verboten und Warnungen beweisen, in einer für den Binnenhandel und darüber hinaus für die gesamten privaten und öffentlichen Finanzen ungesunden und nicht tragbaren Menge im eigenen Lande kursierten. Alle gegen sie gerichteten Maßnahmen erwiesen sich als wirkungslos. Zwar hatten sich schon im Mittelalter gewichtige Stimmen gegen die allzu rigorose Auslegung dieser Geldtheorie erhoben, doch verhallten sie bei den Verfechtern des entgegengesetzten Standpunktes ungehört. Die Vorstellungen, die in früheren Zeiten über das Wesen des Geldes herrschten, entbehrten nämlich einer eindeutigen Definition. „Vom Mittelalter her war man darüber, was das Wichtigere an dem Geldstück sei, der Nennwert oder das Feingewicht an Edelmetall, noch nicht ins klare gekommen. Da man den Ausgangspunkt von der Berechtigung des Münzherrn nahm, Münzen zu schlagen und als Zahlungsmittel auszugeben, so erschien an der Ausübung des Münzrechts die Wertbeilegung, der valor impositus, als das weitaus Wichtigste. Nun fühlte man zwar, daß mit dem bloßen Nennwert ungeachtet des Zwangskurses, den der Münzherr seinen Geprägen beilegen konnte, auf die Dauer nicht auszulangen war, sofern die Stücke nicht eine gewisse innere Güte (bonitas intrinseca) hatten, allein für diese zu sorgen, bestand nur Gewissenpflicht und keine erzwingbare Rechtsvorschrift." Schon Papst Innocenz III. (1198—1216), der das Papsttum auf die Höhe der weltlichen Macht führte, „erachtete eine mäßige Verschlechterung der Münze aus Not oder einer andern gerechten Ursache für zulässig, namentlich um ihre Verschleppung außer Landes zu hindern". Der gleichen Ansicht war auch der berühmte Kanonist Johann Andreae, „fons et tuba juris", 1348 zu Bologna, wo er kanonisches und römisches Recht gelehrt hatte. Diese beiden Entscheidungen galten für lange Zeit förmlich als sakrosankt. Sie wurden aber nicht nur in Notzeiten angewendet, sondern von gewissen Münzherren geradezu schamlos ausgenützt, denn die Länder, in die dieses schlechte Geld in Riesenmengen einsickerte, besaßen nicht genügende Abwehrkräfte, sich dieser Invasion wirksam zu erwehren. Insbesondere die altösterreichischen Lande waren als Durchzugsgebiet nach dem Süden davon betroffen. Daher zieht sich dieser vergebliche Kampf gegen die schlechte Münze gewisser Nachbarn wie ein roter Faden durch ihre Geldgeschichte. Der Kampf beginnt schon gegen Ende des Mittelalters und endet im großen ganzen erst mit den Münzreformen Maria Theresias, die sich als erste getraut, mit längst veralteten und überholten Anschauungen aufzuräumen und an ihre Stelle vor allem durch Einführung des 21

bisher verpönten Kupfers als Münzmetall auch eine Art von Kreditgeld zu schaffen, dem nur der valor impositus, der beigelegte Wert, den Rückhalt gab und nicht wie bisher der Metallwert. Die von Karl dem Großen eingeführte Silberwährung hatte so ziemlich das ganze Mittelalter beherrscht. Erst verhältnismäßig spät war auch das Gold wieder in den mitteleuropäischen Münzverkehr eingetreten. Nur Byzanz hatte eine Goldwährung besessen, die erst unter Johannes VIII. Palaiologos (1425—1448) einer Silberwährung gewichen war. Bis zum tragischen Ende des Staates, mit der Eroberung Konstantinopels durch die Türken, hatte man keine Goldmünzen mehr ausgeprägt, die früher durch lange Zeit hindurch im internationalen Handelsverkehr eine bedeutsame Rolle gespielt hatten. Um ungefähr die gleiche Zeit spielte sich in West- und Mitteleuropa der umgekehrte Vorgang ab. Hier machte man auf Grund erheblicher Goldproduktion nunmehr vom Golde weitgehenden Gebrauch, und bis zur Münzreform Erzherzog Sigmunds von Tirol, die das gesamteuropäische Münzwesen revolutionierte, rückte das Silber bei Großzahlungen an zweite Stelle. Vom Kupfer hingegen, dem man in Byzanz für den Kleinverkehr einen wichtigen Platz eingeräumt hatte, wollte man in den übrigen europäischen Ländern nichts wissen. Ein Versuch König Bêlas III. von Ungarn (1173—1196) — sichtlich nach byzantinischem und arabischem Vorbild — fand nirgends eine Nachahmung. Aber gerade der Umstand, daß man auch die kleinsten Werte beharrlich in gutem Silber ausprägte, zeitigte die schlimmsten Folgen. Es ist daher mit die Aufgabe dieses Buches, die Auswirkungen einer verfehlten Scheidemünzpolitik jeweils an entsprechender Stelle aufzuzeigen. Die Bedeutung der Scheidemünze, die sich mit der der Kleinmütige so ziemlich deckt, ist den Geldtheoretikern lange nicht im vollen Umfange klar geworden. Vor allem wußte man nicht, daß in einer richtigen Scheidemünzpolitik das lange vergeblich gesuchte Mittel zur Lösung entscheidender Fragen lag. Heute, wo der Münzumlauf fast nur aus solchen Scheidemünzen gebildet wird, während die höheren Nominale aus Bank- oder sonstigen Papiernoten bestehen, ist es unbegreiflich, daß man sich jahrhundertelang in eine Geldtheorie verrannte, die den gewissenhaften Münzherren zwangsläufig großen Schaden zufügte, während verantwortungslose Elemente sie sich zunutze machten. Die Scheidemünze ist, wie schon oben gesagt, nichts anderes als „das nach seinem Zwecke, Käufer und Verkäufer endgültig ohne Bruch auseinander zu scheiden", benannte Kleingeld (1088). Aus diesem Zwecke ergeben sich die technischen Merkmale der Scheidemünze: „Sie muß aus einem billigen und wegen der nötigen Widerstandsfähigkeit gegen Nässe, Schweiß, Reibung bei sehr schnellem Umlaufe soliden Material, also aus Kupfer, Bronze, Nickel, Aluminium, rein oder legiert, geprägt sein. Das wichtigste ist der Münzfuß — die gesetzliche Vorschrift über Gewicht und den Metallbestand einer Münze — der die Unterwertigkeit der Scheidemünze, gewährleisten muß, das heißt : ihr Sachwert darf ihren Nennwert nicht erreichen, im Gegensatz zum Währungsgelde, bei dem beide möglichst zusammenfallen sollen. Bei Vollwertigkeit der Scheidemünze würden erstens die Münzkosten unverhältnismäßig hoch, und zweitens würde beim Steigen des Metallpreises die aus diesem Metalle hergestellte Münze gehortet oder außer Landes gebracht werden und ein wirtschaftlich schwer zu ertragender Mangel an ihr entstehen. Dagegen ist einem durch zu starke Ausgabe veranlaßten Sinken unter ihren Nennwert durch ihre unbeschränkte Annahme bei den Staatskassen und die Kontingentierung ihres Prägequantums entgegenzutreten, wodurch ihre freie Prägung ausgeschlossen ist. Damit die Scheidemünze nicht an die Stelle des Währungsgeldes trete, ist endlich ihre Zahlkraft zu beschränken." 22

„Auf dem Mangel der Erkenntnis vom Wesen der Scheidemünze beruhen die meisten Münzkrisen im europäischen Münzwesen seit dem Ausgange des 16. Jahrhunderts; der größere Teil der Münzkrisen ist durch den mit der Scheidemünze getriebenen Mißbrauch herbeigeführt worden . . (1088). Die Scheidemünzpolitik und ihre ersten Vorläufer bilden dennoch das Rückgrat der Münzpolitik überhaupt. Österreich war ein Teil des Römischen Reiches Deutscher Nation. Durch den Anfall der Länder der Wenzels- und der Stephanskrone nach der für Ungarn so katastrophalen Schlacht bei Mohacs 1526 und durch den mit einer fünfjährigen Unterbrechung nach dem Tode Karls VII. bis zum Ende des Reiches in den Napoleonischen Kriegen dauernden Besitz der Kaiserwürde war es sogar das mächtigste Glied unter den deutschen Territorialstaaten gewesen, bis ihm das aufstrebende Brandenburg-Preußen diesen Vorrang streitig zu machen begann. Die Kaiser aus dem Hause Habsburg, die Landesfürsten der österreichischen Erblande und als Könige von Böhmen zugleich auch Kurfürsten des Reiches waren, hatten demnach in den Münzangelegenheiten des Reiches ein gewichtiges Wort mitzusprechen. Nicht zuletzt diesem Umstand ist es zuzuschreiben, daß die einzigen drei Reichsmünzordnungen, die je erlassen wurden (Eßlingen 1524, Augsburg 1551 und 1559), unter dem maßgeblichen Einfluß der Kaiser Karl V. und Ferdinand I. aus dem Hause Habsburg zustande gekommen sind. Wir werden noch öfters darauf zurückkommen. Hier sei nur noch gesagt, daß auch diese wohlüberlegten Ordnungen nicht imstande waren, das im Reiche obwaltende Münzchaos zu entwirren. Einmal, weil sich nur eine Minderheit der deutschen Münzherren so gut es eben ging an die Vorschriften und die sich immer wieder als notwendig erweisenden Novellen hielt, zweitens weil eben die Mehrheit wissentlich und willentlich eine dem Ansehen der deutschen Münze ungemein schädliche, gewinnsüchtige Münzpolitik trieb, die zum Teil allerdings der angeführten veralteten Geldtheorie entsprang, deren offen zutage liegende Fehler aber von der Gewinnsucht insbesondere der kleineren Münzherren schamlos ausgebeutet wurde. 5. Münztechnik a) Entwicklung der Münzprägung. Was die Münztechnik anlangt, so kommt der Mim guß in unserem Falle für die Herstellung von echten Münzen kaum in Betracht. Die Kelten verwendeten diese Technik wohl ab und zu, aber nicht in dem von uns untersuchten Räume. Dagegen haben sich die Münzfälscher zu allen Zeiten des Gusses bedient. Ein für Falschmünzen bestimmter keltischer Gußmodel ist erst vor wenigen Jahren auf dem Magdalensberg in Kärnten bei Klagenfurt aufgefunden worden. Somit kommt der Prägung die entscheidende Bedeutung zu. „Wie die meisten Industrien, ist auch sie von der Handarbeit zur mechanischen und Maschinenarbeit fortgeschritten. Mit dem Hammer in der Hand gab der Münzarbeiter bis zum 15. Jahrhundert der Platte das Gepräge (Hammerprägung). Die Ende des 15. Jahrhunderts aufkommenden großen Silbermünzen (Lira, Taler) machten wahrscheinlich die einfache Handarbeit zu gefährlich und führten zur Entwicklung des Klippwerks. Dieses, dann das Walzprägewerk, das Taschenwerk und das Spindelwerk waren die mechanischen bis ins erste Viertel des 19. Jahrhunderts gebrauchten Prägewerke. Erst das Spindelwerk und später das Kniehebelwerk wurden dann zu modernen, mit Dampf betriebenen Maschinen entwickelt. Jetzt wird die Prägung natürlich mit elektrischer Kraft besorgt." Bei der Hammerprägung, also der Münztechnik vor Einführung der mechanischen 23

Prägung, war der Unterstempel fest in einen Holzblock eingelassen. Auf ihn wurde die Platte oder, wie sie früher hieß, der Schröding gelegt, auf diese der Oberstempel gesetzt und auf diesen mehrere Hammerschläge geführt. Um ein genaueres Auftreffen der Bilder auf den Schröding zu gewährleisten und ein Verrutschen der Stempel zu vermeiden, wurden diese in die Backen einer Flachzange eingelassen. Die größeren Münzgattungen wie die Taler erforderten sehr starke Schläge mit zentnerschweren Hämmern, was die Einführung des in Bahnen laufenden Oberstempels, des sogenannten Klippwerks, nötig machte. Die kleinsten Sorten wurden hingegen noch bis ins 18. Jahrhundert nur mit dem Hammer geprägt. Beim Klippwerk oder Fallwerk war der Oberstempel in einen Rahmen eingelassen. „Der Präger hob mit einem Fuße mittels eines Steigbügel-Riemens den Oberstempel und legte die Platte auf den Unterstempel, worauf ein Arbeiter mit einem Hammer auf den Oberstempel schlug" (1088). Wann das Klippwerk erfunden wurde, wissen wir nicht; wahrscheinlich aber sind die ersten Taler damit geprägt worden. Benutzt wurde es bis ins 19. Jahrhundert, meist für kleinere Münzen. Die nächste Etappe war das Walzwerk oder Druckwerk, das wahrscheinlich in der Münze zu Hall in Tirol um 1550 erfunden und eingeführt wurde. Der Zain, d. h. der in einer Sandform oder Gießflasche erkaltete Metallguß, der vor dem Ausschneiden der dünneren Schrötlinge gestreckt werden mußte, wurde hier durch Walzen gezogen, auf deren einer die Vs., auf deren anderer die Rs. eingraviert war, worauf die Münzen aus den Zainen ausgeschnitten wurden. „Da aber eine kreisrunde Fläche durch Walzen oval wird, waren die Münzbilder im entgegengesetzten Sinne oblong auf die Walzen graviert" (215). Diese hatten an nicht gravierten Stellen tiefere Einkerbungen, um das Verschieben der Zaine zu verhüten; doch erforderte das Einstellen große Fertigkeit. Die Walzen trugen 4 bis 6 Bilder der größeren, bis 19 der kleineren Münzen. In Österreich wurde die Walzenprägung 1566 bis 1765 angewendet. Das sehr zeitraubende Dünnhämmern der Zaine mit dem in der Hand geführten Hammer wurde im 16. Jahrhundert ebenfalls durch mechanische Erfindungen ersetzt: die Streckwalzen und die Reckbank (Streckbank, Durchlaß, Ziehwerk, Adjustierwerk). Da lange Zeit die Achsen der Streckwalzen in ihrer Parallelität nicht stabil erhalten werden konnten, waren die Zaine ungleich dick und daher die einzelnen Münzen ungleich schwer. Man ließ deshalb die Zaine noch einmal durch die eisernen Backen der Reckbank laufen, die, schon früher in Ungarn und Polen benutzt, 1523 von Erzherzog Ferdinand empfohlen wurde. Aber während des ganzen 16. Jahrhunderts hatten die deutschen Münzstände mit dem zähen Widerstande der Münzer gegen dieses mehr Mühe erfordernde Werkzeug zu rechnen, das erst nach der Kipperzeit mit ihrem riesigen Münzausstoß überall eingeführt wurde. In Ungarn hatten dort beschäftigte deutsche Münzarbeiter die in der Kremnitzer Münze übliche Ziehbank eine „Schelmenbank" gescholten, sie bei Gran in die Donau geworfen und infolgedessen in Kremnitz schlechte und ungleiche Pfennige geprägt. Als in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts das Walzwerk vervollkommnet wurde, konnte die Reckbank entbehrt werden. Das Taschenwerk ist eine Abart des Walzenprägewerkes. „Die Taschen sind ausgebauchte Stahlstücke mit stengelähnlichem Ansatz, sie haben die Form eines Pilzes. Der Ansatz wurde in eine Maschine eingespannt, die die genau einander gegenübergestellten Taschen mit den auf ihrer Oberfläche eingravierten Münzbildern hin- und herbewegte; zwischen sie brachte man eine Münzplatte. Der Vorteil gegenüber dem Walzenprägewerk war der, daß beim Unbrauchbarwerden eines Stempels nicht die ganze Walze vernichtet werden mußte, daß ein genaues Aufeinandertreffen der Stempel leichter bewirkt werden konnte und die geprägten Platten nicht aus den Zainen geschnitten werden brauchten. 24

Die Münzen wurden aber auch hier selten ganz rund und konnten wegen ihrer oft gebogenen Gestalt nicht in das Rändelwerk gebracht werden, waren also wegen der fehlenden Randverzierung dem Beschneiden sehr ausgesetzt. Die Taschen der Wiener Münze reichen von 1656 bis 1754, in den süddeutschen Münzstätten sind sie noch bis 1790 zu finden. Sie wurden durch Klipp- und Spindelwerk ersetzt" (1088). Dieses Spindelwerk (Stoßwerk, Anwurf, Balancier) war das wichtigste Prägewerk von etwa 1700 bis 1830. Der Oberstempel wird durch eine Spindelschraube auf- und niedergeführt, die Spindel ist oben in einen zweiarmigen, 2 bis 3 % m langen horizontalen Arm eingeschraubt, der an beiden Enden feste Schwunggewichte von 20,30 und mehr Kilogramm trägt. Dieser Arm wurde durch zwei bis zwölf Arbeiter angeworfen (daher der Name „Anwurf") oder gestoßen (Stoßwerk). „Der Vorteil vor der Hammerprägung und dem Klippwerk sowie der Walzenprägung war ein sehr energischer, dabei aber federnder Stoß, immer, auch bei sehr großen Medaillen, genügte ein einziger; für die Prägung dieser und zum Einsenken der Stempel wird das im Laufe der Zeit vervollkommnete Werk noch heute gebraucht, doch wird es jetzt immer mehr durch die Friktionsmaschine ersetzt. Das Spindelwerk erfordert wegen der starken Erschütterung feste Fundamente in Erdgeschossen und gestattete etwa 30 Stöße in der Minute. Den Balancier haben für die Münzprägung wohl zuerst Bramante, Leonardo da Vinci und Benvenuto Cellini benutzt. Dann hat ihn der Augsburger Goldschmied Max Schwabe um 1550 in Deutschland eingeführt; in Paris, London und Spanien geschah das bald darauf. Aber erst seit 1650 gelang es, den Widerstand der Münzer zu überwinden, und allgemein wurde es überall nicht vor 1690 gebraucht" (1088). Was die eben erwähnte Friktionspresse anlangt, so wird sie nur in der Medaillenprägung gebraucht, scheidet also hier aus. Zum Schluß sei das Kniehebelwerk erwähnt. Es ist die „heute in der ganzen Welt benutzte, von dem Mechaniker Dietrich Uhlhorn in Grevenbroich 1817 erfundene Münzprägemaschine. Ihr Kraftprinzip ist nicht der senkrechte Stoß der früheren Prägewerke, sondern die Hebelkraft. Ein starkes Stück Stahl in Form eines Winkels oder Knies hat einen kürzeren und dickeren horizontalen und einen nach unten sich verjüngenden längeren vertikalen Arm. Die feste Achse, um die sich dieses Winkelstück bewegt, befindet sich in der oberen Biegung des horizontalen Schenkels. Am unteren Ende dieses Schenkels befindet sich ein Zapfen, der in eine entsprechende Vertiefung des Pendels paßt. Dieses Pendel, eine starke vierkantige, senkrecht im Rahmen frei stehende Schiene, drückt unten auf den Oberstempel. Wird mittels des Kurbelzapfens eines Schwungrades dem unteren Ende des Kniehebels eine hin- und hergehende Bewegung gegeben, so wird das obere Ende des Hebels gesenkt und gehoben. Beim Senken wird mittels des Pendels der Oberstempel nach unten gedrückt und die Münze geprägt, beim Heben nimmt der Kniehebel nicht etwa Pendel und Oberstempel mit hoch, denn er hängt ja mit dem Pendel nicht zusammen, sondern Pendel und Oberstempel werden durch einen besonderen Mechanismus gehoben. Die Maschine ist recht kompliziert und wurde in den Jahren nach ihrer Erfindung noch bedeutend vervollkommnet . . . Eine geniale Erfindung Uhlhorns bewirkte, daß die Maschine sofort ihre Bewegung einstellt, wenn zufällig keine Platte auf dem Unterstempel liegt, und daß der Druck bedeutend gemildert wird, wenn zwei Platten auf ihn geraten sind oder die Platte nicht genau in die Öffnung des Prägeringes eintritt" (1088).

Das ist die Entwicklung der Münzprägung, vom primitiven und unsicheren Schlag mit dem Hammer, wie es u. a. auch noch das berühmte Fresko in der Münzerkapelle zu Kuttenberg zeigt, zur modernen Prägemaschine. 25

b) Prägestempel. Aber mit dem Prägen allein ist es keineswegs getan. Bis es dazu kommt, sind noch eine Reihe verantwortungsvoller Vorbereitungen und Manipulationen erforderlich. Da sind zunächst die gewöhnlichen eisernen Mün^stempel. Die Arbeiter oder Künstler, die sie schufen, wurden im 16./18. Jahrhundert dementsprechend Eisengräber oder Eisenschneider genannt. Sie gruben oder schnitten das Münzbild spiegelverkehrt in das Eisen. Zwischen diese Stempel wurde dann die Platte gepreßt, um dadurch das Bild der Vs. und Rs. zu erhalten. Je nach der Lage, die diese Stempel bei der Prägung einnehmen, gibt es einen oberen, in älterer Zeit Obereisen oder bloß Eisen genannt, und einen unteren, das Untereisen oder auch Stock. Der Stock saß fest, das Eisen aber wurde lose auf den hingelegten Schrötling aufgesetzt und dem mit dem Hammer darauf geführten Schlag direkt ausgesetzt. Mit zunehmender Mechanisierung änderte sich auch der Name der Stempel: bei dem Walzwerk hieß es obere oder untere Welle oder auch Taschenwerkseisen und Taschenwerksstempel. Beim Anwurf- oder Spindelwerk hieß es oberer oder unterer Stock, bei den Uhlhornschen Pressen und anderen modernen Maschinen schießlich einfach Prägestempel. Die Münzstempel mußten natürlich gegen Schlag oder Druck so widerstandsfähig wie möglich gemacht werden, was eine besondere Härtung erforderte, da sich sonst die mit dem Grabstichel hergestellte Gravur, das Münzbild, zu schnell abnutzte. Insbesondere während des Mittelalters gab es noch kein sicheres Härteverfahren; dem sind auch die vielen Stempelvarianten bei ein und derselben Emission zuzuschreiben. Das Stempelgaben war eine mühselige Arbeit, die eine ziemliche Routine voraussetzte. Selbstverständlich stehen seit den ältesten Zeiten Münzbildern von erlesener Schönheit auch solche von ausgesprochenem Dilettantismus gegenüber. Nach der Münzkunst des Altertums — man erinnere sich bloß an die Münzen Altgriechenlands, insbesondere Siziliens — folgte durch den Einbruch der Barbaren, z. B. der Kelten, in die antike Welt deren Untergang in den Stürmen der Völkerwanderungszeit und damit eine Epoche des Verfalls auch im Münzbilde. Erst langsam, parallel mit der zeitgenössischen Kunst, deren Renaissance vom Hofe Karls des Großen zu neuen Gipfeln emporstieg, erholte sich die Münzkunst und brachte insbesondere in den deutschen Brakteaten neuerlich Wunderwerke hervor. Als dann aber das Mittelalter seinem Ende entgegenging, uniformierte sich das Münzbild immer mehr und mehr. Der Handel entwickelte sich zum Fernhandel und brauchte dazu nicht nur eine wertbeständige, sondern auch eine gleichförmige Münze. Das Münzbild insbesondere der Gold- und der großen Silbermünzen des habsburgischen Gesamtstaates wird vereinheitlicht und unterscheidet sich nur durch die Individualität der Stempelschneider in den zahlreichen Münzstätten und durch gewisse heraldische und anderweitige Beizeichen, die die Herkunft der Gepräge anzeigen. Diese Vereinheitlichung und nicht zuletzt auch die stückmäßig viel umfangreicheren Emissionen erforderten aus Gründen des Zeitgewinns und der Verbilligung auch eine Vereinfachung in der Technik des Stempelschnittes. Trotz aller Vorsicht bei der Härtung zersprang immer wieder ein Stempel und mußte durch einen neuen ersetzt werden. Seit dem Ausgang des Mittelalters ist auch die Anführung des Prägejahres üblich geworden. Wenn der Stempel des Vorjahres noch gebrauchsfähig war, schnitt man einfach die Jahreszahl um, und zwar meist nicht die ganze, sondern nur die erforderliche Ziffer. Da aber Not bekanntlich erfinderisch macht, hat man schon frühzeitig für gewisse konstante Teile des Stempels Punzen verwendet. „Die Gestalt dieser Punzen war ungemein mannigfach, vom einfachen Punkt, Strich, Ringel u. dgl. angefangen, bis zum vielfeldigen Wappen oder mannigfachen Figuren. Durch wiederholtes Einsenken einer oder mehrerer 26

Punzen konnten demnach sowohl Buchstaben wie auch Münzbilder im Münzstempel erzeugt werden; es genügten beispielsweise schon fünf Punzen, eine mit dem Bildniskopf des Herrschers, zweierlei Halskrägen, ein Harnisch und eine Toga, für vier verschiedene Brustbilder." In neuerer Zeit hat man dann dieses Senkungsverfahren, das übrigens einschließlich des nachträglichen Härtens des Stempels schon im Mittelalter bekannt war, insoweit vervollkommnet, „daß vorerst von dem als vertiefte Matrize hergestellten Münzbild mit weichem Stahl eine erhabene Patrize abgenommen und diese dann gehärtet wird. Mit Hilfe einer solchen Patrize, die im Bedarfsfall durch neue Abschläge aus der Matrize vervielfältigt werden kann, werden durch Absenken in weichem Stahl die in allen ihren Einzelheiten haarscharf mit der ursprünglichen Matrize übereinstimmenden Prägestempel in beliebiger Menge erzeugt. Sie werden sodann auf den Durchmesser der Münze genau zugedreht und gehärtet, worauf sie gebrauchsfähig sind" (677). Ein Wort noch über die sogenannten Brakteaten und ihre Herstellung. Unter dieser Bezeichnung, die 1363 zum ersten Male in einer Urkunde vorkommt und dann von Thüringer Gelehrten gegen Ende des 17. Jahrhunderts allgemein in Gebrauch kam, verstehen wir Hohlpfennige, dünne „Blechmünzen", wie sie auch genannt wurden. Sie sind aus dünnem Silberblech unter Anwendung nur eines Stempels auf einer weichen Unterlage aus Wildleder geschlagen; das Bild der Vs. erscheint daher auf der Rs. vertieft. Welcher Umstand diese Prägetechnik auslöste, die doch manchmal oblatendünne, wenig widerstandsfähige und daher für längeren Umlauf untaugliche Stücke hervorbrachte, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. Man mutmaßt, daß ihre Entstehung mit einer Herabminderung des Denargewichts im Rahmen kriegerischer Verwicklungen des 11. Jahrhunderts in Deutschland zusammenhängt. Vielleicht war auch der Umstand maßgebend, daß man infolge des dünnen Schrödings mit einem einzigen kräftigen Hammerschlag 10, 12 und auch mehr solche Stücke zugleich herstellen konnte. Im gesamtösterreichischen Raum sind sie insbesondere in Böhmen und in der Lausitz geprägt worden. Unter den Eisenschneidern befanden sich viele namhafte Künstler, die nicht nur in der Münzstätte, sondern auch auf dem Gebiete der Medaille Hervorragendes leisteten. Es gab „Dynastien" solcher Stempelschneider, in denen das Handwerk durch mehrere Generationen hindurch vererbt wurde, wie die Seel und die Matzenkopf in Salzburg. c) Metallurgie. Bis es zur Prägung kam, die dem Metall erst die Garantie des Staates verlieh, mußte das mit einem Stempel zu versehende Metallplättchen, der Schrötling, eine ganze Reihe von chemisch metallurgischen Prozessen durchlaufen, um prägefähig zu werden. Die Münzgesetzgebung und die auf ihr beruhenden Münzmeister- und Wardeininstruktionen bestimmten Feingehalt und Gewicht jedes einzelnen Münzstückes oder, wie dies in der Münzsprache hieß, Schrot und Korn. Schrot ist das Rauh- oder Bruttogewicht, Korn das Feingewicht oder Feingehalt. Beide zusammen ergeben den gesetzlichen Münzfuß. Nach der noch bis ins 18. Jahrhundert allgemein anerkannten, aber von den wenigsten Münzständen auch wirklich befolgten Geldtheorie sollte dieser möglichst fein, die Münze also vollwertig und vollgewichtig sein. Um das richtige Gewicht und den richtigen Feingehalt zu erzielen, mußte das Münzmetall, wie erwähnt, einer Reihe von Prozessen unterzogen werden. Über die bergmännische Metallgewinnung und die Metallbeschaffung, etwa durch Ankauf schon verarbeiteten Metalls (Bruch-Silber und Bruch-Gold gemeinhin Pagament genannt), wird in einem anderen Kapitel zu handeln sein. In der Urzeit des Münzens wurde, wie vielfache Untersuchungen erwiesen haben, Gold und Silber in reinem, unvermischten Zustande ausgemünzt. Da aber diese beiden 27

Edelmetalle in der Natur selten rein vorkommen, muß die Kunst, sie zu reinigen, schon sehr früh bekannt gewesen sein. Die Ägypter pflegten, wenn die Überlieferung richtig ist, „die aus den Flüssen gewaschenen Goldkörner mit Blei, Kochsalz, Zinn(?) und Gerstenkleie vermengt, in einem Tiegel aus gebranntem Tone durch fünf Tage und fünf Nächte zu erhitzen . . ., worauf dann am Morgen des sechsten Tages in dem erkalteten Tiegel ein Goldkönig vorgefunden wurde" (215). Mit dem Worte „König" wird in der Metallurgie das beim Probieren von Erz entstandene reine Metall bezeichnet, während Gußkönig (Regulus) das Stück Metall heißt, wie es aus dem Gefäß herauskommt, in dem es niedergeschmolzen wurde. Von den Ägyptern lernten die Griechen diese Kunst der Goldreinigung, und von diesen ging sie dann auch auf die Römer über. Die Methode hat sich also nahezu unverändert durch Jahrtausende erhalten. Als der ebenso als Bergmann wie als Numismatiker höchst verdiente Karl v. E R N S T nach Beendigung seiner Studien an der Bergakademie zu Schemnitz als Praktikant bei dem damals noch österreichischen Münzamt zu Venedig angestellt wurde, erklärte ihm ein alter Münzarbeiter das Verfahren, nach welchem das granulierte (gekörnte) Gold in viereckigen Kästchen aus gebranntem Ton in ein Zement aus Ziegelmehl, Eisenvitriol und Kochsalz eingehüllt, einer schwachen Hitze durch etwa 30 Stunden ausgesetzt wurde. Allerdings handelte es sich bei diesem Vorgang nicht um die Schmelzung von Wasch- oder Freigold, sondern nur um die letzte Puriiikation des durch andere Prozesse gewonnenen, aber noch nicht vollkommen reinen Goldes. Der chemische Vorgang besteht dabei in der Überführung des Silbers in Chlorsilber, in dem das durch die Einwirkung des Eisenvitriols aus dem Kochsalze freiwerdende Chlor an das Silber tritt. Das flüssige Chlorsilber zieht sich dann in das poröse Steinpulver ein. Vitruvius und Plinius erzählen, daß das Gold auch durch Amalgamation gereinigt wurde. Das vom letzteren beschriebene Verfahren ist fast dasselbe, dessen wir uns heutzutage bedienen. Das durch beigemengte Erden und sonstige fremdartige Bestandteile verunreinigte Gold wurde in Gefäßen mit Quecksilber gerührt, wodurch ein Amalgam entstand, das man zwischen Leder auspreßte, um das überflüssige Quecksilber zu entfernen. Das im Leder zurückgebliebene feste Amalgam wurde dann geglüht, worauf das Gold zurückblieb (215). Es ist dies die sogenannte Zementation des Goldes, die „Ciment", wie es in der „Goldkunsthandlung" der altberühmten Münzstätte Kremnitz genannt wurde. Ein Verfahren übrigens, dessen Geheimnis durch Jahrhunderte hindurch von ganz wenigen Eingeweihten ängstlich und sorgsam gehütet wurde. „Zur Reinigung des Silbers bedienten sich die Alten des Bleies, wie dies — neben anderem Verfahren — auch heute noch geschieht. Wird das Blei mit unreinem Silber (oder Gold) bei Zutritt von Luft geschmolzen, so oxydiert es und veranlaßt auch die anderen beigemengten Metalle zu oxydieren und sich zu verflüchtigen oder sich in eine poröse Unterlage einzuziehen, so daß nach einiger Zeit das Silber (und auch das Gold) rein zurückbleiben." Um das Gold vom Silber zu scheiden, wandte man schon in der Antike die oben dargelegte Zementation an, indem man die Legierung mit Kochsalz oder Schwefel erhitzte, wobei sich Chlorsilber oder Schwefelsilber abschied. Ob dagegen die Scheidung mittels Schwefelantimons, d. i. das Gießen des Goldes durch Spießglanz, den Alten schon bekannt war, ist ungewiß. Sicher aber wurde diese Methode im Mittelalter angewendet: die Gold-Silber-Mischung „wurde mit Spießglanz zusammengeschmolzen, wobei sich zwei Schichten, eine schwerere von Antimongold, dem Regulus, und eine leichtere, das Plachmal, bestehend aus Schwefelsilber, vermengt mit Schwefelkupfer, Schwefelantimon etc. und etwas Antimongold, bildeten. Nach dem Erkalten wurde das Plachmal wiederholt 28

umgeschmolzen, um das noch enthaltene Antimongold ganz abzuscheiden. Dieses wurde dann mit dem zuerst erhaltenen Antimongold unter Anwendung eines Blasbalges in Schmelzfluß gebracht, wobei sich das Antimon verflüchtigte und das reine Gold zurückblieb. Das Silber aus dem goldfreien Plachmal wurde ebenfalls durch oxydierende Schmelzung oder durch Abtreiben mit Blei gewonnen" (215). Dieses alte Verfahren wurde noch in neuerer Zeit in einer kleinen Modifikation mittels Antimonium crudum, einer Schwefelantimonverbindung, im Wiener Hauptmünzamte angewendet. Der k. k. Hofsekretär R. v. G E R S D O R F hatte es 1827 ersonnen; es hielt sich trotz günstiger Resultate nicht lange, weil es durch ein weit vorteilhafteres Scheideverfahren abgelöst wurde. Mit der Entdeckung der Säuren begann die Scheidung der beiden Edelmetalle auf nassem Wege. Zuerst wurde mit Salpetersäure geschieden. Dem berühmtesten arabischen Alchimisten I B N H A I J A N D S C H A B I R , der in Europa unter dem Namen G E B E R bekannt war und dessen Schriften in Europa lange die Grundlage der Chemie und der Goldmacherkunst bildeten, ist es als erstem zu Beginn des 9. Jahrhunderts gelungen, diese Säure und andere Mineralsäuren durch Destillation des Salpeters mit Alaun darzustellen; es ist dies das „Scheidewasser". Dieses Verfahren beruht auf der Unlöslichkeit des Goldes und der Lösbarkeit des Silbers und anderer Metalle und heißt „Scheidung durch die Quart" (215). Der Name rührt von der Eigentümlichkeit her, daß das Gold in der Mischung nur ein Viertel ausmachen darf, um durch die Salpetersäure vom Silber geschieden werden zu können. „Die durch Gießen des geschmolzenen Metalls in Wasser, in möglichst fein gekörntem Zustand überführte Legierung wurde in Steingefäßen, später in einer Platinblase mit Salpetersäure übergössen und vorsichtig erhitzt. Die Säure löste das Silber und andere Metalle auf und ließ das Gold als braunes Pulver zurück. Dieses wurde nach verschiedenen reinigenden Operationen mit Flußzusätzen geschmolzen, während man aus der abgegossenen Flüssigkeit das Silber entweder durch Kochsalz als Chlorsilber oder durch eingelegtes Kupfer oder Eisen als regulinisches Silber fällte und dann schmolz" (215). Das Rezept dieses Scheideverfahrens, das im großen zuerst 1403 in Paris eingeführt worden war, wurde anfangs sehr geheimgehalten, gewann aber trotzdem bald große Verbreitung. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts aber begann man sich der weit billigeren Schwefelsäure als eines lösenden Agens zu bedienen. Die neue Methode wurde seit 1825 in fast allen großen Affinieranstalten angewendet. Eine Schwierigkeit bestand dabei einmal in der großen Kostspieligkeit der nötigen Platinkessel und in dem Umstände, daß „sich das metallische Gold so fest an die Wände des Platingefäßes ansetzt, daß es nur schwer davon losgemacht werden kann" (215). Bald darauf aber machte der preußische Commercienrat Dr. H A M P E L die wichtige Entdeckung, daß Gußeisen selbst gegen erhitzte konzentrierte Schwefelsäure immun sei und daher gußeiserne Kessel anstelle von Platinkesseln verwendet werden könnten. „Der österreichischen Regierung gebührt das Verdienst, diese Methode zuerst eingeführt zu haben" (215). Auch bei ihr wird das Gold-Silber-Gemisch zuerst fein gekörnt, dann in Gußeisenkesseln mit Schwefelsäure übergössen und das Ganze dann erhitzt. Nach mehrstündigem Kochen haben sich Silber oder Kupfer usw. völlig in schwefelsaure Verbindungen verwandelt, während das Gold als braunes Pulver zurückgeblieben ist. Die abgehobene Flüssigkeit wird sodann mit Wasser verdünnt und das Silber daraus durch Kupferbleche u. dgl. als grauweißes Pulver niedergeschlagen. Es wird dann noch einigen Prozeduren unterworfen und endlich geschmolzen. Aus dieser Flüssigkeit wird als Nebenprodukt noch das als Handelsartikel gesuchte Kupfervitriol gewonnen. 29

Damit war endlich ein wirklich rentables Scheideverfahren entdeckt, das die älteren, kostspieligen Methoden mit ihren Metallverlusten weit in den Schatten stellte. War es doch, um nur ein Beispiel zu nennen, um das Jahr 1500 und auch noch später nicht möglich, ein vollkommen reines Silber darzustellen. Es gab demnach damals kein wirkliches lölötiges Feinsilber, sondern nur ein 151ötiges. Um den Gold- oder Silbergehalt einer Legierung zu bestimmen, mußte sie probiert werden. Dieser Vorgang war ebenfalls schon im Altertum bekannt, wurde aber wahrscheinlich erst dann auch wirklich angewendet, als man nicht mehr reines Edelmetall verwendete, sondern es legierte. Unter Legierung oder Beschickung versteht man die Zusetzung von so viel Kupfer oder Silber zum Golde, wie es der Münzfuß vorschreibt. Das Amt des Probierers oder Wardeins, über dessen Funktion wir weiter unten beim Münzpersonal noch Näheres hören werden, war infolgedessen ein besonders verantwortungsvolles und schwieriges. Es gab verschiedene Methoden des Probierens. Eine der ältesten war die durch Glühen, indem man die Münzen auf glühenden Kohlen erhitzte, färbte sich das Stück dunkel, so galt dies als Zeichen größeren Kupferzusatzes, denn die Farbe blieb um so reiner, je weniger Verunreinigungen vorhanden waren. Den Alten war übrigens auch schon die Reinigung der Edelmetalle durch Verschmelzen mit Blei bekannt, was vermuten läßt, daß die Proben auf diesem Wege schon sehr frühzeitig ausgeführt wurden. Auch der Probe auf dem Probierstein, der Strichprobe, bediente man sich schon in frühester Zeit. Der Probierstein ist ein schwarzer Stein (Prüfstein, Lapis Lydius), auf dem die Münze durch Reibung einen metallischen Strich zurückläßt, der mit Scheidewasser, also verdünnter Salpetersäure, befeuchtet wird. Verschwindet der Strich, so ist die Münze nicht aus Gold, da Salpetersäure das Gold nicht angreift; verlöscht er nur wenig, enthält die Münze Gold, erhält er sich unbeschädigt, so ist das probierte Stück aus Feingold. „Als Maßstab für den Feingehalt dienen Systeme von Nadeln mit bekanntem Feingehalt, deren Striche, ebenfalls mit Scheidewasser befeuchtet, mit jenem Münzstriche verglichen werden. Ein solches System enthielt bis 30 Nadeln von 24 bis 12 Karat Feine. Die Systeme für Silbermünzen haben meist nur Unterschiede von 1 Lot und werden ohne Befeuchtung mit Säuren benutzt" (1088). Diese Methode ist erst nach Entdeckung der Säuren, deren Herstellung lange nicht bekannt war, verfeinert worden. Wegen seiner Raschheit und Verläßlichkeit gewann dieses Probeverfahren rasch an Bedeutung, während man sich früher auf die Vergleichung der Farbe der Striche beschränken mußte. Jetzt ist es mit Hilfe der Probiernadeln möglich, den Feingehalt von Gold- oder Silberlegierungen auf 5/1000 zu bestimmen! Ein anderes Verfahren, das sich mit geringen Veränderungen bis auf den heutigen Tag erhalten hat, ist das Probieren auf trockenem Wege oder die Kupellenprobe. Die Kupelle (irrtümlich auch „Kapelle" genannt) ist „ein aus Holz- oder Knochenasche oder aus einem Gemisch aus beiden bestehendes, sich unten verjüngendes weißes Gefäß, dessen Unterseite glatt und dessen etwa 30 mm im Durchmesser betragende Oberfläche mit einer mulden- oder napfartigen Vertiefung versehen ist" (1088). Die mit Hilfe der Kupelle durchgeführte Probe „beruht auf der leichten Oxydierbarkeit des Bleies in der Hitze und auf der Eigenschaft der verschiedenen Bleioxydverbindungen, Sauerstoff an die unedlen Metalle abzugeben und diese zu verschlacken. Die Schlacke wird größtenteils von der Kupelle aufgesogen, bis die in der zu probierenden Legierung enthaltenen Edelmetalle allein zurückbleiben und nach Abscheidung des letzten Oxydhäutchens der ,Silberblick' eintritt" (1088), also reines Silber. Diese Prozedur vollzieht sich im Probierofen, wo das Silber eingeschmolzen, oder wie man auch sagt, abgetrieben wird. Das Gewicht der vorher 30

genau abgewogenen Metallmenge ergibt den Feingehalt des probierten Silbers bzw. der Legierung. Wenn diese etwas Gold enthielt, so wird das auf der Kupelle erhaltene Körnchen in Salpetersäure aufgelöst und das als braunes Pulver zurückbleibende Gold getrocknet und dann abgewogen. Ist die Legierung aber stark goldhältig (was die Strichprobe erkennen läßt) oder ist Gold selbst zu probieren, so wird das Probestückchen unter Anwendung von Blei mit Silber auf der Kupelle zusammengeschmolzen, quartiert und abgetrieben. Es ist selbstverständlich, daß bei allen diesen Prozessen eine Reihe wichtiger Vorschriften beachtet werden muß. Aber trotz aller Vorsicht ist das Ergebnis nie vollkommen genau gewesen. Erst durch die Einführung der volumetrischen Analyse in der Chemie konnte wenigstens das Silber mit nahezu absoluter Genauigkeit probiert werden. Es gibt drei andere Methoden, die kurz gestreift werden müssen. Die eine ist die Tiegel- oder Granalienprobe, wobei man unter Tiegel die meist aus reinem Ton mit Kalk und Bierhefe oder aus Graphit und Ton geformten Gefäße versteht, in denen die legierten Münzmetalle geschmolzen werden. Die Probe ist nur die Begutachtung einer aus einem solchen Schmelztiegel kurz vor dessen Entleerung vom Wardein geschöpften kleinen Menge flüssigen Münzmetalls. Sie wird in einen halb mit Wasser gefüllten kupfernen Löffel gegossen, unter gleichzeitiger Bewegung des Wassers mit einer Reisigrute. „Hierdurch sondert sich das Metall in sehr kleine runde Körner, die Granalien, von denen ein bestimmtes Gewicht zum Probieren gegeben wird. Je nach dem Ausfall der Probe kann der Masse Edelmetall oder Kupfer nachgesetzt werden, um den Münzen die gesetzliche Feinheit zu sichern" (1098). Dann gab es auchnoch eine Zain- oder Stockprobe, mit der in der Neuzeit im Gegensatz zur flüssigen Tiegelprobe die Probierung der Zaine oder der fertigen Münze vorgenommen wird. „Stock- oder Zainproben heißen auch die Stücke selbst, die zur späteren Kontrolle in ein Papier geschlagen und darin versiegelt werden, auf dem Datum, Gewicht und Feinheit des Werks, Zahl der daraus geprägten Münzen und Namen der Münzbeamten verzeichnet werden. Diese Umschläge werden in einer verschließbaren Büchse (Fahrbüchse) aufbewahrt. Die Proben wurden entweder vom Zain abgeschnitten oder es waren ganze oder Teile der fertigen Münzen." Unter Werk oder Guß verstand man die Masse der aus einer Tiegelschmelzung gewonnenen Münzen und deren Abfälle. Unter Schroten versteht man die Überreste nach dem Ausschneiden oder Ausstanzen der Platten, während Zessalien (Szissalien oder Zisalien) die Bezeichnung für mißglückte Schrötlinge oder Münzen ist. Jedes Werk wird für sich durch die beiden vorgenannten Methoden probiert und berechnet (Probierzettel). Schließlich hat die schon erwähnte Einführung der volumetrischen Chemie die von Gay LUSSAC, Probierer des Pariser Bureau de Garantie, im Jahre 1830 empfohlene Probiermethode auf nassem Wege ermöglicht. Bei ihr wird die Silberprobe in Salpetersäure gelöst und das Silber durch eine Kochsalzlösung als Chlor- oder Hornsilber gefällt. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhange noch die Vor- und die Nachbeschikkung. Die Vorbeschickung war „bis in die vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts die über den Münzfuß zugesetzte Menge an Kupfer, die nach der Erfahrung im Laufe der Arbeit durch Verbrennen oder Sieden verlorenging" (1088). Eine Ergänzung der Vorbeschickung war die Nachbeschickung. Sie war bis zur selben Zeit „der Zusatz an Kupfer, der bei der Schmelzung sowohl des Frischguts als auch der Abgänge beigegeben wurde, wenn die Tiegelprobe anzeigte, daß durch Verbrennen des Kupfers die Masse zu hoch angereichert war . . . Seitdem ist die Nachbeschickung das Gewicht an Kupfer, das vom Frischgutschmelzer zum Ausgleich des durch Glühen und Beizen (Sieden) der Zwischenprodukte eintretenden 31

Kupferverlustes und der hier durch bedingten Anreicherung des Feingehalts zugesetzt wird" (1088). d) Mün^gewicht. Waren diese umständlichen und zeitraubenden Manipulationen mit dem Münzmetall beendet, konnte mit der Ausprägung begonnen werden. Bei den verwendeten, keineswegs vollkommenen Münzgerätschaften wie Waagen und Hohlmaßen waren aber trotz aller Vorsicht noch immer gewisse Fehlleistungen möglich, insbesondere bei dem Gewicht der einzelnen Münzen. Durch das Justieren wurde die Platte auf das genaue, vom Münzfuß vorgeschriebene Gewicht gebracht. Es gab da zwei Methoden: al peago, wobei in zeitraubender Weise Stück für Stück gewogen werden mußte, und al marco, wo eine Anzahl von Münzplatten, die einer Gewichtsmark entsprach, zugleich gewogen wurde. Bei dieser Wägung ersparte man natürlich sehr viel Zeit, „da es nur darauf ankam, daß eine bestimmte Anzahl von Stücken eine Mark wog, lief aber immer Gefahr der Kipperei Vorschub zu leisten, weil die einzelnen Stücke verschieden schwer sein konnten. Dieser Name kommt von der Tätigkeit der Münzverfälscher her, nach dem Auflegen der Münze auf die Waage, das Wippen der Schale und das Kippen der schweren Stücke nach der Seite, wo das gute Geld lag. Dieses Verfahren wäre bei den kleinen geringwertigen Scheidemünzen angängig gewesen, wurde aber auch noch im 18. Jahrhundert häufig für größere angewandt. Das Justieren Stück für Stück ist immer Handarbeit: der Arbeiter legt die Platte auf die Waage und zieht den Waagbalken in die Höhe, da die Schalen auf der Unterlage ruhen; daher der so häufige Ausdruck des .Aufziehens' einer Münze statt des Wiegens. Ist die Platte zu leicht, so wird sie eingeschmolzen, ist sie zu schwer durch Befeilen der Oberfläche oder ihres Randes auf das richtige Gewicht gebracht. Die Justierung geschah bis ins 19. Jahrhundert mit Justierfeilen, wodurch oft störende, das Bild beschädigende Feilstriche stehen blieben, da der Prägeschlag diese nicht immer ausglich" (1088). In Österreich sind hauptsächlich die Silbermünzen der Kaiserin Maria Theresia, ihres kaiserlichen Gemahls Franz I. und ihres ältesten Sohnes Joseph II. von dieser Justierung betroffen. Die Schädigung des Münzbildes oder die Randbefeilung wurde erst durch die in den zwanziger Jahren des 19. Jahrhunderts eingeführten Schabemaschinen beseitigt, die das durch die Justiermaschine festgestellte Übergewicht in hobelnder Weise wegnahmen. Ganz aber ist das Einzeljustieren nicht zu vermeiden. Um die Befeilung durch unbefugte, natürlich unlautere Elemente und damit eine Verminderung des Münzgewichtes durch Mün^verfälscher (Personen, die echte Stücke durch diese und andere Manipulationen veränderten, im Gegensatz zu den Münzfälschern, die Münzen unberechtigterweise oder aus unechtem Metall anfertigten) zu verhindern, griff man zu dem Mittel der Rändelung oder der Randschrift. Die Randverzierung war neben der Justierung der beste Schutz der Münzen, denn der Rand oder die Kante ist dem Beschneiden oder Befeilen doch am meisten ausgesetzt. Bis zum 17. Jahrhundert hatte man den Rand mit wenigen Ausnahmen vernachlässigt. Dann aber werden die Gold- und die Großsilbermünzen in immer zunehmendem Maße mit einem Randschutz versehen, dessen Beschädigung auch dem einfachen Menschen schnell bewußt wird. Zur Ausführung dieses Schutzes diente ein Rändelwerk, „mittels dessen der Rand (die Kante) der Münze mit erhabener Schrift oder Verzierung oder einfacher Kerbung oder Reifelung versehen wird . . . Am Ende des 17. Jahrhunderts eingeführt, bestand es aus zwei geraden oder kreisbogenförmigen eisernen Streifen, deren Innenseiten die vertiefte Verzierung oder Schrift trugen und durch die die Münze oder Platte in rollender Bewegung durchgezwängt wurde, wodurch der Rand erhabene Verzierung oder Schrift erhielt. Erhabene 32

Schrift zeigen die Ränder fast aller Taler Österreichs und Frankreichs im 18. Jahrhundert" (1088). Die Randschrift der österreichischen Münzen brachte neben allerhand Verzierungen stets den Wahlspruch, die Devise des Herrschers. Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Rändelwerk durch die Ringprägung ersetzt. Sie wurde um 1790 durch den französischen Medailleur Jean Pierre D R O Z erfunden, der einen aus „drei oder mehr Teilen bestehenden, auf der Innenseite mit Schrift oder Verzierung versehenen gebrochenen Ring (Virole brisée)" verwendete, der sich in einem starken Rahmen befand, aus dem er nach jedem Prägestoße herausgestoßen wurde, ein Verfahren, durch das zwar wirklich kreisrunde Stücke entstanden, das aber zu langsam war, um auch bei Geldmünzen angewendet zu werden. „Bald darauf erfand der Pariser Mechaniker GENGAMBRE die Prägung im ungeteilten glatten Ringe. Bei ihm wurde die Münze durch die Rändelmaschine mit einer Rändelung versehen, und zwar die Schrift oder die Zierate vertieft, die dann der glatte Ring nur wenig zusammendrückte. Diese Technik verdrängte den gebrochenen Ring seit 1815. Durch sie haben die Münzen ihre moderne Form, die zur Oberfläche scharf senkrecht abgeschnittene Kreisfläche des Randes erhalten" (1088). In den österreichischen Münzstätten wurde die Ringprägung im Jahre 1831 eingeführt, wobei anzumerken ist, daß die Mariatheresientaler auch weiterhin ohne Ring geprägt werden; sie haben daher ihren schönen Klang bewahrt, der allen im Ringe geprägten Münzen fehlt. Die Einführung der Ringprägung fällt mit der Abschaffung der schwerfälligen alten Spindelwerke zusammen, die nicht nur bekanntlich eine große Bedienungsmannschaft brauchten, sondern auch langsam arbeiteten ; sie konnten durchschnittlich in der Minute nur 30 Stöße geben. Außerdem wird jetzt der die Oberfläche der Münze begrenzende schmale erhabene Reif, das Stäbchen, zum Schutze des Münzbildes, das über das Stäbchen nicht emporragen darf, verwendet. Meistens ist zur Verzierung innerhalb der Stäbchen noch ein Perlreif angebracht. In früheren Zeiten war das Münzbild von der Umschrift meist durch eine oft verzierte Kreiseinfassung abgesondert. 6. Münzpersonal Eine Münzstätte oder, wie man sie in Österreich auch nannte, ein Münzhaus, benötigte je nach ihrer Kapazität ein ansehnliches Personal, wenn es sich nicht um eine Heckenmün^stätte handelte, die nur schnell und viel schlechtes Geld prägen sollte. An ihrer Spitze stand der Män^meister. Der Umfang und der Auftrag seiner Stellung ist nach Ort und Zeit verschieden. Im Grunde aber ist er während des Mittelalters ein privatrechtlicher Unternehmer, während er in der Neuzeit immer mehr nur Techniker und Beamter wird. Wie wir im Laufe der geschichtlichen Darstellung noch wiederholt hören werden, ist er allerdings verhältnismäßig oft kein Angestellter, sondern Pächter, der in diesem Falle natürlich auf eigene Rechnung münzt. Im 12. und den folgenden Jahrhunderten aber hatten sich zum Zweck der Ausmünzung in vielen deutschen und drei österreichischen Städten eine sogenannte Mün^erhausgenossenschaft zusammengetan, zuerst in Wien, wo ihr Recht bis in das Ende des 12. Jahrhunderts zurückreicht, dann in Graz 1436, in Krems 1463. Die Mitglieder dieser Verbindungen nannten sich Hausgenossen und gehörten fast durchwegs zum städtischen Patriziat, jedenfalls zur finanziell leistungsfähigen Oberschicht, da das Münzgeschäft oft mehr Geld verschlang als es eintrug. Der Grund f ür die Bildung dieser Korporationen waren die dem Münzherrn unbequeme Verantwortung und seine gegenüber dem reich gewordenen Stadtbürgertum geminderte 33

finanzielle Leistungsfähigkeit. Diese Körperschaft, der von dem Münzherrn die Besorgung der Münze als dauerndes Recht mit mancherlei Begünstigungen eingeräumt wurde, ist eine speziell deutsche Einrichtung. An ihrer Spitze stand ein frei ernannter Münzmeister. Die Hausgenossenschaft kommt nur an wirtschaftlichen Brennpunkten vor, in Deutschland meist in bischöflichen Städten, in Österreich eigentlich nur in Wien, als Umschlagplatz gegen Ungarn und den Osten überhaupt. Die Hausgenossenschaften in Graz und Krems sind Spätlinge, die, wie wir in anderem Zusammenhange noch hören werden, ganz besonderen Umständen ihre Entstehung verdankten. Als im 11. Jahrhundert das Münzrecht aus den Händen des Königs vielfach in die der Landesherren gelangte, scheinen sich vielfach die Großkaufleute, die Silber zur Prägung in die Münze brachten, besonders wohl die freien Edelmetallhändler, allmählich zu einer festen Körperschaft zusammengeschlossen zu haben, wobei nicht gesagt ist, daß diese Kaufleute nicht auch andere Handelsgeschäfte betrieben. In Wien war die Hausgenossenschaft schon deshalb eine dringende Notwendigkeit, weil es in der Zeit ihrer Entstehung in den österreichischen Landen so gut wie keine Silberbergwerke gab, während die Wiener Kaufleute durch das aus Ungarn beschaffte Silber im ganzen Mittelalter die Silbergrube für Oberdeutschland bildeten. Der Münzmeister der Hausgenossenschaften war in dieser angesehenen Körperschaft nicht nur kein Beamter, sondern vielmehr ihr leitender Vorsitzender; ihm oblag „Frieden, Ordnung und Recht aufrechtzuerhalten, die ihm zustehenden Gerichtsbefugnisse in Münzsachen zu versehen, alle technischen Vorgänge bei der Münzbereitung zu überwachen und zu leiten und beim ganzen Prozesse der Münzfabrikation nach bestem Wissen und Gewissen zu verfahren, Pflichten, die er bei seiner Anstellung mit einem Eide als solche anzuerkennen hatte" (1088). Wie schon angedeutet, änderte sich die Organisation des Münzbetriebes in entscheidender Weise. Die leitenden Personen in den Münzstätten wandelten sich aus Mitgliedern einer gemeinwirtschaftlichen Körperschaft zu Beamten. Mit dem Eindringen des Römischen Rechts war ja überall in den landesfürstlichen Ämtern ein Beamtentum entstanden. Da die Münzstätten staatliche Ämter wurden, mußten auch ihre Angestellten dem Beamtenstatus angehören. Das gilt ebenso für jene Münzstätten, die, wie z. B. in Kärnten und in der Steiermark, durch den Landesfürsten aus finanziellen Gründen an die Landstände, die Landschaften, verpachtet worden waren. Auch hier war der Münzmeister noch immer eine angesehene Person, aber sein Pflichtenkreis war auf die Münzprägung allein eingeengt. Er wurde immer mehr und mehr zum „Techniker und Beamten", der seine Weisungen von der landesfürstlichen Kammer bzw. von den ständischen Verordneten erhielt. Neben ihm stand der Wardein, der stets — im Falle einer Verpachtung der Münze als einziger — landesfürstlicher Beamter war. Der Wardein war der Versucher oder Probierer, der das andere Münzpersonal und in erster Linie den Münzmeister auf korrekte Gebarung hin zu kontrollieren hatte. Er war also im Grunde dessen Gegner, ja sogar pflichtgemäß sein Feind, wie es einmal expressis verbis gesagt wurde: „Le quardain doibt estre ennemy maistre de la monnaie" (Gorkum 1587). Nicht umsonst kommt das Wort Wardein von „Warda" (Quarda = Wache). Die Aufgabe des Wardeins war aber nicht nur die Kontrolle des Münzmeisters direkt, sondern er hatte auch die Feinheit des Metalls zu probieren und es zu wägen; auch die schon erwähnte Justierung gehörte zu seinem Pflichtenkreis. Überdies trug er die Verantwortung für den Schlagschatz und für den Münzfuß, „zwei äußerst schwer zu vereinende Aufgaben, wenn der Münzherr, was nicht selten geschah, um den Schlagschatz zu vergrößern oder bei steigenden Münzkosten 34

wenigstens nicht sinken zu lassen, dem Münzmeister durch die Finger sah, wobei der Wardein unbequem wurde. Darum ist seit dem 16. Jahrhundert dem Wardein die Aufsicht über den Schlagschatz meist abgenommen und dem Münzschreiber oder der Kammer übertragen worden. Kontrolleur des Münzmeisters ist er immer geblieben, er führte die Tiegel- und Stockproben aus" (1088). Münzmeister und Wardein waren also die beiden Hauptpersonen einer Münzstätte, wobei das oben gesagte nur als Grundregel zu werten ist, da jedes Land und jede Münzstätte naturgemäß ihre Besonderheiten hatte, die — soweit Instruktionen für das Personal erhalten sind — fallweise noch hervorgehoben werden sollen. Zum Münzpersonal gehörte außerdem eine je nach der Bedeutung der Münzstätte größere oder kleinere Anzahl anderer Angestellter: etwa Eisenschneider und Schmiede. Unter ihnen fiel zur Zeit der Walzenprägung insbesondere dem Wellenschmied, der für die Prägewalzen verantwortlich war, eine ganz besondere Bedeutung zu. Ferner gab es Schlosser, Tiegelwärter, Zimmerleute, Münzscheider, Münzschreiber und endlich die Münzarbeiter oder schlechthin die Münder oder, wie sie im Mittelalter genannt zu werden pflegten, die Mün^knechte. Man sieht, die Münzprägung war zu allen Zeiten eine recht aufwendige Angelegenheit, die Münzkosten in angemessenen Grenzen zu halten daher keine Kleinigkeit, da sie von verschiedenen Faktoren abhingen, die zu beeinflussen nicht immer im Bereich der Möglichkeit lag. In ruhigen Zeiten konnte man mit festen Zahlen kalkulieren, doch das war selten genug der Fall. In unruhigen Zeiten hingegen war bald der Münzfuß gefährdet. Zahlreiche Münzherren, kleine wie große, haben die Münzprägung a priori als ein einträgliches Geschäft betrachtet; viele davon haben es jedoch in einer so schamlosen Weise ausgenützt, daß nicht nur im eigenen Lande, sondern mehr noch in den Nachbarstaaten größte wirtschaftliche Schäden entstanden. Nach einem uralten Gesetz (dem sogenannten Greshamschen Gesetz) pflegt die schlechte Münze stets die gute zu verdrängen. Die Abwehr dieser schlechten Münzen füllt viele Seiten der österreichischen Münzgeschichte, denn seitdem Mitglieder der Casa d'Austria in einer nur durch die fünf Regierungsjähre Karls VII. von Bayern unterbrochenen Reihe bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation die Kaiserkrone trugen, haben sie es mit als eine ihrer vornehmsten Pflichten erachtet, ihren Ländern eine gute Münze zu geben. Daß es ihnen nicht immer gelang, gelingen konnte, wird die Darstellung des historischen Ablaufes zu zeigen versuchen.

B. Die Bedeutung der Münzkunde für die angrenzenden Wissenschaften

Die Numismatik, wie die Münzkunde meist und nicht selten abschätzig genannt wird, hat lange Zeit geradezu erbittert um ihre Anerkennung wenigstens als Hilfswissenschaft ringen müssen. Erst durch die unübertroffene und unübertreffbare wissenschaftliche Tätigkeit des österreichischen Rechtshistorikers Arnold L U S C H I N S VON E B E N G R E U T H konnte man ihr, wenn auch oft nur widerwillig, die allgemeine Anerkennung als Wissenschaft nicht mehr versagen. Wenn man aber das Geld als einen der wichtigsten Faktoren des wirtschaftenden Lebens ansieht — und das ist heute mehr denn je der Fall —, wird auch der Laie zugeben müssen, daß die Kenntnis vom Gelde älterer und ältester Zeiten ihre Daseinsberechtigung hat. Der Historiker aber wird erkennen, daß seine Wissenschaft 35

sichtbar und vielleicht mehr noch unsichtbar dem Gelde aufs engste verbunden ist. Ich wage sogar zu behaupten, daß keine Sparte der historischen Wissenschaft so viele Kenntnisse auf ihr im Grunde artfremden Gebieten erfordert wie die Münzkunde, soll sie nicht von ihrem wissenschaftlichen Niveau zu einer bloßen Sammeltätigkeit herabsinken. Diese vielseitigen Erfordernisse sollen im nachfolgenden kurz erörtert werden. 1. Politische Geschichte Es ist leider eine alte Erfahrung, daß bei der Abfassung von mehr oder weniger wissenschaftlichen Abhandlungen über ein Thema der Münzgeschichte bei der Schilderung des historischen Rahmens durch kritiklose Übernahme von Darstellungen aus der Sekundärliteratur zu wenig Sorgfalt angewendet wird. Das führt oft zu einer völligen Verzerrung des geschichtlichen Tatbestandes. Die Numismatik aber, als Wissenschaft von der Münze, beansprucht einen hohen Grad von Kritik und Kritikfähigkeit. Dies gilt in erster Linie für das frühe Mittelalter, dessen Münzen infolge ihrer primitiven Technik oft inschriftlos sind oder auch korrumpierte Umschriften aufweisen, wenn der Stempelschneider ein Analphabet war. Sie geben daher oft erhebliche Rätsel auf, die nur auf Grund einer von verschiedenen Seiten her (Münzbild, Gewicht, Fundort und Fundumstände, metallurgischer Befund usw.) ansetzenden Kritik gelöst oder einer Lösung nahegebracht werden können. Gleichgültig, ob es sich um einen Fund inländischer oder ausländischer Münzen handelt oder um Zuweisung schon von früher her bekannter Stücke an ein bestimmtes Land oder an ein bestimmtes Gebiet, immer wird man zu dem rein numismatischen Befund auch die Geschichte des Gebietes, seiner Herrscher und nicht zuletzt der gleichzeitigen Verhältnisse zu Rate ziehen müssen, um zu einem Ergebnis zu gelangen. Oft wird man schon bei der Auswahl der zu befragenden Literatur, gleich wie bei jeder anderen historischen Untersuchung, die kritische Sonde anlegen müssen, um nicht von vornherein in die Irre geführt zu werden. Umgekehrt aber kann auch die politische Geschichte von der Numismatik weitgehend befruchtet werden. Wilhelm BAUER hat festgestellt, daß man die Münze in gewissem übertragenen Sinne als Urkunde bezeichnen und die kritischen Methoden auf sie anwenden könnte, die in der Urkundenlehre gang und gäbe sind. „Nicht nur für die Geschichte von wirtschaftlichen Verhältnissen und Beziehungen, auch für allgemeine Kulturverhältnisse kann uns die Münzkunde Aufschluß geben. Preis-, aber auch Rechtsverhältnisse lassen sich durch sie erschließen. Künstlerische und religiöse Vorstellungen offenbaren sich uns im Münzbilde. Die politische Geschichte kann an ihnen ebensowenig achtlos vorübergehen. — Umgekehrt wird sich der Historiker hüten müssen, die Münze als etwas zu betrachten, das losgelöst vom wirtschaftlichen, rechtlichen, kulturellen Leben besteht. Er kann all der Fragen der Münz- und Geldgeschichte nur Herr werden, wenn er sie auf Grund gediegener volkswirtschaftlicher, rechts-, verfassungs- und wirtschaftsgeschichtlicher Kenntnisse mit den Mitteln der Numismatik behandelt. Erst auf diese Weise werden die Münzen wirklich als Quellen ausgewertet werden können" (38). Diese Forderungen hat, soweit ich sehe, von berufener historischer Seite aus als erster eben Wilhelm BAUER in einprägsamer Form aufgestellt. Noch Ernst BERNHEIM hat in seinem „Lehrbuch der Historischen Methode" — abgesehen von verstreuten Erwähnungen im übrigen Text — der Münzkunde ganze 11 Zeilen und 1 % Seiten Literaturangaben gewidmet und nur die große Rolle betont, die das Gewicht bei Beurteilung der Münzen spielt und daß andererseits „die Münzkunde zur Erkenntnis der Gewichtsein36

heiten beiträgt. Neuerdings sind die Gebiete um so mehr in Verbindung miteinander getreten und von größter Bedeutung geworden, als sie den Interessen der Wirtschaftsgeschichte hinsichtlich der Wert- und Preisbestimmung dienen" (68). Das ist gewiß richtig, aber doch viel zu wenig, um die richtige Bedeutung der Münzkunde für die Geschichtswissenschaft zu verdeutlichen! 2. Wirtschafts- und Verkehrsgeschichte Daß die Wirtschaftsgeschichte, und hier natürlich vor allem die Handelsgeschichte, an der Münzkunde besonders interessiert ist, braucht wohl nicht eigens betont zu werden. Ist doch hier — nach dem Aufhören der Naturalwirtschaft — die Münze jene Form des Geldes, in der sich der Gütererwerb abwickelt, nicht mehr durch Tausch von Ware gegen Ware, sondern durch Kauf und Verkauf, in dem die Münze das vermittelnde Medium abgibt. Da sich sowohl der Binnen- als noch mehr der Fernhandel auf bestimmten Straßen abwickelt, ist deren Ermittlung als Handelsstraße nicht selten den Münzfunden zu danken, die in ihrem Bereich gehoben wurden. Dies gilt insbesondere von jenen Handelswegen, die über das Hochgebirge führen, weil in älteren und ältesten Zeiten schon begehbare Steige genügten, um von einem Hochgebirgstale ins nächste zu gelangen, während heute die Trasse der Gebirgsstraßen von technischen und nicht zuletzt auch von kulturellen Erfordernissen abhängt. Münzfunde treten da manchmal an ganz überraschenden Stellen auf. Verbindet man dann die einzelnen Fundorte, so läßt sich daraus leicht der Zug des Handelsweges ablesen. Natürlich gibt es überall dort, wo Münzfunde mit im Spiele sind, bei der Darstellung des Verkehrsnetzes wie der Währungsgeographie Fehlerquellen, weil wir ja keineswegs alle Funde kennen, die je gehoben wurden. Aber in Gemeinschaft mit anderen Symptomen wird sich doch bei richtiger Auswertung der Funde ein historisch annähernd richtiges Bild ermitteln lassen. Die Erforschung der Preise und Löhne, der Kaufkraft des Geldes und seines Tauschwertes, einer eminent wichtigen Frage für die Wirtschaftsgeschichte, gehört zu den schwierigsten und dornigsten Aufgaben der Münzforschung schon deshalb, weil die Quellen mangelhaft sind und es demgemäß auch um die Literatur schwach bestellt ist. „Zu einer ernsthaften Bearbeitung . . . reicht das Material nicht", sagt der vielleicht beste Kenner der Materie, Alfred Francis PRIBRAM, in der Einleitung zu den „Materialien zur Geschichte der Preise und Löhne in Österreich". Und da „eine den Forderungen der Gegenwart entsprechende Geschichte der Preise und Löhne nicht geschrieben werden kann, solange es an verläßlichem, methodisch einwandfrei und planvoll aufgenommenen Quellenmaterial mangelt" (895), ist es auch in Österreich unmöglich eine solche zu schreiben, da sich — außer zahlreichen thematisch wie chronologisch meist eng begrenzten Arbeiten — selbst die bisher veröffentlichten „Materialien" nur auf Wien, Nieder- und Oberösterreich erstrecken. Dieser einzig vorliegende 1938 erschienene Band — die Arbeit wurde von der Rockefeller-Stiftung finanziert — wurde durch den zweiten Weltkrieg jäh unterbrochen und vorläufig nicht mehr fortgef ührt, zumal der Herausgeber Univ.Prof. Pribram und sein hervorragender numismatischer Mitarbeiter, der Direktor des Archivs der Stadt Wien, Rudolf GEYER, inzwischen verstorben sind. Wenngleich es auch besonders wichtig ist, daß für die „Haupt- und Residenzstadt" Wien die Materialien bis zur deutschen Okkupation 1938 vorliegen, so wäre doch andererseits eine ähnliche Bearbeitung der Quellen der übrigen österreichischen Länder von nicht geringerer Bedeutung, 37

als ja insbesondere Kärnten, Salzburg und Österreich, wie schon mehrfach angedeutet, in der Geschichte des Fernhandels nach Venedig einen ungemein wichtigen Faktor innerhalb der Preisgeschichte darstellen. Vom Standpunkt der Münz- und Geldgeschichte aus gesehen ist die Lohn- und Preisbildung naturgemäß von ganz besonderem Interesse. Denn das Geld ist ja dazu geschaffen worden, um damit zu kaufen und zu verkaufen, und der „Preis ist dann neben dem Gelde das Medium, mit dem Geld- und Tauschgeschäfte abgeschlossen werden". Alles aber hängt vom jeweiligen Werte der Münzen oder der an ihrer Statt verwendeten anderen Zahlungsmittel ab. Dieser Mün^wert aber ist je nach der Aufgabe, der die Münze zu dienen hat, begrifflich durchaus nicht immer derselbe. (Siehe oben S. 20) Zunächst (und das gilt in erster Linie für den Numismatiker) gibt es einen gesetzlichen oder Nennwert, der auf „der durch den Staatswillen erzwingbaren Verpflichtung der Staatsuntertanen" beruht, „die Münze zu dem vom Staat bestimmten Betrag in Zahlung zu nehmen, kurz auf dem Zwangskurs". Der Nennwert hat sich aber nicht immer mit dem Verkehrswert gedeckt. Während im internationalen Geldverkehr heute der jeweilig festgelegte „Kurswert" für den Geldwechsel maßgebend ist, hat in früheren Zeiten oft die Bevölkerung selbst, vor allem die Handelsleute, den Verkehrswert, meist im Gegensatz zu den amtlichen Valuierungen und Tarifierungen, den verschiedenen Münzsorten den „Verkehrswert" beigelegt. Insbesondere bei Kreditmünzen (Notmünzen, münzähnlichen Surrogaten oder bei Münzen aus unedlen Metallen) weicht dieser Kurswert vom Nennwert oft sehr erheblich ab. Der „Tauschwert" schließlich oder die „Kaufkraft" des Geldes aller Art „zeigt sich in dem Verhältnis, in welchem Gütereinheiten anderer Art gegen gewisse Geldeinheiten erworben werden können" (677). Damit sind wir bei unserem eigentlichen Thema, der Geschichte der Preise, angelangt. Auch LUSCHIN (677) zählt die Untersuchungen über den Tauschwert der Münzen zu den schwierigsten Aufgaben der Münzgeschichte. Denn das Steigen oder Fallen der Preise hängt keineswegs immer mit dem Kurswert der Münzen zusammen. Es kann auch durch die Ware selbst — eine konstante Qualität angenommen — verursacht werden: Verteuerung der Materialien, Lohnerhöhungen, Dürre und Viehseuchen usw. „Die Feststellung der Gesetze, nach welchen sich . . . das Steigen und Fallen der Warenpreise vollzieht, ist ganz der Volkswirtschaftslehre zu überlassen, zur Lösung der verwickelten Vorfrage, ob das Geld als solches im Laufe der Zeit an Kaufkraft gewonnen oder verloren habe, und wie groß diese Veränderung sei, ist indessen die Geldgeschichte in erster Reihe berufen" (677). Mit Ermittlung des Nennwertes alter Münzen ist für die Frage nach ihrer Kaufkraft nicht viel erreicht; auch Kurs- und Metallwert allein reichen zu einer Geschichte der Preise nicht aus, wenngleich insbesondere der Metallwert einen wichtigen Beitrag dazu liefert. Somit ist und bleibt die größte Schwierigkeit bei geschichtlichen Untersuchungen über die Kaufkraft des Geldes „die Ausmittelung eines geeigneten Maßstabes, an welchem Veränderungen des Tauschwertes gemessen werden können" (677). Es ist hier nicht der Ort, die verschiedenen Vorschläge und Versuche, die auf dem Gebiete historischer Forschungen über den Tauschwert des Geldes angestellt wurden, anzuführen und zu erörtern; nur soviel sei gesagt, daß sie „als die Quadratur des Zirkels in der Wirtschaftslehre verspottet" wurden. Auf jeden Fall aber ist die leider immer wieder angewendete Methode abzulehnen, alte Münzen in Münzwerte unserer Zeit umzurechnen. Näher an die Lösung des Problems führt eigentlich nun der Versuch heran, „die Veränderung des Geldwertes an den auf Edelmetallmengen reduzierten Warenpreisen zu 38

veranschaulichen. Nur betrachten die auf diese Weise gewonnenen statistischen Reihen die Veränderungen der einzelnen Warenpreise isoliert für sich und müssen daher die in längeren geschichtlichen Abschnitten sehr verschiedenen Funktionen der einzelnen Güter im volkswirtschaftlichen Prozeß außer acht lassen. Zur Behebung dieser Schwierigkeiten ist es nötig, nicht von den einzelnen Waren, sondern vom Verbrauch der verschiedenen Wirtschaftssubjekte auszugehen. So aufschlußreich eine solche Methode ist, auch sie hat für den Wirtschaftshistoriker nur beschränkten Wert". Das heißt mit anderen Worten, daß eine wirklich unanfechtbare, allen Erwartungen entsprechende Methode noch nicht gefunden ist; es würde aber vorläufig genügen, wenn wenigstens die Materialien für eine Geschichte der Preise in allen Ländern, wie es geplant war, bereitgestellt würden. Eine Aufgabe, die abgesehen von allen inneren Schwierigkeiten des Stoffes heute noch schwerer zu bewältigen wäre als vor 1938, da der Zweite Weltkrieg unzählige Unterlagen dazu unwiderbringlich vernichtet oder durch unüberwindliche staatliche Schranken bis auf weiteres der Benützung entzogen hat. Der oben gebrauchte Ausdruck Währungsgeographie ist eine glückliche Wortprägung des Wiener Historikers und Numismatikers Bernhard KOCH. Er zeigt sowohl die klar abgegrenzten Umlaufsgebiete einzelner Münzsorten als auch ihre gegenseitigen Überschneidungen an. Die Kenntnis der Umlaufsgebiete sind dadurch besonders wichtig, weil sie nicht nur Rückschlüsse auf die Auflagenhöhe der Prägungen erlauben (was wiederum auch für die Frage der Metallbeschaffung von Interesse ist), sondern auch die Richtungen des Handels und damit auch die Verkehrswege erschließen. In erster Linie ist diese Währungsgeographie für die Kenntnis des mittelalterlichen Münzwesens von Bedeutung, weil für diese Zeit, wie schon mehrfach erwähnt, nur wenige unmittelbare schriftliche Quellen zur Verfügung stehen, die uns über solche Dinge unterrichten könnten. Für die späteren Zeiten ist die Währungsgeographie jedoch von untergeordneter Bedeutung. Denn „je mehr wir uns der Neuzeit nähern, um so mehr verliert der Darstellungsinhalt der Münze an geschichtlichem Wert. Er wird immer eindeutiger und als Quelle völlig sekundärer Natur" (492). Das gilt nicht zuletzt auch f ü r unser Thema: als nach 1526 ein Großstaat entsteht, sind die in den Münzstätten der einzelnen Länder geschlagenen Münzen einander im großen und ganzen so ähnlich, daß man fast von einer Einheitsmünze sprechen könnte. Der Handel hat sich seit dem Mittelalter z. T. neue Wege gesucht. Der mittelalterliche Straßenzwang ist fortgefallen. Der Kaufmann ist nicht mehr bei schwerer Strafe verpflichtet, ganz bestimmte Straßen zu befahren und seine Waren dann auf bestimmten Plätzen zum Verkauf auszulegen, damit die mit dem Niederlagsrecht begabte Stadt das Vorkaufsrecht habe. Betrachtet man die Münzfunde seit dem 16. Jahrhundert, wird man inländische Sorten aus den verschiedensten Münzstätten antreffen, nicht minder aber auch ausländische Stücke aus vieler Herren Länder. Daraus zu schließen, daß man gerade und ausschließlich mit Kauf leuten aus diesen Gegenden Handel getrieben habe, wäre ein schwerer Irrtum. Denn der fahrende Kaufmann hat auf seinen Reisen oft mehrere Landesgrenzen passieren und dabei die verschiedensten Sorten in seine Geldkatze tun müssen, darunter Sorten, deren man sich ihres schlechten Feingehaltes schnell entledigen wollte und die dann von Ort zu Ort gewandert sind. Solche schlechte Münzen haben sich dann, wie wir noch mehrfach hören werden, in das Geldwesen des Aufnahmelandes förmlich eingefressen, und es hat Jahre, ja oft sogar Jahrzehnte gedauert, bis man sich ihrer wieder entledigen konnte. Natürlich ging dies alles auf Kosten der guten (oder besseren) eigenen Münze, die dann mit großem Profit berufsmäßiger Spekulanten in edelmetallarme Gebiete geschmuggelt wurde. Unter solchen Aspekten auch für die Neuzeit eine „Währungsgeographie" zu 39

schaffen, wäre ein ziemlich aussichtsloses und auch nutzloses Beginnen. Denn zu dieser Zeit ist schon das Papier an Stelle des Urkundenpergaments und der Buchdruck in den Dienst der Abwehr solcher schädlicher Fremdmünzen gestellt. Aus zahlreichen gedruckten oder geschriebenen Münzpatenten wie nicht minder aus den Akten läßt sich der Geldumlauf unschwer ermitteln; die Münzfunde sind um diese Zeit nur mehr eine willkommene Ergänzung des aktenmäßig Festgestellten, nicht mehr wie im Mittelalter die primäre Quelle. 3. Kunst- und Kulturgeschichte Hier ist die enge Beziehung zur Numismatik wohl am deutlichsten und sinnfälligsten. Der kunsthi:»'-irische Befund ist über das rein Ästhetische hinaus aber auch — wiederum besonders für das Mittelalter — eine der wichtigsten und trotzdem leider noch sehr ungenügend ausgewerteten Erkenntnisquellen. Hans TIETZE hat in seinem Buche „Die Methode der Kunstgeschichte" ( 1 1 6 3 ) die Wichtigkeit von Numismatik und Sphragistik für die Kunstgeschichte damit begründet, „daß sie dieser ein historisch bearbeitetes Material zur Verfügung stellen; Siegel und Münzen sind geformte Erzeugnisse, die das Kunstwollen ihrer Zeit erkennen lassen müssen und die durch ihre Erzeuger mit Kunst und Kunstgewerbe direkt zusammenhängen". Leider aber — und das kann nicht oft und nachdrücklich genug betont werden — sind diese Vorteile, die Münzen und Siegel durch ihre Datierbarkeit für die Erkenntnis der allgemeinen Kunstentwicklung bieten, noch nicht genügend ausgenützt worden. „Die eigentliche kunsthistorische Forschung hat sich nur gelegentlich um dieses wichtige Material gekümmert." Obwohl das Buch, dem diese Zeilen entnommen sind, vor mehr als einem halben Jahrhundert erschienen ist, hat sich an dieser leidigen Tatsache kaum etwas geändert. Einige wertvolle Versuche, die Kunst für die Münzgeschichte auszuwerten, wie sie etwa GAETTENS für Fulda ( 2 8 6 ) und JESSE für die Brakteaten zur Zeit Heinrichs des Löwen ( 4 9 6 ) angestellt haben, sind, abgesehen davon, daß sie von Numismatikern und nicht von Kunsthistorikern unternommen wurden, vereinzelt geblieben. Die Kunsthistorie selbst hat — zumindest in Österreich — sich mit den Münzen m. W. noch nicht beschäftigt und damit die in ihnen schlummernden Erkenntnisquellen noch nicht erschlossen. Ein großer österreichischer Kunsthistoriker, Julius v. SCHLOSSER, hat zwar im 18. Bande des Jahrbuches der Kunstsammlungen des ah. Kaiserhauses in Wien im Jahre 1897 eine grundlegende Arbeit über die ältesten Medaillen und die Antike veröffentlicht ( 1 0 6 4 ) , der auch zahlreiche andere auf diesem Gebiete gefolgt sind, die hier nicht aufgezählt werden können. Und doch wäre eine Intensivierung der kunstgeschichtlichen Forschung für die Münze des Mittelalters von größter Bedeutung. Nicht nur, daß unsichere chronologische und historische Einteilungen berichtigt werden könnten, böte ein vergleichender Typenkatalog, ein Bilderatlas, wie ich ihn wiederholt vorgeschlagen habe (940), das Mittel dar, um neu aufgetauchte, bislang unbekannte Stücke gleich richtig bestimmen zu können. Ein solcher Bilderatlas, in dem, um nur ein Beispiel zu nennen, die verschiedenen Darstellungsformen des Löwen oder des Adlers auf Grund eindeutig bestimmter und lokalisierter Stücke aufgezeigt würden, wäre eine wesentliche Unterstützung der mittelalterlichen Münzforschung. Die Bilderwelt dieser Epoche ist unendlich reichhaltig. Denn der Münzer war zu dieser Zeit namentlich in Deutschland und ebenso in den altösterreichischen Ländern so gut wie keinem Zwang in bezug auf die Wahl der Münzbilder unter40

worfen. Wenn ab und zu in Urkunden bei Verleihung des Münzrechts auch das Gepräge der zu schlagenden Münzen festgesetzt wird, so ist dies eine Ausnahme von der Regel. Und so sind es denn stilistische Eigentümlichkeiten, die — neben anderen Merkmalen — bei der Gestaltung des Münzbildes bei gleichem Vorwurf zur Unterscheidung und schließlich zur endgültigen Bestimmung mithelfen. Dies gilt nicht nur für die Zuteilung an eine bestimmte Münzstätte, sondern ebenso auch für die zeitliche Einordnung auf Grund stilistischer Merkmale und Eigenheiten, und zwar nicht nur für das Münzbild an sich, sondern auch für die Beschriftung. Allerdings nur dann, wenn diese voll ausgebildet ist und einen ausgesprochenen Charakter besitzt. Denn die Kunst des Schreibens war besonders im frühen Mittelalter noch recht wenig verbreitet. Viele Aufschriften sind verdorben, verwildert, so daß man ihnen kaum einen oder überhaupt keinen Sinn abgewinnen kann. Einer solchen „Trugschrift" haben sich viele schreibunkundige Münzer bedient, indem sie in den Stempel einfach buchstabenähnliche Gebilde schnitten oder mittels Punzen eindrückten. Zahlreiche Gepräge aber — und dies gilt vor allem für die Wiener Pfennige — sind überhaupt stumm: sie besitzen keinerlei Aufschrift; in einem solchen Falle kann nur der stilistische Befund des Münzstückes im Verein etwa mit den Fundumständen einer Reihe von anderen Münzen Aufschluß geben. Aber auch so manches andere läßt sich aus den Münzbildern ermitteln: in Böhmen folgen auf meist recht ungeschlachte Gepräge der ersten Herrscher bis einschließlich Bfetislav I. (1035—1054) noch unter diesem Herzog bis in die Zeit König Przemysl Ottokars I. (1197—1230), also durch fast zwei Jahrhunderte, Münzen von ganz besonders feinem Schnitt, der bei gewissen Stücken die Vermutung nahelegt, daß der Stempelschneider kein Einheimischer war, da die Formensprache auf einen südländischen Künstler, zum mindesten aber auf südländische Vorbilder schließen läßt. Ich führe dieses Beispiel aus dem Grunde an, weil es hier besonders deutlich zu zeigen scheint, wie aufschlußreich die kunstgeschichtliche Komponente nicht nur bei der Bestimmung der Münzen an sich, sondern auch in bezug auf internationale Beziehungen sein kann. Es ist mir nicht bekannt, ob sich schon jemand mit einer kunstgeschichtlichen Untersuchung dieser entzückenden Münzbilder, die nicht so bald ihresgleichen haben, befaßt hat. In enger Verbindung mit der zeitgenössischen Großkunst, insbesondere der Buchmalerei, ließen sich da wohl sehr interessante Ergebnisse erhoffen. Die Bilderwelt der Mittelaltermünzen läßt aber auch noch eine andere Seite des kulturellen Geschehens anklingen: die religiöse. Auch sie ist eine wichtige kulturgeschichtliche Komponente, die uns durch die beinahe stenographisch zu nennende Form des Münzbildes Einblicke in das zeitgenössische Denken innerhalb eines bestimmten Umkreises vermittelt. Nicht so sehr das religiös betonte Münzbild an sich ist da von Belang: Tempel, Kirchengiebel, Engel, Osterlamm, Kreuz, Mönche usw., sondern das, was durch diese zur Münze selbst scheinbar in gar keiner Beziehung stehenden Bilder dargestellt werden soll. So ist z. B. die Verdreifachung eines Münzbildes, in Kleeblattstellung, was in besonders starkem Maße auch in Österreich vorkommt, nichts anderes als ein Sinnbild der hl. Dreifaltigkeit. Das namentlich auf alten böhmischen Pfennigen vorkommende Bild der drei Nägel der Passion Christi, ist ebenfalls ein Symbol der Dreieinigkeit — kurz, die Symbolik der Mittelaltermünzen, die für unser Gebiet noch kaum untersucht wurde, ist ein Spiegel des zeitgenössischen Denkens und Fühlens, das sich der gleichzeitigen großen sakralen Kunst in unauffälliger und bescheidener, aber doch recht deutlicher Weise an die Seite stellt. Angesichts dieser Fülle kunsthistorisch-numismatischer Verflechtungen erhebt sich 41

nun die Frage: woher hat der mittelalterliche Stempelschneider die Anregungen für seine Münzbilder empfangen? Zunächst müssen wir festhalten, daß das Personal der Münzstätten in dieser Zeit ebenso dem Wandertrieb folgte wie z. B. der zeitgenössische Bergmann. Die Nachrichten über dieses Personal in unserem Gebiete sind indessen recht dürftig. Bestenfalls sind die Namen einiger Münzmeister bekannt, aber kaum etwas über die ihnen untergebenen Münzgesellen. Abgesehen davon, daß insbesondere in den Kirchen, in den Schlußsteinen der Gewölbe, Mosaikfußböden, Meßornaten usw. eine reichlich fließende Quelle an bildlichen Motiven für Münzen vorhanden war, ist es m. E. durchaus möglich, daß über die Technik des Münzprägens im allgemeinen, wie für den Stempelschnitt im besonderen, Traktate vorhanden waren, wie sie für gewisse Sparten des mittelalterlichen Kunstgewerbes existieren, z. B. Traktate über Glasmosaik und Glasmalerei, Rezeptbücher für Miniatur und Wandmalerei, Guß und sonstige Metalltechnik usw. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts hat ein Laie, J E A N LA B ^ G U E (1431) als Greffier der Münze von Paris genannt, eine höchst merkwürdige Kompilation angelegt, die Julius von SCHLOSSER als „einen wahren Schatzbehälter mittelalterlicher Technik darstellt" (1067). Ob darin auch die Münztechnik erwähnt wird, vermag ich nicht zu sagen. Endlich sei hier das berühmte „Livre de portraiture" des V I L L A R D DE HONNECOURT, eines französischen Architekten aus dem 13. Jahrhundert angeführt, das als „der Entwurf eines Musterbuches geplant war, in dem vor allem der Versuch einer Art mittelalterlicher Proportionslehre — von Villard portraiture genannt — wichtig ist". Auch die Überlieferungen der gotischen Baukunst sind „durch ähnliche, aber schon zum Teil durch den Druck vervielfältigter Büchlein literarisch fixiert worden". Dies alles läßt vermuten, daß auch die Münzgesellen mit solchen Rezepturen und Musterbüchern von Stadt zu Stadt wanderten und aus ihnen die Bildmotive zu ihren Münzen schöpften. Untersuchungen über dieses Thema fehlen für unser Gebiet leider nahezu völlig, bestenfalls kann man von gelegentlichen Ansätzen sprechen. So hat z. B. schon Joseph KARABACEK (519) darauf hingewiesen, daß der Elefant mit Turm ebenso wie der Fischreiher (oder die Ente) sowie der Drache und der Adler auf österreichischen und steirischen Münzen und auch anderwärts vorkommen, wie auch auf liturgischen Gewändern im 13. und 14. Jahrhundert. Ebenfalls auf österreichischen Pfennigen ist die getreue Wiedergabe des orientalischen Symbols für das Zodiakalzeichen der Jungfrau (arab. sunbula, lat. spica) zu erkennen, nämlich das Brustbild einer weiblichen Figur, die in ihren ausgestreckten Händen zwei unten aus einem Punkte emporsprießende Ähren hält. Wir lassen es bei diesem Beispiel bewenden, es zeigt deutlich, daß nicht nur die Münzgesellen, sondern auch die bildlichen Motive durch die damalige Welt wanderten. Abgesehen von diesen Urmotiven aber gibt es auch eine Bildentlehnung von anderen Münzstätten. So konnte Friedrich MAYREDER einen auffallenden Parallelismus des Grazer und des Wiener Pfennigs feststellen; fast ein Drittel der bekannten Grazer Pfennige ist im Münzbild von den Wienern abhängig. Leider ist der früh verstorbene Autor nicht mehr dazugekommen, diesen Typenvergleich für die Zeit König Ottokars auch auf dessen böhmische Gepräge auszudehnen, die in dieser Epoche mancherlei Zusammenhänge mit den Wiener und Grazer Geprägen aufweisen (726). Es gibt aber nicht nur eine Typenwanderung, sondern auch einen Typenwechsel, der insbesondere ikonographisch von einiger Bedeutung ist. LOEHR hat in diesem Sinne das Münzbild der österreichischen Dukaten untersucht und sich aus diesem Anlaß auch über die Motive eines solchen Typenwandels im allgemeinen verbreitet: „Wenn es auch die Hauptaufgabe der Münze ist, wirtschaftliche Geldfunktionen zu erfüllen, so hat sich 42

doch rein äußerlich im stärksten Maße der Einfluß des Staates, der das Münzwesen regelt, vor allem der Wille des Münzherrn geltend gemacht. Meist in raschem Wechsel ändern sich, wirtschaftlichen Einflüssen folgend, die einzelnen Münzsorten und, den äußeren Schicksalen des Staates und dem Eingreifen des Münzherrn entsprechend die äußere Form des Gepräges . . . Dieser Beweglichkeit genau entgegengesetzt ist das Phänomen der Konstanz bestimmter Münzsorten durch lange Zeiträume und über verschiedene Länder, wofür als extremes Beispiel der österreichische Mariatheresientaler dienen kann, der mit der Jahreszahl 1780 bis ins kleinste Detail unverändert" (647) bis zum heutigen Tage weiter geprägt wird. Dieser Mariatheresien- oder Levantinertaler, der hauptsächlich in den arabischen Ländern, Abessinien und dem Sudan bis vor kurzem als das einzige anerkannte Zahlungsmittel galt, ist demnach eine Handelsmünze, ebenso wie der österreichische Dukat, der eigentlich niemals Währungsmünze war, „also nicht ohne weiteres den einseitigen Willcnsakten des Münzherrn überlassen, sondern durch ihre Bestimmung für den Umlauf in anderen Ländern gebunden, der freien Kursbildung unterworfen, so daß eine äußerliche Wertbezeichnung sich ausschloß". Diese handelspolitische Stellung der hervorragendsten Goldmünze der Monarchie war auch für die möglichste Konstanz des Münzbildes entscheidend, weil es sich hier eben nicht um eine Ausnahms-, sondern um eine Massenprägung handelt. Anzumerken ist hier noch, daß diese in dem österreichischen und ungarischen Dukaten auch den höchsten Grad an Feinheit (980/1000) erreicht, was ihnen auch den höchsten Rang im internationalen Geldverkehr verschaffte. Dieser durch wirtschaftlich-internationale Verhältnisse bedingten Konstanz steht ein ziemlicher Wandel im Bilde der übrigen Prägungen der Doppelmonarchie gegenüber, weil sie eben Währungsmünzen und daher in erster Linie für den binnenländischen Umlauf bestimmt waren. Untersuchungen dieser Art sind leider für unser Gebiet sehr selten. Eine umfassende Monographie liegt eigentlich nur für den Tiroler Taler für die Zeit von 1477—1809 aus der Feder von Erich EGG vor (1165). Sowohl die Arbeit LOEHRS über den Dukaten als auch die von EGG lassen deutlich erkennen, welche Anregungen und auch Ergebnisse aus Untersuchungen dieser Art gewonnen werden können. Sie hier aufzuzählen, verbietet der Raummangel. Welche Rolle dabei aber die kunstgeschichtliche Betrachtung spielen kann, erweist die ikonographische Übersicht in dem Buche von MOESER-DWORSCHAK über Erzherzog Sigmund den Münzreichen von Tirol, den Schöpfer des Talers (758). Schließlich sei auch auf den sehr nennenswerten Beitrag hingewiesen, den die Münze zur Ikonographie, Kostüm- und Waffenkunde u. dgl. liefert. Daß die Münze zur Kultur und damit auch zur Kulturgeschichte engste Beziehungen hat, darf wohl als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Denn das Geld schafft auch jene Güter, die wir als Kulturwerte ansprechen. Dafür aber wird man zuerst feststellen müssen, was bei der Münze als „Kulturwert" zu gelten hat. Die Münze an sich ist schon das Produkt einer fortgeschrittenen Kulturstufe, da sie durch ihren Gebrauch von der Primitivität des Lebens zu einer höheren Daseinsform führt. Die alte Naturalwirtschaft kannte zunächst nur die zum Leben notwendigen Güter: Lebensmittel, Kleidung, Waffen zur Jagd und zur Verteidigung. Die Münze aber ist „zugleich Erzeugnis, Werkzeug und Denkmal der Kultur . . . wie sie sich nicht nur in den Bereich von Recht und Sitte, Handel und Verkehr, Wirtschaft und Kunst, sondern auch in die großen Zusammenhänge des uns in der Geschichte vor Augen tretenden Völkerlebens einfügt" (268). Es ist hiemit ein ganzes Spektrum von Blickpunkten, von denen aus die Münze betrachtet werden muß, um sich über ihre Bedeutung in Vergangenheit und Gegenwart 43

ein Bild machen zu können: Münze und Staat, Münze und Religion, Münze und Verkehr, Münze und Kunst, Münze und öffentliche Meinung, Münze und Recht, Münze und Sprache, Münze und Volk usw. Dies alles sind Kategorien, die den Forscher zu beschäftigen haben, wenn er sich nicht auf das rein „Numismatische", d. h. auf das Deskriptive, die bloße Beschreibung der Münze, beschränken, sondern auch in größere Zusammenhänge einordnen will. Sosehr die Wissenschaft diese grundlegende Vorarbeit benötigt, die ich in gewissem Sinne mit der einer Urkundenedition vergleichen möchte, sosehr ist andererseits vor der Gefahr einer Überschreitung der Grenzen zu warnen, die einer solchen — an sich sehr verdienstvollen — Arbeit gesetzt sind. Die volle Auswertung im wissenschaftlichen Sinne ist doch wohl nur dem fachlich vorgebildeten Historiker möglich. Sosehr die Numismatik der Mitarbeit der Sammler bedarf, so ist doch durch Überschätzung der eigenen historischen Einsicht, Unkenntnis der Methodik und besonders (worauf schon hingewiesen wurde) durch Heranziehung veralteter, längst überholter Literatur zur Untermauerung der historischen Exkurse viel Unheil angerichtet worden, das dann durch die Literatur weitergeschleppt und immer wieder unkritisch nachgeschrieben wird. Dieser Mangel an historischer Kritik im numismatischen Schrifttum mußte sich zwangsläufig auch auf die Arbeiten insbesondere der Wirtschaftshistoriker auswirken, weil ihnen eben keine anderen Untersuchungen zu Gebote standen. So ist manches in ein schiefes Licht geraten. Auch das Kapitel „Münze und Kulturgeschichte" ist davon betroffen, weil eine unrichtige Prämisse eben falsche Schlüsse nach sich zieht. Auch hier wirft insbesondere das „dunkle" Mittelalter Fragen auf, die nur in voller Kenntnis ihrer komplexen Wesenheit zu lösen sind, einer Kenntnis, die langer Erfahrung und eines besonders kritischen Geistes und Spürsinns bedarf. Und gerade das Mittelalter, aus dem wir ja noch heute wie auch aus dem Altertum ein Gutteil (wenn nicht den Hauptteil) unserer geistigen und materiellen Kultur schöpfen, bietet auf unserem Gebiete — neben noch Unerkanntem — eine so reiche Fülle an Erkenntnissen dar, daß die Erforschung auch der Münz- und Geldgeschichte dieser Zeit einen wesentlichen Beitrag gerade zur Kulturgeschichte liefert. Leider ist gerade das Kapitel „Münze und Kulturgeschichte" in den die alte Monarchie betreffenden Belangen recht stiefmütterlich behandelt. Bestenfalls wurden Einzelfragen zu klären versucht; eine Gesamtdarstellung fehlt jedoch, obwohl gerade hier schon im Hinblick auf die ethnische Vielfalt ein reicher Schatz an Erkenntnissen zu heben wäre. Der einzige Versuch, sich mit dem Begriffe der Kulturgeschichte im Zusammenhang mit der Münze auseinanderzusetzen, stammt von Ferdinand FRIEDENSBURG, der in seinem Büchlein „Die Münze in der Kulturgeschichte" (268) an zahlreichen Beispielen das Verhältnis der beiden Begriffe zueinander gewissenhaft untersucht. Die Arbeit war für weitere Kreise, also nicht nur für den Numismatiker bestimmt und entbehrt daher leider der Quellenangaben und literarischen Hinweise. In einer anderen Arbeit „Symbolik der Mittelaltermünze" (271) führt FRIEDENSBURG in die Probleme der Welt der mittelalterlichen Sinnbilder ein. August LOEHR hat sich in seinem Aufsatz „Münze und Medaille als Kulturdenkmal" (633) kritisch mit den beiden Arbeiten Friedensburgs auseinandergesetzt und bezeichnet die dreiteilige Arbeit Friedensburgs über die Symbolik als „eine reiche und wertvolle Ergänzung" der Arbeit über „Die Münze in der Kulturgeschichte". Über die Philosophie des Geldes hat unter anderem SIMMEL in seinem großartigen Werk (1026) gehandelt. Hinweise auf die Philosophie und Psychologie des Geldes finden sich ebenfalls bei SCHWINKOWSKI in seiner Arbeit „Numismatik und Geldwissenschaft" (1107). 44

4. Heraldik und Sphragistik Daß diese beiden Gebiete miteinander und dann gemeinsam mit der Münzkunde aufs engste verwandt sind, beweist allein schon ihr Bildinhalt: weder die Münze noch das Siegel wären ohne Wappen denkbar; wappenlose Münzen und Siegel sind eine Ausnahme. Für die Münze aber ist das Wappen insbesondere dann unentbehrlich, wenn es sich um ein kleines Format handelt. Das Wappen steht in diesem Fall, ähnlich wie auf dem Siegel, als Hoheitszeichen, für die Gewährleistung, zugleich als Herkunftszeichen. a) Wappen. Die ersten Ursprünge des Wappens liegen in den Feldzeichen, doch scheint ihre Verwendung gerade in feudalen Staatseinrichtungen besonders günstige Entfaltungsmöglichkeiten gefunden zu haben. Schilde und Fahnen sind die bevorzugten Mittel, um durch symbolische Zeichen die Zusammengehörigkeit eines Heeres oder gewisser Abteilungen davon auszudrücken, oder die Kennzeichen individueller Besonderheit anzubringen. „ Im 12. Jahrhundert werden die Wappen ( = Waffen) zu Zeichen rechtlicher und dinglicher Verhältnisse. Sie werden dann zu Zeichen der mit Fahnenlehen ausgestatteten reichsunmittelbaren weltlichen und geistlichen Fürsten (Dynasten), die einen Heerbann führen. Mit der Ausgestaltung der Landeshoheit und Vererblichung dieser Lehen im 13. Jahrhundert kommt es in Deutschland zur Ausbildung von Landeswappen und zu den persönlichen und vererblichen Wappen" (38). In der Blütezeit (12.—16. Jahrhundert) besteht jedes Wappen aus dem Schild und aus dem Helm mit seinen Kleinoden (Zimier) und den Helmdecken. Die Formen von Schild und Helm sind ausgesprochen der jeweiligen Mode unterworfen. Sie enthalten daher wichtige stilistische Elemente zur Zeitbestimmung nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Münzen, insbesondere für die stummen Gepräge. Der Heraldiker benötigt demnach ebenso ein „Stilgefühl" wie der Kunsthistoriker. Eine eingehende Beschäftigung mit der wissenschaftlichen Heraldik ist daher für jeden Numismatiker unerläßlich, ebenso die Kenntnis des „Blasonierens", der wissenschaftlichen Beschreibung (auch der Farben) eines Wappens und seiner angeführten Beigaben, zu denen in späteren Zeiten noch die sogenannten „Rangkronen" treten. Dazu kommen die vielen Variationen innerhalb der einzelnen Wappenbilder, von denen Adler und Löwe die häufigsten und zugleich auch sehr vielseitig sind. Nicht minder häufig ist auch das Kreuz im Wappen, von dem die Heraldik zahllose verschiedene Formen durch eigene Benennungen unterscheidet, deren sich auch die Münzkunde bedienen muß. Das Kreuz aber tritt mannigfach auch außerhalb der Wappen in Erscheinung, so das schon erwähnte Doppelkreuz der Etschkreuzer. Wenn man etwa die Wiener Pfennige des Mittelalters betrachtet, so ist auf ihnen eine ganze Anzahl von Tieren vertreten, z. B. Elefant, Hirsch, Eichhörnchen, Hase. Das sind meist nur willkürlich gewählte Münzbilder, die aber auch eine symbolische Bedeutung haben können, jedoch nicht müssen. Es sind daher solche Münzbilder sehr kritisch zu beurteilen und zu prüfen, um nicht in sie etwas hineinzudeuten, was gar nicht beabsichtigt war. Die Vielfalt der Münzbilder einer und derselben Sorte, eben der Wiener und anderer österreichischer stummer Pfennige, ist wohl in erster Linie auf die sogenannte Münzverrufung (renovatio, revocatio, innovatio, mutatio monetae) zurückzuführen, die zugleich auch eine Münzerneuerung bedeutete, indem der Landesherr (wir werden an anderer Stelle noch darauf zurückkommen) aus fiskalischen Gründen die umlaufenden Münzen „verrief", d. h. ungültig erklärte und durch ein neues Gepräge ersetzen ließ. Im Böhmen des beginnenden 12. Jahrhunderts soll dies sogar drei- bis viermal im Jahre vorgekommen sein. Der Stempelschneider mußte daher seine Phantasie 45

1. Steiermark, Ehg. Karl von Innerösterreich. Taler 1586, Graz

spielen lassen, um ein neues, von seinen Vorgängern deutlich zu unterscheidendes Münzbild zu schaffen. Das einfachste Unterscheidungsmittel, die Datierung, ist im 15. Jahrhundert noch selten gewesen. Man wird daher bei der zeitlichen und lokalen Zuweisung einer Münze alle diese oft unscheinbaren Unterscheidungsmerkmale kritisch betrachten müssen, um nicht zu einer Fehlbestimmung zu gelangen, wie es schon oft vorgekommen ist. Um es gleich hier zu sagen: es ist nicht nur der Stil eines Wappens allein maßgebend, eines Wappens natürlich, das mehrere Deutungen zuläßt, sondern auch der Stil der Münze selbst, die „Fabrik" der Münze, die „Mache", wie der am häufigsten verwendete numismatische Ausdruck lautet. Denn oft bedienen sich gewisse Gebiete eines fremden aber weithin geachteten Münzbildes, um damit ihren eigenen Münzen trotz ihrer Unterwertigkeit die gleiche Beliebtheit und damit eine bessere Umlauffähigkeit zu verschaffen. Man nennt solche Nachahmungen Beischläge. So wurde z. B. der Tiroler Etschkreuzer in Italien an vielen Orten durch ein ähnliches Münzbild nachgeahmt. Ein aus so vielen heterogenen Bestandteilen bestehendes politisches Gebilde, wie die Doppelmonarchie eines war, erfordert begreiflicherweise auf heraldischem Gebiete ganz besondere Kenntnisse. Dies soll noch eingehend gezeigt werden. Mit dem Aufkommen der Großsilbermünzen wurde es Sitte, wenigstens die Wappen der vornehmsten Länder zu einem einzigen Wappen zu verbinden. Insbesondere auf den Talern des 17. und 18. Jahrhunderts kommen in Österreich solche vielfeldige Wappen vor. Da es im Gesamtstaate zahlreiche Münzstätten gab, deren Erzeugnisse einander meist wohl sehr ähnlich waren, ergab sich die Notwendigkeit, außer der Zugehörigkeit zu einem mächtigen Staatsgebilde — kenntlich durch das Wappen und das Porträt des jeweiligen Herrschers — auch das Prägeland heraldisch zu dokumentieren. Es wurde zur Gepflogenheit, das Wappen des Prägelandes dadurch hervorzuheben, daß man es im Gesamtwappen an besondere Stelle setzte: in die Mitte als Herz- oder Mittelschild, an die „Ober- oder Ehrenstelle", über den oberen Schildrand hinausgehoben oder allein — meist unten — in die Umschrift. Es wäre aber ein Irrtum zu glauben, daß alle in einem vielfeldigen Wappen aufgezeigten Einzelschilde zur Zeit der Münze noch im Besitze des betreffenden Münzherm sein müßten, wie etwa das Königreich Jerusalem. Die Wappen wie die Herrschertitel zeigen demnach nicht nur den jeweiligen tatsächlichen, sondern auch den ehemaligen Besitzstand und gewisse noch immer aufrechterhaltene Besitzansprüche an. Diese Ansprüche sind am besten aus dem großen Titel der jeweiligen Herrscher zu ersehen, wie sie in den Urkunden angewendet werden. Nehmen wir als vergleichende Beispiele den Titel Kaiser Ferdinands I., des Bruders von Karl V. für den ersten und Kaiser Franz Josephs I. für den letzten Herrscher, der Donaumonarchie: 46

2. Elsaß, Ehg. Ferdinand von Tirol. Taler o. J., Ensisheim

a) Ferdinand I., von Gottes Gnaden erwählter Römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, in Germanien, zu Ungarn, Böhmen, Dalmatien, Kroatien und Slawonien etc. König, Infant von Spanien, Erzherzog zu Österreich, Herzog zu Burgund, zu Brabant, zu Steier, zu Kärnten, zu Krain, zu Lützelburg (Luxemburg), zu Württemberg, Ober- und Niederschlesien, Fürst zu Schwaben, Markgraf des hl. Römischen Reichs zu Burgau, zu Mähren, Ober- und Niederlausitz, gefürsteter Graf zu Habsburg, zu Tirol, zu Pfirt, zu Kyburg und zu Görz etc.; Landgraf im Elsaß, Herr auf der Windischen Mark, zu Pottenau (Pordenone) und zu Salins, (Augsburg, 19. August 1559, 3. [und letzte] Reichsmünzordnung, abgedruckt in HIRSCH, Münzarchiv I, Nürnberg, 1756, Nr. C C X I X , S. 383). b) Franz Joseph I., von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich, König von Ungarn und Böhmen, von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien; König von Jerusalem etc.; Erzherzog von Österreich; Großherzog von Toskana und Krakau; Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steier, Kärnten, Krain und der Bukowina; Großfürst von Siebenbürgen, Markgraf von Mähren; Herzog von Ober- und Niederschlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Quastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul und Zara, gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradiska; Fürst von Trient und Brixen; Markgraf von Ober- und Niederlausitz und in Istrien; Graf von Hohenembs, Feldkirch, Sonnenberg etc.; Herr von Triest, von Cattaro und auf der windischen Mark; Großwojwod der Wojwodschaft Serbien etc. etc. (nach dem Schematismus für das k. u. k. Heer . . .).

Zwischen diesen beiden Endpolen gab es natürlich noch eine ganze Reihe von Varianten, ein Mehr oder ein Weniger, aber im großen ganzen sind die Hauptbesitzungen doch die gleichen geblieben. Diesen Besitzstand trachtete man natürlich nach Möglichkeit auch in den Wappen auf den Münzen zum Ausdruck zu bringen, insbesondere im Zeitalter des Barocks. Noch Franz I. hat als Römisch-deutscher Kaiser auf seinen halben und ganzen Talern sowie auf den vierfachen Dukaten die in einem Schild vereinigten Wappen der Hauptländer gesetzt: Ungarn, Böhmen, Burgund (für die österreichischen Niederlande) und Toskana, während im gespaltenen Herzschild der österreichische Bindenschild und die lothringischen gestümmelten Adler auf dem Schrägrechtsbalken aufscheinen. Mit dem Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation findet sich auf den österreichischen Münzen nur mehr das zweimal gespaltene Hauswappen: rechts der habsburgische Löwe, Mitte der Bindenschild, links Lothringen, auf den ungarischen dagegen bis 1867 meist die Patrona Hungariae, seither das alt- und neuungarische Wappen mit dem seiner Nebenländer (Kroatien, Slawonien, Siebenbürgen und Dalmatien, das staatsrechtlich jedoch zu Österreich gehörte, sowie seit 1890 auch die königliche Freistadt Fiume). 1916 wird schließlich das Wappen noch um das von Bosnien vermehrt, womit aber nur ein Anspruch angemeldet, jedoch kein tatsächlicher Besitz festgehalten wurde. Die heraldischen Embleme auf den Münzen der von Erzherzogen regierten Länder sind von deren Status bedingt. An Stelle einer Krone führen diese Münzen über dem Wappen einen Hut, in Innerösterreich den steirischen Herzogshut, der sich im Museum für Kultur- und Kunstgewerbe in Graz im Original erhalten hat, in Tirol und den Vorlanden aber den Erzherzogshut, den zumeist auch der Herrscher auf dem Herr47

3. Österreich, Kg. Ferdinand I. Taler o. J., Wien (einfacher Adler)

scherbildnis trägt. Dieser Tiroler Hut wird jetzt in der Kaplanei Mariastein bei Wörgl aufbewahrt. Beide Hüte verschwinden von den Münzen, sobald die Länder wieder dem Kaiser unterstehen. Bei den kaiserlichen Münzstätten waren für die Darstellung der Krone folgende Regeln maßgebend: Im 14. Jahrhundert, als der Doppeladler allmählich ausschließlich zum kaiserlichen Symbol wird, bildet sich gleichzeitig auch eine Kombination von Krone und Mitra als symbolische Darstellung der Kaiserwürde an. Von Ferdinand I. bis Franz II. tragen deren Münzen in Verbindung mit dem Doppeladler nur dann die Mitrakrone, wenn sie den Kaisertitel führen. Ferdinand I., seit 1531 Deutscher König, seit 1556 auch Deutscher Kaiser, setzt also erst nach dem Tod seines abgedankten Bruders Karl V. die Mitrakrone zugleich mit dem doppelten anstatt des bisherigen einfachen Adlers auf seine Münzen, obgleich diese auf Münzen vorkommende Krone damals in natura noch gar nicht existierte. „Dagegen hat man sich der eigentlichen Reichsoder Nürnberger Krone, wie man dies jahrhundertelang bis 1796 gemeinsam mit den anderen Reichsinsignien in der alten Reichsstadt sorglich behütete Insignie auch nennt, nur auf den anläßlich der Königskrönungen unter das Volk geworfenen offiziellen Auswurfpfennige bedient" (416). Noch bis ins dritte Jahrzehnt der Regierung Kaiser Rudolfs II. wurde also eine nicht vorhandene Krone als Zeichen höchster weltlicher Fürstenmacht auf die Münzen gesetzt. Erst 1602 ließ dann Rudolf in der kaiserlichen Hofwerkstatt auf dem Prager Hradschin die nach ihm benannte österreichische Hauskrone anfertigen. Sie „ist eine Verbindung des von den Lilienaufsätzen überragten Kronreifes mit dem einfachen kaiserlichen Hochbügel und der Mitra, die als einziger Laie tragen zu dürfen ein persönliches Vorrecht des Kaisers war". Die Schöpfung der Rudolfinischen Kaiserkrone ist der sichtbare Ausdruck für das Zeichen der römisch-deutschen Kaiserwürde. Auf den Münzen aber ist der Titel der Römischen Könige nie mit der Nürnberger Krone verbunden. Ferdinand I. hat „auf der langen Reihe seiner königlichen Münzen neben dem einfachen Adler immer nur eine heraldische Spangen-Königskrone benützt. Für die Darstellung der Kaiserkrone verwendet die Numismatik in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle und vor allem dort, wo sie als allgemeines Symbol der Kaiserwürde zu werten ist, die Form der Mitrakrone". Die Rudolfinische Krone ist „zweifellos als Ersatz für die alte deutsche Kaiser- und Königskrone gedacht", denn diese alte Reichs- oder Nürnberger Krone war „von der Insignie zur Reliquie geworden" (416), die man ängstlich behütete und die nur zu dem jedem Regierungsantritt folgenden feierlichen Akte der Königskrönung ihre Funktion zu erfüllen hatte. Dieser „sakrale Charakter" gestattete offenbar auch nicht ihre Darstellung auf profanen Geldstücken. 48

4. Österreich, K. Ferdinand I. Guldentaler 1560, Wien (Doppeladler)

Nur in den Jahren 1804—1806 wurde von der Anschauung abgegangen, daß die Nürnberger Krone mit der Idee des Römischen Königtums untrennbar verbunden sei. Als Franz II. 1804 das Kaisertum Österreich proklamierte, aber daneben bis zum Jahre 1806 noch die Würde eines Deutschen Kaisers innehatte, ersetzt auf den in diesen drei Jahren geprägten Münzen die Nürnberger Krone die Hauskrone, sofern sich Franz auf ihnen noch der II. seines Namens und römischer und erblicher österreichischer Kaiser nennt. Noch im Jahre 1806 aber weicht dieser Titel dem einfachen eines Kaisers von Österreich, dem auch die Namen der übrigen Länder angeschlossen sind. Was schließlich die Kronen Ungarns und Böhmens anlangt, so tauchen sie fast ausschließlich bloß auf den Krönungs- und Huldigungsjetons auf. Die Rudolfinische Kaiserkrone aber dominiert. Erst seit Maria Theresia kommt auf ungarischen Münzen die Stephanskrone zum Vorschein, wohl als Dank für die ihr von Ungarn gegen Friedrich II. von Preußen gewährte Unterstützung und Hilfe. Die Wenzelskrone aber zeigt sich nur mehr auf den von Ferdinand I. bis 1547 geschlagenen letzten Prager Groschen, denen man aus verständlichen Gründen ihren althergebrachten Typus belassen hatte. Die Eiserne Krone der Lombarden tritt auf den in Mailand und Venedig seit Franz I. geprägten Münzen nach italienischem Fuß bis 1849 stets noch zugleich mit der Hauskrone in Erscheinung. Seither gibt es für das lombardisch-venezianische Königreich nur mehr den österreichischen Doppeladler mit der Hauskrone und den betreffenden Münzbuchstaben M und V. Nach dem Ausgleich von 1867 und der dadurch bewirkten Teilung in eine eis- und eine transleithanische Reichshälfte zeigen die Münzen der Wiener und Kremnitzer (eine ganz kurze Zeit auch noch der Karlsburger) Münzstätte die dem betreffenden Reichsteile entsprechende Krone. Die in diesem Überblick fehlenden, auf den Münzen jedoch vorkommenden Wappen eigens anzuführen kann hier nicht unsere Aufgabe sein. Hier sollte an konkreten Beispielen nur die Vielseitigkeit der zu berücksichtigenden heraldischen Belange nachgewiesen werden, die sich aus den Münzen nicht nur des Kaiserstaates allein, sondern auch aus denen der in ihm einst münzberechtigt gewesenen geistlichen und weltlichen Fürsten ergeben. Über den sogenannten „gemeinen Figuren" (Tieren, Fabelwesen, künstlichen Figuren) kommt übrigens auch die Münze selbst vor. Sie werden in der Fachsprache oft als „Besant" bezeichnet, was sich auf den byzantinischen Goldsolidus bezieht. Als redendes Wappen kommt z. B. der Etschkreuzer mit seinem Doppelkreuz auf dem Grabstein des Deutsch-Ordens-Komturs Gabriel Kreiczer ( = Kreuzer) auf einer Grabplatte von 1569 im Dome zu Wiener Neustadt vor. Unter den Wappenbildern der österreichisch-ungarischen Länder ist die Münze nicht anzutreffen, dagegen — sehr bezeichnend — im Wappen 49

5. Österreich, K. Franz II. Dukaten 1804, Wien (Rudolfinische Kaiserkrone)

7. Böhmen, Kg. Wenzel II. Prager Groschen o. J., Kuttenberg (St. Wenzelskrone)

6. Österreich, K. Franz II. Dukaten 1806, Wien (Krone des Hl. Römischen Reiches Deutscher Nation)

8. Ungarn, Franz Joseph I. 10 Filier 1915, Kremnitz (St. Stephanskrone)

der Grafen Schlik, die aus ihrer Münzstätte zu Joachimstal in Böhmen den (Joachims-) Taler in die ganze Welt entsandten. Die drei Münzen finden sich im Schilde der den Grafen verliehenen Grafschaft Bassano (Passaun) in Oberitalien. Das umfassendste und fachlich beste Wappenbuch ist wohl das von Johann S I E B MACHER 1605 und 1609 zu Nürnberg herausgegebene Neue deutsche Wappenbuch und das jetzt seit 1855 gemeinsam als „Großer Siebmacher" in 101 Bänden vorliegt. Der sehr verdiente Wiener Heraldiker und Genealoge Hanns J Ä G E R - S U N S T E N A U hat auf Anregung des Verfassers zu den Siebmacherschen Wappenbüchern 1605—1916 einen Generalindex (484) verfaßt, in dem auf S. 30—38 die 101 Bände bibliographisch erfaßt sind. Es existiert auch ein illustriertes numismatisches Wappen-Lexikon von RENTZMANN (981), das jedoch weder den Anforderungen des Münzsammlers, geschweige denen des Wissenschaftlers entspricht. Über die Wappen der einzelnen Länder der Doppelmonarchie existiert eine ziemliche Anzahl von Monographien von verschiedener Qualität; es werden daher unter den Literaturhinweisen nur die wissenschaftlich einwandfreien zitiert. b) Siegel. Das Siegel ist bekanntlich „Verschluß-, Erkennungs- oder Beglaubigungsmittel" (38). Schon im Altertum bekannt und angewendet, erhält es seine Bedeutung als Geschichtsquelle erst im Mittelalter, vor allem im Urkundenwesen. Für die Münzkunde ist es nur als Wappensiegel von Belang. Denn zum Unterschiede von den Münzen, die infolge ihres geringen Umfanges oft schriftlos sind, enthalten die Siegel mit verschwindend geringen Ausnahmen Um- und Aufschriften, von denen die Umschriften (oder Legenden) ziemlich regelmäßig den Namen oder Namen und Titel des Siegelführers bringen. Das Wappensiegel kommt neben dem früheren Porträtsiegel erst in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts als neuer Typ auf. Aber auch hier ist es wie bei gewissen Münzen, die als Bild einen Löwen, andere Tierfiguren oder sonstige Zeichen im Siegel50

9. Lombardei, Franz II. 5 Centesimi 1822, Mailand (M). Unter der Kaiserkrone die Eiserne Krone der Lombardei.

10. Österreich, Franz Joseph I. Gulden 1892

11. Österreich, Franz Joseph I. 20 Coronae (Kronen) 1916, Wien (A)

felde führen, nicht immer sicher, ob der Stempelschneider ein Wappenemblem abzubilden beabsichtigte. Sobald aber derartige Figuren im Schilde angebracht sind, können sie mit Bestimmtheit als heraldische Embleme angesehen werden. Seit dem 14. Jahrhundert aber gewinnt das vollständige Wappen auf dem Siegel die Vorherrschaft. Da die Urkunden, an denen die Siegel zur Bekräftigung angebracht sind, meist datiert sind, steht damit in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle auch das Alter des Siegels fest. Zwar wurden, um Mißbräuche zu verhindern, die Typare beim Ableben ihrer Inhaber vielfach zerstört, ein Akt, der öfters unter Einhaltung eines gewissen Zeremoniells, in Gegenwart von Zeugen, vollzogen wurde. Aber es wurde nicht regelmäßig so verfahren, wie das vor allem deutlich die vielfach bezeugten Erbsiegel erkennen lassen. Wiederholt wurden daher die Siegelstempel von den Erben oder Rechtsinhabern des ursprünglichen Siegelinhabers weiterbenutzt. Für das Wappenbild selbst spielt dies natürlich keine Rolle, dafür aber vielleicht für die chronologische Fixierung eines auf Grund eines Siegels bestimmten Münzwappens. Denn auch der Stil der Siegel ist gleich dem eines Wappens veränderlich (555). Dies alles wird man in Betracht ziehen müssen, wenn in Funden bisher unbekannte Gepräge mit Wappen oder wappenähnlichen Münzbildern auftauchen. Die Siegelkunde ist daher — bildinhaltlich gesehen — eigentlich ebenso eine Hilfswissenschaft der Heraldik, wie diese für die Sphragistik. Beide ergänzen einander, beide sind sie in ihrer Eigenschaft als Geschichtsquelle für die Numismatik von eminenter Bedeutung (907).

