Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten [1. Aufl.] 9783658302306, 9783658302313

Die etwa 2.000 Klein- und Mittelstädte in der Bundesrepublik Deutschland sind ein wichtiger Bestandteil unseres Siedlung

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German Pages XVI, 371 [374] Year 2020

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Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten [1. Aufl.]
 9783658302306, 9783658302313

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XVI
Front Matter ....Pages 1-1
Kleinstädte (Lars Porsche)....Pages 3-33
Kleinstadtgeschichten 2030 (Peter Dehne, Jens Hoffmann)....Pages 35-63
Strategische Entwicklungsansätze in kleineren Städten (Sabine Baumgart, Andrea Rüdiger)....Pages 65-82
Front Matter ....Pages 83-83
Großsiedlungen in kleinen Städten (Johann Jessen, Isabelle Willnauer)....Pages 85-114
Profilgebende Stadt- und Ortsentwicklung in kleinen und mittleren Kurstädten und Erholungsorten (Evi Goderbauer)....Pages 115-133
Front Matter ....Pages 135-135
Stadterneuerung zwischen Revitalisierung und Denkmalschutz (Robert Knippschild, Constanze Zöllter)....Pages 137-153
Das Kommunale Denkmalkonzept Bayern (Judith Sandmeier, Lisa Marie Selitz)....Pages 155-180
Friedrichstadt – Was kannst du? (Marieke Behne, Bernd Kniess, Anna Richter)....Pages 181-203
Front Matter ....Pages 205-205
Einzelhandel (Tanja Korzer, Jörg Kosinski, Silke Weidner)....Pages 207-232
Zentrale Versorgungsbereiche – mehr als ein Funktionsraum? (Lisa Marie Knotz)....Pages 233-256
Front Matter ....Pages 257-257
Gemeinsam aktiv den Ort gestalten (Martina Dettweiler, Lena Spatz, Christoph Diepes, Hans Joachim Linke)....Pages 259-282
Finanzielle Anreize für mehr Innenentwicklung (Christin Swatek)....Pages 283-302
Strategisches Arbeiten in der Innenentwicklung kleinerer Städte und Gemeinden – ein Prinzip (Gregor Langenbrinck, Thomas Fischer)....Pages 303-326
Front Matter ....Pages 327-327
Transformation StadtLand (Kerstin Schenkel)....Pages 329-339
Back Matter ....Pages 341-371

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Jahrbuch Stadterneuerung

Uwe Altrock · Detlef Kurth Ronald Kunze · Holger Schmidt Gisela Schmitt Hrsg.

Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten

Jahrbuch Stadterneuerung Reihe herausgegeben von Uwe Altrock , Kassel, Deutschland Ronald Kunze, Langenhagen, Deutschland Gisela Schmitt, Aachen, Deutschland

Das Jahrbuch Stadterneuerung setzt sich seit 1991 mit der zunehmend vielfältigeren Praxis der Stadterneuerung in Deutschland und international auseinander. Es erscheint regelmäßig als Sammelband wissenschaftlicher Beiträge zu wechselnden Schwerpunktthemen, die durch weitere Beiträge in den nachstehenden Rubriken ergänzt werden: • Geschichte und Theorie der Stadterneuerung • Praxisfelder der Stadterneuerung • Stadterneuerung im Ausland • Lehre und Forschung • Berichte und Rezensionen Das Jahrbuch versteht Stadterneuerung im umfassenden Sinn als stetig sich wandelnde Daueraufgabe der Pflege und Weiterentwicklung des gesamten städtebaulichen Bestands mit dem Ziel einer nachhaltigen Aufrechterhaltung seiner Qualitäten für sämtliche Nutzerinnen und Nutzer - Bewohner, Besucher, Arbeitnehmer. Meist bedient sich Stadterneuerung besonderer rechtlicher, finanzieller, organisatorischer und personeller Ressourcen und bezieht sich auf Quartiere. Politik und Verwaltung, private Unternehmen und die Zivilgesellschaft wirken in unterschiedlichen Konstellationen an der Umsetzung von Stadterneuerungsmaßnahmen zusammen. Das „Jahrbuch Stadterneuerung“ ist Forum, Spiegel und Zeitzeuge der vielschichtigen Entwicklung eines stadtentwicklungspolitischen Handlungsfelds, das angesichts der Herausforderungen der ökologischen Nachhaltigkeit und sozialräumlicher Ungleichheit, Aufwertung und Gentrifizierung sowie der Renaissance unserer Städte mehr denn je im Zentrum der fachpolitischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung steht. Es richtet sich gleichermaßen an Praktiker, Wissenschaftler, Beobachter und Betroffene von Stadterneuerungsprozessen. Durch seine langjährige Begleitung der Veränderungen ist es zu einem Archiv der Leitbilder, Handlungsfelder und Fallbeispiele sowie kritischer Debatten in der wissenschaftlichen Reflexion geworden, das einen breiten Überblick über das Stadterneuerungsgeschehen vermittelt. Mitglieder im wissenschaftlichen Beirat des Jahrbuchs Stadterneuerung Rainer Danielzyk, Fachgebiet Raumordnung und Regionalentwicklung, Leibniz-Universität Hannover Max Welch Guerra, Lehrstuhl Raumplanung und Raumforschung, Bauhaus Universität Weimar Johann Jessen, Städtebau-Institut, Universität Stuttgart Heike Liebmann, Abteilung Stadtentwicklung/Stadtplanung, B.B.S.M. Potsdam Kosta Mathéy, GLOBUS Global Urban Studies Institute, International Academy an der FU Berlin Angela Million, Fachgebiet Städtebau und Siedlungswesen, TU Berlin Christa Reicher, Lehrstuhl und Institut für Städtebau und Entwerfen, RWTH Aachen

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/14364

Uwe Altrock · Detlef Kurth · Ronald Kunze · Holger Schmidt · Gisela Schmitt (Hrsg.)

Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten

Hrsg. Uwe Altrock FG Stadterneuerung und Planungstheorie Universitat Kassel Kassel, Deutschland Ronald Kunze Langenhagen, Deutschland Gisela Schmitt Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung RWTH Aachen Aachen, Deutschland

Detlef Kurth Lehrstuhl Stadtplanung Technische Universität Kaiserslautern Kaiserslautern, Deutschland Holger Schmidt Fachgebiet Stadtumbau + Ortserneuerung Technische Universität Kaiserslautern Kaiserslautern, Deutschland

ISSN 2569-3239  (electronic) ISSN 2569-3220 Jahrbuch Stadterneuerung ISBN 978-3-658-30230-6 ISBN 978-3-658-30231-3  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Coverabbildung: Schwarzatal – Ortserneuerung im ländlichen Raum (©IBA Thüringen, Foto: Thomas Müller) Der Bahnhof Rottenbach wurde im Rahmen der IBA Thüringen saniert und wird als BahnhofsLaden und Bürgerbüro genutzt (©IBA Thüringen; Foto: Thomas Müller) Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Inhaltsverzeichnis

Klein- und Mittelstädte erneuern! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Herausforderungen und Potenziale – Programme und Strategien Herausforderung Kleinstadt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kleinstädte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Forschung in der Aufmerksamkeitslücke Lars Porsche Kleinstadtgeschichten 2030. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Das normative, narrative Szenario als methodisches Element einer potenzialorientierten kooperativen Kleinstadtentwicklung Peter Dehne und Jens Hoffmann Strategische Entwicklungsansätze in ­kleineren Städten . . . . . . . . . . . . . . . 65 Am Beispiel des Stadtumbaus NRW Sabine Baumgart und Andrea Rüdiger Spezielle Themen der Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten. . . . . Großsiedlungen in kleinen Städten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Probleme, Herausforderungen, Perspektiven Johann Jessen und Isabelle Willnauer Profilgebende Stadt- und Ortsentwicklung in kleinen und mittleren Kurstädten und ­Erholungsorten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Evi Goderbauer V

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Inhaltsverzeichnis

Umgang mit historische Bausubstanz in Klein- und Mittelstädten. . . . . . Stadterneuerung zwischen Revitalisierung und Denkmalschutz . . . . . . . . 137 Die Stadtumbau-Matrix Görlitz Robert Knippschild und Constanze Zöllter Das Kommunale Denkmalkonzept Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Städtebauliche Denkmalpflege als integrierte Praxis Judith Sandmeier und Lisa Marie Selitz Friedrichstadt – Was kannst du? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Qualitative und interdisziplinäre ­Bestandsanalysen durch Haus- und Bewohner*innenbiografien als potenzialorientierte Überlegungen zur Stadterneuerung Marieke Behne, Bernd Kniess und Anna Richter Entwicklung von Zentren in Klein- und ­Mittelstädten. . . . . . . . . . . . . . . . . Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Leid- oder Leitfunktion in Klein- und Mittelstädten? Tanja Korzer, Jörg Kosinski, Silke Weidner Zentrale Versorgungsbereiche – mehr als ein Funktionsraum? . . . . . . . . . 233 Zur Bedeutung öffentlicher Stadträume in Klein- und Mittelstädten Lisa Marie Knotz Instrumente der Innenentwicklung in Klein- und Mittelstädten . . . . . . . . Gemeinsam aktiv den Ort gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Aktivierung durch Beteiligung und Gemeinschaftssinn Martina Dettweiler, Lena Spatz, Christoph Diepes und Hans J­ oachim Linke Finanzielle Anreize für mehr Innenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Kommunale Strategien zur motivierenden ­Verhaltenslenkung privater Eigentümer von W ­ ohnimmobilien Christin Swatek

Inhaltsverzeichnis

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Strategisches Arbeiten in der Innenentwicklung kleinerer Städte und Gemeinden – ein Prinzip. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Gregor Langenbrinck und Thomas Fischer Rubrik Lehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Transformation StadtLand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Kerstin Schenkel Übersicht über die Autorinnen und Autoren dieses Bandes . . . . . . . . . . . . 341 Autorinnen und Autoren 1990 – 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Ortsregister 1990 – 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Stichwortregister 1990 – 2020. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365

Klein- und Mittelstädte erneuern! Herausforderungen und Potenziale – Programme und Strategien



Jahrbuch Stadterneuerung 2020 Städte in der Bundesrepublik stehen aktuell vor ganz verschiedenen Herausforderungen. Auf der einen Seite wachsen zahlreiche städtische Ballungsräume und dabei insbesondere die nachgefragten Universitätsstädte. Hier haben die Kommunen weiterhin die politische Aufgabe, angemessenen und bezahlbaren Wohnraum für breite Schichten der Bevölkerung bereitzustellen und dem sozialen Auseinanderdriften der Stadtteile entgegenzuwirken. Viele Städte entwickeln Handlungskonzepte und steuern mit einem gezielten Instrumenteneinsatz wie einer strategischen Bodenbevorratungs- und Vergabepolitik, der Förderung von preiswertem Wohnraum durch Neubau oder den Erwerb von Belegungsrechten sowie gebietsbezogenen Regelungen (Soziale Erhaltungssatzungen) gegen die Mietenexplosion. Der Ruf nach unorthodoxen Lösungen, etwa einem befristeten „Mietendeckel“ wie im Land Berlin oder der Enteignung von größeren privaten Wohnungsunternehmen, verweist auf den anhaltenden Problemdruck in den betroffenen Städten. Auf fast allen bundesweiten Kongressen und in den überregionalen Medien stehen die in den Kommunen vorhandenen Probleme und Herausforderungen des Wachsens auf der Tagesordnung. Neben den großen Städten sind auch zahlreiche Klein- und Mittelstädte der ersten und teils auch zweiten Reihe in den angrenzenden Regionen von den Folgen des Wachstums betroffen. Ganz anders als in den wachsenden Regionen stellt sich die Situation in jenen Kommunen dar, in denen die Einwohnerzahlen stagnieren oder sogar tendenziell sinken. Bei einem entspannten Wohnungsmarkt mit einem geringen NachfrageIX

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druck versagen hier häufig die Marktkräfte, und die Stadterneuerung stagniert – in der Folge manifestieren sich Leerstände, Problemimmobilien oder Brachen. Da die kommunale Finanzlage in diesen Klein- und Mittelstädten häufig angespannt ist und die vorhandenen Finanzmittel für die kommunalen Pflichtaufgaben eingesetzt werden müssen, bleibt nur wenig Spielraum. Es fällt den Kommunen angesichts geringer oder fehlender Renditeerwartungen für Grundstückseigentümer oder Investoren schwer, passende Strategien und Instrumente für die Stärkung der Ortskerne und die Nutzung der Innenentwicklungspotentiale zu entwickeln. Zugleich erfolgte in der Vergangenheit in den kommunalen Verwaltungen ein erheblicher Ressourcenabbau an Personal und Finanzen, der sich selbst bei einer besseren wirtschaftlichen Lage nur mit Mühe wieder umdrehen lässt.

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Klein- und Mittelstädte im Fokus der Stadterneuerung

Mit diesem Themenschwerpunkt wird der Blick von der Stadterneuerung in den Großstädten wieder etwas mehr zurückgelenkt auf die ganz unterschiedlichen Fragestellungen zur Stadterneuerung und teils auch strategischen Stadtentwicklung in Klein- und Mittelstädten. Die Wahrnehmung für die Chancen und Herausforderungen der Klein- und Mittelstädte zu schärfen, ist ein wesentliches Anliegen dieses Jahrbuchs. Darüber hinaus beleuchtet es den Innovationsgehalt der Erneuerungsansätze näher und möchte dazu beitragen, verallgemeinerbare Folgerungen für eine Profilschärfung der Stadterneuerung in Theorie und Praxis abzuleiten. Die etwa 2.000 Klein- und Mittelstädte in der Bundesrepublik Deutschland sind ein wichtiger Bestandteil unseres Siedlungsnetzes. In ihnen lebt etwa die Hälfte der Einwohner des Landes. Trotz der unterschiedlichen Herausforderungen und teilweise sehr unterschiedlichen Profile und Standortqualitäten gibt es viele Gemeinsamkeiten bei der Erneuerung von Klein- und Mittelstädten. Die Stadterneuerung lief in vielen von ihnen lange nach tradierten Mustern ab und tut dies teilweise auch heute noch. Zentrale Herausforderungen wie der Strukturwandel in Handel und Gewerbe, der Verfall überkommener historischer Substanz, die Zunahme von Leerständen und Problemimmobilien und die allgemein sinkende Vitalität werden häufig nicht aktiv genug bearbeitet. Vielerorts gibt es zwar sehr aktive Bürger*innen, die sich in Vereinen und informellen zivilgesellschaftlichen Netzwerken organisieren und intensiv in die Stadtentwicklung einbezogen werden wollen, doch Perspektivlosigkeit, Überalterung und Nachwuchsmangel und der Mangel an Ressourcen begrenzen oft ihre Möglichkeiten deutlich. Die Chancen der Digitalisierung und einer neuen Mobilität benötigen

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neue Denk- und Handlungsmuster, um als dynamisches Potenzial in ländlichen Regionen sowie Klein- und Mittelstädten ihren Nutzen zu entfalten. Mit dem Klimawandel hat eine schon lange bestehende Herausforderung jüngst noch an zusätzlichem Gewicht gewonnen, doch sind die hierzu entwickelten Konzepte sehr heterogen und reichen von engagierten Modellprojekten bis hin zu eher passiven Kommunen. Neben den städtischen Ballungsräumen sind auch der ländliche Raum und die kleineren und mittleren Städte und Gemeinden schon seit geraumer Zeit Untersuchungs- und Fördergegenstand des stadtentwicklungspolitischen Instrumentariums. Attraktivitätsverluste, Überalterung, Abwanderung, Lücken in der Daseinsvorsorge, stagnierende bis rückläufige Wirtschaftsentwicklung sowie Wohnungs- und Ladenleerstände waren Handlungsanlässe, um im Jahr 2010 – neben den bestehenden Ansätzen der Regionalentwicklung  – ein spezifisches Programm der Bund-Länder-Städtebauförderung für „Kleinere Städte und Gemeinden“ aufzulegen. Neben einer verbesserten Daseinsvorsorge sollte es die überörtliche Zusammenarbeit auf der Ebene von Ortsteilen oder selbstständigen Gemeinden intensivieren. Das Programm fand im Laufe der Jahre in den Kommunen zunehmende positive Resonanz und wurde auch in der Zwischenevaluierung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) in 2020 zur Fortführung empfohlen. Auch das Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ hatte eine wichtige Bedeutung für die Klein- und Mittelstädte – das Spektrum der zentralen Räume reichte vom kleinen Ortskern mit Nahversorgung und Gemeindetreffpunkt über Orts- und Stadtteilzentren mit lokaler Bedeutung bis hin zu den Innenstadtzentren mit größeren Einzugsbereichen. Obwohl in den einzelnen Kommunen ein großer Wissens- und Erfahrungsschatz über neue Verfahren und Instrumente der Stadterneuerung vorhanden ist, sind gute Beispiele aus Klein- und Mittelstädten häufig wenig bekannt und wurden bisher nur in Ansätzen wissenschaftlich untersucht. Dies verweist auf ein großes Forschungsdefizit. Seit einigen Jahren ist die Beschäftigung mit Kleinstädten allerdings wieder zu einem Thema geworden, wie diverse Forschungen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) zu Kleinstädten, die Bildung eines Ad-hoc-Arbeitskreises „Kleinstädte“ bei der Akademie für Raumforschung und Landesplanung (ARL) oder die Initiative des für das Bauen zuständigen Ministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) zur Einrichtung einer „Kleinstadtakademie“ zeigen.

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  Klein- und Mittelstädte erneuern!

Die Beiträge in diesem Band

Hier setzt der vorliegende Band mit seinem inhaltlichen Schwerpunkt auf der Situation der Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten an. Neben eher grundsätzlichen Beiträgen widmet er sich auch Erfahrungen aus der Praxis in ganz unterschiedlichen Förderkontexten. Lars Porsche verweist auf die „Aufmerksamkeitslücke“ bei der Forschung zu Kleinstädten, zu denen häufig unbelegte Narrative und Stereotypen verbreitet werden. Dabei seien Kleinstädte als ein eigener Stadttypus mit lokalen Eigenlogiken zu betrachten. Sie bilden als vielfältige Wohn-, Arbeits- und Versorgungsstandorte eine eigene Urbanität und Lebensqualität aus. Im Beitrag werden die spezifischen Eigenarten der Kleinstädte und der aktuelle Forschungsstand beschrieben. Einen zusammenfassenden Bericht über die Ergebnisse aus dem ExWoStForschungsfeld „Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen“ geben Peter Dehne und Jens Hoffmann. Die dabei als Methode eingesetzten narrativen Szenarioprozesse wirkten in den acht Beispielkommunen als Impulsgeber und „Katalysator“ für kooperative Stadtentwicklungsprozesse. Sie helfen, sowohl eine neue Kultur des Planens und Gestaltens als auch neue Zukunftsthemen zu erkunden. Das Forschungsfeld definierte so wichtige Erfolgsfaktoren und Hemmnisse von Prozessen kooperativer Kleinstadtplanung. Im Beitrag von Sabine Baumgart und Andrea Rüdiger werden strategische Entwicklungsansätze von Klein- und Mittelstädten im Rahmen des Stadtumbaus in Nordrhein-Westfalen analysiert. Dabei werden die Unterschiede zu den Ansätzen größerer Städte herausgearbeitet. Der Schwerpunkt der Analyse liegt auf der räumlichen Einordnung und auf den Akteurskonstellationen. Die in Klein- und Mittelstädten durchaus auch vorhandenen Großsiedlungen haben bisher kaum Beachtung in der wissenschaftlichen Rezeption gefunden. Johann Jessen und Isabelle Willnauer blicken genau auf diese Gebietskulisse und schließen mit einer Untersuchung über acht Fallbeispiele von Amberg bis Wertheim ansatzweise eine eher unbemerkt gebliebene Forschungslücke. Diese Siedlungen stehen meist baulich-räumlich an exponierter Stelle und haben sich im Gegensatz zu vergleichbaren Siedlungen in Großstädten in den letzten Jahrzehnten kaum verändert. Möglicherweise ist es Zeit, bestandserhaltend einzugreifen, um ihre besondere Bedeutung für den lokalen Wohnungsmarkt zu erhalten. Damit wird in dem Beitrag eine wichtige Zukunftsaufgabe angerissen. Unter den vielen grauen Mäusen gibt es auch eine große Anzahl bekannter und kulturell bedeutsamer Zentren: Gemeint sind Heilbäder und Kurorte, Erholungsorte und Luftkurorte. 1.450 Gemeinden dürfen ein solches Prädikat im Namen tragen, nicht alle tun es und einige können sich die laufende Aktualisierung auch

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nicht auf Dauer leisten. Evi Goderbauer widmet sich in ihrer Untersuchung von sechs Fallbeispielen den Kurstädten und Erholungsorten als einer besonderen Gattung von Klein- und Mittelstädten mit entsprechenden ganz besonderen Aufgaben an die Stadterneuerung und bietet Strategien zur weiteren ortsspezifischen Entwicklung. Robert Knippschild und Constanze Zöllter untersuchen am Beispiel von Görlitz, inwiefern Klein- und Mittelstädte davon profitieren können, dass sie von vielen Menschen gegenüber Ballungsräumen als Ausgleichs- und Rückzugsräume mit besonderen Qualitäten gesehen werden. Ihr baukulturelles Erbe kann dabei als Kapital betrachtet werden, entspricht jedoch häufig nicht den aktuellen Bedürfnissen des Wohnungsbaus und des Einzelhandels. Die in Görlitz erprobte sogenannte Stadtumbau-Matrix soll dabei helfen, systematischer über Zugeständnisse im Denkmalschutz zu debattieren, um das historische Stadtbild zu erhalten und die momentan vorhandene positive Entwicklungsdynamik in Kleinund Mittelstädten zu nutzen. Lisa Maria Selitz und Judith Sandmeier stellen das bayerische informelle ­Instrument „Kommunales Denkmalkonzept“ (KDK) vor, mit dem eine Erhaltung und Entwicklung des historischen Bestandes stärker mit Stadtentwicklungsprozessen verknüpft werden soll. Die denkmalpflegerische Entwicklungsplanung legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Kommunikation und Interaktion von Schlüsselakteuren sowie die Information und Beteiligung der Bürger in der Plan­ erstellung. Im Beitrag werden neben dem Konzept vier aktuelle Beispiele vorgestellt. Ebenso erfolgt eine Kontextualisierung durch die übergeordnete Verbindung von städtebaulicher Denkmalpflege und Stadterneuerungsprozessen. Individuelle Wohnweisen und alltägliche Formen der Aneignung vorgefundener baulicher Bestände durch ihre Bewohner*innen stehen im Mittelpunkt dese Beitrags von Marieke Behne, Bernd Kniess und Anna Richter. Ihr interdisziplinärer und maßstabsübergreifender Ansatz nähert sich am Beispiel der nordfriesischen Stadt Friedrichstadt den vorgefundenen baulichen Strukturen in ihrem Gebrauch. Sie nehmen die gegebene Situation zum Ausgangspunkt für eine Beschreibung und Problematisierung der örtlichen Verhältnisse. Mittels ethnografischer, videografischer und architektonischer Methoden werden bestehende Akteur*innenkonstellationen sichtbar gemacht und ihre Wirkweisen in der Stadtproduktion offengelegt. Der stationäre Einzelhandel steht generell unter starkem Veränderungsdruck, auch und besonders in Klein- und Mittelstädten – den zentralen Versorgungsbereichen droht trotz ihrer baukulturellen und identitätsstiftenden Bedeutung vielerorts die Aufhebung. Silke Weidner, Tanja Korzer und Jörg Kosinski untersuchen auf der Grundlage einer Befragung die prägenden Funktionen der

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  Klein- und Mittelstädte erneuern!

Innenstadt. Die strukturellen Indikatoren zeigen, dass der Einzelhandel für Kleinund Mittelstädte eine kontinuierlich abnehmende Bedeutung als Leitfunktion haben wird; und dennoch wird es auch zukünftig Städte geben, in denen die Innenstädte ihre Funktion als Marktplatz behaupten können. An den brandenburgischen Fallbeispielen Eberswalde und Luckenwalde lässt sich aufzeigen, dass im aktiven Umgang mit den Herausforderungen die Chance besteht, auch stark vom Wandel betroffene Innenstädte weiterzuentwickeln. Der Möglichkeit zur Ausweisung förmlicher zentraler Versorgungsbereiche in der Bauleitplanung sowie deren Funktion widmet sich Lisa Marie Knotz in ihrer Masterarbeit, die diesem Beitrag zugrunde liegt. Am Beispiel der Städte Bürstadt, Lahr und Mindelheim zeigt sie die stadträumlichen Potenziale zentraler Versorgungsbereiche und entwickelt fünfzehn eher beschreibende städtebauliche Leitlinien. Martina Dettweiler, Lena Spatz, Christoph Diepes und Hans Joachim Linke berichten über Zwischenergebnisse aus einem Forschungsprojekt zur Aktivierung von Flächenpotenzialen für eine Siedlungsentwicklung nach innen, wobei die Beteiligung und Mobilisierung der Akteure durch Visualisierung (AktVis) im Fokus steht. Der Beitrag zeigt Maßnahmen auf, mit denen erfolgsversprechende Bürgerbeteiligung im Rahmen der Innenentwicklung als wesentlicher Bestandteil bei der Generierung von attraktiven Wohnstandorten ermöglicht wird. Die Kommunen nehmen bei der Stärkung der Innenentwicklung in Kleinund Mittelstädten eine Schlüsselrolle ein. Jedoch ist die Anwendung normativer Planungsinstrumente bei den vielseitigen Handlungsfeldern wie Nachverdichtungen oder Leerstandsaktivierungen aufgrund der Heterogenität der Eigentümerstruktur nicht immer zielführend oder gar möglich. Daher sind Strategien anzuwenden, mit denen die Bestandsentwicklung für private Eigentümer attraktiver gestaltet wird, etwa durch gezielte finanzielle Anreize. Christin Swatek gibt in ihrem Beitrag einen Überblick zur Wirkungsweise und zum Umsetzungsspielraum dieses Instruments und stellt ausgewählte Praxisbeispiele vor. Innenentwicklung ist ein zentraler Ansatzpunkt für die Entwicklung der Kernbereiche als lebendige und nutzungsgemischte Wohn- und Versorgungsstandorte. In diesem Kontext berichten Gregor Langenbrinck und Thomas Fischer aus einem Forschungsprojekt über die Rolle strategischen Arbeitens als Prinzip für eine gelingende Innenentwicklung in Kleinstädten. Ihnen geht es dabei sowohl um den richtigen „Werkzeugkasten“ und seinen Einsatz als auch um Prozesse. Strategisches Arbeiten setzt dabei auf die Entwicklung und flexible Umsetzung von Wegen und Nebenwegen zur Innenentwicklung. Im Zentrum des Hochschuldialogs der Nationalen Stadtentwicklungspolitik standen die peripheren ländlichen Räume und ihre Klein(st)städte sowie ihre

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spezifischen Herausforderungen in Zeiten starker technischer und gesellschaftlicher Transformationen. Über die Projekte zum Thema „Die produktive Provinzstadt“ berichtet Kerstin Schenkel. Die Studienprojekte konnten Transformationsprozesse identifizieren und visionäre Ideen für die Zukunft der ländlichen Räume und ihrer Kleinstädte entwickeln.

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Klein- und Mittelstädte in der Programmfamilie der Städtebauförderung – Ausblick

Klein- und Mittelstädte profitierten schon seit den 1970er Jahren sehr stark von der Städtebauförderung als dem „goldenen Zügel“ der Stadtentwicklung. Die wirtschaftlich meist nicht gut ausgestatteten „kleinen“ Gemeinden benötigten diese Fördermittel und erneuerten sich baulich-räumlich über einen langen Zeitraum von über zwanzig Jahren fast unbemerkt. Die in der Literatur und der politischen Berichterstattung immer wieder erwähnten 2.200 Gemeinden der klassischen Städtebauförderung waren schon aufgrund der damit ausgebreiteten Anzahl in der Mehrheit – nicht die Großstädte. Inhaltlich stand bei den Gemeinden im ländlichen Raum meist die direkte Förderung der Haus- und Grundstückseigentümer im Vordergrund. Diese für die Städtebauförderung wichtige erste Phase der Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen wurde nach 1990 in einer vielschichtigen Programmvielfalt differenziert; letztlich wurde das klassische Förderprogramm sogar ganz eingestellt. Mit dem Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ war nach zwischenzeitlichem Fokus auf andere Herausforderungen der Blick erneut auf die sich zuspitzende Peripherisierung vieler Klein- und Mittelstädte gerückt worden. Dabei stand eher die kooperative Bewältigung der Folgen des Strukturwandels durch komplexe Handlungskonzepte im Mittelpunkt, bei denen die öffentliche Hand eine Reihe von Schlüsselmaßnahmen umsetzte. Trotz der zu verzeichnenden Stabilisierungserfolge dieses Programms wird es nunmehr im Rahmen der aktuellen Reform der Städtebauförderung nicht weitergeführt. Vielmehr orientiert sich diese eher an wesentlichen Kernaufgaben der Stadterneuerung unabhängig von der Gemeindegrößenklasse. Die von Bund und Ländern gemeinsam erarbeitete neue Struktur der Städtebauförderung, die ab 2020 gilt, stellt künftig für die drei (statt bisher sechs) konzentrierten Förderprogramme insgesamt 790 Mio. Euro Bundesmittel (plus Kofinanzierung durch Länder und Gemeinden) zur Verfügung. Für Klein- und Mittelstädte dürfte dabei das an dem Vorläuferprogramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ orientierte neue Programm „Lebendige Zentren“ zur Förderung der Innenentwicklung und historischer Stadtkerne (ausgestattet mit

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zunächst 300 Millionen Euro) besonders attraktiv erscheinen, in dem vermutlich auch die meisten Maßnahmen aus dem städtebaulichen Denkmalschutz aufgehen werden. Weitgehend erhalten geblieben sind dagegen die Förderzusammenhänge der Sozialen Stadt, die künftig mit dem Programm „Sozialer Zusammenhalt“ zur Förderung des Zusammenlebens in den Quartieren (ausgestattet mit 200 Millionen Euro) bearbeitet werden sollen, sowie die des Stadtumbaus, dem das Programm „Wachstum und Nachhaltige Erneuerung“ zur Anpassung an den demographischen und strukturellen Wandel sowie zur Gestaltung lebenswerter Quartiere (ausgestattet mit 290 Millionen Euro) nachfolgt. Darüber hinaus wird der „Investitionspakt soziale Integration im Quartier“ zum Ausbau der sozialen Infrastruktur mit jährlich 200 Mio. Euro fortgeführt. Die vor allem im Programm Kleinere Städten und Gemeinden erprobte interkommunale Zusammenarbeit soll nun insgesamt ausgebaut werden. Außerdem wird eine Bearbeitung der Herausforderungen des Klimawandels zu einer Fördervoraussetzung. Insgesamt steht damit die Städtebauförderung auf einer soliden finanziellen Grundlage und weist eine klare Programmstruktur auf. Inwieweit die mit der Verwaltungsvereinbarung 2020 eingeleitete grundlegende Umstrukturierung der Städtebauförderung den Fokus mehr auf kleinere Gemeinden legen wird, ist damit allerdings noch nicht beantwortet. Dies ist eine interessante Fragestellung, die wir im Jahrbuch Stadterneuerung verfolgen werden und für die dieser Band eine inhaltliche Grundlage bereitstellen soll.

Herausforderung Kleinstadt



Kleinstädte Forschung in der Aufmerksamkeitslücke Lars Porsche

Zusammenfassung

Kleinstädte werden meist nur als Teil der sog. ländlichen Räume gesehen oder zusammen mit Mittelstädten in der Kategorie „Klein- und Mittelstädte“ von Wissenschaft und Politik betrachtet. Dass aber Kleinstädte ein eigener Stadttyp mit vielfältigen Ausprägungen sowie internen Differenzierungen sind, zeigt dieser Beitrag auf. Gleichzeitig wird dargestellt, dass es grundlegender Analysen dieses Stadttyps mit quantitativen wie qualitativen Methoden bedarf. Dies ist notwendig, um ein besseres, evidenzbasiertes Verständnis für den Stadttypus Kleinstadt, mitsamt dessen lokalen Eigenlogiken, Herausforderungen und Potenzialen zu entwickeln und damit letztlich die wissenschaftlichen, planungspraktischen und gesellschaftspolitischen Diskurse zum Thema zu objektivieren. Im Gegensatz zu Großstädten genießen die über 2.100 Kleinstädte in Deutschland bisher weder in Forschung und Wissenschaft noch in Politik und Gesellschaft große Aufmerksamkeit. Dabei leben in diesen 24 Millionen Menschen und damit knapp 30% der bundesdeutschen Bevölkerung. Im polyzentrischen Siedlungssystem übernehmen diese Städte eine wichtige Stabilisierungsfunktion. Sie sind vielfältige Wohn-, Arbeits- und Versorgungsstandorte mit einer eigenen Urbanität. Sie bieten ihrer Bevölkerung eine besondere, eigene Lebensqualität, Identität und Heimat. Kleinstädte sind Arbeits- und Produktionsstandorte kleiner- und mittelständischer, teils hochspezialisierter © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3_1

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Lars Porsche

und innovativer Unternehmen. Hier finden sich mehr sogenannte hidden champions als in Großstädten (Lang et al. 2019, S. 17). Mit der Konzentration auf Ballungsräume und Großstädte wurden jedoch Potenziale und Herausforderungen sowie auch die diesem Stadttypen zugrundeliegenden eigenen Dynamiken und differenzierten sozialen sowie kulturellen Strukturen nicht mehr wahrgenommen. Narrative werden in Wissenschaft wie Politik rezipiert. In der Forschung wird vielfach noch angenommen, dass sich großstädtische Entwicklungen zeitversetzt auch in kleineren Stadttypen vollziehen würden (Reulecke 1985, S. 10; Hannemann 2004, S. 31). Dies belegt auch die verbreitete Auffassung, dass Planung von Kleinstädten „nach Maßstab und nach Methode der Stadtteil- und Quartiersplanung“ erfolgen kann (Hannemann 2004, S. 26). Eine einfache Übertragung von Lösungen für Großstädte auf Kleinstädte ist aber nicht zielführend (Gatzweiler et al, 2012; Kaschlik 2012). Dieses wird den sehr ausdifferenzierten Ausgangslagen nicht gerecht und führt zu Fehlentwicklungen. Denn sowohl Perspektiven als auch Herausforderungen dieser Städte unterscheiden sich je nach Größe, Lage oder Rahmenbedingungen, wie u. a. wirtschaftliche und demographische Entwicklungen, erheblich. Letztlich kann für Kleinstädte eine Aufmerksamkeitslücke konstatiert werden. Ansätze, diese Lücke zu schließen, werden im Folgenden am Beispiel aktueller Forschungen im BBSR im Bereich der quantitativen Analysen wie der qualitativen Forschung dargestellt.

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Kleinstadtforschung in Deutschland – Kleinstädte in der Aufmerksamkeitslücke

Traditionell ist Stadtforschung in Deutschland überwiegend großstadtorientiert. Noch heute prägen Sichtweisen wie die von Georg Simmel (1903 (1995), S. 116ff) oder Louis Wirth (1938, S. 42ff.) die Forschung und Lehre und somit den Blick auf die verschiedenen Stadttypen. Dabei ist Simmels Sicht eine Reflexion über fünf Jahrzehnte der Stadtentwicklung, mit Schwerpunkt auf die Stadt Berlin, zu seinen Lebzeiten. Diese Sicht war geprägt durch starke Transformationen, wie der „…Industrialisierung mit dem damit einhergehenden explosionsartigen Anwachsen der Stadtbevölkerung. Hinzu kam die Technisierung städtischen Lebens, die städtebauliche Expansion, die Citybildung“ (Bendikat 2005, S. 62). Die damit einhergehenden starken Unterschiede zwischen Städten wie Berlin, die durch eine starke Industrialisierung, ein starkes Bevölkerungswachstum und zunehmend unterschiedliche Lebensstile wie soziale Differenzierungen geprägt waren, standen vordergründig im Gegensatz zu als „langsam“ und wenig dynamisch wahrgenommenen Ent-

Kleinstädte

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wicklungen in den kleineren Städten, vor allem in den ländlichen Räumen. Jedoch liegt, so Veitenhansl (2015, S. 79), hinter den ländlichen Räumen ein Jahrhundert eines tiefgreifenden Funktions- und Strukturwandels. Hier vollzogen sich starke Umbrüche durch Industrieansiedlungen und eine zunehmende Industrialisierung der Landwirtschaft. Nach Stock (2011) arbeiteten noch vor 100 Jahren 33 Prozent aller Deutschen in der Landwirtschaft, während der Anteil 2017 1,4 Prozent (Hemmerling et al 2017, S. 7) betrug. Lebensweisen und Lebensstile haben sich heute auch in Kleinstädten stark ausdifferenziert. Die Verfügbarkeit von Informationen in Echtzeit ist fast ubiquitär geworden. Für Technologien kann dies eingeschränkt ebenfalls gelten. Eine Bremse ist besonders in peripherer Lage jedoch der Breitband- und Funknetzausbau, wie dies später im Beitrag dargestellt wird. Zwei weitere Punkte tragen zur Schwächung der Wahrnehmung der Kleinstädte bei: Zum einen erfolgt auch heute noch eine meist unreflektierte Subsumierung von Kleinstädten in die ländlichen Räume (Maretzke und Porsche 2018, S. 32ff). Das führte in den vergangenen Jahrzehnten dazu, dass Kleinstädte nicht nur wenig als eigener Stadttyp wahrgenommen bzw. beforscht wurden, sondern meist nur als Teil oder Teilkategorie der ländlichen Räume. Zum anderen wird der Stadttyp meist in Kombination mit den Mittelstädten genannt, was letztlich beiden Stadttypen bzw. der Auseinandersetzung und Analyse mit diesen nicht gerecht wird. Eine besondere Aufmerksamkeit erhielten die Kleinstädte mit der deutschen Wiedervereinigung und hier besonders mit dem Fokus auf die neuen Bundesländer. Letztlich blieb die Forschung aber stark regional oder einzelfallbezogen (Maretzke und Porsche 2018, S. 34). Die Sicht auf Kleinstädte und deren Entwicklungen der vergangenen Jahre werden in der Literatur immer noch durch Veröffentlichungen geprägt, in denen eine Defizitperspektive dominiert (Hannemann 2004, S. 79; ARL 2018). Die Funktionen, Leistungen und Potenziale von Kleinstädten, ebenso wie deren Chancen für die eigene Entwicklung und die ihres Umfelds, bleiben damit unterbelichtet. Zwar könnte der Aussage „Es gibt keinen Mangel an Kleinstadtforschung per se: Nicht die Kleinstadt ist die Forschungslücke, sondern die Rezeptionsgeschichte weist die eigentliche Lücke auf“ des Informationsnetzwerks Pro-Regio-Online (Herrenknecht und Wohlfarth 2005, S. 7) gefolgt werden, aber es kann festgestellt werden, dass eine systematische wie strukturierte Forschung zu Kleinstädten allgemein – und nicht nur zu Kleinstädten als Teil der ländlichen Räume – fehlt. Das führt dazu, dass trotz deutlicher Veränderungen in Kleinstädten sowie in deren Gesellschaften sich Narrative und Stereotype, wie u. a. die räumliche Überschaubarkeit, die sozialräumliche Nähe oder „jeder kennt jeden“ eine andauernde und hartnäckige Rezeption erfahren. Dazu trägt auch bei, dass „[…] die Kleinstadtthematik [vielfach] überhaupt nicht direkt angesprochen, sondern thematisch ‚um-

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Lars Porsche

kreist‘ wird, z. B. in einem allgemeinen Stadt-Land-Diskurs, in einer Analyse der Groß- und Mittelstädte, oder in der Beschreibung von Stadt-Umland-Beziehungen und den stattfindenden Suburbanisierungstendenzen“ (Herrenknecht und Wohlfarth 2005, S. 8). Resümierend kann also von einer Aufmerksamkeitslücke im Sinne einer nicht vorhandenen systematischen Forschung gesprochen werden, soll nur der Stadttyp „Kleinstadt“ betrachtet werden.

Foto 1–4  Kleinstädte als Sehnsuchts- und Alltagsräume Foto 1: Zell am Harmersbach (L. Porsche) Foto 2: Beverungen (L. Porsche) Foto 3: Bad Lobenstein (L. Porsche) Foto 4: Malente (Jens Hoffmann)

Folge der Aufmerksamkeitslücke ist, dass es zu • wahlweise generalisierten Aussagen über sehr unterschiedliche städtische Lebens- und Vergesellschaftungsformen • einem Auseinanderfallen von Wissen und Erfahrung (u. a. historisch idealisierte Ausgangslage versus Realität) und • einer Herleitung nur bedingt verallgemeinerbarer Erkenntnisse kommt. Zudem bestehen gleichzeitig Vorstellungen „der Kleinstadt“ als Sehnsuchts- und als Problemraum (Hannemann 2004, S. 53 ff; Pätzold 2018, S. 79f),

Kleinstädte

7

wie in den Fotos 1 bis 4 gezeigt. Letztlich führt dies zusammen zu Fehlschlüssen, zu einer unzureichenden Politikberatung sowie meist wenig differenzierten Lösungsansätzen für Kleinstädte.

Foto 5  Kastellaun (L. Porsche)

Foto 6  Kastellaun (L. Porsche)

Foto 7  Kirchzarten (L. Porsche)

Zur Abgrenzung des Stadt- und Gemeindetyps Kleinstadt siehe Kap. 2

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2

Lars Porsche

Lage der Kleinstädte – eine quantitative Betrachtung

Im folgenden Kapitel erfolgt eine Darstellung des Stadttyps Kleinstadt und dessen Ausprägungen anhand von Daten und statistischen Auswertungen basierend auf den Abgrenzungen des BBSR zu Stadt- und Gemeindetypen sowie dem Basisstrukturmerkmal Lage (sehr zentral bis sehr peripher). Dies umfasst eine Einordnung im Vergleich zu den weiteren Stadt- und Gemeindetypen (Groß-, Mittelstadt und Landgemeinden) sowie spezifischen Betrachtungen der demographischen und wirtschaftlichen Entwicklung sowie der digitalen Transformation.

Statistische Abgrenzung des BBSR

Zur Abgrenzung und zu Definitionen von Kleinstädten gibt es seit der Begriffsbestimmung der deutschen Reichsstatistik von 1871 und der Internationalen Statistikkonferenz von 1887 wiederkehrenden Diskussionen (Hannemann 2015, S. 2ff.; Hannemann 2018, 50f.). „In Deutschland gibt es keine einheitliche bzw. amtlich festgelegte Definition der unterschiedlichen Stadt- und Gemeindetypen.“ (ARL 2019, S 3) Das BBSR hat für seine statistischen Analysen eine Abgrenzung auf Ebene der ca. 4.540 Einheitsgemeinden und Verbandsgemeinden (Laufende Raumbeobachtung, LBR, des BBSR) vorgenommen. Es handelt sich um eine statistische Vergleichskategorie von Kommunen, die keine normative oder planerische Zuordnung enthält. Kriterien sind die Größe (Einwohnerzahl) und zentralörtliche Funktion der Einheitsgemeinde bzw. der größten Gemeinde innerhalb des Gemeindeverbandes (BBSR o.J. a). Zuletzt erfolgte eine Abstimmung mit den Bundesländern zur Abgrenzung von Kleinstädten im Vorfeld der BBSR-Publikation „Klein- und Mittelstädte in Deutschland – Eine Bestandsaufnahme“ (Gatzweiler et al. 2012). Es ist eine Abgrenzung unter vielen. Andere Abgrenzungen nehmen zum Beispiel die Stadtrechte als Kriterium hinzu oder verringern die Spanne der Größe der Einwohnerzahl, wie z. B. Bode und Hanewinkel (2018) für ihren Beitrag „Kleinstädte im Wandel“ zum Nationalatlas. Neben den statistischen Abgrenzungen erfolgen weitere nach Stadtmorphologie, städtischen Funktionen und Funktionsausstattungen bzw. -zuweisungen, Wirtschafts- oder Sozialstruktur oder kulturellen Aspekten des Städtischen (Baumann 2006; S. 50ff, Hannemann 2018, S. 51).

Kleinstädte

Karte 1  Stadt- und Gemeindetypen in Deutschland Quelle: BBSR 2018

9

10

Lars Porsche

Das BBSR nimmt folgende Abgrenzung der Stadt- und Gemeindetypen vor: Kleinstadt: eine Gemeinde (Einheitsgemeinde/ Verbandsgemeinde) mit • 5.000 bis unter 20.000 Einwohnern oder • mindestens grundzentraler Bedeutung mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums Mittelstadt: Gemeinde eines Gemeindeverbandes oder Einheitsgemeinde mit • 20.000 bis unter 100.000 Einwohnern; • überwiegend haben diese Städte mittelzentrale Funktion. Großstadt: Gemeinde eines Gemeindeverbandes oder Einheitsgemeinde • mit mindestens 100.000 Einwohnern • meist oberzentrale Funktion, mindestens jedoch mittelzentrale Quelle: eigene Darstellung, Daten BBSR

Nach Abgrenzung des BBSR ist somit die oft zitierte Einwohnerzahl nicht allein ausschlaggebend. Eine Rolle kann auch spielen, ob eine „mindestens grundzentraler Bedeutung mit Teilfunktionen eines Mittelzentrums“ vorliegt. Damit sind auch Städte mit wesentlich weniger oder mehr Einwohnern, in der Systematik des BBSR Kleinstädte, wie dies an Beispielen in Kapitel 3 dargestellt wird.

Kleinstädte im Vergleich der Stadt- und Gemeindetypen

Abbildung 1  Stadt- und Gemeindetypen Gemeinden, Fläche und Bevölkerung Quelle: Milbert 2018, eigene Ergänzungen

Ein erster vergleichender Blick auf die Diagramme in Abbildung 1 zeigt, dass die über 2.100 Kleinstädte mit einem Anteil von 46% der dominierende Stadt-

Kleinstädte

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und Gemeindetyp in Deutschland sind. Sie umfassen auch die meiste Fläche in Deutschland. Hier leben mit 24,2 Mio. Menschen nur knapp 1,8 Mio. Einwohner weniger als in den 76 deutschen Großstädten. „Klein- und Mittelstädte sind im Durchschnitt dünner besiedelt als Großstädte, haben auf ihrem Gemeindegebiet größere Freiflachen, auf denen dann neben Wohnen, Gewerbe und wirtschaftlicher Nutzung viel Raum für den Natur- und Umweltschutz […]“ (Milbert und Porsche 2018, S. 17), zur Klimaanpassung, Erzeugung erneuerbarer Energien, für die Land- und Forstwirtschaft und damit als Kulturlandschaften zur Erholung bereit gestellt wird. Besonders diese Leistungen werden zu selten wahrgenommen und gewürdigt. Zur Analyse lassen sich die Kleinstädte weiter in die Größenklassen „große Kleinstädte“ und „kleine Kleinstädte“ sowie nach dem Kriterium Lage (sehr zentral bis peripher) (BBSR o.J. b) untergliedern, wie dies in Karte 2 und Tabelle 1 dargestellt ist. In Karte 2 sind die großen und kleinen Kleinstädte farblich getrennt sowie der Lagetyp „peripher“ (peripher bis sehr peripher) dargestellt. Die Kleinstädte zeigen disperse Verteilungen bis hin zu stärkeren Konzentrationen. Dies liegt in der Siedlungsgeschichte wie auch in den Gemeindegebietsreformen der späten 1960er und frühen 1970er Jahre in den alten Bundesländern sowie in den ostdeutschen Bundesländern nach der Wiedervereinigung begründet (Katagi 2012, S. 37f.; Milbert 2015, S. 4; Franzke 2017, S. 95). Tabelle 1 Kleinstädte* nach Größenklassen und Lage (sehr zentral bis sehr peripher) (2016)

Größere Kleinstadt Kleine Kleinstadt Gesamt

zentrale Lage

periphere Lage

sehr zentral

zentral

peripher

sehr peripher

227

360

252

37

876

125

475

525

111

1236

352

835

777

148

1187

gesamt

925

Quelle: Milbert 2018, Laufende Raumbeobachtung des BBSR *nach Abgrenzung BBSR (BBSR o.J. a), vgl. Textbox S. 6f

2112

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Lars Porsche

Karte 2  Große und kleine Kleinstädte in Deutschland Quelle: BBSR 2018

Die Abgrenzung des BBSR sowie die Betrachtung der Kleinstädte nach Größe und Lage sind die Grundlage für die folgenden Darstellungen und Analysen.

Kleinstädte

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Bevölkerungsentwicklung in Kleinstädten

Seit dem Jahr 1990 existiert eine gesamtdeutsche Statistik . Abbildung 2 zeigt, dass Großstädte von der Mitte der 1990er Jahre bis zu Beginn der 2010er Jahre Bevölkerung verloren . Die Entwicklung wird in der aktuellen Debatte oft vergessen, ebenso wie die Tatsache, dass Klein- und Mittelstädte ihre Bevölkerungsanteile bis zur Mitte der 2000er Jahre steigern konnten . Bis zu diesem Zeitpunkt galt: „Je kleiner die Gemeinden und Städte, desto steiler [war] der Bevölkerungsgewinn .“ (Milbert und Porsche 2018, S. 18). Kleinstädte in zentralen Lagen profitieren vom Mitte der 2010er Jahre begonnenen und aktuell anhaltenden Boom der Großstädte, wie dies Abbildung 3 zu entnehmen ist . Kleinstädte in peripheren Lagen verlieren an Bevölkerung . Auch wenn diese, wie alle Städte Mitte der 2010er Jahre, einen kurzen Aufschwung durch die hohe Zuwanderung aus dem Ausland erfahren, haben diese am wenigsten von der Zuwanderung in den letzten Jahren profitiert. Die Kleinstädte in peripherer Lage stehen vor der Aufgabe, Infrastrukturen und Versorgung aufrechtzuerhalten, umzubauen und den demografischen Wandel positiv zu gestalten .

Abbildung 2 Quelle: BBSR

Bevölkerungsentwicklung nach Stadt- und Gemeindetypen (1990 bis 2016 und 2010 bis 2016)

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Abbildung 3 Quelle: BBSR

Lars Porsche

Bevölkerungsentwicklung der Kleinstädte nach Lagetypen (1990 bis 2016 und 2010 bis 2016)

Die Darstellungen 2 und 3 zeigen, wie wichtig es ist, dass unterschiedliche Zeiträume betrachtet werden, um Entwicklungen einordnen und Rückschlüsse ziehen zu können . Wie für alle Themen, so ist auch bei der Bevölkerungsentwicklung zu betonen, dass oft ein Nebeneinander von Wachstum, Stabilisierung und Schrumpfung existiert, das in den Diagrammen nicht deutlich wird, sondern eher in kartographischen Darstellungen (Milbert 2015, Maretzke und Porsche 2018) . Im Kontext der demographischen Entwicklung hat besonders die Alterung einen wesentlichen Einfluss. Gerade für die Räume, die stark von Bevölkerungsverlusten und einer zunehmend hohen Altersstruktur betroffen sind, wird dies zur Herausforderung . Mittel-, Kleinstädte und Landgemeinden sind überdurchschnittlich betroffen . Die Zunahme des Durchschnittalters zeigt Abbildung 4 . Die Bevölkerung ist dort fast so stark gealtert wie in den Landgemeinden (Milbert 2018, S . 6) . Die überproportionale Abwanderung junger Erwachsener beschleunigt die Alterung in den betroffenen Städten und Gemeinden . Zudem wandern mehr jüngere Frauen als Männer ab, und wo junge Mütter fehlen, werden weniger Kinder geboren . Auch wenn die Zuwanderung die Alterung in den Zuwanderungsgemeinden verlangsamt, steigt insgesamt der Anteil der älteren Bevölkerung (Milbert 2018, S . 6) . Entsprechend sind die Anpassung der Daseinsvorsorge und die Aufrechterhaltung der Mobilitätsfähigkeit sehr dringlich .

Kleinstädte

Abbildung 4 Quelle: BBSR

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Durchschnittsalter 2016 sowie Entwicklung des Durchschnittsalters nach Stadt- und Gemeindetypen (1990 bis 2016 und 2010 bis 2016)

Beschäftigtenentwicklung in Kleinstädten

In den letzten Jahren boomt die deutsche Wirtschaft (Dörner 2018) . Die Beschäftigungsentwicklung zeigt scheinbar seit der Wirtschaftskrise 2008 nur den Weg nach oben (IAB 2018) . Die immer wieder betonte Belebung des Arbeitsmarktes betrifft jedoch nicht, wie Abbildung 5 zeigt, alle Stadttypen gleichermaßen . Abbildung 6 stellt dar, dass Kleinstädte in sehr peripheren Lagen immer noch eine negative Beschäftigungsentwicklung aufweisen . Trotzdem werden auch für diese Fachkräfteengpässe konstatiert (Bundesregierung 2017) . Inwieweit sich die prognostizierten Umbrüche durch die digitale Transformation in verschiedenen Branchen (Zika et al . 2018) auf die Beschäftigungsentwicklung in den verschiedenen Stadttypen auswirken wird, ist unklar . Für entsprechende Analysen fehlen Daten zu Branchen- und Beschäftigungsstrukturen auf der Ebene von Kleinstädten bzw . sind bei kommerziellen Anbietern unzureichend oder über die amtliche Statistik auf Grund von u . a . Geheimhaltungsfällen schwer zugänglich . Deutlich ist aber schon heute, dass die wesentlich schlechtere Infrastrukturausstattung im Bereich der Breitbandversorgung für Wirtschaftsunternehmen in Kleinstädten und hier besonders in peripherer Lage eine große Herausforderung darstellt und weiterhin darstellen wird . 2017 lag der Anteil von Haushalten mit Breitbandanschluss (100Mbit/s) in Kleinstädten in zentralen Lagen bei 52,6% und in peripheren Lagen bei 43% und damit weit unter dem von Großstädten mit über 86%, was in Tabelle 1 ersichtlich wird. Dabei finden sich in Kleinstädten mehr sogenannte hidden champions als in Großstädten (Lang et al . 2019, S . 17) . Diese sind

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Lars Porsche

hochspezialisiert, innovativ und auf eine entsprechende Breitband- wie Mobilfunkversorgung mit 5G-Technik, u . a . im Bereich Industrie 4 .0 oder erweiterter Realität (Virtual Reality und Augmented Reality) angewiesen .

Abbildung 5 Beschäftigtenentwicklung nach Stadt- und Gemeindetypen (1990 bis 2016) Quelle: BBSR

Abbildung 6 Quelle: BBSR

Beschäftigtenentwicklung – Kleinstädte nach Größe und Lagetypen (1990 bis 2016)

Kleinstädte

17

Tabelle 2 Haushalte mit Breitbandanschluss 2017 – nach Stadt- und Gemeindetypen und Lage* Stadt- und Gemeindetyp*

mind. 50 Mbit/s

mind. 100 Mbit/s

%

%

Bund insgesamt

80,5

66,0

Großstädte

92,8

86,3

zentral

88,4

72,8

peripher

83,7

73,6

zentral

73,7

52,6

peripher

61,7

43,0

zentral

62,5

34,5

peripher

44,6

18,3

Mittelstädte Kleinstädte Landgemeinden

Lagetyp*

*nach Abgrenzung BBSR (BBSR o .J . a), vgl . Textbox S . 6f Quelle: eigene Darstellung, Daten BBSR 2018

3

Die eine Kleinstadt gibt es nicht

Für Politik, Wissenschaft wie Planungspraxis gilt es, sich von den verschiedensten Mythen und Narrativen zu verabschieden und einen realistischen Blick auf den Stadttyp, die Vielfalt und die jeweiligen Herausforderungen wie Chancen in den Bereichen Stadt- wie Raumentwicklung zu gewinnen . Nur so wird es möglich sein, objektiv über gleichwertige Lebensverhältnisse zu diskutieren und Kleinstädte zukunftssicher zu entwickeln . Die quantitativen und qualitativen Arbeiten bestätigen, dass Kleinstädte ein eigener Stadttyp mit eigenen Anforderungen sind . Bei den Kleinstädten handelt es sich nicht um einen homogenen Typ . Zudem sind sie auch hinsichtlich ihrer internen morphologischen oder Sozialstrukturen unterschiedlich . Dass die in Kapitel 1 genannten Stereotypen und Narrative keinen Bestand haben, zeigten teils bereits die vorherigen Ausführungen in Kapitel 2, wie z . B . der Blick auf die demographische Entwicklung in der Zeitperspektive 1990 bis 2016 in Abbildung 2 . Die folgenden Darstellungen sollen dies weiter unterlegen . Die Varianzen im Stadttyp sind in verschiedener Hinsicht hoch . Die Kleinstadt mit der kleinsten Fläche umfasst nach Abgrenzung des BBSR (vgl . Kap . 2) 2,8 km² (Eichwalde in Brandenburg), die mit der größten Fläche umfasst 594,4 km² (Süd-

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Lars Porsche

tondern in Schleswig-Holstein) und ist damit größer als Köln (405 km²). Die ­wenigsten Einwohner leben in Ellefeld in Sachsen (2.578), die meisten in RheinSelz in Rheinland-Pfalz (40.768, LRB BBRS 31.12.2016). Letztere hat so viele Einwohner wie eine Mittelstadt. Hinzu kommt eine teils hohe Anzahl an Ortsteilen. Einige Beispiele für Kleinstädte mit deren Einwohnerzahl, Fläche und Anzahl an Ortsteilen sind in Tabelle 3 im Vergleich zu den Großstädten Köln und München dargestellt. Weder kann die angebliche Starrheit der BBSR-Abgrenzung hinsichtlich (nur) der Einwohnerzahl bestätigt werden, noch, dass Kleinstädte flächenhaft klein wären, wie es Zeitschriften, romantische Filme oder touristische Informationen oft vermitteln. Auch die Aussage von der räumlichen Nähe in „der Kleinstadt“ kann nicht gelten. Bei Einwohnerzahlen bis zu 40.000 Einwohnern und bis zu 50 Ortsteilen ist zu hinterfragen, ob in Kleinstädten jeder jeden kennt. Tabelle 3 Ausgewählte Klein- und Großstädte im Vergleich (Fläche, Einwohner, Ortsteile) Mainbern- Beverunheim gen

BelgernSchildau

Möckern

Köln

München

Fläche in km²

12, 21

98,1

158,3

523,93

405

310,4 

Einwohner

2.202

13.404

7.889

12.980

1,06 Mio

1,4 Mio

Ortsteile

-----

12

22

50

Bundesland

BY

NW

MV

ST

86 Stadtteile

56 Stadtteile

NW

BY

Quelle: eigene Darstellung

Ebenso wenig wie es sich bei den Kleinstädten um eine homogene Gruppe handelt, sind die einzelnen Städte in sich homogen. Das zeigt allein die teils hohe Anzahl an Ortsteilen, wie dies für Belgern-Schildau oder Möckern in Tabelle 3 beispielhaft dargestellt ist. Die internen Differenzierungen zeigen Steinführer et al. (2018) am Thema der Wohnungsmärkte und Sozialstrukturen ebenso auf wie auch die hier bestehenden Forschungslücken. Die landläufige Zuordnung der Kleinstädte in den ländlichen Raum hält einer Prüfung ebenfalls nicht Stand. Tabelle 1 ist zu

Kleinstädte

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e­ ntnehmen, dass 1.187 und damit 56,2 % der Kleinstädte dem Lagetypen „sehr zentral“ und „zentral“ entsprechen. Die Raumabgrenzungen „peripher“ oder „ländlich“ (BBSR o.J. b) decken sich zu ca. 85 %.

Zwischenfazit

Statistik ist letztlich kein genaues Abbild der Realität. Sie bleibt eine Annäherung nach gesetzten Abgrenzungen, wie der hier verwendeten Abgrenzung und dem Lagetyp des BBSR sowie der verfügbaren Daten. Die Vielfalt vor allem der Kleinstädte wird zwar deutlich, aber vielfältige Stadtstrukturen und Entwicklungsgeschichten oder ganz konkret vor Ort bestehende Herausforderungen, Potenziale und Chancen sind nicht abbildbar. Daher sind für das BBSR die Forschungen in den Programmen Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt), Modellvorhaben der Raumordnung (MORO) und der allgemeinen Ressortforschung so wichtig. „Nur mit einer Kombination aus quantitativen und qualitativen Methoden“ können „die Komplexität der gesellschaftlichen Wirklichkeit angemessen dargestellt und [...] Fehlschlüsse vermieden werden“ (Schmitz-Valentin 2013, S. 140). In „[…] [dieser Kombination liegt] der Schlüssel für ein tiefes Verständnis der komplexen gesellschaftlichen Logiken und Prozesse“ (Schmitz-Valentin 2013, S. 143).

4

Das ExWoSt-Forschungsfeld „Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen“

Das BBSR hat in den vergangenen Jahren folgende Vorhaben zur Kleinstadtforschung initiiert: • „Potenziale von Kleinstädte in peripheren Lagen“, ExWoSt-Forschungsfeld 2015–2019 • „Lage und Zukunft der Kleinstädte in Deutschland – Bestandsaufnahme zur Situation der Kleinstädte in zentralen Lagen“, ExWoSt-Studie 2016–2018 • „Hidden Champions – Stabilisierungs- und Entwicklungsfaktoren von Kleinstädten in peripheren Lagen“, Ressortforschung 2017–2019 • „Innenentwicklung in kleineren Städten und Gemeinden – Strategien zur Sicherung lebendiger und nutzungsgemischter Wohn- und Versorgungsstandorte“, Studien im Rahmen der Begleitforschung Städtebauförderung 2017–2019 Außerdem hat es die Etablierung des Informellen Netzwerks Kleinstadtforschung gefördert und die Einrichtung wie Durchführung des Ad-hoc-Arbeitskreises

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Lars Porsche

„Kleinstadtforschung“ bei der Akademie für Raumforschung und Landesplanung unterstützt. Mit dem ExWoSt-Forschungsfeld „Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen“ wurde die Bedeutung der Kleinstädte in peripheren Lagen als Wohn-, und Versorgungs- sowie Arbeits- und Produktionsstandorte und als Kommunikations- und Stabilitätsanker für ihr Umfeld herausgearbeitet. Untersucht wurde auch die demografische und wirtschaftliche Entwicklung, verbunden mit einem drohenden Verlust der Versorgungs- und Zentrenfunktion. Die Situation von Kleinstädten in peripheren Lagen ist komplex, vielschichtig und unterschiedlich. Angesichts von Transformationsprozessen, u. a. durch regionalen Strukturwandel, Globalisierung, gesellschaftlichen Wandel oder digitale Transformation, werden die Rahmenbedingungen für Kleinstädte besonders in peripheren Lagen komplizierter und herausfordernder. Im Wettbewerb der Städte um junge Menschen, Familien, Arbeitsplätze, Kaufkraft und Steuereinnahmen ist es unerlässlich, dass sich die Kleinstädte ihrer eigenen Stärken und Entwicklungschancen bewusst werden, ihre Funktionen und Ziele neu bestimmen sowie ihre (unentdeckten) Potenziale erkennen, heben und in Wert setzen. Ein starker Fokus wurde im Forschungsfeld und in den Modellvorhaben auf ­„experimentell“ im Sinne von Schneidewind sowie auf Forschung, Transparenz und eine intensive Beteiligung vor Ort gelegt. „Erfolgreiche urbane Transformation muss sich, im Sinne einer Dynamik von Versuch und Irrtum, auf eine Experimentierkultur einlassen“ (Schneidewind et al. 2015, S. 15). Dies ist ein Grundprinzip des praxisbasierten und zugleich anwendungsorientierten Forschungsprogramms ­Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) seit 1988. Das Forschungsfeld war als Ergänzung zu aktuellen Forschungen und Förderungen wie u. a. dem Städtebauförderungsprosgramm „Kleinere Städte und ­Gemeinden“ angelegt. In diesem Bund-Länder-Programm liegt ein wesentlicher Schwerpunkt auf der interkommunalen Kooperation. Der notwendige Schritt vor dieser Kooperation sollte im Forschungsfeld betrachtet werden. Die These lautete: Kenntnisse über die eigenen Stärken und Schwächen vor Ort sowie Handlungsbereiche und -möglichkeiten sind die Grundlage für eine zielgerichtete, valide und letztlich erfolgreiche interkommunale Kooperation. Ziele des Forschungsfeldes waren: • die Identifizierung spezifischer Handlungsbedingungen und Potenziale von Kleinstädten, • die gemeinsame Entwicklung eines methodischen Rahmens für kooperative Kleinstadtplanung,

Kleinstädte

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• die Weiterentwicklung der Kleinstadtforschung, • die Sensibilisierung der Politik sowie der Fach- und Öffentlichkeit für die ­Situation, Herausforderungen, Chancen und Potenziale von Kleinstädten • die Formulierung von Empfehlungen an Bund und Länder für eine erfolgreiche Kleinstadtpolitik sowie • die Erarbeitung und Ableitung von übertragbaren Lösungsansätzen für vergleichbare Kommunen. Das ExWoSt-Forschungsfeld war anhand von vier Themenfeldern strukturiert (vgl. Abb. 7): • • • •

Kooperative Kleinstadtplanung Lernendes Netzwerk Kleinstadtforschung Öffentlichkeitsarbeit und Transfer.

Im Mittelpunkt standen Zukunftsprozesse mit dem Ziel einer (Neu-)Orientierung und einer Zukunftsvision, die von der Kleinstadtgemeinschaft getragen und umgesetzt werden kann. Also ein Prozess, der nicht administrativ verordnet oder politisch vorgegeben werden kann und auf die Akzeptanz wie das Miteinander aller baut.

Abbildung 7  Vier Themenfelder des ExWoSt-Forschungsfelds Quelle: Hochschule Neubrandenburg, o.J.

22

Lars Porsche

Im Interesse eines durch Praxiserfahrung abgesicherten Erkenntnisgewinns wurden diese Prozesse im Zeitraum Februar 2016 bis Oktober 2018 in acht Modellvorhaben umgesetzt (vgl. Karte 3): • • • • • • • •

Bad Lobenstein (Thüringen), Beverungen (Nordrhein-Westfalen), Großschönau (Sachsen), Kastellaun (Rheinland-Pfalz), Malente (Schleswig-Holstein), Mücheln (Sachsen-Anhalt), Rodewisch (Sachsen) und Zell am Harmersbach (Baden-Württemberg).

Karte 3  Lage der acht Modellvorhaben des Forschungsfelds Quelle: BBSR o.J.c

Kleinstädte

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Im Fokus der Prozesse standen Aspekte und Fragen, wie: • Welche bisher nicht erkannten bzw. genutzten Potenziale können zu einer tragfähigen Entwicklung beitragen? • Welche tradierten Handlungsmuster und -pfade müssen überdacht, neu ausgerichtet und ggf. auch verlassen werden, um die Entwicklung der Kleinstadt zukunftsfest auszurichten? Die beauftragte Forschungsassistenz strukturierte und begleitete die Zukunftsprozesse in den Modellvorhaben. Das methodische Vorgehen und die zeitliche Abfolge sind in Abbildung 8 dargestellt.

Abbildung 8  Aufbau, Ablauf und Methoden im Zukunftsprozess im Forschungsfeld Quelle: Hochschule Neubrandenburg o.J., eigene Ergänzungen

Mit Hilfe eines Szenarioprozesses zur Erarbeitung von Zukunftsbildern und -geschichten sowie Jugend-BarCamps, als spezielles Beteiligungsformat zur Einbindung der jungen Menschen vor Ort, wurden die Kommunen in die Lage versetzt, einen kooperativen Prozess zu initiieren und umzusetzen. Die Modellvorhaben führten mit ihren jeweiligen Projektagenturen eigene Formate zur Bürgerbeteiligung sowie zur kontinuierlichen Information vor Ort durch. Darüber hinaus reflektierten sie ihre Erkenntnisse im Netzwerk mit den anderen beteiligten Modellvorhaben in Erfahrungswerkstätten. Ergänzt wurde dieser Wissens- und Erfahrungstransfer u. a. mithilfe von themenbezogen eingeladen externen Experten. Dieser Ansatz förderte den Austausch und die Lernprozesse.

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Lars Porsche

Der Szenarioprozess

Eine prinzipielle Vorgehensweise für strategische Szenariostudien hat sich seit Anfang der 1970er Jahre etabliert. Seitdem haben sich durch deren zunehmende Verbreitung in unterschiedlichen Wissenschafts- und Praxisbereichen viele unterschiedliche Szenariotechniken entwickelt (Kosow und Gaßner 2008, S. 6f.). Diese haben „[…] zunehmend Eingang in die lokale und regionale Planungszusammenhänge gefunden […] – beispielsweise im Rahmen von Zukunftswerkstätten oder Szenarienworkshops“ (Schmitz-Valentin 2013, S. 141). Obwohl die Rahmenbedingungen vieler Kleinstädte schwierig sind, erscheint es notwendig, alternative Zukunftsbilder als Ausgangspunkt von Veränderungen und notwendigen Neubestimmungen zu entwickeln. Hier bietet die Szenariotechnik einen geeigneten methodischen Rahmen für eine gemeinsame Diskussion, um Entwicklungspfade, Chancen und Risiken sowie Handlungsoptionen zu erarbeiten. Vorteil der Technik ist, dass sich zukünftig notwendige Strategien und Schritte ableiten lassen, denn „die der Methode inhärente Zukunftsorientierung schafft kein Wissen über die Zukunft, sondern ein besseres Verständnis der Gegenwart“ (Böttger 2015). Es wurde eine Herangehensweise gewählt, die im Ergebnis auf normativ-narrative Szenarios ausgerichtet ist. Durch eine narrative Darstellung wird die Zukunft für alle vorstellbar. Alternativen können verglichen und abgewogen sowie Ziele formuliert werden. Das Design des Zukunftsprozesses gab dem Vor-OrtProzess in den Modellvorhaben damit eine Struktur, wie dies Abbildung 9 zu entnehmen ist. Der Szenariomethode lagen verschiedene Annahmen zum Prozess zugrunde: • den Bürgern Werkzeuge an die Hand geben, die sie bei der Schaffung einer Experimentierkultur und den entsprechenden Suchbewegungen unterstützen; • Lern- und Experimentierräume für bürgerschaftliches Handeln schaffen, aus denen kleinstädtische Urbanität und Zukunft entstehen kann; • eine Szenariogruppe als Multiplikatoren der (Zwischen-) Ergebnisse nutzen; • Akzeptanz der (Zwischen-) Ergebnisse durch die Mitglieder der Szenariogruppen schaffen; • offene, intuitive Bürgerbeteiligung statt explorativer Expertenprozesse durchführen; • einen ganzheitlichen Blick und gedanklichen Sprung in die Zukunft ermöglichen; • über ein Zukunftsbild Ideen verständlich und kommunikativ zusammenfassen; • das gemeinsame Aufspüren und Entwickeln eigener Potenziale ermöglichen.

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Abbildung 9  Graphic Recording – Beverungen 2030. Ergebnis des Szenarioprozess Quelle: Titus Ackermann

Als Ergebnis für die Szenariomethode kann gefolgert werden: • Ermöglichung eines ganzheitlichen Bildes und Sprung in die Zukunft • Schaffung eines gemeinsam getragenen Zukunftsbilds und eines anderen Blicks auf die Stadt (-entwicklung) • Schaffung hoch kontextualisierter Ergebnisse • Schaffung guter Impulse und Aufbruchsstimmung • Entwicklung und Umsetzung von Projekten Schwierig gestaltete sich die über den relativ langen Zeitraum teils entstehende Parallelität von Prozessen vor Ort oder das Zusammenhalten der Szenariogruppen. Die in der Literatur angemahnten möglichst kurzen Szenarioprozesse bzw. geringen Abstände zwischen den Szenarioschritten wurden durch die Beteiligten unterschiedlich bewertet. So wurde der lange Zeitraum für den Zusammenhalt der Gruppe oder den „Wiedereinstieg“ in den nächsten Szenarioschritt als schwierig bezeichnet. Andererseits wurde aber auch betont, dass die zeitlich längeren Zwischenphasen auch Vorteile hatten, wie die Reflexion der vorherigen Schritte,

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die Durchführung eigener lokaler Formate oder auch die Möglichkeit, sich mit dem erworbenen Wissen direkt um Anschlüsse zu bemühen (u. a. Aufnahme in die Städtebauförderung oder die erfolgreiche Bemühung um ein Integriertes Gemeindeentwicklungskonzept). Die entwickelten Themen als Ergebnisse der Szenarioprozesse wurden in unterschiedlicher Intensität in allen Modellvorhaben benannt: • • • • • •

Wohnen, Lebensqualität und Lebensgefühl Mobilität und Erreichbarkeit Wirtschaftliche Entwicklung Sozialer Zusammenhalt, Engagement, Identität und Image Tourismus Digitale Transformation

(Dehne 2018a, 2018b)

Die Anwendung der Szenariotechnik bedarf eines nicht unerheblichen Aufwands. Die Kraft und Ausdauer aller Beteiligten ist gefordert. Aber eine solche Kreativtechnik bietet in der Verknüpfung mit strategisch-konzeptionellen Ansätzen sehr kontextualisierte Ergebnisse, wie diese dem abgebildeten Beispiel des Graphic Recordings zu Zell am Harmersbach zu entnehmen sind. Vorteil ist, dass diese meist von der Stadtgesellschaft auch als ihre Szenarien gesehen und akzeptiert werden und somit eine solide wie nachhaltige Unterstützung erfahren. Dem klassischem Aufmerksamkeitsdilemma bzw. sogenanntem Planungsparadox, in dem die Aufmerksamkeit der Bürger erst oft nach der Planungsphase von Politik und Verwaltung steigt (Schön et al 2012, S. 327; Porsche 2015, S. 18), kann somit zu einem Teil begegnet werden. In den meisten Kleinstädten finden sich keine großen Verwaltungen und ausdifferenzierten Dienstleistungsökonomien. Eine kooperative Kleinstadtentwicklung, die die Stadtgesellschaft (prozessual) mit einbezieht, kann ein zukunftsweisender Ansatz sein. Zentral ist, dass • hoheitliche Aufgaben der Stadtverwaltung und politische Entscheidungsgremien (wie Stadt- oder Gemeinderat) nicht in Frage gestellt, • formelle Stadtplanung mit neuen Planungskulturen und -methoden verbunden, • mit Unterstützung der Stadtverwaltung erarbeitete Lösungen realisiert sowie • das Ehrenamt und Engagement der Menschen nicht überfordert werden.

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Erkenntnisse aus dem Forschungsfeld

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Geht es um die Zukunft kleinerer Städte, spricht somit vieles für den Weg einer „kooperativen Kleinstadtentwicklung“ mit dem Ziel einer eigenen „kleinstädtischen Urbanität“ (Dehne 2018c). Die kleinstädtische Urbanität (Burmeister und Rodenhäuser 2018, S. 8ff.) als Ausdruck des guten Lebens in der Kleinstadt ist eine bürgergetragene Urbanität, die auf Wohnen, Lebensgefühl und Lebensqualität zielt. Soziale, auf die Menschen und deren Zusammenleben bezogene Aspekte machen zu großen Teilen dieses Lebensgefühl aus. Für die Zukunft wünschten sich die Teilnehmer der Szenariowerkstätten mehr Vielfalt, Lebendigkeit und Kreativität in ihrer Kleinstadt sowie eine bessere Anbindung an die Zentren und Ortsteile. Ob dies gelingen kann, ist abhängig von kreativen Menschen und der Frage, ob sich die Kleinstadt als (alternativer) Arbeits- und Lebensort behaupten kann. Dafür muss Kleinstadtplanung neu gedacht werden. Klassische Handlungsfelder (wie Arbeiten und Wohnen) in den Kleinstädten müssen mit neuen Konzepten untersetzt werden, um die Zukunftsfähigkeit zu sichern. Wichtig ist dafür ein neues Zusammenspiel wie die Entwicklung und Förderung von klassischer Planung mit neuen partizipativen Prozessen im Sinne einer kooperativen Kleinstadtpolitik und Kleinstadtplanung. Dazu zählen auch die städtebaulichen Handlungskonzepte, die stärker zukunftsorientiert und vor allem gemeinschaftlich entwickelt und getragen werden müssen. Diese Handlungsansätze müssen querschnittsorientiert und auf Lebensqualität, Bildung und weiche Standortfaktoren ausgerichtet sein, Kooperation stärken und Bürgerinnen und Bürger beteiligen. Sie erfordern letztlich auch ein anderes Verständnis von Verwaltungsarbeit und Kommunalpolitik. Die Akteure aus Verwaltung und Politik in den Kleinstädten müssen qualifiziert und gestärkt werden (neben zusätzlichen personellen Kapazitäten), um diesen veränderten Anforderungen an Planung, Politik und Verwaltung gerecht werden zu können. In der Kleinstadtakademie, die 2019 als Pilotphase gestartet ist, werden u. a. diese Ergebnisse des Forschungsfelds zentrale Aspekte und Ansatzpunkte sein. Auch wenn durch kooperative Kleinstadtentwicklung viel erreicht werden kann, muss sich die Landes- wie Bundespolitik den Grenzen von freiwilligem Engagement bewusst sein. Lösungen für die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung mit Blick auf schwindende Personalkapazitäten in den Planungsämtern (Brand und Steinbrecher 2018, S. 9) müssen gefunden werden. Denn Kleinstädte sind tragende Bestandteile des deutschen Städtesystems.

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5 Fazit Das Bewusstsein für Kleinstädte als eigener Stadttyp mit seiner gesellschaftlichen Bedeutung und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hat in den letzten Jahren zugenommen. Trotzdem kann weiterhin eine (systematische) Aufmerksamkeitslücke konstatiert werden. Dominant ist jedoch in der öffentlichen, politischen sowie wissenschaftlichen Debatte weiterhin ein meist undifferenzierter Blick, u. a. mit pauschalen Zuordnungen der Kleinstädte in die ländlichen Räume, einer Defizitsicht, dem Absprechen sich ausdifferenzierender Lebensweisen und Sozialstrukturen oder von Innovationsfähigkeit. Dieser Blick mit Mythen und hartnäckigen Narrativen hält sich. Dabei zeigen statistische Analysen eine große Vielfalt der Kleinstädte, ebenso wie die demographischen oder wirtschaftlichen Entwicklungen, die hinsichtlich Wachstum, Stabilisierung und Schrumpfung oft nah beieinander liegen können. Diese findet in der allgemeinen Diskussion kaum Berücksichtigung (u. a. Unterschiede in Flächen, Einwohnern, Ortsteilen, etc.), lässt sich aber auch durch Untersuchungen vor Ort bestätigen, wie das ExWoStForschungsfeld belegt. Um Entwicklungen in Kleinstädten richtig einzuordnen, sind lang- und mittelfristige, systematische Betrachtungen notwendig. Denn die Entwicklungen sind keine Konstanten; Wachstums- und Degressionsphasen finden auch in Kleinstädten statt. Gleichzeitig würde ein objektiverer Blick helfen, Funktionen, Herausforderungen, Chancen und Potenziale realistischer einzuschätzen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Verankerung und Steigerung der Bedeutung von Kleinstädten in Planungstheorie und Praxis. Der hier vorherrschende Fokus auf Großstädte ist wenig hilfreich, um die unterschiedlichen Stadt- und Gemeindetypen mit ihren Herausforderungen und Chancen als integrale Bestandteile des deutschen polyzentrischen Städtesystems zu analysieren und zukunftsfest zu entwickeln. So lassen sich Konzepte, die in großstädtischen Kontexten und zu (Mega-) Trends entwickelt werden, in den wenigsten Fällen auf Kleinstädte übertragen. Die Themen und Lösungen in den Kleinstädten sind meist, wie es im ExWoSt-Forschungsfelds deutlich wurde, hoch kontextualisiert. Diese Kontextualisierung ist nicht nur auf Grund der Vielfalt der Kommunen wichtig, sondern auch, damit in der Stadtgesellschaft die Erarbeitung von Lösungen und die Realisierung von Vorhaben einen starken Rückhalt erfahren. Große Trendthemen wie z. B. die digitale Transformation können, schon allein auf Grund der geringen personellen Kapazitäten, nicht eine Bearbeitungstiefe wie in großstädtischen, ausdifferenzierten kommunalen Verwaltungen erfahren. Somit sollten kleinteilige Projekte nicht geringgeschätzt werden, da diese stark auf die Situation angepasst sind und eine starke lokale Verankerung besitzen. Diese Vorhaben können entscheidende Ausgangspunkt für weitere Entwicklungen sein.

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Für Kleinstädte geht es darum, Innovationspotentiale zu erkennen, innovationsfreundliche Strukturen sowie lebendige und attraktive Räume mit hoher baukultureller Qualität zu schaffen. Diese müssen den Bürgern, Unternehmen und Akteuren ermöglichen, eine Vielfalt von Initiativen zu entwickeln, verbunden mit dem Anspruch, lokale Strukturen zu stärken. All dies muss mit dem Ziel der Verbesserung von Lebensqualität, Wertschöpfung und Versorgung innerhalb der Region erfolgen. Dazu bedarf es dem Mut und Willen aller. Dieses beinhaltet, dass die Stadtverwaltung auch zum „Ermöglicher“ werden und sich auf Experimente einlassen muss, wie es die acht Modellvorhaben im ExWoSt-Forschungsfeld gezeigt haben. Ein Schlüssel ist hierfür die „kooperative Kleinstadtentwicklung“, einhergehend mit einer intrakommunalen Kooperation mit allen Ortsteilen und der, im Städtebauförderungsprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden“ etablierten interkommunalen Kooperation, da Herausforderungen oft nicht alleine gemeistert werden können. Die interkommunale Kooperation setzt eine klare, deutliche und ehrliche Analyse der eigenen städtischen Situation und Entwicklungsperspektiven voraus. Eine der großen Herausforderungen für die wissenschaftliche Betrachtung sind das Fehlen einer systematischen Kleinstadtforschung und die geringe Verfügbarkeit von Daten auf der Ebene dieses Stadt- und Gemeindetyps. Dies wäre aber notwendig, um evidenzbasiert Mythen und Narrative aufzulösen, und damit letztlich Fehlinterpretationen und Fehlschlüsse auszuschließen. Eine stärkere systematische Forschung  – qualitativ wie quantitativ  – würde aufzeigen, dass sich anlassbezogen ähnliche Gruppen bilden bzw. finden. So hätte auch das oft in der Wissenschaft geäußerte angebliche Problem der zu großen Vielfalt keinen Bestand. Differenzierte Betrachtungen lassen Entwicklungsmuster erkennen, wie z. B. für zentrale und periphere Lagen. Gerade die Verbindung aus quantitativen und qualitativen Methoden ermöglicht es, der komplexen Wirklichkeit näher zu kommen. Dies würde helfen, ein objektiveres und besseres Verständnis der Kleinstädte sowie deren interner Differenzierungen zu erlangen. Es sind evidenzbasierte Forschungen ebenso wie eine zeitgemäße Planung, Planungs- und Umsetzungskultur erforderlich (ARL, 2018). Dies gilt es von der Wissenschaft wie auch der Politik einzufordern. Die systematische Kleinstadtforschung steht erst am Anfang. Die Forschungen des BBSR, die Städtebauförderung des BMI und der Ad-hoc-Arbeitskreis „Kleinstadtforschung“ der ARL sind wichtige Bausteine hin zu einem anderen, objektiveren Blick, zu einer Wertschätzung und zu einem anlassbezogenen Handeln für Kleinstädte als eigenem Stadttyp. Für die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse und ausgewogener, resilienter wie zukunftsfester Städte darf der Blick nicht auf einem Stadttyp liegen,

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sondern muss alle Stadt- und Gemeindetypen ohne Unterschied und gleichrangig einbeziehen. Aber um der Aufmerksamkeitslücke bei Kleinstädten zu begegnen, ist ein Perspektivwechsel aller Beteiligten weg von einer Defizitsicht notwendig. Erst dieser beinhaltet die Chancen eines Mentalitätswandels, verbunden mit einer Wertschätzung und einem offenen Blick für die Herausforderungen, aber vor allem die Leistungen und Potenziale von Kleinstädten und ihrer Stadtgesellschaften.

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Kleinstadtgeschichten 2030 Das normative, narrative Szenario als methodisches Element einer potenzialorientierten kooperativen Kleinstadtentwicklung



Peter Dehne und Jens Hoffmann

Zusammenfassung

Das Forschungsfeld im Experimentellen Wohnungs- und Städtebau „Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen“ (Laufzeit Dezember 2015 bis September 2018) verfolgte unter anderem das Ziel, spezifische Handlungsbedingungen und Potenziale von Kleinstädten zu identifizieren, die zu einer eigenbestimmten, nachhaltigen Kleinstadtentwicklung führen können. Dafür sollte ein methodischer Rahmen für den Einstieg in eine kooperative Kleinstadtplanung entwickelt und getestet werden. Als wesentliche Gestaltungsmerkmale wurden der Einsatz von Kreativtechniken und die Beteiligung aufgegriffen und in einen Szenarioprozess übersetzt, der explizit kommunikativen Zwecken in einem kooperativen und offenen Prozess dienen sollte. Vor diesem Hintergrund wurde die Form des narrativ normativen Szenarios, die Entwicklung eines positiven Zukunftsbildes in Form einer quasi-literarischen Erzählung gewählt. In einem zwei Jahren währenden Prozess wurde der Ansatz in acht Modellvorhaben deutschlandweit erprobt. Als Fazit lässt sich festhalten: Normative, narrative Szenarioprozesse können ein Impulsgeber und „Katalysator“ für einen kooperativen Stadtentwicklungsprozess sein. Es lassen sich auf diesem Wege sowohl eine neue Kultur des Planens und Gestaltens als auch neue Zukunftsthemen erschließen. Darüber hinaus können als Fazit des Forschungsfeldes wichtige Erfolgsfaktoren und Hemmnisse von Prozessen ­kooperativer ­Kleinstadtplanung zusammengefasst werden. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3_2

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Das ExWoSt-Forschungsfeld „Potenziale von ­Kleinstädten in peripheren Lagen“

Deutschland ist ein Land der Kleinstädte. Aktuell (Stand 31.12.2016) gibt es 2.112 Kleinstädte (darin 876 größere Kleinstädte mit 10.000 bis 20.000 Einwohnern und 1.236 kleineren Kleinstädte unter 10.000 Einwohner). Sie umfassen 163.000 km² Fläche (rund 45 Prozent der gesamten Bundesfläche). Etwa 30 Prozent aller Einwohner leben in Kleinstädten (24,3 Millionen), 1.187 befinden sich in zentralen Lagen, 925 in peripheren Lagen (davon 148 in sehr peripheren Lagen) (Laufende Raumbeobachtung des BBSR). Früher waren Kleinstädte vor allem Dienstleistungsstandort für ihr zumeist agrarisches Umland. Diese direkte Verbindung zu ihrem unmittelbaren Umland ist heute deutlich schwächer geworden. Mobilität, Veränderungen von Handel und Logistik, neue Arbeitswelten und eine verstärkte Wertschätzung großstädtischer Lebensformen wirken sich auf Attraktivität und Entwicklung der kleinen Städte aus. Dabei spielt die Lage eine besondere Rolle. Kleinstädte in der Nähe von Großstädten gewinnen im Durchschnitt auch weiterhin Bevölkerung und müssen auf den steigenden Bedarf nach Wohnraum und technischer und sozialer Infrastruktur reagieren (Porsche 2015). Ganz anders ist die Situation vieler Kleinstädte abseits der großen Zentren. Sie verlieren seit den 1990er Jahren Bevölkerung und stehen vor der Aufgabe, Infrastrukturen und Versorgung aufrechtzuhalten, umzubauen und sich auf eine älter werdende Bevölkerung einzustellen. Schrumpfung und Alterung schlagen sich zudem in den Kommunalfinanzen nieder und verringern die Spielräume der Stadtpolitik, auf die komplexen Herausforderungen zu reagieren. Lange Zeit wurden dabei neue Arbeitsplätze als Schlüssel für Stabilisierung und Entwicklung gesehen. Die Zahlen zeigen jedoch, dass dies nicht immer zutrifft. Obwohl die kleinen Städte zwischen 2008 und 2013 einen Zuwachs an Beschäftigten zu verzeichnen haben, sinkt die Bevölkerungszahl weiterhin. Vor allem junge Menschen ziehen weg. Gleichzeitig haben die Städte mit einem guten Arbeitsplatzangebot verhältnismäßig hohe Einpendlerzahlen. Die Situation von Kleinstädten in peripheren Lagen ist also komplex, vielschichtig und unterschiedlich (Porsche 2015). Hier setzte das Forschungsfeld im Experimentellen Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) „Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen“ des Bundesministeriums für Umwelt und Bau und des Bundesamtes für Bau-, Raum- und Stadtforschung an (Laufzeit Dezember 2015 bis September 2018). Ziel war es unter anderem, spezifische Handlungsbedingungen und Potenziale von Kleinstädten zu identifizieren, die zu einer eigenbestimmten, nachhaltigen Kleinstadtentwicklung führen, sowie einen methodischen Rahmen für den Einstieg in eine kooperative

Kleinstadtgeschichten 2030

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Kleinstadtplanung zu entwickeln und zu testen . Wie kann die Kleinstadt zukunftsfähig und lebenswert bleiben beziehungsweise auch für andere lebenswert werden? Welche bisher nicht erkannten oder genutzten Potenziale können dazu beitragen? Und welche tradierten Handlungsmuster und -pfade müssen überdacht, neu ausgerichtet und gegebenenfalls auch verlassen werden? Darüber hinaus sollte die Fachwelt und allgemeine Öffentlichkeit stärker für die Herausforderungen und Potenziale von Kleinstädten sensibilisiert werden .

Abbildung 1 Kooperative Kleinstadtplanung und Lernendes Netzwerk (Quelle: eigene Darstellung)

Dem Aufruf zu einem bundesweiten Wettbewerb waren 76 Kleinstädte gefolgt . In einem zweistufigen Auswahlverfahren, in das die Autoren nicht involviert waren, wurden im Frühjahr 2015 acht Modellvorhaben für das Forschungsfeld ausgewählt: Bad Lobenstein (Thüringen), Beverungen (Nordrhein-Westfalen), Großschönau (Sachsen), Kastellaun (Rheinland-Pfalz), Malente (Schleswig-Holstein), Mücheln (Sachsen-Anhalt), Rodewisch (Sachsen) und Zell am Harmersbach (Baden-Württemberg) . In den Modellvorhaben wurde über zwei Jahre eine Abfolge von sogenannten Szenariowerkstätten durchgeführt . Hinzu kamen in jeder Kleinstadt „Jugend-BarCamps“ als Form der Jugendbeteiligung sowie ergänzende Beteiligungsformate im Rahmen eines lokalen Partizipations-, Strategie- und Umsetzungsprozesses, der von einer lokalen Projektagentur begleitet wurde . Alle acht Kleinstädte trafen sich regelmäßig zu Erfahrungswerkstätten . Aufgabe der Forschungsassistenz (die Autoren von der Hochschule Neubrandenburg) war es, diesen Erfahrungsaustausch zu organisieren und die Szenarioprozesse und Jugend-

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BarCamps vor Ort durchzuführen und auszuwerten. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie es gelingen könne, neue Wege und Potenziale für die Kleinstädte zu erschließen.

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Die Suche nach neuen Wegen für die Kleinstadt

Mit neuen Wegen der Stadtplanung hat sich unter anderen Selle (2005) befasst. Er weist darauf hin, dass selbst bei „virtuoser Handhabung“ aller Instrumentenbündel (Arbeits- und Organisationsformen, Gestaltung von Kooperationen, Projektentwicklung usw.) keinesfalls gewährleistet ist, „dass auch wirklich neue Problemlösungen auf veränderten oder neu gebahnten Wegen gefunden werden“ (Selle 2005, S. 333). Er betont, dass für den zumindest lokalen innovativen Gehalt von Strategien und Projekten weitere Voraussetzungen gegeben sein müssen, unter anderem: der ergebnisoffene Charakter der Prozesse, das Vorhandensein eines Schutzraums bzw. einer Werkstatt, die Schaffung von „Sonderorganisationen“. (Selle 2005, S. 333 ff.) Gerade in Bezug auf Kleinstädte wird in der Literatur die besondere Rolle von Kreativ- und Zukunftstechniken für das Finden neuer Wege hervorgehoben: Klein- und Mittelstädte können im Licht anstehender Herausforderungen nur ihren Weg finden, wenn sie in der Lage sind, kreativ und innovativ zu denken, zu planen und zu handeln. Diese Städte sind dazu verdammt, in Abhängigkeit von ihrer spezifischen Situation und dem regionalen wie nationalen Kontext kreative Entwicklungsstrategien zu entwickeln und zu implementieren (Hamdouch et al. 2017, S. 1). Kreativität meint dabei, offen für neue Ideen und Annäherungen zu sein sowie soziale und kulturelle Komplexitäten wahrnehmen zu können. Soziale Innovationen, Experimentieren und kollektives Lernen sind Schlüsselfaktoren für neue Wege zur Lösung der gemeinsamen kommunalen Probleme (Nyseth et al. 2017, S. 15, siehe auch S. 18 f.). Neben der Rolle von Kreativ- und Zukunftstechniken ist es der Aspekt der Beteiligung, der als ebenso wesentliches Moment für die Suche nach neuen Wegen identifiziert wird. Alle der Idee einer kooperativen Stadtentwicklung nahestehenden Ansätze (wie z. B. Lernende Region, integrierte Regionalentwicklung, Urban Governance) „weisen auf verschiedene Art und aus unterschiedlichen Blickwinken darauf hin, dass sektorenübergreifende Kommunikation und ­Kooperation, wechselseitiges Vertrauen (soziales Kapital) und gemeinsame Lernprozesse eine wichtige Voraussetzung zur Entwicklung von lokalen Potenzialen und von ­lokaler Handlungsfähigkeit sind. Bezogen auf den kleinstädtischen ­Kontext ­ergibt sich hieraus auch die Forderung einer breiten Einbeziehung von Akteuren aus

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v­ erschiedenen gesellschaftlichen Bereichen in den Entwicklungsprozess – eine sektorenüberschreitende Kommunikation (und Kooperation) zwischen den drei lokalen gesellschaftlichen Sektoren von Bürgerschaft (und zivilgesellschaftlichen Organisationen), lokaler Wirtschaft sowie Politik und Verwaltung“ (Burdack 2013, S. 10; vgl. auch Selle 2005, S. 99). Dabei scheint es für die Zukunftsbeständigkeit derartiger Kooperationsprozesse wesentlich zu sein, im Diskurs gemeinsame Ziele für die zukünftige Stadtentwicklung zu erarbeiten. (Kaschlik 2012, S. 23) Die Bürgerschaft soll an kommunalen Planungsprozessen beteiligt werden, da ihre Mitwirkung und Mitbestimmung als eine wesentliche Voraussetzung für die Zukunftsbeständigkeit der Städte betrachtet wird. Öffentliche Akteure sind unter dem Eindruck begrenzter eigener Steuerungsressourcen auf Kooperation angewiesen (Inkongruenzthese). „Selbst in zentralen Handlungsfeldern der Stadtentwicklung, […], benötigen die öffentlichen Akteure Ressourcen, über die andere Beteiligte verfügen (Geld, Grundstücke, Mitwirkungsbereitschaft) und die sie nicht mit hoheitlichen Mitteln, sondern kooperativ mobilisieren können“ (Selle 2005, S.  123). Die Konsequenz daraus ist, dass sich die Konstellationen zwischen der Bürgerschaft, der Politik und Verwaltung sowie der Wirtschaft ändern. Im R ­ ahmen einer neuen gelebten Planungskultur entwickeln sich neue Rollenverständnisse. So wird die planende Verwaltung gegebenenfalls mehr zur ­„ermöglichenden“ Verwaltung (Grüger 2004, S. 68) – was jedoch nicht meint, dass sie ihre planerische fachliche Kompetenz aufgibt. Wirtschaftsunternehmen werden zu neuen Partnern einer gemeinsam getragenen Stadtentwicklung, da sie angesichts des Fachkräftemangels darauf angewiesen sind, die Kleinstadt nicht nur als Standort zu sehen, sondern als Lebens-, Wohn- und Bildungsort mit zu entwickeln. Im Forschungsfeld wurden diese grundsätzlichen Überlegungen zur ­Gestaltung von Planungsprozessen aufgegriffen und in konkrete Handlungsansätze übersetzt. Im Folgenden wird zunächst die Methode der Szenariotechnik beschrieben und analysiert. Danach werden die zentralen Handlungsfelder und Projektansätze, die sich aus dem Szenarioprozess ergeben haben, zusammengefasst und es wird der Frage nachgegangen, ob damit neue Potenziale erschlossen w ­ erden konnten.

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Szenariotechnik als methodisches Element einer ­kooperativen Kleinstadtentwicklung

Ein Szenario ist die Darstellung einer möglichen zukünftigen Situation, eines Zukunftsbildes. Dabei stellt es jedoch nicht nur einen hypothetischen zukünftigen Zustand dar, sondern es schließt auch die Entwicklungen, Dynamiken und treibenden Kräfte mit ein, aus denen das Zukunftsbild resultiert (Schulz-Montag, MüllerStoffels 2006, S. 381; Kosow, Gaßner 2008, S. 10). Seit den 1950er Jahren haben sich durch die zunehmende Verbreitung von Szenarien eine Vielzahl von methodischen Wegen der Szenariogenerierung entwickelt. Zu den wichtigen Anwendungsfeldern zählen unter anderem die strategische Planung in Unternehmen, die Stadt- und Raumplanung, die Politikberatung sowie globale Szenarien zur Zukunft der Energie oder des Klimas. Unterschiede ergeben sich insbesondere durch die Art und Weise, wie Szenarien erstellt werden, wie sie auf Konsistenz und Plausibilität überprüft werden, wo sie im Prozess eingeordnet werden. Darüber hinaus unterscheiden sich die Ansätze durch den Einsatz partizipatorischer und kreativ-visionärer Arbeitsschritte sowie durch das Maß der Formalisierung des Verfahrens und die Unterstützung durch den Einsatz von Software. Die Zeithorizonte, für die Szenarien entwickelt werden, variieren ebenso wie die räumlichen Reichweiten (Kosow, Gaßner 2008, S. 6, 18, 27; SchulzMontag, Müller-Stoffels 2006, S. 383). Entsprechend dieser Vielfalt können Szenarioprozesse auch eine breite Palette an Funktionen übernehmen (Kosow, Gaßner 2008, S. 10, 14 ff.; Lietzke 2014, S. 218; Schulz-Montag, Müller-Stoffels 2006, S. 381): • Die Szenarios können wichtige gegenwärtige oder künftige Trends und Entwicklungsfaktoren antizipieren. • Szenarioprozesse können der Auseinandersetzung mit diesen Trends und Entwicklungsfaktoren dienen, um Orientierungswissen für eine mögliche Zukunft und Sensibilisierung für denkbare Veränderungen zu erreichen. • Szenarios können ein Portfolio alternativer Zukunftsbilder und zugehöriger Entwicklungspfade in Verbindung mit einer Diskussion der Chancen und Risiken aufzeigen. • Sie können kritische Entscheidungspunkte aufzeigen und (alternative) Handlungsoptionen eröffnen. • Sie können der Identifikation von Leitbildern und Zielvorstellungen sowie der Strategiebildung dienen.

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Generell werden drei verschiedene Verfahren der Szenarioentwicklung unterschieden (Schulz-Montag, Müller-Stoffels 2006: 382; vgl. auch Kosow, Gaßner 2008: 23 f.): explorative Szenarien, normative Szenarien sowie aus explorativen und normativen Szenarien kombinierte Verfahren. Trotz aller Vielfalt lässt sich ein gemeinsames Grundmuster mit zwei Hauptphasen für den Ablauf eines Szenarioprozesses identifizieren: die Phase der Szenarioentwicklung und die Phase des Szenariotransfers (vgl. z. B. Meyr, Günter 2011, S. 207; Kosow, Gaßner 2008, S. 20). Die Szenarioentwicklung wird wiederum in vier Teilschritte unterteilt: Szenariofeldbestimmung, Identifikation der Schlüsselfaktoren, Analyse der Schlüsselfaktoren, Szenariogenerierung (Kosow, Gaßner 2008, S. 20).

Zur Auswahl der Szenariotechnik

Die gemeinschaftliche Erarbeitung von Szenarios für die Stadtentwicklung war den beteiligten Modellvorhaben und der Projektassistenz im Forschungsfeld als Aufgabe vorgegeben. Offen war, in welcher konkreten Form Szenarios entwickelt werden sollten. Somit musste für die Anwendung der Szenariomethode im Forschungsfeld im Vorfeld geklärt werden, welche Form und welches Verfahren den Rahmenbedingungen und Ansprüchen in den Kleinstädten gerecht werden könnte. Die Entwicklung des Szenarios sollte der Beteiligung dienen – also explizit kommunikativen Zwecken in einem kooperativen und offenen Prozess. Das bedeutete: • Die Methode musste vor Ort von den Mitgliedern der Szenariogruppen akzeptiert werden. • Die Methode musste zum einen ein ganzheitliches Bild zur Entwicklung der Stadt entstehen lassen. Zum anderen musste sie einen phantasievollen Gedankensprung in die Zukunft ermöglichen. • Das entstehende Szenario bzw. Zukunftsbild musste geeignet sind, Vorstellungen kommunikativ und gut vermittelbar zusammenzufassen. Vor diesem Hintergrund wurde die Form des narrativ normativen Szenarios gewählt. Bei normativen Szenarien werden positive Zukunftsbilder entwickelt. Sie beschreiben die Wünsche und Visionen der Teilnehmer. Narrativ bedeutet, dass die Szenarien quasiliterarisch gestaltet werden, dass eine Geschichte erzählt wird, die geeignet ist, Emotionen der Beteiligten in den Planungsprozess als Katalysator einfließen zu lassen und anhand kleiner Erzählungen über Personen, Orte und Handlungen gut einen Bezug zur Umsetzung herzustellen.

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In den Modellvorhaben wurde jeweils eine sogenannte Szenariogruppe gebildet. Die Auswahl der ca. 20 bis 25 Mitglieder der Gruppe erfolgte in den Modellvorhaben von Seiten der Stadt auf unterschiedlichen Wegen, zum Beispiel per Aufruf in der Presse oder durch gezielte persönliche Ansprache von Akteuren. Die Autoren in ihrer Funktion als Forschungsassistenz waren in den Prozess der Bildung der Szenariogruppen nicht involviert. Es wurden lediglich im Vorfeld Hinweise dazu gegeben, aus welchen Bereichen Akteure eingebunden werden sollten, um eine möglichst repräsentative Besetzung zu erreichen.

Narrative Szenarien

Narrative Szenarien bzw. Storytelling werden zunehmend als wichtiges Instrument der Planung und für die Planung verstanden. Geschichten können Katalysatoren für Veränderungsprozesse sein. Sie eigenen sich sehr gut, relativ sichere Aspekte der Zukunft mit bestehenden Vorstellungen über Unsicherheiten zusammenzubringen. Die Szenarioentwicklung kann ein effektiver Weg sein, Zukunftsvorstellungen als systematischen Teil von Strategiebildung zu integrieren, sowie kurzfristig orientierte Vorannahmen vor dem Hintergrund langfristiger Ziele zu betrachten. Die Erarbeitung beziehungsweise das Erzählen einer Geschichte stellt eine integrierende Aktivität dar, die Raum bietet, eigene Emotionen und Erfahrungen einzubringen und gemeinsam ein Verständnis zur Situation und daraus Strategien und Projektideen abzuleiten. Dabei können aufscheinende Zeichen einer möglichen Zukunft leichter aufgenommen und integriert werden (van Hulst 2012, S. 300 f., 303, 312; Rasmussen 2005, S. 229 f.). Kreativtechniken wie narrative Szenarios ersetzen jedoch kein analytisches Denken. Vielmehr können sie als Brücke zwischen analytisch orientierter Planung und kreativitätsorientierter Visionsentwicklung verstanden werden. Die zum Teil emotionsgetragenen Ideen einer Geschichte können leichter in konkrete Ideen übersetzt werden, da sie stärker inspirierend wirken. Durch die Einführung konkreter Geschichten, in denen Menschen handeln, fühlen und denken, erlangt die darauf bezogene Strategiebildung eine größere Nähe zu den Intentionen der Akteure – besonders im Vergleich zu analytischen Ableitungen, die auf dasselbe Problem bezogen sind (Rasmussen 2005: 230 f.). “Storytelling is a powerful technique to provoke, engage and compel stakeholders to initiate changes of the present” (Rasmussen 2005: 247).

Methodischer Rahmen – Phasen und Abfolge in den Modellvorhaben

Für die Szenarioprozesse in den Modellvorhaben wurde die eingangs beschriebene Abfolge der Schritte von Szenariofeldbestimmung, Identifikation und Analyse der Schlüsselfaktoren, Szenariogenerierung und Szenariotransfer aufgegriffen. Ent-

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sprechend gliederten sich die Szenarioprozesse vor Ort in fünf Phasen, die in fünf Szenariowerkstätten durch die Forschungsassistenz umgesetzt wurden . Zwei der Szenariowerkstätten waren zweitägige, die anderen eintägige Veranstaltungen .

Abbildung 2 Die 5 Phasen des Szenarioprozesses in den Modellvorhaben (Quelle: eigene Darstellung)

Den Phasen lassen sich jeweils eigene Zielstellungen und Funktionen zuordnen . Dieser methodische Rahmen des Szenarioprozesses wird im Folgenden anhand der Erfahrungen in den Modellvorhaben erläutert: Phase 1 – Einstieg und Szenariofeldbestimmung: offizieller Auftakt für den Szenarioprozess im Modellvorhaben, Konstituierung der Szenariogruppe, Vorstellung des Selbstverständnisses des Prozesses, Klärung der wesentlichen inhaltlichen Rahmenbedingungen anhand der Szenariofeldbestimmung (in den Modellvorhaben als Szenariowerkstatt I durchgeführt im Zeitraum Februar bis April 2016). In der ersten Phase wurde das Szenariofeld bestimmt . Dieses erwies sich im Verlauf des Prozesses sowohl in thematischer (Fragestellung: Was spricht dafür, in … zu bleiben oder nach … zu kommen?) als auch in zeitlicher (Zeithorizont 2030) und räumlicher Dimension (Kernstadt unter Einbeziehung funktionaler Verknüpfungen mit den Ortsteilen) als geeigneter Rahmen für die Entwicklung von Zukunftsbildern . Es zeigte sich, dass die mit dem Thema gesetzte inhaltliche Breite notwendige Voraussetzung für eine querschnittsorientierte Diskussion über Möglichkeiten der Stadtentwicklung war . In den Szenariogruppen bestand der Bedarf nach einer ganzheitlichen Annäherung an den gemeinsamen Prozess, der zunächst keine Themen ausschloss – was späteren inhaltlichen Fokussierungen

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jedoch nicht entgegenstand. Auch der gewählte zeitliche Horizont von circa 15 Jahren war geeignet, aktuelle wie auf die Zukunft gerichtete Beschreibungen und Ideen einordnen und bewerten zu können. Dieser Zeitraum war für die Akteure vorstellbar. Interessant war, dass die im Rahmen der Szenariofeldbestimmung dringend eingeforderte Einbeziehung der Ortsteile in den Diskussionen keine bzw. nur eine geringe Rolle spielte – am ehesten beim Thema innerörtliche Mobilität. Anzumerken ist, dass es trotz ausführlicher Erläuterung nur begrenzt gelungen ist, den Teilnehmern der ersten Werkstatt eine Vorstellung von Ziel, Funktion und Ablauf des Szenarioprozesses zu vermitteln. Die anfängliche Skepsis gegenüber einem vermeintlich theoretischen Ansatz löste sich erst in der zweiten Phase auf und schlug zum Teil in Begeisterung und Engagement um. Phase 2 – Analyse der Ist-Situation: strukturierte Auseinandersetzung mit den Entwicklungsfaktoren der Stadtentwicklung, Bestimmung der Schlüsselfaktoren und -bereiche für die zukünftige Entwicklung (in den Modellvorhaben als Szenariowerkstatt II durchgeführt im Zeitraum Juni bis Oktober 2016). Ziel der zweiten Phase war es, ein Gesamtbild der Kleinstadt aus Sicht der Teilnehmer entstehen zu lassen. Ausgehend von der Leitfrage „Was beeinflusst die Zukunft unserer Stadt?“ wurden sie aufgefordert, aus ihrer Sicht wichtige Einflussfaktoren zu benennen. Dies konnten innere wie äußere sowie lokale wie globale Faktoren sein. Die genannten Einflussfaktoren wurden auf einer Mindmap zusammenfassend visualisiert. So konnten die unterschiedlichen Sichtweisen strukturiert und in einem überschaubaren Gesamtbild festgehalten werden. Anschließend wurden einzelne Äste der Mindmap in Arbeitsgruppen weiter inhaltlich vertieft und die Einflussfaktoren von den Teilnehmern in Bezug auf die größte Wirkung bewertet (Identifikation von Schlüsselfaktoren). Die Sammlung von Einflussfaktoren und die Identifizierung von Schlüsselfaktoren führten dazu, dass sich die Mitglieder der Szenariogruppen den Diskussionsgegenstand gemeinsam erschließen und ihn aus ihrer Sicht strukturieren konnten. Es entstand ein gemeinsam getragenes Bild zur Ist-Situation, verbunden mit einem nicht unwichtigen „Nebeneffekt“: Die Gruppe lernte sich kennen und fasst Vertrauen in die eigene Gestaltungskraft und den Prozess. Obwohl in einer Kleinstadt zuhause, hatten einige Teilnehmer das erste Mal gemeinsam über ihre Stadt diskutiert und ihre Sichtweisen ausgetauscht. Phase 3 – Der gedankliche Sprung in die Zukunft: Identifikation von Zukunftsüberschriften für das Jahr 2030, Bewertung und inhaltliche Gruppierung der Zukunftsüberschriften, kooperative Sammlung von Schlagworten, Eckpunkten und Ideen zu den mit den Überschriften umrissenen alternativen Zukunftsbildern (in den Modellvorhaben als Szenariowerkstatt III durchgeführt im Zeitraum Juni bis Oktober 2016).

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Eine der größten Herausforderungen für die Teilnehmer war der Blick in eine weitere Zukunft. Wie wünschen sie sich ihre Zukunft? Wie wird ihre Kleinstadt in 15 Jahren aussehen? Um dies zu erleichtern, sollten sie in Arbeitsgruppen Überschriften formulieren, die im Jahr 2030 in der örtlichen Presse stehen könnten oder sollten. In einem zweiten und dritten Arbeitsschritt wurden die Zukunftsüberschriften vertieft, mit einer kleinen Geschichte untersetzt und abschließend von der gesamten Gruppe bewertet. Diese Herangehensweise hat in allen Modellvorhaben den gedanklichen Sprung in die Zukunft ermöglicht. Im Vergleich zur „klassischen“ Planung, die ausgehend von Bestandserfassung und Analyse eine Diskussion um normative Vorgaben in Form von Leitbildern und Zielen führt, erwies sich die gewählte Kreativtechnik mit Zukunftsüberschriften als idealer „Kopföffner“ für den partizipativen Prozess. Theoretische und methodische Hemmnisse fielen durch den spielerischen Umgang mit Zeitungsüberschriften weg – ein Format, das jedem aus dem Alltag bekannt ist. Aussagen konnten kreativ, kurz und inhaltsreich formuliert werden und später inhaltlich ausgeschmückt werden. So ist ein Pool von Ideen entstanden, die geeignete Grundlagen für narrative Zukunftsbilder waren. Wichtig war in diesem Zusammenhang der richtige Umgang mit den Zukunftsüberschriften. Sie waren weniger als fertiges Zukunftsbild, sondern vielmehr als Indizien bzw. Hinweise auf mögliche Zukunftsstrategien zu verstehen. Mitunter ging es eher darum, dass mit der Überschrift verbundene Prinzip zu diskutieren und in mögliche weitere Schritte zu überführen. Die Zukunftsüberschriften wiesen den Weg in die Zukunft und boten Orientierung. Das, was daraus folgte, konnte sich von ihrem gedanklichen Ursprung, der Zeitungsüberschrift, durchaus entfernen. Phase 4 – Szenario-Exposé und alternative Entwicklungen: Erstellung eines Szenario-Exposés und kritische Reflexion in der Szenariogruppe, Diskussion eines „Negativ-Szenarios“, um bestehende Ideen noch einmal einer Überprüfung zu unterziehen und diese durch Diskussion zu alternativen Entwicklungspfaden ggf. anzureichern (in den Modellvorhaben als Szenariowerkstatt IV durchgeführt im Zeitraum Januar bis Februar 2017). Nachdem mit den Zukunftsüberschriften erste inhaltliche Schwerpunkte für ein Zukunftsbild 2030 entstanden waren, wurden diese von der Forschungsassistenz in einem einseitigen Szenario-Exposé zu einer ersten skizzenhaften Zukunftsgeschichte zusammengeführt. In der anschließenden Szenariowerkstatt reflektierten und ergänzten die Teilnehmer die Inhalte des Szenario-Exposés sowie den verbindenden Handlungsstrang. Diese erste Form eines narrativen Zukunftsbildes stieß bei den Mitgliedern der Szenariogruppen überwiegend auf große Akzeptanz. Für sie war ein Zukunftsbild in Form einer Geschichte anschaulich und gut geeignet, um die aus der Gruppe entstandenen Ideen in ihrer Gesamt-

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heit zu vermitteln. Es wurde die emotionale Ebene der Zuhörenden, Lesenden angesprochen. Dadurch waren der Zugang und die Vermittlung leichter als bei sachlichen Planungstexten. Auch die Eignung der gewählten Methode als Kreativtechnik wurde bestätigt. In einem weiteren Schritt wurde der Szenariogruppe ein alternatives Exposé vorgestellt, das auf der negativen Entwicklung von Rahmenbedingungen und Einflussfaktoren beruhte. Ziel war es, jenseits der bis dahin bewusst positiv formulierten Zukunftsbilder, die überwiegend an bekannten Inhalten orientiert waren, noch einmal neue, alternative Ideen herauszufordern. Dabei wurden günstige Entwicklungen des Szenario-Exposés durch einzelne Störfaktoren abgeschnitten. Sie konnten lokal bedingt oder durch nationale bzw. globale Veränderungen angestoßen sein. Die Reaktionen auf ein negatives Zukunftsbild wie die Schließung eines Unternehmens oder der Zusammenbruch des Tourismus waren sehr unterschiedlich, von einer erneuten Bestätigung der eigenen Ideen bis zur Erschließung alternativer Ansätze im Sinne aktiver Gestaltung. Neben grundsätzlicher Abwehr und dem allgemeinen Willen, aktiv entgegenzuwirken, haben sich zwei spezifische Optionen gezeigt: „Diversifizieren und Innovation“ (vorhandene Ansätze in einem neuen Kontext diskutieren, Anstöße von außen in die Stadt holen) sowie „Kooperation und Öffnung nach außen“ (Bildung von Netzwerken, themengebundene interkommunale Zusammenarbeit). Phase 5 – Szenariotransfer: kritische Reflexion und Beschluss des Szenarios durch die Szenariogruppe, Szenariotransfer durch einen Abgleich des Szenarios mit vorliegenden Handlungskonzepten und zum anderen durch eine Überführung enthaltener Projektansätze in konkrete Handlungsaufträge für die Akteure vor Ort, Schlusspunkt im Szenarioprozess und Festlegung nächster Schritte (in den Modellvorhaben als Szenariowerkstatt V durchgeführt im Zeitraum September bis November 2017). In der Phase 5 wurden die Szenarios durch die Forschungsassistenz ausformuliert und von der Gruppe auf Plausibilität und Passgenauigkeit geprüft. Die fertigen Zukunftsbilder umfassten in der Regel vier DIN A4-Seiten mit durchgehenden Handlungssträngen. Sie wurden ergänzt durch ein professionelles Plakat (Graphic Recording; siehe Abbildung 3). Die darin beschriebenen Entwicklungen und Zukunftsprojekte wurden mit Verweisen auf vergleichbare, bereits realisierte Vorhaben versehen. Letztlich gibt es für viele Herausforderungen, die in den Szenarioprozessen identifiziert wurden, anderenorts bereits realisierte und erprobte Lösungsansätze. Nach dem Motto „kapieren statt kopieren“ sollten die Modellvorhaben dazu angeregt werden, dass in den Beispielen enthaltene Prinzip der Problemlösung zu verstehen und auf die eigenen Gegebenheiten anzupassen.

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Im letzten Schritt ging es um die Frage, was heute zu tun sei, um das Zukunftsbild zu erreichen. Dieser Transfer der kreativen Zukunftsgeschichte in konkrete Projekte und ein Aktionsplan war nicht einfach. Viele Teilnehmer waren es nicht gewohnt, in abstrakten Handlungsfeldern zu denken. Sie taten sich schwer, diese und zugehörige Schlüsselprojekte in der Geschichte zu identifizieren. Einfacher war es dagegen, kleine, schnelle Projekte zu finden, um die Anschlussprozesse in Gang zu bringen und sichtbar zu machen.

Abbildung 3 Plakat zur Szenariogeschichte Zell am Harmersbach 2030 (Zeichnung: Anna Luise Sulimma)

Bewertung der Szenariomethode in den Modellvorhaben

Als Fazit lässt sich festhalten: Normative, narrative Szenarioprozesse können ein Impulsgeber und „Katalysator“ für einen kooperativen Stadtentwicklungsprozess sein. Sie können vor Ort eine neue Form oder Kultur von Planung befördern: partizipativ, ganzheitlich orientiert und strategisch fokussiert. Das Vorgehen traf in den Modellvorhaben durchweg auf Akzeptanz, Zustimmung und teilweise auf Euphorie. Die besonderen Stärken der Szenariomethode sind die spielerische Auseinandersetzung mit der Lebensqualität und der Zukunft der Stadt. Hinzu kom-

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men Gruppendynamik, ein gemeinsam erarbeiteter Konsens sowie das ganzheitliche, leicht verständliche Ergebnis. Die Teilnehmer sahen eine neue Qualität des Miteinanders und die bewusstere Auseinandersetzung mit der Vielfalt der eigenen Stadt als wesentliche Prozessergebnisse. Es ist gelungen, in kurzer Zeit ein breites, einvernehmliches Meinungsbild (Rahmenbedingungen, Einflussfaktoren, Potenziale, Zukunft) zu erstellen, mit dem sich fast alle Teilnehmer identifizieren konnten. Im Vergleich zu klassischen Planungen (z. B. Stadtentwicklungskonzepte) und der ihnen eigenen Sprache mit Leitbild, Zielen usw. kann ein narratives Szenario die Adressaten besser ansprechen bzw. erreichen. Ein Zukunftsbild in Form einer Geschichte gilt als anschaulich und gut geeignet, die aus der Gruppe entstandenen Ideen in ihrer Gesamtheit zu vermitteln. Es wird die emotionale Ebene der Zuhörenden, Lesenden angesprochen, was einen im Vergleich zu sachlicheren Texten leichteren Zugang ermöglicht. Hilfreich ist eine Visualisierung der Geschichte, wie sie in den acht Modellvorhaben erprobt wurde. Insgesamt waren ca. 180 Akteure vor Ort an der Erarbeitung der acht Szenarien beteiligt (pro Modellvorhaben 20 bis 25). Dabei hat sich gezeigt, dass die Zusammensetzung möglichst viele Interessen in der Stadt widerspiegeln sollte. Die Gruppe sollte einen Austausch zwischen Wirtschaft, Vereinen, Politik, Verwaltung und Bürgerschaft ermöglichen. Querdenker und unvoreingenommene Blicke waren erwünscht. Dies ist in vielen Fällen gelungen. Das wachsende gegenseitige Vertrauen und die gemeinsamen Lernprozesse waren wichtige „Nebeneffekte“ und sind ein neues soziales Potenzial für eine kooperative Kleinstadtentwicklung. Normative, narrative Szenarioprozesse haben folgende Stärken: • Sie lösen die Teilnehmer von aktuellen Problemen und ermöglichen den Sprung in die Zukunft. Für die meisten Teilnehmer war es das erste Mal, dass sie potenzial- und zukunftsorientiert über ihre Stadt nachgedacht und diskutiert haben. • Sie binden neue Akteure ein, die in klassischen Stadtentwicklungsprozessen häufig kein Gehör finden. (Vielerorts war in den Modellvorhaben die Beteiligung von Bürger/innen, Jugendlichen oder auch Vertretern von Wirtschaftsunternehmen in dieser Intensität ein Novum.) Damit fließen neue, kreative und durchaus auch kritische Aspekte in den Zukunftsprozess mit ein. Zwischen den Beteiligten entstehen nachhaltige neue Synergien. • Sie fördern aktive Partizipation und Identifikation mit der Kleinstadt. • Sie ordnen Meta- und Einzelthemen in einen Gesamtzusammenhang und machen Wechselwirkungen deutlich.

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• Sie schaffen ein gemeinschaftlich getragenes Gesamtbild von Gegenwart und Zukunft der Stadt. • Sie können eine gemeinschaftliche „Aufbruchsstimmung“ schaffen und Grundlage für die Kommunikation und Vermittlung von Zukunftsvorstellungen sein. Es haben sich aber auch Schwierigkeiten und Hürden gezeigt. Das entstehende Zukunftsbild resultierte aus der Arbeit einer (relativ kleinen) ausgewählten Gruppe. Somit war es abhängig vom Wissen und Willen der Gruppenmitglieder. In den Szenariogruppen waren bestimmte Bevölkerungsgruppen nur schwach vertreten: die Generation der 30- bis 40-Jährigen, (junge) Familien, Vertreter der lokalen Wirtschaft, Jugendliche, Menschen in prekären Lebensphasen und Menschen mit Migrationshintergrund. Zudem war es schwer, Teilergebnisse während des Prozesses nach außen zu vermitteln. Für viele Nichtbeteiligte erschien die Arbeit der Szenariogruppe unverständlich und unzugänglich. Erschwerend kam hinzu, dass parallel zum Szenarioprozess laufende Beteiligungsprozesse nicht immer gut mit dem Szenarioprozessen verbunden waren. Dadurch entstanden Parallelprozesse. Dies konnte nur mit erhöhten Anforderungen an die Steuerung vor Ort vermieden werden.

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Zukunftsthemen und neue Potenziale für die ­Kleinstadt

Inhaltlich bildeten die Szenarioprozesse in den Modellvorhaben einen sich schrittweise entwickelnden, von Kontinuitäten wie Veränderungen gekennzeichneten Diskussions- und Suchprozess ab. Über die Sammlung und Diskussion von Einflussfaktoren entstand anfangs eine inhaltliche von allen Beteiligten getragene Gesamtschau zur Kleinstadtentwicklung. Diese wurde durch Priorisierung und Identifizierung von Schlüsselfaktoren und die daraus entwickelten Zukunftsüberschriften auf inhaltliche Schwerpunkte eingeengt, die wiederum in einem Szenarioexposé aufgegriffen und erneut zur Diskussion gestellt wurden. So entstand Schritt für Schritt das gemeinsame Zukunftsbild 2030. Dabei hat sich gezeigt, dass bestimmte Themen und Handlungsfelder die Szenariodiskussionen dominierten und in unterschiedlichen Varianten in allen Modellvorhaben relevant waren. Auch wenn sich die nachfolgenden Thesen und Aussagen zu den Zukunftsthemen auf die acht Modellvorhaben als empirische Basis beziehen, kann vermutet werden, dass die Handlungsfelder und Wunschbilder typisch und relevant für eine Vielzahl von Kleinstädten in peripheren Lagen sind.

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Die Zukunftsthemen der Modellvorhaben

Zu Beginn der Szenarioprozesse wurden die Mitglieder der Szenariogruppen nach dem Wichtigsten in ihrer Stadt gefragt. Häufig wurden Aspekte des Lebensgefühls genannt, dies in Verbindung mit Begriffen wie Heimat, Lebensqualität und Wohlfühlen sowie die Bedeutung der Menschen in Verbindung mit Begriffen wie Miteinander, Netzwerk, Gemeinsames und Generationen. Daneben spielten soziale Aspekte (Kultur, Sport, Vereinsleben, Bildungs- und Betreuungsangebote) und die Natur (Landschaft, Naturnähe, Erholungswert) eine Rolle. Die lokale Wirtschaft wurde hingegen nur in drei Modellvorhaben als „das Wichtigste“ genannt. In den nachfolgenden Diskussionen und Arbeitsschritten schälten sich dann Zukunftsthemen heraus, die sich in sieben Handlungsfeldern zusammenfassen lassen: Wohnen und Lebensqualität, Mobilität, sozialer Zusammenhalt, Wirtschaft und Bildung, Tourismus sowie die Querschnittsthemen Digitalisierung und Kooperationen (Abbildung 4). Sie werden nachfolgend kurz umrissen.

Abbildung 4 Zukunftsthemen der Kleinstadtentwicklung – bekannte Inhalte um neue Lösungen ergänzt, insbesondere über Kooperation und Digitalisierung (Quelle: eigene Darstellung)

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Wohnen, Lebensqualität und Lebensgefühl sind für die Zukunft wichtig. Die Wohnungsnachfrage in Kleinstädten ist nicht mehr vorrangig auf das Einfamilienhaus begrenzt, sondern differenziert sich stärker aus. Es geht um gute Bedingungen für das eigene Leben und neue Einwohner, weniger um Arbeitsplätze. Das Thema Wohnen spielte in den meisten Modellvorhaben eine zentrale Rolle. Kleinstadt wurde von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch als mögliches Gegenmodell zum Leben in den größeren Städten verstanden. Gezielt wurde dabei zum Teil auf Zuzugsstrategien gesetzt, die eine aktive Anwerbung, Beratung und Betreuung von neuen Einwohnerinnen und Einwohnern zum Inhalt haben. Hier wollen die Kleinstädte mit ihren eigenen Stärken (mehr Lebensqualität pro Euro, gesicherter Kitaplatz, starke Schulen, regionales Einkaufen, urbanes Lebensgefühl etc.) werben. „Wohnen“ wurde in den Modellvorhaben in einer großen Breite diskutiert, zum einen was differenzierte Angebote für möglichen Zielgruppen angeht (Alte, Familien, Junge, Mehrgenerationen-Ansätze, Auszubildende), zum anderen was die Verbindung mit nahezu allen Bereichen der Lebensqualität betrifft. Hier ging es um die Schaffung, Belebung oder Wiederbelebung konkreter Orte in der Stadt. Hintergrund dafür war das Bedürfnis nach Treffpunkten, Austausch und Erlebnissen in verschiedener Form und auch quer durch die Generationen. Neben dem „klassischen“ Wohnen zur Miete oder im Eigentum wurden häufig „moderne“ und „großstädtische“, meist innerstädtische Wohnangebote (für junge Familien) oder die Anpassung von Geschosswohnungsbauten diskutiert. In den Szenariogeschichten kam dies in Form von temporären Wohnangeboten/Wohnen auf Zeit, flexiblen/mitwachsenden Wohnungszuschnitten/-grundrissen, smartem Wohnen, Wohngemeinschaften/Gemeinschaftswohnen, Service-Wohnen oder Wächterhaus-Projekten mit dem Fokus auf jeweilige (potenzielle) Zielgruppen zum Ausdruck. Mobilität und Erreichbarkeit der nächsten Zentren sowie die Anbindung der Ortsteile an die Kernstadt sind für alle Bevölkerungsgruppen wichtig. Bahnverbindungen und regionale Schnellbuslinien gewinnen an Bedeutung. Gut vernetzte, alternative und flexible Mobilitätsformen sollen die innergemeindliche und kleinregionale Anbindung sichern. Mobilitätsdrehscheibe ist der Bahnhof. Angesichts der peripheren Lage der Modellvorhaben war es nicht überraschend, dass für die Mitglieder der Szenariowerkstätten Aspekte wie Lage und Erreichbarkeit wichtig waren. Stand bei den älteren Menschen die fußläufige Erreichbarkeit von Versorgungs- und Gemeinbedarfseinrichtungen (Arzt, Einkauf) im Vordergrund, formulierten die Jugendlichen besonderen Bedarf in „Randzeiten“ (Wochenenden, Abendzeiten) und wünschten sich gute Verbindungen in die Ortsteile. Interessant war, dass viele Erwartungen auf die Bahn gesetzt wurden. In den

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Wunschbildern haben sich die Fahrzeiten in die nächsten Mittel- und Oberzentren durch die Reaktivierung oder den Lückenschluss von Bahnstrecken und den Einsatz von modernen Nahverkehrssprintern (NGT, Next Generation Trains) oder Schnellbuslinien deutlich verkürzt. Angesichts des Wettbewerbs um junge Einwohner und Arbeitskräfte und eines veränderten Mobilitätsverhaltens gerade der jüngeren, großstadtaffinen Generation war und ist dies eine richtige und wichtige Diskussion. Auch der Bahnhof als Mobilitätszentrale und Mobilitätsdrehscheibe geriet wieder in den Blick. Er wurde wieder als Tor in die Stadt gesehen und durch multifunktionale Nutzungsansätze wiederbelebt. Weitere Themen waren E-Mobilität und mögliche Strategien, aus Einpendlern auch Einwohner der Stadt zu machen. Für die innergemeindliche Mobilität zwischen den Ortsteilen und der Kernstadt fanden sich in den Zukunftsbildern alternative, vernetzte Mobilitätssystem aus Bürgerbussen, Car-Sharing, Mobilitäts-Apps, Mobility on Demand, elektrischen Kleinfahrzeugen oder autonomen Kleinbussen. Autonomes Fahren auf kurzen, unkomplizierten Linien fand sich in jedem Szenario, wurde von den Teilnehmern aber auch kontrovers diskutiert. Auch einfache Lösungen wie Pedibusse für die Grundschüler und Mitfahrerbänke (im öffentlichen Raum aufgestellte Bänke, bei der durch Platznehmen signalisiert wird, dass die betreffende Person auf eine spontane, kostenlose Mitfahrgelegenheit hofft) oder die Förderung des Rad- und Fußverkehrs (Leihfahrräder, Lastenfahrräder, Fahrradparkhaus) gab es. Grundsätzlich ging es aus Sicht der Mitglieder der Szenariogruppen nicht nur um gute Einzelangebote, sondern um eine intelligente Vernetzung von Mobilität über ein Mobilitätsmanagement und eine Mobilitätszentrale. Sozialer Zusammenhalt, Engagement, Identität und Image sind wichtig für die Zukunft der Modellvorhaben. Tragende Säulen hierfür sind die örtliche Vereinslandschaft und Gemeinschafts- und Kommunikationsorte. Jugendliche wollen ihre eigenen Orte. Sozialer Zusammenhalt, Engagement, Kooperation, Miteinander, Identität und Image spielten in allen Modellvorhaben eine große Rolle. In institutionalisierter Form war und ist immer das Vereinsleben eine Stärke und ein wesentlicher Ort der Gemeinschaft. Es wurde jedoch auch deutlich, dass die Vereine und die Vereinsarbeit durch den demografischen und gesellschaftlichen Wandel unter Druck geraten. Insbesondere junge Menschen sahen ihr Engagement eher projektbezogen außerhalb fester Strukturen. Die Teilnehmer der Szenariowerkstätten sahen eine Antwort darauf in Zusammenarbeit und Vereinskooperation. Darüber hinaus wurde auf eine stärkere Wahrnehmbarkeit und Anerkennung der Vereinsarbeit gesetzt. Gemeinschaft und Vorbeugung von Vereinsamung wurden auch im Themenfeld Wohnen diskutiert.

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Durch alle Szenariogeschichten zog sich der Wunsch nach lebendigen, vielgestaltigen und multifunktionalen Orten der Gemeinschaft und Kommunikation. Das konnten vorhandene Angebote, öffentliche Räume und Gebäude sein, die weiterentwickelt werden, oder auch ganz neue Orte: der Bahnhof als Stadteingang und Informationsknoten, Markthallen, Wochenmärkte, Läden, Lokale, neue Formen der Bibliothek, Vereinshäuser, Werkstätten für Jugendliche, Gemeinschaftsgärten und Multifunktionshäuser (auch auf den Dörfern) oder Gemeinschaftsorte zum Arbeiten und Experimentieren (Labs, Spaces). Vielfach wurde die Verbindung von Begegnung und Erlebnis gewünscht. Basis sollten immer Kooperationen und Synergien sein. Besonders deutlich wurde dies daran, wie Einzelhandel, Gastronomie, regionale Produkte, Kunst, Kultur und Sport, Mobilität und Tourismus sich an diesen Orten bzw. in der Innenstadt miteinander verbinden und eine neue Qualität gewinnen. In den Jugend-BarCamps benannten die Jugendlichen ebenfalls den Bedarf nach Gemeinschaft und jugendgemäßer Kommunikation. Zentral war immer der Wunsch nach eigenen, teilweise selbstverwalteten Räumlichkeiten (Jugendräume, Jugendklubs) und auch nach öffentlichen Orten in der Kleinstadt. Dabei waren die Jugendlichen durchaus bereit, sich selbst aktiv einzubringen. Für die wirtschaftliche Entwicklung gewinnen im Bewusstsein der Szenariogruppen Wissensökonomie und Dienstleistungen sowie Lebensqualität auf der Grundlage der eigenen Stärken an Bedeutung. Kreative Orte und kreative Köpfe sollen gefördert, Bildung gestärkt und Hochschulen als Partner gewonnen werden. Ausgehend von den eigenen wirtschaftlichen Potenzialen und Traditionen sollen aus Sicht der Szenariogruppenmitglieder neue Ansätze wirtschaftlicher Entwicklung angestoßen werden. Sie sahen als Zukunftsoptionen eher Dienstleistungen und Wissensökonomie, weniger Gewerbe und Industrie, konnten dies aber nur schwer konkret fassen. Tradition und Bewährtes sollten mit Moderne und Kreativität verbunden werden. Ein dabei häufig benannter Entwicklungsmotor war ein Innovations- und Gründerzentrum, das als Institution und Ort in der Stadt das Thema besetzt, auch wenn teilweise noch unklar war, wie und mit wem diese Zentren mit Leben gefüllt werden sollen. In einigen Szenariogeschichten waren daraus Coworking-Spaces, Innovation Labs, FabLabs und MakerSpaces als Third Places entstanden. Sie sollen in alten Schulen oder Fabriken entstehen und die Möglichkeiten bieten, Ruhe, Regionalität und Landschaftsbezug der Kleinstadt mit Kreativität und Innovation zu verbinden. Gleichzeitig sollen sie Schülern und Jugendlichen auch als kleinstädtische Lernorte dienen. Wissen, Technik, Arbeit, Mahlzeiten und Freizeit sollen geteilt werden und eine neue Symbiose eingehen. Auch die traditionelle Bibliothek wurde neu gedacht, als Ort für digitale Kompetenz, Innovation und Ort zum Arbeiten. Letztlich ging

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es immer um „junge“, ­f rische, kreative Ideen, um Veränderungen aufzugreifen und Gebäude, Orte, Läden und die Innenstadt mit Leben zu füllen. Der Einzelhandel soll sich zu einem „Städtle-Kaufhaus“ zusammenschließen, seine Produkte über Online-Marktplätze und „Bringdienste“ anbieten, auf guten Service, die Verknüpfungen von Online- und Offlinehandel und Cross-Over-Konzepte sowie gute, regionale Produkte setzen. Es entstanden Ideen zu Selbstvermarkterplattformen und Markthallen. In den Diskussionen wurde aber auch deutlich, dass nicht immer die Protagonisten für solche Konzepte da sind bzw. Impulse von außen notwendig sind. Entsprechend gab es in den Szenariogeschichten Anreize und Strategien, um kreative Köpfe zumindest für eine begrenzte Zeit in die Kleinstadt zu holen: über Stipendien, kostenfreies Wohnen, Summerschools oder als „Stadtweber“. Als externer Innovationstreiber wurde in den meisten Kleinstädten die Verbindung zu Bildungs- und Forschungseinrichtungen (Hochschulen und Universitäten) gesehen. Anknüpfungspunkte können gewachsene wirtschaftliche, personelle oder traditionelle Stärken (Gesundheit und Pflege, Sport und Bewegung, Natur, Tourismus, Textilverarbeitung) sein. In den Zukunftsbildern manifestierte sich der Wunsch dann in privaten Studiengängen, neuen Berufsschulzweigen, Außenstellen von Hochschulen und regionalen Hochschulzentren, studentischen Reallaboren und Laboren für Kleinstadtinnovationen. Neben den Aspekten Innovation und Gründung soll eine wie auch immer gestaltete Hochschulbildung in der Kleinstadt dazu dienen, Jugendliche und damit potenzielle Fachkräfte zu binden. In die gleiche Richtung wiesen kommunale Bildungskonzepte, lokale Bildungslandschaften, Schülerwerkstätten oder neue Bildungscampusse. Bildungsorte in der Stadt sollen zu zentralen Begegnungs- und Kulturorten und somit wichtig für die gesamte Stadtgesellschaft werden. Generell ließ sich eine veränderte Rolle der lokalen Betriebe und Unternehmen ausmachen. Angesichts eines sich verschärfenden Fachkräftemangels sehen sie sich perspektivisch gezwungen, wesentlich stärker als bisher nach außen, in die Stadt hinein zu agieren. Damit werden sie zum Partner für Strategien, die auf eine Aufwertung der Stadt als Wohn-, Erholungs- und Arbeitsort mit guter Lebensqualität und Zusammenhalt sowie wahrnehmbarem Image abzielen. Auf Seiten der Stadt erfordert dies eine Offenheit gegenüber diesen Partnern und veränderte Ansätze einer kommunalen wie regionalen Wirtschaftsförderung. Tourismus in der Kleinstadt ist ein Querschnittsthema, das viele Aspekte der Lebensqualität berührt. Touristische Angebote und Infrastrukturen kommen sowohl den Gästen als auch der Einwohnerschaft zugute. Das touristische Marketing wird als interkommunale, regionale Aufgabe betrachtet.

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Für den Tourismus ist es aus Sicht der Szenariogruppen weiterhin wichtig, touristische Infrastruktur und Angebote zu entwickeln und auszubauen. Nahezu alle Modellvorhaben strebten durch neue Beherbergungsangebote mit hohen qualitativen Ansprüchen eine Profilierung an. Eine belastbare Erhebung vorhandener Potenziale und konkreter Erneuerungs- bzw. Ergänzungsbedarfe fehlte jedoch in allen Modellvorhaben. Vereinzelt wurde auf einen solitären „Heilsbringer“ (Hotel, Therme) gesetzt, ohne das defizitäre Umfeld kritisch zu betrachten. Andererseits tauchten in den Szenariogeschichten auch Zukunftsideen auf, die versuchen, diese Schwachstellen zu beheben: Welcome-Center in den Bahnhöfen, bessere Anbindung an regionale Angebote, zielgruppenorientierte Unterkünfte (Hostel, Inklusionshotel), Gruppenhotels in denkmalgeschützten Gebäuden nach dem italienischen Konzept „albergo diffuso“ (Ferien in Umgebindehäusern). Auch wurden einige Kleinstädte als Ausflugsort für Großstädter und Zweitwohnsitz für Rentner gesehen. Die Digitalisierung wird in vielen Handlungsfeldern als Teil neuer Lösungen und Strategien verstanden. Sie bietet Möglichkeiten anderer Erreichbarkeiten, Vernetzungen und Angebote. Ob die Digitalisierung dazu genutzt werden kann, die ortsgebundenen Nachteile der Kleinstadt durch ortsunabhängiges Agieren und Kooperationsnetze über das Internet zu kompensieren, bleibt offen. Ihre Wirkungen auch in Bezug auf neue Arbeits- und Lebensformen sind (vorerst noch) mit vielen Unsicherheiten verbunden. Die Digitalisierung wurde in vielen Modellvorhaben als bedeutender Einflussfaktor für die Entwicklung der Kleinstadt genannt. Deutlich wurde hier, dass sich die Chancen der Digitalisierung jedoch nur dann nutzen lassen, wenn eine gute Infrastruktur und eine hervorragende Netzverfügbarkeit vorhanden sind. Im Laufe der Diskussionen entwickelte sich die Digitalisierung immer mehr zu einem Teil von neuen Ansätzen und Strategien in nahezu allen Handlungsfeldern (MobilitätsApp, Service-Wohnen, Einzelhandel, Coworking Spaces etc.). Mögliche negative Folgen der Digitalisierung wurden ebenso diskutiert – besonders konkret beim Online-Handel. Als Gegenreaktion wurden hier die Rückkehr zur Erzeugung und Direktvermarktung und die Verknüpfung von Angeboten des Online- und Offlinehandels benannt. Der Wandel der Arbeitswelt vom zweiten in den dritten und vierten Sektor wurde thematisiert, konkrete Auswirkungen und Lösungsansätze jedoch nur ansatzweise entwickelt. Auch die potenzielle Ortsunabhängigkeit vieler (zukünftiger) Berufe wurde noch nicht als Chance gesehen. Generell gilt, dass die Wirkungen der Digitalisierung in Bezug auf Arbeits- und Lebensformen (vorerst noch) mit vielen Unsicherheiten verbunden sind und daher nur bedingt in die Zukunftsbilder Eingang fanden.

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Kooperationen werden als ein wesentlicher Lösungsansatz dann aufgegriffen, wenn mit den bisher genutzten Instrumenten Ziele der Kleinstadtentwicklung nicht erreicht werden können. Dies gilt sowohl für die Zusammenarbeit in der jeweiligen Kleinstadt selbst (Kooperation nach innen) als auch für die Zusammenarbeit auf überörtlicher Ebene (Kooperation nach außen). In den Modellvorhaben ist eine Zusammenarbeit der Akteure in vielen Zusammenhängen bereits gelebte Kultur. Gerade die vielfältige Vereinslandschaft ist ein Beleg dafür. Diese Strukturen sollen, auch angesichts der mit demografischer Entwicklung und sich wandelnden Lebensstilen verbundenen Veränderungen, weiter erhalten, stabilisiert und ausgebaut werden – dies auch in neuen Formen (Nachbarschaftsvereine, Jugend-Gartenverein, Vereinsforum). Neben der institutionalisierten Form der Zusammenarbeit spielten problemorientierte informelle Kooperationsformen eine große Rolle. Akteure sollen neue Allianzen schmieden (gegen den Internethandel, gegen den Fachkräftemangel) und netzwerkartige Strukturen aufbauen (Betreuungsnetzwerk, Unternehmerstammtisch, Netzwerk der Ärzte, Therapeuten und Pflegedienstanbieter). Die Modellvorhaben sahen in Abhängigkeit vom jeweiligen Handlungsfelder aber auch Kooperationsbedarfe auf der überörtlichen Ebene. Bestehende interkommunale Zusammenhänge sollen gestärkt werden – auch über Grenzen von Bundesländern hinweg. Sowohl die Erfahrungen mit den kooperativen Prozessen in den Modellvorhaben als auch die daraus resultierenden Zukunftsthemen verdichteten sich im Verlauf des Forschungsfeldes zu einer These, die in Richtung einer kooperativen Kleinstadtentwicklung mit dem Ziel einer eigenen „kleinstädtischen Urbanität“ weist – auch wenn Urbanität und Kleinstadt als ein Widerspruch erscheinen mögen. Eine im Forschungsfeld erarbeitete Expertise (vgl. BBSR 2018) vertritt die Meinung, dass Kleinstädte auch Städte und somit nicht ohne Weiteres dem Land zuzuschlagen seien. Urbanität sei nicht nur auf Großstädte beschränkt. Es gäbe auch eine spezifische Urbanität der Kleinstadt als Ausdruck eines guten, facettenreichen, sozial und kulturell toleranten Lebens in der Kleinstadt.

Der Potenzialbegriff im Forschungsfeld

Sind in den Szenarioprozessen neue Potenziale für die jeweilige Kleinstadtentwicklung identifiziert worden? Dazu muss man sich zunächst den Begriff und seine Bedeutung vor Augen führen. Der Begriff „Potenzial“ stammt von dem lateinischen potentia ab, was „Macht“, „Kraft“ oder „Leistung“ bedeutet. Er findet sich in verschiedenen fachlichen Diskussionen, so zum Beispiel in der endogenen Regionalentwicklung (vgl. Brugger 1984, Thoss 1984, Niedermeyer 2000, Harfst, Wirth 2014), im Ressourcen- und Stoffstrommanagement (vgl. Heck, Bemmann 2002) sowie in der Personalentwicklung bzw. der Personalwirtschaft (vgl. Haenel

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2007, Thomas, Schölmerisch 2011). Daran anknüpfend wurden im Forschungsfeld folgenden Annahmen zu Potenzialen von Kleinstädten in peripheren Kleinstädten getroffen: • In den Städten bestehen entwicklungsfähige Potenziale. Diese können in materielle (Inhalte) und immaterielle (prozessuale, kulturelle) Potenziale unterteilt werden. • Der Frage der Entwicklungsfähigkeit der gegebenen Potenziale kann in kooperativen, zukunftsorientierten Prozessen diskutiert werden. • Das in den Städten zukünftig zu realisierende Potenzial bewegt sich in einem Range zwischen theoretischem und heute realisiertem Potenzial (Abschichtung).

Abbildung 5 Modell zur Umsetzung des Potenzialbegriffs im Forschungsfeld (Quelle: eigene Darstellung)

Die Grundstruktur des Potenzialverständnisses im Forschungsfeld stellt Abbildung 5 dar. Sie greift in der inneren Logik den Gedanken des Abschichtens aus dem im Bereich des Ressourcen- und Stoffstrommanagement angewandten Ansatz

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auf. Das aktuell genutzte Potenzial bezieht sich auf die Ist-Situation der Kleinstädte, die Ausgangspunkt der Diskussionen im Szenarioprozess war. Sie wurde durch die Arbeit der Szenariogruppe zu Entwicklungs- und Schlüsselfaktoren erfasst. Dabei sind durch eine intensive Auseinandersetzung mit dieser Gesamtschau inhaltlicher Aspekte und durch die Bewertungsschritte sowohl eine inhaltliche Fokussierung entstanden als auch ein gemeinsam getragenes Bild zu dem, was vor Ort als identifizierbar, gegeben und entwicklungsfähig angesehen wird. Bereits diese Fokussierung stellte einen ersten Schritt zu einer neuen Qualität des Umgangs mit dem aktuell genutzten Potenzial dar. Durch den mit den Zukunftsüberschriften vollzogenen gedanklichen Sprung in die Zukunft und das daraus folgende Zukunftsbild (narratives Szenario) wurde in den Szenariogruppen das theoretische Potenzial der Kleinstadtentwicklung erschlossen. Es basiert auf Erwartungen, Annahmen und normativen Setzungen, die sowohl sicheres Wissen als auch Unsicherheiten einschließen. Es werden für die als relevant identifizierten Schlüsselbereiche Möglichkeitsräume umrissen, die in einem Wechselbeziehungen einschließenden Gesamtbild insgesamt erfasst werden. Sowohl der Schritt des Szenariotransfers als auch die Wirklichkeit zukünftiger Planungs-, Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse einschließlich aller darauf wirkender Faktoren führten zu einer Reduktion des theoretischen zu einem realisierbaren Potenzial (Abschichtung). Bereits der Szenariotransfer diente dazu, die mit dem gedanklichen Sprung in die Zukunft gewonnenen Ideen an die Realität, d.h. die Gegenwart der jeweiligen Kleinstadt anzubinden. Dabei wurden erste Restriktionen deutlich, die zu einer Begrenzung auf ein machbares, realisierbares Maß führten. Darüber hinaus wirkten und wirken nachfolgend (nach der Planung, Strategie- und Projektentwicklung) alle bekannten Faktoren, die dazu beitragen können, dass angenommene Zustände, wünschenswerte Ziele nicht erreicht werden. Zu diesen Faktoren bzw. Restriktionen zählen: • externe, von außen auf die Stadt wirkende Faktoren (Wegfallen externer Vernetzungen, veränderte Förderbedingungen, Entwicklung an Märkten mit der Folge ggf. wegfallender Absatzchancen, technologische Innovationen mit positiven wie negativen Einflüssen auf einzelne Handlungsfelder …), • interne, in der Stadt selbst wirkende Faktoren (geringe interne Vernetzung, Fehlentscheidungen der Kommunalpolitik, schlechte Haushaltslage, Fehlen von Angebot- und Nachfragemärkten …), • projektinterne, auf Einzelaktivitäten bezogene Faktoren (Fehlen von Schlüsselakteuren, Eigenmitteln, Zeit, des richtigen Moments, des mitunter notwendigen Glücks, der Risikobereitschaft …).

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Das beschriebene Modell kann sowohl auf inhaltliche wie prozessuale bzw. kulturelle Aspekte bezogen werden. Die Frage der Bemessung des realisierbaren Potenzials dürfte sich erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand (ex post) beantworten lassen. Gleiches gilt für die Faktoren bzw. Restriktionen, die zu dieser Abschichtung geführt haben.