51

5. Münze und Recht Wir kommen nun zur rechtlichen Seite der Herstellung und Ausgabe von Münzen. Wem stand das Münt(recht zu? Im Altertum wurden Münzen von Anfang an von Staats wegen hergestellt und in Umlauf gebracht. Das Münzrecht ist daher, rechtlich betrachtet, ein Teil der Gesetzgebung und hat im Altertum wie in der modernen Welt als Bestandteil und Zeichen der staatlichen Souveränität gegolten. Dies gilt auch für die Kelten, nur daß es sich bei diesen nicht um einen ortsgebundenen Staat schlechthin, sondern meist um wandernde Stämme gehandelt hat, deren Fürsten das Münzrecht ausübten. Das Münzrecht der Römer, die uns ungefähr gleichzeitig mit den Kelten schon in Funden rechtliche Spuren ihres Münzwesens hinterlassen haben, war im Staatsrecht der Republik verankert. Es gab da einerseits eine „hauptstädtische von dem Senat geleitete und in der letzten republikanischen Epoche ordentlicherweise durch das Collegium der drei Münzherren ausgeübte Prägung, andererseits diejenige, welche rechtlich auf dem militärischen Imperium des Feldherrn beruhte und in seinem Auftrag durch dazu kommandierte Offiziere außerhalb Roms ausgeübt ward . . . In der Kaiserzeit sind zunächst unter Caesar diese Ordnungen noch im wesentlichen einfach festgehalten worden . . . Die einzige wesentliche staatsrechtliche Neuerung, die Caesar in das Münzwesen einführte, bestand darin, daß er, wie in allen anderen Beziehungen so auch in dieser, die durch die Abschaffung des Königtums gezogene Scheide zwischen der hauptstädtischen und der feldherrlichen Amtsgewalt niederwarf und seine Feldherrnmünzen regelmäßig in Rom schlagen ließ". Dem Imperator war es von jeher gestattet gewesen, Gold und Silber zu Münzen auszuprägen. Augustus tat, „nachdem er in den Vollbesitz der Gewalt gelangt war, den weiteren Schritt, diese Gold- und Silberprägung dem Imperator allein vorzubehalten und die konkurrierende des Senats zu unterdrücken . . . Dagegen bleibt das Recht der Kupferprägung dem Senate, und zwar als ausschließliches . . . Fortan also ist es das charakteristische Kennzeichen der Reichskupfermünze, daß in großer und auffälliger Schrift darauf S. C. ( = senatus consulto) steht" (761). Erst unter Diocletian (293—305) wird durch die nach ihm benannte Münzreform das Münzrecht „der Ausfluß der unumschränkten kaiserlichen Gewalt" (1088). Das Münzrecht ist ursprünglich der Inbegriff der Münzhoheit. „Diese hat im späten Altertum in Europa nur der römische Kaiser. Dessen Münzberechtigung war auch von den das Westreich erobernden Germanen so anerkannt, daß diese nur römische Münzen nachzuahmen wagten, die den Namen des regierenden römischen (byzantinischen) Kaisers trugen. Der Name des prägenden germanischen Königs scheint nur an versteckter Stelle in Monogrammform auf . . . Erst der mächtige Frankenkönig Theodebert wagte es, seinen Namen, sogar teilweise in deutscher Namensform, auf seinen Solidi voll und ganz zu nennen. Ob dann die Merowingerkönige schon ein wirkliches Münzrecht ausgebildet haben, ist sehr zweifelhaft. . ." Erst die Karolinger brachten, zum ersten Male im Mittelalter „ein unumschränktes königliches, d. h. staatliches Münzrecht zur Geltung, das das Münzen anderer Gewalten im Reiche so gut wie gar nicht gestattete" (1088). Erst von Ludwig dem Frommen und seinen Nachfolgern an gibt es besonders für das Westreich Münzrechtsverleihungen an Geistliche, doch scheint dies hauptsächlich aus finanziellen Gründen geschehen zu sein, indem der Münzgewinn zum Teil oder zur Gänze den Beliehenen überlassen wurde. Aber es gibt zur karolingischen Zeit noch kein Recht des Begnadeten, Münzen unter eigenem Stempel zu schlagen. Erst nach dem Aussterben der karolingischen Dynastie setzt unter den Herrschern aus dem sächsischen Hause eine andere Entwicklung ein. „Zwar wird theoretisch an dem ausschließlichen Münzrecht des Kaisers 52

und Königs festgehalten; dies wird aber durch zahlreiche Verleihungen . . . durchlöchert . . . Diese völlige Auflösung und Zersplitterung des königlichen Münzrechts bleibt dann bis zum Ende des römischen Reiches deutscher Nation bestehen . . . Ein ebenso zersplittertes Münzrecht wie Deutschland hat in Europa nur noch Frankreich und Italien im Mittelalter besessen, in den übrigen Ländern herrscht fast nur ein königliches Münzrecht" (1088). Sonach ist Münzhoheit „das Recht der Staatsgewalt, die zur Organisierung und Erhaltung des Münzwesens notwendigen obersten Verfügungen zu treffen. Dieses Recht ist gewöhnlich mit den Befugnissen, die den Inhalt des Münzregals bilden, der Münzerzeugung und dem Anspruch auf den dabei sich ergebenden Nutzen verbunden . . . Die Münzhoheit gilt immer als ein Zeichen der Souveränität. Im späten römischen Reiche stand die Münzhoheit dem Kaiser zu, und dies wurde durch die Glossatoren des corpus iuris auf den deutschen König übertragen, der nach der Krönung durch den Papst Kaiser des Römischen Reiches Deutscher Nation wurde und den man als Nachfolger der römischen Imperatoren ansah. Später, seit Anfang des 13. Jahrhunderts, wurde die Münzhoheit von den Gelehrten auch dem Papst und schließlich jedem Souverän zugeschrieben. Alle anderen physischen und juristischen Personen sollten theoretisch das Münzrecht nur durch Verleihung von einem Träger der höchsten Gewalt, dem Inhaber der Münzhoheit, durch Schenkung, Leihe, Amtsauftrag, Kauf, Verpfändung usw. erlangen können" (1088). Doch wurde auch das Herkommen ausdrücklicher Verleihung gleichgeachtet, wodurch auch ohne diese viele weltliche und geistliche Große, Städte und Korporationen, sehr zum Schaden der Münzeinheit zum Münzrecht gelangten. Und schließlich das Mün^regal. Das „ius regalium" ist, wie es schon das Wort ausdrückt, ein königliches Recht, das alle der obersten Staatsgewalt vorbehaltenen Rechte (Hoheitsrechte) umfaßt. Das Münzregal gehört in die Kategorie der niederen, nutzbaren Regalien, der Regalien im engeren Sinne, wie Berg-, Jagd- und Fischereiregal. Von ihnen galten das Münzregal, dann Mauten und Zölle als besonders einträglich für den Landesherrn. Denn dem Mittelalter war eine „Sonderung des Staatsvermögens und der Staatseinkünfte vom Privatvermögen des Landesherrn und seinen Einkünften" fremd. Erst seit dem Beginn der Ständeherrschaft, die wie später die Volksvertretungen über die Verwendung der Staatseinnahmen zu entscheiden und auch die Steuern und Kontributionen zu bewilligen hatte, trat eine Änderung ein. Seit etwa Kaiser Ferdinand I. bestanden die ordentlichen Einnahmen, über die der Landesherr frei, ohne an die Zustimmung der Stände gebunden zu sein, verfügen durfte, in den Erträgnissen der Domänen und Staatsgüter, der Ämter, Stadtsteuern, Zölle, Mauten, Bergwerke und dergleichen, zu den „Ämtern" gehörten auch die Münzämter. Mit den drei Hauptbegriffen, Münzrecht, Münzhoheit und Münzregal sind indessen die Beziehungen von Münze und Geld zum Recht noch keineswegs erschöpft. Ihre Vielschichtigkeit hat vor allem L U S C H I N (677) in meisterhafter Weise dargelegt, weshalb wir uns hier auf einige Schlagworte beschränken können, deren Auswirkungen am gegebenen Orte bei den einzelnen Ländern behandelt werden sollen. Die vielleicht wichtigste Frage des Münzwesens war für den Münzherrn wohl die finanzielle Ausnutzung des Münzregals. Die germanischen Staaten, die nach der Völkerwanderung begründet wurden, hatten das Münzwesen als römische Einrichtung in dem Zustand übernommen, den die Münzreformen Kaiser Konstantins des Großen angebahnt hatten. Die Anfänge dieses germanischen Münzwesens waren demnach so ziemlich geordnet, bis Mangel an bergmännisch gewonnenen Edelmetallen, Finanznöte und Habsucht der Münzherren schon frühzeitig zur Münzverschlechterung führten. Erst die Karolinger, 53

die ein völlig zerrüttetes Münzwesen vorfanden, haben auch auf diesem Gebiete Ordnung geschaffen und namentlich die Münzhoheit in vollem Umfang für sich beansprucht. „Das Münzwesen wird auch nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten eingerichtet, und manches was dabei von den Karolingern verordnet wurde, erinnert an die Grundsätze, die erst seit dem 19. Jahrhundert in die Münzpolitik wieder Eingang gefunden haben. Die Münze soll ihrer Aufgabe als Wertmaßstab und allgemeines Zahlungsmittel voll entsprechen" (677). Nur probehaltige und vollgewichtige Münzen eines bestimmten Gepräges waren zum Umlauf zugelassen; dem Verbreiter falscher oder untergewichtiger Stücke drohte gerichtliche Verfolgung. „Dagegen trat der finanzielle Gesichtspunkt in den Münzvorschriften der Karolinger wenig hervor; namentlich fanden Verrufungen der Münzen nur selten aus dem volkswirtschaftlich gerechtfertigten Grunde statt, um vollgewichtiges Geld im Umlauf zu erhalten" (677). Auf die wohlgeordneten Zustände der Karolingerzeit folgten im Münzwesen wieder viele Jahrhunderte arger Zerrüttung, die indessen nicht allein durch die Habsucht der Münzberechtigten zu erklären sind, sondern auch durch Ursachen allgemeiner Natur. An erster Stelle steht da wohl — wir werden es an zahlreichen Stellen unserer Münzgeschichte bestätigt finden — „die unzureichende Größe der für Münzzwecke verfügbaren Edelmetallvorräte in Europa" (677). Der bergmännische Abbau war — technisch gesehen — noch viel zu wenig leistungsfähig, viele Bodenschätze noch unentdeckt. Dabei wuchs der Bedarf an gemünztem Geld im gleichen Maße, in dem die Kulturansprüche zunahmen, die nur aus dem nahen und fernen Orient befriedigt werden konnten. Eine weitere Ursache dieser ständig zunehmenden Münzverschlechterung ist die Tatsache, daß die mittelalterliche Staatswirtschaft sehr geringe Einnahmen an Bargeld hatte, die sie sich noch am leichtesten aus der Überbeanspruchung der Regalien verschaffen konnte. Was lag da näher, als den Münznutzen auf Kosten der Güte des Geldes zu erhöhen. Dieser Nutzen war wohl des Münzherrn gutes Recht, aber seine Höhe leider eine „reine Gewissenssache". Diese aber konnte der einzelne um so leichter nehmen, als ihm die Unterstützung durch die Kanonisten zur Seite stand, die in dem mittelalterlichen Streite über das eigentliche Wesen der Münze den vom Willen des Münzherrn abhängigen valor impositus über den inneren Wert des Geldstückes, die bonitas intrinseca, stellten. Die bösen Folgen solcher Maßnahmen konnten allerdings nicht ausbleiben. Sobald auch nur ein paar mächtige Münzherren sich für die Verschlechterung ihrer Münzen entschieden, mußten die Nachbarn in immer weiteren Kreisen jenen in der Herabsetzung des Münzfußes nachfolgen, da das Greshamsche Gesetz, daß die gute Münze durch anhaltenden Umlauf schlechterer Gepräge notwendig aus dem Verkehr gedrängt werde, damals nicht minder wirksam war als heute. Den Mün%nut%en konnte man auf verschiedenen Wegen erzielen. Ursprünglich wurde bei der Verleihung des Münzrechts nur der Schlagschatz, monetagium, und der Wechselgewinn, jus cambii, gewährt, der sich bei der Einlösung des Münzmetalls ergab. Der Schlagschatz umfaßt nach dem Sprachgebrauch der wichtigsten Urkunden des deutschen Münzwesens den ganzen Unterschied zwischen dem Nennwert und dem Metallwert einer Münze, doch lassen sich darin zwei Bestandteile sehr ungleicher Art und Wirkung unterscheiden. Der eine Teil, der zur Deckung der Münzkosten erhoben wird, der „sogenannte natürliche Schlagschatz, . . . ist volkswirtschaftlich durchaus gerechtfertigt; bedenklich durch seine Folgen kann jedoch der darüber hinaus abgeforderte Münzgewinn des Münzherrn, das sogenannte Münzregal der Kameralisten . . . werden" (677). Nach den Gußberechnungen der Wiener Münzstätte betrug im 15. Jahrhundert der Schlagschatz 13 % vom Metallwert der Münze, „obwohl damals halbwegs geordnete Zustände herrschten 54

und namentlich der Unfug der willkürlichen Münzverrufung nicht mehr stattgefunden hatte. Noch merkwürdiger als die Höhe ist die Aufteilung dieses Schlagschatzes, da 7,7 % Münzkosten, nahezu 5 % Gewinn der Hausgenossen und nur 0,4 % Gebühr des Herzogs sind" (674). Der Ertrag der Münze konnte auch dadurch gesteigert werden, wenn sich die Möglichkeit bot, unterwertige Münzen zum früheren Nennwert auszugeben, indem man entweder das Schrot oder das Korn, mitunter auch beides zugleich veränderte. Dies konnte sowohl durch Verleihung oder durch eigenmächtige Erweiterung des ursprünglichen Rechts geschehen. Die Einhebung des ordentlichen Schlagschatzes wie auch eines außergewöhnlichen Gewinns, der sich bei einer Veränderung des Münzfußes für den Augenblick ergeben konnte, hing von der Ausgabe neuer Münzen ab. Die Münzherren trachteten daher, möglichst viel und möglichst oft zu prägen und auch möglichst viele Leute zur Abnahme ihrer neuen Münzen zu verhalten. Dies alles führte zu einer Reihe eigentümlicher Maßnahmen, die für die Münzpolitik des Mittelalters charakteristisch sind; vor allem sind hier die berüchtigten periodischen Münzverrufungen und die Zwangsvorschriften zu nennen, die die Einwechslung gewisser Münzsorten sichern sollten. Für unser Gebiet kommen in erster Linie die Münzverrufungen (renovationes, revocationes, innovationes, mutationes monetae) in Betracht. Auch sie gehen noch in die Karolingerzeit zurück. Damals aber hatten sie noch volkswirtschaftliche Beweggründe, während im späteren Mittelalter erzwungene Umwechslungen des umlaufenden Geldes zur Steigerung des Münzgewinns und damit zur Deckung der täglichen Bedürfnisse der Münzherren geradezu üblich wurden. Diese Verrufungen wurden trotz ihrer Verwerflichkeit angesichts der Gewissenlosigkeit zahlreicher Prägeberechtigter schließlich zu einer gewöhnlichen Finanzmaßregel. Wahrscheinlich haben sie sich im Anschluß an die Entwicklung des mittelalterlichen Markt- und Verkehrswesens herausgebildet, wie denn überhaupt Münze, Markt und Zoll enge zusammenhängen. „Der eigentliche Handelsverkehr, der eine größere Anzahl von Käufern und Verkäufern zusammenbrachte, einen ausgedehnteren Warenumsatz schuf und Münzgeld in größeren Summen nötig machte, war auf die wenigen großen Jahrmärkte konzentriert" (677). Die frühesten Nachrichten über solche zur Bereicherung des Landesherrn eingeführten Münzverrufungen, durch die jeder Landeseinwohner gezwungen wurde, sein Bargeld mit Verlust gegen neue Münzen einzutauschen, stammen aus Böhmen, wo dieser Unfug einer drei- bis viermaligen Verrufung im Jahr schon um das Jahr 1000 eingerissen zu sein scheint. Auch Schlesien und Ungarn waren davon betroffen, gewöhnlich einmal im Jahre. Es ist eine große Ausnahme, daß in der Steiermark seit 1237 die Münzerneuerung nur mit Zustimmung der Landesministerialen in mindestens fünfjährigen Abständen erfolgen sollte, ein Zeitraum, in dem man auch mit einer natürlichen Abnutzung der Gepräge und der Notwendigkeit einer Erneuerung rechnen konnte. Im übrigen war der aus der Verrufung erzielte Gewinn des Münzherrn keineswegs bedeutend, dafür der volkswirtschaftliche Schaden, den die Bevölkerung erlitt, unverhältnismäßig größer. „Vor allem traten diese Verrufungen fast jeder Kapitalsbildung, sofern das Kapital aus Münzgeld bestand, hindernd entgegen, da alles bare Geld jährlich etwa 25 % an Wert einbüßte, die aber nur teilweise in den Säckel des Münzherrn flössen, weil daraus auch die bedeutenden Kosten der Umprägung bestritten werden mußten" (677). Diese Entwertung aller Bargeldbestände war jedoch keineswegs die einzige böse Folge der Münzverrufungen; sie führten vielmehr zur Ausprägung von Münzen von 55

periodisch wechselnder Schwere. Der wachsende Geldbedarf, die damit zusammenhängende Zunahme der Münzstätten, die dadurch bedingte Einstellung wenig geschulter Münzer führten zwangsläufig auch zu einem Verfall der Münztechnik. Man hatte keine Zeit mehr, die ausgeprägten Münzen sorgfältig zu justieren, d. h. jedes Stück einzeln auf das vorgeschriebene Gewicht zu prüfen und die untergewichtigen auszusondern; an Stelle der sorgfältigeren Stückelung früherer Zeiten kam nun die Münzung al marco auf, indem man sich damit begnügte, eine gewisse Menge von Stücken auf ihr Gesamtgewicht zu prüfen und zu egalisieren, wobei ein gewisses Remedium (Abzug oder Zuschlag beim Gewicht und Feingehalt, auch Toleranz oder Gnade genannt) als eine für die Ausprägung selbst gestattete Fehlergrenze zulässig war. Diese Münzung al marco aber hatte außer ihrer Oberflächlichkeit auch noch den Nachteil, daß sie zum „Seigern", d. h. zum sträflichen Herausklauben der übergewichtigen Stücke verlockte, deren Silber man vorteilhaft verwerten konnte. Es blieb daher nur das untergewichtige Geld im Umlauf, und somit erlitten die neuen Pfennige schon in den ersten Wochen nach ihrer Ausgabe eine empfindliche Einbuße. Es ist für die damalige fiskalische Auffassung vom Wesen der Münze bezeichnend, „daß sich die Münzherren schließlich mit dieser ,Seigerung' als einer unvermeidlichen Schmälerung abfanden, dafür aber deren mutmaßlichen Ertrag vorwegnahmen, indem sie in dem Maße, als das Jahr vorrückte, immer leichtere Münzen ausgaben und diese Maßnahme auch in ihren Münzordnungen als Regel hinstellten. Diese Prägung mit periodisch abnehmendem Schrot war im Mittelalter im Gesamtgebiete des deutschen Reiches und damit in Österreich sehr verbreitet. Es war das rohe Mittel, um dem Münzherrn den durch die Seigerung sicher eintretenden Metallverlust zu ersparen, und sollte außerdem den Wertsturz, der sonst am Tage der Münzerneuerung unvermittelt eingetreten wäre, auf die Umsätze im Laufe des Jahres verteilen und erträglicher gestalten" (677). Es ist nur ein schwacher Trost, daß der Mißbrauch des Münzrechts zu fiskalischen Zwecken in Frankreich damals noch größer war! Um sich den Münznutzen möglichst zu sichern, haben die Münzherren auch dem Edelmetallhandel so manche Schranken gezogen. Wenn sie selbst in ihrem Gebiete Erzvorkommen abbauten, besaßen sie gewöhnlich auch das Bergregal und damit die Handhabe, die Preise für das Bergsilber, das ihnen abgeliefert werden mußte, niedrig zu halten. Auch der sonstige Edelmetallvorrat im Lande, gleichgültig ob er den Untertanen gehörte oder von fremden Kaufleuten importiert wurde, war nicht selten dem landesherrlichen Einfluß unterworfen. Ausfuhrverbote oder Einholung von Erlaubnisscheinen, Verbot des Handels mit ungemünztem Metall oder ungängiger Münze, Lizenz für Ankauf und Verkauf von Silber und Gold ausschließlich für einen engen Personenkreis usw., alles dies war dazu bestimmt, dem Münzherrn zur Versorgung seiner Münzstätte mit Rohmaterial ein Ankaufsmonopol zu schaffen. Da alle Zahlungen nur in gültigen Münzen erfolgen sollten, mußte man sich diese beim Wechsler beschaffen, wobei man für sein Edelmetall den vom Münzherm einseitig festgesetzten Einlösungspreis in geringer Münze nach deren Nennwert ausbezahlt erhielt. Dieser Münzwechsel hat daher im Mittelalter einen wichtigen, ja unerläßlichen Faktor des Münzregals gebildet. Schließlich sahen sich die Münzherren angesichts der durch ihre Münzerneuerungen und Münzverschlechterungen allem Verkehr zugefügten schweren Schäden doch gezwungen, gewisse Erleichterungen zu gewähren oder auf die Renovatio, sei es für eine begrenzte Zeit, sei es für immer zu verzichten. Wohl die günstigste finanztechnische Lösung hat Herzog Rudolf IV., der Stifter, von Österreich erzielt, der für seinen Verzicht auf die periodischen Münzerneuerungen 1359 von den Landständen das „Ungeld", eine Getränkesteuer, eintauschte. „Die Münzprägung beschränkte sich für lange Jahre auf 56

den Ersatz des jährlichen Abgangs, so daß der Münzgewinn ums Jahr 1437 nicht einmal 200 Pfund Pfennig oder etwa 5 % kg Feinsilber erreichte, während der Ertrag des Ungeldes 30 563 Pfund oder rund 800 kg Feinsilber damals beinahe die Hälfte der Gesamteinkünfte des Herzogs ausmachte." Rudolf IV. ließ auch die schon vorhandenen Münzwerte im Umlauf, während sich andere Münzherren zu einer neuen bleibenden Münze entschlossen; so ordnete z. B. die Stadt Braunschweig 1413 die Prägung eines „ewigen Pfennigs" an, der, auch anderwärts eingeführt, dem deutschen Münzwesen jedoch nicht die erwartete Besserung brachte. Denn die Münzherren griffen doch immer wieder auf die Verschlechterung der Münze als letztes, verheerendes Auskunftsmittel zurück. In das Gebiet des Rechtes gehören außer den schon erwähnten Münzverschlechterungen auch alle Verordnungen, die sich auf die Ausprägung selbst und auf die Regelung des Münzumlaufs beziehen. Hierher gehören im engeren Sinne die vom Münzherrn erlassenen Münzordnungen, die die Bestimmungen über die Münzpolitik, den Münzfuß, das Gepräge und die Pflicht des Münzpersonals aufzählen und im Mittelalter meist in den Bestallungen (Instruktionen) der Münzmeister enthalten waren. Auch der Wardein, der wie schon oben erwähnt, den Münzmeister kontrollieren sollte, erhielt bei seinem Dienstantritt eine solche Instruktion. Münzgesetze (-edikte, -generalien, -mandate, -patente, -Verordnungen) sind staatliche münztechnische und münzpolitische Bestimmungen, „die entweder als große, das ganze Münzwesen regelnde oder ändernde, heute von der Volksvertretung zu billigende Gesetze oder Edikte, oder im Verordnungswege als auf Einzelheiten sich erstreckende Mandate oder Verordnungen erlassen werden" (1088). Unter münzpolitischen Verordnungen versteht man jene Gesetze und Edikte eines Staates, die die eigene Währung sichern, die eigenen Münzen dem Lande erhalten und fremde fernhalten sollen. Sie wurden öffentlich angeschlagen oder mit Trommelschlag oder an Sonn- und Feiertagen auch von der Kanzel herab der Gemeinde verkündet. Zu diesen münzpolitischen Verordnungen gehören auch die Münztarife, staatliche Wertfestsetzungen eigener älterer und fremder Münzen in eigener Währung für die Erhaltung im eigenen Lande" (1088). Sie waren die Vorläufer der Kurszettel und wurden meist — gedruckt oder geschrieben — in Form von Plakaten erlassen. Je mehr sich der Fernhandel ausweitete, desto mehr strömten insbesondere in den Orten, wo große Märkte (Messen) stattfanden, in Österreich z. B. in Linz an der Donau oder in Bozen, Münzen aller Art zusammen, deren Bewertung man nicht der Privatspekulation überlassen durfte. Solche Münzgesetze sind im Laufe der Jahrhunderte im deutschen Räume wie auch in der Doppelmonarchie sonder Zahl herausgegeben worden. Sie bilden eine wichtige Grundlage besonders für die Geldgeschichte, während die Münzgeschichte in erster Linie aus den für den Gebrauch der einzelnen Münzstätten erlassenen Münzordnungen und Instruktionen erhellt. Größte historische Bedeutung haben die drei großen Reichsmünzordnungen (Eßlingen 1524, Augsburg 1551 und 1559) erlangt, als der — leider vergebliche — Versuch, im Reiche ein einheitliches Münzwesen, eine Einheitsmünze zu schaffen. Noch ein kurzer Blick auf die eigentliche und wichtigste Funktion der Münze als gesetzliches Zahlungsmittel. Wir wollen uns hier nicht mit den verschiedenen Auslegungen dieses Begriffes auseinandersetzen, wie sie die verschiedenen Geldtheoretiker, etwa Georg Friedrich K N A P P (556) mit seinem Chartalismus, aufgestellt haben. Das ist Gegenstand der Nationalökonomie und der Geldphilosophie, aber nicht der Geschichtswissenschaft. Wir wollen uns hier daher nur mit der rechtlichen Seite befassen. Unter Zahlung versteht man meist „die Erfüllung einer auf Geld lautenden Verpflichtung durch Hingabe von Geld . . . Die rechtliche Möglichkeit, sich aus einer Ver57

bindlichkeit durch Hingabe von Geld . . . zu befreien, beruht . . . auf der Erklärung des Staates, daß er dieser oder jener Geldart innerhalb seines Machtgebietes die Eigenschaft der Währung verleihe". Währung aber bedeutet „Münzen, die man ohne Begrenzung durch einen Höchstbetrag in Zahlung nehmen muß" (677). Die Münzen sind, wie schon erwähnt, Metallstücke in einer bestimmten, vom Staate, der auch den Wert verbürgt, vorgeschriebenen Form. Während sich aber beim Naturaltausch auch zwischen gleichartigen Waren, etwa zwischen zwei Kühen zur Zeit des Viehgeldes, gewisse Unterschiede ergeben, zeigt das geläuterte Edelmetall in allen seinen Teilen die größte Gleichförmigkeit; es kann daher beliebig geteilt werden, ohne daß diese Teile an dem ihrem Gewichte entsprechenden Werte das geringste einbüßen würden. Das Metallgeld besitzt daher in höchstem Maße die wichtige Eigenschaft der Vertretbarkeit, so daß man — eine korrekte Ausbringung der Münze vorausgesetzt — die Schuld ohne weiteres durch die Zuzählung der festgesetzten Summe von Münzen begleichen kann. In Zeiten, wo die Technik noch nicht eine absolute Gleichförmigkeit der Münze ermöglichte und überdies durch betrügerisches Beschneiden oder Befeilen das Sollgewicht gemindert wurde, pflegte man allerdings Zahlungen — insbesondere bei Gold- und schwereren Silbermünzen — mit Hilfe der Waage durchzuführen. Wie schon öfters bemerkt, haben im Münzwesen kurzsichtige Einzelinteressen schließlich den Sieg über den „volkswirtschaftlich gesunden Gedanken einer allgemeinen Reichsmünze" den Sieg errungen. Die „Territorialität" der Münze errang die Vorherrschaft. Der Spruch „Der Heller gilt nur dort, wo er geschlagen wird" beruhte auf einer allgemeinen Regel. Auch in Österreich, wo die Bestimmungen des Ungeldbriefes Rudolfs IV. nur für die Lande unter und ob der Enns, also das Umlaufgebiet des Wiener Pfennigs Geltung hatten, aber nicht für die übrigen habsburgischen Lande, das später unter dem Namen „Innerösterreich" zusammengefaßte Gebiet von Steiermark, Kärnten und Krain. Die rücksichtslose Durchführung der Territorialmünzen hat nicht nur dem zwischenstaatlichen, sondern auch dem binnenländischen Verkehr im Deutschen Reiche schwere Opfer auferlegt. Noch um die Mitte des 13. Jahrhunderts nahm der Reisende ungemünztes Edelmetall und nach Bedarf auch ortsübliche Münzen mit, wie es z. B. aus der berühmten Reiserechnung des Bischofs Wolfger von Passau erhellt, der 1204 nach Aquileja fuhr, um dort den Thron des Patriarchen zu besteigen. Solche Methoden konnten natürlich zu einer Zeit, als sich Deutschland eben anschickte in den Weltverkehr einzutreten, kaum von Vorteil sein, zumal schon ein ganzes Jahrhundert früher italienische und südfranzösische Kaufleute „durch die kaufmännische Anweisung in Wechselform" das Mittel gefunden hatten, die Territorialität des Münzwesens zu umgehen und mit geringen Kosten Zahlungen bargeldlos von einem Orte zum anderen zu leisten. Im übrigen erhielt der Rechtssatz von der beschränkten Gültigkeit des Hellers seit dem 16. Jahrhundert eine von der mittelalterlichen wesentlich verschiedene Auslegung. Auf dem Augsburger Reichstage wurde 1500 eine Reichsmünzordnung geplant und beschlossen, nach deren Bestimmungen die dieser Ordnung entsprechenden Gold- und Silbermünzen allenthalben im Reiche, somit auch in Österreich und Böhmen, bei Strafe „für Währung hiefür in allen Contracten und Verpflichtungen" zu halten und zu nehmen seien. Dieser Beschluß aber erlangte erst durch die 1524 von Kaiser Karl V. zu Eßlingen erlassene (erste) Reichsmünzordnung Gesetzeskraft, in dem zwischen „gemeinen Reichsmünzen", denen Größe, Gepräge, Schrot und Korn einheitlich vorgeschrieben war, die im Reiche allgemein für „Wertschaft an statt des Golds" angenommen werden sollten, und den in ihrer Zahlkraft beschränkten kleinen Pfennigen und Hellern unterschieden 58

wurde, die jeder Münzstand als Landesmünze „zu gemeinen Gebrauch und Notdurft" seines Gebietes etwa im dreifachen Betrag der von ihm geprägten Reichsmünze ausbringen durfte. Auf Grund der drei Reichsmünzordnungen gab es demnach wieder Reichsmünzen nach einem allgemein vorgeschriebenen Münzfuß, die überall im Reich, soweit nicht ausdrücklich Gold ausbedungen war, zum Nennwert in Zahlung genommen werden mußten. Daneben hatte jeder Münzstand das Recht, kleinere Münzen nach Landesart als „Landmünzen" für den täglichen Handel und Wandel zu prägen, also Scheidemünze, deren Annahmepflicht auf den Kleingeldverkehr des Ursprungslandes beschränkt blieb. Der alte „Heller", als kleinstes Nominale, war allerdings mittlerweile z. T. durch größere und bessere Münzstücke ersetzt worden, was aber an der inhaltlichen Bedeutung des ursprünglichen Rechtssatzes nichts änderte. Aber wie schon angedeutet, konnten sich die drei Reichsmünzordnungen in ihrer Auswirkung trotz aller Anstrengungen auf die Dauer doch nicht durchsetzen; so manche Bestimmungen waren nicht genügend durchdacht und daher von vornherein undurchführbar, für andere wiederum fehlte es an der Macht der Exekutive (Münzpolizei), um sie zu realisieren. „Auf theoretischem Boden hingegen bedeuteten sie einen ungeheuren Fortschritt gegenüber der Zerfahrenheit des Münzwesens im Mittelalter." Wir werden uns bei der Schilderung der Münz- und Geldgeschichte wiederholt mit diesen theoretisch möglichen, praktisch aber undurchführbaren Lösungen konkret zu beschäftigen haben. Zu erwähnen wären schließlich noch die Verträge, die von einem Münzherrn in Ausübung seines Münzrechtes getroffen wurden, wie sie etwa in der Bestallung der Münzbeamten und des freien Münzgesindes vorliegen. Als Verträge dieser Art kann man auch die schon erwähnten Instruktionen für Münzmeister, Münzwardeine usw. auffassen, weil diese sowohl die Rechte als auch die Pflichten dieser Beamten enthalten. Aber die Münzherren haben zuweilen auch mit ihren Nachbarn Verträge abgeschlossen, die in erster Linie den Umlauf ihrer Gepräge betreffen. Die häufigste und zugleich wichtigste Art solcher Verträge ist jene, wenn die Vertragspartner „nicht bloß wechselseitig ihre Gebiete allen oder bestimmten Geprägen des andern Teils" eröffnen, sondern sich überdies über Ausmünzung nach einem gemeinsamen Fuße einigen. So haben z. B. die Erzbischöfe von Salzburg und die Herzoge von Kärnten sich 1268 und 1286 über die Prägung von Pfennigen nach Friesacher Schlag in der erzbischöflichen Münzstätte zu Friesach und in der herzoglichen zu St. Veit, Völkermarkt und Windischgraz geeinigt. 1753 wurde zwischen Österreich und Bayern eine Münzkonvention abgeschlossen, die zur Einführung des sogenannten Konventions-Münzfußes Anlaß gab und schließlich kam es 1857 zum deutschen Münzverein, dem auch Österreich bis zu seinem Austritt aus dem Deutschen Bunde nach seiner Niederlage bei Königgrätz angehörte. Dieser letzte Münzbund setzte auch ein gemeinsames Gepräge fest, während die anderen nur einen gemeinsamen Münzfuß vereinbarten. Dies sind die wichtigsten Beispiele im Rahmen der österreichischen Münzgeschichte. 6. Münze, Sprache und Schrift Die Sprache auf den Münzen der europäischen Völker war, soweit sie sich zur römischkatholischen Kirche bekannten, während des ganzen Mittelalters und sogar noch weit über dieses hinaus, mit verschwindend wenigen Ausnahmen die lateinische, sicherlich aus den gleichen Gründen, die auch für die Abfassung von Urkunden in dieser Sprache maß59

gebend waren. War doch das Latein in den Jahrhunderten des Mittelalters noch „eine sich weiterbildende, lebende Sprache" und als solche ein sprachliches Bindeglied zwischen den hochkultivierten Romanen und den noch primitiven Germanen und Slawen, aus denen sich damals die abendländische Völkergemeinschaft zusammensetzte. „Für die Wucht, mit der die römische Bildung auf die germanischen Eroberer drückte, ist wohl nichts bezeichnender als die Tatsache, daß sie nicht imstande gewesen sind, ihre Muttersprache von Anfang an zu regelmäßiger literarischer Verwertung zu bringen, so daß sich die schriftliche Produktion fast ganz im Banne der lateinischen Sprache hielt" (1161). Das gleiche gilt mutatis mutandis auch für die Slawen und Magyaren, denen das Lateinische durch die Christianisierung vermittelt wurde. Dieses Übergewicht der imperialen Gedankenwelt ließ es dort nur zur langsamen Entwicklung der Volkssprache zu einer Schriftsprache kommen; dies macht verständlich, wieso das Latein lange seine führende Rolle beibehielt. „Sogar die byzantinischen Münzen tragen lange Zeit lateinische Aufschriften, bis als ein Zeichen der Scheidung vom Abendland die griechische Sprache auch auf Münzen erscheint und hier etwa von der Mitte des 8. Jahrhunderts an herrschend wird" (677). Die Ausnahmen von der Regel sind gering. Auch Ungarn, das ethnisch doch eine Sonderstellung einnimmt, da es keiner der drei genannten Völkerschaften angehört, hat sich dank seiner westlichen Kulturbeziehungen auf seinen Münzen von allem Anfang an des Lateinischen bedient, ja es blieb sogar bis in die Neuzeit hinein in diesem Lande die Amtssprache. Erst die Revolution von 1848 und der österreichisch-ungarische Ausgleich von 1867 haben dem Magyarischen den gebührenden Platz eingeräumt. Von Seite der Münzkunde her betrachtet, würde diese sprachliche Einheitlichkeit eine wesentliche Erleichterung bedeuten, wenn bei den mittelalterlichen Münzen mitunter nicht andere Umstände die sprachliche Deutung erschwerten. Abgesehen von den „stummen", d. h. schriftlosen Geprägen zeugen wiederum andere davon, daß der Stempelschneider des Lesens und Schreibens unkundig war und daher buchstabenähnliche, aber sinnlose Zeichen als bloßen Zierat an Stelle einer Schrift auf die Münzen setzte. Für solche „wirre Schriften" bietet gerade das ungarische Münzwesen eine ganze Reihe von Beispielen aus dem 12. Jahrhundert, die bis heute noch keinem bestimmten Herrscher zugewiesen werden konnten. Im allgemeinen ist die Schrift auf mittelalterlichen Münzen überhaupt schwer lesbar; oft haben die Aufschriften auch eine symbolische Bedeutung, wie etwa das höchst merkwürdige IVDICA R E ( X ) auf einem Grazer Pfennig des 1 3 . Jahrhunderts, nach FRIEDENSBURG „vielleicht die interessanteste aller Aufschriften des Mittelalters, der Ausdruck einer Volksstimmung, der schon 1234 Nithart, fünfzig Jahre später Seifried Helblink noch viel schärferen Ausdruck verleihen" ( 2 7 1 ) . Karl DOMANIG, der von der Germanistik zur Numismatik gekommen war, hat diesem Stücke eine kleine Abhandlung gewidmet, aus der mit voller Sicherheit hervorgeht, daß dieses „Sprich Recht, o König" vom Lande Steiermark Rudolf von Habsburg zugerufen wurde, als Aufforderung, seines Richteramtes zu walten. „Vermutlich liegt eine Anspielung auf den großen, von König Rudolf im Dezember 1 2 7 6 erlassenen Landfrieden vor" ( 1 5 0 ) . Aus der Steiermark stammt übrigens auch noch ein zweites Kuriosum, der ebenso seltene Pfennig mit dem steirischen Panther und der Umschrift SCHILT VON STEIR. Diese Münze und der um dieselbe Zeit ebenfalls in Graz unter der Regierung Przemysl Ottokars II. von Böhmen (in Steiermark von 1260—1276) geprägte Pfennig mit der Umschrift CVNECH OTACCAR sind nämlich zusammen mit einem Friesacher mit der, Umschrift HERZOG BERNHART und SANDE VEIT, beide von Bernhard I. (1202—1256) 60

die ersten Stücke mit deutscher Legende auf altösterreichischem Boden. Sie haben nur einen Vorgänger in Böhmen, wo auf Mün2en des Herzogs Boleslaus II. oder III. um das Jahr 1000 auf Pfennigen in einem Kirchengiebel das Wort GOT ZU lesen ist, während sich auf anderen Münzen dieses Herrschers das lateinische,, D E V S " oder das slawische „ B O Z E " findet. Dieses „ G o t " kann als ältestes Beispiel einer deutschen Münzaufschrift gelten. F R I E D E N S B U R G ( 2 7 1 ) meint dazu, „der Münzer scheint damit die schon damals vorhandene nationale Empfindlichkeit der Einheimischen erregt zu haben und hat sich genötigt gesehen, noch zwei andere Stücke auszugeben, die das anstößige deutsche Wort durch das lateinische D E V S und das czechische B O Z E ersetzten". Ansonsten haben sich die Böhmen im Mittelalter auf ihrer Münze ebenso vorwiegend ihrer Landessprache bedient, wie ihre slawischen Verwandten in Kroatien, Slawonien, Dalmatien und Bosnien. Nur in Polen finden wir die merkwürdige und einzig dastehende Erscheinung, daß unter Miseco III. dem Alten ( 1 1 7 3 — 1 2 0 2 ) Titel und Lobsprüche in polnischer und hebräischer Sprache und in hebräischen Lettern auf den Münzen verwendet werden, als seine Münzstätte durch ungefähr 20 Jahre in Händen von Juden lag. Verhältnismäßig spät treten im Mittelalter Jahreszahlen auf Münzen auf; noch im 15. Jahrhundert waren sie selten. Ihr Gebrauch ist von den Rheinlanden ausgegangen, zuerst fast ausschließlich in lateinischen Zahlzeichen, denen dann zögernd auch die arabischen folgten. Im Bereiche der habsburgischen Länder dürfte der Grazer Vierer von 1456 die erste datierte Münze sein. Ebenso selten ist im Mittelalter die Herrscherzahl bei gleichnamigen Herrschern. Zuerst kommt sie — meist ausgeschrieben („secundus") — auf den Prager Groschen seit Wenzel II. (f 1305) vor. Gelegentlich scheint der Name des Münzherrn wie auf den mittelalterlichen Königs- und Kaiserurkunden auch als Monogramm in der seit Karl dem Großen üblichen Form auf. Auch hier bringt der Grazer Vierer Friedrichs III. aus den Jahren 1456ff. den Beweis. Die wenigen Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, daß die Bestimmungselemente bei den beschrifteten Münzen des Mittelalters bunt gemischt sind. Selten nur finden sich alle auf einem Stück vereinigt, oft fehlen alle. In diesem Falle muß man äußerlich schon nach dem Stil, der „Mache", innerlich nach Gewicht und Feingehalt urteilen. Mit der Zeit aber wurden diese Probleme etwas erleichtert, indem die Größe der Münzen zunimmt, und sich auf ihnen daher auch ein größerer Raum zur Beschriftung darbietet. Auch der Gebrauch der Jahreszahlen wird allgemein, nur daß im 16. und 17. Jahrhundert auch die Datierung nach der „minderen Zahl" üblich wird, in dem man die erste oder die beiden ersten Ziffern wegläßt (z. B. 68 = 1568, 609 = 1609). Dafür aber macht sich die zunehmende Titelsucht auch auf den Münzen breit und da hiefür kaum je der genügende Raum vorhanden ist, muß man zur Abkürzung greifen, deren Auflösung nicht selten auf Schwierigkeit stößt. Für den österreichischen Raum ist dies ziemlich einfach, zumal die Abkürzungen z. T. auch mit den Wappenbildern korrespondieren. Abgesehen davon ist, wie schon oben im Abschnitt über Heraldik erwähnt wurde, der jeweilige Herrschertitel aus Urkunden, Münzpatenten u. dgl. zu ersehen. Doch sind diese Abkürzungen für das Gebiet der habsburgischen Länder sowohl für das Herrscherhaus als auch für die sogenannten „Herrenmünzen" fast durchwegs aufgelöst. Schwieriger wird diese Lösung jedoch auf dem Gebiete der Münzmeisternamen, weil diese Beamten keineswegs für alle altösterreichischen Münzstätten ermittelt wurden und daher ihre auf den Münzen angebrachten Siglen oder meist ihrem Wappen entnommene Embleme vielfach noch nicht gedeutet werden konnten. Was die Namen, die Bezeichnungen, Nominale der Münzen anlangt, so finden sich solche in unserem Räume erst 61

spät vor. In der Denar- oder Pfennigperiode waren sie ja nicht notwendig gewesen, da ja der Wert dieser Münzen nicht zweifelhaft war, solange nur Pfennige oder ihre Halbstücke, die Hälblinge, geschlagen wurden. Erst Böhmen setzte zu Beginn des 14. Jahrhunderts auf die neue Münzsorte des Groschen den Ausdruck Grossus Pragensis, was jedoch nur „die Eigenschaft des Stückes als Dickmünze und mittelbar auch die eines Pfennigvielfachen hervorhebt, aber nicht angibt, wieviel Pfennigwerte es darstellt". Erst mit dem 16. Jahrhundert wird die Wertbezeichnung auf den Münzen, die jedoch auch aus einer bloßen Wertzahl bestehen kann, „in Deutschland unter dem Einfluß der Reichsmünzordnung die Regel, und sie gilt heute allgemein als ein Erfordernis des Münzgepräges". Bei ausgeschriebenen Münzwerten blieb das Lateinische noch bis in die Zeit Maria Theresias hinein üblich; erst ihre Münzreform führte auch die deutschen Wertbezeichnungen, z. B. den Kreuzer, ein. Kürzungszeichen kommen auf Münzen eigentlich nur 7 für „et" und 9 für ,,-us" (z. B. CAROL9) in Betracht. Daß in der Münzkunde auch paläographische Kenntnisse vorausgesetzt werden, ist aus dem Vorhergehenden deutlich zu ersehen. 7. Historische Geographie Die Wichtigkeit der historischen Geographie für die Münzwissenschaft ist erst in dem Augenblick erkannt worden, als die Numismatik ihren Aufgabenkreis erweiterte und außer der deskriptiven Seite auch die münz- und geldgeschichtlichen Probleme, vor allem den Münzumlauf oder die „Währungsgeographie" zu erforschen und daraus die Folgerungen zu ziehen begann. Münzumlauf und Münzwert sind auch jene Faktoren, die für die Wirtschaftsgeschichte von eminenter Bedeutung sind, insbesondere für die Geschichte des Handels, der durch die von ihm befahrenen Straßen die Verbreitung gewisser Münzsorten in ihre Bahnen lenkte. Münzfunde und schriftliche Aufzeichnungen ergänzen einander und geben da wichtige Hinweise. Es sei hier nochmals an die berühmte Reiserechnung des Bischofs von Passau und späteren Patriarchen von Aquileia Wolfgar erinnert, die jetzt im Museum der alten langobardischen Stadt Cividale zu sehen ist. Für den Handel selbst sind insbesondere die Handlungsbücher von außerordentlicher Bedeutung, die gleichzeitig auch in der Münzgeschichte eine wichtige Rolle spielen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die altösterreichischen Lande wurden durch vier Fernhandelsstraßen durchquert: die Donau als früh befahrener Wasserweg nach dem Osten, die Brennerstraße von Augsburg durch Tirol gegen Süden, die Straße von Salzburg über die Radstädter Tauern und die von Wien über den Semmering nach Venedig, die sogenannte „Eisenstraße" oder „Italienstraße". In diese vier Handelswege mündeten dann aus allen Weltgegenden so ziemlich alle anderen, von den einheimischen und fremden Kauf leuten bevorzugten Straßen, oder sie zweigten von ihnen ab, so daß dieses Gebiet mit der Zeit ein umfassendes Netz von Verkehrslinien überzog. Ähnliches gilt auch für Böhmen und Ungarn: dort waren Moldau und Elbe und die ihren Lauf mehr oder minder unmittelbar begleitenden Straßen, die dem Handel landein- und landauswärts die Richtung wiesen. Die Flüsse hatten aber nicht nur dem Kaufmann, sondern auch den Münzen ihren Weg vorgezeichnet. Um den wichtigen Export der „Friesacher" nach dem Osten zu fördern und auch den Kaufleuten zu helfen, errichteten die klugen Salzburger Erzbischöfe noch Nebenmünzstätten für diese dank ihrer Güte vielbegehrten Münzsorte. Solche „Filialen" gab es z. B. zu Reichenburg und Rann an der Save sowie kurze Zeit zu Pettau, wo Erzbischof Eberhard II. gemeinschaftlich mit Herzog Leopold VI. von Österreich-Steier62

mark prägte. Wie sehr der Handel die Lage von Münzstätten beeinflußte, bezeugten auch die Freisinger Bischöfe um 1210, die in ihrer „an der Krainer Gurk gelegenen Hofmark Guten wört an einer für den Verkehr nach Kroatien benutzten Fährstelle . . . den Münzhammer walten ließen" (694). Aber nicht nur die verschiedenen Flußsysteme, auch die Gebirgszüge mit ihren Übergängen haben im Münz- und Geldwesen richtungweisend gewirkt. Hier allerdings mehr im negativen Sinne, indem sie, wie z. B. die Saumwege in den Hohen Tauern, dem Durchschmuggeln schlechten Geldes und der verbotenen Ausfuhr von Edelmetall und vollwertigen Münzen Vorschub leisteten. War es doch Venedig, das sich infolge seiner Armut an Edelmetallbergwerken das für seine Zecca nötige Material unbedenklich auf Schleichwegen insbesondere aus den österreichischen Alpenländern verschaffte. Diese wenigen Beispiele müssen genügen, um die Einbeziehung der historischen Geographie in die Münz- und Geldgeschichte zu rechtfertigen. Sie beide und die Handelsund Wirtschaftsgeschichte ergänzen und befruchten einander gegenseitig. Aber nicht nur die Wege, die gewisse Münzsorten in die Fremde nahmen, interessieren uns in diesem Zusammenhang, sondern auch jene, auf denen sich metallarme Länder ihr Münzmaterial beschafften. Darüber soll in einem eigenen Abschnitt besonders gehandelt werden. In das Gebiet der Historischen Geographie fallen natürlich auch die Münzfunde. Ihre kartographische Darstellung ergibt gemeinsam mit dem Fundinventar und den Fundumständen einen wesentlichen Beitrag zur Lösung handels- und verkehrsgeschichtlicher Probleme. Von besonderer Bedeutung ist hier die Verteilung der Fundorte bestimmter Epochen an wichtigen Verkehrswegen längs der Flüsse und Küsten und über bestimmte Inseln, wie z. B. über Gotland in der Ostsee. Aus den Funden lassen sich auch ehemalige Handelsniederlassungen ermitteln, ebenso, wie schon mehrfach angedeutet, die Verbreitung bestimmter Münzsorten, die man für gewisse Zeiten geradezu als „Handelsmünzen" ansprechen darf, so der Friesacher, der Wiener Pfennig, der Prager Groschen und der Tiroler Kreuzer, nicht zu vergessen der ungarische Goldgulden (Dukaten). Ferner illustrieren die Münzfunde neben den zahlreichen Münzpatenten und Verwaltungsakten auch das Eindringen schlechter Münzen aus den Nachbarländern und die dadurch ausgelöste Verdrängung des guten einheimischen Geldes. Keines dieser Probleme ist aber ohne Kenntnis der Historischen Geographie, insbesondere der Verkehrsverhältnisse gewisser Epochen, zu lösen. Jede wichtige Handelsstraße hat ihre eigene Geschichte, die nicht zuletzt durch das Geld, die Münze, entscheidend mitbestimmt wird. Sie soll im Rahmen der Münz- und Geldgeschichte der einzelnen Länder und Landschaften aufgerollt werden. 8. Münze und Archäologie Die Altertumskunde befaßt sich mit der Erforschung der Vergangenheit in jenen frühen Zeiten, da schriftliche Quellen nur spärlich fließen oder überhaupt noch fehlen. Sie ist daher vorwiegend auf die Sprache des Bodens, also auf Ausgrabungsergebnisse angewiesen. Demnach schwindet ihre Bedeutung mit dem Einsetzen schriftlicher Überlieferung. Rein numismatisch gesehen schließt diese Periode mit dem Aufhören der Gepräge der Völkerwanderungszeit und dem Vakuum zwischen ihnen und der Errichtung eigener neuer Münzstätten zuerst in Böhmen und dann ungefähr gleichzeitig in Salzburg und Ungarn. Erst langsam folgen die anderen Länder. 63

In das Gebiet der Altertumskunde fallen daher nur Kelten, Römer und einige im Laufe der Völkerwanderung in unseren Raum eingedrungene germanische Völker sowie — ganz am Rande — Byzanz. Dieses hat nie auf dem Boden der ehemaligen Monarchie gemünzt und nur sein im eigenen Lande geprägtes Geld in den Westen entsendet. Dagegen haben die anderen Völker auch hierzulande da und dort Münzstätten unterhalten : die Kelten von Böhmen angefangen südwärts bis hinab nach Kärnten, die Römer zu Aquileia, Siscia und Sirmium, also nur im Süden ihres Machtbereiches, die Ostgoten und Gepiden aber in der ehemals römischen Münzstätte Sirmium und nördlich der Donau noch im Ruger- und Quadenland; kurz, nur in Gegenden, die sie bei ihrem Vordringen nach Italien berührten. Diesen Prägungen in unserem Bereiche aber gesellte sich noch das Einströmen von antiken Münzen aus allen anderen Gegenden der römischen Republik und des römischen Imperiums wie auch noch aus früheren Zeiten zu, deren konkrete Erwähnung an entsprechendem Orte erfolgen soll. Alle diese Gepräge der Griechen, Kelten, Römer, Byzantiner sind wichtige, vielleicht sogar die wichtigsten Quellen für die Altertumskunde, weil sie oft die einzigen Anhaltspunkte für die Datierung größerer Objekte bilden. Fast keine numismatische Sparte ist daher so gut und gründlich erfaßt wie die antiken Münzfunde, die in unserem geographischen Raum immer wieder aufgedeckt werden und längst zum unentbehrlichen Hilfsmittel zur Deutung archäologischer Probleme geworden sind. Für den Geldhistoriker aber ist der antike Münzumlauf ebenso wichtig wie der späterer Jahrhunderte. Die Kontinuität der Kulturentwicklung in unserem Räume, die von Alfons D O P S C H entgegen anderen Lehrmeinungen (der sogenannten „Katastrophentheorie") mit unwiderleglicher Beweiskraft vertreten wurde, zeigt die Notwendigkeit, alle in Frage kommenden gleichzeitigen Quellen des Arbeitsthemas möglichst vollständig zu erfassen, und somit auch die münzkundlichen und die archäologischen nicht unbefragt zu lassen. Das antike Erbe der ehemaligen Doppelmonarchie ist so reich und so gewaltig, daß auch der Numismatiker sich mit ihm befassen muß, nicht zuletzt mit der aus Rom übernommenen Sprache, aber ebenso mit dessen Münzen, den wichtigen und hilfsbereiten Wegweisern in die Kultur-, Wirtschafts- und Siedlungsgeschichte der klassischen und vielleicht sogar mehr noch der Verfalls- und Übergangszeit. Es ist in den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts der Ausdruck „münzdatiert" geprägt worden, ein Begriff, der — als präziser terminus technicus erkannt — rasch Eingang in die Literatur gefunden hat. Er wird hauptsächlich für Grabfunde angewendet und hier vor allem für die Keramik, wo er bis in die frühe Neuzeit hinein seine Bedeutung bewahrt. Er wurde auch in andere Sprachen, z. B. in die tschechische, übernommen, ein Beweis, welch wichtige Dienste die Münze als Datierungshilfe in der Wissenschaft leistet. Schon damit allein ist die enge Verbindung zwischen Archäologie und Münze sinnfällig. Daß dieser Zusammenhang sich noch auf anderen Gebieten äußert, kann hier außer Betracht bleiben, da, um nur ein Beispiel zu nennen, auf den römischen Prägungen weder Gebäude noch sonstige Kunstwerke im Münzbilde vorkommen, die sich auf Noricum oder Pannonien beziehen. Sonst sind verlorengegangene Kunstdenkmäler, wie etwa der sagenberühmte Zeus des Phidias, nur durch Münzbilder wenigstens im groben bekannt geworden. Der Nutzen, der aus Münze und Altertumskunde gewonnen werden kann, ist indessen ziemlich einseitig: nicht die Münze, sondern andere Sparten der Archäologie profitieren davon. Nicht zuletzt diesem Umstände ist es daher zu danken, daß in der Altertumswissenschaft, wie schon Ernst BERNHEIM hervorgehoben hat, die Münzkunde weitaus besser und gründlicher durchgearbeitet ist als etwa für Mittelalter und Neuzeit. Unsere Literaturhinweise müssen sich daher auf das Wichtigste beschränken. 64

9. Münze und Chronologie Die Kunde von der Zeitrechnung oder Chronologie ist für den Numismatiker von größter Bedeutung: Eine datierte Münze stellt uns kaum vor nennenswerte zeitliche Probleme, außer vielleicht, wenn ältere Stempel mit Jahreszahlen erst später in Gebrauch genommen wurden, wie z. B. die von Kaiser Franz I. seit 1806 zu Salzburg geprägten Kupfermünzen die Jahreszahl 1800 aufweisen, eine Diskrepanz, die erst auf Grund von Archivalien geklärt werden, aber bis dahin gar nicht erkannt wurde (222). Dagegen können uns undatierte Gepräge, wozu man auch die ohne Herrschernamen zählen kann, mitunter vor schwierige, ja oft unlösbare Aufgaben stellen. Das gilt auch hier in erster Linie für das Mittelalter, wo erst mit dem 15. Jahrhundert die Nennung des Prägejahres zögernd aufkommt. Aus diesem Grunde gehen oft Chronologie und Metrologie sowie Metallurgie (s. oben S. 27) lange Wegstrecken miteinander. Die rein numismatisch angewandte Chronologie beschränkt sich daher auf Entstehungszeit und Münzherrn. Eines bedingt das andere. Mit der Zeitrechnungskunde als historischer Hilfswissenschaft wird sich jedoch der Münz- und Geldhistoriker zu beschäftigen haben, der Urkunden und Akten zu seinen Forschungen heranzieht. In den Akten bei HIRSCH, Münzarchiv (402), und LORI, Bayerisches Münzrecht (654), gibt es seit dem Ende des 16. Jahrhunderts zahlreiche Stücke, die in Bruchform ein doppeltes Tagesdatum, etwa 1/11 Juli 1584 aufweisen. Das bezeichnet für die Zeit von 1582 bis 1700 den Unterschied zwischen dem alten, Julianischen und dem neuen, Gregorianischen Kalender, der meist als Nenner des Bruches fungiert. Bis zum 18. Februar 1700 alten Stils waren nämlich in Deutschland beide Stile nebeneinander üblich. Das katholische Deutschland hatte den neuen Kalender seit 1583 zu verschiedenen Zeiten eingeführt. 1583: Salzburg und Brixen 5./16. Okt.; österreichisch Oberelsaß und Breisgau 13./24. Okt.; Steiermark 14./25. Dez. 1584: Österreich und Böhmen 6./17. Jan.; Schlesien und Lausitz 12./23. Jan.; Ungarn 22. Jan./2. Febr. (gesetzlich aber erst 1587 Okt., 21.). 1590: Siebenbürgen 14./ 25. Dez. Die Differenz besteht also aus 11 Tagen, die bei geschichtlicher Darstellung zu berücksichtigen ist. Eine Kenntnis der Chronologie setzt auch die Datierung noch nicht veröffentlichter Urkunden voraus. Numismatisch von Interesse ist auch der französische Revolutionskalender mit seinen neuen Monatsnamen und Dekaden an Stelle von Wochen. Er kommt für unseren Raum natürlich kaum in Betracht, außer auf französischen Medaillen dieser Zeit, die sich auf kriegerische Ereignisse in Österreich beziehen. Für die Antike ist nicht nur der Römische Kalender maßgebend, sondern auch die chronologisch richtige Deutung der auf den Münzen römischer Kaiser vorkommenden Titel, wie vor allem der tribunicia potestas, dann der Konsulatsjahre, des „Pater patriae", „Pontifex maximus", oder der Ehrennamen „Germanicus", „Britannicus", „Parthicus" usw. Für die Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit gibt es Werke, die ein rasches Nachschlagen der gesuchten Daten ohne vorangehende Beschäftigung mit dem Wesen der Chronologie selbst ermöglichen (336, 337). Der Numismatiker wird sie auch für die reine Bestimmung und Beschreibung von Münzen heranzuziehen haben. 10. Münze und Genealogie Wenn wir diese erst an dieser Stelle einreihen, anstatt, wie sonst üblich, hinter Heraldik und Sphragistik, so sei dies damit begründet, daß in unserem Falle die Genealogie eine 65

wichtige Ergänzung der Chronologie darstellt und umgekehrt, denn beide Sparten sind wichtige Elemente der Datierung. Für die Numismatik kommt natürlich in erster Linie das einzelne Individuum, der Münzherr, in Betracht, sein Stammbaum dagegen ist für uns nur deshalb von Bedeutung, weil er geschichtlich bemerkenswerte Ausblicke zu eröffnen imstande ist. Ein Beispiel für viele: König Stephan I. der Heilige von Ungarn heiratet die bayrische Prinzessin Gisela, Schwester des deutschen Königs Heinrich II.; ihr Vater, Herzog Heinrich IV. residierte in Regensburg. Stephan prägte seine Münzen — die ersten in Ungarn — nach dem als Handelsmünze weit verbreiteten Regensburger Schlag! Somit kann unter Umständen auch eine Heirat für die Entwicklung des Münzwesens von Bedeutung sein wie z. B. der Export Friesacher Pfennige nach Ungarn durch die Vermählung von König Andreas II. mit Gertrud von Masowien (f 1213). In erster Linie aber erschließt uns die Genealogie die Reihenfolge der Herrscher und macht einzelne wichtige Vorgänge im Staate, z. B. Länderverteilungen und Ländervereinigungen, erst verständlich. Nun ist leider auch die Genealogie, gleich Numismatik, Heraldik und Sphragistik ein Tummelplatz für jene Art von Laienhistorikern, die ohne Kritik und Methodik an die primären Quellen herangehen und ebenso auch die Literatur gedankenlos abschreiben. Die Ergebnisse solcher „Forschungen" sind daher vielfach dementsprechend. Aber keiner der eben genannten Wissenschaftszweige verträgt Ungenauigkeit und Mangel an kritischem Einfühlungsvermögen. So wird man genealogische Daten, die nicht durch anerkannte Historiker mitgeteilt sind, stets mit einer gewissen Vorsicht betrachten und daher nachprüfen müssen. Unrichtige Daten können auch hier unlösbare Verwirrungen anrichten. Diese Warnung gilt vor allem für die sogenannten „Regententabellen" und „Stammtafeln", deren Daten in den seltensten Fällen als endgültig angesehen werden dürfen. So manches ist a priori unrichtig, anderes wieder zweifelhaft. Dies betrifft allerdings in erster Linie das Mittelalter, wo die schriftliche Überlieferung zu dünn ist. Aber auch für die neuere Zeit muß man sich oft auf Quellen stützen, deren Wert zweifelhaft ist wie Selbstbiographien, Memoiren, Briefe, Stammbücher, die schon wegen ihres subjektiven Gehaltes die Kritik herausfordern. Die eben genannten Quellen können aber nicht nur für die Genealogie, sondern auch für das Münzwesen selbst interessantes Material liefern, wie, um auch wieder nur ein Beispiel zu nennen, der österreichische Oberst Moriz Edler von ANGELI, der in seinem Buche „Altes Eisen" aus der Zeit des Krimkrieges sehr interessante Beobachtungen über die Geldverhältnisse in der von österreichischen Truppen besetzten Stadt Jassy mitteilt (11). Aus diesem Grunde schon wäre auch die sonst hauptsächlich für die Kulturgeschichte und für die Familienverhältnisse bedeutsame Memoirenliteratur der Geldgeschichte dienstbar zu machen. Es gibt hier noch zahlreiche unbekannte oder ungenützt gebliebene Schätze zu heben. Umgekehrt bezeichnet die Genealogie ihrerseits die Numismatik als eine ihrer Hilfswissenschaften, und zwar nach FORST-BATTAGLIA in folgenden Fällen: ,,a) Viele Münzen enthalten unmittelbar genealogische Anmerkungen, und zwar entweder Filiations- oder Konjugationsbeweise, wenn es sich um Gedenkmünzen zu Hochzeiten und Taufen (nicht minder auch Todesfällen) handelt. Die Gedenkmünzen (Prägungen aus Anlaß eines genealogisch wichtigen Ereignisses) sind es, die der Numismatik hauptsächlich ihren Wert als unmittelbare genealogische Quelle gewähren. b) Gleich den Siegeln und in noch höherem Maße sind die Münzen Quelle für die Porträts, eine weit ergiebigere natürlich als die Siegel und darum auch für die Vererbungslehre von größter Wichtigkeit. Die Numismatik dient dann noch der Genealogie mittelbar 66

durch die Wappen auf Münzen und durch die sonstigen Nachrichten über Stand usw., welche die Inschriften enthalten" (255). 11. Metrologie Die Metrologie ist zur Ermittlung des Münzfußes unentbehrlich und damit auch ein wesentlicher Faktor in Fragen der Datierung. Sie ist die Lehre von den Maßen und Gewichten; für die Numismatiker kommen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle nur die Gewichte in Betracht. Und da es sich hier um das Rauhgewicht von Münzen handelt, die sich bekanntlich in das 7. vorchristliche Jahrhundert zurückverfolgen lassen, ist damit schon eine der größten Schwierigkeiten der Metrologie angedeutet. Wie läßt sich z. B. der Teil irgend eines antiken Gewichtes, z. B. der römischen Libra, errechnen, wenn das Gewichtsstück selbst nicht auf uns gekommen ist? In der Tat hat es auf Grund zahlreicher Faktoren, die hier nicht erörtert werden können, die antike Metrologie bis heute so gut wie gar nicht zu allgemein anerkannten und gesicherten Ergebnissen gebracht. Und ebenso ist es auch um das wichtigste mittelalterliche Münzgewicht, die Mark, bestellt, zumal sie an sich lokal sehr differenziert war, in dem fast jeder größere Ort ein eigenes Markgewicht besaß, das sich im Laufe der Zeit ebenfalls änderte. Als hauptsächlichste Quellen zur Ermittlung der Größe und des Aufbaus der alten Gewichte dienen in erster Linie die spärlich erhaltenen alten Waagen und Gewichtsstücke und gewisse zeitgenössische Schriftsteller. Aber ein altes Gewicht kann Erhaltungsfehler haben, es kann auch verfälscht sein, während die schriftlichen Quellen oft durch Schreibwie durch Rechenfehler entstellt sind. Dazu kommt die schon angedeutete Vielfalt und „Vieldeutigkeit aller Gewichtsbenennungen, insofern es zahllose verschiedene Drachmen, Schekel, Minen, Talente usw. gegeben hat" (1088). Denn im Altertum war Gewicht und Münze ursprünglich eins — z. B. Drachme, Stater, Mine, Litra, As. Und in ähnlicher Weise besaß — wie übrigens auch bei den Maßen — in Deutschland und Italien bis zum Anfang, ja über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus jeder Staat, ja jede wichtigere Stadt ihre eigene Elle, ihr eigenes Pfund und „jeder münzberechtigte Staat — und deren waren Legion — seinen eigenen Pfennig". Trotz dieser Unvollkommenheit der Methode, trotz der ihr anhaftenden Fehlerquellen, die nicht zuletzt der Unvollkommenheit der alten Meßwerkzeuge zuzuschreiben sind, ist und bleibt die Metrologie ein unentbehrliches, ja oft das einzige Hilfsmittel insbesondere in Fragen der Münzdatierung. Zunächst hatte man in Anlehnung an die Libra, das alte Römerpfund, in Deutschland noch lange am Pfund festgehalten. Karl der Große führte im Frankenreich ein neues schweres Münzpfund ein, es ist aber auch noch nicht gelungen, es eindeutig zu definieren. Im skandinavischen Norden ist in der Wikingerzeit die Mark als neue Gewichtseinheit entstanden, indem man acht auf rd. 26,5 g verminderte römische Unzen zusammenfaßte. Von Skandinavien gelangte die Mark nach England. In Deutschland und auch in Frankreich bürgerten sich Ausdruck und Anwendung erst später ein; das älteste Zeugnis f ü r Deutschland stammt aus dem Jahr 1015. Dann verbreitete sich die Mark als Gewicht für Edelmetalle rasch über ganz Westeuropa. Man nimmt an, daß Kölner Kaufleute das neue Gewicht in ihre Heimat gebracht haben. Diese Kölner Mark wurde durch den ausgebreiteten Handel bald eines der in Europa am weitesten verbreiteten Gewichte. Sie betrug 233,856 g. Von ihr stammt eine ganze Reihe weiterer Markgewichte ab (1088). Es gibt mehrere Ursachen, die zu Gewichtsverschiebungen Anlaß gaben. Sie hier anzuführen ginge zu weit; es genügt, ihr Vorhandensein festzustellen. 67

Die wichtigsten Münzgewichte

des Mittelalters für unser Territorium sind (677, S. 166ff.) :

Antwerpen (16. Jh.), Mark: 245,861 g Breslau, Mark: 203,96 g, die älteste 158,853 g, die spätere Mark 187,024 g Cattaro (1340), Mark: Silbergewicht: 224,041 g, Pfund 357,03 g Friesach (12./13. Jh.), Mark: 229,456 g Gran (1281-86), Mark: 245,538 g Graz (14. Jh.), Mark: 248,894 g (1445 auch schon für Wien) Kärnten, Mark: 256,672 g Mähren, Mark: 280,006 g; 280,614 g Nürnberg (1340), Mark: 237,872 g; (16. Jh.) 234,155 g Ofen (1308), Mark: 343,223 g; ( 1 5 . - 1 8 . Jh.) Mark: 245,538 g Prag (1317), Mark: 250,114 g; (15. Jh.) Mark: 250,601 g Ragusa (1340), Pfund: 356,718 g; Silberpfund: 324,675 g Regensburg, Mark: 245,537-245,545 g, auch 246,144 g Salzburg, Mark: 256,03 oder 256,587 g Siebenbürgen (1317-1330), Mark: 296,769 g; marca Belae regis: 233,353 g Tirol, Landgewicht, Mark: 253,961 g, Trienter Mark: 254,7 g, (15. Jh.) ca. 255,187 g Trient, Mark: 254,7 g Venedig (1340), Mark: 237,872 g; (15. Jh.) 238,343 g; (1340) Goldpfund: 324,937 g; (1340) Silberpfund: 356,808 g Warschau, Mark: 200,41 g Wien (1. Hälfte 13. Jh.), Mark: 241,588 g-243,085 g; (seit 2. Hälfte 13. Jh.) 275,347 g; (1340) 241,588 g;(1506) 280,614 g; (ca. 1500-1704) 281,378 g; (1704-1764) 280,821 g; (1764-1823) 280,668 g; (seit 1823) 280,644 g Zara (1340), Pfund: 337,0875 g Zipser Mark (1286): 210,460 g Schwere der Markgewichte nach Gruppen : Flandrische Mark um 186 g Polnische Mark um 1 9 0 - 2 0 0 g Venedig-Nürnberger Mark ca. 237—241 g Prager Mark ca. 251 - 258 g Wien seit der Mitte des 13. Jhs. 276 - 280 g

Heute geht man bei der Berechnung des Feingehaltes theoretisch von chemisch reinem Silber aus, dessen Herstellung lange nicht möglich war (s. oben S. 27ff.). Jetzt wird der Feingehalt nach Tausendteilen angegeben; so sind z. B. die alten Silbergulden der Francisco-Josephinischen Ära 0.900 fein. Im Mittelalter dagegen waren Abstufung und Bezeichnung des Feingehaltes verschieden. Der Silberfeingehalt wurde in Deutschland (einschließlich Österreich mit seinen Nebenländern) je Mark in 16 Lot zu 4 Quentchen, zu 4 Richtpfennigen, also in 256 Teilen berechnet. In der Mehrzahl der romanischen Länder rechnete man in 12 deniers zu 14 Grains = 288 Teilen. Seit dem 17. Jahrhundert bürgerten sich diese Grains vielfach auch in Deutschland ein. Die Mark wurde nun in 16 Lot zu 18 Grän unterteilt; Quentchen und Richtpfennige entfielen. Für das Gold war ursprünglich eine Abstufung der Mark in 24 Karat zu 4 Grän üblich; angeblich konnte das Gold nicht über ein Viertel eines Karats = 1/96 Mark hinaus geläutert werden. „In Deutschland gab man dann die 4 (,großen') Grän des Karats ganz auf und ersetzte sie durch 12 kleine Grän, so daß nun die Goldmark gleichfalls in 288 Grän zerfiel" (677). In Deutschland sprach man z. B. von 22-karätigem Gold, 14-lötigem Silber. In Ungarn aber ging man anders vor, und zwar durch Angabe der Kupfermenge, die in der legierten (beschickten) Mark enthalten war und sich beim Feinbrennen verflüchtigte. „Die ungarischen Urkunden sprechen dann von argentum finum, Feinsilber, und von argentum combustionis unter Beifügung des durch die Verbrennung des Kupfers eingetretenen 68

Gewichtsverlustes. Argentum sedecimae combustionis war demnach 0,937 1/2; decimae combustionis = 0,900; octavae combustionis — 0,875; quintae combustionis = 0,800; quartae combustionis = 0,750; terciae combustionis = 0,666 fein" (677). Dieses mittelalterliche Feingewicht deckt sich jedoch keineswegs mit der heute üblichen Bezeichnung. „Unsere Tausendteile bedeuten chemisch reines Silber, die alten Münzvorschriften verwendeten an Stelle des chemisch reinen Feinsilbers hochhaltige Silberlegierungen . . . Die praktische Folge davon ist, daß der heute an Mittelaltermünzen in Tausendteilen ermittelte Feingehalt tatsächlich bis zu 60 Tausendteile hinter dem erhärteten zurückbleiben kann, ohne daß eine Untermünzung vorliegt . . . Man hat demnach bei Mittelaltermünzen den von der Münzvorschrift benannten Feingehalt, den ich den gewollten oder virtuellen nenne, und ebenso das gewollte oder virtuelle Feingewicht von dem tatsächlich ermittelten, dem wirklichen Feingehalt (bzw.) Feingewicht zu unterscheiden . . ." (677). Was schließlich den Feingehalt einer Münze anbelangt, also das Verhältnis, in welchem dem Edelmetall der Münze minderwertiges Kupfer beigemengt ist, wäre die ideale Methode zur Feststellung dieses Verhältnisses natürlich die chemische Analyse. Aber diese ist, weil sie die Aufopferung der betreffenden Münze oder zumindest eines Teilchens davon erfordert, in den seltensten Fällen praktisch durchführbar. So muß man sich in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit den in den alten Handelsbüchern angegebenen Daten begnügen, oder die bereits erwähnte Probe (s. oben S. 30) anwenden. Das Probieren selbst, also der technische Nachweis des in einem Barren oder einer Münze vorhandenen Feingehalts, erfolgte entweder, wie schon im Altertum, mit der Nadel auf dem Probierstein (lapis Lydius) durch die Strichprobe, bei der das Stück selbst erhalten bleibt, oder unter dessen Zerstörung durch die Kupellen- oder Feuerprobe. Heute vollzieht man die Probe gewöhnlich auf nassem Wege. Da es selbst heute technisch noch nicht möglich ist, bei jedem einzelnen Münzstück das vorgeschriebene Schrot und Korn völlig zu erreichen, hat man gewisse erlaubte Abweichungen systemisiert, die man Remedium oder Toleranz nennt. Überdies wird eine infolge der fortwährenden Abnützung der Münze durch den Umlauf entstandene Untergewichtigkeit bis zu einem gewissen Grade, dem Passier gewicht, gestattet. Stücke, deren Gewicht unterhalb dieser Grenze liegt, werden aus dem Verkehr gezogen. Dies gilt natürlich nur für Währungsmünzen, die aus hochwertigem Edelmetall bestehen, keineswegs für Scheidemünzen aus wertlosem Material. Die genaue Nachprüfung des Schrots durch Einzelwägung nebst der etwa erforderlichen Nachbesserung heißt justieren, ein Vorgang, der heute ohne weiteres durchführbar ist, in früheren Zeiten aber aus technischen Gründen sehr schwierig war. Die unter den Karolingern noch ziemlich sorgfältige Justierung jedes einzelnen Stückes wich später der schon erwähnten Prüfung al marco, die erhebliche Fehlerquellen zur Folge hatte. Denn man trieb aus einer Anzahl von Stücken, die ein bestimmtes Rauhgewicht (meist 1 Lot) haben mußten, durch Ausschmelzen das Feinsilber ab und begnügte sich damit, wenn das ermittelte Korn das vorgeschriebene Gewicht annähernd erreichte. Diese oberflächliche Manipulation hatte oft zur Folge, daß unter Münzen, für die ein Feingehalt von 440/1000 vorgeschrieben war, Stücke mit einem Feingehalt zwischen 429—457/1000 vorkamen, ohne daß dabei die gesetzliche Fehlergrenze überschritten worden wäre. Eine Nachprüfung des Feingehaltes ist heute aber so gut wie wertlos, wenn die Einzelheiten der Münzvorschriften gar nicht oder nur ungenügend überliefert sind, was leider oft der Fall ist. 69

12. Münze und Volkskunde Die Beziehungen zwischen Münze und Volkskunde sind zwar ganz andere, als die der Kulturgeschichte in engerem Sinne. Wie Wilhelm J E S S E einmal gesagt hat, handelt es sich hier nicht um eine bestimmte Gruppe oder Klasse, sondern um das Volk als „Gesamtheit der in uns allen ruhenden volkstümlichen Kräfte . . . Auf die Münzkunde übertragen bedeutet das also, die Münze einmal n i c h t anzusehen mit den Augen des Numismatikers, auch n i c h t vom Standpunkt des Finanzmannes, Geld- und Börsenmenschen oder Kaufmannes, sondern vom Standpunkte eben des allgemein volkhaften Menschen auch in uns, für den die Münze und das Geld eine Notwendigkeit und wichtige Angelegenheit des täglichen Lebens ist, der sein Geld verdient und ausgibt und der sich in seiner Weise mit der Münze auseinandersetzt" (493). Aus diesem Grunde haben wir auch diesen Abschnitt an den Schluß des theoretischen Teiles gesetzt und nicht an die Ausführungen über Münze und Kulturgeschichte unmittelbar angeschlossen. Denn wenn bisher nur von Dingen gehandelt wurde, die die Numismatik direkt betreffen, weil ihre Kenntnis für sie von unbedingter Notwendigkeit ist, da sich deren Gesichtskreis dadurch erweitert und deshalb die Basis verbreitert, auf der sich die Numismatik aufbaut, so ist es diesmal umgekehrt die Münze, die einem besonderen Zweige der Wissenschaft, der Volkskunde dienstbar gemacht wird. Und da Brauchtum nach einem Worte von Hanns KOREN, „wesentlich in die Bindung des Menschen mit der Natur geknüpft" ist, so ist es auch „der Glaube an ein Geheimnisvolles, das hinter allem wirkte" (571), der das Geld, und zwar meist in der Form einer Münze auch zu den übernatürlichen Gewalten in Beziehung setzt, sowohl im tief Religiösen als auch in der Unnatur des Aberglaubens. Die Religiosität wirkt sich, wie schon oben angedeutet, insbesondere während d?s Mittelalters im Münzbild aus. Dieser ausgesprochen religiöse Charakter und seine Symbolik ist, sowohl kunst- als auch kulturgeschichtlich betrachtet, ein wesentliches Anliegen der Forschung, das trotz eingehender Betrachtung dennoch immer wieder neue Probleme aufwirft. Sollte vielleicht dadurch, daß man in dieser Zeit die Münzen mit religiösen Symbolen verschiedenster Art ausstattete, dem Gelde wenigstens ein Teil von dem Odium genommen werden, das ihm in der Anschauung des Mittelalters anhaftete? Man denke nur daran, daß der Erlöser eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen lassen wollte, als einen Reichen durch die Himmelspforte, daß er die Wechsler mit der Geißel aus dem Tempel trieb und daß der Zöllner ihm und den Seinen gleich galt wie ein Sünder. Und sowohl in der bildenden Kunst als auch in den Schriften der Zeit drückt sich ein tiefer Abscheu vor dem „Mammon", der Personifikation des Geldes, aus. „Allmählich erfand man einen eigenen Geldteufel und einen besonderen Exorzismus für das Gold" (271). Erst mit dem hl. THOMAS VON AQUINO ( f 1 2 7 4 ) , dem großen Kirchenlehrer, wandte sich das Blatt. In seinem Fürstenspiegel (De regimine principum) wies er die Notwendigkeit des Geldes nach. Den Fürsten empfahl er Mäßigung in der Veränderung von Schrot und Korn. Aber im Grunde war auch ihm das Geld noch nicht viel mehr als ein notwendiges Übel, ein Gedanke, den zweieinhalb Jahrhunderte später auch M A R T I N L U T H E R in seiner Schrift „Von Kauffshandlung und Wucher" vertrat, wenngleich er nicht so sehr das Geld an sich, sondern — nicht zu Unrecht — den Mißbrauch und Wucher, der damit getrieben wurde, verdammte. Solchen Anschauungen gegenüber mußte auch das Volk Stellung beziehen, zumal ihm die drückenden Abgaben, die es dem Grundherrn zu leisten hatte, wohl die Münze

70

als ein zwar begehrenswertes, aber gleichzeitig verfluchtes Gut erscheinen ließ, das dem Städter mehr ziemte als ihm, dem Bauer. Es ist daher verständlich, daß das Brauchtum, das mit dem Geld zu tun hatte, sich in erster Linie auf dem flachen Lande entwickelte. Aber nicht nur im eigentlichen religiösen Sinne, etwa einer Geldspende in den Klingelbeutel oder den Opferstock, sondern auch in der Bedeutung der Münze „oder bestimmter Gepräge, bei der Geburt, bei Verlobung, Hochzeit, im Liebesleben und im Tod." Diese Verwendung aber führt schon in die Welt des Übernatürlichen, des Aberglaubens, wo sich vielleicht die Beziehung zur Münze am sinnfälligsten äußert. Mit Geldspenden glaubt man bestimmte Heilige, vor allem den hl. Antonius von Padua, als Fürbitter gewinnen zu können. Der hl. Georg wiederum ist der Schutzheilige der Ritter bzw. der kämpfenden Soldaten; er kommt insbesondere auf italienischen und deutschen Münzen vor. Die Gepräge der Grafen von Mansfeld, die den Heiligen als Schutzpatron ihres Hauses verehrten und sein Bild als Drachentöter auch auf ihre Taler setzen ließen, galten geradezu als Amulett, seit ein kaiserlicher Offizier in einem Gefechte durch einen Mansfelder Taler in seiner Tasche, der die französische Kugel auffing, vor Tod oder Verwundung bewahrt worden war. „Die Kunde von diesem Vorfall verbreitete sich in der Armee und erregte lebhaftes Interesse für die Mansfelder Taler. Sie wurden von jüdischen Händlern aufgekauft und um den zehn- bis zwanzigfachen Preis wieder in den Handel gebracht" (451). Der Glaube an die Zauberkraft der Mansfelder Taler drang bis Ungarn vor, da diese Münzen von den gegen die Türken kämpfenden deutschen Kontingenten ins Land gebracht worden waren. Zudem hatte Nordungarn selbst mit den Truppen Ernst von Mansfelds unliebsame Bekanntschaft gemacht, als diese auf dem Rückzug vor Wallenstein 1626 in das Gebiet der sieben niederungarischen Bergstädte eingedrungen waren. Daß Mansfelder Taler damals in Ungarn kursierten, bezeugen die Münzfunde. Aber mehr als ihre Gängigkeit bewog ihre Eigenschaft als in dieser kriegerischen Zeit weithin begehrtes Amulett die Kremnitzer Eisenschneiderfamilie Roth von Rothenfels, eigene Münzen ohne Kurswert in Anlehnung an die Mansfelder Taler herzustellen. Sie und ihre Nachfolger und Nachahmer hatten für diese „Georgsmünzen" einen eigenen Typus erfunden: auf der Vs. der Heilige in ritterlicher Rüstung zu Pferde, der mit der Lanze den sich auf dem Boden windenden Drachen durchbohrt, und die Umschrift s. GEORGIUS EQUITUM PATRONUS, auf der Rs. Christus mit seinen Jüngern in einem vom Sturm auf den Wellen dahingetriebenen Segelboot; Umschrift: IN TEMPESTATE SERCURITAS (der Sturm von Genezareth, Math. 8, 23 ff. und Marc. 4. 35 ff.). Diese Rückseite sollte die schützende Wirkung der Georgtaler auch auf Seereisen ausdehnen. Münzen dieser Gattung wurden in Gold und Silber in verschiedenen Größen und Gewichten, als Taler oder Dukaten, in ziemlichen Mengen geprägt — in ihrer klassischen Zeit in der ungarischen Hauptmünzstätte Kremnitz. Der Amulettcharakter kam altem Glauben nach nur dann zur Geltung, wenn man nicht durch Kauf, sondern durch Schenkung — oder Diebstahl — in den Besitz einer solchen Münze gelangt war. Heute noch stehen St.-Christophorus-Plaketten oder -Medaillen bei Autofahrern in Gebrauch. Wir haben hier an einem besonders markanten Beispiel den Begriff des „Amuletts" dargelegt. Im Gebiete des Aberglaubens aber gibt es noch andere Bereiche, wo die Münze eine beherrschende Rolle spielt; vor allem in dem der Volksmedizin glaubt man an gewisse Münzen als übernatürliches Heilmittel. Es fällt auf, daß man in diesem Falle meist umlaufende Münzen verwendete, und keineswegs, wie man erwarten möchte, eigens zu diesem Zwecke hergestellte Amulette oder kirchlich geweihte Kreuze und Medaillen, unter diesen waren die sogenannten „Benediktuspfennige" die beliebtesten. 71

Der Brauch, Münzen sowohl als Glücksbringer zu betrachten, als sie auch „zur Behandlung und Verhütung oft genau diagnostizierter Krankheiten" (779) zu benützen, geht bis ins Altertum zurück. Mittelalter und neuere Zeit setzten deshalb anstatt der antiken Götterbilder oder ihrer Symbole das Kreuz und zahlreiche Schutzheilige auf ihre Gepräge, wodurch auch die christliche Ära den „Charakter des Numinosen" zu wahren suchte. „Ein Teil der Verfahren, wie das Einnehmen von Geschabsei oder Münzlöschwasser, beruht offenbar auf Gepflogenheiten der alten Metallotherapie, zuweilen etwa bei der Behandlung der Gelbsucht mit Gold — und des Rotlaufs mit Kupfermünzen, verbunden mit Vorstellungen, die aus der Signaturenlehre abgeleitet sind. Bei weiteren volksmedizinischen Münzanwendungen bedingen deren wirkliche oder vermeintliche Herkunft (Herstellung aus dem Silber eines Heiligensarges, angebliches Herabfallen vom Himmel) oder die Eigentümlichkeiten des Gepräges ihren Wert als Heilmittel, wodurch sich Beziehungen zur sogenannten geistlichen Medizin ergeben. In besonderem Ansehen stehen neben den Regenbogenschüsselchen, Schlüssel- und Händleinspfennigen, Johannisgroschen und Räbleindukaten die St. Georgs- und Madonnentaler. Die Heilerfolge dieser Verfahren gehören fast ausnahmslos in den Bereich der Suggestionstherapie" (779). Von den vorgenannten Münzsorten sind bis auf zwei alle im Räume der alten Donaumonarchie entstanden. Mit Schlüsselpfennigen sind die Münzen der Reichsstadt Regensburg gemeint, in deren Wappen zwei gekreuzte Schlüssel vorkommen. Händleins- oder Händel-Heller (oder Pfennige) sind Silberstücke der Reichsmünze zu Schwäbisch-Hall, die eine Hand und ein Spaltkreuz aufweisen. Während die Regensburger zu abergläubischem Gebrauch anreizten, als Glücksbringer galten und in die Viehställe gelegt wurden, offenbar um Seuchen und Hexen den Zutritt zu verwehren, wurden die Händel-Heller insbesondere als Anhänger an den Kinderhalsketten, den sogenannten Fraisketten angebracht, aber auch sonst als ein „Kräftiges Verwahrungs-Mittel wider alle Verwundung, die hinfallende Sucht und das Beschreyen der Kinder" usw. angewendet (779). Als den Gipfel des Wunderdeutens betrachtete das Volk Münzen, die angeblich vom Himmel herabgefallen sind, so z. B. in Tirol alte, während eines Gewitters gefundene Geldstücke, die deshalb als Amulette galten. Eine ganze Literatur hat sich seit 1710 mit den sogenannten „Regenbogenschüsselchen" oder „Sternschossen" befaßt. Es handelt sich hier um schüsself örmige kleine, aber dicke Geldstücke der keltischen Boier, in denen der Volksglauben die goldene Spur erblickte, die der Regenbogen dort zurückläßt, wo er auf dem Boden aufsitzt. Diese Volksmeinung ist wahrscheinlich dem Umstand zu verdanken, daß diese Münzen, die hauptsächlich in Böhmen vorkommen, aber auch sonst bis an den Rhein und Ungarn verbreitet sind, mitunter nach starken Regengüssen aus dem Boden geschwemmt worden waren. Aus diesem vermeintlichen Fallen vom Himmel scheint man dann die Signatur ihrer Heilwirkung speziell bei Fallsucht herausgelesen zu haben. Das meist angewandte Verfahren war, die Münzen in Getränke der Kranken zu legen, auf welche die magischen Kräfte übergingen und die dadurch vermeintlich zu einem sicheren Mittel gegen Epilepsie und hohes Fieber wurden. „Auch unter den Amuletten der Fraisketten kommen sie vor. Ihre napfartige Form gestattete außerdem, in die konkave Aushöhlung einen Tropfen Muttermilch oder Zuckerwasser zu bringen, die den Kindern zur Lösung von Krampfzuständen in den Mund gespritzt wurde" (779). Die Madonna als Patrona Hungariae kommt schon frühzeitig auf ungarischen Münzen vor, namentlich auf denen des 1490 zu Wien verstorbenen Königs Matthias Corvinus, jedoch nur auf seinen Goldgulden, Groschen und Denaren. Der 1484 in Tirol entstandene Taler fand — wenn wir von einigen großen Schaustücken absehen — seinen Eingang in 72

12. Österreich, Ferdinand I. Taler 1554, Kremnitz

Ungarn als Kursmünze erst unter Ferdinand I. Diese Taler zeigen die Madonna mit dem Kind (1553) über dem Wappen, während sie später ganz klein im Laufe der Rückseitenumschrift angebracht wird. Das Münzbild vollständig beherrschend erscheint sie erst — jedoch keineswegs auf allen Geprägen ungarischer Münzstätten — unter Leopold I. Daher haben sich die mit dem Madonnentaler verbundenen Bräuche mehr auf die seit Beginn des 17. Jahrhunderts geprägten bayrischen Madonnentaler konzentriert. In erster Linie maß man ihnen helfende Kräfte bei der Geburt bei, wofür die Gottesmutter ja auch am besten geeignet erscheint (779). Neben dem Madonnentaler wurde auch einer speziellen ungarischen Dukatenart, dem sogenannten Räblerdukaten, eine geburtshelferische Wirkung zugeschrieben. Mit diesem Namen wurden im Volksmunde die Dukaten des vorerwähnten Königs Matthias Corvinus bezeichnet, weil das Geschlecht der Hunyadi, dem dieser Herrscher entstammte, einen Raben mit einem Ring im Schnabel im Wappen trug. Der ungarische Goldgulden war seit seiner Entstehung zu Beginn des 14. bis tief in das 16. Jahrhundert hinein so ziemlich die einzige Goldmünze im österreichischen und infolge seiner Güte auch in einem beträchtlichen Teile des deutschen Raumes; das erklärt auch seine weitreichende volksmedizinische Wirkung. Aber nur dem „Räbler-Dukaten" des Matthias wurde sie zugeschrieben, und zwar auch nur dem ersten, früheren Typus, mit dem Wappen und dem ungarischen Nationalheiligen Ladislaus, nicht aber dem späteren, auf dem das Wappen durch die von Matthias sehr verehrte Madonna ersetzt ist. Es muß daher dem Raben im Volksglauben eine besondere, heute nicht mehr bekannte pseudomedizinische Bedeutung zugekommen sein (s. unten S. 352 und Abb. 128). Noch eine Münze hilft nach dem Volksglauben den Gebärenden in ihrer schweren Stunde: der Breslauer Johannisgroschen. Der heilige Täufer gilt nämlich als einer der großen Schutzpatrone der Schwangeren und überdies als Patron gegen Kinderkrankheiten. Dadurch „wird auch der schlesische Volksglaube verständlich, daß die mit seinem Bild geprägten Groschen bei Masern und Blattern vor den gefürchteten, oft zum Verlust des Sehvermögens führenden Augenkomplikationen schützen" (779). Auch gegen Nasenbluten und Impotenz sollten die Breslauer Groschen schützen. Alle die vorerwähnten Münzen gehören in das Gebiet der Heil oder Schutz bringenden Amulette. Daß hier der Ausdruck Volksglauben aber mit Aberglauben identisch ist, braucht wohl nicht weiter erörtert zu werden. Die Münze aber spielt im Aberglauben, wie schon erwähnt, eine bedeutende Rolle. Wenn Margarethe in Goethes Faust sagt: „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles", so kann man für Gold ohne weiteres auch Geld im generellen Sinne setzen. Und so dreht es sich auch bei den „wahrsagenden" Münzen nur um dieses. Daß auch die Schatzsucher abergläubischen Vorstellungen hul73

digten, nimmt gleichfalls nicht wunder. Insbesondere aus Tirol und Böhmen sind abergläubische Bräuche überliefert, die um des Erwerbens von Geld willen ausgeübt wurden. Allgemein bekannt sind auch die Heckpfennige und Hecktaler, Münzen, denen der Aberglaube die Eigenschaft beilegte, sich durch Umgewendetwerden zu vermehren oder zu ihrem Besitzer immer wieder zurückzukehren (358). Eines alten, echten und nicht abergläubischen Volksbrauches muß hier auch gedacht werden, über den schon Goethe in Wilhelm Meisters Lehrjahren berichtete. Er wurde bei Grenzbegehungen und beim Setzen der Grenzsteine ausgeübt: So gab man ehemals, indem ein Grenzstein gesetzt wurde, den umstehenden Kindern tüchtige Ohrfeigen. Noch als ältere Leute erinnerten sie sich genau des Ortes und der Stelle. In Tirol aber erhielten die Kinder als Schmerzensgeld für die „Watschen" seinerzeit auch Silberprägungen; beides unauslöschliche Erinnerungsmittel. Diese Beispiele über die weitreichenden Funktionen der Münze im Volksglauben und noch mehr im Volksaberglauben mögen die Wichtigkeit einer Erforschung dokumentieren. Den kräftigsten Niederschlag hat die Münze doch in der Volkssprache gefunden. Bild und Beschriftung führten manchmal zur Bildung volkstümlicher Benennungen an Stelle der offiziellen. Manches Problem harrt da und dort noch der Klärung. Der Erforschung der volkstümlichen Münznamen ist in Österreich bisher noch wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden, obwohl dies sowohl für den Numismatiker als auch für Linguisten und Volkskundler ein ergiebiges Arbeitsgebiet wäre. Für den Numismatiker deshalb, weil die Volksnamen auch eine Aussagekraft besitzen, insbesondere über die „Einbürgerung" gewisser fremder Münzgattungen innerhalb eines bestimmten Gebietes. So wurde vor allem vom steirischen Wortschatz eine große Anzahl venezianischer Münzbezeichnungen übernommen, ein deutliches Zeichen, wie sehr die schlechten Sorten der Serenissima den alpenländischen Münzumlauf unterwanderten. Im übrigen war auch der „Marxtaler", der Scudo della croce im Werte von 140 Soldi mit dem Blumenkreuz und dem Markuslöwen im Umlauf, allerdings so ziemlich die einzige der venezianischen Münzsorten (außer den Zechinen), die als vollwertig gelten konnten. Auch der uns schon bekannte mansfeldische „ Jörgentaler" kommt im österreichischen Münzumlauf vor. Als „Spitzbarttaler" liefen die Taler Ferdinands II. und Ferdinands III. im Lande um, weil die beiden Kaiser der Mode der Zeit entsprechend einen solchen Bart trugen. Die vielleicht interessanteste steirische Münzbezeichnung ist „Wetschpfennig" für die Wiener Pfennige des Mittelalters. Diese Bezeichnung stammt von den slowenischen Bewohnern der Südsteiermark (die nach dem Ersten Weltkrieg an Jugoslawien gefallen ist), denn der slowenische Name für Wien lautet Bec, was im Volksmund zu „Vetsch" verballhornt wurde. Zum Schlüsse noch ein paar Worte über die Verwendung von Münzen als Schmuck für Männer und Frauen. Ein oder mehrere Taler an der dicken silbernen Uhrkette der Großbauern sind keine Seltenheit. Infolge des meist kräftigen leiblichen Umfanges der Besitzer hießen diese Taler kurz „Bauchtaler". Zahlreiche Gold und Silbermünzen deralten Monarchie aber haben ihren Weg nach dem Süden genommen, wo sie dann die Mieder der Bäuerinnen schmückten, alles sehr zum Schaden der Sammlerwelt, da diese oft sehr seltenen Stücke durch die Fassungen in ihrem Werte stark herabgemindert werden. Damit ist das Kapitel über die theoretischen Grundlagen der Münz- und Geldgeschichte abgeschlossen. Es konnte nur in einer höchst komprimierten Fassung dargeboten werden und nur dort in Einzelheiten eingehen, wo sich gleichzeitig ein Blick auf Besonderheiten innerhalb des behandelten Raumes ergab. Ich habe mich in diesem Kapitel 74

vielfach eng an Arnold v. LUSCHIN angeschlossen, da seine Lehren auch heute kaum als überholt angesehen werden können und seine Formulierungen so klar und prägnant sind, daß ihre Aussagen gar nicht besser wiedergegeben werden könnten.

C. Quellen der Literatur zur Münz- und Geldgeschichte

Wenn auch die Münze selbst die eigentliche, primäre Quelle der Münz- und Geldgeschichte ist, so bedarf sie dennoch zur Kenntnis ihrer selbst wie ihrer Funktion weitgehender Unterstützung und Ergänzung durch andere gleichzeitige, meist schriftliche Quellen. Die Erkenntnis dieser Notwendigkeit ist keineswegs alt: vor rund einem Jahrhundert, 1869, schrieb Arnold LUSCHIN im 1. Bande der Wiener Numismatischen Zeitschrift die richtungsgebenden Worte: „Soll die Numismatik etwas mehr als gelehrte Spielerei sein — und f ür eine solche ist jetzt sicherlich die Zeit vorbei —, so muß sie sich bequemen, mit dem übrigen wissenschaftlichen und praktischen Leben in eine nähere Verbindung — wenn man will geradezu in ein Abhängigkeitsverhältnis — zu treten." Den Anstoß zu diesem Ausspruch gab der von Heinrich Friedrich SAILER der Numismatik mit Recht gemachte Vorwurf, daß sie „trotz ihrer umfangreichen Literatur bisher mit Konsequenz vermieden habe, auf die Frage über Münzwerte einzugehen, um sich mit der Beschreibung von Münzen zu begnügen" (1009). Ein Vorwurf, der nur allzu berechtigt war und leider bis heute noch immer aktuell ist, wenn auch nicht mehr in jenem Ausmaße wie 1869. Soll die Numismatik ein Gegenstand wissenschaftlicher Forschung sein, so darf sie sich nicht mit der Münze allein begnügen, sondern muß ihr Vorhandensein mit der Umwelt in allen ihren Erscheinungsformen in Einklang zu bringen versuchen. Oder mit den Worten August v. L O E H R S : „Die Numismatik oder Münzkunde ist . . . statisch, deskriptiv und sieht in der Münze höchstens ein historisches, als Quelle verwertbares Denkmal. Die Geldgeschichte ist von vornherein dynamisch, muß sich mit den ständigen Wechselbeziehungen zwischen Geld und anderen Kultureinrichtungen dauernd befassen, so vor allem sich durchkreuzende Bestrebungen von Staat und Wirtschaft, von Wirtschaft und Ethik betrachten, auf die sozialen Bedingungen und Wirkungen Rücksicht nehmen. Sie gewinnt ihren Sinn erst in der Erfassung organischer Zusammenhänge" (652). Diese Ansicht, daß Numismatik in erster Linie als Geldgeschichte zu behandeln sei, haben in Österreich vor allem LUSCHIN und Alfred N A G L vertreten; sie hat sich nur langsam durchgesetzt, blieb aber trotzdem auf den kleinen Kreis der Geldhistoriker beschränkt, dem der an Zahl ungleich größere der nur am Objekt, an der Münze selbst interessierten Sammler gegenübersteht. Um so mehr aber ist der theoretische Wissenschaftler verpflichtet, seine Erkenntnisse aus der ganzen Fülle des bereits zur Verfügung stehenden und — nicht minder — des erst zu hebenden Quellenmaterials zu schöpfen. Die Quellen für die Geldgeschichte sind unermeßlich zahlreich, aber sie müssen vielfach erst aufgesucht und gesammelt werden, um in ihrer ganzen Aussagenfülle ausgewertet werden zu können. Dies gilt ebenso für das Altertum wie für das Mittelalter und die neuere und neueste Zeit. Für die beiden ersten Epochen ist das Quellenmaterial notgedrungen beschränkt, schon weil seine Aufbewahrung und Erhaltung durch Jahrhunderte oft nur einem Zufall zu verdanken ist, aber nicht systematischer Konservierung. Dies gilt zum Teil auch noch für die neuere Zeit, wo zahlreiche Akten — und in manchen Archiven bedauerlicherweise gerade die Akten der Münzstätten — als für die Zukunft 75

unerheblich — einer bürokratischen „Skartierung" zum Opfer gefallen sind. Vieles ist auch in den in früherer Zeit oft vorkommenden Stadt- und Archivbränden untergegangen. Aber trotz dieser unersetzlichen Verluste ist noch immer genügend Material vorhanden, um auf seiner Grundlage wissenschaftlich arbeiten zu können. In den vorhergehenden Kapiteln, die von den Beziehungen zwischen Münze und den anderen Kategorien der Geschichtswissenschaft handelten, wurde beiläufig der Umkreis der Numismatik als eines Teiles der Historie umrissen und dadurch auch indirekt auf die zu Rate zu ziehenden Quellen hingewiesen. Aber damit ist der „unermeßliche" Reichtum des der Münz- und Geldgeschichte zur Verfügung stehenden Quellenmaterials noch lange nicht erschöpft. Denn „als eigentliche Geschichtsquellen bezeichnet man das, was an erkennbaren Wirkungen dieser Tatsachen auf uns gekommen ist" (38). Wenn für das Altertum die Inschriften, nicht zuletzt auch die der Münze eine hervorragende Rolle spielen, so bevorzugen wir für die Geschichte des Mittelalters die Urkunden als Quelle, während f ü r die neuere und die neueste Zeit die Überfülle der in den Archiven des Staates, der Länder, der Städte und anderer Körperschaften aufgestapelten Akten als Grundlage der Forschung dient. Aber es gibt auch noch andere Geschichtsquellen: Ein Friedhof an sich ist ebenso eine solche wie die verschiedenen Grabbeigaben, unter denen sich nicht selten auch Münzen befinden, was natürlich in das weite und aufschlußreiche Gebiet der Müns^fmde gehört, eine der wichtigsten Quellen der Münz- und Geldgeschichte! Auch mündlich verbreitete Quellen, wie Sage, Anekdote oder Sprichwort und dergleichen, können hier von Belang sein. Den größten Beitrag aber bieten natürlich die schriftlich oder durch den Druck überlieferten Quellen: Rechtsaufzeichnungen, Gesetzbücher; Aufzeichnungen amtlichen Geschäftsganges: Urkunden, Inschriften rechtlichen Inhalts, Gerichts-, Rats-, Reichstags-, Konzilsakten, Grund-, Stadt-, Kirchensteuerbücher, Abgabenverzeichnisse, Statistiken — und vor allem Verwaltungsakten und ähnliches. Dann Aufzeichnungen wirtschaftlichen Inhalts, wie Rechnungen, Inventare und Urbare, Marktberichte, ja sogar Kalender. Auch Predigten können zuweilen zur numismatischen Quelle werden, wie z. B. die des Joachimsthaler Predigers Johannes MATHESIUS, der u. a. in seiner ,Sarepta oder Bergpostill' (1. Aufl. Nürnberg 1562) eine eigene Predigt, die 14., über,Münzgewicht und Zahl' gehalten hat. Und ähnlich hat Adam RIESE, der Rechenmeister von Annaberg im sächsischen Erzgebirge, ein etwas älterer Zeitgenosse des Mathesius in seinem Buche ,Rechnung auff der Linien', 1535, sich auch mit der , Schickung des Tiegels' und dem ,Münzschlag' befaßt. Schon in der Dichtung und in den wissenschaftlichen Werken des Mittelalters wird der Münze gedacht, in WOLFRAM VON ESCHENBACHS „Parzival" ebenso wie in des THOMAS VON AQUINO „Tractatus de regimine principum". Die österreichische Reimchronik vom Anfang des 14. Jahrhunderts erwähnt sie z.B., und das Chronicon Claustroneoburgense (1299) berichtet sogar über einen Fund römischer Münzen und datiert ihn auf Grund eines Aureus der Faustina filia Antonini pii um die Mitte des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts. Der Wappendichter Peter SUCHENWIRT, der Herzog Albrecht III. von Österreich 1377 nach Preußen begleitete und später in Wien lebte, schrieb sogar ein „Lied vom Pfennig". Diese wenigen, dem „Quellenbuch" von Wilhelm JESSE entnommenen Beispiele sollen nur ein Fingerzeig sein, welche Richtung die Forschung außerhalb der gewohnten Wege noch einschlagen könnte, um das Bild, das wir uns von der Münze machen, immer mehr und mehr abzurunden. Daneben liefern auch Biographien, Memoiren, Tagebücher, Briefe, Flugschriften und dergleichen wichtige numismatische Hinweise. Nicht zuletzt ist auch die Welt der Zeitung und der Zeitschrift eine noch lange nicht erschöpfte Quelle. Ebenso Gesetz76

bücher und Gesetze, denen ja auch die schon erwähnten Münzmandate und -patente zuzuzählen sind. Kurz, alle diese und auch noch eine Reihe anderer hier aus Raumgründen nicht angeführter Quellen bilden nach Zeit, Ort und Zweckbestimmung differenziert neben der Münze selbst den Ausgangspunkt jeglicher Untersuchung. Daneben darf die Forschung aber auch die unermeßliche Anzahl der in Fachorganen und auch in anderen Zeitschriften enthaltenen Aufsätze und endlich die in Buchform erschienenen selbständigen Publikationen nicht außer acht lassen. Dazu ist allerdings zu bemerken, daß, wie schon angedeutet, der wissenschaftliche Wert aller dieser zahllosen Publikationen — wie ja nicht anders möglich — keineswegs immer auf der erforderlichen Höhe der Methodik und Kritik steht. Dies hängt vor allem damit zusammen, daß ein nicht geringer Teil dieser Arbeiten von Laien, wohl nicht auf dem Gebiet der Numismatik selbst, aber doch auf dem der Geschichtswissenschaft verfaßt wurde. Das soll kein abschätziges Urteil gegenüber der literarischen Tätigkeit der Sammlerwelt bedeuten — im Gegenteil, ohne diese wäre ja eine Münz- und Geldgeschichte undenkbar. Die Sammler haben durch ihre Münzbeschreibungen vielmehr im großen ganzen dasselbe geleistet wie die Herausgeber und Bearbeiter von Urkundenbüchern. Nur mit dem einen allerdings fundamentalen Unterschied, daß die Urkundenforschung in der Regel ein erhebliches Maß an Kritik anwendet, an der es die reinen Numismatiker leider nur zu oft fehlen lassen. Und so schleppt sich so mancher grundlegende Irrtum von Generation zu Generation fort. Nicht, daß dies nicht auch bei der Urkunden- oder Aktenedition geschehen könnte; es ist um die Echtheit oder die richtige Datierung von Urkunden ebenso oft und erbittert gestritten worden wie um die von Münzen. Aber an die Urkunde und ihre Deutung wagt sich in der Mehrzahl der Fälle doch nur der Fachhistoriker, der in Paläographie, Chronologie und vor allem in der Urkundenlehre selbst vorgebildet ist, während der Numismatiker diese und andere Kenntnisse nicht besitzt, weil es an unseren Hochschulen nur eine Lehrkanzel für antike Numismatik gibt, und Untersuchungen meist durch Autodidakten betrieben werden. Das soll zur richtigen Einschätzung der weitläufigen Literatur festgehalten werden, weil hier derselbe kritische Maßstab angelegt werden muß wie bei anderen pseudohistorischen Druckwerken. Der Fachmann wird Spreu vom Weizen zu sondern wissen, zumal vornehmlich in den in unserem Raum in Frage kommenden Fachzeitschriften von den Redaktionskomitees vor allem in den letzten Jahrzehnten die eingesandten Aufsätze vor dem Abdruck strenge geprüft zu werden pflegen. Viel zur „Verwissenschaftlichung" der Numismatik haben außer den numismatischen Vereinen der einzelnen Länder auch die verschiedenen numismatischen Kongresse und speziell in Österreich die Historikertage beigetragen, an denen eine eigene Fachgruppe „Numismatik" in Vorträgen zu Wort kommt, die in den Berichten über diese Tagungen auch gedruckt werden.

77

II. Die Entwicklung der Numismatik zur Wissenschaft

A. Österreich Die Wertung der Münze als einer Quelle historischer Erkenntnis ist verhältnismäßig jungen Datums. Zunächst war es wohl das mit Renaissance und Humanismus erwachte antiquarische Interesse, das Fürsten wie Kaiser K a r l I V . und Privatpersonen, wie den mit ihm in Verbindung stehenden Dichter Francesco Petrarca zum Sammeln von Münzen, hauptsächlich von antiken, anregte. Schon im 15. Jahrhundert verbreitete sich dann das Sammeln in immer weiteren Kreisen, eine Vorliebe, die — wie auch heute noch — vielen unerklärlich war. So berichtete GRÜNAUS preußische Chronik über Stephan Matthias von Neidenburg, Bischof von Kulm (1480/195): „Er saß uff seinem Schloße zu Lube (Löbau) und besag den Tag über die fremde und seltzame Müntze, die er hatte, denn man sagte von ym, daß er sich vorhin beflissen hätte, daß er alle Müntze hatte; dys that er mehr azs Dumheit, denn anders warumb, wenn er war seer ein alter Mann." Trotz dieser Geringschätzung, die kaum ein Einzelfall war, verbreitete sich das Münzsammeln gerade um diese Zeit immer mehr und mehr; vor allem an den Höfen kunstsinniger Fürsten wurde es eifrig gepflegt. In Österreich machte M a x i m i l i a n I. damit den Anfang, der bekanntlich einen ganzen Kreis von Künstlern um sich versammelte und auch auf die Entwicklung der in Deutschland eben zu Ehren gekommenen Kunstform der Medaille fördernden Einfluß nahm. Wem der Kaiser diese Sammlung, von der der gelehrte kaiserliche Rat Dr. Johann FUCHSMAG ein erhalten gebliebenes Verzeichnis anlegte, vererbt hat, wissen wir nicht. Man könnte dieses Verzeichnis als den Beginn einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit Münzen in Österreich oder, besser gesagt, der historischen Forschung mit Hilfe der Münze ansehen. Denn es handelt sich hier noch keineswegs um eine Beschreibung der Objekte, sondern vielmehr um eine ,Ordo et series augustorum cesarum ac tyrannorum, qui imperium invadere ausi sunt, cum annotacione, quo quisque tempore et quot annis imperavit . . .' Darauf folgt ein Herrscherverzeichnis von Julius Caesar bis auf Maximilian I. und die ,Imperatores orientis a tempore Caroli Magni'. Und weiter — und das ist das Bezeichnende — ,Divo Maximiliano . . . varia hec veterum numismata priscam Romae urbis maiestatem testancia et augustorum et cesarum atque magistratuumnominibus inscripta Johannes Fuchsmag doctor dono dedit . . Die Herrscher de aurea numismata sind besonders angeführt. Man sieht hieraus deutlich die Absicht des Fuchsmag, dem Kaiser an Hand seiner Münzsammlung seine Vorgänger im Imperium vor Augen zu führen. Was hier über die antike Münze vorlag, fand seine gedankliche Entsprechung in den von Maximilian angeregten verschiedenen graphischen Folgen sowie in den monumentalen Erzstandbildem an seinem Grabmal in der Hof kirche zu Innsbruck. Ein Schritt weiter zur wissenschaftlichen Bearbeitung ist der Katalog der Münzsammlung von Maximilians Enkel F e r d i n a n d I., von der ein verlorengeglaubtes Inven78

tar erst 1957 in den Beständen der Handschriftensammlung der Wiener Nationalbibliothek wiederentdeckt wurde, ein zweites, später entstandenes Inventar befindet sich in der päpstlichen Bibliothek in Rom. „Dieses Manuskript, das sich zweifellos ursprünglich im Besitz Kaiser Rudolphs II. in Prag befunden hat, kam im Jahre 1649 mit der Schwedenbeute nach Stockholm in die Bibliothek der Königin Christine . . . Bei ihrer im Jahre 1654 erfolgten Übersiedlung nach Rom nahm die . . . Exmonarchin das Manuskript mit sich" (425). Durch den Neffen ihres Universalerben wurde es später an Papst Alexander VIII. verkauft. Diese Handschrift der Vaticana verrät indessen im Gegensatz zum älteren nach 1547 entstandenen Inventar in der Nationalbibliothek zu Wien einen eigenen, ganz andern Geist. Ähnlich wie bei dem Katalog Fuchsmags gab zwar auch hier das „Römische Reich" das „Thema für die Auswahl der in ihm verzeichneten Münzen" ab, „es waren imperiale Ideen, die bei der Zusammenstellung dieser repräsentativen Suite von Römermünzen mitschwangen" (425). Hier handelt es sich „fast um ein Handbuch für den systematischen Münzsammler . . . — eine an sich sehr beachtenswerte historiographische Leistung, indem Rubriken für alle Magistrate, Kaiser usw. angelegt wurden, auch wenn von ihnen keine Münzen vorhanden sein konnten oder waren". Im Gegensatz zum Verzeichnis der Vaticana, das sich auf römische Münzen beschränkt, ist das Wiener Verzeichnis ein Gesamtverzeichnis der Sammlung. Beide aber zeichnet, was hier besonders hervorgehoben sei, bereits eine „ernsthafte Systematik" aus (237). Diese beiden Beispiele mögen vorerst genügen, um die schon damals durch Münzen hervorgerufenen historischen Anregungen zu beweisen. Als wesentliche Tatsache muß aber schon zu diesem frühen Zeitpunkt erwähnt werden, daß es der Kaiserhof war, von dem der Impuls zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Münzen ausging. Die Pflege der Numismatik hat sich übrigens seit jeher als wissenschaftlich ungemein segensreich erwiesen. „Sie zwang zur Klarheit in chronologischen Fragen, sie legte den Grund zu solidem Wissen, ohne das eine wirkliche Kenntnis des Altertums nicht zu gewinnen gewesen wäre. Die Objekte waren verhältnismäßig leicht und zahlreich zu haben, ihre Eigenart und ihr Erhaltungszustand schloß jede nur ästhetische Wertung von vornherein aus" (237). Ferdinand I. hat seine Münzsammlung seinem ältesten Sohne M a x i m i l i a n II. vererbt, aber dieser hat sie nicht sonderlich gefördert. Sie ist wahrscheinlich in den Besitz R u d o l p h s II. gekommen; aber auch er hat sie, was bei einem Kunstsammler so großen Formats eigentümlich berührt, im Grunde vernachlässigt. Denn er „war nicht der Mann, der sich dauernd auf die kleinen Dinge hätte konzentrieren können". Und so hebt denn mit ihm „jene mehr als hundertjährige Ebbe des kaiserlichen Interesses an der Numismatik an, für die es schwerlich eine Erklärung gibt" (237), wenn man nicht Gegenreformation, Dreißigjährigen Krieg, Franzosen- und Türkennot als Argumente gelten läßt. Daraus ergibt sich, daß es mangels eines kaiserlichen Mäzenatentums auf diesem Gebiete ebenso lange auch in ganz Österreich keine wissenschaftliche Betätigung mit der Numismatik gibt. Erst K a r l VI. hat den Bann gebrochen. Mit ihm beginnt eine neue Ära in der Geschichte der Numismatik, die nicht nur in bezug auf Bereicherung und Erweiterung der kaiserlichen Sammlung, sondern auch in literarischer Hinsicht fruchtbar war. Der Kaiser hat schon in jungen Jahren diese Wissenschaft, die als ein ausgezeichnetes Mittel höherer geschichtlicher und ökonomischer Studien noch bis ins 19. Jahrhundert mit Recht eifrig gepflegt wurde, in den letzten Jahren aber leider aufgehört hat, ein Gegenstand allgemeiner Anteilnahme zu sein, eifrig betrieben. Bald nach seiner Rückkehr aus Spanien, auf dessen Königskrone er bekanntlich hatte verzichten müssen, hat Karl den Schweden Carl Gustav H e r a e u s zu seinem Medaillen- und Antiquitäteninspektor 79

ernannt, dessen erste Aufgabe es war, die damals noch verstreuten Münzbestände des Monarchen in einem kaiserlichen Münzkabinett zu vereinigen. Diesem Auftrag zufolge kam auch eine Auswahl der von Erzherzog F e r d i n a n d von Tirol (f 1595) angelegten Münzensammlung aus Schloß Ambras nach Wien. Auch die kaiserlichen Diplomaten wurden damals in den Dienst dieses Münzkabinettes gestellt, das heute, auf so breiter Grundlage errichtet, was die wissenschaftliche Bedeutung anlangt, zu den ersten der ganzen Welt zählt. Diese kostbare Sammlung gab auch frühzeitig den Anstoß zu einer großartigen, leider durch Verschulden des Autors nicht zu voller Reife gediehenen Publikation. Sie hätte als Hauptwerk des HERAEUS unter dem Titel .Thesaurus numismatum recentiorum Caroli VI. imperatoris iussu ex gazophylacio aulae cesareae Vindobonensis per tabulas LXV exhibitus' erscheinen sollen. Auf diesen Tafeln sollten, zeitlich geordnet, „zum Nutzen der Forschung und zum Ruhme der kaiserlichen Sammlungen" Medaillen weltlicher und geistlicher Fürsten in Kupferstich vorgeführt werden. Als Heraeus jedoch auf eine noch nicht restlos geklärte Weise aus seinem Amte scheiden mußte, fanden sich erst 26 dieser auf kaiserliche Kosten gestochenen Kupferplatten vor. Der Rest wurde dann erst unter Karls Schwiegersohn Kaiser F r a n z i , gefunden, so daß die Veröffentlichung des Werkes erst nach dem Tode des Autors möglich wurde. Trotzdem blieb der ,Thesaurus' der erste Versuch einer Publikation zum Zwecke der Forschung. Wohl gab es schon früher eine ganze Reihe von Veröffentlichungen mit Münzabbildungen; diese aber dienten meist nicht wissenschaftlichen Zwecken, sondern vielmehr denen der Wirtschaft, wie etwa Wertvergleichungen von umlaufenden Münzen, die schon erwähnten Münztarife, Valvationen u. dgl. Und noch etwas verdient für das Folgende festgehalten zu werden: es war das kaiserliche Kabinett zu Wien, von dem die ersten wissenschaftlichen Publikationen ausgingen, wodurch auch Außenstehende zur Forschung angeregt wurden, wie etwa Franz Anton, der dritte Sohn des Reichsfürsten Johann Joseph von Khevenhüller, der als erster und einziger seines Geschlechtes übrigens auch das Münzrecht ausübte. Dieser Franz Anton veröffentlichte noch als Zögling der Theresianischen Ritterakademie in Wien die Schrift: ,Regum veterum numismata anecdota, aut perrara notis illustrata', die, bei Johann Thomas Trattner in Wien gedruckt, gelegentlich des Tentamen publicum, der öffentlichen Prüfung des jungen Autors, zu Ende des Schuljahres 1752 herausgegeben wurde. Franz Anton K h e v e n h ü l l e r , der 1797 als kaiserlicher Hofmarschall starb, war zur Numismatik durch den aus Graz stammenden gelehrten Jesuitenpater Erasmus F r o e l i c h (f 1758) hingeleitet worden; dieser war von M a r i a T h e r e s i a z u m Bibliothekar der von ihr gestifteten Ritterakademie ernannt und später auch von ihrem Gemahl Franz Stephan v. Lothringen an das von ihm ungemein favorisierte Münzkabinett berufen worden, wo er in Gemeinschaft mit anderen den Katalog der antiken Münzen bearbeitete. Daher betrafen auch Froelichs numismatische Arbeiten hauptsächlich die Antike. Aber auch auf das Gebiet der Neuzeit hatte er sich gewagt durch sein der Kaiserin gewidmetes ,Specimen Archontologiae Carinthiae' (Wien, J. Th. Trattner 1758), worin sich auch eine Beschreibung der wichtigsten, von Maximilian I. bis Karl VI. in Kärnten geprägten Münzen vorfindet. Doch dient diese Übersicht — übrigens die erste und auf viele Jahrzehnte hinaus auch einzige zusammenhängende Beschreibung von Kärntner Geprägen — nicht so sehr der Münzkunde, sondern wie das ganze VIII. Kapitel (,De titulo archiducatus Carinthiae') dem Nachweis, wieso es, obwohl Kärnten eigentlich ein Herzogtum war, zum Erzherzogtitel gekommen sei und auf Grund welchen Rechtes sich die Landesfürsten auf ihren in Kärntner Münzstätten geprägten Münzen fast ausnahmslos Archiduces genannt haben. Es ist eben bemerkt worden, daß sich Kaiser Franz I. des Münzkabinetts ganz beson80

ders angenommen hat. Damit ist aber weniger die von seinem Schwiegervater Karl VI. hinterlassene Sammlung, als vielmehr sein eigenes privates Münzkabinett gemeint. Es gab also damals mehrere Münzsammlungen: das Nummophylacium Carolino-Austriacum, das Nummophylacium imperatoris Francisci I. und als dritte noch die Münzsammlung in Schloß Ambras. Auf Befehl Maria Theresias fertigten unter Leitung des aus Besançon stammenden Joseph Angelo de F r a n c e , ihres Trésoriers (Hofschatzmeisters), der in der Champagne geborene und von Franz I. besonders geschätzte Valentin Jamerai D u v a l und der bereits kränkliche Erasmus F r o e l i e h , für den dann sein Ordensbruder und Schüler Joseph K h e l l von K h e l l b u r g einsprang, einen Katalog der väterlichen Sammlung an. Das Ergebnis war das 1755 ebenfalls bei Trattner gedruckte und mit zahlreichen Kupferstichtafeln ausgestattete Werk ,Numismata Cimelii Austriaci Vindobonensis, quorum rariora iconismis, extera catologus exhibite iussu Mariae Theresiae imperatricis et reginae augustae'. Aber auch der Kaiser ließ für sein Privatkabinett ein ähnliches Prachtwerk anlegen, die ,Monnoies en argent qui composent des différentes parties du Cabinet de S. M. L'Empereur depuis les plus grandes jusqu'au florin inclusivement', zwei Bände in Folio, Wien, Trattner, 1756, wovon nach dem Tode des Kaisers eine zweite, beträchtlich vermehrte Auflage und 1770 auch noch ein Supplement dazu erschienen sind. 1759 wurden zusätzlich die ,Monnoies en or' und 1769 dazu ebenfalls ein Supplement herausgegeben. Das kostbare Werk ist nie in den Buchhandel gekommen, sondern bloß verschenkt worden. Leider enthält es nur Abbildungen, keine Beschreibungen; dennoch bildet es einen bedeutsamen Ausgangspunkt für die numismatisch-literarische Betätigung der Folgezeit. Nach dem Tode des Kaisers wurden seine und die carolinische Sammlung zusammengelegt und die Stücke gezählt: es waren — eine f ü r diese Zeit beträchtliche Zahl — 50.000 Einheiten, davon allein in Gold (ohne die Orientalen) 8731 Stück im Gesamtgewicht von rund 39.600 Dukaten, wobei das Gewicht der antiken Goldstücke nicht überliefert ist. Es ist klar, daß eine solche Sammlung für die im Werden begriffene numismatische Forschung eine ungewöhnlich breite Basis und einen ganz besonderen Anreiz bilden mußte. Zwei Werke des theresianischen Zeitalters, die ebenso wie ihre Verfasser in die Geschichte eingegangen sind, beruhen auf ihr: Die ,Nummotheca' der Monumenta HERRGOTTS und — als krönender Abschluß dieses numismatischen Jahrhunderts — E C K H E L S ,Doctrina numorum veterum'. Es kann als eine besondere Fügung des Schicksals angesehen werden, daß Duval seinen kaiserlichen Gönner nachdrücklich auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, auch nicht-antike Münzen zu sammeln. Der Kaiser beschloß denn auch, seiner Kollektion Gold- und Silbergepräge von der Zeit Karls des Großen an einzuverleiben. Dadurch kam endlich auch das numismatische Mittelalter zu seinem Recht, und die Abkehr von der bisher üblichen, einseitigen Bevorzugung des Altertums und des Goldes war vollzogen und damit dem kaiserlichen Kabinett die Entwicklung in einer neuen, auch geschichtlich fruchtbaren Richtung ermöglicht. Da die Münzkunde damals bereits als wichtigste Hilfswissenschaft der Geschichte gepflegt wurde, mußte für sie auch das entsprechende Münzmaterial bereitgestellt werden. Als Reaktion gegen den Humanismus hatte bekanntlich um die Wende zum 17. Jahrhundert die wissenschaftliche Forschung zum ersten Male begonnen, „die Geltung überlieferter Autoritäten prinzipiell in Zweifel zu ziehen" und durch sorgfältige und systematische Pflege der sogenannten Hilfswissenschaften echte und, von den Vorläufern unabhängig, auf Grund philologisch exakt interpretierter Quellen und einer selbst er81

arbeiteten Methodik Geschichte zu schreiben. Chronologie, Diplomatik, Paläographie und auch die Numismatik wurden nunmehr zum ersten Male in großem Umfange systematisch bearbeitet und ihre Ergebnisse in der Historiographie ausgewertet und nutzbar gemacht. In Frankreich war die Benediktinerkongregation des hl. Maurus mit dem Sitze in St. Germain des-Pres bald nach ihrer Stiftung im Jahre 1621 die Stätte gediegenster historischer Gelehrsamkeit geworden. Jenes klassische Werk, das „mit einem Schlage die wissenschaftliche Urkundenlehre, die Diplomatik, nebst der Paläographie schuf, Jean M A B I L L O N S ,De re diplomatica libri VI '(1681)", war hier entstanden. In dieser geistigen Atmosphäre hat auch Franz Jacob HERRGOTT aus Freiburg im Breisgau in den österreichischen Vorlanden seine wissenschaftliche Prägung erhalten. Im Stifte St. Blasien im Schwarzwald erzogen, legte er daselbst 1715 Profeß mit dem Namen Marquard ab. Abt Franz II. Schächtelin sandte ihn zur weiteren Ausbildung zu den Maurinern nach Paris, von wo er mit reichen wissenschaftlichen Erfahrungen, insbesondere der Überzeugung von der Notwendigkeit gründlicher Quellenforschung heimkehrte. Durch volle zwanzig Jahre, von 1728 bis 1748, vertrat er in Wien als Deputierter der breisgauischen Stände ihre Interessen am Kaiserhofe. Zwei Sommer hindurch besuchte er auch das k. k. Münz- und Antikenkabinett, wo er Erasmus Froelich kennenlernte, den er ,eruditionis laude florentissimus' nennt. „1736 erhielt er unmittelbar von Karl VI. den Auftrag zu einem riesigen Werk über das Haus Habsburg, das ihn bis zu seinem Tode (1762) beschäftigte. Die Eigenart dieses Werkes ist, daß es in der Anlage die direkte Nachfolge reich bebilderter, barocker Ehrenwerke verrät, aber mit der Sammlung nun auch bewußte Auswahl, nach den neuesten Prinzipien geschulter Kritik und Auseinandersetzung mit Quellen und Autoren verbindet" (59, 124). Für die unter Mithilfe zweier Mitbrüder erfolgte Herausgabe der drei Foliobände der ,Genealogia diplomatica augustae Domus Habsburgicae' wurde er zum kaiserlichen Rat und Historiographen ernannt. In sein Stift zurückgekehrt, erhielt Herrgott die Propstei Krotzingen, wo er die zur Fortsetzung seiner Arbeiten notwendige Muße fand. In den Jahren 1752 und 1753 gab er dann mit seinem Mitbruder P. Rustenus H E E R die ,Numotheca Principum Austriae' als zweiten Teil seiner ,Monumenta Augustae Domus Austriae' heraus. Es ist dies eine mit vielen Abbildungen belegte Münzgeschichte Österreichs bis Ferdinand IV. Heer wurde übrigens nach dem Tode Herrgotts ebenfalls zum kaiserlichen Rat und Historiographen ernannt. Mit diesen beiden Benediktinern aus St. Blasien und nicht wenigen anderen Gleichstrebenden ist übrigens ein neuer Begriff aufgetreten, der nicht nur für die Geschichtsschreibung an sich gilt, sondern auch f ü r die Münzwissenschaft: „der des Geschichtsforschers zum Unterschied vom Geschichtsschreiber, des ,Historicus' als des in Altertümern kramenden Mönches neben dem Historiographen" (59). Noch eines weiteren geistlichen Numismatikers muß hier kurz gedacht werden, des Lilienfelder Zisterziensers P. Chrysostomus H a n t h a l e r aus Marenbach im damals noch bayrischen Innviertel. Durch die Münzsammlung des Stiftes (sie fiel leider der zeitweiligen Aufhebung des Klosters unter Kaiser Joseph II. zum Opfer) angeregt, verfaßte auch er mehrere numismatische Werke, u. a. ein ,Verzeichniss bisher bekannter alt- und neuer merkwürdiger Wienerischer Schau-, Denk- und Lauf-Münzen', Linz 1745. Weitere Teile sind handschriftlich erhalten geblieben. Interessant durch ihren Titel ist eine erst zwei Jahre nach seinem Tode (1754) zu Wien und Prag erschienene Schrift ,Exercitationes faciles de numis veterum pro Tyronibus'. Der Titel verrät die Absicht, die Beschäftigung mit antiken Münzen weiteren Kreisen zugänglich zu machen. Ob die gehegte Absicht auch wirklich erfüllt wurde, steht um so mehr dahin, als Hanthaler in seinen historischen Werken zum „ersten gelehrten Fälscher" geworden war, indem er das, was zu seiner 82

Stiftsgeschichte unauffindbar war, einfach selbst konstruierte. Wir haben ihn hier nur deshalb erwähnt, weil er und die beiden Blasianer sich in der Zeit von 1730 bis 1750 gleichsam als Private mit der Numismatik publizistisch beschäftigten, während in dieser Zeit von seiten des Hofes nichts geschah. Karl VI. scheint durch das Versagen des von ihm einst so hochgeschätzten Heraeus die Lust an der Numismatik verloren zu haben, während seine Tochter Maria Theresia während der ersten Jahrzehnte ihrer Regierung ganz andere, größere Sorgen hatte. Die durch die vorhergegangenen Kriege gegen Preußen dringend gewordene große Staatsreform von 1749 beweist dies zur Genüge. Daß damals auch eine Neuordnung des Münzwesens erfolgte, wird noch weiter unten zu erwähnen sein. Erst gegen Ende ihres Lebens wurde der Betrieb im Münz- und Antikenkabinett wieder lebhaft, zumal jetzt seinem Personal zwei hervorragende Fachleute der Münzwissenschaft angehörten, die beiden Abbés E c k h e l und Neu mann, von denen sich dieser allerdings weniger literarisch betätigte als sein erstgenannter Amtskollege. Neumanns zweibändiges Hauptwerk, ,Populorum et regum numi veteres inediti', eine numismatische Ikonographie, erschien Wien 1779 und 1783 bei Trattner als Ergebnis dreißigjähriger Forschungsarbeit. Der aus Krems an der Donau stammende Franz de Paula N e u m a n n , der sich schon früh in seinem Stifte zu St. Dorothea in Wien der Numismatik gewidmet hatte, wirkte weit über seine Bedeutung als wissenschaftlicher Schriftsteller hinaus als Lehrer dieses Faches seit 1798 an der Wiener Universität. Zu seinen Schülern gehören Steinbüchel, Arneth, Bergmann, Sacken und Kenner, lauter Namen, die in den Annalen der Münzwissenschaft einen dauernden Ehrenplatz innehaben. Es wird über sie noch einiges zu sagen sein. Sie alle aber werden überstrahlt von dem bis zum heutigen Tage in Numismatik und Archäologie nachwirkenden Ruhme des Johann Joseph Hilarius von E c k h e l (1737 bis 1798), den Bergmann zu Recht den „Linné der Numismatik" nannte. Zu Enzesfeld in Niederösterreich geboren, weilte er 1772—1774 in Italien, namentlich zu Rom und Florenz, wo er dem Großherzog Peter Leopold I. (als Kaiser Leopold II.) eine Münzsammlung von 30.000 Stück einrichtete. Ob seiner großen Begabung empfahl ihn später Leopold seiner Mutter. Nach Aufhebung seines Ordens, der Gesellschaft Jesu, hatte Eckhel zunächst dessen dem kaiserlichen Münzkabinett übergebene Münzsammlung zu betreuen; schon einen Monat später, am 14. März 1774, wurde er unter Duvals Oberleitung zum Direktor der antiken Münzen bestellt, mit der Verpflichtung, wenigstens zweimal in der Woche im Kabinett Münzfreunden ausführliche Erläuterungen auf diesem Gebiete zu geben. Seit September desselben Jahres war er bereits Professor Ordinarius publicus für Altertumskunde an der Wiener Universität. Nach dem Tode Duvals (|1757) wurde er, nunmehr Weltpriester, dessen Nachfolger. Eckhel richtete nun die kaiserliche Sammlung nach einem ganz neuen, wohldurchdachten System ein, was eine bis in unsere Zeiten heraufreichende, unvergessene Tat war und ist: er verwarf die bisher übliche alphabetische Ordnung und führte an ihrer Stelle die regionale, die geographische ein. Da infolgedessen die bisherigen Publikationen über antike Münzen den neuen Anforderungen nicht mehr genügen konnten, beschloß er, in diesem Sinne einen vollständigen Katalog der antiken Münzen des k. k. Kabinetts herauszugeben. Es ist dies der ,Catalogus Musei Caesaris Vindobonensis numorum veterum distributum in partes duas, quarum prior monetam urbium, populorum, regum, altera Romanorum complectitur', dessen Titel bereits die Grundzüge seines Systems darlegt. Das mit zahlreichen Abbildungen versehene Werk erschien bereits 1779 zu Wien. Sein Hauptwerk ist indessen die vielgerühmte ,Doctrina numorum veterum', deren eigenhändige Niederschrift die Nachfolgerin des ehemals kaiserlichen Münzkabinetts, die 83