5 Fazit Die in den Modellvorhaben des Forschungsfeldes durchgeführten Szenarioprozesse und weiteren Beteiligungsformate haben gezeigt, dass intensive Bürgerbeteiligung, Kommunikation und der Einsatz von Kreativtechniken wesentliche Faktoren sind, um neue tragfähige Potenziale zu erschließen. Kooperative Kleinstadtplanung ist ein möglicher Weg zu einer von neuen Ideen getragenen und dauerhaft erfolgreichen Stadtentwicklungspolitik. Es handelt sich dabei um einen partnerschaftlichen und arbeitsteiligen Prozess zwischen Stadtgesellschaft, lokaler Wirtschaft, Politik und Verwaltung mit dem Ziel eines guten Lebens in ihrer Kleinstadt. Eine kooperative Kleinstadtplanung braucht in der Regel einen Impuls und Gelegenheiten sowie Lern- und Experimentierräume, um das Potenzial der Veränderung, das transformative Potenzial von Bürgern, Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Gang zu setzen. Es geht darum, Strukturen und Räume zu schaffen, die es diesen (potenziellen) Partnern erlauben, sich auszutauschen und gleichberechtigt und aus der jeweils eigenen Perspektive eine Vielfalt von Ideen und Initiativen zu entwickeln. Politik und Verwaltung müssen bereit sein, sich auf kreative und ergebnisoffene Beteiligungsformate und -prozesse einzulassen, die diesen kreativen Austausch ermöglichen und die Ergebnisse und das entstandene (soziale und ökonomische) Unternehmertum aufgreifen und fördern. Solche Möglichkeitsräume sind z. B. Szenarioprozesse oder Jugend-BarCamps, wie sie im Forschungsfeld erprobt worden sind. Es können aber auch andere Kreativmethoden wie Zukunftskonferenzen und Zukunftswerkstätten zum Einsatz kommen. Zum Abschluss des ExWoSt-Forschungsfeldes lassen sich wichtige Erfolgsfaktoren und Hemmnisse von Prozessen kooperativer Kleinstadtplanung zusammenfassen: Rückhalt aus der Kommunalpolitik: An erster Stelle braucht es vor Ort den Mut, sich auf einen gemeinsamen kooperativen Prozess einzulassen. Insbesondere die Kommunalpolitik muss gewillt sein, aus der „bottom up“-Perspektive entstehende Ideen und Lösungsansätze aufzunehmen und auch dauerhaft zu unterstützen. Ein klares und starkes Signal von „oben“ kann so einen Widerhall von „unten“ erzeugen.

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Gute Begleitung: Eine qualifizierte externe Moderation stellt für den Prozess vor Ort einen methodischen Rahmen zur Verfügung, der den gemeinsamen Weg der Akteure in der Kleinstadt strukturiert und unterstützt. Externe Impulse und der Blick von außen sind hilfreich, um neue Perspektiven zu e­ rschließen. Beteiligung und Information: Die Wahl der richtigen aktivierenden Beteiligungsformate ist wichtig, um zielgruppengerecht die Mitwirkung eines möglichst repräsentativen Ausschnitts der Stadtgesellschaft zu erreichen. Darüber hinaus geht es zum einen darum, gemeinsam einen ganzheitlichen, querschnittsorientierten Blick auf die Entwicklungsbedingungen der Kleinstadt zu erarbeiten. Zum anderen muss den beteiligten Akteuren in kommunikativen, kreativen Formaten eine Möglichkeit eröffnet werden, einen ergebnisoffenen gedanklichen Sprung in die Zukunft zu vollziehen. Neben Beteiligung spielt auch die Information über den Prozess eine große Rolle, um die Stadtgesellschaft über den Fortgang des Prozesses und seine Ergebnisse auf dem Laufenden zu halten und deren Akzeptanz zu fördern. Motivation und Engagement: Eine hohe und andauernde Motivation aller am Prozess Beteiligten ist eine wichtige Ressource. Dies gilt sowohl für die für den Zukunftsprozess Verantwortlichen in der Verwaltung und der Kommunalpolitik als auch für die involvierten Akteure der Stadtgesellschaft. Bürgerschaftliches Engagement und Beteiligung ist gleichzeitig Potenzial und Erfolgsfaktor. Finanzielle und personelle Ressourcen: Die Begleitung eines Prozesses kooperativer Kleinstadtplanung bedarf finanzieller wie personeller Ressourcen, um einen kontinuierlichen Fortgang abzusichern. Ein komplexer Prozess braucht mindestens eine Person, die als Impulsgeber und Triebkraft fungiert. Ideal scheint hier eine gute Zusammenarbeit von Bürgermeister/in und einer für Stadtentwicklungsbelange verantwortlichen Person in der Verwaltung zu sein. Denkbar ist auch eine Begleitung von außen. Aber nicht nur der Prozess des gemeinsamen Planens bedarf einer abgesicherten Unterstützung. Gerade die bereits parallel begonnene und sich anschließende Umsetzung der entwickelten Projekte bindet langfristig viele Ressourcen. Zur Nutzung der gemeinsam erschlossenen neuen Möglichkeiten bedarf es daher eines entsprechenden Finanzrahmens und personeller Begleitung. Umsetzung der Projekte: Die langfristige Akzeptanz eines Prozesses hängt in starkem Maße von der Wahrnehmbarkeit seiner konkreten Ergebnisse ab. Neben den sich durch Kooperation ergebenden Effekten wie neue Netzwerke, gemeinsame Lerneffekte, neue Identitäten steht die Umsetzung der entwickelten Projekte für den Erfolg des Prozesses. Ratsam ist es, die Umsetzung erster kleiner, machbarer Projekte bereits parallel zum Planungsprozess anzustoßen, um seine

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Wirksamkeit zu zeigen. Wichtig ist hier auch die Information über Fortschritte bei der Projektentwicklung in die Stadtgesellschaft hinein. Erfahrungsaustausch und gemeinsames Lernen: Der Austausch mit anderen Kleinstädten kann wertvolle Impulse für die eigene Arbeit liefern. Vielerorts sind bereits Ideen entstanden, die Anhaltspunkte für die Lösung der im Prozess identifizierten eigenen Probleme bieten. Es geht dabei darum, das Prinzip der Problemlösung zu verstehen und auf die eigene Situation anzuwenden. Diese Erkenntnisse können gerade im Austausch erschlossen werden. Neben den Erfolgsfaktoren lassen sich ebenfalls Risiken zusammenfassen, die einem Prozess kooperativer Kleinstadtplanung entgegenstehen können: Mangelnde Resonanz: Das Ziel einer kooperativen Kleinstadtentwicklung kann nur erreicht werden, wenn die von den dafür verantwortlichen Initiatoren ausgehenden Signale auch einen entsprechenden Widerhall in der Stadtgesellschaft erfahren. Die Gründe dafür, dass das Angebot eines kooperativen Prozesses nicht oder nur bedingt angenommen wird, können vielfältig sein (z. B. hohe Zufriedenheit mit der aktuellen Situation der Stadt, fehlendes Vertrauen in Initiatoren und Verantwortliche, mangelnde Bereitschaft der Akteure für aktive Teilhabe). Eingefahrene Strukturen und Konzepte: Kooperative Ansätze einer Stadtentwicklung sind vielerorts nicht neu. Es liegen bereits Konzepte vor, wurden bereits Diskussions- und Planungsrunden vollzogen, deren Geist sich in einem gefühlten Kanon von Inhalten, Akteuren und Werthaltungen manifestiert. Diese Kontinuitäten aufzubrechen oder wenigstens auf den Prüfstand zu stellen, um neue Impulse zu setzen, ist eine mitunter schwierige Aufgabe. So können Einzelakteure, die sich in starkem Maße mit einzelnen Inhalten identifizieren und verbinden, starke Bremser einer neuen Prozessdynamik sein – gerade dann, wenn sie zudem dominant auftreten. Darüber hinaus können Vorerfahrungen mit ähnlichen Ansätzen eine Restriktion darstellen. „Das kennen wir schon. Haben wir schon gemacht, bringt nichts.“ – sind typische Reaktionen, die neuen bzw. erneuten Anläufen für kooperative Prozesse entgegenstehen. Fehlende Ressourcen für die Fortführung des Prozesses: Aus kooperativen Prozessen hervorgehende Signale, Aufbruchsstimmungen, neue Ideen und Netzwerke müssen verstetigt werden, um nachhaltig oder überhaupt Veränderungen zu erzielen. Nach dem Prozess des gemeinsamen Planens, der Beteiligung und der kreativen Auseinandersetzung braucht es erst recht Kraft und Ressourcen, um gemachte Pläne auch umsetzen zu können. Man könnte sagen: Die Arbeit geht dann erst los. Zum einen müssen entstandene Netzwerke, Akteure und Beteiligungsansätze betreut und weiterentwickelt werden. Für einzelne Aspekte wie Leitprojekte o.ä. müssen im Zweifel sogar erst Arbeitsstrukturen geschaffen

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werden, um den aufwendigen Weg der Projektentwicklung bestreiten zu können. Hier braucht es Kümmerer, die in ihrer Funktion langfristig abgesichert sein müssen und mit viel Kraft und langem Atem an der Verwirklichung der Ziele arbeiten müssen. Zum anderen brauchen Strategien, Leit- und selbst kleine Starterprojekte Ressourcen für ihre Umsetzung – angefangen bei Personalkosten, Kosten für Begutachten, Fachkonzepte etc. sowie Investitionsmittel und nachfolgende Folgekosten. Gelingt es nicht, die notwendigen Ressourcen für die Umsetzung zu aktivieren, läuft der begonnene Prozess Gefahr zu scheitern.

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Strategische Entwicklungsansätze in ­kleineren Städten Am Beispiel des Stadtumbaus NRW Sabine Baumgart und Andrea Rüdiger

Zusammenfassung

Der Beitrag von Sabine Baumgart und Andrea Rüdiger reflektiert die Abhängigkeit der Stadtgröße in Bezug auf strategische Entwicklungsansätze im Rahmen des Stadtumbaus in Klein- und Mittelstädten in Nordrhein-Westfalen. Denn es zeigt sich, dass die Problemlagen, die strategischen Lösungsansätze und auch die Operationalisierung sich in manchen Bereichen von denen größerer Städte unterscheiden. Stadtumbaukonzepte im Rahmen des Stadtumbaus gem. § 171 BauGB setzen an aktuellen Problemlagen im städtebaulichen Bestand an, für die eine Förderung von der Kommune beantragt wird. Ob und in welcher Form eine Stadtentwicklungsplanung praktiziert wird, liegt im Ermessenspielraum der Kommune. Im Beitrag wird die Abhängigkeit der Stadtgröße in Bezug auf strategische Entwicklungsansätze dargestellt, insbesondere die integrierte Stadtentwicklungsplanung. Denn heute wird der Stadtentwicklungsplanung der neueren Generation allgemein eine bedeutende Position in der räumlich-integrierten Planung der Kommune beigemessen. Der Stadtentwicklungsplan ist das zentrale strategische informelle Planungsinstrument der Kommunen. Der Beitrag befasst sich zunächst mit der Bedeutung kleinerer Städte in Deutschland und ihren aktuellen städtebaulichen Problemlagen. Im Weiteren © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3_3

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werden Stadtumbau-Konzepte als Instrumente der Stadtentwicklung in Kleinund Mittelstädten in Nordrhein-Westfalen mit Blick auf ihre Themen und ihren räumlichen Fokus betrachtet und ihre Akteurskonstellationen aufgezeigt. Abschließend wird ein Fazit gezogen.

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Kleinere Städte und ihre Bedeutung in Deutschland

Eine Auseinandersetzung mit „kleineren Städten“ bedeutet, eine Abgrenzung nach oben und unten vorzunehmen. In wissenschaftlichen Auseinandersetzungen dazu werden Abgrenzungen meist nach der Zahl der Einwohner der Kommune vorgenommen. Eine Ausnahme hierzu stellt die Raumforschung des BBSR dar, die die Kriterien Größe der Gemeinde (Bevölkerungszahl) und zentralörtliche Funktion betrachtet. Tabelle 1  Wissenschaftliche Mittelstadtabgrenzung Quelle Amtliche deutsche Statistik nach dem Internationalen Städtekongress Grötzbach, Erwin

Jahr 1887

Untersuchungsgegenstand Mithilfe des statistischen Stadtbegriffs sollen ländliche Siedlungen von Städten abgegrenzt werden.

Mittelstadtabgrenzung

1963

> 15.000 – 20.000 EW

Langer, Heinz

1968

Hoberg, Rolf

1977

Pinnig, Jürgen; Baatz; Malkowsky; Voss

1979

Typologisierung von Kleinstädten in Süddeutschland und Abgrenzungskriterien gegenüber anderen Stadtgrößenklassen. Städte mit 15.000 bis 20.000 Einwohnern gehören zur Kategorie der „werdenden Mittelstädte“. Die kleine Stadt und ihr Verhältnis zur Landesplanung. Die kleine Stadt als Mittler zwischen Extremen (kleine Landgemeinden und Großstädte). Entwicklungstendenzen und Entwicklungsplanung in Mittelstädten und mittelstädtischen Regionen. Funktions- und Strukturwandel von Mittelstädten und mittelstädtischen Regionen.

20.000 – 100.000 EW

Bis 50.000 EW = kleine Stadt > 50.000 – 100.000 EW = große Stadt 20.000 – 120.000 EW

40.000 – 160.000 EW

Strategische Entwicklungsansätze in ­kleineren Städten

Quelle Jahr Mungen; Edgar; 1979 Schewe, Peter

Böhm, Volker

1982

Leimbrock Holger; Roloff, Werner

1987

Klöpper, Rudolf 1995 ARL (Handwörterbuch der Raumordnung) Gatzweiler, Hans-Peter

2003

Untersuchungsgegenstand Kommunale Entwicklungsplanung, vergleichende politischökonomische Entwicklung größerer Mittelstädte in Nordrhein-Westfalen Analyse der städtebaulichen Entwicklungsplanungen und Bauleitplanung in Mittelstädten Städtische Veränderungs- und Umstrukturierungsprozesse und kommunale Planung in Mittelstädten Geht auf einen Forschungsausschuss der Akademie für Raumforschung und Landesplanung zurück. Ohne Zurechnung der im Umland wohnenden Menschen. Klassifizierung von Städten anhand ihrer Zentralität, Einwohner und des Stadtrechtes

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Mittelstadtabgrenzung 20.000 – 200.000 EW

20.00 – 150.000 EW 50.000 – 150.000 EW

50.000 – 250.000 EW

20.000 – 50.000 EW kleine Mittelstädte > 50.00 – 100.000 EW große Mittelstädte

Quelle: Rüdiger 2009, S. 36

Die untere Grenze der Abgrenzung von Mittelstädten schwankt zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnern; die obere Grenze liegt i.d.R. bei 100.000 Einwohnern, zum Teil aber auch bei bis 250.000 Einwohnern (s. Tab. 1). Die Stadtgröße nach Einwohnerzahlen hat insbesondere im administrativen und kommunalpolitischen Kontext eine hohe Bedeutung. Während beispielsweise die Bauleitplanung in der Regel von Gemeinden oder kommunalen Zusammenschlüssen mit 10.000 Einwohnern und mehr betrieben wird, ist die Zuständigkeit für das Bauordnungsrecht mit dem Kreisstatus einer Gemeinde verknüpft. Die Entscheidung über Bauanträge in eigener Zuständigkeit wird von vielen Kommunalpolitikern mit einem größeren Handlungsspielraum und einem höheren Maß an kommunaler Selbstständigkeit gleichgesetzt. Die durchschnittliche bundesdeutsche Gemeindegröße liegt bei ca. 6.300 Einwohnern; sie ist als Kleinstadt im statistischen Sinne zu bezeichnen und bewegt sich im europäischen Vergleich eher im unteren Drittel. Nordrhein-Westfalen hat nach dem Saarland und natürlich den Stadtstaaten mit 396 Kommunen die geringste Anzahl an Städten, dafür mit ca. 45.000 Einwohnern/Stadt die höchste durchschnittliche Einwohnerzahl (vgl. Statistisches Bundesamt, Stand 31.12.2015). Die

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quantitative Verteilung und Größe in NRW ist sowohl auf die Gemeindegebietsreform als auch auf höher verdichtete Siedlungseinheiten zurückzuführen. Viele Städte und Gemeinde nicht nur in ländlichen Räumen stehen angesichts des demografischen und wirtschaftlichen Wandels vor besonderen Herausforderungen. Infrastrukturangebote und attraktiver, zielgruppenspezifischer Wohnraum bestimmen im hohen Maße die Lebensqualität und Zukunftsfähigkeit kleinerer Städte und Gemeinden. Die Aufgabe von Infrastruktureinrichtungen und Versorgungsstandorten sowie eine veränderte und rückläufige Nachfrage bedeuten erhebliche Funktions- und Attraktivitätsverluste sowohl für die Versorgung der Bevölkerung als auch für das städtebauliche Umfeld. Gleichzeitig wachsen aber auch in den kleineren Städten die Anforderungen an qualitätsvollen Wohnraum und urbane Strukturen sowie Angebote. Die nachhaltige zukunftsfähige Gestaltung der ca. 2.000 Klein- und Mittelstädte (zwischen 2.000 und 100.000 Einwohnern) ist daher eine Aufgabe mit hoher Bedeutung.

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Aktuelle städtebauliche Problemlagen – ­stadtgrößenspezifisch betrachtet

Heute lebt mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland (ca. 61 %) in Klein- und Mittelstädten, und über die Hälfte aller abhängig Beschäftigten (55,6 %) arbeitet in einer Klein- oder Mittelstadt (Gatzweiler 2012). Die Kleinstadt ist – mit Ausnahme des Saarlandes und Nordrhein-Westfalens – bundesweit der dominierende Stadtgrößentyp, und ca. ein Drittel der Bevölkerung wohnt in Einfamilienhäusern (Bundesstiftung Baukultur 2016, S. 33). Einen Wohnstandort in einer Klein- oder Mittelstadt bevorzugen 33 % der Bevölkerung (Bundesstiftung Baukultur 2016, S. 37). Es sind vor allem Klein- und Mittelstädte in der Nähe von Großstädten, die wachsen (Bundesstiftung Baukultur 2016, S. 29). In vielen ländlichen Regionen, insbesondere in peripherer Lage, sind Städte und Gemeinde gekennzeichnet von Abwanderungsprozessen der jungen mobilen Bevölkerungsgruppen, verbunden mit einem Preisverfall von Grundstücken und Immobilien. Im Vergleich von wachsenden und schrumpfenden Städten und Gemeinden im Zeitraum von 2010 bis 2015 sind schrumpfende und überdurchschnittlich schrumpfende Gemeinden vor allem in den ostdeutschen Bundesländern zu finden (Bundesamt für Bau-, Stadt- und Raumforschung 2015). Währenddessen können in den wachsenden Kernen von Klein- und Mittelstädten, vor allem in Ballungsräumen und deren Randbereichen in gut erreichbaren regionalen Lagen, beispielsweise entlang von Trassen des öffentlichen Personen-

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nahverkehrs, Engpässe bei bezahlbaren kleinen Wohnungen beobachtet werden. Eine vielfach altersbedingte Nachfrage nach kleineren, barrierearmen Wohnungen in zentraler Lage mit guten Versorgungsqualitäten anstelle des Einfamilienhauses als empty nest in manchen Ortsteilen bildet sich deutlich ab, während auch junge Familien eine nach wie vor starke Nachfragegruppe in Städten dieser Lage und Erreichbarkeit darstellen.

Abbildung 1  Bevorzugte Wohnstandorte (Bundesstiftung Baukultur 2017, S. 37)

Darüber hinaus und auch unabhängig von der demographischen Entwicklung kämpfen klein- und mittelstädtische Kernstädte, aber auch einzelne Ortsteile mit leerstehenden Erdgeschosslagen an zentralen Plätzen oder Ausfallstraßen. Hier macht sich der Strukturwandel im Einzelhandel, der sich in einer verstärkten Filialisierung und einer Nachfrage nach größeren Einheiten ausdrückt, bemerkbar und führt in Städten dieser Größenordnung zu einer Abwärtsspirale, insbesondere dann, wenn große Lebensmittel- oder Drogeriemärkte schließen und damit die Frequenzbringer wegfallen. Damit einhergehend reduzieren sich auch Angebote in Gastronomie und Kultur, so dass dies nicht nur einen Funktionsverlust für inte-

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grierte Lagen bedeutet, sondern sich auch negativ auf das Stadt- und Ortsbild und die Identifikation der Bevölkerung mit ihrer Stadt auswirkt (vgl. Baumgart 2017). Der Internethandel in Deutschland boomt, viele Innenstädte dagegen leeren sich. „Prognosen, wonach bis 2020 rund 50.000 Geschäften das Aus droht, sind nicht übertrieben. Das wird eher die Untergrenze sein“, warnt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (Tagesspiegel vom 26.08.2016) Die Funktion und die Substanz der Gebäude erreichen in Klein- und Mittelstädten eine andere Dimension als in Großstädten. So hinterlässt bspw. jeder Abriss historisch prägender Bausubstanz nur schwer zu füllende Lücken, vor allem in den Ortskernen kleiner Städte und Gemeinden, die stark vom gebauten Erbe geprägt sind. Rüdiger (2009) diskutiert in ihrer Dissertation in diesem Zusammenhang die Relativität von Bausubstanz in Ortskernen: die Veränderung von einzelnen Planungsobjekten kann Aktivitäten und Bedeutungswahrnehmungen mit unterschiedlichen Auswirkungen auslösen. Je mehr von einer Substituierbarkeit einzelner Elemente ausgegangen werden kann, desto eher kann eine Bedeutungsreduzierung des Effektes des Hinzufügens, Entfernens oder sonstigen Veränderungen einzelner Elemente wahrgenommen werden (Rüdiger 2009, S. 44).

Abbildung 2 Orte der Versorgung nach Stadtgröße (Bundesstiftung Baukultur 2017, S. 44)

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Im Auftrag der Bundesstiftung Baukultur führte ein Meinungsforschungsinstitut im August 2015 ein Online-Forum mit 38 Bürgern durch, die seit mindestens fünf Jahren in Mittel- oder Kleinstädten oder auf dem Land wohnen. Anhand der Befragungsergebnisse wurde deutlich, dass vor allem die Bedeutung des Zentrums/Ortskerns mit seinen vielfältigen Funktionen, vor allem als sozialer Kommunikationsort von den Bewohnern gesehen wird (Quelle: Online-Forum 2015, durchgeführt durch Ipsos im Auftrag der Bundesstiftung Baukultur, zitiert nach Baukulturbericht 2016/2017). Aber auch Defizite im Bereich der Versorgung und baulich-räumliche Problemlagen werden herausgestellt. Der Ortskern galt insbesondere für junge Menschen (unter 20 Jahre) und für die ältere Bevölkerung (über 60 Jahre) als zentraler Treffpunkt (Baukulturbericht 2016/2017). Es bedarf somit der Lösungsansätze für den Umgang mit Leerständen im Einzelhandel und Infrastruktur sowie mit einer Verwahrlosung öffentlicher Räume und Fußgängerzonen. Zugleich sind neue Nutzungen für historische Gebäude zu entwickeln, gestalterische Defizite in Form von Funktionsbrüchen, insbesondere im Übergang von der historischen Innenstadt zu den Ausfallstraßen, aber auch bei Brüchen in der Gestaltung der Kubatur und Baumaterialien zu suchen. Die Kernstadt und die Ortsteile bilden den räumlichen Fokus für die Probleme in der baulichen Gestaltung und der Stadtmorphologie, die nicht nur von aktuellen Entwicklungen, besonders dynamisch im Einzelhandel, sondern auch im Bereich Gesundheit und Gesundheitsförderung einer alternden Gesellschaft sowie Kultur als thematischem Fokus zu beobachten sind. Allen Abgrenzungen unterschiedlicher Stadtgrößen gemeinsam ist die Tatsache, dass das Merkmal der Klein- und Mittelstadt eine dynamische Eigenschaft ist, mit der qualitative Veränderungen einhergehen bzw. vermutet werden können. Der industrielle Rückgang der Textilproduktion in NRW oder der Niedergang von ortsprägenden Großbetrieben, vor allem der Schwerindustrie, hat in vielen NRW-Kommunen kleine und große innenstadtnahe Industriebrachen hinterlassen (BMVBS 2011). Insbesondere der wirtschaftsstrukturelle Wandel, aber auch Bevölkerungsrückgänge stellen viele Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen vor große baulich-räumlichen Herausforderungen. Auch hier verdeutlichen Leerstände im Einzelhandel und Wohnungsbestand, nicht mehr bedarfsgerechte Infrastruktureinrichtungen sowie brachliegende, innenstadtnahe Flächen und TradingDown-Effekte im Zentrumsbereich den spezifischen Handlungsbedarf. Somit stellen sich Fragen zu Art, Umfang und räumlichem Fokus beim Einsatz planerischer Instrumente in Verbindung mit Finanzmitteln der Städtebauförderung. Insbesondere das Instrument des Stadtumbaus erscheint geeignet für die Entwicklung von Lösungsansätzen der vielfältigen Problemlagen.

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Auf strategischer Spurensuche: StadtumbauKonzepte als Instrumente der Stadtentwicklung in Klein- und Mittelstädten in Nordrhein-Westfalen

Stadtumbau gehört rechtlich – wie auch die städtebauliche Sanierung und städtebauliche Entwicklungsmaßnahme im Baugesetzbuch – zum Besonderen Städtebaurecht. Als pro-aktiv angelegtes Instrument zielt der Stadtumbau auf „Maßnahmen, durch die in von erheblichen städtebaulichen Funktionsverlusten betroffenen Gebieten Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen vorgenommen werden. Erhebliche städtebauliche Funktionsverluste liegen insbesondere vor, wenn ein dauerhaftes Überangebot an baulichen Anlagen für bestimmte Nutzungen, namentlich für Wohnzwecke, besteht oder zu erwarten ist oder wenn die allgemeinen Anforderungen an den Klimaschutz und die Klimaanpassung nicht erfüllt werden.“ (Baugesetzbuch § 171a). „Die Gemeinde legt das Gebiet, in dem Stadtumbaumaßnahmen durchgeführt werden sollen, durch Beschluss als Stadtumbaugebiet fest. Es ist in seinem räumlichen Umfang so festzulegen, dass sich die Maßnahmen zweckmäßig durchführen lassen.“ (Baugesetzbuch § 171b (1)). Und weiter: „Grundlage für den Beschluss nach Absatz 1 ist ein von der Gemeinde aufzustellendes städtebauliches Entwicklungskonzept, in dem die Ziele und Maßnahmen (§ 171a Abs. 3) im Stadtumbaugebiet schriftlich darzustellen sind.“ (Baugesetzbuch § 171b Abs. 2). Das integrierte informelle, gebietsbezogene Planungs-und Steuerungsinstrument des Integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK) begründet somit den Förderbedarf und versucht, lokal angepasste Lösungsansätze zu entwerfen (Hansen et al. 2017). Grundlegende Zielsetzungen, die mit dem ISEK verbunden werden, sind ein integriertes Verwaltungshandeln sowie die Teilhabe der Stadtgesellschaft mit einem partizipativen Prozess zu motivieren und zu strukturieren. Als Voraussetzung für die Städtebauförderung gelten unter anderem Investitionen zur Profilierung der Zentren und Standortaufwertung. Hierzu zählen eine Aufwertung des öffentlichen Raumes (Straßen, Wege, Plätze), die Instandsetzung und Modernisierung von das Stadtbild prägenden Gebäuden (auch energetische Erneuerung), Bau- und Ordnungsmaßnahmen für die Wiedernutzung von Grundstücken mit leerstehenden, fehl- oder mindergenutzten Gebäuden oder Brachen einschließlich vertretbarer Zwischennutzung sowie Citymanagement und eine Beteiligung von Nutzungsberechtigten einschließlich Immobilien- und Standortgemeinschaften. Somit ist ein solches Konzept für vielfältige Strategien, Ziele und Maßnahmen geeignet, denn es ermöglicht, thematische und räumliche Schwerpunkte zu setzen.

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Stadtumbaumaßnahmen sind somit Maßnahmen, durch die in von erheblichen städtebaulichen Funktionsverlusten betroffenen Gebieten Anpassungen zur Herstellung nachhaltiger städtebaulicher Strukturen vorgenommen werden. Sie sollen insbesondere dazu beitragen, dass bspw. innerstädtische Bereiche gestärkt oder innerstädtische Altbaubestände nachhaltig erhalten werden (vgl. auch BMUB – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit 2016). In einer ersten Vorstudie über den instrumentellen und thematischen Zugang sowie über die Ausgestaltung der Integrierte städtebaulichen Entwicklungskonzepte (ISEK) zur Anpassung des städtebaulichen Bestands für diesen Beitrag wurden die strategischen Ansätze von kleineren Städten im Stadtumbau von NRW analysiert. Die Untersuchung bezieht sich auf eine Anfang 2018 durchgeführte Analyse von ausgewählten, sich im Stadtumbau befindlichen Städte. Diese Städte haben sich in einem kommunalen NRW-Netzwerk zum Programm Stadtumbau West organisiert. Ihre Projekte sind auf der Internetzpräsentation der Innovationsagentur der Stadtumbau NRW dokumentiert, die als Internetplattform ein Forum für aktuelle Informationen und Entwicklungen im Themenfeld des Stadtumbaus West darstellt. Betrachtet man die ISEKs der analysierten 47 Städte mit insgesamt 60 Stadtumbaugebieten, bestätigt sich die Ausgangsvermutung, dass der Stadtumbau in NRW vornehmlich ein Thema von Groß- und Mittelstädten ist. So verteilen sich auch die Stadtumbaumittel 2014 in Nordrhein-Westfalen wie folgt: • 79 % Großstädte • 31 % Mittelstädte • 7 % Kleinstädte (BBSR 2016) Anhand der vorliegenden Konzepte wurde die Stichprobe auf Schwerpunkte, Strategien und Ziele sowie insbesondere auf den Umgang mit Zentren qualitativ analysiert. Die Analysekriterien wurden anhand der allgemeinen Bedingungen für das Instrument ISEK gebildet. Das Analyseraster unterschied beim räumlichen Fokus nach Innenstadt bzw. Zentrum und innenstadtnahen Quartieren sowie sonstigen Stadträumen. Der inhaltliche Fokus lag bei den Handlungsfeldern Stadtbild, Freiraum, Verkehr und Wohnen, jeweils mit einer Differenzierung nach baulich-physischen und organisatorischen Strategien. Bezüglich der gebauten Umwelt wurden insbesondere Aspekte von Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum, Verkehrs- und Mobilitätsaspekte im Straßenraum mit besonderem Augenmerk auf Flächen für den ruhenden Verkehr beleuchtet. Im Handlungsfeld Wohnen lag der Fokus auf einer nutzungsbezogenen Diffe-

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renzierung in der Reaktivierung von Gebäudesubstanz bezogen auf Schrottimmobilien und Leerstände. Geprüft wurde, welche konkreten Maßnahmen aufgeführt waren, und ob Zuständigkeiten und Fristen für deren Umsetzung benannt wurden. Auch der Aspekt Image/Imageverbesserung und diesbezügliche Maßnahmen wurden gesucht. Tabelle 2  Verteilung der Stichprobe nach Stadtgröße Einordnung der ­Gemeinde Einwohnerzahl 16 Kleinstädte

16 Mittelstädte

8 kleine Großstädte 7 große Großstädte 47 Städte

Stadtumbaugebiete

< 20.000 EW

22

> 50.000 EW

16

> 250.000 EW

14

< 250.000 EW

8

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In der analysierten Stichprobe spiegelten sich die Funktionsverluste wider, die zur Ausweisung von Stadtumbaugebieten in den beteiligten Klein-/Mittelstädten mit den gewählten thematischen Schwerpunkten der integrierte Stadtentwicklungskonzepte (ISEK) führen. Hier sind es vor allem die Anpassung an Bevölkerungsverluste, eine Wiedernutzung von Brachflächen (Militär, Gewerbe/Industrie) und die kommunalen Handlungsfelder Gewerbe, Wohnen, Versorgung der Bevölkerung. Tabelle 3  Handlungsfelder in den analysierten ISEK (N = 60) Klein-/Mittelstädte

Großstädte

Sicherung/Stabilisierung von Funktionen

Qualifizierung von Funktionen

Überwiegend vielfältige Handlungsfelder

Fokussierte spezifische Handlungsfelder

Insbes. Stärkung der Versorgungsfunktion

Verbesserung Beteiligung/Kooperation

Nutzungsmischung

Nutzungsmischung

Städtebauliche Gestaltung

Städtebauliche Gestaltung

Aufwertung öffentlichen Raums Verkehrliche Verknüpfung Verbesserung Image

Aufwertung öffentlichen Raums Verkehrliche Verknüpfung

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Unterschiede in den Handlungsfeldern in Korrelation mit der Stadtgröße zeigen sich vor allem darin, dass sich die Handlungsfelder in kleinen und mittleren Städten eher überlagern und aufgrund dessen eine größere Vielfalt aufweisen. Demgegenüber sind die Großstädte deutlich fokussierter und können Handlungsfelder abgrenzen. Dies könnte nicht nur auf eine größere Komplexität in größeren Städten verweisen, sondern auch darauf zurückzuführen sein, dass die Verwaltung in größeren Städten stärker ausdifferenziert ist. Während sich Klein- und Mittelstädte (tendenziell eher schrumpfend in NRW) auf die Sicherung und Stabilisierung von Funktionen und vor allem die Stärkung ihrer Versorgungsfunktionen konzentrieren, versuchen Großstädte vorhandene Funktionen zu qualifizieren, insbesondere auch durch eine verbesserte Beteiligung und Kooperation. Die am stärksten von Schrumpfung betroffenen und im Stadtumbau geförderten Städte NRW sind Klein- oder Mittelstädte. Je nach Definition befinden sich unter den 30 stärksten schrumpfenden Stadtumbaukommunen in NRW max. drei Großstädte (> 100.000 EW), also 10 % oder jede 10. Stadt. Unter den 25 wachsenden Stadtumbaukommen in NRW (ab Siegen) befinden sich 9 Großstädte (36 %) oder etwa jede 3. Stadt. Die Verbesserung des Images ist in den betrachteten Stadtumbaustädten eher ein Thema in Klein- und Mittelstädten. Nutzungsmischung, Aufwertung des öffentlichen Raums, städtebauliche Gestaltung von Quartieren sowie verkehrliche Verknüpfung sind vorherrschende Themen, die sich unabhängig von der Stadtgröße abbilden. Zusammenfassend zeigt die Auswertung der ISEK, dass Ansatzpunkte der Maßnahmen vor allem • in der Aufwertung des öffentlichen Raumes und der Stadtgestalt mittels Beseitigung von Fehlfunktionen, • im Abbau bestehender Defizite im öffentlichen Stadtraum, in der Verkehrsberuhigung, der Attraktivitätssteigerung zur Stärkung des innerstädtischen Bereiches als Schwerpunkt für den Einzelhandel und • in der Steigerung des Erholungswerts, des Images und der Identifikation liegen.

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Stadtumbau-Konzepte in Nordrhein-Westfalen und ihr räumlicher Fokus

Schaut man sich die den Stadtumbau-Konzepten zugrundeliegenden Problemgebiete an, so bilden sich diese in den Klein- und Mittelstädten nicht eindeutig ab. Großstädte haben eher die Gesamtstadt im Blick mit Problemen wie stadträumliche Segregation mit Gentrifizierung einerseits und punktueller Stigmatisierung von zumeist kleinräumigen Geschosswohnsiedlungsbereichen der 1970er Jahre andererseits. Die Bedeutung des Zentrums für Klein- und Mittelstädte im Vergleich zur Großstadt zeigt sich auch im räumlichen Fokus der Stadtumbaugebiete, die sich vielfach auf das Stadtzentrum beziehen. Fasst man die Schwerpunkte in den Handlungsfeldern von Klein- und Mittelstädten zusammen, so zeigen sich als große Herausforderungen die Umsetzung von Innenentwicklung, die Förderung von Nutzungsvielfalt und die Sicherung von Versorgungsqualitäten. Zoomt man in die Tiefe der ISEK-Handlungsfelder, wird deutlich, dass das städtische Zentrum mit seinen vielfältigen Funktionspotenzialen im Fokus von Klein- und Mittelstädten steht. Somit kann als räumlicher Fokus die Stabilisierung und die Qualifizierung der Zentren dieser Städte gelten. Gleichzeitig belegt dies auch, dass hier die Probleme von Klein- und Mittelstädten besonders deutlich werden („erhebliche Funktionsverluste“). Tabelle 4 Räumlicher Fokus der 60 Stadtumbaugebiete in den Integrierten Handlungskonzepten (N= 60) Lage Gesamtstadt Zentrum/Innenstadt/Innenstadtrand Stadtteil/-quartier OT Ortskern Standort / Randlage

Klein-/Mittelstadt 1 21 (55%)

Großstadt 3 8 (36%)

9 7 38

5 3 3 22

Baulich-räumlich liegen die expliziten Schwerpunkte in Klein- und Mittelstädten bei konkreten Maßnahmen zur Steigerung von Attraktivität und Funktionsfähigkeit wie in einer • Verbesserung der stadtgestalterischen Qualitäten in Form einer Qualifizierung des historischen Stadtkerns einschließlich des Rückbaus von Gebäuden,

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• Aufwertung von öffentlichen Räumen und deren Aufenthaltsqualitäten mit Blick auf Straßenräume, • Verbesserung der Aufenthaltsqualität im historischen Kern und in zentralen Achsen wie einer Bahnhofstraße, • Stärkung der Freiraumpotenziale, Gestaltung und Vernetzung innerstädtischer Grünflächen, Ausbau von Grünachsen • einer Optimierung der Verkehrswege und -abläufe sowie der Reduzierung von Barrieren auf unterschiedlichen Ebenen: zum einen mit Blick auf die Gesamtstadt als Abbau der Barriere „Bahn“, zum anderen kleinräumig in Form von „Barrierefreiheit“, • insgesamt auch in einer Funktionsverknüpfung und Harmonisierung der Siedlungsstruktur mit Blick auf einzelne Ortsteile. Demzufolge sind die Themenfelder Rückbau/ Umbau/ Umnutzung im historischen Stadtkern und dessen Revitalisierung in Form von Instandsetzungen und Modernisierung von hoher Bedeutung. Darüber hinaus finden sich aber auch organisatorische Maßnahmen in den Konzepten, wie die Einrichtung eines Verfügungsfonds „Aktive Bürgerbeteiligung“. Instrumentell dient dazu ein Städtebauliches Entwicklungskonzept, aber auch eine Neustrukturierung der gewerblichen Ausrichtung auf kommunaler Ebene.

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Annäherung an Stadtumbau-Konzepte in NordrheinWestfalen: Akteurskonstellationen

Bei den Handlungsstrategien zeigen sich instrumentelle Schnittstellen in kleineren und mittleren Städten, die in den vielfach kleinteiligen, raumbezogenen Maßnahmen und ihrer hohen Konkretisierung begründet liegen. Die oftmals konkreten Aussagen zu Maßnahmen, Zeit- und Kostenplanung sowie Förderzugängen bedingen auch die Verknüpfung mit Strategiekonzepten und/oder Durchführungsund Finanzierungskonzepten; jedoch sind diese kaum aus den Stadtumbaukonzepten ablesbar. In der vorliegenden Analyse war in Bezug auf die Akteurskonstellation erkennbar, dass Klein- und Mittelstädte in NRW sich vielfach fachliche Unterstützung durch externe planerische Expertise einholen. Werden für die Erarbeitung der Stadtumbaukonzepte externe Planungsbüros beauftragt, so sind dies überwiegend die gleichen sieben Planungsbüros/-gesellschaften. Dies korrespondiert mit Erkenntnissen der kommunalen Befragung der Bundesstiftung Baukultur, die nach

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Aufgabenbereichen differenziert wurde . Auch hier zeigen sich im Schwerpunkt die konkreten, kleinteiligen und raumbezogenen Maßnahmen .

Abbildung 3

Beauftragung von Dritten Kommunalumfrage: 1)

(Bundesstiftung

Baukultur

2017,

Die Einschaltung externer Planungsbüros ist nicht nur eine Frage von personellen Ressourcen . Externe Impulse und der Blick von außen sind oftmals hilfreich, um neue Perspektiven zu erschließen (BMI 2018, S . 11ff) . Viele Forderungen nach personeller Unterstützung fokussieren sich auf beide Bedarfe: „Die Begleitung eines Prozesses kooperativer Kleinstadtplanung bedarf finanzieller wie personeller Ressourcen, um seinen kontinuierlichen Fortgang abzusichern . Ein komplexer Prozess braucht eine Person, die als Impulsgeber und Triebkraft fungiert und voll hinter dem Prozess steht“ (BMI 2018, S . 11ff) .

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6 Fazit In den Ergebnissen der Stichprobe spiegeln sich Erkenntnisse aus einer Untersuchung aus 2007, die das konkrete Planungshandeln in Abhängigkeit von der Stadtgröße untersuchte, in der Form, dass • kleinere Kommunen stärker auf raumbezogene Planungen konzentriert sind, • das Vorhandensein von gesamträumlichen, konzeptionellen Planungen mit der Größe der Stadt ansteigt, • die geringere Anzahl von Planungsfällen und -objekten bei einem Verlust von Funktionen und Gebäuden in kleineren Städten ein größeres Problem darstellen als in größeren Städten. So bietet die Schließung einer Schule in größeren Städten mehrere Kompensationsmöglichkeiten (z. B. durch Neuzuschnitt der Schulbezirke), wohingegen für kleinere Gemeinden nachhaltige Effekte bis hin zur Abwanderung von Familien mit schulpflichtigen Kindern entstehen können. Gleiches gilt für die Aufgabe von Nutzungen oder Gebäuden, die das Zentrum einer Stadt prägen. Damit wiegt auch die kommunale Bedeutung des Bevölkerungsrückgangs in Form von Wohnungsleerstand, Überalterung der Bevölkerung und der Schließung von Infrastruktureinrichtungen schwerer, da komplementäre Angebote in kleineren Gemeinden fehlen. Für die Stadtentwicklungsplanung dieser Städte bedeutet die Vermittlung notwendiger Veränderungen einen erhöhten Koordinierungs- und Beratungsaufwand. „Dabei sind sichtbare Ergebnisse nicht kurzfristig zu erwarten, zumal der wesentlich höhere Koordinierungs- und Managementbedarf die personelle Kapazität dieser Kommunen meist überfordert und externes Management aus finanziellen Gründen nicht oder nur bedingt gebunden werden kann“ (Kretschmer, Usbeck 2003, 13). Eine Untersuchung von Stadtumbaukonzepten in 2005 im Rahmen des Bundeswettbewerbs Stadtumbau Ost zeigt, dass z. B. der Rückbau der technischen Infrastruktur oder Zwischen- und Nachnutzungskonzepte für Abrissflächen in Kleinund Mittelstädten keine oder nur eine geringe Beachtung finden. Wie auch die aktuelle Analyse der 60 Stadtumbaukommunen verdeutlicht, beherrschen bodenund baurechtliche Kompetenzen der Kommune das planerische Handeln der Verwaltung; die Auseinandersetzung mit strategischen, mittel- bis langfristigen Stadtentwicklungskonzepten ist nachrangig. Auch die Art und Funktion der Stadtentwicklungsplanung ist durch die Stadtgröße bestimmt. Ableitend aus anderen empirischen Ergebnissen der Untersuchung von Rüdiger 2009 kann vermutet werden, dass die Stadtentwicklungsplanung bspw. in Mittelstädten als ein gegenüber

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dem Flächennutzungsplan substituierendes oder komplementär-vorbereitendes Instrument genutzt wird. In kleineren Städten reduzieren sich informelle Pläne häufig auf eine räumliche Ausrichtung, die schrittweise zu einem gesamten Planungsergebnis führt (zum Flächennutzungs- oder Bebauungsplan). „Eine handlungsbezogene Stadtentwicklungsplanung mit dem Versuch, die Entwicklung der Mittelstadt nach einem umfassenden oder teilweise integrierten Plan tatsächlich zu steuern, gibt es in der Realität praktisch nicht“ (Zillich 1982, 53). Heute wird der Stadtentwicklungsplanung der neueren Generation allgemein eine gewichtige Position in der räumlich-integrierten Planung der Kommune beigemessen. Der Stadtentwicklungsplan ist das zentrale strategische informelle Planungsinstrument der Kommunen. Durch die Formulierung von Leitlinien, wie die Nutzungsansprüche an das Gemeindegebiet koordiniert werden können, dient er vor allem zur Vorbereitung der Flächennutzungsplanung. Da informelle Instrumente ziel- und zeitgerechter und damit auch flexibler eingesetzt werden können, ist die Vielfältigkeit ihrer Ausprägungen gestiegen. Auch im Rahmen der Begleitforschung zum Stadtumbauprozess in Thüringen werden Unterschiede im Konkretisierungsgrad integrierter Stadtentwicklungskonzepte festgestellt. „Inhaltlich werden in den Stadtentwicklungskonzepten größerer Städte eher konzeptionelle bzw. strategische Aussagen getroffen, während in kleineren Städten zum Teil sehr detaillierte Aussagen zu den Netzstrukturen und deren Auslastung gemacht werden“ (Thüringer Innenministerium 2004, S. 123). Ob und in welcher Form eine Stadtentwicklungsplanung praktiziert wird, liegt im Ermessenspielraum der Kommune. Als Grundlage zur weiteren Erarbeitung eines strategischen Wissens um Potenziale und auch Grenzen kommunaler Stadtentwicklungspolitik und -planung können identifizierte Abhängigkeiten wertvolle Erkenntnisse bzgl. des Faktors Stadtgröße liefern. Wie äußert sich Stadtgröße im Planungshandeln einer Gemeinde, wo spielt sie keine Rolle oder wo ist ihr Einfluss marginal? Besteht Nachholbedarf in normbildenden Zielsetzungen (vgl. Baumgart 2004, S. 11), welche Strategie- und Prozessempfehlungen finden ein „tragendes Gerüst“ in Städten unterschiedlicher Größenordnung? Wenn man davon ausgeht, dass Klein- und Mittelstädte auch zukünftig bevorzugte Wohnstandorte sind – wenn auch in starker Abhängigkeit von ihrer regionalen Lage –, so sind die strategischen Aufgaben wie Stärkung des Wohnens im Ortskern, Konzentration der Siedlungsflächen und Verknüpfung von Datengrundlagen mit Demographie / Demographiemonitoring auch zukünftig bedeutend.

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Literatur Baumgart, S. (2017). Die bauliche Gestaltung von Klein- und Mittelstädten. In: Wissenschaftliche Gesellschaft zum Studium Niedersachsens e.V. (Hrsg. 2017): Klein- und Mittelstädte. Neues Archiv für Niedersachsen. Zeitschrift für Stadt-, Regional- und Landesentwicklung. Kiel/Hamburg, S. 96–110. Baumgart, S. (2004). Einführung in das Forschungsthema „Klein- und Mittelstädte“. In: Baumgart, S.; Flacke, J.; Grüger, C.; Lütke, P.; Rüdiger, A. (Hrsg.), Klein- und Mittelstädte – Verkleinerte Blaupausen der Großstadt? Dokumentation des Expertenkolloquiums am 29. April 2004 an der Universität Dortmund (SRPapers, Nr. 1). Dortmund, S. 7–12. BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.) (2015). Wachsen oder schrumpfen? BBSR-Analysen KOMPAKT 2015 (12). Bonn. BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.) (2016). Gemeinsame Evaluierung der Programme Stadtumbau Ost und Stadtumbau West. Bonn BMI – Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2018). Kleinstädte in Deutschland. Urbanität. Vielfalt. Perspektiven. Hintergrundinformation zum Kongress. Online verfügbar: http://www.kleinstaedteindeutschland.de/hintergrundinformationen_zum_ kongress.pdf (Zugriff 08.12.2018). BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (2012). Stadtumbau West: Motor des Strukturwandels. Statusbericht der Bundestransferstelle Stadtumbau West. Berlin. Online verfügbar: https://www.staedtebaufoerderung.info/StBauF/DE/ Programm/Stadtumbau/LiteraturUndLinks/Literatur/statusbericht2transferstellesuw. pdf?__blob=publicationFile&v=2 (Zugriff 4.10.2018). BMUB – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2016). Integrierte städtebauliche Entwicklungskonzepte in der Städtebauförderung. Berlin. Online verfügbar: https://www.staedtebaufoerderung.info/StBauF/SharedDocs/Publikationen/StBauF/Arbeitshilfe_ISEK.html (Zugriff 16.12.2018) Bundesstiftung Baukultur (2017). Baukulturbericht 2016/17 „Stadt und Land“. Bundesstiftung Baukultur (Hg.); Potsdam 2017. Bundesstiftung Baukultur (2017). Baukulturbericht 2016/17, Kommunalumfrage: 1 (https:// www.bundesstiftung-baukultur.de/baukulturbericht-201617, Zugriff 10.11.2018). Gatzweiler, H.; Joswig-Erfling, A. (2012). Klein- und Mittelstädte in Deutschland  – eine Bestandsaufnahme. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hg.), Stuttgart. Hansen, R., Born, D., Lindschulte, K., Rolf, W., Bartz, R., Schröder, A, Pauleit, S. (2017). Grüne Infrastruktur im urbanen Raum: Grundlagen, Planung und Umsetzung in der ­integrierten Stadtentwicklung. Bearbeitung., Abschlussbericht zum F+E-Vorhaben FKZ 3515820800. Bundesamt für Naturschutz-Bonn Bad Godesberg. Kretschmer, T.; Usbeck, H. (2003). Bevölkerungsentwicklung und Stadtumbau in kleinen und mittleren Städten Sachsens. In: Wohnbund Informationen 2/2003: 12–13. Online-Forum 2015, durchgeführt durch Ipsos im Auftrag der Bundesstiftung Baukultur, zitiert nach Baukulturbericht 2016/2017). Rüdiger, A. (2009). Der Alltäglichkeit auf der Spur: Die Rolle der Stadtgröße für die räumliche Planung: Eine empirische Untersuchung der Planungspraxis bundesdeutscher Mittelstädte. Studien zur Stadt- und Verkehrsplanung, Hamburg: Verlag Dr. Kovač.

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Tagesspiegel vom 26.08.2016: „Handelsexperte sieht 50.000 Geschäfte durchs Internet gefährdet“, in: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/leerstaende-handelsexperte-sieht-50–000-geschaefte-durchs-internet-gefaehrdet/14459018.html; zuletzt geprüft: 08. Oktober 2017, 18:12. Statistisches Bundesamt (2016). Städte nach Fläche, Bevölkerung und Bevölkerungsdichte am 31.12.2015, Berlin Zillich, Carsten (1982). Stadtplanung in der Mittelstadt. Ein ja zum pragmatischen Inkrementalismus in der planenden Verwaltung. In: Stadtbauwelt 73/1982: 53–56.

Spezielle Themen der Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten





Großsiedlungen in kleinen Städten Probleme, Herausforderungen, Perspektiven Johann Jessen und Isabelle Willnauer

Zusammenfassung:

Im Beitrag werden die wichtigsten Ergebnisse der ersten Untersuchung vorgestellt, die sich gezielt mit Großsiedlungen der 1950er bis 70er Jahre in Kleinund Mittelstädten befasst. Anlass für diese Untersuchung war die Beobachtung, dass die bisherige sehr umfangreiche empirische Forschung zu deutschen Großsiedlungen sich im Wesentlichen auf Großstädte beschränkt hat, über die in Klein- und Mittelstädten gelegenen Siedlungen bislang aber wenig bekannt ist. Zunächst wird ein Überblick über die quantitative Bedeutung dieses Gebietstypus in Klein- und Mittelstädten gegeben, die mit über 100 Siedlungen allein in den alten Bundesländern größer ist als gemeinhin vermutet wird. Anschließend werden die Befunde aus insgesamt acht Fallstudien zusammengefasst, die bisherige Planungspraxis in den untersuchten Kommunen abgebildet und Handlungserfordernisse identifiziert. Die abschließend formulierten Handlungsempfehlungen für Kommunen, Wohnungswirtschaft und Akteure der organisierten Zivilgesellschaft berücksichtigen das vergleichsweise geringere Problemniveau und beziehen sich vor allem auf die anstehende Aufgabe der Instandhaltung und Modernisierung sowie den wichtigen Erhalt der Versorgungsfunktion mit bezahlbarem Wohnraum.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3_4

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Großsiedlungen gibt es auch in Klein- und Mittelstädten. Sie haben bisher kaum nennenswerte publizistische, fachliche und politische Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie sind „vergessene Quartiere“. Dies ist erstaunlich, denn bekanntlich haben Großwohnsiedlungen, insbesondere der 1950er bis 1970er Jahre, seit Jahrzehnten eine große, teilweise problematische Publizität geweckt und sind ein Dauerthema der Stadt- und Planungsforschung, das auch immer wieder in den Jahrbüchern der Stadterneuerung, sei es im Rahmen der Nachbesserungs- oder Stadtumbaudebatte, aufgegriffen wurde (unter anderem Anders 2012 und zuletzt Nelle 2017). Sie waren in den vergangenen Jahrzehnten ein wichtiger Fokus der Städtebauförderung, der kommunalen Wohnungspolitik und der räumlichen Planung sowie auch der Stadtforschung. Eine Erweiterung der Thematik ergab sich quantitativ und qualitativ nach der Wiedervereinigung durch die „Plattensiedlungen“ in den ostdeutschen Bundesländern. Inzwischen ist die Literatur zu Großsiedlungen in Ost und West kaum mehr überschaubar. Stellvertretend sei hier auf den Großsiedlungsbericht der Bundesregierung, die erste umfassende Bestandsaufnahme dieses Gebietstypus für ganz Deutschland verwiesen (BMBau 1994, außerdem Hannemann 1998 und Jessen 1998). Die Aufmerksamkeit konzentrierte sich dabei jedoch vor allem auf die Analyse von Großsiedlungen in Großstädten, weil dort die Problem- und Konfliktlagen deutlicher zutage traten. Auch waren und sind es nach wie vor die „spektakulären Einzelfälle“ in den großen westdeutschen Städten wie Hamburg KirchdorfSüd, Berlin Gropius-Stadt und Märkisches Viertel, Bremen Osterholz-Tenever, München Neuperlach oder Köln Chorweiler oder aber in Ostdeutschland wie Berlin Marzahn oder Leipzig Grünau, die immer wieder als Referenzen für die wohnungspolitischen, sozialplanerischen und städtebaulichen Herausforderungen dieses Gebietstypus, aber auch als „Unterschichtskulissen“ für Tatort-Krimis herangezogen wurden. In diesem Beitrag werden die wichtigsten Ergebnisse der ersten Untersuchung vorgestellt, die sich gezielt mit diesem Gebietstypus in Klein- und Mittelstädten befasst (Wüstenrot Stiftung 2018). Die Studie setzte sich mit folgenden übergreifenden Fragestellungen auseinander: • Welches sind die spezifischen Problemlagen aus der Sicht der beteiligten Akteure – der Stadt, der Wohnungseigentümer, der Bewohner und Nutzer sowie der dort engagierten zivilgesellschaftlichen Organisationen? • Welches sind die bisher verfolgten stadtplanerischen und wohnungswirtschaftlichen Strategien im Umgang mit diesen Beständen, welche Instrumente wurden eingesetzt und mit welchem Ergebnis?

Großsiedlungen in kleinen Städten

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• Welche spezifischen Handlungsempfehlungen lassen sich für die Akteure in den Großsiedlungen von Klein- und Mittelstädten auf dieser Basis formulieren? Damit fügt sich die Studie in einen aktuellen Schwerpunkt der Stadt- und Wohnungsforschung ein, die sich mit verschiedenen Ausschnitten des Nachkriegsstädtebaus befasst, so etwa den Gebieten des Einfamilienhausbaus (u. a. Wüstenrot Stiftung 2012) und des mehrgeschossigen Wohnungsbaus (Wüstenrot Stiftung 2013) jenseits der großen Siedlungen, die aus Gründen der physischen und „moralischen“ Alterung ebenfalls als zukünftige Gebietskulissen der Stadterneuerung zu sehen sind und je eigene Strategien und Konzepte erfordern. Eine wichtige Grundlage bildet auch die breit angelegte Studie zum Thema Großsiedlungen, die vom Kompetenzzentrum Großsiedlungen e.V. gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Urbanistik durchgeführt wurde (Kompetenzzentrum Großsiedlungen e.V. 2015). In diesem Beitrag wird zunächst ein Überblick über die quantitative Bedeutung der Großsiedlungen in Klein- und Mittelstädten und ihre räumliche Verteilung gegeben. Hierzu wurden die verfügbaren statistischen Unterlagen ausgewertet und durch eigene Recherchen ergänzt. Dann werden für acht gezielt ausgewählte Großsiedlungen in den westdeutschen Bundesländern die Ergebnisse der Fallstudien resümiert: zur Entwicklung und aktuelle Situation von Großsiedlungen in Kleinund Mittelstädten zu den bisher in diesen Siedlungen verfolgten Aufwertungsund Erneuerungsstrategien und zur Bewertung der aktuellen Situation aus der Perspektive der Gemeinde, der lokalen Wohnungswirtschaft und Vertretern der Zivilgesellschaft. Schließlich werden in der vergleichenden Analyse Handlungserfordernisse identifiziert und Empfehlungen für die Kommunen und die anderen beteiligten Akteure formuliert.

1

Wie viele Großsiedlungen in Klein- und Mittelstädten gibt es?

Es gibt keine eindeutige und verbindliche Definition von Großsiedlung. Da sich die Analyse im Kern auf den Großsiedlungsbericht 1994 der Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (BfLR) – heute BBSR – stützt, wurde die dort zugrunde gelegte Definition von Großsiedlung übernommen. Als Merkmale werden genannt, dass es sich bei den entsprechenden Siedlungsprojekten um in einem „Guss“ gebaute Gesamtplanungen handelt, deren Finanzierung und Belegung im Westen im Zuge des sozialen Wohnungsbaus erfolgte und im Osten durch die Plattenbauweise charakterisiert ist (vgl. BMBau 1994, S. 11). Als weitere

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Johann Jessen und Isabelle Willnauer

gemeinsame Eigenschaft wird die planerische Konzeption nach dem Leitbild der funktionalistischen Moderne genannt (vgl. BMBau1994, S. 27). Für diese statistische Erfassung werden Siedlungen mit mindestens 1.000 Wohneinheiten zugrunde gelegt (vgl. (BMBau 2000, S. 64), die zwischen 1950 und 1980 nach dem Leitbild der funktionellen Stadt (Entwurfsprinzipien Funktionstrennung, Durchgrünung und autogerechte Verkehrsplanung) errichtet wurden. Die vorliegende Klassifikation von Klein-, Mittel- und Großstädten orientiert sich an der klassischen Definition der Gemeindestatistik, der auch das BBSR folgt: Kleinstädte 5.000 bis u. 20.000 EW; kleine Mittelstädte 20.000 bis u. 50.000 EW; große Mittelstädte 50.000 bis u. 100.000 EW; Großstädte 100.000 EW und mehr. Die genaue Zahl der Großsiedlungen nach der obigen Definition ist nicht bekannt. Auch der Großsiedlungsbericht von 1994, der 722 Großsiedlungen ausweist, erhebt nicht den Anspruch, eine systematische Vollerhebung zu sein. In dieser Studie wurden zusätzlich folgende weitere Quellen ausgewertet: die Dokumentationen der Bundesdemonstrativbauvorhaben, die Förderlisten der Städtebauförderprogramme Soziale Stadt und Stadtumbau West, die Internetseite machmaplazda. com, Architekturführer der 1950er und 1970er Jahre und Fachzeitschriften der 1950er bis 1970er Jahre. Durch die Nacherhebungen konnte die Gesamtzahl um 80 Siedlungen auf 802 erweitert werden – über zwei Drittel von ihnen befinden sich in Klein- und Mittelstädten. Die Großsiedlungen in Deutschland befinden sich keineswegs nur in Großstädten, sondern verteilen sich gleichmäßig auf solche mit über und unter 100.000 Einwohnern (Tab. 1). Räumlich konzentrieren sich die Großsiedlungen vor allem im Osten der Bundesrepublik. In westdeutschen Klein- und Mittelstädten stehen insgesamt beachtliche 116 Großsiedlungen, in den ostdeutschen Städten gleicher Größenklasse sind es sogar 292 Siedlungen, in den westdeutschen Städten unter 50.000 Einwohner gibt es 61 Großsiedlungen, in den entsprechenden ostdeutschen Städten mit 242 Siedlungen fast das Vierfache. In keinem Fall handelt es sich bei diesem Gebietstyp aber um eine vernachlässigbare Größe. Auch den Großsiedlungen in Klein- und Mittelstädten westdeutscher Bundesländer kommt – entgegen den landläufigen Erwartungen – eine quantitative Bedeutung zu: Immerhin liegen dort fast 30 Prozent aller Großsiedlungen. Die Großsiedlungen in Klein- und Mittelstädten befinden sich zu etwa gleichen Teilen in zentralen und in peripheren Regionen. Die Situation stellt sich in den neuen und alten Ländern jedoch völlig gegensätzlich dar. Während sich die Siedlungen in den alten Bundesländern zu 90 Prozent in den Ballungszentren mit angespannten Wohnungsmärkten konzentrieren und somit in der Regel infrastrukturell gut angebunden sind sowie eine solide Arbeitsmarktlage aufweisen, liegen die ostdeutschen Siedlungen zu 70 Prozent in peripheren oder sehr peri-

Großsiedlungen in kleinen Städten

89

pheren Regionen, die seit 1990 durch Schrumpfung geprägt sind. Entsprechend unterscheiden sich schon vorderhand die Bedingungen für jede Modernisierungsund Erneuerungsstrategie. Tabelle 1  Großsiedlungen nach Gemeindegrößenklassen < 50.000 EW 50.000 – 100.000 EW 100.001 – 500.000 EW > 500.000 EW gesamt < 50.000 EW 50.000 – 100.000 EW 100.001 – 500.000 EW > 500.000 EW gesamt < 50.000 EW 50.000 – 100.000 EW 100.001 – 500.000 EW > 500.000 EW gesamt

BRD 303 105 176 218 802 West 61 55 136 151 403 Ost 242 50 40 67 399

37,8 % 13,1 % 21,9 % 27,2 % 100 % 15,1 % 13,6 % 33,8 % 37,5 % 100 % 60,7 % 12,5 % 10 % 16,8 % 100 %

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Johann Jessen und Isabelle Willnauer

Städte nach Einwohnern 70.000 - unter 100.000 50.000 - unter 70.000 20.000 - unter 50.000 unter 20.000

Großsiedlungen nach Wohneinheiten

Dranske Sassnitz

über 10.000 5.000 - unter 10.000

Bergen

2.500 - unter 5.000

Stralsund Ribnitz-Damgarten

1.000 - unter 2.500 Trappenkamp

Bad Doberan

Greifswald

Karlshagen Wolgast

Raumtypen 2010 Wismar

Cuxhaven

sehr zentral zentral

Stade

Anklam Altentreptow Stavenhagen Friedland Ueckermünde Torgelow Neubrandenburg Waren

Güstrow Teterow

Norderstedt

Wedel

peripher Wilhelmshaven

sehr peripher

Emden

Hagenow

Parchim Neustrelitz

Lüneburg

Prenzlau

Pritzwalk Delmenhorst

Wittstock

Achim

Wittenberge

Verden Salzwedel

Hemmingen

Laatzen

Schwedt

Neuruppin

Eberswalde Oranienburg Hennigsdorf

Havelberg

Stendal Premnitz Rathenow Genthin Brandenburg Haldensleben Wolmirstedt Ludwigsfelde

Garbsen Minden

Kyritz

Bernau

Teltow Königs Wusterhausen

Neuhardenberg

Strausberg Rüdersdorf Erkner Fürstenwalde

Frankfurt a.d. Oder

Bad Salzgitter Eisenhüttenstadt Luckenwalde Hildesheim Belzig Oschersleben Schönebeck Zerbst Gütersloh Halberstadt Guben Wittenberg Staßfurt Lübbenau Wernigerode Dessau Dorsten Gladbeck Quedlinburg Bernburg Blankenburg Jessen Cottbus Castrop-Rauxel Marl Köthen Vetschau Thale Bergkamen Forst Finsterwalde Bitterfeld-Wolfen Hettstedt Unna Großräschen Torgau Kamp-Lindfort Bad Duben Senftenberg Lauchhammer Eisleben Schwarzheide Weißwasser Sangerhausen Nordhausen Leinefelde Heiligenhaus Delitzsch Velbert Arnsberg Elsterwerda Kempen Heilbad Heiligenstadt Eilenburg Schkeuditz Iserlohn Hoyerswerda Gröditz Sondershausen Ratingen Wurzen Großenhain Hattingen Merseburg Erkrath Oschatz Lüdenscheid Mühlhausen Dormagen Weißenfels Grimma Eschwege Riesa Bautzen Sömmerda Monheim Görlitz Bergneustadt Kitzscher Coswig Bad Langensalza Bergheim Borna Gummersbach Wilthen Döbeln Neustadt Apolda Zeitz Löbbau Kreuztal Freital Eisenach Altenburg Jülich Mittweida Heidenau Wutha-Farnroda Weimar Pirna Gotha Hürth Frankenberg Zittau Freiberg Waltershausen Hohnstein Erftstadt Flöha Brand-Erbisdorf Arnstadt Siegen Olbersdorf Marburg Limbach Hermsdorf Bad Salzungen Glachau Schmalkalden Lugau Illmenau RudolstadtWerdau Rheinbach Zschopau Meckenheim Greiz Zella-Mehlis Saalfeld Marienberg Suhl Zwönitz Reichenbach Meinigen Fulda Schneeberg Schwarzenberg Gießen Plauen Auerbach Annaberg-Buchholz Neuwied Blankenberg Sonneberg Klingenthal Coburg Schwalbach Selb Hanau Schweinfurt Neu-Isenburg Dreieich Dietzenbach Raunheim Langen Rüsselsheim Forchheim Sprendlingen Bad Kreuznach Wertheim Frankenthal Oerlinghausen

Detmold

Eisenberg

Überherrn

Amberg

Kaiserslautern Zweibrücken Speyer Landau Bietigheim-Bissingen Ludwigsburg Waiblingen Schwäbisch Esslingen Ostfildern Gmünd Sindelfingen Nürtingen Geislingen Heidenheim Tübingen

Donauwörth

Manching Neuburg a. d. Donau

Neu-Ulm Dachau Königsbrunn Fürstenfeldbruck Puchheim

Oberschleißheim Haar Rosenheim

Freilassing

Kempten

Abbildung 1

Großsiedlungen nach BBSR-Raumtypen 2010 (Quelle: BBSR 2010, eigene Darstellung)

Großsiedlungen in kleinen Städten

91

2 Fallstudien Um die besonderen Merkmale, Problemlagen und Handlungserfordernisse der Großsiedlungen in kleinen Städten zu identifizieren, wurden acht Siedlungen intensiver untersucht, um Antworten auf folgende Fragen zu bekommen: Gibt es signifikante Charakteristika? Was haben die Siedlungen gemeinsam? Welche Unterschiede weisen sie auf? Wie haben sie sich seit dem Zeitpunkt des Erstbezugs verändert? Die Auswahl der Fallstudien aus den insgesamt 292 Großsiedlungen in kleinen und mittleren Städten in Deutschland erfolgte gezielt. Vorab ausgeschlossen wurden alle Siedlungen in den neuen Bundesländern, da diese im Zuge des Förderprogramms Stadtumbau Ost bereits auf planerischer, politischer und fachwissenschaftlicher Ebene ausführlich analysiert wurden (vgl. u. a. BMVBS/BBR 2012 und Nelle 2017). Dieser Logik folgend blieben auch die Siedlungen in den westdeutschen Bundesländern unberücksichtigt, die bereits in einem der entsprechenden Förderprogramme (Stadtumbau West/Soziale Stadt) vertreten waren und für die somit schon Modernisierungsmaßnahmen und Erneuerungsstrategien in Gang gesetzt worden waren. Die so reduzierte Grundgesamtheit war damit auf 70 Fälle (das entspricht 2/3 aller Großsiedlungen in den westdeutschen Bundesländern) eingegrenzt. Die endgültige Auswahl erfolgte dann gezielt nach den Kriterien der Lage und Verteilung nach Bundesländern (Abb. 2). Als Fallstudien sind untersucht worden: • • • • • • • •

Amberg St. Sebastiansviertel (Bayern) Haar Jagdfeldring (Bayern) Neuwied Raiffeisenring (Rheinland-Pfalz) Neu-Isenburg Gravenbruch (Hessen) Nürtingen Roßdorf (Baden-Württemberg) Unna Berliner Allee (Nordrhein-Westfalen) Wedel Gartenstadt Elbhochufer (Schleswig-Holstein) Wertheim Wartberg (Baden-Württemberg)

Die Untersuchungsmethoden bestanden in einer Literatur- und Webrecherche sowie Begehungen und Expertengesprächen vor Ort mit Vertreterinnen und Vertretern der planenden Verwaltung, der Wohnungswirtschaft und der sozialen Initiativen, die sich in den Siedlungen engagieren.

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Johann Jessen und Isabelle Willnauer

Abbildung 2

3

Standorte der Untersuchungsgemeinden (eigene Darstellung)

Was kennzeichnet Großsiedlungen in kleinen Städten? Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Gemeinsam ist allen Siedlungen das städtebauliche Leitbild der gegliederten und aufgelockerten Stadt – baulich dichtere Strukturen nach dem Leitbild „Urbanität durch Dichte“ wurden in den kleineren Kommunen auch in den 1970er Jahren offenbar nicht errichtet . So sind die städtebauliche Anmutung und das Straßenbild der Siedlungen durchweg sehr ähnlich, ohne dass man hier signifikante regionale oder zeitliche Unterschiede feststellen könnte . Dies ist insofern nicht trivial, als

Großsiedlungen in kleinen Städten

93

Alter und Standort stark streuen, von der holsteinischen Siedlung Wedel Elbhochufer (Baubeginn: Mitte der 1950er Jahre) bis zur oberbayrischen Siedlung Haar Jagdfeldring (Fertigstellung: Beginn der 1970er Jahre). Dieser Eindruck einer erstaunlich hohen Homogenität im äußeren Erscheinungsbild geht insbesondere in den Geschossbauten bis in die Dachformen, Fassadengliederung, Fensterformate und bezieht sich gleichermaßen auf Gestalt, Farbigkeit und Materialität. Hier wird nicht nur die vereinheitlichende Wirkung städtebaulicher Leitbilder, sondern auch der Normvorgaben des sozialen Wohnungsbaus sowie der Richtlinien zum Ausbau von Straßen (RAST) sichtbar. Entsprechend diesem Leitbild erfolgt die Haupterschließung häufig über eine manchmal namensgebende Ringstraße, von der dann in klassischer Hierarchie Stichstraßen und Wohnwege abzweigen; die privaten Stellplätze sind in aller Regel als ebenerdige Stellplatzanlagen oder Garagenhöfe ausgebildet. Tiefgaragen sind die Ausnahme. Allen Siedlungen gemeinsam ist auch die Mischung verschiedener Gebäudetypen. und Rechtsformen, Insbesondere der Mix der verschiedenen Wohntypologien – vom Einfamilienhaus über die Wohnzeile bis zum Punkthochhaus sind ebenso wie die raumgreifenden Erschließungssysteme in den Schwarzplänen sehr gut abzulesen. Hierzu gehört auch die Gliederung der Siedlungen durch Grünzüge, in denen in aller Regel die öffentlichen Versorgungsinfrastrukturen, namentlich die Schulen und Kindergärten, platziert sind. Amberg Sebastiansviertel

Nürtingen Roßdorf

Haar Jagdfeldring

Unna Berliner Allee

Neu-Isenburg Gravenbruch

Neuwied Raiffeisenring

Wedel Gartenstadt Elbhochufer

Abbildung 3  Schwarzpläne der Fallsiedlungen (eigene Darstellung)

Wertheim Wartberg

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Johann Jessen und Isabelle Willnauer

Die Großsiedlungen haben in Klein- und Mittelstädten eine hohe quantitative Bedeutung für die örtliche Wohnungsversorgung; im Mittel umfassen sie 13 Prozent aller Wohnungen, damit einen sehr viel größeren Anteil als in Großstädten, wo sie nur zwei Prozent des Gesamtwohnungsbestands ausmachen. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den untersuchten Siedlungen: In Amberg, Wedel und Wertheim liegen 10 Prozent des kommunalen Gesamtwohnungsbestandes in der jeweiligen Großsiedlungen. In Neu-Isenburg und Haar fällt der Anteil mit bis zu 30 Prozent ganz besonders groß aus. Tabelle 2 Anteil der Großsiedlungen am kommunalen Gesamtwohnungsbestand (Quelle: Angaben von Stadt und Wohnungswirtschaft, Zensus 2011) Siedlung Amberg Sankt Sebastiansviertel Haar Jagdfeldring Neu-Isenburg Gravenbruch Neuwied Raiffeisenring Nürtingen Roßdorf Unna Berliner Allee Wedel Gartenstadt Elbhochufer Wertheim Wartberg

Anteil am Gesamtwohnungsbestand [%] 10 30 19 4 9 6 10 10

In allen Siedlungen kommt den Mietwohnungsbeständen eine große Bedeutung für die Versorgung einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen mit bezahlbarem Wohnraum zu. Obgleich es mittlerweile kaum noch sozial gebundene Wohnungen gibt, gehört das kommunale Mietwohnungsangebot in diesen Siedlungen bis heute zum preiswerten Marktsegment, was gerade für die Kommunen in der Nähe von Großstädten mit ihren gegenwärtig stark angespannten Wohnungsmärkten von großer Bedeutung ist. Unterschiede bestehen hinsichtlich der Lage in der Stadt. Es dominieren ohne Frage die Siedlungen in bewusst gewählter exponierter und isolierter Randlage: Wertheim Wartberg liegt auf der Höhe oberhalb des Maintals weithin sichtbar

Großsiedlungen in kleinen Städten

95

gegenüber der historischen Altstadt, von ihr getrennt durch die Tauber; ähnliches gilt für Nürtingen Roßdorf; Neu-Isenburg Gravenbruch ist gezielt in den Wald hinein gebaut worden, eine heute kaum mehr vorstellbare Standortentscheidung; der Name Gartenstadt Elbhochufer in Wedel verweist schon auf die prominente Lage, auch wenn sie in der Siedlung selbst kaum noch wahrnehmbar ist. Deutlich werden die Vor- und Nachteile der Errichtung von Siedlungen auf freien Flächen am Rande der Stadt Trabantenkonzepts. Meist wird die landschaftliche Vorzugslage damit erkauft, dass die Siedlungen mit der Stadt verkehrlich nicht eng vernetzt sind.

Abbildung 4  Siedlung Wartberg in Wertheim (Foto: Isabelle Willnauer)

Man ist in den Nachkriegsjahren keineswegs immer diesem Ideal des Trabanten gefolgt, sondern vernetzte die neue Siedlung eng mit dem bestehenden Stadtgefüge, so in Neuwied und in Amberg. Ob dies aus einem nicht weiter reflektierten Pragmatismus heraus geschah oder man sich bewusst gegen das damalige dominante Konzept des Trabanten positionierte, lässt sich nicht mehr feststellen. Weitere Unterschiede zeigen sich in der Zusammensetzung der Eigentümerstruktur. Siedlungen, in denen es einen höheren Anteil an Geschosswohnungsbau gibt, haben meist einen höheren Mietwohnungsanteil. Diese wurden oft durch ein oder zwei Träger errichtet, insbesondere durch die kommunale Wohnungsbau-

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gesellschaft (?). Die Einfamilienhäuser wurden nach der Errichtung durch selbstnutzende Eigentümer bewohnt; so hat beispielsweise das Sebastiansviertel in Amberg, wo sehr viele unterschiedliche Einfamilienhäuser gebaut wurden und nur wenig Geschosswohnungsbau entstanden ist, einen Anteil selbstnutzender Eigentümer von 70 Prozent. Einen Sonderfall bildet hier nur Neu-Isenburg Gravenbruch. Dort wurden die Wohnungen nach der Fertigstellung umgehend als Wohneigentum an Einzeleigentümer verkauft. Von Beginn an waren die Geschossbauten im Besitz von Wohneigentümergemeinschaften. Tabelle 3 Anteil Miete und Eigentum; Zahl institutioneller Wohnungsanbieter zum Zeitpunkt des Erstbezugs (Quelle: Angaben von Stadt und Wohnungswirtschaft sowie eigene Auszählung anhand von Planunterlagen) Siedlung

Amberg Sankt Sebastiansviertel Haar Jagdfeldring Neu-Isenburg Gravenbruch Neuwied Raiffeisenring Nürtingen Roßdorf Unna Berliner Allee Wedel Gartenstadt Elbhochufer Wertheim Wartberg

Institutionelle Wohnungsanbieter Erstbezug

Wohnungen

Miete [%]

Eigentum [%]

2

1.000

30

70

1

2.900

43

57

WEG dominant (3)

3.000

nicht ermittelbar

nicht ermittelbar

1

1.600

50

50

diverse

1.900

nicht ermittelbar

nicht ermittelbar

nicht ermittelbar

1.430

70

30

1

1.700

70

30

1

1.150

66

34

Das Quartiersleben ist in den Siedlungen unterschiedlich stark ausgeprägt. Besonders vielfältig sind öffentliche Beteiligungsangebote und Formen des Bürgerengagements in Nürtingen, Unna, Wedel und Wertheim, wo Kommune, Kirche, Freie Träger und Selbstorganisationen der Bewohner das Zusammenleben gestalten. In Amberg, Haar, und Neu-Isenburg gehen die Angebote von den Kirchen aus. In Neuwied Raiffeisenring gibt es überhaupt keine Organisationen, die ein

Großsiedlungen in kleinen Städten

97

gemeinschaftliches Quartiersleben fördern. Dies hat seinen Grund darin, dass die Siedlung inzwischen integrierter Bestandteil eines übergeordneten Stadtteils ist. Wo viele Träger zusammenwirken, sind die Angebote auch breit gefächert und richten sich an unterschiedliche Zielgruppen. In Unna, Wedel und Wertheim werden die Angebote durch ein Stadtteilzentrum bzw. Quartiersmanagement erfolgreich miteinander vernetzt, so dass mehr Menschen teilhaben und auch Synergien entstehen, wie bspw. die gemeinschaftlich organisierten Stadtteilfeste in Wedel und Wertheim, die auch Bewohner aus anderen Stadtteilen in die Siedlung locken. Angesichts der kleinen Fallzahl lässt sich nur in aller Vorsicht verallgemeinern, dass das organisierte Quartiersleben und das Bürgerengagement in den Trabantensiedlungen in besonderem Maße ausgeprägt sind: je stärker die räumliche Isolation, desto ausgeprägter der Grad der Selbstorganisation. Auffällig war auch, dass in den Siedlungen, in denen die sozialen Probleme der Bewohnerschaft besonders groß sind, die Regelangebote der Kommunen stärker ausfallen. Dies ist unter anderem in Unna der Fall, wo die Initiative zur Stabilisierung und Aufwertung vom Jugendamt ausgeht. Übergreifend gilt des Weiteren, dass die Kirchengemeinden eine wichtige Rolle im Quartiersleben einnehmen, bisweilen sind sie sogar der einzige Träger von Kultur- und Freizeitangeboten wie etwa in Amberg.

4

Wie haben sich die Großsiedlungen verändert?

Auffallend war, wie wenig sich die Siedlungen in baulich-räumlicher und in funktionaler Hinsicht in den vergangenen Jahrzehnten verändert haben. Nirgendwo hat es – mit wenigen Ausnahmen und im Unterschied zu den meisten Großsiedlungen in Großstädten – strukturverändernde Eingriffe durch Umbau, Abriss, Erweiterung oder Nachverdichtung gegeben. Dies lässt sich zum Teil auch mit der gezielten Auswahl von Siedlungen, die noch nicht in eines der Bund-LänderFörderprogramme aufgenommen wurden, erklären. Es gibt eine einzige Ausnahme: Durchweg gewandelt hat sich die Ausstattung mit privaten Versorgungseinrichtungen des täglichen Bedarfs. Ursprünglich hatten alle Siedlungen ein Ladenzentrum mit privatem Einzelhandel (bisweilen auch zwei wie in Nürtingen und Neu-Isenburg), meist in der Mitte der Siedlung oder an der Haupterschließungsstraße, oft um einen Platz gruppiert; es überwog hier die zeittypische eingeschossige Pavillonarchitektur; nur in Einzelfällen wurden Läden und Restaurants auch in den Erdgeschossen von Wohnbauzeilen vorgesehen (Amberg). Der Strukturwandel im Einzelhandel und die veränderten Einkaufs- und Konsumgewohnheiten haben schon sehr früh dazu geführt, dass die meisten Nahversorger ihren Standort aufgegeben haben und oft nur Restnutzungen wie Bankfilialen ver-

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blieben. Das Angebot ist inzwischen, wenn überhaupt vorhanden, stark ausgedünnt. Die schlechte Nahversorgung stellt vor allem ältere Bewohner vor Probleme.

Abbildung 5  Das genossenschaftliche „Roßdorf-Lädle“ in der Siedlung Roßdorf in ­Nürtingen (Foto: Isabelle Willnauer)

Allerdings konnten erstaunliche Anpassungsstrategien beobachtet werden. In Nürtingen etwa haben Bewohner der Siedlung einen Genossenschaftsladen gegründet, um den Fortzug des Supermarktes zu kompensieren. Dieser bietet auch Lieferdienste für Bewohner mit stark eingeschränkter Mobilität an und hat sich darüber hinaus durch Angebote wie eine kirchliche Sprechstunde als sozialer Treffpunkt etabliert. In Unna hat sich das familiengeführte Lebensmittelgeschäft „MaxiMarkt“ darauf spezialisiert, die verschiedenen Vorlieben seiner multikulturellen Kundschaft zu bedienen. Dort gibt es Regalzeilen mit türkischen, polnischen und russischen Produkten. Diese Strategie erweist sich als so erfolgreich, dass der Inhaber nun plant zu expandieren, nachdem zuvor große Supermarktketten den Standort aufgegeben hatten. Für die augenfälligste Veränderung in den Siedlungen sorgt die Natur durch die Verwaldung der Freiflächen. Die Bäume, die in den 1950er bis 1970er Jahren gepflanzt wurden, sind mittlerweile hochgewachsen. Dies macht eine besondere Qualität der Siedlungen aus, führt aber auch dort, wo sie nicht genügend gepflegt und zurückgeschnitten werden, zu einer Verschattung der Südfenster. Auch die ursprüngliche städtebauliche Gliederung der Siedlung durch die Grünflächen ist oft kaum noch erkennbar.

Großsiedlungen in kleinen Städten

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Abbildung 6  Umfassend sanierter Geschosswohnbau des Bau- und Sparvereins ­Dortmund eG in der Berliner Allee, Unna (Foto: Isabelle Willnauer)

Abbildung 7 Unzureichend instandgehaltene Geschosszeile im Besitz privater Einzeleigentümer, ebenfalls Unna (Foto: Isabelle Willnauer)

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Selbstverständlich hat es in den letzten Jahrzehnten Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen wie Isolierverglasung, Wärmedämmung, Austausch der Heizungsanlagen, Sanierung der Balkone etc. in den Mietwohnbauten gegeben: In den Siedlungen, die durch eine Vielfalt institutioneller Wohneigentümer geprägt sind, ist das Gesamtbild in Abhängigkeit von den Geschäftsstrategien der Eigentümer auffallend uneinheitlich. Hier finden sich wie in Unna, Wedel oder Wertheim kürzlich erneuerte Bestände und umsichtig aufgewertete private Freiflächen neben sichtbar vernachlässigten Gebäudekomplexen und abgenutztem Wohnumfeld. Über die Jahre hat es grundlegende Veränderungen der Eigentümerstruktur gegeben, nicht anders als in den Großsiedlungen der Großstädte. In vielen Fällen wurden Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt. Auch hat sich die Zahl der Wohnungsunternehmen durch Verkauf erhöht (siehe Tab. 4). In einigen Fällen haben international agierende Immobilienfondsgesellschaften einzelne oder kleinere Gruppen von Geschosswohnbauten gekauft, die sie dem Anschein nach als Abschreibungsobjekte nutzen. In manchen Siedlungen hat es außerdem mehrfache, teils schnell aufeinanderfolgende Eigentümerwechsel gegeben, die spekulative Praktiken vermuten lassen. Diese Tendenzen werden begleitet von einer kontinuierlichen Verringerung der Sozialbindungen, sodass die wichtige Funktion der Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum perspektivisch gefährdet ist. Bei den Eigentümern der Einfamilien- und Reihenhäuser handelte es sich bei der Errichtung überwiegend um Selbstnutzer. Je nach Alter der Siedlung sind der Generationswechsel und der damit verbundene Erbübergang unterschiedlich weit vorangeschritten. In den älteren Siedlungen wie in Wedel ist er fast abgeschlossen, in den jüngeren wie etwa in Nürtingen gibt es noch einen großen Anteil von Erstbeziehern, die inzwischen meist als Rentner allein in ihren Häusern leben. Beim Eigentümerwechsel kommt es häufig zu „Sprunginvestitionen“, etwa mit Anbauten, Aufstockungen und durchgreifender Erneuerung der Haustechnik. Die laufenden Instandsetzungen und kleineren Modernisierungen, farbliche Umgestaltungen und andere Individualisierungen des äußeren Erscheinungsbilds (Austausch von Eingangstüren und Fenstern) werden bisweilen in Eigenleistung erbracht. Wie in allen Großsiedlungen dieser Epoche hat sich auch die Bewohnerzahl über die Jahre nicht nur verringert, die Wohnbevölkerung ist auch älter geworden. Den Alterungsprozess abschwächend hat sich gleichzeitig kontinuierlich in den Mietwohnungen der Migrantenanteil erhöht, wobei Russland-Deutsche, insbesondere in Wertheim, Amberg, Neuwied und Nürtingen, auffallend stark vertreten sind. Eine Erklärung hierfür ist darin zu suchen, dass die massive Zuwanderung der Russland-Deutschen Ende der 1980 Jahre zusammenfiel mit dem ersten Generationswechsel in diesen Siedlungen, die damals noch über einen deutlich höheren Anteil

Großsiedlungen in kleinen Städten

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an sozialgebundenen Wohnungen verfügten. Darüber hinaus gibt es in fast allen untersuchten Siedlungen einen hohen, im Vergleich zur Gesamtstadt überdurchschnittlichen Anteil an Bewohnergruppen, die von Transfereinkommen abhängig sind, nur über niedrige Bildungsabschlüsse verfügen oder in anderer Weise sozial belastet sind. Tabelle 4­ Zahl der institutionellen Wohnungsanbieter zum Erstbezug und 2015 (Quelle: Angaben von Stadt und Wohnungswirtschaft sowie Literaturrecherche) Siedlung Amberg Sankt Sebastiansviertel Haar Jagdfeldring Neu-Isenburg Gravenbruch Neuwied Raiffeisenring Nürtingen Roßdorf Unna Berliner Allee Wedel Gartenstadt Elbhochufer Wertheim Wartberg

Institutionelle Wohnungsanbieter Erstbezug

Institutionelle Wohnungsanbieter 2015

2

2

1

2

WEG dominant (3)

(3)

1

1

diverse

diverse

nicht ermittelbar

7

1

4–5

1

2–3

Fast alle Siedlungen haben über die Jahre einen Imagewandel erfahren. Bei Erstbezug wurden sie noch uneingeschränkt positiv bewertet. Die Bewohner waren stolz auf ihre modernen und komfortablen Wohnungen im Grünen; die Stadt war stolz auf das große städtebauliche Projekt, das ihr gelungen war. In den Anfangsjahren boten die Siedlungen noch Motive für Ansichtskarten (Abb. 8). Über die Jahre hat sich das Image der Siedlungen mit den Veränderungen der Sozialstruktur – auch durch den Zuzug ausländischer Familien und Russland-Deutscher – allmählich, aber spürbar verschlechtert; letztere imageprägend wie in Nürtingen, wo die Siedlung Roßdorf den Spitznamen „Russdorf“ trägt. Gleichwohl ist das Ausmaß der Stigmatisierung der Siedlungen nicht vergleichbar mit den Großsiedlungen in den Großstädten, die häufig schon unmittelbar nach Erstbezug als der Inbegriff sozialer Brennpunkte galten.

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Abbildung 8  Ansichtskarte der Siedlung Neu-Isenburg Gravenbruch (Quelle: Stadtarchiv Neu-Isenburg)

Stabil positiv ist das Außenbild vor allem in den Siedlungen mit einem hohen Anteil selbstnutzender Eigentümer. Über die Zeit gleichbleibend hohe Wertschätzung genießt etwa das als Bundesdemonstrativbauvorhaben errichtete Sebastiansviertel in Amberg, das die Bewohner bis heute in Anlehnung daran liebevoll „D-Programm“ nennen. In den letzten 15 Jahren hat sich die Außenwahrnehmung nach Auskunft der lokalen Experten vielerorts wieder verbessert. Sie führen dies auf die bessere Integration der Migranten und auf die diesbezüglichen Anstrengungen der sozialen Einrichtungen und ihre passgerechten Angebote zurück.

5

Planungspraxis – punktuell und fragmentiert

Keine der untersuchten Fallkommunen verfolgt bisher für ihre Siedlung eine explizite Strategie. Dies verweist vorderhand auch auf die Tatsache, dass gezielt nur Siedlungen ausgewählt wurden, die bisher noch nicht in Förderprogramme des Bundes und der Länder aufgenommen wurden. Gleichwohl lassen sich unterschiedliche Haltungen oder Politikstile der Gemeinden im Umgang mit der Siedlung identifizieren. Diese bewegen sich zwischen zwei Polen: Zum einen haben

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manche kommunalen Verwaltungen die Entwicklungen in der Siedlung stets im Blick und betreiben im Sinne der Prävention aufmerksam ein proaktive Instandhaltung, andere dagegen halten sich ausdrücklich zurück und intervenieren erst dann, wenn Forderungen durch die Bürger an sie herangetragen werden oder Umstände sie dazu zwingen, etwa Schäden oder Konflikte.

Was bisher geschah

Auffallend ist, wie wenig die kommunale Planungsverwaltungen und andere beteiligte Akteure über die aktuelle Situation und die bisherige Entwicklung der Siedlungen wissen. Die Kenntnisse sind insgesamt veraltet, lückenhaft und wenig systematisch; dies bezieht sich auf alle zentralen Aspekte: auf den baulichen-technischen Zustand der Gebäude und öffentlichen Räume sowie auf die Alters- und Sozialstruktur der Bewohner und deren Veränderung in den letzten Jahrzehnten. Schmerzhaft empfunden wird vor allem, dass es in der Regel keine Informationen über die Eigentümerstruktur gibt. Wem welche Wohnung gehört und welche Gründe für Eigentümerwechsel vorliegen, ist den kommunalen Planungsverwaltungen weitgehend unbekannt (vgl. auch Kompetenzzentrum Großsiedlungen e.V. 2015, S. 152; Wüstenrot Stiftung 2013, S. 191f). Zu diesem Informationsdefizit trägt auch bei, dass es in aller Regel keinen wechselseitigen oder punktuellen Austausch zwischen der planenden Verwaltung und den Eigentümern der Mietwohnungen gibt. Etwas besser ist die Informationslage über den baulichen Zustand der Gebäude allein dort, wo die kommunale Wohnungsbaugesellschaft mit einem großen Anteil an Wohnungen vertreten ist. Für keine der Siedlungen gibt es einen städtebaulichen Rahmenplan zur Weiterentwicklung und Modernisierung. Es besteht auch nicht die Absicht, für die Großsiedlung die Aufnahme in eines der Programme der Städtebauförderung zu beantragen. Eine Ausnahme bildet die Stadt Unna, die sich mit ihrer Siedlung inzwischen erfolgreich um Aufnahme in das Programm Soziale Stadt beworben hat. In Wertheim wurde ein Gutachten zur Abschätzung der mittel- und langfristigen Perspektiven des Wohnungsbestands der Großsiedlung auf dem regionalen Wohnungsmarkt in Auftrag gegeben (Baumgärtner et al. 2015). Jenseits dieser grundsätzlichen kommunalpolitischen und planungsstrategischen Zurückhaltung hat es gleichwohl ein breites Spektrum sehr unterschiedlicher kommunaler Aktivitäten in den Siedlungen, teils in Abstimmung mit den Wohnungsanbietern, gegeben. Städtische Wohnungsunternehmen und Wohnungsbaugenossenschaften spielen darin häufig eine tragende Rolle. Städtische Investitionen fließen vor allem in die Instandhaltung und Modernisierung der technischen und sozialen Infrastruktur (Erschließung, Ver- und Entsorgung), erfolgen aber nach Bedarf und punktuell.

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Beispiel Freiflächen: In der Regel wurden die öffentlichen Spielplätze saniert und Spielgeräte erneuert. Unterschiedliche Auffassungen der Freiraumgestaltung und -pflege werden in der Intensität sichtbar, mit der das ursprüngliche Konzept fließender Freiräume und sonnenbeschienener Fassaden durch Zurückschneiden der Vegetation aufrechterhalten wird. Manche halten Sichtachsen frei, andere lassen die Siedlung „verwalden“. Weitreichendere Umgestaltungen der Grünräume durch Umnutzung sogenannter Abstandsflächen zu Mietergärten oder neue Formen des Urban Gardening werden nur punktuell verfolgt (Haar, Amberg). Insgesamt jedoch vermitteln die grünen Freiflächen in allen Siedlungen als Ganzes einen gut gepflegten Eindruck – mit nur wenigen Ausnahmen im Umfeld einiger untätiger Wohnungsbaugesellschaften.

Abbildung 9  Erneuerter Kinderspielplatz in Wertheim (Foto: Isabelle Willnauer)

Beispiel Erschließungs- und Stellplatzflächen: Sie erscheinen weitestgehend unverändert gegenüber dem Zeitpunkt des Erstbezugs. In Nürtingen Roßdorf wurden einzelne Straßen erneuert und einige öffentliche Stellplätze ergänzt, ähnlich auch in Wedel. Im Wesentlichen wird aber in allen Siedlungen der Bestand als hinreichend funktionsfähig angesehen. Es hat keine durchgreifenden Maßnahmen zur Sanierung und zum Umbau der Netze gegeben, etwa den Rückbau überdimensionierter Erschließungsflächen, die Neugestaltung und Ausbau der Fußund Radwege (zum Beispiel im Hinblick auf Barrierefreiheit), die Anpassung der

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Stellplatzanlagen oder Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung durch Mischflächen wie sie in vielen Großsiedlungen der Großstädte Standard sind. Auch Standorte für Car-Sharing und Mietfahrrad-Stationen oder ähnliche neuere Mobilitätskonzepte in Quartieren gibt es bisher nicht. Größere Interventionen in die Struktur der Siedlungen sind bisher die Ausnahme. In einigen Siedlungen hat es in den 1980er und -90er Jahren kleinere Erweiterungen der Siedlungen durch Wohnungsneubau gegeben, so in Nürtingen (Abb. 10) und in Wertheim. Heraus sticht die Schaffung der Neuen Mitte Haar Jagdfeldring. Dort wurde zwischen 2004 und 2008 das damals desolate Ladenzentrum grundlegend erneuert. In Verbindung mit dem Bau eines Bürohochhauses, eines Stadtteilkinos und neuen Einzelhandelsflächen wurden zusätzliche Wohnungen geschaffen, gruppiert um einen neuen öffentlichen Platz, dessen Mittelpunkt ein „Ziersee“ bildet (Abb. 11). Der Bau eines Stadtteilzentrums im Jahre 1990 in der Gartenstadt Elbhochufer in Wedel ist das einzige Beispiel für eine umfassende spätere bauliche Ergänzung der Versorgungsinfrastruktur (Abb. 12). Das Stadtteilzentrum bildet heute den sozialen Mittelpunkt der Siedlung. Insgesamt ist die Versorgung der Siedlungen mit öffentlicher Infrastruktur (Schulen, Kindergärten) gut gesichert, die Gebäude wurden laufend instandgesetzt und modernisiert. Nachträgliche durchgreifende Anpassungen und Umbauten waren bisher nicht erforderlich.

Abbildung 10 Erweiterung der Siedlung durch Wohnungsbau in Nürtingen Roßdorf in den 1980er Jahre (Foto: Isabelle Willnauer)

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Abbildung 11 Neue Mitte in Haar Jagdfeldring mit Ziersee (2004–2008) (Foto: Isabelle Willnauer)

Abbildung 12 Stadtteilzentrum in der Gartenstadt Elbhochufer, Wedel (gebaut 1990) (Foto: Isabelle Willnauer)

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In diesem Zusammenhang sind auch die ambitionierten sozialpolitischen Strategien zu erwähnen, die die Stadt Unna in der Siedlung Berliner Allee verfolgt. Sie hat ein aktives Belegungsmanagement eingerichtet, um die Bewohnerstruktur der einzelnen Häuser zu stabilisieren: Hierzu wurde ein Aktionsbündnis aus Stadt und Wohnungswirtschaft gebildet. In Regie des Sozial- und Jugendamtes wurde ein Stadtteilbüro eingerichtet; von wo aus ein Quartiersmanager eine Fülle von gruppenspezifischen Angeboten für die Bewohner koordiniert.

Warum so wenig geschah

Wie ist diese insgesamt große planerische und stadtpolitische Zurückhaltung der untersuchten Gemeinden in diesen Siedlungen zu erklären? Dies steht in starkem Kontrast zur Praxis in den Großstädten, in denen die Großsiedlungen schon seit Jahrzehnten immer wieder im Fokus von Nachbesserungs-, Erneuerungs- und Umbaustrategien standen Die Gründe für diese Zurückhaltung sind vielfältig und mögen sich in ihrem Zusammenspiel auch von Fall zu Fall unterscheiden: • Insgesamt können die Großsiedlungen in den Klein- und Mittelstädten als stabile bzw. stabilisierte Siedlungen gelten. In Klein- und Mittelstädten sind die sozialen Konflikt- und Problemlagen nicht oder deutlich schwächer ausgeprägt, die die Großstädte zu ihren planerischen und wohnungspolitischen „Dauereinsätzen“ in ihren Großsiedlungen veranlassen. • Vorhandene Probleme und Defizite werden daher noch als beherrschbar bzw. akzeptabel gesehen. Wegen der insgesamt geringeren Herausforderungen sind Politik und Planung in den kommunalen Verwaltungen der Klein- und Mittelstädte sowie die lokale Wohnungswirtschaft bisher durchaus in der Lage gewesen, die anfallenden Aufgaben in diesen Siedlungen zu bewältigen. Darauf verweisen der insgesamt gute Zustand der öffentlichen Versorgungseinrichtungen, namentlich der Schulen und Kindertagesstätten und auch des öffentlichen Freiraums. • Hinzu kommen die knappen personellen, organisatorischen und finanziellen Ressourcen, die den Verwaltungen kleiner Städte zur Verfügung stehen. Die kommunalen Vertreter verwiesen darauf, dass sie gezwungen sind, auch mit planerischer Aufmerksamkeit haushälterisch umzugehen. Angesichts der aktuell stabilen Situation in ihren Großsiedlungen werden andere kommunale Probleme, vor allem der drohende Funktionsverlust der Citylagen, als vordringlicher angesehen. Hier spielen auch die begrenzten Verwaltungskapazitäten eine Rolle, die Klein- und Mittelstädte zu Schwerpunktsetzungen zwingen. Schließlich habe die Erfahrung gezeigt, dass insbesondere die kleineren Städte (unterhalb 50.000 Einwohner) bei der Bewerbung um die Aufnahme in Programme

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der Städtebauförderung kaum Chancen haben, wenn sie bereits mit einer Maßnahme in einem der Programme vertreten sind. Dies wurde zumindest als einer der Gründe für die Zurückhaltung angeführt. • Schließlich mag auch eine Rolle spielen, dass die Bewohner der Großsiedlungen in der Regel nicht im Gemeindeparlament und in den städtischen Organisationen so stark repräsentiert sind, wie es ihrer quantitativen Bedeutung entspräche; dies gilt insbesondere für die Bewohner mit Migrationshintergrund. Insofern haben die Belange dieser Siedlungen im Vergleich zu den anderen Ortsteilen meist eine schwache kommunalpolitische Lobby.

6 Handlungserfordernisse So stabil und konsolidiert sich die Situation in den Großsiedlungen der untersuchten Klein- und Mittelstädte derzeit auch darstellt, so zeichnen sich gleichwohl auf unterschiedlicher Ebene Problemlagen ab, die aber bisher noch nicht oder nur teilweise virulent sind und auch durch die aktuelle Nachfragesituation auf dem Wohnungsmarkt überdeckt werden. Hier lassen sich drei Perspektiven unterscheiden: • Baulich-räumlicher Erneuerungsbedarf: Die Siedlungen sind mittlerweile in der Regel zwischen 40 und 50 Jahre alt. Trotz laufender, meist punktueller Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen in den letzten Jahren werden der öffentliche Raum, die privaten Stellplatzanlagen sowie die technische Infrastruktur mittelfristig grundlegend zu erneuern sein. Hier sind neuere Anforderungen an Stadtmobilität und Barrierefreiheit zu berücksichtigen. Die oft schwierige Orientierung im Raum und die Vernetzung mit der umgebenden Landschaft sind zu verbessern; das Umfeld der meist funktionsgeschwächten Siedlungszentren ist aufzuwerten. Die energetische Ertüchtigung der Wohnungsbestände steht trotz der zahlreichen Einzelmaßnahmen der Vergangenheit unverändert auf der Agenda. • Wohnungsmarktlage: Aus zwei unterschiedlichen Richtungen können die Siedlungen in wohnungspolitischer Perspektive unter Druck geraten. In den Wachstumsregionen sind auch Klein- und Mittelstädte aufgerufen, ihren Beitrag zur Bewältigung der Versorgungsengpässe auf dem regionalen Wohnungsmarkt zu leisten. Zwar gibt es in den untersuchten Siedlungen keine Wohnungsleerstände. Keiner der interviewten Vertreter der Wohnungsanbieter berichtete von Vermietungsproblemen. Diese sind angesichts des Wohnungsmangels, insbesondere an den agglomerationsnahen Standorten wie Wedel (Region

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Hamburg) oder Haar (Region München), in naher Zukunft auch nicht zu erwarten. Allerdings gibt es keinen Zweifel darüber, dass die Wohnungsbestände in Großsiedlungen kleiner und mittelgroßer Städte in Zeiten entspannter Wohnungsmärkte mit Vermietungsproblemen zu rechnen haben. Die übergreifenden Tendenzen des demographischen Wandels und der großräumigen Wanderungsbewegungen werden derzeit durch die Zuwanderung von Migranten nur überlagert. Hinzu kommt, dass es mit dem sozialen Wandel mittelfristig zu Veränderungen in der Wohnungsnachfrage auch in den Mittel- und Kleinstädten kommen wird, denen das Wohnungsangebot in den Siedlungen nicht mehr immer gerecht werden können. • Migration und Integration: Schließlich haben die Proteste von Russlanddeutschen in den von uns untersuchten Siedlungen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in ihrer Umgebung Ende des Jahres 2015 auf einen bisher zu wenig beachteten und auch noch nicht näher untersuchten Sachverhalt aufmerksam gemacht. Offensichtlich sind gerade die Großsiedlungen der Klein- und Mittelstädte besonders prägnante Orte, in denen die getrennten Lebenswelten von Russland-Deutschen einerseits und der übrigen Wohnbevölkerung andererseits auf engem Raum nebeneinander bestehen. Dieser Tatsache und den damit verbundenen Konsequenzen sind sich die beteiligten Akteure, insbesondere die kommunalen Verwaltungen und die Wohnungsbaugesellschaften, aber auch die Stadtgesellschaft nicht immer in ihrer ganzen Reichweite bewusst. Hier gibt es einen erheblichen Informations- und Kommunikationsbedarf, der weit über den hier untersuchten Siedlungstypus hinausweist, sich dort aber in besonderer Weise manifestiert (vgl. Worbs et al. 2013).

7 Empfehlungen Empfehlungen zu Gebietstypen stehen immer in einem kaum auflösbaren Spannungsfeld: Sie müssen einerseits so allgemein sein, dass sie für die große Mehrheit der Einzelfälle Gültigkeit beanspruchen können, ohne dabei an inhaltlicher Aussagekraft zu verlieren, und sie müssen andererseits so konkret sein, dass die Mehrheit der Empfehlungen für alle Gemeinden handlungsleitend sein kann. Insofern liegt jeder der folgenden Empfehlungen eine entsprechende Abwägung zugrunde, die allerdings keinen der adressierten Akteure entlastet, sie an die spezifischen Situationen anzupassen. Die Ergebnisse der vergleichenden Analyse und eine erste Fassung der Handlungsempfehlungen sind auf dem Workshop „Perspektiven für Großsiedlungen

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in Klein- und Mittelstädten“ am 4. Dezember 2015 in Wertheim, einer der Fallstudiengemeinden, vorgestellt und diskutiert worden. Zum Workshop waren alle interviewten Expertinnen und Experten aus den Fallstudiengemeinden sowie weitere interessierte Fachleute aus den Gemeinden, der Wohnungswirtschaft und der Forschung geladen worden. Schließlich bilden die Handlungsempfehlungen der thematisch ähnlich orientierten Untersuchungen (Kompetenzzentrum Großsiedlungen e. V. 2015, S. 151ff und Wüstenrot Stiftung 2013, S. 186ff) einen wichtigen Hintergrund. (1) Die Erneuerung von Großsiedlungen in Klein- und Mittelstädten ist eine wichtige Zukunftsaufgabe. Die Klein- und Mittelstädte mit Großsiedlungen haben sich darauf einzurichten, dass deren Erneuerung einer ihrer wichtigsten Handlungsschwerpunkte in den kommenden Jahren sein wird und sie darauf ihre Ressourcen orientieren müssen, und zwar unabhängig von der jeweiligen aktuellen Marktposition der Wohnungsbestände. (2) Die Erneuerung von Großsiedlungen in Klein- und Mittelstädten ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Planung und Bau der Siedlungen vor 40 bis 50 Jahren gehörte für die Gemeinden zu den größten, komplexen Einzelbauvorhaben ihrer jüngeren Stadtgeschichte. Hierfür waren sie auf Unterstützung von außen angewiesen. Meist lag die Trägerschaft in den Händen damals gemeinnütziger Wohnungsunternehmen oder von Entwicklungsträgern. Die meisten Wohnungen entstanden als sozialer Wohnungsbau. Viele Wohnprojekte wurden als Demonstrativbauvorhaben des Bundes zusätzlich gefördert. Was für die Planung und den Bau der Siedlungen gilt, muss auch für ihre Erneuerung gelten. Sie sollte als eine Gemeinschaftsaufgabe begriffen werden, für die die Gemeinden die Unterstützung von Bund und Ländern in Anspruch nehmen können. Entsprechend sind zukünftige Programme der Städtebauförderung anzulegen. (3) Die Erneuerung von Großsiedlungen in Klein- und Mittelstädten muss in Strategien der Stadtentwicklung eingebunden sein. Als großes eigenständiges Quartier – in der Regel einziges seiner Art in der Gemeinde – und auch wegen der großen quantitativen Bedeutung der Wohnungsbestände für die Wohnungsversorgung stellen die Siedlungen einen zentralen Bezugspunkt für die Stadtentwicklung dar. Entsprechend müssen die Ziele und Konzepte der Erneuerung in die Gesamtstrategien der Stadtentwicklung eingebunden sein. Die Fortschreibung des Stadtentwicklungskonzepts sollte mit der Erarbeitung eines städtebaulichen Rahmenplans für die Großsiedlung Hand in Hand gehen.

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(4) Die Erneuerung von Großsiedlung in Klein- und Mittelstädten muss in sozialorientierte Konzepte kommunaler Wohnungspolitik integriert werden. Die Siedlungen übernehmen seit ihrem Bestehen bis heute in fast allen Gemeinden eine wichtige Aufgabe bei der Versorgung einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen mit Wohnraum. Diese Funktion ist aber durch ein Bündel sich wechselseitig verstärkender Entwicklungen gefährdet und abgeschwächt – der Handlungsspielraum der Kommunen für eine sozialorientierte Wohnungspolitik ist kleiner geworden. Gleichwohl stehen sie in der Verantwortung, die Eigentümer bei der anstehenden Erneuerung der Großsiedlungen zu unterstützen, so dass deren Wohnungsbestände ihre Funktion zur Sicherung der Wohnungsversorgung einkommensschwächerer Bewohnergruppen behalten können. Die Förderinstrumente müssen so ausgelegt werden, dass die vor allem energetisch notwendige Modernisierung der Bestände ihre sozialpolitische Funktion nicht gefährden. Wo in den Siedlungen der Wohnungsbestand durch Nachverdichtung ergänzt werden kann, sollte ein wesentlicher Anteil des Neubaus als geförderter Wohnungsbau errichtet werden. Die Möglichkeiten, im Rahmen der Erneuerung neuen Wohnraum zu schaffen, sollten genutzt werden. Auch so kann der Spielraum für eine aktive kommunale sozialorientierte Wohnungspolitik wieder erweitert und die ursprüngliche Funktion der Siedlungen gestärkt werden. (5) Die Erneuerung der Großsiedlungen in Klein- und Mittelstädten benötigt aktuelle, verlässliche und möglichst fortschreibbare Informationsgrundlagen! Nur auf der Grundlage verlässlicher Gebietskenntnis lassen sich auf die besondere Situation in den Siedlungen zugeschnittene Lösungen erarbeiten und passgenaue Maßnahmen finden. Die Informationsgrundlagen sollten sich nicht nur auf die Siedlung selbst beziehen, sondern auch auf die Situation und Entwicklung des regionalen Wohnungsmarktes. Für beides besteht in fast allen Gemeinden ein erheblicher Nachholbedarf. Als einen ersten wichtigen Schritt zur Erneuerung sollten die Gemeindeverwaltungen sich zunächst durch eine Bestanderhebung und -analyse der Großsiedlung und ihrer Position auf dem regionalen Wohnungsmarkt eine solide Grundlage verschaffen. (6) Städtebaulichen Rahmenplan erstellen und Bewohner daran beteiligen! Für die Erneuerung der Großsiedlungen ist ein städtebaulicher Rahmenplan auf der Basis einer Bestandsanalyse erforderlich. Es geht darum, die funktionalen, baulich-technischen und gestalterischen Leitlinien für die einzelnen Maßnahmen der Erneuerung aufzustellen. Die bisherigen Maßnahmen in den Siedlungen erfolgten meist unkoordiniert, reagierten auf unmittelbaren Bedarf, hatten den Charakter von Reparaturen und schrieben im Wesentlichen den Bestand fort. Zu den Herausforderungen, die sich aus übergeordneten Entwicklungen (Ökologie und

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Energiewende, Mobilitätstechnologien, demographischen Wandel u. a.) und durch Veränderungen der Bedarfslagen vor Ort ergeben, gehören • die Fortführung der energetischen Erneuerung, • die Anpassung der Wohnungen an die Veränderungen der Sozialstruktur und der Wohnungsnachfrage (barrierefreie/-arme Wohnungen, barrierefreies/armes Wohnumfeld), • die bedarfsgerechte Modernisierung der Erschließungsnetze und Stellplatzanlagen, einschließlich Optionen für die neuen Ansätze des Stadtverkehrs (CarSharing, Mietfahrräder, E-Mobilität u. a.) sowie der technischen Infrastruktur zur Ver- und Entsorgung, • die nutzergerechte Gestaltung des öffentlichen Raumes (Orientierung, Durchlässigkeit, Vernetzung mit der Umgebung) und des Wohnumfeldes des Mietwohnungsbestands. Die Suche und Festlegung der inhaltlichen Schwerpunkte und des Vorgehens der Umgestaltung der öffentlichen Räume und der Anpassung der Infrastruktur kann nur gemeinsam mit den Bewohnern erfolgen. Für die Modernisierungsmaßnahmen und die Aufwertung des privaten Wohnumfelds kommt der Aktivierung der Wohneigentümer eine zentrale Rolle zu. (7) Plattform der Akteure schaffen! Für die Erneuerung sollten die Gemeinden eine Plattform des Austauschs und der Koordination schaffen, an der alle wesentlichen Akteure in der Siedlung beteiligt sind. Hierzu gehören neben den Vertretern der einschlägigen Verwaltung (Planungsamt, Sozial- und Jugendamt, Wohnungsamt), Vertreter der Wohnungseigentümer (insbesondere aller Wohnungsunternehmen), Vertreter der in der Siedlung aktiven Vereinigungen, Träger und Kirchen und die organisierten Vertreter der Bewohnerschaft (Mieterrat, Siedlungsverein). Vor allem im Hinblick auf die Kooperation zwischen kommunaler Verwaltung und den wohnungswirtschaftlichen Akteuren hat sich eine solche Plattform als zentrale Voraussetzung nicht nur für die erfolgreiche Erneuerung der Siedlungen, sondern auch für die laufende Quartiersentwicklung erwiesen. Diese Plattform kann unterschiedliche Formen (Beirat, runder Tisch etc.) annehmen und sich eigene Regeln für die jeweiligen Proceduren geben. Sie Plattform dient der wechselseitigen Information, des Austauschs und der Abstimmung von Investitionsund Interventionsabsichten. Es können so leichter die Interessen abgeglichen, Konflikte abgeklärt werden und nicht zuletzt Kooperationsvereinbarungen (zur Wohnungsbelegung und zur Förderpraxis) vorbereitet werden. Hier kann auf den gut dokumentierten reichen Erfahrungsschatz zurückgegriffen werden, der in

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den vergangenen Jahrzehnten bei der Vorbereitung und Durchführung von Konzepten und Projekten in Vorhaben des Förderprogramms „Soziale Stadt“ und „Stadtumbau“ gesammelt wurden. (8) Zusammenhalt stärken und Bewohner aktivieren! Eine große Herausforderung besteht darin, auch die Bewohner zu erreichen, die sich mit der Artikulation ihrer Interessen und Bedürfnisse stark zurückhalten und nur schwer für ein Engagement in ihrem Quartier zu gewinnen sind. Hier bilden Angebote der Beratung und Betreuung, die an das besondere Bewohnerprofil (Senioren, junge Familien, Jugendliche, Migrantenfrauen, Russland-Deutsche etc.) angepasst sind, einen wichtigen und unentbehrlichen Beitrag. Darüber hinaus aber ist eine erhöhte kommunalpolitische Aufmerksamkeit gegenüber diesen Gruppen erforderlich, die über die Themen der Siedlungserneuerung hinausreichen und es verlangen, neue Formen der Ansprache und Einbindung zu erproben. Auch hier bieten die bundesweiten Erfahrungen bei den kommunalen Vorhaben der einschlägigen Bund-Länder-Förderprogramme wichtige, auch unmittelbar praktische Anhaltspunkte. (9) Förderprogramme ausbauen! Damit die Klein- und Mittelstädte die Aufgabe der Erneuerung ihrer Großsiedlungen zukünftig bewältigen können, sind sie auf Förderung von Bund und Ländern angewiesen. Daher sollten die Bund-Länder-Förderprogramme Stadtumbau und Soziale Stadt, die bisher für die Erneuerung von Großsiedlungen am häufigsten in Anspruch genommen wurden, fortgesetzt werden. Nach Auslaufen der Programme sollten äquivalente Programmangebote geschaffen werden, deren Zuschnitt es erlaubt, dass sich Klein- und Mittelstädte mit Großsiedlungen mit Aussicht auf Erfolg um Aufnahme bewerben können. Die Förder- und Rechtsinstrumente zu Aktivierung von Gebäudeinvestitionen seitens der Wohnungswirtschaft müssen so ausgelegt werden, dass die Wohnungen nach der Erneuerung dem unteren Wohnungsmarkt erhalten bleiben und ihren Beitrag zur Versorgung einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen weiterhin leisten. Die besonderen Problemlagen, denen sich kleinere Gemeinden bei der Bewältigung großer und komplexer Vorhaben gegenübersehen, könnten Anlass sein, ein neues ExWoStForschungsfeld „Kleine Gemeinden und große Projekte“ aufzulegen, um durch Pilotprojekte und Modellvorhaben Erfahrungen zu sammeln, gegebenenfalls auch als Vorlauf für ein neues Städtebauförderprogramm.

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Literatur Anders, S., Fritsche, N., Güntner, S., Kreutz, S., Krüger, T., Stotz, P. (2012). Verstetigung im Programm Soziale Stadt. Erfahrungen aus der Praxis. In: Arbeitskreis Stadterneuerung an deutschsprachigen Hochschulen (Hrsg.), Jahrbuch Stadterneuerung 2012 (S. 251– 270). Berlin: Universitätsverlag der TU Berlin. Baumgärtner, C., Jessen, J., Willnauer, I. (2015). Strukturanalyse Wertheim Wartberg. ­Gutachten. Stuttgart, Wertheim. BMBau – Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (1994). Großsiedlungsbericht 1994, Deutscher Bundestag, Drucksache 12/8406. Bonn. BMBau – Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (2000). Stadtentwicklung und Städtebau in Deutschland. Ein Überblick. Berichte. Bd. 5. Bonn. BMVBS/BBR – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung/Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hrsg.). (2012). 10 Jahre Stadtumbau Ost. Berichte aus der Praxis. 5. Statusbericht der Bundestransferstelle Stadtumbau Ost. Berlin. Hannemann, Chr. (1998). Großsiedlungen – Ost. In: Hartmut Häußermann (Hrsg.). Großstadt. Soziologische Stichworte (S. 91–103). Opladen: Leske + Budrich. Jessen, J. (1998). Großsiedlungen – West. In: Hartmut Häußermann (Hrsg.): Großstadt. Soziologische Stichworte (S. 104–115). Opladen: Leske + Budrich. Kompetenzzentrum Großsiedlungen e.V. (Hrsg.). (2015). Perspektiven großer Wohnsiedlungen. Studie Weiterentwicklung großer Wohnsiedlungen. Jahrbuch 2015. Berlin Nelle, A. (2017). 25 Jahre Neubauerneuerung in Ostdeutschland. In: Arbeitskreis Stadterneuerung an deutschsprachigen Hochschulen (Hrsg.), Jahrbuch Stadterneuerung 2017, S. 57–72. Wiesbaden: Springer VS. Worbs, S., Bund, E., Kohls, M., Babka von Gostomski, C. (2013). (Spät-) Aussiedler in Deutschland. Eine aktuelle Analyse aktueller Daten- und Forschungsergebnisse. Forschungsbericht 20. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Nürnberg. Wüstenrot Stiftung (Hrsg.). (2012). Die Zukunft von Einfamilienhausgebieten aus den 1950er bis 1970er Jahren. Handlungsempfehlungen für eine nachhaltige Nutzung. Autoren: Bernd-Kaiser, A., Bläser, K., Danielzyk, R., Fox-Kämper, R., Hopfner, K., Siedentop, S., Simon-Philipp, C., Zakrzewski, P., Ludwigsburg. Wüstenrot Stiftung (Hrsg.). (2013). Das Wohnungsbauerbe der 1950er und 1970er Jahre. Perspektiven und Handlungsoptionen für Wohnquartiere. Autoren: Hopfner, K., SimonPhilipp, C., Ludwigsburg. Wüstenrot Stiftung (Hrsg.). (2018). Große Siedlungen in kleinen Städten. Probleme, Herausforderungen, Perspektiven. Autoren: Baumgärtner, Ch., Jessen, J., Willnauer, I., Ludwigsburg.

Profilgebende Stadt- und Ortsentwicklung in kleinen und mittleren Kurstädten und ­Erholungsorten



Evi Goderbauer

Zusammenfassung

Kleinere und mittlere Kurstädte und Erholungsorte – in eher ländlichen, dünn besiedelten Räumen gelegen – sind häufig wichtige wirtschaftliche und soziale sowie historische und kulturelle Zentren. Sie erfüllen mit ihrem Infrastrukturangebot nicht nur die Ansprüche von Kurgästen und Erholungssuchenden, sondern auch zentralörtliche Versorgungsfunktionen für das Umland. Die Entwicklung der Kurstädte und Erholungsorte in Deutschland ist in mehrerlei Hinsicht Veränderungen unterworfen. Unter dem allgemeinen demographischen Entwicklungstrend treffen häufig Abwanderungstendenzen in große Ballungszentren die Kulisse der kleinen und mittleren Kurstädte. Folgen von Gesundheitsreformen seit Mitte der 1990er Jahre haben ihre wirtschaftliche Basis beeinflusst sowie die lokale Unternehmens- und Beschäftigungsstruktur verändert. Schließungen medizinischer Einrichtungen gingen mit weniger Gästezahlen sowie Arbeitsplatz- und Einwohnerverlusten einher. Sie hinterließen nicht nur bei Kur- und Gesundheitseinrichtungen baulichen Leerstand, sondern führten beispielsweise auch in der Hotellerie, im Gaststättengewerbe, beim Einzelhandel und bei den kommunalen Gemeinbedarfseinrichtungen zu Unterauslastungen und Funktionsverlusten. Eine existentielle und dauerhafte © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3_5

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Herausforderung stellt es zudem dar, den besonderen durch Natur oder Landschaft gegebenen Kur- und Erholungsstatus als Lebens- und Erwerbsgrundlage zu erhalten und vor negativen Umwelteinwirkungen zu schützen. Manche der Kurstädte und Erholungsorte meistern die vielschichtigen Veränderungen und drängenden Herausforderungen, die meist größeren von ihnen sind sogar konkurrenzfähig zu bedeutenden Kurdestinationen im europäischen Ausland und bilden wie aktuell Bad Ems, Baden-Baden und Bad Kissingen zusammen mit acht weiteren „Great Spas of Europe“ eine transnationale Bewerbergruppe um die Aufnahme in die UNESCO-Weltkulturerbeliste (UNESCO 2019). Sie eint die besondere stadträumliche Charakteristik eines über die Jahrhunderte gewachsenen und baulich weitgehend unversehrt gebliebenen Kurorts, bestehend aus: Altstadtkern mit Dienstleistungen und kulturellen Angeboten in historischen Gebäuden, Kurvierteln mit Hotels und Villen in Bäderarchitektur, Gärten und Parks, die die Umgebung prägen und dem Kurzweck dienen. Zwar stellen die „Great Spas of Europe“ in der Summe ein außergewöhnliches Zeugnis der europäischen Bädertradition dar, durch ihr aktuelles Bemühen den Typ „Kurstadt“ mit dem Titel UNESCO-Weltkulturerbe auszuzeichnen, sind sie jedoch auch bedeutsam für die vielen weniger bekannten Kur- und Erholungsorte und ihre Bereitschaft sich den beschriebenen teils schwierigen Entwicklungsprozessen zustellen. Im nachfolgenden Beitrag wird daher mit Blick auf die breite Typenlandschaft des „Kur- und Erholungsorts“ in Deutschland an historische, begriffliche und räumliche Zusammenhänge angeknüpft, Es schließt sich eine Betrachtung der Möglichkeiten zur erfolgreichen Auseinandersetzung mit Veränderungen und Herausforderungen in der Stadt- und Ortsentwicklung an. Dazu werden mögliche Profilierungsstrategien und geeignete Profilierungsebenen vorgestellt. Wichtige strategische Elemente werden schließlich anhand kommunaler Beispiele von Kur- und Erholungsorten, die unter anderem unterstützt durch die Städtebauförderung eine Profilbildung oder -stärkung betreiben, veranschaulicht.

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Historische Anknüpfung

In vielen deutschen Kurstädten finden sich im Stadtbild historische Referenzen auf eine bereits lange zurückliegende Kur- und Bädertradition. Studiert man deren Stadtchroniken reichen entsprechende Bezugnahmen mitunter bis in die antike Zeit zurück, denn bereits im alten Rom war die positive Wirkung bestimmter Böden, heißer Quellen und gesunden Klimas bekannt. Die Nutzung der Badeanstalten war ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens und fast überall dort, wo ­Quellen

Profilgebende Stadt- und Ortsentwicklung …

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im Römischen Reich gefunden wurden, entstanden beeindruckende Thermenanlagen und Badehäuser. Mit dem Untergang des alten Roms verblasste dessen bedeutende Badekultur im Mittelalter, bevor in der Neuzeit mit dem erwachenden Geist auch wieder ein besonderes Bewusstsein für die eigene Gesundheit entstand. Zunächst unternahmen Privilegierte (der Adel und die bürgerliche Oberschicht) Kur- und Erholungsreisen, später immer breitere Schichten der Gesellschaft. Die Sozialkur etablierte sich in Sozialgesetzgebungen seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts und entwickelte sich nach dem II. Weltkrieg, in den deutschen Wiederaufbaujahren und danach zum Gesundheitsleistungspaket, das von den Sozialversicherungsträgern für ihre Mitglieder gewährt und von diesen fortan gut angenommen wurde. Insbesondere ab Mitte der 1990er Jahre wurde das Spektrum der Kurleistungen durch verschiedene Gesundheitsreformgesetze jedoch wieder erheblich eingegrenzt, so dass in der Folge die Gäste den Kureinrichtungen fern blieben und es zu Unterauslastungen sowie Schließungen kam. In vielen Kur- und Erholungsstädten entstanden daraufhin starke strukturelle Schieflagen, von denen bis heute noch nicht alle wieder zu Recht gerückt sind.

Abbildung 1 und 2 Chronologie berühmter Kurgäste der Stadt Aachen auf Zeittafeln am Elisenbrunnen (Foto: Evi Goderbauer)

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Begriffliche Annäherung

Was ein Kur- oder Erholungsort ist, bestimmt sich in Deutschland durch Landesrecht. Alle Flächenstaaten haben Gesetze, Verordnungen und Richtlinien zur Anerkennung (Prädikatisierung) ihrer Kur- und Erholungsorte. Entsprechend dieser Landesvorschriften werden Kurstädte und Erholungsorte staatlich anerkannt bzw. prädikatisiert, wenn die entsprechenden, jeweils landesspezifischen Voraussetzungen vorliegen. Generell nehmen die Landesvorschriften bei der Formulierung der Voraussetzungen auf die gemeinsam vom Deutschen Heilbäderverband e.V. (DHV) und vom Deutschen Tourismusverband e.V. (DTV) herausgegebenen „Begriffsbestimmungen/Qualitätsstandards für Heilbäder und Kurorte, Luftkurorte, Erholungsorte sowie für Heilbrunnen und Heilquellen“ Bezug (aktuell in der 13. Auflage), womit eine gewisse Vergleichbarkeit der Prädikate im föderalen Deutschland gegeben ist. In den Begriffsbestimmungen des DHV und des DTV sind entsprechende Ortsdefinitionen enthalten, die hier gekürzt wiedergegeben werden: Heilbäder und Kurorte (hochprädikatisierte Orte) sind Gebiete (Orte oder Ortsteile), die besondere natürliche Gegebenheiten – natürliche Heilmittel des Bodens, des Meeres, des Klimas – oder die Voraussetzungen für die Physiotherapie nach Kneipp sowie die Anforderungen nach Felke und Schroth für Kuren zur Heilung, Linderung oder Vorbeugung von Erkrankungen aufweisen. Erholungsorte sind klimatisch und landschaftlich bevorzugte Gebiete (Orte oder Ortsteile), die als Reiseziel einen spezifischen, touristisch geprägten, artbezeichnungsgerechten Ortscharakter vorweisen. Luftkurorte weisen eine Luftqualität und ein Bioklima auf, welche überwiegend denen hochprädikatisierter Orte entsprechen. Sie sind in der Lage, über erholungstouristische Aspekte hinaus das Reisemotiv der Erhaltung und Förderung der Gesundheit ansprechend abzudecken. Entsprechend der Begriffsbestimmungen des DHV und des DTV gibt es unter den Kurorten das besondere Prädikat „Heilbad“ und unter den nicht hochprädikatisierten Orten den Erholungsort und den herausgehobenen Luftkurort. Somit können staatlich anerkannte Orte hierarchisch vereinfacht in drei Gruppen untergliedert werden (NRW-Prädikate-Eckpunktepapier 2017, S. 7): • Heilbäder als höchstprädikatisierte Orte, • Kurorte als höher prädikatisierte Orte und • niedrig prädikatisierte Orte wie Luftkurort und Erholungsort.

Profilgebende Stadt- und Ortsentwicklung …

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Mit der Prädikatisierung der Kur- und Erholungsorte wird bestätigt, dass vor Ort ein gewisser Qualitätsstandard gegeben ist, denn Kur- und Erholungsorte haben abgestuft unterschiedliche Auflagen und Kriterien zu erfüllen, um die staatlich anerkannte Bezeichnung führen zu dürfen .

Abbildung 3

System der Prädikatisierung sowie Arten und Sparten nach Begriffsbestimmungen von DHV und DTV (eigene Darstellung)

In Deutschland gibt es unter Einbeziehung unterschiedlicher Länderspezifika und mit Berücksichtigung unterschiedlicher länderbezogener Daten rund 330 Gemeinden mit dem Prädikat als Heilbad oder Kurort . Weitere rund 270 Kommunen haben ein Prädikat als Luftkurort . Die größte Zahl macht die der Erholungsorte aus (rund 850) . Die Angaben beziehen sich auf die Betrachtung der kommunalen Ebene und das höchstrangig vergebene Prädikat . Denn es können innerhalb einer Kommune Prädikate für ganz bestimmte Ortsteile vergeben sein oder es können für verschiedene Ortsteile mehrere und unterschiedliche Prädikate vorkommen . In der Summe haben ca . 13 Prozent der Kommunen in Deutschland auf ihrem Gemeindegebiet oder für Teile ihres Gemeindegebiets eine staatliche Bad-, Kur- oder Erholungsort-Anerkennung . Kontinuierlich werden seitens der Länder

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in der Regel auf Antrag und bei Vorliegen der Voraussetzungen weitere oder höhere Prädikatisierungen in Deutschland vorgenommen. Mit unter kommt es auch zu Zurückstufungen, Aberkennungen oder Verzicht seitens der Gemeinden, denn die Landesverordnungen und Landesgesetze enthalten ebenso Regelungen zu Überprüfungsverfahren, zu denen die Gemeinden aktuelle Gutachten zur Qualität der örtlichen Gegebenheiten vorlegen. Reprädikatisierungen sind daher wiederholt Anlass, in den kommunalen Gremien eine Abwägung über die weitere strategische Bedeutung der Kur- und Erholungsfunktion im Gemeindegebiet vorzunehmen.

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Verteilungsmuster und räumliche Relevanz

Unter den ca. 1.450 Gemeinden mit Prädikat stechen die Kleinstädte (nach Stadtund Gemeindetypisierung des BBSR 2017) mit einem fast hälftigen Anteil hervor. Während es unter den Großstädten nur eine Handvoll gibt, die Kur- oder Erholungsort sind, machen Mittelstädte gut 8 Prozent aus. Landgemeinden sind ebenfalls stark vertreten, hier meist als Luftkurort oder Erholungsort. In der Summe sind ca. 15 Prozent der rund 5.400 Klein- und Mittelstädte in Deutschland prädikatisiert. Bei den hochprädikatisierten Kommunen nehmen die Kurorte und Heilbäder mit Mineral-, Thermal- und Moorheilbetrieb einen großen Teil ein. Die Situation der Heilbäder und Kurorte ist nach wie vor oft von den Veränderungen durch die Gesundheitsreformen ab Mitte der 1990er Jahre geprägt. Dabei stellt sich die Ausgangssituation unterschiedlich dar: Kur- und Erholungsorte in Alpen- und Küstenregionen haben durch ihre Lagegunst meist Entwicklungsvorteile als allgemein interessantes touristisches Ziel. Sie bedienen daher eher den Tourismus generell als speziell den Gesundheits- und Erholungstourismus. Dagegen tun sich Orte in weniger bevorzugter Lage mitunter schwerer. Häufig beeinflusst die Entwicklung von Kur- und Erholungsorten auch deren Position in oder deren Entfernung von größeren städtischen Räumen, so sind z. B. viele Kur- und Erholungsorte des Landes Nordrhein-Westfalen im oder nah am städtischen, dicht besiedelten Ballungsraum gelegen und damit gut und schnell für eine große Bevölkerungsgruppe zu erreichen. Während in Deutschland unter allen prädikatisierten Kommunen ca. zwei Drittel im ländlichen und ein Drittel im städtischen Raum liegen, sind in Nordrhein-Westfalen die große Mehrheit der Kur- und Erholungsorte Teil des städtischen Raums. Im Ländervergleich haben Bayern und Baden-Württemberg die meisten Kur- und Erholungsorte, gefolgt von Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Nordrhein-Westfalen ist eher im Mittelfeld. Mecklenburg-Vorpommern mit seinen Seebädern und Seeheilbädern führt die Liste der neuen Länder an, welche insgesamt eher mit weniger prädikatisierten Orten vertreten sind.

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Wie bereits erwähnt, erstreckt sich die Prädikatisierung als Kur- und Erholungsort nicht unbedingt auf die gesamte Gemarkung einer Kommune. Es können auf kommunaler Ebene unterschiedliche räumliche Muster vorliegen. Meist in sehr kleinen Kommunen ist es der Fall, dass das Kur- oder Erholungsprädikat auf das gesamte Gemeindegebiet bezogen ist. Bad Bertrich in Rheinland-Pfalz ist mit seinen ca. 1.000 Einwohnern als anerkanntes Heilbad hierfür ein Beispiel. Insbesondere in Kommunen, die eher zu den Mittel- oder zu den wenigen Großstädten zählen, ist es dagegen häufiger, dass sich das verliehene Prädikat nur auf einen Ortsteil bezieht. Die hessische Großstadt Kassel mit 200.000 Einwohnern hat beispielsweise den Ortsteil Bad Wilhelmshöhe als Heilbad. Vor dem Hintergrund, dass nicht in allen Ortsteilen einer Kommune die besonderen Anforderungen eines hochrangigen Prädikats vorliegen, kann es innerhalb einer Kommune auch zu abgestuften Anerkennungen kommen. So ist in Sachsen-Anhalt die Stadt Naumburg Erholungsort, der 2010 eingemeindete Ortsteil Bad Kösen Heilbad. Eingemeindungen oder Zusammenschlüsse sind ein häufiger Grund für mehrere Prädikate innerhalb einer Kommune. Zwei Heilbäder in einer Stadt findet man in Rheinland-Pfalz: Die bis 2014 eigenständige Stadt Bad Münster am Stein ist nach Bad Kreuznach eingemeindet worden. Mit zunehmender interkommunaler Zusammenarbeit gibt es auch die Konstellation, dass mehrere Kommunen eine Kur- und Erholungsregion bilden z. B. das niederbayerische Bäderdreieck Bad Birnbach, Bad Griesbach und Bad Füssing. Trotz Kooperation liegen aber jeweils eigenständige staatliche Anerkennungen zu Grunde. Mit der Zusammenarbeit nutzen die Kurorte sinnvolle Synergien, um Qualitätsverbesserungen und Kostenvorteile zu erzielen und ihre Wettbewerbsfähigkeit und den Bekanntheitsgrad zu steigern. Eine eher noch seltene gemeinsame Auszeichnung hat es in Bayern im Berchtesgadener Land gegeben. Den fünf angeschlossenen Gemeinden Berchtesgaden, Bischofswiesen, Marktschellenberg, Ramsau und Schönau am Königssee wurde zusammen das Prädikat eines Heilklimatischen Kurorts verliehen. Vor allem für kleinere Städte kann die Netzwerkbildung von großer Bedeutung sein. Oft haben sie alleine einen zu geringen Bekanntheitsgrad. Die Herausstellung eines Profils oder die Formulierung eines Leitbildes kann hier besonders schwierig sein. Voraus gehen sollte hier zunächst eine realistische Standortbestimmung bzw. Analyse der Ausgangssituation. In diesem Kontext bietet der Leitfaden zum Innovativen Gesundheitstourismus in Deutschland (BMWI 2011, S. 22) eine hier gekürzt wiedergegebene, nützliche Typisierung von Kurorten und Heilbädern an: Typ 1: Gesundheitstouristisch gut, teilweise exzellent aufgestellte Kurorte mit Spezialisierungen medizinischer Behandlungsmethoden.

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Typ 2: Touristisch allgemein gut aufgestellte Kurorte mit weniger ausgeprägten gesundheitstouristischen Aktivitäten. Typ 3: Sowohl allgemein touristisch als auch gesundheitstouristisch schwächer aufgestellte Kurorte mit Defiziten in Qualität, Service, Infrastruktur und Angeboten. Zwar stellen sich insbesondere bei den Orten des Typs 3 die drängendsten Fragen mit Blick auf Verbesserung der Qualität und grundlegende Ausrichtung. Doch legen sowohl hoch- als auch niedrigprädikatisierte Orte in der Regel großen Wert auf eine kontinuierliche Qualifizierung. Sie bewerben sich neben der staatlichen Anerkennung häufig um zusätzliche Zertifizierungen und besetzen engagiert weitere qualitätssteigernde Themenfelder. Im Rahmen der Prädikatisierung bereits verankerte Bestandteile sind z. B. eine weitgehende und für andere Kommunen häufig vorbildgebende Barrierefreiheit in den Kurbereichen, den Ortsmitten und darüber hinaus sowie ein praktizierter Umweltschutz und schonender Umgang mit den natürlichen aber auch städtebaulichen Ressourcen. Nicht nur letzteres strategisch in eine nachhaltige, umweltbewusste und klimagerechte Stadt- und Ortsentwicklung zu integrieren und zu profilieren, wäre nicht nur zukunftsträchtig, sondern könnte auch Treiber für innovative Projekte und neue Qualitätsmaßstäbe sein.

Abbildung 4  Kassel – Bad Wilhelmshöhe (Foto: Evi Goderbauer)

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Strategische Profilierung

Angesichts der Veränderungen und Herausforderungen bei den Kurstädten und Erholungsorten stellt sich nach der Analyse der räumlichen Verteilung und lokalen Relevanz sowie anknüpfend an die Typisierung die Frage nach der Profilierung für die Zukunft. Hier interessieren unterschiedliche Strategien unter den Kur- und Erholungsorten, um das Prädikat bzw. das besondere Profil zeitgemäß zu halten bzw. zukunftsfähig weiterzuentwickeln (z. B. Kompetenzerweiterung oder Spezialisierung der Kompetenz, Bündelung mit anderen Kompetenzfeldern, integrierte Erneuerungsansätze, räumliche Konzentrierung oder Neuorientierung). Die Kurstädte und Erholungsorte sollten sich trotz lokal unterschiedlich ausgeprägter Kompetenz (Luftkurort, Seebad, Heilbad, Thermalbad, Kneippkurort usw.) im Rahmen ihrer Stadt- und Ortsentwicklung ein erkennbares Profil geben. ­Wichtige Orientierung für solche Profilierungen können dabei folgende drei Strategien geben. Strategie 1: Profilierung des Kompetenzkerns „Gesundheit und Kur“ Diese Strategie beinhaltet, die medizinischen Kompetenzen, Therapieangebote und Heilmethoden auszubauen und zu schärfen, um sich als wichtigen Standort in einem oder mehreren ausgewiesenen medizinischen Handlungsfeldern zu profilieren. Ziel wäre, Gesundheit als hochwertiges Konsumgut zu entwickeln und zu vermarkten. Strategie 2: Profilierung synergetischer Kompetenzkerne Tourismus, Erholung, Freizeit und Unterhaltung strategisch zu bedienen wäre Inhalt dieser Strategie. Bestimmte weitere Tourismusfelder auszubauen, würde die Hauptzielrichtung sein (neben Gesundheitstourismus z. B. auch Natur-, Wander-, Kultur-, oder Familientourismus). Strategie 3: Profilierung anderer Kompetenzkerne Das strategische Vorgehen wäre, die bisherige eher monostrukturelle Ausrichtung bewusst durch multifunktionale Ansätze zu ergänzen. Das könnte sich beziehen auf gewerbliche Heilmittelproduktion, Entwicklung als Tagungs- und Kongressdestination, als Akademiestandort für Fort- und Weiterbildung. Inhaltlich weiter entfernte Entwicklungspotentiale, die ggf. auch konträr oder konkurrierend zu den bisherigen Ausrichtungen stehen (wie z. B. Gewerbestandortentwicklung), wären abzuwägen. Vor dem Hintergrund knapper Haushalte wird es für die meisten Kur- und Erholungsorte immer schwieriger, die Kosten für die Erhaltung und Erneuerung der ortsspezifischen Einrichtungen und Infrastrukturangebote zu decken. Stehen die Anlagen bereits wegen ihrer stadtstrukturellen, ortsbildprägenden, baukulturellen oder identitätstiftenden Bedeutung nicht zur Disposition, ist es um so wichtiger

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ihre Instandsetzung, Modernisierung oder Erweiterung in ein zukunftsfähiges Profil einzubetten, insbesondere da sie meist als bauliche Hardware kostenintensiv und anpassungsträge sind. Entsprechend der grundsätzlichen Ausrichtung lassen sich hier drei strategische Bereiche als Profilierungsebenen ausmachen: Ebene 1: das Medizinische Infrastrukturangebot, die Klinikanlagen, der Besatz an und die Verortung von Praxen und Therapiezentren (Bezug: eher medizinische Anbieter, Perspektive: Patient) Ebene 2: die Kur- und Tourismuseinrichtungen, die Hotel- und Beherbergungsbetriebe, der Gaststätten- und Einzelhandelbesatz, die Erholungs-, Grün- und Freianlagen, insgesamt die touristische Suprastruktur (teils kommunaler Bezug mit Perspektive: Gast/Besucher) Ebene 3: die allgemeine kommunale Infrastruktur, das städtebauliche Erscheinungsbild und die landschaftsräumliche Einbindung, die Lebens- und Wohnqualität als Standortfaktor (starker kommunaler Bezug mit Perspektive: Bewohner/ Neubürger)

Abbildung 5 Kurzone in Bad Nenndorf mit Kunstwerk „Großer Abwasch“ von Timm Ulrichs (Foto: Evi Goderbauer)

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Im Hinblick auf die zukünftige Ausrichtung ist gründlich abzuwägen, ob eine Tourist-Information mit Radstation wichtiger ist als ein Haus des Gastes mit Lesesaal, oder Grün- und Spielanlagen insgesamt dringender sind als der Kurpark. Sollen verfügbare Gelder eher in eine Wandelhalle mit Trinkbrunnen, in ein Wellnessoder Spaßbad oder in ein Schwimmersportbecken investiert werden? Die Antwort auf diese Frage sollte sich ausgehend von einer Analyse der bestehenden Strukturen aus einer strategisch ausgerichteten Stadt- und Ortsentwicklung herleiten. Tendenziell lässt sich sagen, dass den stärker touristisch orientierten Einrichtungen zunehmend eine höhere Bedeutung zu kommt als der traditionellen kurörtlichen Infrastruktur. Hier ist ortsspezifisch das richtige Maß zwischen Altem und Neuem zu finden. Dass vor allem das örtliche Ambiente insgesamt sowie insbesondere die Gestaltung des öffentlichen Raums und der zentralen Bereiche in Kurstädten und Erholungsorten eine meist große Aufmerksamkeit erfahren, zeigt sich auch im nächsten Abschnitt, in dem städtebauliche Entwicklungs- und Erneuerungsplanungen von Kommunen vorgestellt werden, welche unterstützt durch die Städtebauförderung in den letzten Jahren zur Umsetzung kamen.

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Förderung der Stadt- und Ortsentwicklung

Die Städtebauförderung unterstützt die strategische Profilierung einer Stadt- und Ortsentwicklung im Rahmen von städtebaulichen Gesamtmaßnahmen in einem Gebiet. Der Bund und die Länder gewähren Finanzmittel in verschiedenen Programmen, um Kommunen bei der Bewältigung von städtebaulichen Missständen und Beseitigung von funktionalen Schwächen zu helfen. Von den bis 2019 laufenden Städtebauförderprogrammen – die Förderkulisse ab 2020 ist noch nicht berücksichtigt – finden sich knapp 900 Maßnahmen in Kurstädten und Erholungsorten: davon fast ein Drittel aus dem Programm Stadtumbau und ein Fünftel aus dem Programm Kleinere Städte und Gemeinden. 17 Prozent der Maßnahmen sind im Programm städtebaulicher Denkmalschutz, 16 bzw. 12 Prozent in den Programmen Aktive Stadt- und Ortsteilzentren sowie Soziale Stadt. Auch das kurz laufende Programm Stadtgrün ist mit 3 Prozent vertreten. Anhand einzelner kommunaler Beispiele lässt sich zeigen, wie die Städtebauförderung die Stadt- und Ortsentwicklung sowie die sich bedingende Profilbildung unterstützen kann. Bad Essen (Niedersachsen) zählt rund 15.500 Einwohner und liegt ca. 30 km östlich von Osnabrück an der deutschen Fachwerkstraße. Die Kommune zeichnet sich durch den Status als Kurort sowie durch die Lage am Mittellandkanal aus. Nahe des Ortskerns befand sich ein knapp 14 ha großes untergenutztes Hafengebiet, das vor Beginn der Erneuerung von gewerblichen Leerständen und Brachen geprägt

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war. Seit 2008 bemühte sich die Kommune mit Hilfe der Stadtumbauförderung den Hafenbereich als Wohnstandort zu profilieren und zusätzliche touristische Potenziale zu erschließen. Die zwischenzeitlich weit fortgeschrittene Gesamtmaßnahme stand daher unter dem Leitbild „Wohnen und Freizeit am Wasser”. Realisiert wurde eine Marina mit Hafenplatz und ein daran angränzendes Wohngebiet. Die Revitalisierung eines Speichergebäudes aus den 1940er Jahren mit Wohnungen und weiteren Dienstleistungen konnte jedoch nicht umgesetzt werden, da Verhandlungen mit verschiedenen potentiellen Investoren aufgrund des aufwändigen Umbaus stets scheiterten. Nach intensiver öffentlicher Diskussion wurde durch einen Bürgerentscheid der Abbruch des Speichers bestätigt. Die anstehende Nachnutzung des Speichergrundstücks soll sich in die bisher erfolgreich umgesetzte Gebietsentwicklung einpassen. Denn die Marina und der Hafenplatz wurden 2018 eingeweiht und auch die benachbarten Wohngebäude sind inzwischen fertig gestellt und bezogen. Durch die moderne Wohnbebauung, den kleinen Freizeithafen, eine Hafenpromenade und einen Jugendtreff in einem Bestandsgebäude sind neue Lebensqualitäten für die Bürger sowie neue Anziehungspunkte für die Touristen entstanden. Das Beispiel der Hafenumnutzung vom gewerblichen Güterumschlag zur Freizeitschifffahrt in Bad Essen zeigt, welche Perspektiven sich in kleineren Kommunen unterstützt durch Fördermittel eröffnen. Bad Essen nutzte die Chance, sich im Sinne des zweiten Strategieansatzes als Wohn- und insbesondere als Erholungsstandort zu profilieren und die nicht nur städtebauliche sondern auch touristisch bedeutsame Verbindung vom Stadtkern zum Mittellandkanal zu stärken. Mit Bad Salzelmen (Ortsteil der sachsen-anhaltinischen Stadt Schönebeck, ca. 31.000 Einwohner) und mit dem auch die Seeheilbäder Bansin und Ahlbeck umfassenden Ostseebad Heringsdorf (ca. 9.000 Einwohner) auf Usedom gibt es Beispiele bedeutender ostdeutscher Kurorte, die seit den 1990er Jahren in einem umfangreichen Erneuerungsprozess zu konkurrenzfähigen Reisezielen im zusammenwachsenden Deutschland entwickelt wurden. Die Wiederbelebung des Kurortes Bad Salzelmen erfolgte mit Städtebau- und Wirtschaftsförderung, um den Kurbetrieb als tragenden Wirtschaftsbereich für die Stadt Schönebeck zu erhalten und auszubauen. Ausgehend vom historischen Ort wurden Straßen, Wege und Plätze altstadtgerecht umgestaltet. Eine Fußgängerzone wurde eingerichtet und im Rahmen weiterer Verkehrsberuhigungen kleine, periphere Stellplatzanlagen geschaffen. Vorhandene Grün-, Frei- und Wasserflächen wurden neu gestaltet und ergänzt. Wohn- und Geschäftsgebäude in den teils denkmalgeschützten Villenkolonien wurden saniert sowie Baulücken geschlossen. Im Rahmen der Reparatur des historischen Stadtbildes und als wichtige öffentliche Baumaßnahmen wurden vom Verfall bedrohte Gebäude im Kurparkareal modernisiert. Unter anderem mit der Modernisierung des Kurhauses und des ehe-

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maligen Kinosaales konnten nicht nur historische Gebäude gerettet sondern auch wiederbelebt werden. Es wurde ein Gründerzentrum untergebracht sowie moderne Tagungs-, Veranstaltungs- und Ausstellungsräume geschaffen. Die Touristinformation hat im Kurareal inzwischen auch Platz gefunden. Über die Jahre der Erneuerung entstand neben den Bäderanlagen so wieder ein zusammenhängender attraktiver Kurbereich mit größeren Übernachtungskapazitäten, verbesserten Aufenthaltsqualitäten und erweiterten Serviceangeboten. Am Beispiel Bad Salzelmen wird deutlich, wie über einen gebündelten Fördermitteleinsatz Impulse zur Erneuerung des Ortsbildes (Städtebauförderung) einerseits und zur Verbesserung des Tourismussektors (Wirtschaftsföderung) andererseits gesetzt werden können. Auch im Ostseebad Heringsdorf stellt der Fremdenverkehr einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Um z. B. die Tourismusdestination des nördlichen Ortsteils Bansin in der Tradition der sogenannten Kaiserbäder noch attraktiver zu machen, wurden dort in historischer Bäderarchitektur errichtete Gebäude saniert, bestehende Baulücken im Bereich der Strandpromenade wieder geschlossen, die Strandpromenade selbst neu gestaltet und eine Seebrücke gebaut, auf der die Gäste die Ostsee hautnah erleben können. Viele der gründerzeitlichen Hotels und Pensionen wurden in der DDR trotz ihres teils schlechten Zustands von der lokalen Bevölkerung in Ermangelung anderer Alternativen zu Wohnzwecken umgenutzt. Eine Schlüsselmaßnahme der umfassenden Erneuerung Bansins in den Nachwendejahren war daher die Umsiedlung der Bewohner aus den historischen Gebäuden an der zentralen Promenadenachse in rund 100 Ersatzwohnungen, um die Hotels, Villen und Pensionen in Strandnähe wieder für ihre ursprüngliche Nutzung als hochwertige Gästehäuser für Touristen umzubauen. Im Rahmen der Bürgerbeteiligung wurde unter den von der Umsetzung betroffenen Mietern eine hohe Akzeptanz und eine gute Zusammenarbeit mit einem privaten Investor erreicht. Zum einen, weil zur Errichtung der Ersatzwohnungen in der Nachbarschaft auch Mittel der sozialen Wohnraumföderung bereit gestellt wurden, zum anderen, weil den Mietern im Ersatzneubau ein durchweg besserer Wohnstandard als im unsanierten Altbau geboten wurde. Durch die Instandsetzung und Modernisierung des historischen Gebäudebestands, die Qualifizierung des öffentlichen Raumes sowie die erfolgreiche touristische Positionierung profitiert die Bansiner Bevölkerung seither von einem wirtschaftlichen Aufschwung sowie von den im Rahmen der Sanierung ebenfalls entstandenen oder umgebauten Gemeinbedarfseinrichtungen (Jugendzentrum, Schule, Bibliothek). Insgesamt ermöglichte die umfassende Ortsentwicklung, regionale Arbeitsplätze zu erhalten, Abwanderungstendenzen abzumildern und den einmaligen Flair eines Kaiserbads wieder herzustellen.