Bundessammlung von Medaillen, Münzen und Geldzeichen zu Wien, als kostbare Hinterlassenschaft pietätvoll bewahrt. Steinbüchel, der später an die Spitze des Kabinetts trat, hat dazu aus dem Handexemplar 1826 noch einen Nachtrag herausgegeben. Gedruckt wurde dieses großartige, Kaiser Franz II. gewidmete Werk zu Wien auf Kosten von Joseph Vinzenz Degen Ritter von Elsenau, 1792—1798 in acht Quartbänden. In wissenschaftlicher Hinsicht bedeutete die ,Doctrina' eine förmliche Revolution auf dem Gebiet der Numismatik. Eckhel gebührt das nicht hoch genug einzuschätzende Verdienst, wie sein Biograph Joseph v. Bergmann sich ausdrückt, „allmählich die Massen . . . gesichtet und gelichtet, wie auch ein streng wissenschaftliches System in der alten Numismatik aufgestellt zu haben. Mit seinem Namen beginnt eine neue Aera". Eine Einschränkung muß allerdings gemacht werden: Eckhels einseitige Begeisterung für die klassische Antike und sein (auch von anderen geteiltes) ästhetisches Vorurteil für diese allein. So konnte ihm der grundsätzliche Irrtum unterlaufen, daß er „gewisse Münzen der Völkerwanderungszeit u. a. als wertlos und nur für den Schmelzofen tauglich bezeichnete", ein Vorurteil, dem auch sein Kollege Neumann unterlag, der „für die Ausscheidung schlechter Prägungen oder sachlich geringfügiger Stücke" eintrat. Auf diese Weise ist bei der mit kaiserlicher Bewilligung 1794 tatsächlich vorgenommenen Einschmelzung von nicht weniger als 4286 Münzen und Medaillen sicherlich sehr viel Wertvolles mit zugrunde gegangen. Das Münz- und Antikenkabinett blieb auch nach dem Tode Eckhels und Neumanns ein ernster wissenschaftlicher Forschung zugewendetes Institut, eine Tradition, die sich trotz des geringen Personalstandes auch in der Bundessammlung als Rechtsnachfolgerin unvermindert erhalten hat. Neumanns Nachfolger war sein Schüler Anton S t e i n b ü c h e l v o n R h e i n w a l l aus Krems, der ihm in seinen akademischen Kursen aufgefallen war und ihm auch in der Professur für Altertumskunde und Numismatik nachfolgte. Wissenschaftliche Qualitäten sind Steinbüchel auch von seinen zahlreichen Widersachern nie abgesprochen worden; so erwies er sich denn als Direktor des Kabinetts auch den großen Überlieferungen seiner gelehrten Vorgänger würdig. Unter seiner bis 1840 währenden Leitung wurde Wichtiges geleistet, hauptsächlich in der Bearbeitung der immer zahlreicher werdenden Münzfunde, deren wissenschaftliche Bedeutung schon Bergmann klar erkannt hatte. „Da die dem k. k. Münz- und Antiken-Cabinete seit mehr denn 60 Jahren eingesandten Funde in den Acten desselben aufgezeichnet sind, so Hesse sich aus ihnen eine Karte aller dieser Funde, wenigstens der wichtigsten, bis zum heutigen Tage nach und nach anfertigen, und wäre diese Arbeit nunmal zu mühsam und zeitraubend, so ist es an der Zeit, eine solche auf Grundlage unserer ausgezeichneten Specialkarten in ihrem grösseren Maasstabe von jetzt an anzulegen. Derlei Fundkarten werden dem umsichtigen und besonnenen Geschichts- und Alterthumsforscher sicherlich nicht uninteressante Einblicke in die Vergangenheit in mehrfacher Beziehung gewähren und überraschende Resultate darbieten" (258). In der Ära Neumann-Steinbüchel wurden mehrere bedeutende Funde gemacht und z. T. vom Kabinett erworben. Das meiste Aufsehen erregte wohl der fast 2,5 kg Gold enthaltende Schatzfund von Szilägysomlyö in Siebenbürgen (ca. 1797), der von mehreren Generationen gesammelte, ausschließlich aus Gold bestehende Familienschatz eines angesehenen germanischen Fürstengeschlechtes unbekannter Stammeszugehörigkeit. Neben Schmuckstücken, wohl durchwegs germanischer Erzeugung, ist er durch seine 13 schweren Goldmedaillons im Gewichte zwischen 27,15 und 256,99 g, die als Ehrengeschenke aus Rom gekommen und von den Germanen gerahmt und zum Teil auch nachgeahmt wurden, auch numismatisch von großer Bedeutung. Nach der gleichzeitigen Schätzung 84

des Wiener Hauptmünzamtes betrug der ganze Schatz 695 Dukaten oder in Geld 2411 fl. 51 Kr. reiner Metallwert! Es wurde also damals schon vor 175 Jahren der Versuch gemacht, die so wertvollen Funde für die Wissenschaft zu retten. „Soviel ist gewiß", sagt Ludwig HUSZÄR, der die den Fund betreffenden Dokumente zusammengetragen hat, „daß dieses Verfahren sehr kompliziert war, und vielleicht ist auch dies schuld daran, daß uns nur einige wenige bedeutende Funde aus jener Zeit trotz der Einlieferungspflicht erhalten blieben" (453). Eine traurige Tatsache, gegen die bis jetzt leider noch jedes Denkmalschutzgesetz machtlos geblieben ist. Unter den Kustoden des Wiener Münzkabinetts, die damals die einlangenden archäologischen und numismatischen Funde bearbeiteten, ist einer besonders zu erwähnen, dessen Name auch der österreichischen Literaturgeschichte angehört: Johann Gabriel S e i d l (1804—1875), den Zeitgenossen nicht zuletzt als Textdichter der Haydnschen Volkshymne bekannt (1854). Was dieser Wiener Dichter schuf, hat Josef NADLER „bodenechtes Biedermeier, die hold begrenzte Seele eines Volkes, das genoß, um es zu besitzen", genannt (785). Daß sich Seidl auch als Gelehrter, hauptsächlich durch die fortlaufende Veröffentlichung der in der ganzen Monarchie gemachten archäologischen Funde einschließlich der Münzen, einen Namen gemacht hat, beweist seine im Jahre 1851 erfolgte Ernennung zum wirklichen Mitgliede der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Seidls ,Beiträge zu einer Chronik der archäologischen Funde' wurden ab 1860 von seinem jüngeren Amtskollegen Friedrich v. K e n n e r (1834—1922) fortgesetzt, dem sowohl auf numismatischem als auch auf archäologischem Gebiete eine ansehnliche Reihe bedeutender Forschungsergebnisse aus allen Perioden der Numismatik zu verdanken ist. Von ihnen sei seine kritische Beschreibung der wichtigsten Stücke aus der hervorragenden Sammlung des oberösterreichischen Stiftes St. Florian (1871) besonders hervorgehoben. Kenner gehört wissenschaftlich schon einer späteren Generation von Numismatikern an, die unter ganz anderen Voraussetzungen arbeiten konnte als die vorhergehende. Sie wird weiter unten gewürdigt werden. Wir müssen hier aber noch kurz bei Steinbüchel und seinem Zeitgenossen Joseph von Bergmann verweilen. S t e i n b ü c h e l hat sich besonders durch eine numismatische Arbeit verdient gemacht, er war einer der ersten, der sich auch wissenschaftlich mit den Problemen der Münzfälschung auseinandersetzte. Im Jahre 1836 erschien zu Wien seine Schrift: ,Die Beckerschen falschen Münzstämpel'. Es handelt sich hier um den fürstlich Isenburgschen Hofrat Carl Wilhelm B e c k e r (1772—1830), einen guten, fast Freund zu nennenden Bekannten Goethes, der mit so vollendeter Meisterschaft Münzen aller Zeiten nachahmte, daß von den Zeitgenossen kaum einer die Nachahmung ahnte. Denn Becker hatte, wie Steinbüchel schreibt, „alles, was immer glücklicher Trug vermag . . . mit großer Umsicht zu seinem Vortheile zu vereinigen gewusst, seinen Stücken fehlt fast nur das eine Kennzeichen — die Wahrheit . . ." Wohl hat es seit jeher mehr oder minder geschickte Münzfälscher gegeben; sie sind insbesondere in unserer Zeit, die mit ihren technischen Errungenschaften dieses üble Gewerbe sehr erleichtert, rege tätig. Aber zur Zeit Steinbüchels (der übrigens in der Arbeit des Italieners Sestini ,Sopra i moderne falsificatori. . .', Florenz 1816, einen Vorläufer hatte) steckte die numismatische Kritik in Echtheitsfragen noch sehr in den Kinderschuhen, so daß wir sogar in Eckhels ,Doctrina' Phantasiemünzen angeführt finden, die nie existiert haben. Man muß natürlich hier zwischen den nahezu seit Anbeginn der Münzprägung existierenden, rein gewinnsüchtigen Zwecken dienenden Fälschungen von Umlaufsmünzen aus minderwertigem Material und den zur Täuschung der Sammler hergestellten Nachahmungen von Raritäten unterscheiden. Becker gehörte der zweiten Gruppe an, wenn er auch immer versichert haben soll, daß er diese Selten85

heiten nur zu Studienzwecken hergestellt habe. Es war daher von Steinbüchel eine vorbildliche Tat, wenn er das Problem der Münzfälschung überhaupt angriff und an einem konkreten Beispiel Fachleuten wie Sammlern die Augen zu öffnen suchte. Auf Steinbüchel war nach seiner Versetzung in den Ruhestand der Oberösterreicher Joseph Calasanza A r n e t h (1791 — 1863) als Direktor gefolgt, der sich aber numismatisch nur wenig betätigte. Von seinen Schriften sind die beiden Auflagen seiner Arbeit über das k. k. Münz- und Antikenkabinett und die Beschreibung der zur Schau ausgelegten Münzen und Medaillen insofern von Bedeutung, als damit das wachsende Interesse des Publikums an diesen Sammlungen bewiesen wird. Wenige Jahre nach seinem Tode gaben dann die beiden Kustoden Eduard Freiherr von S a c k e n , Spezialist für die „Kunstarchäologie" des Mittelalters, und Friedrich K e n n e r , klassischer Archäologe und Numismatiker, eine auch dem Umfang nach ansehnliche Geschichte des Kabinetts und seiner Sammlungen heraus. Dieses Werk entstand bereits während der Direktion des Vorarlbergers Joseph Ritter v. B e r g m a n n ( 1 7 9 6 — 1 8 7 2 ) , „ein Polyhistor in mancher Beziehung", wie LHOTSKY ihn charakterisiert, „der gleichermassen in der mittelalterlichen Genealogie, in der Landeskunde von Vorarlberg, in linguistischen Problemen der Schweiz und der deutschen Literaturgeschichte, vor allem aber in der neueren Numismatik und Medaillenkunde bewandert war, für deren moderne Systematik er Wesentliches beigetragen hat". Er war ein „stiller Gelehrter", der mehr als 130 Veröffentlichungen hinterlassen hat, von denen sein zweibändiges Werk über Medaillen auf berühmte Männer des österreichischen Kaiserstaates, das fast 1000 Druckseiten umfaßt, heute noch — vielleicht in Einzelheiten — kaum überholt ist und infolge seiner erstaunlichen Fülle historischer Daten zur Familiengeschichte der behandelten Personen noch auf lange Zeit hinaus unentbehrlich bleiben wird. Ebenso beruhen seine Abhandlungen über die Pflege der Numismatik in Österreich von Heraeus bis in Bergmanns eigene Zeit hinauf, denen wir hier großenteils gefolgt sind, auf gründlicher Quellenkenntnis. Bergmann starb 1872. Um diese Zeit hatte sich eine bedeutende Umschichtung unter den Trägern der numismatischen Wissenschaft vollzogen. Wie aus dem Gesagten ersichtlich ist, war bisher das k. k. Münz- und Antikenkabinett nahezu die einzige Quelle der Erkenntnis und der Forschung und durch seine gelehrten Beamten, die nebenbei meist auch an der Wiener Universität lehrten, beinahe das einzige Forum zur Verbreitung dieser Wissenschaft gewesen. Wohl gab es damals schon in den österreichischen Erblanden eine ganze Reihe bedeutender Privatsammler, denen die Klöster zeitlich vorangegangen waren, aber eine literarische Tätigkeit haben bis zur Jahrhundertmitte nur wenige entfaltet, wenn wir von Leopold W e l z l s von W e l l e n h e i m mißglückten Arbeiten über die Grafen von Görz (1839) absehen wollen. Da erschien im Jahre 1865 der erste Band der von Dr. G. A. E g g e r , einem Mitbesitzer der Eggerschen Münzhandlung zu Wien, herausgegebenen ,Wiener numismatischen Monatshefte'. In dem Aufruf „An unsere Leser" heißt es da: „Nachdem das große Donaureich, in welchem so viele Zeugenschaften vergangener Jahrtausende schon vorgefunden worden und noch jetzt immer an das Tageslicht gebracht werden, bisher noch kein Organ aufweisen konnte, das sich speziell mit Numismatik und deren Hilfswissenschaften befasst hätte, erging an uns von vielen Seiten die ehrende Aufforderung: für Österreich einen literarischen Sammelpunkt zu bilden, wo die neuesten Forschungen auf dem Gebiete der antiken und neuen Numismatik in eingehender und wissenschaftlicher Weise verfolgt und besprochen werden sollen. Wir glauben deshalb einem ziemlich allgemeinen Verlangen nachzukommen, wenn wir hiemit an die Gründung einer periodischen Schrift schreiten, 86

die es sich zur Aufgabe machen wird, vorzüglich die Verbreitung österreichischer Münzkunde anzustreben, ohne aber deshalb die Numismatik anderer Länder in den Hintergrund zu stellen, die es ferner als ihre Pflicht anerkennen wird, immer neue, wissenschaftlich begründete Aufklärungen über das gesammte Münzfach zu liefern, neue Funde zur allgemeinen Kenntnis zu bringen und jeder literarischen Bewegung auf dem Felde der Numismatik mit kritischem Auge zu folgen." Es war höchste Zeit, daß nun auch in Österreich, neben Italien, dem klassischen Land der Numismatik, eine Fachzeitschrift gegründet wurde, wo auch Laien, d. h. keine approbierten Wissenschaftler, neben diesen sich wissenschaftlich betätigen konnten, wobei natürlich die Beiträge vor Drucklegung durch ein Redaktionskomitee geprüft wurden. In Deutschland war durch den „Altmeister der Numismatik", den Hannoveraner Hermann Grote, schon im Dezember 1831 der Prospekt einer Fachzeitschrift ausgesendet worden, deren erstes Heft aber erst drei Jahre später erschien. Sie hieß zuerst ,Numismatische Zeitung', wurde aber schon mit Heft 4 in ,Blätter für Münzkunde. Hannoversche Numismatische Zeitung' umbenannt. Ungefähr gleichzeitig trat auch J. L e i t z mann, Weißensee in Thüringen, mit seiner ,Numismatischen Zeitung' auf den Plan, während der Holländer P. O. van der C h i j s schon 1832 — als erster Herausgeber eines numismatischen Blattes überhaupt — zu Leyden seine ,Tydschrift voor algemene Munten Penningkunde' herausbrachte. In Österreich war durch Eggers Monatshefte gewissermaßen das Monopol des Münzkabinetts auf Forschung und literarische Betätigung gebrochen und damit der Numismatik ein weites Feld eröffnet worden, das alle Zeiten und Gebiete wie etwa auch die Orientalistik umfaßte. Die Monatshefte als solche erlebten allerdings nur fünf Jahrgänge: 1869 kamen nur mehr zwei Lieferungen dieses fünften und letzten Bandes heraus. Der Grund dieser plötzlichen Einstellung lag aber nicht im Erlahmen des Interesses, sondern ganz einfach im Materialmangel infolge des Erscheinens des ersten Bandes der neuen Numismatischen Zeitschrift' im Jahre 1869 als Organ der eben gegründeten „Numismatischen Gesellschaft in Wien". In ihren Statuten heißt es in § 1: „Die Gesellschaft verfolgt als ihren Zweck die Pflege der numismatischen Wissenschaft. Sie sucht einen regeren Verkehr zwischen Forschern und Sammlern anzubahnen und dadurch deren gemeinschaftliche Interessen zu fördern." Dieser Zusammenschluß der beiden Exponenten der Numismatik auf einer höheren Ebene war das Neue; er sollte bald die schönsten Früchte tragen. Die konstituierende Versammlung fand am 19. März 1870 im grünen Saale der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften statt. Die ersten Redakteure der Zeitschrift waren Christian Wilhelm H u b e r , k. k. Ministerialrat und ehemaliger Generalkonsul in Ägypten, und der Wiener Universitätsdozent Dr. Joseph K a r a b a c e k ; Huber behielt sich die Antike vor, während Karabacek die Münzkunde des Mittelalters, der Neuzeit und des Orients zu betreuen hatte. Aber schon der dritte Band mußte gleichsam als Vorwort, eine dem plötzlich verstorbenen Freund und Förderer der Numismatik Huber zu Beginn des Jahres 1872 gehaltene Gedächtnisrede bringen. Bis einschließlich des fünften Bandes (Jg. 1873, erschienen erst 1875) hatte der mittlerweile zum Universitätsprofessor in Wien ernannte Karabacek die Redaktion der Zeitschrift inne. Ab Band VI/VII (Jg. 1874/75, erschienen 1876) hatte dann ein aus den Herren Direktor Carl Ritter von E r n s t , Kustos Dr. Friedrich K e n n e r und dem Grazer Univ.Prof. Dr. Arnold Ritter L u s c h i n v. E b e n g r e u t h zusammengesetztes Redaktionskomitee die Geschäfte der Zeitschrift zu besorgen. Sie ist dank ihrer allzeit vorbildlichen Betreuung durch dieses Komitee (dessen im Laufe der Zeit wechselnde Zusammensetzung 87

wir hier nicht weiter verfolgen wollen) in den bisher erschienenen 82 Bänden zu einer der bedeutendsten Fachzeitschriften geworden, die ihre Seiten nur den Beiträgen von hohem wissenschaftlichem Wert und allgemeinem Interesse offenhält. Um aber auch kleinere, minder wichtige Aufsätze unterbringen zu können, beschloß die Gesellschaft im Jahre 1883 auch die Herausgabe eines Monatsblattes, durch das „zunächst ein regerer und rascherer Verkehr der Gesellschaft mit ihren Mitgliedern vermittelt werden soll und letztere von den Vereins-Angelegenheiten, Verhandlungs-Programmen und Beschlüssen der Versammlungen sowie in entsprechenden Berichten von den gehaltenen Vorträgen in Kenntnis gesetzt werden. Kurze Aufsätze und Notizen sollen Mitteilungen über Vorkommnisse auf numismatischem Gebiete enthalten, literarische Essays eine periodische Übersicht der numismatischen Publikationen bringen, Münzfunden, ihrer Bestimmung und Besprechung wird eine rege Aufmerksamkeit gewidmet werden." Von diesem Monatsblatt, dessen Nr. 1 vom August 1883 datiert ist, sind bis zum Jahre 1918 11 Bände mit insgesamt 425 Nummern erschienen, die eine reiche Fülle von wertvollem und interessantem Material darbieten. Im Jahre 1890 hatte sich neben der Numismatischen Gesellschaft in Wien der „Club der Münz- und Medaillenfreunde" konstituiert, als dessen Zweck in den Statuten „die Förderung des Sammeins von nicht gangbaren Münzen und Medaillen im allgemeinen sowie insbesondere die Pflege des Verkehres mit Münzen und Medaillen der Mitglieder untereinander", also Tausch oder Verkauf, angegeben wurde. Als „Mittel zur Erreichung des Zweckes" wurde ein Kluborgan, die,Mitteilungen des Clubs der Münz- und Medaillenfreunde in Wien', herausgegeben, das 15 Jahrgänge (1890—1904) erlebte, aber von 1905 bis 1918 ,Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde' hieß, konform der neuen Bezeichnung, die sich der alte „Club" gegeben hatte. Im Jahre 1919, als sich durch die Zertrümmerung der alten Monarchie der Mitgliederstand der beiden Gesellschaften stark verringert hatte, kam es endlich zu einer schon längst fälligen Fusion unter dem Namen der älteren Gesellschaft, die sich seit dem Zweiten Weltkrieg „Österreichische Numismatische Gesellschaft" nennt. Dementsprechend wird auch das an die Stelle des alten Monatsblattes getretene gemeinsame Publikationsorgan ,Mitteilungen der Österreichischen Numismatischen Gesellschaft' bezeichnet. Zu erwähnen bleibt noch, daß die Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde auch zwei Bände der ,Zeitschrift für Münz- und Medaillenkunde' herausgebracht hat: I, Wien 1905-1907; II, Wien 1908-1913. Zwischen den beiden Gesellschaften, deren Publikationen eine schier unerschöpfliche Fülle von Erkenntnissen darbieten, war es stillschweigend zu einer Art Arbeitsteilung gekommen. Während die Numismatische Gesellschaft in erster Linie die Antike und das Mittelalter kultivierte und auch Arbeiten über nichtösterreichische Themen Raum gewährte, pflegten Club und Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde hauptsächlich Österreich und die moderne Medaille. Die konservative Einstellung der Gesellschaft machte sich nicht zuletzt auch dadurch bemerkbar, daß die Leiter und Kustoden des kaiserlichen Münzkabinetts, wie Karl D o m a n i g , Ernst H a r t m a n n von Franzenshuld, Friedrich v. K e n n e r , Wilhelm K u b i t s c h e k , Rudolf M ü n s t e r b e r g , ihre Arbeiten in der Numismatischen Zeitschrift herausbrachten. Neben ihnen beteiligten sich in dieser noch eine ganze Reihe anderer hervorragender Mitarbeiter, so der Montanist und Beamte an den Münzämtern Venedig und Wien, zuletzt Direktor des k. k. Bergwerksprodukten-Verschleißes, Carl Ritter von E r n s t , der Hof- und Gerichtsadvokat Dr. Alfred Na gl, der uns schon bekannte Orientalist Prof. Dr. Joseph K a r a b a c e k , dann der kenntnisreiche Kustos der Bibliothek und des Museums der Stadt Wien Dr. Karl S c h a l k , der Oberstleutnant Otto V o e t t e r , der Oberst Eduard Ritter v. Z a m b a u r 88

und der Grazer Rechtshistoriker und Universitätsprofessor L u s c h i n , der wohl alle Vorgenannten an wissenschaftlicher Bedeutung weit übertraf. E r n s t hat sich nicht nur als einer der Schriftleiter der ,Numismatischen Zeitschrift' um diese sehr verdient gemacht, sondern war selbst wissenschaftlich tätig. Beruflich mit der Technik des Münzens in allen Einzelheiten wohl vertraut, hat er sowohl in dieser Sparte als auch für die österreichische Münzgeschichte gediegene Arbeit geleistet und dadurch so manches numismatische Neuland erschlossen, wobei er auf Grund des einschlägigen Aktenmaterials streng methodisch vorging. S c h a l k hat sich hauptsächlich mit der Geschichte der Münzstätte Wien beschäftigt, während K a r a b a c e k und Zamb a u r auf dem Gebiet der orientalischen Münzkunde Hervorragendes leisteten, wobei auch der gelegentliche Einfluß des orientalischen, insbesondere türkischen Münzwesens auf die Münzverhältnisse in gewissen Gebieten der Monarchie nicht vergessen wurde; so hat z. B. Zambaur die Prägungen der Osmanen in Bosnien, Karabacek die monetären Folgen der mongolischen Invasion in Ungarn 1241/42 behandelt. Eine ganz besondere Stellung nimmt Otto V o e t t e r ein. Er war vor allem ein erfolgreicher Sammler römischer Münzen, von denen er mehr als 30.000 Stück zusammengebracht und in 11 Bänden beschrieben hat. Katalog und Sammlung schenkte er dem kaiserlichen Münzkabinett. Er hat als aktiver Offizier in Komorn, in dessen Nähe, bei Ö-£zöny, sich ein Römerlager befunden hatte, selbst Grabungen veranstaltet. Er kann aber auch — fast ein Jahrhundert nach E c k h e l — als Begründer der Wiener Schule bezeichnet werden, die sich auf die spätrömische Kaiserzeit spezialisierte und deren Münzen „nach den Abschnittsmarken (und sonstigen Serienzeichen) in ausdrücklichem Gegensatz zu Eckhels Verzicht und ungerechter Abkehr sammelte und für eine Geschichte der Entwicklung der römischen Kaisermünzen . . . ausnützte" (594). Neben Voetter gehören zu den hervorragendsten Vertretern dieser Schule Dr. Alexander M i s s o n g , Dr. Joseph v. K o l b , Theodor R o h de sowie der als Sammler hochbedeutende, aus Frankenthal in der Rheinpfalz stammende Wiener Teehändler Franz T r a u . Voetter hat es auch verstanden, Tafeln „nach Durchreibungen von Münzen mit virtuoser Betonung des Charakteristischen zu zeichnen" (594). Die von ihm in seinen Münzbeschreibungen angewendeten Abkürzungen und Zeichen werden noch heute in der ganzen Welt gebraucht. Er hat am Schlüsse eines langen Lebens „eine herrschende Stellung im Studiengebiet der römischen Numismatik bezogen" (594). Wenn Percy H. W e b b , M. B. E., der Bearbeiter des V. Bandes der Roman Imperial Coinage (1962), auf S. XVII in der Select bibliography zum Schlagwort Voetter schreibt: "The invaluable series of his articles in Num. Zeitschrift], from 1899 onwards, without which it would have been most difficult to compile this work" (1205), so beleuchtet dieser Satz in prägnanter Kürze den Ruf, den Voetter noch Jahrzehnte nach seinem Tode (f 1926) in der Fachwelt des In- und Auslandes mit vollem Recht genoß. Mit Voetter muß zugleich auch Wilhelm K u b i t s c h e k genannt werden, der der Numismatischen Gesellschaft 44 Jahre als Mitglied, Vorstandsmitglied, Redakteur, Präsident und zuletzt als Ehrenpräsident angehörte. Überdies war er Kustos und seit 1916 Direktor des antiken Münzkabinetts und überdies auch Ordinarius für Altertumskunde an der Wiener Universität. Er hat in seinen vielfältigen Beanspruchungen sowohl organisatorisch als auch wissenschaftlich Hervorragendes geleistet. Sein Interesse galt besonders den Bodenschätzen in Carnuntum bei Deutsch-Altenburg und Lauriacum (Lorch) bei Enns. Durch seine Publikation einer Anzahl von Lagerfälschungen aus dem Besitz des Oberstleutnants Eduard La com, antiker Fälschungen vom Donau-Limes, hat er diese merkwürdige Reihe als erster der Öffentlichkeit bekanntgemacht. Durch seine Umsicht und Initiative hat er auch dem Münzkabinett die Erwerbung wichtiger Sammlungen 89

ermöglicht. Unter ihm ist „das Inventar der Griechen von 27.602 auf 37.025 gewachsen, die Zahl der Römer aber, die 35.000 Stücke betragen hatte, war verdoppelt worden". Der hervorragendste Vertreter der österreichischen Münzforschung aus der Anfangszeit der Wiener Numismatischen Gesellschaft, der ihr auch seit ihrer Gründung angehörte, war Johann N e w a l d (1817—1886), Direktor der k. k. Forstakademie Mariabrunn bei Wien. Wie so viele zu wissenschaftlicher Bedeutung gelangte Numismatiker war auch er Autodidakt. Daß aber kein Geringerer als Arnold von L U S C H I N seinen Nekrolog schrieb, zeigt deutlich, welchen Rang Newald in seinem Spezialfach, der Münzgeschichte Österreichs seit dem Mittelalter, einnahm. Für die Zeit von Ferdinand I. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts kann man über seine Arbeiten das gleiche sagen, wie der Engländer Webb über die Voetters: ohne sie wäre z. B. dieses Buch zu schreiben unmöglich gewesen. Mit Recht konnte auch Luschin darauf hinweisen, daß „ein unbefangener Vergleich seiner Arbeiten mit dem B e c h e r sehen Werke über das österreichische Münzwesen der Jahre 1524—1838 . . . oder dem Waldnerschen Versuch eines Entwurfes der Hauptmomente des deutschen Münzwesens den Wert des auf archivalischer Forschung beruhenden Gesamtwerkes von Newald voll erkennen lasse. Grundlegend", heißt es weiter, „sind seine Arbeiten für die Zeit von Ferdinand I. bis zum Regierungsantritt Ferdinands II.; fürs folgende Jahrhundert sind von ihm wichtige Vorarbeiten geschaffen worden." Zweier bedeutender Forscher, die beide im Jahre 1965 von uns gegangen sind} sei hier noch gedacht: August Oktavian Ritter v. L o e h r und Karl P i n k . Loehr hat als Nachfolger Domanigs die Direktion des Münzkabinetts und dann der „Bundessammlung" übernommen und diese Institution zu neuem Leben erweckt; vor allem durch eine Neuaufstellung der Schausammlung wirkte er beispielgebend. Wie er selbst in der Einleitung zu dem 1935 erschienenen Führer durch die Sammlung sagt, war f ür das zu diesem Zeitpunkt über 300.000 Objekte umfassende Kabinett die Regierung Karls VI. von entscheidender Bedeutung gewesen. „Der kaiserliche Antiquitäteninspektor Heraeus hatte nicht bloß die Sammlung großzügig zu vermehren und auszugestalten, er hatte auch die Ausführung der im Zusammenhang mit der Reform des Prägewesens neu eingeführten Hofmedaille zu überwachen, Bildentwürfe und Inschriften zu entwerfen und mit den Medailleuren zu beraten. Es ist dies die Epoche, die für die numismatischen Sammlungen überhaupt charakteristisch geworden ist, die nicht die Gußmedaille, sondern das Prägestück in den Mittelpunkt des Interesses zog, zwischen Münzen und Medaillen wenig unterschied, da der historisch antiquarische Gesichtspunkt vorherrschte und so jene Gleichartigkeit in den Sammlungsobjekten kannte, die die Voraussetzung für das nun stärker werdende Sammlerinieresse und die Fachliteratur bildete. Heute ist das Verständnis der gleichen Wurzel des Sammeins für die disparaten Formen der Geldzeichen und die ebenfalls vielgestalteten Medaillen nicht immer mehr ganz vorhanden, da die Erinnerung an die Zeit, da die Münzen Medaillen sein wollten und die Medaillen Schaumünzen waren, verblaßt ist" (648). Nachdem die streng wissenschaftliche Richtung Eckhels eine starke Zuwendung zur antiken Numismatik ausgelöst hatte, die sogar noch die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts beherrschte, hat dann der Tiroler Volksdichter Karl D o m a n i g , der von 1900 bis zu seinem Tode (f 1913) die Sammlung für Mittelalter und Neuzeit leitete, bewirkt, daß sich das Wiener Kabinett wieder mit der Medaille befaßte. „In der Folge hat sich, mit der glücklichen Möglichkeit moderne Kunstmedaillen im größten Ausmaß zu vereinen, das Bedürfnis der planmäßigen wissenschaftlichen Bearbeitung und Aufsammlung des gesamten österreichischen Münz- und Geldwesens geltend gemacht, wobei sich sofort die Notwendigkeit zeigte, über die Münze hinaus Papiergeld und Kreditpapiere aller Art 90

in das Arbeitsgebiet einzubeziehen und sich die grundsätzlichen Fragen des Geldzeichens von den primitiven Formen an vorzulegen' 4 (648). Aus dieser Sicht ergab sich eine Darstellung der Morphologie des Geldes, die Loehr nicht nur in musealer Hinsicht, sondern auch in seinen wissenschaftlichen Arbeiten konsequent durchgeführt hat. Er ist damit zum Vertreter jener schon von Luschin betonten Lehre geworden, daß die Numismatik keine isolierte Wissenschaft sein darf, sondern daß sie auch mit den Nachbarwissenschaften und mit dem praktischen Leben dauernd in Kontakt bleiben muß. Ferner meinte er, daß die Münze wohl den Kernpunkt der Numismatik bildet, daß diese aber, um lebendig zu wirken, die Münze in den viel weiteren Begriff des Geldes einordnen muß. So ist es nur eine logische Folgerung, wenn wohl die geprägte Metallmünze als wichtigstes Tauschmittel im Vordergrund steht, daß ihr aber „ebenso sehr wichtige Vorstufen (Naturalgeld) vorausgingen, wie ihr vielerlei Erfindungen (Kreditgeld) nachfolgen und wie bereits mit ihr Entwicklungsphasen anderer Art (Giro- und Kompensationsverkehr) laufen" (648). Damit hat sich eine neue Auffassung vom Wesen der eigentlichen Münze — wenn auch keineswegs kampflos — durchgesetzt. Die Ausweitung des münzgeschichtlichen Stoffes zum geldgeschichtlichen ist damit eine wissenschaftliche Selbstverständlichkeit geworden und führte auch zur Legitimierung einer bisher meist über die Achsel angeschauten „bloßen Hilfswissenschaft". Loehrs Initiative in den schweren Zeiten nach dem Zusammenbruch der Monarchie ist nicht zuletzt auch die Erhaltung der Privatsammlungen zu verdanken, als der neue Staat bereits seine Hände danach ausstrecken wollte. Ebenso ist die Ausgestaltung der Bundessammlung sein und seiner bewährten Mitarbeiter Verdienst. Aus der Reihe seiner zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten sei hier insbesondere die Herausgabe des von dem Großindustriellen Viktor M i l l e r zu A i c h h o l z begonnenen, von Loehr und seinen Mitarbeitern fortgesetzten und vollendeten Werkes .Österreichische Münzprägungen seit 1519' hervorgehoben, das bereits in 2. Auflage vorliegt (eine 3. wird vorbereitet). Dank der geldgeschichtlichen Erläuterungen zu den einzelnen Prägejahren, in die das Werk gegliedert ist, wird damit nicht nur dem Wissenschaftler, sondern ebenso dem Sammler österreichischer Münzen eine chronologische Übersicht über ein Kapitel der Münzgeschichte geboten. Als Zeitgenosse Loehrs stand auch der ehemalige Zisterzienser, dann Weltpriester Univ.-Prof. Dr. Karl P i n k , nach dem Tode Rudolf M ü n s t e r b e r g s (f 1926) der antiken Abteilung der Bundessammlung vor. Neben zahlreichen bedeutenden Arbeiten über griechische und römische Gepräge hat Pink vor allem durch seine Forschungen auf dem Gebiete der keltischen Numismatik, die insbesondere den Ostkelten galt, durch seine Methodik und Systematik bahnbrechend gewirkt und sich damit um diese ungemein schwierige Epoche, die ja infolge des Fehlens jeglicher schriftlicher Überlieferung nur auf die Münzen selbst als Dokumentation angewiesen ist, außerordentlich verdient gemacht. Pink führte in die wissenschaftliche Arbeit das System des sogenannten Aufbaues ein. Der Zweite Weltkrieg hat in dem noch jungen Georg E l m er, den Pink selbst als seinen „begabtesten Schüler" bezeichnete, ein schweres Opfer gefordert. Elmers Doktordissertation über Eugenius und sein vier Jahre später in den Bonner Jahrbüchern erschienener großangelegter Aufsatz über die Münzprägung der gallischen Kaiser in Köln, Trier und Mailand hatten große Hoffnungen für seine wissenschaftliche Zukunft erweckt, die durch ein tragisches Geschick nicht erfüllt werden konnten. Aus dem Kreise des Clubs bzw. der Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde seien hier drei Namen kurz hervorgehoben: Theodor U n g e r , Rudolf H ö f k e n v. Hatt i n g s h e i m und Viktor v. R e n n e r . Einer Forscherfamilie (sein Vater Franz war einer der bedeutendsten Botaniker seiner 91

Zeit, dessen Bruder Ferdinand war Arzt und zugleich ein eifriger und erfolgreicher Archäologe) entstammte der steirische Historiker Theodor U n g e r (1840—1896). Als Leitgedanken seiner Sammlung verfolgte er das Ziel, ein erschöpfendes numismatisches Gesamtbild der Personen- und Ortsgeschichte der Donaumonarchie zu schaffen. Er war also ungleich dem Universalsammler Karl H o l l s c h e k ein Spezialist. Seine Sammlung enthielt denn auch nur eine Auswahl der Münzen und Medaillen österreichischer Regenten, während die Prägungen österreichischer Standesherren, Privatpersonen und Orte in außergewöhnlicher Vollständigkeit vertreten waren. Der Versteigerungskatalog, der bei den Personenmedaillen auch familiengeschichtliche Hinweise brachte, ist daher für den Forscher heute noch eine unerschöpfliche Fundgrube. Dieser mit Verständnis und Hingabe angelegten Sammlung entsprechen auch die literarischen Leistungen des Besitzers, der 1864 in das damals noch mit dem Münz- und Antikenkabinett vereinigte Archiv am Landesmuseum Joanneum in Graz als Volontär eintrat. Seine auf archivalischer Forschung beruhenden Arbeiten galten zwar in erster Linie der Medaille, aber nicht zuletzt auch der Münze. Hier hat sich Unger insbesondere durch ein aus den Quellen geschöpftes Verzeichnis steirischer Münzmeister und sonstiger Münzbeamter sehr verdient gemacht. Daß der vielseitig gebildete und interessierte Forscher auch auf allgemeingeschichtlichem Gebiete seiner steirischen Heimat tätig war und schließlich seinem Hauptwerke, dem erst nach seinem Tode von Ferdinand K h u l l vollendeten ,Steirischen Wortschatz', einen guten Teil seiner Arbeitszeit widmete, sei zur Charakterisierung dieser trefflichen Gelehrtenpersönlichkeit hier wenigstens am Rande vermerkt. H ö f k e n ist insbesondere durch das von ihm herausgegebene ,Archiv für Brakteatenkunde' bekannt geworden, später auch noch durch seine Arbeiten über österreichische Weihemünzen. R e n n e r dagegen, der mit einem großen Werke über die zweite Türkenbelagerung Wiens hervorgetreten ist, betätigte sich viele Jahre hindurch als Schriftleiter der ,Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Münz- und Medaillenkunde', in denen er außer zahlreichen Beschreibungen wichtiger Mittelalterfunde sowie kleineren Arbeiten über neue Münzemissionen u. dgl. hauptsächlich über moderne Medaillen referierte. Wie so viele österreichische Numismatiker erreichte auch er das Patriarchenalter. Dies war auch bei Arnold L u s c h i n von E b e n g r e u t h der Fall, jener einmaligen Persönlichkeit eines mit ungewöhnlichen Forschergaben und ebenso außergewöhnlichen Kenntnissen begabten Numismatikers von echtem Schrot und Korn. Zwar hatte er in seiner Bescheidenheit im Vorwort zur 1. Auflage seiner unerreichten und unübertroffenen ,Allgemeinen Münzkunde und Geldgeschichte des Mittelalters und der neueren Zeit' gemeint, „neben dem Österreicher Eckhel, dem Verfasser der heute noch jugendfrischen ,Doctrina numorum veterum', und Mader, dem Begründer einer wissenschaftlichen Behandlung der Münzkunde des Mittelalters, hätte unzweifelhaft Alexander von Pawlowski sich einen dritten Ehrenplatz auf dem Felde der Numismatik gesichert, wenn ihm die Vollendung eines groß angelegten Handbuchs der mittleren und neueren Münzgeschichte, das er begonnen hatte, beschieden gewesen wäre." So war es Luschin vorbehalten, dieses Werk, zu dem ihm zum größten Teil ungedruckt gebliebene Arbeiten P a w l o w s k i s sicherlich den Anreiz gaben (er entnahm ihnen auch den „obersten Einteilungsgrad"), selbst zu schreiben und damit ein einzig dastehendes Monument des Gelehrtenfleißes, der Sachkenntnis und der Kritik zu errichten, das — aere perennius — heute noch unerschüttert dasteht. Luschin (1841 — 1932), der als Rechtshistoriker auch das für die Erforschung des Mittelalters so bedeutsame Institut für österreichische Geschichtsforschung als Gast besuchte und schließlich in Graz österreichische Rechtsgeschichte lehrte, war ein wissen92

schaftliches Phänomen. Er bewegte sich in den beiden Sparten seiner Forschertätigkeit auf Neuland. Die Rechtsgeschichte konnte zur Zeit seiner Habilitierung erst auf wenige Jahrzehnte ihres Bestehens als moderne Wissenschaft zurückblicken, und in Österreich hat ihr Luschin überhaupt erst zur allgemeinen Anerkennung verholfen. Nur einem so durchdringenden Geiste wie dem seinigen, der jedes Problem, mochte es aus noch so vielen Facetten bestehen, von allen möglichen Seiten betrachtete, war es möglich, einen so lange vernachlässigten Boden zu reichem Ertrag zu bringen: Intuition und die im oben erwähnten Institut erlernte strenge Forschungsmethode ließen ihn zum Ziel gelangen. Die Wiener Pfennige des Mittelalters bildeten zu Beginn seiner Laufbahn noch eine Terra incognita. Man kannte wohl diese Münzsorte, wußte aber mit ihr nichts anzufangen, vermochte ihre Bilder nicht zu deuten, ihre Herkunft, ihr Alter nicht zu bestimmen. Der Urkundenforscher hat es da viel leichter. Denn das beschriebene Pergament gibt, selbst wenn es nicht datiert ist, doch weit mehr Anhaltspunkte als die mittelalterlichen Denare: „meist ohne Aufschrift, von roher und unvollständiger Präge sind sie in der Regel", schrieb Luschin selbst 1869, also zu Beginn seiner Forschertätigkeit. Aber so wenig Gemeinsames — rein äußerlich gesehen — Urkunde und Münze haben, so enge sind sie in den Forschungsmethoden miteinander verwandt: beide können, von Einzeluntersuchungen ausgehend, zu großen Ergebnissen führen; beiden kommt, wie Luschin für die Numismatiker forderte, „eine selbständige Stellung in der Gruppe der historischen Wissenschaft" zu, denn sie erschließen uns „Äußerungen menschlicher Tätigkeit, politischen, künstlerischen und volkswirtschaftlichen Inhalts, die dem Gesamtbild menschlicher Zustände der Vergangenheit nicht fehlen dürfen". Von dieser hohen Warte aus wird dieser Disziplin die etwas abschätzige Bezeichnung „Hilfswissenschaft" keineswegs gerecht. Von seinen Protagonisten hat ihm insbesondere Joseph von B e r g m a n n , der 1872 in Graz starb, in persönlichem Umgange viel gegeben. Er und Luschin verfügten über ein geradezustupendes historisches Wissen. Aber erst Luschin war imstande, eine amorphe Masse, wie es die österreichischen Pfennige des 12. —14. Jahrhunderts mit wenigen Ausnahmen waren, aus ihrer Erstarrung zu lösen, was nur mit raffinierten Methoden, selbstlosem Fleiß und Ausdauer zu erreichen war. Luschin konnte auf diesem seinem Spezialgebiet nur deshalb einen durchschlagenden Erfolg erzielen, weil er innerhalb einiger Jahrzehnte alle ihm erreichbaren Münzfunde zu durchforschen vermochte, so daß es ihm schließlich gelang, auf Grund eingehendster Materialkenntnis seine Ergebnisse zu veröffentlichen. Diese sind so tragfähig, daß alle neueren Forschungen sie zum Ausgangspunkt nehmen müssen. Sie werden, was Methode und Kritik anlangt, für immer als ein unübertroffenes Beispiel exakter Forschung dienen können, auch wenn auf Grund neuer Funde und neuer Hinweise da und dort ein Stück nunmehr anders gedeutet werden kann. Das gilt für alle Sparten der von Luschin bearbeiteten Mittelalterpfennige, für die Wiener ebenso wie für die steirischen und kärntnerischen Prägungen Grazer oder Friesacher Schlags. Die Krönung von Luschins numismatischer Lebensarbeit aber ist und bleibt seine schon zitierte ,Allgemeine Münzkunde und Geldgeschichte', die im Rahmen des von G. v. Below und F. Meinecke herausgegebenen .Handbuches der mittelalterlichen und neueren Geschichte' 1904 in erster und 1926 in einer zweiten, stark vermehrten Auflage herausgekommen ist. Dieses Werk war in seiner Art ein Novum, weil es nicht wie andere Bücher mit ähnlicher Absicht „fast ausschließlich die Bedürfnisse des angehenden oder schon tätigen Münzsammlers" berücksichtigt, sondern weil es als die Summe „einer vierzigjährigen literarischen Beschäftigung mit Münzen" den akademisch geschulten Historiker über alle Fragen der Münzkunde Auskunft geben will. Wie es die Vorrede zur 93

ersten Auflage hervorhob, ist es „eine leidige, oft und von verschiedener Seite beklagte Tatsache . . ., daß selbst sehr tüchtige geschichtliche Werke meist versagen, sowie sie auf das Gebiet der Münzgeschichte kommen oder soweit sie sonst Münzen als Quellen ihrer Darstellung benutzen müssen". Welche Fülle an Wissen in diesem Buche aufgespeichert ist, davon zeugt in beredter Weise die herangezogene Literatur, die, in einem eigenen Verzeichnis zusammengefaßt, allein viele Seiten beanspruchen würde. Denselben Geist atmen auch Luschins Arbeiten auf dem Gebiete der Rechtsgeschichte. Hier hat er durch sein Handbuch und durch einen Grundriß der österreichischen Reichsgeschichte unbeschadet des trefflichen Buches gleichen Titels von Alfons H u b er (1894, zweite Aufl. 1904 bearb. von Alfons D o p s c h ) eine unentbehrliche Grundlage auch für die Münz- und Geldgeschichte und ihre rechtlichen Beziehungen geschaffen, weil diese erst in einem größeren rechtsgeschichtlichen Zusammenhang deutlich werden. An seinem Lebensabend hat uns Luschin noch mit einer kleinen Selbstbiographie beschenkt, in der er Leben und Laufbahn dem Leser in prägnanter Weise vor Augen führt. Sein Tod Ende 1932 hat eine empfindliche Lücke in die um diese Zeit ohnehin dünn gesäte Reihe der numismatischen Elite gerissen. Zum Schlüsse dieses Berichtes noch einige Zeilen über eine an Zahl zwar geringe, dafür aber erlesene Schar österreichischer Numismatiker, die es in dieser Sparte der historischen Wissenschaft zu fortwirkender Anerkennung ihrer Leistungen gebracht hat: die Offiziere der österreichisch-ungarischen Armee. Der Dienst versetzte sie oft in die entlegensten Garnisonen der Monarchie, wo sie sich mangels anderer geistiger Beschäf tigung oft als Münzsammler oder auch auf wissenschaftlicher Basis als Forscher betätigten. Zwei von ihnen haben wir schon kennengelernt: V o e t t e r und Z a m b a u r , die beide auf ihrem Gebiete bahnbrechend wirkten. Neben ihnen ist auch Oberst Georg Conte V e i t h zu nennen, der als Artillerist Jahre hindurch in einer einsamen „kula" (Fort) an der montenegrinischen Grenze hauste und dort Schlangen und römische Münzen sammelte; nebenbei schrieb er ein Werk über die Feldzüge Julius Caesars in Illyricum, wofür er von der Universität Münster zum Ehrendoktor ernannt wurde. Als er schließlich eine Studienreise für den ,Atlas der antiken Feldzüge' von Haushofer nach Anatolien unternahm, wurde er von Hirten meuchlings erschlagen und seiner Barschaft beraubt. Ein anderer Artillerist, Oberst Hans Freiherr v. K o b l i t z (f 1931), genoß als Kenner der Münzen spätrömischer Kaiser und der Kelten einen internationalen Ruf. Nebenbei hat er auch seinen Neffen, Dr. jur. Friedrich M a y r e d e r , der mehrere treffliche Arbeiten über österreichische Mittelaltermünzen veröffentlichte, zu einem hoffnungsvollen Numismatiker herangebildet, dem leider ein früher Tod beschieden war. Der berufene Nachfolger Luschins auf dem Gebiete der Friesacher Pfennige, wo die Forschung durch neue Funde immer wieder vor neue Probleme gestellt wurde, war der Pionieroberleutnant Egon B a u m g a r t n e r , der nach dem Ersten Weltkrieg in Marburg in der ehemaligen Untersteiermark tätig war, ein für die Numismatik äußerst fruchtbares Gebiet, das schon durch die dort gemachten Funde mannigfache Anregung bot. Baumgartner hat die Ergebnisse seiner Forschungen in einer ganzen Reihe ausgezeichneter Aufsätze, teils in deutscher, teils in slowenischer Sprache veröffentlicht. Durch seine Arbeit ,Das Eriacensisgepräge und seine Beischläge' und seine ,Blütezeit der Friesacher Pfennige', in deren zweitem Teil auch die Friesacher Grenzmünzung behandelt ist, Arbeiten, die zum Teil über Luschins Untersuchungen hinausgehen, hat er sich in der Fachwelt bald einen angesehenen Namen geschaffen. Seine Ausbildung als akademischer Maler kam ihm dabei sehr zugute, da er seine Aufsätze selbst illustrieren konnte, wobei sein künstlerisch geschultes Auge das Charakteristische der Gepräge vortrefflich erfaßte. Ein früh94

zeitiger Tod hat ihn den Abschluß seines Lebenswerkes, das jetzt von unserem gemeinsamen Freunde Wilhelm von F r i t s c h in Graz sachkundig und pietätvoll fortgeführt wird, leider nicht mehr erleben lassen. Im letzten Jahre des Zweiten Weltkrieges starb der Infanterieoberst August v. M ü l l e r - W a n d a u , der mehrere Jahre im Wiener Heeresgeschichtlichen Museum für die dortige Weltkriegssammlung tätig war und auf Grund seiner eigenen Kollektion von historischen Medaillen Österreichs, Papiergeld der alten Monarchie und nicht zuletzt einer fast vollständigen Reihe des russischen Kriegsgefangenen-Lagergeldes 1914—1918, die er aus eigenem bitteren Erleben zusammengebracht hatte, auch literarisch mit interessanten Beiträgen hervortrat. Gleichfalls Infanterist, gehörte Hauptmann Leo S c h i n d l e r (1888—1957), wie auch in seinem Nachruf hervorgehoben wurde, zu jenen Offizieren, die sehr befruchtend auf die Numismatik eingewirkt haben. Sein Sammelgebiet waren die byzantinischen Münzen. Als einer der bedeutendsten österreichischen Sammler auf diesem Spezialgebiet, hatte er seine Sammlung ganz auf ein bestimmtes wissenschaftliches Ziel ausgerichtet. Er plante ein Corpus, aber nicht in der üblichen Weise, sondern in Tabellenform, die dem Betrachter das Münzwesen und die Münzen jedes Herrschers nach Münzstätten geordnet mit Zuhilfenahme eigens ersonnener Zeichen anschaulich, gleichsam plastisch vor Augen führen sollte. Die Vorarbeiten zu diesem umfangreichen Plan waren schon sehr weit vorgeschritten, als der Tod Schindler die Feder vorzeitig aus der Hand nahm. Glücklicherweise hat er, zum Teil gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Dr. Gerhard K a l m a n n , eine Reihe von Aufsätzen veröffentlicht, von denen insbesondere seine kritischen byzantinischen Regententabellen erwähnt seien. Der 1942 als Feldmarschalleutnant verstorbene Heinrich T e i s i n g e r von T ü l l e n b u r g hat sich in zahlreichen Veröffentlichungen mit den Prager Groschen beschäftigt, deren schwierige Chronologie er mit großem Fleiße zu klären bemüht war. Daß ein kaiserlicher Offizier, der aus elsässischem Uradel stammende Christian Jakob August Freiherr von B e r s t e t t (1773—1860), der als Dragoneroffizier, zuletzt Major, in kaiserlichen Diensten die Koalitionskriege und dann den Befreiungskampf gegen Napoleon mitmachte, zum Begründer der oberrheinischen Münzgeschichte wurde, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Der ehemalige Pioniermajor Franz v. S c h e i g e r (f 1961) hat die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg im konsularischen Dienst in Albanien verbracht und sich zu einem der besten Kenner der Geschichte dieses Landes entwickelt. Er besaß eine großartige Sammlung von antiken und mittelalterlichen Münzen dieses Raumes, über die er einige von großer Sachkenntnis zeugende Aufsätze veröffentlichte, wie z. B. über die mittelalterliche Münzstätte in Durazzo oder ,Una moneta d'oro byzantina-slava del secolo V i r . Leider hat sich Scheiger nur schwer entschlossen, seine Forschungsergebnisse, über die er im Kreise der Grazer Numismatischen Vereinigung zu referieren pflegte, auch zu Papier zu bringen, da er hoffte, sie durch neue Funde noch besser belegen zu können. Scheiger stellt gewissermaßen den Übergang von jenen Sammlern, die auf Grund ihrer Sammeltätigkeit zur Forschung angeregt wurden, zum reinen Sammler dar, zu welchem Typus eine nicht unbedeutende Anzahl alter Offiziere gehörte. Ihre Namen können wir hier zum größten Teil übergehen, da wir von ihren Sammlungen bestenfalls aus Auktionskatalogen Kenntnis haben. Nur drei von ihnen müssen hier genannt werden, weil die Kataloge ihrer großartigen Kollektionen heute noch eine Fundgrube für die österreichische Numismatik sind. Es sind dies in chronologischer Reihung Fürst Wilhelm M o n t e n u o v o , Ernst Prinz zu W i n d i s c h - G r ä t z und Karl H o l l s c h e k . 95

Der älteste dieses Trifoliums ist der General der Kavallerie Fürst Wilhelm von M o n t e n u o v o (1821 — 1895), der Sohn der Herzogin Maria Louise von Parma, Piacenza und Guastalla, geborenen Erzherzogin von Österreich, dann Gattin Napoleons und nach dessen Tod Gemahlin des Grafen Adam Adalbert von Neipperg. Montenuovo (die italienisierte Form des Vaternamens) hatte in einer mehr als dreißigjährigen Sammeltätigkeit mit wahrhaft fürstlichen Mitteln eine hervorragende Sammlung von rund 70.000 Münzen und Medaillen zusammengebracht, die aus mehreren Hauptgruppen bestand. Die umfangreichste Gruppe (18.000 Stück) umfaßte Italien; es wurde allerdings nur ein kleiner Teil davon in den Auktionskatalog aufgenommen, der weitaus größere Rest jedoch im Lande selbst verkauft. Von ganz besonderer Bedeutung waren in der Abteilung Österreich die nahezu 2200 historischen Medaillen, von denen bedauerlicherweise ebenfalls eine beträchtliche Anzahl vor der Versteigerung veräußert worden war, so daß der wegen seiner Fülle einzig dastehende Katalog durch diesen Verlust wissenschaftlich ein wenig entwertet wird. Auch eine Sammlung von ca. 600 Stück Münzen und Medaillen Maximilians I. war vorhanden, von der gleichfalls nur ein geringer Teil katalogisiert und damit der größere Teil der Öffentlichkeit wie der Wissenschaft entzogen wurde. Einzigartig und von den größten Kostbarkeiten strotzend war die Sammlung siebenbürgischer Münzen, in der sich u. a. auch eines der vier stempelverschiedenen Hundertdukatenstücke des Fürsten Michael Apafi befand. Der Fürst hatte diese Sammlung wohl größtenteils im Lande selbst zusammengebracht, als er in Hermannstadt das 12. Armeekorps kommandierte. Diese außerordentliche Sammlung, die 1414 Stücke umfaßte, ist glücklicherweise in einem eigenen Katalog erschöpfend beschrieben worden und hat neben den Beständen des Brukenthal-Museums in Hermannstadt dem Werke von Adolf RESCH über die Münzen und Medaillen seines Heimatlandes (982) als wichtige Quelle gedient. Der im Jahre 1827 geborene Ulanenoberst Ernst Prinz zu W i n d i s c h - G r ä t z hat schon in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu sammeln begonnen. Die sieben Bände des gedruckten Kataloges, an dessen Abfassung Eduard F i a l a (Mittelalter und Neuzeit), Dr. Josef S c h o l z (Griechen), Otto V o e t t e r (Römer) und Eduard v. Z a m b a u r (Orientalische Münzen) beteiligt waren, führt über 33.000 Nummern an, darunter ebenso wie bei Montenuovo zahlreiche Raritäten allerersten Ranges. Literarisch ist der Prinz nur ein einziges Mal mit einer bescheidenen „Miszelle" hervorgetreten, in der er von dem Funde eines Brakteatenstempels aus dem 13. Jahrhundert auf der gräflich Kälnokyschen Besitzung Lettowitz in Mähren berichtet, wo ihn ein Waldheger beim Fällen eines Baumes entdeckte. Kälnoky schenkte das seltene Stück samt den mitgefundenen Münzen dem Prinzen, der es zur Untersuchung und Beschreibung Luschin überließ; dieser hat die Ergebnisse dann in der Wiener Numismatischen Zeitschrift, BandXIII, 1881, veröffentlicht. Der aus Budweis gebürtige Infanteriehauptmann Karl H o l l s c h e k (1859—1941) hat es dank glücklicher Umstände zur wohl umfangreichsten Privatsammlung von Münzen und Medaillen gebracht, die nach glaubwürdiger Schätzung über 220.000 Stück umfaßte! (Die zu ihrer Zeit hochberühmte Sammlung W e l z l von W e l l e n h e i m enthielt „bloß" rund 45.000 Nummern, darunter allerdings einige Lots.) Die Sammlung Hollschek gewährte mit Recht den überwältigenden Eindruck eines einmaligen, universalen Privatkabinetts, das jedem der großen Museen der Welt Bereicherungen zu bieten hatte. Hollschek, der sein Leben lang seine ganze Freizeit, den Tag sowohl als auch viele Nächte den Münzen widmete, hat schon im Alter von 11 Jahren zu sammeln begonnen. Er „lebte den Satz, daß die Numismatik jung erhalte, überzeugend . . . Der Wissenschaft stand sein Haus stets offen, und manches Werk, darunter der berühmte ,Miller-Aichholz', trägt viele 96

Belegnotizen seiner Sammlung, denn auch das Geringe achtete er als Glied eines größeren Ganzen, und dem ,parva ne pereant' hat er einen hohen Tribut entrichtet" (Einleitung zu 408/1). Und dieser richtigen Einschätzung der Kleinmünzen als den eigentlichen Trägern des Geldumlaufes verdanken wir auch einige gediegene Arbeiten über österreichische Gepräge, worin Hollschek irrige Zuteilungen richtigstellte und unbekannte Stücke als nicht unwesentliche Bausteine zur Münzgeschichte der alten Monarchie der Wissenschaft dienstbar machte, bevor sie durch die Versteigerung der Sammlung in alle Winde zerstreut wurden. Die Wissenschaft hat daher alle Ursache, dieser Art von Sammlern, denen es weniger auf die materielle Kostbarkeit als vielmehr auf die Nutzbarmachung auch unscheinbarer, aber münzgeschichtlich interessanter Objekte ankommt, dankbar zu sein. In keine der beiden Kategorien der Forscher oder Sammler läßt sich schließlich Anton Graf von P r o k e s c h - O s t e n (1795—1876) eindeutig einreihen. Durch gewisse, f ü r einen Offizier ganz ungewöhnliche Verhältnisse war er zum Numismatiker geworden. Die Wiener Numismatische Gesellschaft ernannte ihn bereits 1871 zu ihrem Ehrenmitglied. Er war 1813 in die kaiserliche Armee eingetreten, wollte aber nach Beendigung des Krieges gegen Napoleon I. Advokat werden. Durch Mut, Umsicht und Entschlossenheit während der Kämpfe am Rhein wurde er bekannt und 1815 in die Kanzlei des Erzherzog Karl berufen, der damals Gouverneur von Mainz war. Dies bestimmte ihn, Soldat zu bleiben. Später wurde er Adjutant des Fürsten Schwarzenberg, des Siegers von Leipzig. Als Hauptmann in Triest erwachte dann in Prokesch, einem echten Kinde der Romantik, die Sehnsucht nach dem Orient, die sich auch in dem ihm später verliehenen Adelsprädikat „von Osten" widerspiegelt. Aufgerüttelt durch den griechischen Freiheitskampf reiste er nach Griechenland. Er besuchte den Archipelagus mit den griechischen Inseln, das Schwarze Meer mit seinen Küsten und Ägypten, wo er bis zu den Katarakten des Nil gelangte. Dabei hatte er auch handelspolitische Geschäfte abzuwickeln, welche ihn namentlich mit den Anführern des griechischen Freiheitskampfes in persönliche Berührung brachten (229). Auch Palästina besuchte er. Eine kurze Zeit danach war er dann in Wien einer der Erzieher des Herzogs von Reichstadt, des Sohnes von Napoleon I. und Maria Louise von Österreich. 1831 stand er als Generalstabschef der kaiserlichen Armee in Italien das letzte Mal in militärischer Verwendung. Von da an wirkte er nur mehr als Diplomat, als kaiserlicher Gesandter bei König Otto I. in Athen, dann in Berlin. 1853 wurde er Präsidialgesandter am Bundestag in Frankfurt am Main, 1855 zuerst Internuntius und schließlich 1861 — 1871 Botschafter in Konstantinopel. Im Laufe der Jahre wurde er zuerst in den Ritter-, dann in den Freiherrn- und schließlich in den Grafenstand erhoben, wirklicher Geheimer Rat und Feldzeugmeister sowie Mitglied des österreichischen Herrenhauses ; 1872 trat er in den Ruhestand. Neben seinen vielseitigen diplomatischen und militärischen Aufgaben hatte der Weitgereiste auch Muße gefunden, sich als Historiker und als Reiseschriftsteller zu betätigen wie auch Münzen zu sammeln; aber in ästhetischer Auslese. „ D i e römischen Münzen waren ihm uninteressant, die Kolonialmünzen nach Stil und Zeit etwas Triviales, Gemeines. Aber die griechischen Münzen aus der Zeit der Autonomie, aus der Blütezeit staatlicher Freiheit und künstlerischer Vollendung, das Neue, Anziehende, wie sie T a g f ü r T a g in den Funden auftauchten, und Stadt um Stadt, Gau um Gau aus alten Zeiten wieder erstehen machten, diese zogen ihn, den Mitzeugen der Wiedererhebung des neuen Griechenlands vor allem an. Daneben sind es die Königsreihen des macedonischen, syrischen und parthischen Reiches, welchen er frühe seine Aufmerksamkeit zuwandte. Der Glanz des Hof lebens, zumal des orientalischen, den er auf seinen Reisen kennen97

gelernt, die Geschichte jener Dynastien und ihrer Reiche war seinem Standpunkte nach das einzige würdige Gegenstück zu den Münzprägen des freien Griechenland. So bildete sich in seiner Sammlung die Abteilung der athenischen Münzen, die Alexanders des Großen und der Arsakiden zu einer Vollständigkeit aus, wie sie sonst in öffentlichen und privaten Sammlungen nicht angetroffen wird" (229). Seit 1843 veröffentlichte Prokesch-Osten in verschiedenen Fachzeitschriften, unter anderem auch in den ersten vier Bänden der Wiener Numismatischen Zeitschrift, die noch unbekannten Münzen seiner Sammlung. Da es sich also um unedierte und zudem meist um äußerst seltene Stücke handelte, haben diese Aufsätze in der europäischen Fachwelt großes Aufsehen erregt und ihrem Autor als einem großen Förderer der Numismatik des klassischen Altertums für alle Zeiten einen ehrenvollen Platz gesichert. Dem von Erzherzog Johann gegründeten steirischen Landesmuseum „Joanneum" hat Prokesch-Osten noch zu seinen Lebzeiten immer wieder griechische Münzen aus seiner Sammlung gespendet. Leider läßt es sich heute nicht mehr feststellen, um welche Stücke es sich handelte. Was ansonsten mit seiner Sammlung geschah, ist unbekannt. Es ist begreiflich, daß das Zentrum der wissenschaftlichen Numismatik seit eh und je in der Hauptstadt Wien liegt, v/o sich auch der Sitz der Numismatischen Gesellschaft befindet. Doch auch einzelne Länder können auf eine ersprießliche Tätigkeit zurückblicken. In der Steiermark ist die Zeitschrift ihres Historischen Vereins und auch der , Schild von Steier' der Numismatik geöffnet, ebenso in Kärnten die ,Carinthia I'. Über die Pflege der Numismatik in diesen beiden Ländern liegen auch zusammenfassende Arbeiten vor (864, 911). Ebenso bringen die historischen Zeitschriften der anderen Länder ab und zu numismatische Beiträge. In den letzten Jahren haben auch Geldinstitute begonnen, sich für das Münz- und Geldwesen früherer Zeiten zu interessieren und diesen Themenkreis durch Ausstellungen wie durch eigene Publikationen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Insbesondere Jubiläen werden gerne zum Anlaß genommen, diese durch schön ausgestattete Festschriften zu feiern, in denen auch die Numismatik zur Geltung kommt. Es seien da nur in der Steiermark die Sparkassen von Feldbach (924) und Graz (938) und in Kärnten Villach (950) genannt. Einen ganz besonderen Weg schlägt aber die Erste österreichische Spar-Casse in Wien ein. Nicht nur, daß in den Schauräumen ihrer Zentrale eine sehr bedeutende Dauer-Ausstellung von Münzen, Medaillen und Sparbüchsen zu sehen ist, gibt sie von Zeit zu Zeit auch von einem Fachmann verfaßte, sehr instruktive kleine Büchlein heraus, die vom Bundesministerium für Unterricht sogar für den Schulgebrauch empfohlen werden (506—508). Auch die Österreichische Länderbank in Wien hat kürzlich ein solches Heft herausgegeben, das vor allem durch seine Angaben über die Prägestätten der österreichischen Münzstätten der Neuzeit nebst Übersichtsplan beachtenswert ist (565 c). Diese Art der Pflege der Numismatik ist besonders zu begrüßen, da sie auf diese Weise in leicht verständlicher Form an eine breitere Schichte herangetragen wird, der damit begreiflich gemacht werden kann, daß das Interesse für alte Münzen mehr ist als ein bloßes „Hobby" — wie man immer wieder hört —, nämlich eine ernstzunehmende Sparte der Geschichtswissenschaft. Eine Sonderstellung innerhalb der numismatischen Forschung in Österreich nimmt der 1921 verstorbene Wiener Hof- und Gerichtsadvokat Dr. Adolf Na g l ein. Er war weder Sammler noch Münzkenner, aber dennoch unserer Wissenschaft und der Wiener Numismatischen Gesellschaft, deren Ehrenmitglied er war, jahrzehntelang aufs engste verbunden. 98

Als Rechtsanwalt hatte er große Vermögen, vor allem des alteingesessenen Adels zu verwalten, dessen Vermögensrechte ins Mittelalter zurückreichten, was immer wieder die Einsicht in das Familienarchiv und die dort seit Jahrhunderten ruhenden Rechnungsbücher erforderte. „Die Versuche, diese ganz ungenügend bekannten Praktiken und ihre Grundlagen zu erschließen, führten Nagl immer weiter in das Gebiet der praktischen Arithmetik." Dem verdanken wir seine Untersuchungen über die verschiedenen Methoden des Rechnungswesens und der Buchführung. Sie erstrecken sich „von der Zeit der Rechenpfennige im 14., 15. und 16. Jahrhundert durch das ganze Mittelalter bis tief ins Altertum. Die wesentlichen Ergebnisse sind in der hervorragenden Schrift: ,Die Rechentafel der Alten . . .' zusammengefaßt, deren einleitende Kapitel allgemeine Bedeutung besitzen". Eine zweite Gruppe dieser Untersuchungen beschäftigt sich mit der Feststellung des Wiener Markgewichtes, eine dritte mit der Währungsgeschichte. Leider hat dieser hervorragende Gelehrte nie eine Zusammenfassung seiner Forschungsergebnisse vorgenommen; „die Entwicklungskurve hat er nicht gezogen, wie er überhaupt dem Entwicklungsgedanken und den naturwissenschaftlichen Methoden nicht gefolgt ist; seine Domäne war die Geisteswissenschaft in ihrem vollen Umfange" (638). Nagl war wie gesagt kein „Münzkenner", sondern ein Forscher; wichtig war ihm nicht die Beschreibung von Münzen und deren Varianten, sondern die Darstellung der großen geldgeschichtlichen Zusammenhänge, und da hat er nun das Zusammengehören von Rechnen und Zahlen, von Gewichten und Edelmetallmünzen, von Geld und Kredit, von Münzen und Wertpapier, von Zahlen und Buchführung im großen Umfange erkannt und erforscht und uns damit ein wertvolles Erbe hinterlassen. Wir haben also gesehen, daß die Gründung der zwei numismatischen Vereinigungen in Österreich, der Numismatischen Gesellschaft und des Clubs (später Gesellschaft) der Münz- und Medaillenfreunde in Wien — viele Mitglieder gehörten beiden Gesellschaften an —, der ursprünglichen Alleinherrschaft des k. k. Münz- und Antikenkabinetts auf dem Gebiete der Forschung ein Ende bereitete. Es folgte darauf eine Art von Arbeitsteilung, indem neben den fachwissenschaftlich ausgebildeten Beamten des Kabinetts auch die Autodidakten der Sammlerwelt in Erscheinung traten. Daraus erwuchs der Numismatik aber keinesfalls ein Nachteil. Die angeführten Beispiele zeigten, welch bedeutsame Leistungen wir auch den historischen Laien zu verdanken haben. Allerdings meist auf dem Gebiete der Beschreibung und Katalogisierung, weniger auf dem der geldgeschichtlichen Forschung, wo es auf Kenntnis des urkundlichen Materials und seine kritische Beurteilung ankommt. Aber auch die Katalogisierung ist eine höchst verdienstliche Leistung, kann doch der Geldhistoriker erst dann mit seiner Untersuchung einsetzen, wenn ihm in einem Münzcorpus das Material in den „metallenen Urkunden" der Münze selbst vorliegt. Auf beiden Gebieten, der Münz- wie der Geldgeschichte, ist dank emsiger und gründlicher Erforschung des schriftlichen wie des metallenen Materials Vorbildliches geleistet worden. Österreich nimmt daher im Vergleich mit anderen Ländern, wie Deutschland, Frankreich, England und Italien, auf dem Gebiet der Numismatik einen durchaus eben bürtigen Rang ein.

B. Böhmen Die Numismatik ist hier verhältnismäßig spät zu Ehren gelangt. Die 1541 in Prag erschienene Chronik des Altbunzlauer Propstes Wenzel H a g e k von L i b o t s c h a n führt 99

zwar in der deutschen Übersetzung des Stadtschreibers von Kaaden Johann S a n d e l (1596) den anspruchsvollen Titel ,Böhmische Chronik vom Ursprung der Böhmen . . ., von guter Ordnung, Münz etc.', aber sie ist, obwohl sie bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts hinein den nachhaltigsten Einfluß ausgeübt hat, ein unzuverlässiges, von Sagen und phantastischen Erzählungen durchsetztes Werk. Als Quelle kommt es also keineswegs in Betracht. Es fehlte in Böhmen überhaupt ein Zentrum, wie es die Sammlungen des kaiserlichen Hofes zu Wien im 18. Jahrhundert bildeten. Die berühmte Kunstkammer Kaiser Rudolfs II. auf dem Hradschin zu Prag hatten die Schweden 1648, noch knapp vor Friedensschluß, wertvoller Stücke beraubt, die nach Stockholm gebracht wurden. Abgesehen davon überwog in ihr das Seltsame, Kuriose, während die Münzen in ihr eine geringe Rolle gespielt hatten. Sie sind nach dem Tode Rudolfs (1612) von seinem jüngern Bruder Kaiser Matthias wahrscheinlich nach Wien gebracht worden. Es war demnach in der böhmischen Hauptstadt nichts vorhanden, woran sich das Licht der numismatischen Wissenschaft hätte entzünden können, wie es in Wien seit Karl VI. geschehen ist. Nur in einer Beziehung war der Prager Hof bahnbrechend: Einer der nobelsten Richtungen der bildenden Kunst, der Medaillenprägung, hatten die Münzstätten wertvolle bildliche Vorlagen und zuweilen wohl auch technische Belehrung zu danken. Die von dem aus Riva am Gardasee stammenden Medailleur und Wachsplastiker Antonio A b o n d i o geschaffenen Kaiserbildnisse haben den Stempelschneidern von Wien, Kremnitz, Nagybänya, Prag, Joachimsthal, Kuttenberg und Budweis als Vorlage f ü r die Talerprägung gedient. Das war in der Tat eine wesentliche Belebung der österreichischen Stempelschneidekunst, die allerdings in den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges infolge Überbeanspruchung der kaiserlichen Münzstätten für einige Zeit wieder verfiel. Der Krieg selbst, der für Böhmen in der Plünderung seiner Hauptstadt durch die beutelustigen Schweden gipfelte, dann die drakonischen Strafen Ferdinands II. gegen die Anhänger des Winterkönigs Friedrich von der Pfalz nach der entscheidenden Schlacht auf dem Weißen Berge bei Prag (1620), die ebenso Bürger wie Adelige trafen, nicht zuletzt dann die „Vernewerte Landesordnung" für Böhmen und Mähren (1627 und 1628), welche die Ständeherrschaft beseitigte sowie gleichzeitig auch die Religionsedikte und die Gegenreformation ähnlich wie in Innerösterreich vollends durchführte, bewogen mehr als 30.000 Familien zur Auswanderung. Schließlich kam zu allen diesen Maßnahmen auch noch das Restitutionsedikt, das die Rückstellung aller seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 eingezogenen Kirchengüter an die Katholiken befahl. All dies verursachte den Verlust einer Menge von Vermögen, Kraft und Intelligenz für Österreich. Unter solchen Verhältnissen war für die Entwicklung und das Gedeihen einer stillbeschaulichen Wissenschaft, wie der Numismatik, kein Nährboden vorhanden. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts, im Zeitalter der Aufklärung also, begann es sich auch in Böhmen zaghaft zu regen. Um die Numismatik der neueren Zeiten war es damals im Gegensatz zur Antike noch sehr übel bestellt. Es gab wohl viel Material, aber wenig Kritik. Der erste, der sich mit dem böhmischen Münzwesen befaßte, war der Piaristenpriester Adauctus Voigt. In seiner Beschreibung der damals bekannten böhmischen Münzen betrieb er wohl nur deskriptive Numismatik, ohne ein vollständiges kritisches Bild des böhmischen Münzwesens zu liefern. Erst der Prager Professor, Doktor der Rechte Joseph v. M a d e r (1754-1815) schuf hier Wandel. Seine zwei, 1797 und 1808 erschienenen Studien über die Brakteaten, aber noch mehr seine,Kritischen Beiträge zur Münzkunde des Mittelalters' waren bahnbrechend (636, 677). Zwei der wesentlichen Hilfsmittel der modernen Forschung standen dem Numismatiker um 1800 wohl noch nicht zu Gebote: die Verwertung der Forschungsergebnisse, die auf einer großen Zahl von 100

wissenschaftlich bearbeiteten Funden beruhen, und die Anleitungen, welche die Mache, die Fabrik, die Stilkritik dem Numismatiker an die Hand geben. Das wesentliche, bleibende Verdienst für die Geschichte unserer Wissenschaft besteht darin, daß er auf Grund seines reichhaltigen Wissens und seines durch juristische Tätigkeit geförderten methodischen Vorgehens kritisch an die Bearbeitung des zahlreichen schon gesammelten Materials herantrat. Allerdings fand Maders Wirken vorläufig keine Nachfolge. Auch die im Jahre 1818 nach dem Vorbilde des Grazer Joanneums erfolgte Gründung des Böhmischen Landesmuseums brachte auf numismatischem Gebiete noch keine Belebung, obwohl sich namentlich auf Betreiben der Grafen Franz und Kaspar Sternberg im gleichen Jahre die „Gesellschaft des böhmischen Museums" konstituiert hatte. Zwar veröffentlichte Kaspar S t e r n b e r g (1761 — 1838) alsbald zwei durch ihren Titel bemerkenswerte Aufsätze, von denen der eine, ,Andeutungen über die Epoche und Charaktere des böhmischen Münzwesens', 1830 erschien, während der andere ,Über den gegenwärtigen Stand der vaterländischen Münzkunde' erst nach dem Tode des Verfassers veröffentlicht wurde. Trotzdem dauerte es noch eine geraume Weile, bis sich auch in Böhmen auf Grundlage der bloßen Beschreibung die ersten Ansätze einer Münz- und Geldgeschichte bemerkbar machten, womit sich auch der Schritt von der „reinen" zur „angewandten" Numismatik, wie Behrendt P i c k sich ausdrückt, vollzog. Die langsame Entwicklung ist wohl auch dem Umstände zuzuschreiben, daß der nationale und sprachliche Gegensatz zwischen Deutschen und Tschechen gerade zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch die Numismatik berührte. Wohl gab es schon einen „Verein für Numismatik" zu Prag, der in den Jahren 1852—1870 durch seine Mitglieder Ottokar M i l t n e r und Joseph N e u m a n n das Werk von Voigt fortsetzen ließ. Dieser hatte nur die Münzen und Medaillen der böhmischen Herrscher beschrieben und war durch seinen Tod 1787 an der geplanten Bearbeitung der böhmischen „Privatmünzen" verhindert worden. Sie wurden nunmehr von Miltner und Neumann in einem stattlichen Bande beschrieben; einem Band, der in seinen genealogischen Einleitungen ein unschätzbares Material zur Geschichte der durch Münzen oder Medaillen vertretenen böhmischen Familien darbietet. Ebenso werden auch die Ortschaften durch historische Notizen einbegleitet. Leider besaß der Verein kein eigenes periodisches Organ, und so kommt es, daß die böhmischen Numismatiker sich späterhin der Wiener Numismatischen Zeitschrift für ihre Veröffentlichungen bedienten, zumal viele von ihnen der Wiener Gesellschaft auch als Mitglieder angehörten. Die Tschechen allerdings bevorzugten meist die ,Pamätky archeologicke a mistopisne' (archäologische und topographische Denkschriften) und die ,Rozpravy ceske akademie' (Abhandlungen der böhm. Akademie der Wissenschaften) für ihre Publikationen. Unter ihnen hat Joseph S m o l i k , Kustos der Münzsammlung des Landesmuseums, eine ansehnliche Reihe von numismatischen Arbeiten in tschechischer Sprache verfaßt, von denen seine grundlegenden Untersuchungen über die Prager Groschen hervorgehoben seien. Aus der Reihe der tschechischen Numismatiker dieser Zeit sei auch noch Wenzel H a n k a erwähnt, der verschiedene Gebiete der Numismatik, u. a. die Münzen böhmischer Herren, so der Rosenberg, Schlik und Wallensteins, behandelte. Hanka wurde jedoch vor allem durch die von ihm erdichtete ,Königinhofer-Handschrift' (1818) bekannt, die durch angeblich aufgefundene Bruchstücke alttschechischer Epen die Existenz einer „vaterländischen" Originalkultur vor der Christianisierung nachweisen wollte. Ein sicherlich geniales Machwerk, das aber naturgemäß auch die numismatischen Arbeiten dieses Mannes in einem fragwürdigen Lichte erscheinen läßt. Trotz dieses in weiten Kreisen verbreiteten Nationalismus bleibt die Zahl der ausschließlich in tschechischer Sprache schreibenden Numismatiker spärlich. Dafür gibt es 101

in dem seit 1887 der Wiener Gesellschaft als Mitglied angehörenden Regierungsrat Eduard F i a la, lange Zeit Konservator der Sammlungen des Herzogs von Cumberland, dessen Braunschweiger Münzen er in einem mehrbändigen Werke eingehend beschrieben und auf Grund von Archivalien auch kommentiert hat, einen kenntnisreichen Mann, der seine meist sehr umfangreichen Arbeiten sowohl in seiner Muttersprache als auch deutsch schrieb. Obwohl von Beruf ursprünglich Ingenieur und Bauunternehmer, also Autodidakt, besitzt sein numismatisches Lebenswerk, das zu einem großen Teile seiner böhmischen Heimat gewidmet war, eine bleibende wissenschaftliche Bedeutung. Nicht nur in seinen aufschlußreichen Aufsätzen in der ,Wiener numismatischen Zeitschrift', wie z. B. über die Beamten und Angehörigen der Prager Münzstätte oder über den berühmten Podmokler Goldfund, zieht er Literatur und archivalische Quellen heran, auch seine beschreibenden Arbeiten, wie die eben erwähnte über Braunschweig, dann die uns schon bekannten von ihm bearbeiteten Bände der Collection Ernst Prinz zu W i n d i s c h G r ä t z , ferner die Beschreibung der hervorragenden Sammlung böhmischer Münzen des Max D o n e b a u e r und schließlich die Beschreibung der Stempelsammlung des Wiener Hauptmünzamtes werden den Anforderungen der Wissenschaft gerecht. Vor allem die beiden letztgenannten Werke sind wegen ihres Quellenwertes insbesondere für die Kenntnis der böhmischen Numismatik wichtig, da das eigentliche Standardwerk darüber, die durchgehend auf archivalischer Grundlage beruhende Beschreibung der königlich böhmischen Münzen von Kliement C e r m a k I und Bedrich S k r b e k in tschechischer Sprache abgefaßt ist, ohne die seit dem Zerfall der Monarchie üblich gewordenen anderssprachigen Resümees. Dies gilt bedauerlicherweise auch für F i a l a s vielleicht wichtigstes, wenn auch in manchen Teilen überholtes Werk über die böhmischen Denare und dessen verbessernde und ergänzende Kommentierung durch Christian T u r n w a l d . Ein ganz anderes Bild ergibt die böhmische Numismatik aus der Zeit der tschechoslowakischen Republik. Durch die von der ,Numismatickâ spolecnost ceskoslovenskd' (Tschechoslowakische numismatische Gesellschaft) in Prag seit 1925 herausgegebene ,Numismaticky Casopis ceskoslovensky' (Revue numismatique tchécoslovaque) haben nunmehr die Numismatiker des neuen Staates ein hervorragend geleitetes publizistisches Hauptorgan erhalten, das 1953 von dem durch die Tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften herausgegebenen ,Numismaticky sbornik' (Numismatische Rundschau) abgelöst wurde. Das Gesellschaftsorgan heißt jetzt seit 1945 ,Numismatické listy' (Numismatische Zeitschrift). Außerdem gibt es in Schlesien in der Zeitschrift ,Slezsky numismatik'(Opava / Troppau) seit 1955 ein eigenes Mitteilungsblatt, das in seinen Aufsätzen besonders die numismatischen Beziehungen Schlesiens zu Polen im Mittelalter pflegt. Die ,Moravské numismatické zpravy' (Mährische numismatische Nachrichten) wurden nach 9 Heften (1956—1962) aufgelassen. Außer diesen periodischen Organen stand und steht den fleißigen und gründlichen tschechoslowakischen Numismatikern noch eine Reihe anderer Publikationsmöglichkeiten, z. B. in den ,Acta musei nationalis Pragae' und in ähnlichen Veröffentlichungen anderer Museen der Republik, zur Verfügung. Diese breite Grundlage gestattete die Entfaltung einer nach Umfang und wissenschaftlicher Bedeutung wirklich imposanten Tätigkeit. Die heutigen Numismatiker der Tschechoslowakei haben frühere Versäumnisse, wie sie sich aus der seinerzeitigen politischen Konstellation ergeben hatten, aufgeholt. Was bisher in wenigen anderen Ländern gelungen ist, wie etwa in der Bundesrepublik Deutschland durch die Römisch-Germanische Kommission des deutschen archäologischen Instituts zu Frankfurt a. M. in der Form der durch Hans G e b h a r t (f 1960) und Konrad K r a f t herausgegebenen, nach Ländern gegliederten ,Fundmünzen der Römischen Zeit in Deutschland', hat die Tschechoslowakei 102

für ihr Gebiet in mustergültiger Weise möglich gemacht: nämlich die Erfassung sämtlicher bis zum Erscheinungsjahr in Böhmen, Mähren und Schlesien gemachten Funde, die übrigens auch weiterhin fortlaufend im ,Sbornik' veröffentlicht werden. Es sind dies die vier Bände der ,Nalezy minci' (Münzfunde), die unter der Redaktion von Emanuela N o h e j l o v ä - P r a t o v ä , der ehemaligen Direktorin des Münzkabinettes am Nationalmuseum, die übrigens einige Jahre an der Brünner Universität auch als Professor für Numismatik wirkte, in mustergültiger Zusammenarbeit mit anderen Fachgenossen herausgegeben wurden. Es ist übrigens ein Charakteristikum der meisten Ostblockstaaten, daß eine verhältnismäßig große Zahl von weiblichen Gelehrten in der Numismatik tätig ist. So hat in Bratislava Ludmila K r a s k o v s k ä die beiden Bände der slowakischen Funde redigiert. Bis zur zweiten Republik hatten die nunmehr aus dem Lande evakuierten deutschen Münzsammler der Tschechoslowakei in der in Budweis herausgegebenen Zeitschrift ,Der Münzsammler' ihr eigenes Organ, das im Niveau ein bloßes Sammlerblatt weit überragte. Um den hohen Rang der numismatischen Forschung in der Tschechoslowakei herauszustellen, sei hier zweier früh verstorbener Persönlichkeiten gedacht. Der gelehrte Jurist Viktor K a t z (f 1950) hat außer einer Reihe von Aufsätzen in tschechischer Sprache, so über die Chronologie der frühmittelalterlichen böhmischen Denare und über die Gegenstempel auf Prager Groschen, auch ein großes deutsches Werk veröffentlicht, das die erzgebirgische Prägemedaille des 16. Jahrhunderts zum Thema hat. Es darf hier auch erwähnt werden, daß es außer ausgezeichneten stilkritischen Untersuchungen auch in die Werkstätten Joachimsthaler Stempelschneider, so in die des Nickel Milicz und seiner Familie, hineinleuchtet, wodurch auch ihre Tätigkeit als Eisenschneider der Joachimsthaler und Prager Münze geklärt wurde. Der Historiker Gustav S k a l s k y (f 1956) war zuletzt Direktor der Münzsammlung des Prager Nationalmuseums. Er war entschieden einer der größten, vielleicht sogar der bedeutendste unter den tschechischen Numismatikern. Wie seine vorhin erwähnte langjährige Mitarbeiterin und spätere Amtsnachfolgerin in ihrem Nachruf anführt, hat der in Mähren Geborene in Prag und Wien studiert und in den Jahren 1911 — 1913 unter dem Einfluß des großen Wirtschaftshistorikers Alfons D o p s c h im Institut für österreichische Geschichtsforschung für seine wissenschaftliche Ausbildung entscheidende Anregungen empfangen. Seine der Prüfungskommission vorgelegte Hausarbeit ,Zum ältesten Handel Böhmens' zeigt deutlich den Weg an, der ihm in Wien gewiesen wurde. Es ist daher kein Zufall, wenn Skalsky schon im ersten Jahrgang des Sbornik mit einer umfassenden Arbeit hervortrat, die den böhmischen Handel des 10. und 11. Jahrhunderts im Lichte der Münzfunde darstellte. In diesem gründlichen Aufsatz zeigen sich mit voller Klarheit die Möglichkeiten, die sich der „angewandten Numismatik" eröffnen, wenn sie nach strengen wissenschaftlichen Methoden mit scharfer Quellenkritik und überlegener Methodik vorgeht. Nicht zuletzt ist es Skalskys vorbildlichem Wirken zuzuschreiben, daß die Numismatik im Räume der heutigen Tschechoslowakei allenthalben in hoher Blüte steht. Das gilt ebenso für die Slowakei wie für Mähren, wo Skalsky 1891 geboren worden war. Für Schlesien hat der universell gebildete Jurist Ferdinand F r i e d e n s b u r g (1858—1930) eine schon erwähnte einmalige Leistung vollbracht. Sein Name ist uns durch seine kulturhistorisch-numismatischen Arbeiten, wie z. B. die Münze in der Kulturgeschichte oder die Systematik der Mittelaltermünzen, ebenso bekannt wie durch seine über hundert auf Schlesiens Münzgeschichte bezüglichen Arbeiten, die fast alle Neuland bearbeitet und 103

erschlossen haben. Die Zersplitterung Schlesiens in eine Reihe fürstlicher Linien, die bis zu ihrem Aussterben in neuerer Zeit neben dem bis 1740 zur Krone Böhmen gehörenden Herzogtum in einer beträchtlichen Anzahl von Münzstätten das Münzrecht ausübten, dazu noch das Bistum Breslau und einige Städte, schließlich die Prägungen der Krone selbst und seit 1743 die Prägungen Preußens, machen Schlesien zu einem historisch wie numismatisch schwer zu überblickenden Gebiet. Für diese neuere Zeit allein haben Friedensburg und sein Mitarbeiter H. S e g e r nicht weniger als 3629 verschiedene Münztypen (ohne Varianten) festgehalten, was einen ungefähren Begriff über die Vielschichtigkeit der monetären Verhältnisse dieses Landes gibt.

C. Ungarn Die Numismatik als Wissenschaft, also die angewandte Numismatik, beginnt in Ungarn mit einer großartigen Schenkung und der ungefähr gleichzeitigen Gründung des Ungarischen Nationalmuseums. Im Jahre 1792 schenkte Graf Stefan S z e c h e n y i (1754—1820), der gemeinsam mit seinem gleichnamigen Sohne, dem Begründer der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, bei seinen Landsleuten den Sinn f ü r Geschichte, den Stolz auf die nationale Vergangenheit und das Gefühl f ü r die tiefe Verbundenheit von Sprache und Volkstum zu erwecken trachtete, seine kostbare Bibliothek und Münzsammlung dem von ihm 1802 begründeten Nationalmuseum seines Vaterlandes (1244). Der Katalog dieser Sammlung, die der gelehrte Abt und Bibliothekar der Pester Universität Stephan S c h ö n v i s n e r „Insignum thesaurum numismaticum" nennt, erschien schon 1807 in drei Bänden (,Catalogus numorum hungariae ac Transsilvaniae Instituti nationalis Szechenyani') und einem Bilderatlas (,Tabulae numismaticae'), denen bereits 1810 ein Nachtrag folgte (113, 114). Es war dieser Katalog aber — und das ist das Entscheidende — nicht nur eine bloße Beschreibung dieser hervorragenden Sammlung, sondern ein „Specimen dissertationis de praestantia et usu numorum Hungariae ac Transsilvaniae" sowie eine „Sylloge constitutionum aliquot monetalium et metallicorum Regni Hungariae", die, der Bibliothek des Grafen entnommen, zum erstenmal publiziert wurden. Alles dies zeugt von dem wissenschaftlichen Ernst des Herausgebers, in dem wir, dem Vorwort entsprechend, wohl Schönvisner erblicken dürfen. Es darf uns dabei aber nicht stören, daß der ,Catalogus' auch „Münzen" Attilas (668, 777) und seines Bruders Buda erwähnt und abbildet, denn der Abschnitt, in dem diese Stücke beschrieben werden, ist ausdrücklich als ,Appendix confictorum aliquot numismatum, et falsarum monetarum specimina' überschrieben. Wenige Jahre vor der Herausgabe des ,Catalogus', bereits 1801, hat Schönvisner selbst ein stattliches Werk über ungarische Münzen unter dem Titel ,Notitia Hungaricae rei numariae etc.' herausgegeben (1077), in dem auch die siebenbürgischen Gepräge nicht vergessen sind. Daß der Autor dem umfangreichen Quartband die Worte des Erasmus von Rotterdam „Tenenda antiquitas, quae non modo ex vetustis auctoribus, rerum etiam e nomismatis priscis, titulis saxisque petitur" voranstellt, erweisen den Priester und Bibliothekar als belesenen Humanisten. Daß er sich aber, wie es auch beim ,Catalogus' der Fall ist, der lateinischen und nicht der ungarischen oder deutschen Sprache bedient, ist dem Umstände zuzuschreiben, daß in Ungarn noch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts Latein als Amtssprache und als Sprache der Gebildeten in Gebrauch war. Erst im Jahre 1844 wurde das Magyarische zur Staats- und Schulsprache erklärt. 104

Es ist daher verständlich, daß das umfassende Werk über die ungarischen Münzen des Mittelalters, das der Archivbeamte der kgl. Ungarischen Kammer Jakob R u p p 1841 und 1846 in zwei Teilen herausgab, zuerst in lateinischer Sprache erschien und dann erst durch das Mitglied der ungarischen Gelehrten-Gesellschaft und Kustos am Nationalmuseum, Johann v. L u c z e n b a c h e r , ins Ungarische übersetzt wurde. Das in der Hauptsache beschreibende Werk hat außer einer ansehnlichen gedruckten Literatur auch eine ganze Reihe von öffentlichen und privaten Sammlungen herangezogen; historische Anmerkungen und eine münzkundliche Übersicht zeugen von dem Bestreben, mehr zu geben als ein bloß beschreibendes Münzcorpus. Im Jahre 1816 war Josef W e s z e r l e (f 1838) zum Professor der Numismatik an der Budapester Universität und zugleich zu ihrem Bibliothekar ernannt worden. Er war der erste, der sich mit der systematischen Bearbeitung der heimischen Münzkunde und Geldgeschichte befaßte. Infolge seines frühzeitigen Todes gelangte er jedoch bedauerlicherweise nicht über eine bloße Materialsammlung hinaus. So dauerte es genau 100 Jahre, bis Bälint H ö m a n auf Grund eigener Forschungen — die geringe Zahl der Vorarbeiten sowie das Fehlen metrologischer und chronologischer Einzeluntersuchungen hatten ihm die Arbeit sehr erschwert — endlich die ersehnte Münzgeschichte von 1000 bis 1325, also von Stephan dem Heiligen bis Karl Robert von Anjou, vorlegen konnte. Ein Werk von ganz hohem wissenschaftlichem Range, das alle Möglichkeiten ausschöpft, aber durch die Sprache, in der es verfaßt ist, außerhalb Ungarns leider nur wenigen Forschern zugänglich ist. Höman, der während des Horthy-Regimes auch eine Zeitlang Unterrichtsminister war, hat außer dem genannten Hauptwerk noch eine Reihe anderer numismatischer Arbeiten geschrieben. Bis zu einem gewissen Grade darf man auch seine deutschsprachige Geschichte des ungarischen Mittelalters von den ältesten Zeiten bis zu den Anfängen des Hauses Anjou hinzurechnen, da sie der Geldgeschichte einen breiten Raum einräumt. Der Neuordnung des Münzwesens unter Karl Robert und dem Einfluß des ungarischen Goldes auf die europäische Wirtschaft sind einige grundlegende Arbeiten gewidmet. Höman bildet entschieden den Höhepunkt der neuzeitlichen Münzgeschichtsschreibung in Ungarn. Umfassende Quellenkenntnis, straffe Methodik und scharfe Kritik gestatteten ihm, den gesammelten Stoff souverän zu gestalten. Sein Einfluß wirkt in der heute lebenden Generation der ungarischen Numismatiker noch immer nach. Davon zeugen nicht zuletzt die Arbeiten, die das zuerst von Ödön G ö h l (1859—1927) redigierte Fachblatt der ,Magyar numizmatikai Tärsulat' (Ungarische numismatische Gesellschaft), das ,Numizmatikai Közlöny' (Numismatische Zeitschrift) unter seiner und seiner Nachfolger Leitung in den bisher erschienenen 65 Jahrgängen veröffentlicht hat. In dem Vorwort zum ersten Jahrgang 1902 hat Göhl die weitgesteckten Ziele der Zeitschrift dargelegt und dabei auch einen Blick auf die lange Reihe der ungarischen Münzsammler geworfen, die auf keinen geringeren als auf den ebenso kriegerischen wie mäzenatischen und kunstverständigen König M a t t h i a s C o r v i n u s (f 1490), den Sohn des Türkenbekämpfers Johannes Hunyadi, zurückgeht. Nicht wenige aus den Reihen des ungarischen Hoch- und Kleinadels huldigten der Numismatik als Sammler. Auch Vertreter der siebenbürgischen Fürstenfamilien Bocskay und Raköczi befanden sich darunter. Franz S z e c h e n y i aber hat sich durch die eingangs erwähnte großzügige Schenkung ein Denkmal aere perennius gesetzt. Der Siebenbürger Sachse Samuel Brukenthal, 1777—1787 Gouverneur dieses Landes, dessen Wahlspruch lautete: „Fidem genuasque servabo" (Ich werde meinem Glauben und meinem Volk dienen), zählte zu den Paladinen Maria Theresias und wurde von ihr verdientermaßen in den erblichen Freiherrnstand erhoben 105

und auch noch anderer Ehren gewürdigt. Am „Großen Ring" in Hermannstadt ließ er sich ein Palais errichten, das in der Folge nach ihm benannt wurde. Es birgt in seinen Räumen erlesene Kunstschätze, unter anderem auch eine prachtvolle Sammlung hauptsächlich siebenbürgischer Münzen, daneben auch eine Reihe im Lande gefundener Römer. Das Palais fiel später samt seinem kostbaren Inventar durch Stiftung dem evangelischen Gymnasium A. B. zu, dem der Verfasser dieses Buches bis zur Reifeprüfung 1905 angehörte. Das ,Numizmatikai Közlöny', an dem neben Göhl bis zur Stunde auch andere bewährte Fachleute mitgearbeitet haben, bewahrte stets ein sehr hohes Niveau. Gepflegt wurde natürlich in erster Linie die ungarische Numismatik, die besonders für das Mittelalter zahlreiche schwierige Probleme aufwirft, die keineswegs schon alle gelöst sind. Da aber der Boden heute noch reich an Münzschätzen ist, nach denen derzeit durch Ausgrabungen großen Stils systematisch gefahndet wird, stehen Kelten und Römer durchaus gleichberechtigt neben den Forschungen aus Ungarns Münz- und Geldgeschichte. Göhl hat sich insbesondere um die Keltenforschung auf ungarischem Gebiet, wie Pink einmal betonte, „unvergängliche Verdienste" erworben und „sich immer ein kühles, sachliches Urteil bewahrt". Das ist ihm besonders hoch anzurechnen, da gerade die keltische Münzkunde von jeher ein Tummelplatz blühender Phantasien gewesen ist (873). Unterstützt wurde die Keltenforschung vor allen durch die großartige Sammlung, die Graf Nikolaus D e s s e w f f y (1854—1918) seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit größtem Verständnis zusammengetragen und damit die oftmals geringschätzig als „Barbarenmünzen" bezeichneten Stücke der allgemeinen Mißachtung förmlich entrissen hatte. Berichtet er doch im Zusammenhang damit, daß „par exemple dans la ville de Debreczen vers les 70e du siècle passé les Cives (ainsi se nomment les bourgeois de cette ville) portèrent des boutons sur leurs habits dont l'argent provenait de monnaies barbares. Les Marchands de bric à brac les vendaient à vil prix; combien de trésors passaient au four de l'orfèvre!" (145). Von den Zeitgenossen der Dessewffy, Göhl und Höman ist vor allem L a d i s l a u s R É T H Y deshalb zu nennen, weil durch sein Corpus nummorum Hungariae (das nur das Mittelalter bis 1526 enthält) das monetäre Material erfaßt war, das Höman für seine Geldgeschichte benötigte. Das Corpus war 1907 abgeschlossen worden, neun Jahre später erschien Hömans Werk. Réthy, der von der archäologischen Kommission der Ungarischen Akademie der Wissenschaften mit der Arbeit betraut worden war und übrigens auch den ungarischen Teil der Sammlung Montenuovo bearbeitet hatte, betrachtete sein Buch trotz der zahlreichen geldgeschichtlichen Exkurse selbst nur als eine bloße Materialsammlung, auf die er anderthalb Jahrzehnte verwendet hatte. Im Gegensatz zu seinen Vorläufern, dem Catalogus Széchényianus von Rupp und Schönvisner, war sie jedoch von dem Geiste einer den Anforderungen der Jahrhundertwende durchaus entsprechenden Wissenschaftlichkeit erfüllt. Das verarbeitete Material übertrifft das von Rupp gebrachte um mehr als das Zehnfache, ein Beweis, welche Fortschritte die ungarische Numismatik seit ihren Anfängen gemacht hatte. Das Corpus hätte auch die Zeit nach 1526, also die Zeit der Habsburger, erfassen sollen, aber es war Réthy nicht mehr vergönnt, diesen Teil zu vollenden, zumal dieser infolge der Unzahl von Stempelverschiedenheiten, wie er selbst sagte, einen ungleich größeren Zeitaufwand erfordert hätte als der mittelalterliche. In diese Bresche rückte nun Paul H a r s a n y i (1882—1929) ein, der in mehreren Jahrgängen des ,Numizmatikai Közlöny' unter dem Titel ,Adatok a C. N. H. III kôtetéhez' (Beiträge zu Bd. III des Corpus num. Hung.) seine jeweiligen Vorarbeiten dazu veröffentlichte. Das Material dazu lag gleichsam vor ihm ausgebreitet, da er — noch unter 106

Göhl — in das Münz- und Antikenkabinett des Ungarischen Nationalmuseums eingetreten war. Als Göhl 1925 in den Ruhestand trat, folgte ihm Harsänyi als Direktor nach. Aber ihm war nur mehr ein kurzes Wirken beschieden. Schon 1929 nahm ihm der Tod die Feder aus der Hand, so daß der dritte Teil, bis jetzt unvollendet, ein Torso geblieben ist. Nur 12 Abhandlungen, die mit Matthias II. (1608—1619) enden, liegen gedruckt vor, und zwar wie auch die Mehrzahl seiner sonstigen Arbeiten im ,Numizmatikai Közlöny'. Einiges findet sich auch im ,Archeologiai Ertesitö' (Archäolog. Nachrichtenblatt), in dem übrigens auch andere Numismatiker gerne ihre Arbeiten veröffentlichten. Nicht sosehr Numismatiker wie Historiker war der Direktor des Landesarchives und spätere Sektionschef im gemeinsamen Finanzministerium Ludwig von T h a l l ö c z y (1854—1916), der vor allem durch seine Arbeit über den .Nutzen der ungarischen Kammer in Verbindung mit der Entwicklung des ungarischen Steuer- und Geldwesens' sowie durch seine .Beiträge zur Geschichte de«- ungarischen Finanzverwaltung' auch für die Geldgeschichte seines Vaterlandes wichtige Grundlagen geschaffen hat. Von der regen Tätigkeit der ungarischen numismatischen Gesellschaft zeugt nicht nur das zuerst von Göhl, dann nach einem kurzen Zwischenspiel von H a r s ä n y i und Andreas A l f ö l d i (z. T. gemeinsam mit Huszär) nunmehr seit mehr als drei Jahrzehnten vom ehemaligen Leiter des Budapester Münzkabinetts Ludwig H u s z ä r in vorbildlicher Weise redigierte ,Numizmatikai Közlöny'. Das große Interesse an der Numismatik beweist nämlich auch eine zweite von der Gesellschaft herausgegebene Zeitschrift, die seit 1922 unter dem Titel ,Az erem' (Die Münze) erscheint. Dadurch wird das ,Közlöny' entlastet, indem die Sekundärzeitschrift in erster Linie die Sammlerinteressen berücksichtigt, während das ,Közlöny' ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken, d. h. der angewandten Numismatik, vorbehalten ist. Lange nicht so gut wie um Ungarn ist es um die Numismatik des selbständigen Fürstentums Siebenbürgen bestellt. Ebensowenig wie es eine Geschichte Siebenbürgens gibt (nur die Siebenbürger Sachsen besitzen eine solche), ebensowenig existiert für dieses Land eine münz- und geldgeschichtliche Darstellung. Es gibt zwar eine ziemliche Anzahl von Einzeluntersuchungen, aber an eine Zusammenfassung hat — wenn wir von dem kurzen geschichtlichen Überblick über die siebenbürgische Münzprägung in der Sammlung ,Törteneti Erdely' (Geschichtliches Siebenbürgen) des selbst aus Siebenbürgen stammenden Huszär absehen — noch niemand gedacht. Auch Adolf Resch, der 1901 zu Hermannstadt ein Buch über die Medaillen und Münzen dieses Landes seit 1538 herausgegeben hat, ist über eine reine Beschreibung nicht hinausgekommen. Dabei wäre eine Münz- und Geldgeschichte gerade dieses Landes, dessen Grenzen ja nicht auf die des theresianischen Großfürstentums beschränkt waren, sondern über diese zeitweise hinausgegriffen haben, eine ungemein lohnende Aufgabe, zumal die politische Verbindung mit den Türken, von deren Gnaden die verschiedenen, alten einheimischen Adelsfamilien entstammenden Wahlfürsten mehr oder minder abhingen, ungewohnte neue Gesichtspunkte erschließt. Die deutschsprachigen Sachsen haben sich um das von den verhaßten, weil meist tyrannischen und grausamen Fürsten bestimmte Münzwesen wenig gekümmert; in den Wiener Fachzeitschriften ist daher fast mehr über siebenbürgische Münzen zu finden als im Archiv für siebenbürgische Landeskunde. Nur auf dem Gebiete der Materialsammlung ist auch von sächsischer Seite einiges geschehen, zumal die reichen Bestände des Brukenthalschen Museums Anreiz für eine zusammenfassende, deskriptive Veröffentlichung boten. Aus R e i s s e n b e r g e r s Beschreibung, den Tafeln W e s z e r l e s und den von Hess publizierten siebenbürgischen Münzen der Sammlung M o n t e n u o v o , dem Catalogus 107

Szechenyianus usw. sowie durch Bereisung der Museen von Berlin, Budapest und Wien hat der schon erwähnte Kronstädter Uhrmacher R E S C H sein sehr gewissenhaft gearbeitetes Werk geschaffen. Nur von angewandter Numismatik ist darin kein Hauch zu spüren. Etwas besser ist es um die an Ungarn grenzenden südslawischen Gebiete, Kroatien, Slawonien, Dalmatien und Bosnien, bestellt. Nicht nur, daß Ivan RENGJEO (1884—1962) in seinem Corpus der mittelalterlichen Münzen dieser Länder das gesamte Material beschreibt, hat er in der Einleitung auch eine kurze Münzgeschichte gegeben. Für die Neuzeit kommt allerdings nur ein einziges Beispiel, 1848 (Jellachich-Kreuzer-Probemünze), in Betracht. Dieses Corpus überschneidet sich zum Teil auch mit der ungarischen Materialsammlung von R e t h y (deutsch von P r o b s z t ) und den verschiedenen Einzeluntersuchungen über die kroatischen Friesacher. Nicht aufgenommen in das ausschließlich den autonomen Prägungen vorbehaltene Werk sind die Emissionen der Venezianer in Dalmatien, die zum größten Teil von dem k. u. k. Marineoffizier Karl S t o c k e r t i n der .Wiener Numismatischen Zeitschrift' veröffentlicht wurden, wobei Stockert bestrebt war, mehr als reine Beschreibungen zu geben. Über Ragusa existiert noch ein zweibändiges, auch geldgeschichtlich sehr bedeutsames Werk von Milan RESETAR, das zwar in serbischer Sprache geschrieben und in zyrillischen Lettern gedruckt ist, aber infolge der in der italienischen Originalsprache abgedruckten Dokumente und eines italienischen Resümees (Bd. I: Breve riassunto und Bd. II: breve descrizione dei tipi e delle varianti delle varie specie di monete ragusee) auch für den des Serbischen nicht mächtigen Benützer leicht verwendbar ist. Besonders darf hier auch auf die grundlegende Arbeit von Ciro TRUHELKA über die slawonischen Banaldenare verwiesen werden, die eine urkundlich ausgezeichnet fundierte Münzgeschichte und eine systematische Übersicht der Gepräge gibt und daher, wenn auch 60 Jahre vor dem Corpus von Rengjeo erschienen, diesen durch die im Corpus fehlende ausführliche geschichtliche Darstellung wirkungsvoll ergänzt. In ähnlicher Weise ist auch das Werk von Sime LJUBIÖ ,Opis jugoslavenskih novaca' aufgebaut, das die südslawischen, also die bulgarischen, serbischen und bosnischen Münzen des Mittelalters behandelt, also jene Gebiete, die außerhalb der ehemaligen Monarchie lagen. Auch Ljubic, damals Direktor des Kroatischen Nationalmuseums in Zagreb (Agram), hat mit Unterstützung des serbischen Fürsten M i l a n und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien mit diesem in kroatischer Sprache gedruckten Werk durch kritische Verwendung von Literatur und Urkunden auch für den Forscher von heute ein unentbehrliches Kompendium geschaffen. Seine Bedeutung bleibt ungeschmälert, mag auch durch neuere Untersuchungen und neu entdecktes Material sich so manches verschoben haben. Im Rahmen dieses Handbuches kommt vor allem der Abschnitt über Bosnien in Betracht, zu dem übrigens auch Rengjeo für das Mittelalter einiges bisher Unbekanntes beigesteuert hat. Aus dieser kurzen Übersicht erhellt, daß auch auf diesem Gebiete ausgezeichnete Arbeit geleistet wurde, was nicht zuletzt der rührigen kroatischen numismatischen Vereinigung (,Hrvatsko numizmaticko drustvo') in Zagreb und dem Erscheinen ihrer beiden Zeitschriften ,Numizmatika' und seit 1939 die ,Numizmaticke Vijesti' (bisher 24 Hefte) zu verdanken ist.

108

III. Die territoriale Entwicklung

A. Die österreichischen Länder Betrachtet man die Karte von Mitteleuropa zur Zeit der Staufer, also zur Zeit, da der Babenberger Heinrich II. Jasomirgott von Kaiser Friedrich I. Barbarossa zum Herzog von Österreich erhoben wurde, so erkennt man auf den ersten Blick den fundamentalen Unterschied zwischen Deutschland und dem Gebiet, das sich früher oder später mit Österreich zu einem großen Ganzen zusammenschließen sollte. Hier große, kaum durch fremde Enklaven durchbrochene Räume, dort ein buntes Farbengewimmel, aufgespalten und durchsetzt von Fremdkörpern verschiedener Größe. Eine verwirrende, kaum überschaubare Fülle. Das gleiche Bild ergibt sich auch, wenn man dies alles in münzgeschichtlicher Schau zu überblicken versucht. Reichsmünzstätten, weltliche große und kleine Dynasten sonder Zahl, geistliche Fürsten, vom mächtigen Erzbischof von Köln angefangen bis zur Äbtissin irgendeines längst verschwundenen Nonnenklosters oder zu Domkapiteln, Städte: alle hatten mit verbrieftem oder auch nur angemaßtem Recht ihre eigenen Münzstätten und trugen dadurch mehr oder minder Schuld an dem monetären Chaos in Deutschland, das im Grunde erst die Einführung der Reichs-Markwährung im Jahre 1871 zu beseitigen vermochte. Diese Verhältnisse wurden in Deutschland noch durch die Teilung einer beträchtlichen Anzahl regierender Häuser verschlimmert, die in mehrere Linien aufgespalten waren, deren jede das Münzrecht ausübte und damit den Wirrwarr noch um einiges vermehrte. Demgemäß ist auch die Zahl insbesondere der mittelalterlichen Münzstätten im Westen des Deutschen Reiches im Vergleich mit der des österreichischen Ostens überwältigend. Im österreichischen Raum gab es im ganzen bloß deren rund 50, wovon eine beträchtliche Anzahl überhaupt nur vorübergehend im Betrieb war. Die Zahl der im Reiche vorhandenen ist dagegen kaum erfaßbar. Entsprechend dieser monetären Entwicklung ist auch die Geschichte der territorialen Entwicklung der österreichischen Länder eine weitaus einfachere und klarere als im Reiche, das eigentlich nur durch gewisse Randgebiete zu bestimmten Zeiten Einfluß auf den Südosten gewonnen hat. Erich Z Ö L L N E R hat als ein wesentliches Merkmal der österreichischen Geschichte erkannt, „daß ihr Rhythmus mit dem der Weltgeschichte übereinstimmt, wie das kaum bei der Geschichte eines anderen Staates feststellbar erscheint. Die bairisch-fränkische Mark, der Babenbergerstaat und Habsburgs ,Herrschaft zu Österreich' entsprechen den drei Hauptperioden des Mittelalters. Als Renaissance, Reformation und Entdeckungen die neue Zeit einleiteten, weitete sich die Macht des ,Hauses Österreich' zu Weltstellung und verwirklichte sich im eigenen Rahmen Mitteleuropas die wiederholt angestrebte Vereinigung der österreichischen, böhmischen und ungarischen Länder zur Donaumonarchie. Die Pragmatische Sanktion von 1713 soll deren Weiterbestand sichern, während die 109

Friedensschlüsse von Utrecht und Rastatt den Weltkampf um das spanische Erbe beenden. Im 20. Jahrhundert ist es wieder eine Katastrophe von weltweitem Ausmaß, in der die Donaumonarchie zerbricht . . ." (1260). Ihr Werden und Vergehen ist nicht zuletzt ihrer geographischen Lage zuzuschreiben; sowohl Zusammenschluß als nach vielen Jahrhunderten die gewaltsame Auflösung in die ursprünglichen Teilgebiete sind durch geographische und ethnische Elemente bedingt worden, wobei die zusammenschließenden in wirtschaftlichen Bindungen, die auflösenden in nationalen Diskrepanzen zu suchen sind. Die durch die stetige Expansion entstandene Völkervielfalt der Donaumonarchie hat ihr zwar eine fast ständige Unruhe im Innern, dafür aber auch einen nicht meßbaren kulturellen Zuwachs gebracht, der auch in der Buntheit seines Münz- und Geldwesens drastisch zum Ausdruck kommt. Die ersten, die in unserem Räume die Geldwirtschaft annahmen und ihr zufolge auch eigene Münzen prägten, waren die in verschiedene Stämme aufgespalteten Kelten. Sie hatten das Münzgeld auf ihren Wanderzügen in Mazedonien kennengelernt. Unter dem Drucke feindlich gesinnter Nachbarn waren sie schließlich von Westen her auch in die Ostalpen gelangt, entlang der Donau waren sie eingewandert und dann von ihr ausgehend längs ihrer Nebenflüsse (Drau, Mur) aufwärts in die Gebirgslandschaft aufgestiegen. Die Kelten kamen als Eroberer, übernahmen jedoch die Kultur der unterworfenen illyrischen Völkerschaften. In Böhmen und Mähren waren, gleichfalls vom Westen, zu Beginn der La-Tene-Zeit um 400 v. Chr. die keltischen Boier eingedrungen. Die Stunde der Keltenherrschaft schlug, als die Römer im Jahre 15 v. Chr. die Räter und keltischen Vindeliker, vier Jahre darauf die illyrischen Pannonier bezwangen und das Königreich Noricum im Ostalpenraum zunächst tributpflichtig, später aber dem Reiche einverleibt und die Donau zur Grenzlinie gegen den Norden gemacht wurde. 107 n. Chr. eroberte Kaiser Trajan auch Dazien, das spätere Siebenbürgen. Damit war das ganze Gebiet von den Quellen des Rheins und dem Bodensee bis zur Donau und Save ebenso unter römischer Botmäßigkeit wie Dalmatien, das sich bis zur Drina erstreckte, und Dazien, das die Gebiete östlich der Theiß und nördlich der unteren Donau umfaßte. Die Donauprovinzen wurden nach und nach romanisiert, die einheimischen Dialekte durch die lateinische Sprache verdrängt. Aber an den Grenzen drohten die von Norden und Osten eindringenden landhungrigen Germanen. „In den mit wechselnder Intensität um 166 bis 180 geführten Markomannenkriegen, in denen es die Römer zumeist mit einer Koalition der germanischen und sarmatischen Stämme der Donaugrenzen zu tun hatten, wurden Noricum und Pannonien 170 durch den Einbruch der Germanen furchtbar verwüstet, aber auch Rätien, Dazien und sogar Oberitalien in Mitleidenschaft gezogen. Juvavum (Salzburg) und Flavia Solva (bei Leibnitz, Steiermark) wurden zerstört, Aquileia belagert" (1260). Markomannen und Quaden hielten nach den Gegenangriffen Marc Aurels, der 180 in Vindobona gestorben war, einige Jahrzehnte Ruhe. Dafür bedrohten seit 213 die Alemannen den Limes, deren Scharen 268 über den Brenner in das Etschland und nach Oberitalien drangen. Aber es gelang, alle verlorengegangenen Gebiete wieder zurückzugewinnen. Die Grenze verlief nunmehr an Rhein, Bodensee, Iiier und Donau. In der diokletianischen Zeit erhielten sich die Donauprovinzen dank der von diesem Kaiser durchgeführten Reichsreform, die von Konstantin dem Großen weiter ausgebaut wurde. Seine Neuorganisation des Münzwesens durch die Einführung des Goldsolidus überdauerte noch den Bestand des Weströmischen Reiches. Aber bereits um die Mitte des 4. Jahrhunderts kam es wieder zu Kriegen gegen die Germanen. Der Versuch Valentinians I., sich nördlich der Donau festzusetzen, schlug 110

fehl: Carnuntum wurde von den Quaden genommen. Seither verfiel es immer mehr und mehr. Schließlich setzten sich die germanischen Völker jenseits der Reichsgrenze erneut in Bewegung. Kaiser Valens wurde 378 von den Westgoten bei Adrianopel besiegt und getötet. Seither schritt der Niedergang der Römerherrschaft in den Donauländern immer rascher fort. Dazien war schon 271 an die Goten verlorengegangen, 395 wurde der Limes neuerlich überrannt; damals erlagen Carnuntum und wohl auch Vindobona dem Angriff. Im Jahre 433 wurde die „Pannonia prima" vom Weströmischen Reich in aller Form an die Hunnen abgetreten, die unter Attila zweimal die Donauländer durchquert hatten. Nördlich des norischen Gebietes hatten sich die Ruger festgesetzt, doch 488 mußten sie Ufer-Norikum räumen. Einige Jahre vorher (476) hatte der erfolgreiche Staatsstreich des skirischen Königssohnes Odoakar dem weströmischen Reiche tatsächlich das Ende bereitet. Damit war die Herrschaft der Römer zusammengebrochen, die als die ersten Begründer höherer Gesittung auf dem Boden des heutigen Österreich angesehen werden müssen. Das Gebiet der Donaumonarchie wird nun zur Beute unsteter germanischer Völkerschaften, die keine dauernden Spuren im Lande hinterließen. Erst nach dem Abzug der Langobarden nach Italien (568/601) gewinnen die Völkeransiedlungen auf österreichischem Boden Bestand. Die Siedler tragen alle neue Namen: Awaren, Slawen, Baiem. Das mongolische Hirtenkriegervolk der Awaren rückte nach dem Abzug der Langobarden in deren bisheriges Siedlungsgebiet ein. Mit den Awaren kamen auch slawische Stämme. „Diese Völkerschaften prallten bei ihrem Vordringen auf einen westgermanischen Stamm: die Baiern, die ihrerseits von dem führenden germanischen Volk, den Franken abhängig waren" (1231). In der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts beginnt auf dem Boden Österreichs die Auseinandersetzung zwischen dem slawisch-awarischen und dem germanischen Element und damit die Geschichte des österreichischen Frühmittelalters. Den Osten von Pannonien bis über die Theiß ins ehemalige Dazien füllten die Awaren aus; zwischen und neben ihnen wohnten Slawen, die gemeinsam mit ihnen in den Jahren 602—611 in Dalmatien einfielen und dort das alte Salona zerstörten, in dessen Nähe, im heutigen Split (Spalato), sich Kaiser Diokletian, ein gebürtiger Dalmatiner, nach seinem Rücktritt einen gewaltigen Palast hatte erbauen lassen. Andere Slawen brachen aus dem Dnjeprbecken nach Westen vor, wo sie die obere Weichsel- und Oderlandschaft besetzten; sie sind wahrscheinlich über die Karpatenpässe in die heutige Slowakei, das frühere Oberungarn, und durch die Oderpforte nach Mähren gelangt. Ebenso drangen sie auch in die Täler der Ostalpen und in die Karstländer vor. Dieser für die Zukunft entscheidende Vorstoß der Slawen in den Westen geschah mit Wissen und Willen der Awaren, die ihrer bedurften, um die verödeten Landstriche wieder unter den Pflug zu nehmen. Ein großer Teil der Slawen wurde dann von ihren awarischen Machthabern über die Donau auf die Balkanhalbinsel gedrängt, wo sie sich vom Schwarzen Meer bis zur Adria verbreiteten. Das Slawentum wurde bald zu einem gefährlichen Gegner ihrer Zwingherren. Als diese im Verein mit den persischen Sassaniden zu einem entscheidenden Schlage gegen Byzanz ausholten, brach in Böhmen und dessen Nachbarländern ein Aufstand der slawischen Randvölker unter der Führung des fränkischen Kaufmannes Samo aus. Es gelang ihm, ein Großreich zu errichten, das sich vermutlich weit über die Sudetenländer und die Ostalpen erstreckte, aber nach dem Tode Samos (ca. 660) bald zugrunde ging. Samo war sicherlich „ein Vertreter jener großen Kaufleute, die damals den Fernhandel über außerordentlich weite Strecken leiteten . . . Bei der Bildung seines Reiches 111

waren Handelsbeziehungen, Kreuzungen der Handelswege und Marktanlagen von besonderer Bedeutung . . . " Wahrscheinlich hat er sowohl über die Slawen der Sudetenländer (Tschechen, Mährer) wie über die Alpenslawen (Karantanen = Slowenen) geherrscht; auch ein Teil der österreichischen Donaulandschaft wird „zu seinem kurzlebigen Reich gehört haben". Während die Sudetenslawen nach Samos Tod wieder unter awarische Botmäßigkeit zurückfielen, zogen es die Alpenslawen vor, sich in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts einer anderen, minder drückenden Herrschaft, nämlich der bayrischagilolfingischen, zu unterwerfen. Diese Alpenslawen waren nicht in geschlossener Masse, sondern in kleinen Gruppen — übrigens eine diesem Volke eigentümliche Besonderheit — in das Gebiet der Ostalpen, insbesondere nach Kärnten und in die südliche Steiermark eingesickert. Als zweite und spätere slawische Schichte in dieser Gegend folgten die Kroaten, die dann als zweite slawische Welle auch in die Karstländer bis zur Adria vordrangen. Zum Unterschied von anderen slawischen Stämmen besaßen sie eine bedeutende staatsbildende Kraft, die sie auch zur Gründung eines eigenen Königreichs befähigte. Die awarische Macht wurde, je länger sie sich hielt, für den Westen immer gefährlicher und damit zugleich auch für das langsam gegen den Osten vordringende Christentum, um dessen Verbreitung sich der Bayernherzog Tassilo III. durch Klostergründungen im Pustertal wie auch im heutigen Oberösterreich große Verdienste erworben hatte. Die Festigung der bayrischen Macht im Südosten — der Karantanenherzog Boruth hatte die Oberhoheit Herzog Odilos anerkennen müssen — bedeutete aber für das erstarkende fränkische Großreich eine Bedrohung und zugleich Unsicherheit an der Ostgrenze. In der Tat rief Tassilo die Awaren gegen Karl den Großen zu Hilfe. Bayern wurde hierauf nach Absetzung des Herzogs dem Reiche einverleibt und Karantanien von diesem abhängig gemacht. Auch die Kroaten und die pannonischen Slowenen zwischen Drau und Save wurden der fränkischen Oberhoheit unterworfen, nachdem Istrien schon früher Ostrom entrissen worden war. Da auch die Slawen in Böhmen und Mähren dem fränkischen Könige Tribut zahlen mußten, war ein großer Teil des späteren Österreich unter fränkischer Oberherrschaft vereinigt. Obwohl es Karl dem Großen gelang, die Awaren zu vernichten, war die vom Osten drohende Gefahr keineswegs für immer gebannt: „bei jedem neuen Ausschwärmen der Reiternomaden Innerasiens konnte sie wieder erwachen". Die Grenzen lagen im Osten offen und schutzlos da. „Durch die Schaffung eines von Sperren und Befestigungen durchzogenen Vorfeldes, der Marken, sowie durch den Aufbau einer wehrfähigen Bevölkerung" sollten Abhilfe und erhöhte Sicherheit gegen Osten geschaffen werden. Die Mark an der Donau (sie wurde später „marchia orientalis" genannt) grenzte im Süden an die Mark Friaul, eine Organisation, die im Laufe des 9. Jahrhunderts Veränderungen erfuhr, von denen für uns hier nur die Abtrennung Karantaniens als eigene Mark von Bedeutung ist. Die Herrschaft über Karantanien, das als erstes slawisches Fürstentum dem ostfränkischen Reiche eingegliedert wurde, erhielt der Enkel König Ludwigs des Deutschen, Arnulf, der 887 zum deutschen König gewählt wurde und 896 auch die Kaiserwürde empfing. Nach seinem Tode 899 folgte ihm der letzte Karolinger, Ludwig das Kind (f 911). Die schwächeren Nachfolger Karls des Großen vermochten das von diesem Errungene auf die Dauer nicht zu behaupten. Schon 817 wurde das Reich geteilt, und das von ihm eroberte Böhmen war ebenso wie die Slawenländer in Karantanien und Pannonien zum Herzogtum Bayern gekommen. 822 wurde auch Mähren von diesem abhängig, das immer mehr zu einer führenden Stellung aufstieg. Erst die Gründung des Großmährischen Reiches durch Moimir (830—846), das sich von der mittleren March über Mähren südwärts bis zur Donau, im Osten über die Slowakei und zuletzt im Westen über 112

ganz Böhmen erstreckte, gefährdete die bayerischen Erwerbungen von 817 ernstlich. Denn obwohl König Ludwig 846 Moimir und dessen Neffen und Nachfolger Raztislav besiegte, konnte er doch nicht verhindern, daß sich derNeffe des Letztgenannten, Svatopluk (Zwentibold), ganz Böhmens und vielleicht auch der Gebiete an der oberen Weichsel bemächtigte. Aber das einst so mächtige Großmährische Reich erlag 905—906 dem Ansturm eines neuen, von der Nordküste des Schwarzen Meeres nach dem Westen vorgedrungenen Feindes: der Magyaren oder Ungarn. Irn Ungarnsturm, der ungefähr 150 Jahre fast ununterbrochen wütete, brach die Karolingische Mark, die zum Schutze des Ostens hätte dienen sollen, vollständig zusammen. Schon 881 trafen die Reiterscharen bei Wien (das bei dieser Gelegenheit zum ersten Male nach vier Jahrhunderten Schweigens wieder erwähnt wird) mit fränkischen Streitkräften zusammen. Kurz vor 906 gibt die berühmte Raffelstettener Zollordnung Kunde von einem lebhaften und geregelten Handelsverkehr an der Donau. Wenige Jahre später, am 4. Juli 907, aber wurde der zur Ausschaltung der augenscheinlich unterschätzten ungarischen Gefahr nach Osten entsendete bayrische Heerbann in einer Schlacht bei Preßburg fast vollständig vernichtet. „Damit waren auch die donauländischen Marken verloren, die Enns wurde wieder zur — höchst unsicheren — Grenze, über welche die Ungarn in weitausholenden Zügen wiederholt nach Westen vorstießen" (1231). Erst der große Sieg auf dem Lechfelde bei Augsburg, den König Otto I. am 10. August 955 errang, brachte die entscheidende Wendung. Die Gefahr für das ottonische Reich wie für das bayerische Altland war endlich gebannt, so daß man einige Jahre später schon an die Rückeroberung der Marken schreiten konnte. Es dauerte begreiflicherweise längere Zeit, bis in dem durch die Magyaren schwer heimgesuchten Grenzlande wieder Ruhe und Ordnung eintraten. Erst dann konnte es hier im Osten des Reiches zu einer territorialen Neuregelung kommen, einer Neuregelung, die notwendigerweise auch zur Bildung landesherrlicher Gebiete führen mußte, die nur mehr lose vom Reiche abhingen. Dauernde Wandlungen der Machtverhältnisse hemmten vor allem die innere Entwicklung der Ostalpenländer. Erst unter Kaiser Heinrich II. (1002 bis 1024) ging es mit der Kolonisation Karantaniens und seiner Nebenländer aufwärts; an ihr waren anfänglich adelige Geschlechter, Klöster und schließlich auch die bayerischen Bistümer Salzburg, Freising und das 1007 gegründete Bamberg hervorragend beteiligt. Die Herrschaft über das alte Markengebiet an der Donau war noch durch Kaiser Otto I. dem Burggrafen von Regensburg, Burkhard, anvertraut worden, der bald nach 970 genannt wird. Aber er fiel in Ungnade, worauf 976 der Markgraf Leopold I. als sein Nachfolger eingesetzt wird, mit dem die zweihundertsiebzigjährige Herrschaft der Babenberger in Österreich beginnt. Leopold wurde 994 durch einen Meuchelmörder getötet. In die Regierungszeit seines Sohnes und Nachfolgers, Heinrichs I. (994—1018), fallen die ältesten Zeugnisse für das Aufkommen des Namens Österreich (Ostarrichi) als Bezeichnung für das Gebiet babenbergischer Herrschaft an der Donau (oder auch nur eines Teiles davon), während der lateinische Name „Austria" zuerst in einem Diplom König Konrads III. für Klosterneuburg 1147 bezeugt ist. Etwas später wird auch das Königreich Ungarn begründet. Auch dieses Reich verdankte gleich der Ostmark seine Entstehung dem großen politischen Konzepte der Kaiser aus dem sächsischen Hause oder, präzise gesagt, der Ottonen, im Osten zu einer festen und gesicherten Grenze zu gelangen und das dahinter liegende Gebiet, die „Sclavinia", einschließlich des von den Magyaren besiedelten Donautieflandes für die römische Kirche zu gewinnen. 113

Ebenfalls im 10. Jahrhundert war es in Böhmen den Przemysliden gelungen, nach Verdrängung der übrigen Herzogfamilien die Alleinherrschaft zu begründen. So begannen sich infolge der von den Karolingern eingeleiteten Neuordnung in Mitteleuropa im Osten des Deutschen Reiches allmählich große, ethnisch und sprachlich voneinander differenzierte Länderkomplexe herauszubilden, von denen Ungarn und Böhmen eine in sich geschlossene innere Einheit bildeten, während in Österreich eine solche erst mit der Zeit rein äußerlich zustande kam. Diese Verschiedenheit wird durch die geographischen Verhältnisse verständlich: Böhmen wie Ungarn besitzen in den mächtigen Randgebieten der Sudeten bzw. Karpaten von der Natur vorgebildete Grenzen. Die österreichischen Alpenländer aber bilden jedes für sich eine eigene Kulturlandschaft. Den Gebirgszügen der Alpen kommt mehr eine trennende als eine verbindende Funktion zu. Jedes Land hat seinen Fluß, an dem oder in dessen Nähe die Hauptorte liegen und auf den das ganze Land hin orientiert ist: die Donau für Ober- und Niederösterreich, die Salzach für Salzburg, der Inn für Tirol, die Drau für Kärnten, die Mur für die Steiermark und die Save für Krain. Im ganzen Bereich gibt es keinen zentralen Ort wie Prag für Böhmen und Ofen für Ungarn. Daher bildeten sich neben der eigentlichen Ostmark zunächst andere landesherrliche Territorien heraus. Es dauerte aber auch hier eine gewisse Zeit, bis die endgültigen Landesgrenzen erreicht waren; insbesondere im Osten mußten die durch die Magyaren verwüsteten Gebiete erst neu kolonisiert werden. Trotzdem bildeten schon 1025 am linken Donauufer die March, am rechten die Fischa, vielleicht sogar schon die Leitha die Ostgrenze, die allerdings für einige Jahre infolge eines unglücklichen Krieges Kaiser Konrads II. mit Stephan dem Heiligen von Ungarn bis zum Jahr 1043 wieder verlorenging. Während des Investiturstreites verursachte die schwankende politische Haltung Markgraf Leopolds II. neuerliche Verluste; König Heinrich IV. verlieh die Mark Österreich für eine Zeit sogar dem zuverlässigen Böhmenherzog Wratislav. So konnte sich die babenbergische Mark nur langsam konsolidieren. Westlich der Enns hatten die Babenberger mehrere bayrische Lehen inne, die 1156, bei der Erhebung der Mark Österreich zu einem Herzogtum, mit diesem vereinigt wurden. Diese Erhebung zum Herzogtum machte Österreich zum Kernland des zukünftigen Großstaates. Der neue Herzog war der Babenberger Heinrich II. Jasomirgott; damit war die Gefahr abgewendet, daß die Mark Österreich zu einem unbedeutenden Nebenland Bayerns herabsinken könnte, denn um diese Zeit reichte die Mark im Westen erst bis zur Enns und zum Haselgraben. Erst „die Zertrümmerung des bayrischen Stammesherzogtums im Jahre 1180 brachte den Landstrich von der Hasel bis zur großen Mühl dem Herzog Leopold V. zu, während das Land zwischen der Enns und dem Hausruck zum neuen Herzogtum Steiermark geschlagen wurde. Erst der Ofner Friede vom Jahre 1254, der die Steiermark zwischen den Königen von Böhmen und Ungarn teilte, machte die neue Abgrenzung der Lande nötig, die sich bis heute erhalten hat. In der Zeit des Zwischenreiches nach dem Aussterben der Babenberger fällt auch die Trennung von Österreich in das Land ob und unter der Enns, indem König Ottokar um 1260 die frühere Längsteilung des Landes durch den Donaulauf aufgab und durch eine Querteilung ersetzte. Seit dem Jahr 1264 findet sich in Urkunden die Bezeichnung Austria superior oder Austria supra Anasum, districtus supra Anasum, während für das alte Herzogtum Österreich Austria inferior, gewöhnlich sogar Austria schlechtweg gesetzt wird" (686). Die österreichischen Ostalpenländer haben im Hochmittelalter ihre eigene Geschichte gemacht. Sie haben sich alle aus der alten Karantanenmark entwickelt: unter der Gesamtbezeichnung Karantanien begriff man Jahrhunderte hindurch die innerösterreichische 114

Ländergruppe Kärnten, Steiermark und Krain; wobei die steirisch-ungarische Grenze wie auch die Südgrenze nur allmählich gewonnen wurde. Von diesen Ländern im Osten ist als erstes die Steiermark in enge Verbindung mit dem babenbergischen Österreich getreten. „Das Herrschaftszentrum der 970 erstmalig erwähnten karantanischen Mark am Mittellauf der Mur war zunächst mit der Hengistburg bei Wildon gegeben" (1260), die jedoch bei der Wiedereroberung von den Ungarn bis auf die Grundfesten zerstört wurde. Graz war damals, Mitte des 11. Jahrhunderts, noch eine kleine Burgsiedlung slawischen Ursprungs, weshalb sich das Schwergewicht nach Norden verlagerte. Von dieser sogenannten oberen Mark aus, die vier Grafschaften im Ennstal, um Judenburg, um Leoben und im Mürztal umfaßte, wurde später das Herzogtum Steiermark begründet. Um das Jahr 1000 wurden diese vier Grafschaften ebenso wie die Karantanenmark von Adalbero von Eppenstein verwaltet, dessen Familie sich nach ihrer Burg bei Judenburg nannte. Während der Jahre 1012—1035 war Adalbero auch Herzog von Kärnten. Nach seiner Absetzung durch den mit den Eppensteinern verfeindeten Kaiser Konrad II. kam die Karantanenmark an die bayrischen Grafen von Wels und Lambach, deren Haus um 1050 unterging. Ihnen folgte im Amte des Markgrafen die in der Chiemseegegend begüterten Otakare. Nur die Grafschaft Pitten im Aspangtale fiel mit einem Großteil des Welser Familiengutes an den Grafen Ekbert von Formbach, der in diese Familie hineingeheiratet hatte. Als die Formbacher 1158 ausstarben, kam auch das Pittener Gebiet mit dem Hauptort Neunkirchen unter die Herrschaft der Otakare. Diese haben „in den steirischen Marken und Grafschaften jenes Einigungswerk vollzogen, welches in Österreich den Babenbergern gelang. Die Otakare haben aber dem neuen Land auch den Namen gegeben, den ihrer Hauptburg Steyr an der Enns, nach der sie sich als ,marchiones de Stire' bezeichneten" (1260). Zur Ausbildung des Landesfürstentums in der Steiermark mußten ähnliche Widerstände überwunden werden wie in Österreich. Durch Erbschaften und Erwerbungen wuchs das Land. Entscheidend war für die Steiermark das Aussterben der Eppensteiner (1122), das dem Markgrafen Leopold „dem Starken" einen wahrhaft fürstlichen Landbesitz einbrachte. Auch Güter an der Drau und im Sanntal kamen auf dem Erbweg dazu, und 1158 konnte auch der Pittner Besitz zwischen Semmering, Wechsel und der Piesting erworben werden. Im Jahr 1180 wurde dann Markgraf Otakar IV., um Heinrich den Löwen zu demütigen, zum Herzog erhoben, wobei er auch das bayrische Gebiet zwischen der Enns und dem Hausruck erhielt. Der erste Herzog war auch der letzte seines Geschlechtes. Am 17. August 1186 schloß er, unheilbar krank und ohne Hoffnung auf Leibeserben, mit Leopold V. von Österreich einen Vertrag über die Nachfolge der Babenberger in der Steiermark. 1192 schon trat der Erbfall ein. Der Großteil des an Österreich gefallenen Gebietes bildete auch weiterhin ein eigenes Land „Steiermark". Das Herzogtum Kärnten des späteren Mittelalters „war wesentlich kleiner als das alte Karantanien, zu dem bekanntlich auch die Gebiete der späteren Steiermark, Krains, ja selbst Niederösterreichs, etwa das Pittener Land, gehört hatten". Die politische Geschichte Kärntens ist in der Zeit der Ottonen und der salischen Kaiser ebenso bewegt wie unübersichtlich. Es sei nur angemerkt, daß 976, im gleichen Jahre, in dem die Babenberger erstmals als Markgrafen von Österreich erwähnt werden, Kärnten als eigenes Herzogtum von Bayern abgetrennt und einem Luitpoldinger verliehen wurde. Eine eigene Dynastie entstand erst, als das Land von Heinrich IV. an Leopold aus dem schon genannten Hause der Eppensteiner übertragen wurde, das jedoch schon 1122 ausstarb. Kaiser Heinrich V. verlieh nun Kärnten dem Grafen Heinrich von Lavant aus der rheinfränkischen Familie der Grafen von Spanheim (Sponheim), jedoch ohne die Mark Verona, die die 115

Eppensteiner innegehabt hatten. Die Spanheimer fanden in Kärnten keine leichte Aufgabe vor, da die Immunitätsherrschaft Bambergs zu Villach und Griffen sowie Salzburgs zu Friesach und überdies die Stärke des Landesadels die Ausbildung eines einigermaßen geschlossenen Landesfürstentums behinderten, die erst im 13. Jahrhundert gelang. Aber auch den Spanheimern war keine lange Lebensdauer beschieden. 1269 starb ihr Haus aus und Kärnten gelangte 1286 an Meinhard von Tirol. Das dritte der drei innerösterreichischen Länder (die Bezeichnung „Innerösterreich" kam allerdings erst zu Anfang des 17. Jahrhunderts auf), Krain, wurde zum erstenmal 973 als Mark erwähnt, hatte aber noch nicht den spätem Umfang erreicht. Es galt noch längere Zeit als Bestandteil des Herzogtums Kärnten. Die Krainer Markgrafen waren ebenso wie die des benachbarten Istrien dem Kärntner Herzog untergeordnet. Unterkrain gehörte eine Zeitlang dem Patriarchat Aquileja an, während Oberkrain teils Immunitätsbesitz der Bistümer Brixen und Freising war, teils zum Eigenbesitz der Grafen Weimar-Orlamünde gehörte. Nach deren Aussterben (nach 1141) gelangte das Land zuerst an die verschwägerten Spanheimer, dann an die Grafen von Bozen und schließlich für ungefähr 30 Jahre an die Andechs-Meranier. Nach der über Heinrich IV. 1209 ausgesprochenen Reichsacht erhielten die Patriarchen von Aquileja Istrien zurück, konnten sich aber dieses Besitzes infolge ihrer Rivalität mit Venedig nicht ungestört erfreuen. Einen großen Teil des istrischen Binnenlandes besaßen später die Grafen von Görz, die auch in Ostfriaul, in Krain und Kärnten (Lessach- und Mölltal einschließlich Lienz) begütert waren. Auch andere Geschlechter hatten in Krain umfangreiche Besitzungen inne, so die Andechser u. a. Stein, die Spanheimer Laibach, Krainburg und Landstraß. Durch die Lostrennung der Marken und Grafschaften im Osten und Süden war die Gewalt des Herzog auf das Gebiet Kärntens vor 1919 mit dem angrenzenden Teile Tirols beschränkt worden. Nur die Bezirke von Windischgraz, Murau und wahrscheinlich auch die Mark an der Sann (ebenso die von Cilli) gehörten damals noch zu Kärnten, nicht zu Steiermark. Die Mark von Cilli entwickelte sich später zu einer eigenen, auch durch Münzen vertretenen Grafschaft. Alles in allem eine bunte Folge wechselnder Besitzverhältnisse, die sich zu einem beachtlichen Teile auch auf das Münzwesen dieser Gegenden auswirkte. Die Landesgrenzen blieben noch so lange im Fluß, bis sich durch den allmählichen Anfall an das Haus Habsburg, durch eine einheitliche oder zumindest die Einheit anstrebende Verwaltung und die immer stärkere Ausbildung des Landesfürstentums auch die territorialen Verhältnisse festigten. Es wurde oben mehrfach von geistlichen und weltlichen Immunitätsgebieten innerhalb der von weltlichen Fürsten regierten Länder gesprochen, die als größere oder kleinere Enklaven deren Territorium durchsetzten. Es seien hier nur jene hervorgehoben, die durch die Errichtung eigener Münzstätten in und für diese Besitzungen auf innerösterreichischem Gebiet in Betracht kommen. Nur eines dieser geistlichen Fürstentümer hat sich im Ostalpenraum auch zu einem weltlichen Landesfürstentum entwickelt: Salzburg, dessen Erzbischof im Kerngebiet seiner Kirchenprovinz schon frühzeitig eine weltliche Machtstellung erlangt hatte. So kam es, daß zu einer Zeit, da es in den Ostalpenländern nur vom Reiche abhängige Marken, aber noch lange keine landesfürstliche Gewalt gab, der Salzburger Erzbischof Hartwig auch bereits das Münzregal erhielt (996). Außerhalb des geschlossenen Territoriums des Erzbistums aber besaß er in fast allen österreichischen Ländern mit dem Immunitätsrecht ausgestattete Streubesitzungen, in denen er überall gerichtsherrliche Gewalt, ferner Berg-, Münz- und Zollrechte ausübte. Der zu Friesach geprägte Pfennig war lange Zeit die wichtigste Münze im Ostalpengebiet und weit darüber hinaus in Ungarn, ja teilweise sogar in den nördlichen Balkanländern verbreitet. 116

Diese Ausstattung geistlicher Gewalt mit so großem Landbesitz und weltlichen Hoheitsrechten hängt mit der frühmittelalterlichen christlichen Mission aufs engste zusammen, um die sich insbesondere Salzburg durch den Rheinländer Rupert und den Iren Virgil verdient gemacht hatte. Ihre Nachfolger setzten deren Bildnis in dankbarem Gedenken seit dem 16. Jahrhundert auf die von ihnen geprägten Münzen. An zweiter Stelle ist das fränkische Bistum Bamberg zu nennen, dessen Bischof Gunther in Villa que vocatur Villach . . . mercatum liberum . . . cum banno, monetariis, monetis, theloneis . . . 1060 von Heinrich IV. verliehen erhielt. Bamberg hat dieses Münzrecht sowohl zu Villach als auch seit 1242 zu Griffen, beide in Kärnten, ausgeübt. Die Bischöfe von Freising in Bayern schlugen Münzen zu Gutenwört in der Windischen Mark, einem Orte, der längst nicht mehr besteht und als Hofmark am Unterlauf der Krainer Gurk, etwa auf halben Weg zwischen Rann und Einöd, lag. Neben Salzburg haben auf ehemals österreichischem Gebiet auch das Patriarchat Aquilej a, die Tiroler Bistümer Brixen und Trient sich zu weltlichen, ebenfalls mit dem Münzrecht begabten Landesfürstentümern entwickelt. Auch das Bistum Triest, dessen Geschichte enge mit der Istriens verknüpft ist, hatte Herrscherrechte über Stadt und Gebiet auf Grund königlicher und kaiserlicher Gnadenbriefe ausgeübt, die bis ins 10. Jahrhundert zurückgehen. Mit dem Beginn des 12. Jahrhunderts tritt in Görz, dessen Gebiet und Stadt Kaiser Otto III. dem Patriarchen Johann von Aquileja zur Hälfte geschenkt hatte, ein neues Geschlecht auf den Plan, dessen Angehörige bis zu ihrem Aussterben im Jahre 1500 die Herrscher von Stadt und Gebiet Görz waren. Ausgangspunkt der Machtstellung dieses Hauses, zweifellos aribonischer Herkunft aus dem Kärntner Lurngau, war die Vogtei über das Patriarchat Aquileja, also die Wahrnehmung weltlicher Rechte, vor allem der weltlichen Gerichtsbarkeit, die zu den einträglichsten Einnahmsquellen der Vögte gehörte und auch von den Görzer Grafen auf Kosten des Hochstiftes rücksichtslos ausgenützt wurde. Die Besitzungen der Görzer Grafen, über die sie als selbständige Landesherren verfügten, waren vielfältig und reich. Ihre Grenzen deckten sich aber auch hier nicht mit denen der „gefürsteten Grafschaft", wie Görz unter den Habsburgern hieß. „Einigermaßen geschlossen war nun das Gebiet vom Wippachfluß bis zum Isonzo im Umkreis der Stadt . . . und nördlich bis in die Talenge der Ronzina. Westwärts gehörten ohne feste Grenzen viele vereinzelte Besitzungen den Grafen, die auch in der friaulanischen Ebene bis an den Tagliamento begütert waren. Der Oberlauf des Isonzo mit Tolmein, als dem Mittelpunkt der Verwaltung, kam wahrscheinlich erst nach dem Sturze der Patriarchenherrschaft zur Grafschaft. Zahlreiche Besitzungen auf dem Karste: Duino, Senosetsch, Prem usw. leiteten zur Grafschaft Istrien hinüber, die schon im 12. Jahrhundert in den Händen der Görzer Grafen war; noch weiter östlich lag jenes Gebiet in der windischen Mark und im Möttlinger Boden, das 1374 nach dem Tode des Grafen Albert (IV.) nebst der Grafschaft Istrien zu Krain kam. Uralter Familienbesitz lag im Pustertal und in Oberkärnten usw. Den Höhepunkt seiner Macht erreichte das Geschlecht um die Mitte des 13. Jahrhunderts, als dem Grafen Meinhard III. das halbe Erbe nach Albert, dem letzten Grafen von Tirol zufiel. Allein dessen Söhne teilten (1267—1272) den Besitz: Meinhard IV. (in Tirol Meinhard II.) erhielt Tirol bis zur Haslacher Klause und erwarb hiezu 1286 auch Kärnten, der jüngere Albert (II.) die Güter im Pustertale von der Haslacher Klause abwärts, die Pfalzgrafschaften in Kärnten (zu der fast das ganze Gailtal gehörte), die Grafschaften Görz und Besitzungen in Krain und der windischen Mark" (686). Unter diesem, schon öfters kurz erwähnten Gebiet versteht man den von Slowenen (Winden) bewohnten 117

Landstrich im südöstlichen Krain, zwischen Save, Gurk und Kulpa. Später ging der Name auf ganz Unterkrain über. Meinhards Linie erlosch 1335 im Mannesstamme; das Geschlecht endete, durch wiederholte Güterteilungen und schlechte Wirtschaft in seiner Macht geschwächt, im Jahr 1500 ruhmlos mit Graf Leonhard, worauf Maximilian I. auf Grund von Erbverträgen die in ihrem ehemaligen Besitzstand stark geschmälerte und überdies sehr verschuldete Grafschaft besetzte. Die Görzer Grafen haben auf Grund ihrer nahen Verwandtschaft wiederholt, aber vergeblich versucht, ihre Ansprüche auf Tirol durchzusetzen. Doch hier hielt sich die andere Linie ihres Hauses noch über ihr Erlöschen im Mannesstamme hinaus. Hier, im „Land im Gebirge", wie Tirol noch zu Ende des 13. Jahrhunderts hieß, hatte sich eine eigene Landesherrlichkeit ebenfalls erst recht spät durchsetzen können. In karolingischer Zeit und unter den Ottonen war es in mehrere Grafschaften geteilt gewesen, von denen die nördlichen zum Herzogtum Bayern gehörten, während die südliche, die ehemals langobardische Grafschaft zu Trient, zur Mark Verona gerechnet wurde. Kein zweites Land des alten Österreich war unter so schwierigen Verhältnissen erwachsen, in keinem war die Herrschergewalt in so viele, vor allem geistliche Machthaber zersplittert. Das Erzstift Salzburg besaß das Ziller- und das Deffreggental, das Bistum Chur gebot im Vintschgau, Regensburg im Unterinntal. Auch die Bistümer Bamberg, Freising und Augsburg sowie zahlreiche bayrische Klöster hatten hier Besitzungen. Die beiden einheimischen Bistümer Brixen und Trient aber wuchsen, wie bereits erwähnt, allmählich zu reichsunmittelbaren Territorien von beträchtlichem Umfange an. Diese auffallende Bevorzugung der geistlichen Macht vor der weltlichen hatte einen reichspolitischen Hintergrund: die deutschen Herrscher mußten alles daransetzen, die Alpenpässe, vor allem den Brenner, für ihre Heereszüge freizuhalten, sie in verläßliche Hände zu bringen. In den von ihnen ernannten Bischöfen erblickten sie eine Hauptstütze ihrer Italienpolitik. Das Hochstift Brixen erhielt daher von ihnen eine Grafschaft, die sich von Klausen durch das Eisacktal über den Brenner und innabwärts bis zur Ziller erstreckte, während Trient mit der Grafschaft Bozen, die eisackaufwärts bis Klausen und auf dem linken Etschufer bis unterhalb Meran reichte, sowie mit dem Vintschgau das obere Etschtal bis Punt Ota (Pontalt) im Engadin umfaßte. Die beiden Bischöfe aber behielten die so erworbenen Grafschaften nicht unmittelbar in ihren Händen, sondern gaben sie an Adelsgeschlechter weiter, so daß sich statt zweier geistlicher Fürstentümer die weltliche Grafschaft Tirol bildete. Nur den italienischen Teil der Grafschaft Trient ließen die Bischöfe durch ihre eigenen Beamten verwalten. Seit 1140 nannte sich ein Grafengeschlecht nach seiner an der Stätte des römischen Teriolis erbauten Burg bei Meran Grafen von Tirol, ein Name, der nach dem Aussterben des Hauses auf das Land selbst überging. Die Grafen unterstützten gleich den anderen Adelsfamilien des Erblandes die Staufer in ihren italienischen Kämpfen und waren auch sonst politisch eifrig tätig. „Namentlich der letzte seiner Familie, Graf Albert, war ein energischer und erfolgreicher Staatsmann. Da er 1253 ohne männliche Nachkommen starb, wurde freilich eine andere Familie, die der Görzer, Nutznießer der Einigungsarbeit der Grafen von Tirol" (1260). Zu dieser Zeit war die Ausbildung des Landesfürstentums im Tiroler Raum noch nicht abgeschlossen, aber doch schon in die Wege geleitet. Erst im 19. Jahrhundert kam die Bildung eines eigenen Landes Vorarlberg nach einem ungemein langwierigen Prozeß zustande. Als Land hat Vorarlberg selbst nie Münzen geprägt; denn was heute mit diesem Namen bezeichnet wird, das hatte im Mittelalter weder einen Gesamtnamen noch ein eigenes Landeswappen, da es die lose Vereinigung 118

reichsunmittelbarer Gebiete war, die man in Österreich nach ihrer Lage als die vier (seit 1765 fünf) Herrschaften vor dem Arlberg bezeichnete. Sie hatten den Montfortern und den verwandten Grafen von Werdenberg gehört, die zu den mächtigsten Dynastengeschlechtern des Bodensees zählten, aber allmählich durch schlechte Wirtschaft und fortgesetzte Teilungen völlig verarmten. Von diesen beiden Familien haben nur die Montfort eigene Münzen geschlagen, aber nur im Mittelalter auf dem Boden des heutigen Bundeslandes, wo sie als Herren von Feldkirch im 13. Jahrhundert, am Höhepunkte ihrer Macht, das Münzrecht ausübten. In der neueren Zeit haben die Grafen von Montfort nicht mehr auf österreichischem Gebiet, sondern im heutigen Württemberg gemünzt, da sie die Herrschaften Feldkirch und Bludenz schon Ende des 14. Jahrhunderts an die Herzoge von Österreich verkauft hatten. Nach dem Aussterben der Babenberger im Mannesstamme behandelte Kaiser Friedrich II. die babenbergischen Besitzungen mit vollem Rechte als heimgefallene Reichslehen, die er durch Statthalter verwalten ließ. Der Papst aber, der den Staufer gebannt hatte, vertrat dagegen das Erbrecht der weiblichen Mitglieder der Babenberger, insbesondere der Nichte des letzten männlichen Babenbergers, Friedrichs des Streitbaren, Gertrude, Tochter seines 1228 verstorbenen älteren Bruders Heinrich. Der österreichische höhere Landadel aber sympathisierte mit der Schwester Margarete des in der Schlacht an der Leitha (1246) im Kampfe gegen die Ungarn gefallenen Herzogs. Kaiser Friedrich mußte den alten Plan, Österreich und Steiermark staufisch zu machen, aufschieben. Aber vier Jahre nach dem Tode seines österreichischen Namensvetters starb auch er. So entstand nun sowohl im Reiche als auch in den verwaisten babenbergischen Ländern ein herrenloser Zustand, ein Interregnum. Der böhmische Kronprinz Öttokar griff nach Österreich, König Béla IV. von Ungarn nach der Steiermark. Zwischen den beiden Rivalen kam es zu schweren Kämpfen, die erst 1254 durch einen Friedensschluß beigelegt wurden. Ungarn behielt wohl die Steiermark, mußte aber den nördlich von Wechsel und Semmering gelegenen Bezirk Pitten samt Wiener Neustadt sowie das Traunviertel, die früher zu Steiermark gehört hatten, dem Böhmen abtreten, der es mit Österreich vereinigte. Die so geschaffene neue Landesgrenze blieb fortan bestehen. So hatte Ottokar, seit 1253 auch König von Böhmen, nach endgültiger Vertreibung der Ungarn das ganze babenbergische Erbe wieder vereinigt. 1270 besetzte er nach dem kinderlosen Tode Ulrichs III. von Kärnten auch dieses Land samt Krain und der Windischen Mark. Sie alle ertrugen die strenge Regierung des Böhmen als Fremdherrschaft nur mit Murren. Als im Jahre 1273 Rudolf von Habsburg zum deutschen König erwählt und damit „der kaiserlosen, der schrecklichen Zeit" ein Ende gesetzt wurde, zeigte sich der neue Herrscher vom Tage seiner Wahl an entschlossen, nicht nur die verfallene Ordnung wiederherzustellen, sondern auch die Ansprüche des Reiches auf das Erbe der Babenberger und Spanheimer zur Geltung zu bringen. 1276 mußte Ottokar auf alle seine neuen Erwerbungen verzichten, wodurch sein Traum, eine Herrschaft von der Ostsee bis zur Adria aufzurichten und damit einen mächtigen Block zwischen das Deutsche Reich und Ungarn zu stellen, sich in nichts auflöste. Er konnte sich damit nicht abfinden; beim Versuch, den Verlust mit Waffengewalt zurückzugewinnen, verlor er 1278 im Kampfe gegen Rudolf von Habsburg Schlacht und Leben. Der König trachtete nun durch kluge Politik das babenbergische Erbe seinen beiden Söhnen Albrecht und Rudolf zuzuwenden. Nachdem alle Hindernisse, die diesem Plane entgegenstanden, aus dem Wege geräumt waren, konnte Rudolf zu Weihnachten 1282 die beiden in den Reichsfürstenstand erheben und sie unter Zustimmung der Kurfürsten mit Österreich, Steiermark, Krain und der windischen Mark belehnen, desgleichen auch mit 119

Kärnten, das jedoch 1286 wieder abgetrennt und dem Grafen Meinhard von Görz, Rudolfs getreuem Paladin, verliehen wurde. Als in den österreichischen Landen Bedenken gegen die Gesamtbelehnung vorgebracht wurden, erklärte der König 1283, daß Österreich, Steiermark und Krain dem Herzog Albrecht und dessen Nachkommen zustünden, Rudolf aber mit Geld entschädigt werden solle. Nun vollzog sich in verhältnismäßig rascher Folge der Anfall der noch unter eigenen Landesherren stehenden weltlichen Gebiete an das Haus Habsburg, das schon in Österreich und der Steiermark herrschte. Den Anfang machte im Jahre 1335 Kärnten samt Krain und Istrien, wo 1382 auch Triest sich durch freiwilligen Anschluß der drohenden Vergewaltigung durch Venedig entzog ; 1363 gelang es RudolflV. dem „Stifter", Tirol von der letzten Meinhardinerin, Margaretha Maultasch, zu erwerben. 1375 setzten die Herzoge von Österreich durch Ankauf der Herrschaften Feldkirch und Bludenz mit dem Tal Montafon auch nach Vorarlberg ihren Fuß; 1451 kam noch eine Hälfte der Grafschaft Bregenz, 1523 die andere dazu, indem Erzherzog Sigmund, dann Erzherzog Ferdinand, der spätere Kaiser, sie von den Grafen von Montfort-Bregenz kauften. Schließlich sei auch noch der Grafschaft Cilli gedacht, die den tatkräftigen Freien von Sonneck gehörte. Seit dem 14. Jahrhundert nannten sie sich Grafen von Cilli und hatten einen so reichen Güterbesitz angekauft, daß er 1436 zu einer gefürsteten Grafschaft erhoben wurde. Durch Verschwägerung mit den Luxemburgern, den Piasten, den Jagelionen und den Königen von Bosnien herrschten sie von Oberkärnten über Krain und die südliche Steiermark bis tief nach Kroatien, wo sie Herren der Grafschaft Zagorien waren. Aber 1456 wurde der letzte dieses „unbändigen" Geschlechtes zu Belgrad von politischen Gegnern ermordet. „Das reiche Cillier Gut — der Keim zu einem unabhängigen Groß-Kroatien — zersplitterte, die Besitzungen in Innerösterreich fielen an Kaiser Friedrich III., die Grafschaft Zagorien verblieb bei Kroatien" (689). Als dann 1500 durch den Tod des letzten Grafen Leonhard auch Görz an das Haus Habsburg fiel, hatte dieses, wenn wir von dem noch bestehenden geistlichen Immunitätsbezirk absehen, einen abgeschlossenen und abgerundeten Besitz. Ungefähr um diese Zeit hatte auch die seit dem Vertrag von 1379 zu Neuberg in der Steiermark vereinbarte Länderteilung zwischen Albrecht III. und Leopold III. in eine albertinische und eine leopoldinische Linie durch Erlöschen der albertinischen Linie mit Ladislaus Postumus (1457) zu bestehen aufgehört. Eine Kräftezersplitterung, die beinahe böse Folgen für die Erblande gehabt hätte, da der Gegensatz im Herrscherhause auch auf die Länder übergriff. Und auch in der leopoldinischen Linie herrschte keine Einigkeit, da die beiden jüngeren Söhne Leopolds III., der 1386 im Kampf gegen die Eidgenossen bei Sempach gefallen war, Emst und Friedrich IV., den ihnen als väterliches Erbe zugefallenen Besitz ebenfalls teilten. Ernst erhielt Innerösterreich, Friedrich IV. „mit der leeren Tasche" aber Tirol und die Vorlande. Erst als dessen Sohn Sigmund seinem Neffen Maximilian von einem anderen Zweige dieser Linie sein Gebiet abtrat, vereinigte dieser endlich den habsburgischen Gesamtbesitz wieder in einer Hand. Noch ein Wort über die eben genannten Vorlande, später auch Vorderösterreich genannt; es waren dies in der Nachbarschaft älterer habsburgischer Besitzungen im Schwarzwald die Landgrafschaft Breisgau mit der Stadt Freiburg; dann solche in der Schweiz und in Schwäbisch-Österreich oder Österreichisch-Schwaben, unter denen monetär die Markgrafschaft Burgau zwischen Lech, Donau und Iiier hervorragt, schließlich Vorderösterreich im engeren Sinne, d. h. die gesamten im Bereich des Hoch- und Oberrheines einschließlich des Schwarzwaldes und der Baar gelegenen Herrschaften; während alles andere seit Maximilian I. der Innsbrucker oder oberösterreichischen Regierung unter120

stand, war Vorderösterreich dieser nur mittelbar untergeordnet, da es in Ensisheim im Oberelsaß bis zum Westfälischen Frieden 1648, der das Elsaß Frankreich zusprach, eine eigene vorderösterreichische Regierung besaß.