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Zwei weitere Beispiele aus den alten Ländern – Bad Driburg und Bad Kreuznach – stellen erfolgreiche Qualitätsinitiativen in der räumlichen Kulisse der Stadtund Ortszentren dar. Sie fokussieren insbesondere auf die dritte Profilierungsebene und hierbei auf die Aufwertung und Neugestaltung des öffentlichen Raums in innerstädtischen Bereichen. Die besondere funktionale Wirkung ist: Die eigene Bevölkerung profitiert ummittelbar von den städtebaulichen Erneuerungsmaßnahmen, sie machen die Orte aber auch für die Besucher und Kurgäste attraktiv und interessant.

Abbildung 6  Platz vor dem Rathaus in Bad Driburg (Foto: Evi Goderbauer)

Bad Driburg (ca. 19.000 Einwohner) liegt im Kreis Höxter (Nordrhein-Westfalen) und ist wesentlich durch sieben im Stadtgebiet verteilte Kurkliniken geprägt. Seit 2009 wurde in Bad Driburg mit Mitteln des Programms Aktive Stadt und Ortsteilzentren insbesondere der zentrale Bereich entlang der Verbindungsachse zwischen Innenstadt und Kurpark, die Lange Straße, aufgewertet und umfassend neu gestaltet. Durch mehrere städtebauliche Barrieren, uneinheitliche Straßenausführungen und viele parkende Autos waren keine klaren Wegeführungen und räumliche Zusammenhänge zu erkennen. Mit einer einheitlichen Materialsprache und einer teilweisen Reduzierung der Fahrbahnbreiten für den Autoverkehr wurde die Lange Straße seither in verschiedenen Bauabschnitten zur durchgängigen Flanierzone. Für besondere räumliche (Platz-)Situationen wie am Rathaus wurden neue Aufenthaltsqualitäten geschaffen (z. B. Verlagerung von Parkmöglichkeiten in Randbereiche, zusätzliche Sitz- und Verweilmöglichkeiten). Zur Aktivierung

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privaten Kapitals wurde ein Fassadenprogramm für die an der Verbindungsachse und in den Querbereichen liegenden Häusern aufgelegt. Die gesamte Umsetzung erfolgte in einem kooperativen Prozess mit lokalen Akteuren. Insbesondere die Einzelhändler sind hier während der Bauphase sehr aktiv gewesen. Um die Baustellensituation zu entschärfen und auch während der Bauarbeiten ein Einkaufen in der Innenstadt interessant zu machen, haben sie sich zu einer “Baustelleninitiative” zusammengetan. Diese arbeitete unter dem Leitthema “Alles wird schön!” ein Marketingprogramm aus, das die Baumaßnahmen selbst als besonderes Ereignis in den Mittelpunkt stellte. Mit verschiedenen Aktionen wurde so unter den Einzelhändlern das positive Wir-Gefühl gestärkt und die Kundenfrequenz auch über die nun abgeschlossenen Bauarbeiten aufrechterhalten. Die Verbesserung der Gestaltqualität des zentralen öffentlichen Bereichs hat so auch zur Verbesserung der Stadtidentität beigetragen.

Abbildung 7  Baustellenschild in Bad Kreuznach (Foto: Evi Goderbauer)

Die rheinland-pfälzische Mittelstadt Bad Kreuznach hat ca. 50.000 Einwohner. Seit 2009 werden in der Innenstadt, die im Westen unmittelbar an die Kurzone anschließt, umfangreiche Erneuerungsmaßnahmen mit Mitteln aus dem Programm Aktive Stadt- und Ortsteilzentren unterstützt. Das zentrale Fördergebiet liegt entlang der teilweise als Fußgängerzone geführten Mannheimer Straße. Sie ist eine auch überregional bedeutsame Einkaufsstraße und reicht vom Bahnhof bis in den historischen Stadtkern über zwei bedeutende aber sanierungsbedürftige Brücken („Alte Nahebrücke” und „Brücke über den Mühlenteich”, letztere auch mit

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Brückenhäusern bebaut). Die Brücken sind historisch, städtebaulich, gestalterisch und funktional von hoher Bedeutung. Sie sind wichtige touristische Anziehungspunkte und unterstützen das Erlebbarmachen der Nahe-Flußlandschaft mit den sich anschließenden Kurparkanlagen. Sie waren daher zunächst die herausgehobenen Fördermaßnahmen der Innenstadterneuerung. Die Brücken wurden barrierefrei umgebaut und als Mischverkehrsfläche gestaltet. Sie sind jetzt weitgehend frei von Autoverkehr und haben ein neues Beleuchtungskonzept sowie neue Stadtmöbel. Einzelne Gestaltungselemente, die bei den Brückenerneuerungen umgesetzt wurden, sollen nun schrittweise auch in anderen benachbarten Bereichen zur Anwendung kommen. In die Neugestaltung sind weitere innerstädtische Plätze wie der Eiermarkt, der Fischerplatz und der Kornmarkt einbezogen. Auf der Grundlage einer Gestaltungssatzung und einer Modernisierungsrichtlinie werden private Eigentümer seit 2015 dabei unterstützt, ihre Immobilien zu sanieren. Seither gibt es auch ein Quartiersmanagement vor Ort, mit dem Ziel, Akteure und Initiativen zu vernetzen, bei Nutzungskonflikten (z. B. im Zusammenhang mit vorhandenen Besucherströmen und ihrer Lenkung) zu vermitteln und öffentlichkeitswirksame Maßnahmen mit breiter Beteiligung und Unterstützung umzusetzen. Seit Sommer 2017 stellen z. B. Gewerbetreibende sogenannte „Verschnauf-Pausen-Stühle” vor ihre Ladenlokale, um Passanten die Möglichkeit zu geben, sich zu setzen, ins Gespräch zu kommen und neue Perspektiven auf den Stadtraum zu erhalten. Mit der Eingemeindung von Bad Münster am Stein zu Bad Kreuznach ist geplant, auch diesen Kurstandtort in die gesamtstädtische Entwicklungsstrategie zu integrieren. Der Fluss Nahe, an dem sowohl die Kurzone von Bad Kreuznach als auch der zentrale Kurbereich von Bad Münster am Stein gelegen ist, hat auch hier eine besondere naturräumliche Verbindungsfunktion. Beide Heilbäder stehen darüber hinaus über einen weitläufigen Salinenpark landschaftsräumlich in Beziehung. Im Gegensatz zum Bad Kreuznacher Kurstandort merkt man dem Kurstandort Bad Münster am Stein die wechselvolle mit unter schwierige kurbetriebliche Entwicklung doch noch sehr deutlich an. Die in das 19. Jahrhundert zurückreichende kurörtliche Entstehungsgeschichte von Bad Münster am Stein wurde insbesondere nach dem II. Weltkrieg und in den 1970er Jahren von einer Reihe kurbetrieblicher Investitionen geprägt, deren Unterhaltung in den Folgejahren aber nicht ausreichend betrieben wurde und die heute teils leer stehen. Das damit verbundene negative Erscheinungsbild ist auch im öffentlichen Raum festzustellen: Verwitterte Sitzbänke in den Grün- und Freianlagen, schlechte Beleuchtungssituationen, Unebenheiten auf den Fuß- und Radwegen, fehlende Barrierefreiheit und ähnliches. Nach Willen der Stadt- und Ortsverwaltung soll nun auf diese Mängel im Rahmen der Städtebauförderung reagiert werden. So sollen teilweise neue und tragfähige Nutzungen entwickelt sowie eine Aufwertung des öffentlichen Raumes realisiert werden. Mit

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der ersten Beteiligung der Bürger (auch online auf http://stadtumbau-bme.de/) und dem Beginn der Arbeiten am städtebaulichen Entwicklungskonzept sind hier die ersten Weichen für eine strategische Neupositionierung gestellt. Gleichwohl wird es noch einige Jahre brauchen, bevor sich der Ort unter Nutzung seiner landschaftsräumlichen und städtebaulichen Potentiale modernisiert präsentieren kann.

Abbildung 8  Leerstand in Bad Münster am Stein (Foto: Evi Goderbauer)

6 Fazit Dass dem Gesundheits- und Erholungstourismus in Deutschland grundsätzlich großes Zukunftspotenzial und eine insgesamt positive Entwicklung zugesprochen wird, darüber scheinen sich die Experten mehrheitlich einig (BMWI 2011, S. 13, BMWI 2013, S. 12). Die Einbruchstimmung in Kur- und Erholungsorten seit der 1990er Jahre ist zwischenzeitlich vermehrt einer Aufbruchstimmung gewichen (IAT 2005, S.  6). Die Erstellung eines schlüssigen Profils, kann wichtige Entwicklungsvorteile bringen, insbesondere, wenn der Prozess und das Ergebnis der Profilbildung von einer breiten Bürgerschaft vor Ort mit getragen und die weitere Stadt- und Ortsplanung darauf ausgerichtet wird. Da kleinere und mittlere Kurstädte und Erholungsorte trotz Gemeinsamkeiten auch heterogen sind, muss jede Kommune die eigenen Potenziale ermitteln und entscheiden, welche Profilierungsstrategien auf welcher Handlungsebene mit welchen konkreten Maßnahmen sinn-

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voll und geeignet sind. Die städtebauliche Erneuerung, welche meist aufgrund der städtebaulichen Vorprägung und des vorhandenen historischen und baukulturellen Bestandes hier eine Schlüsselfunktion einnimmt, kann oft mit Hilfe der Städtebaufördermittel des Bundes und der Länder leichter umgesetzt werden. Das Spektrum der förderfähigen Vorhaben in der Städtebauförderung – es sind einerseits nicht nur investive sondern auch prozessvorbereitende und -begleitende Maßnahmen als Fördergegenstände erfasst, andererseits können ebenso den Grund und das Gebäude betreffende Ordnungsmaßnahmen sowie bauliche Anpassungsmaßnahmen unterschiedlichster Art in die Förderung einbezogen sein – ermöglicht, gebietsbezogen wichtige städtebauliche Impulse im Profilierungsprozess zu setzen. Kurstädte und Erholungsorte können so eher stadt- und sozialräumliche Herausforderungen und Veränderungsprozesse annehmen und aktiv einen lokalen Regenerierungsprozess einleiten.

Literatur Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). (2017). Referenz Gemeinden und Gemeindeverbände, Stadt- und Gemeindetyp, Übersicht Stadt- und Gemeindetyp, auf https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Raumbeobachtung/ als Downloadangebot, Stand 31/12/2017. Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS). (Hrsg.). (2011). Sanierungsmaßnahmen in unseren Städten und Gemeinden. Fallstudien. Werkstatt: ­Praxis Heft 75. Berlin. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI). (Hrsg.). (2011). Innovativer Gesundheitstourismus in Deutschland. Leitfaden. Allgemeine Wirtschaftspolitik. Berlin. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI). (Hrsg.). (2013). Tourismuspolitischer Bericht der Bundesregierung. 17. Legislaturperiode. Berlin. Burger, F., Wiedmann, K.-G. (2009). Der Fremdenverkehrslastenausgleich in Baden-­ Württemberg. In: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg 10/2009. Stuttgart. S. 48– 53. Deutscher Heilbäderverband e.V., Deutscher Tourismusverband e.V. (Hrsg.) (2017). Begriffsbestimmungen/Qualitätsstandards für Heilbäder und Kurorte, Luftkurorte, ­ ­Erholungsorte sowie für Heilbrunnen und Heilquellen. 13. Auflage. September 2018. Berlin. Deutscher Heilbäderverband e.V. (Hrsg.) (2017). Gesundheitskompetenz in Heilbädern und Kurorten. Leitfaden. Gütersloh. Ellermeyer, W., Lübbers, P. (2005). Fremdenverkehr in den rheinland-pfälzischen ­Heilbädern. In: Statistische Monatshefte Rheinland-Pfalz 05 2005. Bad Ems. S. 260–272. Europäisches Tourismusinstitut an der Universität Trier GmbH (Hrsg.). (2008). ­Vergleichende Qualitätsbewertung (VQB) von Heilbädern und Kurorten aus (gesundheits-) touristischer Sicht. Kurzfassung länderübergreifender Untersuchungsergebnisse. Bearbeiter Quack, H.-D., Partale, A., Herrmann, P., Wanner, M. Trier.

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Institut Arbeit und Technik (IAT) im Wissenschaftszentrum Nordrhein-Westfalen (Hrsg.). (2005). Die Heilbäderlandschaft in Nordrhein-Westfalen – Zwischen Einbruch und ­Aufbruch? Bearbeiter Hilbert, J., Schalk, C. IAT-Report 2005–08. Wuppertal. Krebes, C. (2014). Zukünftige Entwicklung der deutschen Kurorte und Heilbäder: Veränderungen, Trends, Prognosen. Bachelorarbeit an der Hochschule Heilbronn. ­ ­Fakultät International Business. Studiengang Tourismusmanagement. Heilbronn. Landesregierung von Sachsen-Anhalt, Heilbäder- und Kurorteverband e.V. (Hrsg.). (2001). Handbuch des Gesundheitstourismus in Sachsen-Anhalt. Tourismus-Studien SachsenAnhalt 4. Magdeburg-Schönebeck. Landtag von Sachsen-Anhalt (2012). Heilbäder und Kurorte in Sachsen-Anhalt. Drucksache 6/1603 von 13.11.2012. Antwort der Landesregierung auf Kleine Anfrage – KA 6/7639. Magdeburg. NRW-Prädikate-Eckpunktepapier (2017). Eckpunktepapier zur Bedeutung und Entwicklung der Prädikatisierung der Heilbäder und Kurorte in Nordrhein-Westfalen. ­Bearbeitung Projekt M. Entwurf Stand 28.09.17. Thüringer Heilbäderverband e.V. (Hrsg.). (2014). Grundsatzpapier. Die Stellung der Thüringer Heilbäder und Kurorte in der künftigen Landespolitik – Empfehlungen. Bad Langensalza. UNESCO (2014). Tentativliste Great Spas of Europe. Description der Deutschen UNESCODelegation, auf http://whc.unesco.org/en/tentativelists/5934/, Ref. 5934, Stand 11/08/2014. UNESCO (2019). Nominierte Great Spas of Europe. Bad Ems, Baden-Baden, Bad Kissingen, Baden bei Wien, Bath, Franzensbad, Karlsbad, Marienbad, Montecatini Terme, Spa, Vichy, auf https://greatspasofeurope.org/de/, Stand 23/01/2019. Des Weiteren sind die verwendeten kommunalen Beispiele der Stadt- und Ortsentwicklung den programmspezifischen Praxis-Seiten des Internetauftritts www.staedtebaufoerderung.info entnommen (22.09.18).

Umgang mit historische Bausubstanz in Klein- und Mittelstädten



Stadterneuerung zwischen Revitalisierung und Denkmalschutz



Die Stadtumbau-Matrix Görlitz Robert Knippschild 1 und Constanze Zöllter 2

Zusammenfassung

Die in zunehmendem Tempo fortschreitende aktuelle Entwicklungsdynamik in vielen deutschen Großstädten und Großstadtregionen lässt vermehrt negative Effekte zutage treten: Angespannte Wohnungs- und Immobilienmärkte, Probleme bei der Luftqualität, Verkehrsüberlastungen. Für viele der für die Siedlungsstruktur in Deutschland charakteristischen Klein- und Mittelstädte scheint hieraus eine neue Entwicklungsperspektive zu erwachsen. Insbesondere das baukulturelle Erbe vieler Städte kann in der Konkurrenz um die Wiedererlangung von Wettbewerbsfähigkeit als Kapital betrachtet werden. Oft entspricht jedoch der vorhandene Gebäudebestand nicht den aktuellen Bedürfnissen des Wohnungsbaus und des Einzelhandels. Allerdings erfreuen sich viele dieser Städte momentan einer ungeahnten Dynamik und Aufmerksamkeit. Inwieweit kann diese Dynamik zur Wiederbelebung der Innenstädte beitragen? Welche Konflikte entstehen im Spannungsfeld zwischen Revitalisierung und Denkmalschutz? Die Stadt Görlitz geht in diesen Fragen mit der sogenannten Stadtumbau-Matrix neue Wege. Teile der denkmalgeschützten Bausubstanz sind hier mittlerweile akut bedroht. Daher wird über Zugeständnisse beim Denkmalschutz debattiert, um das historische Stadtbild zu erhalten und die momentan vorhandene Entwicklungsdynamik zu nutzen. Die Autoren begleiten die pilothafte Anwendung dieses innovativen Instruments und berichten von ersten Erfahrungen. 1 2

Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung & Technische Universität Dresden Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3_6

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Robert Knippschild und Constanze Zöllter

1 Ausgangslage Zwischen Boom und Niedergang: allgemeine Trends der ­Stadtentwicklung

Groß- und Universitätsstädte in Deutschland weisen stetig wachsende Bevölkerungszahlen auf. Als Zentren für Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit sowie als Treiber für Innovation und Wachstum spielen sie eine entscheidende Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung (BBSR 2018a, S. 12). Boomende Städte und Stadtregionen stehen aber auch vor negativen Agglomerationseffekten wie steigenden Immobilienpreisen und Mieten, Verkehrsproblemen, Landnutzungskonflikten oder Umweltbelastungen. Gleichzeitig stehen viele Kommunen, vor allem im peripheren Raum, vor Herausforderungen, die sich aus einer stagnierenden oder schrumpfenden Bevölkerungsentwicklung ergeben. Vielen schrumpfenden Städten droht ein Verlust städtischer Funktionen. Auch das kulturelle Erbe ist durch die sinkende Bevölkerungszahl und leer stehende Gebäude in Gefahr. Folgen sind eine geringere Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit sowie negative Entwicklungsperspektiven. Ein Vergleich von Städten innerhalb der EU hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zeigt ähnliche Muster wachsender Ungleichheiten. In einigen Fällen entwickeln sich Hauptstädte zu „Magneten für Wachstum“, d.h. sie weisen ein monozentrisches Muster der Stadtentwicklung auf und ziehen den Löwenanteil der Investitionen und Ressourcen an (Europäische Kommission/ Eurostat 2017). Gleichzeitig stellt der Bevölkerungsrückgang in peripheren Städten zunehmend auch international ein Problem dar (Fol et al. 2015; Wolff und Wiechmann 2017). Disparitäten im städtischen Wachstum sind mit sozialer Polarisierung und ökonomischem Ungleichgewicht verbunden. Daher benötigt eine nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung innovative Lösungen zur Bewältigung städtischer Schrumpfung und städtischer Überlastung. Eine entscheidende Frage in diesem Zusammenhang ist, ob Klein- und Mittelstädte von den Problemen wachsender, überlasteter Städte profitieren und dabei zu einer ausgewogeneren räumlichen Entwicklung beitragen können. Wir gehen davon aus, dass der fortschreitende Digitalisierungsprozess eine Möglichkeit ist, um kleine und mittlere Städte wiederzubeleben, indem er mehr Menschen befähigt, von zu Hause aus oder an nicht festen Standorten zu arbeiten. In jedem Fall wird die Bedeutung weicher Standortfaktoren zunehmen. Entscheidungen darüber, wo man sich niederlässt, werden zunehmend von wünschenswerten Lebenswelten und weniger von beruflichen Überlegungen beeinflusst. In diesem Zusammenhang könnten viele kleine und mittlere Städte mit weniger angespannten Wohn- und Immobilienmärkten sowie besseren Lebensräumen an Attraktivität gewinnen. Es wäre sogar denkbar, dass Städte mit

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einem historischen Stadtgefüge, einer guten Umweltqualität, einer robusten sozialen und kulturellen Infrastruktur und einer lebhaften Zivilgesellschaft auch in Randlagen eine Renaissance erleben. Im Folgenden werden wir uns die Stadt Görlitz näher ansehen, die nach einem langen Bevölkerungsrückgang nun einen leichten Anstieg der Bevölkerung sowie ein moderates Wirtschaftswachstum verzeichnet und derzeit neue Lösungen für den Städtebau erprobt.

Stadtumbau: Zwischen Denkmalschutz, Revitalisierung und lokaler Wirtschaftsentwicklung

Politische Entscheidungsträger und Planer sind zunehmend gezwungen, Strategien zu entwickeln, die mit der Schrumpfung von Städten umgehen. Zuzug von Rentnern und Gesundheitstourismus vermögen Elemente solcher Strategien sein. Schrumpfende Städte, die üblicherweise als weniger wettbewerbsfähig gelten, wären in der Lage, durch die Ansiedlung von Senioren, einen gewissen Vorteil zu erzielen: Durch die Umwandlung leer stehender Flächen und die Verbesserung des Zugangs zu hochwertigen Grünflächen können schrumpfende Städte Rentner auf der Suche nach Lebensqualität anziehen. Dies könnte wiederum einen entscheidenden Katalysator für die Stadterneuerung schrumpfender Städte darstellen (Nefs et al. 2013, S. 1455). Im Falle von Görlitz war dies nie eine explizite Strategie der Stadtentwicklung , obwohl die Stadt schon seit der Gründerzeit im späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ein attraktiver Altersstandort war. In der Vergangenheit war Görlitz vor allem durch die hochwertigen Grünflächen in der Innenstadt, das attraktive Umfeld mit vielen Kurorten, Wintersportmöglichkeiten und einer unverwechselbaren Kulturlandschaft im Hinterland sowie der günstigen Bahnanbindung an die Hauptstadt Berlin beliebt. Das zentrale Thema des Denkmalschutzes war lange Zeit die Lösung des Konflikts zwischen dem Erhalt des Charakters bestehender historischer Städte und der Aufwertung des Gebäudebestandes. In jüngster Zeit hat jedoch das Konzept des „Erbes“ den Denkmalschutz abgelöst. Kulturerbe wird nun entsprechend den Anforderungen von Verbrauchern, z. B. Touristen, als Produkt vermarktet. In Görlitz hat dies, wie anderswo auch, zur Kommerzialisierung des Erbes jenseits von Schutzwerten geführt. Ein Hauptziel bei der Verwaltung und Planung historischer Städte besteht heute darin, eine Symbiose zwischen den Bedürfnissen des Tourismus und der Pflege des städtischen Erbes zu gewährleisten. Hier plädiert Nasser (2003) für einen nachhaltigen Ansatz bei der Bewirtschaftung und Planung von Kulturerbestätten auf Grundlage einer insbesondere von Kultur geleiteten Agenda. Als vorläufige Schlussfolgerung gehen wir davon aus, dass die Revitalisierung einer historischen Bausubstanz eine komplexe und konfliktbeladene Angelegen-

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heit darstellt. Insbesondere beleuchten wir den Mangel an Forschung zu den Schnittstellen zwischen Denkmalschutz und Stadtentwicklung. Eine weitere Annahme ist, dass weiche Standortfaktoren in Zeiten der digitalen Transformation an Bedeutung gewinnen werden. Unter diesen weichen Faktoren kann das kulturelle Erbe als ein besonderes Gut der kleinen und mittelgroßen Städte in Mittel- und Osteuropa angesehen werden, die oft mit Stagnation oder Bevölkerungsrückgang konfrontiert sind und dennoch über bedeutende Bestände an historischen Gebäuden verfügen. Eine solche Stadt ist Görlitz, wo derzeit ein neues Instrument zur Förderung der städtischen Revitalisierung im Einklang mit den Richtlinien des Denkmalschutzes erprobt wird.

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Stand in Forschung und Praxis

Unter anderem mithilfe der Bund-Länder-Programme „Städtebaulicher Denkmalschutz“ und „Städtebauliche Erneuerungsmaßnahmen“ konnte in den letzten Jahren ein Großteil des historischen Baubestandes in den Innenstädten saniert werden. Zunehmend wird die Frage diskutiert, wie es vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und des zunehmenden Leerstandes vieler Innenstädte vor allem kleiner und mittlerer Größe gelingen kann, die historische Bausubstanz mit neuen Nutzungen zu füllen und dadurch die Innenstädte zu beleben. Im Zuge dieser Diskussion wurde bereits frühzeitig darauf verwiesen, dass neue und innovative Ansätze erforderlich sind, um einem baulichen Verfall von Gebäuden bedingt durch Leerstand entgegenzuwirken (BMVBS 2006, S. 6). Neue Nutzungen erfordern jedoch oftmals Eingriffe in die Bausubstanz, welche von den unterschiedlichen Disziplinen mehr oder weniger kritisch gesehen werden. Revitalisierung und Stadterneuerung in historischen Altstadtquartieren wirft immer auch Fragen nach dem Umgang mit dem Denkmalschutz auf. Kuder (2008, S. 202ff.) stellt heraus, dass dem städtebaulichen Denkmalschutz oft unterstellt wird, er produziere am Markt vorbei und erzeuge vornehmlich nicht mehr benötigte baugeschichtliche Museen und letztlich leer stehende Puppenstuben. Ebenso beschreibt er aber die überragende Bedeutung, die dem Schutz des herausragenden städtebaulichen und kulturellen Erbes zukommt. Auch er geht auf das Konfliktfeld Revitalisierung und Konservierung ein und sieht eine Gefahr darin, den Schutz von historischen Gebäuden als absolut zu setzen. Er fordert eine stärkere Kopplung städtebaulicher Fördermittel an ökonomische Prozesse und Akteure, die zur Stadtentwicklung beitragen. Konkret bezieht er sich auf die Kulturwirtschaft, der eine immer stärkere Dynamik und ökonomische Relevanz zugesprochen wird.

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Auch Will (2010, S. 214ff.) appelliert an die Notwendigkeit, baukulturelle Zeugnisse als vorrangig bewahrenswert zu begreifen und nicht als architektonisches Material, welches den aktuellen Zwecken anzupassen ist. Gleichzeitig sieht er eine Missdeutung der Denkmalpflege, wenn ihr Bestreben nach Konservierung als „starres und lebensfeindliches Einfrieren der Zeit“ angesehen wird. Er möchte den Umgang mit Bausubstanz als einen Kompromiss zwischen Instandhaltung und funktionaler Anpassung sehen. Merk (2008, S. 185) sieht in der Betrachtung der Städte als gebaute Geschichte die Möglichkeit, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen und daraus die Zukunft neu zu gestalten. Daran anknüpfend plädiert Locher (2013, S. 225f.) für eine strukturelle Behutsamkeit im Kontext des Denkmalschutzes im historischen Stadtensemble. Er verweist auf die verschiedenen Einflüsse, die zu unterschiedlichen Zeiten auf Gebäude einwirken, damit sie dauerhaft nutzbar bleiben. Jeder dieser Eingriffe ist ein weiterer Zeitzeuge, und so sollten diese Entwicklungsstränge idealerweise konstant über die Zeit an einem Gebäude ablesbar sein. Der Entwicklung von Städten mit historischen Stadtkernen widmen sich in Deutschland verschiedene Arbeitsgemeinschaften sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Ebene der Bundesländer. Die „AG historische Städte“ entstand 1973 aus dem Zusammenschluss der Städte Bamberg, Lübeck und Regensburg zum Zwecke der Auseinandersetzung mit Instrumenten der Städtebauförderung zum Ziel der Erhaltung der historischen Innenstädte. Im Jahr 1991 wurde diese Gemeinschaft um die drei ostdeutschen Städte Meißen, Görlitz und Stralsund ergänzt. Auch heute beschäftigt sich die Gemeinschaft noch damit, zukunftsfähige Konzepte der Stadtentwicklung in gewachsenen Strukturen zu diskutieren. Der gegenseitige Erfahrungsaustausch und die Unterstützung bei Problemlösungsstrategien sind ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit der Gemeinschaft (https://www.ag-historischestaedte.de/). Auf Länderebene bildete sich im Juni 2015 in Nordrhein-Westfalen die Arbeitsgemeinschaft „Historische Stadt- und Ortskerne in NordrheinWestfalen“ als ein Zusammenschluss von zwei Städtenetzwerken aus den 1980/1990er Jahren. In Brandenburg entstand im Jahr 1992 die „Arbeitsgemeinschaft Städte mit historischen Stadtkernen des Landes Brandenburg“. Beide Gemeinschaften haben sich zum Ziel gesetzt das kulturelle Erbe ihrer Städte zu bewahren und sorgsam zu entwickeln. Innerhalb der Gemeinschaft sollen Erfahrungsaustausch, Information sowie Beratung und Hilfestellung dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen (https://www.hso-nrw.de/).

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In den Bauordnungen der Länder können mit Hilfe von Gestaltungssatzungen detaillierte Festlegungen zum Schutz von Gestaltungselementen an Gebäuden getroffen werden. Diese formellen Instrumente werden oftmals mit informellen Instrumenten wie städtischen Gestaltungsfibeln (bspw. in Perleberg, Pfaffenhofen a. d. Ilm, Sömmerda) oder dem Einsatz von Gestaltungsbeiräten kombiniert. Gestaltungsbeiräte beraten Architekten, Investoren und Bauherren, aber auch Politik und Verwaltung in stadtgestalterischen Fragen. Sie geben dabei Empfehlungen, sind jedoch nicht entscheidungsbefugt. Derzeit existieren ca. 130 dauerhaft ortsgebundene sowie acht temporäre oder mobile Gestaltungsbeiräte in Deutschland. Eine Konzentration ist auf die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und BadenWürttemberg festzustellen. Generell werden Gestaltungsbeiräte häufig in wachsenden Gemeinden installiert, aber auch schrumpfende Gemeinden sehen in diesem Instrument einen guten Beitrag zu einer positiven Stadtentwicklung (BBSR 2017, S. 25ff). Ihre wachsende Zahl zeigt ein steigendes Interesse der Städte an einem geeigneten Umgang mit ihrem baukulturellen Erbe. Da es sich um ein informelles Instrument handelt, weisen die Gestaltungsbeiräte bezüglich der Ausgestaltung und Arbeitsweise deutliche kommunale Unterschiede auf. In dem vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) durchgeführten Projekt „Altbauaktivierung – Strategien und Erfahrungen“ (Laufzeit 01/2016–04/2017) wurden die Problemlagen und Entwicklungstendenzen von Altbaubeständen im Quartierskontext dargestellt sowie kommunale Strategien zum Umgang mit Altbaubeständen und private Initiativen analysiert. Zusätzlich diente das Projekt zur Verbreitung verschiedener strategischer Ansätze, Konzepte und Lösungswege im Umgang mit Altbaubeständen (BBSR 2018b, S. 3). Im Rahmen des Projektes konnte gezeigt werden, dass in vielen Städten bereits erfolgreich Altbauaktivierung betrieben wird. Die Städtebauförderung unterstützt die Kommunen in diesem Vorhaben. Es wurde jedoch auch deutlich, dass ein erfolgreiches Gelingen immer auch von lokalen Gegebenheiten und der Bildung von lokalen Allianzen zur Beförderung der Altbauaktivierung abhängig ist (BBSR 2018b, S. 30).

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Das Spannungsfeld von Revitalisierung und ­Denkmalschutz – der Fall Görlitz

Ausgangslage

Görlitz ist mit rund 56.000 Einwohnern eine mittelgroße Stadt mit einem herausragenden Ensemble historischer Stadtstrukturen verschiedenster Epochen – von Gotik über Renaissance bis hin zur Gründerzeit. Der historische Gebäudebestand von 4.000 geschützten Denkmälern ist einzigartig in Deutschland. Die Stadt liegt am östlichen Rand von Sachsen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die deutsch-polnische Grenze nach Westen verlagert und Görlitz in zwei Teile geteilt. Dementsprechend wurde der östliche Teil von Görlitz zur autonomen polnischen Stadt Zgorzelec erklärt. Heute besteht eine starke Partnerschaft zwischen den beiden Städten. Görlitz leidet allerdings immer noch unter seiner peripheren Lage. Insbesondere der Zugang zu den Metropolregionen Deutschlands und ins polnische Hinterland ist noch unterentwickelt. Darüber hinaus kämpft die Stadt seit mehr als 25 Jahren mit gravierenden demografischen und sozioökonomischen Problemlagen. Bereits vor der Wende erlitt die Stadt Bevölkerungsverluste. Zusätzlich gingen nach der deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 und insbesondere im Zuge der Währungsreform viele Unternehmen Konkurs oder wurden stillgelegt. Dies führte zu massiven Arbeitsplatzverlusten, die bis heute nicht vollständig kompensiert werden konnten. Eine Folge der Arbeitsplatzverluste war die Schrumpfung der Bevölkerung, die sich, durch Abwanderung und einen deutlichen Rückgang der Geburtenrate, um rund 25% verringerte. Dieser Bevölkerungsrückgang wurde begleitet von einem wachsenden Anteil leerstehender Gebäude, welcher auch den historischen Bestand betraf. Görlitz war bereits vor 1989 von Leerstand in der Innenstadt betroffen, da die DDR-Behörden Plattenbauten in den Vorstädten als Ersatz für verfallene und nahezu unbewohnbare Wohnungen in historischen Gebieten errichteten. Rund 75% des historischen Gebäudebestands wurden in den letzten 25 Jahren restauriert, was einen Zustrom von Einwohnern in die Innenstadt begünstigt hat. Die Leerstandsquote bleibt jedoch im verbleibenden nicht modernisierten Gebäudebestand hoch (siehe Abbildung 1). Viele dieser Gebäude stehen seit mehr als 25 Jahren leer, was zu schweren Schäden an der Bausubstanz geführt hat. Viele Gebäude, insbesondere in den Gründerzeitvierteln, sind in einem außerordentlich kritischen Zustand. In ca. 60 Fällen ist die Standsicherheit akut gefährdet (siehe Abbildung 2). Obwohl bisher wenig vom historischen Gebäudebestand verloren gegangen ist, besteht dringender Handlungsbedarf, um das einzigartige kulturelle Erbe von Görlitz zu bewahren.

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Abbildung 1  Sanierte und leerstehende Gebäude im historischen Zentrum von Görlitz (IOER-Media / Knippschild)

Heute genießt die Stadt einen hohen Bekanntheitsgrad wegen positiver, aber auch negativer Eigenschaften. Görlitz ist einerseits bekannt für sein historisches Zentrum („die schönste Stadt Deutschlands“), für die Grenzlage und seine starke Kooperation mit der polnischen Partnerstadt Zgorzelec („Europastadt“) sowie einen Standort für viele internationale Filmproduktionen („Görliwood“). Auf der anderen Seite wird es immer noch mit den negativen Auswirkungen seiner peripheren Lage in Verbindung gebracht, z. B. Bevölkerungsrückgang, wirtschaftliche Strukturschwäche und hohe Arbeitslosigkeit. Der Immobilien- und Wohnungsmarkt in Görlitz erlebt derzeit jedoch einen Boom mit steigender Nachfrage nach hochwertigen Wohnungen sowie Einzelhandelsflächen in zentralen Lagen. Dieser Trend wird sicherlich durch die niedrigen Zinsen der letzten Jahre in Deutschland und ganz Europa gestützt. Diese ermutigen Investoren, nach Grundstücken und Immobilien außerhalb der Kernstädte boomender Metropolen zu suchen, in denen Investitionsmöglichkeiten selten geworden sind. Drei Faktoren – Bevölkerungsrückgang, wirtschaftliche Notlage und leer stehende Gebäude – stellen eine große Bedrohung für eine Vielzahl von historischen Gebäuden dar, nicht nur in Görlitz, sondern auch in vielen anderen schrumpfenden Städten. Hier steht eine Vielzahl von Stadtquartieren unter

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Denkmalschutz, in denen der private Sektor investieren möchte (Ryberg-Webster und Kinahan 2017).

Abbildung 2 Baulücke nach dem Einsturz eines denkmalgeschützten Gebäudes (IOERMedia / Knippschild)

Darüber hinaus „entdecken“ Familien und junge Menschen die mittelgroße Stadt neu. Dieser Trend ist wiederum auf die negativen Auswirkungen rapider städtischer Expansion in Ballungsräumen wie explodierender Immobilienpreise, erhöhter Umweltverschmutzung oder Verkehrsstaus zurückzuführen. Begünstigt

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sind Städte mit attraktiven Wohnungsmärkten, einer starken sozialen Infrastruktur sowie einer lebendigen und einzigartigen urbanen Lebensweise. Diese Entwicklung bietet Görlitz die Chance, durch Revitalisierung von leer stehenden historischen Gebäuden neue Bewohner anzuziehen und die Herausforderungen des Bevölkerungsrückgangs und leer stehender Gebäude zu meistern. Nachdem die Bevölkerungszahl über drei Jahrzehnte lang rückläufig war, verzeichnete die Stadt in den letzten Jahren ein bescheidenes Bevölkerungswachstum. Jetzt müssen die lokalen Behörden im Umgang mit der historischen Gebäudesubstanz einen Ausweg aus dem Dilemma finden, dass dieser sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung für die Revitalisierung darstellt. Die enorme Anzahl von 4.000 denkmalgeschützten Monumenten unter strengsten Denkmalschutzauflagen erweist sich hierbei zunehmend als Hindernis für neue Investitionen. Im Jahr 1990 waren viele historische Gebäude, insbesondere aus der Gründerzeit, in einem schlechten baulichen Zustand und vom Abriss bedroht. Um sie zu retten, wurden die meisten schnell unter Denkmalschutz gestellt. Da die Zeit knapp war, bestand der einfachste Weg darin, sie als einzelne denkmalgeschützte Monumente einzuordnen, obwohl die Auflistung als Gebäudeensembles an vielen Stellen angemessener gewesen wäre. Die Einzelauflistung ist die strengste Form des Denkmalschutzes und führte im Fall von Görlitz dazu, dass Änderungen an einem Einzeldenkmal nur in den seltensten Fällen zugestimmt werden, auch wenn nur ein einzelnes Element Gegenstand der Denkmalschutzordnung ist3. Diese besondere Situation behindert die Revitalisierung in Görlitz zunehmend, da Investoren trotz der Nachfrage nach sanierten Wohnungen und Einzelhandelsflächen in der Innenstadt denkmalgeschützte Objekte nur zögerlich erwerben. Investoren, Planern und Architekten mangelt es oft an ausreichenden Kenntnissen über den Status des Denkmalschutzes, was dazu führt, dass sie die Investitionsinitiative zurückziehen. Dabei sind es aufgrund einer gewissen Dynamik auf dem Immobilienmarkt zunehmend weniger finanzielle Aspekte, etwa verursacht durch hohe Kosten und ein verhältnismäßig niedriges Niveau an Mieten und Verkaufspreisen, welche Investoren abschrecken.

Ein neuer Ansatz: Die Stadtumbaumatrix in Görlitz

Um vertretbar scheinende Eingriffe in die Gebäudesubstanz und die Anforderungen des Denkmalschutzes miteinander zu vereinbaren, hat die Stadt Görlitz eine Leitlinie geschaffen, anhand derer Gebäude klassifiziert und überprüft werden können. Die sogenannte Stadtumbau-Matrix stellt ein Instrument zur Bewertung der 3

Mündliche Auskunft des Amtes für Stadtentwicklung der Stadt Görlitz im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung am 5. März 2018.

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vorhandenen Bausubstanz und zur transparenten Entscheidungsfindung im Umgang mit Gebäuden dar. Das erste Ziel der Matrix ist es, den historischen Gebäudebestand und das städtische Gefüge des Stadtzentrums so weit wie möglich zu erhalten, um so eine städtische „Perforation“, also die Auflösung von Stadtstrukturen durch den Abbruch von Gebäuden, zu vermeiden – ein Phänomen, dem auch andere ostdeutsche Städte mit ähnlichen Entwicklungsbedingungen ausgesetzt sind. Ein intaktes Stadtgefüge trägt dazu bei, die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Stadt zu erhalten und zu erhöhen, indem die weichen Standortfaktoren gestärkt werden. Ziel ist es, dass denkmalgeschützte historische Gebäude weder abgerissen noch stadtbildprägend verändert werden. Das zweite Ziel der Matrix ist es, strukturelle Veränderungen an Gebäuden offen zu diskutieren und aktuelle Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt zu nutzen, um die Revitalisierung und eine hochwertige Nutzung nicht nur bei einzelnen Gebäuden, sondern auch in der weiteren Nachbarschaft zu fördern. Dies kann wiederum eine weitere Revitalisierung und Neubewertung des gesamten Stadtteils fördern. Die Logik der Matrix besteht darin, sowohl denkmalpflegerische Aspekte als auch die zukünftige Nutzung eines Gebäudes zu berücksichtigen, bevor das Genehmigungsverfahren für die Bauarbeiten eingeleitet wird. Ein innovatives Element ist hier, dass die Matrix die geplante Belegung des modernisierten Gebäudes und dessen erwartete Auswirkung auf die städtische Umgebung berücksichtigt sowie Alternativen besser kommunizierbar macht. Es ist zu beachten, dass die Matrix das rechtliche Verfahren für die Erlangung einer Baugenehmigung nicht beeinflusst. Der Ansatz besteht vielmehr darin, die informelle Kommunikation zwischen der Privatwirtschaft (z. B. den Architekten, Planern, Bauträgern und Investoren) und dem öffentlichen Sektor (z. B. den lokalen Behörden für Stadtentwicklung und Denkmalpflege) zu erleichtern, bevor Konflikte in diesem komplexen Bereich entstehen oder die Investoren das Interesse verlieren. Die Stadtumbau-Matrix berücksichtigt vier Aspekte (mit den in Klammern angegebenen Faktoren) (Menzel 2016): 1. Gebäudetyp und Baujahr, 2. städtebauliche Merkmale (Gebäudezustand, Homogenität, Identitätsbildung des Gebäudes), 3. Bewertung des geplanten Projekts (architektonische Qualität, Auswirkung auf den Gebietscharakter), 4. vermutete städtebauliche Wirkungen (Auswirkungen auf die Stadtentwicklung, Funktion als vorbildliche Entwicklung).

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Abbildung 3  Drei Zonen städtischer Konsolidierung in Görlitz (Menzel 2016)

Die angegebenen Faktoren variieren in Abhängigkeit von drei räumlichen Kategorien, die von einem bereits bestehenden Zonierungssystem im Rahmen des städtebaulichen Entwicklungskonzeptes „Lebendige Mitte“ abgeleitet wurden (siehe Abbildung 3). Dieses Konzept fokussiert, ebenso wie die StadtumbauMatrix, auf den Bereich der Görlitzer Innenstadt. Die drei Zonen zeigen den Grad der städtischen Konsolidierung an: 1. konsolidierte Gebiete (dunkelrot): sie haben einen hohen Anteil an sanierten Häusern, eine niedrige Leerstandsquote und eine ausgewogene Sozialstruktur, 2. in Konsolidierung befindliche Gebiete mit geringem Neuordnungsbedarf (rosa), 3. nicht konsolidiertes Gebiet (hellrosa): hohe Notwendigkeit einer Sanierung, hohe Leerstandsquoten, soziale Segregation. Entsprechend der Matrix ist ein intensiverer Eingriff in die Struktur eines Gebäudes in einem weniger konsolidierten Gebiet in höherem Maße vorstellbar.

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Konkret generiert die Matrix 12 Kategorien potenzieller Strukturinterventionen in denkmalgeschützten Gebäuden. Diese reichen von „keine Intervention / Veränderung möglich“ bis „Abbruch ohne Ersatz“, wobei das Ziel der Matrix die langfristige Erhaltung und nicht der Abriss des historischen Gebäudebestandes ist. Im Einzelnen sind dies: 1. Erhalt des Status quo 2. Partielle Grundriss-/Nutzungsänderung 3. Veränderung Hoffassade 4. Tiefgreifende Grundriss-/Nutzungsänderung 5. Veränderung Straßenfassade 6. Reduzierung Gebäudetiefe, Teilneubau 7. Neubau Dachgeschoss/ Aufstockung 8. Abbruch Dachgeschoss, Teilneubau 9. Neubau hinter alter Fassade 10. Ersatzneubau in Straßenflucht 11. Ersatzneubau abweichende Bauweise 12. Ersatzloser Abbruch, Gestaltung Freifläche

Abbildung 4  Die 12 Kategorien struktureller Intervention (Menzel 2016)

Abbildung 4 zeigt Visualisierungen aller dieser Interventionskategorien. Dabei können alle zwölf Kategorien in den genannten drei Zonen städtischer Konsolidierung vorkommen.

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Vorläufige Reflexionen: Schwierige Anwendung

Die Stadtumbau-Matrix wurde von Beginn an von den lokalen Akteuren sowie von den für den Denkmalschutz zuständigen Behörden, insbesondere seitens der Obersten Denkmalschutzbehörde (in Sachsen das Sächsisches Staatsministerium des Innern mit dem Landesamt für Denkmalpflege Sachsen), hitzig diskutiert. Die Erhaltung des städtischen Erbes stellt in Görlitz ein öffentlich debattiertes Thema dar, was sich in zahlreichen Maßnahmen zum Schutz des städtischen Gefüges sowie in freiwilligen Aktivitäten und Initiativen widerspiegelt. Viele derjenigen, die an solchen Initiativen beteiligt waren, standen der Matrix skeptisch gegenüber und befürchteten verstärkte Abbruchaktivitäten oder massive Eingriffe in denkmalgeschützte Gebäude, die das einzigartige historische Zentrum der Stadt beschädigen würden. Innerhalb der Stadtverwaltung selbst gab es weniger Konflikte, da die Denkmalpfleger auch für die Stadtentwicklung zuständig sind. Das der obersten Denkmalschutzbehörde nachgeordnete Landesamt für Denkmalpflege fürchtete jedoch eine Schwächung des Denkmalschutzes in Sachsen. Während für den spezifischen Fall von Görlitz noch Verständnis aufgebracht werden konnte, sollte der Matrix-Ansatz darüber hinaus kein Entwicklungsmodell für andere Städte sein. Nach intensiven Anhörungen stimmte das Landesamt einer zeitlich befristeten Experimentierphase zu, um die Stadtumbau-Matrix testweise anzuwenden und die in dieser Zeit gemachten Erfahrungen zu bewerten. Anschließend wurde ein Ratsbeschluss verabschiedet, um die Anwendung der Matrix für einen begrenzten Zeitraum auf lokaler Ebene zu genehmigen. Obwohl diese experimentelle Phase noch nicht abgeschlossen ist, können bereits erste vorläufige Schlussfolgerungen gezogen werden. Im Allgemeinen ist die Stadt Görlitz vorsichtig bei der Anwendung der Stadtumbau-Matrix. In der Tat ist die Matrix bei Architekten, Planern oder Investoren wenig bekannt, und die Stadt tut wenig, um darauf aufmerksam zu machen. Aufgrund der begrenzten Ressourcen der Stadtverwaltung ist eine umfassende Anwendung der Matrix unrealistisch. Daher kann sie nur in ausgewählten Fällen angewendet werden. Ziel der Matrix ist es, Möglichkeiten der Revitalisierung von denkmalgeschützten, aber leer stehenden Gebäuden so früh und so offen wie möglich zu diskutieren und dabei bestimmte strukturelle Eingriffe zu akzeptieren. Zu diesem Zweck ist die Verbreitung von Informationen zwischen Fachleuten und potenziellen Investoren von entscheidender Bedeutung. Das Interdisziplinäre Zentrum für ökologischen und revitalisierenden Stadtumbau in Görlitz, eine gemeinsame Forschungseinheit des Leibniz-Instituts für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und der Technischen Universität Dresden, hat dazu beigetragen, eine Fachkonferenz und eine öffentliche Diskussion zum

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Thema Matrix zu organisieren. Generell ist der Zuspruch unter den Praktikern und Wissenschaftlern sowie den Görlitzer Bewohnenden sehr positiv.

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Schlussfolgerungen und weiterer Forschungsbedarf

Die Matrix ist ein innovativer Ansatz zur Bewahrung des kulturellen Erbes, bei gleichzeitiger Förderung der Stadterneuerung und der lokalen wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Erhebung von Ansätzen zur Bekämpfung des Konflikts zwischen Revitalisierung und Denkmalschutz in Deutschland hat gezeigt, dass kaum ein anderes Modell in Form oder Komplexität mit der Matrix vergleichbar ist. Das Bayrische Landesamt für Denkmalpflege etablierte im Jahr 2017 mit dem Kommunalen Denkmalkonzept ein Instrument, das zum einen Gemeinden befähigen soll, mit ihrem historischen Gebäudebestand im Sinne des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege selbstständig und zielorientiert umzugehen. Zum anderen fördert es durch die partizipative Beteiligung von Bürger/-innen das Bewusstsein für den historischen Bestand der Gemeinden (BLfD 2017). Zwischen beiden Instrumenten gibt es Ähnlichkeiten, jedoch ist die Stadtumbau-Matrix ein eher analytisch aufgebautes Instrument, welches vor allem in Gesprächen mit potenziellen Investoren zum Einsatz kommen soll. Im diskutierten Fall sind Denkmalschutz und lokale Stadtentwicklung keine widersprüchlichen Ziele. Eine weitere Untersuchung der in Görlitz gewonnenen Erfahrungen ist erforderlich, um die Allgemeingültigkeit des Ansatzes zu bestimmen. Eine Frage von besonderem Interesse ist, ob die Stadtverwaltung, die sowohl für den Denkmalschutz als auch die Stadtentwicklung verantwortlich ist, die Rolle des Vermittlers zwischen den konkurrierenden Interessengruppen spielen kann. Die Matrix ist ein Instrument, das speziell die aktuelle Situation in Görlitz widerspiegelt. Die Übertragbarkeit des Matrix-Ansatzes kann aufgrund des speziellen Görlitzer Kontexts eingeschränkt sein. Weitere Untersuchungen sind erforderlich, um zu ermitteln, wie weit und unter welchen Umständen der Matrixansatz auf andere Kontexte übertragen oder um zusätzliche Aspekte (z. B. Energieeffizienz) erweitert werden kann. Derzeit können wir nicht mit Sicherheit sagen, ob die Matrix ein allgemein anwendbares Instrument zur Bewertung von baulichen Eingriffen im Bestand sein könnte, das den Anliegen des Denkmalschutzes entspricht. Gleiches gilt für die Frage, ob die Matrix zur Verringerung der Leerstandsquote und damit zur Revitalisierung und Aufwertung von Stadtteilen beitragen kann. Bis jetzt haben die Anwohner sowie die sächsischen Behörden große Zweifel gehabt, dass die Denk-

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mäler von Görlitz erhalten bleiben. Diese Sorge und die fehlende Unterstützung des Matrix-Ansatzes auf lokaler und auf Landesebene haben die Unsicherheit innerhalb der Verwaltung verstärkt. Eine solche Unsicherheit könnte der Grund dafür sein, dass die Kommune die Vorteile der Matrix gegenüber Architekten, Planern, Bauträgern und Investoren in der Stadt nur vorsichtig beworben und kommuniziert hat. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Matrix kein Produkt einer akademischen oder beratenden Tätigkeit ist, sondern vom örtlichen Amt für Stadtentwicklung erarbeitet wurde, welches für den Denkmalschutz und die Stadtentwicklung zuständig ist. Obwohl die Personalsituation der Verwaltung in schrumpfenden Kommunen angespannt ist, können innovative Prozesse im öffentlichen Sektor auf lokaler Ebene durchgesetzt werden. Jetzt muss die Stadt Görlitz ein gewisses Maß an Selbstvertrauen gewinnen, um den Matrix-ansatz besser zu fördern und zu kommunizieren.

Quellen BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (2017): Mehr Qualität durch Gestaltungsbeiräte. Perspektiven für die Baukultur in Städten und Gemeinden. Bonn. BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (2018a): Raumordnungsbericht 2017. Daseinsvorsorge sichern. Bonn. BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (2018b): Altbauaktivierung – Strategien und Erfahrungen. Bonn. BLfD  – Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (2017): Das Kommunale Denkmalkonzept. Den historischen Ortskern gemeinsam gestalten und entwickeln. Forstinning. BMVBS – Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (2006): Gute Beispiele: Städtebaulicher Denkmalschutz – Handlungsleitfaden, Berlin. Europäische Kommission / Eurostat (2017): Urban Europe – statistics on cities, towns and suburbs – executive summary. http://ec.europa.eu/eurostat/documents/3217494/7596823/ KS-01–16-691-EN-N.pdf. Accessed: Zugegriffen: 11 Jan 2018. Fol S., Cunningham-Sabot E. (2010): “Déclin urbain” et Shrinking Cities: une évaluation critique des approches de la décroissance urbaine. Annales de géographie 4(674), 359– 383. Kuder, T. (2008): Der Städtebauliche Denkmalschutz im Wandel. In Jahrbuch Stadterneuerung 2008, Berlin, 195–206. Locher, M. (2013): Behutsamkeit in der Denkmalpflege – Vorwand oder Strategie?. In Jahrbuch Stadterneuerung 2013, Berlin, 217–226.

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Menzel W. (2016), Stadt Görlitz, Amt für Stadtentwicklung: Görlitzer Modell: StadtumbauMatrix. Bewertungssystem zur Weiterentwicklung innerstädtischer Bausubstanz. Unveröffentlichte Präsentation zum Antragsbeschluss im Stadtrat der Stadt Görlitz, 04.05.2016. Merk, E. (2008): Bürgersinn und Denkmalentwicklung im Stadtumbau – Die Stadt Halle an der Saale und die Veränderung. In Jahrbuch Stadterneuerung 2008, Berlin, 185–194. Nasser N. (2003): Planning for Urban Heritage Places: Reconciling Conservation, Tourism, and Sustainable Development. Journal of Planning Literature 17(4), 467–479. Nefs M., Alves S., Zasada I., Haase D. (2013): Shrinking Cities as Retirement Cities? Opportunities for Shrinking Cities as Green Living Environments for Older Individuals. Environment and Planning A: Economy and Space 45(6), 1455–1473. Panagopoulos T., Guimarães, M. H., Barreira A. P. (2015): Influences on citizens’ policy preferences for shrinking cities: a case study of four Portuguese cities. Regional Studies, Regional Science 2(1), 141–170. Ryberg-Webster S., Kinahan K. L. (2017): Historic preservation in declining city neighbourhoods: Analysing rehabilitation tax credit investments in six US cities. Urban Studies 54(7), 1673–1691. Will, T. (2010): Reparieren. Die Kunst des Notwendigen. In: Meier, H.-R., Scheurmann, I. (Hrsg.): Denkmalwerte: Beiträge zur Theorie und Aktualität der Denkmalpflege, Berlin – München, 203–216. Wolff M., Wiechmann T. (2017): Urban growth and decline: Europe’s shrinking cities in a comparative perspective 1990–2010. European Urban and Regional Studies 25(2), 122–139.

Das Kommunale Denkmalkonzept Bayern Städtebauliche Denkmalpflege als integrierte Praxis



Judith Sandmeier und Lisa Marie Selitz

Zusammenfassung

Insbesondere Klein- und Mittelstädte stehen vor der Herausforderung, Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsprozesse auf Grundlage ihrer kommunalen Selbstverantwortung und im Rahmen ihrer finanziellen wie personellen Ausstattung zu schultern. Gerade im Umgang mit historischen Bauten, Anlagen und Quartieren fehlt es jedoch oft an fundiertem Fachwissen, Planwerken und städtebaulich-denkmalfachlicher Unterstützung. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege hat mit dem „Kommunalen Denkmalkonzept“ (KDK) ein informelles Instrument entwickelt, um die Erhaltung und Entwicklung des historischen Bestandes in städtebauliche Planungen zu integrieren oder auf Grundlage erhaltenswerter Bauten und Strukturen bewusst Stadtentwicklungsprozesse anzustoßen. Das Kommunale Denkmalkonzept ist eine denkmalpflegerische Entwicklungsplanung, die aus den drei Schritten Erfassung, Planung und Umsetzung besteht. Darüber hinaus legt das KDK einen besonderen Schwerpunkt auf die Kommunikation und Interaktion von Schlüsselakteuren sowie die Information und Beteiligung der Bürger in der Planerstellung. Im Beitrag werden das Konzept sowie vier KDK-Prozesse vorgestellt. Ebenso erfolgt eine Kontextualisierung durch die übergeordnete Verbindung von städtebaulicher Denkmalpflege und Stadterneuerungsprozessen.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3_7

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Planung und Entwicklung in der städtebaulichen Denkmalpflege

Der Erhalt historischer Siedlungskerne und denkmalpflegerisch bedeutsamer Stadtquartiere ist eines der zentralen Anliegen und ein wichtiges Potenzial der Stadterneuerung. Anlaufstellen und beratende Instanzen im Umgang mit Denkmalen und Ensembles in Deutschland sind nicht zuletzt die Landesdenkmalämter. Im Kontext der Stadtplanung und Entwicklung ist es insbesondere die sich seit den 1970er Jahren etablierende Disziplin der städtebaulichen Denkmalpflege, die sich im städtebaulichen Kontext als Träger öffentlicher Belange bei der Prüfung von Planfeststellungsverfahren, Flächennutzungs- und Bebauungsplänen sowie im Rahmen informeller und formeller Entwicklungsplanungen durch denkmalpflegerische Beiträge einbringt. Aufbauend auf den bereits in den späten 1980er Jahren eingeführten historischen Ortsanalysen zur Dorferneuerung und Stadtsanierung (Strobel und Buch 1986) hat das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) den Werkzeugkasten der städtebaulichen Denkmalpflege um das informelle Planungsinstrument des Kommunalen Denkmalkonzeptes (KDK) erweitert (Gunzelmann 2017a). Dieses wird in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien (KDWT) der Universität Bamberg weiterentwickelt. In diesem kommunalen Ansatz werden Schutz und Entwicklung eines Ortes zusammen betrachtet, um Lösungen für die Entwicklung des historischen Bestands in seiner städtebaulichen Prägnanz zu finden. Mit seinem modularen Aufbau, bestehend aus städtebaulich-denkmalpflegerischer Erfassung, Planung und beispielhafter Umsetzung, kann das KDK eigenständig oder als Fachbeitrag in den Verfahren der Dorferneuerung und Stadtsanierung eingesetzt werden. Neben der Einbeziehung von Genehmigungs-, Fach- und Förderbehörden in die Kommunikation und Verhandlung der kommunalen Ziele eines KDK ist die Partizipation der Bürger ein zentraler Bestandteil dieses Prozesses. Die Erfahrung aus den 20 laufenden Pilotprojekten – darunter mehrere Klein- und Mittelstädte – zeigt, dass im offenen Dialog mit Denkmaleigentümern, Engagierten, Interessierten und auch Kritikern ein ausbaufähiges Potenzial des KDK liegt, das sich insbesondere in dem koordinierten und kommunikativen Zusammenspiel von Politik, Verwaltung, Bürgerschaft, Förderpartnern und Denkmalfachamt bewegt. Durch eine strategische Vernetzung von Planungsleistungen, Beratung, Mediation, Förderung und Diskussion will das KDK die kommunale Eigenverantwortung für das regionale baukulturelle Erbe stärken. Die Herausforderungen für das Konzept sind dabei ebenso vielschichtig wie die städtebaulichen, denkmalpflegerischen und planerischen Herausforderungen der Gemeinden, die derzeit das Instrument anwenden.

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Städtebauliche Denkmalpflege als methodischer Impulsgeber für die Stadtentwicklungsplanung

1977, sechs Jahre nach Einführung des Städtebauförderungsgesetze, befand man sich inmitten einer Periode der Erkenntnisgewinnung über die Bedeutung denkmalpflegerischer Belange innerhalb städtebaulicher Kontexte und einer gesellschaftlichen Zusprache für Denkmalpflege, u. a. ausgelöst durch die Folgen der Kahlschlagsanierungen. Schon damals wurde folgendes im Vorwort der zu diesem Band gleichnamigen Veröffentlichung „Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten“ festgehalten: „Besonders in Klein- und Mittelstädten sind die Erneuerung der historischen Ortskerne sowie die Sanierung und Modernisierung von Wohn- und Gewerbegebieten aus dem vergangenen Jahrhundert ein zentrales Problem der Stadtentwicklung. […] Gerade aber in diesen Städten ist wegen der oftmals personell unzureichenden Ausstattung das Instrumentarium des Städtebauförderungsgesetzes erfahrungsgemäß nur schwer zu handhaben. Häufig fehlt eine auf die Arbeitsbedingungen und die Leistungskraft klein- und mittelstädtischer Verwaltung ausgerichtete Anleitung zur Organisation des Planungsprozesses und zur Durchführung der Stadterneuerung.“ (Köpple und Schwantes 1977, S. 9)

Trotz ausdifferenzierter Förderlinien, überkommunaler Zusammenschlüsse historischer Stadtkerne und Fortschritt im Planungswesen scheint die beschriebene Problemlage auch heute noch vielerorts nicht überwunden zu sein. Der denkmalpflegerische Fachbeitrag des KDK versucht diesem Umstand proaktiv zu begegnen – durch das Angebot von Planungsleistungen und institutionellen Hilfestellungen. Diese Unterstützung ist gerade dort nötig, wo eigene Kompetenzen in Planaufstellungsverfahren selbst oder die Berücksichtigung städtebaulichdenkmalpflegerischer Inhalte innerhalb der Verfahren ausbaufähig sind. Dies ist insbesondere von Bedeutung, da „[i]m Rahmen ihrer kommunalen Planungshoheit […] die Städte und Gemeinden die erste Adresse [sind], wenn es um das Erkennen, das Erfassen und das Entwickeln von erhaltenswerter Bausubstanz und damit um das Kernelement der erhaltenden Stadterneuerung geht“ (Expertengruppe Städtebaulicher Denkmalschutz 2015, S. 3). Die städtebauliche Denkmalpflege setzt hier an und kann Hilfestellungen für Kommunen geben. Gildner (2016, S.  77) definiert städtebauliche Denkmalpflege in seiner Dissertation als „ein integratives Verfahren, das auf die behutsame Weiterentwicklung des baukulturellen Erbes abzielt, indem es denkmalpflegerische Belange und Kompetenzen in fachübergreifende Prozesse der Stadtentwicklungsplanung einbezieht.“ Mit dieser Definition setzt er die städtebauliche Denkmalpflege als einen Partner im Städtebau, der im Gegensatz zum klassischen Denkmalschutz nicht

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den Substanzerhalt von geschützten Einzelobjekten, Anlagen und Ensembles auf Grundlage der Denkmalgesetzgebung regelt, sondern im Raum- und Flächenbezug versucht, fachliche Beiträge in dynamischen Stadtentwicklungsprozessen zu verankern. So wird in der städtebaulichen Denkmalpflege davon ausgegangen, dass jede Stadt über Baubestände verfügt, die städtische Entwicklung und Geschichte nachvollziehbar machen können und dass diese tradierten städtebaulichen Gefüge für die weitere Stadtentwicklung und die Bewohner von Bedeutung sind – unabhängig von dem seit 1991 bestehenden und 2009 auf die „alten Bundesländer“ übertragenen Förderprogramm „Städtebaulicher Denkmalschutz“ und ebenso unabhängig von Stadtgröße oder -klassifikation. Die Kompetenzen in den Landesämtern können dabei helfen, diese „erhaltenswerten Bausubstanzen und historisch tradierten Strukturen“, die als solche nicht den Kriterien des Denkmalschutzes gerecht werden, aber in ihrem historischen und städtebaulichen Gepräge von Bedeutung sind, zu definieren und in Erhaltungs- und Entwicklungszielen der Stadtplanung und Stadterneuerung zu verankern. Die „besonders erhaltenswerte Bausubstanz“ gewinnt so auch zunehmend in der Städtebauförderung an Bedeutung. Mit Ausnahme des nordrhein-westfälischen Denkmalschutzgesetzes hat diese aber keine rechtliche Grundlage und es gibt längst keine einheitlich anwendbare Definition oder Erfassungsstrategie. Zwar können Erhaltungs- und Sanierungsgebiete als Mittel herangezogen werden, um etwas für „besonders erhaltenswert“ zu erklären, maßgebend ist aber die kommunale und örtliche Bewertung. So schreibt auch die kommunale Arbeitshilfe Baukultur zum Thema: „Der Begriff der besonders erhaltenswerten Bausubstanz gewinnt erst durch die Schaffung individueller, ortsbezogener Begründungen an Substanz“ (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit [BMUB] 2014, S. 11). Fernab der Bestätigung besonders erhaltenswerter Bausubstanz für die Fördermöglichkeiten im Rahmen des KfW-Effizienzhauses oder der Sonderregelungen für die Energieeinsparverordnung dient eine reflektierte Beschäftigung mit dem tradierten Baubestand einer nachhaltigen Stadtentwicklung.

Das KDK als neues Instrument der städtebaulichen Denkmalpflege

Die Kernidee des Kommunalen Denkmalkonzeptes, über die Beschäftigung mit der Geschichte eines Ortes gemeinsam mit den Akteuren vor Ort Lösungen für die Gegenwart zu finden und damit die zukünftige Entwicklung eines Ortes zu fördern, ist nicht neu. Informelle Entwicklungsplanungen gehören zum traditionellen Werkzeug der Stadt- und Dorferneuerung. Letztere können auf mehr als 50 Jahre Praxiserfahrung mit diesen Instrumenten zurückblicken (Altrock et al. 2012). Auch in der Denkmalpflege hatte man bereits früh erkannt, dass der formelle Schutz der Zeugnisse aus vergangener Zeit nicht ausreichen würde, um ihre

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historische Aussage auch zukünftig in ihrem stadt- oder dorfräumlichen Kontext zu erhalten. Weniger als ein Jahrzehnt nach dem Inkrafttreten der ersten deutschen Denkmalschutzgesetze und der damit einhergehenden Institutionalisierung der Denkmalpflege durch Fach- und Vollzugsbehörden postulierte Tilman Breuer als Leiter der Denkmalliste am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, „dass [n]icht die Verrechtlichung des Denkmalbegriffes, sondern die Erläuterung des Denkmals mit seinen für die Gesellschaft wichtigen Eigenschaften […] auf Dauer seine Erhaltung sichern [würde]“ (Breuer 1982, S. 16). Die Denkmalschutzgesetze in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen enthielten mit dem „Denkmalpflegeplan“ sogar ein denkmalpflegerisches Entwicklungsinstrument, das die Kommunen zur planerischen Beschäftigung mit ihrem historischen Ort unter Einbeziehung der Bürgerschaft verpflichtete (Davydov et al. 2017, S.  662 FN  707). Die vermehrt durch Bürgerinitiativen, Stiftungen, Altstadtvereine und die in anderer Form organisierten Interessensverbänden eingeforderte Partizipation der Bürger und Betroffenen bei Entscheidungen an der Schnittstelle von Denkmalpflege und Stadtentwicklung wird auch schon heute objekt- und projektbezogen praktiziert (Amt für Denkmalpflege im Rheinland (Hrsg.) 2013, 27. Mai). Dennoch besteht sowohl bei den fachlich Betrauten als auch bei den bürgerschaftlich Aktiven das begründete Desiderat, Themen der erhaltenden Ortsplanung mehr aktiv denn passiv und mehr präventiv denn reaktiv zu behandeln. Der inhaltliche Ansatz des Kommunalen Denkmalkonzeptes ist daher nicht neu: Der individuelle, ortsspezifische Ansatz zur Kommunikation und Möglichkeit der Meinungsbildung über städtebauliche und denkmalpflegerische Themen bringt jedoch neue Impulse. Der in den späten 1980er Jahren im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege eingeführte Denkmalpflegerische Erhebungsbogen (DEB) für Dörfer und die vertiefte städtebaulich-denkmalpflegerische Untersuchung (SDU) für Städte und Stadtquartiere hatten das Ziel, als umfassende Bestandsaufnahme alle überlieferten Zeitschichten in Ortsbild und -struktur in Text, Bild und Karte komprimiert darzustellen und den Bewohnern über verschiedene Vermittlungsformate die sichtbare und erlebbare Geschichtlichkeit ihres Ortes zu erläutern (Gunzelmann 2001). Die weitgehende Etablierung dieser Instrumente zeigt die Tatsache, dass diese beispielsweise als Erfassungsmodell in der „Arbeitshilfe kommunale Baukultur“ vertreten sind (BMUB, 2014, S.  21). Über 1.000 erstellte Denkmalpflegerische Erhebungsbögen und rund 60 städtebaulich-denkmalpflegerische Untersuchungen bilden die methodische und inhaltliche Grundlage für die Erweiterung des Instrumentariums der städtebaulichen Denkmalpflege durch das Kommunale Denkmalkonzept (Gunzelmann et al. 2017). Wie schon der DEB be-

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trachtet das Kommunale Denkmalkonzept Wissen, Information und Diskussion über das historische Erbe einer Kommune als essenzielle Grundlagen für den eigenverantwortlichen Umgang mit diesem. Das Kommunale Denkmalkonzept geht dabei über die Erfassung und Analyse der denkmalpflegerischen Werte hinaus und entwickelt im Planungs- und Umsetzungsteil Strategien und Ideen für die zukünftige Erhaltung und Nutzung dieser Werte im Rahmen der Ortsentwicklung.

Abbildung 1 Modularer Aufbau des Kommunalen Denkmalkonzepts (Grafik: BLfD, T. Gunzelmann)

Der dreiteilige Aufbau aus Erfassung/Analyse, Planung und Umsetzung, wie er auch in Abbildung 1 dargestellt ist, skizziert die grobe Struktur eines Kommunalen Denkmalkonzeptes, das sich dabei am Grundmuster klassischer Entwicklungsplanung orientiert (Gunzelmann 2017a). Die in der Theorie konsekutiv dargestellten Prozessschritte sind in der Praxis nicht in strenger zeitlicher Abfolge zu sehen, sondern können anlassbezogen ineinander verschränkt werden. Lediglich das erste Modul (Erfassung/Analyse) sollte dem Prozess sinnvollerweise vorangestellt werden, um im weiteren Verlauf aus dieser Einarbeitungsphase auch einen inhaltlichen und organisatorischen Nutzen ziehen zu können. Der Einstieg über die historische Ortsanalyse (Erfassung/Analyse) bietet zudem die Möglich-

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keit anhand der niederschwelligen Vermittlung der historischen Werte des eigenen Ortes alle Betroffenen und Beteiligten in den Prozess mit einzubinden und die für ein KDK essenzielle Partizipation anzuregen. Die Darstellung und Erläuterung der städtebaulich-denkmalpflegerischen Werte ist im Weiteren Ausgangspunkt für die Formulierung von Leitlinien und Maßnahmen zur Bewahrung und Nutzung dieser Werte bei der zukünftigen Ortsentwicklung (Planung). Im Rahmen dieser Zielplanung werden gemeinsam mit der Kommune priorisierte Maßnahmenpläne entwickelt und beispielhafte Umsetzungsprojekte angestoßen.

Abbildung 2 Thematischer und gebietsbezogener Ansatz des Kommunalen Denkmalkonzeptes (Grafik: BLfD, T. Gunzelmann)

Inhalt und Zielrichtung eines jeden Kommunalen Denkmalkonzeptes werden an die lokalen Rahmenbedingungen und Problemstellungen einer Kommune angepasst. Anlass ist zumeist eine mit der substanziellen und strukturellen Überlieferung eines Ortes verbundene städtebauliche Erhaltungs- oder Entwicklungsfrage, die über das denkmalgeschützte Einzelobjekt hinausgeht. Diese Fragestellung kann sich auf alle städtebaulich-denkmalpflegerischen Aspekte eines historischen Ortes oder Quartiers beziehen und damit einen gebietsbezogenen Ansatz verfolgen (vgl. Abb. 2). Ebenso kann es im städtebaulichen oder dorfbaulichen Zusammenhang immer wiederkehrende Fragestellungen beispielsweise zum Umgang mit heute funktionslosen und dennoch struktur- und bildprägenden landschaftlichen Neben-

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gebäuden in Dörfern, Märkten und Kleinstädten untersuchen. Dieser themenbezogene Ansatz ist zumeist schon mit einem ganz konkreten kommunalen Entwicklungsziel der baulichen oder strukturellen Inwertsetzung verbunden. Das KDK hat in diesem Zusammenhang vor allem die Aufgabe, als Kommunikationsforum und Ideenschnittstelle einen für alle Beteiligten gangbaren Weg zu finden. Im gebietsbezogenen Ansatz kristallisieren sich die Impulse für ein oder mehrere Umsetzungsprojekte aus den gesammelten und priorisierten Handlungsdesideraten der verschiedenen Akteure heraus. Grundlage für den Einstieg in den Prozess eines Kommunalen Denkmalkonzeptes ist nicht die Erfüllung von Aufnahmekriterien eines Förderprogramms oder ein formeller Verfahrensrahmen, den beispielweise Entwicklungskonzepte der Dorferneuerung und Städtebauförderung voraussetzen. Ein Kommunales Denkmalkonzept kann als denkmalpflegerische Fachplanung in übergeordnete Planungen integriert werden oder sich als vertiefendes Konzept aus diesen ergeben; es kann aber auch dort eigenständig Prozesse in Gang setzen, wo andere Entwicklungsplanungen aus verfahrenstechnischen oder raumstrategischen Gründen nicht greifen können. Die Bereitschaft der kommunalen Politik und Verwaltung, diesen Prozess gemeinsam mit den genannten Akteuren zu gestalten, ist die entscheidende Voraussetzung für den Start eines KDK-Prozesses. Der verwaltungstechnische Aufwand der Konzepterstellung ist für die Kommune zwar gegeben, er ist aber vergleichsweise gering zu dem Aufwand, der z. B. für die Erarbeitung eines integrierten Stadtentwicklungskonzepts entsteht. So ist die Hemmschwelle, dieses informelle Planungsinstrument einzusetzen, kleiner und eine schnellere Reaktion kann auf akute Fragestellungen erfolgen. Obwohl ein KDK auch eigenständig erarbeitet werden kann, kommt es oft zu direkten Interaktionen mit anderen geförderten Planerstellungsverfahren – vergangen, aktuell oder in absehbarer Zukunft. Voraussetzung für die Zusammenarbeit ist in allen Fällen eine frühe Information und Abstimmung über Inhalte, Ziele und zeitliche Perspektive mit der Kommune und den Förder- und Entwicklungspartnern; etwa zu den Fragen, ob es bereits vorhandene Förderbestände oder Planungen gibt, sich das Instrument diesen untergliedert und ob es als unterstützende Fachplanung dient. Aus den ersten Erfahrungen in der Umsetzung des Planungsinstruments lassen sich bereits vier charakteristische Fälle im Zusammenspiel der Planwerke ableiten: • Das KDK baut auf ein bereits existierendes ISEK (integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept) auf, vertieft dieses fachlich und entwickelt neue Entwicklungsanstöße. • Das KDK wird als Bestandteil eines ISEKs entwickelt und in Abstimmung mit den Verfahren des ISEKs durchgeführt.

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• Für das betroffene Gebiet bestand bereits ein Denkmalpflegerischer Erhebungsbogen oder eine vertiefte Städtebauliche Untersuchung als Fachbeitrag in der Städtebauförderung. Mit dem KDK wird auf die fachspezifischen Inhalte aufgebaut, und es werden Verbindungen zu neuen Entwicklungsplanungen geschaffen. • In einem Gemeindeentwicklungskonzept oder ländlichen Entwicklungskonzept wird ein besonderer Handlungsbedarf im Altortbereich (u. a. als übergemeindlicher Identifikationsort) festgestellt. Das KDK wird in weitere Planungen und Entwicklungskonzepte einbezogen, um einen zielgerichteten Beitrag zu leisten.

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Praxisbeispiele in Klein- und Mittelstädten

Die Möglichkeiten des Instrumentes zeigen sich in der Bandbreite der 50 derzeit laufenden oder vor kurzem abgeschlossenen Kommunalen Denkmalkonzeptverfahren in Bayern. Rund die Hälfte davon beschäftigt sich mit Siedlungseinheiten, die den im Fokus stehenden Klein- und Mittelstädten entsprechen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die für diese Kategorie als „kritische Masse“ zu betrachtenden Kommunen nicht immer das Stadtrecht, sondern vor allem in Südbayern oft nur das Marktrecht führen. Während das altbayerische Garmisch-Partenkirchen im äußersten Süden des Landes beispielsweise mit rund 27.600 Einwohnern bis heute Markt geblieben und damit das größte Dorf Bayerns ist, hat das fränkische Lichtenberg mit knapp 1.100 Einwohnern sein im 14. Jahrhundert von der damals thüringischen Ritterherrschaft verliehenes Stadtrecht bis heute behalten. Diese aus der territorialen, siedlungsgeschichtlichen und raumpolitischen Entwicklung Bayerns zu erklärende Situation bestätigt einmal mehr die seit Beginn des 20. Jahrhunderts wiederholt ausgeführte Feststellung, dass die Klassifizierung und Typisierung von Siedlungseinheiten immer von einem Bündel von Faktoren und Merkmalen abhängig ist und dabei nicht die „amtliche Statistik allein“ (Englert und Schmitt (Hrsg.) 1928, S. 8), sondern eben auch kulturhistorische und siedlungsgeografische Bedingungen weitgehenden Einfluss haben können. Genauso wie ein Kommunales Denkmalkonzept auf die spezifischen geopolitischen und topographischen Bedingungen des Ortes eingehen muss, beeinflussen die internen Faktoren, wie die demographische Zusammensetzung der Bevölkerung, die Bereitschaft zu Mitwirkung bei Politik und Stadtgesellschaft und die Ausstattung der Verwaltung den Prozess. Jedes Kommunale Denkmalkonzept hat seine eigene Dynamik und Logik, die im hohen Maße von den Prozessakteuren abhängt. Instrumente und Praktiken der Vermittlung und Partizipation sind daher nur bedingt übertragbar. Die vier folgenden Beispiele zeigen, dass Kommunale Denkmalkonzepte neben

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den angepassten inhaltlichen Fragestellungen auch eine dem Ort und seinen Akteuren angepasste Prozessdauer haben. Der hier dargestellte Zeitabschnitt beispielhafter KDK-Prozesse endet Mitte des Jahres 2018.

Werkstattbericht 1: Das Kommunale Denkmalkonzept ­„Scheunenviertel Gräfenberg“. Werk – Stadt – Raum

Die Stadt Gräfenberg liegt im oberfränkischen Landkreis Forchheim mit guter infrastruktureller Anbindung nach Forchheim, Erlangen und Nürnberg und hatte in den letzten zehn Jahren konstant um die 4.000 Einwohner. Die positive Beschäftigungsentwicklung begünstigt die Lage am „Wirtschaftsband A9“ sowie am Rande des Verdichtungsraums der Metropolen Erlangen und Nürnberg. Das gut erreichbare Arbeitsplatzangebot in den Zentren begründete, gepaart mit einem attraktiven Wohnstandort nahe der Fränkischen Schweiz, in den letzten fünf Jahren die Zunahme der Auspendlerzahlen und bekräftigte damit die Wohnfunktion der Kleinstadt (RSP Architekten. Stadtplaner 2017). Im LEP-Entwurf 2018 wird der Landkreis Forchheim in Anschluss an den Verdichtungsraum der Großstädte als Raum mit besonderem Handlungsbedarf ausgewiesen. Zur Sicherung der gleichwertigen Lebensverhältnisse in ganz Bayern ist es Ziel des LEP, diese Regionen und Kommunen im sogenannten „strukturschwachen Raum“ durch hohe Förderungen beispielsweise im Breitbandausbau besonders zu entwickeln (Bayerischer Landtag 2016). In dem 2015 begonnenen ISEK wurde Gräfenberg eine kleinteilige Betriebsstruktur und differenzierte Einzelhandelsstruktur sowie eine hohe Qualität im Gastronomiegewerbe bescheinigt. Ebenso stabil, wenn auch leicht rückläufig in der Auslastung, sind die Funktionen der Bildungs- und Betreuungseinrichtungen. Neben der Sicherung und Sanierung der vorhandenen Infrastruktur wurde die Leerstandsaktivierung als eines der wichtigsten Handlungsfelder definiert. Dieses Handlungsziel traf im Besonderen auf das sogenannte „Scheunenviertel“ zu, einem hochwertigen denkmalgeschützten Ensemble im Norden der Kernstadt (vgl. Abb. 3 und 4). Ab 2016 wurde daher im laufenden ISEK-Prozess von der Kommune gemeinsam mit Planern und Bürgern ein thematisches KDK „Scheunenviertel Gräfenberg“ als vertiefter Fachbeitrag erarbeitet. Mit dem KDK sollte sich nicht nur eine mögliche neue Förderkulisse auftun, sondern für die oberfränkische Kleinstadt und besonders die Betroffenen eine konkrete Idee zur Entwicklung eines aus denkmalpflegerischer Sicht sehr bedeutenden, aus Sicht der Stadtentwicklung jedoch funktionslos gewordenen Quartiers entstehen (Buckel und Filippi 1991).

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Abbildung 3 Das Ensemble „Scheunenviertel an der Egloffsteiner Straße“ in Gräfenberg (Lkr. Forchheim). Foto: BLfD-Luftbilddokumentation 18.5.2017, Klaus Leidorf, Archiv-Nr. 5SR27974–6332/028

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Abbildung 4 Die Gräfenberger Fachwerkscheunen auf Kalksteinsockeln aus dem 17. bis 20. Jahrhundert in lockerer Anordnung am Hang sind heute weitgehend funktionslos (Foto: C. Reichert, 2017).

Scheunenviertel stellen einen in ganz Mitteleuropa bis zum Beginn 20. Jahrhunderts verbreiteten monofunktionalen Siedlungstyp dar, in dem sich landwirtschaftliche Nutzbauten in vorstadt- oder dorfähnlichen Ansiedlungen außerhalb des eigentlichen Siedlungskernes konzentrierten. Im Gräfenberger Scheunenviertel, das sich spindelförmig an der überregionalen Altstraße am Hangbereich entlangzieht, haben sich die locker gestreute Anordnung, ein großteils unbefestigtes, dafür praktikables Erschließungssystem und 16 Scheunen aus dem 17. bis zum 20. Jahrhundert erhalten. Neben der Nutzung als Korn- und Heuspeicher zeugen die teilweise in den anstehenden Felsen unter den Scheunen gebrochenen und gemauerten Keller von der historischen Nutzung als Bierlagerstätte (Gunzelmann 2017b, S. 51). Sieben Scheunen sind Baudenkmäler, acht weitere wurden in der denkmalpflegerischen Analyse als erhaltenswert eingestuft. Die historischstädtebaulichen Strukturen sind als eigenständiges Ensemble in die bayerische Denkmalliste eingetragen. Diese historische Bedeutung wird durch weitgehenden Leerstand und den damit einsetzenden Verfall der Strukturen kontrastiert. Um diese Herausforderung konzeptionell und gemeinsam mit der Kommune anzugehen, erweiterte das KDK das Programm des Denkmalpflegerischen Erhebungs-

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bogen um das Grobaufmaß aller historischen Scheunen im Maßstab 1:100 sowie eine gefügekundliche und bauhistorische Bewertung. Der als Wissensgrundlage erarbeitete Objektkatalog bildete die Basis für die Sammlung der Schadensbilder und einer Maßnahmenschätzung für die Sanierung im zweiten Schritt. Parallel wurden mit Unterstützung der kommunalen Verwaltung die nicht immer einfache besitzrechtliche Situation geklärt und die Eigentümer eingeladen, am runden Tisch über die Entwicklungsmöglichkeiten der historischen Werte zu diskutieren und Verkaufs- oder Erwerbsabsichten zu klären. An diesem runden Tisch, der durch die planungs- und baurechtlichen Fachstellen von Kommune und Landkreis unterstützt wird, wurden im fortschreitenden Planungsprozess Investoren und Interessenten hinzugeladen. Anschließend wurden im Abgleich dieser Einzelinteressen sowie auf Grundlage der Zielplanung und der darin formulierten Handlungsbedarfe mehrere Alternativszenarien entwickelt. Die mit Stadtrat, Eigentümer und Investoren diskutierten Ideen reichen vom Ausbildungsund Tagungszentrum für traditionelle Handwerksberufe in der Denkmalpflege bis zum autofreien grünen Wohnstandort. Im Prozess der Ideenentwicklung zeichnete sich auch ab, dass einige Eigentümer ihre Scheunen im Rahmen ihrer Möglichkeit eigenständig ertüchtigen und pflegen möchten. Um diesen Impuls aufzugreifen, bot die Kommune mit Unterstützung des BLfD und des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim kürzlich ein Wochenendseminar zur Anleitung von kleineren Ausbesserungsarbeiten beispielsweise von Kalkverputz oder -mörtel an. Wie dieses gut besuchte Seminar, das Hilfe zur Selbsthilfe bietet, nimmt das KDK „Scheunenviertel“ Gräfenberg die im „Werk-Stadt-Raum“ entstehenden Ideen auf und unterstützt ihre Umsetzung mit geeigneten Mitteln. Das müssen nicht immer Geldmittel sein. Genauso wichtig wie die fundierte fachliche Grundlagenarbeit mit einer engen Kommunikation zwischen der bauforscherischen Erfassung und der planerischen Weiterentwicklung ist in diesem Prozess die Mitarbeit der Betroffenen, Nutzer und Verantwortlichen. Die Partizipation dient nicht nur dazu, das Bewusstsein für die historischen Grundlagen zu schärfen und dabei beispielsweise die relativ einfache Verarbeitung eines historischen Baumaterials wieder zu erlernen, sondern befördert die Motivation, Teil einer Idee zu sein, deren Umsetzung ohne diese Akteure nicht möglich wäre.

Werkstattbericht 2: Das Kommunale Denkmalkonzept Freising. Ein integrierter Fachbeitrag

Freising liegt in der Metropolregion und dem Verdichtungsraum um München, es ist zweites Oberzentrum der Region. Nur 3 km vom 1992 eröffneten Münchener Flughafen gelegen, gibt es ein stetiges und starkes Bevölkerungswachstum. Dies führt zu einem großen Veränderungs- und Nachverdichtungsdruck in der Stadt, der

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sich auch in den zunehmenden Eingriffen in die Stadtstruktur ablesen lässt. Der Domberg und die am Hang gelegene bürgerliche Altstadt bilden ein bedeutendes Ensemble, das darüber hinaus über 262 Einzeldenkmäler und 19 Bodendenkmäler verfügt (Ongyerth 2017, S. 57). Seit 2009 befindet sich Freising in dem Städtebauförderprogramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“. Zur Fortschreibung der Freisinger Sanierungssatzung wurde 2011 ein integriertes Innenstadt-Entwicklungskonzept erstellt (Stadt Freising, Redaktionsstand 2011). Da die für Freising besonders wichtigen Aspekte zur städtebaulichen Denkmalpflege hier noch nicht verankert waren, forderte der Referent der Städtebauförderung eine Erhebung nach. 2014 kam es zu der Ausschreibung des Planwerks, das in Form des damals noch neuen KDKs erarbeitet werden sollte. Die Verzögerung von drei Jahren entstand durch die Hoffnung, dass sich Synergien mit der in der Zwischenzeit beauftragten Freisinger Denkmaltopographie herstellen ließen. Das größere Interesse an städtebaulich-denkmalpflegerischen Themen wurde zusätzlich gestützt durch die Ende 2013 neu ernannte Stadtbaumeisterin Freisings, die sich mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Themas und des KDKs annahm. Die Tatsache, dass in der Kreisstadt auch die untere Denkmalschutzbehörde direkt vor Ort tätig ist unterstützte diesen Prozess durch kürzere Wege und schnellere Abstimmungen stark. Im KDK wurden neben der Erhebungsphase parallel zwei Projekte koordiniert, die sich direkt aus den Zielen der Innenstadtkonzeption ableiten ließen: die Erstellung eines Gestaltungshandbuches für die Altstadt und ein Kommunales Förderprogramm zur Stadtbild- und Denkmalpflege, bzw. zur Unterstützung privater Akteure bei der Umsetzung von Sanierungszielen. Beides sind Ziele, die auch 2015 in dem im Stadtgebiet weiter greifenden Stadtentwicklungsplan 2030 mit dem Motto „Heimat erhalten, Wachstum gestalten“ wieder aufgeführt wurden (Stadt Freising). Freising hat demnach bereits Erfahrung hinsichtlich der Leitbildentwicklung und der Erstellung und Umsetzung von Planungskonzepten. Für das KDK wurde ein Lenkungskreis gebildet, der maßgeblich aus der Fachöffentlichkeit besetzt wurde und auch die Erstellung des Gestaltungshandbuchs begleitete. Es handelte sich um ca. 40 Personen, u. a. städtische Vertreter aus Verwaltung und Politik, dem Innenstadtbeirat, dem Denkmalfachamt sowie die Regierung von Oberbayern, den Stadtheimatpfleger, den Stadtheimatpflege Freising e. V., Architektur Aktuell Freising e. V., den Historischer Verein Freising e. V., den Archäologischer Verein im Landkreis Freising e. V., den Aktive City e. V. und den Hausund Grundbesitzerverein Freising. Die Beteiligung des Lenkungskreises wurde über Jours fixes und Workshops organisiert. Diese Vereine und Multiplikatoren halfen dabei, das Thema weiter in der Stadt zu festigen. So wurde beispielsweise das „Freisinger Forum Baukultur“ von dem Verein „Architektur Aktuell“ und

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dem Amt für Stadtplanung und Umwelt gemeinsam ausgerichtet. Hier fanden die Themen „Bauen im Bestand“, „KDK“ und „Gestaltungsfibel“ eine neue Bühne. Zur Bewusstseinsbildung vor Ort zählen auch die dreizehn Veranstaltungspunkte am Tag des offenen Denkmals 2017, die im Rahmen des KDK koordiniert wurden und an denen etwa 1.300 Besucher teilnahmen (vgl. Abb. 5).

Abbildung 5 Bürgerinformation über das KDK Freising am Tag des offenen Denkmals 2017 (Foto: Y. Slanz)

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Das KDK soll insbesondere zur strategischen Zielsetzung der Leitbildgestaltung einer neuen Sanierungssatzung herangezogen werden, um auf diese Weise nachhaltig zu wirken. Ebenfalls wurde das Gestaltungshandbuch nach vierzehn Lenkungskreissitzungen abgeschlossen. Es fließt in die Gestaltungssatzung für die Freisinger Altstadt ein.

Werkstattbericht 3: Das Kommunale Denkmalkonzept ­„Stadtherberge Mainbernheim“. Entwicklungsplanung auf kommunal-verstetigter, planerischer und fachlicher Basis

Bei Mainbernheim handelt es sich um eine Kleinstadt im ländlichen Gebiet mit etwa 2.200 Einwohnern, die Tendenz ist schwindend. 2010 wurde sie zu den 100 kleinsten Städten in Deutschland gezählt (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung [BBSR]). Der Ortskern von Mainbernheim ist ensemblegeschützt; zwischen den Stadttoren spannt sich die Hauptstraße auf, an der zusätzlich eine Reihe von Einzeldenkmälern gelegen ist. Es gibt ein Sanierungsgebiet. Planerische Instrumente, die auch städtebaulich-denkmalpflegerische Interessen berücksichtigen, welche in Freising im Zuge des KDK erarbeitet wurden bzw. werden, wie eben Gestaltungshandbuch und -satzung oder ein Kommunales Förderprogramm für das Altstadtgebiet, gibt es in Mainbernheim bereits seit Anfang der 2000er Jahre. Ebenfalls verfügt Mainbernheim über eine kostenlose Bauberatung. 2000 wurde im Rahmen von vorbereitenden Untersuchungen ein Denkmalpflegerischer Erhebungsbogen erstellt, dessen Inhalte in diese Instrumente überführt wurden. 2014 wurde hier ein ISEK als Grundlage für den weiteren Bezug von Fördermitteln in Auftrag gegeben. Gleichzeitig wurde auch ein integriertes ländliches Entwicklungskonzept für den südöstlichen Landkreis Kitzingen erarbeitet, aus dem sich eine interkommunale Allianz aus sieben Kommunen und insgesamt 22 Ortschaften entwickelte (Integriertes Ländliches Entwicklungskonzept, Entwurf 2015). Zwei Jahre später wurde das KDK begonnen. Die Verwaltung vor Ort beschäftigte zu dieser Zeit vier Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und einen Bürgermeister. Während der Bürgerbeteiligung im Zuge der Erarbeitung des ISEKs wurde eine Idee zur Stärkung des Tourismus in Mainbernheim entwickelt. Diese stimmte die zuständige Planerin, die auch Bauberaterin in Mainbernheim mit langjähriger Erfahrung im Bereich der städtebaulichen Denkmalpflege ist, als mögliches Modellverfahren für das Instrument KDK mit dem Referenten des BLfD ab. So ist es der Fall, dass Mainbernheim zwar in dem touristisch geprägten Steigerwald-Gebiet liegt, aber der Tourismus sich eher auf die umliegenden Weinorte verteilt. Im September 2016 eröffnete die Stadt bereits eine Radlerherberge, die durch Städtebaufördermittel in einem langjährigen Prozess realisiert wurde. Gerade aber in den nicht an der Haupterschließungsachse gelegenen Gebäuden waren viele Häuser

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untergenutzt oder standen leer. Die ehemaligen Handwerker-, Häcker- und Tagelöhnerhäuser entsprachen nicht mehr modernen Wohnstandards; die Grundstücke sind klein und fast vollständig überbaut, Gärten fehlen (Gunzelmann 2017c). So kam die Idee auf, genau diese Häuser zu nutzen, um sie zu einer Stadtherberge umzufunktionieren und dem historischen Baubestand mitsamt seinem Charme eine neue Nutzung zukommen zu lassen, die gleichzeitig die Stadtentwicklung durch kleinteiligen und nachhaltigen Tourismus vorantreiben könnte. Die Idee der Stadtherberge oder „verstreuten Herberge“ (albergo diffuso) wurde in den 1980er Jahren in Italien entwickelt, gerade, um touristisches Potential in den kleinen Altorten im ländlichen Raum durch die Eigentümer selbst zu verwirklichen. Das Konzept der alberghi diffusi besteht darin, Wohneinheiten dezentral über die Altstadt zu verteilen und zusätzlich zentral erreichbare Verwaltungs- und Gemeinschaftsräume sowie Bewirtungsmöglichkeiten für Gäste zu schaffen. Ziel ist es, dass der Besucher aktiver am Leben vor Ort teilnimmt. Während es in Italien einen Nationalverband und eine rechtliche Grundlage für die alberghi diffusi gibt, ist dieses Konzept in Deutschland noch nicht verbreitet. Im KDK wurde die Übertragung dieses kleinteiligen und nachhaltigen Tourismuskonzepts für Mainbernheim geprüft. Es wurde 2016 zum ersten thematischen KDK. Zunächst wurden Kriterien erstellt und Anwesen geprüft, die Potential für das Konzept hätten: alle ortsbildprägend, acht davon als Denkmal geschützt (vgl. Abb.  6). Es folgten Eigentümergespräche, um herauszufinden, welche Nutzungs-, Verkaufs- und Sanierungsabsichten bestanden und inwieweit eine Kooperation im Rahmen des Konzepts möglich wäre. Ebenfalls geprüft wurden Finanzierungs-, Organisations- und Förderwege. Noch Ende desselben Jahres bewarb sich das Projekt „Albergo diffuso Mainbernheim“ als Modellvorhaben für ExWoSt im Forschungsfeld Baukultur und Tourismus und wurde eines von acht ausgewählten Modellvorhaben (BBSR 2017). Neben der Unterstützung des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege wurden so Anfang 2017 die Städtebauförderung, das BBSR und das Regionalmanagement Kitzinger Land, das sich aus dem ILEK ergab, zu Förderern des Projekts. Es bildete sich eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe zum KDK, die sich mit der Verwirklichung des Konzepts und der Leitbilddiskussion beschäftigte. Zu Leuchtturmprojekten des KDKs könnte sich nach Angaben der KDK-Planerin der diskutierte Ankauf zweier Stadttürme durch die Stadt und deren Nutzung für die Stadtherberge entwickeln. Im März 2018 gab es eine Fortbildungsreise in die Dolomiten zu den italienischen Vorbildern. Die Ansprache der Eigentümer der Kleinhäuser im Ort während der Ideenentwicklung im KDK hat bisher noch nicht dazu geführt, die unterschiedlichen Eigentümer für das Konzept zu gewinnen. Die direkte Ansprache hat dennoch zu ersten Renovierungen und Verkäufen geführt. Das KDK hat Bewegung in festgefahrene Strukturen gebracht; der Altbestand wurde wieder

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Thema und erhielt Öffentlichkeit, und einige der Leerstände wurden allein durch diesen Anstoß bereits beseitigt. Für die tatsächliche Förderung der kommenden Phasen kooperieren Städtebauförderung und BLfD, um Förderkompetenzen und -töpfe abzustimmen und dort ergänzend zu fördern, wo der andere keine Möglichkeiten hat (so z. B. in der Planerstellung und in der baulichen Umsetzung).

Abbildung 6 Die potenziellen und untersuchten Objekte für die „Stadtherberge“ Mainbernheim (Lkr. Kitzingen), hervorgehoben der Ensemblebereich (Foto: BLfD-Luftbilddokumentation 18.5.2017, Klaus Leidorf, Archiv-Nr. 5SR27920–6326/199; Bearbeitung transform)

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Werkstattbericht 4: Das Kommunale Denkmalkonzept Viechtach. Bürger – Stadt – Verein

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Die Kleinstadt Viechtach, eine Marktgründung des 12. Jahrhunderts, liegt am Flusstal des Regen auf der Erhebung einer Geländenase in der bewegten Topographie des Vorderen Bayerischen Waldes im östlichen Niederbayern. Die Region ist geprägt von gleichmäßig verteilten Mittelzentren. Viechtach gehört mit rund 8.600 Einwohnern neben Regen und Zwiesel zu den drei Mittelzentren des Landkreises Regen, der nach dem LEP-Entwurf 2018 als Raum mit besonderem Handlungsbedarf definiert ist. Das schon gefallene Stichwort der „gleichwertigen Lebensbedingungen“ im ländlichen Raum hat in der Entwicklungsperspektive des sogenannten inneren bayerischen Waldes, wozu die Hochlagen des Bayerischen Waldes von der Regensenke bis zur Landesgrenze nach Tschechien zählen, besondere Bedeutung. Obwohl die niederbayerischen Klein- und Mittelstädte der Region in relativ großer Distanz zu den Wirtschaftsmotoren der Metropolen liegen, ist ihre Funktion als Bildungs-, Wirtschafts- und Versorgungsstandort gegenwärtig stabil. Hinzu kommt die Attraktivität als Fremdenverkehrsziel im Naturpark Bayerischer Wald. Die Prognosen deuten aber auch einen strukturellen Wandel an, der eine Weiterentwicklung von Einzelhandel und Infrastruktur wie auch den kommunalen Betreuungs- und Bildungseinrichtungen erfordert. Zugleich zeigt das ISEK Viechtach, dass die Investitionen in die Innenstadt als Wohn- und Geschäftsstandort zuletzt nachrangig gegenüber der Ausweisung von neuen Bauund Gewerbegebieten behandelt wurden. Die strukturelle Schwächung des historischen Zentrums durch die Verlagerung der Wohnnutzung an die Peripherie, der der Handel folgte, wurde in den letzten Jahren durch Leerstand und Unternutzung der historischen Substanz immer offensichtlicher. Dieser Wandel führte schließlich am Stadtplatz und damit an zentraler Stelle der historischen Siedlung zum substanziellen Verlust eines ganzen Baublocks (Abb. 7).

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Abbildung 7  Viechtacher Stadtplatz mit Baulücke von Nordosten (Lkr. Regen) (Foto: BLfD-Luftbilddokumentation 18.5.2017, Klaus Leidorf, ArchivNr. 5SR28413–6942/009)

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Das KDK, das im Frühjahr 2016 zeitgleich mit dem ISEK etwa zwei Jahre nach dem Abriss startete, wollte aber nicht nur diese offensichtlichen Symptome untersuchen, sondern auch den Gründen für diese eklatante Entwicklung entgegenwirken. Zum Projektstart schufen die KDK-Planer vom Architekturbüro Peter Haimerl mit der Aufstellung eines „Cocobello“ genannten Ausstellungs- und Veranstaltungspavillons einen lokalen Bezugspunkt im Stadtraum (Abb. 8). Dieser zu den Öffnungszeiten der Touristeninfo zugängliche Ausstellungspavillon am Marktplatz diente ein Jahr lang als zentraler Ausgangspunkt für alle Veranstaltungen rund um das KDK und beherbergte die im Prozessverlauf immer weiter wachsende Ausstellung der Zwischenergebnisse. In regelmäßigen Abständen wurden dort ebenfalls die Treffen des KDK-Lenkungskreises, der sich aus Mitgliedern des Stadtrates, der Bürgerschaft, der kommunalen Verwaltung und der Planer zusammensetzte, abgehalten.

Abbildung 8  „Cocobello“ am Viechtacher Stadtplatz (Foto: L. Selitz, 2016)

Um den Wirkungskreis der Inhalte des Kommunalen Denkmalkonzeptes Viechtach zu vergrößern, aber auch um konkrete objektbezogene Umsetzungsprojekte anzustoßen, wurden über die konventionellen Formate hinaus auch integrative Verfahren und Kunstaktionen eingesetzt. Eine Aktion, die die Umnutzung und Instandsetzung eines historischen Gebäudes anschaulich und transparent darstellte,

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war die Einrichtung einer offenen Baustelle: Das „BauSchauHaus“, ein Kleinbürgerhaus aus dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, wurde dazu in regelmäßigen Abständen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die so den Instandsetzungsprozess von der grundlegenden Bauforschung über den architektonischen Entwurf bis hin zur Sanierungsplanung am Objekt verfolgen konnte. Einen weniger handwerklichen als vielmehr künstlerischen Zugang zur Stadtgeschichte schuf das Künstlerduo beierle.goerlich mit ihren Interventionen im Stadtraum. Auf spielerische und anekdotische Art inszenierten sie in Architekturfotografien, die mittels großformatiger Plakate an Hausfassaden aufgezogen wurden, die Geschichtsspuren an Viechtacher Häusern und Plätzen. Die Aktion mit niederschwelligem Zugang und im wahrsten Sinne des Wortes plakativer Wirkung weckte die Aufmerksamkeit für das „unscheinbare“ lokale Erbe und brachte Fragen auf, die dann im Stadtrundgang mit den Künstlern diskutiert wurden. Um über die Vermittlung und Inszenierung des lokalen Erbes zum Engagement Einzelner zu kommen, wurde die Objektbörse Heimatloft installiert. Ziel dieses von den Entwicklungskonzepten KDK und ISEK zu gleichen Teilen geförderten Instruments ist die gezielte Vermarktung von historischen Bauten an Eigentümer, die die historische Innenstadt als Wohnstandort wiederentdecken wollen. Drei Sanierungsprojekte, die den Erhalt und die Transformation von historischer Bausubstanz zu modernen Wohnräumen verfolgen, haben sich dadurch bereits verwirklichen lassen. Für einen besonders alten Zeugen der Viechtacher Stadtgeschichte, das 500 Jahre alte Spital am Fuße des Kirchberges, fand sich sogar eine ganze Gruppe von Kümmerern, die gemeinsam den Förderverein „Altes Spital“ wieder begründete und seit Herbst 2017 die Zwischennutzung des Kappellenraums als Kulturbühne unterstütze. Über seine Satzung hat sich der Verein langfristig dem Erhalt und der Nutzung dieses Stadtbausteines verschrieben. Gemeinsam mit der kommunalen Verwaltung und der Städtebauförderung wird über die Scharnierfunktion dieses wichtigen Gebäudes zwischen den noch weitgehend unbeplanten ehemaligen Lagerräumen, dem Holzhafen am Regen und dem historischen Zentrum diskutiert. Nun gibt es in Viechtach – was auch der Anlass des KDKs war – tatsächlich zentrale Räume in der historischeren Innenstadt zu besetzen. Wie die Bürger sehen auch Politik und Verwaltung in der Baulücke am Viechtacher Stadtplatzensemble den dringlichsten Handlungsschwerpunkt der Stadtplanung. Die KDK-Planer formulierten in Abstimmung mit dem KDK-Lenkungskreis, den Genehmigungsbehörden, der Städtebauförderung und dem Landesamt für Denkmalpflege den planerischen Rahmen für das Areal, der der Kommune als Grundlage zur Vermarktung diente. Der Rahmenplan, das sogenannte „VIT-Tool“, setzt keine gestalterischen Vorgaben, sondern definiert ausgehend von den historischen

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Parzellenstrukturen, der historischen Durchwegung sowie der Verteilung von bebauten und unbebauten Bereichen im Zusammenwirken mit der Topographie städtebauliche Leitlinien. Diese informelle Planung bildet den Ausgangspunkt, auf dessen Grundlage Architekten und Investoren ihre Nutzungs- und Gestaltungsvorstellungen zukünftig entwickeln können.

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Denkmalfachliche Anstöße für eine integrierte ­Entwicklungsplanung: ein vorläufiges Fazit

Dass das gegenwärtige Erbe einer Stadt Teil der zukünftigen Entwicklung sein kann, wird kaum allein durch gesetzlichen Schutz und gute Planung gesichert werden. Vielmehr erhalten, gestalten und transformieren widerstreitende Einzelinteressen sowie gebündeltes Einzelengagement aus Politik, Verwaltung und vor allem der Bürgerschaft des Ortes das Erbe für morgen. Der von vielen externen und internen Einflüssen und manchmal auch vom Zufall beeinflusste Antrieb, der hinter einem lokalen Erhaltungs- und Gestaltungswillen steht, deckt sich deshalb in der Praxis kaum mit einem von der Theorie konstruierten städtebaulichen Leitbild. Insbesondere in dem sozial und kulturell dichten Gefüge von Klein- und Mittelstädten scheint der formelle planerische Ansatz und das über Gestaltungssatzungen oder Bebauungspläne geregelte struktur- oder bilderhaltende Bauen weitaus weniger wirksam als informelle Impulse und die über bürgergesellschaftliche Meinung geformten Konventionen. Die bedingenden Faktoren und Beweggründe verändern sich in jedem Teilprojekt der Stadt und müssen oft immer wieder aufs Neue in einem begleitenden Prozess ausgehandelt werden. Ein Kommunales Denkmalkonzept hat nicht den Anspruch, alle diese Aushandlungsprozesse zu moderieren, es will vielmehr die kommunikative Basis schaffen, um den Prozess überhaupt in Gang zu setzen oder sein Fortbestehen durch Informationen und Ansprechpartner zu fördern. Die aus den Werkstattberichten und aus den Beobachtungen innerhalb des Kooperationsprojekts „Kommunales Denkmalkonzept Bayern“ abzuleitenden Inhalte sollen in drei thesenhafte Feststellungen zugespitzt werden: • Akteure: Städtebauliche Entwicklungen folgen keinen linearen Verläufen, sondern sind dynamisch und oft von Zufällen, Einzel- wie Gruppeninteressen und Akteurskonstellationen abhängig. Gerade in kleinstädtischen Kontexten sind die treibenden Kräfte einer erhaltenden Stadterneuerung und Stadtentwicklung oft nicht die formellen, kommunalen Rahmenbedingungen, sondern gerade das persönliche Engagement vor Ort.

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• Ressourcenverteilung: Gerade in Städten mit kleinem Verwaltungsapparat und geringen Ressourcen sind vielleicht Motivationen für eine erhaltende Stadtentwicklung gegeben, aber die Erstellung von umfassenden Entwicklungskonzepten bedeutet einen enormen Mehraufwand neben der Bewältigung der regulären Pflichtaufgaben. Punktuell können hier Fachbehörden und Förderer beispielweise durch die flexiblen Ansätze des KDK helfen, Leitbilder zu entwickeln und Kompetenzen zu bündeln. Um die Handlungskompetenzen vor Ort, die Eigenständigkeit und Spielräume der Kommunen nachhaltig zu fördern, braucht es Sanierungsbeauftragte und Ansprechpartner vor Ort, die die Integration von verschiedentlichen Entwicklungszielen begleiten und angestoßene Kommunikationsprozesse mit Fachbehörden und Förderern verstetigen. • Fachbeitrag: Das Desiderat der Innenentwicklung erfordert nach Ansicht der städtebaulichen Denkmalpflege immer eine auf den Ort und dessen Historie angepasste Vorgehensweise, die Auseinandersetzung mit dem Bestand und einen behutsamen Umgang mit bestehenden Strukturen. Durch die Abhängigkeit von Prozessen und Akteuren gibt es keine Patentlösungen. Die fachliche Kompetenz in den Denkmalfachämtern bietet jedoch methodische Herangehensweisen, beispielsweise für die Bestandsanalyse der „besonders erhaltenswerten Bausubstanz“, die vor allem für die kleinstädtische Ortsentwicklung Anregungen und Hilfestellung gibt. Das KDK ist darüber hinaus ein modellhafter Ansatz, um kooperativ zwischen Kommune, Fachstellen und Bürgern abgestimmte Perspektiven für den Bestand zu erarbeiten.

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Integriertes Ländliches Entwicklungskonzept. Interkommunale Allianz Südöstlicher Landkreis Kitzingen. (Entwurf 2015, 2. Dezember) (Stadt Iphofen, Stadt Mainbernheim, Markt Markt Einersheim, Gemeinde Martinsheim, Gemeinde Rödelsee, Markt Seinsheim, Markt Willanzheim). https://www.suedost722.de/downloads-links/. Zugegriffen: 19. Juni 2018. Köpple, M., Schwantes, W. (1977). Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten. Vorbereitung und Durchführung (Veröffentlichung der Forschungsgemeinschaft Bauen und Wohnen 107). Stuttgart: DVA. Ongyerth, G. (2017). Beispiel. Das Kommunale Denkmalkonzept Freising. Denkmalpflege Themen 8, S. 55–60. RSP Architekten. Stadtplaner. Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept Gräfenberg (Entwurfsstand Oktober 2017). https://www.graefenberg.de/isek/. Zugegriffen: 30. Oktober 2018. Stadt Freising (Hrsg.). Heimat erhalten, Wachstum gestalten. Stadtentwicklungsplan STEP 2030. www.freising.de/rathaus/stadtentwicklungsplan. Zugegriffen: 19. Juni 2018. Stadt Freising (Hrsg.). (2011, 20. Juni (Redaktionsstand)). Integriertes Innenstadt-Ent­wick­ lungs konzept. https://innenstadt.freising.de/fileadmin/user_upload/pdf_Neugestaltung/ Integriertes_Innenstadt-Entwicklungskonzept_Ergebnisbericht_Teil_A_30062011.pdf. Zugegriffen: 19. Juni 2018. Strobel, R. & Buch, F. (1986). Ortsanalyse. Zur Erfassung und Bewertung historischer Bereiche (Arbeitsheft / Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Bd. 1). Stuttgart: Theiss.



Friedrichstadt – Was kannst du? Qualitative und interdisziplinäre ­Bestandsanalysen durch Haus- und Bewohner*innenbiografien als potenzialorientierte Überlegungen zur Stadterneuerung Marieke Behne, Bernd Kniess und Anna Richter

Zusammenfassung

Wird das Wohnen angesichts der festgestellten Krise vornehmlich auf einer globalen und quantitativen Ebene problematisiert, so befasst sich dieser Beitrag mit einer derzeit eher vernachlässigten kleinteiligen und qualitativen Perspektive, die individuelle Wohnweisen und alltägliche Formen der Aneignung vorgefundener baulicher Bestände durch seine Bewohner*innen fokussiert. Stadterneuerung in diesem Sinne wäre eher zu verstehen als beständige Neuversammlung des Dispositivs Wohnen durch seine Nutzer*innen denn als staatlich gesteuerter Maßnahmenkatalog. In einem interdisziplinären und maßstabsübergreifenden Ansatz versuchen die Autor*innen sich am Beispiel der nordfriesischen Stadt Friedrichstadt den vorgefundenen baulichen Strukturen in ihrem Gebrauch zu nähern, der in seiner 400-jährigen Geschichte verschiedene Nutzungszyklen und immerwährende Anpassungen erfahren hat. Damit wird weniger auf die planerischen und politischen Instrumente und Maßnahmen eingegangen, sondern eine gegebene Situation zum Ausgangspunkt gemacht, um sie in ihrer Gewordenheit beschreiben und problematisieren zu können. Mittels ethnografischer, videografischer und architektonischer Methoden werden bestehende Akteur*innenkonstellationen sichtbar gemacht und ihre Wirkweisen in der Stadtproduktion offengelegt. Friedrichstadt bietet dabei aufgrund ihrer Größe und Struktur sowie den aktuellen Herausforderungen eine übersichtliche Fallstudie, diese Gefüge zu untersuchen. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3_8

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Stadterneuerung und Stadtentwicklung ist „durch das Handeln und das Zusammenwirken einer Vielzahl von Akteuren bestimmt“ (Vollmer 2018, S. 230). Diese in Planungstheorie und -praxis zunehmend vertretene handlungstheoretische Perspektive korrespondiert mit einem Raumverständnis, das Raum weniger als gegebenes Behältnis denn als sozial produziert (Lefebvre 1991) und relational (Löw 2001) begreift. Während dieser Perspektivwechsel dazu führt, dass neue Formen interdisziplinärer Zusammenarbeit neue Möglichkeiten aufgeschlossen werden (können), so treten mit der Neuausrichtung von Stadtentwicklungs- und Wohnungspolitik gegenteilige Effekte auf, da vormals effektive Planungsinstrumente und Handlungsebenen nun ins Leere laufen. Durch die Verschiebung innerhalb der Wirkungsgefüge von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft tritt eine zunehmende Abhängigkeit des Staates von der Mitwirkung zivilgesellschaftlicher und privatwirtschaftlicher Akteure ein (Vollmer 2018, S. 234). Diese Veränderung kann insgesamt als ambivalent eingeschätzt werden, da bestimmte Akteure an Macht gewinnen, während andere Teile der Gesellschaft von diesen Prozessen zunehmend ausgeschlossen werden (Bourdieu 1992; Krämer & Kuhn 2009; Rosol & Dzudzek 2018). Festzustellen ist zudem, dass gängige, zur Beteiligung eingesetzte Formate diese Effekte eher verstärken, als einen Ausgleich schaffen zu können. Wenn außerdem festzustellen ist, dass die gegenwärtig in den Städten geübten Wohnweisen nicht mehr mit dem vertrauten und immer weiter reproduzierten Muster der Familienwohnung übereinstimmen, stellt sich die Frage, wie wir zu einer neuen Form der Wohnung gelangen, die heutiges wie zukünftiges Wohnen unterstützt. Dafür bedarf es eines Zwischenschritts, der uns Aufschluss darüber gibt, wie wir wohnen. Wohnen ist eine Tätigkeit, die wir „blind“ ausüben, die längst das Territorium der Wohnung überschritten hat und so veraushäusigte Wohnfunktionen miteinschließt, wie z. B. gemeinschaftliche Tätigkeiten, Essen, Freizeit, Kultur und Sport, etc. (Bührig & Kniess 2016; Kniess 2015). Neues Wissen über das Wohnen als Tätigkeit zu erlangen, wäre also die Voraussetzung, neue Wohnungen zu denken und zu planen. Ein Wissen also, das sich aus dem Dispositiv Wohnen speist und die unterschiedlichen Wissensbestände – seien sie institutionell legitimiert, aus Interesse und theoretischer oder praktischer Befassung selbst angeeignet oder aus der Praxis des Bewohnens gewonnene Erfahrungen – zu einem Wohn-Wissen neu versammelt. Das Wohnen selbst kann erst im Aufeinandertreffen unterschiedlicher Wissensbestände problematisiert werden, und als „umstrittene Tatsache“ (Latour 2004) Gegenstand von Aushandlungsprozessen werden. Wie erlangen wir also Wissen über das Wohnen einer Vielzahl von Akteur*innen, deren Bedürfnisse sich im Laufe eines Lebens mehrfach ändern? Wie werten

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wir das gewonnene Wissen über das Wohnen aus? Wie können wir dieses Wissen verfügbar machen? Der Beitrag beruht auf einem Projekt des Lehr- und Forschungsprogramms Urban Design an der HafenCity Universität (HCU), das im Rahmen der Begleitforschung der Zukunftsstadt Friedrichstadt seit 2016 erarbeitet wird. Er problematisiert das Thema „Instrumente der Stadterneuerung“ aus der Perspektive der Bewohner*innen und fokussiert deren alltäglich produzierende (Wohn-) Handlungen als mögliche Erkenntnisgewinnung für zukünftige Stadterneuerungsstrategien. Dabei soll diese Perspektive die bereits bestehenden nicht ersetzen, sondern ergänzen.

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Potenzial Wohnen versus Stadterneuerung als ­Problem

Wir gehen von der gegenwärtigen Situation des baulichen und bewohnten Bestands aus. Schwerpunktmäßig untersuchen wir dabei die Alltagspraktiken der Bewohner*innen in Relation zu den vorhandenen gebauten Strukturen. Wir befassen uns mit der Gewordenheit und legen verschiedene Wirkungsgefüge (Latour & Yaneva 2008, S. 82) wie bestehende Akteurskonstellationen, Alltagspraktiken und Regelwerke anhand einer Auswahl unterschiedlicher Fallstudien offen. Aus dieser Untersuchung stellen wir Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Fragen heraus und suchen daraus Schlüsse für mögliche Entwicklungsvektoren herauszuarbeiten, die wir anhand von möglichen Szenarien darstellen. Es geht uns darum, unterschiedliche Perspektiven auf verschiedenen Maßstabsebenen aufzuzeigen, zu vermitteln, zu diskutieren, zu ermöglichen und/oder zu provozieren – nicht darum, Lösungen zu entwickeln oder Fragen allumfassend zu beantworten. Wenn es um Stadterneuerung geht, müssen wir uns mit Zukünften – möglichen, drohenden, vielversprechenden – auseinandersetzen. Wie aber können wir auf zukünftige Entwicklungen begünstigend einwirken? Planung ist die gedankliche Vorwegnahme von Handlungsschritten zur Erreichung eines Ziels. Welches also wären die Ziele, die wir erreichen wollen? Und müssen wir uns nicht eingestehen, dass allzu oft ein „Problem“ Ausgangspunkt einer Strategie ist, die einzig seine Lösung fokussiert, dabei die Ursache allerdings schnell aus dem Blick verliert und damit häufig neue Probleme hervorbringt? Unser Ansatz ist vielmehr der einer Problematisierung: Statt von einem als gegeben angenommenen Problem auszugehen, welches einer Lösung bedarf (Burckhardt 1980; 1983; passim), setzen wir uns damit auseinander, wie Probleme überhaupt als solche artikuliert und wirkmächtig werden.

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Friedrichstadt im Spannungsfeld von Schrumpfung und Zukunftsstadt

Friedrichstadt ist eine winzige Kleinstadt, die mit ihren 2.500 Einwohner*innen in der subjektiven Wahrnehmung und aus unserer heutigen Sicht einen eher dörflichen Charakter hat, offiziell aber als Landstadt bzw. Landgemeinde bezeichnet wird. 1621 von Herzog Friedrich III. als liberale Handelsstadt im heutigen Bundesland Schleswig-Holstein gegründet, liegt Friedrichstadt zwischen den Wasserflächen der Treene im Norden und der Eider im Süden sowie zwischen den beiden künstlich angelegten Oster- und Westersielzügen. Herzog Friedrich III. baute hier eine Planstadt mit eigenem Handelshafen und siedelte insbesondere Remonstrant*innen aus den Niederlanden an, die aus Glaubensgründen ihre Heimat verlassen mussten. Die Verhandlungen zwischen Friedrich und den Remonstrant*innen beschreibt Jörn Norden in Legenden und Wirklichkeit – eine überfällige Revision der gängigen Geschichtserzählungen über Friedrichstadt als vorrangig wirtschaftlich begründet, dies vor allem in Bezug auf die „als besonders tüchtig eingeschätzten Kolonisten“ (Norden 2008, S. 46). Um diese nun in der Stadt zu halten, bot Friedrich den Remonstrant*innen Privilegien an, die andernorts nicht so leicht zu haben waren. Insbesondere die freie Ausübung der Religion führte dazu, dass der Bau der ersten remonstrantischen Kirche nicht in den Niederlanden, sondern in Friedrichstadt erfolgte (Norden 2008, S. 46–49). Diese Religionsfreiheit gewährte Friedrich auch Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften, so dass Friedrichstadt eine religiöse Freistatt wurde, die wirtschaftlich begründet (Thomsen 2017, S. 9), in ihrer geografischen Anlage aber niemals auf Wachstum angelegt war (Norden 2008, S. 27; Abbildung 1). Zu dieser Zeit galt Friedrichstadt aufgrund ihrer Größe von rund 2.200 Einwohner*innen durchaus als Erfolgsmodell und war für einige Zeit nach Husum die zweitgrößte Stadt an der Westküste Schleswig-Holsteins (Norden 2008, S. 85–89). Die laufende Raumbeobachtung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) weist Friedrichstadt heute allerdings als überdurchschnittlich schrumpfende Stadt aus (BBSR 2015). Dank des saisonal sehr hohen Tourismusaufkommens und den damit einhergehenden Kurzzeitbewohner*innen, sowie den historisch bedingten, in Teilen immer noch ansässigen unterschiedlichen Religionen kann Friedrichstadt allerdings durchaus als Kleinstadt bezeichnet werden. Zählt man die jährlich fast 475.000 Tagesbesucher*innen und Übernachtungsgäste als temporäre Einwohner*innen hinzu, wächst die Stadt im Durchschnitt tagsüber nämlich um knapp 1.300 Menschen an.

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Abbildung 1  Entwurf von Friedrichstadt um 1621. Das Stadtraster und die daraus resultierende Blockrandbebauung ist seit Gründung in die Stadt eingeschrieben. (Kupferstich in der Königlichen Bibliothek Kopenhagen. In: Gesellschaft für Friedrichstädter Stadtgeschichte 2013, S. 12)

Friedrichstadt ist also trotz ihrer Kleinheit gerade wegen ihres zur Stadtbevölkerung proportional hohen Tourismusaufkommens und ihrer sonst eher mit Großstädten assoziierten städtischen Typologie der Blockrandbebauung im Rahmen der Klein- und Mittelstadtforschung ein relevanter Fall. Neben der ursprünglichen und fast durchgängig erhaltenen bzw. nach dem großen Brand von 1850 wieder aufgebauten, knapp 150 bis 400 Jahre alten Blockrandbebauung ist die Siedlung mit ihren freistehenden Einfamilienhäusern der Nachkriegszeit und der 1970er Jahre die einzige weitere Typologie (siehe auch Abbildung 2).

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Abbildung 2  Luftbildaufnahme von Friedrichstadt. Im Osten und Westen der Stadt sind die Siedlungen aus der Nachkriegszeit und den 1970er Jahren im Vergleich zu der dichten Struktur der Altstadt gut zu erkennen. (Foto: Walter Raabe, aus dem Stadtarchiv Friedrichstadt, circa 1995)

Auf der gesamtstädtischen Ebene zeigt sich dabei, dass sich durch die Erschließung und Bebauung der Siedlungen im Osten und Westen der Stadt die Grundfläche für Wohnen gegenüber dem historischen Kern verdreifacht hat, obwohl die Einwohner*innenzahl der Stadt insgesamt stagniert bis schrumpft. So verteilen sich heute die 2.564 Einwohner*innen auf eine Fläche von 4,02 Quadratkilometer und weisen damit eine Dichte von 637 Einwohner*innen je Quadratkilometer auf. Im Vergleich dazu verteilen sich die 4.986 Einwohner*innen der Nachbargemeinde Tönning auf insgesamt 44,43 Quadratkilometer und weisen eine Dichte von 112 Einwohner*innen je Quadratkilometer auf (Statistikamt Nord Friedrichstadt 2017; Statistikamt Nord Tönning 2017). Betrachtet man innerhalb der Stadt Friedrichstadt die Ebene der Blockstruktur über den Parameter der städtebaulichen Dichte, fällt im Vergleich eines ausgewählten Beispiels aus der Kernstadt zu einem Beispiel aus der Einfamilienhaussiedlung die sehr viel höhere Dichte innerhalb der Blockstruktur auf. So weist der Fall aus der Kernstadt bei ähnlicher Grundfläche (ca. 7.500 Quadratmeter) eine überbaute Fläche von ca. 5.400 Quadratmeter auf, während der Fall aus der Ein-

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familienhaussiedlung ca. 1.200 Quadratmeter überbaute Fläche aufweist. Kombiniert mit der 2–3-geschossigen Bauweise der Kernstadt im Vergleich zu der zumeist eingeschossigen Bauweise der Einfamilienhaussiedlungen ergeben sich weit auseinanderliegende Angaben zu den Bruttogeschossflächen und der sich daraus ergebenden Grundflächenzahl (GRZ) sowie der Geschossflächenzahl (GFZ) (siehe auch Abbildung 3). Dies spiegelt sich letztendlich in der Anzahl der möglichen Bewohner*innen der beiden Stadtbereiche wider. Friedrichstadt mit dem alten Stadtkern wirkt städtischer, obwohl Tönning doppelt so viele Einwohner*innen hat.

Abbildung 3  Die in der Stadt vorhandenen Bebauungstypologien in einem überschlägigen Vergleich zweier gleichgroßer Blöcke. Einfamilienhaussiedlung/Blockrandbebauung: Grundfläche: 7.552/7.648 m2; überbaute Fläche: 1.222/5.418 m2; Bruttogeschossfläche: 1.222/16.266 m2; GRZ: 0,16/0,7; GFZ: 0,16/2,13; 35/465 Einwohner*innen (Abbildungen in: Gesellschaft für Friedrichstädter Stadtgeschichte 2011)

Daran lässt sich einerseits gut verdeutlichen, dass Maßstäbe und räumliche Maßstabsebenen Resultate gesellschaftlicher Raumproduktionsprozesse sind und keine objektiven Größen. Wie wir eine gebaute Struktur wahrnehmen, ist von sozialen Konventionen und immer auch subjektiven Raumverständnissen abhängig (vgl. Belina 2018, S. 53). Vergleichen wir nun im Weiteren die beiden Siedlungsformen

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am Beispiel Friedrichstadt in ihren Nutzungen, wird deutlich, dass in der Altstadt verschiedene Nutzungen nebeneinander, übereinander und temporär überlagernd stattfinden können und dass es viel weniger privaten Grund gibt als in der Einfamilienhaussiedlung. Durch das Teilen von Wänden und Höfen in höherer Dichte werden nachbarschaftliche Aushandlungsprozesse wichtiger, während sich gleichzeitig im Bestand Möglichkeiten der Erweiterung, des Umbaus, der Anpassung und der Umnutzung an den situativen Gebrauch auftun. Der kleinteilige und qualitative Ansatz ermöglicht eine Perspektive auf die baulichen Bestände in ihrem Gebrauch, aus der nicht nur Erkenntnisse für die zukünftige Entwicklung Friedrichstadts abgeleitet werden können, sondern zudem auch Modelle urbaner Typologien für andere Städte. Was diese dann im Einzelfall bedeuten, wie sie in Entwicklungsziele einfließen und welche Implikationen sie haben, kann erst in einem weiteren Schritt überlegt werden. Der iterative Ansatz, aus dem heraus auf unterschiedlichen Maßstäben Haus- und Bewohner*innenbiografien erarbeitet wurden, verfolgte zunächst das Ziel, aus der Bestandsanalyse Problematiken und Potenziale ergebnisoffen herauszuarbeiten.

Abbildung 4 Wie Friedrichstädter*innen ihre Stadt und ihre Häuser in den Gebrauch nehmen. (Foto: Filmausschnitt Ben Pohl 2016)

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Methodischer Ansatz

Unser Interesse richtet sich auf eine häufig vernachlässigte, kleinteilige und qualitative Perspektive, die sich mit den Wohnweisen und alltäglichen Formen der Aneignung, auch der temporären, befasst. Unser Forschungsinteresse gilt den Wissensbeständen über bestehende und neue Verfahren und Instrumente der Stadterneuerung. Stadterneuerung wird damit als ein von allen Stadtbewohner*innen nolens volens mitproduzierter Prozess begriffen und grenzt sich von einem rein planerischen Verständnis von Verfahren und Instrumenten der Stadterneuerung ab. Ist Stadt insgesamt eine immer wieder neu hervorgebrachte Assemblage von Gebautem und Gelebten, sind ganz im Sinne Vollmers (2018) die privaten Eigentümer*innen, aber auch die (Kurzzeit-) Bewohner*innen an dieser stetigen Stadtproduktion und damit -erneuerung beteiligt. Bevor allerdings direkt nach Verfahren und Instrumenten der Stadterneuerung gefragt wird, geht der Ansatz einen Schritt zurück und fragt nach dem aktuellen Gebrauch von und Umgang mit den vorhandenen baulichen und infrastrukturellen Beständen: Wie leben Menschen in Friedrichstadt – in der Stadt und in ihren Häusern? Wie eignen sie sich die dort ausgeprägte urbane Form – vom Zimmer bis zum Stadtraum – an? Wie passen sie ihre Häuser den eigenen Bedürfnissen an? Wie wird Stadt in Friedrichstadt durch Alltagspraktiken produziert? Wie wird Stadt durch städtebauliche Programme, Politiken und Regelwerke gesteuert? Welche zukünftigen Entwicklungsmöglichkeiten schreiben die Friedrichstädter*innen ihren Häusern und der Stadt ein und was lässt sich daraus ableiten? Wir betrachten Gegenwart dabei als eine in der Vergangenheit produzierte Zukunft bzw. mögliche Zukünfte. Die wissenschaftliche Begleitforschung des Projektes Zukunftsstadt Friedrichstadt wurde ausgehend von vor Ort stattfindenden Lehrformaten in interdisziplinären Studierendenteams konzipiert. So konnte eine Vielzahl an Akteur*innen mit ihren jeweiligen individuellen (Wohn-)Expertisen an einem Forschungsprojekt partizipieren, ohne dass „Zukunftswünsche“ abgefragt werden mussten. Vielmehr galt es, die Stadtbewohner*innen in ihren alltäglichen Praktiken, in ihren jeweiligen Wohnpraktiken zu beobachten und sie über das Wohnen sprechen zu lassen (Kromrey 1998). Aus der Versammlung einer Vielzahl von Fallstudien sind dabei mögliche Handlungsfelder auf den verschiedenen Maßstäben des Städtischen herausgearbeitet worden, die in einer weiteren Wettbewerbsphase präzisiert werden. Dazu hat sich Friedrichstadt gegenwärtig auf die dritte Phase des Wettbewerbs Zukunftsstadt beworben und erfolgreich durchsetzen können. Wenn wir im Titel also fragen: Friedrichstadt – was kannst du?, geht es uns um die Potenziale der vorgefundenen städtischen Blockrandstruktur der historischen Kernstadt. Friedrichstadt hat einschneidende Entwicklungen und Heraus-

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forderungen über fast 400 Jahre insofern „gemeistert“, als dass die sogenannte „Holländerstadt“ ein touristisch stark nachgefragter Ort ist, Menschen gezielt dorthin ziehen und bereits Wohnende dort gerne alt werden möchten. Das so Gewordene rückwärts zu betrachten heißt somit auch anzuerkennen, dass die Zukunftsfrage keine neue ist und Friedrichstadt sich erfolgreich großen städtebaulichen Eingriffen entzogen hat. Einschneidende Veränderungen wie etwa die Etablierung der funktionsgetrennten Stadt sind an Friedrichstadts Kernstadt wortwörtlich vorbeigezogen und haben sich in Form der Einfamilienhaussiedlung und der Umgehungsstraße jenseits des Stadtkerns niedergeschlagen.

4 Lehr-Forschungs-Praxis In der Zusammenarbeit mit der Stadt haben wir uns dafür entschieden, eine Reihe kompakter Lehrformate vor Ort durchzuführen, die mittels beobachtender, videographischer und sozialwissenschaftlicher Methoden die Maßstäbe des Städtischen im Gebrauch untersuchten. Es wurden drei Schools vor Ort durchgeführt, an denen internationale Studierende der HCU Hamburg teilnahmen und sich filmisch auf unterschiedlichen Maßstabsebenen mit der Stadt, ihren Bewohner*innen, ihrem Bestand und den daran anknüpfenden Themen auseinandersetzten. Die erste School 2016 diente der Annäherung an die Stadt und fragte: Friedrichstadt: Was machst du?; sie befasste sich auf den Ebenen der Stadt und des Blocks mit den Orten der Gemeinschaft. Die Studierenden wohnten bei Friedrichstädter*innen, der gemeinsame öffentliche Arbeitsort war die ehemalige Synagoge, wo bis in den Abend hinein gemeinsam gearbeitet, gekocht und gegessen wurde. In kleinen Arbeitsschritten näherten sich die Arbeitsgruppen in filmischen Takes ihrem Thema, das sie in einer vertiefenden Betrachtung weiter ausarbeiteten. Zum Abschluss der School zeigten sie in Kurzfilmen die Bandbreite an erarbeiteten Themen, die gemeinsam mit den Bewohner*innen diskutiert wurden und damit gleichzeitig der Bestandsaufnahme und der Dokumentation dienen.  Die zweite School 2017 fragte Friedrichstadt: Wie wohnst du? und zoomte ein auf die Ebene Block und Haus, wobei es um den individuellen Gebrauch von Häusern ging und insbesondere um das Verhältnis von Wohnen und Arbeiten unter einem Dach. In filmischen Hausführungen wurden Bewohner*innen- und Hausbiografien erstellt, in denen die jeweils individuellen Aneignungen und Nutzungsweisen der Räumlichkeiten, Entwicklungen, etwaige Problematiken und zukünftige Pläne der Bewohner*innen bzw. Besitzer*innen herausgestellt werden. Die dritte School – Friedrichstadt: Wie beherbergst du? – zoomte schließlich 2018 noch weiter hinein auf die Haus- und Zimmerebene und thematisierte das

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Verhältnis des privaten Rückzugsraumes zum gemeinschaftlichen und öffentlichen Raum – sowohl auf Seiten der Einwohner*innen als auch der Tourist*innen. Es war bereits in der ersten School deutlich geworden, dass die Friedrichstädter*innen aufgrund der touristischen Nachfrage ein erweitertes Wohnverständnis an den Tag legen: Kurzzeitwohnen wird hier als Wohnen begriffen; so werden Rückzugsbereiche und Orte der Gemeinschaft in verschiedenen Gradierungen geschaffen, vom Fremdenzimmer über die Ferienwohnung bis zum Hotelzimmer. Das kurzzeitige, touristische Wohnen verbindet sich dabei auf vielfältige Art und Weise mit dem dauerhaften Wohnen, indem Friedrichstädter*innen zu großen Teilen Ferienwohnungen und Übernachtungsgelegenheiten mit oder ohne Frühstück in ihren eigenen Häusern und Wohnungen anbieten. Die während der drei Schools und der darauffolgenden Bearbeitung entstandenen Filme dienen einerseits als verdichtete Materialsammlung zur Weiterverarbeitung in unterschiedliche Formate: Interview, Zeichnung, Bild; andererseits der kontinuierlichen Schärfung der Fragestellung nach den möglichen Zukünften durch die Auseinandersetzung mit der Gegenwart und ihrer Gewordenheit und ermöglichten außerdem eine produktive Art der Kontaktaufnahme mit Friedrichstädter*innen, da jeweils 10–15 Studierende in Friedrichstadt für jeweils eine Woche bei Friedrichstädter*innen unterkamen und so selbst zu Kurzzeitbewohner*innen wurden. Diese ethnographische Herangehensweise ermöglichte eine Nahaufnahme von situativen Problematiken und individuellen Einzelfällen, die eine dichte Perspektive auf Qualitäten des Städtischen als Alltagspraxis eröffneten. Weil in Friedrichstadt aufgrund der Nachfrage sehr viele Menschen Gästezimmer oder Ferienwohnungen anbieten und Arbeiten und Wohnen unter einem Dach durchaus gängig ist, konzentrieren wir uns hier auf diesen Zusammenhang und legen exemplarisch die vielfältigen Wohn-Praktiken offen, um sie dadurch neu verhandelbar zu machen: als eine bereits bestehende und praktizierte Möglichkeit für Stadterneuerung von innen heraus. Entstanden ist aus dem Material ein Katalog aus Fotos, Zeichnungen, Texten und Videos, der die Maßstäbe des Städtischen als gelebte Praxis ausschnitthaft zeigt. Das Offenlegen des erarbeiteten Materials schafft eine Grundlage für die Diskussion der Bewohner*innen untereinander und ermöglicht eine Auseinandersetzung mit den Strukturen und Praktiken der Friedrichstädter*innen. Aus dem aufgezeichneten Gebrauch, den wir nur vermittelt erfassen (bzw. erfassen können), beschäftigten wir uns mit dem durch die Bewohner*innen gestalteten Alltag in Friedrichstadt, mit ihren Lieblingsorten, ihren Erinnerungen, ihren Wegen, ihren Häusern, ihren Räumen und ihren Plänen, nicht zuletzt aber auch den daraus heraustretenden Problematiken: mit Leerständen, wartenden Räumen, einem

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schrumpfenden Einzelhandel, dem Tourismus als schwerpunktmäßigem Wirtschaftsfaktor und damit gleichzeitig als Herausforderung, mit demographischem Wandel sowie mit Zugezogenen und Wegziehenden. Greifen wir beispielsweise den Leerstand als artikulierte Problematik heraus, stellt sich durchaus die Frage: Was ist eigentlich Leerstand? Geht es dabei nur um Gewerberäume? Was ist mit dem temporären Leerstand in Häusern, die zur Hälfte oder nur die Hälfte des Jahres bzw. saisonal, insbesondere durch Tourist*innen, bewohnt werden? Was ist mit dem Leerstand in Häusern, in die dringend investiert werden müsste? Was ist mit dem zukünftigen Leerstand, der in den nächsten Jahrzehnten aufgrund des demographischen Wandels sowohl seitens der Bewohner*innen als auch der Besucher*innen in Friedrichstadt entsteht? Und ist Leerstand bzw. sind wartende Räume immer nur problematisch? Gerade in Bezug auf letztere Frage wird deutlich, dass die Schrumpfungsdebatte und Leerstandsfrage immer in ihrem Kontext betrachtet werden müssen. Es ließe sich beispielsweise argumentieren, dass in den Großstädten mehr Leerstand notwendig wäre, um Fluktuation zu ermöglichen und den Druck vom (Wohnungs)Markt zu nehmen. Leerstand ist in spezifischen Kontexten und vor allem in seiner Dauerhaftigkeit oder in schrumpfenden Gebieten problematisch. In der Stadt Friedrichstadt ist ein Drittel der Einwohner*innen über 65 Jahre alt, Tendenz steigend (Ziesemer 2018, S. 32). Auch die Besucher*innen sind vorwiegend ältere Personen. In der Raumbeobachtung des BBSR wird Friedrichstadt als schrumpfende Stadt gekennzeichnet (BBSR 2015). Im Tourismusentwicklungskonzept wird die „teilräumlich ungünstige Einwohner-(struktur)entwicklung“ neben „negativen Effekten der Demographie-Problematik im Ortsbild und im touristischen Angebot [genannt]: Leerstände, Fassaden, Kapazitätsverlust, Investitionsstau und Qualitätsmangel“ (Ziesemer 2018, S. 26). Gleichzeitig sieht das Tourismusentwicklungskonzept im Bereich der Beherbergungskapazitäten Potenziale im Ausbau der Hotellerie insbesondere für den Standort „St. Peter Ording, aber auch in Friedrichstadt“ (Ziesemer 2018, S. 19). Wie aber können diese Potenzialbeschreibungen am Ort kontextualisiert werden? Wie sich verhalten zu den bereits bestehenden und zukünftig entstehenden Leerständen in den Beständen in Friedrichstadt? Eine neue Hotelanlage außerhalb der alten Kernstadt zu bauen, wäre eine direkte Konkurrenz für die vielen privat vermieteten Gäste- und Fremdenzimmer und kleinen Hotels. Eine scheinbare Problemlösung würde hier zu einer Verschiebung des Problems führen und bereits existierende Potenziale und Voraussetzungen für den Tourismus, z. B. die Landschaftsräume um Friedrichstadt herum, möglicherweise geradewegs zerstören. Die kleinteilige Unterbringung für Tourist*innen in Friedrichstadt mag zwar durchaus aufwendiger in der Buchung und Organisation sein, bietet jedoch

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insbesondere aufgrund der großen Bandbreite von Unterkünften individuelle Angebote (Robinson und Novelli 2015; Sert 2017).

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Verdichtung: drei Fälle, drei Maßstäbe

Aus den durch die videografischen Arbeiten entstandenen circa 20 Fallstudien greifen wir drei Fälle heraus, um die Arbeitsweise und den Ansatz zu verdeutlichen und die Perspektive für Potenziale zu öffnen. Alle drei Fallbeispiele befinden sich in Gebäuden in der Altstadt und können auf mehrere Schritte der Transformation in den vergangenen 150–400 Jahren zurückblicken, auf die wir ausschnitthaft eingehen (siehe auch http://urban-design-reader.de für die vollständige Dokumentation). Bei diesen drei Fällen handelt es sich im aktuellen Gebrauch um die Verschaltung des Wohnens mit dem Kurzzeitwohnen bzw. Beherbergen, das eine Form der Arbeit bzw. Beschäftigung darstellt, unter einem Dach.

Abbildung 5 Ausschnitt aus der Dokumentation Friedrichstadt Zukunftsstadt. Hier exemplarisch eines der möglichen Gästezimmer und die Küche mit dem angrenzenden Esszimmer und dem großen Tisch. (Zeichnung: Oskar Görg / Urban Design)

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1. Fall: Maßstabsebene Zimmer – Haus: Hotel Mama Frau K. hat die Zimmer ihrer fünf bereits ausgezogenen Kinder renoviert und als Gästezimmer für eben diese Kinder hergerichtet. Aus diesem Grund hat sie auch die Küche vergrößert und das Wohnzimmer aufgegeben. Denn die fünf Kinder mit ihren Partner*innen und Kindern brauchen viel Platz zum Sitzen und Reden und gemeinsam Essen. Gleichzeitig ist Frau K. stadtpolitisch engagiert und Vereinstreffen finden auch mal in ihrer Küche statt (Abbildung 5). Aufgrund der hergerichteten fünf Gästezimmer funktioniert das Haus wie ein kleines Hotel, nur eben für Familienmitglieder. Frau K. legt großen Wert darauf, ohne Abhängigkeiten alt werden zu können und fühlt sich in Friedrichstadt dank erreichbarer ärztlicher Versorgung, Fleischerei, Apotheke, Blumenladen und Bäckerei sehr gut versorgt. Außerdem verbinde sie der Bahnhof mit der ganzen Welt.

Abbildung 6 Ausschnitt aus der Dokumentation Friedrichstadt Zukunftsstadt. Von unten nach oben: Erdgeschoss, Obergeschoss 1 und 2. Die grün eingefärbten Flächen sind die privaten Zimmer (Schlafzimmer, Büro, Bad, etc.). Die gelb eingefärbten Flächen sind die gemeinschaftlichen Räume (Erschließung, Außenräume, Küche etc.). Das Erdgeschoss ist mit Küche, Bad und Schlafzimmer eine voll ausgestattete Wohnung. Herr und Frau K. wohnen in den beiden oberen Geschossen. (Zeichnung: Oskar Görg / Urban Design)

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2 . Fall: Maßstabsebene Haus – Block: Hotel Klein Amsterdam Das jüngst eingeweihte Hotel Klein Amsterdam (Abbildung 7) wird von der Inhaberin und ihrem Mann selbst geführt und zeichnet sich durch eine minutiös durchdachte Verschaltung einzelner Nutzungen über mehrere benachbarte Häuser hinweg aus. Das eigentliche Hotel befindet sich an der Ecke des Blocks. Dort gibt es einen Laden im Erdgeschoss sowie rechts vom Ladengeschäft das Restaurant „Holländische Stube“, welches wiederum zwei Häuser miteinander verbindet . Hier frühstücken die Hotelgäste im großen Saal des Restaurants im ersten Obergeschoss, der auch für Hochzeiten genutzt wird, und selbstverständlich können Hotelgäste auch im Restaurant im Erdgeschoss essen. Die Rezeption befindet sich ebenfalls im Eingangsbereich des Restaurants . Die Hotelgäste holen sich hier ihre Schlüssel, verlassen das Restaurant und betreten das Nachbargebäude mit den Hotelzimmern von der Straße aus . Restaurant und Hotel befinden sich in insgesamt vier Häusern. Die Häuser des Restaurant und des Hotels sind äußerlich nicht miteinander verbunden .

Abbildung 7

Isometrie des Gebäude- und Nutzungskomplexes aus der Dokumentation Friedrichstadt Zukunftsstadt . Deutlich sind hier vier Häuser zu erkennen, die über Durchbrüche miteinander verbunden sind (von links nach rechts: Wohnungen im Erdgeschoss und Obergeschoss 1; im Dach befinden sich bereits Hotelzimmer; Eckhaus: Hotel; in den beiden angrenzenden Häusern befindet sich das Restaurant. (Zeichnung: Tim Garbers, Oskar Görg / Urban Design)

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Im ersten und zweiten Stock des Hotels an der Ecke befinden sich die Zimmer, eine Kaffee- und Teeküche für Gäste auf dem Flur, ein Dachbodenraum, der aufgrund der zu steilen Treppe nicht von Gästen genutzt werden darf und deshalb als Wäscheraum ausgestattet ist; auf der linken Seite befinden sich Wohnungen sowohl im Erdgeschoss als auch im ersten Obergeschoss, die später einmal in das Hotel als weitere Gästezimmer integriert werden sollen (Abbildung 9). Das Hotel erstreckt sich innen über das Eckhaus hinaus und nutzt Nachbargebäude mit, ohne dass dies von außen deutlich wird.

Abbildung 8 Grundrisse des Gebäude- und Nutzungskomplexes bestehend aus Wohnungen, Hotelzimmern, dem Ladengeschäft und dem Restaurant (von unten nach oben: Erdgeschoss, Obergeschoss 1 und 2, Dach). Die grün eingefärbten Flächen sind die privaten Zimmer (Schlafzimmer, Hotelzimmer, Bad, etc.). Die gelb eingefärbten Flächen sind die gemeinschaftlichen Räume (Erschließung, Küche, Speisezimmer, Ladengeschäft, etc.). (Zeichnung: Oskar Görg / Urban Design)

3. Fall: Maßstabsebene Block – Stadt: Kajüte Seit nun ca. zwei Jahren lebt Familie F. mit zwei Kindern in dem denkmalgeschützten Gebäude auf der Ostseite der Stadt. Ursprünglich aus Hamburg und mit jahrelanger Erfahrung in der Gastwirtschaft auf Amrum zog es Familie F. auf das Festland zurück. Heute bewohnt die Familie ein Eckhaus, welches bereits in früheren Zeiten die Landschaft Stapelholm mit der Stadt verband und als eines der

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Eingangstore zur Stadt fungierte. Die dort ehemals ansässige Schankwirtschaft wurde vor allem als Raststätte für die dort in die Stadt fahrenden Besucher*innen des Pferdemarktes aufgesucht. Im erhöhten Erdgeschoss verkaufen Herr und Frau F. heute von freitags bis sonntags selbstzubereitete Speisen, Weine und Bier, während das Obergeschoss des Gebäudes der Familie als Wohnung dient. Regelmäßig werden Musiker*innen in den Gastraum eingeladen, denen gleichzeitig die Möglichkeit der Beherbergung in einem Gastzimmer im Erdgeschoss, bestehend aus Schlaf- und angrenzendem Badezimmer in ihrem Haus angeboten werden kann. Entstanden ist das Gästezimmer, weil die Familie für den eigenen Gebrauch erst einmal keine weitere Verwendung für die beiden Räume sah.