B. Die Länder der Wenzelskrone Keines der Länder der ehemaligen Monarchie, auch nicht Ungarn, war von Natur aus so begünstigt, sich zu einem einheitlichen Staate zu entwickeln, wie Böhmen. Rings von Gebirgen umgeben, war ihm sein Territorium von den ältesten Zeiten her vorgezeichnet. Aber trotzdem hat es auch hier lange gedauert, bis die Gunst der Lage zur Bildung einer politischen Einheit voll ausgenützt wurde. Bis zum Ende des 9. Jahrhunderts werden in Böhmen von den fränkischen Schriftstellern zwar stets eine größere Zahl von Fürsten (duces) nebeneinander, aber nie ein Herr des ganzen Landes erwähnt. Böhmen und Mähren galten seit dem Ende der Awarenzüge als dem Frankenkönig Untertan, doch waren diese Länder für die Karolinger ein recht unsicherer Besitz, der schließlich an das aufstrebende Großmährische Reich verlorenging, als dieses seine Macht auch über Böhmen erstreckte. Nach der vernichtenden Niederlage des bayrischen Heerbanns gegen die ungarischen Reiterscharen bei Preßburg 907 erlag auch das Großmährische Reich dem ungarischen Ansturm. Trotz ihrer Unterwerfung unter die Oberhoheit zuerst der fränkischen und dann des Großmährischen Reiches hatten die Tschechen in Böhmen ihre innere Selbständigkeit wahren können. Von ihren Stammesfürsten war das Geschlecht der Przemysliden, das über die mittleren Teile des Landes herrschte, zu größerer Macht gelangt, die sie anfänglich noch mit den mit polnischen Herrschern verbündeten Slavnikiden teilen mußten. Im Laufe des 10. Jahrhunderts gelang es aber den Przemysliden nach Verdrängung der übrigen Fürstenfamilien, die Alleinherrschaft über Böhmen zu begründen; als sie im Jahre 995 auch das Haus der Slavnik ausgerottet hatten, gewann ihr Herrschaftsgebiet ungefähr den Umfang, den das spätere Königtum Böhmen bis 1918 besessen hatte. Im Westen reichte es bis zum Egerländchen, nordöstlich bis Glatz. Die Herrscher aus dem Hause der Przemysliden sind deutsche Reichsfürsten gewesen; seit 1257 waren sie sogar Kurfürsten. Wratislav II. (1061 — 1092) erhielt für seine im Investiturstreit bewiesene Treue von Heinrich IV. für seine Person den Titel eines Königs von Böhmen und Polen. Ein Jahrhundert später (1158) erhielt Wladislav II. von Friedrich I. in Anerkennung seiner Kriegsdienste gegen die lombardischen Städte für sich und seine Nachfolger die Königskrone, verlor sie aber nach wenigen Jahren wieder infolge einer eigenmächtigen Handlung. Um sich für die Zukunft zu sichern, suchte Barbarossa überdies die Macht seines Vasallen durch Teilungen zu schwächen, indem er unter anderem 1182 Mähren von Böhmen abtrennte und zu einer eigenen Markgrafschaft erhob. Nach dem Tode Kaiser Heinrichs VI. gelang es schließlich unter Przemysl Ottokar I. den früheren Zustand zum Teil wieder herzustellen und die Königswürde dem Hause fortan zu sichern. Dessen Sohn, Przemysl Ottokar II., seit 1247 Markgraf in Mähren, 1253 auch Herrscher in Böhmen, verstand es, wie bereits erwähnt, sein Reich bis zur Adria auszudehnen. Sein Machttraum aber ging nur zu bald zu Ende, als er 1278 auf dem Marchfelde im Entscheidungskampfe gegen König Rudolf I. von Habsburg Schlacht und Leben verlor. Sein Haus erlosch schon 1306 mit Wenzel III. König Albrecht I., der Sohn Rudolfs I., verlieh Böhmen und 121

Mähren als erledigte Reichslehen seinem ältesten Sohne Rudolf. Nach dessen frühen Tode (1307) aber wählten die böhmischen Großen, obwohl sie eidlich gelobt hatten, Böhmen beim Hause Habsburg zu lassen, zuerst den Herzog Heinrich von Kärnten, Gemahl der ältesten Schwester Wenzels III., der aber bald ihre Gunst verlor. Im Jahre 1310 belehnte König Heinrich VII. dann seinen Sohn Johann von Luxemburg mit Böhmen und Mähren, der sich mit der jüngeren Schwester des letzten Przemysliden vermählte. Johanns Sohn Karl, der als der IV. dieses Namens seit 1347 auch die Krone des Deutschen Reiches trug, benützte diese Stellung vor allem zur Mehrung seiner Hausmacht, indem er unter anderem die von seinem Vater zum Teil begründete Lehensherrlichkeit der Krone Böhmens über ganz Schlesien erweiterte und die Lausitz, Oberpfalz und Brandenburg seinem Hause gewann. Im Jahre vor seinem Tode teilte er seine Länder: seinem ältesten Sohne Wenzel (IV.), der ihm auch im Reiche nachfolgte, gab er Böhmen, Schlesien, die luxemburgischen Besitzungen in Bayern, Sachsen und Franken, einen Teil der Lausitz sowie die Oberlehensherrlichkeit über die Lande seiner übrigen Söhne. Von diesen wurde Sigmund Kurfürst von Brandenburg, während der dritte und letzte, Johann, den Rest der Lausitz mit dem Titel eines Herzogs von Görlitz erhielt. Unter Wenzel IV. aber begann infolge seiner üblen Charaktereigenschaften alsbald der Verfall des von Karl IV. zur führenden Macht im Reiche gediehenen Landes. Adelsverschwörungen, religiöse und politische Zerwürfnisse, nicht zuletzt auch der erstarkende tschechische Nationalismus spalteten Böhmen in einander feindlich gegenüberstehende Lager. Die Erregung erreichte ihren Höhepunkt, als das Konzil von Konstanz den Magister Johann Hus der Ketzerei schuldig befand und verbrennen ließ. Die darauf einsetzende hussitische Reformbewegung löste einen langjährigen, erbitterten Bürgerkrieg aus, der auch auf österreichisches und oberungarisches Gebiet übergriff und sich immer mehr zu einem nationalen Kampfe gegen das deutsche Bürgertum zuspitzte. Der allgemeine Landtag von Caslau erklärte 1421 Sigismund, der bereits deutscher und ungarischer König war, der böhmischen Krone für verlustig und setzte eine provisorische Regierung ein. Erst ein Jahr vor seinem Tode im Jahre 1437 konnte Sigmund in Prag feierlich einziehen. Mit ihm erlosch der Mannesstamm der Luxemburger. Nach den Bestimmungen der Thronfolgeordnung von 1347 war das Erbrecht von Sigmunds einziger an Herzog Albrecht V. von Österreich vermählter Tochter Elisabeth nicht zweifelhaft. Aber der Habsburger wurde von den Hussiten abgelehnt. Nach seinem baldigen Tode 1439 wurden auch Elisabeth und ihr Sohn Ladislaus Postumus nur von den Schlesiern, den Lausitzern und von Mähren anerkannt. Als Postumus 1457 unvermählt starb, wurde in Mißachtung der Erbrechte der frühere Reichsverweser Georg Podiebrad aus dem Hause Kunstat zum König gewählt. Aber auch er regierte, obwohl beim Volke beliebt, recht unglücklich und führte das Land abermals an den Rand des Verderbens. Als er 1471 starb, stand er im Kriege gegen den Ungarnkönig Matthias Corvinus, der Mähren und Schlesien erobert hatte und Anspruch auf die Wenzelskrone erhob, dem aber in dem polnischen Prinzen Wladislav Jagello ein Gegenkönig entstand. Erst 1478 konnte der Frieden zwischen den beiden Prätendenten auf Grundlage des damaligen Besitzstandes und gegen Anerkennung des böhmischen Königstitels für Matthias geschlossen werden. Als der Corvine 1490 zu Wien starb, gewann der Pole nicht nur Mähren und Schlesien zurück, sondern auch die Krone Ungarns hinzu. Unter der schwachen Regierung von Wladislav (f 1516) und seines Sohnes Ludwigs II. (f 1526) nahm in Böhmen wie in Ungarn die Zerrüttung der königlichen Gewalt zugunsten des Adels immer mehr zu. Die zwischen Kaiser Maximilian I. und Wladislav im 122

Jahre 1515 zu Wien verabredete Doppelhochzeit zwischen den beiden Herrscherhäusern brachte wohl vorübergehend eine Kräftigung, aber alle Hoffnungen brachen mit der Niederlage und dem Tod des jungen Ludwig in der Türkenschlacht bei Mohäcs jäh zusammen. Einige Worte über den Besitzstand außerhalb von Böhmen. Die südostdeutschen Herzogtümer, die Przemysl Ottokar II. nach dem Aussterben der Babenberger und der Spanheimer an sich gebracht hatte, mußte er im Wiener Frieden von 1276 an König Rudolf von Habsburg abtreten. Das gleiche war mit E g e r der Fall, das früher eine Reichsstadt gewesen war. Als sich dann Ludwig von Bayern 1314 um die deutsche Krone bewarb, verpfändete er Stadt und Land Eger dem Böhmenkönig Johann von Luxemburg um 20.000 Mark Silber, was 1322 in Kraft trat. Doch wurde Eger nicht mit Böhmen vereinigt, sondern dem König und dem von diesem ernannten Hauptmann unterstellt. Das B a u t z n e r Land oder Budisin und Görlitz war schon 1076 dem Herzog Wratislaw II. von Böhmen verliehen worden, kam dann zwar nach einigen Unterbrechungen als Mitgift einer Schwester Przemysl Ottokars II. an Brandenburg, aber unter König Johann wieder an Böhmen zurück, der 1329 auch noch Görlitz dazukaufte. Die Markgrafschaft ( N i e d e r - ) L a u s i t z erwarb Kaiser Karl IV. 1364 zuerst als Pfand, 1367 aber dauernd durch Kauf. Ein Teil Schlesiens hatte schon im 10. Jahrhundert zu Böhmen gehört; nach der Eroberung durch den Piastenherzog Boleslav Chrobry von Polen (999) blieb es mit diesem Reiche vereint, bis dieses 1138 unter die Söhne Boleslav III. geteilt wurde. Schlesien zerfiel 1163 in zwei Herzogtümer und löste sich im Laufe des 13. Jahrhunderts in zahlreiche Fürstentümer auf. Als der Böhmenkönig Wenzel II. Ansprüche auf das erledigte Herzogtum Krakau erhob, versprachen ihm die Herzoge von Teschen und Oppeln Heeresfolge in allen seinen Kriegen, nachdem sein Bruder Kasimir von Beuthen schon zwei Jahre vorher die Lehenshoheit Böhmens anerkannt hatte. Als bald darauf (1306) die Przemysliden ausstarben, ging, wie die Herrschaft Böhmens über Polen, auch die Lehenshoheit über diese Teile Oberschlesiens verloren. Jedoch König Johann konnte sie wiederherstellen, so daß die Oberhoheit der böhmischen Herrscher über ganz Oberschlesien erneut gefestigt war. 1327 trat auch der kinderlose Heinrich VI. von Breslau sein Herzogtum an Johann gegen eine Jahresrente auf Lebensdauer ab. Auch Glogau fiel ihm zu, ebenso waren die Herzoge von Liegnitz-Brieg, Steinau, Sagan, Oels und Münsterberg genötigt, ihre Länder vom Böhmenkönig zu Lehen zu nehmen. Die letzten schlesischen Fürstentümer erwarb Karl IV. durch seine Heirat mit Anna, der Nichte und Erbin des kinderlosen Herzogs Bolko von Schweidnitz und Jauer, nach dessen Tod (1368) auch diese Länder an Böhmen kamen. Bei dem Aussterben einiger dieser plastischen Linien fielen von diesen Fürstentümern die einen schon im 14. Jahrhundert, die anderen im 16. Jahrhundert an Böhmen; sie wurden dann zum Unterschiede von den noch in den Händen der Piasten verbliebenen Territorien „Erbfürstentümer der Krone Böhmens" genannt. Jüngere Fürstengeschlechter kamen in Schlesien zur Herrschaft, als Przemysl Ottokar II. das Gebiet von Troppau nebst einigen Städten, darunter Jägerndorf, von Mähren abtrennte und seinem legitimierten Sohne Nikolaus als Fürstentum verlieh, ferner dadurch, daß Kaiser Friedrich III. die Söhne König Georgs von Podiebrad, denen ihr Vater Troppau, Münsterberg, Oels und Glatz gegeben hatte, in den Reichsfürstenstand erhob. Andere schlesische Gebiete wiederum wurden Böhmen entfremdet, unter anderem das Herzogtum Auschwitz, das 1457 an Polen verkauft wurde, und das Herzogtum Sagan, das Sachsen erwarb, wobei jedoch die Lehenshoheit der polnischen Krone vorbehalten blieb. 123

C. Die Länder der Stephanskrone Die Magyaren rückten gegen Ende des 9. Jahrhunderts aus dem Osten in die von den Awaren verlassenen Gebiete an der mittleren Donau und Theiß vor, vernichteten das Großmährische Reich und schoben sich trennend zwischen Nord- und Südslawen. Das in acht Horden oder Stämme geteilte Volk hatte schon während seines Aufenthaltes in Südrußland den Führer des mächtigsten Stammes, Arpäd, zu seinem gemeinsamen Oberhaupt gewählt. Die Landnahme erfolgte der Überlieferung nach im Jahre 896. Die Stammeshäupter besaßen aber auch weiterhin noch eine ausgedehnte Gewalt. Erst Geisa (Géza) I., der in Gran an der Donau residierte, gelang es, einen Teil dieser Stammeshäuptlinge zu unterwerfen; den Rest eroberte sein Sohn Stephan I. (f 1038), der 1001 mit einer vom Papst Sylvester II. gesandten Krone zum Könige gekrönt wurde. Damit war — bis auf den Südwesten — so ziemlich das ganze Territorium des ungarischen Reiches, einschließlich von Westsiebenbürgen, dem „Land jenseits des Waldes" (Trans- oder Ultrasilvanien), im Besitz des ersten Königs. Ladislaus I. (1077—1095) erwarb auch Kroatien, das jedoch bald wieder verlorenging. Erst sein Bruder und Nachfolger Koloman (1095—1116) konnte es wieder mit Ungarn vereinigen; die Verwaltung wurde einem Ban übertragen. Im Jahre 1105 konnten auch Zara, Trau, Spalato und die benachbarten Inseln, die bis dahin die Oberhoheit Venedigs anerkannt hatten, unterworfen und mit Ausnahme von Zara auch in späteren Kriegen gegen die Venetianer behauptet werden. König Béla II. (1131 — 1141) dehnte seine Oberherrschaft auch über das von Serben besiedelte Rama (Nordwesten der Herzegowina) aus. Auch das zwischen Ungarn und Rama liegende Bosnien erscheint schon 1137 als ungarisches Herzogtum. „Die ungarischen Könige legten sich übrigens im Laufe der Zeit auch die Titel von Serbien, Galizien und Lodomerien sowie Kumanien und Bulgarien bei. Wirkliche Herrscherrechte standen jedoch den Arpaden, als ihre Dynastie im Jahre 1301 erlosch, nur in Ungarn, Siebenbürgen, Kroatien, Slawonien, in Teilen von Dalmatien, Serbien und der Walachei zu" (689). Dies war auch der Umfang des ungarischen Reiches, als König Karl I. Robert aus dem Hause der neapolitanischen Anjou (1304—1342) hier die Herrschaft antrat. Allerdings hatten die Thronstreitigkeiten, die nach dem Aussterben der Arpaden ausbrachen, auch schwere und unwiderrufliche Verluste gebracht: Der Ban von Bosnien, der auch Chulm unterwarf, machte sich ganz unabhängig. Die Küstenstädte Dalmatiens stellten sich unter den Schutz Venedigs und gingen damit f ü r Ungarn endgültig verloren. Nur das Severiner Banat oder Kleine Walachei sowie das Machover Banat, das Belgrad und andere Städte südlich der Save umfaßte, konnte gegen Angriffe des walachischen Woiwoden- und des Serbenkönigs behauptet werden. Karl Roberts Sohn Ludwig der Große (1342—1386) vermochte dem von ihm geführten Titel eine reale Grundlage zu verschaffen: Moldau und Walachei mußten die ungarische Oberhoheit anerkennen; Dalmatien und Kroatien wurden unterworfen, Venedig mußte alle Inseln und Küstenplätze zwischen dem Quarnero und dem Gebiete von Durazzo an Ungarn abtreten. Nach dem Tode seines Oheims Kasimir wurde Ludwig 1370 auch König von Polen; ungefähr zehn Jahre später konnte er auch Rotrußland, die ehemaligen Fürstentümer Halitsch und Wladimir, mit Ungarn vereinigen. Der Ban von Bosnien wurde genötigt, die Oberherrschaft des ungarischen Königs wieder anzuerkennen und ihm das Land Chulm oder Chelm im Hinterlande von Ragusa abzutreten. Auch die Auflösung des großserbischen Reiches sowie Thronstreitigkeiten in Bulgarien boten die Möglichkeit zu Gebietserweiterungen. Trotzdem blieb die Herrschaft über die Vasallenländer nach wie vor unsicher: 1377 124

wurde die Walachei wieder unabhängig; 1370 mußte Ludwig das von ihm fünf Jahre vorher eroberte Widdin gegen Anerkennung seiner Oberhoheit wieder an Bulgarien zurückgeben; 1376 ließ sich Twartko von Bosnien, der seine Herrschaft über Chulm, Trebinje und das Küstenland ausgedehnt hatte, zum „Könige von Serbien, Bosnien und dem Küstenlande" krönen, was ihn als unabhängigen Herrscher legitimierte. Nach Ludwigs Tod begann das Großreich langsam zu zerbröckeln. Die Polen anerkannten nicht seine ältere Tochter Maria, sondern die jüngere Hedwig als ihre Königin. In Ungarn und Kroatien trat 1385 der aus einer Seitenlinie der Anjou stammende Karl von Neapel als Gegenkönig auf, der die legitime Herrscherin Maria sogar gefangennahm. Rotrußland wurde währenddessen von Hedwig in Besitz genommen, der Woiwode von Moldau erkannte die Oberhoheit Polens an und jener der Walachei schloß mit diesem ein Bündnis. Auch der Serbenfürst Stephan fiel ungeachtet seiner Bedrängnis durch die Türken von Ungarn ab. Hier war der mit Ludwigs Tochter Maria vermählte Sigmund von Luxemburg endlich von den Ungarn als König anerkannt worden; aber 1397 fiel er nach seiner Niederlage bei Nikopolis in türkische Gefangenschaft; sein unstetes Wesen und die Begünstigung einiger Ausländer hatten die Folge, daß die Unzufriedenen 1403 König Ladislaus zu Neapel als ihren König erkoren. Diesmal aber wurde Sigmund der Aufständischen Herr. Da jedoch Ladislaus Zara und einige Nachbargebiete sowie seine Ansprüche auf den übrigen Teil Dalmatiens 1409 um 100.000 Dukaten an Venedig verkaufte, brach zwischen diesem und Sigmund alsbald ein Krieg aus, der 1420 mit dem Verluste von ganz Dalmatien an die Serenissima endete. Um sich das zu diesem Krieg notwendige Geld zu verschaffen, hatte der leichtsinnige König 1412 die Herrschaften Lublau, Pudlin und Kniesen sowie 13 deutsche Gemeinden in der Zips um 37.000 Schock Groschen (1 Schock zu 60 Stück) an Polen verpfänden müssen, Gebiete, die erst im Jahr 1772 anläßlich der ersten Teilung Polens wieder an die Monarchie zurückfielen. Die vieljährigen Kriege mit den immer bedrohlicher gegen den Westen anstürmenden Türken brachten den endgültigen Verlust der südlichen Vasallenländer; Serbien, Bosnien und die Herzegovina wurden von den Osmanen erobert. Zwar gelang es Matthias Corvinus, im Norden Bosniens wieder einige Gebiete zurückzuerobern, aber sie gingen unter seinen schwachen Nachfolgern wieder verloren. 1521 wurden auch die noch in ungarischen Händen befindlichen Festungen am rechten Ufer der Save, Sabacz und Belgrad, von den Türken erobert, die 1526 bei Mohacs den Ungarn eine entscheidende Niederlage bereiteten, in der auch der jugendliche König Ludwig II. sein Leben verlor. 1541 wurde dann Ofen, die alte Residenzstadt der ungarischen Könige, f ü r fast 150 Jahre der Sitz eines türkischen Eyälets; dem Abendland erhalten blieb bloß ein klein gewordenes, ständig vom Erbfeind der Christenheit und anderen Gegnern bedrohtes Rumpfungarn.

D. Die Gebietsveränderungen unter habsburgischer Herrschaft Die berühmt gewordene habsburgisch-jagellonische Doppelhochzeit zu Wien war die Geburtsstunde der österreichisch-ungarischen Monarchie. Infolge der damals zwischen Kaiser Maximilian I. und Wladislav II. abgeschlossenen Verträge schloß einige Jahre später der Kaiserenkel Ferdinand die Ehe mit Anna von Ungarn, ihr Bruder Ludwig II., bereits König, mit Ferdinands Schwester Maria. Der Tod Ludwigs in der Türkenschlacht 125

bei Mohàcs brachte Ferdinand mit einem Schlag rechtmäßige Herrschaftsansprüche in Böhmen und Ungarn. In Böhmen konnte sich der junge Erzherzog ohne besonderen Widerstand durchsetzen: hier wurde er bereits am 23. Oktober 1526 zum König gewählt, obwohl es neben ihm auch noch andere Bewerber um den erledigten Thron gegeben hatte. In Ungarn aber stand ihm von vornherein die nahezu geschlossene Phalanx einer mächtigen nationalen Adelspartei gegenüber, die auch ihren Kandidaten, den Zipser Grafen Johann Zäpolya, vordem Woiwode von Siebenbürgen, zum König proklamierte, obwohl sich dieser dem türkischen Sultan unterworfen hatte, um mit dessen Hilfe seine ehrgeizigen Pläne durchsetzen zu können. Infolgedessen waren die ersten Regierungsjahre Ferdinands nicht nur von der immer stärker werdenden Bedrohung durch die Türken erfüllt, die 1529 sogar Wien belagerten, sondern auch von schweren und verlustreichen Kämpfen in Oberungam gegen Zäpolya, die erst mit dessen Tod im Jahre 1540 schlecht und recht beendet wurden. Immerhin konnte Ferdinand sich von vornherein als den rechtmäßigen Herrscher des immer kleiner werdenden Ungarn betrachten, zumal er und nicht sein Gegenpart mit der hl. Stephanskrone gekrönt worden war. Nach dem Tode Zäpolyais setzte dessen Witwe, die polnische Königstochter Isabella durch, daß ihr erst zwei Wochen alter Sohn Johann Sigismund, entgegen den Bestimmungen des Friedens von Großwardein, von der Mehrzahl der Anhänger seines Vaters zum König ausgerufen wurde. Der Sultan sagte seine Unterstützung zu. 1541 fiel Ofen für anderthalb Jahrhunderte in die Hände der Osmanen und mit ihm die ganze Mitte des Reiches. Sultan Soliman II. der Prächtige überließ Isabella und ihrem Sohn nur noch Siebenbürgen und das Land jenseits der Theiß als türkisches Sandschakat gegen einen jährlichen Tribut von 10.000 Dukaten in Gold. Zehn Jahre später mußte Isabella Siebenbürgen und Ostungarn gegen das schlesische Fürstentum Oppeln an Ferdinand abtreten, was einen neuen Türkenkrieg auslöste. Siebenbürgen ging dadurch 1556 neuerlich und diesmal endgültig an Isabella und ihren Sohn bzw. dessen durch Wahl an die Spitze des Landes berufenen Nachfolger verloren. Seit dem achtjährigen Frieden von 1568, der in der Folge wiederholt erneuert wurde, bildeten die Orte Szatmär, Tokaj, Erlau, Levenz, Neuhäusel, Komorn, Totis, Palota, Veszprim und Kanizsa die äußersten Punkte habsburgischen Gebietes in Ungarn. Auch dieses Rumpfungarn wurde noch für Jahrzehnte um etliche Komitate geschmälert, die Rudolf II. und dann Ferdinand II. an die siebenbürgischen Fürsten Stephan Bocskay, Gabriel Bethlen und Georg I. und II. Ràkóczi abtreten mußten. Von diesen hat sich Bocskay Fürst von Ungarn und Siebenbürgen genannt, Bethlen aber, den sein Kampf gegen Ferdinand II. fast unter die Tore Wiens führte, nahm 1620 sogar die ungarische Königskrone an. 1621 entsagte er zwar dem Königstitel, wofür er den eines Reichsfürsten und die schlesischen Herzogtümer Oppeln und Ratibor erhielt. Auch später noch wurde das habsburgische Königtum in Ungarn durch den von Frankreich und der Türkei unterstützten Emeri eh Tököly und schließlich durch Franz II. Ràkóczi und seine blutdürstigen Kuruzzenhorden, die auf ihren Zügen bis in die Oststeiermark kamen, gefährdet. Ràkóczi war von seinen Anhängern 1704 auch zum Fürsten von Siebenbürgen ausgerufen worden, obwohl der letzte Fürst, der junge Michael II. Apaffy, 1696 sein Land gegen eine Jahresrente und den Titel eines Reichsfürsten dem Kaiser abgetreten hatte. Der Friede von Szatmär (1711) brachte endlich die Auflösung der Rebellenarmee, während Ràkóczi ins polnische, französische und schließlich ins türkische Exil ging. Mittlerweile war es den Kaiserlichen und ihren Bundesgenossen nach harten Kämpfen endlich geglückt, Ungarn von den Türken zu befreien. Im Frieden von Karlowitz 1699 mußte die Pforte auf Ungarn mit Ausnahme des Gebietes zwischen Theiß und Maros, auf 126

Siebenbürgen, auf Kroatien bis zur Una und auf Slawonien mit Ausnahme eines kleinen Gebietes im Osten verzichten. Nachdem Prinz Eugen den Türken 1716 bei Peterwardein, 1717 bei Belgrad eine vollständige Niederlage beigebracht und diese zur Kapitulation gezwungen hatte, trat die Türkei 1718 im Frieden von Passarowitz Temeswar mit seinem ganzen Gebiete südlich der Maros, das nun als „Banat" organisiert wurde, den Rest von Slawonien, die Kleine Walachei westlich des Alt-Flusses, das nördliche Serbien bis zum Timok und zum westlichen Arme der Morawa und einen schmalen Landstrich von Bosnien am rechten Saveufer an Österreich ab. Doch ging abgesehen vom Banat alles dies in einem unglücklichen Kriege wieder verloren, so daß seit dem Frieden von Belgrad 1739 der Lauf der unteren Una, Save und Donau bis Orsova die Grenze zwischen Ungarn und der Türkei bildete. In Deutschland hatten sich seit dem Regierungsantritt Ferdinands I. bis zum Aussterben der Habsburger im Mannesstamme (1740) nur unbedeutende territoriale Veränderungen ergeben. Kurze Zeit war Württemberg, das Karl V. in den Brüsseler Verträgen von 1522 seinem Bruder Ferdinand überließ, in dessen Besitz. 1534 aber fiel das Land an den geächtet gewesenen Herzog Ulrich wieder zurück, jedoch unter der Bedingung, daß das Land ein österreichisches Afterlehen bleibe. Kaiser Rudolf II. aber gab 1599 auch diese Lehenshoheit gegen eine namhafte Entschädigung auf. Die einzig nennenswerte Erwerbung Ferdinands I. und seiner Nachfolger war die eines größeren Teiles Schlesiens: 1532 die Fürstentümer Oppeln und Ratibor und 1548 das Herzogtum Sagan. 1622 zog Ferdinand II. auch Jägerndorf ein, belehnte aber damit den Fürsten Karl von Liechtenstein, dem er schon 1614 das Herzogtum Troppau als Manneslehen verliehen hatte. 1653 fiel das Herzogtum Teschen, 1675 auch die letzten schlesischen Vasallenfürstentümer Liegnitz, Brieg und Wohlau nach dem Tode des kinderlosen Herzogs Georg Wilhelm an die Krone zurück. Brandenburg konnte seine Ansprüche darauf nicht durchsetzen, nur der Schwiebuser Kreis wurde 1686 an den Kurfürsten Friedrich Wilhelm abgetreten. Diesen verhältnismäßig bescheidenen Erwerbungen standen empfindliche Verluste gegenüber. Als Ersatz der Kriegskosten mußte Ferdinand II. im Frieden von Prag 1635 dem Kurfürsten Johann Georg III. von Sachsen, der ihn unterstützt hatte, die Oberund Nieder-Lausitz als böhmisches Lehen abtreten. Noch schmerzlicher war, daß Österreich im Westfälischen Frieden von 1648 gegen eine Entschädigung von 3 Millionen Livres die Landgrafschaft Elsaß mit dem Sundgau, die Landvogtei über die zehn elsässischen Reichsstädte und die Festung Alt-Breisach an Frankreich übergeben mußte. Nur Freiburg im Breisgau, das 1679 ebenfalls an Frankreich gelangt war, kam im Frieden von Ryswick 1697 wieder an Österreich zurück. Das Erlöschen der spanischen Linie des Erzhauses im Jahre 1700 stellte dieses vor neue Probleme. Kaiser Leopold I. wäre zwar der berechtigte Erbe gewesen, und er hatte schon seinen zweitgeborenen Sohn Karl (VI.) zum Herrn des spanischen Reiches bestimmt, als Ludwig XIV. von Frankreich, dessen Vormachtgelüsten die Umklammerung seines Landes durch die tatkräftigen österreichischen Habsburger einen Riegel vorgeschoben hätte, im letzten Augenblicke den schon todkranken Spanier Karl II. bestimmte, ein Testament zu unterzeichnen, worin der zweite Sohn des französischen Dauphins, Herzog Philipp von Anjou, als erster Erbe eingesetzt war. Der spanische Erbfolgekrieg, der ob dieser offenkundigen Rechtsverletzung zwischen dem Kaiser und Frankreich entbrannte und den Franzosen eine Reihe schwerer Niederlagen durch die Kaiserlichen und ihre Verbündeten unter den Befehlen des Prinzen Eugen von Savoyen und dem Herzoge von Marlborough beibrachte, endete 1714 mit dem Frieden zu Rastatt. England 127

hatte infolge eines Systemwechsels im Lande bereits im Jahre vorher zu Utrecht einen Frieden geschlossen, dem auch einige der bisherigen Verbündeten beitraten. Die berechtigten Ansprüche Karls, der mittlerweile 1711 auch Herr der österreichischen Länder und deutscher Kaiser geworden war, konnten nun nicht mehr im vollen Umfange aufrechterhalten werden. Immerhin erhielt Karl die spanischen Niederlande, Mailand, Neapel, Sardinien, die spanischen Plätze an der Küste von Toskana sowie Mantua, dessen Herzog, wegen seiner Verbindung mit Frankreich vom Kaiser geächtet, 1708 gestorben war. Im Wormser Frieden von 1713 mußte er allerdings seinem Bundesgenossen, dem König von Sardinien, die letzten Reste seines Besitzes jenseits des Ticino und des Lago Maggiore überlassen. Im Jahre 1717 versuchte der bourbonische König von Spanien Philipp V. wenigstens einen Teil der italienischen Besitzungen zurückzugewinnen, wobei ihn insgeheim der Herzog Viktor Amadeus von Savoyen unterstützte. Aber bald wurde der Herzog gezwungen, dem Kaiser das von ihm besetzte Sizilien zu überlassen, wofür er Sardinien und den Königstitel erhielt. Philipp aber wurde 1720 durch die Quadrupelallianz, der neben England, Frankreich und Holland auch der Kaiser angehörte, gezwungen, auf die italienischen Nebenlande zu verzichten, von denen der größere Teil freilich bald wieder verlorenging. Im polnischen Erbfolgekrieg mußte der Kaiser 1735 an Savoyen die mailändischen Gebiete von Novara und Tortona, an Don Carlos von Spanien aber die Königreiche Neapel und Sizilien mit den Plätzen an der toskanischen Küste abtreten, wofür er die Herzogtümer Parma und Piacenza erhielt, während Toskana 1737 dem Herzoge Franz von Lothringen, dem Gemahl Maria Theresias, als Entschädigung für sein Stammherzogtum überlassen wurde. Die Regierung der Kaiserin Maria Theresia begann mit dem Verlust von ganz Niederschlesien und einem Teil Oberschlesiens sowie der Grafschaft Glatz an König Friedrich II. von Preußen. Bei Österreich verblieben im Präliminarfrieden von Breslau 1742 nur die Herzogtümer Teschen und Troppau sowie der größte Teil von Jägerndorf. Im Frieden von Aachen endlich mußte Maria Theresia dem spanischen Infanten Don Philipp das Herzogtum Parma mit Piacenza abtreten. Diesem schmerzlichen Verluste stand während der vierzigjährigen Regierung von Maria Theresia jedoch auch ein namhafter Gebietszuwachs gegenüber. Der Friede von Teschen 1779 brachte das Innviertel an Österreich. 1765 war nach dem Erlöschen des herrschenden Geschlechtes die Grafschaft Hohenems in Vorarlberg als Reichslehen an die Kaiserin gefallen und 1759 die bischöflich bambergischen Besitzungen in Kärnten angekauft worden, die allerdings schon früher unter österreichischer Landeshoheit gestanden waren. Den weitaus größten Ländererwerb Österreichs in dieser Zeit bildeten bei der ersten Teilung Polens 1772 die 13 Zipser Städte und so ziemlich genau das spätere Königreich Galizien, mit Ausnahme von Krakau, das erst 1846 anfiel. 1775 trat dann die Türkei auch die Bukowina an Österreich ab. In die Zeit der großen Kaiserin fällt auch die Errichtung einer habsburgischen Sekundo- und Tertiogenitur in Italien und deren Ausstattung mit Toskana (1763) und Modena (1771), die aber nicht durch das Band der pragmatischen Sanktion mit Österreich verbunden waren. Somit hatte die Kaiserin wohl 772 Quadratmeilen eingebüßt, aber dafür 1618 Quadratmeilen hinzugewonnen. Ihr Enkel Franz II. (I.) konnte bei der letzten Teilung Polens 1795 auch noch Westgalizien, das Land zwischen der Pilica, der Weichsel und dem Bug, ausgenommen die Umgebung von Warschau, erwerben. Diese Neuerwerbung mußte jedoch in dem von Napoleon diktierten Frieden von Schönbrunn 1809 an den König von Sachsen als „Großherzog von Warschau" wieder abgetreten werden. 128

Die Koalitionskriege gegen Frankreich brachten Österreich sowohl Verlust als auch Gewinn. Infolge der Friedensschlüsse von Campo Formido (1797) und Luneville (1801) mußte Österreich die Niederlande und Mailand an Frankreich abtreten, wofür es das venezianische Festland östlich vom Gardasee, venezianisch Istrien und Dalmatien samt der Bocche di Cattaro erhielt. Der Breisgau ging an den Herzog von Modena verloren. Der Reichsdeputationshauptschluß (1803) säkularisierte die Bistümer Brixen und Trient und unterwarf ihre weltlichen Gebiete vollends der österreichischen Staatshoheit. Durch den Frieden von Preßburg (1805) verlor Österreich alle italienischen Gebiete an das neu errichtete Königreich Italien, ferner den Rest der vorderösterreichischen Besitzungen, Vorarlberg und Tirol, an Bayern, Baden und Württemberg und erhielt als einzige Entschädigung Salzburg mit Berchtesgaden. Das Jahr 1809 brachte dann infolge des Friedens von Schönbrunn die schwersten Verluste: die Gebiete von Salzburg und Berchtesgaden, das Inn- und ein Teil des Hausruckviertels gingen an Bayern, die Grafschaften Görz, Triest, Krain mit dem Villacher Kreis und alle Landesteile auf dem rechten Saveufer (die sogenannten illyrischen Provinzen) fielen an Frankreich; das 1795 erworbene Westgalizien und der Zamoscer Kreis von Ostgalizien fielen an das Großherzogtum Warschau und schließlich die Kreise Tarnopol und Czortkov in Ostgalizien an Rußland. Zumeist waren es wohl nur vorübergehende Verluste, die kaum ein Jahrzehnt umspannten, aber hier dennoch angeführt werden müssen, weil sie auf monetärem Gebiete ebenfalls Veränderungen nach sich zogen. Die endgültige Niederwerfung Napoleons brachte dann durch den Pariser Frieden 1814 und die Beschlüsse des Wiener Kongresses von 1814/15 im großen ganzen nicht nur eine Wiederherstellung der alten Grenzen, sondern auch eine Erweiterung des territorialen Umfanges, der allerdings durch die Kriege von 1859 und 1866 wieder bedeutend vermindert wurde. Österreich erhielt nunmehr in der Begrenzung durch den Lago Maggiore, den Tessin und Po das lombardisch-venezianische Königreich in Italien nebst dem Veltlin, ferner die 1805 und 1809 abgetretenen „illyrischen Provinzen" nebst Dalmatien und Ragusa. Bayern mußte Tirol, Vorarlberg, Salzburg, das Hausruck- und das Innviertel, Rußland den Tarnopoler Kreis zurückgeben. Auch die österreichische Sekundogenitur in der Toskana und die Tertiogenitur in Modena wurden wiederhergestellt. Dagegen mußte auf Westgalizien und Krakau und auf alle übrigen Gebiete verzichtet werden, die vor dem Jahre 1792 zu Österreich gehörten. Krakau wurde auf dem Wiener Kongresse mit einem kleinen Gebiete zum Freistaat erklärt, dann nach dem galizischen Aufstand von 1846 an Österreich überlassen und 1849 mit Galizien vereinigt. Die unglücklichen Feldzüge gegen Frankreich, Sardinien und Preußen 1859 und 1866 zogen die Abtretung der Lombardei und den Verlust der Sekundogenitur Toskana und der Tertiogenitur Modena nach sich, schließlich mußte auch das venezianische Festland mit Friaul an das neu errichtete Königreich Italien abgetreten werden. Zuletzt erhielt Österreich-Ungarn nach Beendigung des russisch-türkischen Krieges von 1877/78 vom Berliner Kongreß das Mandat zu bleibender Besetzung und Verwaltung der angrenzenden türkischen Provinzen Bosnien und Herzegowina. 1908 wurde dann die Ausdehnung der Souveränität sowie der für das Herrscherhaus geltenden Erbfolgeordnung auch auf diese Länder ausgesprochen und damit der Anstoß zu der Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Gemahlin in Sarajewo (1914) und zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges gegeben, der die Auflösung der alten Monarchie zur Folge hatte.

129

Zweiter Teil Bergwesen und Metallversorgung

Die Entstehung einer Münzstätte war im Altertum wie auch noch im Mittelalter entweder von der Verkehrslage abhängig oder von der Nähe eines Edelmetallvorkommens. Häufig spielten auch wirtschaftliche und militärische Erwägungen dabei eine Rolle. So stattete man zum Beispiel Marktplätze gern mit Münzstätten aus, und die römischen Münzstätten in Aquileja und Siscia waren zweifellos auf Grund der günstigen Verkehrslage entstanden, während etwa Zeiring in der Obersteiermark durch die nahegelegenen Erzvorkommen begünstigt wurde. Manchmal findet sich der ideale Fall, daß beide Voraussetzungen zusammentreffen. Eine günstige Verkehrslage erleichterte natürlich die Herbeischaffung des Münzmetalls auch aus entfernten Gegenden, zumal wenn die Straßen, wie zur Zeit des römischen Imperiums, in gutem Zustande und gesichert waren. Für jene Fälle, in welchen ein benachbartes Erzvorkommen für die Errichtung einer Münzstätte maßgebend war, bildet für unseren Bereich im Mittelalter wohl Zeiring das beste Beispiel. Ein kleiner abgelegener Ort, der sich durch reiche Silberfunde auszeichnete, erhielt eine eigene Münzstätte, die man als Filiale der Grazer Münzstätte bezeichnen kann. Eine Zeitlang brachte die Münzstätte der ansässigen Bevölkerung Ansehen und Wohlhabenheit, bis ein Wassereinbruch, der übrigens auch in der Volkssage seinen Niederschlag fand, dem florierenden Betrieb ein plötzliches Ende bereitete. Späterhin zog man es wohl vor, die Münzstätten in den Landeshauptstädten als dem jeweiligen Verwaltungsmittelpunkt zu errichten, um ihre Gebarung besser und leichter kontrollieren zu können. Dies zeigt sich deutlich an den Münzstätten der Babenberger, die zuerst in Krems und dann in Wien münzten, entsprechend der Verschiebung der Landesgrenze und der Verlegung des Hofes gegen Osten. Wie wir indessen bei der Darstellung des Münzwesens öfter sehen werden, hat auch das Vorkommen von Münzmetall auch noch in der neueren Zeit Einfluß auf den Ort der Münzstätte. Das Metall bei ausreichendem Vorkommen gleich an Ort und Stelle auszuprägen, hatte den Vorteil, daß man die Transportkosten ersparte, die bei der schon geprägten Münze geringer waren, als beim noch unverarbeiteten Metall. Auch bekam man es am Fundort mit seinem Hütten- und Aufbereitungsbetrieb gleich gebrauchsfähig ins Haus, ein Umstand, der in Zeiten großen Geldbedarfs besonders ins Gewicht fiel. Auch die Unsicherheit der Straßen mag da mitgespielt haben. Zudem ermöglichte die Dezentralisierung des Münzbetriebes innerhalb eines größeren Gebietes es auch, daß die neuen Gepräge von mehreren Orten aus schneller in Umlauf gesetzt werden konnten, als von einem einzigen Mittelpunkt aus; dies gilt natürlich nur für die älteren Zeiten. Besaß ein Land keine eigenen oder nur ungenügende Metallvorkommen, dann war es auf den Import des Münzmetalls angewiesen; daher entstanden Münzstätten, wenn die Hauptstadt selbst nicht in Frage kam oder der Münzherr mit der Dezentralisierung münzpolitische Zwecke verfolgte, an Orten, wo das Münzmetall leicht zugeliefert werden konnte. Das gilt z. B. für Friesach, die Münzstätte der Salzburger Erzbischöfe in Kärnten, wo hauptsächlich für den Handelsverkehr mit dem Osten gemünzt wurde. 133

I. Das Altertum

Der Gebrauch und die Herstellung von Münzen setzt eine vorgeschrittene Kulturstufe und auch ein gewisses Maß von Handelsbeziehungen zu Völkern voraus, die sich bereits des Münzgeldes bedienten. In unserem Bereich haben dies als erste die Kelten getan, von denen verschiedene Stämme auf ihren Wanderungen Gebiete innerhalb dieses Raumes besetzt hatten und durch längere Zeit hindurch in ihrer Hand hielten. Dies waren — um nur einige Beispiele zu nennen — die Bojer in Böhmen, die Taurisker und Noriker in Kärnten und der Steiermark und die Daker in Siebenbürgen. Als Söldner, besonders in makedonischen Diensten, hatten sie dort Gebrauch und auch Herstellung der Münzen kennengelernt und diese Kenntnisse nach ihrer Entlassung mitsamt ihrem Sold in ihre Wohnsitze heimgebracht, wo nun auch sie eigene Münzen prägten, und zwar aus dem von ihnen bergmännisch gewonnenen Gold und Silber. Bekannt ist der von Strabo in seinem Werke ,Geographika' erwähnte Bericht des Polybios, „daß zu seiner Zeit bei Aquileja und bei den Tauriskern, vorzüglich aber bei den Norikern, ein derartig ergiebiges Goldlager aufgefunden worden sei, daß man nach einem Aushub von 2 Fuß Tiefe sofort auf Grabgold stieß . . . Als aber Italiker den Barbaren durch zwei Monate behilflich waren, sei sofort der Preis des Goldes in ganz Italien um ein Drittel gesunken. Als die Taurisker aber genügend Kenntnisse erlangt hatten, hätten sie, nach Vertreibung ihrer Werkgenossen, den ganzen Goldhandel an sich gerissen." Dieser Bericht gibt allerdings zweierlei zu bedenken: erstens liegt keine Nachricht vor, daß sich in der Nähe von Aquileia je Erzlager befunden hätten, zweitens ist es merkwürdig, daß die in der Bergwelt der Tauern ansässigen Taurisker, deren Name wahrscheinlich mit „Tauern" zusammenhängt, trotz dieses angeblichen Goldreichtums nur in Silber gemünzt haben. Es muß daher angenommen werden, daß das von ihnen geförderte Gold in unverarbeitetem Zustand nach Italien ging. Dieser für die Taurisker sicherlich sehr einträgliche Handel dauerte indessen nicht lange; denn schon im Jahre 15 v.Chr. verlor, wie alle anderen römischen Bundesgebiete, auch das keltische Königreich Noricum seine Freiheit. Unter Kaiser Claudius (41—54) wurde es dann in die gleichnamige römische Provinz umgewandelt. Die norischen Gaufürsten, von denen wir sogar einige mit Namen kennen, haben das Silber zu ihren Münzen sicherlich im Lande selbst gewonnen, denn Kärnten war einst ein an Edelmetall sehr reiches Land. Sicheres über die Fundorte wissen wir nicht; wir dürfen aber vermuten, daß die Taurisker von den reichen Metallvorkommen bereits Kenntnis hatten. Auch die Kelten vom Magdalensberg dürften für ihre Kleinmünzen Tauernsilber verwendet haben. Keltenmünzen wurden, wie die Karte bei Pink (873) zeigt, so ziemlich im Gebiete der ganzen Monarchie gefunden; einmal sogar zu Zloczöw in Galizien. In besonderer Dichte liegen die Funde zwischen Donau und Save bis zu ihrer Einmündung, dann im Bereich der heutigen Slowakei, in Böhmen und schließlich im 134

dakischen Siebenbürgen. Wenn es sich auch nicht durchwegs um Münzschätze, sondern auch um Streufunde, oft nur um Einzelstücke handelt, so zeigt sich daraus doch mit voller Deutlichkeit, daß hier ein gewaltiger Metallverbrauch vorliegt. Beim Silber wird es sich im Bereich der Siedlungen auf dem rechten Donauufer bei den in diesem Gebiet entstandenen Sorten einesteils um norisches, andernteils bei den Orten nächst der Donau wohl um makedonisches Metall handeln. Dieses stammte hauptsächlich wohl aus dem umgeschmolzenen Tetradrachmen des Soldes der den makedonischen Königen dienenden keltischen Söldner sowie aus den Erträgnissen der sonstigen balkanischen Silbergruben. Es gab solche „im Osogovgebirge (Kratovo) und im Quellgebiet des Strymon auf Glogovica. Reichere Minen treffen wir im Quellgebiet der Morava und des Ibar. Janjevo . . Novo Brdo und Pristina, alle im Gebiet des Amselfeldes, hatten silberhaltige Erze. Silberreich war auch das Kapaonik-Gebirge längs des Ibar. . . Weiter nördlich ist Rudnik und schon in der Nähe der Save und Donau Babe, Stojnik und Guberevci. . . Von hervorragender Bedeutung waren die Silbergruben an der Drina, wo das alte Domavia, in der Römerzeit auch der Sitz eines Prokurators für die Silberminen in Dalmatien und Pannonien, eine hervorragende Rolle spielt. In Ostserbien ist das Flußgebiet des Pek (Deli Jovan, Kuöajna, Vitovnica) und des Timok als silberreich bekannt. Der südliche Teil des Banats, der zum Komitat Krassö gehört. . ., ist ebenfalls reich an Erzen (Karänsebes, Resicabänya, Oravica, Moldava), die zwar hauptsächlich Kupfer und Zinn enthalten, aber auch silberhältig waren" (873). In der Slowakei wurde sicherlich das Silber des ungarischen Erzgebirges im Gebiete des Granflusses benützt. Die Bojer bildeten eine besondere Ausnahme innerhalb des keltischen Münzwesens: Sie prägten nämlich nur in Gold, das jedoch bei ihren ältesten Stateren wohl nicht aus einheimischen Bergwerken stammte. „Eher dürfte es sich um Gold aus umgeschmolzenen Stateren oder um Goldschmuck handeln." Die „Hersteller der ersten Nachahmer tief im Herzynischen Wald" hatten keine Wahl zwischen verschiedenem Münzmetall, sondern sie mußten „Bilder und Metall der Vorbilder" übernehmen, „wenn sie ihre Erzeugnisse anstelle der Alexanderstatere ausgeben wollen". Später aber änderte sich die Lage, und zwar im Zeitabschnitt „B", dem „goldenen Zeitalter" der Keltenprägung in Böhmen, „dessen Gepräge sich nicht nur durch besondere Reinheit des Metalls, sondern auch durch ungewöhnlich große Stückzahl, Vielfältigkeit der Emissionen, Varianten und Nominale auszeichneten". Welche gewaltige Mengen keltischer Goldmünzen damals aus böhmischem Golde geschlagen wurden, zeigen am besten „die Münzfunde von Podmokly 1771 mit 30 bis 40 Kilogramm Gold und Stradonice 1877 mit etwa vier bis fünf Kilogramm!" (111). Die Herkunft dieses fast reinen Goldes, das in den keltischen Oppida „hinter den undurchdringlichen Wäldern der böhmischen Randgebirge verprägt wurde", diese Ausnahmsstellung im keltischen Münzwesen Europas, wird hier hauptsächlich „mit geologischen Faktoren der einheimischen Goldvorkommen" (111) in Verbindung gebracht. So wurde gesagt, daß die Kelten Böhmens nicht nur Goldbergbau betrieben, sondern — dies nachgewiesenermaßen — auch Eisenerze abbauten, weshalb angenommen wurde, daß das Metall der Keltenmünzen Böhmens aus dem goldhaltigen Gestein böhmischer Gruben stammte. Dagegen hat CASTELIN eingewendet, daß das keltische Münzgold nicht das Erträgnis keltischer Goldgruben war. Schon den antiken Schriftstellern, z. B. Diodor, war es bekannt, daß es in Böhmen Flußgold gab. Diodor berichtet nämlich um das Jahr 30 v. Chr.: „Silber gibt es in Galatien überhaupt nicht, jedoch reichlich Gold, und die Natur gewährt es den Bewohnern ohne Bergbau und Mühe." Unter Galatien ist hier wohl vor allem Gallien zu verstehen. Aber im Gebiete der Otava (früher Wotawa), 135

also in Südböhmen, bei Strakonice, wurden nicht nur die Hütte eines keltischen Goldwäschers, sondern auch die Reste eines hölzernen Troges gefunden und überdies an diesem Flusse und seinen Zuflüssen auch „eine unabsehbare Menge von , Seifen' (regelmäßige Sandhaufen als Reste des Goldwaschens) entdeckt. Auf welchem Wege aber die reiche Ausbeute der südböhmischen Goldwäschereien in das etwa 30 km südwestlich von Prag am rechten Ufer der Berounka gelegene Oppidum bei Stradonice (und vielleicht auch noch an andere Orte) gelangte, ob im Tauschhandel für die Erzeugnisse der mittelböhmischen Oppida oder als Erträgnis der Arbeit einer unfreien Bevölkerung" (die Kelten bildeten in den böhmischen Landen die Oberschichte): auf diese Frage bleibt uns mangels Quellen sowohl die Münzkunde als auch die Archäologie die Antwort schuldig. Was schließlich die letzte Gruppe der Kelten im Bereiche der alten Monarchie, die Keltodaker, anlangt, so handelt es sich hier um „wilde und bewegte" Silbergepräge, deren Metall wahrscheinlich aus dem Vulkangebirge, einem Teil der Transsilvanischen Alpen, und zwar aus dem Schieltale und der Gegend des Vulkanpasses, der nach Rumänien führt, stammen dürfte. Die R ö m e r haben ihr Gebiet — mit Ausnahme von Dacien — nirgends über die Donau hinaus ausgedehnt. Versuche, einen Teil Germaniens zu besetzen und eine befestigte natürliche Grenze, gebildet durch Elbe, March und Donau von der Marchmündung abwärts, zu errichten, sind nur zum Teile gelungen. Nur die Unterwerfung der Alpen- und Donauländer gelang. Tirol und Vorarlberg gehörten zur Provinz Raetia secunda, die übrigen Länder des heutigen Österreich größtenteils zur Provinz Noricum, der Rest, einschließlich Vindobona (Wien) und Carnuntum, zu Pannonien. Wenn man aber von der kurzlebigen Münzprägung des Usurpators Regalianus und seiner Frau Dryantilla nach 260 absieht, die vielleicht in Carnuntum stattfand, weil man hier die meisten Münzen dieses „obskuren Kaiserpaares" gefunden hat, unterhielt das Imperium in diesem gewaltigen Gebiet selbst nur die Münzstätten Siscia (Sissek) in Kroatien und Syrmium (Mitrowitza) in Slawonien, wozu noch das gleichsam vor den Toren Noricums gelegene Aquileia als dritte dazukommt. Hier, an der Grenze zwischen den Provinzen Venetia und Histria, wurde diese Münzstätte wahrscheinlich im Jahre 299 von Diocletian errichtet; sie war mit einer kurzen Unterbrechung zwischen 323 und 331 bis Valentinian III. (425—455) ausgiebig beschäftigt. Geprägt wurde fast nur in Bronze, in Gold und Silber dagegen nur ganz wenig. Diese spärliche Prägung in Edelmetallen verdankte ihr Material wohl den norischen Alpen, das Kupfer für die reiche Bronzeprägung dagegen dürfte aus dem bedeutenden Handel Aquileias stammen, denn in der Nähe der Stadt befanden sich überhaupt keine Bergwerke. Merkwürdigerweise finden sich in keiner der Arbeiten über das römische Münzwesen Angaben über die mögliche Herkunft des Münzmetalls. MOMMSEN (761) streift diese Frage nur ein einziges Mal bei Erwähnung des „Silbers von Osca" ganz flüchtig, auch B E R N H A R T verliert in seinem ,Handbuch' (66) kein Wort über Bergwerke und Metallversorgung, obwohl deren Kenntnis mitunter ganz neue Aspekte ergeben könnte. Nur H E I C H E L H E I M erwähnt in seiner aufschlußreichen Arbeit über die römische Sozialund Wirtschaftsgeschichte Kupfer- und Eisenbergwerke in der Toskana, dann das gewaltige Bergwerksgebiet von Neukarthago, heute Cartagena in Spanien, das im 2. Jahrhundert v. Chr. 40.000 Bergleute beschäftigt und sich über 74 km erstreckt haben soll. In der Zeit der Gründung von Aquileia (181) „hören wir vom Silberbergbau im attischen Laurionbezirk, Goldseifen und Goldbergwerken in den norditalischen, Schweizer 136

und Kärntner Alpen, Silber- und Goldbergwerke in Spanien, Gallien, dem Kaukasus und Nubien" (384). Dies war die Lage, als sich zwischen 181 und 184 v.Chr. die Goldund Silberpreise in der Welt verdoppelten, was zu neuer Förderung in aufgelassenen Edelmetallbergwerken führte, die wegen des Preissturzes für Gold und Silber zur Zeit Alexanders des Großen als abbauunwürdig stillgelegt worden waren. Um 89 v.Chr. fielen die Edelmetallpreise ein zweites Mal auf die Hälfte der vorangehenden Jahrzehnte, worauf die meisten Kleinbetriebe etwa zur Zeit Sullas abermals aufgegeben wurden. Kupfer stand dem Imperium in ganz großen Mengen zur Verfügung: Kupfer- und Eisenbergwerke waren von Indien bis Britannien außerordentlich zahlreich. „Italien wurde in dieser Hinsicht in der Hauptsache von Elba, Sardinien, den Alpenbergwerken und Spanien versorgt. Zinn kam von Spanien, Gallien, Iran und vor allem von Cornwall in Britannien" (384). Damit scheint unsere Vermutung begründet, daß der Fernhandel die Münzstätte in Aquileia mit dem nötigen Münzmetall versorgte. Eine nähere Lokalisierung der Bergwerke ist jedoch schlechthin unmöglich, wenngleich uns über die Bergwerke und Steinbrüche im Imperium Romanum, die in der Regel in Staatsbesitz waren, für die Prinzipatszeit ein verhältnismäßig reiches Quellenmaterial zur Verfügung steht. Die beiden anderen Münzstätten, Siscia und Sirmium, werden ihr Metall wahrscheinlich in erster Linie vom Balkan bezogen haben. In Siscia hatte Kaiser Gallienus (253—268) die Münzstätte ins Leben gerufen, die insbesondere in Billon (Kupfer mit einem geringen Silberzusatz) eine reiche Prägung veranstaltet hat. Im Hinblick auf seine späte Gründung war Siscia im Osten die vielleicht meistbeschäftigte Münzstätte, während ihr im Westen die erst von Diocletian eröffnete Münzstätte zu Treveri (Trier) zum mindesten in der nachdiocletianischen Zeit den Rang ablief. Unter Gallienus waren zwei, zu Siscia unter Aurelian sechs, unter Probus sieben, dann aber bis in die ersten Jahre Diocletians nur mehr drei Offizinen beschäftigt, deren Zahl unter seinen Nachfolgern dann wieder auf sechs anstieg. Diese starke Münzung dürfte übrigens ihren besonderen Grund haben. Beide Städte unterhielten starke Garnisonen. Nach Siscia hatte bereits Kaiser Augustus eine starke Besatzung gelegt; die Stadt blieb auch weiterhin eine der wichtigsten Basen der militärischen Betätigung in Pannonien. Trier aber lag unmittelbar hinter der Rheinfront, an der die Truppen am stärksten im ganzen Reich massiert waren. Siscia aber war nicht nur strategisch, sondern auch handelspolitisch von Bedeutung. Im Tale der Kulpa erscheinen Aquieleienser, und der durch das Tal führende Weg verband Siscia auch mit Dalmatien; es gab daher hier in der Römerstadt unter den sonstigen Fremden (hauptsächlich Italiker) auch verhältnismäßig viele Dalmatiner, aber auch Personen aus Südgallien und Hispanien traf man hier an. Dieser rege Verkehr allein beweist die Notwendigkeit einer eigenen Münzstätte. Ihre reiche Kupfermünzprägung, die insbesondere Kleinmünzen umfaßt, läßt darauf schließen, daß sich neben der Garnison in der Stadt auch viel einfaches Volk befand und somit großer Bedarf an Kleinmünzen bestand. Diese starke Münzung erforderte naturgemäß viel Metall. Ähnlich war es auch um Sirmium an der Save bestellt, der bedeutendsten Stadt in Niederpannonien. Hier nahm die Münzstätte erst 324 unter Constantinus Magnus nach dem zweiten Bürgerkriege ihre Tätigkeit auf. Auch hier stand schon unter Augustus eine römische Garnison. Es ist möglich, daß auch hier wie in Siscia Flottensoldaten angesiedelt wurden. Unter den Einwohnern waren jedenfalls die Italiker vorherrschend, die aber nicht aus Sirmium selbst, sondern von auswärts stammten, wo sie als Legionäre gedient hatten. 137

Die Prägung in dieser Münzstätte ist zeitlich begrenzt; sie dauerte bloß etwa ein halbes Jahrhundert, denn schon unter Kaiser Valens verschwindet die Sigle SIRM von den Münzen, auch in der Notitia dignitatum kommt sie nicht mehr vor. Dafür ist Sirmium durch die Stempelung römischer Goldbarren in der Form der heutigen Siegellackstangen mit dieser Sigle bekannt geworden. Die Barren, 15 an der Zahl von verschiedenem Gewicht, wurden im September 1887 in Siebenbürgen, und zwar in der südöstlichen Ausbuchtung des Häromszeker Komitates an dem Bache Bodza gelegentlich eines Straßenbaues ausgegraben. Abgesehen von ihrem materiellen Werte sind sie auch durch den Fundort sehr interessant, der bereits ein gutes Stück jenseits der pannonischen Grenze lag. Daß die Besitzer des Goldes, das wahrscheinlich irgendwo im Bereiche der goldführenden Transsilvanischen Alpen gefunden worden war, einen so weiten Weg zurücklegten, um ihrem Metall durch die Stempelung in einem kaiserlichen Münzamte eine Garantie verleihen zu lassen, wobei durch die Bezeichnung „kaiserlich" augenscheinlich dokumentiert werden sollte, „daß die Goldprobe von den Beamten nicht als Privatpersonen, sondern ex officio vorgenommen wurde", zeigt vor allem die engen Beziehungen zu dem Goldland Dacien, das damals von den Römern übrigens schon aufgegeben worden war. Diese Barren dienten sicherlich dem Goldhandel. Wie weitgespannt dieser war, zeigt unter anderem auch die Nennung der Barbii, einer der bedeutendsten Familien von Aquileia, die auf dem Magdalensberg nächst Klagenfurt eine große Handelsniederlassung hatte und auch sonst in Kärnten sehr verbreitet war. Zwei Mitglieder dieser Familie sind als Stifter der berühmten Erzstatue des Jünglings vom Magdalensberg und des gleichzeitig oder nicht viel später der Statue beigegebenen Schildes neben den Poblicii durch Inschrift auf der Statue verewigt. Da sich die Kaufleute dieser Niederlassung vorwiegend mit dem Metallhandel befaßten, wobei freilich das norische Eisen die Hauptrolle spielte, kann möglicherweise auch die Beschaffung von Edelmetall für Aquileia einerseits und von Kupfer für die beiden pannonischen Münzstätten andererseits eine Rolle gespielt haben. Denn in dieser östlichen Provinz sind Mitglieder dieser wie auch anderer römischer Kaufmannsfamilien nachweisbar. Sirmium wurde in der Zeit der Völkerwanderung noch ein letztes Mal Münzstätte, nämlich unter den Ostgoten und Gepiden, die hier nur in Gold und Silber prägten. Sirmium, von wo aus gute Römerstraßen nach allen Weltgegenden ausgingen, war für die ostgermanischen Völker ein Sammelpunkt „nach dem Tore des Westens." Nach ihrem Abzug ging es dann auch mit dieser Münzstätte, die in der kurzen Zeit ihres Bestandes eine sehr umfangreiche Tätigkeit entfaltet hatte, endgültig zu Ende. Daß sich aber die neuen Eroberer zu ihren Münzen in der Hauptsache des auf ihren Zügen geraubten Goldes und Silbers und kaum je unmittelbar des bergmännisch gewonnenen (die Bergwerke lagen ja in diesen Stürmen darnieder) Metalles bedienten, ist wohl so ziemlich sicher.

138

II. Das Mittelalter

A. Die österreichische Ländergruppe

Hunnen, Slawen und Magyaren haben w ä h r e n d der Völkerwanderung unseren Raum mehr als ein halbes Jahrtausend lang nicht zur Ruhe kommen lassen. Die Primitivität der hier neues Siedlungsgebiet suchenden oder nur nach Beute dürstenden Stämme machte für sie ein eigenes Münzwesen überflüssig. Der Handel war zum größten Teil Tauschhandel; ein geordnetes Marktwesen gab es nicht. Was noch als Münze im Lande umlief, war fremder Import aus fortgeschritteneren Gegenden. Erst die verhältnismäßige Beruhigung der Ostgrenze des Deutschen Reiches nach dem Siege Kaiser Ottos I. auf dem Lechfelde bei Augsburg über die Ungarn machte es möglich, daß sich langsam Territorien bilden konnten, deren Landesherren auch das Berg- und Münzregal ausübten, das ihnen der Kaiser verliehen hatte. 1. Salzburg Der erste, der das Münzrecht im österreichischen Räume erhielt, war der Erzbischof Hartwig von Salzburg, dem Kaiser Otto III. am 28. Mai 996 zu Rom dieses wichtige Regal verlieh, allerdings mit dem Zusatz, daß die Münzen nach Regensburger Schlag auszuprägen seien. Das salzburgische Gebiet hatte ursprünglich zu Bayern gehört und infolgedessen, als sich die Münze langsam einzubürgern begann, anfänglich mit diesem auch eine gemeinsame Währung. Arnulf von Bayern (909—937) ließ sowohl in Regensburg als auch schon in Salzburg münzen. Regensburg hatte seine Münzstätte schon unter den Karolingern erhalten und seine führende Stellung im Donauhandel, die es bis ins 12. Jahrhundert hinein behauptete, nicht zuletzt seiner guten Münze verdankt. Daraus erklärt sich auch die extensive Prägetätigkeit dieser Stadt zu einer Zeit, als in Bayern selbst noch kaum ein Bedürfnis nach Münzgeld bestand. Eine Zeitlang prägten Salzburg, die Herzoge von Bayern und König Heinrich II. sogar gleichzeitig in der bayrischen Handelsstadt, der König gemeinsam mit Erzbischof Hartwig. Alle diese Regensburger Silberdenare und andere Münzsorten nach Regensburger Schlag sind fast kaum in Funden des Ursprungslandes, sondern vielmehr weit entfernt davon im Räume zwischen Oder und Weichsel, ja sogar in Westrußland, auf den Ostseeinseln, in den baltischen Ländern und in Skandinavien anzutreffen. Dies zeigt, daß die Regensburger Denare als reine Handelsmünze ein riesiges Streuungsgebiet im Osten wie im Norden hatte. Die Handelsware aber waren Sklaven, die hauptsächlich aus dem noch heidnischen Slawenland im Osten bezogen wurden, um quer durch Deutschland hindurch den Arabern in Spanien und anderen Sklavenhaltern, etwa in Böhmen, geliefert zu werden (936). Dieser Sklavenhandel spielte sich in großen Dimensionen ab und erklärt auch die 139

Herkunft des zu seiner Alimentierung nötigen Silbers. Da im ganzen deutschen Raum um diese Zeit außer auf dem Rammeisberg bei Goslar (970) und im südlichen Schwarzwald (1028) kein Silber produziert wurde, mußte Regensburg es sich von auswärts verschaffen. Zuerst waren es die von den jüdischen Sklavenhändlern für ihre Waren eingenommenen arabischen Dirhems, die hauptsächlich aus dem Samanidenreiche in Transoxanien stammten, wo das Silber vornehmlich in den Bergwerken bei Taschkent gewonnen wurde. Die Dynastie der Samaniden wurde 998 von den Gaznawiden gestürzt. Außerdem ging der Sklavenhandel auch infolge der fortschreitenden Christianisierung stark zurück. Die Zufuhr arabischer Münzen nach Mittel- und Westeuropa hörte um das Jahr 1000 schlagartig auf. Dies bedeutete eine schwere Krise im salzburgischen wie im bayrischen Münzbetriebe. Das Erzstift scheint seine Prägetätigkeit damals für längere Zeit sogar ganz eingestellt zu haben. Die Regensburger Kaufleute indessen fanden für ihren nach anderen Waren und Absatzgebieten ausblickenden Handel alsbald einen vollwertigen Ersatz in dem Silber anderer Bergwerke. Der Regensburger Donauhandel lebte nicht nur von ungarischen Häuten und Fellen, von ungarischem Wachs und Honig, sondern auch von jenem Handelsartikel, der noch lange Zeit in Oberdeutschland gänzlich fehlte: den Edelmetallen, die in Ungarn in ausreichendem Maße vorhanden waren. „Noch im 1 S.Jahrhundert wird ziemlich offen gesagt, daß es ein Hauptzweck des Regensburger Handels nach Österreich sei, von dort Silber zu beschaffen." Österreich war in der Tat „als Vermittler des Handels mit Ungarn im ganzen Mittelalter die Silbergrube für Oberdeutschland" (721). Der Erwerb von Edelmetall war ein Hauptgrund für den oberdeutschen Handel nach dem Osten. Somit sind die ersten Prägungen eines österreichischen Münzherrn sicherlich mit Hilfe von Importsilber zustande gekommen. Aber nicht in Salzburg allein, wo erst eine Urkunde von 1287 auf Gold- und Silbergruben im Lungau hinweist, sondern auch andere österreichische Münzstätten mußten sich mangels eigener Metallproduktion noch lange Zeit hindurch des ungarischen Silbers bedienen. Erst um die Mitte des 12. Jahrhunderts wurde der Regensburger Schlag im Erzstift durch einen eigenen Salzburger Pfennigtypus abgelöst. Aber nicht in Salzburg selbst, sondern in dem salzachabwärts gelegenen Städtchen Laufen entstand an Stelle von Regensburg die neue Münzstätte des Erzstiftes. Infolge einer recht gefährlichen Stromschnelle der Salzach bei dem damals noch zu Salzburg gehörenden Laufen, welche die auf dem Wasserwege beförderten Salztransporte passieren mußten, zogen es manche Händler vor, ihre Ware nicht weiterzuführen, sondern gleich zu verkaufen, und es entwickelte sich der Ort schon bald zu einem Umschlagplatz für Salz und andere Waren, was auch einen größeren Bedarf an Bargeld mit sich brachte. Das erforderliche Silber wurde wohl auf dem Handelswege erworben, da zu dieser Zeit ein bergmännischer Abbau von Gold und Silber im Erzstifte noch unbekannt gewesen sein dürfte. Man mußte es sich daher mittels des Salzhandels beschaffen oder direkt aus Regensburg beziehen, obwohl die Beziehungen zu Bayern damals eher gespannt waren. Deshalb wurde die Münzstätte auch bald von Laufen nach Salzburg übertragen, was um 1200 geschehen sein mag. Man darf wohl auch annehmen, daß infolge der damals noch andauernden Silberarmut in Deutschland die in Laufen geschlagenen erzstiftischen Pfennige ebenfalls aus ungarischem Silber bestanden. Wie schon erwähnt, stammen die ersten Nachrichten über Bergwerke im Salzburgischen erst aus dem Jahre 1287. Nun aber darf bei der Frage der Metallversorgung eines nicht vergessen werden, daß außer dem bergmännisch gewonnenen Metall auch noch 140

abgenüt2te oder außer Kurs gesetzte eigene oder ins Land geströmte Münzen für Neuprägungen umgeschmolzen wurden, wobei das Fremdmetall, das z. B. die Salzburger Erzbischöfe als Gewinn aus dem Salzhandel zogen, das Eigenmetall oft an Wert überstieg. Überdies bildete im Mittelalter die sogenannte Renovatio monetae, die periodische Münzverrufung bei gleichzeitiger Münzerneuerung auf Kosten des Einlieferers, ein anrüchiges Mittel, um zu Metall zu gelangen und daran doppelt zu verdienen. Eine vierte Möglichkeit, sich Prägemetall zu beschaffen, war nicht nur im Mittelalter, sondern auch in den diesem folgenden Jahrhunderten die Verwendung von angekauftem Bruchsilber und Bruchgold, dem sogenannten Pagament, das, wie schon das Wort „Bruch" besagt, aus nicht mehr verwendbaren Edelmetallgeräten bestand. Die frühesten Nachrichten über Edelmetall im Lande Salzburg berichten von Goldwäscherei. Der Gewinn daraus könnte, da es noch keine Goldmünzen gab, wohl zum Einkauf von Silber verwendet worden sein. Außer dem 1287 erwähnten Bergbau im Lungau besitzen wir eine Nachricht, vermutlich über den Silberbergbau bei Ramingstein und den Goldbergbau bei Schellgaden. Für die gleiche Zeit ist auch eine umfangreiche Betriebstätigkeit im wichtigsten Goldbergbaugebiet, in den Tälern von Gastein und Rauris, überliefert. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts hören wir überdies öfters von Silbergruben zu Leogang bei Saalfelden. Auch sonst läßt sich im Lande Salzburg noch Edelmetallbergbau nachweisen oder wenigstens vermuten. Schließlich besaß das Erzstift auch noch Bergbaue auf Edelmetalle in Osttirol und im Zillertal sowie besonders um Friesach in Kärnten, über das weiter unten berichtet werden soll. „Um einen genauen Überblick über den Betrieb und den Umfang des salzburgischen Edelmetallbergbaues zu gewinnen, dafür reichen die Quellen nicht aus. Hatte der Erzbischof die Gruben nicht selbst in Betrieb gehalten, so standen ihm bedeutende Einkünfte aus den verpachteten Regalrechten zu" (560). Dank der Erschließung des Bergsegens im Lande konnte sich die Salzburger Münzstätte genügend Metall verschaffen. Erst nach der Mitte des 15. Jahrhunderts begann der Ertrag zurückzugehen, was in den sechziger Jahren zu einer längeren Einstellung der Münzstätte führte. Die Bergwerke des Erzstiftes lagen fast alle im Pinzgau, im westlichen Gebiet des Landes, dessen Südgrenze am Kamm der Hohen Tauern verläuft; ein kleiner, kaum in Betracht kommender Rest lag auch noch im salzburgischen Teil des Lungaus, also am Oberlauf der Mur und im Tal der Taurach. Die Haupterträgnisse des Salzburger Edelmetallbergbaues erbrachten daher die Tauern, und zwar vornehmlich um Gastein und Rauris, wo heute noch zahlreiche Bergnamen über das goldene Zeitalter des früheren, längst erschöpften Bergbaues berichten: Goldberg, Goldzechkopf, Goldberg-Tauernkopf, Silberpfennig usw. Aus dem Golde der Tauern wurden auch die einzigen mittelalterlichen Goldstücke Salzburgs, die Goldgulden Erzbischof Pilgrims II. von Puchheim (1365—1396), geprägt, über die im Abschnitt Steiermark mehr zu sagen sein wird. Das wichtigste Montanprodukt des Landes, das ihm auch den Namen gab, war und blieb jedoch das Salz; mit den daraus erzielten Einkünften aber waren die Erzbischöfe in Zeiten unergiebigen Edelmetallbergbaus in der Lage, landfremdes Metall f ür ihre Münzstätte Salzburg zu erwerben.

141

2. Aquileia, Triest, Görz, Cilli In der Chronologie der Münzrechtsverleihungen steht das Patriarchat Aquileia an zweiter Stelle. Am 11. September 1028 verlieh Kaiser Konrad dem Patriarchen Poppo das Recht, Denare aus feinem Silber zu schlagen, ähnlich denen von Verona. Zuerst hatte Poppo ebenfalls nach Regensburger Schlag, dann aber nach dem Vorbilde der salzburgischen Münzstätte Friesach und der herzoglichen in St. Veit in Kärnten sehr roh gezeichnete Stücke geprägt. Seit dem Patriarchen Pilgrim II. kamen dann um 1204 Pfennige mit schüsseiförmig aufgebogenem Rand (sog. denari scodellati) und sehr feinem, sichtlich von italienischen Stempelschneidern herrührendem Gepräge auf. Das Patriarchat spielt neben Salzburg eine höchst wichtige Rolle in der politischen wie in der Münz- und Geldgeschichte Österreichs. Im Jahre 803 hatte Karl der Große die von König Pippin 797 verfügte Abgrenzung der beiden benachbarten Diözesen Salzburg und Aquileia durch die Drau anläßlich seiner Anwesenheit in Salzburg bestätigt. Dadurch war den guthaltigen Geprägen des Patriarchates von vornherein auch auf Kärntner Boden ein Einzugsgebiet gesichert, das sich mit der Zeit fast auf das ganze Land ausdehnte, bis die weltliche Entmachtung dieses Kirchenfürsten durch Venedig dessen Münzprägung 1455 ein Ende setzte. Eine so extensive Ausübung des Münzrechtes setzt stets auch eine reichliche Metallversorgung voraus. Es wurde einmal die Frage aufgeworfen, ob die Patriarchen ihre Münzen nicht vielleicht zu Friesach hätten prägen lassen, was bis zur Einführung der feinen denari scodellati schon aus dem Grunde denkbar wäre, weil diese ersten Emissionen der „Agleier" im Stil des Münzbildes und in der groben Mache den in Kärnten geprägten aufs Haar gleichen. Es könnte daher derselbe Stempelschneider für Salzburg (Friesach, St. Veit) und Aquileia zugleich gearbeitet haben. Überdies steht ja auch fest, daß der Patriarchenstaat im Friaulischen keine eigenen Bergwerke besaß, dafür aber großen Grundbesitz in Südsteiermark und Kärnten, von dem er alljährlich einen ansehnlichen Zehnten bezog, der bei Geldzinsen sicherlich in Friesachern geleistet wurde. Zudem hatte das Patriarchat gerade in der alten Herrschaft Friesach neben dem Erzbistum Salzburg ebenfalls einen großen Besitz. Wenngleich auch nicht nachzuweisen ist, daß darauf Bergbau betrieben wurde, mußte es dennoch ein leichtes sein, in dieser Gegend Silber zu erwerben, abgesehen davon, daß die Friesacher Pfennige auch im Patriarchat umlauffähig waren, sofern man sie nicht in dessen Zecca einschmolz und umprägte. Das gleiche gilt wahrscheinlich auch für die Bischöfe von Triest, während die Grafen von Görz, die eine Münzstätte zu Lienz im heutigen Osttirol und eine andere zu Ober-Vellach in Oberkärnten besaßen, an beiden Orten Edelmetallbergwerke in nächster Nähe hatten: nämlich den Bergbaubezirk Großkirchheim, also das obere Mölltal mit seinen ertragreichen, allerdings in großen Höhen gelegenen Gruben. Die Grafen hatten hier reichen Streubesitz, der aber sicherlich das zur Münzprägung erforderliche Metall erbrachte. Hier muß noch kurz der Grafen von Cilli gedacht werden. Sie waren von Kaiser Sigmund, der eine Tochter dieses Hauses, Barbara, zur Gattin hatte, 1436 gefürstet worden und erhielten die Grafschaften Cilli in der Steiermark und Sternberg bei Velden wie auch Ottenburg, beide in Kärnten, mit Gericht, Grenzen, Münz- und Bergrecht zu Lehen. Durch die Grafschaft Ortenburg verfügten die Cillier für ihre kurze und anscheinend geringfügige Pfennigprägung im Berggericht Steinfeld, das seinen Namen nach einem im Drautal östlich von Greifenburg gelegenen Orte führt, über ausreichende Silbermengen. 142

3. Kärnten Außer den erwähnten Görzer Grafen, die zu Ober-Vellach münzten, hat es neben den Landesfürsten, den Herzogen, als Münzherren auch noch die Bischöfe von Bamberg und vor allem die Erzbischöfe von Salzburg gegeben, die auf und für ihre Kärntner Besitzungen eigene Münzen prägten. Zeitlich stehen die B a m b e r g e r an vorderster Stelle, denn schon im Jahre 1060 verlieh König Heinrich IV. dem Bischof Gunther für Villach das Münzrecht; 1242 gestattete Kaiser Friedrich II. dem Bischof Heinrich I. von Schmiedefeld, sowohl zu Villach als auch zu Griffen nach Friesacher Schlag zu münzen, und schließlich bestätigte Ludwig IV. der Bayer dem Bistum dieses Privileg. Die Münzberechtigung dürfte jedoch erst seit etwa 1164 ausgeübt worden sein. Da, wie feststeht, von ihr nur in sehr geringem Umfange Gebrauch gemacht wurde, hat es fast den Anschein, daß man nur deshalb münzte, um des Rechtes per non usum, wie der technische Ausdruck lautet, also durch Nichtausnützung nicht verlustig zu gehen. Der Bamberger Bischof hatte gleich anderen Kärntner Grundherren in seinem Gebiete auch die bergrechtliche Oberherrlichkeit. Von ganz besonderer Bedeutung war für ihn sein Lavanttaler Grubenbesitz. Im Jahre 1227 hören wir zum ersten Male vom Silberbergbau auf bambergischem Gebiet im obern Lavanttale in der Gegend von Reichenfels. Später betrieb das Hochstift auch Goldbergbau in Kliening, einem Seitengraben des Lavanttales westlich der Stadt St. Leonhard. Anfangs sehr ertragreich, erlitt er Ende des 16. Jahrhunderts einen katastrophalen Rückschlag, der indessen die beiden altbambergischen Münzstätten Villach und Griffen nicht mehr tangierte, da sie um diese Zeit schon längst der Vergangenheit angehörten. Friesach war das Verwaltungszentrum für die ausgedehnten Besitzungen des salzburgischen Erzstiftes in Kärnten. In den Bergen der unmittelbaren Umgebung, insbesondere bei dem nordöstlich gelegenen Zeltschach und auch an anderen Stellen des später nach Friesach benannten Berggerichtsbezirkes, fanden sich reichliche Mengen von Silber auf eigenem Boden. Die Münzstätte in einer der Burgen hoch über der Stadt wurde in Friesach ungefähr zur selben Zeit errichtet wie die in Laufen, etwa um das Jahr 1125, also unter Erzbischof Konrad I. Graf von Abensperg. Die Entwicklung des Münzwesens nahm jedoch in Kärnten einen ganz anderen, weit stürmischeren Verlauf als an der Salzach. Der „Friesacher Pfennig", ein Begriff, der auch im gleichzeitigen Schrifttum, wie Urbaren, Urkunden usw., in sprachlich verschiedener Form auch anderen nach Friesacher Schlag ausgebrachten Münzen beigelegt wird, hat eine für diese Frühzeit geradezu ungeheure Verbreitung gefunden. Besonders interessante Aufschlüsse vermitteln da die Auslandfunde. Die älteren Gepräge kommen als typische Handelsmünzen vornehmlich in Ungarn vor. Der östlichste Fund ist indessen in der Walachei entdeckt worden. Der nach 1209 vergrabene Fund von Detta im Banat enthielt gegen 10.000, der von Aba-Puszta in Oberungarn, Komitat Szabolcs, rd. 7500 Friesacher, also höchst beträchtliche Mengen, ein kleines Vermögen für die damalige Zeit. Nach dem furchtbaren Mongoleneinfall in Ungarn im Jahre 1241, auf den die Bergung zahlreicher Münzschätze zurückzuführen ist, verschwanden die Friesacher dann plötzlich aus dem ungarischen Münzumlauf, wo man schon unter König Andreas II. (1205—1235) versucht hatte, sich ihrem Einströmen durch eigene Nachprägung zu erwehren. Aber der zeitweise Verlust des ungarischen Marktes wirkte sich keineswegs hindernd auf die Friesacher Prägetätigkeit aus. Im Gegenteil, der West-Ost-Handel dürfte nach dem Mongolensturm infolge Ausplünderung weiter Gebiete Ungarns und dem dadurch enstandenen Warenhunger vielmehr geblüht haben. Als Gegenleistung kam außer ungarischem Vieh 143

und anderen Landesprodukten auch ungarisches Silber, dessen Export damals noch frei war, in Münzen oder, was noch wahrscheinlicher ist, in Barren nach dem Westen, und zwar teils durch Vermittlung von Wien, teils als Rückfracht der aus Kärnten, Krain und der Steiermark ostwärts vorstoßenden Handelsleute. Dadurch kam ein Teil des Erlöses auch der Friesacher Münzstätte in Form von Prägesilber zugute. Denn wie ließe sich sonst der nach damaligen Verhältnissen riesig zu nennende Erfolg des Lyoner Kreuzzugszehents im Erzbistum Salzburg (1282—1285) erklären? Diese Abgabe, über die wir noch in anderem Zusammenhange Näheres hören werden, erbrachte im Erzbistum Salzburg nicht weniger als 525% Zahlmark allein an Friesachern, ungerechnet die ausländischen Silbersorten, die daneben im Lande umliefen. Dieses Gewicht entspricht einer Summe von etwa 84.000 Stück. Dies aber war bloß ein Zehntel des tatsächlichen Bestandes dieser Münzsorte im Besitz der gehobenen Geistlichkeit. Überdies besaßen naturgemäß auch die nicht besteuerten Laien einiges von dieser Münzsorte, und wenn auch von ihnen ein guter Teil noch Natural-Tauschhandel trieb, so verfügte dafür die Bevölkerung der Städte als Handel- und Gewerbetreibende neben ihren Waren und Erzeugnissen auch über bares Geld in ihren Truhen. Angesichts dieser Massen erhebt sich zwangsläufig die Frage nach der Herkunft des für diese Riesenmenge guthaltiger Friesacher nötigen Silbers. Ihr Gewicht kann zur Zeit des Lyoner Zehnten durchschnittlich mit je l g angenommen werden. Wenn man nun einen Umlauf von einer Million Stück im Erzbistum allein voraussetzt, wären dazu 1000 kg Silber erforderlich gewesen. Wo aber gab es auf erzbischöflichem Gebiet Bergwerke, die in dieser — bergmännisch gesehen — so frühen Zeit bereits eine so hohe Kapazität besaßen? Tausend Kilogramm fast reinen Silbers sind für jene Zeit eine gewaltige Menge. Man muß bedenken, wie mühselig der nur mit Eisen und Schlägel durchgeführte Abbau und wie langwierig der Veredelungsprozeß war. Auch mit Hilfe der „Renovatio" hätte sich der Metallbedarf nicht decken lassen; bestenfalls genügte dieser Zuschuß für den Binnen-, keineswegs aber auch für den Außenhandel. Es wird daher, wie schon angedeutet, das ungarische Silber gewesen sein, das die Handelsleute als Teil ihrer Rückfracht auf ihrer Fahrt durch die Täler der Drau und Save oder auf anderen Handelswegen mit sich führten. Dieses Silber dürfte wohl hauptsächlich aus den reichen Gruben im Gebiet der sieben niederungarischen Bergstädte, vor allem aus der Gegend von Schemnitz, der späteren „Silberstadt", gestammt haben. Denn Friesacher sind ja nicht nur in süd-, sondern auch in nordungarischen Funden angetroffen worden, z. B. in Karpfen, das zwar nicht unmittelbar dem Bunde der erwähnten Bergstädte angehörte, zu ihnen aber in mannigfachen Beziehungen stand. Auch siebenbürgisches Silber kann man sich in den Friesachern denken. Endgültig könnte diese Annahme wohl erst nach einer umfassenden Analyse des Silbers in den Friesachern bewiesen werden. Aus alledem ergibt sich jedenfalls, daß zu Ende des 13. Jahrhunderts schon so große Mengen von Silbergeld zirkulierten, daß der alte räumlich noch begrenzte NaturalTauschhandel sich bereits zum Fernhandel auf monetärer Basis entwickelt hatte. Im übrigen werden auch in Urkunden des obersteirischen Benediktinerstiftes Admont Silbergruben rings um Friesach bezeugt. Weiters gab es in dieser Gegend auch noch andere Bergbaue, die nicht dem Erzbistum gehörten. Vielleicht kam auch aus diesen Gruben ein Teil des Münzmetalls der erzbischöflichen Münzstätte, so daß das heimische Bergsilber zum mindesten eine Basis für die Friesacher Prägung abgab. Die fortschreitende Entwicklung der Friesacher zu einer vielbegehrten Handelsmünze setzt natürlich eine weithin ausgreifende Organisation des Silberhandels voraus. 144

Die Blütezeit der Friesacher fällt in die Zeit des großen Erzbischofs Eberhard II. von Regensberg (1200—1246). Nach seinem Ableben, das gerade in die Zeit des Mongolensturmes fällt, sank die Bedeutung der Friesacher Münzstätte. Es kam in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts sogar zu einer Vereinbarung zwischen Erzbischof Wladislaus von Schlesien und Ulrich III. von Kärnten, um einer Münzverschlechterung in Friesach und den herzoglichen Münzstätten zu St. Veit, Völkermarkt und Windischgraz durch gemeinsame Kontrolle vorzubeugen. Das weist auf zunehmenden Metallmangel hin. Mit Erzbischof Rudolf von Hoheneck (1284—1290) schloß dann der erste Vertreter einer neuen Dynastie, Herzog Meinhard von Kärnten, Graf von Tirol, 1286 zu Judenburg eine Münzvereinigung. Aber alle diese Abkommen konnten Verfall und Ende der Friesacher Prägung nicht mehr aufhalten. Um 1350 hörte sie überhaupt auf. Unter Erzbischof Leonhard v. Keutschach lebte sie um 1500 noch ein letztes Mal auf; aber der Begriff der „Friesacher" gehörte zu dieser Zeit bereits der Geschichte an. Was die salzburgischen Nebenmünzstätten in der Untersteiermark anlangt, so hatten diese die Aufgabe, den dringenden Bedarf an Friesachern in diesen Grenzgebieten gleich an Ort und Stelle befriedigen zu können. Es waren dies Pettau, wo gemeinsam mit den Babenbergern gemünzt wurde, sowie Rann, Reichenburg und Tschatesch gegenüber von Rann. Insbesondere die Ranner Gepräge nach Friesacher Schlag scheinen ziemlich verbreitet gewesen zu sein, wenigstens sind sie in der Abrechnung des Lyoner Zehents unter dem Namen „Rainer Pfennige, denarii de Reyn oder Reynenses" eigens angeführt, allerdings in weit geringeren Mengen als bei den Original-Friesachern. Die vorerwähnten Münzstätten lagen alle an den beiden Hauptausfallpforten nach dem Osten: Pettau an der Drau, die anderen an der Save. An diesen Orten mußten alle Handelsleute vorbeikommen, die mit Kroatien (das eine Zeitlang ebenfalls die beliebten Friesacher nachprägte) und Ungarn Handel trieben. Da aber in der Nähe dieser Münzhäuser keine Bergwerke liegen, darf man wohl annehmen, daß die Münzmeister das nötige Silber gleich von den in die Heimat zurückkehrenden Händlern bezogen. Die Kärntner Landesfürsten haben allem Anschein nach in ihren Landen erst spät zu münzen begonnen, und zwar vorwiegend in St. V e i t a. d. Glan. Wohl haben sie schon vor dem Übergang der Macht von den Eppensteinern an das Haus Spanheim (1122) nach Regensburger Schlag gemünzt, aber es ist ungewiß, wo ihre Münzstätte zunächst stand, ebenso der Zeitpunkt, zu dem eine solche in der Herzogstadt St. Veit eingerichtet wurde. Jedenfalls war diese im ersten Regierungsjahrzehnt Herzog Bernhards (1202 bis 1256) schon im Betrieb. Es steht auch fest, daß die Anfänge des Münzwesens der Spanheimer ungefähr in die gleiche Zeit zurückreichen, in der sich Erzbischof Konrad zur Errichtung einer Münzschmiede zu Friesach entschloß. Neben St. Veit unterhielt der Landesfürst auch noch Münzstätten zu V ö l k e r m a r k t und L a n d s t r a ß . Völkermarkt, 1105 als Markt, 1252 als Stadt erwähnt, war ursprünglich im Besitz des Stiftes St. Paul im Lavanttal, wurde aber gegen Ende des 13. Jahrhunderts landesfürstlich. Die neue Brücke über die Drau, die Herzog Bernhard hier erbaute, und die Lage an der Straße, die über das bambergische Griffen ins Lavanttal und durch dieses dann ins Murtal bei Judenburg führte, nicht zuletzt auch die ostwärts fließende Drau gestalteten Völkermarkt zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt und machten die Stadt für eine Münzstätte sehr geeignet. Die militärische Aufgabe der Unterkrainer Gurk, in ihrem Unterlauf durch Jahrhunderte Reichsgrenze gegen Kroatien, veranlaßte die Gründung von Landstraß. Auf einer kleinen Insel in der Gurk erbaute Herzog Bernhard zum Schutze des Landes ein festes Schloß mit dem Namen „Landestrost", weil es, wie Valvasor in seinem Werke 145

,Die Ehre des Herzogtums Krain' bemerkt, „ehedem für jedweden feindlichen Anlauf den Umwohnenden zur Zuflucht gedienet. . .". Landstraß (später Kostanjevica) wurde indessen von seinem Erbauer nicht bloß zum Zufluchtsort, sondern auch zum Handelsplatz bestimmt; es erhielt daher auch eine Münzstätte, deren Prägungen bis tief nach Ungarn hinein umliefen. Zunächst ahmten die schüsseiförmigen Gepräge des 1249 als Markt erwähnten Ortes die denari scodellati des Agleier Patriarchen Wolfger nach, der 1218 gestorben war. Solche Münzen aber waren in dieser Gegend nicht umlauffähig, weil sich in den benachbarten Ländern Kroatien und Ungarn die Münzen Friesacher Schlages eingebürgert hatten. Aus diesem Grund folgte auch Landstraß alsbald dieser Prägeweise, und Münzen dieser Art strömten bald in großer Menge über die Ostgrenze, doch in Kürze verschwanden sie fast gänzlich aus dem Geldverkehr. Für die Münzstätten der Kärntner Landesfürsten gilt hinsichtlich der Metallversorgung wohl so ziemlich das gleiche wie für die geistlichen, doch besaß der Landesfürst allem Anschein nach wohl das Bergregal, jedoch keine eigenen Bergwerke. Wir vermuten daher, daß diese herzoglichen Münzhäuser von dem Silber versorgt wurden, das jenen Grundherren gehörte, die zwar nicht das Münzrecht besaßen, dafür aber Bergwerke. Dann aber lieferte die „Renovatio" Münzmetall und nicht zuletzt die landesherrlichen Einkünfte, vornehmlich aus Maut und Zoll. Besonders aus diesem Titel mag sehr viel bares Geld in die Kassen des Herzogs geflossen sein, und zwar nicht immer gängiger Landesmünze, sondern häufig auch in entsprechend umgerechneten minderwertigen Sorten, die dann sogleich in die Schmelztiegel der Münzstätten wanderten. Beim Ankauf von Münzmetall aber wird wohl auch hier das ungarische Silber die Hauptrolle gespielt haben. Ähnlich verhält es sich auch mit der Friesacher Münzstätte der Andechs-Meranier zu W i n d i s c h g r a z in der Untersteiermark, wie nicht minder mit Stein und G u t e n w ö r t im ehemaligen Krain. Wann dieses dem altbayrischen Hause der Grafen von Dießen entsprossene Geschlecht, das nach meteorhaftem Aufstieg 1251 mit dem Patriarchen Berthold von Aquileia ausstarb, das Münzrecht erhielt, wissen wir nicht; sicher ist nur, daß es in diesen drei Münzstätten ausgeübt wurde. Von ihnen liegt Windischgraz auf dem rechten Ufer der Mißling, die bei Unterdrauburg in die Drau mündet. Der hier errichteten Münzstätte kam die alte Römerstraße zugute, die Laibach mit Klagenfurt über den Trojansberg und Cilli verband. Um 1200 hat es auf ihr einen regen Handelsverkehr gegeben. Das Städtchen Stein liegt am Fuße der mächtigen Steiner Alpen an einem im Mittelalter stark begangenen Nebenweg, der bei Loschitz in die eben erwähnte Römerstraße einmündete. Stein war der Hauptort jener Besitzungen, welche die Andechs-Meranier als Erben der Weimar-Orlamünde in Oberkrain übernommen hatten. Und schließlich Gutenwört. Hier hat der Unterlauf der Krainer Gurk von ihrem Austritt aus der Enge bei Einöd bis zur Mündung in die Save durch Jahrhunderte die Grenze des Deutschen Reiches gegen Kroatien gebildet. Auf dem rechten Ufer hatte das Bistum Agram Besitzungen, auf dem linken verschiedene deutsche Familien, wie die Spanheimer, die Andechs-Meranier und auch das Bistum Freising. „Etwa halben Weges zwischen Rann und Einöd lag Freisinger Gut, die Hofmark Gutenwört" (693). Hier befand sich nun zu Beginn des 13. Jahrhunderts eine Münzstätte, von der sich redende Gepräge, aber keinerlei urkundliche Nachrichten erhalten haben. Verschiedene Münzherren haben hier einander abgelöst: als erster Bischof Otto II. von Freising (1184 bis 1220), „der bedeutendste Historiker des deutschen Hochmittelalters", dann Markgraf 146

Heinrich IV. aus dem Hause Meranien (1215—1228) und schließlich auch der streitbare letzte Babenbergerherzog Friedrich (von 1229 bis zu seinem Tode 1246). Es war keine sehr umfangreiche Prägung, offenbar nur gerade so viel, als man zur Versorgung der mit der Fähre nach Kroatien übersetzenden Händler benötigte und — soweit man eben Münzmetall erhielt. Dies mag hier besonders schwierig gewesen sein, da sich in ganz Istrien kein einziges Edelmetallbergwerk und auch in Krain nur silberhaltige Bleigruben befinden, von denen es nicht einmal sicher ist, ob sie in dieser Frühzeit überhaupt schon ausgebeutet wurden. Die Versorgung dieser drei Münzstätten wird also nicht ohne beträchtliche Schwierigkeiten möglich gewesen sein. Nur die Lage an stark begangenen und befahrenen Handelsstraßen und die damit verbundenen Einkünfte aus Zoll und Maut mögen die Lage einigermaßen erleichtert haben, sofern nicht auch hier ungarisches Silber Verwendung fand. Auch die kurzlebige Münztätigkeit der Kärntner Spanheimer in der krainerischen Münzstätte L a i b a c h (Ljubljana) dürfte ähnlichen Schwierigkeiten gegenübergestanden sein, die wohl ebenfalls auf den bereits bekannten Wegen behoben oder doch mindestens gemildert werden konnten. Vor allem wird die rege Handelstätigkeit der Stadt ihrer Münzstätte auch die nötige Metallversorgung gewährleistet haben. Die wohl von eingewanderten oder hierher berufenen italienischen Goldschmieden geprägten, künstlerisch meist auf hoher Stufe stehenden Gepräge, die in ihren Münzbildern Triester oder Agleier Vorbilder nachahmten, weisen deutlich auf die Richtung dieses Handels hin. Die Seltenheit dieser Laibacher Denare, deren Prägung mit der Besitznahme Krains durch die Habsburger nach der siegreichen Schlacht auf dem Marchfelde (1278) erlosch, zeigt überdies, daß die Laibacher Münzstätte kaum eine über lokale Bedürfnisse hinausgehende Bedeutung besessen haben dürfte.

4. Steiermark Unter der Herrschaft der Chiem- und Traungauer reichte die grüne Mark im Norden weit über die heutigen Landesgrenzen hinaus. Die Markgrafen besaßen Münzstätten zu Fischau auf dem Steinfelde, wohin sie das nach dem Aussterben der Grafen von Pitten angefallene Münzrecht von Neunkirchen übertrugen, und zu Enns, das eben damals als Handelsplatz aufzublühen begann. In ihrem großen Gebiete südlich von Semmering und Wechsel aber bestand vor dem 12. Jahrhundert noch keine Münzstätte. Dies beweist, daß um diese Zeit hier noch kein solcher Bedarf an Münzgeld vorhanden war, der die Errichtung einer eigenen Münzstätte gerechtfertigt hätte. Man fand daher an den umlaufenden Friesachern vorderhand das Auslangen. Im Norden aber, in einer Gegend, die bereits mehr oder minder unter dem Einfluß des großen Donauhandels stand, war man schon seit längerer Zeit vom primitiven Tausch- und Naturalhandel zur fortgeschrittenen Stufe gelangt, die sich der geprägten Münze bediente. Aus diesem Grunde änderten auch die österreichischen Babenberger nach dem Tode des kinderlosen letzten Traungauers, Herzog Ottokars IV. ( f 1192), als dessen Erben nichts an den in der Steiermark vorgefundenen Zuständen. Erst Herzog Leopold VI., der Glorreiche, hat die Errichtung einer eigenen Münzstätte in Graz als notwendig empfunden, um sich des Überhandnehmens der aus den steirischen Besitzungen des Salzburger Erzstiftes in die herzoglichen Landesteile einströmenden Münzen zu erwehren. Da die ersten Grazer Pfennige auch nach Friesacher Schlag geprägt wurden, konnte das 147

Einströmen der originalen Friesacher in die Steiermark verhindert oder zumindest abgeschwächt werden. Die Münzstätte wurde allerdings bereits um 1222 für ein Jahrzehnt wieder geschlossen, als Leopold VI. und Eberhard II. zu Pettau, wie oben erwähnt, eine gemeinschaftliche Münzstätte in Betrieb setzten, wobei alle Einkünfte aus Münze, Zoll und den Gerichtsgefällen zu Pettau zwischen den beiden Vertragspartnern geteilt wurden. Der Grund dieses kurzfristigen „Münzvereins" lag für den Babenberger wohl darin, daß er an den wahrscheinlich reichen Einkünften aus einer begehrten Handelsmünze, wie es die Friesacher waren, ebenfalls teilhaben wollte. Durch die gleichzeitige Ausschaltung der Grazer Münze wurde eine mögliche Konkurrenz ausgeschlossen. Ebensowenig wie die tatsächlichen Gründe dieser Gemeinschaftsmünzung sind auch die ihrer Aufhebung durch den Babenbergerherzog Friedrich II. im Jahre 1232 bekannt. Vielleicht hatte die durch die Beteiligung des Salzburgers sicherlich erleichterte Metallversorgung den Babenberger der Gemeinschaf tsmünzung geneigt gemacht und ihn zu dem Angebot mit den für den Erzbischof verlockenden Zugeständnissen bewogen. Neben Graz wurde im steirischen Oberland nächst dem Bergwerk Oberzeiring noch eine zweite landesfürstliche Münzstätte eingerichtet, um die reiche Ausbeute dieser Silbergruben gleich an Ort und Stelle ausprägen zu können. Zwar stammt die erste urkundliche Nachricht über diesen Bergbau erst aus dem Jahre 1265; man darf aber mit guten Gründen annehmen, daß seine Aufschließung noch in die Zeit der Babenberger zurückreicht. Der Besuch, den König Rudolf I. von Habsburg 1279 dem „mons Zyrich" abstattete, läßt vermuten, daß der Betrieb damals schon in höchster Blüte stand. Mit einem katastrophalen Wassereinbruch im August 1361 fand die Prägetätigkeit in Zeiring ein vorschnelles Ende. Zwar hatte Herzog Rudolf IV. der Bürgerschaft zum Trost für die vielen Todesopfer urkundlich den Weiterbetrieb der Münzstätte zugesichert; als sich aber herausstellte, daß an eine Wiederbewältigung der ersäuften Gruben nicht mehr zu denken war, verliefen sich alsbald sowohl Gewerken als auch Bergknappen. Bei dem Grubenunglück sollen innerhalb einer Viertelstunde 1400 Knappen ertrunken sein: diese große Belegschaft zeigt deutlich auch die Kapazität dieses Bergwerkes an; seine Silberproduktion ist wohl zur Gänze hier ausgemünzt worden, und zwar nach Grazer Fuß. Da aber die ersten Grazer Pfennige noch nach Friesacher Art geprägt waren, dürften sich wohl auch die ersten Zeiringer Denare an dieses Vorbild gehalten haben. Schlüssige statistische Daten sind mangels urkundlichen Materials natürlich nicht zu erwarten. Wir wissen nur, daß Abt Heinrich II. von Admont nach dem Zeugnis des steirischen Reimchronisten Ottokar „ouz der Geul" nicht nur als Gewerke, sondern auch als „Landschreiber" (d. h. hier: Generalpächter der herzoglichen Einkünfte in der Steiermark) aus dem Münzregal, für das er dem Herzog Albrecht 6000 Mark verrechnete, und aus dem Zeiringer Bergwerke bedeutenden Gewinn zog. Während wir also in dieser Frühzeit des steirischen Münzwesens wenigstens eine, vermutlich sogar die ergiebigste primäre Silberquelle — eben Oberzeiring — kennen, wissen wir sonst über die Metallversorgung nicht das mindeste. Es ist wohl nicht zuletzt dem Versagen des einheimischen Bergbaues zuzuschreiben, daß die Ausmünzung in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts langsam an Bedeutung verlor. Selbst in seiner kurzen Blütezeit hatte das Grazer Münzhaus gleich den Kärntner Münzstätten seinen Silberbedarf größtenteils aus ungarischem Importsilber gedeckt, das bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts keiner Ausfuhrbeschränkung unterworfen war. Erst König Karl Robert aus dem Hause Anjou verbot den Export, und es bestand für Edelmetalle eine Ablieferungspflicht an die ungarischen Münzhäuser, eine Anordnung, die sehr rigoros gehandhabt wurde. Etwas Ähnliches wäre für die verschiedenen österreichischen Münzstätten 148

nie zu erreichen gewesen. Somit ist es kein Zufall, daß gerade um diese Zeit sowohl im benachbarten Kärnten als auch in der Steiermark die Münztätigkeit immer geringer und geringer wurde und daß an Stelle des Friesacher und des Grazer Pfennigs nunmehr andere, auswärtige Münzsorten hier den Verkehr beherrschten, wie der Wiener Pfennig und die vom Süden her eingeführten Agleier. Zeiring hat an Graz wohl kaum je von seinem Überfluß abgegeben, sondern wahrscheinlich alles im eigenen Hause vermünzt. Noch im Jahre 1579 berichtet der Oberste Bergmeister Hans Hubmayr an die Grazer Hofkammer, daß „die bauenden Gewerken der Orten so hoch befreit gewesen sind, daß sie ihre eigene erbaute silber selbst zu vermünzen die Zulassung gehabt haben sollen, wie denn noch heutigen Tags derselben Pfenning, so man die Zeyringer Pfenning nennen thut, hier und wieder zu finden sind". Diese posthume Vermutung aber wird durch eine Urkunde Rudolfs IV. vom 16. August 1361 zu Großkirchheim zur Gewißheit. Dort heißt es nämlich: „daß die münz Grazer Pfenning, furbas sein soll dasselbe auf der obern Zeiring und nicht zu Judenburg, also daz dieselb burger ein eigen Münz auf der obern Zeiring", wie bisher haben sollen. Das ist gleichzeitig eine Bestätigung dafür, daß die gleich zu besprechende Goldprägung dieser Zeit tatsächlich zu Judenburg stattgefunden hat. Im übrigen dürfte Graz seinen Silberbedarf späterhin im 15. Jahrhundert doch wieder aus ungarischen Importen gedeckt haben, da Karl Roberts Edelmetallmonopol schon wenige Jahrzehnte später entweder in Vergessenheit geraten oder einfach umgangen worden zu sein scheint. Denn noch das Münzbuch Albrechts von Eberstorf vermerkt anläßlich einer Zusammenkunft bayrischer und österreichischer Abgesandter zu Linz 1455 in der Instruktion für die Österreicher, daß „das Vorgeben, Bayern habe nicht wie Österreich Silberbergwerke, z. B. in Ungarn, zur Hand", insofern zurückzuweisen sei, da ja auch Bayern „an der Etsch, in Böhmen" und den umliegenden Ländern Silberquellen genug habe. Demnach war Österreich um diese Zeit, wie einmal gesagt wurde, „als Vermittler des Handels mit Ungarn" noch immer die „Silbergrube für Oberdeutschland", wobei es natürlich auch die Versorgung seiner eigenen Münzstätten nicht vergaß; auch die der Grazer nicht, obgleich diese während der sogenannten „Schinderlingszeit" (1458-1460) unter dem Münzpächter Balthasar Eggenberger genau so schlechte Pfennige prägte wie die Wiener Hausgenossen und Söldnerführer, denen Kaiser Friedrich III. notgedrungen das Münzrecht zugestanden hatte. Die österreichische Goldprägung des 14. Jahrhunderts war eine ebenso kurze, wie bedeutsame Episode. Silber war während des Mittelalters innerhalb der altösterreichischen Lande das tragende, das fast ausschließlich veredelte Münzmetall gewesen. Die einzige Ausnahme bildete die alte Handelsstadt Judenburg in der Obersteiermark. Sie lag an der uralten Nord-Süd-Verbindung, die von Wien über den Semmering, den Neumarkter Sattel und durch das Kanaltal nach Venedig führt und einerseits wegen ihres Zieles, andererseits wegen der vorwiegend auf ihr nach Süden transportierten Ware als „Italienstraße" oder „Eisenstraße" bezeichnet wurde. Der Fernhandel war in diesem Jahrhundert schon sehr beträchtlich; für seinen Umfang und die Kostspieligkeit der durch ihn aus dem Süden importierten Waren, die meist den Luxus befriedigen sollten, genügte der sonst sehr geschätzte silberne Alpenpfennig nicht mehr. Die ausländischen Gewürze, Pelze, Seidenstoffe und Leckerbissen mußten schon deshalb mit Gold bezahlt werden, weil sich die Verkäufer im Nahen und Fernen Osten, wie nicht minder auch die italienischen Handelsstädte Florenz, Genua und Venedig als Vermittler dieses Handels, mit dem in größeren Mengen schwer zu manipulierenden Silber nicht mehr begnügten. Für den österreichischen Binnenhandel bestand damals noch kein Bedarf an Goldmünzen, dafür aber für Zahlungen an das Ausland. In Salzburg z. B. 149

mußte man für die Prokuration eines Erzbischofs an der römischen Kurie stets größere Summen erlegen, was in Goldstücken der eben genannten Großhandelsstädte durch italienische Bankiers geschah. Wie gering der binnenländische Goldbedarf und Goldumlauf war, zeigt die Abrechnung des päpstlichen Kollektors, des Domherrn Alironus von Venedig, der bei Einhebung des Lyoner Kreuzzugzehents gegenüber 2783 % Kilogramm Silber bloß rund 1,6 Kilogramm Gold eingesammelt hatte. Es ist dabei allerdings anzunehmen, daß so mancher lieber sein Silber als sein Gold hergab. Im altösterreichischen Räume hatte es bisher wohl eine wenig ertragreiche Goldwäscherei, hauptsächlich im salzburgischen Pongau, gegeben. Der mittelalterliche Edelmetallbergbau Kärntens war ausschließlich auf Silber eingestellt; eine ins Gewicht fallende Goldproduktion hat nur das 16. Jahrhundert gebracht. Steiermark hatte überhaupt kein Gold produziert. Nieder- und Oberösterreich besaßen überhaupt keine Edelmetallbergwerke. Dagegen reicht der bergmännische Abbau im Salzburgischen in einigen Tälern, wie in dem schon genannten Lungau, schon bis zum Ende des 13. Jahrhunderts zurück. Die im Lungau 1287 erwähnten, dem Salzburger Domkapitel gehörenden Gruben hatte Gold und Silber produziert. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts tauchen Nachrichten über das wichtigste Goldrevier Salzburgs, die Täler von Gastein und Rauris, auf. Das Erzbistum befand sich gerade damals in einer kritischen Finanzlage, weshalb seine Oberhirten nur zu gern die Regalrechte an ihren Goldbergwerken, besonders in den eben genannten Tälern, an zahlungskräftige Bürger verpachteten. Schon 1344 wird eine namentlich angeführte Gesellschaft Judenburger Bürger im Hochgebirgstal als Pächter von Wechsel und Frone, von Berg- und Landgericht auf ein Jahr um 1500 fl. genannt. Zehn Jahre später nahm abermals ein Judenburger Konsortium die gleichen Rechte in Gastein und Rauris, dann Frone und Wechsel im Lungau, im kärntnerischen Malta- und Liesertal und zu Sachsenburg auf drei Jahre um je 1000 fl. für sich in Anspruch. Zu guter Letzt überließ Erzbischof Pilgrim II. 1378 seine Regalrechte neuerlich den Pächtern um 3200fl. auf zwei Jahre; dieser Vertrag wurde 1385 zu den gleichen Bedingungen erneuert. Es waren jedoch nicht nur Judenburger Bürger an dieser Ausbeutung der Salzburger Goldgruben beteiligt. Auch sonst suchte städtisches Kapital nach einer Anlagemöglichkeit, indem es sich am Bergbau beteiligte. Unter den vielen durch den Italienhandel wohlhabend, wenn nicht reich gewordenen Judenburger Bürgern standen diese Bergwerkspächter wohl in der vordersten Linie. Judenburg handelte vornehmlich mit „venedischer war" bis nach Wien und war hier sogar von dem unbequemen Stapelzwang befreit. Unter solchen Umständen ist es zu begreifen, wenn die Judenburger für ihren Handel mit Venedig angesichts dieses „Goldbooms" auch eigene Goldmünzen schlagen ließen. Es besteht kein Zweifel, daß es sich bei diesen Judenburger Goldgulden um Tauerngold handelt. Es ist auch sicher, daß die für diese Prägung bestimmte Münzschmiede sich in Judenburg selbst befand. Wenn auch kein direkter Beweis vorliegt, daß die Judenburger Bergwerkspächter die Ausmünzung in eigener Regie durchführten, so legt doch das zeitliche Zusammentreffen von Regalpacht und Münzprägung diesen Schluß nahe. Im übrigen hat sich Herzog Rudolf IV. wahrscheinlich mit dem Gedanken getragen, „auch die .Wiener Neustädter Silbermünze' und die ,Münz Gräzer Pfennig' von Oberzeiring nach Judenburg zu verlegen. Judenburg sollte also eine führende Stellung unter den österreichischen Münzproduktionsstätten einnehmen" (914). Vielleicht leitete den Herzog dabei der Gedanke, daß auf der Eisenstraße für die innerösterreichischen Lande, wie sie später hießen, leichter das Münzmetall zu beschaffen sei. Sein früher Tod hat die Ausführung dieses Planes verhindert. Im übrigen war die Tätigkeit der Judenburger 150

Münze zu diesem Zeitpunkt nicht mehr von langer Dauer. Als im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts die Goldprägung nach Florentiner Vorbild aus Süddeutschland wieder verschwand, folgte auch die Judenburger Gesellschaft diesem Beispiel. Wahrscheinlich erschien den Teilhabern der Gewinn, den sie aus dem Metallhandel und der Goldprägung gezogen hatten, nicht groß genug, um ihr Kapital noch länger in diesen beiden Sparten arbeiten zu lassen. Vielleicht war auch die in den besten Zeiten kaum überragende Ausbeute der Bergbaue so gesunken, daß die Unternehmer es nicht wagen konnten, mit dem ungarischen Goldgulden, der die österreichische Wirtschaft langsam zu beherrschen begann, in Wettbewerb zu treten. Der ungarische Florin wurde im österreichischen Räume und darüber hinaus alsbald zur dominierenden Handelsmünze, die das goldarme Mittel- und Südeuropa alljährlich mit rund einer halben Million Stück beliefern konnte, eine damals enorme Summe, die das Ergebnis von Karl Roberts von Anjou weitschauender Münz- und Bergwerksreformen gewesen war. 5. Krems und Wien Das Münzwesen im Herzogtum Österreich war im Grunde nichts anderes als ein Ableger des viel älteren bayrischen mit seinem Regensburger Pfennig. Er war auch in unseren Gegenden infolge des regen Donauhandels bis über die Mitte des 12. Jahrhunderts hinaus maßgebend geblieben, weshalb er auch für die ersten Prägungen der Babenberger zum Vorbild wurde. Heinrich II. Jasomirgott hatte gleich seinem jüngeren Bruder Leopold IV. für kurze Zeit als Herzog von Bayern in Regensburg gemünzt. Als Heinrich nach der Versöhnung des Kaisers mit den Weifen das Herzogtum Bayern zurückgeben mußte, wurde er in der Münzstätte Krems der erste Münzherr des zum Herzogtum erhobenen Österreich. Diese Kremser Pfennige werden schon um 1157 urkundlich erwähnt; sie blieben bis gegen die Jahrhundertwende die Münze des jungen Herzogtums. Sie bürgerte sich rasch ein, so daß sie schon von den Teilnehmern des dritten Kreuzzuges (1189) in größeren Mengen nach Ungarn mitgenommen wurde. Bezeichnenderweise hatten Kremser und Regensburger Denare denselben Kurswert, während Kölner und Friesacher anders taxiert wurden. Das Metall zu den Kremsern hatte zweifellos Ungarn geliefert. Mit dem Jahre 1196 enden die urkundlichen Nachrichten über die Kremser Münzstätte. Dank dem Aufhören der Ungarneinfälle konnten die Grenze der alten Mark und der Herrschersitz weiter gegen Osten verlegt werden, und so folgte auch die Münzstätte von Krems nach Wien, wo die ersten Münzen urkundlich im Jahre 1204 aufscheinen. Die Errichtung dieser Münzstätte dürfte wohl „im Anschluß an den dritten Kreuzzug erfolgt sein, als sich der Geldbedarf in Österreich mit einem Male erheblich steigerte, weil viele heimische Kreuzfahrer Liegenschaften verkaufen mußten, um die Barmittel zur Ausrüstung aufzubringen. Diesen plötzlichen Abfluß an Edelmetall mußte man in Österreich um so schwerer empfinden, als das Land keine eigenen Silbergruben besaß und erst wenige zur Ausfuhr geeignete Erzeugnisse hervorbrachte. Ein lebhafter Verkehr mit großen Anforderungen und Geldknappheit trafen mit einem Male zusammen und erschwerten die Silberlieferung an die Münze" (685). Herzog Leopold V. zog daraus die Folgerungen und gab die Ausmünzung auf eigene Rechnung auf, indem er sie, zunächst gegen Ablieferung des ausbedungenen Schlagschatzes, Privaten überließ. Dann aber ging er einen Schritt weiter und „errichtete zu Wien die mit dem Anspruch auf Selbstergänzung und manch anderen Vorrechten ausgestattete Körperschaft der 151

Hausgenossen, die als Vereinigung von Kapitalisten gegen einen Anteil am Münzertrag für den ungestörten Münzbetrieb zu sorgen hatte" (685). Herzog Leopold V. erhielt aus dem Lösegeld, das der auf Dürnstein gefangengehaltene englische König Richard Löwenherz zu zahlen hatte, 50.000 Mark Silber Kölner Gewichtes, was ungefähr 11.690 Kilogramm heutigen Gewichtes entspricht. Das Silber wurde, wie wir aus Jansen Enikels Fürstenbuch ersehen, zur Befestigung von Enns und Hainburg und sicherlich auch zur Gründung der als Grenzfestung erbauten Neustadt (Wiener Neustadt) verwendet. Die Bezahlung des Lösegeldes an den Herzog erfolgte zu einer Zeit, als „die Verlegung der Münzstätte von Krems im Gange war. Ob sie vielleicht überhaupt erst durch den Zugang so großer Kapitalien veranlaßt wurde, läßt sich nicht sagen. Sicher bedeutete der Zufluß so großer Mengen an Münzmetall einen gewaltigen Impuls für die Geldwirtschaft. Der Herzog konnte nunmehr genügend Münzmetall in das Geschäft der Münzer-Hausgenossen einbringen und sich damit einen namhaften Schlagschatz sichern". Auch die Wiener Kaufmannschaft hatte vom Herzog 30.000 Mark Silber erhalten, die zu einem Teile noch aus dem Lösegeld herrührten. Da aber Kaufmannschaft und Hausgenossenschaft „in ihrer personellen Zusammensetzung weitgehend identisch waren", darf man annehmen, daß die zum ersten Male 1203 genannten „Wiener Pfennige" — wenigstens zum Teile — aus diesem Lösegeld geschlagen wurden (183). Münzer-Hausgenossenschaften gab es seit dem Ende des 13. Jahrhunderts in etwa 15 deutschen Städten, von denen sieben dem Rheinlande, vier (darunter Wien) dem Donaugebiet und zwei Sachsen-Thüringen angehörten. Ihr Aufgabenbereich wird noch in einem andern Zusammenhange näher beleuchtet werden. Hier ist nur einiges über den wichtigsten Punkt ihrer Tätigkeit zu sagen, von dem Sein oder Nichtsein des ganzen Betriebes abhing: die Metallbeschaffung. Sie bereitete nicht nur in Wien allein Schwierigkeiten, sondern war angesichts der Montan- und Verkehrsverhältnisse vielmehr eine allgemeine Sorge. Zahlreichen Münzstätten im deutschen Räume stand ein ganz ungenügender Bergbaubetrieb gegenüber. Wien hatte es da vielleicht sogar etwas besser als die Hausgenossenschaften im übrigen Deutschland, da es ja bekanntlich im Mittelalter der hauptsächliche Umschlagplatz für den Metallhandel mit ganz Oberdeutschland war, wovon die Wiener Münze natürlich entsprechend profitierte. Die Hausgenossen waren hier überdies „allein zum Handel mit Edelmetallen und zum Besitz von Gold- und Silbergewichten berechtigt, konnten auf allen landesfürstlichen Märkten gegen Bezahlung von 72 neuen Pfennigen an den Marktrichter den Auswechsel der alten Münze an sich ziehen und hatten für grundherrliche Märkte das Vorrecht zur Lieferung der neuen Münze, falls der Inhaber den Auswechsel hier selbst besorgen wollte. Aber alle diese Vorrechte waren nur Zugeständnisse der Landesfürsten, eine Eigenberechtigung zu münzen besaßen die Hausgenossen niemals. Überdies erstreckte sich ihre Tätigkeit immer nur auf die Herstellung jener Münzen, die zur Zeit des ersten Auftrages üblich waren, also auf Pfennige und Hälblinge" (685). Aus verschiedenen Ursachen wurden die Geschäfte der Hausgenossen im Laufe der Zeit viel weniger einträglich, als sie es zur Zeit ihrer Gründung gewesen waren, namentlich seit Rudolf IV. 1359 auf das Recht der alljährlichen Münzerneuerung verzichtet hatte. „Manche Hausgenossen verarmen nun so sehr, daß sie das erforderliche Silber nicht mehr kaufen konnten, andere wurden geradezu der Verschleppung von Silber außer Landes beschuldigt" (685). Insbesondere im 15. Jahrhundert, unter Kaiser Friedrich III., lösten die sogenannten „Schinderlinge" im österreichischen Münzwesen und in der Wirtschaft jener Tage chaotische Verhältnisse aus. In der Einrichtung der Hausgenossen 152

zeigten sich schon merkliche Spuren des Verfalls, die 1522 mit der Auflösung der Körperschaft und einem Blutgericht endeten. 6. Tirol und Vorarlberg Im Mittelalter wurde sowohl in Tirol als auch von den Montforter Grafen im heutigen Vorarlberg gemünzt, und zwar, der territorialen Zersplitterung entsprechend, an vielen Stellen. Für Tirol liegen ziemlich konkrete Daten vor. Die ersten weltlichen Prägungen haben indessen nicht die späteren Grafen dieses Landes — sondern wie in Istrien und Friaul — die Andechs-Meranier und die mit ihnen verwandten Grafen von Hirschberg anfertigen lassen. Die Münzstätte lag in Innsbruck, also an einem verkehrstechnisch und handelspolitisch bedeutenden Punkt, der seinen Namen Pons Oeni der Brücke über den Inn, verdankt. Diese ersten Tiroler Münzen wurden nach Augsburger Schlag geprägt, denn solche Münzen waren damals die hier gängigste Münzsorte. Die Brennerstraße als wichtigste Verkehrsverbindung der oberdeutschen Handelsstädte mit Italien machte in der Kette der bereits bestehenden Münzstätten Augsburg am Nordende, Verona am Südende und Trient südlich des Brenners auch nördlich des Alpenüberganges eine vierte Münzstätte in Innsbruck erforderlich. Das Münzrecht der Bischöfe von Trient war schon 1182 von Friedrich Barbarossa bestätigt worden. Zwei Jahre vorher hatte auch das Bistum Brixen das Münzrecht erhalten, doch es ist ungewiß, ob die Bischöfe im Mittelalter je davon Gebrauch gemacht haben. Die Bischöfe von T r i e n t und B r i x e n verfügten über genügend Bergwerke, um den ursprünglich noch recht bescheidenen Bedarf an gemünztem Geld daraus zu befriedigen. Allerdings wurde dieser Bedarf an der Brennerstraße langsam immer stärker und stärker. Denn nicht umsonst hieß sie auch die „Kaiserstraße". Seit Otto I. im Jahre 951 zum ersten Male nach Italien zog, haben deutsche Herrscher in Verfolgung ihrer Italienpolitik immer wieder über diesen vielbegangenen Paß den Weg nach dem Süden angetreten. Als letzter hat Karl V. ihn überquert, als er 1530 von der Kaiserkrönung in Bologna nach Deutschland zurückkehrte. Aber um diese Zeit waren im Interesse des Imperiums schon längst keine Fahrten über die Alpen mehr nötig. An die Stelle der deutschen Kaiser und Könige war nun endgültig der oberdeutsche Kaufmann getreten. Schon 1202 werden zum ersten Male die Bozner Messen erwähnt,' die Stadt selbst wird erstmals 1070 « als Handelsplatz genannt: der Geldbedarf wuchs im gleichen Maße wie der Warenumsatz. Wenn auch vom Süden her, hauptsächlich von Verona, Münzgeld einströmte, so bestand auch an einheimischem kein Mangel, denn Silber war im Lande reichlich vorhanden. Nordöstlich von Trient liegt der Monte Calisio, der südwestliche Ausläufer des Lagorai-Gebirges, der „Möns argentarius" der alten Bergbauurkunden, einst die wichtigste Erzlagerstätte im südlichsten Tirol. Auf dem Turm neben dem Alten Rathaus von Trient kann man noch heute die Inschrift lesen: „montes argentum mihi dant nomenque Tridentum." Auch das alte Stadtsiegel zeigt diese Umschrift. So nimmt es nicht wunder, wenn hier im Tridentinischen die erste Bergordnung aufgezeichnet wurde, und zwar in Form einer Vereinbarung des Bischofs Albert I. vom 24. März 1185 mit den Gewerken. Dieses Statut ist aber zugleich auch die älteste Erwähnung des damals schon in vollem Gange befindlichen Bergbaues nördlich des Kalisberges (Möns Calisio) bei Pergine. Weitere wichtige Urkunden im Sinne bergrechtlicher Statuten stammen aus der Regierungszeit des Bischofs Friedrich von Wanga aus den Jahren 1208, 1213 und 1214; sie bilden in ihrer Gesamtheit das älteste alpenländische Bergrecht. 153

Wahrscheinlich hatten an diesem Südtiroler Bergsegen auch die Andechser und nach ihnen die Hirschberger ihren Anteil. 1281 war Meinhard II. von Tirol mit den Augsburger Lehen des verstorbenen letzten Grafen von Hirschberg, Gebhard VII., belehnt worden, wofür der Tiroler Graf 300 Mark Silber zu zahlen hatte. Abermals eine Bestätigung des Tiroler Silberreichtums. Mit dem Aussterben der Hirschberger aber wurde die Innsbrucker Münze überflüssig und daher aufgelassen. Nach mittelalterlichem Brauche wurde die neue, nunmehr mit Recht „tirolisch" zu nennende Münzstätte nahe dem Residenzschloße Tirol in der Stadt Meran an der Etsch eingerichtet. Der genaue Zeitpunkt ist jedoch unbekannt. Hier schlugen nun die Meinhardiner ihren Adlergroschen und nach diesen die „Zwainziger", so genannt, weil sie 20 Veroneser Bernern gleichkamen. Trient hat für seine verhältnismäßig geringen Prägungen sein eigenes Bergsilber verwenden können, die Andechser und Hirschberger haben sich ihr Silber wohl durch Kauf in Bozen oder anderswo beschafft. Nach Erschöpfung der Trienter Bergwerke war das tirolische Bergsilber rar geworden. Erst nach dem Aufblühen des Schwazer Kupferund Silberbergbaues zu Beginn des 15. Jahrhunderts gab es wieder reichlich Silber im Lande. Infolge des Tiroler Silberreichtums war hier die anderwärts geübte Finanzmaßregel der periodischen Münzerneuerungen unbekannt, die z. B. in Wien alljährlich einen großen Teil des erforderlichen Münzsilbers aufbrachte. Damit blieb eine sonst überreichlich beanspruchte Silberquelle ungenützt, so daß die Meraner Münze vor allem auf Einlösung der aus der Fremde kommenden Edelmetalle in Münzen angewiesen war (690/VI). Dabei taucht die Frage auf, womit denn diese Einlösung bezahlt wurde? Reisende pflegten damals Rohsilber mit sich zu führen, um es nach Bedarf gegen ortsübliche Münzen einzuwechseln. Wir können dies z. B. aus den Reiserechnungen des Bischofs Wolfger von Passau 1202/03 erweisen; es war aber auch nach dem Zeugnis des hl. Thomas von Aquino noch 1267 in Deutschland Reichsbrauch. Diese Zuflüsse waren nicht beträchtlich, da Vergnügungsreisen dem Mittelalter fehlten und die Menge der Reisenden überhaupt nicht groß war. Der Ertrag konnte jedoch ergiebiger werden, wenn man die Kaufleute heranzog, die den Handel noch als Wandergewerbe betrieben und das Paßland Tirol sowohl von Deutschland aus als von Italien her betraten. Auf Nutzbarmachung des Handels zur Beförderung des Münzbetriebes war daher seit je die Aufmerksamkeit der Münzherren gerichtet (690/VI), wie z. B. der Freiheitsbrief Herzog Leopolds V. von Österreich vom Jahre 1192 für die Regensburger beweist. Um diese Zeit versuchten allgemeine Reichsverordnungen die Verwendung von Rohmetallen als Zahlungsmittel zugunsten der Münzherren einzuschränken. König Heinrich VII. gebot am 20. April 1231, daß an Marktplätzen, wo es Münzstätten gab, alle Käufe und Verkäufe mit Edelmetallen laut wiederholt ergangener Gesamturteile einzig den Münzern zustünden. Sein Vater, Kaiser Friedrich II., wiederholte dasselbe bald darauf in einem „aput Aquilegiam" erlassenen Gesetz. Zahlungen mit Barrensilber hörten damit keineswegs auf. „Sogar im Marktverkehr, für welchen diese Gesetze ausdrücklich ergingen, ließen sie sich nicht ganz durchführen, um so weniger bei Darlehen, Rechtsgeschäften über Grund und Boden und dgl. Es läßt sich darum die Barrenwährung neben Zahlungen in Münze in Deutschland das ganze 13. Jahrhundert hinein als üblich nachweisen, sie hörte hier erst auf, als nach dem Jahre 1301 dem Großverkehr bequeme Münzgrößen: Turnosen, Prager und Meissener Groschen und später die Goldgulden in hinlänglicher Menge zu Gebote standen" (690/VI). Es scheint auf den ersten Blick kaum glaubhaft, daß der Kaufmann, der über den 154

Brenner zog, trotz der ihm auferlegten Lasten und Beschränkungen, die den Ertrag der landesfürstlichen Regalien sichern sollten, doch noch den Mut fand, sein Geschäft weiter zu betreiben. Nur ein Beispiel: Im Fondaco dei Tedeschi zu Venedig mußte der deutsche Kaufmann, der anderswo überhaupt nicht absteigen durfte, zunächst hohe Einfuhrzölle für die mitgebrachten Waren entrichten. Bei seiner Abreise aber mußte er seinen Barerlös in Venedig in andere Waren umsetzen und für diese auch noch hohe Ausfuhrzölle bezahlen. „So zog also die Republik vom deutschen Kaufmann doppelten Gewinn und behielt überdies das Edelmetall im Lande" (690/VI), eine der vielen, oft üblen Maßnahmen, die die Serenissima anwandte, um das im Land fehlende Edelmetall für ihre Zecca zu beschaffen. Auf dem Rückweg nach Oberdeutschland erging es den Kauf leuten kaum besser. Denn die Grafen von Tirol schlugen ebenfalls einen eigenartigen Weg ein, um den durch das Land ziehenden Händlern, die schon für jedes Öffnen der zahlreichen Mautschranken ansehnliche Gebühren leisten mußten, überdies auch noch einen bestimmten Teil des Silbers, das sie gemünzt oder in Barren mit sich führten, abzunehmen und der Münzstätte zuzuführen. Es war dies die sogenannte „Silberstange", die zwischen 1300 und 1400 erwähnt wird. „Das Wesen dieser Verpflichtung bestand darin, daß die Kaufleute zur Versorgung der Meraner Münze von der Ausfuhr gewisser Südtiroler Waren eine bestimmte Menge Silber gegen Vergütung abzuliefern hatten. Dürfen wir die in den Münzpachtverträgen von 1306—1361 darüber verstreut vorkommenden Andeutungen zusammenfassen, so mußte der landfremde Kaufmann der Meraner Münzstätte für jedes Fuder Wein oder jede Saumlast Öl, die er ausführen wollte, zwei Mark Silber Trienter Gewichts, der Inländer aber die Hälfte dessen zur Einlösung überlassen. Die Münze übernahm das Edelmetall nach dem festen Ansatz von 131/, Pfund Bemer (Berner = Veroneser) für die lötige Gewichtsmark. Konnten sich beide Teile über die Bewertung des angebotenen Silbers nicht einigen, so wurde es durch den geschworenen Versucher (Wardein) lötig gebrannt und sohin nach obigem Satze ausgezahlt. Aber die deutschen Kaufleute dürften trotz aller Zölle und sonstigen Belastungen beiderseits der Grenzen mit ihren Waren in der Heimat einen respektablen Gewinn erzielt haben. Diese Zwangsleistung der Kaufleute, die neben der Entrichtung der allgemeinen Zollgebühren gefordert wurde, gab nun der Meraner Münze die Mittel zu reichlichen Ausprägungen unter Graf Meinhard II. und seinen Söhnen. Nun waren zwar ärmere Landleute, die nur ihren Haustrunk auf 6 bis 8 Rossen beförderten, von Leistung der Silberstange frei und durften vom Münzerknecht in Bozen nicht weiter belästigt werden. Dagegen wurden die Kaufleute um so strenger herangezogen. Selbst der im Mittelalter sonst sehr gangbare Weg persönlicher Befreiung durch Erwirkung landesfürstlicher Gunstbriefe wurde ihnen von den Münzpächtern nach Möglichkeit verrammelt" (690/VI). Die Tiroler Grafen haben übrigens noch einen weiteren interessanten Beitrag zur Geschichte der Edelmetalle geliefert. Meinhard II. und seine Söhne haben nämlich beträchtliche Goldgeschäfte getätigt, die ihnen den für mittelalterliche Begriffe höchst ansehnlichen Gewinn von wenigstens 400 Mark Berner für 171 Mark Goldes Trienter Gewichts zu rund 254,7 g einbrachten. „Gekauft wurde das Gold gewöhnlich von deutschen Kauf leuten, welchen es wohl auf ihre Schuldigkeit zur Entrichtung der Silberstange angerechnet wurde. Meist waren es kleinere Posten, die immerhin bis zu 200 und mehr Mark ergaben, für welche die Kammer ein paar tausend Mark bereithalten mußte" (698). Was nun die Verwertung des in Deutschland angekauften Goldes in Italien anbelangt, so beruhte das ganze Geschäft auf dem ungeheuren Goldhunger, der bei dem enormen Goldbedarf der großen Handelsstädte, insbesondere Florenz' und Venedigs, für ihre 155

Fiorini und Zechini ohne weiteres erklärlich ist. Verkauft wurde das in Tirol erworbene Gold hauptsächlich an die bekannte florentinische Handelsgesellschaft der Frescobaldi oder nach Venedig direkt an die Zecca, die Münzstätte. Nutzbringend wurde diese Transaktion vor allem dadurch, daß Deutschland noch an seiner alten Silberwährung festhielt, aber auch durch den Umstand, daß Deutschland infolgedessen von der Goldhausse auf dem Weltmarkte noch längere Zeit unberührt blieb, während die hierzulande gleichgebliebene Preisrelation zwischen den beiden Metallen durch diesen Goldbedarf von 1: 8 im Lauf der Jahrzehnte bis etwa 1315 auf 1:14 (und sogar noch höher) stieg. Trotz dieser erfolgreichen Goldspekulationen begann jedoch für die Meraner Münze eine Zeit des Abstiegs, ja des Verfalls. Dies war eine der Ursachen, weshalb sie 1477 nach Hall im Inntale verlegt wurde. Ausschlaggebend war hierfür allerdings das rapide Aufblühen des Schwazer Bergsegens, „dem die Münzstätte örtlich möglichst nahegerückt werden sollte. Diese Ansicht ist insofern zweifellos richtig, als der Transport größerer Silbermengen über den Brenner und den Jaufen nach Meran und ebenso der Rücktransport des gemünzten Metalls zur landesfürstlichen Kammer in Innsbruck sowie an andere Nordtiroler Ämter, insbesondere an das Haller Salzamt, namentlich im Winter mit großen Schwierigkeiten verbunden war" (758). Dazu kam noch, daß der damalige Landesfürst, Erzherzog Sigmund, ein Verschwender war, der sich überdies in den Händen raffgieriger Intriganten befand, die unter dem Namen „die bösen Räte Erzherzog Sigismunds" in die Geschichte eingegangen sind. Alles dies erforderte naturgemäß einen besonders hohen Aufwand und infolgedessen einen ungleich größeren Umfang der Ausprägung gegenüber den früheren Zeiten. Diese gesteigerten Ansprüche waren mit den viel bescheideneren Erträgnissen der Südtiroler Bergwerke im Vintschgau, Nonstal und Primör nicht zu befriedigen; „schon für die Lieferung der Gossensasser Ausbeute bildete der Jaufenpaß das gleiche Hindernis wie für das Schwazer Silber. Zu diesen Schwierigkeiten kam jedoch seit dem Anfang der siebziger Jahre des 15. Jahrhunderts als letzter und entscheidender Beweggrund die vom Osten durch das Pustertal drohende Türkengefahr. Bei einem Türkeneinfall konnten tatsächlich die in der Meraner Münze liegenden Metallschätze auf nicht absehbare Zeit von Nordtirol abgeschnitten werden; es handelte sich dann nicht nur um diese selbst, sondern auch um die ganze Einrichtung der Münzstätte. Daneben mögen auch die gespannten Beziehungen Sigmunds zu den Eidgenossen, von denen ein Einbruch durch das Vinschgau her drohen konnte, mit Veranlassung gewesen sein" (758), daß die Ausmünzung zu Hall am 11. Dezember 1477 aufgenommen wurde. Im heutigen Vorarlberg übten die Grafen von Montfort und Tettnang das Münzrecht aus; sie entfalteten im Land selbst, wie auch in Langenargen am Bodensee bis zu ihrem Aussterben (1787) eine reiche, auf Gewinn bedachte Prägetätigkeit in Silber und Gold. Da Vorarlberg außer dem erst im 14. Jahrhundert im Montfortischen bezeugten Silberbergbau keine Silbergruben betrieb, dürfte ein beträchtlicher Teil seiner Münzen aus angekauftem Metall bestanden haben. 7. Die Vorlande Neben Österreich und der Steiermark besaßen die Habsburger auch in Schwaben zu beiden Seiten des Oberrheins ausgedehnte Gebiete, die teils Reichs- oder Kirchenlehen, teils auch Eigengüter waren. „Die Landgrafschaft Oberelsaß, die Grafenrechte im Aargau, Zürichgau und Thurgau, also von der Aar bis zum Boden- und Wallenstädter156

see, vom Rhein bis an die Südgrenze von Unterwaiden und Schwyz, die Vogtei und das Kloster Säckingen, namentlich das diesem gehörige Tal Glarus, und über die zahlreichen Herrschaften des elsässischen Klosters Murbach in der heutigen Schweiz, dann am rechten Rheinufer Güter im Breisgau und im Schwarzwald hatte Rudolf schon bei seiner Thronbesteigung in Besitz. Später kauften teils er, teils seine Söhne von der jüngeren habsburgisch-laufenburgischen Linie Freiburg im Üchtland (1277), vom Kloster Murbach die Stadt Luzern (1291), dann mehrere Städte und Herrschaften im südlichen Schwaben, besonders an der oberen Donau, wo 1301 auch die Markgrafschaft Burgau erworben wurde. Die Verbindung zwischen der östlichen und westlichen Ländergruppe wurde durch die Erwerbung Kärntens und Tirols erleichtert" (445). Im Jahre 1311 wurde von den Herzogen von Österreich und der Stadt Basel eine Münzkonvention beschlossen, an deren Stelle 1387 eine neue tratt, die jedoch ein viel größeres Gebiet und nicht weniger als 70 Teilnehmer umspannte. Jetzt wurde auch eine gemeinsame Pfennigmünze festgesetzt, die aber auf die Dauer infolge politischer Gegensätze nicht haltbar war, weshalb zur Aufrechterhaltung einer guten Silberwährung von der Mehrzahl der früheren Vertragspartner 1403 der kleinere „Rappenmünzbund" gegründet wurde, zu dem der Ritter Friedrich von Hadstatt, Landvogt Herzog Leopolds IV. von Österreich-Tirol im Elsaß, Breisgau und Sundgau sowie die Städte Basel, Freiburg und Breisach gehörten. Dieser neue Bund sollte das ganze Gebiet der Landvogtei und der vier Städte umfassen. Man wollte jährlich mindestens 2800 Mark Silber ausprägen, und zwar in kleinen Pfennigen und in den sogenannten Rappen; die Form dieser neuen Münzen war einheitlich vorgeschrieben. Der Bund, dessen verschiedene Peripetien hier nicht aufgezeigt werden können, hielt sich bis zum Jahre 1584, in welchem er durch Erzherzog Ferdinand II. von Tirol aufgelöst wurde, der den Mitgliedern des Bundes den Silberkauf endgültig aufkündigte. Die Silbergruben, aus deren Erträgnissen der Bund seine Münzen bisher geprägt hatte, befanden sich nämlich um diese Zeit hauptsächlich in den Händen des Erzherzogs, der nunmehr für die Landgrafschaft Oberelsaß in Ensisheim, wo sich auch der Sitz der vorderösterreichischen Regierung befand, eine neue Münzstätte errichtet, die bis zu ihrer Aufhebung im Jahre 1632 tätig war. Der Rappenmünzbund hatte sein Silber aus folgenden Bergwerken bezogen: „Am wichtigsten waren vor allem im 16. Jahrhundert die Bergwerke des Lebertales bei Markirch. In dem engen Seitentale von Deutsch-Rumbach, das sich bei Leberau mit dem Lebertale vereinigt, hatten im 9. Jahrhundert die Mönche des Klosters Eckerich Silberminen entdeckt. Die Edlen von Eckerich waren damit belehnt worden, doch hatte man die Gruben am Ende des 13. Jahrhunderts infolge Einströmens von Wasser verlassen. Erst im 15. Jahrhundert wurden dieselben durch die Herren von Rappoltstein und auf Rechnung der Genossenschaft der Rappenmünze wieder in Betrieb genommen und der Gewinn zwischen der österreichischen Regierung und den Herren von Rappoltstein geteilt." „Weiter südlich waren die Gruben von Masmünster im Tale der Doller am bedeutsamsten. Dieselben spielen besonders im 15. Jahrhundert in der Geschichte des Rappenmünzbundes eine Rolle. Auf dem Gebiete der Frauenabtei Masmünster gelegen, wurde sie von den Erzherzogen von Österreich als Vögten dieses Klosters in Betrieb genommen. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts sank ihre Ausbeute und wurde weit überholt durch den Hüttenbau in dem nahen Rosenfelser Tal bei Giromagny und durch die Bergwerke von Asseln (Auxelles). Auch auf diese Gruben legten die Erzherzoge von Österreich als Landgrafen des Sundgaus ihre Hand, und da sie Mitglieder der Genossenschaft der Rappenmünze waren, erstreckte sich deren Silberbann auch auf die Täler des westlichen Vogesen157

abhanges. Ja sogar noch weiter nach Welschland hinein dehnte sich derselbe aus, auf die Minen von Planchier im Tale des Rahin, wo die Äbte von Murbach Silber schmelzen ließen und es bis zur Eröffnung ihrer eigenen Münze in Geweiler (1544) in die Prägestätten des Bundes abführten. Wenn auch der Wasgau die hauptsächlichste EdelmetallBezugsquelle für die Genossenschaft bildete, so kam doch auch der Silberbergbau, der im südlichen Teile des Schwarzwaldes betrieben wurde, für dieselbe in Betracht, zumal in Zeiten, in denen man aus verschiedenen Gründen an der Ausbeute jener anderen Gruben nicht teilhatte. Da mußten oft jahrelang die Silber aus dem Schwarzwalde den ganzen Bedarf des Bundes decken. In der Nähe von Freiburg im Zastlertal, dem waldreichen Seitentale der Dreisam, wurden bei dem Orte Oberried Silberminen entdeckt, und die vorderösterreichische Regierung setzte hier zu Anfang des 16. Jahrhunderts ihren Bergrichter ein, der das ergrabene Silber in das Kaufhaus zu Freiburg zu liefern hatte" (102). Dieses Silber wurde in den Stadtrechnungen häufig auch als „Silber aus dem Schauwinsland" angeführt. Die bedeutendsten und ältesten Gruben aber im südlichen Schwarzwalde waren die von Todtnau im oberen Wiesental am Südabhange des Feldberges. Mit der Landgrafschaft im Breisgau kamen dieselben dann zu Österreich, unter dessen Herrschaft sie später dem Silberbanne des Rappenmünzbundes unterworfen waren. Wir sind also über die Silberbelieferung des Rappenmünzbundes außergewöhnlich gut unterrichtet, aber zugleich auch über seine Silbernöte. Angesichts der vielen reichen Gruben, die — auf dem Papier wenigstens — dem Bunde zur Verfügung standen, scheint dies im ersten Augenblicke wohl etwas merkwürdig, aber bei den damaligen monetären und bergbaulichen Verhältnissen darf uns das nicht wundernehmen. Denn das schon erwähnte Steigen des Goldpreises und das unausgesetzte Einströmen fremder minderwertiger Silbermünzen trieb in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts auch den Rappenmünzbund in eine schwere Krise, die für viele Jahre eine bedeutende wirtschaftliche Schädigung des ganzen Rheinlandes herbeiführte. Auch die gänzliche Verrufung der fremden Silbermünzen verfehlte angesichts der bereits eingesickerten großen Mengen ihren Zweck. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts mußte das Münzmetall dann zum überwiegenden Teile bereits im Handel eingekauft werden, da die Gruben des Lebertales und der Südvogesen, die damals von Österreich und den Rappoltsteinern eben erst wieder in Betrieb genommen worden waren, für die Silberlieferung an die verbündeten Städte nur wenig in Betracht kamen. Nach dem Bundestage in Neuenburg 1507 aber wurde zum ersten Male der ganze Edelmetallbedarf für die auf dieser Tagung beschlossene Neuprägung aus den einheimischen Bergwerken zu Masmünster, Plantschier, Todtnau usw. gedeckt. Dies war um so leichter möglich, als der Grubenbetrieb in den Südvogesen von dieser Zeit an stetig zunahm. Die Selbstauflösung des Bundes, der wohl als das Musterbild einer Genossenschaft auf monetärer Basis genannt werden kann, erfolgte am 11. September 1584 zu Kolmar. Der flammende Protest der Mitglieder gegen das eigenmächtige Vorgehen des Tiroler Erzherzogs verhallte ungehört. Damit endete eine Vereinigung, die das Wirtschaftsleben des oberen Rheintals durch zwei Jahrhunderte entscheidend beeinflußt hatte.