Abbildung 9 Gästezimmer mit angrenzendem Bad, die ortsansässige Bäckerei, von der die Gäste der Kajüte Verzehrgutscheine erhält, sowie einen Ausschnitt aus dem Stadtgrundriss in dem weitere öffentliche und gemeinschaftliche Nutzungen wie Marktplatz, Restaurant, Kanu- und Tretbootverleih verzeichnet sind. Die Kajüte und die Bäckerei befinden sich in unterschiedlichen Häusern und Blöcken in der Stadt Friedrichstadt. Das Prinzip, welches hier erprobt wird, kann auch auf andere städtische Nutzungen ausgeweitet werden. (Zeichnung: Oskar Görg / Urban Design)

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In Kombination mit den Einladungen an die Musiker*innen sei dadurch aber ein gutes „Komplettpaket“ (Zitat Herr F.) aus möglichem Auftritt und gleichzeitiger Übernachtung entstanden. Serviceleistungen wie Frühstück bietet die Familie nicht an, dafür verabredete sie aber eine Kooperation mit der ortsansässigen Bäckerei und hinterlegt für ihre Gäste Frühstücksgutscheine (Abbildung 9). Was in der Kajüte auf den ersten Blick zufällig oder als Einzelfall erscheint – das horizontale oder verstreute Hotel – ist in Italien bereits seit den 1980er Jahren eine gängige Methode, um in schrumpfenden Dörfern den Bestand zu halten, die bestehende Infrastruktur zu stärken und gleichzeitig ein besonderes Tourismusangebot zu schaffen (vgl. Confalonieri 2011; Avram et al. 2012; Vallone et al. 2013). Das von Giancarlo Dall’Ara entwickelte Konzept sieht Übernachtungsmöglichkeiten in Bestandshäusern in enger Kooperation mit Alltagsinfrastrukturen (z. B. Bäckereien und Restaurants) vor Ort vor, und ermöglicht Gemeinden bzw. den Eigentümer*innen einen Zuverdienst sowie die Möglichkeit, auch bei schwindender Bewohner*innenzahl im Ort bleiben zu können.

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Learning with statt learning from

Während herkömmliche Partizipationsformate in der Stadtentwicklung und Stadterneuerung häufig defizit- und partikularorientierte Workshops veranstalten, auf denen Bürger*innen mit ihren spezifischen Kenntnissen und lokal entwickelten Positionen Probleme benennen und Lösungen durch Wünsche suchen, für deren Erfüllung sie andere verantwortlich machen, verfährt die Haus- und Bewohner*innenbiografie ergebnisoffen und setzt keine im Voraus festgelegten Themen. Im Gegensatz zu ersterem Ansatz, bei dem etwas erarbeitet werden soll, die Teilnehmer*innen durchaus unter Druck stehen, Lösungen oder Projekte in ein bestimmtes Format zu überführen bzw. diesen etwas beizusteuern, untersucht die Haus- und Bewohner*innenbiografie einen gewordenen Ist-Zustand und entwickelt erst daraus thematische Schwerpunkte. Aus den drei Fällen und vor dem Hintergrund der im Feld aufgespannten Problematik existierender und zukünftiger „Leerstände“ bzw. wartender oder ungenutzter Räume haben wir die im Kleinen und teilweise bereits umgesetzte Idee des horizontalen Hotels aufgegriffen und weitergedacht (Abbildung 10). Statt neue monokulturelle Gebäude, wie z. B. ein Hotel auf neu zu erschließendem Gebiet des Altstadtkerns zu bauen, wäre die hybride Nutzung von bestehenden Gebäuden durch ihre Nutzer*innen neu zu überdenken und nutzbar zu machen. Ähnlich verhält es sich mit der Problematik der alternden Gesellschaft und dem steigenden Bedarf nach Pflegeeinrichtungen: genauso wie das horizon-

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tale Hotel wäre ein horizontales Altersheim denkbar. Gehen wir noch einmal zu Frau K. mit ihren fünf Gästezimmern für ihre Kinder zurück. Ihr Konzept „Hotel Mama“ berücksichtigt zum einen das eigene Älterwerden und hält gleichzeitig Zimmer vorrätig, die sie sowohl in ein Hotel als auch in eine Alters-WG oder ein Zimmer für Pflegekräfte überführen könnte. Hinsichtlich des Wissens über und der Erfahrungen mit Methoden der Stadterneuerung finden wir in Friedrichstadt eine durchaus unternehmerische Kultur der privaten Maßnahmen am eigenen Haus, die zwar deutlich über den privaten Gebrauch hinausgehen könnten und dies auch müssten, deshalb aber als Stadterneuerungsmethode und -prozess von innen heraus zusammengeschlossen werden können.

Abbildung 10 Konzeptmodell des horizontalen Hotels. Die grün eingefärbten Häuser stellen private Räume dar, während die gelb eingefärbten die gemeinschaftlichen Räume symbolisieren. Dabei betrachten wir die Unterscheidungen von privaten und gemeinschaftlichen Räumen über alle Maßstabsebenen vom Haus über den Block und die Stadt hinweg. (Zeichnung: Oskar Görg / Urban Design)

Wenn wir die Stadt auf diese Weise betrachten und ihre Potenziale im Bestand herausarbeiten statt mit Lösungsvorschlägen genau diese Potenziale im Bestand oder auch im Neubau (wie in Friedrichstadt ein ursprünglich angedachtes Hotel oder auch das bereits umgesetzte Alters- und Pflegeheim) zu verbauen, stellt sich natürlich immer noch die Frage der Übertragbarkeit und Umsetzung. Es geht

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uns deshalb darum, die Perspektiven auf den relationalen städtischen Raum, den ­gelebten, wahrgenommenen Raum in seiner Repräsentation aufzuspannen. In einer Stadt, die im Blockrand organisiert ist und damit Wände und Höfe teilt und deren Nutzungen ausgehandelt werden können und müssen, kann Bestand neu und hybride verschaltet werden, während in der Typologie der Siedlung An-, Weiter- und Umbau zum Thema gemacht werden müsste. Die Idee des horizontalen Hotels aufzugreifen ist nicht an eine bestimmte bauliche Typologie geknüpft, sondern rückt den Bestand und die bestehende Situation insgesamt in den Blick. So können Organisation und Prozess – in diesem Fall z. B. Unterbringung von Tourist*innen – in den Vordergrund treten. Der Ansatz der Haus- und Bewohner*innenbiografie verschiebt den Blick vom zu gestaltenden Produkt auf die Gestaltung und Organisation des Prozesses. Dieser Gedanke, von Burckhardt in den 1980er Jahren entwickelt (z. B. Burckhardt 1980; 1983), findet heute vielfältigen Ausdruck in preisgekrönten Pilotprojekten, beispielsweise Granby Four Streets (Assemble Studio), Universität der Nachbarschaften in Wilhelmsburg (Lehr- und Forschungsbereich Urban Design, HCU Hamburg) und Genossenschaft „mehr als wohnen“ im Hunziker Areal, Zürich.

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Stadterneuerung von unten bzw. von innen

Kommen wir noch einmal auf die eingangs erwähnte Verschiebung von Stadterneuerung als staatlicher Aufgabe hin zur Einsicht, dass diese nur in Zusammenarbeit mit privaten Akteur*innen angegangen und gelingen kann, wird deutlich, dass die unterschiedlichen Reichweiten privater Grundbesitzer*innen und städtischer Planung auf verschiedenen Maßstäben und maßstabsübergreifend miteinander verbunden werden müssen. Dabei geht es nicht nur darum, groß- oder kleinmaßstäbliche Instrumente zu entwickeln, sondern die Bedingungen vor Ort zu ergründen und mit den Bewohner*innen gemeinsam Entwicklungstendenzen herauszuarbeiten und weiterzuentwickeln. Hier geht es somit um eine inhaltliche Zusammenarbeit mit den beteiligten Akteur*innen. Der kleinteilige Ansatz geht dabei stets vom Gebrauch aus und unterscheidet sich damit von Beteiligungsformaten, die auf Basis einer „Wunschproduktion“ den Fokus auf die jeweilig bestehende Situation aus dem Blick verlieren (können), insbesondere wenn es sich um künstlerische Projekte handelt, die sich in Opposition zur als rationalistisch verstandenen Planung sehen (vgl. Göbel 2017, S. 838). Die ethnographisch orientierte Perspektive, die mittels unterschiedlicher Methoden (Videographie, Gespräch und Interview, Analyse der Baugeschichte vis-à-vis der Wohngeschichte) Haus- und Bewohner*innenbiografien erarbeitet, befasst sich mit den im Bestand

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entwickelten Bedingungen und kann daraus Möglichkeiten herausarbeiten, die in Beteiligungsformaten zu bereits festgelegten Planungen nicht zum Tragen kommen können (vgl. Glaser & ETH Wohnforum 2014; Cantauw 2017). Während einerseits also deutlich wird, dass Stadterneuerung keine rein staatliche bzw. städtische Aufgabe (mehr) sein kann, darf sie andererseits nicht vollständig privatisiert werden. Städte sind konfrontiert mit der sich allmählich durchsetzenden Einsicht, dass ihre Bestände bzw. Gründe veräußert sind und sie deshalb mit Zwischenlösungen operieren müssen. Die von Vollmer (2018) konstatierte Wiederentdeckung privater Immobilieneigentümer*innen ist somit durchaus kritisch zu betrachten, wenn der Ausverkauf städtischer Liegenschaften zu einem Ausverkauf der Stadtentwicklung führt. Der in Friedrichstadt verfolgte Ansatz, dezentrale, grundstücks- und z.T. auch eigentümerübergreifende Kooperationen anzubahnen, kann nur am konkreten Fall und mit den jeweiligen Eigentümer*innen entwickelt werden. Dieser Beitrag ist also als Plädoyer zu verstehen, qualitative und ergebnisoffene (Forschungs-) Prozesse miteinzubeziehen, wenn über Stadterneuerung insbesondere in kleinen Städten nachgedacht wird. Das Programm „Zukunftsstadt“ bietet in Friedrichstadt aufgrund der spezifischen Konstellation involvierter Akteur*innen aus Zivilgesellschaft, Universität und Stadtverwaltung eine vielversprechende Möglichkeit, innovative Methoden und Ansätze auszuprobieren. Die für die dritte Phase anvisierte und im Programm vorgesehene Vorgehensweise hat dabei modellhaften Charakter, der einige der hier vorgestellten Überlegungen exemplarisch im Rahmen eines Reallabors bzw. als Pilotprojekte erproben und in eine Leitbildentwicklung überführen kann. Dass ein solch kleinteiliger, qualitativer und ergebnisoffener Ansatz durchaus überzeugt, zeigt das Interesse, das die Stadtverwaltung den Ergebnissen der wissenschaftlichen Begleitung entgegenbringt. Insbesondere die Idee des horizontalen Hotels kann die Ziele des Programms „Zukunftsstadt“ mit den lokal spezifischen Bedingungen verbinden, indem sie versucht, die Kommune zu befähigen, sich aus sich heraus neu aufzustellen und die bereits praktizierten, aber nicht als solche wahrgenommenen Potenziale der stadtgemeinschaftlichen Unterbringung herauszustellen, zusammenzuführen und damit zu verstetigen.

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Marieke Behne, Bernd Kniess und Anna Richter

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Friedrichstadt – Was kannst du?

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Entwicklung von Zentren in Klein- und ­Mittelstädten



Einzelhandel Leid- oder Leitfunktion in Klein- und Mittelstädten?



Tanja Korzer, Jörg Kosinski, Silke Weidner

Zusammenfassung

Die Städte stehen unter großem Veränderungsdruck. Neben dem Strukturwandel im Einzelhandel und polarisierender demographischer Entwicklung führt der zunehmende Einfluss des Online-Handels bei gleichzeitig verändertem Kundenverhalten zu einer angespannten Lage in vielen Innenstädten. Insbesondere für Klein- und Mittelstädte stellt sich die Frage, ob der stationäre Einzelhandel noch eine Leitfunktion oder nicht viel mehr eine Leid-Funktion für die Innenstädte darstellt? In diesem Beitrag soll diese Frage mit Hilfe aktueller Ergebnisse aus einer Kommunalbefragung und zwei Fallstudien aus brandenburgischen Mittelstädten nachgegangen werden. Die in diesem Beitrag präsentierten Ergebnisse sollen dabei helfen, die Wechselbeziehungen und die aktuelle Lage zwischen Einzelhandel und Innenstädten in Klein- und Mittelstädten angesichts zunehmender Differenzierung besser einzuschätzen. Die traditionell eng verflochtenen Beziehungen zwischen Einzelhandel und der Innenstadt sehen sich paradoxerweise trotz steigender Umsätze und guter Verbraucherstimmung (HDE 2018, S. 19) mit rückläufigen Passantenfrequenzen, zunehmenden Leerständen, stagnierenden Verkaufsflächenentwicklungen und häufigen Nutzungswechseln konfrontiert (Stepper 2016). Zudem bewirken verändertes Verhalten und sich wandelnde Ansprüche von Kunden einen Funktionswandel in den Innenstädten (GMA 2013). Bereits 2015 prognostizierte die Studie „Stadt, © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3_9

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Tanja Korzer, Jörg Kosinski, Silke Weidner

Land, Handel 2020“ des IFH Köln (2015), dass bis 2020 rund 45.0000 stationäre Geschäfte in den nächsten fünf Jahren schließen könnten, demnach wäre fast jedes zehnte stationäre Geschäft betroffen (vgl. auch Busch-Petersen 2017, S. 19). Teilweise gehen die Prognosen zu den Folgen dieser Entwicklung soweit, dass klassischen Einkaufsstraßen in Mittelzentren mit Leitfunktion Handel in 20 Jahren keine Überlebenschance mehr zugesprochen werden (Danielzyk 2018). Dementsprechend werden die Innenstädte von Klein- und Mittelstädten in besonderem Maße vor der Frage stehen, wie mit den zu erwartenden Entwicklungen umgegangen werden kann. Das gilt vor allem angesichts der funktionalen, baukulturellen und identitäts-stiftenden Bedeutung der Klein- und Mittelstädte in der bundesdeutschen Stadtlandschaft (Bundesstiftung Baukultur 2016, S. 17). So leben ca. 27 % der Bevölkerung Deutschlands in Mittelstädten und ca. 16 % in den größeren Kleinstädten (BBSR 2015). Der stationäre Einzelhandel macht in den 20 umsatzstärksten Kreisen in Deutschland (absolut) ca. ein Viertel des gesamten stationären Einzelhandelsumsatzes aus (GfK 2018b). Somit sind viele Klein- und Mittelstädte sowohl quantitativ als auch qualitativ herausgefordert, ihre Innenstädte vor dem Hintergrund ihrer wichtigen Bedeutung – nicht zuletzt bzgl. ihrer zentralen Versorgungsfunktion – zu erhalten. Die Frage, welche Rolle der raumwirksame stationäre Einzelhandel in Klein- und Mittelstädten einnimmt – ob eher als klassische Leitfunktion (BBSR 2017b, S. 70) oder zunehmend als Leidfunktion – stellt sich in diesem Beitrag. Mit Hilfe einer strukturellen Perspektive in Ergänzung durch zwei Fallstudien aus Brandenburg soll versucht werden diese Frage zu beleuchten. Genauer sollen dabei folgende Teilfragen beantwortet werden: • Welche Nutzungen prägen die Innenstädte von Klein- und Mittelstädten? • Welchen Einfluss haben Einzelhandelszentralität und Flächenausstattung pro Kopf auf die Situation des innerstädtischen Einzelhandels? • „Freizeitstädte“: Welchen Einfluss hat die touristische Attraktivität von Kleinund Mittelstädten auf die Einzelhandelssituation? • Wie reagieren Klein- und Mittelstädte strategisch auf sich verändernde Rahmenbedingungen für innerstädtische Handelslagen und welche Maßnahmen werden von angewandt? (Mit Bezug auf zwei Fallstudienstädte) Mit der Beantwortung dieser Fragen sollen die bisher übergeordnet konstatierten Entwicklungstendenzen und der bisherige Forschungsstand konkretisiert und damit zur Differenzierung der jeweiligen Ausgangslagen und Zustände beigetragen werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Mittelzentren bzw. Mittelstädten, denen in diesem Beitrag eine große Heterogenität bei gleichzeitig

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hoher potentieller Problemdichte zugeschrieben wird. Durch den Fokus auf zwei Fallstudienstädte sollen Maßnahmen für Mittelstädte unter Berücksichtigung ihres jeweiligen Kontextes illustriert werden.

1

Forschungsstand – Klein- und Mittelstädte im Anpassungsprozess

In jüngerer Vergangenheit rückte die Forschung zu Klein- und Mittelstädten stärker in den Mittelpunkt des Fachinteresses, was zu verschiedenen Veröffentlichungen führte. Neben der durch das BBSR beauftragten Forschung „Mögliche räumliche Auswirkungen von ‚Online-Shopping‘ auf Innenstädte“ (2017b) verstärkten auch private Forschungsinstitute ihr Engagement und veröffentlichten beispielsweise folgende Studien: z. B. „Zukunft für die Innenstadt – Positionen von Deutscher Städtetag und Handelsverband Deutschland e. V. zur Zukunft von Stadt und Handel“ (DST und HDE 2017) oder „Vitale Innenstädte 2016“ (IFH 2017). Ergänzend dazu untersetzten Masterarbeiten und Dissertationen verschiedene Fachperspektiven auf die Entwicklungsperspektiven und -chancen von Klein- und Mittelstädten (wie z. B. Stepper 2016; Niklas 2016). Breiter Konsens der jeweiligen Forschungserkenntnisse ist, dass alle innerstädtischen Handelsstandorte von räumlichen und funktionalen Veränderungsprozessen betroffen sind bzw. sein werden, diese sich allerdings durch differenzierte Voraussetzungen und Kapazitäten unterschiedlich ausprägen: So spielen sowohl die Lage im Raum als auch die Stadtgröße und die zentralörtliche Funktion eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung von Anpassungsstrategien und der Ausschöpfung von Handelspotenzialen. Bezogen auf die Stadtgröße identifizierte das BBSR drei Stadtgrößentypen (BBSR 2017b, S. 59), innerhalb derer die besondere Lage der Mittelstädte hervorgehoben wurde. Die TOP 7-Großstädte wie Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg etc. vollziehen demnach eine abgekoppelte Entwicklung. Die innerstädtische Handelsentwicklung ist in diesen Städten durch Wachstum und eine breite Nutzungsmischung geprägt, die eine anhaltend hohe Anziehungskraft dieser Lagen zur Folge hat. Sie sind zugleich resilienter gegenüber Veränderungen und können sich trotz großem Veränderungsdrucks selbst erneuern (Reink 2017, S. 5). Kleinstädte mit einer Größte unter 20.000 Einwohnern erfahren einen Nachfragerückgang für Waren des mittelfristigen und langfristigen Bedarfs – sie übernehmen zunehmend Grundversorgungsfunktionen. Dazwischen befinden sich die Mittelstädte (zur Definition vgl. Kapitel Datenherkunft und Methodik), die häufig von zunehmenden Leerständen betroffen sein werden. Ursache dafür ist der ge-

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nerell fortschreitende Strukturwandel im Einzelhandel sowie der Online-Handel (BBSR 2017b, 61f.), welcher den Strukturwandel beschleunigt. Städte in dieser Kategorie stehen, trotz häufig hoher Einzelhandelszentralitäten, vor der Herausforderung, sich im besonderen Maße hinsichtlich ihres innerstädtischen Einzelhandelsangebots positionieren zu müssen, da sie als Mittelkategorie Qualitäten und Versorgungsfunktionen sowohl der kleineren als auch der großen Städte zugleich annehmen müssen, um attraktiv zu bleiben. Infolge dessen lässt sich eine fortschreitende Differenzierung von Mittelstädten in solche mit vielfältigem Angebot und solche mit hoher Nahversorgungsausrichtung erkennen (BBSR 2017b, S. 62; Heinemann 2017, 138f.). Neben der Stadtgröße bestimmt die räumliche Lage über die Entwicklung der innerstädtischen Handelslagen: So zeichnen sich Klein- und Mittelstädte in unmittelbarer Nachbarschaft von großen Metropolen bzw. Städten durch eine vergleichsweise geringe Zentralität aus. Sie befinden sich im Windschatten von Großstädten. Ihre Anziehungskraft reicht häufig kaum über das eigene Stadtgebiet hinaus. Diese Mittelstädte in zentraler oder sehr zentraler Lage stehen in der Regel bei gleichzeitig ungünstigeren Rahmenbedingungen vor größeren Veränderungsprozessen (BBSR 2017b, 62, 68). Zugleich existieren aber auch bei Mittelstädten in zentralen Lagen Ausnahmen, die es schaffen, im näheren Umkreis bzw. im Schatten von Großstädten wie zum Beispiel von München oder Frankfurt (Main) ein attraktives innerstädtisches Einzelhandelsangebot zu halten oder sogar bisher ungenutztes Potenzial für den Erhalt der Innenstädte und der zentralen Einzelhandelslagen zu ihrem Vorteil zu nutzen (Bentlage 2018; Vöckler 2018). Darüber hinaus verweist das BMVBS vor allem auf Mittelstädte im strukturschwachen Raum, die als kleinere Mittelstädte bezeichnet werden. Dort ist der stationäre Einzelhandel oft die dominante innerstädtische Nutzung, wenngleich er mit geringeren Ressourcen ausgestattet ist, um funktionale Lücken bei Ausfall von Einzelhandelsfunktionen zu füllen bzw. entsprechende Maßnahmen zur Erhaltung der Handelslage zu ergreifen (BMVBS 2010, 151f.). Doch auch hier gelingt es, einigen Mittelstädten aufgrund geringer Konkurrenz und einen noch attraktiven innerstädtischen Einzelhandelsbesatz ausreichend Kaufkraftzuflüsse aus dem Umland zu generieren und somit auf eine gewisse Stabilität zu bauen (Jahn 2014). Dagegen müssen kleinere Mittelstädte in schrumpfenden Regionen, die einst als Einkaufsstädte galten bzw. sich als solche verstanden (Dannenberg et al. 2017, S. 2; Trienemeier et al. 2018), große Bedeutungsverluste hinnehmen. Gründe dafür sind neben der generell sinkenden Nachfrage auch mangelnde Aufenthaltsqualitäten in Fußgängerzogen, mangelhafte Ladenlokalgrößen und -ausstattungen sowie Konkurrenzen auf der „Grünen Wiese“ wie z. B. durch integrierte Fachmarktzentren (Dannenberg et al. 2017, S. 2).

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Trotz einzelner positiver Ausnahmen bedeuten die wachsende interkommunale Konkurrenzsituation und der sich vollziehende Ausleseprozess innerhalb der innerstädtischen Handelslandschaft sowie der zunehmende Anteil des OnlineHandels am Gesamteinzelhandelsumsatz einen wachsenden Flächenverlust (ca. 24 % bis 2025). Besonders Mittelstädte sind davon betroffen, da dort bereits eine „Erosion“ des Einzelhandels eingesetzt hat (Heinemann 2017, S. 134). Für die Anteile am Gesamtumsatz heißt das, dass Klein- und Mittelstädte eine Reduzierung des Einzelhandelsumsatz-Anteils am Gesamthandel von ca. 48,5 % auf 37 % bis 2025 zu erwarten haben (eWeb Research Center 2015, 2016; in: Heinemann 2017, 134f.). Diese Einschätzung würde umso deutlicher ausfallen, wenn in Zukunft die Konsumenten in den Klein- und Mittelstädten ebenso große Online-Anteile am Handelsumsatz generieren, wie es heute schon in den Großstädten beobachtet werden kann (vgl. IFH 2017, S. 41ff.). In Folge dessen werden in innerstädtischen Einzelhandelslagen Lageverschiebungen auftreten: Bisher gut laufende Nebenlagen erfahren zunehmend Leerstände und einen Trading-Down-Effekt. Aber auch die Hauptlagen sind bereits teilweise bzw. werden von Leerständen betroffen sein (BMVBS 2010, S. 28; Sperle 2011). Diese Entwicklung stellt den stationären – den die Innenstadt prägenden – Einzelhandel bereits heute vor große Herausforderungen. Somit stellt sich die Frage, wie diesen Herausforderungen begegnet und die Verödung der Innenstädte verhindert werden kann (IFH 2017, S. 10).

2

Datenherkunft und Methodik

Tabelle 1  Stadttypen. Gemeindeverbände, Stand 31.12.2015 (Quelle: BBSR 2015) Stadttypen Größere Kleinstadt (20 Tsd. bis 49 Tsd. Einwohner) Mittelstadt (20 Tsd. bis 99 Tsd. Einwohner) Kleinere Mittelstadt (20 Tsd. bis 49 Tsd. Einwohner) Größere Mittelstadt (50 Tsd. bis 99 Tsd. Einwohner) Klein- und Mittelstädte (Summe) Alle Gemeindeverbände

Anzahl 876 616 507 109 1.492 4.538

Dieser Beitrag setzt sich methodisch aus zwei Teilen zusammen: Einerseits aus ausgewählten Ergebnissen einer Befragung von Klein- und Mittelstädten (2017) aus Brandenburg und andererseits aus den Fallstudien Luckenwalde und Eberswalde.

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Der Fokus des Beitrags liegt auf Mittelstädten bzw. Mittelzentren. Während Mittelzentren durch ihre raumordnerische Einordnung in den jeweiligen Landesentwicklungsplänen definiert werden, stellt der Begriff Mittelstädte eine analytische Kategorie dar, die einer genaueren Unterscheidung bedarf. In diesem Beitrag folgen wir der Definition des BBSR (2015), Klein und Mittelstädte werden dort in zwei bzw. drei Kategorien eingeteilt (vgl. Tabelle 1). Unter Innenstadt wird der zentral gelegene Bereich einer Stadt bezeichnet, welcher als siedlungsstrukturell integrierte Einheit die dort befindlichen Einzelhandelslagen umfasst. Neben den Geschäften des stationären Einzelhandels befinden sich dort in der Regel oft weitere zentrale Funktionen in der Innenstadt z. B. im Bereich Freizeit, Kultur, öffentliche Verwaltung etc. (Funktionsmischung). Vor dem Hintergrund der Relevanz und der ungewissen Zukunft mittelgroßer Städte führte das Wissensnetzwerk Stadt und Handel e. V. (WSH) in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig und der BTU Cottbus-Senftenberg die Befragung „Innerstädtische Einzelhandelsstrukturen in deutschen Klein- und Mittelstädten – Status Quo und Entwicklungsperspektiven“ durch. Die Befragung fand im Zeitraum September bis November 2017 statt. Es wurden 1.132 Bürger- und Oberbürgermeister*innen von Klein- und Mittelstädten (Kommunen mit mindestens 10.000 und maximal 99.999 Einwohnern) per E-Mail und Online-Fragebogen kontaktiert. Als Adressaten wurden die jeweilig zuständigen Stellen der Kommunen ausgewählt. Die Online-Befragung umfasste 31 Fragen, wobei einige als Filterfragen nicht für jeden Befragten zu beantworten waren. Es wurde eine Rücklaufquote von ca. 6 % erzielt. Das entspricht 69 Kommunen. Da alle Kommunen der Grundgesamtheit zwischen 10 und 100 Tausend Einwohner angeschrieben wurden und 6,1 % der Befragten den Fragebogen ausreichend vollständig ausgefüllt haben, ergibt sich eine der Grundgesamtheit entsprechende Verteilung der Stichprobe (Mittelwert: 34,4 Tsd.-Einwohner; Standard-Abweichung: 19,3 Tsd.Einwohner). Tabelle 2 Befragte Städte nach Größe und zentralörtlicher Funktion (Eigene Erhebung, 2017) In der Befragung erfasste Städte nach Größe und zentralörtlicher Funktion 10 – 20 Tsd. EW – Größere Kleinstädte 20 – 50 Tsd. EW – Kleine Mittelstädte 50 – 100 Tsd. EW – Große Mittelstädte Summe

GZ

MZ

OZ

Summe

9 5 0 14

13 25 8 46

1 3 5 9

23 33 13 N = 69

Einzelhandel – Leid- oder Leitfunktion …

213

In der weiteren Analyse wurde die Einordnung nach Bevölkerungsgröße vernachlässigt und die inhaltlich als für die Fragestellungen dieses Beitrags als aussagekräftiger angenommene zentralörtliche Funktion der befragten Städte bevorzugt. Zudem fand eine Einordnung der ausgewerteten Daten bzw. Städte vor dem Hintergrund ihrer räumlichen Lage statt. Räumliche Lage meint die vom BBSR (2010) erstellte Raumabgrenzung aller Gemeinden in Deutschland auf Basis von Erreichbarkeitsanalysen der Tagesbevölkerung. Diese Kategorisierung teilen alle Städte der Befragung entsprechend ihrem Lagetyp ein nach: „sehr peripher“, „peripher“, „zentral“ und „sehr zentral“ (vgl. Tabelle 3). Tabelle 3 Befragte Städte nach zentralörtlicher Funktion und räumlicher Lage (Eigene Erhebung, 2017) Befragte Städte nach zentralörtlicher Funktion und räumlicher Lage. Sehr zentral/zentrale Lage Sehr periphere/periphere Lage Summe

GZ

MZ

OZ

Summe

11 3 14

28 17 45

5 5 10

44 25 N = 69

Die Erhebung zu den Fallstudien in den Kommunen Eberswalde und Luckenwalde erfolgte aufgrund deren strategischer Ansätze zur Innenstadtentwicklung unter Berücksichtigung des Wandels auch im Handel. Die folgenden Erkenntnisse speisen sich aus der in den Jahren 2014 bis 2016 durchgeführten und 2016 veröffentlichten Untersuchung zu „25 Jahre Stadtentwicklung – Transformation brandenburgischer Städte“ in Zusammenarbeit des Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft (MIL) und der BTU Cottbus-Senftenberg, Lehrstuhl Städtebau, Prof. Nagler. Die dort dargestellten morphologischen Stadtlayer wurden 2017 um funktionale, hauptsächlich die Innenstädte betreffende Aussagen sowie die Nachverfolgung von Prozessen mit Einsatz der strategischen Instrumente zur Innenstadtentwicklung ergänzt.

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3

Tanja Korzer, Jörg Kosinski, Silke Weidner

Ausgewählte empirische Erkenntnisse zu Ausgangssituation und Veränderungsdruck

Ziel der Befragung war es, die aktuell geführte Fachdiskussion und den Erkenntnisstand zur Situation der Innenstädte in Klein- und Mittelstädten zu erweitern. Ein erstes Interesse galt den prägenden Nutzungen in den Innenstädten. Die Frage danach zeigte, dass nach wie vor die Handelsfunktion eine wesentliche Rolle für eine funktionierende Innenstadt spielt (96 % aller Antworten, Mehrfachnennungen, vgl. Abb. 1). Dieses Ergebnis steht im Kontext anderer aktueller Befragungsergebnisse, u. a. der jährlich deutschlandweit durchgeführten Innenstadtbefragungen des IFH Köln, die u. a. als wichtigsten Besuchsgrund der Innenstädte das „Einkaufen“ ermitteln (IFH 2017) und einer Befragung unter den Mitgliedern des Deutschen Städtetages (2016, S. 8). Allerdings wird der Handel durch weitere wesentliche Nutzungen in der Innenstadt flankiert. Die Befragung von Klein- und Mittelstädten zeigte, dass mit jeweils über 60 % der Nennungen Funktionen wie Wohnen und Dienstleistungen genannt wurden. Darauf folgen kulturelle Angebote mit ca. 48 % sowie öffentliche Verwaltung mit ca. 42 %. Die Auswertung der möglichen Mehrfachnennungen zeigte, dass verschiedene Antwortkombinationen eine hervorgehobene Bedeutung haben, wie bspw. die Kopplung von Handel/Öffentliche Verwaltung (63 %) und Handel/Wohnen (63 %) sowie Handel/Dienstleistung (60 %). Der Trend zunehmend funktionsgemischter Innenstädte zeigt sich zudem bei der Benennung von Frequenzbringern, wie Einkaufszentren, Öffentliche Einrichtungen, Textilhändlern, Banken, Betrieben im Bereich Gesundheit und Food (Reihenfolge entspricht der Häufigkeit der Nennungen). Zudem liegen entsprechend der Befragungsergebnisse 70 % aller genannten Frequenzbringer in der Hauptgeschäftslage. Innerhalb tradierter Nutzungsmischungen in den zentralen Innenstadtbereichen kann eine Veränderung hin zu einem größeren Anteil von Wohn-, Büro- und Dienstleistungsnutzungen als Folgenutzungen ehemaliger Einzelhandelsnutzungen beobachtet werden. Somit wird deutlich, dass für viele Klein- und Mittelstädte die Funktionsmischung in den Innenstädten eine wesentliche und zunehmende Bedeutung hat. Die Mischung als Gestaltungsmittel zur Attraktivitätssteigerung von Innenstädten kann dabei als erfolgsversprechend bewertet werden, die aber unter Umständen auch zu Konflikten innerstädtischer Nutzungen führen kann (BBSR 2017a, 111, 123). Der Tourismus als prägende Funktion der Innenstadt spielt bei lediglich einem Drittel der befragten Städte eine Rolle. Allerdings kann sich die touristische Attraktivität positiv durch erhöhte Nachfrage im stationären Handel auf die innerstädtische Einzelhandelsentwicklung auswirken (BBSR 2017b, S. 68). Ca. 90 % der befragten Städte, welche

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im Tourismus keine prägende Innenstadtfunktion ihrer Stadt erkennen, haben angegeben, dass sich die Einzelhandelssituation in den letzten fünf Jahren verschlechtert hat. Dagegen konstatieren nur ca. 50 % der Kommunen, die im Tourismus eine prägende Funktion sehen, eine Verschlechterung der Einzelhandelssituation. Als Resilienz-Faktor gegenüber generellen Entwicklungstrends erlaubt Tourismus insbesondere in Kleinstädten in schrumpfenden Regionen Handlungsund Steuerungsfähigkeiten zu erhalten.

Abbildung 1­ Prägende Funktionen der Innenstädte, Eigene Erhebung, 2017. Mehrfachnennungen (max. 5), 311 Nennungen bei N=69. 4,5 Nennungen pro Teilnehmer.

Auf die Frage, wie sich speziell das Einzelhandelsangebot in den letzten fünf Jahren entwickelt hat, konstatierten drei Viertel der Kommunen eine Stagnation bzw. eine Verschlechterung des Angebots. Lediglich ein Viertel der Klein- und Mittelstädte konnte eine Verbesserung des Angebotes verzeichnen. Die damit verbundenen Leerstände sind dabei nicht nur an den Rändern der Einzelhandelslagen zu finden, sondern sind bereits auch sichtbares Merkmal des Veränderungsdrucks auf die zentralen Handelslagen der Städte: Bereits 50 % der befragten Städte, die eine Verschlechterung der Einzelhandelssituation konstatierten, stellen bereits Leerstände in den Hauptlagen fest (vgl. auch BMVBS 2010, S. 28; Sperle 2011). Damit verbunden ist die überproportionale Schließung individuell geführter Fachgeschäfte im Vergleich zu filialisierten Geschäften. Hinzu kommt, dass die Nach-

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Tanja Korzer, Jörg Kosinski, Silke Weidner

vermietung über einen längeren Zeitraum problematisch eingeschätzt wird, so dass auf einen erstmaligen Leerstand in der Regel struktureller Leerstand folgt. Fragt man nach den Ursachen, können diese vielfältig sein: • Schwache wirtschaftliche Entwicklung, • Konkurrenzsituation zu einem benachbarten Einzelhandelszentrum, • Wenig nachhaltiges Wachstum in der Vergangenheit (hohe VKF-Ausstattung pro Kopf), • Veränderung des Kundenverhaltens. Eine direkte Abhängigkeit zwischen der Entwicklung des innerstädtischen Einzelhandelsangebotes und der jeweiligen Zentralität sowie der durchschnittlichen Verkaufsflächenausstattung pro Kopf der Kommunen lässt sich nicht pauschal ableiten. Allerdings lassen sich im Zusammenhang mit der Lage im Raum (sehr/ peripher; sehr/zentral) sowie der zentralörtlichen Funktion bestimmte Typen erkennen, die Hinweise zur differenzierten Situation der Klein- und Mittelstädte in Abhängigkeit des Einzelhandelsangebots in Bezug auf Zentralitätskennziffer und durchschnittlicher Verkaufsflächenausstattung (vgl. Abb. 2) beitragen.

Einzelhandel – Leid- oder Leitfunktion …

Abbildung 2

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Einzelhandelszentralität und Verkaufsflächenausstattung pro Kopf nach zentralörtlicher Funktion und räumlicher Lage . N= 41 . Quelle: Eigene Erhebung, 2018 .

Quadrant I: Die Einordnung von Städten zu diesem Typ macht deutlich, dass „sehr zentral“ / „zentral“ gelegene Grund- und Mittelzentren, die eine Verschlechterung des Einzelhandelsangebotes angegeben haben im Einzugsbereich eines benachbarten Oberzentrums liegen. Diese Städte profitieren in der Regel wirtschaftlich sowie wohnungsmarktpolitisch von der Verflechtung mit dem benachbarten Oberzentrum . Für die Einzelhandelssituation in diesen Innenstädten stellen sich die Verflechtungsbeziehungen allerdings eher problematisch dar, da sie quasi im Windschatten von Städten liegen, die über ein vergleichsweise attraktiveres Einzelhandelsangebot verfügen – also indirekt oder potentiell in Konkurrenz stehen .

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Quadrant II: Städte im zweiten Quadranten verfügen grundsätzlich über eine positive Ausgangsbedingung für Einzelhandel, weil ein Kaufkraftüberschuss gegenüber den umliegenden Kommunen besteht (überdurchschnittliche Zentralitätskennziffer). Die Städte mit einem sich verschlechternden Angebot befinden sich mehrheitlich in peripherer Lage (BBSR 2010), wobei diese Lage nicht als Standortvorteil genutzt werden kann. Hier bleibt zu vermuten, dass die überdurchschnittliche Zentralität auf überwiegend nichtintegrierte Handelsstandorte zurückzuführen ist und somit die Innenstädte einem starken innerörtlichen Wettbewerb unterliegen, der zu versorgende Raum durch seine Strukturschwäche eine zu geringe Nachfrage erzeugt oder der Onlinehandel einen wesentlichen Teil der Kaufkraft abschöpft. Quadrant III: Die Städte, die sowohl eine überdurchschnittliche Verkaufsflächenausstattung pro Kopf als auch eine überdurchschnittliche Zentralität aufweisen und von einer Verschlechterung des Einzelhandelsangebotes betroffen sind, lassen sich alle der Kategorie Mittelzentrum zuordnen. Dabei ist die Lage im Raum keine beeinflussende Größe. Sowohl zentral gelegene als auch peripher gelegene Mittelzentren sind betroffen. Gründe hierfür könnten bspw. in einer dynamischen Flächenentwicklung in der Vergangenheit liegen, auf die aktuell ein „gesunder“ Anpassungsprozess erfolgt, der eine Verringerung der Verkaufsflächenausstattung nach sich ziehen kann. Abb. 2 zeigt, dass Klein- und Mittelstädte selbst unter vereinfachten Annahmen in Bezug auf Zentralität und Einzelhandelsfläche pro Kopf höchst unterschiedliche Voraussetzungen mit sich bringen. Zugleich ergibt sich durch die Interpretation der Grafik in Typen bzw. Quadranten ein Schema, das sich zur strukturellen Beschreibung des Handels als Faktor innerstädtischer Funktion für eine Vielzahl an Klein- und Mittelstädten anbietet. Entscheidend in der Beschreibung der Lage von Klein- und Mittelstädten ist aber nicht allein die Ausgangslage, sondern die Art und Weise, wie mit verändernden Rahmenbedingungen umgegangen werden kann. Vereinfacht lassen sich diese Strategien in drei übergeordnete Bereiche einteilen – bauliche, koordinierende und marketingorientierte Maßnahmen (Abb. 3). Die Verbesserung der Aufenthaltsqualität stellt mit über 80 % der Nennungen das wichtigste Instrument dar. Mit fast 80 % nimmt die Erarbeitung von Einzelhandels- und Zentrenkonzepten einen ebenso hohen Stellenwert ein. Zudem werden Citymanagement/Stadtmarketing, Aktivitäten zur Vernetzung der Händler, Akquise von Fördermitteln sowie ein Leerstands- bzw. Flächenmanagement von den meisten befragten Klein- und Mittelstädten als wichtig benannt. Wie bereits vorab beschrieben machen die jeweilig spezifischen Herausforderungen die Entwicklung individueller Anpassungsstrategien notwendig. Häu-

das wichtigste Instrument dar. Mit fast…80 % nimmt die Erarbeitung von Einzelhandel – Leidoder Leitfunktion 219 Einzelhandels- und Zentrenkonzepten einen ebenso hohen Stellenwert ein. Zudem werden Citymanagement/Stadtmarketing, Aktivitäten zur Vernetzung der Händler, Akquise von Fördermitteln sowie ein Leerstands- bzw. fig finden sowohl formelle Planungen (wie Flächennutzungsplan, Bebauungspläne) Flächenmanagement von den meisten befragten Klein- und Mittelstädten als als auchbenannt. informelle Steuerungsinstrumente (wie Einzelhandelskonzepte, Stadtwichtig

marketing) Anwendung (vgl . Abb . 4 sowie Abschnitt Fallstudien) . Die Fallstudien Wie bereits vorab beschrieben machen die jeweilig spezifischen Luckenwalde und Eberswalde zeigen im Folgenden exemplarisch konkrete HeranHerausforderungen die Entwicklung individueller Anpassungsstrategien gehensweisen und konzeptionelle Ansätze zur Steuerung der innerstädtischen notwendig. Häufig finden sowohl formelle Planungen (wie Einzelhandelslagen . Flächennutzungsplan, Bebauungspläne) als auch informelle

Abbildung 3: Eingesetzte Strategien und Planungen zur gezielten innerstädtischen Entwicklung. Eigene Darstellung.

Abbildung 3 Eingesetzte Strategien und Planungen zur gezielten innerstädtischen EntSteuerungsinstrumente (wie Einzelhandelskonzepte, Stadtmarketing) wicklung . Eigene Darstellung . Anwendung (vgl. Abb. 4 sowie Abschnitt Fallstudien). Die Fallstudien Luckenwalde und Eberswalde zeigen im Folgenden exemplarisch konkrete

Aktuelle Rahmenbedingungen derAnsätze Fallstudien Herangehensweisen und konzeptionelle zur Steuerung der

Der wirtschaftliche und soziodemografische Strukturwandel betrifft alle brandeninnerstädtischen Einzelhandelslagen. burgischen Klein- und Mittelstädte. Sie befinden sich seit der Wiedervereinigung in einem stetigen Wandel: waren die 1990er- und 2000er-Jahre noch von Schrumpfung und Konsolidierung geprägt, verzeichnen einzelne brandenburgische Kommunen in diesem Jahrzehnt u . a . durch das Wachstum der Bundeshauptstadt Berlin und/oder dem verstärkten Zuzug Geflüchteter sogar Wachstum. Eine besondere Position nehmen hierbei die Kommunen unmittelbar rund um Berlin ein („Speckgürtel“) . Durch den dort unter Druck stehenden Wohnungsmarkt verzeichnen sie Einwohnerzuwächse . Selbst die sogenannte 2 . Reihe an Kommunen rund um Berlin erfährt mittlerweile eine Zunahme der Einwohnerzahlen . Andere Städte in peripherer Lage kämpfen hingegen nach wie vor mit Schrumpfungserscheinungen und Funktionsverlusten, mit besonderem Gewicht in den Innenstädten .

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Diese regional sehr unterschiedlichen Entwicklungen unterstreichen die Vielfalt der Herausforderungen, die sich für die brandenburgischen Kommunen stellen. Sie agieren zwischen Fragestellungen des Rückbaus (z. B. in Großwohnsiedlungen), der Nachverdichtung in innerstädtischen Bereichen, der Ausweisung neuer Wohnflächen sowie der Umnutzung leerstehender Flächen. Die Innenstädte nehmen sowohl funktional hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung, aber auch wegen der „Identitätslast“, die sie gesamtstädtisch tragen, eine zentrale Rolle ein. Stabilisierte Beschäftigungszahlen und steigendes Einkommen führen zu einem stärkeren Privatkonsum, der wiederum auch im Land Brandenburg zunehmende Umsätze im Einzelhandel generieren kann. Dennoch werden rückläufige Passantenfrequenzen in den städtischen Einzelhandelslagen sowie Verkaufsfläche verzeichnet. Zudem befindet sich die Brandenburger Kaufkraft landesweit, abgesehen von der Stadt Potsdam und dem südlich angrenzenden Landkreis Potsdam-Mittelmark, unter dem bundesweiten Durchschnitt. Die Verkaufsfläche je Einwohner liegt mit 1,75 m² dagegen über dem bundesdeutschen Durchschnitt (1,44 m²; GfK 2018a, S. 17). Die steigenden Umsatzzahlen im Online-Handel stellen den stationären Einzelhandel und die Innenstadtentwicklung vor erhebliche Herausforderungen. Angesichts der im Abschnitt Forschungsstand genannten Rahmenbedingungen ist z. B. mit der Schließung von ca. 45.000 Läden zu rechnen, die anteilig auch Brandenburg betreffen werden (Busch-Petersen 2017, S. 19). Damit einhergehend wird für Brandenburg ein Umsatzrückgang um bis zu 30 % prognostiziert, der negative Folgewirkungen auf die Innenstädte haben wird (z. B. in Form von Lageverschiebungen und zunehmendem Leerstand).

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Entwicklung in zwei beispielgebenden Kommunen

Die Analyse der beiden Fallstudien zeigt, dass auf der planerisch-konzeptionellen Ebene informelle Instrumente angewendet werden, um Funktionsmischung vorzubereiten und strategisch zu steuern. Formelle Instrumente dienen der Planungssicherung und -umsetzung. Zusammen bewähren sich in beiden Fallstudien Ansätze, die unterschiedliche Instrumente vielfältig kombinieren und eine klare Prioritätensetzung in der Stadtentwicklung zur Basis haben. Öffentliche Einrichtungen wurden prioritär im Zentrum angesiedelt, finanzielle Ressourcen gebündelt und begleitende Stadtmarketingaktivitäten betrieben.

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Fallstudie Eberswalde

Die Stadt Eberswalde liegt rund 50 km nordöstlich der Bundeshauptstadt Berlin und ist an diese durch die Bundesautobahn (BAB) 11 sowie stündlich verkehrende Nahverkehrszüge angebunden (Fahrzeit zum Berliner Hbf . ca . 30 min .) . Als Kreisstadt des Landkreises Barnim ist die Stadt zudem als Mittelzentrum im Landesentwicklungsplan (LEP) Berlin-Brandenburg und als Regionaler Wachstumskern (RWK) klassifiziert. Eine Besonderheit der Stadt Eberswalde stellt ihr polyzentraler Siedlungskörper dar . So besitzt die Stadt neben der Stadtmitte weitere Kerne mit innenstadtrelevanten Funktionen . Entgegen der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung fällt die aktuelle Einwohnerzahl von knapp 42 .000 (Juni 2017) höher aus als prognostiziert . Dieses positive Ergebnis ist im Wesentlichen auf die Nähe Berlins und den dort angespannten Wohnungsmarkt zurückzuführen .

Abbildung 4

Räumliches Leitbild für die 11 km Bandstadt mit polyzentraler Struktur (Quelle: Leuschner 2017)

Unter der Maxime, den Strukturwandel zu akzeptieren und städtebaulich zu begleiten, zielt die Strategie der Stadt auf die Stärkung der Innenstadt und der weiteren Zentren Finow, Brandenburgisches Viertel und Westend . Formelle und informelle Instrumentarien, Fördergelder etc . werden genutzt, um die Ansiedlung von Einzelhandelsbetrieben im Rahmen des Versorgungsauftrages zu steuern resp. Versorgungsdefizite auszugleichen sowie „Wildwuchs“ zu vermeiden, Vertrauen zu bilden und Investitionssicherheit bei Einzelhändlern und Investoren zu schaffen. Dazu gehört ein bewusster Umgang mit den Konsequenzen, wie z. B. dem Trading-down der Eisenbahnstraße im Zuge der gewollten Neubelebung der historischen Mitte .

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Die Innenstadtentwicklung erhielt bereits wenige Jahre nach der Wiedervereinigung eine wichtige Bedeutung im städtischen Verwaltungshandeln und der Politik. Höchst problematisch präsentierte sich das heutige Zentrum im Jahr 1990, das zum damaligen Zeitpunkt nicht als Mitte der Stadt galt, sondern mangels Wiederaufbau zu DDR-Zeiten vielmehr noch die Zerstörungen aus dem 2. Weltkrieg aufwies. Einen ersten Schritt zur Revitalisierung stellte 1992 die Ausweisung eines mittlerweile abgeschlossenen Sanierungsgebiets dar, welches den Wiederaufbau der Innenstadt, die Sanierung des Altbaubestandes sowie eine Baulückenbebauung vorsah. Für letztere war vor allem die Errichtung von Wohn- und Geschäftshäusern geplant.

Abbildung 5 Abgrenzung der Innenstadt Eberswalde mit zentralen Einzelhandelslagen (Eigene Darstellung, Bild: Google Earth)

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Abbildung 6

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Vergleich von städtebaulichen und räumlichen Strukturen sowie Funktionen im Zentrum Eberswalde in den Jahren 1996 (links) und 2012 (rechts) . Öffentliche Funktionen: lila, öffentlicher Raum: gelb (Quelle: Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung Brandenburg 2016, S . 55)

Gleichzeitig sollten verschiedene Nutzungen in der Innenstadt etabliert und gesichert werden, so dass bereits im ersten Flächennutzungsplan (FNP) 1998 Konzentrationszonen des Einzelhandels ausgewiesen wurden . Damit einhergehend wurde der Bau von (öffentlichen) Großvorhaben verankert, in denen sich unterschiedliche Funktionen wiederfinden und von denen wichtige Impulse für die Innenstadt ausgehen sollten . Impulsprojekte zur Innenstadtentwicklung waren u . a .: • • • •

Bau der Volksbank am Gelenk Bahnhofstraße, Innenstadt (1992–1994) Bau des Shopping-Centers „Rathauspassage“ auf Brachflächen (1994–1996) EDEKA in der Bahnhofstraße auf revitalisierter Fläche „Alte Brauerei“ Aktuell folgen Teilumbauten und Umnutzungen von leerstehenden Gebäuden u . a . in der Eisenbahnstraße

Damit impliziert war ebenfalls die perspektivisch schrittweise Aufgabe weniger zentraler Einzelhandelslagen, wie in der Eisenbahnstraße, der bei gleichbleibender bzw. sogar rückläufiger Nachfrage keine herausragende Funktionsvielfalt oder wichtige Konzentration mehr zugeschrieben werden konnte . Diese Verlagerungsprozesse waren demnach strategisch ausgerichtet und kein ungesteuertes Down-grading . Mehr und mehr kristallisierte sich eine fokussierte Strategie zur Stärkung der Innenstadt heraus . Zur Gestaltung des Marktplatzes wurden ein Ideenwettbewerb initiiert, zentrale Bauvorhaben wie die Rathaus-Passage und das Paul-WunderlichHaus realisiert, Fördermittel aus dem Stadtumbauprogramm sowie dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zu Sanierungszwecken genutzt und gleichzeitig verschiedene Fachkonzepte wie das Einzelhandelskonzept auf-

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gestellt (vgl. Abb. 7). Dieses klassifiziert und weist die zentralen Versorgungsbereiche der Stadt aus . Darauf aufbauend leistet der seit 2013 rechtsverbindliche strategische Bebauungsplan sehr Wichtiges: er unterbindet eine unkoordinierte (und Zentrenschädliche) Einzelhandelsentwicklung, schafft aber auch Transparenz und einen sicheren Rechtsrahmen für die Einzelhändler resp . Immobilieneigentümer/-investoren .

Abbildung 7

Instrumente, Strategien und zentrale Bauvorhaben (oben) der Eberswalder Innenstadtentwicklung seit 1992 (Eigene Darstellung)

Zur Belebung der Innenstadt bzw . zur Umcodierung der vom Funktionswandel betroffenen Straßen wird darüber hinaus eine Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Akteuren gepflegt, bei der regelmäßige Veranstaltungen organisiert und durchgeführt werden . Eine koordinierende Tätigkeit der Stadt zwischen den Akteuren der Altstadtinitiative und dem Stadtbummel e . V . ist im Rahmen dessen

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unabdingbar. In Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) wurde im Rahmen des Forschungsprogrammes „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau“ (ExWoSt) „Kooperation konkret” ein Geschäftsstraßenmanagement initiiert. Neben informierenden und beratenden Tätigkeiten der Stadtverwaltung stellte die Vernetzung der Immobilieneigentümer, Gewerbetreibenden und Kulturtreibenden einen Schwerpunkt der Aktivitäten dar. Des Weiteren wurde ein Aktionsfonds eingerichtet, mit dem lokale Mikroprojekte gefördert werden konnten. Eine Koordinierungsstelle half beim Abruf dieser Mittel. Nach zweijähriger Laufzeit (2012–2014) des ExWoSt-Projektes wurden finanzielle Mittel für die Aufwertung des Straßenraums, saisonale Beleuchtung oder dem ‚Tag der offenen Höfe‘ nachhaltig genutzt. Nach Ablauf der Förderperiode konnten jedoch zunächst keine weiteren Aktionen im Rahmen des Geschäftsstraßenmanagements durchgeführt werden. Mittels dieser Maßnahmen wurde Vieles erreicht, einiges ist aber noch fragil bzw. anzugehen. Die aktuellen Herausforderungen liegen weiterhin im Bedeutungswandel und Funktionsverlust in einzelnen Einkaufslagen der Stadt (Eisenbahnstraße und ehemaliger Boulevard) und im Umgang mit dem dortigen Leerstand. Des Weiteren sind Zentrenschädliche Auswirkungen durch den beabsichtigten Ausbau eines stadtnahen Outlet-Centers zu befürchten. Erste Projektvorhaben, die eine Leerstandsbeseitigung durch kreative Zwischennutzungen vorsahen, erwiesen sich als problematisch hinsichtlich der Nachfrage und der Rahmenbedingungen zur Nutzung der leerstehenden Immobilien (u. a. versicherungstechnische Inhalte und Fragen der Nutzungsgebühren). Angedacht ist hier die Initiierung eines beispielhaften Umbaus der Erdgeschosszone zu (barrierefreien) Wohnungen. Angesichts der für die Immobilieneigentümer neuen und herausfordernden Fragestellungen (Nutzerbedarf, Bauleistungen und Denkmalschutz) ist die Stadt angehalten, unterstützend und beratend tätig zu werden. Die Konkurrenzfähigkeit des stationären Einzelhandels zum Online-Handel bzw. die Attraktivität der Innenstadt gegenüber der virtuellen Einkaufswelt soll sich über die stadträumlich geschaffenen Qualitäten, die Kombination von verschiedenen Nutzen und entsprechenden Passanten- resp. Kundenströme ergeben. Es findet demnach keine direkte „Steuerung“ statt.

Fallbeispiel Luckenwalde

Luckenwalde liegt rund 40 km südlich von Berlin und ist durch die Bundesstraße 101 sowie den stündlich verkehrenden Regionalexpress über die Schiene an Berlin (BAB) angebunden (Fahrzeit zum Berliner Hbf. ca. 40 min.). Die Stadt ist ebenso wie Eberswalde Mittelzentrum im LEP Berlin-Brandenburg, einer der Regionalen Wachstumskerne (RWK) mit den Förderschwerpunkten für Wirt-

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schaft und Stadtentwicklung und Sitz des Landkreises Teltow-Fläming . Entgegen der Prognosen zeigt Luckenwalde 2017 eine höhere Einwohnerzahl von über 21.000 EW (statt 20.000 EW) und profitiert von einer positiven Wanderungsbewegung, die hauptsächlich durch den Zuzug von Berliner Bevölkerung und Geflüchteten begründet ist. Bereits in den 1990er Jahren ermittelte die Stadt einen Bedarf an innerstädtischem Wohnraum (Stadt Luckenwalde 2008, S . 21) . Parallel zur Ausweisung von Wohnflächen am Stadtrand bot sich die Chance, die Reparatur des (inner-) städtischen Grundrisses mit der Revitalisierung verfallender Industrieflächen sowie der Bebauung innerstädtischer Lücken voranzutreiben . Hierzu wurden u . a . die Städtebauförderprogramme Stadtumbau, Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen, Soziale Stadt und Aktive Stadt- und Ortszentren genutzt, um ein möglichst breites Spektrum an Wohnformen (z . B . barrierefreier oder sozial bezahlbarer Wohnraum) zu etablieren .

Abbildung 8

Vergleich von städtebaulichen und räumlichen Strukturen sowie Funktionen im Zentrum Luckenwalde in den Jahren 1996 (links) und 2012 (rechts) . Öffentliche Funktionen: lila, öffentlicher Raum: gelb (Quelle: Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung Brandenburg 2016, S . 59)

1997 wurde das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (INSEK) beschlossen, das die ersten Leitlinien der zukünftigen Innenstadtentwicklung enthielt . Aufbauend auf der Abgrenzung der Innenstadt, die sich zwischen den Magneten Bahnhof, Kreishaus und Rathaus aufspannt (Kräftedreieck), wurde ein räumliches Leitbild für die Innenstadt konzipiert . Dieses sah die Aufwertung und die Stärkung des Stadtzentrums durch die Ansiedlung von Magnetbetrieben sowie einen Ausbau der Funktionsvielfalt im Einklang mit der Aufwertung des öffentlichen Raumes vor (als Fördermittelempfänger aus dem Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“) . Unter der Maxime, öffentliche Einrichtungen als Impulse für die Zentrenentwicklung in die Innenstadt zu holen, betreibt

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Luckenwalde Innenstadtstärkung auch strategisch und förderte u. a. die Ansiedlung sozialer Infrastrukturen (z. B. die Kunsthalle oder die Errichtung des Stadtparks) sowie den Ausbau des innerstädtischen Wohnungsbestandes z.T. auf innerstädtischen Industriebrachen resp. Baulücken. Im Bereich des Einzelhandels wurde nach dem sog. „Knochenprinzip“ von Shopping-Centern die Ansiedlung von zwei großflächigen Ankerbetrieben des Einzelhandels im Norden (Kaufland) und im Süden der Einkaufslage Boulevard (REWE) gefördert. Dort befindet sich außerdem seit 1999 der Sitz des Landkreises. Impulsprojekte zur Innenstadtentwicklung waren demnach: • Transformation des Nutheparks/-promenade (URBAN II, Stadtumbau I) • Aufwertung öffentlicher Raum, u. a. Boulevard (seit Ende der 1990er Jahre, Aktive Stadt- und Ortsteilzentren) • Kreisverwaltung in ehem. Hutfabrik (2000) • Sanierung und Erweiterung Stadtmuseum im Fachwerkhaus am Markt (2003, 2006) • In auffällig zeitgemäßer Architektur errichtete Bibliothek im/am Bahnhof (2008) verbunden mit „Luckenwalde liest“ (im öffentlichen Raum) • Altbaukümmerer (KIQ: Kooperation im Quartier) • Regelmässige Immobilienschauen und Tag der Häuser • Verfügungsfonds (Aktive Stadt- und Ortsteilzentren) • Mobilitätszentrale durch Umnutzung des Postbahnhofs (2013) • Feuerwache Luckenwalde in erneut auffälliger Architektur (2016) • Anlaufstelle Zuhause im Alter für Stadt und Region (projektiert, Anlaufstellen für ältere Menschen) Aufbauend auf dem ersten INSEK entstand in den 2000er-Jahren ein Einzelhandelskonzept, das zentrale Versorgungsbereiche auswies. Darauf folgte ein Strategischer Bebauungsplan. Die zentrale Ansiedlung des Kreishauses Ende der 1990er-Jahre erwies sich als nachhaltige Entscheidung zugunsten der Innenstadtentwicklung. Durch die Bündelung der administrativen Aufgabenbereiche finden sich wichtige Funktionen der öffentlichen Hand in den zentralen Bereichen der Stadt und sind ein wichtiger Garant dafür, dass weitere Infrastrukturen der öffentlichen Daseinsvorsorge (z. B. Amtsgericht, Arbeitsagentur, Finanzamt oder das städtische Krankenhaus) mindestens in zentraler Lage gesichert werden konnten. Mit den damit verbundenen Funktionen und Arbeitsplätzen wird eine bedeutend höhere Frequenz für den Einzelhandel erzeugt. Das neue INSEK 2030 nahm mit seinen strategischen Leitlinien eine wesentliche Kursänderung Richtung Stabilisierung bzw. leichtem Wachstum der Bevölkerung vor (seit 2004).

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Abbildung 9 Abgrenzung der Innenstadt Luckenwalde und Verzeichnung der Einzelhandelslage mit Frequenzpolen. Eigene Darstellung; Bildquelle: Google Earth.

Des Weiteren gibt es in der Stadtverwaltung ein Stadtmarketing, das in Zusammenarbeit mit den lokalen Händlern neben der Organisation von Events ebenfalls besondere wöchentlich wechselnde Angebote des Einzelhandels u. a. vermarktet. Darüber hinaus bindet die Stadtverwaltung bei Bauvorhaben die zivilgesellschaftlichen Akteure der Stadt mit ein, zum Beispiel in Form von Zukunftswerkstätten zur Umgestaltung des Boulevards. Auch zukünftig werden die Herausforderungen im Strukturwandel des Einzelhandels und den sich daraus ergebenen Auswirkungen auf die Einkaufslagen gesehen. Insbesondere die Bahnhofsstraße wird einen weiteren Trading-Down-Effekt zulasten der Handelsfunktion erfahren und bedarf neuer Ideen. Auch muss beobachtet werden, wie der innenstadtnahe Kaufland den weiteren innerstädtischen Einzelhandel beeinflusst, und ob bestehende großflächige Einzelhändler wie REWE ihr Angebot etablieren können. Des Weiteren sieht die Stadt eine große

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Herausforderung in der Wahrung ihres baukulturellen Erbes, da sich vor allem Filialisten mit ihren normierten Bauten nur bedingt in die städtebaulichen Rahmenbedingungen einfügen .

Abbildung 10

Instrumente, Strategien und zentrale Bauvorhaben (oben) der Luckenwalder Innenstadtentwicklung seit 1992 . (Eigene Darstellung)

Fazit und Ausblick zu den Fallstudien

Bei der Weiterentwicklung von Zentren und deren Nutzungsmischung wurden in den Fallstudienstädten mehrere Bausteine strategischen Handelns miteinander kombiniert und mit Hilfe unterschiedlicher Instrumente erfolgreich umgesetzt . Für beide Städte ergeben sich neue Herausforderungen . Als attraktive Kleinund Mittelstädte mit guter Anbindung an die stark wachsenden Großstädte Berlin und Potsdam sowie anderen Elementen für hohe Lebensqualität erfahren sie zunehmend (wieder) Zuspruch durch Zuziehende . Gleichzeitig nimmt die

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Bedeutung des ÖPNV zu (vgl. auch Beitzer 2018). In diesen Städten kommt den Bahnhofsstraßen nun wieder eine wachsende Bedeutung zu, die die Chance birgt, diese umzucodieren und aufzuwerten als erneute Eingangsbereiche in Innenstädte (Wohnen, Dienstleistung, spezieller Handel). Eine funktionale wie stadträumliche und gestalterische ­Auseinandersetzung muss hier dringend ­geführt werden („Bahnhofstraße 2.0“).

5 Fazit Der aktuelle Fachdiskurs, die Erkenntnisse der hiermit vorgestellten Befragung von Klein- und Mittelstädten und die Ergebnisse der Fallstudien verdeutlichen das Ausmaß des sich aktuell vollziehenden Prozesses der Ausdifferenzierung innerstädtischer Handelslagen und die ungleichen Ausgangslagen der Städte. Aus diesen Beobachtungen folgt der Schluss, dass eine Gleichzeitigkeit von Leid- oder Leitfunktion des Einzelhandels in innerstädtischen Lagen existiert. Somit wird es zukünftig Städte geben, in denen sich der Einzelhandel nach wie vor als Leitfunktion in den Innenstädten behaupten kann. Zugleich weisen die strukturellen Indikatoren darauf hin, dass der Einzelhandel für Klein- und Mittelstädte eine kontinuierlich abnehmende Bedeutung als Leitfunktion haben wird. Diese Städte stehen vor der Herausforderung, das tradierte Zusammenspiel von Einzelhandel und ergänzenden innerstädtischen Funktionen neu auszutarieren, bei gleichsam höchst unterschiedlicher Ressourcenverfügbarkeit und Ausgangslagen. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Herausbildung von Alleinstellungsmerkmalen und die Nutzung neuer konzeptioneller Ansätze, um sich innerhalb der verstärkten Konkurrenz zu anderen Kommunen und im Zuge des Strukturwandels behaupten zu können. Dazu gehören u. a.: • Fokussierte, an die jeweiligen Rahmenbedingungen angepasste Handelsentwicklung (z. B. durch Konzentration der Handelslagen, Ergänzung durch frequenzerzeugende Nutzungen etc.), • Ansiedlung bzw. Ausbau weiterer Nutzungen in der Innenstadt (vor allem im Bereich leerfallender Geschäftslagen), • Entwicklung eines an den jeweiligen Bedarfen ausgerichteten strategisch-konzeptionellen Instrumentensets zur Steuerung der (Innen)Stadtentwicklung. Städte wie Eberswalde und Luckenwalde zeigen, dass im aktiven Umgang mit den Herausforderungen die Chance besteht, auch stark vom Wandel betroffene Innenstädte weiterzuentwickeln.

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Zentrale Versorgungsbereiche – mehr als ein Funktionsraum? Zur Bedeutung öffentlicher Stadträume in Klein- und Mittelstädten Lisa Marie Knotz

Zusammenfassung

Zentrale Versorgungsbereiche – mehr als ein Funktionsraum? Diese Frage ist Grundlage des vorliegenden Beitrags, der sich mit der Rolle zentraler Versorgungsbereiche für unsere Stadt- und Ortszentren beschäftigt und hinterfragt, ob die Erfüllung der reinen Versorgungsfunktion für die zukünftige Funktionsfähigkeit ausreicht oder ob andere Qualitäten hinzukommen müssen. Aktualität erhält das Thema durch die teilweise prekäre Lage der Stadtund Ortskerne unserer Klein- und Mittelstädte. Diese kämpfen angesichts der Digitalisierung, des Bedeutungsgewinns des Online-Handels, weitreichender Suburbanisierungsprozesse, veränderten Konsumentenverhaltens sowie des zunehmenden Städtewettbewerbs gegen den drohenden Funktionsverlust. Gleichzeitig haben bereits viele Kommunen erkannt, dass für die Funktionsfähigkeit ihrer Stadt- und Ortszentren der Einzelhandel zwar nach wie vor das konstituierende Element ist, stadträumliche Qualitäten aber an Bedeutung gewinnen. Doch wie sieht ein erfolgreich gestalteter, öffentlicher Stadtraum aus? Und wie lassen sich stadträumliche Qualitäten in zentralen Versorgungsbereichen umsetzen? Der Beitrag beruht auf einer 2017 verfassten Masterarbeit, bei der aufgrund eines Projektkatalogs sowie vertiefender Fallstudien diverse Leitlinien und Erfolgsfaktoren für die Gestaltung und Umsetzung von öffentlichen Stadträumen in zentralen Versorgungsbereichen erarbeitet wurden. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3_10

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Lisa Marie Knotz

Hinführung zum Thema

Die Funktionsfähigkeit unserer Stadt- und Ortskerne ist derzeit sowohl Gegenstand der wissenschaftlichen als auch der planungspraktischen Debatte. Gerade in Klein- und Mittelstädten spitzt sich durch die vierte industrielle Revolution und die Zunahme des Online-Handels die Situation des Einzelhandels zu, da sich die Warenverfügbarkeit zusehends vom physischen Standort entkoppelt. Haben Kleinund Mittelstädte beim Kunden bislang durch die räumliche Nähe des Warenangebots gepunktet, können sie heute nicht mehr mit der Handelsausstattung des Online-Handels konkurrieren und kämpfen mit dem Bedeutungsverlust als Einkaufsstandort (Reink 2017, S. 5). Hinzu kommen weitreichende Suburbanisierungsprozesse, steigende Immobilienpreise sowie der zunehmende Städtewettbewerb. Diese Entwicklungen bleiben nicht ohne Folgen für das städtische Gefüge. Ladenleerstände, Verlust an Versorgungsstrukturen und Trading-Down-Tendenzen sind keine Ausnahmen mehr, sondern in vielen Stadtzentren und Ortskernen zu beobachten (BMVBS 2011, S. 18f.; Fahle et al. 2008, S. 57f.). Die Auswirkungen auf die Umgebungsqualität bleiben dabei nicht aus und führen häufig zur Herausbildung von sich selbst verstärkenden Prozessen und einer Abwärtsspirale für zentrale Einzelhandelslagen. Gleichzeitig ist klar: Eine starke Stadt braucht einen starken Kern. Doch von welchen Faktoren hängt dies ab? Seit jeher ist der Handel die prägende Funktion der Stadt- und Ortszentren (Uttke 2012, S. 334). Allerdings stellt sich die Frage, ob ein funktionierender Einzelhandel für die zukünftige Funktionsfähigkeit der Zentren ausreicht. Die Stadtzentren gewinnen als Lebensraum an Bedeutung und somit entstehen neue Anforderungen an die öffentlichen Stadträume und deren Gestaltung (Kuhn et al. 2012, S. 8f.). Vor diesem Hintergrund greift ein eindimensional auf die Handelsfunktion der Zentren ausgerichteter Ansatz zu kurz und wirft die Frage auf, ob Handel und qualitätsvoll gestaltete öffentliche Räume nicht gegenseitige Synergien entwickeln können und zusammen gedacht werden sollten. An dieser Diskrepanz setzt die These an: Den stadträumlichen Qualitäten und Gestaltwerten der öffentlichen Räume in zentralen Versorgungsbereichen wird häufig viel zu wenig Beachtung geschenkt; sie sind aber von enormer Bedeutung für die Funktionsfähigkeit dieser Zentren.

Zentrale Versorgungsbereiche – mehr als ein Funktionsraum?

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Zentrale Versorgungsbereiche

Die Erhaltung und Entwicklung starker Zentren, die ihre Versorgungsfunktion erfüllen können, sich jedoch nicht nur darüber definieren, ist erklärtes Ziel der aktuellen Stadtentwicklungspolitik und steht im Kontext der nachhaltigen Stadtentwicklung und der Leitbilder der Europäischen Stadt (Deutscher Städtetag 2016, S. 4). Das Bauplanungsrecht hält seit den Novellierungen des Baugesetzbuchs im Jahr 2007 mit der Möglichkeit zur Aufstellung von Bebauungsplänen zur Sicherung zentraler Versorgungsbereiche nach § 9 Abs. 2a BauGB und im Jahr 2013 zur Darstellung derartiger Bereiche im Flächennutzungsplan nach § 5 Abs. 1 Nr. 2d) BauGB ein Instrumentarium zur Sicherung der handelsbasierten Funktionsfähigkeit und zur Steuerung der Einzelhandelsentwicklung bereit. Als Raumkategorie sowie rechtliches Werkzeug können Kommunen je nach Stadt- bzw. Ortsgröße einen oder mehrere zentrale Versorgungsbereiche ausweisen. Der Fokus des Beitrags liegt auf den Hauptzentren, die i.d.R. den Innenstädten bzw. Ortskernen entsprechen. Entscheidend ist, dass es sich bei diesen Bereichen um eine Ansammlung von Einzelhandelsbetrieben, häufig ergänzt durch Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe, handelt. Grundvoraussetzungen sind des Weiteren eine städtebaulich integrierte Standortlage sowie die Erfüllung einer zentralen Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus (BVerwG 2007, 6–4 C 7.07). Die Schutzfunktion der zentralen Versorgungsbereiche ergibt sich aus verschiedenen Normen im Bauplanungsrecht. Zur Sicherung ihrer Funktionsfähigkeit kann außerhalb der zentralen Versorgungsbereiche die Ansiedlung von Betrieben mit zentrenrelevanten Sortimenten ausgeschlossen werden, wenn andernfalls schädliche Auswirkungen auf das städtische Gefüge zu erwarten sind (Reidt 2007, S. 2003).

Mehr als ein Funktionsraum?

Der zentrale Versorgungsbereich entstand in Zusammenhang mit der dynamischen Einzelhandelsentwicklung sowie dem Bedeutungsverlust der Stadt- und Ortszentren und fungiert als steuerndes und regulierendes Instrument. Die Bedeutung des Einzelhandels als konstituierendes Element ist unumstritten (Wachs 2007, S. 12). Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob die Erfüllung der Versorgungsfunktion für die zukünftige Funktionsfähigkeit eines zentralen Versorgungsbereichs ausreicht oder ob andere Qualitäten hinzukommen müssen. Vor dem Hintergrund der wachsenden Kommerzialisierung unserer Innenstädte und der Austauschbarkeit des Einzelhandelsangebots gewinnen städtebauliche Qualitäten an Bedeutung. Stadterlebnis wird zum Erfolgsrezept. Dazu braucht es attraktiv gestaltete öffent-

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liche Stadträume, die das Einzelhandelsangebot wechselseitig ergänzen und zum Aufenthalt einladen (BMVBS 2011, S. 19).