158

B. Die böhmische Ländergruppe

1. Böhmen Von den Ländern der Donaumonarchie hat Böhmen als erstes eigene Münzen geprägt, und zwar wahrscheinlich schon unter der Regierung Herzog Wenzels I. des Heiligen (928—935). Seither gab es keine Unterbrechung der Münzung. Gewöhnlich knüpfte ein neuer Typus an den vorangehenden an, so daß sich schon daraus eine Kontinuität ergibt. Die Münzfunde aber zeigen, daß bereits im 10. und 11. Jahrhundert im Lande auffallend große Mengen geprägten Geldes umliefen. SKALSK? hat bei der Bearbeitung des Fundes von Altbunzlau bei Brandeis a. d. Elbe errechnen können, daß z. B. aus der Prager Münzstätte in den beiden letzten Jahrzehnten des 10. Jahrhunderts an die 400.000 Denare ausgegangen sind, die auffallenderweise den Münzschlag des angelsächsischen Königs Ethelred II. (978—1016) nachahmten. Die eben erwähnte Prägezahl und der Typus weisen nicht nur darauf hin, daß in dieser Frühzeit der Bedarf Böhmens an geprägtem Gelde schon sehr groß gewesen sein muß, sondern sie werfen auch die Frage auf, woher die Prager Münzstätte das für diese Massenprägung erforderliche Silber bezogen haben könnte. Denn ungefähr um dieselbe Zeit hatte der Jude Ibrahim ibn Jakub, der als Mitglied einer Gesandtschaft aus dem arabischen Spanien 973 nach Merseburg an den Hof Ottos I. gereist war, unterwegs auch Böhmen besucht und darüber unter anderem berichtet, daß damals in Prag ganz dünne Tüchlein aus Leinen angefertigt wurden, „die bei den Slawen den Wert von Vio Pfennig hatten und im Handel als Zahlungsmittel gang und gäbe waren, von denen manche ganze Kisten voll besaßen". Neben diesen „Tüchlein" aber gab es — selbst wenn man den Prägebeginn unter Wenzel I. noch als ungewiß hinnimmt — auf alle Fälle unter BoleslavI. (936—967) und ebenso unter dessen Nachfolger BoleslavII. (967—999), in dessen Regierungszeit ja der Besuch Ibrahims fällt, schon zweifellos im eigenen Lande geprägte Silberdenare, neben denen aber auch noch Regensburger umliefen, die sich den böhmischen Raum vor dem Beginn der Eigenprägung erobert hatten. Woher stammte also das Silber dieser ersten böhmischen Denare? Eine im Jahre 1712 erschienene topographische Schilderung des Königreichs nannte Böhmen unter anderem einen „Kasten des Reichtumes", welche Bezeichnung sich auf „die Menge und Mannigfaltigkeit der nutzbaren Mineralien gründet, mit welchen das Land von der Natur gesegnet ist. Ringsum von Urgebirgen umgeben, welche als Böhmerwald und Erzgebirge, Riesengebirge und böhmisch-mährisches Hochplateau mit ihren höchsten Kämmen fast durchgehends die Landesgrenze und zumeist die europäische Wasserscheide bilden, stellt sich Böhmen als ein großartiges Urgebirgs-Becken dar, in welchem durch alle geologischen Zeitalter die mannigfachsten Gesteinsbildungen vor sich gegangen sind". Der Bergbau auf Edelmetalle geht zum Teil noch in prähistorische Zeiten zurück; seine größte Aktivität entfaltete er jedoch während des Mittelalters im 13. und 14. Jahrhundert. Hussiten und Dreißigjähriger Krieg haben ihn dann empfindlich geschädigt. Erst nach zwei Jahrhunderten begann er sich wieder zu erholen. Vom einstigen Goldreichtum Böhmens zeugten noch in der jüngsten Zeit umfangreiche Überreste alter Goldwäschereien, insbesondere an den Zuflüssen der gold- und perlenreichen Wotawa sowie an jenen der Sazava und der Luznitz entstanden ausgedehnte Goldanschwemmungen, die später durch die Kelten mittels eines einfachen Waschprozesses ausgebeutet wurden. An mehreren Orten des Landes aber wurde Gold auch in seinen primären Lagerstätten gefunden, obgleich selbst hier die Goldwäscherei vor159

angegangen war. So verdankt die altberühmte Goldbergstadt Eule (Jilov), südlich von Prag an der Sazava gelegen, ihren Namen der alten Goldwäscherei (jilovati = Gold waschen). Der bergmännische Abbau soll hier bis zu den Hussitenkriegen geradezu fabelhaft gewesen sein. Wahrscheinlich wurden auch die böhmischen Goldgulden und die der luxemburgischen Dynastie aus Euler Metall geschlagen. Die zweite alte Goldstadt war Bergreichenstein (Kasperske Hory) in den Vorbergen des Böhmerwaldes östlich von Eisenstein und Arber. Auch hier war der Bergbau bis zum 16. Jahrhundert sehr ergiebig, kam aber dann durch den Großen Krieg zum Erliegen. Auch die Bergstadt Knin am Südhang des Brdy-Waldes nordöstlich von Pribram hatte Gold gefördert. Die böhmische Silberproduktion ließ indessen die des Goldes weit hinter sich. Sie war eine der reichsten der ganzen alten Welt. Von den böhmischen Urgebirgen erweist sich als silberführend zunächst das böhmisch-mährische Hochplateau, also der südöstliche Teil des Landes, in einem ganzen Zug von Iglau bis Kuttenberg und auf einigen südlichen Punkten; dann das auch an sonstigen Erzen überaus reiche Erzgebirge; außerdem partizipiert an dem böhmischen Silberreichtum das böhmische Silur in seinen untersten Schichten im Bereich des eben genannten Brdy-Waldes in der alten Bergstadt Pribram. Der älteste Silberbergbau ist jedoch wohl jener von Mies (westlich von Pilsen, an der Bahn nach Eger), 1188 schon genannt. Der Ort hieß auf tschechisch geradezu Stribro = Silber. Auf ihn folgt Iglau (Jihlava) in Mähren (seit 1249) mit seinen auf böhmischem Gebiet liegenden Bergwerken; dann Deutsch-Brod (seit 1257) und endlich als bedeutendste Münz- und Bergstadt Kuttenberg (Kutnä Hora). Ihr Name geht auf die Sage zurück, daß die Silbererze hier zufällig um die Mitte des 13 Jahrhunderts durch einen Mönch aus dem nahen Kloster Sedlec entdeckt worden seien. Zur Zeit Przemysl Ottokars II. (f 1278) wurde auf dem Kuttenberge schon lebhaft Silberbergbau betrieben. König Wenzel II., der 1300 der Stadt eine auf Iglauer Recht beruhende Bergwerksordnung gab, richtete hier auch eine Münzstätte ein, in die er Münzpersonal aus Florenz berief. Hier wurden die ersten „Prager Groschen" genannten Pfennigvielfachen nach dem Vorbild der französischen Turnosen geschlagen. Die großen zur Verfügung stehenden Mengen böhmischen Bergsilbers, zumal aus Kuttenberg, ermöglichten dieser neuen Münzsorte alsbald auch Polen und den größten Teil des Deutschen Reiches zu erobern, ohne daß dieser Silberexport dem böhmischen Münzwesen durch Metallentzug Schwierigkeiten bereitet hätte. Die außerordentliche Bedeutung Kuttenbergs als Berg- und Münzstadt erhellt nicht zuletzt auch aus ihrer Barbarakirche mit dem berühmten gotischen Chor und nicht minder durch ihre Fresken mit bergmännischer Ikonographie sowie durch die Miniaturen des „Kuttenberger Kanzionais" und eines zweiten Kodex in der Wiener Nationalbibliothek; beides, Kanzional wie Kodex, verewigen nicht nur den Bergmann, sondern auch den Münzer. In der „Münzerkapelle" des herrlichen Domes sind die verschiedenen Verrichtungen des Münzprägers dargestellt, die gemeinsam mit den illuminierten Initialen des Kanzionais eine anschauliche Vorstellung des mittelalterlichen Prägeverfahrens vermitteln. Daß der Kuttenberger „Gemeinde der Münzer und Präger" eine eigene Kapelle der Barbara-Kirche vorbehalten war, zeigt wohl die münzgeschichtliche Bedeutung ebenso deutlich und eindringlich wie die Fresken der Haspler- und Bergmannskapelle die bergbauliche. Die höchste Blüte des Kuttenberger Bergbaus und Münzwesens fällt in das 14. Jahrhundert, das Zeitalter der kunst- und prachtliebenden Herrscher aus dem Hause Luxemburg, von denen einer, Karl IV., auch als deutscher Kaiser überragende Bedeutung 160

erlangte. Kuttenberg, das den Ehrentitel „Kleinod des Königtums" trug, galt in dieser Epoche förmlich als die zweite Hauptstadt Böhmens. In der Bergwerksordnung Wenzels II. von 1300 wurde das Silberbergwerk als ein „den Königen von Böhmen vom Anbeginn der Welt durch Gottes Fügung vorbehaltenes Geschenk" gepriesen. Der Wohlstand der Stadt und der meist aus Deutschland zugewanderten Bergleute — sie und die Münzer waren im Mittelalter viel auf Wanderschaft — hatte dann zu Beginn des 15. Jahrhunderts Neid und Haß der Hussiten erweckt. Als sich diese der Stadt bemächtigten, fanden viele angesehene Bergleute den Tod oder sie wurden, falls sie nicht zum Hussitismus konvertieren wollten, zur Auswanderung gezwungen, was natürlich der herrschenden Blüte des Bergbaues ein jähes Ende setzte. Allerdings war der Abbau um diese Zeit bereits in ansehnliche Tiefen vorgedrungen, die infolge der damaligen technischen Schwierigkeiten nur sehr schwer und nur mit hohen Unkosten zu bewältigen waren. Graf Kaspar STERNBERG, dem wir eine Geschichte des böhmischen Bergbaues verdanken, berechnete für die Jahre 1240 bis 1620 die Gesamtproduktion Kuttenbergs an Silber auf mehr als 8 Millionen Gewichtsmark; es entfielen daher auf ein Jahr durchschnittlich mehr als 21.000 Mark. Nun werde aber im 16. Jahrhundert infolge Rückgangs der Produktion nur mehr ein Jahresdurchschnitt von 13.000 Mark erzielt. Demgemäß müßte also die Produktion in der Blütezeit weit mehr als die erwähnten 21.000 Mark (d. i. rund 5000 kg) im Jahre betragen haben. Zur Zeit der Luxemburger befand sich die Goldmünzstätte in der Hauptstadt Prag und prägte ausschließlich Goldgulden. Nur in der Hussitenzeit wurden hier und auch in Kuttenberg die berüchtigten Silberheller mit dem böhmischen Löwen in riesigen Mengen als richtiges Inflationsgeld geprägt. Über der Geschichte des ältesten Pfibramer Bergbaues schwebt undurchdringliches Dunkel. Wenn aber der Chronist Häjek von Libocan der Fürstin Libussa eine glänzende Prophezeiung über den Reichtum des „Birkenberges" unter dem Berge „Trebusna" in den Mund legt, so ist diese Sage zu einem bescheidenen Teile Wirklichkeit geworden. Über den Bergbau besitzen wir jedoch erst aus den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts sichere Kunde. Nach dem ältesten noch existierenden Bergbuch bestanden vor dem Jahre 1527 bereits 33 Grubenbaue (Zechen). Nach einer Münzamtsrechnung aus den Jahren 1536-1538 wurde die Silberabfuhr jährlich noch mit 1400 Mark angenommen, aber von 1553 bis 1566 sank die Silberproduktion von jährlich 600 kg allmählich bis zum Nullpunkt. Um das Bergwerk vor dem gänzlichen Erliegen zu bewahren, erhielt die Stadt Pribram 1579 von Kaiser Rudolf II. ein umfassendes Privileg. Der Bergbau wurde von der Stadtgemeinde übernommen, erzielte aber trotz aller Begünstigungen nur geringe Erfolge, bis endlich 1779 der Adalbertschacht als erster Hauptschacht angelegt wurde. Da am Birkenberge der Adel erst in größerer Tiefe begann, konnte der Bergbau dank planmäßiger und fachmännisch richtig geleiteter Arbeit dann nach fast einem Jahrhundert, 1870, glänzende Erfolge aufweisen. Die „Mutter der böhmischen Bergstädte", Joachimstal, die gleich einer Reihe anderer Bergwerke erst im 16. Jahrhundert, also erst in der Neuzeit für den Münzbetrieb von wesentlicher Bedeutung wurde, soll weiter unten ausführlich behandelt werden. Der in diesem Abschnitt wiederholt angeführte Produktionsrückgang in gewissen böhmischen Bergbaugebieten dürfte, auch mit der zunehmenden Verschlechterung des Feingehaltes der Prager Groschen und anderer Silbernominale in Zusammenhang stehen. Seinen Höhepunkt erreichte dieser Rückgang nach dem Tode Karls IV. unter seinem unwürdigen Sohne Wenzel IV. (1378—1419). Das gewonnene Silber mußte in Böhmen 161

in der landesherrlichen Münze eingelöst werden. Dies war auch in anderen Ländern, z. B. im benachbarten Sachsen Brauch, und so kam es, daß der außerordentlich hohe finanzielle Nutzen, den die Landesfürsten, hier also die böhmischen Könige, aus dem Bergregal zogen, zu Lasten der Bergbautreibenden ging, die infolge des niedrigen Einlösetarifs ihre Kosten nicht mehr decken konnten. Dazu kam, daß viele Bergbaue schon eine derartige Tiefe erreicht hatten, daß sich der Betrieb angesichts des schlechten Silberpreises nicht mehr lohnte, weil die zunehmende Tiefe des Abbaues die Betriebskosten beträchtlich steigerte. Wohl versuchte man durch vorübergehende Einschränkung des Silbereinlösungsrechtes der Krone dem notleidenden Bergbau aufzuhelfen, aber in vielen Fällen kam diese Hilfe schon zu spät. Die Wiederaufnahme des Abbaues hätte unerschwingliche Kosten verursacht. Im übrigen ist anzunehmen, daß auf seiten der Gewerken immer eine gewisse Unzufriedenheit mit der Monopolisierung des Silberkaufes durch die Münze bestanden hat. Ob nicht die Kuttenberger Gewerken an die Vorteile eines freien Edelmetallhandels dachten, als sie zu Beginn des 14. Jahrhunderts die Entmachtung des Königs und seiner adligen Anhänger betrieben, damit „omne minerae proventus eo liberius, quo lucriosus quasi hereditate perpetua" ihnen zustände? 2. Mähren Die hart an der böhmischen Grenze gelegene zweitgrößte Stadt Mährens, Iglau, erlangte in der Geschichte des deutschen Bergbaues durch das für sie geschaffene Bergrecht eine besondere und beispielgebende Stellung. Aus dem der Stadt wahrscheinlich 1229 durch König Wenzel und Przemysl Ottokar II. verliehenen Privilegium erwuchs ein autonom ausgestaltetes Recht, das in mehreren Fassungen vorliegt und die Grundlage der Stadtrechte von Deutsch-Brod, Brünn, Prag und Schemnitz in Ungarn bildete. Von der Tätigkeit Iglaus als „Oberhof" gingen die vielen Schöffensprüche aus, die sich erhalten haben. Auch die ,Constitutiones juris metallici' König Wenzels II. vom Jahre 1300 wurden für die Silbergruben von Kuttenberg mit Benützung des Iglauer Rechtes, wahrscheinlich durch Gozzius von Orvieto ausgearbeitet. In Iglau betrieben schon seit dem Ende des 12. Jahrhunderts deutsche Knappen Bergbau und entwickelten dort ein reiches städtisches Leben, von dem uns die Handveste von 1249 Kunde gibt. Diese Iglauer Bergordnung galt als „Magna Charta" des Bergrechts. Das Land Mähren hatte schon zur Zeit der Przemysliden gemünzt, und zwar wie überall im Hochmittelalter Silberdenare. Münzherren waren die böhmischen Teilfürsten, das heißt die Häupter der Seitenlinien des Herrscherhauses, wie Spytihnew II., der erstgeborene Sohn Bfetislav I. (1037-1055), der zuerst Teilfürst von Mähren und des Saazergaues war, bis er nach dem Tode seines Vaters dessen Nachfolger als Herzog von Böhmen wurde. Brünn, Znaim und Olmütz waren seine Münzstätten in Mähren. Im 15. Jahrhundert, der Hussitenzeit, haben dann die genannten Städte sowie auch Iglau schlechte Silberpfennige schlagen müssen. Auch eigene Landesmünzen mit dem geschachtcn Adler gibt es. Aber zu einer intensiven Münzung ist es in Mähren weder im Mittelalter noch in späteren Jahrhunderten gekommen, obwohl das nötige Münzmaterial vorhanden gewesen wäre, sowohl um Iglau als auch in anderen Teilen des Landes. Aber das mährische Silber ging wohl hauptsächlich in die böhmischen Münzstätten.

162

3. Schlesien Wie im benachbarten Mähren galt auch der älteste schlesische Bergbau dem Abbau der Edelmetalle. Er kann bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgt werden, doch dürften die Bergleute ihre „Tätigkeit mehr der Tagesoberfläche und den Alluvien als dem festen anstehenden Gesteine zugewendet haben" (581). Schlesien besaß schon 1233 ein eigenes Recht der Goldbergwerke, aber ein Recht der Silbergruben scheint es um diese Zeit noch nicht besessen zu haben. Die älteste Urkunde über Bergrecht hat erst 1258 Boleslaus II. zugunsten des Klosters Leubus ausgestellt. Zehn Jahre später belehren die Iglauer Bürger und königlichen urburarii den Abt von Leubus über das Iglauer Bergrecht; eine Urkunde der Herzoge Boleslav und Heinrich erklärt diese Belehrung als gültiges Recht. Am 8. Dezember 1273 verleiht dann Heinrich diesem Kloster volle Freiheit „super locis mineralibus et metallis cuiuscumque generis fuerunt" und alles Recht, „quod super talibus homines clarissimi avunculi nostri domini et serenissimi Boemorum regis habere dinoscuntur" (266). In Böhmen sind Münze und Bergwerk stets auf das engste miteinander verbunden gewesen, „indem der Münzer zugleich einer der höchsten Bergbeamten war. Es darf daher mit Fug angenommen werden, daß das ältere böhmische Bergwesen auch auf Schlesien eingewirkt hat". Leider sagen die erwähnten Urkunden nichts über die Lokalität der Bergwerke aus, zumal der fürchterliche Mongolensturm von 1241 gleichwie in Ungarn auch in Schlesien die Entwicklung des Landes um Jahrzehnte zurückwarf. Wir wissen nur, daß auch in Schlesien das Gold anfänglich durch Waschen aus Flußsand gewonnen wurde. Als Münzmetall kam es in größerem Ausmaße erst im 16. Jahrhundert in Gebrauch. Goldbergwerke befanden sich bei der Stadt Goldberg, die von ihnen auch den Namen hat; sie waren schon vor der Mongolenschlacht bei Liegnitz in Betrieb, standen dann eine Zeitlang still und wurden um 1260 wieder abgebaut. Da auch in Schlesien die „abjectio" oder „renovatio monetae" im Schwange war, wenngleich ohne Zwangsmaßnahmen, die etwa in Deutschland die Ablieferung vielfach durch Strafandrohung erzwangen, ist also auch aus dieser Quelle ein Silberzufluß an die Münzstätten erfolgt. Sicherlich aber wurde daneben Silber angekauft und vielleicht mit Waschgold bezahlt. Im übrigen kursierte im Lande Barrensilber, gewöhnlich in der Gestalt von Halbkugeln von einem bestimmten abgerundeten Gewicht und mit einem Zeichen oder Stempel versehen, an welchem der Kaufmann erkennen mochte, in welcher Münzstätte der Barren gegossen oder gewogen war. Es gab da Goslarisches, Freiberger, auch Breslauer Silber (auch „Silber Goslarischen usw. Brandes" genannt). Es ist demnach genug Silber im Lande gewesen, wo übrigens nicht nur mit Edelmetallen, sondern auch mit allerlei Gegenständen der Natur und der Industrie gehandelt wurde. Diese Barrenwährung aber läßt den Rückschluß zu, daß Schlesien nicht nur über genügend Edelmetalle verfügte, sondern daß mit ihnen auch ein schwunghafter Handel betrieben wurde, insbesondere nach der sogenannten Brakteatenzeit, also ungefähr seit der Mitte des 13. Jahrhunderts, was mit der Abwehr der Mongolen zusammenfällt. Der Edelmetallhandel wurde verschieden gehandhabt. Während der Breslauer Rat 1339 anordnete, daß Gold und Goldgeld nicht gegen Kredit, sondern nur bar verkauft werden dürfe, um der Spekulation einen Riegel vorzuschieben, öffnete Herzog Ludwig von Liegnitz dieser in einer Urkunde vom Jahre 1346 Tür und Tor, indem er in seinem Herrschaftsgebiet den Edelmetallhandel nach Aufhebung gewisser im öffentlichen Interesse gelegenen Beschränkungen freigab. „Dieser Rechtszustand änderte sich später dahin, daß dem Münzer das ausschließliche Recht, Edelmetalle und außer Kurs gesetzte Münzen 163

einzukaufen, zuerkannt wurde, was sich aber selbst durch häufige Androhung hoher Strafen nicht aufrechterhalten ließ. Mit diesem Monopol der Münzstätte berührte sich aufs innigste der Wechsel, welcher länger noch als die Münze in den Händen der Fürsten geblieben, dann aber ebenfalls an die Städte übergegangen ist. Dieselben besorgten ihn entweder in der Münze selbst oder in eigenen Wechselstätten, die zuweilen im Rathause eingerichtet wurden" (266).

C. Die ungarische Ländergruppe 1. Ungarn Der erste Träger der nach ihm benannten Krone, der heiliggesprochene erste König von Ungarn, der Arpade Stephan I. (1000—1038), ließ auch die ersten ungarischen Münzen prägen. Es waren Halbdenare nach Regensburger Schlag, die in Osteuropa bald zu einer vielbegehrten Handelsmünze wurden. Im Gegensatz zu Regensburg hatte Ungarn keine Sorgen wegen der Metallbeschaffung; im Gegenteil, es konnte von seinem Überflusse sogar an das bayrische Handelszentrum an der Donau und an Oberdeutschland reichlich abgeben. Ungarn besaß in seinem Karpatenbogen, der einem schützenden Ringwall gleicht und fast das ganze Reich umfing, reiche Edelmetallschätze; vor allem im Bereiche der sieben niederungarischen Bergstädte, dem Ungarischen Erzgebirge im Norden und weiter im Südosten im Siebenbürgischen Erzgebirge, das besonders an Gold reich war. Der Beginn des bergmännischen Abbaues ist in Dunkel gehüllt, doch darf man annehmen, daß er bereits bestand, als Stephan das Münzgeld einführte. Wenn auch dem Erzbischof von Gran als Primas des Landes ein bedeutender Einfluß auf die Münzprägung zustand, von der er bedeutende Einkünfte, das sogenannte „Piset", bezog und er deshalb an der unmittelbaren Überwachung des Münzwesens persönlich interessiert war, so wird daneben auch die Nähe der um den Mittellauf der Gran gruppierten niederungarischen Bergstädte nicht wenig dazu beigetragen haben, daß die erste ungarische Münzstätte aller Wahrscheinlichkeit nach in Gran etabliert wurde. Gegenüber dem hochragenden Bischofsitz am rechten, mündete am linken Donauufer der gleichnamige Fluß in die Donau, der sicherlich den Transport des Prägemetalls in diesen frühen Zeiten erleichtert haben mag. Der Metallexport nach dem Westen scheint sich übrigens auf das ungarische Münzwesen mit der Zeit doch ungünstig ausgewirkt zu haben. Aber nicht nur der konstante Silberabfluß nach dem Ausland trug daran schuld, daß nach dem Tode des ersten Königs eine progressive Geldentwertung einsetzte, sondern auch die Nachfolger Stephans. Sichtlich unter dem Einfluß ähnlicher Vorgänge im Westen, dessen Luxusbedürfnisse sie übernahmen, begannen sie besonders im 12. Jahrhundert Regalrechte zu finanziellen Operationen auszunützen und zu einer ergiebigen Einnahmsquelle auf Kosten der Güte ihrer Münzen zu entwickeln. Erst Béla III. (1173 — 1196) betrat wieder den Weg einer allmählichen Münzverbesserung, aber unter seinem Sohne Andreas II. (1205 —1235) begann ein neuer Abstieg. Die von ihm geprägten Silbermünzen waren ungefähr die Hälfte der im Lande in großen Mengen umlaufenden Friesacher wert. Durch Zwangsverrufungen und wiederholte Neuemissionen innerhalb eines Jahres verängstigt, weigerten sich die 164

Einwohner schließlich, das königliche Geld anzunehmen; sie hielten sich dafür auch weiterhin an die ausländischen Münzsorten und der im 12. Jahrhundert üblichen ungeprägten Silbervaluta der Barren. Der Mongolensturm des Jahres 1241 verwüstete zwar so ziemlich das ganze Land in unmenschlicher Weise, aber in Béla IV. (1235 —1270) fand es einen tatkräftigen Herrscher, der es nach dem Rückzug des Feindes verstand, Ungarn neu aufzubauen, nicht zuletzt durch Regelung des Geldwesens und Förderung des ebenso schwer darniederliegenden Bergwesens. Aber das von ihm Geschaffene machte sein ungezügelter Enkel Ladislaus IV. der Kumanier (1272 — 1290) wieder zunichte. Bald nach seiner Ermordung starb auch die Dynastie der Arpaden aus, an deren Stelle nun das Haus Anjou trat, dem Ungarn zwei sehr bedeutende Herrscher verdankte: Karl Robert und Ludwig den Großen. 1307 war Karl Robert als König anerkannt worden, aber es dauerte noch Jahre, bis er sich gegenüber einer aus thronlüsternen Oligarchen bestehenden Opposition endgültig durchsetzen konnte. Unter den Arpaden hatte es schließlich etwa zehn Münzstätten gegeben, hervorgerufen durch eine von der Größe des Territoriums notwendig gewordene Dezentralisation, die zwischen 1211 und 1221 einsetzte. In den Urkunden tauchen allmählich die Münzstätte der Csanäder Diözese (1221), dann die Kammer von Szerém (Sirmium, 1253), die Slawonische Kammer (1251) und schließlich die in Ofen (Buda) auf, die in einer Urkunde Bêlas IV. vom 25. Juli 1255 erstmalig erwähnt wird. Ofen, wohin auch die königliche Residenz verlegt wurde, hat sein Münzmaterial sicherlich wie bisher Gran aus dem niederungarischen Bergrevier erhalten, vielleicht auch Csanäd, wohin das Silber ja ein gutes Stück Weges auf dem Wasserwege donauabwärts hätte transportiert werden können. Slawonien und Syrmien dagegen haben ihr Metall entweder aus nicht näher benannten Silbergruben in ihrem Gebiete bezogen oder es angekauft. Auch das Siebenbürgische Erzgebirge käme für sie und auch für Csanäd in Frage. Der junge, tatkräftige Karl Robert, der aus seiner neapolitanischen Heimat nicht nur vortreffliche und fortschrittliche wirtschaftspolitische Ansichten, sondern auch Verständnis für Münz- und Bergwesen mitgebracht hatte, ging nach Niederringung der Oligarchen, die sich während des Interregnums wichtiger Teile des Landes, darunter auch der niederungarischen Bergstädte bemächtigt hatten, sofort an eine Neuordnung des Königreiches. Unter seiner zielbewußten Wirtschaftspolitik wurde Ungarn alsbald das reichste Goldland Europas und zugleich ein wichtiger Faktor innerhalb der europäischen Münzpolitik. Der ungarische Goldgulden, der in seiner ersten Emission das florentinische Vorbild mit der Lilie nachahmte, nationalisierte sich und erhielt sehr selbstbewußt das ungarische Wappen aufgeprägt. Er eroberte alsbald den böhmischen und mährischen Markt, obwohl bekanntlich Böhmen selbst Berggold produzierte und unter den Luxemburgern auch ausprägte. Um diese Stellung des ungarischen Goldguldens zu erringen und auch zu behaupten, wurde vor allem das schon erwähnte königliche Edelmetallmonopol geschaffen und mit aller Strenge durchgeführt. Angesichts der Goldarmut Deutschlands und auch Österreichs eroberte der ungarische Goldgulden um die Mitte des 14. Jahrhunderts die Märkte Mitteleuropas und wußte sich während des ganzen Mittelalters als dessen bevorzugtes Zahlungsmittel zu behaupten. Das Ungarn Karl Roberts hatte daher als eines der reichsten Edelmetalländer der damaligen bekannten Welt an dem großen wirtschaftlichen Umbruch, der vom Ende des 12. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts währte, einen beträchtlichen Anteil. Wie sich diese Vorzugsstellung im Geldwesen und in der Geldpolitik auswirkte, soll in einem späteren Kapitel gezeigt werden. Hier sei nur so viel gesagt, daß nach verläßlichen Nachrichten in die drei Kammern 165

zu Kremnitz, Nagybänya und Hermannstadt (Nagyszeben) zu Ende des 15. Jahrhunderts jährlich an die 4877 Mark Gold eingingen. Dies zeigt, daß die ungarischen Bergwerke die europäische Wirtschaft jährlich mit 420.000 bis 450.000 Goldgulden versorgen konnten. Hermannstadt war gleich Nagybänya in Oberungarn ebenfalls Standort einer Kammer und einer Münzstätte. Beide besaßen in ihrem Wirkungsbereich ergiebige Edelmetallbergwerke. Die Existenz und das Münzwesen Nagybänyas, das ja so ziemlich an der Peripherie des Landes lag, war ausschließlich durch den Bergsegen bestimmt. „Die alten Bergorte Nagy- und Felsöbänya liegen am südlichsten Ende des Vihorlat-GutinGebirgszuges, der in genetischem Zusammenhang mit den Eruptivfeldern von Schemnitz steht. Die Erzgänge streichen in der Richtung von Norden nach Süden und sind in gewaltige Andesit- und Decitgesteinsmassen gelagert. Der Gold-Silber-Bergbau in Nagybänya reicht, wie lokale Inschriften beweisen, in die Antike zurück." Im späten Mittelalter scheint aber die Ausbeute wie in den niederungarischen Bergstädten auch in den beiden Orten, deren Namen durch das Wörtchen „bänya" = Bergwerk sogleich auf ihre besondere Tätigkeit hinweisen, zurückgegangen zu sein. Seit wann Nagybänya auch als Münzstätte fungierte, ist nicht sicher bekannt. Wir kennen nur die Namen einiger Kammergrafen, deren Reihe mit dem Jahre 1446 beginnt, so daß man den Anfang der Münzprägung wohl in diese Zeit setzen darf. Welche Münzsorten hier ausgeprägt wurden, wird sich erst sagen lassen, wenn die Münzzeichen aus der Reichs verweserschaft des Johannes Hunyadi (1446) angefangen bis zum Ende der Jagelionen (1526) geklärt sein werden. Da der ungarische Nationalheld und Türkensieger Hunyadi sein Amt im selben Jahre antritt, in dem der erste Kammergraf von Nagybanya erwähnt wird, wäre es gut denkbar, daß die Kammer vom Reichsverweser gegründet wurde.

2. Siebenbürgen Der wichtigste siebenbürgische Edelmetallbergbau befand sich in der Südwestecke des Landes im Siebenbürgischen Erzgebirge. Hier wurde sowohl bergmännisch abgebaut als auch noch weitgehend Goldwäscherei betrieben. Zahlreich sind in dieser Gegend die Namen von Gewässern, die mit der ungarischen Bezeichnung aranyos- (goldig) zusammengesetzt sind. Wenn wir von dem alten und sehr bedeutenden Silberort Rodna (Radna) in dem an die Bukowina angrenzenden Nösnergau (ehemals Komitat Bistritz-Naszöd) absehen, befand sich der Hauptschauplatz der siebenbürgischen Edelerz- und Metallgewinnung im südwestlichen Teil des Unteralbenser und im nordöstlichen des Hunyader Komitates; es bildete zwischen den Orten Groß-Halmagen, Offenburg und Broos ein Dreieck. Der Goldbergbau, dem gegenüber die sonstigen Goldschürfe und Goldwäschereien des Landes nur bedeutungslos sind, wurde in dieser Gegend schon von den Römern betrieben, die hier unter Kaiser Traian ihre Provinz Dacia eingerichtet hatten. Hauptort des Bergbaues war Alburnus maior (Verespatak), wo in den Gruben 25 wächserne Triptycha gefunden wurden. Es sind lauter privatrechtliche Urkunden, meist Kaufsund Verkaufsverträge aus der Zeit von 131 bis 167 n. Chr. Als Bergleute werden die illyrischen, um die Bucht von Cattaro (Kotor) ansässigen Pirusten erwähnt, die aus Dalmatien nach Dacien gekommen waren. Sitz der römischen Bergwerksdirektion war Ampelum (Zalatna), das mit dem Stadtrecht ausgestattet war. Der Direktor (procurator Augusti auriariorum) war zu Traians Zeit ein Freigelassener des Kaisers, später ein Mann von vornehmer Herkunft. 166

Bei Verespatak, Groß-Schlatten, Abrudbänya, Offenburg und Klein-Schlatten und noch an mehreren anderen Orten wurde und wird zum Teil auch heute noch mit großem Erfolg nach Gold geschürft. Neben dem Bergbau auf Edelmetalle, besonders auf Gold, wurde zur Römerzeit auch ein solcher auf Eisen und Salz betrieben. Wie reichlich hier in jenen frühen Zeiten Gold zur Verfügung stand, zeigt nicht nur der schon erwähnte Schatz von Szilägy-Somlyö, sondern auch andere Funde: So pflügte im Jahre 1868 ein Landmann bei Klein-Gredistve im Hatzeger Tal eine aus 14 zusammengebogenen Goldbarren bestehende Kette aus, welche das k. k. Antikenkabinett für 1800 Gulden einlöste. Allem Anschein nach war in Dacien weder Kupfer noch Silber vorhanden, zum mindesten nicht in den von den Römern betriebenen Bergwerken. Dieser Umstand dürfte auch zur Klärung der noch offenen Frage beitragen, weshalb in Dacien keine eigene Münzstätte eingerichtet wurde. Das Fehlen zweier wichtiger Münzmetalle, die Unsicherheit des Landes, das trotz seiner natürlichen Grenzen in Form von ansehnliche Höhen erreichenden Gebirgszügen immer wieder den Einfällen feindlicher Volksstämme ausgesetzt war, haben da sicherlich eine ausschlaggebende Rolle gespielt. Zwar hat Traian in den Jahren 104—105 durch den berühmten Apollodorus von Damaskus zwischen Turn Severin und Kladova die großartige 3570 Fuß lange steinerne Brücke über die Donau bauen lassen, aber trotzdem scheint man es für sicherer gehalten zu haben, die wertvollen Metalle rechtzeitig über den Strom hinüberzuschaffen, um sie in Sicherheit zu bringen. Nach dem Siege über den Dakerkönig Decebalus soll Traian nach einer (wohl übertriebenen) Nachricht des Laurentius Lydus eine Kriegsbeute von 5 Millionen Pfund Goldes, doppelt so viel Silber und 500.000 Kriegsgefangene gemacht haben. Um die Mitte des 2. Jahrhunderts kam mit dem Beginn des großen Markomannenkrieges die römische Herrschaft in Dacien ins Wanken; ein Jahrhundert später war sie hier gänzlich verschwunden. Schon um 260 n. Chr. war Dacien von den Westgoten überflutet; Germanen, Avaren, Slawen folgten einander. Erst als König Stephan der Heilige, der die strategische Bedeutung von Siebenbürgen erkannt hatte, den Stamm „jenseits des Waldes" mit der Gesamtheit der Magyaren vereinigte, wurde das Land in der Geschichte Ungarns zu einer jahrhundertewährenden Schutzbastion.

3. Dalmatien, Slawonien, Kroatien, Bosnien Woher die dalmatinischen Städte für ihre autonomen Prägungen oder die unter der Herrschaft Venedigs in deren Zecca geschlagenen Münzen ihr Münzmetall, meist Kupfer, bezogen, wissen wir nicht. Es dürfte wohl durch den Seehandel hereingekommen sein. Dasselbe gilt für die Prägungen einzelner ungarischer Könige, insbesondere Ludwigs I., in Cattaro und Zara; allein Ragusa war stets selbständig geblieben, mußte jedoch diese Freiheit durch starke Tributzahlungen an die Hohe Pforte in Konstantinopel erkaufen. Dieser Tribut aber wurde durch den blühenden Handel, den der Stadtstaat als erfolgreicher Konkurrent Venedigs hauptsächlich landeinwärts in die unterentwickelten Gebiete der Balkanhalbinsel trieb, reichlich wettgemacht. Die Münzstätte der kleinen Stadtrepublik konnte daher für diesen Handel auch eine rege Prägetätigkeit in Silber und Kupfer entfalten. Die Metalle dafür wurden wohl aus den Bergwerken Serbiens bezogen, etwa aus Brskovo oder Novo Brdo nördlich von Skutari. Diese Bergwerke wurden hauptsächlich von deutschen oder, wie man sie nannte, „sächsischen" Bergleuten betrieben und auch noch später unter der Türkenherrschaft von ihnen ausgebeutet. 167

Slawonien, wo die ungarischen Könige ihre Banaldenare prägten, wurde schon oben erwähnt. Kroatien dagegen hat im 11. und 12. Jahrhundert keine eigenen Münzen herausgegeben, obwohl eigene Könige an seiner Spitze standen. Man zahlte in Naturalien oder mit fremden Münzen, hauptsächlich byzantinischen. Später ahmten die ungarischen Könige oder ihre Bane in Kroatien die Friesacher nach. Woher das Silber für diese oder die slawonische Prägung kam, ist unbekannt. Man wird aber aus dem Text einer Urkunde für Slawonien schließen können, daß es aus dem Lande selbst stammte. Seit Kroatiens Eintritt in die Staatsgemeinschaft mit Ungarn begann auch Bosnien ein politisches Eigenleben zu führen. Es entwickelte sich mit der Zeit zu einem kraftvollen Königreich, das seinen Höhepunkt unter Tvrtko I. (1377—1391) erreichte. Als unabhängiger Staat prägte Bosnien eigene, dem mittelalterlichen Brauche nach aus Silber hergestellte Münzen. Bis zum Einbruch der Türken haben die bosnischen Bane und Könige zahlreiche Münzreihen herausgegeben. Um Srebrenica (wörtlich: Silberstadt) südlich von Zvornik an der Drina besaß das Land reiche Silbergruben und wahrscheinlich auch eine Münzstätte. Das Municipium der Bergbaukolonie, der „Bosna Argentina", war jedoch Domavia. Es lag in einem Becken, das die Sacka Rijeka oder „sächsisches Flüßchen" kurz vor der Einmündung in das Drinabett ausgeschwemmt hatte. Hier befand sich der größte an Bleiglanz gebundene Silberbergbau des Landes. Es steht jedenfalls fest, daß der bosnische Bergbau dank der auch hier ins Land gerufenen deutschen Bergleute, der „Sassones", so ergiebig war, daß er nicht nur den großen Bedarf der einheimischen Münzstätten deckte, sondern seine Erzeugnisse konnten sogar ausgeführt werden. Das Metall ging wahrscheinlich an die Münzhäuser der dalmatinischen Städte, solange sie noch autonom prägten und nicht von der Zecca in Venedig beliefert wurden, die dafür wohl Importsilber von da und dort verwendete. Es ist erwiesen, daß der rege bosnische Handelsverkehr mit dem Aufschwung des Bergbaues in enger Verbindung stand. Schon in der Römerzeit waren die bosnischen Bergwerke berühmt, im Mittelalter wurden sie von den Sassones (Sasi, Theutonici, Tedeschi) neuerdings in Aufschwung gebracht. Sie werden zum erstenmal unter Tvrtko I. erwähnt. Exportiert wurde aus den Bergwerken Silber, Blei, Kupfer und Eisen, wahrscheinlich auch Quecksilber, im 15. Jahrhundert wird auch die Ausfuhr von Zinnober erwähnt. Nur das Gold der Goldwäschereien war seit der Römerzeit erschöpft. Es gibt daher außer einem vierfachen Dukaten (Unikum) des von den Türken gemeuchelten letzten Königs von Bosnien, Stephan Tomasevic (f 1463), im gesamten südslawischen Räume während des ganzen Mittelalters keine einzige Goldprägung.

III. Die Neuzeit

A. Die österreichische Ländergruppe 1. Übersicht „Der Zusammenschluß der im Mittelalter selbständigen Gebiete zu großen Länderkomplexen unter einer Regierung und einer zentralen Verwaltung schuf im Münzwesen und dementsprechend auch im Bergbau veränderte Verhältnisse. Neue Münzstätten wurden errichtet, alte aufgelassen. Der unheilvollen territorialen und daher auch monetären Zersplitterung im Reiche, die noch ganz mittelalterlich anmutet, konnte Österreich nunmehr einen in bezug auf das Münz- und Geldwesen ziemlich einheitlich verwalteten und geleiteten Gebietskörper entgegenstellen. 1490 hatte Maximilian I. seinen Oheim Sigmund von Tirol wegen notorischer Unfähigkeit von der Regierung über seine Länder ausgeschaltet. Die altösterreichischen Lande bildeten seither, wenn man von den geistlichen Enklaven absieht, eine kompakte Masse. Allerdings spaltete sich nach dem Tode Kaiser Ferdinands I. (1564) gemäß seinem letzten Willen wieder eine Tiroler (bis 1665) und eine innerösterreichische Linie (bis 1619) mit Innsbruck bzw. Graz als Residenz ab. Die Münzstätten zu Hall in Tirol und Ensisheim im Elsaß gehörten zur Tiroler Linie, während jene zu Graz und Klagenfurt Innerösterreich versorgten. Nach der Türkenschlacht von Mohacs (1526) waren infolge der habsburgisch-jagellonischen Doppelhochzeit des Jahres 1515 die Länder der Stephanskrone (soweit sie nicht für 150 Jahre unter türkischer Herrschaft standen) und der Wenzelskrone an das Haus Österreich gefallen; ein territorial wie wirtschaftlich gewaltiger Gebiets- und Machtzuwachs, aber zugleich auch eine Quelle der Sorgen und infolge der fast pausenlosen Kämpfe gegen den „Erbfeind der Christenheit" und der Tributzahlungen an die Pforte auch der finanziellen Erschöpfung. Diese territoriale Konzentration wird auch durch den Umstand charakterisiert, daß anders als im Reiche in Österreich die geistlichen Fürsten, Salzburg und Olmütz ausgenommen, so gut wie keine Prägetätigkeit mehr ausübten. Und wenn auch dem einen oder dem andern weltlichen Großen für seine Verdienste um das Erzhaus vom Kaiser das Münzrecht verliehen worden war, so hat die Mehrzahl von ihnen dieses Recht in sehr bescheidenem Ausmaß nur zur Repräsentation ausgeübt und um nicht durch „non usum" dieses Recht wieder zu verlieren. Auf altösterreichischem Boden sind nur die Dietrichstein, Eggenberg, Montfort und Trautson, in den böhmischen Ländern die Liechtenstein, Schlik und Wallenstein monetär und daher auch in der Frage der Metallversorgung stärker hervorgetreten. Von den österreichischen Städten aber hat keine das Münzrecht besessen; Eger, das im Mittelalter gemünzt hatte, hat dieses alte Recht gleich anderen Städten nur mehr während Belagerungen notgedrungen ausgeübt. Die sogenannten „Neufürsten" oder besser gesagt Standesherren unterstanden bei ihren Münzungen natürlich den geltenden Vorschriften. Da viele von ihnen ihre Münzen in staatlichen Münzstätten schlagen ließen, war schon dadurch Mißbräuchen ein Riegel 169

vorgeschoben. Ganz im Gegensatz zum Reiche, das von einem dichten Netz meist unbefugter „Heckenmünzstätten" überzogen war, konnte eine gewisse Zentralisierung des österreichischen Münzwesens durch die betreffenden Länderkammern, wenn auch nicht immer mit vollem Erfolge, durchgeführt werden. Diesen Vorteilen standen natürlich, vor allem in der Frage der Metallbeschaffung, Nachteile gegenüber. Glücklicherweise hatten die Osmanen weder innerhalb der altösterreichischen Ländergruppe, wo sich dieser Engpaß am meisten bemerkbar machte, noch in Rumpfungarn die wichtigsten Montangegenden erobern können. Nur Siebenbürgen ging nach kurzer Herrschaft unter Ferdinand I. bis 1687 den Habsburgern wieder verloren, weil in diesem an Edelmetallen reichen Lande ein Wahlfürstentum von des Sultans Gnaden entstanden war. Außer den Tributen, mit denen die jeweiligen Friedensschlüsse und deren Verlängerungen förmlich erkauft werden mußten, stellte die Instandsetzung der Befestigungen an der Ostgrenze und nicht zuletzt die an ihr stationierten, aus aller Herren Ländern bunt zusammengewürfelten Söldner die höchsten Anforderungen an die Staatsfinanzen und damit auch an die Metallversorgung der Münzstätten. Die Söldner brachten überdies nicht nur aus der Heimat die verschiedenartigsten, meist minderwertigen Münzsorten mit, die sie der von ihnen terrorisierten Bevölkerung aufzwangen. Weiters floß auch mit den Reichssubsidien, aus denen der Sold bezahlt wurde, viel schlechtes Geld aus dem Reiche über die Grenzen ein, wobei die deutschen Reichsstände diese ihre schlechten Münzen Österreich zum Nenn- und nicht zum Metallwert verrechneten! Man möchte nun glauben, daß die innerösterreichischen Münzstätten, vor allem in Graz, wo die Administration der am meisten bedrohten windisch-kroatischen Grenze ihren Sitz hatte, über diesen Zufluß immerhin erheblicher Mengen umzuprägender Geldstücke erfreut gewesen wären. Diese Umprägung erforderte jedoch meist mehr Zeit und Geld, als das Ganze wert war, denn die schlechte Münze sollte in gute verwandelt werden; das dazu fehlende Silber aber mußte aus den ohnehin knappen Vorräten zugeschossen werden. Die neue Zeit kündigt sich auch in der Organisation des Bergwesens unter Maximilian I. an. Sie steht in engem Zusammenhang mit der großen Verwaltungsorganisation, die, von Tirol ausgehend, schließlich die gesamten österreichischen Erblande ergriff. Durch die Teilungen der Leopoldiner war bekanntlich der habsburgische Hausbesitz in eine ober- und niederösterreichische Ländergruppe geteilt worden, von denen jene Tirol und die Vorlande in Schwaben und im Elsaß umfaßte, während die übrigen Landschaften zu den niederösterreichischen Ländern gezählt wurden. In der oberösterreichischen Ländergruppe stand nach wie vor der ergiebige Falkenstein bei Schwaz der noch jungen Münzstätte im benachbarten Hall zur Verfügung. Hier in Tirol war übrigens die Organisation des Bergwesens schon seit langem festgelegt; sie änderte sich auch in der Folgezeit nicht. Im Jahre 1539 gab es in ganz Tirol vom Montafon bis Kitzbühel und von Imst bis Persen (Pergine) siebzehn Bergrichter bzw. Berggerichte, davon sechs in Südtirol. Für die vorderösterreichischen Lande, die nun zur oberösterreichischen Ländergruppe gehörten, mußte eine einheitliche Organisation erst geschaffen werden. Über die im eigentlichen Österreich gelegenen Bergwerke war seit spätestens 1494 je ein Obrister Bergmeister in Österreich, Steier, Kärnten und Krain gesetzt. Wichtig ist, daß bereits unter Maximilian I. die Forderung gestellt wurde, daß „alles Bergwerk" unter die Regalrechte des Landesherrn falle, eine Forderung, die aber erst sein Enkel, Ferdinand I., durchzusetzen vermochte. Im Jahre 1509 wurden die Bergwerke in folgende Verwaltungssprengel zusammengefaßt: 170

1. Die Bergwerke in Oberkärnten: Vellach, Kirchheim, Modereck und Steinfeld und, damit verbunden, auch das bereits jenseits der Grenze in Tirol liegende Lienz. Diese Gruppe nennt sich meist „Bergwerke in der Grafschaft Ortenburg zu Lienz". Die Bergwerke um Gmünd waren 1502 samt Herrschaft und Stadt an Salzburg verkauft worden. 2. Die Bergwerke in der Obersteiermark im oberen Ennstal, also Schladming und an der Mandling sowie das Berggericht Rottenmann. 3. Die Bergwerke in der Obersteiermark und inUnterkärnten: an der Zeiring, im Gurk-, Metnitz- und Görtschitztal. 4. Die Bergwerke in Österreich und Untersteiermark: in der Prein bei Mariazell, am Semmering, zu Kallwang im Liesingtal, zu Frohnleiten, Schrems, Übelbach und am Zuckerhut. 5. Die Bergwerke in Krain. Hier befand sich der meistgenannte Bau in Littai an der Save; aber auch zu Nassenfuß an der Neurlng, in der Herrschaft Schwarzenberg und in der Gegend um Bischoflack gab es Gruben. In dieser Aufzählung handelt es sich ausschließlich um Silberbergwerke. Erst unter Ferdinand I. entwickelte sich Kärnten zum reichsten Goldland im österreichischen Bereich. Aber auch im Silberbergbau stand Kärnten in dieser Ländergruppe an der Spitze. Die Steiermark besaß wohl zahlreiche Gruben, aber ihre gesamten Erträgnisse genügten kaum zur Versorgung des Grazer Münzhauses. Im Österreich ob und unter der Enns (dem heutigen Ober- und Niederösterreich) gab es keine Edelmetallvorkommen, wenn man von der geringen Ausbeute an Silber absieht, die unter Maria Theresia bei Annaberg gewonnen wurde. Überhaupt konnte sich der Silberbergbau in den fünf niederösterreichischen Landen keineswegs mit den Tiroler Silbergruben messen; hingegen wurde Tirol bei der Goldgewinnung von Kärnten übertroffen. Als Maximilian I. 1519 starb, waren in den beiden österreichischen Ländergruppen von den zahlreichen weltlichen Münzstätten des Mittelalters nur mehr drei übriggeblieben : Wien, St. Veit und Hall. Dazu kam noch die erzstiftliche in Salzburg. Es war dies die Folge einer landschaftlich gegliederten Verwaltungsreform, verbunden mit der Vollendung des Begriffes „Österreich" und einer schon sehr neuzeitlich gedachten Behördenorganisation Maximilians, die dann von seinem Enkel Ferdinand I. noch weiter entwickelt und verbessert wurde. Zu den erwähnten drei Münzstätten kamen dann noch unter Ferdinand Graz und Linz. Die Münzstätte in Linz sollte es dem Münzpächter, dem Augsburger Hanns Stengl, ermöglichen, das von ihm in Krumau an der Moldau gewonnene Silber zu verwenden. Diese südböhmische Stadt war ja durch den Haselgraben, der die Täler der Donau und der Moldau miteinander verband, leicht zu erreichen. In Krumau haben übrigens, das sei am Rande vermerkt, später die Fürsten von Eggenberg und Schwarzenberg gemünzt. Die Linzer Münzstätte hat im Laufe ihres kurzen Daseins recht ansehnliche Münzreihen hervorgebracht, in denen auch das Gold nicht fehlte. Aber schon 1562 mußte der Betrieb eingestellt werden, da die obderennsischen Landstände eine finanzielle Unterstützung der Münzstätte kurzsichtigerweise energisch ablehnten. Sie war nämlich dahingesiecht, da mit der Zeit die Metallversorgung versagte. Ein solcher Glücksfall wie 1532, als Ferdinand I. aus dem Nachlasse des Herzogs Johann von Oppeln und Ratibor beträchtliche Mengen von Gold- und Silbermünzen zugefallen waren, kam nicht alle Tage vor. Das Gold wurde damals zur Bestreitung der Ausgaben für die Türkenabwehr nach Wien verbracht, das Silber aber, soweit es nicht gangbar war, in Linz umgeprägt.

171

13. Kärnten, Ehg. Karl von Innerösterreich. Taler 1572, Klagenfurt

2. Wien Ferdinand I. hatte der Münzerhausgenossenschaft 1522 zu Wiener Neustadt ein blutiges Ende bereitet, weil sich die prominentesten Mitglieder während des Interregnums nach dem Tode seines Großvaters Maximilian hochverräterischer Umtriebe schuldig gemacht hatten. Der Erzherzog richtete nun die Wiener Münze unter landesfürstlicher Autorität wieder auf, doch konnte sie ebensowenig wie Linz den Betrieb auf landeseigenes Bergsilber stützen. Sie mußte daher für ihre Prägungen Pagament oder ungeprägtes Metall verwenden. Dies hier im einzelnen zu verfolgen, würde zu weit führen. Nur so viel sei gesagt, daß es sich beim Ankauf von Münzmetall kaum mehr um ungarisches Silber oder Gold gehandelt haben kann, da dieses in den ungarischen Münzstätten Kremnitz und Nagybänya selbst vermünzt wurde, wie auch die kurzlebige habsburgische Münzstätte Hermannstadt siebenbürgisches Metall verwendete. Späterhin haben auch die einheimischen Fürsten eine ungemein rege Prägetätigkeit entfaltet. Zudem standen einzelne von ihnen, besonders die aus der Familie Raköczi, dem Hause Habsburg so feindlich gegenüber, daß sie einen Export nach Österreich wohl kaum gestattet hätten. Sie hielten sogar, wie insbesondere Gabriel Bethlen, zeitweise die ungarischen Bergstädte besetzt und ließen in den dortigen Münzstätten aus den an Ort und Stelle gewonnenen Edelmetallen ihre Münzen prägen. Hauptsächlich unter Leopold I. und seinen Söhnen Joseph I. und Karl VI. hat sich dann unter der Bezeichnung „Münzjuden" ein eigenes, meist sehr einträgliches Gewerbe konstituiert, dessen Mitglieder wo sie nur konnten Münzmetall (hauptsächlich Pagament und Bruchsilber) zusammenkauften und die Münzstätten in den metallarmen Ländern, vor allem in Wien, damit belieferten. Daß die Lieferanten dabei nicht selten mit dem Gesetz in Konflikt gerieten, ist nicht zu verwundern. Immerhin aber konnten dank ihrer Tätigkeit die verschiedenen Münzhäuser dem immer wieder auftauchenden Metallmangel entgehen und den Betrieb schlecht und recht auch in Notzeiten aufrechterhalten. Ganz anders war die Lage in Kärnten, der Steiermark und Tirol. Hier war im großen ganzen genug eigenes Münzmetall vorhanden, nur Graz hatte mitunter mit ziemlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. 3. Kärnten Den beiden innerösterreichischen Münzstätten in St. Veit und in Graz standen folgende Bergwerke zur Verfügung: In Oberkärnten Steinfeld, Großkirchheim und Obervellach im Mölltale, wo sich seit Ferdinand I. auch der Sitz des Oberstbergmeisters der niederöster172

14. Kärnten, Ehg. Karl von Innerösterreich. 10er 1569, Klagenfurt

reichischen Lande befand. Dies 2eigt deutlich, daß der Schwerpunkt des Edelmetallbergbaues dieser Ländergruppe in Kärnten lag. Als wichtigste Gewerken erscheinen hier die Weitmoser, die Krieglstein, die Römer, die Katzpeck und besonders die Putz von Kirchamegg. In Unterkärnten war vornehmlich der Lavanttaler Bergbau von großer Bedeutung. Der berühmte Arzt und Naturforscher Theophrastus Paracelsus erwähnt das Tal sogar in seiner „Kärntner Chronik", weil es wegen des einstigen Goldreichtums seiner „Wasserflüss" viele fremde Künstler und Bergleute angelockt und daher seinen Namen „vom Waschen" (lavare) erhalten habe. In dieser Gegend stand an der Spitze Obergoldegg in Kliening bei St. Leonhard, zuerst im Besitz der Fugger, dann einer Gewerkschaft, deren Bevollmächtigter von etwa 1579—1594 der Freiherr Paul von Tannhausen war. Ähnlich wie im tirolischen Hall war auch in Klagenfurt und seit 1622 in St. Veit das Verhältnis zwischen einheimischem Edelmetallbergbau und Münzstätte sehr innig. Die Kärntner Landschaft hatte 1529 die Münze von Ferdinand I. gepachtet und besaß seit dem gleichen Jahre auch das Privileg, daß die Gewerken des Landes ihr Bergsilber direkt an die Klagenfurter Münze verkaufen durften, was 1548 auch auf das Gold und die Erträgnisse der Krainer Bergwerke ausgedehnt wurde. Bei diesen ist es allerdings sehr fraglich, ob sie das Recht hier auch je ausgenutzt haben; so war es nur natürlich, daß die Landstände an der Lebensfähigkeit ihrer Münzstätte und des sie garantierenden Bergbaus in höchstem Grade interessiert waren. Es konnte sich in Kärnten schon frühzeitig jener eigenartige Zustand entwickeln, daß das Klagenfurter Münzhaus zu seiner eigentlichen Funktion noch die einer Darlehensbank übernahm, indem es aus seinen Erträgnissen die Gewerken finanzierte. Für die Zeit von 1553 bis 1617 beliefen sich diese Darlehen einschließlich der Zinsen auf rund 353.050 fl., die uneinbringlichen Forderungen an verstorbene und verdorbene Gewerken 1621 auf über 50.000 fl. Dies zeigt deutlich, daß der Ertrag und damit auch der Fortbestand dieser ständischen Münze mit der Prosperität des einheimischen Bergbaues stand und fiel. Münzwesen und Bergbau erlebten daher unter Ferdinand I. und seinem jüngsten Sohne Erzherzog Karl (f 1590) als Regenten von Innerösterreich dank dem Bergsegen glückliche Tage. Der aus Kärntner Gold geprägte Klagenfurter Dukat kann mit vollem Recht als Handelsmünze bezeichnet werden, die in Mengen außerhalb der Landesgrenzen, insbesondere auf dem Balkan, anzutreffen war, wo er seiner großen Beliebtheit wegen sogar in plumper Weise gefälscht wurde. Dieser Blüte des Kärntner Bergbaues wurde indessen gegen Ende des 16. Jahrhunderts durch eine schwere, nie mehr ganz überwundene Krise ein plötzliches Ende bereitet. Man hat viel über den Verfall der Kärntner Edelmetallbergwerke geschrieben und die verschiedensten Theorien aufgestellt, unter denen insbesondere die Gegenreformation und die durch sie angeblich bewirkte Auswanderung der protestantischen Bergknap173

pen am häufigsten als Ursachen genannt werden. Sie und daneben die natürliche Abnahme der Bergschätze waren jedoch keineswegs die einzigen Faktoren, die den offenkundigen Rückgang des Edelmetallbergbaues verursachten. Es wurde nämlich vergessen, daß auch die damalige Wirtschaftskonstellation hier ein gewichtiges Wörtlein mitzureden hat. Vor allem hatte die gewaltige allgemeine Preissteigerung des 16. Jahrhunderts eine auf die Dauer untragbare Steigerung der Produktionskosten (Löhne und Betriebskosten) nach sich gezogen. Dazu kam zu allem Überfluß 1580 noch der gewaltige Schneefall im Frühjahr und dann auch noch ein ungewöhnlich kalter Sommer, der die Tauernspitzen zwischen Goldzechkopf und Herzog Ernst samt den dortigen hochgelegenen Bergwerken durch Schnee und Eis unzugänglich machte. 4. Steiermark Die Entwicklung verläuft hier im wesentlichen ganz ähnlich wie im benachbarten Kärnten. Als Fundstätte kommt in der Steiermark vor allem Schladming im oberen Ennstale in Betracht, von wo auch Lieferungen an die Münze bezeugt sind. Wann hier der Kupferund Silberbergbau eröffnet wurde, ist nicht festgestellt, doch wissen wir, daß wahrscheinlich schon 1322 der zur Stadt erhobene Bergwerksort 1408 durch den Stadt- und Bergrichter Leonhart den Eggelzain einen „Bergbrief" (Bergordnung) erhielt, der für den übrigen österreichischen Edel- und Buntmetallbergbau von ähnlicher Bedeutung wurde wie das Freiberger Bergrecht für Mitteldeutschland. 1505 erhielt Schladming auch einen eigenen Bergrichter, dem auch die Bergbaue von Mandling und Rottenmann unterstanden. Neben Kupfer und Silber wurde auch Gold (ein einheimischer Gewerke trug den sprechenden Namen Vintzgold) und auch geringe Mengen des zur Darstellung des Silbers nötigen Bleis gefunden. Aber der Bauern- und Knappenaufstand von 1525 und das ihn beendende Strafgericht vernichteten den hoffnungsvoll aufstrebenden Betrieb fast zur Gänze. Wohl bemühte sich die Regierung um Abhilfe, aber der Wohlstand der Bürger war dahin. Es fehlte, wie überhaupt im Lande, das durch seine Leistungen für die Türkenabwehr finanziell erschöpft war, an dem nötigen Kapital, um aus eigenen Mitteln den Bergbau in großem Stil neu zu beleben. Wenn nicht oberdeutsches Kapital aus Eßlingen und Reutlingen, Nürnberg und Augsburg eingegriffen hätte, wäre es um den Schladminger Bergbau wohl geschehen gewesen. Allein das Geld der Fugger und Andree Prantmayrs Erben aus Augsburg, des Lukas Sitzinger und des Ratsherrn Paul (II.) Behaim aus Nürnberg, der Tiroler Gewerken Katzpeck von Katzenstein und des führenden Gasteiner Gewerken Christoph Weitmoser, der die Schladminger Gruben aufkaufte, brachte dem Bergbau hier eine letzte Nachblüte. Neben Schladming war es das gleichfalls in einem Seitengraben der Enns gelegene Öblarn, das in den Akten auch unter dem Namen „Gewerken in der Walchen" aufscheint, an dem bis auf die Fugger alle Vorgenannten beteiligt waren, und dem als Silberlieferant der Grazer Münze einige Bedeutung zukam. Ferner sind „die Gewerken in der Schrembnitz" (Schrems bei Frohnleiten im Murtale), die zu Teufenbach (Beginn des steirischen Lungaus) zu nennen und schließlich Pankraz von Windisch-Grätz, dieser jedoch ohne Nachricht über die Herkunft seines Brandsilbers. Da er aber zu Waldstein am Übelbach eine Schmelzhütte besaß, dürften seine Gruben in der Nähe gelegen sein, etwa im Arzwaldgraben, wo heute noch Gruben und Gänge zu sehen sind. In Waldstein haben auch die von Kaiser Ferdinand II. gefürsteten Eggenberg außer der in Krumau noch eine Münzstätte besessen, was auf die Nähe von Silbergruben hinzuweisen scheint. 174

Um die Versorgung seiner Münzstätten sicherzustellen hatte der Landesfürst dem freien Verkehr des Silbers schon frühzeitig gewisse Beschränkungen auferlegt. So erhielt schon 1511 der Bergmeister Lamprecht Zäch den Befehl, dafür zu sorgen, daß alles in den niederösterreichischen Landen erzeugte Silber nur an die Münze zu Wien geliefert werden dürfe, was jedoch wenig beachtet wurde. Nach Aufhebung der Wiener Hausgenossenschaft im Jahre 1522 ließ Erzherzog Ferdinand (I.) 1524 eine neue Münze für die niederösterreichischen Lande zu Wien einrichten. Durch ein Mandat wurde gleichzeitig angeordnet, daß alles einheimische Bergsilber nur an diese neue Münzstätte verkauft werden dürfe. Zugleich wurde jede Ausfuhr strengstens untersagt. Die Handhabung dieser Verordnung wurde auch dem Schladminger Bergrichter auferlegt. Aber der Aufstand des Jahres 1525, der in den einzelnen Ländern in verschiedener Stärke losbrach, fügte fast überall dem Bergbau schwere Schäden zu. Als dann nach seiner Beendigung auch das steirische Münzwesen neu geordnet und in Graz die lange stillgelegte Münzstätte wiedereröffnet und — ähnlich wie in Klagenfurt — der steirischen Landschaft auf zehn Jahre verpachtet wurde, verlieh der Erzherzog den Ständen zugleich das Silbermonopol. Er trug ihnen ferner auf, für das Silber den bisherigen Preis weiterhin zu zahlen. Wenn die Gewerken einen Verlag (Vorschuß) verlangen sollten, hatten sie sich mit ihnen zu vergleichen. Aber wie es damals und auch später, hier wie anderwärts immer wieder vorgekommen ist, war der festgesetzte Einlösepreis von 10% fl. rheinisch für die Wiener Mark zu gering bemessen, um damit den Betrieb weiterführen zu können. Abgesehen davon war den Gewerken dieses Monopol begreiflicherweise ein Dorn im Auge, weshalb sie es nach Kräften zu umgehen trachteten. Ferdinand mußte schon 1530 energisch gegen solche Bestrebungen einschreiten, aber trotz aller Ermahnungen blieb der Münzbetrieb in Graz recht dürftig. Er litt an chronischem Silbermangel und mußte sogar zeitweise feiern, da es vor allem die Schladminger mit der anbefohlenen Silberablieferung durchaus nicht ernst nahmen. Als die Schritte, die der Grazer Landtag von 1540 unternahm, ebenfalls erfolglos blieben, mußte das Grazer Münzhaus seine Türen schließen. Damit — und das hatten sie wohl mit ihrer Mißachtung der Gebote und Verbote bezweckt — fiel für die Schladminger Gewerken auch die Verpflichtung fort, ihr Silber nach Graz zu liefern. Sie verkauften es daher an den Salzburger Handelsmann Vigilius Fröschlmoser, bis König Ferdinand 1548 anordnete, es dem Linzer Münzmeister Ruprecht Puellacher abzuliefern. Den Schladmingern aber lag Linz zu weit entfernt, weshalb sie ihr Silber statt nach Linz den Salzburger Handelsleuten, „Die Alten" genannt, weiterhin nach Salzburg lieferten. Als Ruprecht Puellacher und sein Bruder Wolfgang die Linzer Münze infolge Verschuldung 1559 aufgeben mußten, ging das Silber von Schladming nach wie vor zum Teil an die Münze des Erzstiftes und auch an Handelsleute in Salzburg. Bald nach seinem Regierungsantritt beschloß der neue Landesherr Erzherzog Karl in Graz wieder eine Münze einzurichten. Der Regierung und Kammer in Graz wurde im Januar 1565 unter anderem aufgetragen, mit der steirischen Landschaft auch wegen Aufbringung eines Verlages zur Silbereinlösung zu verhandeln, da neben etlichen tausend Mark Feinsilber aus Kitzbühel auch 4000 Mark von Schladming, Rottenmann, dem Zuckerhut (Fischbacher Alpen, Oststeiermark) und auch aus Zeiring in Aussicht ständen. Der Plan, eine Münzstätte in Graz zu errichten und dort das steirische Silber zu vermünzen, konnte indessen aus verschiedenen Gründen nicht verwirklicht werden. Um seine Ausfuhr ins (besser zahlende) Ausland zu verhindern, wurde im Februar 1565 von der Regierung angeraten, mit der Kärntner Landschaft zu verhandeln, damit diese bis zur Einrichtung einer Münzstätte in Graz das steirische Silber übernehme. In der Tat erging 1569 der Befehl, das gesamte steirische Silber an die landschaftliche Münze in Klagenfurt abzuliefern. 175

Für die Gewerken in der Walchen, wo der größte Teil des Silbers im Schladminger Bergbezirk erzeugt wurde, war diese Verordnung äußerst drückend. Sie verloren damit nicht nur alle Vorteile, die ihnen aus dem Verkauf nach Salzburg erwuchsen, sondern sie hatten angesichts der stipulierten Silberpreise und des nicht ungefährlichen Weges über die Sölker oder Rottenmanner Tauern nach Klagenfurt, was erhöhte Transportkosten bedingte, durch diese Anordnung nur Nachteile. Karl mußte daher die Verfügung schon 1570 wiederum zurücknehmen und die Lieferung nach Salzburg gestatten. Vier Jahre später, 1574, konnte endlich die Grazer Münze wieder eröffnet werden, und zwar wie in Kärnten unter der Ägide der Landschaft. Damit trat aber auch die Verpflichtung der Silberlieferung wieder in Kraft. Die Gewerken opponierten natürlich zuerst gegen diese Einschränkung der freien Verfügung über ihre Produktion. Ihrer Beschwerde über den zu niedrigen Silberpreis, der nunmehr 12 fl. für die Mark Feinsilber betrug, wurde insofern stattgegeben, als ihnen noch ein Hilfsgeld ausbezahlt wurde, indem sie von der Mark goldigen Silbers anstatt des üblichen Scheiderlohnes von 4 ß ( = 30 kr) nur 20 kr zu bezahlen hatten. Alles dies war vor allem der alten Geldtheorie zu verdanken, die eine nahezu vollkommene Übereinstimmung von Nominalwert und Metallwert forderte und jede geringerhältige Münzung ablehnte. Um die Wende des 16. zum 17. Jahrhundert kam es in Schladming zu einem allgemeinen Rückgang des Bergbaues; was noch erzeugt wurde, kauften die Gold- und Silberschmiede auf, die besser zahlten. Für die Grazer Münze blieb daher kaum etwas übrig. Es kam in der Folge sogar zu einer längeren Stillegung des Betriebes. Nicht zuletzt war es der allgemeine Mangel an Edelmetall, der sowohl durch den Rückgang der Produktion als auch durch den heimlichen Abfluß vollwertiger Münzen ins Venezianische verursacht die katastrophale Münz- und Wirtschaftskrise der sogenannten „Kipperzeit" von 1620 bis 1623 auslöste. Seit dieser Zeit lagen die einst so ergiebigen österreichischen Bergwerke im Sterben. Die Beschaffung von Münzmetall wurde immer schwieriger; dafür blühte der Schleichhandel. Erst Maria Theresias große Münzreform schuf dadurch eine gewisse Abhilfe, daß ein etwas billigerer Münzfuß, der Konventionsfuß, eingeführt wurde, und vor allem, daß man den Begriff der „Scheidmünze" und damit auch das Kupfer als Münzmetall anerkannte. Dadurch konnte einiges am Münzsilber erspart werden. Auch die — in der Folge allerdings mitunter verderbliche — Einführung des Papiergeldes verringerte den Edelmetallbedarf der Münzstätten. Diese wurden nunmehr in der Monarchie von der einheimischen Metallproduktion immer unabhängiger, ein Umstand, der auch die endgültige Schließung von Münzhäusern, die infolge Metallmangels dahinsiechten, gestattete. 176

5. Salzburg Zwei Aufzeichnungen aus dem Salzburger Landesarchiv gewähren uns interessante Aufschlüsse über die Abrechnung des Pfennigmeisters (etwa Finanzdirektors) aus dem Jahre 1587, also aus der Zeit des Erzbischofs Wolf Dietrich von Raitenau. In diesem Jahre wurde an Gold und goldigem Silber empfangen: aus dem Pochwerk zu Weihstuhl in der Rauris und aus dem Schmelzwerk zu Goldwieß an der Lend im Salzachtal, aus dem gesamten Lender Handel, von dem Gewerken Hans Weitmoser aus Gastein, von Michael Katzpecks Erben (Goldegger Silber), vom Zottischen Handel (Gasteiner Silber), von den Rosenbergischen (Thumenbacher Silber), ferner an allerlei Gold und goldigem Silber aus Kirchberg, Leogang und Ramingstein und schließlich an Waschgold usw. insgesamt rund 1372 Mark goldiges Silber und 479 Mark Gold sowie 1 x/2 Mark Waschgold(!). Ferner ungöldiges Silber, und zwar Ramingstein (Lungau), Fronsilber [das dem Landesherrn als „Fron" abzuliefernde Silber, gewöhnlich 1/10 der Ausbeute] von den Tannhausen und Khuen, Kirchbergerisches und Rosenbergisches Leoganger Stiftsilber, insgesamt 2526 Mark fein, wozu noch das angekaufte Metall kam. Die zweite Abrechnung stammt aus dem Jahre 1670 aus der Zeit des Erzbischofs Maximilian Gandolph Grafen von Küenburg. Sie führt als Herkunftsorte des an die Münze abgelieferten Edelmetalls den Gasteiner und Lender Handel, den von Rauris, ferner Zillertaler Gold, Ramingsteiner Silber sowie angekauftes Edelmetall an. Insgesamt wurden in diesem Jahre 12.713 Dukaten in Gold und 20.782 Reichsthaler in der Salzburger Münze geprägt. Das Land Salzburg wurde im Jahre 1803 säkularisiert. Seine Münzstätte führte aber den Betrieb noch einige Jahre zuerst als kurfürstliche, sodann als k. k. Münzstätte weiter. Sehr gut unterrichtet sind wir auch über die kurze Tätigkeit der Salzburger Münze unter österreichischer Herrschaft (1806—1809). Das Gold für die Dukatenprägung stammte aus den ehedem erzstiftischen Bergwerken zu Rauris, Gastein, Lend, Schellgaden, Zell im Zillertale, von den Goldwäschern längs der Salzach und endlich aus goldhaltigem Silber, das Private in die Münzstätte gebracht hatten. Da aber die Goldproduktion in den erwähnten Jahren nur gering war, wurden nur wenige österreichische Dukaten mit dem Münzzeichen D (Salzburg, vorher Graz) geprägt. Das Silber zu den Konventionszwanzigern konnte in der notwendigen Menge nicht auf dem Wege der Einlösung beschafft werden, zumal die Kameralkasse, die Bergverwaltungen und zeitweise auch die Kriegskassa vom Münzamt große Mengen geprägten Geldes anforderten. Mehr als drei Viertel des eingelösten Silbers bestanden aus geringhaltigen Siebzehnern und Siebnern und anderen, durch ein kaiserliches Patent vom 22. Dezember 1807 außer Kurs gesetzten Silbermünzen. Zu den Zwanzigern, die zu ihrer Zeit den täglichen Handel und Wandel beherrschten, benötigte man aber viel Feinsilber. Das von Privaten gelieferte göldische Einlieferungsgut reichte nicht aus, daher mußte es hauptsächlich vom Wiener Hauptmünzamt bezogen werden. Auch das Kupfer für die Scheidemünzen mußte von auswärts beschafft werden. Anfänglich kam es, wie z. T. auch das Silber, aus Annaberg bei Lilienfeld in Niederösterreich, wo es jedoch nicht „hüttenmännisch" dargestellt, sondern auf eine ganz eigentümliche Weise gewonnen wurde. Die weiter unten zu besprechende Günzburger Münzstätte hatte in dieser Zeit den Auftrag erhalten, auf Rechnung der Wiener Hofkammer unbrauchbare Kanonen aufzukaufen, um aus ihnen Kupfer für die Scheidemünzen zu gewinnen. Diese Geschütze wurden donauabwärts nach Krems und von hier per Achse über St. Pölten nach Annaberg verfrachtet, um dort in der „Ärarialhütte" eingeschmolzen zu werden. Das Kanonenmetall enthielt 80—84% Kupfer und

177

20—16% Zinn, das durch Schmelzen ausgesondert wurde. Ungarisches Kupfer, das sonst das Hauptkontingent der Kupferprägung bildete, war in diesen Krisen- und Kriegszeiten nicht verfügbar. Aber auch an dem Kanonenmetall, das aus Kanonenrohren, Haubitzen, Feldschlangen, Bombenmörsern und Böllern gewonnen wurde, mangelte es, zumal Bronze damals in den französischen Seehäfen von jenen sehr gesucht war, die Kaperschiffe ausrüsteten. Der gleiche Lieferant, Johann Christoph Wägner aus Nürnberg, bot übrigens der Wiener Hofkammer auch das Bronzegitter an, mit dem das Nürnberger Rathaus umgeben war und das 200 Zentner wog. Wegen des zu hohen Preises und der Bronzearmut des Gitters wurde jedoch das Angebot abgelehnt. Aus dem in Annaberg verarbeiteten Kanonenmetall ist ein Teil der damals in Wien, Prag und Salzburg geprägten Kupferscheidemünzen hervorgegangen, während die ungarisch-siebenbürgischen Münzstätten Kremnitz, Schmöllnitz, Nagybänya und Karlsburg Hüttenkupfer meist lokaler Provenienz verwendeten. Wien, Prag und Salzburg vermünzten außer dem Kanonenmetall auch von den Ärarialkupferhütten geliefertes Metall oder im Handel erworbenes Kupfer, darunter auch sächsisches, sogenanntes Rosettenkupfer, ja sogar das Metall alter Feldkessel. So groß war damals der Bedarf an kleiner Scheidemünze. Als bald darauf viele umlaufende Kupfermünzen außer Kurs gesetzt wurden, hörten alle Schwierigkeiten auf, so daß das Salzburger Münzamt nunmehr über genügende Kupfermengen verfügte. Schließlich sei noch angemerkt, daß während der französischen Okkupation Salzburgs im Jahre 1810 mit den vorhandenen Stempeln österreichische Dukaten und Zwanziger sowie kurfürstlich salzburgische Kupferkreuzer mit der Jahreszahl 1805 nachgeprägt wurden. Am 26. Oktober 1810 wurde die Salzburger Münzstätte vom königlich bayerischen Münzwesenskommissär Le Prieur endgültig geschlossen, die Stempel wurden vernichtet und die Gold- und Silbervorräte nach München gebracht. 6. Tirol Hall erfreute sich auch unter Kaiser Maximilian I. nach wie vor einer ausreichenden Silberversorgung, wenngleich auch hier der Ertrag der Bergwerke mit der Zeit eine natürliche Abnahme zu verzeichnen hatte. Die Münzstätte blieb dennoch in ihrem alten Flor. Das 16. Jahrhundert hatte den Höhepunkt der Produktion gebracht und damit auch die wirtschaftliche Hochblüte des Landes selbst. Der Bergbau in Schwaz, Kitzbühel, Imst, Sterzing, Klausen, Terlan, Pergine (Persen) und Primör (Primiero) produzierte Silber und Kupfer in solchen Mengen, daß Tirol als das reichste Land Mitteleuropas angesehen wurde. Große Handelsgesellschaften, wie die Fugger, Baumgartner, Hörwart, beteiligten sich selbst am Tiroler Bergbau und erhielten ihre Darlehen an die Habsburger in Silber und Kupfer zurückerstattet. In der Zeit von 1500 bis 1550 beherrschte die Montanindustrie das Wirtschaftsleben des Landes. Die Versorgung der Bergbaubetriebe und die Erztransporte beanspruchten die Straßen in größtem Ausmaß. Hall blieb infolge des Tiroler Metallreichtums bis zu ihrer Schließung 1809 eine der produktivsten österreichischen Münzstätten, die allerdings ihr Silber bereits aus dem Handel (Augsburger Silberhandlung) beziehen mußte. Im Gegensatz zu Salzburg wurde sie 1805 bis 1808 von Bayern weitergeführt. Sie prägte damals große Mengen von Kupferkreuzern und in Silber die sogenannten „Landsechser" (6 kr.) mit dem bayerischen Wappen, die im Münzbilde den in München geschlagenen glichen. Außerdem scheint Hall unter Bayern ganz besonders mit der Herstellung von Metallplättchen (Schrötlingen) für diese beiden Sorten beschäftigt 178

gewesen zu sein, die zum größten Teile nach München gingen. Denn der bayerische Hauptmünzmeister Heinrich Joseph Le Prieur, der uns schon in Salzburg begegnet ist, hatte Hall von Anfang an für die Erzeugung von Schrötlingen verschiedener Größe bestimmt. Es darf als sicher angenommen werden, daß dafür Tiroler Metall verwendet wurde. Andreas Hofer hat dann 1809 nach kurzfristiger Vertreibung der Bayern in ziemlichen Mengen Kupferkreuzer und Silberzwanziger mit dem Tiroler Adler gemünzt; für die Kreuzer war eine Stückzahl von 1,800.000 beantragt und bewilligt worden. Wahrscheinlich wurden für sie die für Bayern bestimmten Schrötlinge benützt. 7. Vorderösterreich (Burgau) Die Münzstätte zu Günzburg wurde für die Markgrafschaft Burgau oder Vorderösterreich im Jahre 1761 eingerichtet. Sie war gleich Hall bis 1805 im Betrieb und prägte hauptsächlich Kupfermünzen. War noch im 17. Jahrhundert das im vorderösterreichischen Schwarzwald erschmolzene Silber an das Haller Münzamt gesandt worden, so mußte nach Errichtung der Günzburger Münzstätte der Freiburger Bergrichter das Schwarzwälder Silber an dieses Münzhaus abliefern und mit dem vorderösterreichischen Generaleinnehmer darüber abrechnen. Maria Theresia hatte die Günzburger Münzschmiede deshalb errichtet, um den regellosen Umlauf minderwertigen Geldes in den Vorlanden zu unterbinden. Die Günzburger Prägungen erfreuten sich auch in den nichtösterreichischen Ländern guten Rufes, insbesondere die Burgauer Taler. Günzburg erhielt übrigens außer vom Schwarzwald auch noch von anderen Seiten reichliche Metallmengen. Zunächst strömten bei Aufnahme des Münzbetriebes aus dem ganzen Schwäbischen Kreise massenhaft entwertete Scheidemünzen in die Kassen des Münzamtes, so daß dieses Tag und Nacht in Betrieb stehen konnte. Seit der Abwertung dieser Sorten wurden aus ihrem Metall auf zwei Stoß werken 1,300.000 fl. in Talern und 120.000 fl. in Zehnkreuzerstücken ausgeprägt. Diese sehr emsige Münzstätte prägte überdies auch große Kupfermengen für Görz und Gradiska und schließlich auch für fremde Münzherren, wie die Bischöfe von Augsburg, Konstanz und Straßburg, den Fürsten von Fürstenberg und für die Stadt Ulm; diese Kupferstücke sind alle mit dem Münzbuchstaben G gekennzeichnet. Der Taler mit dem Brustbild der Kaiserin war seit jeher im Osten begehrt gewesen. Eine der wichtigsten Aufgaben von Günzburg war die Silberprägung für den Orient. Die Geschichte des berühmten Maria-Theresien-Talers mit der Jahreszahl 1780 soll in einem andern Zusammenhange geschildert werden. Hier sei nur ein Detail zur Metallversorgung erwähnt. Als der schwungvolle Export der Günzburger Taler in die Levante aus verschiedenen Ursachen ins Stocken geriet, wurde zur Belebung der Anlieferung von Silber an die Münze im Jähre 1769 mit Bewilligung der Kaiserin zu Augsburg ein Konsortium gegründet, das den Namen „k. k. privilegierte ausländische Silberhandlung" erhielt. Ihm gehörten die Augsburger Bankiers Benedikt Adam Liebert von Liebenhof, Carli & Co. und Georg Jakob Edler von Köpf an. Dem auf 8 Jahre abgeschlossenen Vertrag gemäß sollte in Günzburg nur das Silber dieser Augsburger Silberhandlung auf Taler ausgeprägt werden. „Alles von anderen Lieferanten oder von Bergwerken gelieferte Silber sowie das aus Rückständen gewonnene Silber (Krätzsilber) durfte nur zu Zwanzigern und Zehnern, und die Rückstände dieser Münzen (Schrotten) mußten zu Fünfern verprägt werden. Dagegen machte sich die Augsburger Silberhandlung erbötig, innerhalb des Jahres 1770 an die zwei Münzämter zu Günzburg und zu Hall in Tirol Silber im Werte von 3 Millionen 179

Gulden zu liefern. Die Mark Feinsilber sollte ihr jedoch, statt wie bisher mit 22 fl. 40, um 48 kr. höher, also mit 23 fl. 28 kr. bezahlt werden. Allein der türkisch-russische Krieg lähmte den Handel mit der Levante und so konnte die Silberhandlung das vereinbarte Kontingent nicht erreichen. Daraufhin wurden für das Jahr 1771 andere Zahlungsmodalitäten vereinbart. Da zu diesen Talern das Silber aus dem Auslande beigeschafft werden mußte, wurden der Silberhandlung jährliche Freipässe ausgefertigt, in welchen alle deutschen Reichsstände von der Kaiserin angegangen wurden, diesem Silber zollfreie Durchfuhr durch ihre Lande zu gewähren (221)." Trotzdem erzielte das Talergeschäft nicht den erhofften Aufschwung, und so sahen die Augsburger sich genötigt, noch vor Ablauf der Vertragsfrist um die Entlassung aus ihren Lieferungsverpflichtungen anzusuchen. Es sei ihnen, schrieben sie unter anderem, nicht möglich gewesen, innerhalb der letzten 13 Monate in Livorno, Genua, Marseille und Venedig mehr als insgesamt 12.000 Taler anzubringen. Die Lösung des Vertrages wurde bewilligt, gleichzeitig der Silberhandlung aber untersagt, ihren bisherigen Namen weiterzuführen (Hofkammerverordnung vom 5.1. 1776). Günzburg und Hall wurden gleichzeitig ermächtigt, nunmehr von jedermann wieder Talersilber anzunehmen. Die Silberhandlung stellte nun auch die ihr ausgefolgten Freipässe zurück, in denen für die den beiden Münzhäusern im Jahre 1776 zu liefernden 166.666% Wiener Mark Feinsilber überall freier Durchzug verlangt worden war. Die für den Weiterbestand Günzburgs so wichtige Talerprägung aber war fast ganz lahmgelegt. Man griff zwar zu verschiedenen Auskunftsmitteln, um der wegen des Silbermangels drohenden Stillegung vorzubeugen, aber erfolglos. An Bergsilber waren seit der Errichtung der Münze bis Ende 1778 bloß 12.303 Mark 7 Lot eingegangen. Beteiligt waren an dieser Lieferung das Bergwerk Schau des Freiherrn von Beroldingen und der Witwe Litschgi (später Gebrüder L.), der k. k. Bergbau Rothenbach, das Gotteshaus St. Trudbert bei Freiburg in Baden, das durch Karl VI. 1719 wiedererweckt worden war, sowie die Privatbergwerke von Leonhard Degelen und Johann Mederspacher. Das meiste Bergsilber soll von der Abtei geliefert worden sein. 1780, im Todesjahr der Kaiserin, aber brachte ein Taler mit dieser Jahreszahl und den Münzbuchstaben S. F., den Initialen des Münzmeisters Tobias Johann Schöbl und des Wardeins Joseph Faby, die große Wendung und neuen Aufschwung. Es war dies der eigentliche Maria-Theresien- oder Levantinertaler, der heute noch vom Wiener Hauptmünzamt vom gleichen Stempel weitergeprägt wird. 8. Das 19. und die Anfänge des 20. Jahrhunderts Weder das vergangene noch das währende Jahrhundert bringen zum Thema „Metallversorgung" etwas Nennenswertes. Die Münzstätten in den Kronländern schließen eine nach der andern ihre Pforten. Nach dem Ausgleich von 1867 bleibt in jeder Reichshälfte nur mehr eine einzige Münzstätte, Wien und Kremnitz, übrig. Trotz des ungeheuren Geldumlaufes ist der Metallbedarf verhältnismäßig gering. Er wird natürlich in erster Linie aus den noch ausbeutefähigen einheimischen Bergwerken gedeckt; was fehlt, wird auf dem Metallmarkt angekauft. Das Silber wird langsam durch unedle Metalle ersetzt, durch Nickel und, während des Ersten Weltkrieges, durch Kupfernickel und Eisen. Die Hauptlast des Geldverkehrs übernimmt das Papier. Dukaten und die Goldstücke der Kronenwährung sind im binnenländischen Münzumlauf kaum mehr anzutreffen, noch weniger die 20- und 10-Franken-Stücke (8 und 4fl.). Nebenbei beginnt auch schon der 180

bargeldlose Verkehr eine bedeutsame Rolle zu spielen, der insbesondere bei größeren Transaktionen in Frage kommt, aber bereits vom Privatmann in Anspruch genommen wird, wobei hier in erster Linie an die Österreichische Postsparkasse, die erste ihrer Art, erinnert sei.

9. Österreichische „Neufürsten" Die Mehrzahl dieser Fürsten, besonders jene, die erst im 18. Jahrhundert meist zugleich mit ihrer hohen Würde auch das Münzrecht erhielten, entfalteten keine sehr intensive Prägetätigkeit und hatten daher keinen großen Bedarf an Münzmetall. Sie prägten, um ihr Münzrecht zu dokumentieren, das durch Nichtgebrauch wieder verlorengegangen wäre. Da es diesen Fürsten vor allem um die Repräsentation ging, besaßen sie — mit geringen Ausnahmen — keine eigenen Münzstätten, sondern ließen aus dem von ihnen gelieferten oder zum Teil auch vom Münzamt beigestellten Metall ihre Münzen prägen. Die bevorzugte Prägestätte für jene Fälle war die Wiener Münze. Hier ließen die Auersperg, die Batthyäny, die Colloredo-Mansfeld und die Esterhäzy prägen. Von allen diesen Familien verfügten jedoch nur wenige über eigene Bergwerke, und sie mußten daher das Münzmetall kaufen. Nur zwei waren im Besitz ergiebiger Bergwerke: die Grafen Schlik in Joachimstal und Albrecht von Wallenstein, über deren Montanbesitz im folgenden Kapitel zu sprechen sein wird.

B. Die Böhmische Ländergruppe 1. Böhmen Wie schon oben angedeutet, gesellt sich gleich zu Beginn des 16. Jahrhunderts zu den bisherigen böhmischen Münzstätten eine neue, die wie das alte Kuttenberg ihr Entstehen der Entdeckung eines bislang unbekannten Bergsegens verdankt. Auf der böhmischen Seite des böhmisch-sächsischen Erzgebirges besaßen die Grafen Schlik bei Konradsgrün Bergwerke, die sie nach längerer Stillegung 1516 wieder auszubeuten begannen. Joachimsthal, die „Perle des Bergbaues", wie Graf Kaspar Sternberg den Ort nennt, blühte auf, als Kuttenbergs Bergbau langsam zu erlahmen begann. „Da in der Umgegend bereits ein Annaberg und Josdorf (Josephsdorf) bestanden, so hat man, um die Heilige Familie zu ergänzen, dieses Tal Joachimsthal genannt", sagt der Biograph dieses Bergwerkes, der „Pfarrherr des Bergbaus" und Verfasser zahlreicher bergmännischer Predigten, Johannes MATHESIUS, in seiner ,Sarepta oder Bergpostill' vom Jahre 1562. Aber nicht nur durch den Bergbau allein hat Joachimstal zu seiner Zeit Weltberühmtheit erlangt, sondern auch durch die an die Haller Guldiner Erzherzog Sigmunds von Tirol sowie an die sächsische Großsilbermünze anknüpfenden, seit 1519 geprägten Stücke, die als „Joachimsthaler" und schließlich auch einfach als „Taler" weithin bekannt und beliebt wurden. Diese Bezeichnung, die einer ganz neuen Münzgattung den Namen gab, lebt heute noch als „Dollar" weiter. Die Entdeckung sehr ergiebiger Silberlager in Joachimsthal bewog den Grafen Stephan Schlik, der später gleich seinem König Ludwig II. in der Türkenschlacht 181

bei Mohäcs (1526) fiel, gemeinsam mit seinen sechs Brüdern, an diesem Orte nicht nur eine Bergstadt zu gründen, sondern mit Bewilligung der böhmischen Landstände hier auch eine Münzstätte zu errichten. Doch sowohl Ludwig II. als auch dessen Schwager und Nachfolger in Ungarn und Böhmen, Ferdinand I. von Habsburg, versagten ihnen das Münzrecht. Ferdinand ließ 1528 auf einem Landtag zu Budweis die ständische Bewilligung in der „Landtafel" (öffentliches Buch) löschen, übertrug jedoch noch im selben Jahre den Grafen die Münzprägung in der Weise, daß sie im Namen des Königs ausgeübt wurde und diesem auch sämtliche Münzbeamten verpflichtet waren. Demnach waren die Schlik nur Münzlieferanten und gleichzeitig auch die Pächter der Joachimsthaler Münze. Als sie aber im Schmalkaldischen Krieg auf die Seite der Gegner der habsburgischen Brüder Karl V. und Ferdinand I. traten, verloren sie auch dieses Privileg. Überdies wurden sie eingekerkert: ihre Städte Joachimsthal und Elbogen mußten sie an König Ferdinand I. abtreten. Joachimsthal war und blieb damit bis zu ihrer Aufhebung eine kaiserliche Münzstätte. Ihr war allerdings kein langes Leben beschieden; sie wurde schon 1670 oder 1671 aufgelassen, da die Produktion der Bergwerke durch den Dreißigjährigen Krieg so sehr geschädigt worden war, daß sich ein eigenes Münzhaus hier nicht mehr rentierte. Seinerzeit hatte Joachimsthal den „Hauptpunkt eines Montangebietes" gebildet, „welches an 75 Quadratkilometer einnahm und im Westen den Bergbau von Alberthan, im Osten jenen von Dürenberg, im Nordosten Gottesgab umfaßte und bezüglich der Erzführung gewissermaßen das Herz und die Pulsader des reich gesegneten Erzgebirges war" (444). In dieser Gegend wurde bereits im 15. Jahrhundert Silber gewonnen; die großartigen Aufschlüsse, die die epochemachende Talerprägung sowohl auf der böhmischen als auf der sächsischen Seite des Gebirges (hier besonders zu Freiberg und Annaberg, Buchholz und Schneeberg) ermöglichten, fallen erst in den Anfang des 16. Jahrhunderts. Unter der Herrschaft der Schlik sollen um das Jahr 1526 in Joachimsthal und Umgebung an die 8000 Arbeiter beschäftigt gewesen sein. Graf Sternberg hat die von dem Joachimsthaler Bergbau von Anbeginn 1516 unter dem Besitze der Grafen Schlik und seit 1545 unter dem Besitze der königlichen Kammer bis einschließlich 1577 an die Gewerken verteilte Ausbeute oder Dividende in Talern oder rheinischen Gulden jahrweise nach Quartalen geordnet zusammengestellt (1129). Diese Ausbeute betrug im ersten Dezennium von 1516—1525 842.419 Taler, im zweiten von 1526—1535 1,429.336 und im dritten von 1536—1545 830.243, insgesamt also 3,166.998 Taler. Der Bergbau hatte demnach im zweiten Dezennium seine höchste Blüte erlebt; seit 1545 aber ging er langsam zurück, denn von 1545 bis einschließlich 1577 ergibt sich nur mehr eine Gesamtausbeute von 1,341.728 Talern, die unter die Inhaber der Kuxe verteilt wurden. In der Blütezeit dürften nicht weniger als 914 Zechen bestanden haben; von 1517—1560 gab es überdies 12 Erbstollen (Stollen, die Bergwerke unterfahren, das Wasser ableiten und frische Luft zuführen), die ihren Unternehmern an reiner Ausbeute 121.131 Taler eintrugen, so daß sich die Gesamtausbeute oder Dividende auf 4,629.858 Taler belief. Diesen Einnahmen stehen Bergkosten samt Schichtmeisterlohn für die Zeit von 1516—1577 von rd. 8,257.536 fl. gegenüber, ferner Hüttenkosten von rd. 1,313.312 fl. Die Hauptsumme, oder besser gesagt, der Gesamtgeldumsatz betrug demnach insgesamt rund 13,900.707 fl. Das sind gewaltige Summen, selbst für einen Zeitraum von ca. 62 Jahren. Da die feine Mark mit 9 % Taler ausgemünzt wurde, entspricht dies einem Aufwand an Feinsilber von 1,393.231 Mark und 12 Lot. Im Jahre 1585 hatte Ferdinand die dann auch auf andere Orte übertragene „Joachimsthaler Bergordnung" erlassen; drei Jahre vorher war Joachimsthal selbst zu einer könig182

liehen Bergstadt erhoben worden. Aber um diese Zeit begann, wie die eben angeführten Ziffern deutlich zeigten, die Ausbeute von Jahr zu Jahr geringer zu werden. Wurden etwa 1546 noch 92.394 Taler an die Gewerke ausgeschüttet, so waren es 1576 nur mehr 16.512. Der große Krieg aber versetzte, wie auch sonst im Königreich Böhmen, dem Joachimsthaler Bergwerk einen so schweren Schlag, daß es sich nicht mehr erholen konnte. Ähnlich war es auch Kuttenberg ergangen, das sich von den durch die Hussiten erlittenen schweren Schäden nie mehr ganz erholen konnte. Kaum aber war diese Schrekkenszeit überstanden, als 1495 ein besonders gegen den Berghofmeister Michael Smisek von Vrchovist gerichteter Aufstand der Bergleute einen neuerlichen Rückschlag herbeiführte. Drei Jahre später haben die Münzamtleute gebeten, ihnen wegen Armut der Bergwerke den jährlichen Beitrag zum Aufbau des Prager Schlosses (Hradschin) sowie den zum Kaufschilling für Kolin und Podiebrad nachzusehen. Bald darauf dürfte sich die Produktion jedoch wieder erheblich gebessert haben; zum mindesten hören wir, daß im Jahre 1523 13.498 Mark Bergsilber in die Münze eingeliefert wurden. Wie die Münzamtsrechnungen erweisen, scheinen aber um diese Zeit nur mehr wenige „Prager Groschen" geprägt worden zu sein, dafür aber um so mehr Kleinsilbermünzen. Die Prager Groschen, die ehedem eine bedeutende geldgeschichtliche Rolle gespielt hatten (s. unten S. 314), waren nämlich durch die Einführung des Talers und seiner Teilstücke so stark in den Hintergrund gedrängt worden, daß sie um die Mitte des 16. Jahrhunderts überhaupt aufgelassen wurden. Der Dreißigjährige Krieg brachte für Kuttenberg einen neuerlichen Rückschlag. Außer der Münzzerrüttung der Kipperzeit fügten wiederholte Okkupationen und Brandschatzungen durch Sachsen und Schweden der Stadt schwere Schäden zu: Gewerken und Bergleute flohen oder wanderten überhaupt aus. Als 1653 ein Teil der geflüchteten Einwohner wieder heimkehrte, gab es in der Stadt 453 ganz verlassene, nahezu demolierte Häuser. Erst 1654 konnte die Münzprägung wiederaufgenommen werden. Im Jahre 1726 aber wurde der Kuttenberger Münzbetrieb nach einem halben Jahrtausend ununterbrochener Tätigkeit endgültig aufgelöst. Die Bergwerke hatten längst ihre Ergiebigkeit eingebüßt, die Ausbeute reichte zur Beschäftigung einer eigenen Münzstätte nicht mehr aus, und so wurde deren Auflösung beschlossen. Von nun an war Prag die einzige Münzstätte des Landes, wohin nun auch das Silber abgeliefert wurde. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, daß die Prager Groschen sich zwar in der Umschrift selbst als Grossi Pragenses bezeichneten, aber mit Ausnahme einiger weniger Jahre der Regierung Ferdinands I. nie in der böhmischen Landeshauptstadt, sondern zu Kuttenberg geprägt wurden. Zur Zeit der Luxemburger war Prag nur Goldmünzstätte, die überhaupt kein anderes Metall verwendete, außer zur Zeit der Hussiten, die nicht nur in Kuttenberg, sondern auch hier in Prag riesige Mengen einseitiger Kupferheller prägen ließen. Die wenig umfangreiche Goldprägung dauerte auch noch unter Ludwig I. (in Ungarn II.) an. Dann wurde die Münzstätte eine Zeitlang geschlossen und erst 1540, veranlaßt durch die Entdeckung von Silberminen in Stfibrnä Skalice im Kreis Böhmisch Brod (östlich von Prag, halben Weges zwischen diesem und Kolin), neu errichtet. Eine Instruktion regelte die Silber- und Goldeinlösung für Prag. Von der Verpflichtung, Metall an Prag abzuliefern, war das Joachimsthaler und Kuttenberger Silber ausgenommen, da man dieses für die dortigen Münzhäuser benötigte. Demnach stammte das Prager Münzmetall hauptsächlich aus dem Gold- und Silberpagament sowie aus dem Edelmetall der übrigen böhmischen Bergwerke. In ihren Anfängen wurde die Prager Münzstätte auch noch aus den reichlichen Silbererträgen der Umgebung von Budweis versorgt. Eine Pestepidemie in der Landeshaupt183

Stadt, die auch unter den Beamten des Münzgebäudes so manches Opfer forderte, hatte zur Folge, daß 1569 in Budweis eine neue Münzstätte eingerichtet wurde, während die Prager Münze immer mehr verfiel. In den Jahren 1569 bis 1571 konnten nur mehr kleine Münzsorten ausgebracht werden. Man dachte schon an eine Schließung der Münze, was jedoch unterblieb, als Kaiser Maximilian II. gleich seinem Vater Ferdinand I. Prag zu seiner Residenz erkor. Der Kaiser und die böhmische Kammer nahmen die Münze in ihren Schutz. Mit der Wiederausmünzung von Talern 1573 kamen wieder bessere Zeiten. Das Silber bezog Prag hauptsächlich aus Pfibram und aus Nikolsburg in Mähren, das Gold aus Eule und Knin. Aber die größte Hilfe brachte ein Kaufmann aus Nürnberg, der berüchtigte Erzaufkäufer Bartholomäus Albrecht, der seit 1580 Gold und seit 1588 Silber in genügender Menge lieferte, bis er 1595 in Nürnberg verhaftet wurde. Wegen seiner üblen Praktiken wurde ihm der Prozeß gemacht, der indessen im Sande verlaufen zu sein scheint. Unter den Prager Münzmeistern dieser Zeit ragt insbesondere Lazarus Ercker von Schreckenfels, ein Kind des sächsischen Erzgebirges, hervor. Nicht nur, daß unter seiner Leitung die Prager Münze die größte Produktionsziffer erreichte, stieg er auch als Bergund Hüttenmann zur Berühmtheit empor. Daß er und Albrecht einander nicht vertrugen, ist fast selbstverständlich. Aber die Unstimmigkeit beruhte wohl vor allem auf einem gewissen Konkurrenzneid, denn auch der sonst so wohlgeachtete geistige Nachfolger Georg Agrícolas verschmähte es nicht, sich in seiner amtlichen Tätigkeit falscher Gewichte und minderer Metalle zu bedienen, woraus ihm jedoch keine Unannehmlichkeiten erwuchsen. Ercker mußte nur der Stelle eines Oberst-Bergmeisters entsagen. 1594 ist er gestorben. Von Prag nahm dann auch mit dem Fenstersturz von 1618 nicht nur der Dreißigjährige Krieg, sondern auch die unheilvolle Zeit der „Kipper und Wipper", die große metallene Inflation, ihren Ausgang. Schuld an diesen wirtschaftlichen Wirren, die bekanntlich mit einem 87%igen Staatsbankrott endigten, war nicht zuletzt der Umstand, daß schon lange vor Ausbruch der böhmischen Revolution deutsche Bergleute, deren Ahnen dank ihrer Berufung durch die böhmischen Könige dem Lande die Segnungen eines fachmännisch geleiteten Bergbaues erschlossen hatten, nunmehr aus konfessionellen wie auch aus nationalen Gründen verfolgt und ausgewiesen wurden. Der dadurch bedingte katastrophale Mangel an Edelmetall und die sukzessive zu fast astronomischen Höhen emporkletternden Metallpreise führten dann zwangsläufig zu einer Münzverschlechterung größten Ausmaßes. Der auf böhmischem Boden um die Erhebung Friedrichs von der Pfalz zum (Winter-)König entbrannte große Krieg verschlang unvorstellbare Geldsummen, für die weit und breit kein Metall vorhanden war. „Die Schmelztiegel fraßen alles weg, was aufzutreiben war." Kaiser Ferdinand II. verpachtete die Prager Münze an den Amsterdamer Hans de Witte, der sein und Wallensteins Bankier war, aber schließlich, als ihm alles über den Kopf wuchs, durch Selbstmord endete. Der Holländer durfte, obwohl Kalvinist, in Prag bleiben, weil er ein sehr fähiger Mann war. Er bildete mit einer Reihe prominenter Persönlichkeiten, unter denen sich auch Wallenstein befand, ein Münzkonsortium; aber der totale Zusammenbruch der Wirtschaft und des Münzwesens war ebensowenig aufzuhalten, wie der unersättlichen Habsucht und Geldgier der großen Herren, die das kaiserliche Vertrauen schmählich mißbrauchten, ein Damm entgegengesetzt werden konnte. Insbesondere Wallenstein, Karl von Liechtenstein und der besondere Günstling des Kaisers, der Steirer Fürst Johann Ulrich von Eggenberg, haben sich damals eine traurige Berühmtheit erworben. Die 1569 neu errichtete, aber 1611 schon wieder aufgelassene Münzstätte Budweis wurde aus den südböhmischen Bergwerken in ihrer Umgebung, vor allem aus denen bei 184

Rudolfstadt und Adamstadt, und überdies noch aus der Bergstadt Ratiboritz bei Tabor mit Silber versorgt. Eine alte Medaille meldet, daß von 1547—1593 in Rudolfstadt nicht weniger als um rund 160.165 Mark produziert worden sei. Ein Budweiser Archivauszug berichtet für die Zeit von 1547—1601 1,670.809 Mark, währendin Joachimsthal von 1516—1601 1,305.794, in Kuttenberg innerhalb von 80 Jahren 1,200.000 Mark erzeugt worden seien. Der prachtliebende Fürst Adam Franz von Schwarzenberg ließ in den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts aus seinem Bergwerk bei Ratiboritz dem Wiener Münzamt ein sehr goldhaltiges Silber im Gewichte von 120 Mark übergeben, woraus 1000 Reichstaler und 662 Dukaten geprägt wurden. Auch später noch haben dieser Fürst und seine Nachfolger aus diesem Bergwerk, das aus dem 1719 angetretenen Erbe nach dem letzten Fürsten von Eggenberg an die Familie gekommen war, Silber an die kaiserliche Münzstätte in Wien geliefert. Falls sie das Metall nicht zur Prägung eigener Münzen benötigten, haben sie es verkauft. Durch das reiche Eggenbergische Erbe waren sie also der Sorgen um die mitunter sehr leidige Silberbeschaffung enthoben. Trotz seiner Bemühungen um möglichste Konzentration konnte Ferdinand II. dem mächtigsten Mann in einem Staat, Wallenstein, als Angehörigen der Reichsstände und als Herzog von Friedland in Böhmen und von Sagan auch in Schlesien das Münzrecht nicht versagen. Wallenstein münzte sowohl in Sagan als auch zu Gitschin (Jicin) in Nordböhmen. Das nötige Silber bezog er hauptsächlich aus seinen eigenen Bergwerken, besonders im Friedländer Herzogtum. Er betrieb eifrig den Abbau, führte sogar nach dem Vorbild der Joachimsthaler eine eigene „Herzoglich Friedländische Bergordnung" ein und gründete überdies eine „Herzoglich Friedländische Erzkaufshandlung". Geschürft wurde hauptsächlich auf Silber und Kupfer. Das Hauptrevier lag im Gebiet der Herrschaften Hohenelbe und Starkenbach, dicht um Hohenelbe selbst (auch im Bergbereich der Schneekoppe lagen Silber- und Kupfer-Fundstellen) und um Rochlitz. Hier hatte der Organisator des gesamten Bergbaubetriebes, Jan de Witte, der selbst einer der Gewerken war, eine neue Schmelzhütte errichten lassen. Da eine vom Kaiser genehmigte Entscheidung der Hofkammer ausdrücklich gestattete, daß sowohl Gewerken als Verleger, ja sogar alle Einwohner der Bergstädte Joachimsthal, Platten, Gottesgab und Bleistadt weiterhin ihrem evangelischen Glauben anhängen durften, fand de Witte „bei den nichtkatholischen Gewerken, die er warb, besseres Gehör" (225 a). Der größte Teil der gewonnenen Erze ging in die herzogliche Münze nach Gitschin, den Rest übernahm de Witte zum Vertrieb in der Erzkaufshandlung. Ein Teil des Prägematerials wurde indessen durch den Ankauf von Gold- und Silberpagament, Kleinodien, hauptsächlich aber von entwerteten Münzen beschafft. 2. Mähren Vom äußersten Westen dieses Landes, von Iglau, ist bekanntlich das deutsche Bergrecht ausgegangen. Die Sentenzen des Iglauer Schöffenstuhles, die man sich auch aus weit entlegenen Gegenden schriftlich und mündlich erbat, waren richtunggebend. Das Ansehen, dessen sich Iglau bis in die neuere Zeit im Hinblick auf sein Bergrecht erfreute, genoß auch der Bergbau in seiner Umgebung. Noch im 16. Jahrhundert gab es fast 100 Grubenbetriebe; dann allerdings kam es auch hier zum Verfall. „Alle Versuche, die alten Edelmetallbergbaue Mährens, wie die von Tisnovitz, Fulneck, am Hostein, Goldenstein, Altstadt, Hangenstein, Braunseifen, Friedrichsdorf, Jamnitz, Groß-Wister185

16. Stände von Mähren. Taler 1620, Olmütz, Christoph Cantor (C—C)

nitz, Johnsdorf, Pohof wieder zu beleben, schlugen trotz der großen Entwicklung der montanistischen Technik fehl" (580). Für die mittelalterliche Münzung, die etwa die schon erwähnten mährischen Teilfürsten und auch einige Städte entfalteten, war jedenfalls noch genug Silber vorhanden. Dann ruhte in Mähren die Münze für mehr als ein Jahrhundert. Erst unter den Kaisern Ferdinand II. und III. wurden im Lande zu Olmütz, Brünn und Nikolsburg für kurze Zeit wieder Münzstätten errichtet, von denen die zu Olmütz und Brünn schon von dem Ständischen Direktorium (1619/21) errichtet worden waren. In seinem Schloß zu Nikolsburg prägte 1627/28 der Kardinal Franz von Dietrichstein, Bischof von Olmütz, der damals in seinem eigenen Gebiet infolge von Unruhen nicht münzen konnte, Groschen und Kreuzer nach kaiserlichem Typus. Das Bistum Olmütz, das einzige geistliche Fürstentum neben Salzburg, das, wenn auch mit zeitlichen Unterbrechungen, ansehnliche Münzreihen herausgab, hatte seine Münzstätte in Kremsier. Der Ankauf von Pagament war den Fürstbischöfen wiederholt verboten, die Verwendung von Gold und Silber aus den selbst bebauten Bergwerken nach Abzug des landesfürstlichen Anteiles jedoch gestattet worden. Sie durften auch ungeschmolzenes wohlkennbares Bruch- und Fadensilber und Gold aus dem Auslande einführen und im Olmützer und Prerauer Kreise einkaufen (628). Diese Einschränkungen sind wohl darauf zurückzuführen, daß das Bistum Olmütz nicht wie Salzburg ein eigenes geschlossenes Territorium, sondern eine Enklave in Mähren bildete. Es erfolgte also — mit Ausnahme von Olmütz — in Mähren seit Beginn der Neuzeit keine regelrechte und dauernde Münzung. Es galten hier natürlich die in böhmischen oder anderen kaiserlichen Münzstätten geprägten Stücke ebenso wie in ihren Ursprungsgebieten. Daß es überhaupt kaiserliche Münzstätten in Mähren gab, ist wohl nicht zuletzt fiskalischen Erwägungen zuzuschreiben. Es war ja die berüchtigte „Kipperzeit", als der Kardinal Franz von Dietrichstein, damals Statthalter des Landes, die Münzhäuser Olmütz und Brünn 1631 zunächst für ein Jahr an ein jüdisches Konsortium verpachtete. Diesem folgte der Betrieb Hans de Wittes 1622/23, dem andere Pächter bis 1633 folgten. Sowohl die Kipperzeit verlangte infolge der Minderwertigkeit ihrer Sorten eine erhöhte Zahl von Münzstätten als auch der 1624 vollzogene Übergang zu guthaltigen Kleinmünzen, die in rauhen Mengen geschlagen werden mußten, um die eingezogene Kippermünze schnellstens durch gute zu ersetzen. Woher diese mährischen Münzstätten indessen ihr Silber bezogen, war bisher im einzelnen nicht nachzuweisen.

186

3. Schlesien Ein ansehnlicher Teil der reichen Gebiete dieses Landes war 1526 zugleich mit Böhmen und Mähren an Ferdinand I. gefallen. Eine Kammer in Breslau besorgte die Verwaltung. Schlesien stand seit alters mit dem benachbarten Polen, woher ja auch die mittelalterlichen schlesischen Landesfürsten, die Piasten, stammten, in lebhaftem Handelsverkehr. Polen aber besaß seiner minderwertigen Münzen wegen in den angrenzenden Gebieten, also Schlesien, Böhmen und Oberungarn, einen schlechten Ruf; auch die in einigen Landesteilen noch herrschenden Piastenherzöge, die in Schlesien münzten, machten sich des gleichen Vergehens schuldig. Um dem entgegenzuwirken, genehmigte König Ferdinand 1530 auf Einschreiten der schlesischen Länder die Errichtung einer eigenen Landesmünzstätte, aber nur unter der Bedingung, daß lediglich ein Viertel des zur Vermünzung gelangenden Silbers in kleinen Sorten ausgeprägt werden dürfe; hinsichtlich des Ortes hatte man zwischen Schweidnitz und Breslau zu entscheiden. 1532 wurde dann ein Münzhaus zu Breslau eröffnet, gleichzeitig die Gold- und Silberausfuhr verboten und die Einlieferung von Pagament in die neue Münzstätte zu einem bestimmten Tarif angeordnet. 1546 wurde die Münze im Breslauer Königshof untergebracht. Neben dieser Hauptmünzstätte wurden im Laufe der Zeit noch andere eingerichtet. Die wichtigsten waren Brieg (1677—1704), Glatz (1626—1690), Oppeln (1624/25 und 1668—1704) und schließlich Teschen (1642/55). Sie wurden von den Kaisern oder von ihren Söhnen, die bereits zu Königen von Böhmen gekrönt worden waren, betrieben. Das Bistum Breslau münzte in Neiße, die verschiedenen plastischen Fürsten in ihren Hauptstädten. Damit war ein relativ kleines Gebiet von einem ganzen Netz von Münzstätten überzogen, von denen die kaiserliche insoferne einen schweren Stand hatte, als sie der Vorschrift gemäß münzte, während die kleinen Fürsten aus der Prägung ein Geschäft machten und durch ihre mehr oder minder unterwertigen Münzen die besseren aus dem Verkehr drängten. Wie im benachbarten Mähren galt auch in Schlesien der ältere Bergbau fast ausschließlich den Edelmetallen. Seine Spuren gingen, wie erwähnt, bis ins 12. Jahrhundert zurück. Eine alte Überlieferung berichtet, daß er sehr ergiebig gewesen sei. Am Querberge bei Zuckmantel im edelmetallreichen Altvatergebirge besaßen die Bischöfe von Breslau ein reiches Goldbergwerk, dem begreiflicherweise ihre besondere Obsorge galt. Als Zeichen dieses Bergsegens übersandte Bischof Andreas Jerin (1585—1596) an Kaiser Rudolf II. zwei Goldstufen im Gesamtgewichte von über 11 Mark (etwas mehr als 2 kg, wenn man die spätere Breslauer Mark zu 187.024 g als Grundlage nimmt). Ein blühender Silber- und Bleibergbau befand sich im 16. Jahrhundert bei Benisch; weitere Edelmetallbergbaue gab es an zahlreichen anderen Orten, deren Anführung hier zuviel Platz beanspruchen würde. Es seien von ihnen daher nur Würbental, Engelsberg, Freiwaldau (im Altvatergebirge) und das Revier von Tarnowitz genannt. Über die Metallversorgung der Münzstätten in Schlesien sind wir verhältnismäßig gut unterrichtet. Während im Reich die Bergwerkbesitzer unter den Fürsten ihren Vorteil erkannt hatten, ausschließlich oder wenigstens hauptsächlich das auf ihren Besitzungen geförderte Edelmetall zu vermünzen, da in diesem Falle sie den Preis bestimmten, mußte in Schlesien mit wenigen Ausnahmen mit angekauftem Metall gearbeitet werden. Da es nicht möglich gewesen war, das in alten Zeiten allzu freigebig verliehene Münzrecht ausschließlich auf die Bergwerksbesitzer unter den Fürsten zu beschränken, beschloß 1570 der Reichstag zu Speyer, daß in jedem der zehn Reichskreise je nur 3—4 Münzstätten gestattet sein sollten. „Doch soll denjenigen Ständen, so eigene Bergwerk haben, auch sondere Münzen daneben zu halten . . . zugelassen sein." Dieser Beschluß 187

wurde 1571 durch den Frankfurter Reichsdeputationsabschied dahin erläutert, „daß die Münzherren, so eigene Bergwerk haben, auf ihren sonderen Münzen nur dasjenige Gold und Silber, soviel daselbsten gewonnen, zu vermünzen unverboten, aber sonsten alles ander erkauft oder sonsten an sich gebrachte Gold und Silber sollen sie, wie andere Stände auf den . . . Kreis-Münzstädten vermünzen zu lassen schuldig sein" (402/11). Eine gut gemeinte, aber wegen der unstillbaren Habsucht dieser Münzstände undurchführbare Verordnung. Kaiser Ferdinand II. gelang es dann, das Münzrecht der schlesischen Fürsten mehr und mehr zu unterbinden. Er und seine Nachfolger sorgten eifrig dafür, „daß kein Stand mehr seines Münzwesens froh wurde". Dieses Vorgehen war durchaus begreiflich, denn im Gegensatz zu den altösterreichischen Ländern und auch zu Böhmen, Mähren und Ungarn war Schlesien monetär ganz zersplittert, der Geldverkehr infolge des Fehlens einer einheitlichen, im Lande selbst geprägten Münze ungemein erschwert und überdies durch die Infiltration mit geringhaltigen polnischen Münzen arg bedroht. Nach Wallensteins Tod konnte der Kaiser zwar die Wiederaufnahme der Prägung in den schlesischen Fürstentümern Liegnitz, Oels, Teschen, Neiße und Oppeln auf die Dauer nicht verhindern. Es wurde nicht nur streng an der vorschriftsmäßigen Ausprägung der Münzsorten festgehalten, sondern den Münzherren, wo man nur konnte, die Ausübung ihrer Tätigkeit und der Ankauf von Silber erschwert. „Während man aber Wallenstein höflich erinnerte, daß er für Silber einen höheren Preis bezahle als die Böhmische Kammer, sperrte man dem Christian Ulrich von Württemberg-Oels strafweise sein Münzhaus auf sechs Monate" (267). Wie schon erwähnt, kamen für das Münzwesen in Schlesien insbesondere die Goldbergwerke des Altvatergebirges und bei Reichenstein sowie die Tarnowitzer Silbergruben in Betracht. Der Reichenstein diente nacheinander den Herzögen von Oels, den Herren von Rosenberg und den Fürsten von Liegnitz-Brieg, während die Tarnowitzer Gruben zum Herzogtum Jägerndorf gehörten. Die kaiserliche Regierung hat wiederholt versucht, den schlesischen Fürsten das Bergregal abzuerkennen. Dies wird begreiflich, wenn man bedenkt, daß selbst die reichsten schlesischen Bergwerke sogar in ihren besten Zeiten den Bedarf der Münzstätten nicht zu decken vermochten, so daß man in hohem Maße auf den Silberhandel angewiesen war. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts schufen die Verhältnisse sogar einen eigenen Berufszweig, den „Silberjuden". Was den Besitzwechsel am ertragreichen Reichenstein (der Berg trägt seinen Namen zu Recht) anlangt, so waren die Herzöge von Münsterberg-Oels im 16. Jahrhundert immer tiefer in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Im Bereiche des plastischen Fürstenhauses war dies nichts Ungewohntes, denn schon im Mittelalter hatte wüste Verschwendung mehrere schlesische Herzöge zu Bettlern gemacht. Wie es auf ihren Höfen zuging, hat der Zeitgenosse und Biograph Heinrichs XI. von Liegnitz, der Junker Hans von Scheinichen, in seiner Selbstbiographie mit derber Anschaulichkeit geschildert. Die Münsterberger waren Nachkommen des Böhmenkönigs Georg von Podiebrad. Herzog Johann soll „durch Errichtung einer bettlerischen Gesellschaft, die Raubbau getrieben und insbesondere die Holzbestände verwüstet" habe, nach dem Zeugnis seiner Neffen Heinrich und Karl das meiste zum Verfall des Reichensteines beigetragen haben. Die Herzoge waren daher gezwungen, diese Bergwerke, deren Ertrag auch aus natürlichen Ursachen nachgelassen hatte, dem reichen böhmischen Edelmann Wilhelm von Rosenberg zu verkaufen. Dieser und sein Bruder und Nachfolger Peter Wok, mit dem 1611 das Geschlecht ausstarb, prägten aus der Ausbeute des Reichensteins gleich ihren Vorgängern Goldmünzen. 188

Die Bischöfe von Breslau hatten 1515 von Kaiser Maximilian I. das Recht der Goldprägung erlangt. Das Material bezogen sie aus ihren Bergwerken im Altvatergebirge, namentlich bei Zuckmantel, wo sogar sich zeitweise, neben jener bischöflichen Residenzstadt Neiße, eine eigene Münzstätte befand. Ein Stollen im Zuckmanteler Revier hieß bezeichnenderweise „Münzmeisterstollen", wohl deshalb, weil sein Ertrag zur Besoldung der Beamten diente. Die Münzstätten einiger weltlicher schlesischer Fürsten waren noch bis ins 18. Jahrhundert hinein tätig, so jene der Fürsten von Liechtenstein in Troppau (und auch in Wien) oder die von Münsterberg-Oels hauptsächlich in Oels. Auch einige schlesische Städte, wie Breslau, hatten zeitweilig das Münzrecht ausgeübt. Mit dem Tode Karls VI. und der Eroberung Schlesiens durch Preußen hörte die österreichische Prägung in diesem Lande endgültig auf. Im Jahre 1743 prägte Friedrich II. in Breslau die ersten Münzen mit seinem Bildnis.

C. Die angarische Ländergruppe 1. Ungarn Da Ofen sich auf die Dauer gegen die Türken nicht halten konnte, wurde nach Auflassung der Ofner Münzstätte im Jahre 1531 Kremnitz die Hauptmünzstätte Ungarns. Kremnitz galt auch als die „Goldstadt" des Landes und hatte im Gebiet der sieben niederungarischen Bergstädte den Vorrang. Der schwache Jagellonenkönig Wladislav II. hatte sie in seiner chronischen Geldnot an ein Konsortium verpachtet, das aus den mächtigen Augsburger Fuggern und dem Zipser „Bergwerkspionier im Karpatenraum", Johann Thurzö de Bethlenfalva, bestand. Nach dem Tode Johann Thurzös zog sich seine mit den Fuggern versippte Familie langsam zurück, so daß schließlich über den „Ungrischen Handel" nur mehr die Fugger, an ihrer Spitze Jakob der Reiche und nach seinem Tod 1525 sein Neffe Anton, bis 1546 geboten. Dies mißfiel den ungarischen Magnaten außerordentlich, die die „fremden Eindringlinge" mit allen Mitteln bekämpften. Die inneren Zustände des Landes trieben einer Katastrophe entgegen. Eine Münzverschlechterung hatte die Unzufriedenheit im Lande noch mehr geschürt. Diese „moneta nova" erregte allgemeine Erbitterung und löste gerade an ihrem neuralgischen Punkt, nämlich in den niederungarischen Bergstädten, so schwere Unruhen unter den Bergknappen aus, daß die Produktion gefährdet war. Nicht genug an dem: die Krise war überdies mutwillig zu einem Zeitpunkt heraufbeschworen worden, in dem es um die Existenz des Landes ging. Bei Mohäcs verlor der junge König Ludwig II. Schlacht und Leben. Das in Kremnitz, Ofen und Hermannstadt ausgeprägte Gold hätte, richtig verwendet, diesen für das ganze Abendland furchtbaren Schlag vielleicht noch abwenden können. Durch das Aussterben der Jagelionen ergab sich eine ganz veränderte politische Lage. Infolge des 1515 zu Wien zwischen den Häusern Habsburg und Jagello abgeschlossenen wechselseitigen Ehe- und Erbvertrages trat Ferdinand I., damals noch Erzherzog, als Gemahl der ungarischen Prinzessin Anna, der Schwester Ludwigs, in dessen Rechte in Ungarn wie in Böhmen ein. In Ungarn erstand ihm sogleich ein Gegenkönig in dem Haupte der Nationalpartei, Johann Zäpolyai, Grafen von der Zips und Woiwode von Siebenbürgen (f 1540), der sich in dem nun entbrennenden Zweifrontenkrieg Ferdinands 189

17. Siebenbürgen, Kronstadt, Nottaler 1612, Kronstadt (C—B = Civitas Brassov)

gegen Osmanen und Gegenkönig sogar immer wieder des niederungarischen Montangebietes bemächtigen konnte. Nicht geringe Schwierigkeiten erwuchsen dem jungen Herrscher überdies in seinem Streite mit seiner durch den Tod Ludwigs verwitweten Schwester Maria, denn ihr gehörten die genannten Bergwerke als Witwengut. Diese Zwistigkeiten konnten erst 1548 zu Augsburg durch Vermittlung des kaiserlichen Bruders, Karl V., durch eine „Concordia" bereinigt werden. Nun erst war Ferdinand im Vollbesitz der Einkünfte aus den Bergwerken (die Fugger hatten sich 1546 aus Ungarn zurückgezogen) und damit auch der Kremnitzer Münzstätte, die durch ihre reiche Goldprägung in der Zukunft nicht wenig, wenn nicht sogar nahezu alles zu den Tributzahlungen an die Türken beitrug. Trotz dieses konstanten Aderlasses blieb diese Goldprägung auch in den folgenden Jahrhunderten beträchtlich, da sie auf den Erträgnissen der Goldgruben beruhte. Auch Silber war genug vorhanden, besonders in der „Silberstadt" Schemnitz und ebenso in der „Kupferstadt" Neusohl, deren weltberühmtes Kupfer stark silberhältig war. Ferdinand I. hatte seit 1548, als er dank der „Concordia" endlich freie Hand in den niederungarischen Bergstädten erhielt, hier Reformen eingeleitet, um insbesondere in Kremnitz den Betrieb zu sichern und damit die stark angespannten Einkünfte zu vermehren. 1550 wurden vor allem Maßnahmen gegen die Verschwärzung von Gold und Silber erlassen und den sieben Bergstädten die Ausfuhr von Edelmetall, das ausschließlich an die Kremnitzer Münze abzuliefern war, unter Androhung schwerer Leib- und Geldstrafen verboten. Kremnitz nahm infolgedessen, wenn auch nicht mehr im gleichen Ausmaße wie zur Zeit der Anjou, die alte Tradition der Goldmünzung wieder auf. Die mit dem Prägezeichen K. B. (Körmöcbänya=Kremnitz) versehenen Dukaten, wie die früheren Goldgulden nunmehr genannt werden, besitzen dadurch ein besonderes Zeichen der Güte und Verläßlichkeit. Sie repräsentieren den „ungarischen Dukaten" schlechthin, obwohl auch Nagybänya und durch kurze Zeit auch Hermannstadt in Siebenbürgen in bescheidenem Umfange solche Münzen ausprägten. Dieses Nagybänya ist die zweite Münzstätte in Oberungarn. Sie stammt noch aus der Zeit des ungarischen Nationalstaates und wurde gleich Kremnitz und Hermannstadt sowohl vom rechtmäßigen König als auch vom Gegenkönig benützt. Das Münzhaus in Nagybänya und Kaschau, wo Ferdinand nur ganz kurz münzte, wurde erst 1574 unter Maximilian II. wiedereröffnet. Dafür war die Münze in Preßburg, wo die Königinwitwe Marie auf ihrer Flucht nach Wien eine Zeitlang gemünzt hatte, 1530 eingestellt worden. Erst im 17. Jahrhundert wurde sie wieder für einige Jahrzehnte in Betrieb gesetzt. Kremnitz erhielt seinen Metallbedarf aus dem niederungarischen Montanbezirk, Nagybänya, das seinen Betrieb bis 1828 aufrechterhielt, bezog ihn aus den Gruben von Nagy- und

18. Siebenbürgen, Leopold I. Dukaten in Form eines Halbmondes, 1694 Klausenburg (CV)

Felsöbänya, also aus der nächsten Umgebung. Insbesondere der Abbau der Königsgrube (fodina regis) wurde gefördert. Aber trotz aller Sorgfalt verfielen die sehr wassernötigen Gruben, was bei dieser an der Peripherie des Landes gelegenen Münzstätte besonders unangenehm war, da ihr Betrieb ausschließlich vom lokalen Bergsegen abhing. Die Edelmetallproduktion in diesem Montangebiet, zu dem seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts auch das in Siebenbürgen gelegene Kapnik trat, wies im Laufe der Zeit starke Schwankungen auf, war aber überhaupt nie besonders groß. Man mußte daher, um den Münzbetrieb aufrechterhalten zu können, der anderseits für die Unterhaltung der Bergwerke wichtig war, immer wieder zum Handkauf von Edelmetall greifen. Das gleiche gilt für die beiden Nebenmünzstätten Kaschau und Preßburg, die kein unmittelbares Bergwerkshinterland besaßen. Schmöllnitz hingegen, das zum sogenannten „oberungarischen" Montanbezirk gehörte, prägte seit der Einführung der Kupfermünzen unter Maria Theresia auch für fremde Gebiete, wie Böhmen, Galizien und die Lombardei, in außerordentlich großen Mengen. Hier gewährte das Hinterland das erforderliche Metall in zureichendem Ausmaße. 2. Siebenbürgen Sichere Nachrichten über die Existenz einer Münzstätte in diesem Lande besitzen wir erst aus der Zeit König Sigismunds, unter dem in Hermannstadt geprägt wurde. Im 16. Jahrhundert haben dann die beiden Gegenkönige Ferdinand I. und Johann Zäpolyai hier münzen lassen, dieser von 1538—1540, jener von 1551 — 1556. Im letztgenannten Jahre beginnt dann mit dem Sohne Zäpolyais Johann II. Sigmund, zunächst unter der Vormundschaft seiner Mutter, Isabella von Polen, die autonome Prägung der siebenbürgischen Wahlfürsten, die je nach der politischen Lage an den verschiedensten Orten in- und außerhalb von Siebenbürgen münzten. In Siebenbürgen geschah dies in Hermannstadt, Kronstadt, Fogaras, Klausenburg, Weißenburg (das spätere Karlsburg) und Schäßburg; außerhalb der Landesgrenzen in Kremnitz, Nagybänya, Kaschau und Munkäcs in Oberungarn; unter Gabriel Bethlen sogar zu Oppeln-Ratibor in Schlesien. Alle diese ständigen oder kurzfristigen Münzstätten bezogen ihr Metall außer durch Handkauf natürlich von ihnen zunächst liegenden Bergwerken. Der Edelmetallreichtum Siebenbürgens wurde schon oben (S. 166) erwähnt. Hervorzuheben ist daher aus der Fürstenzeit nur die außergewöhnlich reiche Goldprägung; Michael Apafi ließ sogar 100-Dukaten-Stücke prägen. Die pracht- und prunkliebenden Fürsten ließen Goldprägungen in verschiedensten Formen vornehmen: 191

19. Siebenbürgen, Leopold I. Sechseckiger Dukaten 1695, Klausenburg ( K V )

neben dem gewohnten Rund kommen Vier- und Sechsecke, Sterne, Halbmonde vor (die beiden letzten Formen erst nach dem Übergang des Landes an Kaiser Leopold I.). Das Gold beherrschte sichtlich das ganze Münzwesen, denn man brauchte es nicht zuletzt, um damit gleich dem Kaiser den dem türkischen Großherrn zu Konstantinopel schuldigen Tribut zu entrichten. Die Fürsten begünstigten natürlich den Bergbau, der bekanntlich in der Südwestecke des Landes, im „Siebenbürgischen Erzgebirge", konzentriert war und reichste Erträgnisse abwarf. Hier wurde sowohl bergmännisch abgebaut als auch noch immer, und zwar in großem Ausmaß, Goldwäscherei betrieben. Es sei hier an die Orts- und Flußnamen mit -aranyos erinnert. Privilegien der Fürsten für ihre Bergstädte und Schutz für die Gewerken wirkten sich äußerst günstig aus. Auch Leopold I. und seine Nachfolger ließen sich den siebenbürgischen Edelmetallbergbau sehr angelegen sein, um so mehr, als mit dem Ende der Fürstenzeit ein gewisser Rückgang in den Erträgnissen der stark abgebauten Bergwerke eingetreten zu sein scheint. Maria Theresia war schließlich ein neuer Aufschwung, insbesondere in der Goldgewinnung, zu verdanken. Eine eigene Medaille vom Jahre 1747 feierte mit Recht ihre „Leges metallurgicae in Transilvania restitutae". 3. Kroatien Ein typisches Beispiel für den innigen Zusammenhang zwischen Bergsegen und Ausmünzung an Ort und Stelle ist trotz ihres episodenhaften Charakters die Münzstätte Gvozdansko (bei Kostainica) der kroatischen Grafen von Zrinyi (Serin). Um das Jahr 1524 trat eine Gruppe Laibacher und Villacher Bürger in geschäftliche Beziehung zu Graf Nikolaus III., der in dem der bosnischen Grenze nahegelegenen Orte Gvozdansko ein anscheinend recht ergiebiges Silber- und Bleibergwerk besaß. Das Gerücht besagt, daß der Jahresertrag an Silber 1524 nicht weniger als rund 30.000 fl. betragen habe. Die Hauptunternehmer scheinen die beiden Laibacher Bürger Leonhard Gruber und Marx Stettner gewesen zu sein. Im Jahre 1529 erhielt Zrinyi von Ferdinand I. auch die Erlaubnis, aus seinem Silber Münzen prägen zu dürfen. 1532 nahmen die beiden Laibacher Bergwerk und Münze in Bestand (Pacht). Nach dem Tode von Nikolaus III. im Jahre 1534 wird die Münzstätte nicht mehr erwähnt, vom Bergwerk ist noch 1536 die Rede.

192

Dritter Teil Münz- und Geldwesen

I. Das Altertum

A. Von der Natural- zur Geldwirtschaft „Naturalwirtschaft und Geldwirtschaft sind in der ökonomischen Theorie zwei fest abgegrenzte Begriffe, die gewöhnlich in Gegensatz zueinander gestellt werden. Bei der Naturalwirtschaft fehlt der Tausch entweder ganz, reine Naturalwirtschaft, oder es werden Waren unmittelbar gegen Waren getauscht (Naturaltausch). Die Geldwirtschaft hingegen ist in eminentem Sinne Tauschgeschäft, und zwar werden die zahlreichen Tauschgeschäfte mit Hilfe eines allgemein gültigen Äquivalentgutes, eines Geldes, bewirkt. Dieses Geld kann freilich bei verschiedenen Völkern und in verschiedenen Zeiten sehr verschieden geartet sein" (166). Das ist nur eine von den nicht wenigen Theorien, die zu diesem Thema aufgestellt wurden, aber sicherlich die stichhaltigste von allen. Insbesonders aber ist festzuhalten, daß sie nicht starr aufgefaßt werden darf, da die Verhältnisse landschaftlich wie chronologisch stark differenziert sind, weshalb die Formen der Naturalwirtschaft wie der Zeitpunkt des Überganges zur Geldwirtschaft und in dieser wiederum zum Münzgelde beträchtliche Verschiedenheiten aufweisen. Es hängt dies nicht allein von der Kulturstufe der in Betracht kommenden Stämme und Völkerschaften ab, sondern von ihren positiven oder negativen Beziehungen zu ihren Nachbarn, von der Landschaft, in der sie leben, von ihrer Lebensweise und von den natürlichen Bedingungen ihrer unmittelbaren Umwelt. E s ist hier nicht der Ort, diese Verschiedenheiten im einzelnen aufzuzeigen. E s soll daher nur ganz kurz bemerkt werden, daß schon bei den Primitiven so etwas wie „ G e l d " bekannt war, daß aber dieses Geld, gleichgültig ob Natural- oder Münzgeld, keineswegs die reine Naturalwirtschaft oder den Naturaltausch innerhalb eines bestimmten Gebietes ausschließt. Ein erster Übergang zu einem Naturalgeld vollzieht sich mit dem Einsetzen einer Fernhandelstätigkeit, die mit der Ausbeutung und Verarbeitung der Metalle, zuerst des Kupfers und des Eisens, Hand in Hand geht. Insbesondere die Bronze, eine Mischung von Kupfer (90%) und Zinn (10%), erobert sich sozusagen die ganze damalige Welt. Aus dieser Bronze bestehen Gegenstände, wie etwa Armringe und Beile, die immer wieder in Depotfunden ans Tageslicht kommen. „Wenn in größerer Menge gleiche Formen in einem Depot auftauchen, legen es wirtschaftliche Gesichtspunkte nahe, weniger an Gebrauchsgegenstände zu denken als an Bezugsgrößen — daher immer gleiche Typen — in wertmessender Funktion entsprechend dem späteren G e l d . Wir haben noch nicht genügend Einblick, um sagen zu können, ob den Typen dieser Metalldepots etwa schon etwas wie verschiedene Geldsorten entspricht — eher nicht", aber daß man sich eben ihrer wertmessenden Funktion wegen als Tauschmittel bediente, dürfte wohl feststehen. Solche Depots aus Bronzegegenständen, deren Fertigung sich über ein Jahrtausend erstreckt, finden sich vor allem im alten Norikum in vorkeltischer Zeit. Aber auch aus der 195

Eisenzeit, dem frühen Mittelalter, gibt es ähnliches, so z. B. aus der Spät-La-TenePeriode aus der Burgwallanlage bei Stradonice unweit Beraun (Böhmen) und ähnlichen Siedlungen („Stradonitzer Kultur"), z. B. Stare Hradisko bei Okluky (Mähren). Es waren „Fabrik- und Handelsstationen, wo Bronze, Eisen und Glasgegenstände in Werkstätten hergestellt wurden und wo sich der Handel mit entfernten Ländern konzentrierte, wofür die zahlreichen Münzen auswärtigen Ursprungs stumme Zeugen sind" (1080). Das schließt jedoch nicht aus, daß mit diesen Fabrikaten auch noch Tauschhandel getrieben wurde, mit Gegenden, wo Münzen noch unbekannt waren, so daß sie in diesem Falle eine Geldfunktion annahmen. Dieses Nebeneinander von Tausch und Bezahlung wird man wohl überhaupt in dieser Zeit annehmen dürfen. Das gleiche gilt auch für Ungarn. Hier hat man etwa in Soltvadkert zwischen Donau und Theiß (Komitat Csongrad) in der großen ungarischen Tiefebene „eine aus 41 Gießformen bestehende Fundgruppe ausgegraben, die auch Bruchstücke und halbfertige Waren enthielt. Mit dem Gießen der Bronze befaßte man sich also überall, nicht nur an Orten, wo Kupfer gewonnen wurde, der Tauschhandel diente in erster Linie dem Transport der Rohstoffe und nur in geringerem Maße dem der fertigen Ware" (847). In verschiedenen großmährischen Wallburgen in Mähren, in der Slowakei und in einem Falle auch in Polen hat man einige hundert Stück eiserner hakenartiger Gegenstände von länglicher Form gefunden, die an einem Ende eine schmale Öffnung besaßen. Archäologische und metallographische Untersuchungen haben ergeben, daß sie eine Art Halbfabrikat oder ein symbolisches Werkzeug darstellen, das als Zahlungsmittel verwendet wurde. Im Hinblick auf die schon ansehnliche Entwicklung des Handels im Großmährischen Reiche, das noch keine eigenen Münzen kannte, ist eine Verwendung solcher Zahlungsmittel an Stelle von Münzgeld höchst wahrscheinlich. Vermutlich richtete sich das Gewicht dieser Eisenbarren nach dem byzantinischen Pfund, da mit Byzanz bereits Kulturund Handelsbeziehungen bestanden. Diese Eisenhaken in Geldfunktion sind dadurch besonders lehrreich, daß sie einen Rückfall in eine primitivere Wirtschaftsform bedeuten. In früheren Jahrhunderten hatte man sich in diesen Gegenden schon des Münzgeldes bedient, und zwar des keltischen und dann auch des römischen. Dieser Rückfall ist um so verwunderlicher, als sich das Großmährische Reich auf einer sehr hohen Kulturstufe befand und sowohl mit den Franken als auch, wie erwähnt, mit Byzanz lebhaften Handel betrieb. Auf dem Boden der Slowakei, die zum Großmährischen Reich gehörte, gab es auch reiche Edelmetallvorkommen, die schon die Kelten ausgebeutet hatten. Aber vielleicht bediente man sich dieser Eisenbarren als Zahlungsmittel im Verkehr mit eisenarmen Ländern, die dafür andere, Großmähren fehlende Waren liefern konnten. Jedenfalls steht es fest, daß Nordmähren vom archäologischen Standpunkte wegen seiner Eisenlager als die bedeutendste großmährische „Industrielandschaft" zu bezeichnen ist und daß „das Eisenhüttenwesen" und das Schmiedehandwerk hier an Güte hinter dem sonstigen europäischen Handwerk in keiner Weise zurückstanden. Aus diesen paar Beispielen kann man erkennen, daß es zeitlich wie räumlich eine große Differenzierung gibt. Während eine Gegend sich für den Handel schon des Münzgeldes bedient, herrscht in der Nachbarschaft noch reiner Tauschverkehr. Ebenso aber existiert in einem anderen Räume auch noch beides nebeneinander oder, wie wir es bei den mährischen Eisenhaken gesehen haben, kommt es aus unbekannten Gründen nach einer Periode reiner oder gemischter Geldwirtschaft wieder zu einem Rückfall in die alte Tauschwirtschaft. Das sind die Hauptlinien der sich um die Zeitwende vollziehenden Entwicklung. 196

B. Die Kelten Der Altmeister der keltischen Numismatik in Österreich, Karl P I N K (f 1965), hat einmal gesagt, daß die Münzen dieses über weite Räume Europas verbreiteten Volksstammes die einzigen historischen Dokumente sind, die wir über sie besitzen: „Im Gegensatz zur klassischen Numismatik fehlt ein wichtiges Element, die historischen und geographischen Grundlagen" (873). Deshalb ist ihre Erforschung schwierig, und es haben sich anderseits die besten Köpfe erfolgreich mit ihr beschäftigt, die zuerst für die keltische Münzkunde eine eigene Methode entwickelten, um dieser Schwierigkeiten Herr zu werden. Diese inneren Schwierigkeiten hat Pink in der Einleitung zu seinen ,Ostkelten' geschildert und dazu auch die Verdienste jener Autoren wie G Ö H L und Graf DESSEWSKY angeführt, die das Material für die besonders schwierige Ostkelten-Forschung in ihren Publikationen bereitgestellt haben. Schon der ethnographische Ausgangspunkt ist unsicher. Man nimmt an, daß die Urkelten in Ostfrankreich und Süddeutschland gesessen sind. Aber „dieses Volk war immer durch große Beweglichkeit und einen Wandertrieb ausgezeichnet, der es nach allen Windrichtungen führte und überall Kriegsdienste nehmen ließ, so daß man die Kelten mit Recht als die Landsknechte des Altertums bezeichnet". Es ist hier nicht der Ort, diese Wanderungen im einzelnen zu verfolgen. Es seien daher hier nur die keltische Besiedlung jener Räume angeführt, die im Gebiet der Donaumonarchie lagen. Beim ersten Auftreten von Münzen in Österreich war das Land bereits keltisch. „Gewöhnlich nimmt man an, daß bei der großen Keltenwanderung um 400 v. Chr., als die Boier auch Böhmen, die Tectosagen wahrscheinlich Mähren und den Norden Niederösterreichs besetzten, ein Eindringen in südliche Alpentäler erfolgt ist und Salzburg, Kärnten und Steiermark keltisch oder besser keltoillyrisch wurden" (877). Das heißt, daß die Eindringlinge sich mit der einheimischen Bevölkerung zu einem neuen Volke vermischt hatten. Ferner ist sicher, wie das boische Gold beweist, daß ein Teil nach den Kämpfen mit den oberitalischen Boiern und ihren Genossen, zu denen auch die Taurisker, das illyrische Urvolk Noricums, gehört haben werden, mit den Römern um 200 v. Chr. nordwärts nach Böhmen zog, während ein Teil sich möglicherweise ostwärts längs der Save wandte. Das Münzinventar von Stradonitz aus dem 2. und 1. Jahrhundert v. Chr. erzählt uns „von regen Beziehungen sowohl nach Westen zu den Galliern, namentlich Bibracte, und nach Osten in die Slowakei". Über den Geldverkehr der Kelten sind wir nur durch die Funde unterrichtet, und da ergibt sich sofort die Frage nach dem Wesen der keltischen Münzen selbst, die ja in ihrer Gesamtheit von der iberischen bis tief hinein in die Balkanhalbinsel von den verschiedenen Stämmen angefertigt, geprägt oder gegossen wurden. Der Katalog dieser Stämme ist ebenso umfangreich wie das Verzeichnis der Fundorte, und nicht minder bedeutend sind die äußeren und inneren Unterschiede, wie in Typus, Gewicht, Legierung, Form des Schrötlings, Prägetechnik, Stilentwicklung im allgemeinen, Schrift und Beizeichen. Es bilden daher drei Elemente das Ordnungsprinzip: „der körperliche Inhalt der Münzen (das Münzmaterial), der geistige Inhalt (das Münzbild) und die Herkunft (die Funde)" (873). Nach diesen Gesichtspunkten, vor allem aber nach den Funden ergeben sich für das heutige Österreich „zwei scharf getrennte Gruppen, die ältere Nordgruppe und die jüngere im Süden. Jede Gruppe hat wieder einen Ost- und einen Westteil. Die Verbindung zwischen Nord und Süd stellt das Burgenland her" (877). Die Nordostgruppe liegt in Niederösterreich nördlich der Donau mit dem Zentrum 197

20. Makedonien, Philipp II. Tetradrachme

21. Ostkeltische Tetradrachme „ N E M E T " (Kärnten)

Oberleiserberg, die Nordwestgruppe in Oberösterreich südlich der Donau mit dem Freinberg bei Linz als Mittelpunkt; das Burgenland hat sein Zentrum in Velem St. Veit. Die Südostgruppe (Ostnoriker) befindet sich mit ihrem Zentrum in Cilli in der ehemaligen Untersteiermark, die Südwestgruppe (Westnoriker) in Kärnten hat ihren Mittelpunkt in Teurnia oder auf dem Magdalensberg. Ebenfalls in Kärnten gibt es norisches Kleinsilber, während es sich sonst meist um Großsilber handelt. Die einzelnen Typen hier anzuführen, ist aus Raumgründen unmöglich; es sei daher auf die angeführte Literatur, insbesondere auf Pink, verwiesen. Nur die Vorbilder seien angeführt, nach denen die Kelten in Österreich ihr Münzgeld hergestellt haben. Es ist hierbei allerdings eine fortschreitende Verwilderung des Stils festzustellen, was den keltischen Prägungen bis vor nicht allzulanger Zeit fast ausschließlich den Namen „Barbarenmünzen" eingetragen hat. Ferner soll auch der Neuschöpfungen gedacht werden, sofern diese im Bereich der Donaumonarchie entstanden. Die wichtigste Type, besser gesagt der Keltentypus schlechthin, geht unstreitig auf die Tetradrachmen Philipps II. von Makedonien (359—336) mit dem Zeuskopf auf der Vs. und einem nackten Reiter auf der Rs. zurück. Die Kelten hatten diese „Philipper" als Söldner in großen Mengen erhalten; sie wurden in Amphipolis, einer Stadt in Thrakien von größter strategischer und merkantiler Bedeutung, immer wieder für die Soldzahlung an die Kelten fortgeprägt und von da nordwärts ausgeführt. Die Stadt war 437 von den Athenern begründet worden, um die Edelmetallbergwerke des Dysoron- und Pangaiongebirges zu beherrschen, 357 wurde sie von den Makedoniern erobert (877). Diese Münzgattung der Philipper war wohl das erste Münzgeld, das die Ostkelten zu Gesicht bekamen; daher bedienten sie sich dieses Typus als Vorlage für ihre ersten Münzen. Aber zu der immer mehr anwachsenden Beliebtheit dieses Typus mag außer dem Silberwert auch der Umstand beigetragen haben, daß das Pferd in der keltischen Religion keine geringe Rolle spielte; es gab sogar eine eigene Pferdegöttin Epona und Pferdegötter wie Epodatextoris und Rudiobus. „Solange die Kelten des Westens und bei uns ihre Freiheit und damit ihr eigenes Geld hatten, gibt es kein Symbol, das auf den Rückseiten der Münzen häufiger erscheint" (191). Im Räume des heutigen Österreich hat es wahrscheinlich nur eine einzige keltische Münzstätte gegeben, die in Kärnten entweder in Teurnia (bei St. Peter in Holz westlich des Millstättersees) oder, noch wahrscheinlicher, in dem bedeutenden keltischen Oppidum auf dem Magdalensberg (früher Helenenberg) nordöstlich von Klagenfurt zu suchen ist. Die Kärntner Tetradrachmen zeichnen sich vor allem dadurch aus, daß sie meist die Namen von Häuptlingen tragen. Es gibt zwei Typen: Der Avers zeigt stets den Apollokopf, der Revers immer den Reiter, und zwar entweder den Philippsreiter, bei dem der 198

Reiterrumpf aus Kugeln gebildet ist, oder den gallischen Lanzenreiter. In der ersten Gruppe scheinen die Namen Boio, Tinco, Copo auf, in der zweiten Eccaio (anscheinend am häufigsten), Suicca, Conge(sa) und Congestlus. Die jüngste und letzte norische Prägung enthält die Namen Atta, Nemet und Adnamat und kommt verhältnismäßig häufig längs der Drau von Lavamünd bis Lienz vor. Der Hauptfundort ist bis jetzt Teurnia, wo auch noch der neue Name Escingo vorkommt. Münzen dieses zweiten Typs wurden in Einzelstücken auch in Maxglan und am Bieberg bei Saalfelden (Salzburg), in Roseldorf (Niederösterreich) gefunden. Dagegen aber fehlt vorderhand auf dem Magdalensberg noch das Großsilber, wie es in Teurnia aufscheint. Das ist um so verwunderlicher, als ja die Stadt auf dem Magdalensberg ein Großhandelsplatz war. Wie umfangreich hier besonders der Metallwarenhandel war, bezeugen die hierüber vorgefundenen ältesten Aufzeichnungen auf österreichischem Boden, die an den Innenwänden von zwei Kellern mit dem Griffel eingeritzt worden waren. In der Bergstadt kam bisher nur im Jahre 1955 ein Schatzfund von Kleinsilbermünzen zutage. Sie gehören der von Pink Gurina-Typ genannten Kategorie (um 80 v. Chr.) an, weil die meisten Stücke dieser Art aus der Feste Gurina im Gailtal stammen. Dieser Typus bezeugt so recht die große Ausbreitung des keltischen Handels, die lebhaften Beziehungen der keltischen Oppida im Ausgang der La-T£ne-Zeit, also gegen Ende des 2. Jahrhunderts und im 1. Jahrhundert v. Chr. Der Haupttyp dieser Gurina-Münzen hat einen glatten Avers, der Revers ist das Tectosagenkreuz mit je einer Kugel im Winkel. Dieses Kreuz ist von den degenerierten Drachmen von Rhoda in Nordspanien abgeleitet, die in ihrer ersten Phase eine stilisierte Rose tragen. „Diese Kreuzmünzen sind in Frankreich, Oberitalien, in der Schweiz und in Süddeutschland allenthalben zu finden. Vielleicht hat gerade die Besiegung der Tectosagen durch Caepio 106v.Chr. und die Gefangennahme ihres Fürsten Copillos durch Sulla 104v.Chr. eine neuerliche Auswanderung verursacht und den Anstoß zur Verbreitung dieses Typs gegeben" (876). Dieser Gurina-Typ fand in dem nach 60 v. Chr. entstandenen Typ von Eis (bei Völkermarkt) seine Fortsetzung, und zwar in fortschrittlichem Sinne, indem der Avers hier wieder einen gut ausgeführten Kopf nach dem Vorbild der letzten westnorischen Tetradrachmen mit den Namen Adnamat, Atta und Nemet aufweist. Bei diesen um 70 v. Chr. anzusetzenden Stücken sinkt das Silber übrigens schnell bis zur Bronze, wogegen die früheren Gruppen noch gutes Metall verwenden. Als wahrscheinlicher Hauptprägeort der Ostnoriker sei Celeia, das spätere Cilli, erwähnt; hier entstand noch eine ältere „steirische" Gruppe vor 80 v. Chr. mit dem Philippbild und einem „Brezelohr" auf dem Kopf der Vs. Die jüngere Gruppe (nach 80 v. Chr.) hat dieselbe Rs., aber als Vs. einen „Wuschelkopf" nach gallischem Vorbild. Damit wären die Haupttypen der im altösterreichischen Räume entstandenen Keltenmünzen erschöpft, jedoch nicht das Keltengeld in Österreich selbst. „Der Norden", sagt Pink (877), „der nur Gold kennt und kein eigenes Geld prägt — daher keine Schatzfunde und kein eigentlicher Geldverkehr —, steht unter dem Einfluß der benachbarten Boier und Tectosagen in Böhmen und Mähren. Vom ältesten Typ, dem Alkisgold, im zweiten Drittel des 2. Jahrhunderts v. Chr. kommen Stücke längs der March in den Nordostwinkeln von Niederösterreich mit dem Oberleiserberg als Zentrum vor, allerdings nur eine schwache Quote. Ähnlich steht es im Nordwesten, in Oberösterreich südlich der Donau. Hierher dringt das nationale Boiergeld in Gestalt des Rolltiers oder anderer Stradonitzer Typen, gelegentlich auch ein Nikestater hauptsächlich nach Linz (Freinberg), so daß wir eine Zuwanderung durch die Budweiser Senke vor uns haben. Auch dieser Weg ist begreiflich, weil der Hauptprägeort Stradonitz war. Diese Prägungen stammen aus dem letzten Drittel des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts. Die an der Westgrenze 199

dieses Gebietes auftretenden Regenbogenschüsselchen gehören eigentlich nicht mehr nach Österreich; es sind versprengte Typen aus Bayern" (877). Ganz anders liegen die Verhältnisse im Südteil und auch im Osten. Hier herrscht der Einfluß der ostkeltischen Münzung vor; hier kann man von einem Münzverkehr reden. Das Burgenland, das später als Verbindung zwischen Nord und Süd diente, hat eigene Typen, die pannonisch-gallische Kombinationen darstellen, die Kroisbacher und die Velemer. Sie stammen aus dem Beginn des letzten Jahrhunderts v. Chr. und kommen bereits als Schatzfunde vor. Gelegentlich auftretendes Boiergeld beweist den Handelsverkehr. Der Südosten beteiligt sich an der Einführung des Münzgeldes bei den Kelten in seiner Weise. Von Kroatien her kommt ein neues Gepräge, auch eine pannonischgallische Mischung, und wandert save- und drauaufwärts in die Steiermark bis zur Mur. Es kann etwa gleichzeitig mit dem burgenländischen angesetzt werden und fand sich in mehreren bedeutenden Schatzfunden. Als Ostnoriker haben sie bereits ein eigenes lokales Kolorit. An sie schließt eine weitere heimische Münzgruppe an, die Westnoriker, die etwa ins 7. Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts gehören und in Kärnten durch manche Schatzfunde und viele Einzelfunde belegt sind. Die letzte Phase des Keltengeldes in Österreich und sein Ende überhaupt stellt die boische Silberprägung von Preßburg nach der Auswanderung im 6. Jahrzehnt dar. Um die gleiche Zeit hört die gallische Freiheit auf und damit das dortige Keltengeld, ins 5. Jahrzehnt fällt der Untergang der Boier und damit das Ende des boisch-norischen Keltengeldes und in das 4. Jahrzehnt das Ende des letzten ostkeltischen (877). Zum besseren Verständnis dieser „Ergebnisse für Österreich" sei hier eine knappe Übersicht der im Vorhergehenden angeführten außerösterreichischen Keltenprägungen geboten. Zunächst die B o i e r . Um 200 v. Chr. aus Oberitalien vertrieben, kamen sie nach Böhmen, wo sie in ihrer Hauptstadt Stradonitz eine umfangreiche Prägetätigkeit in Gold entfalteten. Sie strahlte nach Westen und Norden aus in den Regenbogenschüsselchen, nach Osten in den Muschelstateren. Vom Westen her kommt ständig gallischer Einfluß; das ist bei den regen Beziehungen der Kelten untereinander und dem starken Handelsverkehr zwischen Bibracte (nach Caesar die größte und volkreichste Stadt der Aeduer in Gallien) und Stradonitz nicht auffällig. „Bei Beginn der La-Tene-Zeit sind ja mehrere gallische Völker, die vom unteren Main bis nach Thüringen wohnten, nach dem Osten gewandert, an die mittlere Donau und nach Böhmen. Gerade in der späten La-Tene-Zeit entstehen die größten Festungen (Oppida), teils infolge des aufblühenden Handels, teils zur Sicherung gegen die drohende Germanengefahr" (877). Gegen Ende des 3. Jahrhunderts waren die boischen Länder „hauptsächlich von zwei verwandten keltischen Volksgruppen bewohnt, von der südlichen Moldau-OtavaGruppe sowie von der nördlichen Elbegruppe, deren Einfluß noch weiter nach Osten reichte. Die Grenze zwischen diesen beiden Gruppen dürfte in Böhmen ungefähr am Fluße Berounka (ein linker Nebenfluß der Moldau, der südlich von Prag mündet) und beim Höhenzug Brdy (südlich von Prag) zu suchen sein; der Großteil Mährens und teilweise wohl auch Schlesiens stand unter dem Einfluß der Kelten Nordböhmens. Zum Unterschied von den dünn besiedelten steinernen Wallburgen Südböhmens waren die Siedlungen der neu zugewanderten Kelten in der Mitte und im Norden des Landes zumeist dicht bewohnte, bedeutende Mittelpunkte des Handels und der Produktion, die durch Mauern, Palisaden und Erdwälle vor Angriffen geschützt waren. Die keltischen Erzeugungszentren arbeiteten nicht nur für den Eigenbedarf, für den eigenen Haushalt oder für die eigenen Familienmitglieder, sondern auch für den Handel, besonders mit 200

Keramik und Metallwaren. Hier finden wir bereits wirkliche Handwerker, die einen ständigen Bedarf an Zahlungsmitteln, an geprägtem Gelde hatten. Damit befinden wir uns bereits am Ende eines älteren Entwicklungsstadiums, das noch ohne geprägtes Geld auskam, und am Anfang einer neuen Epoche, wo wir bei den Kelten Mährens und auch in dem viel schwerer zugänglichen Böhmen um die Wende vom 3. zum 2. Jahrhundert die ersten Spuren der Verwendung von Münzgeld feststellen können" (111). Auch die in den böhmischen Ländern siedelnden Kelten sind zum erstenmal auf dem Balkan mit Münzgeld in Berührung gekommen. Vermutlich zunächst in Makedonien und Thrakien, anläßlich gelegentlicher kriegerischer Zusammenstöße, später jedoch bei überwiegend friedlichen Beziehungen, die ungefähr mit der Mitte des 3. Jahrhunderts begonnen haben dürften. Vor allem in dieser Zeit drangen die ersten Goldstatere Alexanders des Großen vom Balkan nach Nordwesten, zum Teil bereits in der Form von stilistisch noch recht wohl gelungenen Nachahmungen, zunächst entlang der Donau bis zur Einmündung der Morava, dann gegen Ende des 3. Jahrhunderts wohl schon bis zur Bernsteinstraße in Mähren und um ungefähr dieselbe Zeit bereits nach Böhmen. „Die keltische Wirtschaft stand in den böhmischen Ländern vor einer eingreifenden strukturellen Änderung, nämlich am Beginn des Übergangs von der reinen Naturalwirtschaft zur Natural- und Geldwirtschaft. Von da zur ersten Eigenprägung dauernder Art war nur mehr ein kleiner Schritt. Zu diesem kam es, wie uns die Funde lehren, vermutlich bald danach in Böhmen" (111). Die Zahl der hier eindeutig festgestellten keltischen Münzstätten ist gering; das Oppidum bei Stradonice am rechten Ufer der Berounka, jetzt unter dem Namen „Hradiste bei Stradonice", ist die bekannteste und zugleich bedeutendste der böhmischen Länder. Hier wurden Tontafeln — Bruchstücke als Formen für Teilmünzen des Alexander-Stater — gefunden; weitere Münzstätten liegen im Norden und Nordwesten Böhmens. Bei Tuchlovice im Bezirk Kladno (westl. von Prag) kam ebenfalls eine Tontafel mit halbkugelförmigen Vertiefungen ans Tageslicht, wahrscheinlich ein Gerät zur Herstellung von Schrötlingen. Die älteste mährische Münzstätte ist vielleicht mit der Wallburg am Stare Hradisko bei Okluky identisch, wo ebenfalls eine Tonform gefunden wurde, mit der vermutlich Drittel-, Achtel- und Vierundzwanzigstelstatere hergestellt werden konnten. Schließlich dürfte auch in Preßburg (Bratislava) eine Münzstätte gewesen sein, wahrscheinlich aber nur, wie eine Konzentration von Funden in dieser Gegend vermuten läßt, für Großsilbermünzen. Eine detaillierte Übersicht über die Keltenmünzen der böhmischen Länder zu geben, verbietet der zur Verfügung stehende Raum, denn die verschiedenen Typen und die mit ihnen zusammenhängenden Probleme sind zu zahlreich, um hier in wenigen Worten dargestellt zu werden. Wir müssen uns daher mit einer gedrängten Zusammenfassung begnügen. An erster Stelle der boischen Prägung steht das Gold. Wir verfügen hier über ein ungewöhnlich reiches Material, das CASTELIN ( 1 1 1 ) in zwei Hauptreihen und vorläufig ungefähr zehn verschiedene kleine Einzelgruppen aufgliedern konnte, die sich nach Münzbild, Gewicht, Feingehalt usw. voneinander unterscheiden. Trotz dieses Reichtums aber war es für die Forschung ein unersetzlicher Verlust, daß der im Jahre 1771 bei dem Dorfe Podmokly (bei Rakovnik) in der damals fürstlich Fürstenbergischen Domäne Pürglitz durch einen Taglöhner entdeckte Goldfund zum Teil (ca. %) schon bei seiner Auffindung verschleppt wurde, während Fürst Karl Egon den Rest in der Prager Münze zu Dukaten verarbeiten ließ. Insgesamt scheint der Fund rund 5000 Stück umfaßt zu 201

haben, die in dem Bericht des fürstlichen Aktuars Ruzcizka als große, mittlere und kleinere unterschieden wurden. Dem Münzsystem der keltischen Goldprägung Böhmens liegt der Stater zugrunde. Bei Haupt- wie bei Nebenseiten kann man das Bestreben feststellen, zwischen ihm und seinen Teilstücken (Drittel, Achtel und Vierundzwanzigstel) „ein ganz bestimmtes Gewichts-(und Wert-)verhältnis auszudrücken und einzuhalten, auch wenn alle Münzeinheiten im Laufe der Zeit allmählich an Gewicht abnahmen. Ungefähr zu Beginn des ersten Jahrhunderts v. Chr., vielleicht sogar etwas früher wurden diesem System noch Silbermünzen angegliedert, die in der letzten Epoche der keltischen Münzprägungen der Münzstätte bei Stradonice geschlagen wurden." Damals ließ ein keltischer Häuptling, der nach den Münzaufschriften Biatec heißt, „sicher mindestens vier, wahrscheinlich aber fünf verschiedene Münzeinheiten in Gold und Silber schlagen. Wir kennen von ihm in Gold Statere, Drittel- und Achtelstatere" (111), in Silber Großsilberstücke mit seinem Namen sowie vermutlich auch noch Kleinsilbermünzen von einem nach dem Wiener Gemeindebezirk Simmering als Hauptfundort benannten Typus, der selbst jedoch keinen Namen nennt. Das Münzsystem der keltischen Goldprägung in Böhmen ist dadurch besonders gekennzeichnet, daß mit den drei Teilstücken des Staters im ganzen zehn verschiedene Werte ausgedrückt und gezahlt werden konnten. P A U L S E N hat in seinem Werke über die Goldprägung der Boier in Böhmen die Hauptreihe der Statere in drei Gruppen geteilt: in die Gepräge Typus Nike und AthenaAlkis, in die ältere boische Goldprägung der Muschelreihe und in die jüngere Goldprägung dieser Reihe. C A S T E L I N teilt die ältere Muschelreihe in zwei klar unterschiedene Gruppen, denen eine gleiche parallele Unterteilung in Drittel-, Achtel- und Vierundzwanzigstel-Stücke entspricht. Die ältesten Statere stehen nach Typus und Gewicht den makedonischen Vorbildern am nächsten. Die erste Serie zeigt auf der Vorderseite noch die Nike der AlexanderMünzen, die zweite ist bereits um eine Kleinigkeit leichter und zeigt auf der Rückseite wohl die Athene-Alkis mit Schild am erhobenen linken Arme und wurfbereiter Lanze in der erhobenen Rechten. Für dieses Münzbild wurde neuestens auch die Bezeichnung „Athene-Alkidemos" vorgeschlagen. Die dieser Hauptgruppe zeitlich folgenden Statere zeigen statt des Kopfes ein buckelartiges Gebilde, auf der Rückseite aber ein torquesartiges Gebilde, das alsbald in ein muschelartiges übergeht, aus dem schließlich eine deutliche Muschel wird. Die Teilstücke haben — wohl zur äußerlichen Kenntlichmachung — ganz andere Münzbilder als die Statere der Hauptreihen; die ältesten tragen auf der Vorderseite einen behelmten Kopf vorne rechts und einen Krieger auf der Rückseite, also nach einem fremden Vorbild, dessen Herkunft aber nicht feststeht. Der Typus aber wird im Laufe der Zeit immer mehr barbarisiert, bis die Zeichnung überhaupt nicht mehr zu definieren ist. Die Nebenreihen enthalten in der älteren Gruppe Prägungen vom Typus Kopf/Stier, Buckel/Athene— Alkis—Alkidemos, Buckel/kriechender Krieger, Eber/stehender Krieger, Kopf/Krieger vom Athene-Typus. Die jüngere Gruppe hat symmetrisches Ornament/ Pferd, kniender Krieger/Pferd, Buckel/galoppierendes Pferd, dreiteiliges Ornament/ Pferd und endlich Axt/Rolltier. Dieser „Rolltierstater", der mit Nordwestböhmen einerseits, Bayern und Schlesien andererseits zusammenhängt, ist wohl das merkwürdigste Stück der ganzen Goldprägung der Boier. P I N K hat das phantastische Tier als „Rolltier" angesprochen, „das im skythischen Kunstbereich heimisch ist und bis nach China geht; für das Münzen war es sehr geeignet. Hier ist es ein Ringeldrache ohne Gliedmaßen, und gerade damals (um 150 v. Chr.) erlebte der skythische Tierstil eine Wiederbelebung..." (877). 202

22. Boischer GoldRolltiers tater (Böhmen)

Die Archäologen haben diese Theorie mit einer gewissen Zurückhaltung aufgenommen, während die Numismatik wohl allgemein zustimmte. Fest steht jedenfalls, daß der Stempelschneider des ersten Rolltier-Staters ein Meister seines Faches war. Dieses Stück steht daher in seiner künstlerischen Vollendung im keltischen Münzwesen überhaupt ganz vereinzelt da. Sein Rätsel ist bis jetzt noch nicht überzeugend gelöst worden. Mit Sicherheit wissen wir nur folgendes: „Der Rolltierstater wurde fern von den Zentren der griechischen und römischen Welt in einer keltischen Münzstätte in Böhmen geprägt, und einer seiner beiden Stempel ist die Arbeit eines ausgezeichneten, vermutlich nichtböhmischen Stempelschneiders" (111). Wenn nun CASTELIN mit guten Gründen die Skythentheorie Pinks ablehnt, so versucht er dafür — was auch einleuchtend erscheint — südwestlichen Einfluß durch Silbermünzen dieser Gegend geltend zu machen: „die Münzbilder beider Seiten des Rolltierstaters finden sich — wenngleich nur als Beizeichen — auf Keltenmünzen Galliens wieder" (111). Im übrigen darf betont werden, daß es auch böhmische Einflüsse auf die keltischen Gepräge in den Nachbarländern gibt. Die Prägung der Boier — während ihrer ganzen Dauer fremden Einflüssen unterworfen — hatte dann in Nordpannonien infolge der Kämpfe mit den Dakern, in denen die Boiermacht vernichtet wurde, zwischen den Jahren 6 0 — 4 0 ihr Ende gefunden. Aus demselben Grunde darf man auch die Prägungen mit der Aufschrift Biatec in dieselbe Zeit ansetzen. Von diesen Münzen wurde im Jahre 1942 in Preßburg der „größte und numismatisch kompletteste Schatz" von 270 Exemplaren gefunden. Nach ONDROUCH, der diese Münzen in einem eigenen Buch veröffentlichte, wurden die Tetradrachmen und die übrigen Münzen dieses Typus nicht in Pannonien, sondern in der Südslowakei geprägt, wahrscheinlich zu Preßburg selbst. Diese Münzstätte wurde von Stammes-Repräsentanten der militärisch-landwirtschaftlichen Aristokratie, sicherlich mit Fürst Biatec an der Spitze, gegründet, welche sich in der Gründungszeit „neben der Landwirtschaft auch der Handwerksproduktion, davon namentlich der Töpferei und Handelsunternehmungen auf inund ausländischen Märkten, insbesondere auf dem Gebiete Pannoniens und Norikums, widmeten und aus der damaligen Bratislavaer Niederlassung (Oppidum) ein sehr reges Handelszentrum an der mittleren Donau bildeten. Was die Münzstätte anbelangt, so dürfte sie nur eine verhältnismäßig kurze Zeit, ungefähr in den Jahren zwischen 7 0 — 5 8 v. Chr., somit also bis zur dakischen Besetzung Pannoniens und der Südslowakei, in Tätigkeit gewesen sein. Mit ihr zusammen verschwand unter dakischem Anstoße auch das Bratislavaer städtische Oppidum, welches dann, namentlich unter dem Einflüsse der römischen Expansion, die auf das Gebiet nördlich der Donau gelenkt war, nach und nach zu einer bedeutungslosen Niederlassung herabsank" ( 8 3 7 ) . 203

Außer dem Namen Biatec, dessen Träger zweifellos der bedeutendste unter den Häuptlingen war, kennen wir noch die 14 weiteren Stammesfürsten: Nonnos, Devil, Busu, Bussumarus, Jantumarus, Cobrovomarus, Coisa, Ainorix, Fariarix, Evoiurix, Titto, Counos und endlich Maccius. Die O s t k e l t e n . P I N K scheidet die Ostgruppe in „zwei räumlich getrennte Zirkulationsgebiete, das der Tetradrachme Philipps II. und das der attischen Tetradrachme Alexanders III." (877). Dieses umfaßt hauptsächlich den Osten (Bulgarien, Ostrumänien), kommt daher hier nicht in Betracht. Dafür ist der Westen mit dem Philipper für uns von größtem Interesse, denn er umschließt Gebiete der ehemaligen Monarchie, nämlich Ungarn und Siebenbürgen und Westrumänien sowie Kroatien und Slawonien; die beiden letzten gehören mit Serbien zum heutigen Jugoslawien. Das Vorbild ist hier die schon erwähnte Tetradrachme Philipps II. Die Vorderseite zeigt stets den Zeuskopf von Elis, die Rückseite entweder den makedonischen Königsreiter von links mit Kopfbedeckung und Grußgeste oder den olympischen Reiter von rechts mit Siegespalme. Alle beide Typen nennen den Königsnamen. Nach dem Tode Philipps wird der Philipper als Sold- und Handelsgeld für die barbarischen Nachbarn weitergeprägt, also in erster Linie für die Kelten, die sich so sehr an diese Münzsorte gewöhnten, daß sie jede Neuerung ablehnten. Nach der Schlacht bei Pydna (168 v.Chr.) hörte aber die makedonische Prägung auf, damit ^uch das Exportgeld, das hauptsächlich in Amphipolis geprägt wurde. Die Kelten sahen sich im Osten und im Westen genötigt zur Eigenprägung überzugehen, wobei das Münzbild immer mehr verwilderte, immer barbarischer wurde. Es ist die Kunst der ausgehenden La-Tene-Zeit, die uns nunmehr in den keltischen Prägungen entgegentritt, wobei gewisse Stämme eine bestimmte völkische Eigenart entwickelten. Pink, dem die erste zusammenfassende Darstellung des ostkeltischen Münzwesens zu verdanken ist, hat dieses in elf Zirkulationsgebiete des Philippers eingeteilt (877). Die erste und älteste Gruppe umfaßt die direkten Nachahmungen, ist daher in unmittelbarer Nachbarschaft Makedoniens, nämlich in Serbien und Bosnien, entstanden, wo die mächtigen Skordisker Landesherren waren. Hier machte sich der Mangel an geprägtem Geld zuerst fühlbar; in Dornavia gab es Silbergruben. Von der zweiten Gruppe angefangen gibt es bereits Neuschöpfungen, die sich in zwei Untergruppen scheiden. Die erste wird durch einen angeblich 1807 im Banat entdeckten Fund bestimmt, der 38 Stück enthielt, von denen 27, die eigentlichen „Banater", für die Gestaltung des Lorbeerkranzes so charakteristisch sind, daß danach neu auftauchende Stücke sicher zugeordnet werden können. Dieser Banater Fund stammt wahrscheinlich aus dem erzreichen Komitat Krassö-Szöreny mit dem Hauptort Lugos. Die zweite Untergruppe hat einen Bartkranz auf der Vorderseite, eine Kombination von Zeus- und Herakleskopf; die Rückseite zeigt den sogenannten Baumreiter. „Bei dieser Type wird der ursprüngliche Palmzweig des olympischen Reiters nunmehr wie ein Tannenbaum vor dem Reiter vorangetragen. Der Mittelpunkt der Prägung dieser Type ist vielleicht an der Savemündung zu suchen, wofür auch die Silbergruben von Babe, Guberevci und Stojnik sowie dievon Rudnik sprechen" (877). Diese Gruppe ist hauptsächlich gegen die Donau zu, also nach Norden und Westen, verbreitet. Mit der Prägung dürfte nach dem Erlöschen der Skordisker, also um 110 v. Chr., begonnen worden sein. Die dritte Gruppe hat Dickschrötlinge und ist in Nordserbien zu Hause, wo es Silberminen in den Tälern des Pek und Timok gibt. „Ganz eigenartig und vielleicht rein dakisch sind die Gepräge in Siebenbürgen und Westrumänien, bei denen für die Vorderseite außer Zeus- und Herakleskopf als Vorlage noch der Lysimachoskopf und teilweise die Artemisbüste dient. Zu dieser vierten Gruppe gehören die Ringellocke, die Sattelköpfe und die 204

23. Ostkelten, Banater Tetradrachme

24. Pannonien, Keltische Tetradrachme „SVICCA'

schüsseiförmigen dünnen Schrötlinge mit völlig aufgelöstem Münzbild. Sie gehen bis nach Westrumänien. Silbervorkommen gibt es im Komitat Hunyad und in Zalatna" (877). Für die fünfte Gruppe ist der Schatzfund von Juncäd bei Märmoros-Sziget charakteristisch, wo sich bei Nagybänya bekanntlich ein Silberbergwerk befand. „Zum Teil weist dieser Fund auf den Banat zurück, zum Teil auf die Slowakei. Jetzt kommen wir in den Bereich des gallischen Einflusses, der immer stärker wird, je weiter wir nach Westen gehen" (877). Die weiter westlich gelagerte sechste Gruppe zeigt eine Buckel-Vorderseite. „Ihre ziemlich rohe Prägeweise hat auf die Goldprägung der Boier abgefärbt. Die Prägeherren sind angeblich die Cotini in den Komitaten Borsod und Nögrad" (877). Die siebente Gruppe weist deutlich auf die edelmetallreichen niederungarischen Bergwerke, wo im frühen Mittelalter die berühmten Bergstädte Kremnitz, Schemnitz und Neusohl entstanden. Hier herrscht der Honter-Typ vor, der Einhiebe und Einstempelungen hat. Die Gruppe wirkt bereits gegen Preßburg und das Burgenland. Die achte Gruppe „bringt die letzten Neuschöpfungen von großer Wichtigkeit im Audoleontyp. Das Zentrum dürfte im Matragebirge liegen; die Verbreitung reicht bis an die Donau" (877). Jene Sorte, die mit dem Honter-Typ in Wechselbeziehungen steht, hat ihr Vorbild in der Rückseite der Tetradrachmen des Paionenkönigs Audoleon (ca. 315/286), auf den schon die Bezeichnung hinweist. Das sogenannte „Dunänttil" bildet die neunte Gruppe. Dieses umfaßt den Raum, den die Donau von Preßburg an bis etwa zur Einmündung der Drau gegen Osten abgrenzt und der im Westen bis zum Burgenland reicht. Diese Gruppe weist eine Anzahl bizarrer Darstellungen auf, von denen ein Teil wohl den Azali zugehört, wie die Münzen von Tötfalü auf der Andreasinsel oberhalb von Budapest. Hier wurde 1903 ein großer Fund von ca. 950 Drachmen, alle vom ähnlichen Typ, gemacht, höchst verwilderte Nachprägungen makedonischer Vorbilder, Kleingeld, wie die Gruppe elf. Die zehnte Gruppe, die zum Teil dem Burgenland angehört, zeigt in dem Kroisbacher Typ (bei Ödenburg) schon norischen Einschlag. Eine zweite Reihe bilden die nach der prähistorischen Siedlung Velem-St.Veit im Eisenburger Komitat benannten Velemer, die bereits sehr verwildert sind. Die elfte Gruppe, die Kapostaler (Banat), wo auch eine Prägestätte und eine Schmelze entdeckt wurde, sind später Klein-Münzen, die den Bartkranz in sehr verwilderter Form nachahmen und schließlich zu kleinen Bronzestücken herabsinken. Jede dieser Gruppen hatte ein eigenes Umlaufgebiet, ebenso wie sie alle eine eigene Formenwelt besitzen, die oft schwer in Kürze zu beschreiben war. Die von Pink gut gewählten Typenbezeichnungen wie Wuschelkopf, Brezelohr, Bartkranz, Entenschnäbler, 205

Baumreiter usw. vermitteln doch ohne die dazugehörigen Abbildungen nur eine unvollkommene, ganz allgemeine Vorstellung von dem wirklichen Aussehen der „Barbarenmünze". Zum Schlüsse sei noch eines nur in einem einzigen Exemplare bekannten, seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges leider verschollenen Stückes gedacht, das schon zur Zeit seines Auffindens viele noch nicht gelöste Rätsel aufgegeben hat, die allem Anschein nach nunmehr endgültig ungelöst bleiben werden. Anfang Juni 1904 wurde oberhalb des Tauernhauses am Mallnitzer oder Niedertauern beim Suchen nach Mineralien in etwa 2410 m Seehöhe unter einem Stein eine Silbermünze gefunden. Das Tauernhaus liegt etwas südlich der heutigen Landesgrenze zwischen Kärnten und Salzburg noch auf Kärntner Boden. Der uralte Weg, auf dem die Münze durch Zufall entdeckt wurde, führt auf Kärntner Boden von Mallnitz nach Ober-Vellach im Mölltale und weiterhin südwärts über Teurnia an die Drau, nordwärts durch das Naßfeld nach Wildbad Gastein und im weiteren Verlauf nach dem (späteren) Juvavum (Salzburg), wo schon eine vorkeltische, dann aber keltische Siedlung stand. Vielleicht befand sich in der Nähe dieses Tauernüberganges eine der Stätten jenes vorgeschichtlichen Goldbergbaues, von dem Strabo mit Berufung auf Polybius erzählt. Die Münze nennt auf der Vorderseite einen König Gesatorix, auf der Rückseite den König Ecritusirus; beiderseits ist der mit einem Lorbeerkranz geschmückte K o p f eines unbärtigen Mannes in ziemlich roher Weise dargestellt, die Namensform Gesatorix ist auch sonst bezeugt, z. B. in Paphlagonien und Galata. Der Name Ecritusirus aber ist historisch nicht belegbar. Das Stück hat gleich nach seiner Entdeckung heftige Kontroversen über die Echtheit hervorgerufen. Pink meint, daß zwar die vorgenommenen technischen Untersuchungen und auch die Fundberichte „zu wenig Grund zu Zweifeln" boten, daß aber die typologische Prüfung Bedenken errege: „Ein solcher Stil, wie ihn die Gesatorixmünze zeigt, kommt im Altertum meines Wissens nicht v o r . . . Die Verwendung von zwei Porträts für Vorder- und Rückseite ist bei Keltenmünzen unerhört, aber auch sonst selten. Nur die Goldprägung der bosporanischen Könige hat ständig auf der einen Seite das Porträt des Königs, auf der andern das des Kaisers. Wäre es also ein Stück aus dem 3. Jahrhundert n. Chr., könnte man es von den Bosporanern auch nach dem Stil ableiten." Auch das Gewicht von etwa 12 g stimmt nicht. Denn das Gewicht der ältesten Noriker ist gleich dem der Pannonier, und zwar 13 g, sinkt aber dann schnell auf 10,4 g. „ Z u den ältesten kann es typologisch nicht gehören. Name und Typus würden es, wenn überhaupt lokalisierbar, zu den letzten Prägungen verweisen. Da aber gibt es weder reines Silber mehr (die Gesatorixmünze ist aus reinem Silber) noch ein solches Gewicht" (871). Die Münze ist bis auf den heutigen Tag ein Alleingänger, und das macht es besonders schwierig, ihr Wesen zu ergründen. Wenn Pink daher zu größter Vorsicht rät, solange keine neuen Funde vorliegen, die die erhoffte Aufklärung bringen könnten, so kann man ihm nur recht geben. C. Unter römischer Herrschaft 1. Noricum — Österreich Um die politische und wirtschaftliche Entwicklung seines nördlichen Nachbarn, der alpinen Kelten, in seinem Sinne lenken zu können und gleichzeitig ihre Einbruchslinien 206

nach Italien zu sperren, hatte Rom im Jahre 181 v. Chr. Aquileia gegründet. Mehr als ein halbes Jahrhundert später, kurz vor 113 v. Chr., war dann ein Freundschaftsvertrag zwischen der Republik und dem König der Noriker zustande gekommen. „Wenn hier auch die Noriker in der antiken Überlieferung als Freunde der Römer tituliert werden, so ist das natürlich eine nichtssagende Phrase, welche den wahren Sachverhalt, Schutz der römischen Interessen in den Ostalpen, verdecken und die Noriker verpflichten sollte, den römischen Kaufleuten und Händlern auf ihrem Territorium Gastfreundschaft zu gewähren; denn eben damals beherrschten in verstärktem Maße kapitalistische Tendenzen die wirtschaftliche Struktur Italiens, und römisches Kapital suchte über Tarvis den Weg nach den Gold- und Eisengruben der Ostalpen." Es ist daher — und die Münzfunde beweisen es — schon zu republikanischer Zeit ein Eindringen römischer Münzen in die Ostalpen zu verzeichnen; aber nach den leider keineswegs lückenlosen und verläßlichen Fundberichten zu schließen, scheinen es keineswegs große Mengen gewesen zu sein, oder die Kelten benützten sie als Material für ihre eigenen Prägungen. In Kärnten, wo doch infolge der unmittelbaren Nachbarschaft am ehesten etwas zu erwarten wäre, ist seit 1928 anscheinend kein einziges Stück dieser Zeit gefunden worden, und in den anderen österreichischen Bundesländern sieht es nicht viel anders aus. Es seien hier nur ein paar Beispiele von Schatzfunden aus der Zeit des Markomannenkrieges (166—180 n. Chr.), eines der Hauptereignisse, der (nach Kubitschek) neben dem Goteneinfall im Jahre 260 und dem Untergang der meisten Limesorte Ende des 4. Jahrhunderts Anlaß zum Vergraben von Münzschätzen gab, angeführt. So fanden sich unter den 1446 Silberstücken, die 1799 zu Wien unter der Schleuse bei der Renn weger Brücke entdeckt worden waren, bloß sieben, unter den 200 Silberstücken, die man beim Bau der Pyhrnbahn in der Nähe von Spital am Pyhrn fand, ein einziges republikanisches Stück. Es ist dabei natürlich zu bedenken, daß die zur Vergrabungszeit der Schatzfunde längst aus dem Verkehr gezogenen Denare der Republik bereits in großen Mengen eingeschmolzen sein konnten. Georg E L M E R hat in seinem 1933 publizierten Aufsatz über den römischen Geldverkehr in Carnuntum 34 Denare, 3 Quinare und 5 Asse konstatiert, wobei die Stücke aus den Horten nicht berücksichtigt wurden. Dagegen fällt die relativ große Zahl der Legionsdenare des Antoninus auf, während sonst vorneronische Denare, hauptsächlich republikanische, vorkommen (200). Der monetäre Hauptverkehr spielte sich zur Römerzeit am österreichischen Donaulimes ab; wir wollen daher ihn zur Grundlage unserer Ausführungen nehmen, da sich aus ihm mutatis mutandis auch die Verhältnisse in Binnennorikum ableiten lassen. Vorerst ein kurzer, auf den Arbeiten E L M E R S und P I N K S beruhender historischer Überblick. „Außer der Hauptlimesstraße, die wegen Bodenschwierigkeiten nicht immer eng neben dem Strome führt, gab es auch ein Sträßlein neben der Donau gleich dem Treppelweg des vergangenen Jahrhunderts, was auch durch Münzfunde bewiesen werden konnte. Von der Limesstraße zweigt eine Anzahl von Straßen ab, so eine vor Lauriacum (Lorch bei Enns) nach Ovilava (Wels), die über Juvavum (Salzburg) und Teurnia (bei St. Peter in Holz) nach Aquileia führte. Eine andere Straße zog von Ovilava über Ernolatia (Windischgarsten) und Virunum (bei Klagenfurt auf dem Zollfeld) ebenfalls nach Aquileia. Die zweite Hauptstraße geht von Carnuntum aus und führt zunächst über Scarbantia (Ödenburg, Sopron) und Savaria (Steinamanger, Szombathely) westwärts nach Aquileia, ostwärts nach Siscia (Sissek) und Sirmium (Mitrowitz). Daneben existierten noch kleinere Straßen; doch sind viele Straßenzüge aus Mangel an systematischen Grabungen unsicher" (869). 207

Ziemlich unklar liegen die Verhältnisse im Norden der Donau: „Der große Wald, der sich von der bayrischen Grenze bis zum Kamp ausdehnt, war schwach besiedelt. Dagegen war das Gebiet vom Kamp ostwärts bis zur March sehr fruchtbar und stark bevölkert. Hier wohnten in der Römerzeit die Quaden, doch haben Römer selbst mehrmals versucht, diesen Landstrich zu besetzen, so unter Tiberius (6 n. Chr.), dann kurz nach dem Markommanenkrieg und zuletzt unter Valentinian I." (869). Wahrscheinlich gab es hier auch ein entsprechendes Straßennetz. Bekannt ist vor allem die alte Bernsteinstraße von Carnuntum nordwärts entlang der March. Marc Aurel gedachte, zwei neue Provinzen, Marcomannia und Sarmantia, zu errichten, aber 180 schon ereilte ihn in der Limesstadt Vindobona (Wien) der Tod. Das Andenken an seinen denkwürdigen Donauübergang zur Bekämpfung der Markomannen ist übrigens in einem Aureus und zwei Sesterzen festgehalten, während drei andere Sesterzen Marc Aurels Schwiegervater Antoninus Pius mit einem leider ungenannten König der Quaden zeigen. Die geschichtliche Überlieferung ist für unser Gebiet verhältnismäßig spärlich. Wir wissen nur, daß bis zur Zeit des Augustus im südlichen Teil das keltische Reich Noricum bestand, das 15.v. Chr. von Tiberius für Rom ziemlich leicht unterworfen worden war, aber in gewisser Beziehung noch längere Zeit als „Regnum Noricum" selbständig blieb. In der Zeit des Augustus reichte es etwa bis an die Leitha. Im Limesgebiet hatte sich vor allem in den drei großen Lagerstädten Carnuntum, Vindobona und Lauriacum während der fast viereinhalb Jahrhunderte ihres Bestandes ein höchst reges Leben abgespielt. Das römische Geld ist in größeren Mengen zum erstenmal im Jahre 6 n. Chr. bis zur Donau gelangt, als die Legionäre des Tiberius nach Carnuntum kamen, um von hier aus die March aufwärts gegen den Markomannenkönig Marbod zu marschieren. Bei dieser Gelegenheit tritt uns übrigens in der antiken Literatur auch zum erstenmal der Name dieses strategisch wichtigen Punktes an der Donau im Königreich Noricum entgegen (1045). Carnuntum soll schon in vorrömischer Zeit ein bedeutender Ort gewesen sein. Wie überall, wo ein Standlager errichtet wurde, kam es auch hier zur Ausbildung einer Zivilstadt, die unter dem Schutz des Lagers den Heerestroß und damit Gastwirte, Händler verschiedener Kategorien und Dirnen aufnahm (200). Die Händler hatten es auf den Sold der Legionäre und auf die gewinnbringenden Heereslieferungen abgesehen. Mit der Zeit vergrößerte sich die Bevölkerung der Zivilstadt durch ausgediente Soldaten, die aus aller Herren Länder stammten und, der Heimat entfremdet, nach der Dienstentlassung sich hier niederließen und einen Hausstand gründeten. Es entstanden langsam Werkstätten, Fabriken und Faktoreien, die die einheimische Bevölkerung und wahrscheinlich auch die Germanen jenseits der Donau mit den verschiedensten Gebrauchs- und Luxusgegenständen versorgten. Die Lage Carnuntums an wichtigen Straßenzügen, am Wasserweg der Donau und gegenüber der Marchmündung trugen dazu bei, es auch zum Handelsplatz werden zu lassen. Heer und Handel sind also die beiden Quellen, durch die das Geld reichlich nach Carnuntum floß. Man hätte also annehmen können, daß hier eigentlich auch der geeignete Ort für eine Reichsmünzstätte gewesen wäre; aber entweder genügte der umfangreiche Handelsverkehr an sich, um nicht nur den Geldbedarf der Zivilbevölkerung zu decken, sondern auch den Sold für das Militär davon zu bestreiten, oder man hielt die Lage des Ortes für zu unsicher, um die für einen so großen Geldumsatz nötigen Metallmengen hier aufzubewahren. Man kann den Münzumlauf Carnuntums im großen ganzen auch für die anderen Römersiedlungen auf altösterreichischem Boden als richtunggebend betrachten; freilich müßte man, entsprechend der im Vergleich mit Carnuntum geringeren Größe, Bedeutung und Funktion der anderen Orte, einen geringeren Umfang annehmen. 208

25. Rom, Septimius Severus. Aureus

26. Ostrom, Constantinus Magnus. Goldsolidus, Kyzikos

Die Münzverhältnisse unseres Raumes entsprechen während der Zeit der römischen Herrschaft im wesentlichen den Münzverhältnissen der römischen Kaiserzeit, für die ebenfalls die Feststellung gilt: „Alle Münzgeschichte ist die Geschichte der Münzverschlechterung" (512). Da hier nicht der Raum ist, auf Einzelheiten des römischen Münzwesens einzugehen, muß eine Darstellung in groben Zügen genügen und gleichzeitig auf die einschlägige Fachliteratur (vgl. Literaturverzeichnis) verwiesen werden. Die wohlüberlegte und auf die Dauer gedachte Augusteische Münzordnung aus dem Jahre 16/17 n. Chr. hatte keinen langen Bestand. Schon Nero setzte das Gewicht des Denars, das sich von den Zeiten der Republik bis in die Kaiserzeit unverändert erhalten hatte, empfindlich herab, um die Finanzierung des Wiederaufbaues der durch Feuer fast völlig zerstörten Stadt Rom zu bewerkstelligen. Auch der Aureus wurde von dieser Wertminderung betroffen, und nur der einfache Mann, der Sesterzen erhielt, wurde geschont. Die Last der Geldentwertung fiel demnach in der Hauptsache auf die Schultern der Empfänger von Gold- und Silberzahlungen. Vielleicht ist die Tatsache, daß Edelmetallmünzen durch eine Minderung ihres Feingehaltes leicht im Wert herabgesetzt werden können, die Ursache dafür, daß in den zeitgenössischen Quellen sogar große Vermögen stets in Sesterzen (also in Kupfer) angegeben wurden und nicht in anderen Münzgattungen. Der Afrikaner Septimius Severus (193—211), Statthalter und Oberkommandierender von Pannonia superior, der am 9. April des Jahres 193 durch die Legio XIV gemina martia victrix in Carnuntum zum Kaiser gewählt worden war und als glücklicher Sieger über seinen Gegenkaiser die erbliche Militärmonarchie einleitete, setzte den Silbergehalt des Denars sogar grundsätzlich auf 50% herab. Der neue Kaiser dankte seinen Soldaten in besonderer Weise. Die Besatzung von Carnuntum hatte ihm auf dem Siegeszug nach Rom mit Waffengewalt die Anerkennung zu erringen geholfen. Er erwies fast allen Legionen der Rhein- und Donauarmee, welche ihn auf den Schild gehoben hatten, die seltene Ehre, ihre Namen und Standarten auf seine Münzen zu setzen. Septimius Severus hatte seine Söhne ermahnt, „die Soldaten reich zu machen und sich um sonst nichts zu kümmern" (1046), eine Ermahnung, die auf fruchtbaren Boden fiel. Als sein Sohn Caracalla (211—217) zur Regierung kam, wurden alsbald die besseren Denare seiner Vorgänger eingezogen und in geringere umgeprägt. Der dadurch erzielte Gewinn reichte jedoch nicht aus, den Bedarf des Kaisers zu decken. Man schuf eine Münze in der Gestalt eines Doppeldenars oder Antoninians (Caracalla hieß eigentlich Marcus Aurelius Antoninus III.), die zwar ein höheres, aber minderwertiges Nominal darstellte. Sie unterschied sich von den einfachen Denaren, die meist den Kaiserkopf mit oder ohne Lorbeer209

kränz zeigten, dadurch, daß die Kaiser mit der Strahlenkrone als Sol, die Kaiserinnen mit dem Halbmond als Luna dargestellt wurden. Der Antoninian war ungefähr zweimal so groß als der bisherige Denar und enthielt auch wie dieser 50 Prozent Silber, wog aber nur 1 y 2 mal soviel wie der alte Denar. Unter Valerianus (253—259) und seinem Sohn und Mitregenten Gallienus, der nach dem Tode des Vaters noch bis 268 regierte, erreichte der Verfall des Münzwesens seinen Höhepunkt. Nicht nur, daß wilde Barbarenhorden von allen Seiten sengend und brennend über die Grenzen fluteten, eine furchtbare Pestepidemie ausbrach und die Soldaten allenthalben meuterten, fehlte es um diese Zeit besonders an dem für die Münzprägung nötigen Gold und Silber. Besonders der Silbermangel führte schließlich dazu, daß unter Kaiser Constantin dem Großen an die Stelle des bisher als Münzmetall vorherrschenden Silbers nunmehr das Gold trat. Um den Antoninian, dessen Silbergehalt bis auf einige Hundertstel veringert wurde, vor einer Verwechslung mit den reinen Kupfermünzen zu bewahren, und ihm noch ein gewisses Ansehen zu erhalten, entzog man ihm durch Sieden in einer Salzlösung das Kupfer an der Oberfläche, so daß er durch die Prägung ein glänzend weiß schimmerndes Aussehen erhielt (der sogenannte Silbersud, heute als Weißkupfer bezeichnet). Von diesen schlechten Antoninian-Typen wurden riesige Mengen ausgegeben, um den Verkehr nicht ganz zum Stillstand gelangen zu lassen. Erst Kaiser Aurelian (270—275) gelang es, dieser Mißstände wieder Herr zu werden. Er führte eine neue Münzordnung ein und behielt sich selbst das Recht zur Ausprägung von Messing- wie Kupfergeld vor, das seit mehreren Jahrhunderten dem römischen Senat wie auch einzelnen Provinzstädten zugestanden war. Doch erst Kaiser Diokletian gelang es, das durch viele Generationen schwerkranke römische Münzwesen endlich wieder auf eine feste Grundlage zu stellen. Er half dem Mangel einer wertbeständigen Silbermünze ab, indem er den Denar der neronischen Münzordnung als Argenteus zu neuem Leben erweckte. In einer Münzordnung um das Jahr 294 reformierte Diokletian auch die Kupfermünzen. Nach seinem Rücktritt dürften die Mitglieder der zweiten diokletianischen Tetrarchie einen Münzvertrag abgeschlossen haben, wie man aus einem einheitlich durchgeführten Wandel in Gewicht und Gliederung der Münzen erschließen kann. Dieser Münzvertrag ist wohl auf dem berühmten Kongreß von Carnuntum im Jahre 308 zustande gekommen. Wenn auch die schriftliche Überlieferung versagt, sind doch dem Anschein nach alle in dieser Zeit im Geldwesen auftauchenden Veränderungen auf diesem Kongreß beschlossen worden. Die wichtigste Neuerung Anfang des 4. Jahrhunderts war ein neues Goldnominale, der Solidus, der im ganzen Reich eingeführt wurde und der von nun an bestimmt war, die Grundlage und den Eckpfeiler der Münzordnung überhaupt zu bilden. Der Wert der neuen Münze sollte unveränderlich sein — daher nannte man sie Solidus—,und es sollten damit, wenn Schwankungen in den Wertverhältnissen der drei Münzmetalle Gewichtsveränderungen der Münzen erforderlich machten, solche nicht mehr, wie bisher, an der Gold- oder Kupfermünze, sondern ausschließlich an der Silber- und Kupfermünze vorgenommen werden (308). Eine wichtige Änderung betraf auch den von Diokletian geschaffenen weit verbreiteten Kupfer-Follis, mit dem Genius des römischen Volkes. Er wurde von 10,91 auf 6,54 Gramm herabgesetzt (reduzierter Follis). Der Beschluß zu dieser Gewichtsverminderung ist auch in Carnuntum gefaßt worden. Nach dem Tode des Kaisers Valentinianus, der 375 während des Quadenkrieges in Brigantio gegenüber Komorn einem Schlaganfall erlag, versiegte allmählich der bisher 210

27. Ostrom, Iustinianus I. Goldsolidus, Konstantinopel 28. Rom, Constantinus II. Centenionalis, Arelate (Arles) 29. Rom, Constans. Reduzierter Follis, Siscia 30. Rom, Diocletianus. Follis, Aquileia

so große Geldstrom nach Carnuntum. Münzen späterer Regenten werden hier kaum mehr gefunden, was vielleicht mit der Einstellung der Prägung in der bis dahin so fruchtbaren Münzstätte Siscia (Sissek) im Jahre 388/89 zusammenhängt. Auch Aquileia und Rom, die nach der Schließung von Siscia für die Versorgung des Geldumlaufes nördlich der Alpen in Betracht kamen, entfalteten seitdem eine weitaus geringere Tätigkeit. Der Schrecken, der den aus dem Osten immer mehr und mehr westwärts drängenden Völkerschaften vorausging, scheint auch auf die Münzprägung lähmend eingewirkt zu haben, insbesondere seit Valentinianus' Bruder Valens 378 in der Schlacht bei Adrianopel im Kampfe gegen die Westgoten und die ihnen verbündeten Ostgoten und andere Scharen sein Leben verloren hatte. Der Tod des letzten Alleinherrschers, des Kaisers Theodosius, im Jahre 395, der die Kupferprägung so eingeschränkt hatte, daß es fast einer Einstellung gleichkam, gab im gleichen Jahre den Germanen an der Donau, den Markomannen und Quaden, aber auch den Goten und Alanen, das erwartete und erwünschte Signal, in das Wiener Becken einzufallen und unaufhaltsam bis zur Donau vorzudringen. Dem Vandalen, magister militum utriusque militiae Flavius Stilicho, gelang es nicht mehr, die Germanen über den Strom zurückzuwerfen; damit war der Verzicht auf die nördlichen Gebiete der Pannonia I. ausgesprochen, der Limes zwischen Vindobona und Brigetio gefallen. Pannonien war seither viel mehr germanischer als römischer Besitz. Die gesamte mittlere Donau bis zur Mündung hatte aufgehört, Reichsgrenze zu sein. Daß Carnuntum trotzdem noch eine Zeitlang besiedelt blieb, beweisen die hier gefundenen byzantinischen Kupfermünzen, die bis Heraclius (610—641) reichen. Zu erwähnen bleibt noch, daß in der Limesgegend verhältnismäßig wenig Gold gefunden wurde, in den Lagern bis etwa 1932 überhaupt keines. Der Truppensold war zwar auf Gold gestellt (der gemeine Soldat erhielt zuerst drei Stipendien zu 75 Denaren jährlich = 3 Aurei, die im Laufe der Zeit auf 5 Aurei anwuchsen), wurde jedoch aus praktischen Erwägungen in Silber ausbezahlt. Das Silber bildete demnach bis ins erste Drittel des 3. Jahrhunderts die Hauptmasse der Funde, Kupfermünzen gibt es hauptsächlich aus dem 2. und 4. Jahrhundert. In dieser Zeit beherrscht es auch in den behandelten Gebieten den Geldverkehr; der Höhepunkt wird unter Constantinus II. (337—340) erreicht. Interessant und aus der Vielschichtigkeit der ortsansässigen Bevölkerung von Carnuntum, insbesondere auch der Veteranen, erklärlich ist die Vielfalt der Münzstätten, aus welchen die Münzfunde stammen. Sie alle anzuführen, fehlt hier der Raum, aber man 211

31. Rom, Iovianus. Centenionalis, Siscia 32. Rom, Valentinianus I. Centenionalis, Siscia 33. Rom, Regalianus. Antoninianus, Carnuntum 34. Rom, Dryantilla. Antoninianus, Carnuntum

kann sagen, daß so gut wie alle römischen Münzstätten hier vertreten sind. „Der Hauptlieferant bis Aurelianus ist das Münzamt in Rom, dann tritt Siscia bis zum Tode des Valentinianus I. an seine Stelle. Daneben kamen große Kontingente aus Aquileia, Ticinum und Thessalonica" (200). Auch Carnuntum selbst könnte, wenn nicht ein unbekannter Ort in Pannonien dafür in Frage kommt, ganz kurze Zeit eine Münzstätte besessen haben. Die kurzlebigen Prägungen von Gallienus' Gegenkaiser P-C. Regalianus und seiner Frau Dryantilla, deren Antoniniane aus dem Beginn des Jahres 261 fast alle hier in Carnuntum oder in Brigetio gefunden wurden, kämen dafür in Frage. Aber nicht nur römische Münzen hat die Erde von Carnuntum wieder preisgegeben. Neben ein paar echten griechischen der klassischen Zeit, darunter sogar einige Ptolemäer, sind hier auch von den Kaisern auf griechischem Boden geprägte sogenannte „Provinzialprägungen" gefunden worden. Sie beginnen schon mit Augustus. Besonders hervorzuheben sind die Gepräge aus Daciaund aus Viminacium, Hauptstadt von Moesia superior, jetzt Kostolac an der Donau; „sie waren Ersatzgeld für den Messing- und Kupfergeldmangel, der seit Septimius Severus herrschte und seinen Höhepunkt unter Gordianus III. erreichte, während die anderen griechischen Münzen mehr zufällig nach Carnuntum gekommen sind". Darunter befinden sich auch einige jüdische Münzen aus der Zeit des Simon Bar-Kochba (132—135), der den letzten großen Aufstand seines Volkes gegen die Römer führte. Diese Stücke stammen sicher von heimgekehrten Truppen, die nach dem Orient abkommandiert gewesen waren. Ganz besonders auffallend aber sind in Carnuntum wie im ganzen Limesgebiet überhaupt die in den Funden in relativ großer Zahl vorkommenden Fälschungen, unter denen eine besondere Gattung, die Limes-Falsa, für den Geldverkehr vor allem Carnuntums von ziemlicher Bedeutung ist. Während KUBITSCHEK und PINK diese Fälschungen für ein behördlich geduldetes Not- oder Ersatzgeld halten, um dem unter Septimius Severus eingetretenen Kupfer- und daher Kleingeldmangel abzuhelfen, neigt ELMER der Ansicht zu, daß es sich um „private Falschmünzererzeugnisse handelt". Das waren diese rohen Gußstücke aus Bronze sicherlich. Nach LACOM (607) waren sie „ursprünglich wahrscheinlich in doloser Absicht erzeugte Falschmünzen, die sich allmählich zu einem unentbehrlichen Notgeld, von den Behörden geduldet, vielleicht sogar gefördert, herausbildeten". Daß diese Münzen, Abgüsse von Sesterzen und Assen der verschiedensten Kaiser, „lediglich dem lokalen Kleinverkehr zwischen Lager und Stadt" dienten, dafür spricht auch die Tatsache, daß ihre Ausmünzung mit dem Aufhören der drückendsten Kleingeldnot endete. Die Einstellung dieser vorübergehend geduldeten Münzproduktion erfolgte unter der Regierung des Kaisers Severus Alexander im Jahre 231, „und zwar 212

35. Rom, Marcus Aurelius. Sesterz, Limesprägung

überaus radikal, unter Zerstörung der Einrichtungen und Konfiskation der Vorräte an Metall und Münze, so daß sich an der vermutlichen Erzeugungsstätte weder Tonmodell noch Metallreste oder Gußmünzen, sondern lediglich spärliche Schlackenreste vorfanden" (607). Außer diesen tolerierten Fälschungen gab es im Limesgebiet natürlich auch noch andere, insbesondere die schon zur Zeit der Republik da und dort vorkommenden „gefütterten" Denare, die einen Kupfer-(selten auch Eisen-)Kern haben und mit einer Silberschichte überzogen sind. Diese „subaerati" sind meist ausgesprochen private Falschmünzererzeugnisse (1088). Wann und wie das Ende für Stadt und Lager Carnuntum kam, ist schriftlich nicht überliefert. Es ist aber anzunehmen, daß es mit dem letzten Germanensturm im Jahre 395 zusammenhängt. Um ungefähr die gleiche Zeit wurde auch Vindobona, teilweise auch Lauriacum zerstört, dieses aber unter Generidus, dem magister militum Illyriens, wiederhergestellt, so daß sich die römische Bevölkerung hier noch lange Zeit halten konnte. „In der Vita Severini wird es noch als Zufluchtsort der flüchtigen Umwohner erwähnt" (869). Nachdem Odoaker dann die Masse der römischen Bevölkerung nach Italien verfolgt hatte, wurde das Land von Germanen bevölkert, wovon byzantinisches Gold- und Kupfergeld zeugt, das bis ins 7. Jahrhundert reicht. Im Jahre 433 erhielt Noricum infolge der dauernden Zurückverlegung der römischen Grenze das gewaltige Reich der Hunnen zum Nachbarn. 451 führte Attila seine Scharen durch Noricum nach Frankreich und wieder zurück. „Germanische Stammesfürsten begannen sich auf dem nicht mehr recht geschützten und nicht mehr recht verwalteten Reichsgebiet einzurichten; sie schufen hier lose Staatsgebiete, die keine festen Grenzen hatten, sondern je nach den Streifzügen ihrer Oberhäupter veränderlich waren" (227). Ufernoricum wurde von den Romanen geräumt. „Ähnlich aber wie im Falle der Aufgabe Daziens vor mehr als 200 Jahren handelt es sich nicht um eine restlose Evakuierung. Geräumt wurden vor allem die Städte, während auf dem flachen Lande restliche romanische Elemente verblieben. Nunmehr standen von den österreichischen Ländern im wesentlichen nur noch Kärnten und Osttirol — also die Territorien von Virunum, Teurnia und Aguntum — in staatsrechtlichem Verband mit Italien" (69). Dieses südliche Noricum erhielt jetzt den Charakter einer Grenzmark Italiens. Nach Odoakers Sturz 493 wurde es eine Provinz des von Theoderich d. Gr. in Italien errichteten Ostgotenstaates. Kurz seien noch die Münzen der Ruger-Könige erwähnt, über deren Volk im „Rugiland" (am nördlichen Ufer der Donau von Stein und Krems) derselbe spätrömische Historiker Eugippius berichtet, der die Vita Severini verfaßte. Die Ruger, deren Münz213

verkehr noch nicht genügend erforscht ist, prägten ganze und halbe Silbersiliquen. Die Monogramme der Könige hat Friedrich S T E F A N den beiden bei Eugippius genannten Herrschern Flaccitheus (451?—475) oder seinem Sohne Feva (475—487) zuzuweisen versucht (1113, 1114). 2. Böhmen und Mähren Antike Münzen sind natürlich auch nördlich der römischen Provinzen Noricum und Pannonien anzutreffen, es hat bis ins 19. Jahrhundert nie einen vollständig reinen, nur auf die Münzen des eigenen Landes beschränkten Geldumlauf gegeben; schon im Altertum entwickelte sich die nach dem hochwertigen Vorbild der Mittelmeerländer orientierte eigene Kultur, wodurch die Bedürfnisse ständig wuchsen und infolgedessen die Handelsbeziehungen mit dem Süden sich erweiterten und vertieften. Dabei erschlossen sich die im Vergleich mit ihren weiter fortgeschrittenen Nachbarn noch primitiven Völker weiter Möglichkeiten für die Einfuhr fremder Waren durch die Ausfuhr eigener Erzeugnisse und vor allem auch von Rohstoffen. Wir wissen, daß schon der altitalische Fernhandel des Neolithikums aus dem Norden Bernstein bezog und daß im 3. Jahrhundert v. Chr. aus Zentraleuropa, Skandinavien, Rußland und West-Sibirien und dann während der Principatszeit vor allem Bernstein, Sklaven, Vieh und Pelze nach Italien eingeführt wurden. Das freie Germanien, Skandinavien und Ungarn versorgte man im Gegenverkehr mit wertvollen und billigen Metallwaren, Töpfereiprodukten, Weinbehältern, Gläsern und anderen Waren. Insbesondere Sklaven waren noch bis ins 11. Jahrhundert n. Chr. für spätrömische Kaufleute eine sehr begehrte Ware. Die Funde antiker Münzen (bis etwa 1955: 13 griechische in Böhmen, 5 in Mähren und Schlesien sowie 617 römische Gepräge in Böhmen und 599 in Mähren und Schlesien) zeigen merkwürdige Konzentrationspunkte; auf böhmischem Territorium an der Elbe und um Kolin (hier selbst 7 Funde), auf mährischem bei Brünn und in nächster Umgebung (20) sowie bei Muschau nahe Nikolsburg (24 Funde). Dieses Muschau liegt etwa westlich der Schwarzawa, nahe ihrer Einmündung in die Thaya, die ungefähr von hier an einen sehr spitzen Winkel mit der March zu bilden beginnt, in dem sich die Fundorte (meist Einzelfunde) nur so drängen. Und ähnlich ist es mit der Umgebung von Brünn bestellt. In dieser Gegend vermutet ein Teil der Archäologen das bei Ptolemäus erwähnte Eburodunum, während bei Muschau das alte Felikia gesucht wird. Während fast des ganzen Altertums, sicher schon im dritten Jahrhundert v. Chr. trafen sich an der uralten Bernsteinstraße die Bernsteinhändler aus den Ostseeländern mit den Händlern, welche Erzeugnisse aus dem Süden, aus Norditalien und der großen Donauebene mit sich führten. Diese Handelsstraße führte quer durch den fast undurchdringlichen Hercynischen Wald, wie Caesar die Waldgebirge Mitteldeutschlands vom Rhein bis zu den Karpaten nannte; sie bildeten damals die Grenze zwischen den Germanen und den Kelten. „In römischer Zeit wie auch noch in den Tagen Attilas zog dort der Handel von Carnuntum und Bratislava entlang des Marus (der heutigen Morava, Marchfluß) durch die Nordmährische Pforte ins Odergebiet" (111) und von da weiter der Ostsee zu. Von dieser Straße hat es dann auch eine Verbindung zur Elbe gegeben, der entlang ein Weg nach Jütland ging, denn es gab einen jütischen und einen baltischen Bernstein, die beide gleich geschätzt waren. Als Ausgangspunkt dieser beiden Bernsteinstraßen sind das Samland und die Kimbrische Halbinsel anzusehen. Diese Straßen dienten auch dem Handel mit germanischen und dakischen Sklaven aus dem Barbaricum; auch die boischen Aristokraten profitierten davon. Ähnlich lagen in der Elbegegend um 214

Böhmisch Brod und Kolin Schwerpunkte des keltischen Handels und der Eisenproduktion, die wohl auch zur Römerzeit weiter besiedelt blieben. So erklärt sich die auffallende Häufung römischer Münzfunde gerade in diesen Gegenden mühelos aus dem hier seit alters bestehenden Fernhandel und aus der Kontinuität der Siedlungen. Die jüngsten antiken Münzen, die in Böhmen gefunden wurden, sind zwei nicht näher beschriebene Stücke der byzantinischen Kaiser Manuel I. Komnenos und Isaak II. Angelos aus der Zeit von 1143—1195. 3. Slowakei Ein ziemlich ähnliches Bild der römischen Münzinfiltration bietet auch die Slowakei. Hier häuften sich die Funde an den linken Ufern von March und Donau und an den Unterläufen der in die Donau mündenden Flüsse Waag, Neutra, Gran und Eipel. Interessant ist die Verteilung auf die verschiedenen Perioden: Auf die Zeit von Augustus bis Clodius Albinus (197 n. Chr.) entfallen insgesamt 153 Funde, davon 39 auf die Kaiser von Augustus bis Nero. Auf das 3. Jahrhundert von Septimius Severus bis Constantinus kommen 100, auf das 4. Jahrhundert von Galerius Maximianus bis Valentinianus III. 89 Funde. Byzantinische Münzen von Arcadius bis Konstantin XII. Monomachus (4.—11. Jahrhundert) waren in 25 Funden enthalten. Die Fundorte liegen also hauptsächlich im Bereich des pannonischen Limes beziehungsweise an der Bernsteinstraße, denn von den Völkern jenseits der Donau wurden Rinder und Schafe, aus Germanien sogar Getreide geliefert. Der römische Export bei den Markomannen existierte bereits in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts, während Tauschhandel mit den Barbaren „in der Umgebung" der Lager dem Limes entlang, vor allem in „Carnuntum und Aquincum", verlief (751). 4. Pannonien, Ungarn Ungarn ist überaus reich an antiken Münzfunden. Leider hat es sich, trotz aller Rührigkeit seiner Forscher — ebensowenig wie Österreich — immer noch nicht dazu aufgerafft, gleich der Tschechoslowakei ein kritisches Verzeichnis der Münzfunde herauszugeben. So sind wir im großen ganzen auf das von Ludwig H U S Z A R verfaßte Inhaltsverzeichnis der Jahrgänge I—LI (1902—1952) des ,Numizmatikai Közlöny' (447) und für die Zeit nachher auf dieses selbst angewiesen. In diesem Fundregister ist bei den einzelnen Funden auch ihr Inhalt, in unserem Falle das Beiwort „römai" (römisch), angegeben. Darüber hinaus kann bis einschließlich 1961 die von Huszär zusammengestellte Bibliographie (448) herangezogen werden. Vorerst einige Worte über den Umlauf des römischen Geldes im vorrömischen Pannonien. Da in dieser Zeit ostkeltische Münzen im Gebrauch standen, hat das römische Geld hier relativ spät Eingang gefunden. Im nordöstlichen Pannonien waren in den achtziger und siebziger Jahren des ersten vorchristlichen Jahrhunderts die unter der Diktatur Caesars geprägten Münzen und die des Triumvirs Marcus Antonius am häufigsten. „Das Erscheinen des römischen Geldes darf in die Zeit nach Octavians Japodenfeldzug gesetzt werden, als die Verbindung mit Aquileia durch das Japodenland eröffnet werden konnte. Es ist unvorstellbar, daß in der Blütezeit der ostkeltischen Münzprägung auch das römische Geld bereits im Gebrauch gewesen wäre. Die Denare der Eravisker sind daher 215

in die dreißiger oder noch eher in die zwanziger Jahre zu setzen. Daß ihnen viel frühere Geldstücke als Vorlage gedient haben, erklärt sich damit, daß eben dieser Typ hier am meisten geläufig war" (752). Die Provinz Pannonien umfaßte im großen ganzen den heute Transdanubien (Dunäntül) genannten Raum, der im Norden und Osten von der Donau, im Süden von der Drau und im VCesten von den Ausläufern der österreichischen Alpen begrenzt wird. Im nordwestlichen Winkel griff die Provinz über die heutige Staatsgrenze, den Leitha-Fluß, hinüber, so daß auch Vindobona (Wien), Ala Nova (Schwechat), Aquae (Baden b. Wien) und Carnuntum (bei Deutsch-Altenburg) zu Pannonien gehörten, und zwar zu Pannonia superior, seitdem Traian das Gebiet in eine westliche und eine östliche Hälfte (P. inferior) geteilt hatte. Die Grenze zwischen beiden bildete eine vom Flusse Arrabo (Raab) bis zum Savis (Save) gezogenen Linie. Seit dem Jahre 300 erfolgte unter Galerius eine neuerliche Teilung in vier Provinzen: Pannonia prima, Pannonia secunda, Valeria und Savia. Pannonien wurde ungefähr zu Beginn unserer Zeitrechnung dem Imperium einverleibt. Der römische Einfluß war in diesem Lande schon vor der römischen Okkupation vorhanden gewesen. Tiberius hatte nach sehr schweren Kämpfen gegen die überaus wilden und tapferen Eingeborenen schon im Jahre 11 v. Chr. namhafte Erfolge errungen; das neueroberte Gebiet wurde dann mit dem südlich anschließenden Land zu einer großen Provinz „Ulyricum" vereinigt. „Außer Siscia wurden jetzt auch Emona (Laibach), welches damals von Norikum losgelöst wurde, und Poetovio (Pettau) an der Drau römische Standlager" (572). Als jedoch Tiberius in den Jahren 6—9 n. Chr. „die einzige noch selbständige Germanenkoalition unter Marobod dem Reiche eingliedern wollte", brach in seinem Rücken der furchtbare pannonische Aufstand aus, der für die Nord-Politik Roms einen schweren Rückschlag bedeutete. Aber Tiberius warf den gefährlichen Aufstand von Siscia aus verhältnismäßig schnell nieder. Es war die letzte militärische Großtat für den augusteischen Prinzipat. Nach der Niederwerfung eines Einfalls der Jazyger 93 hat Kaiser Domitian Pannonien auf der Ostseite in den Lagern von Brigetio (gegenüber Komorn) und Aquincum (Ofen) die endgültige militärische Organisation gegeben. Aber nicht nur die strategische Sicherung der Donaugrenze war durch die Unterwerfung Pannoniens erreicht worden, sondern auch die des wichtigsten Handelsweges in dieser Gegend, nämlich der schon erwähnten Bernsteinstraße, die, nachdem sie bei Carnuntum pannonisches, also römisches Gebiet erreicht hatte, ihren Weg über Scarabantia (Ödenburg), Savaria (Steinamanger), Poetovio (Pettau), Celeia (Cilli) und Emona (Laibach) nach Aquileia fortsetzte. „Die Naturschätze des Nordens, der Bernstein, das Gold, die Felle, das für Sklavenarbeit höchst wertvolle Menschenmaterial, lockten später, im Laufe des 2. Jahrhunderts, auch die italischen Kaufleute auf diesen Weg" (1160). Die Entwicklung im Innern der Provinz ging in zwei Richtungen vor sich: „Pannonia Superior, die näher zu Noricum lag und deren Romanisierung intensiver war, erhielt infolge ihrer Nähe schneller die Güter, die aus Italien eintrafen, so daß dieser Teil der Provinz auch vom ethnischen Standpunkt aus enger mit Nord-Italien und Noricum verbunden ist. Demgegenüber zeigt die Romanisierung von Pannonia Inferior militärischen Charakter, und auch die Bevölkerung ist mehr gemischt. Hier ist jede Bewegung der vor dem Limes lebenden barbarischen Völker besser zu fühlen. Diese Spaltung — in den späteren Jahrhunderten immer mehr anwachsend — zeigt sich in ihrer folgenschweren Entwicklung hauptsächlich im 4. Jahrhundert" (27—30). Auch im Geldwesen hat sich diese Spaltung naturgemäß bemerkbar gemacht. Es würde zu weit führen, die mit den im Laufe der Zeit gemachten Münzfunden zusammenhängenden politischen, oder besser gesagt, militärischen Ereignisse im einzelnen darzustellen. Für Intercisa (Dunapentele, Sztälinväros) hat dies 216

Ladislaus BARKÖCZI in mustergültiger Weise besorgt. Was er vorbringt, gilt aber nicht für Intercisa allein, sondern für die ganze Provinz. Eines ist sicher, daß die nicht wenigen Münzschätze nur auf die Nachricht des Einbruchs oder des Angriffs der verschiedenen, vor dem Limes lauernden Völkerschaften, wie etwa der JazygenundSarmaten, verborgen wurden. Eine Gruppe der Funde beweist mit voller Deutlichkeit, daß sich die Provinz vom Jahre 150 an in ständiger Unruhe befand, die sich entlang der nördlichen Grenze in geringerem, im südlichen Teil der Provinz in stärkerem Maße äußert, da der Süden von der Angriffsbewegung der Sarmaten in erster Linie betroffen war. Die Funde zeigen entlang des Limes, von Norden nach Süden gehend, ansteigende Jahreszahlen, ein Umstand, der wohl mit der Richtung der zunehmenden Angriffsbewegung zusammenhängen dürfte. Während einer längeren Zeitspanne wurde fast jeder Münzhort zu einem anderen Zeitpunkt vergraben; das bedeutet, daß die Volksbewegung im Grunde genommen das ganze Karpatenbecken umfaßte. So lassen die Münzfunde die ständige Unruhe im nördlichen Randgebiet von Dacien und im Bereich von Pannonien gut erkennen. Aber es läßt sich auch von den Funden ablesen, daß mit dem Beginn des 2. Jahrhunderts, also angefangen mit Traian, ein lückenloser Geldverkehr anhebt. Dabei ist es merkwürdig, daß in Intercisa Münzen von Septimius Severus und Caracalla nach verhältnismäßig kurzer Umlaufzeit bereits in die Gräber gelegt wurden, während die meist schlecht erhaltenen Denare Traians und Hadrians im Barbaricum infolge Geldmangels erst nach einem Umlaufe von 50—60 Jahren in die Erde gerieten. Bald entstanden neben den alten Dörfern, den wichtigsten Straßen entlang und in den Handelszentren größere Niederlassungen, z. B. Siscia (Sissek), Sirmium (Mitrovica), Poetovio, Scarabantia und Carnuntum, so daß Pannonien bald völlig romanisiert war. Aber der nach heftigen Kämpfen erlangte Frieden wurde im 2. Jahrhundert auf das schwerste gestört; während der Regierung Marc Aurels verwüsteten Quaden, Markomannen und Sarmaten die blühenden Donauprovinzen. Es war für ganz Pannonien eine Epoche der Zerstörung. Es gab kaum eine Gegend in der Provinz, die von den wütenden Horden verschont geblieben wäre. Der der Donau entlang errichtete Limes war nicht stark genug gewesen, um Pannonien vor diesen ununterbrochenen Einbrüchen zu schützen. Zu Beginn des 4. Jahrhunderts versuchte man durch Befestigung des hinter dem ursprünglichen Grenzwall liegenden Gebietes eine neue Verteidigungslinie zu schaffen. Die jüngste große Befestigung war das Werk des letzten bedeutenden Kaisers, des aus Pannonien selbst stammenden Valentinianus I. Aber auch diese Anstrengung war vergeblich. Mit dem Tode Theodosius I. 395 endet auch hier die römische Zivil- und Militärverwaltung. In den ersten Jahren des 5. Jahrhunderts wurde der östliche Teil Pannoniens, die Provinz Valeria, offiziell aufgegeben und den Hunnen überlassen. Nun konnte auch der durch natürliche Grenzen nicht geschützte westliche Teil Pannoniens seinem Schicksal nicht mehr entgehen; bald darauf wurde er zur Beute der Hunnen und ihrer Verbündeten. Nur der Raum zwischen Drau und Save verblieb noch weiter unter byzantinischer Herrschaft. Neben den Markomannen und Quaden und ihren Bundesgenossen bedrohten auch die Sarmaten-Jazygen den Donaulimes. Dieser iranische Volksstamm, der aus der südrussischen Steppe gekommen war, besetzte in den fünfziger Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. das Gebiet zwischen Donau und Theiß. Das römische Imperium gebot ihrer weiteren Expansion Einhalt. Der Versuch Marc Aurels, die Reichsgrenze weiter nach Norden und Osten vorzuschieben und eine Provinz Marcommania (Böhmen und Mähren) und Sarmatia (das Jazygenland) gleichsam als Festungsglacis für Noricum und Pannonien 217

zu schaffen, scheiterte nicht nur, sondern mehrere blutige Vorstöße dieser Barbarenstämme erwiesen den befestigten Limes keineswegs als den Schutzdamm, der den vordringenden Völkern ein für allemal Einhalt gebieten konnte. Schon in der Zeit des Kaisers Tiberius waren die Jazygen in Pannonien eingedrungen. In dem Kriege gegen die Dacier gelang es dann, sie als Bundesgenossen zu gewinnen, weshalb auch die Reliefs auf der Trajanssäule ihrer gedenken. In dieser Zeit wurden die Sarmaten auch mit der römischen Geldwirtschaft bekannt, wie außer Einzelstücken auch eine Reihe großer Münzfunde in der ungarischen Tiefebene, hauptsächlich im Komitat Csongräd und auch in der Hortobägy (Komitat Hajdü), beweisen. Der Fundinhalt reicht hier von der Zeit der Republik bis in die des Kaisers Heraclius (gest. 641 n. Chr.). Dies alles wäre weiter nicht merkwürdig, da es eine allgemeine Erscheinung ist, daß sich römische Münzen in großer Zahl immer wieder jenseits der Reichsgrenze vorfinden, wenn nicht hier im Sarmatenland neben den Originalen auch lokale Prägungen vorkämen. Sie imitieren schlecht und recht die römischen Denare und sind in der Hauptmasse für den eigenen Geldbedarf geschlagen worden. Aber es gibt auch noch eine zweite Kategorie: diese Stücke sind sämtlich gelocht, zeigen zwar Kaiserporträts des 3. und 4. Jahrhunderts, aber auf der Rückseite Halbmonde und Sterne, was sie als religiöse Amulette kennzeichnet. Überdies bestehen sie aus schlechtem Material, nämlich meist aus Messing, und haben ganz dünne Schrötlinge von kleinem Durchmesser. Vielleicht hängt dieses Reversbild irgendwie mit der bei den Sarmaten schon vor ihrer Einwanderung nach Ungarn nachweisbaren Sonnenanbetung zusammen. Der zehnjährige ungemein harte Feldzug gegen die Quaden und Markomannen hat auch die Macht der Sarmaten-Jazygen gebrochen. Erst seit den dreißiger Jahren des 3. Jahrhunderts kommt es wieder zu neuen Angriffen, als neue sarmatische Völker, die Roxolanen, in die große ungarische Tiefebene eindringen. Außer den Sarmaten-Jazygen haben sich auch die Quaden am großen Markomannenkrieg beteiligt. Man glaubte um 1880 noch, daß auch sie in der gleichen barbarischen Art und Weise römische Münzen, und zwar solche der Republik, nachgeahmt hätten. Ein Vierteljahrhundert später hat der bedeutende ungarische Numismatiker Ödön G Ö H L diese Prägungen jedoch den illyrischen Eraviskern zugeschrieben, die gegen Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. über die Donau gewandert sein und hier ihre Wohnsitze aufgeschlagen haben sollen. P I N K indessen, der als erster die ostkeltische Prägung im Zusammenhang behandelte, nennt diese Münzung „die sogenannte Eraviskerprägung". Die Quaden aber zieht auch er nicht in Erwägung. Es ist also hier noch nicht das letzte Wort gesprochen. Pannoniens Geldumlauf wurde in römischer Zeit in der Hauptsache durch die Prä218

gungen der zwei an der Save gelegenen Münzstätten, Siscia und Sirmium, gewährleistet. Siscia, unter Gallienus errichtet, war eine der produktivsten Münzstätten des Reiches. Sirmium fing erst nach dem zweiten Bürgerkriege, 324, unter Constantin dem Großen zu prägen an, doch in weit geringerem Umfang als Siscia. Beide waren, wenn man so sagen darf, auf Kleinbronzen spezialisiert, die in großen Massen ausgegeben wurden. Sirmium stand bis unter Kaiser Gratianus, Siscia noch unter Arcadius in Betrieb. Jenes ist insbesondere durch die hier hergestellten, im Kapitel „Metallversorgung" erwähnten Goldbarren bekannt; von hier aus ist wohl hauptsächlich die Provinz Dacia mit Münzen beliefert worden, während Pannonien dank seiner ausgeweiteten Handelsbeziehungen zu Aquileia zum Teil auch von dort mit Geld versorgt wurde. Eine dritte, jedoch außerhalb Pannoniens gelegene Münzstätte, Viminacium, dürfte eine Zeitlang — sicher unter Pacatianus (im Jahre 248) und dann von Valerianus bis Gallienus — neben den bekannten kolonialen Kupfermünzen für die Provinz Moesia superior zwischen 239—257 auch kaiserliche Antoniniane geprägt haben. Da eine Gruppe solcher Münzen in der Umgebung von Szalacska (Komitat Szabolcs) gefunden wurde, darf man annehmen, daß diese Billon-Antoniniane entweder für Pannonien oder für Dazien bestimmt waren, um irgendeine Versorgungslücke auszufüllen. Wie schon bemerkt wurde, ist Ungarn — und hier vor allem der Boden des alten Pannoniens — reich an Münzfunden. Hier kommen als Fundorte insbesondere Brigetio, Aquincum und — seit etwa 20 Jahren — Intercisa in Betracht, das am rechten Donauufer etwa gegenüber der Südspitze der Insel Csepel liegt. Dieses Intercisa war seit dem Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr., also seit Traian, unter dem vermutlich nach Beendigung der dakischen Kriege zwischen 106 und 108 das endgültige Lager errichtet wurde, bis zur Aufgabe der Provinz im Jahre 410 ein wichtiger Punkt zur Verteidigung von Pannonia inferior. Die römische Besetzung von Dunapentele, die mit der Eroberung Daziens zusammenhing, spielte als einer der Brückenköpfe der nach Dacien führenden Straße bis zur Aufgabe dieser Provinz eine wichtige Rolle (271). Es war auch später noch, dank seiner ausgezeichneten geographischen Lage an der Grenze von Pannonia inferior beziehungsweise Valeria, zur Verteidigung eines wichtigen Grenzabschnittes hervorragend geeignet. Angesichts des großen Mangels an Baustein im Umkreis von Dunapentele trugen die Bewohner der Umgebung im Laufe des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts für ihre Bauten die von den Römern mühsam auf Wagen herbeigeschafften Steine davon, so daß fast sämtliche römischen Bauten vernichtet wurden. Bald darnach begann hier auch ein Run der Antiquitätenhändler: „ihre Agenten plünderten die Gräberfelder und die Siedlung. Auf diese Weise wanderten viele Funde ins Ausland, kamen in den Besitz von Privatsammlern oder ohne jede fachgemäße Beobachtung ins Ungarische Nationalmuseum" (478). Erst um die Jahrhundertwende begannen systematische Grabungen, die wohl große Ergebnisse brachten, jedoch das Verlorengegangene nicht mehr ersetzen konnten. Natürlich hatte in den vorhergegangenen Raubzügen das Hauptinteresse den leicht beweglichen Gegenständen, unter ihnen vor allem den Münzen, gegolten, so daß sich im Gegensatz etwa zu Carnunturri der Geldverkehr von Intercisa nur mehr schwer und höchst lückenhaft rekonstruieren ließ. Maria R. A L F Ö L D I mußte daher in ihrer umfassenden Arbeit über Intercisa gleich einleitend feststellen, daß man über den Geldverkehr in Intercisa nur „ein annähernd genaues Bild" entwerfen könne. „Größere Münzfunde fehlen hier fast vollkommen, und das uns zur Verfügung stehende Streumaterial ist ebenfalls gering. Trotzdem sind auch 219

37. Rom, Traianus. Dupondius, mit Donaubrücke

38. Rom, Hadrianus. lDupondius ^ U ^ U U U i U d ,„DE , 1 SARMATIS"

diese wenigen Münzen für den Geldverkehr des Gebietes charakteristisch, und auf ihrer Grundlage wird uns eine Andeutung des lokalen Geldverkehrs wenigstens in breiten Umrissen möglich" (9, 10). Intercisa gehörte nicht zu jenen ersten, frühen Lagern, „deren Aufgabe es war, die sich vollziehende militärische Besetzung von Pannonien zu sichern". Der Niederlassung ging hier auch keine Siedlung der Eingeborenen voraus. Das erste Castrum, das Pfahllager, wurde erst zu Beginn des 2. Jahrhunderts errichtet, in der Zeit nach Traians zweitem dakischen Feldzuge. Daher setzte der normale Geldverkehr in diesem Gebiet erst unter Traian ein. Das römische Fundmaterial ist bis zur zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts sehr dürftig. Man kann daraus schließen, daß der Geldverkehr in diesem Gebiet, von größeren Erschütterungen unbehelligt, ein ruhiger und normaler war. Es bestand keine Notwendigkeit, sein bewegliches Hab und Gut, vor allem das Geld, vor feindlichen Einfällen in Sicherheit zu bringen. Bis zu den Markomannen-Sarmaten-Kriegen war das Leben hier verhältnismäßig ruhig und „auch der Geldverkehr normal und ausgeglichen". Aus den großen Donaukämpfen aber blieb kein einziger Fund erhalten. Auch Streumünzen dieser Epoche sind nicht vorhanden. Ein aus den Jahren 176—178 stammender Sesterz des Marc Aurel ist das erste Zeichen der Wiederkehr normaler Verhältnisse. Auch die Zeit vom Regierungsantritt des Septimius Severus im Jahre 193 bis Gordianus III. (238—244) ist für Pannonien wieder eine ruhige, durch Kriege wenig gestörte Periode. Der Geldverkehr zeigt, daß verschiedene und genügend zahlreiche Prägungen für den nötigen Geldumlauf sorgten. Nur in den Jahren 235—238, unter Maximinus Thrax, gibt es eine auffallende Lücke. Die Münzstätte des benachbarten Viminacium war berufen, dem um die Mitte des 3. Jahrhunderts immer drückender empfundenen Mangel an Großbronzen, also auch Sesterzen, einigermaßen abzuhelfen. Wie in der ganzen Provinz sind auch in Intercisa die bekannten Bronzestücke von Moesia superior mit dem Herrscherkopf auf der einen Seite sowie mit einer Frauengestalt zwischen Löwe und Stier auf der anderen Seite häufig. Unter der Regierung des Gallienus, in den Jahren 160—168, gibt es dann abermals eine große Lücke. Inzwischen lockert sich jedoch die Spannung. Die ungestörte Tätigkeit der Münzstätte Siscia seit ihrer Errichtung im Jahre 262 zeigt deutlich die fortschreitende Besserung der Lage in der Provinz. Die Zeit der Tetrarchie ist in Intercisa wieder spärlich vertreten. Erst aus der Zeit nach den zwanziger Jahren des 4. Jahrhunderts wurden wieder größere Mengen von Münzen gefunden. Seit 320 nimmt der Geldumlauf nicht nur hier, sondern in der ganzen Provinz bedeutend zu. „Das ist jedoch nicht nur ein Anzeichen einer beginnenden Geld220

39. Rom, Iulia Mamaea. Dupondius

entwertung, sondern spricht gleichzeitig für die anwachsende Bedeutung der Provinz Pannonien im 4. Jahrhundert. Ebenso charakteristisch für diese Epoche ist eine gewisse Regulierung in der Verteilung des Kleingeldes: mit fortschreitenden Zeiten versieht Siscia die Provinz Pannonien in immer größerem Maße mit dem nötigen Kleingeld" (478). Der geordnete Geldverkehr endet mit dem großen Einbruch der Quaden und Sarmaten (um das Jahr 374/75) auch in Intercisa. Die dem Tode Valentinians I. folgenden Münzen fehlen hier ebenso wie in den anderen Teilen der Provinz. Im Fundmaterial des nun folgenden Zeitraumes kommen nur mehr sehr wenige Münzen vor. Unter den Prägungen der römischen Kaiser gibt es auch solche östlicher Provenienz, vor allem fällt eine größere Anzahl von Kleinbronzen aus Nikaia auf, die sämtlich aus der Zeit des Severus Alexander (von 222 bis 235) stammen. Nikaia war ein Durchgangslager der im Osten angeworbenen Soldaten; durch sie sind diese und andere östliche Prägungen hierher an die Donau gelangt. Sie waren jedoch kein Verkehrsgeld, sondern wurden „vermutlich von Reisenden aus dem Osten stückweise als Andenken und als Kuriosum hierhergebracht" (478). Den zeitlichen Abschluß der Fundmünzen von Dunapentele-Intercisa bildet ein Bronzestück der Ostgoten, das vielleicht — die Münze ist stark abgenutzt — der Mataswintha angehört und in diesem Falle aus den dreißiger Jahren des 6. Jahrhunderts stammen würde. Die Fundumstände sind unbekannt; jedenfalls aber bedeutet das Auftauchen dieser Prägung für Intercisa kein Problem, da die damaligen Bewohner Transdanubiens, die Langobarden und noch mehr die Gepiden, mit ihren Verwandten in Italien, den Ostgoten, in ständiger Verbindung standen. Neben Intercisa ist auch Brigetio (Ö-Szöny gegenüber Komorn) am rechten Donauufer, gegenüber der Einmündung der Waag, zu nennen. Da dieser Punkt im Verlauf des pannonischen Limes eine ebenso wichtige wie exponierte Stelle einnimmt, wurde zugleich mit Vindobona und Aquincum aus einem Kastell ein Legionslager errichtet. Die Nordgrenze der beiden Pannonien bis zum Donauknie sollte durch diese Lager geschützt werden. Aber in den Jahren 170/71 wurden sie von den Markomannen, Quaden, Naristen und Jazygen ebenso überrannt wie Intercisa. Bis nach Italien sind diese Völker damals gelangt, wo sie Aquileia belagerten, Oderzo in Asche legten und Verona bedrohten. In Brigetio sind insbesondere zwei Goldfunde von größerem Interesse. Der eine, 1946 gehoben, enthielt neben Goldschmuck insgesamt 7 Prägungen von Carinus, Diocletian und Maximianus Herculius aus den Münzstätten Siscia und Rom. Von großer Bedeutung ist aber der Ort der Auffindung, nämlich das Offiziershaus neben dem Praetorium. Dies zeigt deutlich, daß, wie schon P I N K in seiner Arbeit über den Geldverkehr in Carnuntum bemerkt hat, die Offiziersgehälter der Grenztruppen meist in Gold ausbezahlt wurden. 221

Ein ganz anderes Bild zeigt der Fund von 1959, mit 118 Aurei aus der Zeit von Nero bis Julian. Die Fundstelle lag südlich des Legionslagers in einem weder damals noch später bewohnten Gelände. Hier wollte wahrscheinlich ein Händler sein Vermögen vor den anstürmenden Barbaren in Sicherheit bringen, hat aber deren Einfall nicht überlebt. Zwischen der Vergrabungszeit der beiden Funde (193 bzw. 282/289) liegt rund ein Jahrhundert. Beide Male hat Brigetio den Ansturm überdauert, obwohl es im zweiten, im Jahre 293, von den Quaden zerstört worden war. Doch bereits in den unmittelbar darauffolgenden Jahren gibt es hier wieder einen ungestörten Geldverkehr, über den eine zusammenfassende Darstellung bis nun leider zu fehlen scheint, obwohl außer den beiden eben erwähnten auch noch andere Funde aus Brigetio publiziert wurden. Das dritte Legionslager an der Nordgrenze Pannoniens war Aquincum (Altofen). Leider lassen uns hier die Fundberichte ziemlich im Stich. Vor allem fehlt auch hier eine zusammenfassende Übersicht. Man wird aber trotzdem annehmen dürfen, daß sich der Geldverkehr kaum wesentlich von dem in Intercisa unterschieden hat. Bemerkenswert sind dagegen die jahrelangen umfangreichen Ausgrabungsarbeiten, die zur Freilegung des Gebietes der in Zweiten Weltkriege schwer mitgenommenen Burg von Buda (Ofen) geführt haben. Bis zum Jahre 1956 waren hier fast 3000 Münzen gefunden worden, darunter 32 antike. Deren Vorkommen auf diesem Boden überrascht, zumal sie zum größten Teil in Begleitung von Münzen des 15. Jahrhunderts auftraten; „wenn sie aber gegebenenfalls sporadisch allein zutage gefördert werden, so rühren sie auch dann aus Fundstellen oder Schichten her, an denen in ihrer unmittelbaren Nähe doch auch wieder mittelalterliche Münzen vorkommen. Folglich stellen sie auf keinen Fall Beweise für in antiken Schichten unmittelbar uns überlieferte Denkmäler der antiken Welt dar, sondern dürften wohl im Laufe des 15. Jahrhunderts an ihre gegenwärtige Fundstelle geraten sein. In der Umgebung der Burg gab es zweifellos schon zu jener Zeit gute Fundorte (Aquincum usw.), und die antiken Münzen, die auf verschiedenen Wegen in die Burg gelangt waren, dürften sich da und dort mit den übrigen mittelalterlichen Geldstücken vermengt haben. Möglicherweise bildeten sie auch schon damals Gegenstand unmittelbaren Interesses, war doch die Aufmerksamkeit der Renaissance und Protorenaissance im allgemeinen auf die Denkmäler der antiken Kultur gerichtet. Auch weisen einige Daten darauf hin, daß sich Ansätze von Münzsammeltätigkeit bereits zu jener Zeit feststellen lassen" (458). Mit den drei angeführten pannonischen Legionslagern ist natürlich der Geldverkehr in dieser Provinz keineswegs erschöpft; zahlreiche Münzfunde aus dem „Hinterland" erwiesen dies. Hier aber konnten begreiflicherweise nur jene Orte kurz beleuchtet werden, deren Bedeutung auch für den Münzumlauf der übrigen Teile Pannoniens normative Ergebnisse versprach. Zum Ende des römischen Geldumlaufes in Pannonien wäre vor allem zu sagen, daß systematische Ausgrabungen bis etwa 1920 leider nur an sehr wenigen Orten vorgenommen wurden und daß selbst die nicht immer sorgfaltig waren. Trotzdem bietet sich genügend Material zur Skizzierung des Rahmens. Die letzte Periode einer friedlichen Existenz dieser Provinz zeigen die Münzen aus den Jahren 364—378. Es ist aber auch sicher, daß die Münzen von Valentinianus I., Valens und Gratianus noch lange von der romanisierten Bevölkerung benützt wurden; denn neu geprägte Münzen wurden in der Provinz immer seltener. Im Jahre 378 fällt dann Kaiser Valens im Kampf gegen die Goten; damit ist für die römische Welt das Schicksal unserer Provinz von einem dichten Schleier umhüllt. Nur ganz zufällig und sehr selten fallen bei den Schriftstellern einige Worte darüber, aus denen man den Gang der Ereig222

nisse aber nicht verfolgen kann. Die einzige greifbare, zeitlich fixierbare Lebensäußerung der Römer bietet das numismatische Material. Aus ihm geht hervor, daß Verwaltungsorganismus und Heer im Jahre 380 nicht plötzlich aus der Provinz verschwanden; ja es gelang sogar während der Regierung des Theodosius, noch den Schein der alten Ordnung aufrechtzuerhalten; erst nach seinem Tode im Jahre 395 wird die Lebensfunktion der Provinz durch die Kriegszüge der unsteten Barbarenvölker vollständig gelähmt. Der Handel und die freien Bewegungsmöglichkeiten, über deren Intensität die Münzen Zeugnis ablegen, kommen zum Stillstand. Die zurückgebliebenen Bewohner der Städte schließen sich in ihre Mauern ein und erwarten hier eine bessere Zukunft; statt dessen aber beginnt der Prozeß des langsamen endgültigen Unterganges (6). Schon im Jahre 388 nahm der Umsatz bedeutend ab, da ein Jahr vorher die Münzstätte Siscia geschlossen worden war, wodurch Pannonien seinen bedeutendsten Geldlieferanten verlor. Die in Sirmium geprägten und im Räume zwischen Drau und Save umlaufenden Münzen der Gepiden lieferten nur einen unzureichenden Ersatz. Zur Zeit Justinians I. (527—565) gelangten auch Kupfermünzen byzantinischer Münzstätten nach Pannonien, deren Eindringen indessen nicht als bloßer Zufall zu werten ist, sondern eine systematische Aufnahme der Handelsbeziehungen zwischen dem neuerstarkten oströmischen Reiche und den noch teilweise romanisierten Völkern Syrmiens sowie den Barbarenstämmen jenseits der Donau darstellt. 5. Dakien Die Grenzen dieser römischen Provinz umfaßten alles Land zwischen der Theiß, den Karpaten, dem Pruth (Hierasus) und der Donau, also das alte Ungarn östlich der Theiß, Siebenbürgen, Bukowina, die Moldau westlich des Pruth und die Walachei, was im großen ganzen dem Gebiet der heutigen Volksrepublik Rumänien entspricht. In den Donauländern hat Burebista ein großes Goten- und Dakerreich aufgerichtet, „das sich seit 60 v. Chr. durch die Vertreibung der keltischen nun am Plattensee wohnenden Boier westwärts nach Pannonien hin ausweitete und die Poebene bedrohte" (572/11). Die Feldzüge Octavians in den Jahren 35—33 gegen die Japuden, Pannonier und Dalmater dienten nicht nur dem Ausbau der illyrischen Grenzstellung, sondern „bedeuteten auch eine Wiederaufnahme der letzten Pläne Caesars gegen die Daker. Bezeichnend ist, daß gleich nach der Niederwerfung der Japuden ostwärts zur Save und diese abwärts und südwärts bis zum Drin und zur Donau vorgestoßen wurde, an deren Gegenufer damals die Daker saßen. Dabei wurde Siscia (Sissek), die südliche Schlüsselstellung Pannoniens, an der Vereinigung der schiffbaren Kulpa mit der Save gelegen, nach dreißigtägiger Belagerung erobert und als Hauptetappenplatz gegen die Daker eingerichtet (572/11). Deren König Burebista war um 40 ermordet worden, und das Dakerreich zerfiel darauf in vier, später fünf Teilherrschaften. Die schwierige Aufgabe, einen genügenden Grenzschutz an der unteren Donau im Vorgelände der Balkanhalbinsel aufzubauen, galt vor allem dem Kampf gegen Geten und Daker. Diese überquerten im Winter 11 /10v. Chr. die vereiste Donau, wurden aber abgewiesen und im Jahre 9 nach Überschreitung des Flusses von den Römern in einem konzentrischen Angriff von Moesien und Pannonien aus im eigenen Lande besiegt. Nach Abdämmung der Westgermanen führte die Unruhe unter den nachrückenden Ostgermanen zu einer Verlagerung der Hauptgefahrenzone für das römische Reich vom Rhein an den Mittel- und Unterlauf der Donau. Dieser Raum wurde seit der zweiten Hälfte der Regierung Domitians „der eigentliche Tummelplatz der römischen Nord223

politik. Sie erreichte ihren Höhepunkt unter Traian, der hier die römische Macht zu großem Ansehen brachte und durch seine Kämpfe gegen Daker und Parther ein wiedererstandener Imperator Caesar wurde, der letzte Soldat und Mann der Tat, der nach einer langen ausgezeichneten Militärlaufbahn den Traum von Alexanders Taten noch einmal geträumt hat" (572/11). Den Dakern aber war „nach einem großen nationalen Aufstieg in Dekebalus ein neuer Burebista" erstanden. Domitian hatte nach einer schweren Niederlage seines über die Donau entsandten Heeres mit ihm einen Frieden geschlossen, der jedoch, wie Traian sogleich erkannte, nur eine Notlösung gewesen war. Durch eine Offensive im äußersten Osten griff er den Feind an, wodurch auch das Schwarze Meer völlig unter die Herrschaft der Römer gelangte. Neben der Machterweiterung, die gleichzeitig eine Grenzsicherung sein sollte, lockte auch die Tatsache, „daß Dakien ein reiches Goldland war, und zwar seit Jahrtausenden, das vielleicht schon dem ,goldreichen' Mykenä das kostbare Material geliefert hatte" (572/11). Um den Krieg zu rechtfertigen, warf man Dekebalus unentwegt Vertragsbruch vor. Nach Fertigstellung der großen Kunststraße durch die Donauenge bei Orsova begann der Feldzug, der in zwei für Rom sehr verlustreichen Kriegen (101/102 und 105/106) durchgeführt wurde. „Schon der erste Friedensschluß brachte neben der Schleifung der festen Hauptstadt Sarmizigetusa den Gewinn der südwestlichen und südlichen Außenländer an der Donau (Banat und kleine Walachei). Beide wurden verwaltungsmäßig an Obermösien angegliedert, während das Kernland (Siebenbürgen) noch bei Dekebalus verblieb, allerdings ebenfalls mit Besatzungen belegt wurde. Nach Erbauung der Donaubrücke bei Drobeta (Turnu-Severin) wurde dann im zweiten Krieg, mit dem Dekebalus die Römer überraschte, von Drobeta aus Sarmizigetusa erobert und der König auf der Flucht ins Bastarnerland (Ostkarpaten) im Jahre 107 zum Selbstmord getrieben" (572/11). Seine Schätze fielen in die Hände des Siegers. Der nicht sehr kritische Grieche Johannes Laurentius L y d o s (um 490—570) berichtet — wohl übertrieben—, Traian habe aus dem dakischen Kriege 5 Millionen Pfund Goldes, doppelt soviel Silber und 500.000 Kriegsgefangene erbeutet. Jedenfalls war die Beute groß genug, um aus ihren Mitteln das Traianische Forum und auf diesem die Traianssäule errichten zu lassen, die nach Mommsen ein „Zeugnis der verwüsteten Geschichtsüberlieferung der römischen Kaiserzeit darstellt, wie wir kein zweites besitzen — ein gemeißeltes Bilderbuch der dakischen Kriege, zu welchem uns fast überall der Text fehlt" (760). Dieser Sieg und die Niederwerfung des durch seine Edelmetallschätze für die römische Expansions- und gleichzeitig Grenzsicherungspolitik nahezu unentbehrlichen Dakerlandes haben auf den Münzen Traians einen ungewöhnlich kräftigen Niederschlag gefunden, und zwar sowohl auf den Aurei und Denaren wie auch auf den Sesterzen, Dupondien und Assen. Auch Hadrian hat sich auf den Münzen noch Dacicus Parthicus genannt und daneben auch seinen Onkel und Adoptivvater Traian auf einigen Stücken sogar mit dargestellt. Alle diese Münzen entstammen der Münzstätte Rom, denn es gibt kein Anzeichen, daß es zur Zeit dieser beiden Kaiser eine Münzstätte in einer der Städte gegeben habe, die als Basis für die dakischen und parthischen Feldzüge dienten. Traian mag die Münzstätte Rom, unterstützt durch die von Caesarea und Antiochia, als ausreichend für die Ausprägung des Truppensolds angesehen haben. Der Name „Dada" kommt auf diesen Münzen in verschiedenen Versionen vor, deren wichtigste wohl DACIA CAPTA oder DACIA.AVGVST.PROVINCIA sind. Jedenfalls galt die mit schweren Opfern erreichte Eroberung dieses Landes als bedeutendstes militärisches Unternehmen des großen Imperators und bot auch den Anlaß zu einer so intensiven Ehrung auf seinen Münzen. 224

40. Rom, Hadrianus. As „ D A C I A "

Dakien wurde nunmehr im größten Stile systematisch kolonisiert, in einer Weise, wie das von Rom aus bis jetzt noch nirgends geschehen war. Nach Ausrottung der Eingeborenen weithin durch das Land, abgesehen von einigen Reservaten im Osten und Norden, wurden die in staatliche Regie übernommenen Goldbergwerke durch des Bergbaus kundige Dalmatiner, etwa die Pirusten, betrieben, die man aus ihrer damals stark übervölkerten Heimat nach Dakien verpflanzte. Die Balkanländer aber hatten erst durch die Eroberung den vollen römischen Schutz erhalten. Das alte Sarmizigetusa blieb wohl auch weiterhin Hauptstadt der jungen römischen Provinz, aber die im Lande zurückgelassene Legio XIII Gemina baute sich ihr Lager nicht hier, sondern auf dem Festungshügel zu Apulum (Alba Julia, Weißenburg, Karlsburg, jetzt abermals Alba Julia). Die eigentliche Grenzverteidigung aber wurde trotz der Errichtung einer neuen römischen Provinz nicht in dem Maße vorgeschoben, als man erwarten möchte. Dakien wurde „im Ganzen als eine exzentrische Position behandelt, die nur nach Süden hin an der Donau selbst unmittelbar mit dem römischen Gebiet zusammenhing, nach den andern drei Seiten hin in das barbarische Land hineinragte. Auf alle Fälle blieb hier viel mehr noch als in Germanien der Rhein die Donau die Grenze der Zivilisation und der eigentliche Stützpunkt der Grenzverteidigung" (760). Dies dürfte auch die Ursache sein, daß Dakien trotz seines Metallreichtums unter den Römern nie eine eigene Münzstätte besaß, sondern von Offizinen jenseits der Donau mit dem nötigen Geld beliefert wurde. Hadrian hatte zuerst daran gedacht, diese vorgeschobene Provinz aufzugeben, deren Einverleibung ins Imperium er offenbar als strategischen Fehler betrachtete. Aber dann überwog „die Rücksicht auf die schon zu weit vorgeschrittene römische Kolonisation, den Goldreichtum der dakischen Berge, endlich seine militärisch so bedeutsame Vorpostenstellung zwischen den eben erst wieder in Bewegung geratenen Sarmatenvölkern im Osten und Westen Dakiens" (572/11). Der große Markomannenkrieg ergriff auch Dakien. Die sarmatischen Jazygen warfen sich auf das Land, wo die Goldbergwerke seit 167 verlassen werden mußten. Nach einigen Jahrzehnten verhältnismäßiger Ruhe wurde die Provinz von den Karpen in den Jahren 245—277 so schwer geschädigt, daß der normale Geldverkehr des Landes sehr stark gestört wurde. Kaiser Philippus Arabs mußte im Herbst 246 selbst gegen diesen damals gefährlichsten Feind zu Felde ziehen. Mit diesen Kämpfen und auch mit „den kühnen Wikingerfahrten der Boraner, Goten und Heruler", die Kleinasien und die Balkanhalbinsel bis tief hinunter nach Griechenland schwer brandschatzten, hängt wohl die Verlegung der Reichsmünzstätte Viminacium nach Köln in den Jahren 253—257 zusam225

men, während die von Siscia ungestört weiterarbeitete. Das nunmehr ganz exponierte Dakien aber wurde „seit 256 abermals von den Karpen überrannt und (ging) faktisch schon damals dem Reiche verloren" (572/11). Kaiser Aurelian hat dann die Räumung der Provinz Dakien endgültig und planmäßig vollzogen. „Die römischen Bewohner wurden auf dem diesseitigen Donauufer in einer zweigeteilten Kleinprovinz an der Grenze von Ober- und Niedermösien unter dem Namen Dakien (Dacia ripensis an der Donau und Dacia mediterranea im Binnenland mit Serdica [Sofia] als Hauptstadt) angesiedelt. Die Rettungsaktion für Dakien, die seit Decius auf den Münzen mit ,Dacia Felix' zutage trat, war endgültig gescheitert. Dakien war das Opfer der Rebellionen der Gallier im Westen und der Palmyrener im Osten" (572/11). Etwa ein Jahrhundert später (um 376) suchten dann die Westgoten unter Athanarich jenseits der Karpaten und der Transsylvanischen Alpen im alten Dakien Schutz. Wie seine Geschichte bildet auch der Münzumlauf in diesem Lande ein recht buntes Bild. Daß die geprägte Münze frühzeitig Eingang in Dakien gefunden hatte, erklärt sich leicht durch seine Handelsbeziehungen zu den griechischen Staaten einerseits und durch seinen Edelmetallreichtum andererseits. Schon sehr früh muß das eigentümliche siebenbürgische Gold, das auf 4/5 je 1/5 Silber enthält, an den Küsten der Mittelmeerländer weit verbreitet gewesen sein, denn das dort so oft gefundene silberhaltige Gold, welches wegen seiner bernsteinartigen Farbe Elektron genannt wurde, zeigt ganz dieselbe Mischung. Für dieses Gold lieferten der Süden, namentlich aber die in Oberitalien selbst unter der gallischen Bevölkerung fortarbeitenden etruskischen Fabriken Bronzegegenstände aus einer Metallzusammensetzung, welche auf 90% Kupfer 10% Zinn enthält (323). Mit dem 4. Jahrhundert v. Chr. gewinnen dann die vom Balkan her nach Norden dringenden ethnischen und kulturellen Strömungen das Übergewicht. Dies zeigt sich am deutlichsten in den Funden griechischer Münzen, die hauptsächlich an den südwärts führenden Grenzpässen der Karpaten, z. B. am Bodzapaß und am Ojtozpaß, zu Hunderten ans Tageslicht gelangt sind und immer wieder in diesen Gegenden gefunden werden. Um das Jahr 1540 hat ein Fischer nicht weniger als 40.000 Stück der bekannten Goldstatere des thrakischen Königs Lysimachos, einst Feldherr Alexanders des Großen, mit dem vergöttlichten Kopf und der thronenden Athene Nikephoros aus der Strell herausgefischt. Sie sollen zum größten Teile in den Besitz des Großwardeiner Bischofs Georg Martinuzzi gekommen sein, der sich als politischer Berater des ungarischen Gegenkönigs Johann Zäpolyai betätigte. Wenn die überlieferte Zahl wohl auch reichlich übertrieben sein mag, so hinterließ der 1551 ermordete Kardinal in seinem Testament immerhin noch tausend Stück dieser schönen Münze. Eine gewisse Zahl dieser Fundmünzen aber dürfte nicht dem Handelsverkehr entstammen, sondern die Beute zahlreicher Feindeinfälle sein, die im 3. und 2. Jahrhundert vom Grenzgebirge her durchgeführt wurden. Aber nicht nur hier am Karpatenwall fanden sich griechische Münzen in größeren Mengen, auch im Zentrum des siebenbürgischen Erzgebirges zwischen Zalatna und Vöröspatak und ebenso in der Gegend von Deva. Dort waren es z. B. Tetradrachmen der Insel Thasos; ob es Originale waren oder keltische Nachprägungen, steht dahin. Daß sich nach und nach auch Gepräge der römischen Republik dazugesellten, beleuchtet die mit der Zeit eingetretenen kommerziellen und politischen Veränderungen. Im Jahr 1873 wurde unter anderem in Cserbel bei den Hunyader Eisenwerken ein Bronzegefäß gefunden, das neben schlangenhäuptigen Armreifen und Ohrgehängen auch römische Münzen aus der Zeit von 500 bis 171 v. Chr. enthielt. Aus dieser Römerzeit (eine neue Publikation nennt sie „La Dacie esclavagiste romaine" zur Unterscheidung vom 226

BSP! 41. Thrakien, Kg. Lysimachos. Goldstater

„L'État esclavagiste dace") sind zahlreiche Funde bekannt; leider fehlt, soweit mir bekannt ist, noch eine zusammenfassende Übersicht, die entsprechende Rückschlüsse ermöglichen würde. Überhaupt hat man sich in Siebenbürgen zur Zeit der Monarchie bekanntlich mit der Münzkunde auffallend wenig beschäftigt; bloß die Archäologen haben ihr pflichtgemäß Aufmerksamkeit gewidmet. Dagegen strebt die jetzige Volksrepublik Rumänien das Versäumte tunlichst nachzuholen. Da die Römer in Dakien trotz des Edelmetallüberflusses keine eigene Münzstätte einrichteten, mußten die Garnisonen, die Beamten und Kolonisten gleichwie in Noricum und eine Zeitlang auch in Pannonien von auswärtigen Münzstätten mit Geld versorgt werden. Das Hauptkontingent wird wohl Rom dazu beigetragen haben, da die große Vermehrung der Münzstätten erst zu einem Zeitpunkt stattfand, als die Provinz unter Aurelian aufgegeben werden mußte, der 275 zu Byzanz ermordet wurde. So wurden die nächstgelegenen Münzhäuser Siscia 262, Serdica 271 und Viminacium 251 gegründet; Sirmium, von dem man vermuten würde, daß es Dacia beliefert hätte, entstand überhaupt erst nach Aufgabe der Provinz im Jahre 324. Im übrigen hat schon MOMMSEN festgestellt: „nirgends vielleicht ist so wie hier die Münze der angrenzenden Kulturländer zusammengeströmt, die Goldstatere des Königs Lysimachos von Thrakien und die römisch-thrakischen des Koson und Brutus, welche beiden Sorten sich vorzugsweise um Sarmizigetusa finden, sowie die von Thasos und Maroneia, das Silbergeld von Apollonia und Dyrrhachion, die Denare des römischen Freistaats — es scheint zum Eintausch des dakischen Geldes viel Silbermünze hier eingeführt, auch wohl das ungemünzt ausgeführte Gold gemünzt zurückgekommen zu sein. Auch ägyptisches und korkyräisches Kupfergeld hat sich hier gefunden. Die eigene Prägung (der Daker, nicht der Römer) dagegen scheint nichts hervorgebracht zu haben als aufschriftlose, den Silbertetradrachmen des Lysimachos nachgemünzte Goldstücke und ebenfalls aufschriftlose silberne Großstücke nach Art der makedonischen und nordgriechischen Tetradrachmen, in der Regel mit dem Kopf und dem Reiter; der spätesten Zeit, kurz vor oder nach dem Aufgeben der Provinz unter Aurelian, gehören einzelne den römischen nachgemünzte Goldstücke mit lateinischer Aufschrift an" (760). In nachrömischer Zeit tauchen in den Funden vereinzelt auch Prägungen aus Thessalonica, Siscia, Alexandria usw. auf. Der Handelsverkehr mit Rom hatte sich demnach auch nach dem Aufhören der römischen Herrschaft weiter erhalten, freilich — soweit die Münzfunde aufgearbeitet sind — anscheinend nur in geringem Umfange. Denn Münzen aus dem 4. Jahrhundert kommen nur mehr ganz sporadisch vor. Die jüngste dürfte ein Quinar Valentinians I. aus einer nicht angeführten Münzstätte sein. 227

D. Völkerwanderung Das allgemeine Chaos, das dem Untergang der Römerherrschaft im mitteleuropäischen Räume folgte, hat auch im Münzwesen tiefe Spuren hinterlassen. „Außerhalb des römischen Limes, in den Steppen- und Waldzonen benachbarter primitiver Gebiete wuchsen und reiften langsam neue Kräfte, die sich am Euphrat, an Donau und Rhein, also an den Rändern des Imperiums, mit diesem berührten und gegen seinen Ausdehnungswillen behaupteten, um schließlich zum Angriff überzugehen und erobernd in die mediterrane Welt einzudringen. Aus Nordeuropa südwärts wandernd, bedrängen germanische Stämme das oströmische wie das weströmische Reich und bemächtigen sich vorübergehend oder dauernd großer Teile des Reichsbodens. Aus den Steppen Hochasiens ergießen sich Wellen von Hirtenkriegern, die zwar nur selten bis ins Herz Europas stoßen, wie etwa der Hunnensturm, aber mittelbar wirksam werden, indem sie die germanische Völkerwanderung beschleunigen und die slawische auslösen. Endlich quellen aus dem Steppengebiete Arabiens die Beduinen, durch einen großen Religions- und Staatsstifter zusammengefaßt, hervor und überfluten die byzantinischen und persischen Gebiete Vorderasiens und ganz Nordafrikas bis an die Säulen des Herkules, ja darüber hinaus. Dieses Drama gewaltiger Völkerbewegungen war kein einmaliger Vorgang, sondern hatte viele Akte. Es ist ein steter Wechsel von Angriff und Abwehr, von Vorstoß und Rückschlag, alles in allem aber ein Vorgang der Zerstörung, der Auflösung in kleine und ephemere Gebilde. Erst gegen Ende des sogenannten Frühmittelalters bricht aus dem brodelnden Chaos dieser Jahrhunderte der Wandlung und des Übergangs, die nicht mehr echte Antike und noch nicht volles Mittelalter sind, der alte Wille der Menschheit zur Einheit wieder siegreich hervor" (1116). Diese eben erwähnte Auflösung in kleine und ephemere Gebiete macht es für die Numismatik unendlich schwer, ein zusammenhängendes Bild zu gestalten, um so weniger, als die wissenschaftliche Behandlung dieser Gebiete insbesondere für die Münz- und Geldgeschichte noch viele Probleme bisher ungelöst belassen hat, teils aus Mangel an Material, teils weil sich dafür noch kein Bearbeiter gefunden hat. So wird es auch uns hier nur möglich sein, kleine Teilgebiete zu erfassen, über die halbwegs gesicherte Untersuchungen vorliegen. Geographisch gesehen handelt es sich hier wieder um die drei großen Räume Österreich, Böhmen und Ungarn. Nur wird man sie nicht wie in den früheren Abschnitten jeden für sich gesondert betrachten können, sondern nur im Rahmen des Gesamtraumes, denn der Zug fast aller Völker, welche die alte Monarchie durchwanderten, strebte im Grunde einem außerhalb ihrer Grenzen gelegenen Ziele zu, nämlich Italien. Das gilt für die Ost- und Westgoten ebenso wie für die Langobarden. Sie alle hatten einmal unseren Raum entweder durchwandert oder sind in ihm für eine Zeitlang seßhaft geworden. Während nämlich die Ostgoten um das Jahr 526, das Todesjahr Theoderichs des Großen, ein Reich besaßen, das fast ganz Italien und dazu die alten römischen Provinzen Noricum und Pannonien umfaßte, hatten die Westgoten in Spanien und die Langobarden im Bereich der mittleren Donau, nördlich von Pannonien, ihr erstes Reich gegründet. Östlich der Ostgoten, etwa im ehemaligen Dacien, saßen die Gepiden. Sie und auch die Ostgoten wurden 568 von den Langobarden vernichtet, die in Italien ein zweites Reich errichteten, wo sie vor allem in der Poebene siedelten. Auch die Herzogtümer Trient und Friaul gehörten ihnen. Die Ostgoten aber erlagen 553 am Möns Lactarius (Monte Lattario bei Neapel) der Übermacht des byzantinischen Feldherrn Narses. Auf altösterreichischem Boden vermochte in den Stürmen der Völkerwanderung 228

kein einziges Volk eine dauernde Herrschaft zu begründen. „ Alle zogen entweder in südliche Gegenden oder wurden unterworfen." Mit dem Tode des hl. Severin im Jahre 482 war in den Donaulanden „die letzte Stütze des sinkenden Römertums" zusammengebrochen. Der neue germanische Beherrscher Italiens, der Skire Odoaker, machte zwar dem Reiche der Ruger auf dem linken Donauufer um 487/88 ein Ende, hatte aber dann den Abzug der Römer aus der aufgegebenen Provinz Noricum angeordnet. Westlich der Enns gelang es nunmehr den Bajuwaren (Bayern), das herrenlose Land zwischen Inn und Enns dauernd zu besetzen. Im Norden und Osten des österreichischen Raumes waren ungefähr um die Zeit der Räumung Noricums die Langobarden aufgetreten. Sie weiteten gegen Mitte des 6. Jahrhunderts ihr Siedlungsgebiet in die pannonischen Ebenen aus, wo sie im östlichen Karpatenraum in Konflikt mit den Gepiden gerieten. Nach schweren Kämpfen siegten die „Langbärte", nachdem sie sich vorher noch durch den Abschluß eines Bündnisses mit dem mongolischen Hirtenvolk der Awaren gegen diese abgesichert hatten. Bald nachher zogen die Langobarden nach Italien ab (569/9). Erst von diesem Zeitpunkte an gewinnen die Völkersiedlungen auf österreichischem Boden eine gewisse Stetigkeit. Das Hin- und Herwogen der Völker, die einen neuen Siedlungsraum suchten und einander dessentwegen bekämpften, hatte begreiflicherweise im Wirtschaftsleben einen schweren Rückschlag zur Folge. Man lebte gewissermaßen von der Hand in den Mund, von Kriegsbeute, Raub und Plünderung. Von einem Münzwesen, geschweige von einem geordneten, konnte kaum die Rede sein; wozu Geld, wenn man sich einfach nehmen konnte, was man wollte ? Trotzdem finden sich — vereinzelt — Funde von geldgeschichtlich ziemlicher Bedeutung. Wenn auch die Ostgoten auf ihren Wanderungen die altösterreichischen Gebiete nicht berührten, haben sie doch dort numismatische Spuren hinterlassen. Im Oktober 1938 wurde in St. Lorenzen (Sebatum) im Pustertale, das jetzt auf italienischem Boden liegt, ein Goldschatz gehoben, der 11 Solidi und 11 Trienten (Tremisses) aus der Zeit Odoakers, Theoderichs und Athalarichs, also aus den Jahren 476 bis 534, umfaßte. Sechzehn Stück davon stammten aus der gotisch-italischen Münzstätte Ravenna, wo der große Theoderich seine Residenz hatte und heute noch sein Grabmal steht. Auch die Langobarden haben nicht auf österreichischem Boden geprägt, obwohl sie ziemliche Teile davon besetzt hielten, was vor allem das berühmte Fürstengrab von Civezzano in der Nähe von Trient bezeugt, das ebensowenig wie das dazugehörige Reihengräberfeld Münzen aufwies. Das langobardische Reich in Oberitalien reichte bis zum Nordausgang der Eisackklause, umfaßte Kärnten und Krain und begründete eine dauernde politische Organisation, die das Geschick der Alpenländer entscheidend beeinflußte. Die Langobarden haben gleich den Ostgoten nur sehr zögernd ein eigenes Münzsystem und einen eigenen Münztypus entwickelt. Die Münzen der Ostgoten unterscheiden sich anfänglich nur durch die Angabe der Münzstätte (Rom, Mailand, Bologna, Ravenna) von jenen der letzten weströmischen Kaiser. Später erscheint dann auf ihnen das königliche Monogramm; auf einigen Geprägen findet sich auch der Herrschername. Als wenige Jahre nach dem Untergang der Ostgoten die Langobarden Italien eroberten, begannen sie ebenfalls mit der Nachahmung des gleichzeitigen byzantinischen Geldes, wobei sie sehr willkürlich verfuhren. Langsam prägten sie dann auch unter eigenen Bildern. Gleich den Ostgoten bildete auch bei ihnen Gold das bevorzugte Metall. Den Reichtum dieser langobardischen Goldprägung, namentlich unter dem letzten König Desiderius, zeigt am besten der 1904 bei Illanz an der Straße über den Lukmanier zwischen Chur und Disentis im schweizerischen Kanton Graubünden entdeckte Schatzfund. 229

Solche Imitationen des byzantinischen Prototyps enthielt auch der zwischen 570/71 und 584/85 vergrabene und 1924 gehobene kleine Goldmünzenfund innerhalb der Reste des spätantiken Kastells auf dem Hoischhügel bei Maglern im Kärntner Kanaltale, welches die direkte Verbindung zwischen Villach und Venedig, in alter Zeit zwischen Virunum am Zollfelde und Aquileia darstellt. In dem Funde gab es sowohl originale wie nachgeahmte Goldsolidi Justinians I. aus der Münzstätte des byzantinischen Exarchats Ravenna. Als die Langobarden im Jahre 568 in Italien einzogen, kursierten diese Typen der großen, italisch-oströmischen Goldmünzen und blieben auch noch weiterhin unter der langobardischen Herrschaft im Umlauf, da die langobardischen Nachahmungen dieser Solidi, nach ihrem seltenen Fundvorkommen zu schließen, nicht zahlreich genug waren. Die Auffindung dieses Schatzes gerade im alten Meclaria (Maglern) zeigt, daß es sich hier offenbar um die Reste einer langobardischen Kriegskasse handelt, die den Sold für die Besatzung einer zum Schutz des Drautales angelegten Befestigung enthielt. Aus dieser ersten Periode der Völkerwanderung, die mit dem Abzug der Langobarden nach Italien endet, ist — wenn wir von der rugischen Münzstätte in der Königsburg auf der Anhöhe „Altenburg" ob Stein an der Donau zur Zeit des Bestandes von Ufernorikum absehen — nur noch eine einzige Münzstätte der Völkerwanderungszeit im Räume der alten Donaumonarchie bekannt: nämlich das alte Sirmium in der Provinz Pannonia inferior, dem späteren Slawonien. Hier haben zuerst die Ostgoten, nach ihnen dann die Gepiden gemünzt. Beide Völker haben sogar den Ortsnamen auf ihre hier geprägten Münzen gesetzt. Die Ostgoten dürften in Sirmium nach der Rückeroberung der von den Gepiden besetzten Stadt im Jahre 504 mit der Münzung begonnen haben, „da die Einrichtung der gotischen Provinz Pannonia sirmiensis die Grundlage war, auf der sich ein neuer Wirtschafts- und Handelsverkehr aufbauen ließ. Aber es ist nicht ausgeschlossen, daß die Goten damals an eine daselbst vorangegangene Münztätigkeit der Gepiden anknüpfen konnten. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die gotische Münzung in Sirmium schon unter den unmittelbaren Nachfolgern Theoderichs durch den beginnenden byzantinischen Vernichtungskrieg ins Stocken geriet, da in einem Erlaß Kaiser Justinians I. vom 15. April 535 diese ostgotischen Landschaften bereits als neu gewonnene byzantinische Gebiete genannt werden. Längstens mit der kampflosen Überlassung Sirmiums an die Gepiden um das Jahr 536 fand die Prägetätigkeit der Goten bestimmt ihr Ende" (1108). Die Sirmienser Gepräge der Ostgoten beschränken sich auf kleine Silbermünzen mit dem Monogramm Theoderichs (493—526) auf der Rückseite; man kann diese Münzchen, die einen sehr dünnen Schrötling haben, als Viertelsiliquen ansprechen. Auch die Münzen der Gepiden entsprechen diesem Nominale, haben aber einen viel kleineren, dafür aber dickeren Schrötling. Auf der Rückseite weisen sie abgekürzte Namensformen des Gepidenkönigs Kunimund (560—567) auf. Die Vorderseite aber zeigt das Bildnis der byzantinischen Kaiser ihrer Zeit sowohl bei den Ostgoten als auch bei den Gepiden. Im übrigen ist für die Gepiden in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts „um so mehr noch ein Festhalten an der römischen Tradition vorauszusetzen, da hier die ständige Verbindung mit dem byzantinischen Reiche das Münzwesen nicht in jene Verwilderung ausarten ließ, wie in dem von jedem Kontakt mit Rom fast völlig losgelösten Westen". Wenn uns von diesem Volke nur wenige numismatische Denkmale erhalten geblieben sind, so geben sie uns doch nicht nur ein Bild von der reichen Tätigkeit ihrer Münzstätte Sirmium, sondern auch einen Beweis, „welch reich entwickeltes Wirtschaftsleben diesem germanischen Volksstamm bereits eigen war" (1108). Das Gepidenreich unterlag nach tapferem Kampfe 567 dem vereinten Ansturm der 230

42. Gepiden, Kunimund. % Siliqua, Sirmium (Rs.)

Awaren aus dem Norden und der Langobarden aus dem Westen. Im selben Jahre hatte Sirmium seine Tore den Byzantinern geöffnet, deren Kaiser Justinus II. sich daraufhin den Triumphaltitel „Gepidicus" beilegte. Die Überreste des Volkes aber beugten sich für drei Jahrhunderte unter das Joch der Awaren, die im gleichen Jahre das siebenbürgische Gepidenland und anschließend daran die pannonischen und norischen Gebiete der nach Italien abrückenden Langobarden besetzten. „Damals müssen die Awaren ihren Machtbereich bis an die Grenzen des Baiernlandes ausgedehnt haben." Sie bildeten jedoch „in ihrem Reich nur das Herrenvolk; zu ihrer Klientel gehörten verschiedene meist mit dem Sammelnamen der Bulgaren bezeichnete (später slawisierte) Turkstämme, die Reste der germanischen Gepiden und vor allem slawische Völkerschaften. Vor den Awaren flüchtend, später in ihrem Gefolge, sind slawische Sippen und Stämme auch in die Ostalpen eingedrungen, wo sie alsbald in kriegerischen Konflikt mit den Bayern gerieten" (1259). Gegen Ende des 6. Jahrhunderts können Slawen in ganz Pannonien, Norikum und in allem Land von der Donau bis nach Istrien nachgewiesen werden; 602—611 fielen sie mit den Awaren vereint in Dalmatien ein, wo sie das alte Salona zerstörten. Andere Slawen brachen damals aus dem Dnjeprbecken nach Westen auf, besetzten die Weichselund Oderlandschaft und dürften durch die Karpatenpässe in die heutige Slowakei und durch die Oderpforte nach Mähren gelangt sein. „Daß diese Ausbreitung der Slawen nach dem Westen mit Wissen und Willen der herrschenden Awaren geschah, ist nicht zu bezweifeln; diese bedurften eben ackerbautreibender Untertanen, um die verödeten Landstriche durch deren Fleiß zu bebauen, und fanden solche in den Slawen, deren Widerstandskraft noch nicht soweit erstarkt war,um ohne äußeren Anstoß das Joch der Awaren abzuschütteln. Dies geschah erst unter der Führung Samos, eines fränkischen Kaufmanns aus Sens (Dept. Yonne, Frankreich), der einen großen slawischen Völkerbund im Norden und Süden der Donau ins Leben rief" (686). „Wohl im Zusammenhang mit diesem von 623 bis 658 blühenden großen Slawenreich, das sich der Überlieferung nach von Thüringen und Böhmen bis zur Südgrenze Kärntens erstreckt hat, wurden die Slawen von der awarischen Herrschaft frei" (769). Im Jahre 796 wurden dann die Awaren von Karl dem Großen vollständig unterworfen. Es erhebt sich nun die Frage, ob diese Slawen schon die Münze gekannt haben. Eigene Prägungen sind nicht bekannt, und da sie als Ackerbauer wirtschaftlich gewissermaßen autark gewesen sein dürften, werden sie wohl kaum des geprägten Geldes bedurft haben. Die Münzfunde in der Steiermark und in Kärnten, wo die Alpenslawen hausten, lassen uns da vollständig im Stich. Indessen wird man angesichts des monetären Chaos, welches das noch während der Völkerwanderung in seiner Spät- und Verfallszeit immer noch funktionierende römische Münzwesen ablöste, kaum von einem ge231

gelten Münzwesen innerhalb des von uns behandelten geographischen Raumes sprechen dürfen, am allerwenigsten in der Awarenzeit. Man wird hier die wirtschaftlichen Verhältnisse Großmährens zum Vergleich heranziehen müssen, wo die Landwirtschaft ebenfalls die Hauptbeschäftigung darstellte. Daneben aber gab es bereits eine bedeutende Hausindustrie, verschiedene Handwerkszweige und eine gewerbliche Produktion, wobei das Kunsthandwerk eine bedeutende Funktion ausübte. Auch Handel mit dem Westen war schon üblich, durch den unter anderem verschiedene Schmuckformen östlicher und byzantinischer Herkunft ins Land kamen. Trotzdem gab es in Großmähren keine eigenen Münzen. „Als älteste slawische Zahlungsmittel werden die Eisenbarren betrachtet, welche man im Gebiet zwischen Gran (Hron) und March (Morava) in genau festgelegten Größen und zu 10 Stück gebündelt antrifft. Vereinzelte byzantinische Münzen, die in großmährischen Gräbern als Oboloi gefunden wurden, deuten auf die Kenntnis der Münze als Zahlungsmittel hin" (1167). Der Fernhandel wurde mit fremden Münzen, vorwiegend byzantinischen, betrieben, während für den Binnenhandel die eben erwähnten und aus Funden bekannten Eisenbarren oder vielleicht auch das von Ibrahim ibn Jakub bezeugte Tüchelgeld als Zahlungsmittel Verwendung fanden. Für das 9. Jahrhundert wird ein Verhältnis zwischen Silber und Eisen von 1:500 angenommen, eine Bewertung, die die Edelmetalle für eine dem Binnenhandel dienende Eigenprägung zu hochwertig erscheinen ließ. Ähnlich werden wir uns wohl auch — mutatis mutandis — die Handelsverhältnisse bei den Alpenslawen vorzustellen haben. Vielleicht haben sich die Awaren den Geldverkehr — wenigstens im großen — selbst vorbehalten. Denn von ihnen ist unter anderem die Nachahmung eines byzantinischen Solidus von Heraclius und seinem Sohn Constantin (613—630) bekannt, während in verschiedenen Awarengräbern Solidi und Bronzemünzen des Phokas (602/10) und ein Triens Justinus II. (565/78) gefunden wurden. Wenn es sich auch nur um spärliches Fundmaterial handelt, so wird man dennoch darauf schließen dürfen, daß die Awaren den Gebrauch der Geldmünze kannten und daß sie sich zu Zahlungszwecken der byzantinischen Münzen im Original oder in eigenen Nachahmungen bedienten.

232

II. Das Münzwesen des Mittelalters

A . Die österreichische Ländergruppe

1. Karolingerzeit — Regensburg „Im Jahre 791 rückten im konzentrischen Angriff drei fränkische Heere über die Enns in das Awarenland ein und drangen bis tief ins Feindesland vor. Aber erst 803 gelang nach harten Kämpfen die völlige Unterwerfung des trotz mancher schwerer Einbußen noch immer streitlustigen Volkes, dessen Resten Wohnsitze zwischen Fischa und Leitha angewiesen wurden. Das von Karl dem Großen eroberte Neuland im Südosten stand der bayrisch-fränkischen und der slawischen Siedlung offen" (1260). Aber es dauerte geraume Zeit, bis sich die Verhältnisse im Ostalpen- und im Donau räum so weit konsolidiert hatten, daß Handel und Wandel sich in gewohnten Geleisen bewegten, daß Neusiedler und altangesessene Bevölkerung sich in die neue Ordnung fügten. Im Osten stand das fränkische Reich überall slawischen Stämmen gegenüber, im Südosten den Slowenen, die „in der awarisch-fränkischen Auseinandersetzung eine nicht unerhebliche eigene Aktivität entfaltet hatten; in Pannonien einem vasallitisch slawischen Fürstentum unter dem von den Mähren vertriebenen slowakischen Fürsten Pribina". Den stärksten slawischen Faktor im politischen Kräftespiel bildeten aber seit der Mitte des neunten Jahrhunderts die Mährer. Das Großmährische Reich, welches zur Zeit seiner größten Ausdehnung vom Böhmerwald bis über die Gran gereicht haben dürfte, „brach im Doppelkampf gegen das Ostfrankenreich und die einbrechenden Magyaren zusammen" (1260). Es fällt auf, daß auf altösterreichischem Gebiet — soweit Publikationen überhaupt vorliegen — kein einziger Münzfund aus der Karolingerzeit gemacht wurde. Das kann ein Zufall sein, doch die Tatsache geht konform mit der Erfahrung, daß die deutschen Münzen des 10. und 11. Jahrhunderts überhaupt kaum im Inland, sondern fast zur Gänze im Ausland (Ostseeländer, Skandinavien) gefunden wurden. Es ist jedoch mit einer gewissen Sicherheit anzunehmen, daß es in der noch spärlich besiedelten Ostmark um diese Zeit überhaupt nur reine Naturalwirtschaft gab. Wenn auch Handel und Verkehr im westlichen Frankenreich schon unter den münzreichen Merowingern zur Blüte gelangt waren und vermutlich mit dem Karolingerreich in gan.7 Europa einen noch größeren Aufschwung genommen hatten, so wurden davon der Nord- und Südosten kaum berührt. Hier hatte nur Regensburg bereits früh als Handelsplatz eine solche Bedeutung erlangt, daß es schon unter den Karolingern eine Münzstätte erhielt. Es konnte sich sogar gegen die Ungarn behaupten, die in der Unglücksschlacht bei Preßburg (907) den bayrischen Heerbann und nach ihm auch die Ostmark vernichtet hatten. Damit ging mit den übrigen Einrichtungen auch der um diese Zeit in unserer Gegend schon hochentwickelte Verkehr zugrunde, der uns in der Raffelstettener Zollordnung (vor 906) so anschaulich entgegentritt. Um diese Zeit war Münzgeld schon wieder im Umlauf, denn die Ordnung sieht Geldabgaben für gewisse Zölle vor. Dieser Handelsverkehr aber spielt sich haupt233

sächlich an der Donau ab, während das Binnenland durch seine Produkte nur teilweise daran partizipierte. Handelspartner waren Böhmen und Mähren, ja sogar Rußland. Mit dem großen Ungarneinfall von 907 wurden diese Beziehungen wohl für längere Zeit unterbrochen, denn die Wiederherstellung der Ostmark unter Kaiser Otto I., der durch den vernichtenden Sieg über die Ungarn auf dem Lechfelde im Jahre 955 der schwer geprüften Mark für lange Zeit Ruhe geschaffen hatte, änderte zunächst nicht viel an diesen Zuständen. Die Regensburger behaupteten ihre führende Stellung im Donauhandel tief bis ins 12. Jahrhundert hinein, weshalb auch ihre Münze den Verkehr lange beherrschte und selbst dann noch maßgebend blieb, als es in Karantanien und auch in der Ostmark zur Begründung eigener Münzstätten kam. Das beweisen Urkunden und Münzen. In der Urkunde vom 28. Mai 996, aus Rom, in der Kaiser Otto III. dem Salzburger Erzbischof Hartwig aus dem Hause der Spanheimer in Kärnten das Münzrecht verlieh, gestattete er ihm ausdrücklich, Regensburger Pfennige zu schlagen. „Monetam Radasponensem in loco Salzburg dicto imperiali potentia construi et adprime incoeptari concessimus." Und ebenso sind die Pfennige der Kärntner Herzoge Konrad I. (1009—1011) und Adalbero (1012—1036) sowie des Patriarchen Poppo von Aquileia aus den Jahren 1028—1042 nach Regensburger Schlag gemünzt. Man darf daher annehmen, daß auch die Münzrechtsverleihungen für die Witwe Imma zu Lieding in Kärnten im Jahre 975, übrigens die erste Vergabe in Österreich, für das Bistum Bamberg zu Villach in Kärnten (1060) und zu Neunkirchen auf dem Steinfelde für Ekbert und den Grafen von Pitten (1141) für Gepräge nach Regensburger Art gedacht waren, sofern von ihnen zu jener Zeit überhaupt Gebrauch gemacht wurde, was allem Anschein nach jedoch nicht der Fall ist. Was ist nun unter der in allen diesen Verleihungsurkunden angeführten moneta zu verstehen? Wir müssen hier ein wenig zurückgreifen. Der Zusammenbruch der römischen Herrschaft in Westeuropa hatte auch in Münzprägung und Geldumlauf tief einschneidende Veränderungen ausgelöst. Es gab keine zentrale Münzgewalt mehr, und demgemäß bildeten sich in den germanischen Reichen der Völkerwanderungszeit eigene Münzsysteme heraus, die sich in ihren Prägungen zunehmend von ihren Vorbildern entfernten. Zum Teil lag das Münzwesen noch immer fest in den Händen der Könige, wie etwa bei Westgoten und Langobarden. Dagegen machten im Merowingerreich bald auch andere Gewalten aus der Münzprägung ein einträgliches Geschäft: Bischöfe, Klöster, Monetäre, deren Stellung nicht immer eindeutig zu ermitteln ist, aber die zweifellos weitgehend als selbständige Unternehmen anzusehen sind. Rund 800 merowingische Münzstätten sind bekannt, von den auf den Münzen genannten Orten aber lassen sich über 20% nicht mehr eindeutig lokalisieren. Auf alle Fälle war es eine heillose Zersplitterung. Bis zur Mitte des 7. Jahrhunderts war der goldene Triens die Hauptmünze, daneben selten dessen dreifacher Wert, der Solidus, wenige Silbermünzen und noch seltener Kupferstücke. Seit der Mitte des Jahrhunderts aber verdrängte das Silber das Gold innerhalb kurzer Zeit vollständig. Um 700 gibt es bei den Merowingern nur mehr Silberdenare. „Die Umstellung der Währung durfte nicht zuletzt auf das Vordringen des Islams zurückzuführen sein, war damit doch die Verbindung zu den afrikanischen Goldvorkommen abgeschnitten" (58). Mit König Pippin aber tritt dann um 751 die entscheidende Wandlung ein. „Unter ihm beginnt eine neue Zentralisierung des Münzwesens, die das Münzrecht wieder zum Königsrecht macht und unter Karl dem Großen ihre volle Ausbildung erfährt" (58). Dessen Münzform bestimmte das Geldsystem in Mittel- und Westeuropa für längere Zeit, gilt daher als wichtigster Festpunkt der europäischen Münzgeschichte. Grundsätzlich 234

muß dazu gesagt werden, daß die Karolinger nicht von der Gold- zur Silberwährung übergingen, wie man früher glaubte, und daß unter Pippin keine reine Silberwährung eingeführt wurde, indem man die seltenen karolingischen Goldstücke als Schaumünzen deutete, sondern daß die früher schon vorhandene Doppelwährung beibehalten wurde, wobei das Gold freilich nur eine sekundäre Rolle spielte. Pippin hatte bestimmt, daß aus einem Pfund Silber nicht mehr als 22 Solidi ausgebracht werden sollten, was spätestens unter Karls Regierung dahin abgeändert wurde, daß nur mehr 20 Schillinge auf ein Pfund gingen. Die von Karl ausgeführte Hauptveränderung aber bestand in einer Erhöhung des Münzgrundgewichtes, des fränkischen Pfundes (libra). Über deren Ausmaß herrschen indessen die größten Meinungsverschiedenheiten, so daß keine feststehende Zahl angegeben werden kann. Das ist indessen für uns hier nicht von entscheidender Bedeumng, da die Münzprägung im österreichischen Räume ja erst um das Jahr 1000 aufgenommen wurde, als sich im Münzwesen bereits vieles wieder geändert hatte. Es gingen also 240 Denare oder Pfennige auf das karolingische Pfund, während unter Pippin deren 264 aus dem römischen geprägt wurden. 240 Denare galten 20 Schillinge, demnach 1 Schilling 12 Denare oder Pfennige in Silber, die nunmehr in Mitteleuropa als alleinige Kurrentmünze ausgeprägt wurden, was von großer Bedeutung für das Münzwesen aller abendländischen Staaten bis zum Ende des Hochmittelalters gewesen ist. Größere Zahlungen erfolgten meist in Barrenform, und in Urkunden vorkommende Schillinge (solidi) und Pfunde (talenta) sind nur als Rechnungsbegriffe zu betrachten. Es steht außer Frage, daß das Silber nun zum bevorzugten Münzmetall wurde, obwohl Gold im Frankenreich in ausreichender Menge vorhanden gewesen wäre. So hatte schon der Sieg über die Awaren einen beachtlichen Goldstrom nach dem Westen geführt. Wenn auch die afrikanischen Goldgruben nunmehr in den Besitz der Araber gelangt waren, was unter den Merowingern für eine gewisse Zeit einen empfindlichen Mangel an Gold zur Folge hatte, versorgten nun die Araber den Süden des Frankenreiches in regem Handelsverkehr mit Gold. Auch in Bayern werden Goldbergwerke erwähnt, und der Fund von Illanz aus dem Jahre 1904 zeigt, daß auch unter Karl dem Großen diesseits der Alpen, in Chur, Goldprägungen stattfanden. Wenn man früher gemeint hatte, daß der Rückgang der Goldprägung zugunsten des Silbers vorwiegend auf einen Mangel an Münzmetall zurückzuführen wäre, kann man heute dazu sagen, daß dies für die Zeit Karls des Großen, ja sogar auch für die seines Vaters Pippin nicht zutrifft. Wenn das Gold als Münzmetall im Frankenreich trotzdem vernachlässigt wurde, hatte das ganz andere Gründe, die nicht so sehr in den Verhältnissen um das Jahr 750 lagen, sondern in der vorausgehenden Zeit. Die Goldprägungen Galliens waren schon im 5. und 6. Jahrhundert bereits so minderwertig, daß sie im Verkehrsleben häufig zurückgewiesen wurden. Das weitere Absinken des Feingehaltes im 7. und am Beginne des 8. Jahrhunderts mußte daher noch nachteiligere Folgen für das Vertrauen in die Goldmünzen und damit für die wirtschaftlichen Beziehungen hervorrufen. So wird die ganze Münzpolitik der ersten Karolinger verständlich, deren Maßnahmen sich mit innerer Konsequenz aneinanderschließen. Sie suchten das allgemeine Mißtrauen gegen die schlechten Goldprägungen der Merowingerzeit durch gute und schwere Silberstücke zu beseitigen. Daher die Verstärkung des Münzfußes, daher die stete Erhöhung des Gewichtes im einzelnen. Daher auch die Vergrößerung des Schrötlings, auf dessen umfangreichem Planium nun der Namenszug des Königs deutlicher wird, eine Bürgschaft zugleich für Feingehalt und Gewicht. Diese fränkischen Denare sollten dem Auslande gegenüber konkurrenzfähig werden. Und sie wurden es auch. 235

Das ist in großen Zügen die karolingische Münzverfassung, soweit sie sich auf die Münzen selbst erstreckt. Gegen Ende des 9. Jahrhunderts aber beginnt die straffe Zentralisierung langsam aufzuweichen. Während dieses Jahrhunderts bildeten Münzrechtsverleihungen seitens der Könige in Deutschland noch seltene Ausnahmen. Erst unter Ludwig dem Kinde zeigten sich dann auch jene Erscheinungen, welche das Zeitalter der feudalen Münze charakterisieren: mit dem Verfalle der königlichen Zentralgewalt erwarben die geistlichen und weltlichen Fürsten auch die Münze allmählich zu eigen. Auch weisen die Denare vom Ende der Karolingerzeit eine Gewichtsverminderung auf. Sie sind von 1,70—1,90 Gramm in der zweiten Regierungsperiode Karls des Großen nunmehr auf 1,35—1,45 Gramm herabgesunken. Die Prägungen der bayrischen Herzöge standen mit der eben erwähnten „feudalen Münze" in keinem Zusammenhang, denn in Deutschland waren auch die alten Stammesherzöge seit Anbeginn im Besitz der Münzhoheit gewesen, ohne daß ihnen diese, wie in sonstigen Fällen, erst vom König verliehen werden mußte. Regensburg war nach dem Tode Ludwig des Kindes im Jahre 911 die Hauptstadt Bayerns und des gegen den König, den Frankenherzog Konrad, aufständischen und von ihm niedergezwungenen Herzogs Arnulf. Und da sein Nachfolger an der Krone, König HeinrichL, sich mit dem Bayern in Güte vertrug und ihm eine bevorrechtete Stellung gönnte, blieb Mainz zunächst der einzige Ort, dessen Pfennige den Namen des Königs trugen, während in Regensburg und zugleich in Salzburg Herzog Arnulf das Münzrecht ausübte, ohne der Konkurrenz einer königlichen Prägung ausgesetzt zu sein. Und dies Recht haben seine Nachfolger trotz allem Wechsel, dem sie in der Folgezeit unterlagen, unangefochten anderthalb Jahrhunderte bis in die Tage Heinrichs IV. genützt, und die herzoglich bayrischen Pfennige bilden unter den Funden die umfangreichsten und zumeist geschlossenen Reihen unter allen deutschen Münzen der sächsisch-fränkischen Kaiserzeit. „Entsprechend der erst im Jahre 1002 endgültig vollzogenen Trennung des Herzogtums Kärnten von Bayern hat auch die herzoglich kärntische Münzprägung erst später zu St. Veit ihren Anfang genommen, jedoch schon unter Herzog Konrad I. in den Jahren 1004—1011" (729). Die Regensburger Pfennige der Herzöge von Bayern wurden unter anderem auch in der erzbischöflichen Münzstätte Salzburg nachgebildet. Ob man aber daraus, wie M E N A D I E R meint, schließen darf, daß das Königtum nicht nur die herzoglichen Münzstätten vor jedem Eingriff sichergestellt, sondern auch die geistlichen Münzstätten unterworfen habe, erscheint zum mindesten für Bayern fraglich, hat doch das Erzbistum Salzburg bekanntlich schon 996 das Münzrecht erhalten und König Heinrich IV. dieses Erzstift 1062 ausdrücklich in seinen Schutz genommen, „cum omnibus pertinentibus . . . monetis, theloneis". Wenn aus den anderen bischöflichen Offizinen des bayrischen Raumes auch herzogliche Gepräge hervorgegangen sind, geschah dies wohl nur zur besseren Ausnutzung der einzelnen Offizinen, vielleicht auch deshalb, um nicht in den alten Fehler zu verfallen, durch eine Unzahl kleiner und kleinster Münzstätten das alte Übel der unübersehbaren Zersplitterung neu entstehen zu lassen. Feststeht indessen, daß alle diese Münzen Regensburger Schlages, wo immer sie entstanden waren, nicht eigentlich für den Binnenverkehr, sondern für den Fernhandel geprägt wurden, denn im Lande selbst gab es noch kaum Verwendung für Münzgeld, am wenigsten in der noch an den Verheerungen durch die Ungarneinfälle leidenden östlichen Grenzmark, dem späteren Österreich. Ganz abgesehen davon war der Regensburger Fernhandel in diesen frühen Zeiten gleichbedeutend mit dem gewinnbringenden Sklavenhandel, dessen Wege Österreich nicht berührten. 236

2. Salzburg a) Laufen. Die ersten Salzburger Pfennige nach Regensburger Schlag wurden noch in einer gewissen Abhängigkeit vom Bayernherzog geprägt. Sie sind daher, wie die Funde erweisen, auch dieselben Wege gegangen wie die bayrischen Gepräge dieser Zeit, nämlich weit in den Nordosten hinein, eine Richtung, die übrigens auch die ersten ungarischen Münzen einschlugen. Nach der Regensburger Prägung hören wir auf monetärem Gebiet lange Zeit nichts von Salzburg. Erst um die Mitte des 12. Jahrhunderts ist von einem eigenen Salzburger Pfennigtypus die Rede, sicherlich eine Folge des Aufblühens der Stadt und ihres eigenständigen Handels. Nunmehr war auch das Bedürfnis nach gemünztem Gelde zur Erleichterung des Handels vordringlich geworden. Zunächst wird jedoch nicht der Bischofsitz Salzburg, sondern das salzachabwärts im heutigen Bayern gelegene Städtchen L a u f e n zur Münzstätte des Erzstiftes, die ihre Tätigkeit schon vor der Mitte des 12. Jahrhunderts aufnimmt. Der Ort selbst muß damals schon eine ziemliche Bedeutung besessen haben, denn Kaiser Friedrich I. Barbarossa hielt hier 1166 sogar einen Hoftag ab. Infolge des Salzes aber, das, auf der Salzach verfrachtet, gerade bei Laufen eine gefährliche Stromschnelle passieren mußte, befand sich hier wohl schon frühzeitig ein Umschlagplatz für dieses Gewürz und andere Waren, für die man größere Barmittel benötigte. Der verhältnismäßig kurze Bestand der Laufener Münzstätte zeigt jedoch deutlich, daß sowohl zu ihrer Gründung als auch zu ihrer Schließung besonders zwingende Gründe bestanden haben mußten. Waren es für jene vor allem solche wirtschaftlicher Natur, so sind für diese Rücksichten auf die hohe Politik maßgebend gewesen. Mit Eberhard II. von Regensberg hatte 1200 ein besonders tatkräftiger Mann den Stuhl Sancti Ruperti bestiegen. Wahrscheinlich selbst mit den Staufern verwandte, verdankt er sowohl seine Wahl zum Bischof von Brixen als auch vier Jahre darauf die zum Erzbischof von Salzburg, des wichtigsten aller süddeutschen Hochstifte, der staufischen Partei. Die Gunst Kaiser Friedrichs II. führte dann die Salzburger Diözese ein gutes Stück weiter zum Territorialfürstentum. Im Zusammenhang damit mag auch die Verlegung der Münzstätte von Laufen nach Salzburg stehen, da die allzu große Nähe des weifisch, also feindlich gesinnten Bayern die Belassung in einem kleinen Landstädtchen nicht ratsam erscheinen ließ. Ein weiterer Grund zur Verlegung, vielleicht der ausschlaggebende, dürfte aber der große Umschwung in der Salzproduktion gewesen sein, der zu Ende des 12. und Beginn des 13. Jahrhunderts stattfand. Bis dahin handelte es sich bei dem auf der Salzach verfrachteten Salz ausschließlich um solches aus Reichenhall. Nun aber wurde es von den neu eröffneten erzbischöflichen Salzbergwerken auf dem Dürrnberg bei Hallein verdrängt; nichts war natürlicher, als die Münzstätte nunmehr in die für die Verfrachtung günstig gelegene Hauptstadt zu verlegen. Ungefähr gleichzeitig mit Laufen hatte das Erzstift noch eine zweite Münzstätte südlich des Alpenhauptkammes zu Friesach in Kärnten gegründet, dessen Geschichte ein eigenes Kapitel (s. u. S. 241) bildet. In Friesach befand sich nicht nur das Verwaltungszentrum der ausgedehnten hochstiftlichen Besitzungen in diesem Lande; in seiner Umgebung, so bei dem nordöstlich davon gelegenen Zeltschach, gab es überdies auch Silberbergwerke. Diese konnten indessen nur einen Teil des außergewöhnlichen Metallbedarfs decken, denn wie wir noch eingehend hören werden, hatte die Friesacher Münzstätte einen weit größeren Aktionsradius als die Salzburger. Diese war durch die Nachbarschaft mit Tirol, Bayern, Passau, Regensburg und Österreich in ihrem Münzumlauf im wesentlichen auf den engen Bereich des Erzstiftes beschränkt. Immerhin trifft man Ge237

43. Salzburg, Eb. Eberhard I. von Hippoltstein. Friesacher Pfennig

präge des Salzburger Münzhauses — aber nur bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts — auch in bayrischen, ungarischen und böhmischen Münzfunden an. In diesem Zeiträume ist der Gebrauch von Laufener und Salzburger Pfennigen außerhalb des Salzburger Landes hauptsächlich im südöstlichen Bayern urkundlich und fundmäßig belegt. Nur der Lungau, das vom Oberlaufe der Mur durchflossene Gebiet südlich des Tauernkammes, das auch verwaltungsmäßig zum salzburgischen Vizedominat Friesach und nicht zum Hofmeisteramt Salzburg gehörte, war von diesem Währungsgebiet abgespalten und vom Friesacher Pfennig beherrscht. Zwischen der 2. Hälfte des 13. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts konnte der Salzburger Pfennig die von ihm errungene Stellung auf erzbischöflichem wie auch auf bayrischem Gebiet behaupten, hier insbesondere in Reichenhall und in Mühldorf. Seit den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts gelang es ihm dann auf Kosten der Neuöttinger Münzen sogar noch weiter ins bayrische Land vorzustoßen; indessen waren, wie schon wiederholt betont wurde, die Grenzen der mittelalterlichen Währungsgebiete, wenn nicht geographische Besonderheiten wie der eben erwähnte Lungau eine natürliche Abgrenzung ergaben, meist fließend. Im Lungau wurde der Friesacher Pfennig später von den aus Südkärnten vorstoßenden Agleiern, den Münzen des Patriarchates Aquileia, das mit Salzburg eine durch Karl den Großen 811 festgelegte gemeinsame Diözesangrenze in der Drau besaß, immer mehr zurückgedrängt. Dagegen herrschte der Salzburger Pfennig im oberen Ennstal vor, wo große Güter des Erzstiftes lagen; daneben liefen freilich auch Grazer Pfennige um. Im salzburgischen Anteil von Nordtirol aber waren Veroneser „Berner" und Tiroler Etschkreuzer die alleinige Währung. Gegen 1350 konnte auch der nach der Stadt Schwäbisch Hall benannte Haller (später Heller) im erzbischöflichen Gebiet Fuß fassen, wobei zwei Haller einen Salzburger Pfennig galten. Man war jedoch nicht gewillt, auch die fortschreitende Verschlechterung der Haller mitzumachen. Man hatte schon frühzeitig erkannt, daß jede Münzverschlechterung sich auch auf die Nachbarländer auswirkte. Aber erst Jahrhunderte später formulierte der berühmte „königliche Kaufmann", Sir Thomas Gresham, im Zeitalter der Königin Elisabeth die bekannte Tatsache als Gesetz, demnach das schlechtere Geld stets das gute verdrängt; man war aber nie imstande, die Einfuhr schlechter und die Ausfuhr guter, vollhaltiger und vollgewichtiger Münzen, auf denen ja eine gesunde Währungspolitik beruhte, hintanzuhalten. Und so geschah es, daß im ewigen Kreislauf aus dem Gelde eines Landes mit guter Währung jenseits der Grenzen schlechtere Münzen geprägt und wieder zurückgeschmuggelt wurden. Salzburg bot als Durchzugsland nach dem Süden schon frühzeitig die willkommene Gelegenheit zu solchen lukrativen Geldmanipulationen. Nicht nur die Agleier büßten 238

allmählich ihren guten alten Ruf ein, sondern auch der einst so berühmte Wiener Pfennig, der im Salzburgischen bald die Oberhand gewann und die gehaltvollere Salzburger Münze verdrängte. Da der Wiener Pfennig, seitdem Herzog Rudolf IV. von Österreich 1359 auf die einträgliche alljährliche Münzerneuerung, die renovatio monetae, gegen eine Getränkesteuer, das sogenannte Ungeld, verzichtet hatte, eine nicht zu unterschätzende Wertbeständigkeit besaß, konnte er alsbald nahezu das gesamte salzburgische Gebiet erobern. Nur die Besitzungen des Erzstiftes im Zillertal, die bei ihrer alten Tiroler Landeswährung blieben, waren von dieser Infiltration ausgenommen. Sofern unter diesen Umständen überhaupt noch Salzburger Münzen geschlagen wurden, waren sie kaum mehr als eine Abart der siegreichen Wiener Münzen. Nur in Bayern konnten sich diese nicht durchsetzen. Bis gegen 1440 dürften infolgedessen überhaupt keine eigenen Salzburger Münzen geprägt worden sein. Der Kleinverkehr scheint mit den Münzen einer süddeutschen Einheitswährung das Auslangen gefunden zu haben, die um 1400 eingeführt worden war, wobei im Salzburgischen naturgemäß die bayrischen Pfennige vorherrschten. Aber bald nach der Mitte des 15. Jahrhunderts wurden die schlecht und recht konsolidierten Münzverhältnisse des Erzstiftes bedenklich gestört. Der enge monetäre und verkehrsmäßige Kontakt mit seinen Nachbarn, nicht zuletzt die Auswirkungen des Greshamschen Gesetzes zogen zwangsläufig auch das Erzstift in jene monetäre Katastrophe hinein, die unter dem Namen „Schinderlingszeit" zu trauriger Berühmtheit gelangte. Merkwürdig ist die Tatsache, daß sich die bayrischen Herzoge ihrer eigenen Münze, der sogenannten Schwar Pfennige, deren Farbe von dem äußerst geringen Silbergehalt kam, nunmehr selbst nicht mehr erwehren konnten. Sie legten daraufhin 1457 dem Erzbischof Siegmund I. von Volkersdorf nahe, seine Münzen „grau oder weiß" auszubringen, also mit größerem Silbergehalt, damit nicht auch von salzburgischer Seite her der Umlauf der schwarzen Münze in Bayern vermehrt werde! Die beiden Parteien konnten sich allem Anschein nach nicht einigen; überdies stand Kaiser Friedrich III. auf Seiten Salzburgs, dem er in einem Privileg unter anderem gestattete, graue, weiße und auch schwarze Pfennige zu schlagen, da man das Gift nur mit einem Gegengift dieser Art vertreiben zu können wähnte. In Salzburg erreichten die Verwirrungen 1459 ihren Höhepunkt, so daß sich der Erzbischof gezwungen sah, neuerlich mit Bayern zu verhandeln. Trotzdem waren noch Mitte 1460 die Salzburger Pfennige in Bayern verboten. Erst mit der Prägung „guter weißer münz" fand diese die Wirtschaft zutiefst erschütternde Episode ihr Ende, zugleich aber auch die erzstiftliche Münzprägung während des Mittelalters. Das 14. Jahrhundert lenkt durch eine ebenso kurze wie merkwürdige Episode noch einmal unsere Aufmerksamkeit auf sich. Wir haben bisher für Salzburg nur das Silber als Münzmetall erwähnt. Gold tritt uns wohl in kostbaren kirchlichen Geräten aller Art in manchmal geradezu verschwenderischer Weise entgegen, auch in profanen Schmuckgegenständen, aber nie in Gestalt der Münze. Im mittelalterlichen Salzburg ist das geprägte Gold auch nie zu besonderer Bedeutung gelangt, obwohl schon seit der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts insbesondere die großen italienischen Handelsstädte Genua, Florenz und Venedig für ihren Levantehandel eine intensive Goldprägung betrieben. Und so konnte es geschehen, daß etwa größere Summen für die Prokuration eines neuen Erzbischofs an die Kurie in Rom durch italienische Bankiers in Goldstücken der genannten Städte bezahlt werden mußten. Für andere Zwecke aber werden in Salzburger Urkunden kaum je Goldstücke erwähnt, so daß wohl kein Bedürfnis danach bestanden haben dürfte. Mit der Karolingerzeit hatte ja fast im ganzen Abendland die Goldprägung aufgehört; 239

man bediente sich, wenn eine Goldzahlung erforderlich war, meist byzantinischer oder arabischer Goldstücke. Die auf Gold, und zwar auf Gewichtsgold lautenden Zahlungsverpflichtungen des Erzstiftes an die Kurie wurden gewöhnlich durch das Silberäquivalent beglichen. Wie wenig Gold noch zu Ende des 13. Jahrhunderts im salzburgischen Raum in gemünzter und noch mehr in ungemünzter Form umlief, zeigt die Abrechnung des päpstlichen Kollektors, des Domherrn Alironus von Venedig, der den Lyoner Zehent eingetrieben hatte. Insgesamt wurden von ihm 1,6 Kilogramm Gold und 2783 Kilogramm Silber eingenommen! Und noch 1318 mußten die päpstlichen Steuerboten das eingesammelte Silber, zumeist in Barrenform, nach Venedig schaffen, da in der Salzburger Diözese eine Umwechslung in Gold, durch die sich die Transportkosten infolge des geringeren Umfanges und Gewichtes erheblich gesenkt hätten, unmöglich war. Tatsächlich scheint der Goldbergbau in den Salzburger Tauerntälern Gastein und Rauris erst zu Beginn des 14. Jahrhunderts eröffnet worden zu sein. Ähnlich stand es im benachbarten Österreich, wo erst unter Herzog Albrecht II. zum erstenmal florentinische Goldstücke durch eine Gemeinschaft von Bürgern aus dem Golde der genannten Täler in der steirischen Handelsstadt Judenburg nachgeahmt wurden. Dem österreichischen Beispiel folgte in Salzburg 1366 Erzbischof Pilgrim von Puchheim, der in diesem Jahre von Kaiser Karl IV. das Recht erhalten hatte, Goldmünzen nach Florentiner Art zu prägen. Aber ebensowenig wie in Österreich hatte im Erzstift die Goldmünze Bestand. Sie blieb auch hier nur ein kurzes Zwischenspiel, das auf den weiteren Verlauf des erzstiftlichen Münzwesens ohne Einfluß blieb. Wenn Goldmünzen benötigt wurden, griff man zu den wertbeständigen ungarischen Goldgulden, die im Spätmittelalter im gesamten österreichischen Raum die Groß- und Fernhandelsmünzen waren. Während die Münzen nach Regensburger Schlag beschriftet sind, weshalb die Zuteilung an ihre Münzherren (die Erzbischöfe Hartwic, Dietmar II. und Balduin) eindeutig feststeht, sind die späteren Gepräge seit Erzbischof Konrad (1106—1147), mit Ausnahme des Goldguldens von Pilgrim, schriftlos. Das Münzbild weist nur durch mitrierte Köpfe oder Brustbilder, durch Kirchengebäude und sonstige sakrale Bilder auf einen geistlichen Münzherrn hin, aber durch nichts auf dessen Sitz und Namen. Viele Pfennige wurden daher früher dem Bistum Passau zugewiesen; erst neuere Arbeiten haben auf Grund von Funden eine chronologische und persönliche Zuteilung ermöglicht, wobei die Gepräge des späteren 13. und des 14. Jahrhunderts erhebliche Schwierigkeiten bereitet haben. Erst seit Pilgrim II. (1365—1396) ist durch Anbringung des Stiftswappens wenigstens die Zuweisung an Salzburg absolut gesichert. Pilgrim und dann Siegmund I. von Volkersdorf (1452—1461) setzen auch den oder die Anfangsbuchstaben ihres Vornamens auf die Rückseite. Trotzdem kann man im 14. und 15. Jahrhundert noch eine gewisse Anzahl von Salzburger Pfennigen nicht genauer einteilen. Ein paar Worte über den Münzfuß: In Salzburg rechnete man wie in Bayern und Österreich das Zählpfund zu 8 langen Schillingen zu je 30 Pfennigen. Das Feingewicht betrug nach einer Notiz von 1273 0,578 Gramm, laut den Aufzeichnungen des Lyoner Zehents aber nur mehr 0,535 Gramm. 1273 wurde eine Wiener Mark Silber dem Werte von 480 Salzburger Pfennigen gleichgesetzt, während eine Salzburger Mark 390 Salzburger Pfennigen entsprach. „Gegenüber der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts besaßen also die Salzburger Münzen der ersten Hälfte ein höheres Feingewicht, was mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf ein größeres Rauhgewicht schließen läßt. Dies bezeugen auch die Fundmünzen" (560). Im 14. Jahrhundert wird der Pfennig, wie die Münzordnung des Erzbischofs Ortulf von 1355 zeigt, im Verhältnis zum 13. leichter, und auch seine Feine ist zurückgegangen, 240

44. Salzburg, Eb. Eberhard I. von Hippoltstein. Friesacher Pfennig (Brakteat)

nämlich 0,733 Gramm rauh und 0,453 Gramm fein. Für das 15. Jahrhundert gibt es allem Anschein nach keine schriftliche Quelle über Schrot und Korn der Salzburger Gepräge. Wir können nur eine wesentliche Verschlechterung während der Schinderlingszeit konstatieren. Was die Münzstätte Laufen anlangt, so wurden 5 Laufener Pfennige 3 Friesachern gleichgestellt; der Laufener ^ entspricht also 0,6 Friesachern. Ende des 13. Jahrhunderts gilt 1 Salzburger ^ 13/21 Regensburger. 1324 werden die Salzburger dem Öttinger ^ gleichgesetzt. 1321 muß der Salzburger etwas besser als der Münchener gewesen sein. 1314 war 1 Salzburger gleich 2/3 Agleier, also 3 : 2. „Gegenüber dem im Werte vordringenden Haller richteten der Salzburger und auch der Münchener Pfennig ihren Gehalt zunächst im Verhältnis 2:1. Dadurch war, wie eine Urkunde von 1343 berichtet, der Wert des Salzburgers dem Münchener gleich geworden. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts erfolgte nun ein Anschluß des Salzburgers an den Wiener, so daß schon 1369 ein Salzburger ^ einem Wiener gleichgewertet wurde" (560). Erwähnt sei noch, daß im Zuge des Salzhandels auch Prager Groschen ins Land kamen, während eigene Groschen von Salzburg nicht geprägt wurden. Sie werden schon in dem ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts, also ungefähr gleichzeitig mit ihrer Entstehung, in erzbischöflichen Urkunden erwähnt. Sie wurden sicherlich gerne genommen, da der eigene Pfennig für den Großverkehr nicht mehr genügte. Um sich vor minderwertigen Stücken zu schützen, brachte man auf ihnen — insbesondere in der Hussitenzeit — das Salzburger Wappen als Gegenstempel an, die die Umlauffähigkeit erweisen sollte. b) Friesach. Die erste Münzgattung, die auf altösterreichischem Boden geprägt wurde und sich bald zu einer wichtigen, diesmal dem Südosten zugewandten Handelsmünze entfaltete, ist der Friesacher Pfennig. Es ist sicherlich kein Zufall, daß es ein geistlicher Fürst, der Erzbischof von Salzburg, war, der als erster das Münzrecht im österreichischen Raum erhielt. Dem Erzstift war von Karl dem Großen die Bekehrung der Karantanen anvertraut worden. Seit 822 ist die deutsche Kolonisation des gesamten herrenlosen Gebietes eine Aufgabe, die auch der Stärkung der bayrisch-fränkischen Herrschaft und der Missionierung dienen sollte. Das gegenüber dem Osten kulturell weit fortgeschrittene Salzburg war daher berufen, in die von ihm missionierten Gebiete auch die neuen Wirtschaftsformen zu bringen, sobald sie sich in Salzburg selbst durchgesetzt hatten. Dazu gehörte seit 996 auch das Münzgeld. Schon mehr als 100 Jahre vorher, 860, war Friesach in den Besitz des Erzstiftes gekommen, 928 war es ein Gutshof, besaß aber schon eine Kirche. Es gelangte dann im Tauschwege an verschiedene Große und um 1072 wieder 241

45

46

45. Unbestimmter Pfennig aus dem Funde von Hintergumitsch (Kärnten)

47. Spanheimer zu Völkermarkt. Friesacher Pfennig (Brakteat)

46. Gemeinschaftsprägung des Salzburger Eb. Eberhard II. von Regensberg und Hg. Leopolds VI. von österreich-Steiermark. Friesacher Pfennig, Pettau

48. Bamberg, Bischof Bertold von Leiningen. Friesacher Pfennig, Griffen (Brakteat)

zurück ans Erzstift. Erzbischof Konrad I. (1106—1147) machte Friesach zum Hauptort des Kärntner Stiftsbesitzes. In die Burg auf dem Petersberge kam die Münze, zu deren Einrichtung sich Konrad im Hinblick auf den seinem Vorgänger Hartwig von Otto III. erteilten Gunstbrief ohne weiteres für berechtigt hielt. In Wirklichkeit aber lagen die Dinge anders. Die frühere Bewilligung lautete auf Salzburger und auf Regensburger Pfennige, nun aber wurde Köln zum Muster gewählt. Von dort kamen die ersten Münzmeister, die seit 1144 namentlich bekannt sind. Diese brachten die Kölner Mark als Münzgewicht und wohl auch den kölnischen Münzfuß mit und statteten die neuen Friesacher Pfennige mit einer sehr vergröberten Nachbildung der Kölner Gepräge aus. Nach LUSCHIN wäre der Beginn der Prägungen in der erzbischöflichen Münzstätte zu Friesach zwischen 1125 und 1130 anzusetzen. Der denarius coloniensis war als territoriale Pfennigmünze des 12. und 13. Jahrhunderts dem Rhein entlang im Norden bis zur Mündung, im Süden ungefähr bis Oppenheim, nach Osten und Westen in wachsender Breite in Umlauf. Aber auch in ungarischen Funden kommt er vor, was die Beliebtheit dieser Münzsorte beleuchtet. Er wurde aber, wie wir gesehen haben, keineswegs in Köln allein ausgeprägt, sondern in einer ziemlichen Reihe von eigenen Münzstätten des Erzstiftes Salzburg und solchen, die im Mitbesitz der Erzbischöfe waren sowie auch in fremden, deren Erzeugnisse auf Kölner Fuß und nach Kölner Schlag gemünzt wurden; eine Erscheinung übrigens, die sich bei den Friesachern wiederholte. Als Münzfuß nimmt H Ä V E R N I C K ( 3 8 0 ) eine ältere, leichtere Kölner Mark an, aus der 144 Denare geschlagen wurden. Sie wurde 1170 durch eine jüngere, schwerere ersetzt, aus der bei gleichbleibendem Denargewicht 160 Denare geschlagen wurden. Das Gewicht der Kölner Denare blieb vom 11. bis zum 13. Jahrhundert unverändert; im Durchschnitt betrug es 1,40 Gramm. Der Feingehalt schwankte dagegen zwischen 912/1000 bis zum beabsichtigten vom 975/1000. Die Kölner Mark wog 210,42 Gramm vor dem Jahr 1170, später 233,8123 Gramm. In diesem Gewicht begegnet sie uns in den späteren Jahrhunderten. Der von L U S C H I N ermittelte Münzfuß der Friesacher ergab, daß in Kärnten bis 1286 nach der alten Kölner Mark (229,450 g), seit 1287 nach der Wiener Mark von (damals) 275,347 Gramm Schwere gemünzt wurde. Anfänglich, zwischen 1136—1164, entsprachen 160 Stück Pfennige einer Mark lötigen Silbers, wobei 1 Pfennig 1,437 Gramm schwer war. Das Normalsilber der Friesacher Münze hieß lötiges Silber, war jedoch weder lölötig noch 1000/1000 fein, sondern nur 15/16, d. h. es enthielt auf 16 Lot oder eine Mark Schwere nur 15 Lot oder nach heutiger Bezeichnung 938/1000 Feinsilber. Diese ältesten Friesacher blieben lange im Umlauf. Durch Seigerung, d. h. durch unberufenes Aussuchen der schwer242

49. Bamberg, Bischof Otto II. von Andechs. Friesacher Pfennig, Friesach 50. Markgraf Heinrich IV. von AndechsMeranien. Friesacher Pfennig, Stein 51. Babenberger. Friesacher Pfennig, Gutenwört 52. Spanheimer. Brakteat, Landstraß

sten Stücke wurde die Valuta in gewaltsamer Weise gestört, denn es blieben nur die leichtesten Pfennige zurück. Diese durch Manipulationen herabgekommenen Friesacher wurden zu Beginn des 13. Jahrhunderts zu 200 Stück auf die lötige Mark gerechnet und hießen infolgedessen „Fünfvierdunge". Im Verkehr behalf man sich eben dadurch, daß man den Abgang am Feingewicht durch eine Erhöhung der Anzahl von Pfennigen auf die Zahlmark ausglich, um die Mark lötiges Silber zu erreichen. Ursprünglich betrug die Aufzahl, d. h. die Anzahl der Pfennige, die auf die Mark lötigen Silbers gerechnet wurde, 160, sie stieg zwischen 1164 bis 1200, wie schon erwähnt, auf 200 Stück, von 1200 bis 1230 auf 210 Stück, von 1242 bis 1244 auf 245 Stück, von 1253 bis 1257 auf 290 Stück, von 1287 bis 1289 auf 370 und nach 1334 auf 410 Stück. Diese Aufzahl wurde auch von den Herzögen von Kärnten, dem Patriarchen von Aquileia, den Andechs-Meraniern zu Villach, vom Bamberger Bischof Otto II. (1177—1196) eingehalten. Die Aufzahl 210 von den Herzogen von Kärnten zu St. Veit und von den Babenbergern zu Graz und Pettau. Dagegen wurden die Pfennige in den Münzen an der Krainer Gurk zu Landstraß durch die Spanheimer und zu Gutenwört durch die AndechsMeranier um 1215 bis 1230 nach einem um vieles geringeren Münzfuß geschlagen, nämlich zu je 245 Stück auf die lötige Mark. Die Ranner Pfennige (1265—1276) hatten eine Aufzahl von 250 Stück. Die Friesacher Pfennige wurden im Zeitraum von 1287 bis nach 1334 aber nicht mehr nach der Kölner Mark zu 229,456 Gramm, sondern nach der Wiener zu 275,347 Gramm gemünzt; die erwähnte Aufzahl war in den zwei Jahren von 1287 bis 1289 außer für die Münzstätte Friesach auch für St. Veit und Völkermarkt gültig; in der Zeit ab 1334 kam noch die Münzstätte Windischgraz dazu. Die Friesacher Münzprägung bietet im ersten Augenblick ein recht verwirrendes Bild; sie konnte erst durch Luschins jahrzehntelange Forscherarbeit in eine systematische Ordnung gebracht werden. Wie schon aus der Übersicht über den Münzfuß hervorgeht, hat es sich hier ja keineswegs um die Gepräge vom Friesacher Petersberg allein gehandelt, denn der Name Friesacher ist wie die Regensburger zu einem Gattungsbegriff geworden, der sämtliche Münzen umfaßt, die nach diesem Münzfuß geschlagen wurden. Salzburg selbst besaß durch längere oder kürzere Zeit Nebenmünzstätten zu Pettau an der Drau, Reichenburg und Rann an der Save. Die Andechs-Meranier schlugen Friesacher zu Windischgraz, Stein und Gutenwört, die Herzöge von Kärnten zu Landstraß, St. Veit und Völkermarkt, die Bischöfe von Bamberg zu Villach und Griffen, die Herzöge von Steiermark zu Graz, Zeiring und Pettau. Auch die Grafen von Görz ließen zu Lienz im heutigen Osttirol und wahrscheinlich auch zu Obervellach im Kärntner Mölltale Friesacher prägen. Ebenso die 243

53. Kärnten, Hg. Bernhard. Pfennig nach Art der Agleier, Landstraß

Patriarchen zu Aquileia zwischen 1130 bis 1218. Zur Zeit des Patriarchen Peregrin I. (Pilgrims I.), 1130—1161, trat eine Verbesserung des Münzfußes ein, durch die sich für Jahrhunderte die Ausdrücke Frixachensis, Fresacbensis, Frixachus, Frixerius als Bezeichnung der neuen vollwertigen Agleier Pfennige einbürgerten. In Ungarn und Kroatien aber wurden von Geistlichen wie Weltlichen — darunter vom König selbst -— die Friesacher unbefugterweise einfach nachgeprägt, sehr zum Schaden der originalen Gepräge. Diese und andere nicht lokalisierbare Nachahmungen durch unberechtigte Münzer, die sich durch viele Jahrzehnte lang verfolgen lassen, eröffnen einen Ausblick auf die Verbreitung der Friesacher außerhalb ihres eigentlichen Umlaufgebietes, eine Erscheinung, die uns erst später wieder beim Wiener Pfennig begegnet, als die Friesacher bereits an Bedeutung verloren hatten. In diese anonyme Gruppe gehört teilweise auch die von BAUMGARTNER so benannte Gren^müns^mg, deren Erforschung unter anderem zwei bisher unbekannte Zweigmünzstätten, Heiligenkreuz bei Landstraß und Tschatesch bei Rann, ergab. Diese vor Baumgartner kaum beachtete beziehungsweise in ihrem Wesen und Zweck ebensowenig erkannte Friesacher Grenzmünzung war dadurch notwendig geworden, als „der zu Beginn des 13. Jahrhunderts ungewöhnlich ansteigende Geldbedarf in den vom Osthandel unmittelbar berührten Ländern die Errichtung einer Reihe von Münzstätten" (39 c) unmittelbar an der Grenze notwendig machte. Diese erstreckten sich von Pettau nach Süden bis an die Krainer Gurk, denn der Zufluß an Münzen aus Friesach selbst genügte nicht mehr. Man darf doch wohl annehmen, daß das Silber, welches die Kaufleute von ihren Ungarnfahrten hereinbrachten, sofort in den Grenzmünzstätten zur Deckung des steten Bedarfes ausgeprägt wurde. In Pettau an der Drau sowohl wie in Rann an der Save befanden sich Märkte, die wohl als Hauptumschlagplätze für den sich entlang der gesamten Grenze im Südosten entwickelnden ausgedehnten Handel dienten. Dieser Handel wird sich „bestimmt nicht nur allein auf den Warenaustausch und die Einfuhr wertvoller landwirtschaftlicher Erzeugnisse und von Vieh beschränkt haben. Die in der Untersteiermark nachweislich besonders in Pettau stark vertretenen und wirtschaftlich mächtigen Juden werden sich sicherlich mit der Ausfuhr des in Ungarn stark gefragten gemünzten Silber Friesacher Schlages abgegeben haben. Auf ihre Verbindung mit den Glaubensgenossen in Völkermarkt — welches vorerst Judenmarkt geheißen — und denen zu Villach braucht nicht besonders hingewiesen zu werden. In allen diesen Orten gab es, wenn vielleicht auch nicht zur gleichen Zeit, Münzstätten" (39 c). Ein eigenes Kapitel in der Geschichte der Friesacher bildet auch die Frage einer Münzung der Bischöfe zu G u r k . Das von diesen prätendierte und auch tatsächlich ausgeübte Münzrecht ist ihnen nie verliehen worden, obwohl es dem Bischof Franz Xaver Altgrafen von Salm-Reifferscheid von Kaiser Franz II. 1801 bestätigt wurde. 244

Es gilt nunmehr als sicher, daß sich die Gurker Bischöfe das Münzrecht einfach angemaßt hatten, und zwar wurden zunächst die ungemein verbreiteten Gepräge mit der Umschrift ERIACENSIS nachgeahmt. Erzbischof Adalbert erwirkte deshalb einen Rechtsanspruch Heinrichs VI., der die Nachahmung erzbischöflicher Münzen innerhalb der Salzburger Diözese verbietet und die zum Schutze der Silbertrinsporte nach Friesach vorgesehenen Maßnahmen gutheißt. Ein Urteil, das offenkundig in erster Linie auf Gurk gemünzt ist, dessen Bischof ja ein Suffragan des Salzburger Erzstiftes gewesen ist. Der Gurker hat übrigens auch in den spanheimischen Münzstätten Heiligenkreuz bei Landstraß geprägt, wobei sowohl Kölner als Friesacher Vorbilder benützt wurden. Schließlich hat Gurk noch vor 1228 in den östlichen Grenzgebieten in der alten Markgrafschaft Saunien, also in dem an der „Soune", Sann, gelegenen Lande gemünzt, und zwar die erwähnten Eriacensis-Friesacher. Gurk besaß in dieser Mark das südöstlich der Herrschaft Windischgraz anschließende Weitensteiner Gebiet. Um 1200 umfaßte dieser Gurker Besitz in Saunien „die Herrschaften Weitenstein, Neuhaus (Dobrna), St. Georgen-Anderburg, Lemberg, Windisch-Landsberg, Rohitsch, Peilenstein, Hörberg, Wisell, Montpreis, dazu in Krain die Herrschaft Liebeck mit Savenstein, Erkenstein, Wolkenburg sowie Nassenfuß mit Straßberg" (396). Auf diesen exterritorialen Besitzungen, deren Hauptort die Feste Peilenstein war, „schalteten und walteten die Gurker nach Ihrem Belieben, ohne auf Salzburg, von dem sie de jure vollständig abhängig waren, viel Rücksicht zu nehmen" (396). Da der vorerwähnte Besitz in der Diözese Aquileia gelegen war, glaubten sie ungestraft selbständig vorgehen Zu können. Sie sollten sich aber täuschen. In dem fünfzig Jahre währenden Kampf des Bistums um seine Unabhängigkeit vom Erzstifte, der insbesondere vom Gurker Domkapitel „mit aller Zähigkeit und einer Leidenschaft geführt wurde, die selbst vor ausgebreiteten Urkundenfälschungen nicht zurückschreckte, ging schließlich nicht nur der Prozeß, sondern auch das Ansehen und die materiellen Mittel des Bistums verloren" (39c). Neben den geistlichen Fürsten (Salzburg, Gurk, Bamberg, Aquileia) gab es also, wie schon wiederholt angedeutet, eine ansehnliche Zahl weltlicher Fürsten, die Friesacher schlugen, so die Andechs-Meranier zu Windischgraz, Stein und Gutenwört, die Herzöge von Steiermark zu Graz, Zeiring und Pettau, die Grafen von Görz zu Lienz und Obervellach und schließlich die Herzoge von Kärnten zu Landstraß, St. Veit und Völkermarkt. Es fehlt hier an Raum, um auch die kleinen Münzstätten zu besprechen, für die daher auf die Literatur zu verweisen ist. (Über die steirischen Friesacher wird im Kapitel Steiermark noch zu sprechen sein.) Es sei daher hier nur der landesherrlichen Prägungen gedacht. Zunächst aber muß über das Münzbild der vorerwähnten Münzschmieden in aller Kürze etwas gesagt werden. Die zahlreichen Stempelverschiedenheiten, die nicht zuletzt durch die renovatio monetae verursacht wurden, lassen den außergewöhnlichen Umfang des Bedarfes an gemünztem Silber aus diesen auf den Südosthandel ausgerichteten Münzstätten leicht erkennen. Daß eine Sorte allein wie das Eriacensis-Gepräge zahlreiche Stempelvarianten aufweist und noch dazu häufig und meist in größeren Mengen vorkommt, läßt darauf schließen, daß es in großer Zahl und durch längere Zeit hindurch ausgegeben wurde, abgesehen davon, daß es auch vielfach unbefugt nachgeprägt wurde. Keine andere Gattung der Friesacher durfte sich einer ähnlichen Beliebtheit erfreut haben. Die anderen zweiseitigen Gepräge tragen auf der Vorderseite meist das Brustbild des Kirchenfürsten und in der Regel auch dessen Namen. Es gibt aber zahlreiche schriftlose und auch einseitige Gepräge, deren Zuteilung nur auf Grund der Münzfunde, des Gewichts und anderer charakteristischer Eigenschaften möglich war. Insbesondere die Zeit nach dem Tode Erzbischof Eberhards II. 1246 bis etwa 1360 gibt zahlreiche Rätsel auf. Ähnliches gilt 245

auch für die anderen Münzstätten der Erzbischöfe sowie für die der übrigen Münzherren, soweit deren Gepräge — und das ist die große Masse — schriftlos sind. Die Kärntner Herzoge haben im allgemeinen auf die Umschrift verzichtet und nur unter dem münzreichen Herzog Bernhard (1202—1256) den Namen des Landesherrn genannt. Auch landesfürstliche Denare und Brakteaten konnten deshalb oft nur auf Grund reichsten Fundmaterials chronologisch wie lokal zugeordnet werden. Auch unter den späteren Münzen gibt es ziemlich viele „stumme", d. h. schriftlose Gepräge, oder sie bringen wohl Buchstaben, die sich als Trugschriften erweisen. Nur selten wird in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die Prägestätte, fast niemals der Münzherr genannt. Während bei den Friesacher Prägungen nach 1250 in fortschreitendem Maße das für die Kehrseite bestimmte Münzbild vernachlässigt wird, was die Altersbestimmung sehr erschwert, werden unter Herzog Ulrich III. (1256—1269), ja vielleicht schon in den letzten Regierungsjahren seines Vaters Bernhard Versuche mit Hohlmünzen (Brakteaten) gemacht, die bis in die Herrscherzeit des Böhmenkönigs Przemysl Ottokar (1270—1276) fortdauerten. Besonders der Fund von Starigrad bei Landstraß hat eine Reihe bis dahin unbekannter Brakteaten ans Tageslicht gebracht. Über die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts geben zwei Münzverträge zwischen den Erzbischöfen von Salzburg und den Herzogen von Kärnten aus den Jahren 1268 und 1286 Aufschluß. Solche Verträge, wie überhaupt Urkunden, die sich auf das Münzwesen in genere beziehen, sind in recht spärlicher Zahl auf uns gekommen, und dies meist erst aus späteren Zeiten. In dem ersten dieser Verträge vom 14. Juli 1268 zu St. Radegund am Hohenfeld (nun Althofen), vereinbarten Herzog Ulrich III. und sein Verwandter Erzbischof Wladislaus Maßnahmen, um der andauernden Münzverschlechterung in den herzoglichen Münzstätten in St. Veit, Völkermarkt und Windischgraz sowie in der erzbischöflichen zu Friesach Einhalt zu tun und setzten hiefür empfindliche Strafen fest. Jeder der beiden Vertragspartner durfte nur in den vorgenannten Münzstätten münzen. Den beiderseitigen Geprägen, die einen gemeinsamen Münzfuß hatten, wurde freier Umlauf in den Besitzungen der vertragschließenden Teile zugesichert, der Verkehr mit fremder Münze dagegen bei Strafe untersagt. Eine von sicherlich vielen anderen solcher Anordnungen, die immer wieder erneuert, aber nie befolgt wurden. Der zweite Vertrag von 1286 wurde in einer ganz neuen politischen Situation abgeschlossen. Ulrich III. vermachte die spanheimischen Länder Kärnten und Krain mitsamt der Windischen Mark seinem böhmischen Vetter Przemysl Ottokar II., damals auch Herzog von Österreich und Steiermark, der von ihnen nach Ulrichs Tod 1269 Besitz ergriff. Rudolf von Habsburg belehnte 1275 Ulrichs Bruder Philipp mit den erwähnten spanheimischen Ländern; dieser hat Kärnten aber bis zu seinem Tode 1279 nicht mehr betreten. Mit ihm erlosch das letzte einheimische Herzogsgeschlecht. Nach dem Tode des Böhmenkönigs belehnte 1286 Rudolf von Habsburg Graf Meinhard von Görz-Tirol mit Kärnten, dessen Hauptmann der Graf seit 1276 und dessen „Herr" er seit 1280 gewesen war. Damit wurde Meinhard Reichsfürst und vereinbarte als dux Carinthiae im Jahre seiner Belehnung und Erhöhung am 22. Oktober 1286 zu Judenburg in der Steiermark mit dem Erzbischof Rudolf von Salzburg eine Ordnung über die Münze in Kärnten, die auch den Münzfuß neu regelte. Das alte Friesacher Gewicht, die modifizierte Kölner Mark wurde aufgegeben und an ihrer Stelle die Wiener Mark eingeführt. „Die Pfennige sollten — soweit das technische Können jener Zeit reichte — fünfzehnlötig sein und zu 344 Stück (von welchen 4 Pfennige den Schlagschatz 246

bildeten) aus der Münzmark geschlagen werden. Ergänzende, sehr wertvolle Nachrichten über Gewicht und Feingehalt der in Kärnten, ebenso wie in Salzburg, Österreich und Steiermark umlaufenden Gepräge liefern uns auch die Abrechnungen der Einheber des sogenannten Lyoner Zehents für die Jahre 1282—1285 und der Libellus decimationis de anno 1285. Schließlich kommt es noch ein letztes Mal im Jahre 1334 am 24. August zu Friesach selbst zu einer Vereinbarung, indem Konrad von Aufenstein, Marschall in Kärnten, der Vizedom Hans, der Comes Otto von Liechtenstein, Hauptmann und Mainhart, Vizedom zu Friesach, im Auftrag ihrer Herren Heinrich des Königs von Böhmen, Herzogs von Kärnten und Grafen von Tirol und Görz sowie des Erzbischofs Friedrich von Salzburg, neuerlich einen Vertrag über die Ausmünzung der Pfennige in Kärnten schließen, wobei das Übereinkommen von 1286 zugrunde gelegt und durch Hinzufügung zahlreicher Erläuterungen ergänzt wird. Das Jahr 1334 brachte für Kärnten das Ende einer Zeit häufig wechselnder Landesherren. Nach dem Tode der drei Söhne Herzog Meinhards belehnte am 2. Mai 1335 Kaiser Ludwig IV. der Bayer die österreichischen Herzöge Albert und Otto mit Kärnten. Gleichzeitig erhielten die Habsburger auch das verpfändete Krain mit der Windischen Mark, womit sie in den Ostalpen das Übergewicht erhielten. Aber Kärnten war für sie nur ein Nebenland. Dies wirkte sich natürlich auch auf das Münzwesen aus, so daß hier um 1360 die Prägung, sowohl die herzogliche als die erzbischöfliche, überhaupt erlosch. Die Friesacher Münzstätte stand im Jahre 1339 schon knapp vor dem Ende ihrer langjährigen Tätigkeit. Der Mangel an Bergsilber und die Verteuerung des Pagamentsilbers von 17 auf 18 im Jahre 1338 machte die Einhaltung des vorgeschriebenen Münzfußes schwierig. Und überdies engten die unaufhaltsam in das Umlaufgebiet der Friesacher eindringenden Agleier die Verbreitung der Kärntner Pfennige immer mehr ein. Die Friesacher Münzung war unrentabel geworden. Die Entscheidung fiel, als noch vor 1355 Erzbischof Ortulf die Prägung von Pfennigen zu Salzburg zu einem wesentlich verschlechterten Münzfuß befahl. In einer von ihm mit Gilig von Florenz und Genossen vereinbarten Münzordnung ist von Friesachern keine Rede mehr. „Da der Vorrat an Friesachern im Lande fortan weder eine Erneuerung noch eine Ergänzung erfuhr, so nahm er allmählich ab, und zwar nicht nur infolge des unvermeidlichen Umlaufverlustes, sondern mehr noch durch Ausschwärmung außer Landes, denn die Friesacher gehörten noch um die Mitte des 14. Jahrhunderts dem Feingehalt nach zu den besten Münzen der Zeit und wurden daher gern mit ausländischen Münzen aufgekauft. So erklärt sich das siegreiche Vordrängen der Agleier in Kärnten, denen sich wohl auch venezianisches Geld und — gefördert durch die Münzpolitik der Habsburger — auch die Wiener Pfennige beigesellten. Die Friesacher Pfennige verloren sich demnach bis auf einige ausgeseigerte Stücke in wenig Jahren völlig aus dem Münzumlauf in Kärnten und die Rechtsgeschäfte wurden mehr in fremden Münzen als der tatsächlichen Landeswährung abgeschlossen" (695). Nur um das Jahr 1507 lebte die Münze zu Friesach unter dem Erzbischof Leonhard von Keutschach ein letztes Mal auf; aber es waren diesmal keine Friesacher mehr, die geprägt wurden, sondern die bekannten Rübenbatzen, vielleicht auch noch Pfennige und Heller. Das gleiche gilt natürlich auch für die herzoglichen Gepräge. In Kärnten gab es für die zweite Hälfte des 14. und während des ganzen 15. Jahrhunderts keine eigene Münzstätte mehr. Nur im Jahre 1461 heißt es in einer Urkunde vom 17. Mai zu Graz, daß sich Kaiser Friedrich III. mit Balthasar Eggenberger, „der unser münssmaister hier zu Grecz, zu sand Veit und Laybach gewesen ist um die münss in dem geringen und swern Korn ettwie lang gehandelt hat", geeinigt und auf jeden weitern Anspruch gegenüber dem Genannten verzichtet habe. 247

Die verschiedenen kleineren Münzstätten, die in Kärnten seinerzeit Friesacher ausgeprägt hatten, wie etwa für das Bistum Bamberg zu Villach und Griffen, hatten ihre Tätigkeit schon längst eingestellt. Es obliegt uns nun, die ganz besondere geldgeschichtliche Bedeutung der Friesacher, wenn sie auch bisher da und dort schon angedeutet wurde, zusammenhängend darzulegen. Der Geldumlauf in Kärnten war im Hochmittelalter vom Friesacher Pfennig in seinen verschiedenen Typen beherrscht. Das beweisen nicht nur die Münzfunde, sondern auch die urkundlichen Nachrichten über Rechtsgeschäfte und Geldzinse. Aber der Umlauf blieb keineswegs auf das Entstehungsland allein beschränkt. Denn die einzelnen Währungsgrenzen waren keineswegs starr, höchstens, daß sich durch schwer zu bewältigende natürliche Hindernisse eine vollkommene Trennung von selbst ergab. Im Laufe der Entwicklung ist es oftmals zu sehr großen Verschiebungen gekommen. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erhielt der Umlauf der Friesacher seine größte Ausdehnung; er kann an Hand von Funden und Urkunden weit gegen den Südosten nach Kroatien und Ungarn verfolgt werden. Die Verbreitung erfolgte selbstverständlich durch den Handel, aus welchem Grunde die Mehrzahl der Friesacher Münzstätten entweder längs der Drau oder an den nach Kroatien führenden Handelswegen errichtet wurden. Es ist recht wahrscheinlich, daß auf den gleichen Wegen, auf dem die Exportgüter ostwärts befördert wurden, als Rückfracht auch ungarisches Silber mitgenommen wurde, da sich anders die große Zahl der Friesacher Gepräge nicht erklären läßt. Die erzstiftlichen Bergwerke in Kärnten lieferten keineswegs so viel Silber, als man zur Prägung benötigte. In den erwähnten Abrechnungen über den Lyoner Kreuzzugszehent von 1282 bis 1285 werden nicht weniger als 525 % Zahlmark Friesacher angeführt, was einer Summe von etwa 84.000 Stück entspricht. Das war aber nur ein Zehntel des tatsächlichen Umlaufs, ganz abgesehen davon, daß nur die gehobene Geistlichkeit von der Abgabe betroffen war und überdies auch unter den Laien Friesacher umliefen und daß sich unter diesen wohl auch jene Kaufleute befanden, die mit dem Osten Handel trieben. Und noch etwas fällt bei der Schätzung der möglichen Prägezahlen schwer ins Gewicht: daß nämlich um das Jahr 1240 der Höhepunkt der Friesacher Münzung erreicht war und diese langsam dem Ende zustrebte. In ihrer Blütezeit aber hatten sich die Friesacher in einem großen Teil des Südostens verbreitet. Der östlichste Punkt, wo sie — und zwar in riesigen Mengen — gefunden wurden, war das Banat, die Landschaft zwischen Donau, unterer Theiß und Maros und sogar die westliche Walachei. Überdies sind sie auch in Dalmatien anzutreffen. Dies zeigt deutlich, daß Ungarn das Hauptexportland für die Friesacher geworden war. Daß hier ein terminus aus der Handelsgeschichte verwendet wird, soll deutlich machen, daß diese Münzgattung nicht nur für den Osthandel bestimmt, sondern daß sie selbst zu einem höchst begehrten Handelsgegenstand geworden war. Die Frage, wieso sich die Friesacher und nicht die ebenfalls in gutem Ruf stehenden Regensburger und Kölner Pfennige in Ungarn verbreiteten, obwohl „der kommerzielle Anschluß Ungarns im Mittelalter an Bayern und die Rheingegenden viel enger und andauernder war als an Kärnten und Salzburg" (433), wird von ungarischer Seite damit beantwortet, daß die Heirat des Königs Andreas II. mit Gertrud von Meranien (im Jahre 1205) dazu beigetragen habe. Die Grafen von Andechs-Meranien ließen bekanntlich in Windischgraz, Stein (Krain) und Gutenwört „ebenfalls Friesacher prägen; und durch Gertrud von Meran und ihr Gefolge kamen dann die Friesacher in Umlauf" (433). Eine Vermutung, die übrigens auch urkundlich bezeugt wird. Überdies wurde Berthold von Meranien 1206 Erzbischof von Kalocsa, von wo er 1218 als Patriarch nach Aquileia ging. 248

Im übrigen aber waren um diese Zeit die Friesacher im Lande schon seit Jahrzehnten eingebürgert; die erwähnte Heirat hat wohl nur den Umlauf beträchtlich erhöht. Die eigentliche Veranlassung zur Überflutung Ungarns mit Friesachern liegt in der Münzzerrüttung dieses Landes, die unter König Gézall. (1141—1161) ihren Höhepunkt erreichte. Die ungarischen Münzen dieses 12. Jahrhunderts gehören zu den kleinsten und leichtesten des Mittelalters. Dieser Zusammenbruch fiel aber in eine Zeit, „in der sich der Bedarf nach gutem wertbeständigen Geld im Lande selbst stark fühlbar machte. Die ersten Kreuzzüge gingen über den Balkan nach dem Heiligen Land und brachten viel fremdes Geld nach Ungarn, das der Verkehr gern aufgriff, zumal der Handel mit Byzanz neuen Aufschwung genommen hatte. Friesacher begegnen uns hier zuerst in einem zu Gran gehobenen Münzschatz, der über die Geldverhältnisse, wie sie in Ungarn um die Mitte des 12. Jahrhunderts herrschten, vollkommenen Aufschluß bietet. Dreierlei Gattungen waren hier vertreten: ungarische Landesmünzen, Breitpfennige bayrisch-österreichischer Art und schließlich Friesacher geistlicher wie weltlicher Prägung. Als dann 1189 auch der dritte Kreuzzug Ungarn zu Wasser und zu Lande durchquerte, schrieb Ansbertus in seiner ,Historia de expeditione Friderici imperatoris' : „Quippe qui pro duobus Coloniensibus quinque tarnen suos et pro duobus Frisacensibus quattuor dabant Ungaricos denarios et pro Ratisponense seu Chremsense unum tantum Ungaricum, qui vix Veronensem valebat" (693). Die Friesacher drangen indessen begreiflicherweise weniger vom Norden und donauabwärts als vom Südwesten, also von ihrem Ursprungslande her, in Ungarn ein. „Gefördert wurde ihr Eindringen längs der Save und Drau dadurch, daß die verschlechterten Gepräge der ungarischen Könige in dem südlichen Nebenreich, das später als Kroatien, Slowenien, Dalmatien unterschieden und oft einem Mitgliede des Herrscherhauses zu selbständiger Verwaltung überlassen wurde, anscheinend keinen gesetzlichen Umlauf hatten. Hier müssen die Friesacher, die seit der Mitte des 12. Jahrhunderts eine ob ihrer Güte geschätzte Handelsmünze geworden waren, zur Zeit des dritten Kreuzzuges schon in Menge vorhanden gewesen sein. Kein Wunder, daß darum die ältesten autonomen Münzen für Kroatien, die Andreas II. als Statthalter (1197—1204) schlagen ließ, sich als Nachahmung von Friesacher Geprägen darstellen" (693). Friesach war jedoch nicht nur, wie schon erwähnt, im Südosten, sondern, wie Funde und Urkunden erweisen, bis tief nach Siebenbürgen und auch nach Oberungarn hin verbreitet. Ihre Güte wie die gleichzeitige Zerrüttung des ungarischen Münzwesens haben bei ihrer Ausbreitung in Ungarn gleichermaßen mitgewirkt. Sie waren die eigentliche Landeswährung während der ganzen Regierungszeit Andreas' II. (1205—1235). Der König selbst begann dann neben dem ungarischen Kleingeld auch Münzen nach Friesacher Muster zu schlagen, die in den Quellen ebenfalls frisatici oder jrixatici heißen und wohl auch als solche umliefen. Die Empfänger aber kamen bei ihnen nicht auf ihre Rechnung, weil sie nicht als leichtere und schlechtere Nachprägungen erkannt wurden. Mit dem Jahre 1240 oder bald danach verschwanden dann die Friesacher plötzlich aus dem ungarischen Geldverkehr, vor allem aus den Gegenden links der Donau. Im Gegensatz zu HÖMAN, der diese Tatsache mit münzpolitischen Maßnahmen Bêlas IV. in Verbindung bringt, erklärt L U S C H I N sie als eine Folge des katastrophalen Mongoleneinfalles, der die früheren Handelsbeziehungen, die über Steiermark und Krain bis hoch nach Oberungarn und weit nach Siebenbürgen hinein gereicht hatten, zerrüttet und zeitweilig völlig unterbrochen habe. „Diese Störung kam — als wieder friedliche Zeiten anbrachen — den Wienern zugute, und so traten denn in Ungarn die Wiener Pfennige auch als Handelsmünze an die Stelle der Friesacher" (693). 249

54. Aquileia, Patriarch Pilgrim II. von Dornberg. Denar

55. Aquileia, Patriarch Wolfger von Ellenbrechtskirchen. Dcnar

56. Aquileia, Patriarch Bertold von Meranien. Denar

Noch ein Wort über die Friesacher in Kroatien. Als dieses Land Ende des 12. Jahrhunderts aus jenen Reichsgebieten ausschied, in denen die königlich ungarische Münze Zwangsumlauf besaß, bürgerten sich auch in den Ländern am Unterlauf der Save und Drau die Friesacher ein. Kroatien war überhaupt die längste Zeit auf fremde Handelsmünzen angewiesen gewesen: By^antini, solidi romanati, solidi Romanorm/, pecunia Graecorum, neben denen auch einzelne ungarische Gepräge umliefen. Mit der Einbürgerung der Friesacher in Kroatien und Ungarn hatte es indessen eine merkwürdige Bewandtnis; sie hatten nämlich als Handelsmünze keinen eigentlichen Nennwert, „sondern wurden — wenn nicht Zahlung nach Stück bedungen war — nur nach Gewicht genommen. Daher gelangten gewöhnlich nur Altpfennige über die Grenze, das heißt Stücke mit verringertem Schrot, die man daheim schon außer Verkehr gesetzt hatte" (693). Im übrigen hat auch Kroatien vom Ende des 12. Jahrhunderts bis 1240 in Anlehnung an Friesacher Gepräge Münzen geschlagen, die gewöhnlich das Münzbild nachahmen oder sich in der Mache und anderen Prägeeigentümlichkeiten an das Vorbild anlehnen. Erwähnt soll noch werden, daß es auch geistliche Nachprägungen gibt. 3. Friaul a) Aquileia. Am 11. September 1028 verlieh Kaiser Konrad II. zu Imideshirten (Imbshausen bei Hildesheim) dem Patriarchen Poppo „ . . . monetam publicam infra civitatem Aquileie faciendi. Igitur Denarios ipsius monete ex puro argento firmiter precipimus fieri et Veronensis monete denariis aequiparari, nisi prenominatus patriarcha sua spontanea voluntate velit meliorare". Die Echtheit dieses Privilegs, von dem nur eine notarielle Abschrift aus dem Jahre 1195 im Archivio Capitolare zu Udine erhalten ist, war lange umstritten. Nun gibt es wohl einen Denar Poppos nach Regensburger Schlag, obwohl die vorerwähnte Urkunde Veroneser Währung vorschrieb; aber Poppo entstammte einem Kärntner Grafengeschlecht, war 1019 von Kaiser Heinrich II. zum Patriarchen ernannt worden und bewährte sich trefflich als Stütze des Deutschen Reiches. Er zog auch deutsche Gelehrte und Künstler an seinen Hof und herrschte in einem Gebiete, das damals noch zu einem guten Teile deutsch war. Es ist daher begreiflich, wenn er sich auch monetär an Deutschland anlehnte und an Stelle des ihm vorgeschriebenen Münzsystems das Regensburger bevorzugte, das sich für den regen Handel mit den angrenzenden österreichischen und den deutschen Ländern besser eignete. Aber der Denar des Poppo blieb bloß eine Episode, die keine Nachfolge fand. 250

57. Aquileia, Patriarch Raimondo della Torre. Denar

58. Aquileia, Patriarch Philipp von Alenjon. Denar

59. Aquileia, Patriarch Ludwig von Teck. Denar

Das Patriarchat hatte in Kärnten große Besitzungen und betrieb dorthin einen namhaften Handel. Durch seine Lehensträger und deren Untertanen in Kärnten, die ihre Abgaben in landläufigen Friesacher Pfennigen abstatteten, gelangten bald große Mengen davon nach Aquileia, wo sie neben der einheimischen Münze jahrhundertelang Geltung hatten, bis sich der Spieß umdrehte und die Agleier nunmehr ihrerseits die Friesacher verdrängten. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts scheint in Westkärnten der Agleier als die tragende Münzsorte auf; im 14. Jahrhundert verstärkt sich sein Vordringen zum Teil bis an die Nordgrenze. Am längsten hielt er sich im Lavanttal (Fund von Hintergumitsch). In den siebziger Jahren aber wird er schließlich vom Wiener Pfennig abgelöst. Nach Poppo trat, wie erwähnt, eine längere Pause in der Eigenprägung auf, in der man sich in Friaul mit dem Gepräge der kaiserlichen Münzstätten Oberitaliens, besonders von Verona und Venedig behalf. Allein der Münzfuß dieser Pfennige verschlechterte sich unaufhaltsam. Die kleinen schüsseiförmigen Gepräge von Verona, wegen der Kreuzchen auf beiden Seiten denarii cruciati genannt, waren zur Zeit, in der die ersten hochhaltigen Friesacher geschlagen wurden, schon auf ein Stückgewicht von 0,456 Gramm und 0,263 Feingehalt herabgesunken. Das führte im Handel und Wandel zu namhaften Mißständen. Als nun die Friesacher durch die Abgaben der Untertanen aus Kärnten massenhaft nach Aquileia kamen, entschloß sich Friaul zu einer Besserung seiner monetären Verhältnisse. Der Spanheimer Patriarch Peregrin oder Pilgrim (1130—1164) „erinnerte sich an das lange vernachlässigte Münzrecht seines Hochstiftes und an die Ermächtigung, auch bessere Münzen als die Veroneser schlagen zu dürfen" (693). Als Kärtner war ihm das geordnete Münzwesen dieses Landes bekannt: er nahm deshalb die Friesacher zum Vorbild für seine eigenen Prägungen. Die Veroneser denarii cruciati und die ihnen nachgebildeten ebenfalls schüsseiförmigen Gepräge von Venedig, die kaum mehr als 1/12 der Friesacher Pfennige wert waren, blieben im Patriarchat als denarii parvuli als Kleingeld weiter im Umlauf. „Die Friesacher aber hatten als Grossi, wahrscheinlich als Schillinge zu 12 parvuli, die Aufgabe des Hartgeldes zu erfüllen. In welchem Jahre diese Verbesserung eintrat, welche die Ausdrücke Frixachensis, Fresachensis, Frixachus, Frixerius noch nach Jahrhunderten zur technischen Bezeichnung der neuen vollwertigen Agleier Pfennige macht, entzieht sich unserer Kenntnis; wohl aber ist es sicher, daß sie von Patriarch Peregrin I. ausgegangen ist" (693). Die Nachahmung der Friesacher dauert bis in die Regierungszeit des Patriarchen Wolfger (1204—1218), welch letzterer die Stücke mit der rückläufigen Umschrift ERIACENSIS nachprägen ließ, während seine Vorgänger Gottfried und Pilgrim II. Namenschiffren, Pilgrim I. ein A, Ulrich II. aber AQVILEGIA P. auf ihre Münzen gesetzt hatten. Diese und andere Nachahmungen des Friesacher Pfennigs (z. B. 251

von Gurk) haben den Erzbischof von Salzburg Adalbert veranlaßt, vom Kaiser ein Privilegium de monetis zu erwirken, das zwar nicht erhalten ist, aber wahrscheinlich wie der schon erwähnte Spruch des Reichsgerichtes von 1195 gegen unbefugte Nachprägungen gerichtet war. Unter Patriarch Wolfger von Leubrechtskirchen, vorher Bischof von Passau, der sich auch Markgraf von Friaul, Istrien und Krain nannte, änderte sich sowohl Münzfuß als auch Aussehen der Agleier. Es ist, könnte man sagen, eine nationalistische Veränderung eingetreten, da seit diesem Patriarchen das Münzwesen nach dem Vorbild des in der unmittelbaren italienischen Nachbarschaft üblichen venezianischen Münzwesens umgestellt wurde. Schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts war die Lagunenstadt in rege Handelsbeziehungen zum Friaul getreten; venezianisches Maß und Gewicht und zuletzt auch die Münzen kamen in Gebrauch. Diese neuen Agleier oder Friauler Pfennige wurden nach der venezianischen Mark ausgebracht, die auch anderwärts verwendet wurde und mit ihren 238,3437 Gramm etwas schwerer war als die Kölner. Von den beiden Denartypen Wolfgers ist der ältere mit dem sitzenden Kirchenfürsten und der Darstellung eines Tempels auf der Rückseite im Grunde eine Nachahmung der zahlreichen kaiserlichen und kirchlichen Denare aus gewissen deutschen Münzstätten, wie z. B. Aachen und Köln, von wo Patriarch Wolfger stammte. Auffallend ist jedoch die viel feinere und sorgfältigere, geradezu künstlerische Ausführung und die Schüsselform, die fortan bis zum Patriarchen Paganus della Torre (1319—1332) beibehalten wird. Es sind dies die sogenannten denari scodellati, wie sie in Italien heißen; sie wurden im österreichischen Raum von den Bischöfen von Triest und Trient, von Herzog Bernhard von Kärnten in Laibach und Landstraß sowie von den Grafen von Görz in Lienz geschlagen. Diese kleinen Kunstwerke bilden einen angenehmen Gegensatz zu den meist häßlichen Friesachern und anderen österreichischen Geprägen dieser Zeit. Der zweite Typus Wolfgers schlägt ebenso wie die Münzen seiner Nachfolger mit der Darstellung der Rückseite ganz neue Wege ein. Bei Wolfger ist es ein nimbierter Adler, dann gibt es ein Bildnis des hl. Hermagoras, des Patrons des Patriarchats, Lilien, Blumenkränze, Wappen usw. Auch bildliche Anklänge an die venezianischen Matapane, auf deren Vorderseite der hl. Marcus und der Doge zu sehen sind, finden sich etwa auf einem Denar des Neapolitaners Gregor v. Montelongo (1251—1269), der den hl. Hermagoras neben dem Patriarchen zeigt. Der Standort der Münzstätte wurde wiederholt gewechselt; einmal prägte man zu Aquileia, dann zu Udine, ein andermal wieder zu Cividale oder Gemona. Im 13. Jahrhundert wurden die Münzen von Aquileia von den Grafen von Görz in Lienz und von den Bischöfen von Triest nachgeprägt. Aus dem 14. Jahrhundert sind solche Nachprägungen nicht bekannt, dagegen in besonders merkwürdiger Weise aus dem 15. Jahrhundert, als es hier schon längst keine Münzen der Patriarchen mehr gab. Der vom Ungarnkönig Matthias Corvinus 1464 zum Ban und 1470 zum König von Bosnien ernannte Nikolaus Ujlaki (f 1476) ließ nämlich Münzen der Patriarchen Antonio II. Panciera von Portogruaro (1402—1408 bzw. 1411) und Ludwig von Teck (f 1437) nachprägen, wobei das Münzbild gleich blieb wie beim Muster und nur die Umschrift geändert wurde. Man darf daher „mit höchster Wahrscheinlichkeit annehmen, daß die Aquileier Münzen noch zur Zeit Ujlakis in Bosnien stark im Umlaufe gewesen sind, obgleich sie damals in unseren Ländern bereits aus dem Verkehr gewichen waren. Dabei verschlägt es nicht, daß die Patriarchen von Aquileia schon seit mindestens 40 Jahren zu münzen aufgehört hatten, denn es ist bekannt, wie sehr Handel und Wandel unter halbzivilisierten Völkern die einmal beliebt gewordene Münze festhält" (660/III). Zudem 252

60. Triest, Bischof Heinrich II. Ravizza. Denar

61. Triest, Sedisvakanz. Denar

ist es bekannt, daß Denare von Aquileia in Ungarn viel zirkulierten ; „von daher mögen sie ebenso gut wie aus Kroatien und Dalmatien nach Bosnien gedrungen sein; dies mag den König bewogen haben, diese Gepräge nachzuahmen" (660/III). Ob dabei auch Gewinnsucht mit im Spiele war, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden, es ist jedoch durchaus möglich. Interessanterweise werden die Agleier und auch die Triestiner in dem berühmten Werk des Florentiners PEGOLOTTI, „Prattica dellamer catura" aus der Zeit um 1340 erwähnt. Die Münzen von Aquileia und Trient werden hier unter dem Namen „fregiachesi dell' Aquila e della Torre e dello giglio e della luna" beschrieben. Diese Stücke gehören den Patriarchen Gregorio di Montelongo (1251—1269) undRaimondo della Torre (1273—1298) sowie ihrem Triestiner Zeitgenossen, dem Bischof Arlongo de'Visgoni (1260—1282) an (328). Pegolotti hat sein Buch als Hilfsmittel für den Kaufmann geschrieben, um diesen in einer Art von Kurszettel über den Handelswert der umlaufenden Münzen zu informieren. Daß die Agleier hier erwähnt werden, zeigt, daß sie schon damals zu einer wichtigen Handelsmünze geworden waren. Pegolotti unterscheidet sie in vecchi, alte, und nuovi, neue, von denen jene auf eine Feinheit von 0 , 7 5 0 , die neuen auf 0 , 5 9 4 geschätzt werden. L U S C H I N suchte die alten unter den Geprägen des Petrus Gerra ( 1 2 9 9 — 1 3 0 1 ) oder Ottobonus de Razzi ( 1 3 0 2 — 1 3 1 5 ) , die neuen aber unter denen des Bertram de St. Gènes ( 1 3 3 4 bis 1 3 5 0 ) , also eines Zeitgenossen des Florentiners. Gold wurde in Aquileia nie geprägt, nur Silber, das in späterer Zeit sehr stark mit Kupfer legiert war (Billon). Sowohl doppelte {grossi), einfache und Halbdenare (me%%int) variierten im Gewicht als auch die aus Billon hergestellten piccoli, auch parvi oder parvuli, auch denarii parvuli oder bagattini genannt (0,25—0,6 g). Später erhielten auch die Denare einen Kupferzusatz von etwa 40%, während der Silberzusatz von 1/8 bei den Piccoli ganz entfiel. Der Silberdenar war in 12, später 14 Piccoli unterteilt. Wie schon die Bezeichnung denari nuovi bei Pegolotti ihren verminderten Feingehalt andeutet, blieb auch Aquileia nicht von einer einschneidenden Münzverschlechterung verschont. Sie begann mit Paganus della Torre, dem es bei der Schuldenlast des Patriarchats nicht einmal möglich war, die von Rom geforderten hohen Kontributionen zu bezahlen. Auch seine unglücklichen kriegerischen Unternehmungen verschlangen sehr viel Geld. Um den Handel zu beleben, förderte er die Niederlassung fremder Kaufleute, insbesondere der Florentiner in Cividale. Aber die Münzverschlechterung war dennoch unausbleiblich; sie schritt unter seinen Nachfolgern noch weiter fort, während deren Regierungszeit das Patriarchat noch dazu unter Erdbeben, Pest und Hungersnot zu leiden hatte. Auch die Mißwirtschaft Philipps von Alençon (1381—1388), eines Neffen des Königs von Frankreich, trug viel zum Untergang des Patriarchats bei. Venedig ging 253

aus der Auseinandersetzung mit den Patriarchen als Sieger hervor. Nach der Flucht des vorletzten Patriarchen, Ludwigs von Teck (1412—1437), der im Exil zu Basel starb, schloß sein Nachfolger Lodovico III. Scarampi Mezzarota 1445 mit der Serenissima einen Vertrag, in dem er sich die geistliche Herrschaft über das Patriarchat sowie die weltliche über die Stadt Aquileia, San Vito und San Daniele im Friaul sicherte, dagegen den gesamten übrigen Besitz des Patriarchates und alle seine Rechte gegen eine jährliche Pension von 5000 Dukaten dem Sieger abtrat. Scarampo hat nicht mehr gemünzt; sein Vorgänger Ludwig von Teck war der letzte, der Münzen ausgab. Zuletzt befand sich die Münzstätte in Udine im sogenannten Turione vecchio, die im Jahre 1662 beim Niederreißen des Gebäudes dort entdeckt wurde. b) Triest. Im Zusammenhang mit Aquileia muß auch die Münzprägung der Bischöfe von Triest und die des Kärntner Herzogs Bernhard in Laibach betrachtet werden. Wann und ob überhaupt das Bistum das Münzrecht erhielt, wissen wir nicht. Die Tatsache besteht jedoch, daß es die Münzen der Patriarchen in Form, Bild und Münzfuß nachahmte. Die erste dieser Münzen zeigt auf der Vorderseite den thronenden Bischof mit Mitra, Krummstab und Evangelienbuch und auf der Rückseite einen Tempel mit zwei Säulen, ähnlich den Münzen des Patriarchen Peregrin II., die den Übergang vom Friesacher zum AquileiaTypus bilden. LUSCHIN hat dieses erste Triestiner Stück, das nur den Ort, aber nicht den Münzherrn nennt, dem Bischof Heinrich III. Rapicio (1200—1203), einem Zeitgenossen Peregrins, zugeschrieben, andere wieder dessen Nachfolger Givardo (Gebardo oder Wigbard, 1203—1213). Die Frage ist m. W. noch offen. Givardo hat indessen schon unter seinem eigenen Namen gemünzt, wobei er den Typus von Aquileia mit dem Tempel beibehielt. Leonhard I. (1232—1234) und Ulrico de Portis, ein Nobile aus Cividale (1234—1254), emanzipieren sich in den Münzbildern so ziemlich von Aquileia ebenso wie Arlongus de' Visgoni (1260—1282). Nur der feine Stempelschnitt und die schüsseiförmige Form zeigt den Zusammenhang mit Aquileia auch weiterhin auf. Der von ihm geprägte Denar mit dem Halbmond und Stern auf der Rückseite wird von Pegolotti unter der Bezeichnung luna erwähnt. Die Prägung des Triestiner Bistums hört mit Rodolfo Moranduri del Pedrazzani (1302—1312) auf, ohne daß wir die Gründe dieser Einstellung urkundlich nachweisen können. c) Laibach. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts war Laibach der Hauptort der alten krainerischen Besitzungen der spanheimischen Herzoge in Kärnten. „Unter den vielen geistlichen und weltlichen Fürsten, die sich damals in den Besitz Krains teilten, standen die Spanheimer fast an erster Stelle" (39). Auch Landstraß (Landestrost, K o s t a n j e v i c a ) gehörte ihnen, das, wie schon der Name sagt, der Bevölkerung vor allem als Schutz gegen Überfälle der östlichen Nachbarn diente. Auch in diesem Schlüsselpunkt befand sich eine Münzstätte. „Laibach aber diente als Kernpunkt des damals politisch zerrissenen Krain. Zufolge seiner vorzüglichen geographischen Lage, im Schnittpunkt dreier bedeutender Handelslinien: Ungarn—Friaul, Kärnten—Istrien und Wien—Triest, hatte es bald nach der Befriedung Mitteleuropas nach den Stürmen der Völkerwanderung durch den wieder auflebenden Handel seine alte Bedeutung zurückgewonnen" (39). Herzog Bernhard II. (1202—1256) hatte den Schwerpunkt seiner Politik nach Krain verlegt. Zu seinen landesherrlichen Rechten gehörte auch die Ausübung des Münzrechtes in Landstraß und Laibach (um 1215). Sein mächtigster Rivale um die Vorherrschaft in Krain war Markgraf Heinrich IV. von Andechs-Meranien, dessen reiche Besitzungen in 254

Oberkrain mit dem die Alpenpässe beherrschenden Hauptort Stein, das ebenfalls eine Münzstätte beherbergte, sich mit denen des Kärntner Herzogs wohl messen konnten. Neben dem Andechser hatte Bernhard aber auch noch mit dem Patriarchen Berchtold von Meranien zu rechnen. Bernhard hatte seinen ältesten Sohn Ulrich mit Agnes, der Tochter Ottos VII. von Andechs-Meranien vermählt, so daß er schließlich die ganze Landgrafschaft besaß. Aber sein Versuch, nach dem Tode seines Vaters Aquileia aus Krain zu verdrängen, scheiterte. Er mußte u. a. das angestammte Laibach vom Patriarchen zu Lehen nehmen. Nach Ulrichs Tod eroberte Ottokar von Böhmen 1270 Kärnten und Krain, verlor aber Krain im doppelten Kampfe gegen Rudolf und Aquileia zur Gänze. Nach der Schlacht auf dem Marchfelde setzte der Habsburger unter Umgehung der Ansprüche des Patriarchats vorerst Meinhard von Tirol als Hauptmann von Krain und der Mark ein. 1282 verlieh er dann die aquileische Landgrafschaft Krain und die Mark als Reichslehen seinen Söhnen Albrecht und Rudolf. So war der Münzstätte Laibach infolge aller dieser politischen Ereignisse nur ein kurzes Leben beschieden. Die Laibacher Münze wird zum erstenmal 1248 in einer Urkunde von Bischof lack erwähnt. Durch eine Schenkungsurkunde Herzog Ulrichs von 1263 erscheint die Fortdauer der Münzstätte nach dem Tode Herzog Meinhards gesichert. Während der böhmischen Besetzung werden Zahlungen in Laibacher Münze festgesetzt, doch tragen alle Münzen den Namen Bernhards. Ob König Ottokar in Laibach noch gemünzt hat, kann nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden. Es ist durchaus möglich, doch lassen sich dieser Münzstätte keine bestimmten Gepräge zuteilen. Für die Vorderseite des ersten Gepräges hat man das Reitersiegel Bernhards zum Vorbild genommen, für die Rückseite eine Stadtansicht, die schon beim Patriarchen Wolfger vorkommt. Spätere Prägungen unterscheiden sich nur mehr durch Umschrift und kleine Details von den gleichzeitigen Agleiern. Etwa um 1225 prägte man dann doch den sitzenden Herzog auf die Vorderseite, während die Rückseite ein Fabeltier aufweist. Alle diese Gepräge und auch die Mehrzahl der folgenden sind schüsseiförmig und von feinem Stempelschnitt, der an italienische Goldschmiede als Stempelschneider denken läßt. Eine Ausnahme bildet ein in mehreren Stempelvarianten vorkommender Denar mit einem einen Kreuzstab haltenden Löwen auf der Vorderseite und einem Löwenkopf über einem Turm auf der Rückseite. Diese Münzen sind denen von Landstraß nachgebildet. Die nahe bildliche Verwandtschaft der Münzen Bernhards mit denen von Aquileia ist unschwer aus den großen Besitzungen des Patriarchats in Krain zu erklären, dessen Gepräge hier in Mengen umliefen. Da der Herzog nicht auf die Ausübung seines Münzrechtes verzichten wollte, glich er seine Münzen denen des Patriarchates an, schon weil dieses in Krain bereits früher begütert war und seine Gepräge daher längst im Lande umliefen. „Der Münzfuß der Laibacher dürfte anfangs jenen der Agleier angepaßt worden sein, später machen jedoch die Laibacher Denare dieselben Wertverminderungen mit wie die Friesacher. Mit der Schwesteranstalt in Landstraß war Laibach sowohl durch gemeinsame Gepräge nach Agleier aber auch nach Friesacher Schlag verbunden" (39). Die Stücke nach Agleier Art waren als eine lokale Währung gedacht, während die nach Friesacher Schlag als Exportmünzen für das östliche Ausland dienten. Sie wurden in großen Mengen auch in der Nebenmünzstätte Heiligenkreuz bei Landstraß geprägt. d) Gör%. In dieselbe Kategorie wie die drei vorgenannten Münzstätten gehören auch die Gepräge der Grafen von Görz. Leider gibt es keine auf neueren Forschungen beruhende Ubersicht über die Münz- und Geldgeschichte dieses Landes, das durch seine geo255

62. Görz, Gf. Heinrich II. Denar, Lienz

graphische Lage ganz besonders interessant ist. Wir müssen uns daher hier mit SCHWEITZERS , Abrégé de l'histoire des comtes de Gorice et série de leurs monnaies', Triest 1851, begnügen. Eine Arbeit, die für die damalige Zeit auf einem sehr hohen Niveau steht und deshalb auch von LUSCHIN in seinen ,Umrissen' herangezogen wurde. Wann die Görzer Grafen das Münzrecht erhielten, ist unbekannt, da keine Urkunde darüber erhalten ist. Da aber die erste Görzer Münze dem Grafen Meinhard II. (1186 bis 1202) zugeschrieben wird, dürften die Grafen das Recht, eigene Münzen zu schlagen, zu Beginn des 13. Jahrhunderts erworben oder auch usurpiert haben. Auch die Prägungen von Aquileia, Kärnten und Triest setzen um ungefähr diese Zeit ein. Denn in dieser Epoche, sagt SCHWEITZER mit Recht, unternahmen die Städte und Gemeinwesen sowie abhängige Landesherren von einem gewissen Ansehen ihre ersten Anstrengungen, um sich vom Reich unabhängig zu machen. LUSCHIN setzt den Ausmünzungsbeginn um das Jahr 1210 an. Früher keinesfalls. Denn am 13. Dezember 1202, als zu Cividale bekundet wird, welche Rechte die Grafen von Görz als Vögte im Patriarchate von Aquileia beanspruchen konnten, heißt es ausdrücklich : Monetam non habebat. Im Frieden von St. Quirino 1202 hatten die Görzer zwar den Patriarchen Peregrin II. das volle Eigentum an der Stadt Görz und ihrem Gebiete abgerungen, doch wurde bei der schiedsgerichtlichen Regelung der Vogtrechte das Münzrecht davon ausgeschlossen. Die Grafen eröffneten hierauf ihre Münzstätte zu Lienz, das in den Stammbesitzungen des Geschlechtes und außerhalb der Grenzen des Patriarchates lag. Bald errichteten sie auch eine Münzstätte zu Porto Tesana, dem heutigen Latisana, die Münze bestand jedoch nur kurze Zeit, wogegen die zu Lienz bis zum Aussterben des Geschlechtes mit Graf Leonhard IV. (1500) in Betrieb blieb. Daneben wurde, wohl zu Ende des 13. Jahrhunderts, auch eine Münzstätte zu Obervellach im Kärntner Mölltale eingerichtet, da die Görzer Grafen im obersten Teil dieses edelmetallreichen Tales reichen Besitz hatten, der die Nähe einer Münzstätte angezeigt erscheinen ließ. Die Grafen hielten sich in ihren Prägungen zwar vor allem an das Vorbild von Aquileia, haben aber auch nach Friesacher Art geschlagen. Wenn CZOERNIG (I, 705) meint, daß diese Prägungen in Friesach selbst entstanden seien, weil die reichen Silbergruben das erforderliche Material lieferten, so ist dies unrichtig, denn die Grafen hatten bloß „Anspruch auf 20 Mark Gülte, die sie aus den Erträgnissen der erzbischöflichen Münze zu Friesach bezogen". Es gab, wie LUSCHIN konstatierte, nur drei, übrigens seltene Ausnahmen, die den Friesacher Typus nachahmen. In erster Linie wurden natürlich Pfennige (Denare, darunter auch einige Scodellati und Brakteaten) und ihre Teilstücke: Halbdenare und Piccoli, unter dem letzten Grafen auch sogenannte Etschkreuzer nach Tiroler Vorbild geschlagen. Bemerkenswert ist ein 256

Grosso (?) des letzten Grafen mit seinem Brustbild vom Jahre 1498, den Schweitzer unter Nr. 103 beschreibt. Die Grafen Heinrich III. (1338—1364) und Meinhard V. (1364—1365) sollen auch Goldstücke nach Florentiner Typus geprägt haben. Das CNI. führt ein solches Stück ebenfalls an; da es aber von dem berüchtigten C. W. BECKER unter Nr. 99 in seinen ,200 seltene Münzen des Mittelalters', Leipzig 1813, beschrieben ist, dürfte es sich um eine von ihm begangene Fälschung handeln, was auch für das in der Sammlung Reichel in Sankt Petersburg befindliche Stück zu gelten haben wird. Schweitzer führt für die Chronologie ein sehr treffendes heraldisches Argument an: die Münzen mit dem Löwen allein gehören in die Zeit vor 1304; jene aber, die das heute noch übliche Görzer Wappen zeigen, das außer dem Löwen noch die Schrägbalken aufweist, ausnahmslos in die folgenden Jahre bis zum Erlöschen des gräflichen Hauses. Die mehrfach geäußerte Ansicht, daß der einfache Löwe auch später beibehalten worden sei und bloß für Istrien gegolten habe, ist jedoch urkundlich nicht erwiesen. Nach dem Tode des letzten Grafen hat die Münzstätte Lienz unter Maximilian I. noch eine Zeitlang fortbestanden. Im Jahr 1504 überließ der König dem Münzmeister Johann Strigel diese Münze, der sich anheischig machte Kreuzer und Vierer zu schlagen. Von je 13 Mark Feinsilber waren den Landesfürsten 1 Fl. rh. zu bezahlen. Im Jahr 1505 scheint die Münzstätte noch tätig gewesen zu sein. 4. Innerösterreich — Steiermark a) Enns. Als Geburtsjahr der Steiermark gilt mit gutem Recht das Jahr 1122. Damals starben die Kärntner Eppensteiner aus und ihr reiches Eigengut im Mur- und Mürztal fiel an die Traungauer, die im Oberland bisher nur die Grafschaftsrechte sowie Eigen im Ennstal und um Judenburg besessen hatten. Nunmehr erstreckte sich ihr Gebiet — Amt und Eigen — von der Donau bei Enns bis ans Murknie bei Ehrenhausen, ja, ihr Streubesitz reichte bis Friaul. Um die gleiche Zeit dürfte auch die Steiermark von Kärnten getrennt und reichsunmittelbar geworden sein. Von einer Münzrechtsverleihung wissen wir nichts, dagegen werden im Jahre 1185 in einer Admonter Urkunde aensarii, d. h. Ennser Pfennige erwähnt. Es wurde indessen mit gutem Grunde behauptet, daß schon seit 1140 fallweise geprägt wurde (176). Enns begann damals als Handelsplatz aufzublühen und war der östlichste Punkt der von fremden, besonders Regensburger Kaufleuten aufgesucht wurde, denn das Gebiet am rechten Ufer des Ennsflusses galt damals noch als recht unsicher. Die Prägung in Enns wurde von dem letzten Traungauer, Ottokar I., Herzog von Steiermark (1180—1192) bald nach seinem Regierungsantritt ins Werk gesetzt, als ihm nach Ächtung Herzog Heinrichs des Löwen von Bayern dieses Gebiet zugefallen war. Wir kennen sogar den Namen des Münzpächters, Riwidus, der 1191 in Enns tätig war. „Die neue Münzstätte war steirisch und blieb es auch nach der Vereinigung der Steiermark mit Österreich im Jahre 1192, solange Babenberger herrschten. Erst während des Zwischenreiches vollzog sich die Änderung, als durch den Ofener Frieden 1254 vom ungarischen König ein Teil der Steiermark an Przemysl Ottokar II. abgetreten wurde und dieser seine Erwerbung mit dem Herzogtum Österreich vereinigte. Von da ab war Enns eine Münzstätte für das Herzogtum Österreich . . ." (685). Die aus der steirischen Münzstätte Enns stammenden Gepräge sind redend; sie tragen die Aufschriften Mo(neta) ANASV und zeigen auf der Vorderseite einen Engel mit Kreuz, auf der Rückseite einen Enterich. Pfennige mit ähnlichen Münzbildern dürften daher nach Enns gehören. 257

b) ¥tschau. Im Jahre 1166 werden in einer Urkunde des oststeirischen Ortes Hartberg denarii Viscacensis mottete und ein Eberhard als Münzmeister genannt. Als Gepräge dieser Zeit dürfte wohl ein Breitpfennig mit einem Panther links im Hohlring auf der Vorderseite, an den sich vier in Lilien ausgehende Doppelbögen anschließen, und auf der Rückseite mit einem Röschen und einem stark gekrümmten Drachen gelten, denn der Panther weist nach einer steirischen Mün2stätte; die Mache aber auf ein Gepräge aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Die Münzstätte wurde dann vor 1195 auf Veranlassung des österreichischen Herzogs Leopold V. von Fischau nach dem nahegelegenen, neuerbauten Wiener Neustadt gebracht und einem jüdischen Münzmeister namens Schlom überlassen. Münzen dieser Zeit kennen wir indessen nicht. Die beiden von den Traungauern oder Chiemgauern eingerichteten Münzstätten hatten sich in Münzfuß und Mache an die Kremser und später an die Wiener Gepräge angeschlossen. c) Graz Pettau. Unter der Herrschaft der Traungauer gab es in ihrem großen Gebiet südlich vom Semmering und Wechsel noch keine Münzstätte. Auch ihre Erben, die österreichischen Babenberger, ließen es vorläufig dabei. Erst Herzog Leopold VI. der Glorreiche richtete in der steirischen Landeshauptstadt Graz eine Münzstätte ein, um das Übergreifen der Friesacher von den salzburgischen Besitzungen in der Steiermark auf sein eigenes Gebiet zu verhindern oder wenigstens einzudämmen. „So entstanden zu Graz ungefähr in den Jahren 1210 bis 1215 jene Pfennige, die auf einer Seite nach dem Vorbild der gleichzeitigen Friesacher einen Engelkopf mit hochaufragenden Flügeln und der Umschrift F R I S A C H , auf der anderen den Herzog selbst zeigen. Später um 1222 wurde die Grazer Münzstätte geschlossen und gemeinschaftlich mit dem Erzbischof Eberhard II. zu Pettau eine neue eingerichtet, die aber nicht lange bestand. 1232 unter Herzog Friedrich dem Streitbaren wurde die herzogliche Münze zu Graz wieder eröffnet; sie gab wegen häufiger Münzerneuerungen zu Klagen Anlaß, welche nach Ächtung des Herzogs durch Kaiser Friedrich II. dazu führten, daß durch einen kaiserlichen Gnadenbrief fortab den Ministerialen des Landes Einfluß auf die Münzerneuerung verliehen wurde". (693/ 1923) I n der M a c h e haben sich die n u n als selbständige Gramer Pfennige (moneta Grae-

censis) auftretenden steirischen Gepräge, dessen Sonderung von den anderen babenbergischen Münzstätten schwer möglich ist, wohl mehr den Friesachern als den Wiener Pfennigen angenähert. Auch für die Steiermark liefern die Rechnungen der Einheber des Lyoner Zehents für die Jahre 1282 bis 1285 wertvolle Nachrichten über Gewicht und Feingehalt. Über die Münzerneuerung in der Steiermark gibt auch die Steirische Reimchronik (um 1291) Nachricht. Diese Münzerneuerungen wurden von der Bevölkerung als arge Plage empfunden, da dieses „Recht" meist sehr willkürlich ausgelegt und gehandhabt wurde. Sie waren nichts anderes als eine starke Besteuerung des Bargeldes. Wie schon erwähnt, untersagte schon der Freiheitsbrief Kaiser Friedrichs II. ihre alljährliche Wiederkehr. Obwohl König Rudolf von Habsburg dieses Verbot 1277 bestätigte, scheint Abt Heinrich von Admont, der als Landschreiber zugleich Finanzpächter und Beamter des Landesfürsten war und als solcher ein lukratives Amt bekleidete, dennoch zu dieser Maßregel geraten zu haben. Er begnügte sich nicht damit, daß er dem Lande zahlreiche entfremdete Güter zurückgebracht hatte, sondern griff dennoch zu diesem alten probaten Mittel der als „Währungsreform" getarnten Münzerneuerung. Es hat übrigens eine gewisse Zeit gedauert, bis sich die steirische Prägung in ihrem Äußern vom Friesacher Vorbild löste und eine eigene Form annahm, die als der eigentliche 258

63. Steiermark, Kg. Rudolf I. von Habsburg. Grazer Pfennig (Vs.)

Grader Pfennig anzusprechen ist und als solcher sich auch urkundlich als „moneta Graecensis" qualifizierte. Die steirischen Pfennige sind gleich den Wiener Pfennigen meist schriftlos. Es gibt aber auch eine Anzahl redender Münzen, deren Umschriften dadurch bemerkenswert sind, daß sie sich zuweilen bereits der deutschen Sprache bedienen und infolgedessen als „die älteren Beispiele der Anwendung von Landessprache in Süddeutschland angesehen werden können" (150). Das bekannteste, seltenste und daher auch berühmteste Stück ist der Pfennig mit dem steirischen Panther und der Vorderseite-Umschrift SCHILT VON STEIR, von dem sich nur wenige Exemplare erhalten haben. Was die stummen, also die inschriftlosen Gepräge anlangt, so ist es sehr schwierig, die älteren Grazer Pfennige von den Friesachern abzusondern, da sie einander in Mache und Feingehalt oft sehr ähnlich sind. Hier sind zunächst die Münzbilder und das Fundvorkommen zu berücksichtigen. Für die jüngeren Grazer Gepräge fällt dies weg, weil die Ausmünzung der Friesacher in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eingestellt wurde; dafür beginnt eine Annäherung an die Wiener Pfennige, die seit dem Jahre 1409 zur Ausbringung von Grazer Pfennigen nach Wiener Schlag führte. Die Münzordnung von 1339 bestimmte eine Verkleinerung des Schrötlings bei gleichzeitiger Verdickung, was nicht nur für den Münzfuß, sondern auch für die zeitliche Einordnung von Bedeutung ist. Um der Wirkung der sogenannten Ausseigerung (Ausscheidung) der schweren Stücke aus dem Verkehr zu begegnen, wurde, wie dies die Münzordnung verlangte, auch das Schrot ein und derselben Münzgattung zu bestimmten Zeiten verringert; danach schwankte die auszubringende Anzahl je Lot zwischen 21 und 23 Stück ! Die drei verschiedenen Perioden wurden durch Anbringung von Punkten oder anderen Beizeichen im Stempel gekennzeichnet; die schwerste Serie, die von Lichtmeß bis Reminiscere, blieb ohne Kennzeichen. Ob dieser periodische Wechsel des Schrots der Pfennige in der Grazer Münze seit alters üblich war oder ob er erst durch die Münzordnung von 1339 neu eingeführt wurde, ist nicht festzustellen, doch ist zu vermuten, daß es sich um eine Neueinführung handelt (680). d) Zeiring. Neben Graz wurde später eine zweite Münzstätte in der Obersteiermark nächst dem Bergwerk Oberzeiring eingerichtet, um die reiche Silberausbeute gleich an Ort und Stelle ausmünzen zu können. Wann dieser Bergbau in Betrieb genommen wurde, wissen wir nicht. Die erste urkundliche Nachricht stammt aus dem Jahre 1265, indem in einem Verzeichnis der landesfürstlichen Einkünfte der „mons Zyrich" erwähnt wird. Einige Jahre später, 1317, ist dort auch ein „Mathe der minczer" nachzuweisen. Der Bergbau selbst war jedenfalls viel älter; der Beginn der Silbergewinnung dürfte wohl schon in die 259

64. Steiermark, Grazer Brakteat um 1331 65. Steiermark, Kg. Przemysl Ottokar II. von Böhmen. Grazer Pfennig (Vs.) 66. Steiermark, Grazer Brakteat aus der Zeit Albrechts I.

Zeit der Babenberger fallen. Für den reichen Ertrag des Bergwerks spricht, daß am 23. November 1279 König Rudolf I. den „Berg Ceyrich" persönlich besuchte; seither mehren sich die Nachrichten. Daß der Münzhammer schon zu dieser Zeit tätig war, „darf man wohl aus der Bestätigung über den Münzwechsel nach Münzerneuerungen schließen, welche das Privilegium von 1277 für die nahe gelegene Stadt Judenburg enthält" (693/ 1923). Im 14. Jahrhundert ist dann die Münzstätte ausdrücklich und urkundlich einwandfrei bezeugt. Mit dem katastrophalen Wassereinbruch von 1361, dem „in einer viertel Stunde ob denn 1400" Mann zum Opfer gefallen sein sollen, erreichte der Betrieb des Bergbaues und in der Folge auch die Ausmünzung zu Zeiring ihr Ende. Zwar hatte Herzog Rudolf IV. der Bürgerschaft zum Trost urkundlich verbrieft, „daß die münz Grazer Pfennig, furbas sein soll daselbe auf dem obern Zeiring und nicht zu Judenburg, also daz dieselben ein eigen Münz auf der obern Zeiring" wie bisher haben sollen. Aber es kam nicht mehr dazu. Die Versuche, die ersäuften Gruben wieder befahrbar zu machen, blieben vergeblich ; Gewerken, Bergknappen wie Münzer verliefen sich. Es hat längere Zeit gedauert, bis man zu der gesicherten Nachricht über die Münzstätte auch die entsprechenden Münzen aus der Masse der Kärntner und Grazer Friesacher aussondern konnte. LUSCHIN wagte dies noch nicht; das Verdienst, einen entscheidenden Schritt vorwärts getan zu haben, kommt dem Wiener Friedrich MAYREDER und dem Grazer Wilhelm FRITSCH ZU. Sie konnten auf Grund eines im Jahre 1914 bei Pols unweit von Zeiring gemachten Münzfundes und eines zweiten, der schon 1823 in Aichdorf bei Farrach (bei Fohnsdorf) gemacht worden war, feststellen, daß die Zeiringer Münze schon v o r der ersten urkundlichen Nennung (1265) tätig war und zwar zur Zeit der ersten Reichsverwaltung unter Kaiser Friedrich II. (1237—1240), während des Zwischenreiches nach dem Tode des letzten Babenbergers (1247—1250) und endlich unter der Böhmenherrschaft (1260—1276). Unter den Münztypen ist ein Pfennig mit der Darstellung eines Bergmannes besonders bemerkenswert. Der frühverstorbene Mayreder hat dann Pfennige nach Grazer Schlag aus der Masse der schon bekannten ausgesondert, die infolge ihrer Pantherund Damhirsch-Rückseiten wahrscheinlich für Oberzeiring in Betracht kommen. Mayreder glaubt überdies, daß der tatsächliche Beginn der Zeiringer „in die Tage der Blüte des Friesacher Pfennigs, also spätestens in die Zeit um 1220 fällt". Auf alle Fälle war die Zeiringer Münzung insofern nur eine Episode im steirischen Münzwesen des Mittelalters, als die Ausprägung hier mit dem Bestehen des Bergwerkes stand und fiel. Der Grazer Pfennig, zu dem auch die jüngeren Zeiringer gehören, behauptete sich in seiner bisherigen Art als besondere Münzgattung bis zum Jahr 1409. 1368 werden 20 neue Grazer 30 alten Wiener Pfennigen gleichgesetzt, ein Wertverhältnis, das bei Grundabgaben noch im 15. Jahrhundert festgehalten wurde. 260

67. Steiermark, Pfennig 14. Jh., Zeiring

68. Steiermark, Hg. Rudolf IV. Grazer Pfennig

e) Judenburg. Noch in das 14. Jahrhundert aber fällt eine Guldenprägung aus österreichischem Golde, die zwar eine Art Ausbeutemünzung darstellte, wenn man für jene Zeit diesen Begriff schon anwenden darf, die aber letzten Endes doch nur als Versuch zu werten ist, dem Einströmen ungarischer Goldmünzen, wenn nicht Einhalt zu gebieten, so doch Widerstand entgegenzusetzen. Die Einbürgerung des Goldes als Handelsgeld in diesem Jahrhundert hat auf das österreichische Münzwesen stark eingewirkt und auch die kurzlebige Goldprägung in der obersteirischen Handelsstadt Judenburg ausgelöst. Die Herzoge Albrecht II. (1330—1358) und seine beiden Söhne Rudolf IV. (1358—1365) und Albrecht III. (1365—1395) waren die Münzherren. Sie folgten damit dem Beispiel Italiens, Aragons und Frankreichs, der Niederlande und Deutschlands. Während aber alle diese ihre den Florentiner Floren auch im Typus nachahmenden Goldstücke aus Importmetall schlagen mußten, konnte Österreich dies aus dem im eigenen Lande gewonnenen Golde tun. Die Judenburger Goldprägung fällt mit dem Beginn des mittelalterlichen alpenländischen Goldbergbaues zusammen. Allerdings schlummerte das Kärntner Gold damals meist noch unerkannt in den Adern seiner Berge, während Steiermark Gold überhaupt nie in ausreichendem Maße besaß, es im heutigen Nieder- und Oberösterreich und in Krain überhaupt fehlte. Das an Gold ebenfalls nicht reiche Tirol kam erst 1363 an das Haus Habsburg. Dagegen betrieb Salzburg schon um die Mitte des 14. Jahrhunderts einen regen bergmännischen Abbau seiner reichen Goldvorkommen (s. o. S. 177 ff.). Judenburg gehörte ja in diesem Jahrhundert mit zu den wenigen Städten an der Straße Wien—Venedig, der sogenannten „Eisen-Straße", und seine Bürger verstanden es, sich im Fernhandel mit Italien eine entscheidende Position zu sichern. Selbst die Landeshauptstadt Graz mußte italienische Waren über Judenburg beziehen. Unter solchen Umständen wird es begreiflich, daß die Judenburger für ihre Geschäfte mit Venedig auch ihre eigenen Goldmünzen haben wollten. Der Landesherr wird sicherlich gerne seine Bewilligung dazu gegeben haben, zumal ja auch er irgendwie an dieser Ausprägung profitierte. In einem Privileg Herzog Rudolfs IV. vom 2. Juni 1360 für Wiener Neustadt, das ja gleichfalls an dieser Handelsstraße lag, spricht der Aussteller ausdrücklich von der moneta nostra in Judenburg. Den Bürgern der Neustadt wurden sogar gewisse Rechte an dieser Münze zugesprochen. Aus diesem Privileg und einer Urkunde Rudolfs IV. für Oberzeiring vom 16. August 1361 ist zu entnehmen, daß sich der Herzog wahrscheinlich mit dem Gedanken getragen hat, auch die Wiener Neustädter Silbermünze und die Mm^ Gräber Pfennig von Oberzeiring nach Judenburg zu verlegen. Judenburg sollte also eine führende Stellung unter den österreichischen Münzproduktionsstätten einnehmen" (914, Koch). 261

Im letzten Viertel dieses Jahrhunderts aber verschwindet die Goldprägung wieder aus Süddeutschland und um die gleiche Zeit wird auch die Verbindung der Judenburger Gesellschaft mit Salzburg gelöst. Wir besitzen keine urkundliche oder sonstige Nachricht über die Gründe, wissen nur, daß Erzbischof Pilgrim 1386 den Pachtvertrag löste, wohl um das bisher den Judenburgern überlassene Gold für seine eigene Münze zu verwenden. Dies ist um so wahrscheinlicher, als diese ephemere Salzburger Goldprägung offenbar größere Mengen produzierte. Von diesem Goldgulden, dem ersten und einzigen Goldstück Salzburgs im Mittelalter, sind mehrere Stempel bekannt, was Rückschlüsse auf den zahlenmäßigen Umfang der Prägung zuläßt. Offenbar hatte sich damit zugleich der salzburgische Goldbergbau für eine gewisse Zeit erschöpft, den erst Leonhard von Keutschach um 1500 wieder aufnimmt. Doch auch die österreichische Goldprägung hatte in der Judenburger Zeit ihr vorläufiges Ende erreicht. Erst gegen Ende des folgenden Jahrhunderts nehmen sie Kaiser Friedrich III. und Erzherzog Sigmund von Tirol wieder auf, ohne daß jedoch ihre Prägungen zahlenmäßig den Wettbewerb mit den ungarischen aufnehmen konnten. Die Judenburger Goldprägung bleibt daher für das steirische Münzwesen nur eine, wenn auch geldgeschichtlich bedeutsame Episode. Doch schlug auch für den Gramer Pfennig in seiner vollen eigenständigen Ausbildung um etwa die gleiche Zeit die Stunde. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, also in seiner Blütezeit, herrschte er „im steirischen Murtal ungefähr von Judenburg abwärts, im Mürztal und den übrigen Nebentälern" (561) unbeschränkt, während im oberen Murtal wahrscheinlich der Friesacher dominierte. „Im oberen Ennstal in der Umgebung von Schladming war der Einfluß des Salzburger Pfennigs groß, ebenso um Haus und Gröbming, wo große Salzburger Güter lagen. Sonst dürfte das steirische Ennstal Domäne des Grazer Pfennigs gewesen sein. In der Oststeiermark ist ein weiteres Vordringen des Wiener Pfennigs zu konstatieren, Friedberg, Vorau, Birkfeld und Hartberg lagen schon in seinem Einflußgebiet" (561). Auch für die Zeit um 1330 ergibt sich nach LUSCHIN noch ein ähnliches Bild über den Geldumlauf in der Steiermark: In der Obersteiermark, in Neumarkt und St. Lambrecht. wurde nach Agleiern gerechnet, die über Kärnten schon bis hierher eingedrungen waren. Im Westen hatte weiterhin der Salzburger Pfennig Bedeutung, sonst war der Grazer bevorzugt, jedoch begann auch hier bereits der Wiener Pfennig seinen Vormarsch (664), der nun seinen Siegeszug durch das ganze Land antrat. Das erfolgte schon im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts. Von der Steiermark strömte er dann weiter nach Kärnten und, wie wir noch hören werden, auch in andere Gebiete Altösterreichs. Diese Verhältnisse führten zwangsläufig zur engen Anpassung an das Wiener Münzwesen. Das wäre vielleicht schon früher, als es dann tatsächlich geschah, eingetreten, wenn 262

70. Grafschaft Cilli, Gf. Ulrich. Pfennig

nicht durch den Tod Herzog Rudolfs IV. nach einer kurzen Regierung eine tief eingreifende Umwälzung der Machtverhältnisse eingetreten wäre. Durch eine Reihe von Familienverträgen und Herrschaftsteilungen wurde die Einheit des habsburgischen Besitzes aufgesplittert. Streitigkeiten zwischen der leopoldinischen und der albertinischen Linie und der Tod einiger Familienmitglieder ergaben weitere Komplikationen, die bis über die Mitte des 15. Jahrhunderts hinaus andauerten und naturgemäß auch im Münzwesen ihre Spuren hinterließen, das immer mehr verwilderte. Erst 1411 nach dem Tode Leopolds IV. einigten sich die drei überlebenden Herzoge zu einer neuerlichen Teilung, durch die der gesamte habsburgische Besitz unter Albrecht V., Friedrich IV. und Ernst geteilt wurde, wobei Albrecht die beiden Österreich, Friedrich Tirol, Vorarlberg und die Vorlande und Herzog Ernst Innerösterreich, also Steiermark, Kärnten, Krain und Triest erhielt. Ernst, mit dem Beinamen „der Eiserne", war aber schon früher im Besitze der grünen Mark gewesen, die er seinem Bruder Leopold IV. streitig gemacht hatte, dem sie als dem ältesten dem Herkommen nach eigentlich gebührt hätte. So kam es, daß Ernst schon 1409, am Neujahrstage von Graz aus Heinrich dem Propst, vormals Versucher zu Wien, die Ausmünzung zu Graz in der Art übertrug, daß er hier Grazer Pfennige nach Korn, Waag und Aufzahl wie zu Wien schlagen sollte, womit praktisch der Wiener Pfennig, wenn auch unter anderem Namen (Steyrer Münze) endgültig und auch rechtlich in der Steiermark eingeführt wurde. Seit 1436 waren wie in Wien auch in Graz Hausgenossen, also die in anderem Zusammenhang schon mehrfach erwähnte Genossenschaft, am Werke. In diesem Jahre überließ Emsts Sohn, Herzog Friedrich V. (III.), dem Kristoff Seydennater und zehn namentlich genannten, darunter Ulreich Ekhenperger, als Hausgenossen seine Münze und den Wechsel zu Graz bis auf Widerruf und ordnete die Ausprägung nach dem Wiener Münzfuß an. Im gleichen Jahr befahl der Herzog auch seinem Landschreiber in Steiermark, Leopold Aschbach, daß „jedermann in Steiermark die Wiener und Grazer Pfennige, zwei Hälblinge für den Pfennig bei 5 Pfund Strafe unweigerlich annehme" (681). Gleichzeitig wurden alle bayrischen Münzen verboten. Die Münzung der Hausgenossen muß sehr umfangreich gewesen sein, denn in den Jahren 1437/38 betrug der Schlagschatz, den der Landesfürst aus der Münze bezog, jährlich 100 Pfund Pfennige. f ) Cilli und Frangipan. Im Jahre 1436 erhob Kaiser Sigmund die Grafen von Cilli in den Fürstenstand und gewährte Friedrich und Ulrich sowie ihren Nachkommen unter anderem auch „dess sy ir aigne münz aufgewerfen und geshlahen mögen in golt und gelt mit irem zaichen und gepreckh in den genannten iren grafschaften . . . wo und wie in des am besten und füglichsten bedenket" (681). Dies war eine Eigenmächtigkeit 263

71. Steiermark, K. Friedrich III. Halbgroschen o. J., Graz 72. Steiermark, K. Friedrich III. Groschen 1467, Graz

und geradezu ein Eingriff in die landesherrlichen Rechte der Leopoldiner, weshalb Herzog Friedrich V. sofort Einspruch erhob. Es kam sogar zu einer Fehde zwischen ihm und den Cilliern, doch erkannte der inzwischen zum römischen König erwählte Friedrich (IV.) die Fürstenwürde und damit auch die zugehörigen Rechte schließlich an. Cillier Goldgulden sind bis jetzt nicht bekannt geworden, dafür aber Silberpfennige mit dem Wappen der Fürsten, die wegen ihrer Ähnlichkeit mit denen der Grafen von Erbach früher diesen zugeteilt worden waren. Als Prägeort kommt wahrscheinlich Cilli selbst in Frage, wo beim Baue des neuen Rathauses 1830 eine Menge verschlackter Schmelztiegel gefunden wurde. Es sei bei dieser Gelegenheit vermerkt, daß Aeneas Sylvius Piccolomini, Geheimschreiber Kaiser Friedrichs und später als Papst Pius II., ein Zeitgenosse und politischer Gegner der Grafen, diese der Falschmünzerei beschuldigte. Es hat sich schließlich auch eine Urkunde vom Jahre 1443 erhalten, in der König Friedrich IV. auch Stefan, Grafen zu Frangipan, Veglia und Modrusch und dessen Erben die Freiheit erteilt habe, Münzen mit ihren Wappen auf das Korn der Wiener Münze zu schlagen, die in ihrem Lande eine „werschaft" sein sollten. Das Recht scheint indessen nicht ausgeübt worden zu sein. g) Die Schinderling^eit unter Friedrich V. (III.). Die Regierung Friedrichs ist für das Münzwesen eine der unerfreulichsten Perioden. Wenn es auch am Beginn des 15. Jahrhunderts in den östlichen Ländern der Habsburger zu einer gewissen Einhelligkeit gekommen war, indem sowohl in Wien als auch in Graz nach dem gleichen Schrot und Korn und auch in der gleichen Mache geprägt wurde, so überstürzten sich im Verlaufe der siebzigjährigen Regierung dieses Herrschers förmlich die Ereignisse. Der Bruderkrieg mit Herzog Albrecht VI. erschütterte das Land und riß es in eine monetäre Katastrophe sondergleichen hinein. Türken und Ungarn suchten den Osten Österreichs immer wieder in verheerender Weise heim; Wien wurde sogar durch fünf Jahre von Matthias Corvinus besetzt. Friedrich hatte zunächst, solange sein Vetter Albrecht V. (II.) lebte, als Landesherr von Innerösterreich zu Graz einseitige ölötige Pfennige mit dem Bindenschild und seinen Initialen prägen lassen. Als aber der König 1439 starb, stand ihm als Vormund für Albrechts Sohn Ladislaus Postumus auch die Wiener Münzstätte zur Verfügung, wo er Pfennige, im Aussehen den Grazer Pfennigen ähnlich, prägen ließ. Aber massenhaftes Eindringen minderwertiger bayrischer und anderer süddeutscher Münzen unterhöhlte die österreichische Wirtschaft. Ladislaus, aus der Vormundschaft entlassen, versuchte durch Ausgabe einer besseren Münze (71ötig) in Österreich diese Mißstände zu steuern, während Friedrich in Innerösterreich den umgekehrten Weg ging, indem er 1456 in Graz 264

73. Österreich, K. Friedrich III. Kreuzer o. J., Wiener Neustadt

nur mehr 4 % lötige Pfennige mit dieser Jahreszahl prägen ließ. (Neben den gleichzeitigen Wiener Neustädter Kreuzern = 4 Pfennigstücken die ersten mit einer Jahreszahl versehenen Münzen in Österreich.) Friedrich hoffte dadurch das Eindringen fremden Geldes aufzuhalten, dessen Export sich ja jetzt nicht mehr lohnen würde. Aber beide Versuche mißlangen. Denn Ladislaus, der mit seiner Großjährigkeit auch König von Ungarn und Böhmen geworden war, starb bereits Ende 1457. Um sein Erbe aber entbrannte zwischen Friedrich und seinem Bruder Albrecht VI., wie erwähnt, ein gnadenloser Bruderkrieg, der das ohnehin schon sehr in Mitleidenschaft gezogene Münzwesen völlig zerrüttete. Der Krieg erforderte Unsummen, und um diese zu beschaffen, griff man zum gewohnten Mittel der Münzverschlechterung. Zu allem Überfluß sah sich der Kaiser gezwungen, einer Reihe von adeligen Söldnerführern, unter anderen auch dem Steirer Andreas Baumkirchner aus Schlaining, in den Jahren 1457 bis 1460 zu gestatten, daß „auf das Gepräg, Korn und Aufzahl als vor selbst" Münze zu schlagen. Wie verheerend sich dies auswirkte, hat der Pfarrer Jakob Unrest von St. Martin am Techeisberg in Kärnten (und auch andere Zeitgenossen) in bewegten Worten geschildert: „Wer viel alter Kessel hatte, der münzte desto besser." Die Pfennige wurden immer leichter und bald ganz aus Kupfer, so daß sie niemand annehmen wollte. Hebrenko oder noch treffender Schinderling nannte das Volk dieses Schandgeld, das es in eine Reihe mit Teuerung, Pest, Krieg und anderen Landplagen stellte. Der Pfennig, die Münze des „armen, gemeinen Mannes" verlor von Tag zu Tag an Wert. Die Krise erreichte ihren Höhepunkt zu Beginn des Jahres 1460. In Graz hatte der Kaiser 1458 einem Bürger dieser Stadt, Balthasar Eggenberger, gestattet, Schwar^pfennige (so genannt wegen ihres minimalen Silbergehaltes), Hälblinge und auch Kreuzer zu schlagen. Im Jahr 1461 wird Eggenperger als gewesener Münzmeister zu Graz, St. Veit und Laibach bezeichnet, so daß vorher jedes der drei innerösterreichischen Länder seine eigene Münzstätte besaß, ohne daß man heute imstande wäre, die dreierlei Gepräge auseinanderzuhalten, da sie offenbar sämtlich das gleiche Münzbild aufweisen. 1460/61 bekam auch Andreas von Weispriach eine ähnliche Erlaubnis. Abgesehen von der Gewinnsucht, die das Handeln gewisser Leute, wie Eggenperger und Baumkirchner, bestimmte, herrschte damals offensichtlich ein ähnlicher Mangel an barem Gelde wie im Deutschland der Inflationszeit nach dem Ersten Weltkrieg. Auch die Schinderlinge bedeuten eine Inflation, obwohl als Zahlungsmittel Metallgeld und nicht Papiergeld umlief. Das Material war in beiden Fällen wertlos und die Folgen für die Wirtschaft verheerend. Die Hauptaktionen dieser Krise spielten sich auf dem Boden der beiden Länder ab, wo die beiden feindlichen Brüder einander nicht nur kriegerisch, sondern auch auf inflationistischem Wege bekämpften. Schon 1459 waren die Stände beim Kaiser vorstellig geworden, hier Abhilfe zu 265

74. Österreich, K. Friedrich III. Pfennig o. J., Wiener Neustadt

75. Österreich, K. Friedrich III. Goldgulden o. J., Wiener Neustadt

schaffen. Aber erst im folgenden Jahre zeigten sich die ersten Anzeichen einer Besserung. Man einigte sich auf 51ötige Pfennige, die auch in Graz geschlagen wurden. Trotzdem konnte sich der Geldumlauf noch lange nicht völlig beruhigen. Erst mit dem Jahr 1469 trat eine merkliche Besserung ein. In Graz und Wiener Neustadt wurde sogar Gold geprägt, und zwar in der Art des ungarischen Dukaten, fast vollfein, und nach der des rheinischen Goldguldens, ungefähr dreiviertelfein. In Graz war seit 1467 der Münzmeister Hans Wieland von Wesell tätig, der früher in Diensten Albrechts VI. gestanden hatte. Unter seiner Leitung entstanden sicherlich Pfennige, Halbkreuzer, Halbgroschen und Groschen, wahrscheinlich auch Goldstücke. Am 4. Oktober 1481 erschien endlich eine Münzordnung, die eine radikale Absage an die mittelalterliche, durch die neuen Wirtschaftsformen längst überholte Pfennigwährung enthielt. Schon daß der Goldkurs von 1456 bis 1460 auf das Achtfache stieg, zeigt die Unhaltbarkeit des bisherigen Münzsystems, nicht weniger die unerhörten Preissteigerungen. Der ungarische Goldgulden beherrschte den Handel ebensosehr, wie die Truppen des Matthias Corvinus immer wieder den steirischen Osten und auch noch darüber hinaus benachbarte Gebiete heimsuchten. Begreiflicherweise erlitt auch der steirische Handel schweren Schaden, der „im Mittelalter als streng gehütetes Vorrecht des Bürgertums" gegolten hatte. „Der Fernhandel lag freilich in den Händen der Bürger einiger weniger Städte. Leobener Bürger handelten mit Eisen und Salz, Rottenmann und Bruck mit Salz, Bruck auch mit Arsenik, Radkersburger Bürger beherrschten den Handel mit Wein und Vieh, Judenburger Bürger wurden im Handel mit Salz, Loden, Speik und Welschwaren reich, Grazer Bürger zogen Gewinn aus dem Handel mit Wein und Welschwaren" (1173). Aber mit dem 15. Jahrhundert wandte sich das Blatt. Nicht mehr der Bürger steirischer Städte zog in die Fremde, um seine Geschäfte an Ort und Stelle abzuwickeln, da der schlechte Straßenzustand und die Unsicherheit durch häufige innere Unruhen den Fernhandel erheblich behinderten. Nun kamen die fremden Kaufleute ins Land, vor allem aus Oberdeutschland, die jetzt zu Trägern des Fernhandels nach dem Nordwesten wurden. Schon 1418 hatten sich die Bürger bei Herzog Ernst beklagt, daß diese Fremden Gold, Silber, Safran, Wachs und Eisen aus dem Lande führten. Es ist klar, daß dieser Edelmetallexport der schon damals im Keime vorhandenen Münzverschlechterung und Inflation Vorschub leistete. War doch gerade das Problem der Metallbeschaffung für die Münzstätten immer prekärer geworden. Nun wurde mit der Münzordnung von 1481 der Pfennig seiner Eigenschaft als Währungsmünze entkleidet; er war nur mehr Scheidemünze. Dafür wurde die Prägung von Dukaten (23,5karatig), rheinische Goldgulden (18karatig), 91ötige Groschen, 81ötige Kreuzer, ölötige Pfennige (Zweier) und 41ötige Kleinpfennige angeordnet. 1 Groschen galt 266

3 Kreuzer, 6 Pfennige (Zweier) oder 12 Kleinpfennige; der Dukaten 25 Groschen. Der rheinische Gulden erhielt keinen festen Wert; er blieb eine bloße Kursmünze. Als Matthias Corvinus 1485 Wien, zwei Jahre später auch Wiener Neustadt besetzte, konnten die vom Feinde noch freien Erbländer nur von Graz aus mit Münzen versorgt werden, vor allem mit Kreuzern, von denen Stücke mit den Jahreszahlen 1480, 1482 bis 1491 und 1493 bekannt sind. Durch diese Ausprägung mittlerer Silbermünzen und Wiederaufnahme der Goldprägung hatte das österreichische Münzwesen einen beträchtlichen Schritt nach vorwärts getan. Die endgültige Neuordnung der Münzrechtsverhältnisse nahm aber nicht vom Kaiser, sondern von seinem Neffen Sigismund von Tirol ihren Ausgang. 5. Tirol Das „Land im Gebirg", wie Tirol in alten Zeiten hieß, ist als Paß- und Durchzugsland zwischen Italien und Oberdeutschland verhältnismäßig bald in den Münzverkehr eingetreten. Allerdings nicht das „Land" selbst erhielt das Münzrecht, da sich hier noch keine weltliche Landeshoheit herausgebildet hatte, sondern zwei Bistümer, deren Gebiet durch Schenkungen groß und mächtig geworden war und damals für ein weltliches Landesfürstentum kaum einen Raum übrig ließ. Kaiser Konrad II. wollte die Alpenpässe, vor allem den Brenner, über den die „Kaiserstraße" nach Rom führte, in verläßliche Hände bringen. In den von ihnen ernannten Bischöfen erblickten die deutschen Herrscher die Hauptstütze ihrer Italienpolitik. Wahrscheinlich verlieh Konrad 1027 dem Hochstift Trient die gleichnamige Grafschaft, falls sie nicht schon durch Heinrich II. an den Bischof gekommen war. In diesem Falle hätte Konrad II. diese Verleihung bloß bestätigt; jedenfalls fügte er auch noch die Grafschaften Bozen und Vintschgau hinzu. Der Bischof von Brixen erhielt, ebenfalls laut der Urkunde von 1027, die Grafschaft in der „Vallis Norica", das ist die Grafschaft im Eisacktale von Klausen aufwärts, und im Inntal westlich der Ziller und sicher bis zur Melach sowie vermutlich auch weiter noch durch das ganze Oberinntal bis zur Finstermünz. Aus den beiden geistlichen Territorien hätten unter Umständen für die Dauer zwei Kirchenstaaten entstehen können; aber was im ruhiger gelegenen Salzburg möglich war, erwies sich im Bereich der vielbegehrten und viel umstrittenen Brennerstraße als unmöglich. Die Bischöfe mußten sich daher alsbald entschließen, „ihre Grafschaften hochfreien Geschlechtern als ihren Vögten lehensweise weiterzugeben. Die mächtigen Vögte aber begannen die formelle Oberhoheit ihrer Bischöfe allmählich abzuschütteln" (1228). Zunächst erhielt Brixen, das seit seiner Gründung Teile des späteren Nordtirol und Südtirol zu einer engen politischen Einheit verklammerte, das Münzrecht (16. I X . 1179) und zweieinhalb Jahre später (9. II. 1182) Trient die Bestätigung eines älteren Münzregals durch Kaiser Friedrich I. unter Zurückweisung der Ansprüche der Bürgerschaft. Die Verleihung oder Bestätigung des Münzrechts an die beiden Bistümer in dieser Zeit war mit dem Handelsverkehr über den Brenner innig verknüpft. Zwischen Augsburg und Regensburg im Norden, Verona, Aquileia und Venedig im Süden gab es keine Münzstätte. Dabei war Bozen schon 1027 wohl wegen der mit dem Marktrecht verbundenen hohen Einkünfte an das Hochstift Trient gelangt. Es war daher schon aus diesem Grunde notwendig, auch im Innern des Paßlandes eigene Münzstätten einzurichten. Wann und wo die Brixener Bischöfe von ihrem Münzrecht Gebrauch gemacht haben, ist ungewiß. Die Brixen im .Corpus Nummorum Italicorum VI' zugeschriebenen Denare 267

laufen unter der Bezeichnung vescovi annottimi-, die Tatsache aber, daß in Brixener Urkunden niemals ausdrücklich Brixener Denare erwähnt werden, sondern vielmehr neben Veronenses nur gelegentlich auch Augustenses, also Münzen der Augsburger Bischöfe, läßt die Frage, ob das Hochstift überhaupt eigene Münzen geprägt hat, unbeantwortet. In T r i e n t gilt als erster Münzherr Bischof Adalbert II. von Madruzzo (1156—1177), dann folgen kaiserliche Statthalter (podestà imperiali). Für eine Reihe von Münzen ist der Prägeherr unbekannt. Mit Egino von Eppan (1248—1273) beginnt dann eine geschlossene Reihe, die mit Nikolaus Amrein Bruna (1338—1387) endet. Unter Georgi, von Lichtenstein (1390—1419) oder Alexander von Masovien (1423—1444) soll die Münze angeblich reaktiviert worden sein, ohne daß wir hier Prägungen nachweisen können. Dann klafft eine Lücke bis Bernhard von Cles (1514—1539), wenn man dessen Prägungen als „Geld" ansehen darf. Die Währungsmünze war der Silberdenar oder Pfennig; neben ihm gab es auch solidi, ferner piccoli oder parvi, schüsseiförmige Kleinpfennige, eine Münzgattung, die in Verona zwischen 1039—1135 aufgekommen war. Sie wurden wegen des Kreuzchens auf beiden Seiten bekanntlich denarii cruciati genannt. Durch fortwährende Verminderung wurde dieser Veroneser Pfennig dann zum parvulus Veronensis, zum kleinen Pemer oder Berner, den Venedig übernahm und durch Massenprägung der Dogen Sebastian Ziani, Orio Malipiero und Enrico Dandolo zwischen 1172 und 1205 im östlichen Oberitalien bis nach Nordtirol und Friaul verbreitet waren. Der Solidus oder Schilling von Trient galt 12, der Grossus (Denar) 20 solcher Perner. Dieses Münzchen, das später zur Grundlage des Tiroler Münzwesens wurde, galt trotz seines winzigen Durchmessers bis ins 14. Jahrhundert hinein als Wertmünze. Am 9. Juni 1239 verbriefte Herzog Otto von Meranien zu I n n s b r u c k den Bürgern dieser Stadt ihre Rechte und ordnete an, „ut moneta civitatis predicte sit monete similis Augustensi". Daraus wie auch aus der gelegentlichen Erwähnung Augsburger Münzen in Brixener Urkunden geht hervor, daß Nord- und teils auch Südtirol bis zur Prägung eigener Münzen unter dem monetären Einfluß der Lechstadt gestanden hatten. Zu Bozen, Imst, Stams, Mieming, Ziri und schließlich zu Innsbruck werden vom 12. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts Augsburger Münzen urkundlich erwähnt. Gefunden aber wurden die Augustenses allem Anschein nach nur an einem einzigen Ort, und zwar im Vintschgau bei Naturns in den Jahren 1908 und 1911. Die Münzen dürften um 1200 verborgen worden sein. Leider ist gerade dieser wichtige Fund, der 133 italienische Münzen, meist mailändischer Herkunft, und 63 Gepräge süddeutscher Münzstätten enthält, nur ganz kurz angezeigt, aber bisher noch nicht wissenschaftlich ausgewertet worden (82). Immerhin ist es möglich, in großen Umrissen eine Währungsgrenze zu skizzieren: im nördlichen Landesteil herrschten vor der Prägung eigener Landesmünzen vom 10. bis zum 12. Jahrhundert zunächst Pfennige Regensburger, dann Augsburger Schlags; im südlichen aber dominierte die Währung Veronas mit ihrem ganzen oberitalienischen Anhang. „Die Umlaufsgrenzen zwischen diesen Währungen, die sich an den Grenzen unseres Landes gebildet hatten, standen den Tiroler Prägeherren bei Eröffnung ihrer Münzstätte in ihrem eigenen Land bereits zur Auswahl, um ihren neuen Münzen gleich erleichterten Umlauf auch im Nachbargebiet zu verschaffen" (53). Die Trienter Bischöfe übernahmen, wie erwähnt, den Münzfuß von Verona und damit die italienische Art Dichtmün^en, den auf beiden Seiten mit erhabenem Bilde versehenen Münzen dieser Zeit, während sich die Grafen von Andechs der Augsburger Währung und damit den deutschen Dünnmün^en anschlössen. Im Jahre 1239 hatte Herzog Otto VIII. angeordnet, daß die in Innsbruck geprägten 268

Münzen den Augsburger Geprägen ähnlich sein, also diesen Pfennigen in Darstellungsweise, Mache und Gewicht entsprechen sollten. Das besagte jedoch keineswegs, daß in Innsbruck die Münze von Augsburg als gesetzliche Währung galt. Man wollte begreiflicherweise nichts anderes, als sich dem Handelsbrauch anzupassen. Da in einer anderen Urkunde von 1230 ein Bernardus monetarius neben anderen Innsbrucker Bürgern als Zeuge auftritt, hat die Innsbrucker Münze wohl schon früher — wann ist unbekannt — ihre Tätigkeit ausgeübt. Im meinhardinischen Urbar von 1288 wird der Ertragswert dieser Münzung, also der Schlagschatz, auf mindestens 12 Pfund Augustenses im Jahre veranschlagt, die dem Bistum Augsburg als Abstandsgeld noch bis etwa 1331 zu zahlen waren. Auf Grund einer Vereinbarung mit dem Bischöfe von Augsburg wurde die Münzstätte bald wieder eingestellt. Über den genauen Zeitpunkt dieser Auflassung gehen die Meinungen jedoch auseinander. Dieses Übereinkommen könnte entweder Graf Albert III. von Tirol (1248 bis 1253) oder auch dessen Schwiegersöhne und Erben, Graf Gebhard VI. von Hirschberg und Graf Meinhard II. (IV.) von Görz getroffen haben. Für Meinhard käme sowohl das Jahr 1281 in Frage, in dem der Graf vom Bischof mit den Lehen des verstorbenen Grafen belehnt worden war, oder auch 1282, als König Rudolf von Habsburg dem Grafen durch einen Schiedsspruch endgültig die gesamten Besitzungen und Gerechtsame der Hirschberger im Inntale zusprach. Als die Grafen von Tirol um 1265 zu Füßen ihres Stammschlosses nächst Meran eine eigene Münzstätte errichteten, fristete die Trientiner Münze unter deren hemmenden Einfluß nur mehr ein armseliges Dasein, das weder münz- noch geldgeschichtlich von Belang war. Dagegen entfaltete sich das Münzwesen der Tiroler Grafen, die sich nach ihrem Stammschloß benannten. Der Name kam dann bald für das von ihnen beherrschte Gebiet in Gebrauch und verdrängte die altgewohnte Bezeichnung „Land im Gebirg". Die Münzung erfolgte zunächst ohne ein besonderes Privileg, sondern nur aus eigenem Recht als Beherrscher des wichtigsten Alpenüberganges, der Brennerstraße, und nicht nur in eigenem Gebiet. Denn bei der Belehnungsverhandlung mit Trient 1259 hatte Meinhard II. (IV.) eine Temporalienteilung erzwungen, „welche die Tiroler Grafschaftsrechte im Bistum bedeutend verstärkte. Im gleichen Jahre hatte der junge Graf von Tirol Elisabeth von Wittelsbach, die Witwe nach König Konrad IV. von Staufen geheiratet und sich bei dieser Gelegenheit wohl den reichen Staufer Besitz im oberen Inntal als Mitgift ausbedungen. Die Ehe mit der hohen Frau stellte die fürstengleiche Stellung des Tirolers außer Zweifel" (1228). Dessen Besitz rundete sich immer weiter ab, bis die Realteilung von 1271 zwischen den Brüdern Meinhard II. von Tirol und Albert II. von Görz dem Lande jene Gestalt gab, die es bis 1500 behielt. „Meinhard II. erhielt alles Land westlich der Haslacher ( = Mühlbacher) Klause, also die Grafschaft Tirol. Albert dagegen erhielt alles Land östlich der Klause, die sogenannte Grafschaft Görz. Der Anteil Meinhards erscheint in diesem Vertrag als ,comitatus et dominium Tyrolis'. Das erstemal erscheint der einheitliche Name für das ganze Land an der Etsch und im Gebirge" (1228). Die Kirchenvogtei über die Hochstifte Brixen und Trient war die eigentliche Grundlage für die Entstehung des weltlichen Landes Tirol. Die Unterwerfung der hochfreien Dynastengeschlechter, zu denen auch die Hirschberger zählten, ist eine weitere Etappe. Die Grafen, vor allem Meinhard II., hatten mit sicherem Blick den richtigen Zeitpunkt für ihr Vorgehen gewählt: der Prozeß der innern Auflösung war damals schon so weit fortgeschritten, daß er nur durch eine gegenläufige Zusammenfassung zu neuen größeren Einheiten aufgehalten und gleichzeitig das Eindringen landfremder Elemente abgewehrt werden konnte. Nicht zuletzt diese territoriale Arrondierung und die reinliche Scheidung 269

zwischen Tiroler und Görzer Besitz ermöglichten auch von allem Anfang an die Entwicklung des weder von Trient noch von Brixen her gehemmten eigenen Münzwesens. 1274 bestätigte König Rudolf von Habsburg dem Grafen Meinhard das Münzrecht. Vor der Realteilung hatten die Grafen Meinhard und Albert zunächst seit etwa 1265 auf eigene Faust nach Trienter, also Veroneser Vorbild gemünzt. Es gab Perner und Zwanzigpernerstücke, die sogenannten Adlergroschen oder kurz Grossus. In Italien wurde er Agugljnus, Aquilino genannt. In den Urkunden heißt er um 1300 moneta antiqua oder vetus Meranensis oder veteres denarii de Merano. Er wog durchschnittlich 1,52 Gramm und enthielt 830/1000 Feinsilber. Der Aquilino setzte sich alsbald auch im Auslande durch, Beweis dafür die vielen Beischläge, die nach seinem Vorbild entstanden, so, um nur ein paar Beispiele zu nennen, in Mantua, Padua, Verona, Parma, Vicenza. Bald nach der Teilung verbesserte Meinhard als alleiniger Landesherr den alten Münzfuß um ein Zehntel, änderte jedoch die Münzbezeichnung nicht, setzte aber seinen eigenen Namen auf die mit dem Tiroler Adler geschmückte Vorderseite und auf die Rückseite der größeren Sorte, des Zwanzigpernerstücks, zwei übereinandergelegte Kreuze. Sie trugen diesem auch in den folgenden Jahrhunderten beibehaltenen Typus den Namen Etschkreu^er oder auch Kreuzer schlechthin ein. Damit war eine Bezeichnung geschaffen, die wohl im Volksmunde und nicht in den Kanzleistuben entwachsen, eine welthistorische Bedeutung erlangte. Der Kreuzer hieß in der Entstehungszeit auch Grossus, Grovge, Zwain^iger, Grossus de viginti, vinti(n)arius, vigintinus, in Italien Tjrolinus, selten denarius. In Urkunden um 1300 wird er zum Unterschied vom alten Aquilino moneta nova bona Meranensis (de Tirollo), novi Meranenses, ja sogar novi Veronenses genannt. Diese von den Meinhardinern fast ausschließlich geprägte Sorte (es gab neben ihr noch ein Halbstück und ein ebenfalls nicht häufiges 4-Perner-Stück oder Vierer) war 1,65 Gramm schwer mit einem Feingehalt von 870/1000. 18 dieser Kreuzer galten 20 Adlergroschen. Der Zwainziger oder Etschkreuzer verbreitete sich zu einem entsprechend höheren Kurs alsbald in Italien und auch in Süddeutschland. Er war bald zu einer echten Handelsmünze geworden, die in zahllosen österreichischen (besonders Krainer) und süddeutschen Funden auftritt und in Oberitalien wie in Deutschland alsbald nachgeahmt wurde. Wir kennen solche Beischläge z. B. von Acqui, Crevacuore, Incisa, Ivrea und Mantua, dann auch von Hildesheim, Konstanz und Zürich usw. Um die Umlauffähigkeit dieser Münze zu fördern, trugen sie bis in die Zeit des Dynastiewechsels 1363 stets den Namen „Meinhardus" auf der Vorderseite, gleichgültig wer Landes- und Münzherr war. Tirols Münzen hatten demnach von allem Anfang an einen guten Namen; sein (Etsch-)Kreuzer aber wurde in der Folge sogar die Grundlage des deutschen Reichsmünzsystems. Sein Halbstück, das Meraner Zehnpernerstück, hieß auch denarius de decem, decenarius, t^ehenarius-, das Vierpernerstück kam einem Fünftel des Kreuzers gleich, war stark kupferhältig, also eine ausgesprochene Kleinmünze. Es wog bloß 0,60 Gramm. Es wurde zuerst unter Meinhards jüngstem Sohne Heinrich, dem König von Böhmen (1311—1335), seit etwa 1325 ausgegeben und bis in die Zeit der Habsburger mit Heinrichs Namen weitergeprägt. Der Perner alten Typs selbst wurde erst unter den Habsburgern (Leopold III. oder wahrscheinlich eher IV., 1386—1406) ausgeprägt. Bloß 0,20 Gramm schwer, war er noch kupferhältiger als der Vierer. Es sind deshalb nur ganz wenige Exemplare auf uns gekommen. In der Sprache der Urkunden heißt der Perner auch Parvulus Veronensis, denarius parvulus, Veronensis, Berner, kleiner Veroneser. Meinhard II. hatte sein Münzwesen zwischen so mancher Scylla und Carybdis hin270

76. Tirol, Gf. Albert III. Aquilino

77. Tirol, Gf. Meinhard II. „Zwainziger"

78. Tirol, Gf. Leopold III. oder IV. Vierer 76

77

78

durchsteuern müssen, bis es sich soweit gefestigt hatte, daß es unangreifbar dastand und zu einer Einnahmsquelle erster Ordnung wurde. Schon sein Vater, Meinhard I., hatte, seit 1253 als Graf von Tirol, einen kleinen Staatsstreich begangen, indem er sein Görzer Münzregal einfach auf die neugewonnene Grafschaft übertrug, ohne sich viel um die lauten Klagen der Trienter Bischöfe zu kümmern. Aber sie konnten gegen die Meraner Münzstätte kaum etwas ausrichten, sobald diese nach Bedarf als Görzer Münze hingestellt wurde. Sein Sohn, der zweite Herrscher dieses Namens in Tirol und der vierte in Görz, bemühte sich eifrig um die Legalisierung des von seinem Vater geschaffenen Zustandes, da er in der eigenen Münze mit Recht ein besonderes Kennzeichen der Landeshoheit erblickte, das automatisch die anderen Regale, wie Markt, Straße, Bank und Bergwerk nach sich zog. Er hatte damit Erfolg, da ihm bekanntlich König Rudolf 1274 das Münzrecht ungeachtet der Trienter Rechte zugestand. Die mit seinem Bruder Albert ehedem eingegangene Tirol-Görzer Münzunion empfand er bald als einen Nachteil für sein Land. Denn „je mehr der Görzer Handel und Münzumlauf gegenüber Tirol zurückblieb, um so stärker mußte sich Meinhard durch die gleiche Teilung der Münzgewinne mit seinem Bruder benachteiligt fühlen". Sein Land Tirol ging ihm über die Bruderliebe. Es gelang ihm, Albert zum Verzicht auf die Meraner Münzanteile zu bewegen, wofür dieser als Gegengabe Schloß und Herrschaft Heinfeld erhielt. Seit 1275 hatte er somit das Tiroler Münzregal fest in der Hand. Gegen Augsburg wie gegen Trient führte er einen „scharfen Münzkrieg". Trient suchte er durch das Verbot der Silberausfuhr nach Augsburg auf die Knie zu zwingen. Mit der erwähnten Säkularisation des Stiftslandes hatte er sein Ziel erreicht. Für Augsburg waren seit der Mitte des 13. Jahrhunderts die Münzverhältnisse immer ungünstiger geworden. Nur die bekannte Stadtrechtsverleihung an Innsbruck von 1239 stützte noch für eine Weile den Umlauf Augsburger Münzen im Süden. Seit den achtziger Jahren näherten sich die Tiroler Münzgewinne fast den Steuereinnahmen. Dabei hatte Meinhard auf den willkürlichen Münzverruf schon sehr bald verzichtet. Vorzüglich war auch die Organisation der Münze; ihre Leiter „waren beamtete Unternehmer, meist florentinischer Gesellschaften, welche eine Münzprägung auf bestimmte Zeit in Pacht nahmen und mit der Kammer zu verrechnen hatten. Diese Münzpächter erfreuten sich keineswegs so weitgehender Rechte wie etwa die gleichzeitigen Wiener Hausgenossen, die ihre eigene Gerichtsbarkeit besaßen und größeren Anteil am Schlagschatz hatten als der Herzog. Die Meraner Münze wie auch die herzogliche Münze in Kärnten waren dem Gericht des Herzogs unterworfen" (1227). In der Münzgeschichte nimmt Meinhard auch dadurch eine Sonderstellung ein, als er schon zwischen 1254—1268 als erster in den späteren österreichischen Ländern Pfennig271

vielfache prägte. Nur Italien und vielleicht auch Frankreich waren ihm vorangegangen, während der Prager Groschen erst 1300 folgte. Das bleibt auffällig, selbst wenn man in Rechnung zieht, daß der Groß verkehr bei uns vom 12. bis zum 14. Jahrhundert vorwiegend mit Rohsilber oder mit entwerteter Münze (den sogenannten alten Pfennigen) bestritten wurde, die nach Gewicht gegeben und genommen wurden. Die Gewinne dieses wohldurchdachten und geordneten Münzwesens, das sich sowohl durch einen konstant bleibenden hohen Feingehalt als auch durch die klug gewählten Wertabstufungen der Gepräge auszeichnete, waren, wie schon bemerkt, infolge des bedeutenden Umfangs der Ausprägung sehr hoch. Im übrigen Österreich, mit Ausnahme des meinhardinischen Kärnten, wäre Ähnliches zu erreichen gewesen, hätte man schon früher auf die Unsitte der Renovatio und die mit ihr enge verbundene Münzverschlechterung verzichtet. Der einzige triftige Entschuldigungsgrund ist die Tatsache, daß die Länder im Osten über kein einziges Silberbergwerk verfügten, während Tirol daran keinen Mangel hatte. In Tirol stiegen die Münzgewinne infolge dieser klugen Politik von 1288 bis 1300 nach Ausweis der Raitbücher von 150 auf 300 Mark Denare an. Dem entsprach eine Steigerung der jährlich geprägten Umlaufmittel von 2766 Mark auf 6460 Mark (1227). Stabilität der Münze und Fernhandel standen in engster Wechselwirkung. Für Tirol als Paß- und Durchzugsland war dies eine Frage wirtschaftlicher Selbsterhaltung. Dies erkannt zu haben, erhebt Meinhard II. weit über das Niveau seiner übrigen österreichischen weltlichen und geistlichen Standesgenossen. Unterstützt wurde aber diese Politik durch die Casanen (Wechselbanken), die sich wie die Münze selbst fast durchwegs ebenfalls in den Händen von Florentinern befanden. Diese waren gleich den Münzern halb Amtsleute, halb Unternehmer und hatten „einerseits den laufenden Umwechsel fremder Währungen, der beim starken Tiroler Transit ziemlich rege war, ebenso den Eintausch der älteren gegen neue Münze durchzuführen; außerdem hatten sie das Monopol auf den Edelmetalleinkauf zur Versorgung der Münze und das Recht der Pfandleihe" (1227). Die Casanen waren wie ein Netz über das ganze landesfürstliche Tirol, aber auch über die besetzten Bischofstädte verbreitet. Den höchsten Pachtzins zahlte die Bozener Bank mit 120, den niedrigsten Enn und Sterzing mit 8 Mark. Insgesamt waren es gegen 400 Mark, die diese Casanen dem landesfürstlichen Säckel eintrugen. Ihre Aufgabe bestand sowohl im Münzwechsel als auch in der Gewährung von Krediten an die Märkte von Bozen, Meran, Trient und Innsbruck. Sie waren nicht nur privilegierte Bankunternehmungen, sondern zugleich auch Außenstellen der Münze, mit der sie, nicht selten in einer Hand vereinigt, eine Art „Staatsbank" bildeten. Münzgeschäft, Ausprägung, Geldwechsel und Kreditgeschäft waren so zu einer organischen Einheit zusammengeschlossen, die zwar als freie Unternehmungen geführt, doch der landesfürstlichen Kammer unterstanden (1227). Wenn man mit ihnen die Wiener Hausgenossen vergleicht, die ausschließlich zur Prägung und zum Wechsel befugt, vom Kreditgeschäft aber ausgeschlossen waren, von den anderen österreichischen Ländern ganz zu schweigen, so stellt sich das Tiroler Münzwesen dank dem zielbewußten Geschäftssinn seines Herrschers wohl als das fortschrittlichste innerhalb aller österreichischen Länder dar. In diesem Falle hat sich die kommerzielle Verbindung mit Italien für Tirol geradezu segensreich ausgewirkt. Meinhard war in der Tat ein Geschäftsmann ganz großen Stiles, ein mitunter sogar skrupelloser Finanzier. Er beteiligte sich nämlich zur rechten Stunde erfolgreich am Goldhandel. Denn zur Zeit seiner Regierung gingen Frankreich und die italienischen Großhandelsstädte Florenz, Genua und Venedig zur Goldwährung über, was zwangsläufig 272

79. Tirol, Ehg. Sigmund. Etschkreuzer o. J., Hall

in Italien ein Anziehen des Goldpreises bewirkte, während Deutschland noch eine gute Weile damit zögerte, auch seinerseits den Anschluß an diese Neugestaltung des Münzwesens zu vollziehen. Nicht daß Meinhard selbst hätte Goldmünzen schlagen lassen — das dürfte ihm vielleicht zu riskant erschienen sein —, er nutzte die Konjunktur viel rationeller aus, indem er von deutschen oder italienischen Kaufleuten Gold aufkaufte oder an den Zollschranken einfach abnehmen ließ. Er hortete es und verkaufte es schließlich als Rohgold nach Italien, wo dieses Metall sehr gesucht war. Aus den Raitbüchern läßt sich ein Durchschnittsgewinn von 400 Mark Silber im Jahre errechnen. Dieses einträgliche Geschäft wurde nach seinem Tode einige Zeit von seinen Söhnen fortgesetzt. Von ihnen und ihren Nachkommen schlugen indessen nur die Görzer Grafen Goldgulden; Tirol bekannte sich erst unter Erzherzog Sigmund dazu. Obwohl Tirol um diese Zeit schon Silber produzierte — die Gegenden in Passeier, auf dem Villanderer Berg und in Pergine bei Trient waren den Bischöfen wohl gerade der Silbervorkommen wegen von Meinhard entfremdet worden —, war dennoch nicht genug Silber für den laufenden Bedarf der Münze und deren Reform im Lande vorhanden. Die Einnahmen der Kammer aus dem Edelmetallbergbau sind uns nur ungefähr bekannt. Wir wissen bloß, daß im Jahre 1288 1976 Mark reines Silber und im Jahre 1300 3900 Mark vermünzt wurden, wobei keineswegs feststeht, was davon heimisches Bergsilber war. Immerhin dürfte der Tiroler Eigenbau doch 1000—2000 Mark reines Silber ergeben haben, was 1400—2800 Mark Perner entspricht. Diese an sich nicht unbeträchtliche Menge reichte jedoch nicht im entferntesten für den Bedarf einer Handelsmünze, wie es die Zwainziger oder der Etschkreuzer schon kurze Zeit nach ihrer Ausgabe geworden waren. Die Tiroler Grafen griffen daher zu einem sehr drastischen Mittel, um sich höhere Silbereingänge zu sichern, nämlich zu der schon erwähnten Zwangsabgabe, der sogenannten „Silberstange" (s. oben S. 155). Diese setzte die Meraner Münze unter Meinhard und seinen Söhnen in die Lage, ihre Prägung auf höchste Touren zu bringen und aus ihr reichliche Einkünfte zu erzielen. Die Habsburger, die 1363 mit Rudolf IV. die Regierung in Tirol antraten, haben an der vorgefundenen Münzordnung vorläufig nichts geändert; sie behielten Münzsorten und Münzbild bei und setzten nur an Stelle des Namens Meinhardus ihre eigenen auf die Gepräge. Der Münzfuß aber verschlechterte sich mit der Zeit, insbesondere unter Friedrich IV. mit der leeren Tasche (1406—1439). Seinen Spottnamen trug er indessen zu Unrecht, da er seinem Sohn Sigmund sein Land in geordneten Verhältnissen und überdies noch mit einem beträchtlichen Schatz hinterließ. Wenn Friedrich schon 1407 den Fuß der Kreuzer von 18 auf 19 Mark Berner aus der feinen Mark herabsetzte, so geschah dies nicht zuletzt deshalb, weil sich bekanntlich auch in den Nachbarländern Österreich, 273

Salzburg und Bayern Ähnliches zutrug und der Herzog wohl befürchtete, daß die schlechtere, fremde Münze seine guten Landesmünzen aufsauge. Der Tiroler Landtag verlangte zwar 1420 die Rückkehr zum guten alten Münzfuß, weil fast keine Silberkreuzer, sondern nur mehr die schlechten kleinen fast kupfernen Vierer ausgebracht wurden. Aber erst Sigmund mit dem verdienten Beinamen „der Münzreiche" hat zwischen 1450 und 1460 die Kreuzer wieder stabilisiert, und zwar als 500/1000 feine Silbermünze, die alsbald massenhaft ausgeprägt wurde und in Deutschland wie in die Schweiz eindrang, die ihn ihrerseits nachahmten. Auch die Görzer prägten den Kreuzer in ihrer Lienzer Münzstätte, und ebenso wurde er seit etwa 1456 in die Reihe der österreichischen Nominale aufgenommen. In einer Handschrift heißt es „In diesem jar [1450] hat angefangen der Unterschid der alten und neuen Meraner münz und ist die neue in jeder Sorten um 2/3 besser gemacht worden als die alte gewesen ist" (681, nr. 220). Aber diese Maßnahmen waren nur der Prolog zu einer anderen, förmlich umstürzenden Reform, die schlechthin als die Grundlage des deutschen Münzwesens der beginnenden Neuzeit angesprochen werden darf. Den Anstoß dazu gab eine ganze Reihe von Erwägungen: Handel und Verkehr hatten ungeahnte Dimensionen angenommen. Wenn auch der Löwenanteil den romanischen Ländern zufiel, denen das Mittelmeer und die Adria ein weites Betätigungsfeld erschlossen hatte, nahm doch auch die Brennerstraße an dieser Entwicklung insofern Anteil, als ihr südlicher Endpunkt Venedig nicht nur den größten Teil der Adria beherrschte, sondern sich auch in der ganzen Levante feste Stützpunkte geschaffen hatte. Auch in Deutschland bemühten sich insbesondere die oberdeutschen Handelsstädte, an diese Entwicklung den Anschluß zu finden und das einmal Gewonnene auch auf die Dauer zu bewahren. Tirol lag als Durchzugsland in der Mitte zwischen diesen beiden Handelspolen. Seit 1400 lag es überdies „im Schnittpunkt der Einflußsphären des venezianisch-ungarischen Golddukatens und des rheinischen Goldguldens" (1165). Um an diesem großen Aufschwung des Handels teilzuhaben, mußte aber sein Münzwesen auf eine ganz neue Grundlage gestellt werden. Mit dem Etschkreuzer allein ließ sich dies nicht mehr bewerkstelligen, seitdem man auch in gewissen deutschen Gebieten zur Goldwährung übergegangen war. Böhmen und Ungarn hatten schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts ihre eigenen Goldgulden geprägt. Auch einzelne deutsche Fürsten hatten in bescheidenem Umfange den florentinischen Gulden mit der Wappenlilie und dem Stadtheiligen Giovanni Battista nachgeahmt. Aber während Böhmen und ganz besonders Ungarn auf Grund reicher Golderträgnisse vollwertige Gulden in ansehnlichen Mengen ausgeben konnten, behielten die Deutschen aus Goldmangel nicht lange den Fuß der Florentiner bei, sondern verschlechterten ihn. Um dem vorzubeugen, schlössen die rheinischen Kurfürsten 1386 ihren ersten Münzverein. Dieser rheinische Gulden (fl. rhein.) wurde alsbald in diesem größten und reichsten Gebiete Westdeutschlands die Haupthandelsmünze. Aber auch sie verlor im 14. und 15. Jahrhundert dauernd an Feingewicht: von 3,396 Gramm im Jahre 1386 sank sie 1490 auf 2,527 Gramm herab und im Jahre 1550 gar auf 2,48 Gramm. Ihre Ausprägung wurde daher bald völlig eingestellt, worauf der Dukaten, der, nach dem bekannten Vorgang von der schlechteren Münze verdrängt, vorübergehend in den Hintergrund getreten war, wieder seine alte Bedeutung erlangte. Auch Erzherzog Sigmund von Tirol hatte, obwohl arm an eigenem Berggold, in der Meraner Münzstätte 1477 eigene Goldgulden nach rheinischem Vorbild zu prägen begonnen und diese Münzung auch in der neuen Münzstätte zu Hall im Inntal fortgesetzt. Es wurden zwar bemerkenswerte Mengen geprägt, doch reichten sie keineswegs zur Befriedigung des Bedarfes aus, so daß kein nennenswerter Gewinn erzielt werden konnte. 274

Um dieselbe Zeit, als in Meran die ersten Goldgulden geschlagen wurden — 169 an der Zahl, von denen leider kein einziges Stück bekannt ist —, machten verschiedene Umstände eine Verlegung der Münzstätte nach Nordtirol notwendig. Der entscheidende Beweggrund war wohl die vom Osten her durch das Pustertal drohende Türkengefahr. Noch 1473 hatte der Erzherzog die erste eingehende Münzordnung für Meran erlassen, aber schon bald darauf geriet der Betrieb auffallenderweise ins Stocken, was höchstwahrscheinlich mit dem im gleichen Jahre erfolgten Einbruch der Türken in Kärnten zusammenhängt. Aber noch ein anderes wirtschaftliches Moment kam hinzu: der Geldbedarf der landesfürstlichen Kammer in Innsbruck — schon Sigmunds Vater, Herzog Friedrich, hatte Residenz und Regierung von Meran dorthin verlegt — sowie anderer Ämter, insbesondere des Salzamtes in Hall, war ungeheuer angewachsen. Die bescheidenen Südtiroler Bergwerke konnten ihn mit ihren unzureichenden Erträgnissen keineswegs decken; anderseits bildete, namentlich im Winter, der Transport größerer Silbermengen von Tirol über den Brenner und Jaufen nach Meran ebenso wie der Rücktransport des gemünzten Metalls nach dem Norden ein bedeutendes und zugleich kostspieliges Hindernis. Überdies, und das hat schließlich zweifellos den Ausschlag gegeben, bahnte sich seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts im Tiroler Bergbau eine entscheidende Wendung an. Das ungemein reiche Silbervorkommen auf dem Falkenstein bei Schwaz führte zu einem unglaublichen Aufstieg des Tiroler Bergbaus. Auf die Kunde hievon war viel fremdes Bergvolk aus Böhmen, Sachsen und anderen deutschen Landen auf der Arbeitssuche nach Schwaz gekommen (188). Der nun folgende, schier unglaubliche Aufstieg hatte das bisher mittelalterliche Wirtschaftsgefüge durchbrochen. „Allein in Schwaz, das den Ehrennamen ,aller Bergwerke Mutter' führte, stieg die jährliche Silberausbeute von 27.000 Mark im Jahre 1478 auf 50.000 Mark im Jahre 1485. Da der Tiroler Landesfürst als Inhaber des Bergregals die Ablieferung der gesamten Silberproduktion gegen Barzahlung an die Gewer ken durchsetzen konnte, stand ihm jährlich eine gewaltige Menge an Edelmetall zur Verfügung. Wenn auch ein Großteil dieser Produktion zur Abzahlung der Darlehen diente, die Augsburger und Wasserburger Handelsgesellschaften zur Bezahlung der verschwenderischen Hofhaltung Erzherzog Sigmunds gegeben hatten, so erfolgte diese Rückzahlung nicht in Barren, sondern in gemünztem Silber. Da die Bezahlung in den bisher üblichen Kleinmünzen bei solchen Summen einen übermäßigen Arbeitsaufwand erfordert hätte, lag der Gedanke einer Reform des gesamten tirolischen Münzwesens nahe" (1165). Die neue Münzstätte in Hall wurde also zur Ablieferungsstelle für die Erträgnisse der ganz in der Nähe gelegenen Silberbergwerke. Ein idealeres Zusammentreffen für die Durchführung einer grundlegenden Reform konnte es gar nicht geben. Dazu kam noch, daß der zur Ausarbeitung dieser Reform bestgeeignete Mann zur Verfügung stand: der aus dem Venezianischen stammende Anthoni vom Roß (oder de Caballis). Die Italiener standen damals in geschäftlichen Dingen fast turmhoch über der konservativen Schwerfälligkeit der Einheimischen. Das hatte schon Meinhard II. erkannt, als er Florentinern seine Meraner Münze anvertraute. So wurde Roß als „obrister Amtmann" der Berater des Erzherzogs in allen Bergbau- und Münzangelegenheiten. Der neue Mann „hat als typischer Vertreter der Renaissance die Eigenschaften des wagemutigen Bergunternehmers, des Erfinders neuer Schmelzmethoden und auch die des Spekulanten in sich vereinigt. Als Münzstätte wurde der vom Landesfürsten 1474 angekaufte Ansitz Sparberegg eingerichtet. Im Münzmeister Bernhard Behaim fand Roß den Mann, der seine neuen Ideen organisatorisch in die Tat umzusetzen verstand" (1165). Die reiche Schwazer Silberausbeute ermöglichte wohl die erste Goldprägung in 275

80. Tirol, Ehg. Sigmund. Goldgulden o. J., Hall

Tirol durch den Ankauf alter Goldmünzen und von Bruchgold. Das Hauptziel der Haller Münzreform war indessen „die Auswertung des Tiroler Silbers, und zwar in Form von größeren Münzen", wie sie der Handelsverkehr benötigte. Die erste Etappe dieser neuartigen Silbermünzung war die Prägung eines Geldstückes, dessen Wert genau dem von 1 Pfund Pernern zu 12 Kreuzern entsprach. Man begann 1482 diese großen Groschen oder Pfundner zu schlagen; 18.500 Stück mit einem Gewichte von je 6,35 Gramm drangen in den Geldumlauf ein. Italien hatte hierfür das Vorbild abgegeben, als 1472 Venedig die erste Münze mit dem Bildnis eines Fürsten prägte, die nach dem Dogen benannte Lira Tron, übrigens die einzige venezianische Münze, die ein Dogenbildnis aufweist. Dieses Beispiel wurde zunächst 1474 vom Mailänder Herzog Galeazzo Maria Sforza nachgeahmt, und die mit der testa (Kopf) eines Münzherrn ausgestatteten Stücke, deren Typus alsbald auch andere italienische Machthaber, nicht zuletzt auch die Päpste, übernahmen, hießen testoni. Auch Erzherzog Sigmund folgte diesem Beispiel; es war ein völliges Novum in den österreichischen Landen und daher bahnbrechend. Was an Herrscherköpfen auf Münzen des hohen Mittelalters auftaucht, war fern jeder Porträtähnlichkeit; der kleine Schrötling der Pfennige erlaubte ja nichts anderes als eine symbolisierende Andeutung. Die Stempelschneider, die Sigmund angestellt hatte, Konrad Michlfelder und Wenzel Kröndl (von diesem stammten auch die Eisen zu den Goldgulden), brachten auf dem Tiroler Pfundner „das erste bewußte Porträt eines Landesfürsten im deutschen Raum" an. Dem Pfundner wurde im gleichen Jahre 1482 auch noch ein Halbstück (Kleiner Groschen oder Sechser), der ebenfalls das Profilbildnis des Erzherzogs zeigt, an die Seite gestellt. Noch Erzherzog Maximilian III. prägte sie bis zum Jahre 1618. Der Sechser wurde zur beliebtesten Groschenmünze im Geldverkehr und blieb bis zu seinem Ende auch in seinem Äußeren ziemlich unverändert. Typisch für ihn ist die Rückseite mit den vier Wappen zwischen den Kreuzwinkeln. Ferdinand I. prägte ihn eine Zeitlang sogar in nichttirolischen Münzstätten, ebenso der letzte Görzer Graf. Dann folgten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Öttingen, Salzburg und eine pfälzische Seitenlinie zu Neuburg an der Donau. Pfundner und Sechser bedeuteten wohl schon einen großen Fortschritt, aber noch keineswegs den Höhepunkt der endgültigen Absage an das ausgehende Mittelalter. Die Münzreform Sigmunds strebte nämlich in erster Linie danach, den rheinischen Goldgulden durch ein Silberäquivalent zu ersetzen. Der Handel bedurfte dringend einer Großmünze in Silber, als sich die Prägung von Goldgulden in Tirol als unrentabel erwiesen hatte. In Hall versuchte man es zunächst 1484 mit einem Stück im Gewichte von 15,85 276

81. Tirol, Ehg. Sigmund. Halbguldiner 1484, Hall

G r a m m und einem Feingehalt von 935/1000, also einer ungemein feinen, vollwertigen Münze. Sie hatte den Wert eines halben Guldens und hieß halber Guldengroschen oder Halbguldiner. Auch mit dem Münzbild nahm man es sehr genau : der Halbguldiner sollte nicht nur in seinem Werte gut sein, sondern auch in seinem äußeren Aussehen etwas ganz Besonderes, noch nie Dagewesenes repräsentieren. Schon 1483 hatte man — abermals aus Venedig — zwei Goldschmiede, Leone Sigura und Reichart Weidenpusch berufen. D e r A b g u ß eines Modells von der Hand Weidenpuschs ist uns erhalten. Die Vorderseite zeigt das Hüftbild Siegmunds im Profil mit Harnisch, Zepter und Erzherzogshut, die Linke am Schwertgriff. Damit war sozusagen für das ganze folgende Jahrhundert und auch noch für Teile des 17. das Münzbild der Vorderseite der silbernen Großmünzen präfiguriert. Die Rückseite war noch eindrucksvoller : sie zeigt den Erzherzog zu Pferde, umgeben von zehn Wappen. Dieses Modell, zugleich auch die Vorlage für die erste deutsche Schaumünze, diente als Grundlage für den Halbguldiner, bloß daß die bei Weidenpusch insbesondere in der Gestaltung des Reiters deutlich erkennbaren Elemente oberitalienischer Renaissance von den beiden Haller Stempelschneidern Wolfgang Peck und Wenzel Kröndl im Sinne deutscher Spätgotik umgeformt wurden. Überdies enthält der Wappenkreis rings um den Turnierritter 14 Wappen und zuguter Letzt trägt das Stück auch die Jahreszahl 1484. Der Erzherzog ließ von diesem Stempel auch Stücke im doppelten Gewicht (31,7 g) herstellen, die indessen nicht als Vorläufer des ganzen Guidiners anzusehen sind. Der Guldiner folgte zwei Jahre später seinem Halbstück; er hieß auch großer Groschen oder Uncialis, war 31,7 bis 32 G r a m m schwer und besaß den gleichen Feingehalt wie der halbe Guldiner. Damit war das Ziel der Münzreforn erreicht, das Silberäquivalent des Goldguldens geschaffen. Die Rückseite ist in entsprechender Vergrößerung die gleiche geblieben, nur daß sie die Jahreszahl 1486 unter dem Ritter trägt. D a f ü r ist auf der Vorderseite der Erzherzog in Vorderansicht in ganzer Figur mit Harnisch, Mantel, Zepter, Schwert und Erzherzogshut zu sehen; er wird von einem den Bindenschild haltenden Löwen und einem Turnierhelm mit dem österreichischen Zimier, einem Pfauenstoß, flankiert. Der Guldiner scheint in größeren Mengen geprägt worden zu sein, da Stempelvarianten das Vorhandensein mehrerer Eisen bezeugen. Schon 1488 wurde der ganze Guldiner durch Herzog René II. von Lothringen nachgeahmt, ein Zeichen, wie schnell sich damals derartige Gepräge verbreiteten. Als Sigmund, der stets am prächtigen Münzwerk seine Freude gehabt hatte und nun im Alter etwas kindisch geworden war, 1496 seine Todesstunde herannahen fühlte, holte man 400 Guldiner, „weil sein Gnad noch einmal in ain silber greifen wolt". Bei der Totenfeier wurden neben dem Sarg drei Becken aufgestellt, eines mit Gold, eines mit neuen 2 77

82. Tirol, Ehg. Sigmund. Guldiner I486, Hall

Sechsern und eines mit neuen Kreuzern. Er war wirklich Sigmund der Münzreiche (1165).

Er hätte es wohl nicht gewagt daran zu denken, daß seine großartige Neuschöpfung als „Taler" und unter verschiedenen anderen Bezeichnungen im böhmisch-sächsischen Erzgebirge im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts einen Siegeszug durch die ganze Welt antreten würde. Aber zu dieser Zeit war der Name des Schöpfers wohl schon vergessen. 6. Nieder- und Oberösterreich Über den Beginn der Münzprägung im babenbergischen Österreich herrscht Unklarheit. Die Münzstätte Enns scheidet hier aus, da die Stadt bekanntlich in der Frühzeit den Traungauern und damit zur Steiermark gehörte. Die älteste Urkunde (Admont, 1157) führt die „Chremensis moneta", die Kremser Münze an, etwa ein Jahrzehnt später wird in einer Hartberger Urkunde die „Uiscacensis moneta", die Fischauer Münze, erwähnt, wo ebenso wie in Enns von den steirischen Herzogen geschlagen wurde. Nun ist im Jahre 1886 auf einem Felde der Gemeinde Rakwitz an der österreichischmährischen Grenze unweit von Podivin und Lundenburg ein Münzschatz von mehreren Tausend Pfennigen geborgen worden. Neben zierlichen böhmisch-mährischen Denaren von Wratislav II. (1058—1092) angefangen bis Sobeslav (1125—1140) gab es auch mehrere Hundert größere unbekannte Gepräge, nicht unähnlich den Kegensburgern, die O B E R MAYR aus dem Reichenhaller Münzfund veröffentlicht hat. Besonders interessant ist an den Rakwitzern, „daß die Münzbilder in ihrer symmetrischen Anordnung ohne Zerstörung meistens eine Längsteilung und zuweilen überdies eine Querteilung gestatten". Mit anderen Worten, es ermöglicht die Hälfte oder selbst ein Viertel eines solchen Pfennigs seine Ergänzung zur vollständigen Münze, weil man die Zerlegung der Ganzstücke in kenntliche Hälblinge und Viertel durch das Gepräge fördern wollte (670, WNZ. XX). Diese breiten Rakwitzer mit ihren nicht entzifferbaren Umschriften sind um ungefähr 30 bis 50 Jahre älter als die Reichenhaller Fundstücke. DANNENBERG hat diese Münzen den Markgrafen Leopold III. und IV. ( 1 0 9 5 — 1 1 3 6 und 1 1 3 6 — 1 1 4 1 ) beigelegt. L U S C H I N hat indessen diese Zuschreibung in seiner Besprechung nicht für spruchreif angesehen und BUCHENAUS Vermutung, der neben Krems auch die Münzstätten Enns und Neunkirchen für diese Breitmünzen in Betracht zieht, für annehmbarer erachtet, gleichzeitig aber erklärt, daß eine Lösung dieser Rätsel nur von der Auffindung sicherer Leitmünzen zu erhoffen sei. 278

83. Pfennig aus dem Funde von Rakwitz; Zuteilung unsicher

84. Österreich, Hg. Leopold V. „Sirenenpfennig", Krems

In neuerer Zeit haben sich noch D W O R S C H A K und wiederum Buchenau mit diesen merkwürdigen Stücken befaßt. B U C H E N A U meint, daß eine sichere Aufteilung der Rakwitzer Halbbrakteaten „im wesentlichen zwischen Enns (?), vorzugsweise Krems (Wien käme nach Meinung der österreichischen Münzforscher noch nicht in Frage) und Neunkirchen für Abtei Formbach und deren Vögte nicht möglich" sei. Chronologisch wären sie der Zeit des Markgrafen Leopold IV. zuzuteilen. Bildlich hätten sowohl die Regensburger und auch die zierlichen böhmischen Pfennige Herzog Wladislavs I. und seiner Nachfolger, nicht zuletzt aber auch Römermünzen konstantinischer Zeit auf diese Gruppe eingewirkt. D W O R S C H A K konnte dann auf Grund des Fundes von Hainburg a. d. D . feststellen, daß dieser Fund „den Rakwitzer Breitpfennigen hier in Österreich-Steiermark ihre gesicherte Heimat gewähre". Damit müssen wir uns vorderhand begnügen. Jedenfalls ist durch den von D W O R SCHAK beschriebenen Hainburger Fund die größte Wahrscheinlichkeit gegeben, daß in Österreich eine landesfürstliche Prägung schon im dritten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts eingesetzt hat, und zwar in Krems, wo die Babenberger ihre Burg hatten, bis ihnen die politischen Verhältnisse eine Verlegung der Residenz weiter donauabwärts nach Wien ermöglichte. Die Münzung hier beginnt wohl mit Heinrich II. Jasomirgott, der 1141 bis 1156 Markgraf von Österreich, 1143—1152 auch Herzog von Bayern und 1156—1177 Herzog von Österreich war. Der Fund von Hainburg ist auch „der erste nachweislich auf niederösterreichischem Boden gehobene Schatz mit Münzen der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Zeitlich füllt er die Lücke zwischen den Funden von Rakwitz (ca. 1140) und den Funden von Gran (aus dem Jahre 1163), Zombor und Reichenhall (bis 1162)" (176). Einige der Hainburger Typen kommen auch im Rakwitzer Fund vor. Die Krems zugeteilten Hainburger Halbbrakteaten zeigen eine verschieden gebildete, mit Türmen ummauerte Stadt auf der Vorder- und einen Reiter mit Helm und Fahne auf der Rückseite. Es mußte oben schon öfters darauf hingewiesen werden, daß das Münzwesen im Herzogtum Österreich seiner geschichtlichen Entwicklung nach eine Abzweigung vom älteren bayrischen Münzwesen sei. Das zeigt sich schon in der übereinstimmenden Einteilung des Zählpfundes. Während in ganz Westeuropa das karolingische Zählpftmd in 20 Schillinge zu 12 Pfennigen oder Denaren geteilt wurde, wobei 240 Pfennige ohne Rücksicht auf ihr Gewicht als 1 Pfund galten, gliederte man das Pfund ( 5 ) in Bayern und Österreich in 8 Schillinge (ß) zu je 30 Pfennigen ( ^ ) . Dem sonst in ganz Deutschland üblichen kurzen Schilling (solidus brevis) von 12 Pfennigen stand demgemäß der bayrisch-österreichische als langer Schilling (solidus longus) von 30 Pfennigen gegenüber. „Der in den Donaugegenden infolge des Handels mit Byzanz länger andauernde Umlauf von Goldmünzen mag dahingeführt haben, daß man hier in einer Zeit, da im übrigen Frankenreich 279

85. Österreich, Hg. Friedrich I. oder Leopold VI. Pfennig, Krems

86 "

Osterreich, Leopold VI. Wiener Pfennig

H 8-

der solidus als Bezeichnung für 12 fränkische Denare zur Rechnungsmünze geworden war, noch am byzantinischen Goldsolidus festhielt, diesen jedoch dem geänderten Wertverhältnis der Edelmetalle folgend, auf 30 karolingische Denare bewertete" (685). Es erscheint begreiflich, daß sich das österreichische Münzsystem nach dem bayrischen richtete, nicht nur weil die Regensburger Kaufleute jahrhundertelang im Donauhandel die erste Rolle spielten, sondern weil auch der Regensburger Pfennig bis über die Mitte des 12. Jahrhunderts hinaus bis zum Beginn einer österreichischen Prägung in unserer Gegend maßgebend blieb. Ebenso selbstverständlich ist es, daß er und keine andere Münzsorte für die ersten österreichischen Prägungen das Vorbild abgab. Die neue Münze, die bereits erwähnten Breitpfennige aus der ersten österreichischen Münzstätte in Krems, erfreute sich großer Beliebtheit. 1157 erfolgte die erstmalige Erwähnung und bis gegen das Jahr 1200 blieb sie die gängige Münze des auf dem Regensburger Hof tag von Kaiser Friedrich Barbarossa zum Herzogtum erhobenen Österreich. Die neue Münze erfreute großer Beliebtheit. Die im Jakre 1189 durch Österreich ziehenden Teilnehmer am dritten Kreuzzug führten sie in größeren Mengen nach Ungarn mit, wo sie von den Geldwechslern freilich arg übervorteilt wurden. Der sogenannte Tageno berichtet in der ,Historia de expeditione Friderici imperatoris', daß die Kremser und Regensburger Pfennige denselben Kurswert hatten, während die Kölner und Friesacher in Ungarn anders bewertet wurden: für 2 Kölner Pfennige erhielt man damals 5 ungarische, für 2 Friesacher Pfennige 4 ungarische, für Regensburger oder Kremser nur einen ungarischen, der kaum soviel galt wie ein Veroneser. Das Ende der Kremser Münze läßt sich urkundlich nicht feststellen, sie dürfte aber die Zeit der Babenberger kaum überdauert haben. Als Friedrich III. 1463 die unbotmäßigen Wiener bestrafen wollte, da „wurden unter anderem sämtliche Münzrechte mit ihren Gerichten, Gnaden und Freiheiten, wie sie vordem in Wien bestanden hatten, auf die Städte Krems und Stein übertragen. Es scheint auch, daß in Krems damals eine kurze Zeit gemünzt wurde" (685); aber Kaiser Friedrich III. nahm 1465 die Wiener wieder in Gnaden auf, wodurch die Kremser Münzstätte, wenn sie überhaupt tätig gewesen war, wieder überflüssig wurde. Die Aufgabe, die Kremser Pfennige aus der großen Menge unbestimmbarer süddeutscher Gepräge des 12. und 13. Jahrhunderts auszusondern, hat sich schon deshalb als schwierig erwiesen, weil auch die Forschungen über das bayrische Münzwesen dieser Zeit noch keine endgültigen Resultate erbrachten, die eine klare Scheidung zwischen Vorbild und Nachahmung gestatten würde. Vorläufig ist daher noch so ziemlich alles in Flusse. Mit Sicherheit kann man bloß einen älteren Pfennig der Stadt Krems zuteilen, weil er einen Lindenbaum zeigt, der zusammen mit österreichischem Helm und Schild im 280

Kremser Stadtsiegel des 13. Jahrhunderts zu sehen ist. Dagegen war die Aussonderung der Ennser Pfennige vom Traungauer Schlag wesentlich leichter. Eindeutige Wiener Neustädter Gepräge sind jedoch erst aus dem 15. Jahrhundert bekannt. Am 16. Juli 1277 verlieh König Rudolf I. von Habsburg der Wiener Münder- Hausgenossenschaft bestimmte Rechte und Freiheiten. Nach den Eingangsworten dieser Urkunde läßt sich der Bestand einer Münze zu Wien bis in den Anfang dieses Jahrhunderts zurückverfolgen, da die Hausgenossen „iura et statuta professionis eorum exercitiis, que ab illustri Leupoldo quondam duce Austriae avo illustris Fridrici ducis primitus cepisse feruntur". Das besagt, daß der Beginn einer Wiener Münzstätte innerhalb der Jahre 1177—1194 liegen muß; seit 1203 ist sie auch durch die Reiserechnungen des Bischofs Wolfger von Passau belegt. „Die Errichtung dieser Münzstätte dürfte im Anschluß an den dritten Kreuzzug erfolgt sein, als sich der Geldbedarf in Österreich erheblich gesteigert hatte, weil viele heimische Kreuzfahrer Liegenschaften verkaufen mußten, um die Barmittel für ihre Ausrüstung aufzubringen" (685). Da das Land bekanntlich über kein eigenes Bergsilber verfügte, sondern das Metall wohl aus seinem Handel mit dem silberreichen Ungarn bezog, war dieser plötzliche Edelmetallabfluß für Österreich ein schwerer Schlag. Ein lebhafter Verkehr mit großen Anforderungen und Geldknappheit trafen mit einem Male zusammen und erschwerten den Münzbetrieb. Herzog Leopold V., der ihn bis dahin auf eigene Rechnung geführt hatte, überließ „die Ausprägung gegen Bezug des bedungenen Schlagschatzes an Private" (685). Zunächst dürfte der Jude Schlom die Münze gepachtet haben, der kurz nach dem dritten Kreuzzug an die Spitze der herzoglichen Münze gestellt worden war. Dann aber entschloß sich Leopold zu einer dauernden und gründlichen Regelung. Er errichtete zu Wien „die mit dem Anspruch auf Selbstergänzung und manch andern Vorrechten ausgestattete Körperschaft der Hausgenossen, die als Vereinigung von Kapitalisten gegen einen Anteil am Münzertrag für den ungestörten Münzbetrieb zu sorgen hatte". Der Landesfürst konnte dadurch einen viel größeren Einfluß auf die Ausprägung nehmen, als dies bei einer bloßen Verpachtung möglich gewesen wäre (s. o. S. 33). Wie schon erwähnt, unterstand die Münze dem obersten Kämmerer als erstem Finanzbeamten des Landes. Albrecht I. betraute 1298 den Chalhoch von Ebersdorf mit dem Erbländischen Kämmereramt. Dies hatte zur Folge, „daß die Ebersdorfer das ganze Mittelalter hindurch nicht nur gewisse Einkünfte aus der Münze bezogen, sondern auch als Schutzherren der Münzer und aller zugehörigen Personen erschienen" (685). Der Posten des Mün^meisters war ebenso gesucht wie hoch angesehen, „ein Vertrauensposten mit weitreichenden Befugnissen und guten Einkünften, der aber technische Kenntnisse und Vermögen erforderte und ein großes Maß von Verantwortlichkeit einschloß, weil der Münzmeister die Münzerzeugung vom Anfang bis zum Ende zu überwachen und für die Richtigkeit der von ihm in Umlauf gebrachten Münzen zu sorgen hatte". Die Münzmeister entstammten gewöhnlich jenen Geschlechtern, die auch auf die Leitung der Gemeindegeschäfte der Stadt den größten Einfluß hatten. Es gibt daher geradezu Münzmeisterfamilien, wie die Greif, die Tirna, die Würfel und die Liebhart. Die Mehrzahl dieser Namen von etwa 1300 bis 1450 finden wir auch unter den Wiener Bürgermeistern; einzelne von ihnen bekleideten sogar beide Ämter Jahre hindurch zur gleichen Zeit. Auf einigen Pfennigen des 13. und 14. Jahrhunderts haben sie auch auf der Rückseite ihre Wappen angebracht, so der Landschreiber Konrad von Tulln oder Jacob von Hoya, Angehöriger eines Wiener Bürgergeschlechtes, dann die Wiener Bürger Heime und Chraechsner wie auch ein Kremser namens Urvar. Wappen wie Siegel haben die Aufstellung einer Chronologie der Wiener Pfennige sehr erleichtert. 281

Um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert heißt dieser Beamte aber nicht mehr Münzmeister von Wien, sondern bereits von Österreich, wodurch die stärkere Einflußnahme der Herzoge auf das Münzwesen betont wird. Auch kommt in diesem neuen Titel die Tatsache zum Ausdruck, daß Wien nach Auflassung der anderen Münzstätten, wie Enns und Wiener Neustadt, nunmehr das ganze Land mit Münzen zu versorgen hatte. Der Titel blieb erhalten, als später auch an diesen Orten wieder gemünzt wurde und zur Schinderlingszeit sogar neue Münzstätten wie Linz und Freistadt dazukamen. Der Münzmeister übte auch eine besondere Gerichtsbarkeit aus. Bei Verbrechen, auf denen Tod oder schwere Leibsstrafe stand, wurde das Stadtgericht um Vollzug der vom Münzgericht der Hausgenossen erkannten Strafe ersucht. Nach dem Münzmeister war der ranghöchste Beamte in der Münze der herzogliche Anwalt, der notarius monetae, der die landesfürstlichen Interessen zu wahren und zu vertreten hatte. Oberster Kämmerer, Münzmeister und Münzanwalt waren die höchste Instanz für die wichtigsten technischen Belange sowie für die Verwaltung der Münzstätte. Die Herstellung des Geldes oblag den verschiedenen Münzarbeitern. Die Befugnisse der Hausgenossenschaft und deren Organisation sind zu weitschweifig, um hier im einzelnen erörtert zu werden. Festzuhalten ist dafür, daß wir vor allem aus dem Münzbuche des obersten Kämmerers Albrecht von Eberstorf oder eines seiner Amtsvorgänger im 15. Jahrhundert über diese hervorragend organisierte Körperschaft bis ins kleinste Detail informiert sind. Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts arbeitete sie in der alten Herzogsburg (der Name des Platzes „Am Hof" erinnert noch heute daran); später übersiedelte sie „teils in die Münzerstraße neben dem Haus, das die Landskron hieß, teils in den Münzhof, der sich von der Wollzeile bis zum Stefanskirchhof erstreckte" (685). Es ist allgemein bekannt, daß das mittelalterliche Münzwesen mehr auf dem Willen und der Autorität des Münzherrn als auf dem Metallwert des Geldes beruhte. Das Münzregal sollte ja seinem Inhaber großen Gewinn bringen (s. o. S. 53). „Selbst wo sich der Münzherr auf die Erhebung des ordentlichen Münzgewinnes beschränkte, was in Osterreich während des 13. und 14. Jahrhunderts der Fall war, ließen sich schwere Belästigungen von Handel und Verkehr dabei nicht vermeiden. Der Handel mit Edelmetallen war monopolisiert und dem Herzog vorbehalten, der ihn zur Versorgung der Münze mit Silber den Hausgenossen überließ. Gleichem Zwecke diente der jährlich wiederkehrende Münzverruf, der die umlaufende Münze des Vorjahres ihrer Münzeigenschaft entkleidete und als Altsilber an die Wechselbänke drängte" (685). Diese Münzverrufung, die berüchtigte renovatio monetae, war nichts anderes als eine Besteuerung des baren Geldes bis zu einem Viertel des Nennwertes in jedem Jahre. Nach Ausgabe der neuen Münze aber durfte bei schwerer Strafe niemand Käufe oder Verkäufe gegen alte Pfennige oder ungemünztes Silber abschließen. Dieses Verbot ließ sich indessen nicht zur Gänze durchsetzen. Wenn in Urkunden denarii novi und denari antiqui erwähnt werden, so haben diese Ausdrücke eine bestimmte Rechtsbedeutung. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts betrug der Feingehalt des Wiener Pfennigs gegen 690/1000 oder ungefähr 11 Lot; ein Jahrhundert später aber war er auf etwa 600/ 1000 = 9 % Lot gefallen. Trotzdem war er für jene Zeiten „vergleichsweise hoch und beständig" (685). Dies erklärt auch, weshalb die Wiener Pfennige in beträchtlichen Mengen — um 1295 waren es rund 14.000 Pfund Pfennige jährlich — nach Ungarn abströmten. Hier waren sie bis gegen 1358 eine beliebte Handelsmünze, die im Lande die Nachfolge der langsam ihre Bedeutung verlierenden Friesacher angetreten hatte und sich Schritt für Schritt auch in den anderen österreichischen Gebieten an Stelle der Friesacher durchsetzte. 282

Renovatio und Vollgültigkeit als Handelsmünze im Ausland ergaben einen beträchtlichen Schlagschatz, der in den Säckel des Landesherrn floß. Genaue ziffernmäßige Angaben besitzen wir aus dem Jahre 1334. „Damals verrechnete der Wiener Münzmeister Dietrich Urwetsch im ganzen 4971 Pfund Pfennige, die etwa 621,5 Kilogramm Feinsilber enthielten, an Münzgefälle, darunter 2576 Pfund, 60 Pfennige Schlagschatz aus der Wiener Münze und 1970 Pfund, 7 Schilling, 20 Pfennig von den Wiener Hausgenossen, ferner 369 Pfund, 7 Schilling Eingang von der Münzkammer zu Wiener Neustadt und 453 Pfund, 7 Schilling, 10 Pfennig aus Enns" (685). Die jährliche Münzerneuerung, die in Österreich schon um die Mitte des 13. Jahrhunderts bezeugt ist, war begreiflicherweise „eine drückende Last, die jährlich neue Preissatzungen für Lebensmittel und Arbeitslöhne erheischte und große Verkehrsverluste brachte, zudem nahm ihr Erträgnis mit dem Sinken des Münzfußes allmählich ab", Herzog Rudolf IV. entschloß sich daher, Abhilfe zu schaffen: er verzichtete auf sein Münzerneuerungsrecht, erhielt aber dafür den Wert von einem Zehntel aller in seinen Landen ausgeschenkten Getränke als Ungeld zugesprochen. Ursprünglich versuchsweise und vorderhand nur für das Jahr 1359 gedacht, wurde dann diese Abrede schon nach Jahresfrist für immerwährende Zeiten von den Landständen angenommen. Österreich war mit diesem Verzicht früher als die meisten deutschen Territorien „im Vertragswege beim sogenannten ewigen Pfennig angelangt" (685). Albrecht V. hat 1416 sehr zum Unwillen der Bevölkerung diese Abrede eigenmächtig durchbrochen, Weißpfennige mit dem Wappen des Landes ob der Enns ausgegeben und gleichzeitig die früheren Emissionen widerrufen. Die Folge dieser Willkür war eine schwerwiegende Verringerung der landesherrlichen Einkünfte aus dem Münzregal: 1438 wurde der Ertrag nur mehr auf 193 Pfund Pfennige bei 5,25 Kilogramm Feingewicht geschätzt. Die Wiener Pfennige waren mit der Zeit immer leichter und infolgedessen auch minderwertiger geworden. Trotzdem erfreuten sie sich einer über ihr Ursprungsgebiet weit hinausreichenden Beliebtheit. Den Habsburgern war es nämlich gelungen, am Ende des Mittelalters „zu einem Münzsystem zu gelangen, auf welchem fortan durch Jahrhunderte die Einheitlichkeit des Münzwesens in ihren weiten Landen beruhte" (685). Sie erreichten dieses Ziel nicht zuletzt dadurch, daß sie den Abfluß der Wiener Pfennige in den Geldumlauf der Nachbarlande systematisch förderten. Schon zur Zeit der ersten Habsburger, also zu Ende des 13. Jahrhunderts, „gab es ein zweifaches Umlaufsgebiet der Wiener Pfennige, ein engeres, in dem sie Währungsrecht hatten, und ein weiteres, das sie als Handelsmünze beherrschten" (685). Im engeren Gebiet besaß der Herrscher das Recht der alljährlichen Münzerneuerung. Der erwähnte Ungeldbrief Rudolfs IV. vom Jahre 1359 fixierte es mit den Worten „in allem dem lande ze Osterreich under der Ens und ob der Ens, als weit und als verre als unser münzze von Wienn von recht gen sol" (1104). Daneben gab es den ertragreichen cursus monetae major, das Umlaufgebiet jenseits der Landesgrenzen. Diesen cursus schätzte man zur Zeit Albrechts I., wenn Frieden im Lande herrschte, auf etwa 14.000 Pfund Pfennige jährlich; später war er noch höher. Dementsprechend waren auch die Prägezahlen bemessen. Damit es im eigenen Lande infolge des Abflusses nicht an gemünztem Gelde mangle, schlug man eben weit mehr Pfennige als der Eigenbedarf erfordert hätte. Der Wiener Handelsverkehr war von allem Anfang an bilateral, demgemäß floß die Münze hauptsächlich in zwei Richtungen ab: westwärts nach Oberdeutschland, ostwärts nach Ungarn. Schon im 14. Jahrhundert kann man sie bis nach Bayern und Böhmen, über Krain hinaus bis Florenz, dann bis Tirol, ja sogar bis Siebenbürgen verfolgen. Die weite Verbreitung nach Osten hin gibt jedoch zu denken. Ungarn war ja im 283

Mittelalter dank seines Reichtums an Edelmetallen geradezu die „Silbergrube für Oberdeutschland" gewesen, wobei Österreich als Vermittler dieses Handels eine ungemein wichtige Rolle zukam. Der Erwerb von Edelmetallen bildete den Hauptfaktor für den Handel der Oberdeutschen nach dem Osten. Es besteht daher kein Zweifel, daß die ungarischen Könige, um dieser Infiltration ihres Landes mit dem Wiener Pfennig wirksam zu begegnen, diese selbst nachahmten. „Gerade das Auftreten von Wiener Pfennigen in den Urkunden der ungarischen Könige schließt völlig aus, daß unter den denarii Viennenses von Wien nach Ungarn ausgeführte Münzen zu verstehen sind. Denarii Viennenses hatte daher in Ungarn eine ähnliche Bedeutung, wie Videnskij im Tschechischen" (721). Diese ungarischen „Wiener" Pfennige sind leichter im Gewicht als die Originale, nämlich bloß 0,46—0,58 Gramm gegenüber dem Wiener Durchschnittsgewicht von 0,826 vor 1250 und 0,779 Gramm nachher. Bezeichnend ist aber, daß diese leichteren ungarischen Stücke fast nur in ungarischen Funden vorkommen, und zwar in großen Mengen, während sie in Österreich, also im Auslande nur vereinzelt, nie aber in Mengen auftauchen. In ungarischen Quellen heißen diese eigenständigen „Wiener Pfennige" denarii parvi, medioscre oder lati, eine Differenzierung, die sich auf die originalen Wiener Pfennige nicht anwenden läßt. Im Jahre 1342 erläßt dann König Karl Robert eine neue Münzordnung, die gleichzeitig die Einziehung und Umwechslung der im Umlauf befindlichen Gepräge festlegt: „tres ex eisdem denariis pro quattuor latis Viennensibus vel aliis Camerae nostrae monetis quinti anni jam abolitis, aut etiam in aliis praecedentis anni fabricatis, combustionem Viennensem habentibus cambientur". Und schließlich: „Statuimus, ut nullos omnino hominum cum aliquibus antiquis monetis, aut auro vel argento in specie et specialiter cum parvis etiam cum mediocribus Viennensibus, quorum omniusdam exstirpationem volumus et committimus, praeterquam cum praedictis monetis camerarum nostrarum mercandi habeat facultatem." Daraus geht eindeutig hervor, daß die Bezeichnung Viennenses ebenso ein auch im Ausland üblicher Gattungsname war wie die Friesacher. Diese Feststellung hat übrigens zwangsläufig auch die Theorie L U S C H I N S ZU Fall gebracht, daß die Handelsbilanz Österreichs gegenüber Ungarn aktiv gewesen sei. Weder der cursus monetae major noch die in Ungarn gemachten Münzfunde lassen sich in einen Zusammenhang mit der Handelsbilanz bringen. Gerade das Gegenteil trifft zu. Seit der Abschaffung der ungarischen „Wiener" im Jahre 1342 werden sie auch in den Urkunden nur mehr sporadisch als Wertangaben erwähnt. Auch in den Münzfunden aus etwas späterer Zeit sind sie verschwunden, und auch die Zolltarife rechnen nicht mehr nach ihnen. Dies alles rückt auch den cursus monetae major in ein ganz neues Licht, Österreich besaß kein einziges Edelmetallbergwerk, es bezog daher das erforderliche Münzmetall aus dem reichen Bergsegen Ungarns. Da aber der unmittelbare Handel mit Edelmetall in Österreich verboten war, „das Silber vielmehr zuerst an die herzogliche Münze verkauft werden mußte, um dort vermünzt zu werden, ehe es weiter in den Verkehr kam, zog auch die Münze einen schönen Gewinn aus dem Handel. Es ist allerdings nicht zu denken, daß alles Silber tatsächlich in Wien neu ausgeprägt wurde. Immerhin ergab sich aber daraus eine nicht geringe Menge von Münzen, die der Wiener Münze entstammten, ohne eigentlich für den österreichischen Verkehr bestimmt zu sein" (721). Die erfolgreiche Abwehr des originalen Wiener Pfennigs durch Ungarn beweist seine große Beliebtheit und Wertschätzung in diesem Lande. Sie erstreckte sich aber nicht bloß auf den Osten. Im übrigen war die offenkundige Begünstigung des Wiener Pfennigs durch die Herzoge nicht bloß eine fiskalische Maßnahme, sondern auch die Tendenz, in dem sich immer mehr erweiternden habsburgischen Länderkomplex, also in Österreich, 284

Steiermark, Kärnten, Krain, Tirol zu einer Einheitsmünze zu gelangen, womit auch die Überflutung durch auswärtiges Geld gesteuert werden sollte. Es galt daher vor allem in den übrigen Gebieten die bisherige Landesmünze, wie den Friesacher und den Grazer Pfennig zu verdrängen. Dies gelang am frühesten in Kärnten und Krain. Ob unter den Habsburgern seit 1335 noch Friesacher geschlagen wurden, ist trotz der Münzreform von 1334 mehr als zweifelhaft. Etwas länger hielt sich der Grazer Pfennig, der noch unter Rudolf IV. deshalb nach seinem alten Münzfuß geschlagen wurde, weil man sich dadurch gegen die in Österreich bis zum Ungeldbrief von 1359 übliche jährliche Münzerneuerung schützen wollte. Seit 1366 aber wird in den Urkunden die Gleichwertung Gramer oder Wiener Pfennig immer häufiger, bis dann 1409 Herzog Ernst der Eiserne die Ausmünzung nach Wiener Schrot und Korn anordnete. 1436 wurde sogar versucht, auch in Graz eine Münzerhausgenossenschaft einzuführen (s. o. S. 281). Zu Beginn des 15. Jahrhunderts beherrscht also der Wiener Pfennig als landesübliche Münze die habsburgischen Gebiete, allerdings mit Ausnahme von Tirol, das an seinen hergebrachten Münzeinheiten festhält, weil sein Handel mit Italien dies erfordert. In Tirol gilt nach wie vor die Bernerwährung, deren kleinstes Nominale das 4-Berner-Stück oder Vierer ist. Österreich und die Steiermark versuchen bald nach der Jahrhundertmitte sich diesem Münzfuß insofern anzupassen, indem man den Etschkreuzer 4 Wiener Pfennigen gleichsetzte und ebenfalls Kreuzer zu prägen begann. Dies bahnte eine neue Entwicklung des österreichischen Münzwesens an. Wohl wurde an der alten Rechnungsweise des Pfundes Pfennig festgehalten, aber man konnte dieses Pfund anstatt mit 240 Stück Pfennigen auch mit 60 Kreuzern begleichen. „Als endlich im Laufe des 15. Jahrhunderts der in großen Mengen als Handelsmünze umlaufende rheinische Goldgulden die Bewertung auf 60 Kreuzer oder 240 Wiener Pfennige erreicht hatte, war damit die Grundlage gegeben, auf welcher sich fortan ein einheitliches Münzwesen für die habsburgischen Erblande erheben konnte" (685), in dem der Wiener Pfennig die unterste Einheit bildete. Von den seit dem Ende des 12. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts entstandenen mehr als anderthalb Hundert Geprägen, die die Mache der Wiener Pfennige aufweisen, gleichgültig ob sie in der Münzstätte Krems, Enns, Wiener Neustadt oder Wien entstanden sind, war die Zuweisung an die einzelnen Herrscher nicht ohne weiters möglich. Denn die überwiegende Mehrzahl dieser Gepräge ist stumm, also ohne erklärende Schrift. Doch gibt es immerhin methodische Behelfe, die eine Bestimmung wenigstens in hohem Grade wahrscheinlich machen. Die redenden Gepräge, die zwar unter den Wiener Pfennigen zu den Ausnahmen gehören, können dann als Leitmünzen für die Bestimmung der stummen dienen. Aber nicht nur die ausgeschriebenen Herrschernamen oder deren Anfangsbuchstaben erleichtern eine sichere Bestimmung, sondern auch Wappenschilde oder Wappenbilder von österreichischen Landschreibern, den wichtigsten Beamten der Finanzverwaltung, oder Münzmeistern ermöglichen eine „bis aufs Jahr oder doch auf ein Jahrzehnt genaue Zeitbestimmung" (685). Aber auch Schrot und Korn liefern Anhaltspunkte. Das Korn des österreichischen Pfennig ist bekanntlich von rund 690/1000 um die Wende zum 13. Jahrhundert allmählich gesunken. Die feinhältigeren Gepräge sind infolgedessen älter als die schlechteren. Ähnlich verhält es sich auch beim Schrot, dem Rauhgewicht. „Da von Haus aus auf das Durchschnittsgewicht gemünzt wurde, so sind Einzelgewichte von Pfennigen wenig brauchbar und Durchschnittsgewichte um so wertvoller, je größer die Anzahl ist, aus der sie gewonnen wurde" (685). Als wichtigste Bestimmungshilfe dienen da die Münzschätze, vorausgesetzt, daß sich ihre Vergrabungszeit genau ermitteln läßt. Aus der abwechslungsreichen Reihe der Münzbilder, mit denen die Wiener Pfennige 285

87. Österreich, Hg. Albrecht IV. Wiener Pfennig, sog. „Böckler"

88. Österreich, Hg. Albrecht V. Wiener Pfennig

ausgestattet sind, hat eines eine ganz besondere Bedeutung erlangt. Im Jahre 1399 hatten sich die Herzoge Albrecht IV. und Wilhelm entschlossen, das zerrüttete Münzwesen durch Einziehung der seit 40 Jahren umlaufenden Pfennige und Ausgabe einer besseren und schwereren Sorte wieder auf die frühere Höhe zurückzubringen. Sie ordneten daher die Prägung von Pfennigen an, von denen 400 Stück auf die rauhe Mark von 9 Lot (0,563 g) gehen sollten. 100 Stück wurden einem Goldgulden gleichgesetzt. Es ist jedoch ein Irrtum LUSCHINS, daß diese neue Münze mit den nach ihrem Bild Steinböcke oder Böckler genannten Pfennigen identisch gewesen seien, deren Ausprägung in die Zeit von 1358 bis 1388 zu setzen ist. Immerhin scheint dieses Münzbild die längste Lebensdauer unter den Wiener Pfennigen besessen zu haben. Ob es aber diese Böckler waren, die die bunte Bilderwelt der Wiener Pfennige endgültig zugunsten eines gänzlich neuen Typus abschlössen, ist noch nicht restlos geklärt. Der Plan einer 91ötigen Münze mußte wieder fallengelassen werden, da die österreichischen Städte eine Preissteigerung der Waren befürchteten. Es wurden daher in der Folge 71ötige Pfennige ausgegeben, die einen von verschiedenen Buchstaben (den Initialen der betreffenden Münzherren) umgebenen Bindenschild im Dreipaß zeigen, in dessen Winkeln sich wechselnde Beizeichen befinden. Dieser Typus erhielt sich bis zum Adlerpfennig König Friedrichs IV. Dieses 15. Jahrhundert war für die österreichische Linie der Habsburger in jeder Beziehung kritisch; es war von dauernder Unruhe erfüllt. Wenn das Landplagenbild an der Südseite des Grazer Domes die drei Landplagen des Jahres 1480 eindringlich schildert (Türken, Heuschrecken und Pest), so ist dies nur ein Ausschnitt aus dem damaligen Geschehen, das um die Jahrhundertmitte in einer katastrophalen Münzkrise gipfelte. Sie hat indessen ihren Ausgang nicht von Österreich genommen, wenngleich sie hier ihren Höhepunkt erreichte. In Schwaben und Bayern hatte die massenhafte Ausmünzung „böser" Schwarzpfennige durch den Grafen Ulrich von Öttingen im Jahre 1457 die Münzverschlechterung eingeleitet. „An dieser über Süddeutschland wie Wildwasser hereinbrechenden Überschwemmung immer schlechter werdender Münzen beteiligten sich die Habsburger, die Herzoge von Bayern, der Erzbischof von Salzburg, Passau, die Grafen von Öttingen und Hals und noch manche andere. Die Zahl der Münzstätten wuchs, das Feingewicht der Münzen schwand" (696). In Österreich dagegen wurde die „Münzirrung" durch die Streitigkeiten um das Erbe nach König Ladislaus Postumus (f 1457) ausgelöst, die zwischen Kaiser Friedrich III. und seinem ehrgeizigen Bruder Albrecht VI. entbrannt waren. Begonnen hatte damit der temperamentvolle Albrecht; sein bedächtiger Bruder mußte ihm dann, von den Ereignissen förmlich überrollt, auf der abschüssigen Bahn 286

notgedrungen folgen. Kurz nach Überlassung des Landes ob der Enns befahl Albrecht seinem Münzmeister Hansman Beyland (Weyland oder Wieland) von Wesel, in Linz 18%karätige Goldgulden, siebenlötige Groschen je 9 und Kreuzer je 18 Stück auf ein Lot der rauhen Wiener Mark zu schlagen. Der Kaiser dagegen hatte mittlerweile das seit langem geschlossene Münzhaus zu Wiener Neustadt wieder eröffnet, wo er seit 1456 durch seinen aus Frankfurt a. M. stammenden Münzmeister Erwein vom Steg Kreuzer prägen ließ. Hier winkte dem Kaiser ein einträgliches Geschäft: der Münzmeister verrechnete ihm am 25. November 1459 21.200 Pfund Pfennige als Münzgewinn für ein halbes Jahr oder 1200 Pfund Pfennige für die Woche. Es ist unbekannt, in welchen Sorten dieser Gewinn ausbezahlt wurde, kaum in Schinderlingen, wie das Volk die immer schlechter werdenden Pfennige nannte, deren Ausgabe in dieser Zeit schon in Blüte stand. Der Erzherzog münzte um diese Zeit in Enns und Freistadt und ließ nach seiner Münzordnung vom 7. Oktober 1459 einlötige (!) Pfennige ausbringen, von denen 38 Stück auf ein Wiener Lot gingen. Nun muß man sich daran erinnern, daß diese und auch noch die folgenden Zeiten bis Maria Theresia dem unheilvollen Grundsatz huldigten, daß sich der Nennwert einer Münze mit ihrem Metallwert nahezu decken müsse. Eine derartige Verschlechterung des Münzfußes aber mußte unweigerlich zu einer Katastrophe führen. Denn auch der Kaiser, der durch große nie eingehaltene Versprechungen bestimmt, dreien seiner Kämmerer die Pfennigprägung erlaubt hatte, war durch die Verhältnisse zu einer radikalen Münzverschlechterung gedrängt worden. Diese Herren scheuten nämlich vor offener Falschmünzung ebensowenig zurück, wie die schon oben erwähnten Adeligen, denen der Kaiser, teils um Schulden zu bezahlen, teils um sich politische Anhänger zu sichern, die Münztätigkeit gestattet hatte. Zu Beginn des Jahres 1460 hatte die Verwirrung solche Ausmaße angenommen, daß eine Abhilfe nicht weiter aufgeschoben werden konnte. Die 1458 vorgeschriebenen 71ötigen Kreuzer waren schon ein Jahr später sukzessive einlötig, ja sogar bloß halblötig geworden, so daß sie um diese Zeit ganz kupfrig aussahen. Um dieselbe Zeit stand der Kurs des ungarischen Goldguldens auf 3686 Pfennig! Die Landtage von Stockerau 1459 und 1460 zu Göllersdorf machten daher dem Kaiser ernstliche Vorstellungen, denn alle Kriege, Raub und Brand hätten das Land nicht „so hoch erermet", als dies durch die Schinderlinge geschehen sei und noch täglich geschehe. Wer „umb 60 Pfund Einkünfte" gehabt habe, „der hat nicht zechne", Handel und Verkehr stocke im Lande, das hochsträfliche Aufkaufen guter Münzen gegen schlechtes Geld blühe (687). Friedrich gab nach, schob aber die Schuld auf das Eindringen fremder minderwertiger Münzsorten in seine Lande, was ihn zur Herabsetzung des Münzfußes genötigt habe. In der Tat raffte er sich alsbald zu einer Münzverbesserung auf. In seinem Auftrag begann der reiche Wiener Bürger Niklas Teschler am 22. März 1460 mit der Ausprägung sechslötiger Pfennige, die schon am 26. April in den Münzumlauf kamen. Doch der Versuch mißlang, da die neuen, vom Volke Großkorn genannten Schwarzpfennige, von denen 6 ß auf 1 fl gehen sollten, sich von den alten geringwertigen Sorten kaum unterschieden. Daher drangen neuerdings schlechte Kreuzer und Schinderlinge in den Münzumlauf ein, so daß der Guldenkurs auf 1246 oder 2880 ^ stieg. Auch die Preise zogen weiter an: ein Laib Brot kostete 9 ß oder 270 Es war aber kein Münzmetall mehr vorhanden, die Beschaffung äußerst schwierig. Mit den eine Zeitlang ausgeschalteten Hausgenossen konnte keine Einigung erzielt werden. Teschler blieb bis auf Widerruf Münzmeister in Österreich. Durch den Mißerfolg mit dem Großkorn gewitzigt, gab er die Schwarzpfennige auf und änderte das Äußere der neuen Münzen in auffälliger Weise. Im Sommer kam endlich auch die Einigung 287

89. Österreich, K . Friedrich III. Pfennig der Wiener Hausgenossen, Mzm. Teschler

90. Österreich, Hg. Albrecht .VI. Schwarzpfennig (Schinderling), Enns

mit den Hausgenossen zustande: von den neuen guten Münzen sollten 6 ß (180 einen ungarischen Gulden wert sein. Es waren fünflötige Weißpfennige, die vom Hochsommer 1460 von den Hausgenossen in großen Mengen geschlagen wurden. Sie zeigten im Dreipaß das Wiener Wappen umgeben von den Buchstaben H-W-T ( = Wiener Hausgenossen Teschler). Die Ausprägung erfolgte in großer Eile. Da es aber noch immer am nötigen Silber fehlte, wurde die Prägung „für eine gewisse Zeit" in der Art fortgesetzt, daß jedermann sein Silber gegen Bezahlung einer geringen Gebühr durch die Hausgenossen vermünzen lassen durfte. Eine ganze Reihe hochgestellter Persönlichkeiten, wie der Bischof von Gurk, der Abt von Melk, der Propst von Klosterneuburg und selbst die Stadt Wien machten von dieser Erlaubnis Gebrauch und förderten damit, wie der Chronist berichtet, die Münze in der Tat sehr, da durch sie ja größere Mengen guten Geldes in den Umlauf kamen. In Oberösterreich hat Erzherzog Albrecht VI. innerhalb von rund 15 Monaten nicht weniger als vier Münzordnungen erlassen, eine für Linz, die übrigen drei für Enns. Die Münzstätten waren an Unternehmer verpachtet worden mit Pachtverträgen von einem bis zu sechs Jahren. In allen vier Münzordnungen war die Prägung von rheinischen Goldgulden vorgesehen. Beim Gold fand eine Untermünzung statt. Die Linzer Münzordnung befahl überdies die Ausprägung von siebenlötigen Groschen oder Doppelkreuzern. Aber sie sind allem Anschein ebensowenig ausgeprägt worden wie die Goldgulden. Zum mindesten sind nur Kreuzer und Pfennige auf uns gekommen. Jedenfalls war alles auf große Münzgewinne ausgerichtet, die in Schwarzpfennigen ausbezahlt werden sollten. Diese Forderung aber bedeutete eine zu schwere Belastung der Pächter, weshalb zwei von ihnen, unter ihnen Wesel, zurücktraten. Obwohl Erzherzog Albrecht daraufhin den Schlagschatz notgedrungen herabsetzte, muß der Gewinn, den er von seinen Münzstätten zog, dennoch gewaltig gewesen sein, denn er finanzierte damit seine blutigen Fehden gegen den kaiserlichen Bruder. Aber auch die Münzpächter brachten ihr Schäfchen ins Trockene, obwohl sie aus ihrem Anteil die Kosten zu bestreiten hatten. Sie besserten ihren Gewinn jedoch betrügerischerweise durch Abweichung vom Münzfuß auf und wurden reiche Leute; so z. B. Erwein vom Steg, der mit Gold und Silber im Werte von 80.000 fl aus Wiener Neustadt nach seiner Vaterstadt Frankfurt a. M. flüchtete, oder der Grazer Balthasar Eggenberger, der durch seine Tätigkeit reichen Landbesitz erwerben konnte und mit reichen Schätzen nach Venedig entrann, aber später wieder in Gnaden aufgenommen wurde. Nur Albrechts Münzmeister zu Freistadt, Hans Wesel, kam nicht auf seine Kosten. Er mußte gänzlich verarmt das Land verlassen und noch froh sein, nicht Ärgeres erdulden zu müssen. 288

91. Österreich, K. Friedrich III. Kreuzer o. J., Wiener Neustadt

Nach dem Zusammenbruch der Schinderlingswirtschaft prägte Albrecht zu Enns auch noch bessere Münzen. In seinem Todesjahr 1463 ließ er schließlich durch seinen Münzmeister Valentin Liephart und die Wiener Hausgenossen Weißpfennige prägen, zu denen einer gehört, „der das Landeswappen nach alter Form im Dreipaß zeigt, aber ohne die bei diesem Typus früher üblich gewesene Namensnennung des Prägeherrn" (420). Die Münzstätte zu Wiener Neustadt, die im Laufe des 14. Jahrhunderts eingegangen war, wurde von Kaiser Friedrich III., der hier längere Zeit residierte, wieder in Betrieb genommen. 1455 nahm er den uns schon bekannten Erwein vom Steg in seine Dienste. 1456 war die Münze in voller Tätigkeit, die während der ganzen Schinderlingzeit andauerte. 1456—1460 wurden hier Vierer oder Kreuzer geprägt; Erwein mußte dafür 1200 Pfund ^ wöchentliche Pacht zahlen. Es müssen riesige Mengen gewesen sein, sonst hätte er kaum auf seine Kosten kommen können. Die Pfennigprägung aber überließ der Kaiser dreien seiner Kämmerer, die ganz elende Münzen schlugen. Erwein konnte rechtzeitig entkommen, was mit den Kämmerern geschah, wissen wir nicht. Die Münzstätte wurde vom Kaiser trotz der schlechten Erfahrungen, die er mit ihr gemacht hatte, dem Michael Slegl als Münzmeister anvertraut. Münzordnungen für Wiener Neustadt aus der Schinderlingzeit sind nicht bekannt. Bezeugt ist bloß die Prägung von Kreuzern (Vierern) und Pfennigen, deren Stempel sich im Besitz der Stadt erhalten haben. Einer dieser alten Pfennigstempel läßt erkennen, daß ein mißratenes Eisen zur Not gebrauchsfähig gemacht worden war. Mit ihm wurden wohl Schinderlinge ärgster Art, mit dem andern Schwarzpfennige aus gutem Silber geprägt. Merkwürdigerweise wurde während der Schinderlingzeit zu Wien selbst nicht gemünzt. Um die Mitte dieses Jahrhunderts hatten sich nämlich bei der Hausgenossenschaft bereits Spuren des Verfalls bemerkbar gemacht. Albrecht V. und noch mehr Friedrich III. hatten ihr durch längere oder kürzere Zeit die Prägung abgenommen, worauf die Körperschaft keineswegs Rechtsverwahrung einlegte, sondern bloß um die Erhaltung ihrer alten Freiheiten bat. Die Klagen nahmen zu, und es zeigte sich, daß die Hausgenossen nicht mehr in der Lage waren, eine überhastete Prägung durchzuführen. Der Kaiser rief darauf die Wiener Neustädter Münzstätte ins Leben, deren geschäftstüchtiger Pächter von keinerlei Skrupeln gehemmt war. Durch den plötzlichen Tod Albrechts VI. am 2. Dezember 1463 lösten sich die Schwierigkeiten für Friedrich von selbst, die Erbschaftsteilung fiel fort, und der Kaiser regierte in den folgenden Jahren allein. Während dieser drei Jahrzehnte aber vollzogen sich große Veränderungen im österreichischen Münzwesen, die zum Teil schon im Kapitel über die Steiermark angedeutet wurden (s. o. S. 263). Der Pfennig, der bis in die Schinderlingzeit seinen Währungscharakter bewahren konnte, wurde nach 1460 zur Kleinmünze. 289

92. Österreich, K.Friedrich III. Goldgulden o. J., Wien 93. Österreich. K. Friedrich III. Großetl 1470, Wiener Neustadt 94. Österreich, K. Friedrich III. Kreuzer o. J., Enns

Wohl war schon in der vorangegangenen Periode diese mittelalterliche Währung durch Ausgabe von Pfennigvielfachen (Kreuzern und Groschen) durchbrochen worden. Aber erst 1491 wurde diese Währung auch von Rechts wegen aufgegeben und der Pfennig für immer zur Klein- und bloßen Scheidemünze abgewertet. Dafür aber wurde jetzt die Prägung goldener Handelsmünzen, die wie erinnerlich schon im 14. Jahrhundert durch einige Jahrzehnte in Judenburg ausgeübt worden war, wieder aufgenommen, wenn auch vorerst in beschränktem Umfang. Der ungarische Goldgulden, der lange Zeit das österreichische Wirtschaftsleben souverän beherrscht hatte, wurde nun das Vorbild für den österreichischen. Den ungarischen Goldgulden wollen wir in Hinkunft zur Unterscheidung vom österreichischen, dessen Feingehalt dem schon sehr geschwächten rheinischen entsprach, nach seiner späteren Bezeichnung schon hier „Dukaten" nennen. Für diese in Wiener Neustadt durchgeführte Goldprägung wurde Ende 1469 der geflüchtete Erwein vom Steg wieder in Gnaden aufgenommen. Er sollte Gold- und Silbermünzen prägen, und zwar fast vollfeine Dukaten und ungefähr dreiviertelfeine Goldgulden. Es wurden wohl deshalb gleich zwei Goldsorten ausgegeben, weil Österreich sowohl mit Deutschland, das nach dem rheinischen Goldgulden rechnete, als auch mit Ungarn Handel trieb, wo der nach dem Vorbild italienischer Goldstücke geprägte Dukaten heimisch war. Überdies war dieser auch für den österreichischen Italienhandel von großer Wichtigkeit. An Silbermünzen sollten Pfennige und Pfennigvielfache, Grosseti, Kreuzer und Groseben, geprägt werden, welche Sorten bis auf die Groschen auch durch die noch vorhandenen Münzen eindeutig belegt sind. Trotz dieses Besserungsversuches waren die Münzverhältnisse noch immer nicht erfreulich. Während im Westen Österreichs, in Tirol, eine grundlegende Münzreform durchgeführt wurde, deren Wirkung später auch auf den Osten ausstrahlte, war dieser noch weit von normalen, friedlichen Verhältnissen entfernt. Türken- und Ungarneinfälle taten ein übriges, um die Normalisierung des Lebens zu verzögern. Die tirolische Münzreform war dem Überfluß an Silber zu verdanken. In Österreich, wie auch in der Steiermark mit der Münzstätte Graz, lag die Hauptschwierigkeit einer dauerhaften Reform, wie schon öfters erwähnt, in der Beschaffung des Münzmetalls, seit der Nachschub aus dem jetzt feindlichen Ungarn abgeschnitten war. Nach Zwischenlösungen, von 1477 in der Münzordnung für den Münzmeister Hans vom Steg, wohl ein Sohn Erweins, oder von 1479 (?) in den Verhandlungen auf dem Landtag zu Enzersdorf über die Ausmünzung einer beständigen Münze wurde endlich 1481 der entscheidende Schritt getan. Am 4. Oktober erließ der Kaiser für Jan vom Steg, seinen Münzmeister zu Wien, eine neue Münzordnung, in der die Einstufung des Pfennigs 290

95. Österreich, K. Friedrich III. Wiener Pfennig o. J.

zur Scheidemünze endgültig besiegelt wurde. Angeordnet wurde die Prägung von 23,5karätigen Dukaten, 18karätigen rheinischen Goldgulden, neunlötigen Groschen, achtlötigen Kreuzern, sechslötigen Pfennigen (Zweiern) und vierlötigen Kleinpfennigen. 1 Groschen galt 3 Kreuzer oder 6 Pfennige (Zweier) oder 12 Kleinpfennige; der Dukaten 25 Groschen, der rheinische Gulden jedoch blieb als Handelsmünze ohne Valvation eine bloße Kursmünze. Für den Kleinverkehr war diese Münzordnung brauchbar, für den Großverkehr, also den Fernhandel, war indessen der Feingehalt der groben Groschenmünze zu 9 Lot entschieden zu schwach. Drei Jahre später hat dann Tirol mit seiner fünfzehnlötigen Groschenmünze das Richtige getroffen und damit ein Vorbild geschaffen, nach welchem sich bald auch das Deutsche Reich richtete, ja „die sich des Rufs erfreute, die erste zu sein in der Christenheit" (687). Die im Jahre 1485 erfolgte Besetzung von Wien und 1487 auch die von Wiener Neustadt durch die Ungarn vernichtete so ziemlich alle Ansätze zur Besserung der Münzverhältnisse. König Matthias Corvinus hat in den von ihm eroberten Teilen Österreichs, darunter auch zu Wien, Dukaten, Groschen und auch kleine Silbermünzen schlagen lassen, die sich von den ungarischen durch die Anbringung eines Bindenschildes als Münzzeichen unterscheiden. Die ungarischen Denare wurden auch nach dem Tode des Königs (6. April 1490) weitergeprägt, und erst als der Kaisersohn, König Maximilian, Wien zurückeroberte (19. August 1490), wurde diese Münzung eingestellt. Der Kaiser hatte den Umlauf der ungarischen Münzen in der Steiermark schon am 10. Juni 1490 von Linz aus verbieten lassen. Während der Besetzung Wiens und Wiener Neustadts durch den Feind konnten die österreichischen Erbländer nur von Graz aus mit Geld versorgt werden, wo in den Jahren von 1480 mit kurzen Unterbrechungen bis 1490 vor allem Kreuzer geprägt wurden. Im Jahre 1493 starb Kaiser Friedrich III. in der Linzer Burg. Unter seinem Sohne und Nachfolger Maximilian I. bricht auch für das Münzwesen ein neues Zeitalter an. Seine Regierung schlägt die Brücke vom Mittelalter zur Neuzeit.

7. Vorderösterreich Neben den Herzogtümern Österreich, Steiermark, Kärnten und der Grafschaft Tirol besaßen die Habsburger auch ausgedehnte Gebiete zu beiden Seiten des Oberrheins, teils als Reichs- oder Kirchenlehen, teils auch als Eigengüter. „Die Landgrafschaft Oberelsaß, die Grafenrechte im Aargau, Zürichgau und Thurgau, also von der Aar bis zum 291

Boden- und Wallenstädtersee, vom Rheine bis an die Südgrenze von Unterwaiden und Schwyz, die Vogtei über das Kloster Säckingen, namentlich das diesem gehörige Tal Glarus und die zahlreichen Herrschaften des elsässischen Klosters Murbach in der heutigen Schweiz, dann am rechten Rheinufer Güter im Breisgau und im Schwarzwald hatte Rudolf von Habsburg schon bei seiner Thronbesteigung in seinem Besitz" (445). 1277 kauften er und seine Söhne von der jüngeren habsburg-laufenburgischen Linie noch Freiburg im Uechtland, 1291 vom Kloster Murbach die Stadt Luzern, dann mehrere Städte und Herrschaften im südlichen Schwaben, besonders an der oberen Donau, wo 1301 auch die Markgrafschaft Burgau erworben wurde. Bei seiner Erwerbung war dieser Streubesitz im Westen noch ohne eine direkte Verbindung mit dem alten babenbergischen, dann premyslidischen, zuletzt habsburgischen Besitzungen in Österreich. Erst das 1363 erworbene Tirol bildete die Landbrücke zwischen dem westlichen und dem östlichen Länderkomplex. Dieser habsburgische Besitz am Oberrhein mußte natürlich auch monetär versorgt werden — keine einfache Angelegenheit, da es sich ja um kein in sich geschlossenes Territorium, sondern eben um Streubesitz handelte. Am Oberrheinland besaß Basel die merkantile Vorherrschaft, und wahrscheinlich schon seit dem Jahre 1025 verfügten hier die Bischöfe das Münzrecht. Aber seit dem 13. Jahrhundert begann die Münze zu verfallen. Man lehnte sich gegen das Monopol der Bischöfe auf, da und dort wurden Münzstätten in wachsender Zahl errichtet. Schließlich versuchte man durch Bündnisse das einheitliche Münzsystem zu ersetzen, das früher der Baseler Denar dem Oberrheinlande gewährt hatte. Auch die Kaiser ergriffen in diesen Streitigkeiten gegen Basel Partei (102). Der erste derartige Versuch war eine Übereinkunft, die 1344 Bürgermeister und Rat der Stadt Basel im Namen ihres Bischofs Johann II. von Münsingen mit dem Landvogt Hermann von Landenberg, Hauptmann und Pfleger der Herzoge von Österreich im Thurgau, Aargau und Elsaß, sowie mit dem Bürgermeister und Rat der Stadt Zürich für deren Äbtissin abschlössen. Man dachte damals noch nicht an eine einheitliche Währung, sondern nur an gewisse gegenseitige Schutzbestimmungen. Daher behielten die österreichische Münzstätte zu Zofingen ebenso wie die zu Basel und Zürich noch ihre verschiedenen Pfennigsorten bei, nur durften sie von jetzt ab die im Vertrag nach Schrot und Korn genau festgesetzte Münze nicht mehr einseitig herabsetzen. Aber jeder der drei Vertragschließenden hatte sich ausdrücklich das Recht vorbehalten, nach einer bestimmten Zeit mit Wissen der andern die neue Münzordnung zu widerrufen. Es war also nur halbe Arbeit geleistet worden. Bald machte sich Basel wieder selbständig, bis neue Klagen gegen seinen Pfennig den Bischof zur Rückkehr zu den Abmachungen von 1344 zwangen. 1373 ging die Münze definitiv vom Bischof an die Stadt über, aber der städtische Pfennig konnte sich außerhalb der Stadt nicht durchsetzen. Das Land begann vielmehr auf Grund der im letzten Jahrzehnt gemachten Erfahrungen das Münzwesen neu zu ordnen. Herzog Leopold III. von Österreich „gründete 1375 eine eigene Münzstätte für das Oberelsaß in dem Städtchen Bergheim nördlich von Rappoltsweiler" (102). Auch die Stadt Kolmar suchte jetzt ihre monetäre Abhängigkeit von Basel mit Hilfe Karls IV. abzuschütteln, der ihr 1376 denn auch wirklich eine eigene Münzstätte zugestand. Aber damit nahm eigentlich die Münzverwirrung nur noch zu, denn die willkürliche Festsetzung des Münzfußes durch die kleinen Territorien beeinträchtigte den Handel schwer, da der Umlauf solcher Münzen eng begrenzt war. Da griffen die beiden politischen Vormächte der Gegend, die Herzoge von Österreich und die Stadt Basel, ein und schufen eine Vereinigung, „die auf Grund von Verträgen die verlorengegangene Münzhoheit des Oberrheinlandes wieder herstellen wollte" (102). Diese Vereinigung war der Vorläufer des Kappenmün^bundes, der späterhin ein stabiles Münzwesen gewährleistete. 292

Am 7. März 1377 trat in Schaffhausen eine Anzahl von Herren und Städten zur Gründung einer fünfzehnjährigen Münzkonvention zusammen. Herzog Leopold III. für seine Münzstätten Freiburg i. Br., Schaffhausen, Breisach, Zofingen und Bergheim, Graf Rudolf von Habsburg für Laufenburg, Graf Rudolf von Kyburg für Burgdorf, Gräfin Elisabeth von Neuenburg für die Neuenburger Münzstätte, Hermann von Krenckingen für Thiengen und schließlich die Bürgermeister, Schultheißen und Räte der Städte Basel, Zürich, Bern und Solothurn. Aber auch diesmal konnte keine Einheitlichkeit erzielt werden. Nicht zuletzt vereitelten der Krieg Leopolds III. gegen die Eidgenossen und sein Tod bei Sempach 1386 sowie andere Fehden eine wirksame Münzvereinigung. Ein Jahr vorher hatte übrigens König Wenzel in einem Edikt die schwäbischen Städte ermächtigt, gegen die schlechten Münzen vorzugehen und sie zudem vor „herzog Luipolt" gewarnt, weil er und andere Fürsten und Herren, „die bösen haller slahen". Insbesondere in Straßburg machte sich dieser Münzverfall unangenehm bemerkbar, da es rege Handelsbeziehungen mit dem Oberrhein verbanden. Der Stadtrat entsandte 1386 eigene Boten, um Proben von diesen oberländischen Münzen zu machen. Ihr Bericht ergab ein trostloses Bild. In Breisach, Freiburg und Bergheim gab man zwar den Pfennigen ein ziemlich gutes Rauhgewicht, reduzierte aber dafür den Feingehalt auf ein Minimum, so daß 5 Stück Breisacher Pfennige nicht einmal einen Straßburger wert waren. Erst 15 Pfund = 3600 $ enthielten eine Mark guten Silbers. Ähnlich stand es in Freiburg, geradezu katastrophal in der herzoglich österreichischen Münzstätte zu Bergheim, wo gar 4392 $ auf die Mark Feinsilber gingen. Die Baseler Münzen waren noch die besten. Der Straßburger Rat zog auch den Schaffhauser Münzmeister Markus wegen der von ihm geprägten „bösen Heller" vor Gericht. Aber der Stadtrat von Schaffhausen nahm seinen Bürger in Schutz: Die Stadt habe vor zehn Jahren einen Münzvertrag mit Leopold III. und anderen Herren geschlossen, aber diese hätten alsbald den Feingehalt ihrer Münzen verringert, weshalb der Vertrag nicht mehr eingehalten werden konnte. Den Münzmeister treffe daher keine Schuld. Diese desolaten Zustände verlangten eine rasche und gründliche Reform. Sie ging von Albrecht III. von Österreich aus, dem Bruder des bei Sempach im Kampf mit den Schweizern gefallenen Leopold III. Er trat gleich nach Abschluß des Friedens mit den früheren Vertragspartnern wieder in Verbindung und suchte den Kreis möglichst zu erweitern, um eine Vereinbarung von Dauer zustande zu bringen. Im September 1387 konnte zu Basel ein „allgemeiner Tag" zusammentreten, auf dem 11 Herren und 17 Städte vertreten waren, die zusammen ein Gebiet von nicht weniger als 74 Städten und Herrschaften repräsentierten. Am 14. September schon konnte die Vertragsurkunde unterzeichnet werden, „die dem oberrheinischen Münzbunde den weitesten Umfang gab, den er jemals erreicht hat" (102). In ihm sind alle Städte und Orte vertreten, in denen der neue gemeinsame Pfennig Geltung haben sollte; von ihnen seien hier nur Kolmar, Villingen, Schaffhausen, Zürich, Bern und Neuenburg genannt. Der vornehmste Partner war Herzog Albrecht III., der in seinem Namen und in dem seiner Neffen, der Söhne Leopolds III., für seine münzberechtigten Städte unterzeichnete. Es waren dies Freiburg i. Br., Schaffhausen, Breisach, Zofingen, Villingen, Bergheim und Todtnau, deren Münzstätten zu dieser Zeit in Betrieb waren; dann für seine Städte Rheinfelden, Säckingen, Waldshut, Diessenhofen, Stein, Winterthur, Zell, Rapperswyl, Frauenfeld, Sursee, Wietlisbach, Ölten, Aarau, Brugg, Mellingen, Baden, Bremgarten, Lenzburg und Aarburg; für die breisgauischen Städte Neuenburg am Rhein, Kentzingen und Endingen und für die sundgauischen Altkirch, Pfirt, Beifort, Blumenberg (jetzt Florimont südlich von Beifort), Tattenried (Delle an der Allaine), Masmünster, Thann, Sennheim und Ensisheim. 293

Die übrigen Partner waren Bischof Friedrich II. Graf von Blankenheim von Straßburg, die Grafen Rudolf von Hohenberg, Hans von Habsburg und Berthold von Kyburg, die Gräfin Elisabeth von Neuenburg, Freiherr Hermann von Krenckingen und schließlich eine Reihe von größeren und kleineren Städten, darunter Basel, Luzern, Bern, Solothurn, Kolmar, Mühlhausen usw.; dann Bischof Imer von Ramstein von Basel, Abt Wilhelm von Murbach und endlich Brun zu Rappoltstein und Graf Heinrich zu Saarweiden für die obere und untere Stadt Rappoltsweiler. Die Vertragschließenden verpflichteten sich, zehn Jahre lang nach einem gemeinsamen Fuße zu münzen. 1168 ^ sollten aus der zwölflötigen Mark geschlagen werden, was je Stück 0,2 Gramm Rauh- und 0,15 Gramm Feingewicht und daher einen Silbergehalt von 750/1000 ausmachte. Die nach dieser Ordnung ausgebrachten Münzen durften nach Belieben rund oder eckig gemacht werden, nur mußten die Teilnehmer durch ein deutliches Münzzeichen erkennbar sein. Die eckigen Stücke waren in dieser Gegend damals sehr beliebt, die Gepräge brakteatenähnlich. Die unter österreichischer Herrschaft stehenden Münzstädte hatten folgende Münzbilder: Freiburg i. Br. einen Adlerkopf; Schaffhausen sein redendes Wappen, den aus einem Turm herausspringenden Vorderteil eines Schafbocks; Breisach, das früher von Basel abhängig war und einen Bischofskopf auf seine Münzen gesetzt hatte, war durch einen mit der Herzogskrone bedeckten Bindenschild zwischen den Buchstaben B-R(eisach) gekennzeichnet; Zofingen hatte die österreichische Herzogskrone mit dem Pfauenstoß, meist zwischen Z-O, während Villingen einen Helm mit Pfauenstoß als Zimier zwischen V-I und Bergheim einen gekrönten Profilkopf zwischen B-E zeigte; Todtnau endlich hatte den Bindenschild, umgeben von T-O-T. Im gleichen Jahr 1387 verlieh Albrecht III. auch dem Rat seiner Stadt Thann im Elsaß das Recht Münzen zu schlagen, jedoch war die Stadt selbst nicht münzberechtigt, sondern sie übte dieses Regal nur für und im Namen ihrer Landesherren, der Herzoge von Österreich, aus. Aber auch der Vertrag von 1387 führte nicht zum angestrebten Ziele. Die Durchführung scheiterte an inneren wie an äußeren Schwierigkeiten, vor allem am gegenseitigen Mißtrauen. Es kam sogar zu Gewalttaten. Eine der Klagen ging dahin, daß dem Lande fortwährend Silber entzogen werde; die Herrschaft Österreich wurde besonders aufgefordert, „ihren Rittern und Knechten zu verbieten, mit solchen zu reiten, die Edelmetall ausführten". Vielleicht war dies die Ursache, daß 1393 nicht einmal alle münzberechtigten Mitglieder des Bundes mit der vertragsmäßigen Prägung der vorgeschriebenen neuen Pfennige begannen. Basel hatte übrigens die Vertragsurkunde nicht einmal bestätigt. Es wurde auch nicht mehr versucht, den Vertrag in diesem Umfang zu erneuern. Bergheim, Thann und Kolmar mußten ihre Münzhäuser vorläufig stillegen, als sich die Stadt Straßburg vertraglich verpflichtete, ihre Münze zehn Jahre hindurch an Schrot und Korn nicht zu ändern. Das förderte natürlich auch den Umlauf dieser Pfennige in fremdem Gebiet, so z. B. in Kolmar, wo man sich um die Jahrhundertwende nur der Straßburger Pfennige bediente. Dadurch aber wurde nicht nur die Landgrafschaft Oberelsaß um ihren Gewinn aus dem Münzregal gebracht, sondern auch der Handel der Stadt Basel ernstlich bedroht. Dies führte 1399 zu Unterhandlungen zwischen den beiden betroffenen Münzherren, die zu einem Separatvertrag über einen neuen Münzbund führten, „der die heimische Währung retten und die weitere Verbreitung der fremden Münze verhindern sollte". Die Anregung hiezu ging von Leopold IV. von Österreich aus, dem an einem gemeinsamen Münzfuß mit Basel besonders viel liegen mußte, da für die habsburgischen Besitzungen 294

dies- und jenseits des Rheines die Stadt das Handelszentrum darstellte. Basel ging gerne darauf ein, denn ihm war vor allem an einem festen Tarif für den Wechsel der Goldgulden und anderer Fremdmünzen gelegen. Da Basel anfangs gegen die österreichischen Vorschläge Einwand erhob, kam endlich nach schleppenden Verhandlungen am 1. September 1399 zu Ensisheim zwischen Herzog und Stadt eine Einigung zustande, in der der österreichische Standpunkt Gesetzeskraft erlangte. Es sollten nunmehr Zweilinge und Stäbler (nach dem sogenannten „Baslerstab" im Stadtwappen) geprägt werden. Der Stäbler wog 0,174 Gramm und hatte ein Feingewicht von 0,46 Gramm oder 666/1000, d