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Öffentliche Stadträume

Als stadt- bzw. ortsbildprägende Raumkategorie formen öffentliche Räume den Rahmen für die verschiedenen Nutzungsarten in zentralen Versorgungsbereichen und bleiben nicht ohne Einfluss auf deren Attraktivität. Mit dieser Bedeutung werden sie auch bei der Entwicklung von zentralen Versorgungsbereichen zum wesentlichen Handlungsfeld. Der Begriff ‚öffentliche Stadträume‘ kombiniert die beiden Begriffe ‚öffentlicher Raum‘ und ‚Stadtraum‘. Somit bekommt der Begriff eine funktionale sowie räumliche Komponente. Funktional sind mit dem Begriff ‚öffentlicher Raum‘, „die Flächen in unseren Städten und Siedlungen [gemeint], die öffentliche Funktionen übernehmen“ (Reicher 2014, S. 100); räumlich handelt es sich um „alle durch Bauten gebildeten Hohlräume in Siedlungsstrukturen“ (Reicher 2014, S. 100), kurz: den Stadtraum. Öffentliche Stadträume sind Teil eines Stadtraumnetzes und nehmen verschiedene Ausprägungen ein. Vereinfacht lassen sich die öffentlichen Stadträume in drei Haupttypen unterteilen. Die öffentlichen Plätze bzw. Stadtplätze, die Straßenräume und die städtischen Grünräume (BBSR 2015, S.  71). Letztere werden hier nicht detailliert behandelt. Öffentliche Stadträume fungieren u. a. als Repräsentationsraum und Aushängeschild der Städte, Bühne des öffentlichen Lebens, Transitkorridor, sozialer Treffpunkt und Erweiterung des individuellen Lebensraums (Berding & Pegels 2013, S. 8; Ebers 2014, S. 4). Sie stellen Möglichkeitsräume für die Stadtgesellschaft dar. Sie ermöglichen das Erleben von Öffentlichkeit sowie Urbanität und haben das Potenzial, zum Identifikationsraum für die Stadtbewohner selbst sowie zum Markenzeichen nach außen zu werden. Es sind die öffentlichen Räume, die als erstes mit einer Stadt in Verbindung gebracht werden. Qualitativ hochwertige öffentliche Stadträume prägen das Stadtbild, generieren Außenwirkung und erhöhen die Attraktivität einer Stadt (BBSR 2015, S. 33; Weiske 2014, S. 7). Somit bündelt der öffentliche Raum ästhetische, soziale, kulturelle und politische sowie ökologische und ökonomische Interessen sowie eine Vielzahl von Akteuren, die häufig auch gegensätzliche Nutzungsansprüche an die öffentlichen Stadträume in den zentralen Versorgungsbereichen stellen. Hier trifft öffentliches Leben auf Privatisierung und Kommerzialisierung, Außengastronomie auf den Wunsch eines nicht-kommerzialisierten Aufenthalts für jede Gesellschaftsschicht, Urbanität auf Ruhebedürfnis, Verkehrsbelastung auf Freiraumansprüche, Multi-

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funktionalität auf Überinstrumentierung. Demnach ist bezüglich der Funktion und Gestaltung öffentlicher Stadträume in zentralen Versorgungsbereichen eine Bandbreite an Faktoren zu beachten und gegeneinander abzuwägen: von ihrer Stellung im Stadtraumnetz bzw. ihrer Nutzungskonzeption bis zu den Gestaltungselementen auf Objektebene (z. B. Möblierung, Beleuchtung, Begrünung). Eine Standardlösung gibt es dafür nicht, vielmehr sind individuelle und an die spezifischen Gegebenheiten vor Ort angepasste Konzepte erfolgsversprechend (Berding & Pegels 2013, S. 9f.; Reicher 2014, S. 103; Daseking 2012, S. 154).

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Zentrale Versorgungsbereiche in der ­Planungspraxis

Ein Blick in die Planungspraxis zeigt, dass zentrale Versorgungsbereiche in der Regel im Rahmen von kommunalen Einzelhandels- und Zentrenkonzepten dargestellt werden. Bei der Aufstellung oder Aktualisierung dieser informellen Konzepte werden zentrale Versorgungsbereiche abgegrenzt und in eine Zentrenhierarchie gebracht. Vom Gemeinderat beschlossene Einzelhandelskonzepte sind nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB bei der Aufstellung von Bauleitplänen und damit insbesondere bei der Aufstellung von Bebauungsplänen zur Sicherung zentraler Versorgungsbereiche nach § 9 Abs. 2a BauGB zu berücksichtigen. Die Analyse bestehender Einzelhandelskonzepte zeigt, dass sie als Instrument der Einzelhandelssteuerung zwar wirksam sind, stadträumliche Qualitäten dabei jedoch eine geringe Rolle spielen. Inhalt und Form kommunaler Einzelhandelskonzepte sind weitgehend standardisiert. Die niedersächsischen Industrie- und Handelskammern (2014, S. 8) haben hierzu eine Handreichung erarbeitet und differenzieren nach Muss-, Soll- und Kann-Bausteinen. Für die Bedeutung öffentlicher Stadträume in zentralen Versorgungsbereichen sind insbesondere der Muss-Baustein ‚zentrale Versorgungsbereiche abgrenzen‘ sowie der Kann-Baustein ‚Stärken und Schwächen des Ortskerns ermitteln‘, welche in Abbildung 1 rot umrandet sind, von Bedeutung. Ihre Einordnung zeigt bereits, dass der Schwerpunkt eines Einzelhandelskonzepts auf der handelsorientierten Perspektive liegt, und stadträumliche Qualitäten in der Regel nur am Rande betrachtet werden. Zwar ist zur Abgrenzung der zentralen Versorgungsbereiche eine städtebauliche Bestandsanalyse notwendig, jedoch erfolgt nur in wenigen Fällen eine detailliertere Betrachtung der stadträumlichen Qualitäten und anschließend eine städtebauliche Konzeption. Dies kritisiert auch Stefan Kruse (2012, S. 237) an der gängigen Planungspraxis. Die Hauptbestandteile von Einzelhandelskonzepten stünden zwar scheinbar fest, jedoch existiere in Wirklichkeit ein breites Feld an

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Konzepten verschiedenster Inhalte und Qualität. Viele weisen demzufolge eine fundierte empirische Grundlage auf, jedoch mangele es häufig an der städtebaulichen Betrachtung im Analyseteil sowie in der konzeptionellen Phase.

Muss-Baustein

S oll-Baustein

K ann-Baustein

Bestand und Entwicklungspotenzial analysieren

Nahversorgungsund Sonderstandorte festlegen

Stärken und Schwächen des Ortskerns ermitteln

zentrale Versorgungsbereiche abgrenzen

Ansiedlungsleitsätze definieren

Kundenfrequenzen messen

ortsspezifische Sortimentsliste bestimmen

Festsetzungsempfehlungen erarbeiten

Befragungen durchführen

Abbildung 1 Inhaltliche Bausteine eines kommunalen Einzelhandelskonzepts (Quelle: eigene Darstellung nach: Die niedersächsischen Industrie- und Handelskammern 2014, S. 8)

Gleichzeitig entwickeln Kommunen zunehmend ein Bewusstsein für integrierte städtebauliche Entwicklungskonzepte. Während das Einzelhandelskonzept thematisch sektoral ist und die Einzelhandelsentwicklung analysiert und reguliert, ist das integrierte städtebauliche Entwicklungskonzept zwar räumlich sektoral, nutzt für dieses Gebiet jedoch einen integrierten Ansatz und betrachtet neben ökonomischen und städtebaulichen auch soziale, kulturelle und ökologische Handlungsfelder (BMUB 2016, S. 9). Räumlich sektoral beschreibt dabei die teilräumliche Betrachtung eines Stadtgebiets. Die beiden Konzepte haben demnach jeweils ihre Zielsetzung und Berechtigung. Künftig stellt sich die Frage, ob diese besser verknüpft und ihre Stärken kombiniert werden können.

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Vertiefende Fallstudien in Bürstadt, Lahr und Mindelheim AUSGANGSSITUATION UND R AHMENBEDINGUNGEN A USGANGSSITUATION

UND

Z IELSETZUNG

Wie und warum entstand die Idee für die Neugestaltung? Wie sah der Raum vorher aus? Welche Ziele wurden verfolgt?

I MPULSGEB ER

UND

(K OMMUNALE )

Wer oder was war Impulsgeber für die Umbaumaßnahme(n)? Wie sehen die Zuständigkeiten für den öffentlichen Raum aus?

Z USTÄNDIGK EITEN R AHMENGEB ENDE K ONZEPTE

Welche (städtebaulichen) Konzepte gibt es zu den Themenfeldern ‚öffentliche Stadträume‘ und ‚zentraler Versorgungsbereich‘?

UND

I NSTR UMENTE

Welche Bedeutung und Wirkung haben sie?

R AUMSTR ATEGIE

UND

GESAMTMAßNAHME

Wie sieht das dahinterstehende Gesamtkonzept aus?

W ÄHREND DER U MGESTALTUNG GESTALTUNG

UND

DESIGN

A K TEUR S - UND B ÜR GER B ETEILIGUNG

FINANZIER UNG

Welche Gestaltungsansätze und -elemente wurden genutzt?

Wie sah die Akteurs- bzw. Bürgerbeteiligung im Prozess aus? Welche Funktion bzw. Bedeutung hatte sie? Wie wurde das Projekt finanziert? Welche Rolle spielte die Städtebauförderung?

UND

S TÄDTEB AUFÖR DER UNG

I ST -Z USTAND UND R EFLEXION FUNK TION , N UTZUNG

UND

R AUMWIR K UNG

Welche Raum- bzw. Wechselwirkungen werden beobachtet?

H ER AUSFOR DER UNGEN S CHWIER IGK EITEN

E R FOLGSFAK TOR EN

Abbildung 2

Welche Funktion kommt dem öffentlichen Raum heute zu? Welche Nutzungen finden statt?

UND

Welche Herausforderungen und Schwierigkeiten gingen mit dem Projekt einher? Inwieweit wurde das ursprüngliche Konzept verwirklicht? Was waren die Erfolgsfaktoren beim Projekt? Welche Empfehlungen können anderen Kommunen mit auf den Weg gegeben werden?

Analyseraster der Expertengespräche (Quelle: eigene Darstellung)

Auch wenn die bestehenden Konzepte und Instrumente noch Entwicklungspotenzial zeigen, gibt es in der Planungspraxis bereits Beispiele, wie Kommunen durch Umgestaltungsmaßnahmen der öffentlichen Stadträume eine positive Entwicklung ihres zentralen Versorgungsbereichs erreicht haben . An diesem Punkt setzt der empirische Ansatz der hier zugrunde liegenden Masterarbeit (Knotz

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2017) an . Obwohl in der Theorie und den bisherigen Forschungen die gemeinsame Betrachtung der öffentlichen Stadträume und der zentralen Versorgungsbereiche kaum erfolgte, können aus der großen Bandbreite an umgesetzten Gestaltungsmaßnahmen in der Planungspraxis Erkenntnisse gewonnen werden . Quelle hierfür bilden die Datenbanken der Städtebauförderungsprogramme. Durch zuvor definierte Kriterien werden 36 gelungene Beispiele aus der Städtebaupraxis herausgefiltert und in einem Projektkatalog aufbereitet. Hieraus erfolgt die Auswahl der Fallstudienstädte Bürstadt (Hessen), Lahr (Baden-Württemberg) und Mindelheim (Bayern) . Expertengespräche und Vor-Ort-Besichtigungen liefern Erkenntnisse zu Hintergrund, Ziel, Vorgehen, Prozess sowie den Erfolgsfaktoren der Umgestaltungsmaßnahmen . Den Einzelauswertungen wird das in Abbildung 2 dargestellte Analyseraster zugrunde gelegt, welches sich in Struktur und Inhalt am Gesprächsleitfaden orientiert .

Stadt Bürstadt (Hessen)

Das Mittelzentrum Bürstadt mit rd . 16 .000 Einwohnern hat sich entlang der Hauptverkehrsstraßen entwickelt und verfügt über kein historisches Stadtzentrum . Die Hauptdurchfahrtsstraßen bilden zugleich den Hauptgeschäftsbereich, ein zentraler Stadtplatz war nicht vorhanden . Die Lage des Rathauses außerhalb des Hauptgeschäftsbereichs stellt eine zusätzliche Herausforderung dar .

Abbildung 3

Lage des Entwicklungsbereiches Neue Mitte in Bürstadt (eigene Darstellung)

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Ansatz der Umgestaltung war die Schaffung eines Marktplatzes durch Umwandlung einer bislang als Parkplatz mindergenutzten, zentral gelegenen Brachfläche sowie die Anlage einer Fußwegeverbindung zur Hauptgeschäftsstraße . Die Entwicklung funktionaler Zusammenhänge über die reine Neugestaltung hinaus unter der Bezeichnung ‚Neue Mitte‘ führte hier zum Erfolg . Der Umgestaltungsansatz sah die Reduzierung und Ordnung der Parkplätze und die Entwicklung eines Marktplatzes mit seitlich offener Markthalle und Fontänenfeld vor (siehe Abbildung 4) . Ergänzend wurde ein angrenzendes Gebäude zum Back- und Brauhaus umgenutzt und trägt nun zur Belebung des neuen Marktplatzes bei . Die Einrichtung einer lokalen Lenkungsgruppe bestehend aus Vertretern von Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Bürgerschaft, die den Prozess befürwortet und getragen hat, war ebenfalls elementar für die erfolgreiche Umsetzung . Als Erfolgsfaktoren sind in Bürstadt zudem die Bürgerbeteiligung sowie eine eigene Öffentlichkeitsarbeit zum Stadtumbau mit positiver und durchgängiger Kommunikation genannt worden . Ergänzend wurde ein Fassadenleitbild mit einem Anreizprogramm kombiniert, um die Ortsbildaufwertung durch Private zu unterstützen (C . Schwarzer, Expertengespräch, 6 . März 2017) .

Abbildung 4

Neue Mitte Bürstadt vor und nach der Umgestaltung (Quelle: Magistrat der Stadt Bürstadt o .J .; Schönecker o .J .)

Stadt Lahr (Baden-Württemberg)

Die Stadt Lahr (rd . 45 .000 Einwohner) verfügt über eine historische Innenstadt mit vielen Baudenkmälern . Um dem Bedeutungsverlust der Innenstadt zur Jahrtausendwende zu begegnen, wurde ein Platzfolgekonzept entwickelt . Auslöser war eine Klausur des Gemeinderats zur Erarbeitung eines Leitpapiers mit dem Fokus Innenstadt . Bislang minder- bzw . fehlgenutzte Plätze wurden verkehrsberuhigt oder sogar völlig vom motorisierten Verkehr befreit und zu urbanen und individu-

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ellen Plätzen mit Aufenthaltsqualität weiterentwickelt. In ihrer Gesamtheit ergibt sich nun eine enge Platzfolge entlang der Fußgängerzone .

Abbildung 5

Platzfolgekonzept entlang der Markstraße (eigene Darstellung)

Die Stadt Lahr sieht die Entwicklung von Aufenthaltsqualität als wichtigen Erfolgsfaktor . Zudem wird einer durchdachten Gestaltung große Bedeutung beigemessen . Die Wertigkeit und Durchgängigkeit der Gestaltungselemente, Detailgenauigkeit sowie eine konsistente Gestaltung, die Erinnerungseffekte auslöst, tragen weiterhin zum Erfolg bei (S . Löhr, Expertengespräch, 16 . Februar 2017) .

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Abbildung 6

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Urteilsplatz und Schloßplatz vor und nach der Umgestaltung (Quelle: Stadt Lahr 2009; eigene Aufnahme 2017)

Stadt Mindelheim (Bayern)

Die Stadt Mindelheim (rd . 15 .000 Einwohner) verfügt ebenfalls über eine historische Altstadt . Diese erstreckt sich allerdings entlang einer 400 m langen Hauptdurchfahrtsstraße . Jahrzehntelange Bemühungen, den Verkehr umzuleiten und zu reduzieren, konnten erst durch einen intensiven Bürgerbeteiligungsprozess im Jahr 2007, bei dem die Position des Stadtrats unterstützt wurde, durchgesetzt werden . Dieser Beteiligungsprozess ist schematisch dargestellt .

Abbildung 7

Ablauf des Bürgerbeteiligungsprozesses 2007 (eigene Darstellung nach Identität & Image Coaching AG 2007)

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Ein stadtverträglicher, nahezu niveaugleicher Straßenumbau und die Neuordnung der Parkflächen zum einseitigen Parken sowie die Befreiung des zentralen Stadtplatzes vom Kraftfahrzeugverkehr brachten neue Qualitäten in die Altstadt Mindelheims. Auch in Mindelheim spielte eine qualitätvolle Gestaltung unter Verwendung hochwertiger Materialien eine entscheidende Rolle . Hinzu kommen die Integration von Stadtgrün und Außengastronomie in den Straßenraum sowie der gezielte Einsatz indirekter Beleuchtung der Stadtkulisse bei Nacht . Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung in Mindelheim war zudem, die Städtebaufördermittel von Bund und Ländern gezielt einzusetzen (M . Egger & G . Frey, Expertengespräch, 21 . Februar 2017) .

Abbildung 8

Marienplatz und Maximilianstraße vor und nach dem Umbau (Quelle: Identität & Image Coaching AG 2007; Stadt Mindelheim 2017)

Die Heterogenität der stadtstrukturellen Ausgangssituationen in den Projektkommunen ist interessant für die vergleichende Betrachtung, bedingt außerdem die Varianz der durchgeführten Maßnahmen und ermöglicht die Ableitung einer Bandbreite an Leitlinien und Erfolgsfaktoren für die Umsetzung stadträumlicher Qualitäten in zentralen Versorgungsbereichen .

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Stadträumliche Potenziale zentraler ­Versorgungsbereiche

Die Kombination der theoretischen Grundlagen sowie der Erkenntnisse aus Projektkatalog und Fallstudien bildet die Basis für die Formulierung der folgenden Leitlinien zu den stadträumlichen Potenzialen zentraler Versorgungsbereiche. Sie sind bewusst als Leitlinien formuliert, die Potenziale und Möglichkeiten aufzeigen. Nicht alle Leitlinien treffen auf jeden zentralen Versorgungsbereich in der Realität zu. Deshalb sollen die Leitlinien nicht als anzustrebende Standards bzw. als Zielhorizont verstanden werden, sondern vielmehr als Appell an die Kommunen, eine erweiterte Perspektive einzunehmen, die Gestaltung ihrer öffentlichen Stadträume in zentralen Versorgungsbereichen zu hinterfragen und mithilfe dieser Ideenanstöße konstruktiv weiterzudenken.

15 stadträumliche Leitlinien Funktionierende und erfolgreich gestaltete öffentliche Stadträume in zen­ tralen Versorgungsbereichen … … wirken einladend und bieten Aufenthaltsqualität: Zentrale Versorgungsbereiche entwickeln nur dann Funktionen, die über die reine Versorgung hinausgehen, wenn die öffentlichen Stadträume einladend gestaltet sind und positive Empfindungen beim Betrachter hervorrufen. Entscheidend sind hierfür sowohl die stadtstrukturellen Rahmenbedingungen als auch die Gestaltungselemente selbst. Hauptverkehrsstraßen können beispielsweise durch Baumreihen abgeschirmt werden. Ein einheitlicher Bodenbelag, optisch ansprechende und gut erhaltende Fassaden sowie ein gepflegtes Stadtmobiliar schaffen ein zusammenhängendes Stadtbild und laden zum Verweilen ein. Neben der Qualität ist auch die Position des Stadtmobiliars von Bedeutung. Beachtet werden sollten dabei die Blickrichtung, eine kommunikative Anordnung sowie die klimatischen Verhältnisse (Exposition bzgl. Sonne, Schatten, Wind). … vermitteln Sicherheit und stellen die Bühne des gesellschaftlichen Lebens dar: Neben einem gepflegten Stadtraum und einer geordneten Verkehrsführung sind es vor allem die Menschen selbst, die ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Gleichzeitig ziehen Menschen wiederum andere Menschen an. So werden bereits belebte Räume umso lebendiger. Öffentliche Stadträume stellen eine Erweiterung

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des individuellen Lebensumfelds sowie einen Treffpunkt für das soziale Miteinander dar und ermöglichen der Stadtgesellschaft, Öffentlichkeit zu leben, sich Räume anzueignen und das urbane Leben zu inszenieren. Sie sind Möglichkeitsräume, in denen Öffentlichkeit und Urbanität erlebbar wird. … überzeugen zugleich mit Nutzungsoffenheit, Multifunktionalität und vielfältigen Nutzungsangeboten: Die Nutzung des öffentlichen Raums lässt sich nicht erzeugen oder erzwingen, vielmehr entwickelt sie sich. Die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen, ist der erste Schritt. Dabei kommt es nicht unbedingt auf außergewöhnliches und architektonisch anspruchsvolles Design an. Vielmehr muss das richtige Verhältnis an gezielten Nutzungsangeboten und gleichzeitiger Nutzungsoffenheit gefunden werden. Spezifische Angebote wie Sitz- oder Spielmöglichkeiten laden zum Verweilen ein, müssen jedoch so verwendet werden, dass der Raum zugleich die Möglichkeit für ungeplante Raumaneignungen bietet. Multifunktionalität und heterogene Nutzungen, die der Vielfalt an Nutzern gerecht werden, sind hier der Schlüssel zum Erfolg. Es sollte der Anspruch eines zentralen Versorgungsbereichs sein, seine Versorgungsfunktion zu erfüllen und zugleich öffentliche Räume zu bieten, die als Transit- bzw. Transportraum fungieren sowie als Treffpunkt mit der Chance für alternative Raumnutzungen. … bieten ein Alternativangebot neben dem Einkaufen: Das veränderte Einkaufs- und Freizeitverhalten verlangt den zentralen Versorgungsbereichen mehr ab als die reine Versorgungsfunktion. Stadterlebnis wird für die Kommunen zum zwingend. Dabei spielt hierzulande besonders in den Sommermonaten die Außengastronomie eine wichtige Rolle. Auch nicht-kommerzielle Aufenthaltsbereiche sind für eine nutzeroffene und gerechte Stadt von Bedeutung. Ebenso ergänzen kulturelle Veranstaltungen sowie verschiedene Unterhaltungsangebote das Freizeitangebot einer Stadt und nutzen die öffentlichen Räume als Veranstaltungsort. … sind als räumliche Einheit wahrnehmbar und erlebbar: Bei den Stadt- und Ortskernen handelt es sich in der Regel um gewachsene Strukturen, die jedoch nicht immer als räumliche Einheit wahrnehmbar sind. Städtebauliche und naturräumliche Zäsuren bzw. Barrieren wie stark befahrene Verkehrsachsen, Bahntrassen oder topographische Gegebenheiten können eine Trennwirkung entfalten. Deshalb fließen sie bereits bei der Abgrenzung zentraler Versorgungsbereiche als Kriterium mit ein. Hingegen fördern kurze Wege, kleinteilige Wegeverbindungen und offene Blickachsen die ganzheitliche Raumwahrnehmung. Unterstützend eingesetzt werden können auch wiederkehrende und wiedererkennbare Gestaltungselemente entsprechend eines Corporate Designs sowie ein verständliches und klar strukturiertes Fußwegeleitsystem. … sind barrierearm und bringen die verschiedenen Mobilitätsarten in Einklang: Vielerorts findet in den letzten Jahren eine Priorisierung des Fußgänger-

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und Radverkehrs in den zentral gelegenen öffentlichen Räumen statt. Häufig wird dieser Prozess von einer Verlagerung der Hauptverkehrsachsen begleitet. Ist dies nicht möglich, können neue Straßenraumkonzepte, die den Straßenraum als Begegnungszone verstehen und einen niveaugleichen Ausbau anstreben, die Lösung sein (z. B. Verkehrsberuhigung oder Shared Space). Durch Geschwindigkeitsreduzierung, Verringerung des Durchgangverkehrs bzw. die Neuordnung der Stellplätze und die Anlage breiterer Fußgängerbereiche können Aufenthaltsqualität und stadträumliche Qualitäten gewonnen werden. … schließen auch die Aufwertung und Neukonzeption des Straßenraums mit ein: Zur Neukonzeption oder qualitativen Aufwertung des Straßenraums stehen vielfältige Maßnahmen bereit. Die stellenweise Aufweitung des Straßenraums ermöglicht die Entwicklung von Platzsituationen. Zusammen mit breiteren Fußgängerbereichen wird der Straßenraum sicherer und neu erlebbar. Dazu tragen außerdem eine einheitliche Pflasterung mit gut begehbarer Oberfläche sowie die Integration von Stadtgrün bei. Angenehme Gehdistanzen und ein Fußgängerleitsystem, das sich in der Gestaltung der Stadträume widerspiegelt und zum Stadtkern führt, unterstützen die Herausstellung des zentralen Versorgungsbereichs als fußgängerfreundlicher Bereich. Geachtet werden sollte insbesondere im Hauptgeschäftsbereich darauf, dass Stadtmobiliar sowie die Aufsteller der angrenzenden Geschäfte keine Hindernisse darstellen. Auch Wegeunterbrechungen sollten vermieden werden, damit die neu definierten Qualitäten ihre Wirkung entfalten. … umfassen funktionale und gestalterische Elemente, die den Stadtraum beleben: In räumlicher Nähe zu Sitzgelegenheiten sind auch belebende Elemente vielversprechend. Besonders Wasserelemente zeigen eine aktivierende und belebende Wirkung. Dabei ist die Zugänglichkeit von entscheidender Bedeutung. Ist diese gegeben, dienen Wasserelemente Kindern als Spielmöglichkeit und Erwachsenen als angenehme optische und akustische Abwechslung. Pflege und Instandhaltung sowie der finanzielle Aufwand dürfen dabei nicht unterschätzt werden. Für neu entwickelte oder bislang mindergenutzte Plätze ist auch die Integration einer gastronomischen Nutzung zielführend. Für die langfristige Akzeptanz von belebenden Maßnahmen ist es entscheidend, die steigende Frequentierung mit den angrenzenden Wohnnutzungen und deren Ruhebedürfnis in Einklang zu bringen. … sind auch bei Nacht attraktiv und erlebbar: Zunehmend stellt der öffentliche Stadtraum auch in den Abendstunden die Bühne des gesellschaftlichen Lebens dar. In diesem Sinne erkennen Kommunen das Potenzial von Stadtkulissen bei Nacht und nutzen diese zur Imagebildung. Ein Beleuchtungskonzept kann insbesondere in den Abendstunden Atmosphären erzeugen und die öffentlichen Stadträume auch bei Dunkelheit erlebbar machen. Die Entwicklung eines Lichtleitbildes mit verschiedenen Beleuchtungsvarianten, entsprechend der Bedeutung

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und Funktion der verschiedenen Stadträume, stellt hierfür einen kreativen Ansatz dar. Eine weitere Option mit positivem Effekt ist das indirekte Beleuchten von stadtbildprägenden Fassaden. Als positiver Nebeneffekt zum gestiegenen Sicherheitsempfinden entwickeln sich so ganztätig stadträumliche Qualitäten. … kombinieren Platz- bzw. Raumqualitäten und Randnutzungen: Der öffentliche Raum und die umliegende Bebauung stehen in Wechselwirkung miteinander. Sowohl das Erscheinungsbild der angrenzenden Gebäude als auch die Randnutzungen beeinflussen Attraktivität und Nutzung des öffentlichen Raums. Randnutzungen mit Publikumsverkehr wie Arztpraxen oder die Stadtbücherei sowie mit Schaufensterzone oder in den öffentlichen Raum ausstrahlenden Nutzungen wie Außengastronomie wirken belebend. Gleichzeitig beeinflussen auch Konzeption und Gestaltung des öffentlichen Raums die Nutzung der Umgebungsbebauung. An gepflegten, einladend gestalteten oder verkehrsberuhigten Platzbereichen lassen sich hochwertigere Randnutzungen ansiedeln als an einer stark befahrenen Verkehrsachse. Demnach sollten der öffentliche Raum selbst sowie die angrenzenden Nutzungen zusammen gedacht und entwickelt werden. … werden von einem ausgeglichenen Branchenmix flankiert: Der Handel ist das konstituierende Element eines zentralen Versorgungsbereichs und wirkt als stadtraumbildendes Element. Insbesondere die Magnetbetriebe fungieren als Frequenzbringer und tragen zur Attraktivität des Einkaufsstandorts bei. Gleichzeitig ist ein Mix von namhaften Filialisten und kleinteiligen, inhabergeführten Einzelhändlern zielführend. Insbesondere letztere sind i.d.R. an einem positiven Stadtumfeld interessiert. Neben einem Mix der Betriebstypen sollte auch eine Vielfalt an Branchen und Sortimenten geboten sein. Die Ausweisung von zentralen Versorgungsbereichen sichert hier die Konzentration von zentrenrelevanten Sortimenten in ebendiesen und stärkt deren Angebotsvielfalt und Funktionsfähigkeit. … sind umgeben von Einzelhandelsbetrieben, die sich ins städtebauliche Umfeld einfügen: Als alltäglicher Bestandteil der Stadtstruktur sollten die Geschäftsflächen funktional und gestalterisch ins städtebauliche Umfeld integriert werden. Hierzu können Stadtverwaltung und Immobilieneigentümer gemeinsam flexible Lösungen für zeitgemäße Geschäftsräume erarbeiten. Finanzielle Anreize beispielsweise im Rahmen eines Städtebauförderprogramms helfen, um Immobilieneigentümer zur Sanierung ihrer Fassade zu bewegen. Zudem sollten städtische Gestaltungsziele und -leitlinien eindeutig und verbindlich geregelt und vorangetrieben werden. Zuletzt können auch die Einzelhändler selbst mit ihrer Ladenpräsentation zu einem positiven Erscheinungsbild beitragen. Präventive (z. B. Workshops zur Schaufenstergestaltung) sowie sanktionierende (z. B. Werbeanlagensatzung) Maßnahmen können unterstützend eingesetzt werden. Verständnis und Kompromissbereitschaft von Seiten der Verwaltung für die Belange und Anforderungen der

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Gewerbetreibenden sind dabei von Bedeutung für eine konstruktive Zusammenarbeit. … erhalten durch temporäre bzw. neuartige Nutzungen im Umfeld neue Impulse: Problematisch für einen funktionierenden zentralen Versorgungsbereich sind Leerstände. Eine kurzfristige, kommerzielle Wiedervermietung ist jedoch nicht immer möglich. Ein gewinnbringender Ansatz zur Überbrückung von Leerstandsphasen sind temporäre Zwischennutzungen. Dieser Ansatz bietet sich auch für mindergenutzte öffentliche Räume an. Hierdurch lassen sich neue Nutzungsarten unverbindlich und kostengünstig in der Praxis erproben und wichtige Erkenntnisse für die zukünftige Gestaltung des Ortes gewinnen. … sind die Grundlage für Selbstbewusstsein und ein positives Selbstimage einer Stadt: Vielerorts kann beobachtet werden, wie die Neugestaltung der öffentlichen Räume einen wichtigen Impuls zur Entwicklung eines neuen Selbstverständnisses liefert. Gerade für Kommunen ohne wahrnehmbares Stadtzentrum kann die Herausbildung eines öffentlich zugänglichen und nutzbaren Identifikationsraums z. B. eines Marktplatzes enorme Wirkung entfalten. Häufig geht dies mit der Verlagerung bzw. Errichtung von repräsentativen und identitätsstiftenden Gebäuden an zentralen Platzbereichen einher. In der Regel fungieren Verwaltung und Politik als treibende Kraft. Die Mitwirkung der Bürgerschaft ist entscheidend für die Herausbildung eines neuen Selbstverständnisses. … stärken Innenentwicklung und Urbanität: Öffentliche Stadträume mit Aufenthaltsqualität stärken die Lebensqualität in zentralen Versorgungsbereichen und machen diese als Wohnstandort wieder attraktiv. Urbanität wird wiederentdeckt und das gesellschaftliche Miteinander weiterentwickelt. Die Ideale der kompakten und durchmischten Stadt lösen die noch bestehenden Funktionstrennungen auf und bringen die vielfältigen Nutzungen (Einzelhandel und Gastronomie, Arbeiten, Wohnen, soziale und öffentliche Einrichtungen, Bildung, Kultur und Freizeit) einer Innenstadt zusammen. Ziel ist es, den zentralen Versorgungsbereich nicht mehr auf seine Versorgungsfunktion und das Einkaufen zu beschränken, sondern ein Bewusstsein für den zentralen Versorgungsbereich als multifunktionalen Stadtraum zu etablieren.

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Erfolgsfaktoren

Die stadträumlichen Potenziale von zentralen Versorgungsbereichen führen nicht von selbst zu einer entsprechenden städtebaulichen Entwicklung. Die im Folgenden dargestellten Erfolgsfaktoren zur Umsetzung stadträumlicher Qualitäten in zentralen Versorgungsbereichen beinhalten die entscheidenden Stellschrauben für die Entwicklung von attraktiven öffentlichen Stadträumen und geben Handlungshinweise für die erfolgreiche Umsetzung. Die Erfolgsfaktoren beschränken sich dabei nicht auf gestalterische Kriterien, sondern thematisieren auch prozessuale Abläufe. Materialität - Investitionen und Details lohnen sich Individualität - mit der Eindeutigkeit des Ortes überzeugen Voraussicht - Herstellung und Nutzungsphase zusammen denken Bürgerbeteiligung - ‚den Bürger mitnehmen‘ für Input und Akzeptanz S tädtebauförderung - Ermöglicher und helfende Hand Integrierte Konzeptionen - die S tadt ganzheitlich entwickeln Mutige S tadtplanung - auf Altbewährtes setzen und Neues wagen

Abbildung 9 Erfolgsfaktoren zur Umsetzung stadträumlicher Qualitäten (eigene Darstellung)

Erfolgsfaktor Materialität I Ein modernes und an die baulichen Gegebenheiten vor Ort angepasstes Stadtbild erzeugt ein angenehmes Raumerlebnis und lädt mit optischen Anreizen zum Verweilen ein. Die Verwendung von Naturmaterialien und Investitionen in hochwertiges Stadtmobiliar unterstützen das positive Erscheinungsbild. Treibende Kraft dabei ist die Stadtverwaltung, Planungs- und Architekturbüros können unterstützend eingesetzt werden. Kreative Ideen können im Rahmen eines Bürgerbeteiligungsprozesses erarbeitet werden. Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung ist die Bereitschaft der Gewerbetreibenden und Gastronomen, wobei Händler- und Straßengemeinschaften hilfreich sein können. Das Mobiliar sollte zurückhaltend und zeitlos, jedoch individuell gewählt werden, sodass ein Erinnerungs- und Wiedererkennungseffekt entwickelt wird. Hochwertige Materialen zahlen sich dabei trotz höherer Anfangsinvestitionen durch längere Haltbarkeit finanziell aus und sind Ausdruck einer nachhaltigen Stadtplanung auch im Detail. Für die Wahrnehmbarkeit der öffentlichen Stadträume

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als Einheit ist die Erarbeitung eines Corporate Designs grundlegend. Dieses sollte für den gesamten zentralen Versorgungsbereich und elementübergreifend (d. h. für Bänke, Abfalleimer, Laternen, Verkehrszeichen, Infotafeln, Fahrradständer etc.) entwickelt und auch für die Außengastronomiebereiche angewendet werden. Es kann gegebenenfalls in einem Gestaltungshandbuch oder einer -satzung festgeschrieben sein. Erfolgsfaktor Individualität I Die Betonung von ortsspezifischen Besonderheiten und die Herausstellung der weichen Standortfaktoren spielen im interkommunalen Städtewettbewerb eine immer größere Rolle. Individualität und die Entwicklung eindeutiger, unverwechselbarer Orte können zu einer positiven Wahrnehmung und einer emotionalen Verbundenheit führen. Sie sind die Grundlage für die Entstehung von Identität der Bevölkerung mit ihrer Stadt sowie für die Entwicklung von Erinnerungswerten bei den Besuchern. Die Herausbildung von Individualität sollte dabei als strategische Gesamtaufgabe unter Einbindung einer breiten Akteursbasis erfolgen. Hauptverantwortlich für die Initiierung und Durchführung des Profilierungsprozesses ist die Stadtverwaltung. Dabei können bauliche und gestalterische Maßnahmen, Vermarktungsstrategien und Veranstaltungen zum Einsatz kommen. Die Aktivierung und Integration der ortsansässigen Vereinigungen sowie die Einbindung der Bürger setzen wichtige Impulse und sorgen für spätere Akzeptanz. Fragen wie „Womit identifiziert sich die Bevölkerung?“ oder „Wofür steht die eigene Stadt?“ sollten im Dialog erörtert und aufbereitet werden. Für die öffentlichen Räume in zentralen Versorgungsbereichen bedeutet das die Ausbildung eines besonderen Stadtprofils oder auch kleinteiliger Straßenund Quartiersprofile, die Nutzung von lokalen gestalterischen Besonderheiten, der Einsatz optischer Reize für den Stadtbesucher oder die Definition neuer Freiraumqualitäten z. B. durch Verkehrsbefreiung. Auf diese Weise wird dem Stadtraum eine neue Wertschöpfung zugewiesen und dieser wieder erlebbar gemacht. Erfolgsfaktor Voraussicht I Die physische Herstellung (place-making) der öffentlichen Räume darf nicht als singulärer Prozess gesehen werden. Vielmehr muss die nachfolgende Nutzungsphase (place-keeping) von Anfang an mitgedacht werden. Zwar handelt es sich bei der Neugestaltung eines Stadtraums um einen einmaligen Prozess, jedoch darf der Raum nach Fertigstellung nicht aus dem Blickfeld der Stadtverwaltung verschwinden. Instandhaltungs- und Pflegeleistungen (Müllentsorgung, Pflege von Rabatten und Bäumen, Wartung von Sitzund Spielgelegenheiten, Beseitigung von Vandalismusschäden) und die Anpassung an neue Nutzerbedarfe sollten kontinuierlich erfolgen. Häufig folgt auf eine erste Nutzungsphase die Erkenntnis, dass bestimmte Elemente wenig funktional sind und Nachbesserungsbedarf besteht. Hierfür sollten personelle sowie finanzielle Ressourcen eingeplant werden. Für das place-keeping kann auch privates Enga-

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gement zum Einsatz kommen, beispielsweise indem Pflegeleistungen in Form von Beetpatenschaften übertragen werden. Hierbei übernehmen private Akteure oder Organisationen vor Ort die Pflege und Wässerung angelegter Beete oder Pflanzkübel. Erfolgsfaktor Bürgerbeteiligung I In den letzten Jahren haben sich vielfältige Beteiligungsformate entwickelt. Entscheidend ist die frühzeitige Einbindung der Betroffenen. Dies kann auf unterschiedlichen Ebenen und mit verschiedenen Zielgruppen erfolgen. Initiator eines Bürgerbeteiligungsprozesses ist i.d.R. die Stadtverwaltung, unterstützt durch Planungs- und Moderationsbüros. Eine durchgängige Information und Kommunikation und das Gefühl des Mitwirkens sind entscheidend für die spätere Akzeptanz und Identifikation mit dem neu entstandenen Stadtraum. Die Bürgerschaft sollte dabei als Experte und Nutzer des zu entwickelnden Stadtraums verstanden werden. Ihr Erfahrungswissen liefert wichtigen Input und verhindert im Idealfall spätere Nachbesserungen. Dasselbe gilt für die Gruppe der Gewerbetreibenden bzw. lokal ansässigen Einzelhändler. Eine durchgängige und positive Kommunikation verhindert Blockaden im Prozess. Wird die Entscheidung für die Maßnahme bereits im Rahmen des Bürgerbeteiligungsprozesses getroffen, gibt diese den politischen Entscheidungsgremien Rückendeckung und legitimiert deren Beschluss. Während der Umbaumaßnahme ermöglicht die Einrichtung eines Baustellen-Managements und -Marketings, frühzeitig emotionale Bezüge zum Ort herzustellen. Die Umbaufläche kann zwischenzeitlich für ‚Schönes‘ genutzt werden, z. B. in Form eines Baustellen-Cafés oder eines temporären City-Beach zu Bauruhezeiten. Ein Baustellen-Maskottchen kann zudem den Bauprozess begleiten und als Sprachrohr dienen. Erfolgsfaktor Städtebauförderung I Die Städtebauförderung von Bund und Ländern sollte intensiv von den Gemeinden genutzt werden. Vielerorts macht sie großräumige und ganzheitliche Umgestaltungsmaßnahmen erst möglich. Erfahrungsaustausch und finanzielle Unterstützung sind aufeinander abzustimmen. Die Stadtverwaltung tritt hier als treibende Kraft auf, recherchiert Fördermöglichkeiten, reicht Bewerbungen für Förderprogramme ein, macht die Fördermöglichkeiten in der Bürgerschaft bekannt, konzipiert und setzt Maßnahmen im öffentlichen Raum um. Die Städtebauförderung ist häufig der Schlüssel zur Aktivierung privater Akteure. Informationsveranstaltungen sowie eine für die Betriebe und Grundstückseigentümer kostenlose Sanierungsberatung können Investitionen in privates Eigentum aktivieren. Stadteigene Wettbewerbe, z. B. ein Fassadenwettbewerb, können die Investitionsbereitschaft zusätzlich ankurbeln und ggf. durch Städtebaufördermittel hinterlegt werden. Die privaten Bau- und Sanierungsmaßnahmen entfalten wiederum eine positive Wirkung auf den öffentlichen Stadtraum.

Zentrale Versorgungsbereiche – mehr als ein Funktionsraum?

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Erfolgsfaktor integrierte Konzeptionen I Das Einzelhandelskonzept als bewährtes Instrument sichert den Erhalt funktionierender Stadtzentren und lenkt die Einzelhandelsentwicklung in die städtebaulich gewünschten Bereiche. Der Trend der Lebensmittelmärkte, wieder verstärkt in Stadt- und Ortskernen vertreten zu sein, unterstützt diese Zielsetzung. Größte Herausforderung stellt dabei die städtebauliche Integration in den Bestand dar. Die rechtliche Schutzwirkung und Entwicklungspotenziale des Instruments des zentralen Versorgungsbereichs könnten künftig noch gezielter eingesetzt und auch in weiterführenden Konzepten genutzt werden. Grundsätzlich gilt es, die zahlreichen Einzelkonzeptionen, die v.a. in kleineren Kommunen durch die punktuelle Vergabe an Externe entstehen, besser zu strukturieren, bereits erarbeitete Erkenntnisse übergreifend zu nutzen und in einem strategischen Gesamtkonzept zusammenzuführen. Entscheidend für den Innovationsgehalt der erarbeiteten Konzepte ist nicht nur die ämterübergreifende Zusammenarbeit innerhalb der Stadtverwaltung, sondern auch die Beteiligung externer Planungsbüros. Erfolgsfaktor mutige Stadtplanung I Der Einsatz bewährter Instrumente und die Offenheit für neue Ansätze können die Entwicklung von qualitativ hochwertigen und besonderen Stadträumen ermöglichen und voranbringen. Eine begründete und realisierbare Planung, ein entschiedener Einsatz für Ideen und Konzepte sowie die Suche nach innovativen Lösungsansätzen stehen für eine mutige und zukunftsorientierte Stadtplanung. Dabei kommt es in den Stadtverwaltungen darauf an, personelle Kapazitäten richtig einzuschätzen und einzusetzen, für neue Formen der Zusammenarbeit offen zu sein und gleichzeitig klare Handlungsbefugnisse und -räume zu definieren sowie den Einsatz neuer Instrumente und Gestaltungansätze zu wagen, um besondere Elemente und unverwechselbare Stadträume herauszubilden. Erfahrungswissen, z. B. über die Bundestransferstellen der Städtebauförderung gewonnen, kann hier unterstützend eingesetzt werden.

8

Weiterer Forschungsbedarf und Ausblick

Gemeinsam bieten die erarbeiteten Leitlinien und Erfolgsfaktoren einen Orientierungsrahmen für die Entwicklung stadträumlicher Potenziale und die Umsetzung stadträumlicher Qualitäten in zentralen Versorgungsbereichen. Sie können entsprechend der spezifischen Situation vor Ort individuell und beliebig kombiniert werden. Adressat sind in erster Linie die Kommunalverwaltungen. Die Leitlinien und Erfolgsfaktoren können dabei helfen, die funktionale und gestalterische Komponente eines zentralen Versorgungsbereichs zu verknüpfen und hierdurch einen Mehrwert für die Kommune zu generieren.

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In der Masterarbeit wurden andere Zentrenkategorien (z. B. Stadtteilzentren bzw. Nebenzentren oder Grund- und Nahversorgungszentren), weitere Adressaten (z. B. Einzelhändler) oder der internationale Kontext nicht genauer betrachtet. Die Bedeutung der Städtebauförderungsprogramme wurde im Zuge der geführten Expertengespräche mehrfach betont. Umfassende Neuordnungsmaßnahmen sind in vielen Klein- und Mittelstädten erst durch flankierende Mittel aus der Städtebauförderung realisierbar. Hier beeinflusst die Ausrichtung der Programme nicht nur die Umsetzungsfähigkeit, sondern auch die jeweilige Umsetzungsvariante. Die Evaluierung bezüglich der Ausrichtung der Programme und deren Wirksamkeit für die Entwicklung öffentlicher Stadträume in zentralen Versorgungsbereichen bietet einen weiteren Forschungsansatz. Als Hauptfrage für die weitere Forschung steht jedoch die Praxistauglichkeit der Erfolgsfaktoren im Raum. Bei genauerer Betrachtung der prozessualen Abläufe in einer Kommunalverwaltung wird deutlich, dass zwischen einem Konzept und der Umsetzung in erster Linie die Kommunalpolitik steht, die wiederum die Akteurskonstellationen, die verschiedensten öffentlichen und privaten Interessenslagen am öffentlichen Raum und die lokalen Herausforderungen wiederspiegelt. Eine weiterführende Forschung sollte demnach an der Divergenz der idealtypischen Stadtraumentwicklung und den tatsächlichen Herausforderungen in den Kommunen vor Ort ansetzen und die Akteure, Prozesse und Strategien hinter einer erfolgreichen Entwicklung attraktiver öffentlicher Stadträume in zentralen Versorgungsbereichen betrachten. Denn es ist kein Einzelfall, dass die umfassende und Qualität versprechende Neugestaltung des Stadt- und Ortszentrums auf einen Aspekt wie z. B. das Parken reduziert und somit die weitere Entwicklung blockiert wird. Dabei zeigen die dargestellten Fallbeispiele, wie eine ganzheitliche Betrachtung des öffentlichen Stadtraumes – Funktion und Gestaltung zusammen – zu guten Ergebnissen führen kann. Die Umsetzungsprozesse gilt es weiter zu erforschen.

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Zentrale Versorgungsbereiche – mehr als ein Funktionsraum?

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Instrumente der Innenentwicklung in Kleinund Mittelstädten



Gemeinsam aktiv den Ort gestalten Aktivierung durch Beteiligung und Gemeinschaftssinn



Martina Dettweiler, Lena Spatz, Christoph Diepes und Hans ­Joachim Linke

Zusammenfassung

Anhand von drei Kommunen in Südhessen sollen im Forschungsprojekt AktVis durch das Zusammenwirken von Politik, Verwaltung und Wissenschaft sowie privaten und wirtschaftlichen Akteuren neue Methoden zur Aktvierung von Innenentwicklungspotenzialen erarbeitet werden. Dabei spielt die Sensibilisierung der Bürgerschaft für die Notwendigkeit und den Mehrwert einer Innenentwicklung vor Ort eine wichtige Rolle. Zudem wird ein Forschungsschwerpunkt auf den Gemeinschaftssinn der Bevölkerung und dessen Auswirkungen auf die Kooperation unter den Beteiligten gelegt. Kooperation ist hierbei ein entscheidendes Stichwort, da die Praxis zeigt, dass Innenentwicklung sich mit vielen unterschiedlichen Interessen auseinandersetzen muss. Dieser Beitrag versucht daher aufzuzeigen, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um eine erfolgsversprechende Bürgerbeteiligung im Rahmen der Innenentwicklung zu erreichen und einhergehend die Gemeinschaft vor Ort zu stärken. Eine gestärkte Innenentwicklung im Sinne von lebendigen Ortskernen und eine starke Gemeinschaft unter den Bewohner_Innen sind dabei als zwei wesentliche Bestandteile bei der Generierung von attraktiven Wohnorten zu verstehen.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3_11

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Warum Orte gemeinsam weiterentwickeln?

In den letzten Jahrzehnten lag der Schwerpunkt der Bautätigkeit in den bereits existierenden Siedlungsstrukturen, die kontinuierlich erneuert werden. Etwa drei Viertel der Bauleistungen fließen in den Bestand (Drost, 2018, S. 15; Sieverts, 2000, S. 101). Damit sind Stadterneuerung und Bestandsentwicklung Hauptbetätigungsfelder innerhalb der Kommunen. Die Bestandsentwicklung ist thematisch eng mit der Innenentwicklung verbunden. Es geht darum, den vor Ort herrschenden und zukünftigen Flächenbedarf innerhalb des Bestandes zu decken (Seimetz, 2008, S. 4). Durch den in § 1 Abs. 5 BauGB verankerten Vorrang der Innenentwicklung, sollen Freiflächen im Außenbereich vor der Inanspruchnahme geschützt werden. Neben dem quantitativen Aspekt einer baulichen Verdichtung des Siedlungsbestands werden des Weiteren qualitative Aspekte in den Mittelpunkt gestellt. Maßnahmen der Innenentwicklung bieten unter anderem die Möglichkeit zur Verbesserung sowie Stabilisierung des städtebaulichen Bestandes oder zur Steigerung des Freiraumangebots. (Bott und Siedentop 2013, S. 36; Elgendy et al. 2008, S. 13; Mathey et al. 2003, S. 75; Siedentop 2010, S. 236; Wilske 2007, S. 21) Diese qualitative Weiterentwicklung der bestehenden Strukturen beinhaltet ebenfalls die Entwicklungen der Ortskerne, die in den letzten Jahren eine stetige Veränderung erlebt haben: Einkaufs- und Wohnmöglichkeiten verlagerten sich immer stärker an die Ortsränder und in den Ortszentren sind strukturelle Probleme, wie Leerstände und Verfall zu beobachten. Diese und weitere Anlässe, wie die Anpassung der Gebäudestrukturen an aktuelle Ansprüche, führen zu der Einsicht, dass bestehende Orte weiterentwickelt werden müssen, um zukunftsfähig zu bleiben. (Kujacinski 2008, S. 97f.; Ruther-Mehlis 2012, S. 118) Trotz des breiten Konsens, angefangen bei der Wissenschaft bis hin zur kommunalen Praxis, hinsichtlich der nötigen Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und Fokussierung städtebaulicher Entwicklungen auf den Siedlungskörper, bestehen weiterhin Defizite in der faktischen Umsetzung. Diese stellt sich meist schwieriger dar als eine Außenentwicklung. Begründet liegt dies unter anderem an komplexen städtebaulichen Planungs- und Entscheidungsprozessen, bei denen verschiedene und viele Akteursinteressen sowie standortbezogene Rahmenbedingungen beachtet werden müssen. (Schenk et al. 2009, S. 17; Spannowsky 2011, S. 41) Vor allem die Frage der Stellung von Eigentümer_Innen im Prozess der Innenentwicklung hat aktuell eine Relevanz in der fachlichen Diskussion (Schmidt und Vollmer 2017). So besteht in der Stadtentwicklung, aufgrund des Artikels 14 im Grundgesetz, eine wechselseitige Abhängigkeit zwischen Privaten und der öffentlichen Hand. Diese gilt es kommunikativ zu gestalten, da die Mitwirkungsbereitschaft der privaten Akteure gleichzeitig eine zwingende Voraussetzung für

Gemeinsam aktiv den Ort gestalten

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die tatsächliche Umsetzung darstellt (Selle 2016, S. 11f.). Der Umbau bestehender Siedlungen erfordert somit die Berücksichtigung gegebener Eigentumsstrukturen und bedarf einer intensiven Einbindung der Immobilieneigentümer_Innen als zentrale Akteure der Stadtentwicklung (Vollmer 2015, S. 15), welche die Gestaltungsund Entscheidungsmacht über die Grundstücke besitzen. Deren Ansprache zur Aktivierung von Innenentwicklungspotenzialen ist ein sensibles Betätigungsfeld (Müller-Herbers und Molder 2008, S. 78). Insofern sind Prozesse und Instrumente nötig, die sowohl potenzielle Mehrwerte einer Flächenaktivierung hervorheben und nachvollziehbar kommunizieren, als auch ein Bewusstsein für die gesellschaftliche Verantwortung schaffen. Für eine erfolgreiche Nutzung dieser Flächen sind die Kommunikation mit den relevanten Akteuren sowie effiziente Organisations- und Verwaltungsstrukturen erforderlich. Denn eine maßgebliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Innenentwicklung ist die Akzeptanz und Mitwirkung von Politik, Bürger_Innen und insbesondere der Immobilieneigentümer_Innen. Da bei der Innenentwicklung die Veränderung einer gegebenen Situation erforderlich ist, können die Eigentümer_Innen nur durch sogenannte Bottom-Up-Beteiligungsprozesse erreicht werden, welche die Notwendigkeit des Handelns und erzielbare Mehrwerte verdeutlichen sowie die Eigentümer_Innen in den Entscheidungsprozess integrieren (Flade und Höffken 2012, S. 6). Wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche Einbindung von Immobilieneigentümer_Innen und weiteren Akteuren ist dabei ein Verständnis der Motive und Interessen dieser Akteure hinsichtlich deren Mitwirkungs- und Nichtmitwirkungsbereitschaft. Ein wichtiger Ansatz hierzu ist die Entwicklung eines lokalen Gemeinschaftssinnes unter den Akteuren, der durch die Erreichung eines gemeinsamen Ziels mit gemeinschaftlich getragenen Maßnahmen hervorgerufen werden kann und einhergehend die Handlungsbereitschaft der Akteure steigert (Long und Perkins 2003, S. 292). Der Gemeinschaftssinn (Sense of Community) bezeichnet hierbei den Geist der Zusammengehörigkeit, welcher das Gefühl beinhaltet, dass Zusammensein für alle in der Gemeinschaft einen Nutzen bringt. Dabei hängt der Gemeinschaftssinn sowohl mit bürgerschaftlichem Engagement, wie auch mit der Zufriedenheit der Bürger_Innen zusammen, wobei sich beide positiv beeinflussen (McMillan 1996, S. 315ff.; Shinn und Toohey 2003, S. 444; Pretty 1990, S. 61; Prezza et al. 2001, S. 30ff.). So kann eine aktive Beteiligung der Bürgerschaft zugleich deren Gemeinschaftssinn und somit den lokalen Zusammenhalt fördern. Der gesamte Ort muss, so die Annahme, für eine erfolgreiche Innenentwicklung (Ortsentwicklung) gemeinsam aktiv werden. Die Fragen, die in diesem Beitrag erläutert werden sollen, sind daher:

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• Kann durch Beteiligung und Sensibilisierung für das Thema Innenentwicklung ein aktives Handeln induziert werden? • Welche Einflüsse hat dabei der Gemeinschaftssinn? Zunächst wird Sensibilisierung und Beteiligung als Voraussetzung für eine Aktivierung näher betrachtet (s. Kap. 3) und der Gemeinschaftssinn theoretisch beleuchtet (s. Kap. 4). Anhand von drei Kommunen in Südhessen sollen diese beiden Ansätze weiter untersucht werden, um unter anderem Unterschiede zwischen Kommunen aufzudecken. Im Forschungsprojekt AktVis wird durch das Zusammenarbeiten der unterschiedlichsten Akteure aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft sowie Privaten die Aktivierung der Potenziale der Innenentwicklung untersucht. Das vom BMBF im Rahmen von ‚Kommunen innovativ‘ geförderte Projekt möchte übertragbare Strategien zur Entwicklung von Prozessen und Instrumenten zur Flächenaktivierung, zur Sensibilisierung und Aktivierung der Mitarbeit und des Engagements der Eigentümer_Innen sowie zur Entwicklung und Erprobung von praxisnahen Entscheidungshilfen entwickeln. Dabei arbeitet das Projekt zwei Jahre lang interdisziplinär zusammen: Die TU Darmstadt mit dem Fachgebiet Landmanagement sowie der Arbeitsgruppe Arbeits- und Ingenieurpsychologie, das Fraunhofer Institut für graphische Datenverarbeitung IGD und die drei Projektkommunen. Um sich dem Forschungsschwerpunkt zu nähern und Lösungsansätze zu identifizieren, die es erlauben sollen, eine Innenentwicklung voranzutreiben, wurde der Forschungsfokus bei AktVis auf drei ländlich geprägte Kommunen bzw. Ortsteile gelegt. Die drei Kommunen zeigen vergleichbare Rahmenbedingungen und Ausgangslagen, sodass die Untersuchungsräume verglichen werden können. Problemstellungen innerhalb der Orte sind eine alte Gebäudesubstanz, die Alterung der Bevölkerung, vorhandene sowie drohende Leerstände und Defizite in der Versorgungssituation. Aktuell ist eine Nachfrage nach Flächen noch vorhanden. Den Flächenreserven in den Flächennutzungsplänen stehen allerdings politische Beschlüsse zum Vorrang der Innenentwicklung gegenüber. Da die Kommunen in den Untersuchungsräumen kaum über eigene Flächen verfügen, bedarf es der Einbindung und Aktivierung der Bevölkerung, um die vorhandenen Potenziale für eine nachhaltige Entwicklung nutzen zu können. Als Multiplikator zur Verbreitung der Ansätze und als strategischer Partner begleitet zudem das Regionalmanagement des Kreises Darmstadt-Dieburg das Projekt. Ausgangspunkt für die Flächenaktivierung im Innenbereich bildet die Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung für das Thema Innenentwicklung. Neben der Beteiligung wird der Einsatz interaktiver Planungsinstrumente, einer 3D-Visualisierung zur Verbesserung von Kommunikation und Kooperation, untersucht (s. Abb. 1).

Gemeinsam aktiv den Ort gestalten

Abbildung 1

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Projektansätze bei der Aktivierung von Innenentwicklungspotenzialen (Quelle: Eigene Darstellung 2018)

Die Darstellung der unterschiedlichen Erkenntnisse zur Aktivierung von Flächenpotenzialen in den drei Untersuchungsräumen (s . Kap . 5) sowie die Untersuchung des vorhandenen Gemeinschaftssinnes (s . Kap . 6) sollen zu einem gemeinsamen Verständnis beitragen und das interdisziplinäre Wissen sowie die unterschiedlichen Sichtweisen der kommunalen Verwaltung, Politiker_Innen, Bürger_Innen und Immobilieneigentümer_Innen reflektieren. Dabei wird auf Befragungsergebnisse und Beobachtungen im Projektverlauf zurückgegriffen . Schlussendlich werden die gewonnenen Erkenntnisse in Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Aktivierung in Innenentwicklungsprozessen im Zusammenhang mit dem Gemeinschaftssinn übertragen .

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Sensibilisierung und Beteiligung als Voraussetzung zur Aktivierung

Wer Bürger_Innen zu einem aktiven Beitrag in der Innenentwicklung anregen möchte, kommt ohne umfassende Information, Beratung und Aushandlung nicht aus . Dazu ist eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit grundlegend, sodass die komplexen Planungsentscheidungen kommuniziert werden können und eine Abstimmung möglich ist . In der Beteiligungsforschung ist dabei anerkannt, dass eine frühzeitige und offene Bürgerbeteiligung die Akzeptanz von Planungsentscheidungen erhöhen kann . Daneben ist es hilfreich, wenn alle Seiten ein Interesse daran haben und die Beteiligungsaktivitäten unterstützen (kooperative Grundvorstellung) . (BMVI 2014, S . 15ff .; Klages und Vetter 2011, S . 238; Selle 2000, S . 171) „Akzeptanz kann allerdings nur erreicht werden, wenn die Betroffenen auch praktisch in die Lage versetzt werden, sich zu beteiligen . Dazu gehören neben einer angemessenen Information, ausreichenden (zeitlichen und finanziellen) Ressourcen und dem Zugeständnis „mitreden zu können“ auch das Verständnis der Sachverhalte“ (BMVI 2014, S . 18) . Um eine solche, erfolgreiche Aktivierung der Bürgerschaft zur Innenentwicklung betreiben zu können, bedarf es zunächst einer intensiven Sensibilisierung sowie Beteiligung der relevanten Akteure . So müssen

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Eigentümer_Innen für Themen der Innenentwicklung sensibilisiert und schließlich aktiv an dem Planungsprozess beteiligt werden. Ein Patentrezept zur erfolgreichen Aktivierung über Sensibilisierung und Beteiligung gibt es hierbei nicht. Dies liegt insbesondere in der jeweiligen tatsächlichen Situation in den Kommunen mit all ihren Rahmenbedingungen. Trotzdem können mehrere Faktoren und Ansätze herangezogen werden, die berücksichtigt werden sollten. Eine der grundlegenden Handlungen zur gelungenen Sensibilisierung der betroffenen Bürgerschaft ist ein adäquater Informationsfluss. Hierzu zählt neben der allgemeinen Information zu Mehrwerten der Innenentwicklung, auch die Bereitstellung an Informationen rund um die angestrebten Ziele, die involvierten Auftraggeber_Innen und den jeweiligen Stand des Prozesses. Es ist wichtig, dass die Ziele, die Grenzen und der Ablauf der Beteiligung d. h. die Handlungsspielräume frühzeitig und klar definiert und kommuniziert werden (Grundregeln der Beteiligung). Allen Beteiligten muss verständlich gemacht werden, welche Wirkungen die aktive Teilnahme beinhalten und wer welche Rolle sowie Zuständigkeit im Verfahren verkörpert (reale Einflussmöglichkeiten). Insbesondere die Politik muss ihre Rolle und ihren Standpunkt im Verfahren eindeutig artikulieren. Die Ernsthaftigkeit mit gegenseitiger Wertschätzung, die Kommunikation auf Augenhöhe sowie die Sicherstellung von Transparenz sind weitere Faktoren, welche für eine erfolgreiche Beteiligung bedacht werden sollten. Thematische Widersprüche und Zielkonflikte müssen ebenfalls angesprochen werden. Dies führt dazu, dass das Optimum eine win-win-Situation für alle Akteure zu generieren, nicht immer möglich ist und Kompensationsmöglichkeiten diskutiert werden sollten. Trotzdem muss versucht werden, die Partizipation so zu gestalten, dass ein Nutzen für alle Beteiligten entstehen könnte. Ein Motiv für die Beteiligung muss gegeben sein. (Mauch 2014, S. 119ff.; Nanz und Fritsche 2012, S. 32ff., 130f.; Selle 2014, S. 387, 414ff.; Wermker 2008, S. 536ff.) „Kommunikationsangebote dürfen also keine Leerformel, kein Selbstzweck sein – sonst laufen sie sich schnell tot. Und der Nutzen des Engagements muss – in nicht zu ferner Zukunft – sichtbar sein. Sonst erlahmt das Interesse“ (Selle 2000, S. 167). Am Ende eines Beteiligungsangebotes ist die Aufarbeitung der gewonnenen Erkenntnisse und Meinungen relevant. Die Teilnehmenden müssen eine verlässliche Rückmeldung über die Verarbeitung und weitere Berücksichtigung erhalten. Dafür ist die Veröffentlichung der Ergebnisse und die Weitergabe in zum Beispiel politische Gremien grundlegend. Der Entscheidungsprozess, auch die Nichtberücksichtigung von Anregungen, muss transparent und eindeutig kommuniziert werden. Die Rückkopplung der Beteiligungsergebnisse an die breite Öffentlichkeit und der nachvollziehbare Umgang mit den Ergebnissen sind für deren Nachhaltigkeit und die örtliche Beteiligungskultur essentiell. (Mauch 2014, S. 119ff.;

Gemeinsam aktiv den Ort gestalten

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Nanz und Fritsche 2012, S. 130f.) „Die Herausforderung besteht [weiter …] darin, gerade diejenigen zum Mitmachen zu motivieren, die ansonsten in der Gemeindeentwicklung wenig sichtbar sind. Dazu gehören zum Beispiel Frauen. In Gemeinderäten im Norddeutschen sind noch immer – meist ältere – Männer deutlich überrepräsentiert. Gerade in größeren Veranstaltungen dominieren diese gern die Diskussion. Veranstaltungsformate mit kleineren Gesprächsrunden bieten die Chance, dass auch andere zu Wort kommen“ (Hawel und Quast 2014, S. 2). Darüber hinaus bieten Online-Partizipationsplattformen eine gute Möglichkeit diese Ungleichheiten zu minimieren. Durch internetgestützte Angebote kann eine schnelle und unmittelbare Meinungsäußerung ermöglicht werden, die nicht ortsund tageszeitabhängig ist. Gleichzeitig wird in solchen Diskussionsforen Menschen, denen in klassischen Präsenzveranstaltungen der Mut oder die Erfahrung zur Artikulierung von Redebeiträgen fehlen, die Chance gegeben sich aktiv zu beteiligen. Die Heterogenität sowie die Anzahl der Diskussionsteilnehmenden kann durch die Bereitstellung eines Onlineangebotes potenziell erhöht werden. Angemerkt werden muss allerdings in diesem Zuge, dass eine Online-Beteiligung, ebenfalls wie eine klassische Präsenzveranstaltung, eine Reihe von spezifischen Anforderungen, wie entsprechende technische Kompetenzen oder einen Internetzugang, mit sich bringt. (BBSR 2017, S. 15; Nanz und Fritsche 2012, S. 89f., 113f.) „Wie bei klassischen Beteiligungsangeboten schränkt auch in Online-Verfahren das jeweils partizipativ zu bearbeitende Thema den Kreis derjenigen Personen ein, die sich an Meinungsbildung und Entscheidungsfindung beteiligen: Sie müssen Interesse für das betreffende Thema und die im Verfahren zu formulierenden Empfehlungen und Entscheidungen aufbringen“ (Nanz und Fritsche 2012, S. 116). Die Erkenntnisse aus der Literatur sind ein wichtiger Beitrag für die Arbeit im Forschungsprojekt AktVis. Zum einen sind sie Grundlage für die Arbeit und zum anderen gilt es diese Erkenntnisse zu überprüfen und anzureichern. Insgesamt sind für die Aktvierung zur Umsetzung von Innenentwicklung zunächst eine Sensibilisierung sowie ein Beteiligungsangebot nötig. Aber nicht nur die Qualität des Beteiligungsangebotes, sondern auch der Gemeinschaftssinn ist ausschlaggebend für die Aktivierung der Bürger_Innen.

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Gemeinschaftssinn – Warum er so wichtig ist?

Ein wichtiger Ansatz bei der Aktivierung der Bürgerschaft stellt die Entwicklung eines Gemeinschaftssinnes bezüglich der Erreichung eines gemeinsamen Ziels mit gemeinschaftlich getragenen Maßnahmen dar (Nanz und Fritsche 2012, S. 10f). Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung (2014) sehen die Bürger_Innen sowie

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die Entscheidungsträger, „überwiegend gemeinwohlfördernde Effekte durch mehr Beteiligung. Aktive Bürgerbeteiligung generiert bessere Informationen, neue Ideen und fördert die Artikulation und Berücksichtigung unterschiedlicher Interessen als Grundlage politischer Entscheidungen“ (Bertelsmann Stiftung 2014, S. 27). Das Konstrukt des Gemeinschaftssinnes bezeichnet den Geist der Zusammengehörigkeit, welcher das Gefühl beinhaltet, dass Zusammensein für alle in der Gemeinschaft einen Nutzen bringt (McMillan 1996, S. 315ff). Dabei hängt der Gemeinschaftssinn sowohl mit bürgerschaftlichem Engagement (wie politischer Beteiligung) als auch mit der Zufriedenheit der Bürgerschaft zusammen, wobei sich diese Konstrukte positiv beeinflussen. Der lokale Gemeinschaftssinn kann demnach über die Zufriedenheit der Bürgerschaft sowie deren Engagement gestärkt werden. Zudem stärke der Erfolg einer Gemeinschaft deren Gemeinschaftsgefühl und Zusammenhalt (McMillan 1996, S. 315ff.; Shinn und Toohey 2003, S. 444; Pretty 1990, S. 61; Prezza et al. 2001, S. 30ff.). Bürgerbeteiligungsprozesse, die unter anderem zur Attraktivitätssteigerung des Wohnumfeldes beitragen sollen, können als gutes Mittel zur Generierung bzw. Steigerung eines lokalen Gemeinschaftssinnes angesehen werden. Diese haben nicht nur zum Ziel, die Zufriedenheit der Bürgerschaft mit dem Wohnumfeld zu steigern, sondern sie fördern zugleich das Engagement der Beteiligten, die laut Gensicke und Geiss (2010) oftmals aufgrund des Wunsches etwas zum Gemeinwesen beizutragen, an Beteiligungsprozessen teilnehmen. So schreiben die Autoren, dass Bürger_Innen „mit ihrem Engagement im Rahmen der Zivilgesellschaft […] etwas zum Gemeinwesen beitragen [wollen]. Dieses Kernkriterium der Zivilgesellschaft schließt allerdings andere Motive, Zwecke und Wirkungen nicht aus“ (Gensicke und Geiss 2010, S. 12). Dabei könnte die Beteiligung und aktive Mitwirkung der Bürgerschaft für diese einerseits bereits als Erfolg gewertet werden und dadurch den Zusammenhalt der Gemeinschaft befördern sowie andererseits könnte das Engagement den Gemeinschaftssinn auch erstmals hervorrufen und stärken. Ebenso durch die Beteiligung von Politiker_Innen sowie deren Bereitschaft, Ideen und Anmerkungen der Bürgerschaft mit in Entscheidungen einzubeziehen, kann ein Gemeinschaftssinn zwischen allen Akteuren zustande kommen bzw. weiter gestärkt werden. Zudem sei laut Gensicke und Geiss (2010) jener Umstand von Bedeutung, „dass freiwilliges Engagement zumeist nicht als entbehrungsreiche und pflichtgemäße Tätigkeit empfunden wird, sondern als Aktivitätsform, die einen hohen Ertrag an Wohlbefinden gewährt. Die gemeinwohlbezogene Tätigkeit macht den Engagierten Freude, und gerade das ist ihnen wichtig“ (Gensicke und Geiss 2010, S. 116). Laut der Autoren Long und Perkins (2003) sind es insbesondere die Konstrukte des Engagements und Gemeinschaftssinnes, welche sich gegenseitig be-

Gemeinsam aktiv den Ort gestalten

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einflussen. Ihre Annahme lautet dabei, dass auf Ebene der Individuen ein hoher Gemeinschaftssinn zu mehr Engagement führe und umgekehrt auf Ebene der Gemeinschaft, deren Handlungsbereitschaft zu einem erhöhten Gemeinschaftssinn. Dieser Annahme folgend, könnte ein hoher Gemeinschaftssinn der einzelnen Bürger_Innen die Bereitschaft zur Teilnahme an Bürgerbeteiligungsprozessen zur Innenentwicklung erhöhen und zugleich deren Beteiligung den Gemeinschaftssinn zusätzlich stärken. So schlussfolgern die Autoren diesbezüglich: „If such causal directions are true, it would imply that community interventions might work at strengthening [the sense of community] among those individuals not yet participating and at empowering the group to enhance cohesion” (Long und Perkins 2003, S. 292). Hierdurch könnten Bürgerbeteiligungsprozesse nicht nur ein Indikator für den Status Quo des Gemeinschaftssinnes sein, betrachtet man die Teilnahme sowie Zusammenarbeit der Beteiligten, sondern zudem als Faktor zur Steigerung des lokalen Gemeinschaftssinnes angesehen werden. Um einen etwaigen Zusammenhang zwischen Beteiligung der Bevölkerung und deren Gemeinschaftssinn zu erfassen, soll der Gemeinschaftssinn mittels des Brief Sense of Community Index, kurz BSCI, (Long und Perkins 2003), erhoben werden. Dieser beruht auf der Grundlage des Sense of Community Index, kurz SCI, der durch Perkins et al. (1990) geprägt wurde. Für beide Erhebungsmethoden liegen Forschungsergebnisse vor. Hierbei wurde der SCI bereits in deutscher Sprache angewandt (Sommerfeld 2013) und stellt die gängigere Praxis der Gemeinschaftssinn-Messung dar. Er besteht aus zwölf Items, welche sich in vier Faktoren aufteilen und Fragen zu Mitgliedschaft, Einfluss, Einbezug und Erfüllung von Bedürfnissen sowie geteilter emotionaler Verbindungen stellt (Perkins et al. 1990). Dem gegenüber sei der BSCI laut Long und Perkins (2003) methodisch gesicherter. Da dieser zudem eine geringere Anwendungsquote aufweist als der SCI und damit auch einen neueren Ansatz der Berechnung des Gemeinschaftssinnes darstellt, wurde sich im Weiteren auf den BSCI gestützt. Dieser basiert auf einer gekürzten Version des SCI und besteht aus acht Items, die in drei Faktoren aufgeteilt werden. So umfasst der BSCI Fragen zu sozialen Verbindungen, gemeinsamen Anliegen sowie gemeinsamen Werten der Befragten (Long und Perkins 2003, S. 285). Um sowohl die Variabilität als auch die Sensitivität der Messungen zu erhöhen, schlagen die Autoren Long und Perkins vor, den BSCI mittels einer 5-stufigen Likert-Skala zu erfassen (Long und Perkins 2003, S. 292). Daher wurde der entsprechende Fragebogen an die Bürger_Innen der drei teilnehmenden Kommunen entsprechend mit einer solchen Skala verfasst.

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Beteiligungs- und Aktivierungsprozess in AktVis

Um den aktuellen Problemen und Herausforderungen vor Ort zu begegnen, setzt das Projekt AktVis auf einen dreistufigen Beteiligungs- und Aktivierungsprozess. Dieser beginnt auf Ebene des gesamten Ortsteils, fokussiert sich schließlich auf einzelne Quartiere und geht anschließend über in eine projektbezogene Ebene, in der durch eine enge Zusammenarbeit mit den Eigentümer_Innen Konzepte für eine mögliche Entwicklung ihrer Grundstücke erarbeitet werden. Übergeordnetes Ziel im gesamten Beteiligungs- und Sensibilisierungsprozess ist stets die aktive Mitarbeit und Umsetzung von Innenentwicklung . Im Zentrum stehen die Sichtbarmachung der vorhandenen Flächenpotenziale und Entwicklungsmöglichkeiten sowie die dreidimensionale Ausarbeitung möglicher alternativer Nutzungen . Dabei geht es nicht vorrangig um einzelne Maßnahmen, sondern der Fokus liegt auf Quartieren, in denen durch Projekte Vorbilder geschaffen werden, die wiederum auf die gesamte Kommune ausstrahlen sollen. Abbildung 2 zeigt eine Übersicht dieses dreistufigen Vorgehens, das im Folgenden näher beschrieben wird.

Abbildung 2

Übersicht des Beteiligungs- und Aktivierungsprozesses in AktVis (Quelle: Eigene Darstellung 2018)

Vorbereitungsphase

Eine erfolgreiche Innenentwicklung, die als strategischer Ansatz in einer Kommune begriffen wird und über einzelne Maßnahmen hinausgeht, muss seinen

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Fokus auf die Eigentümer_Innen und Anwohner_Innen richten. Es ist zwingend erforderlich einen umfassenden Ansatz zu wählen, bei dem neben der Politik und Verwaltung eine frühzeitige und intensive Einbindung aller relevanten Akteure in der Bürgerschaft erfolgt. „Bei Bürgerbeteiligung geht es […] neben dem Beitrag zum politischen Meinungsbildungsprozess auch um das Empowerment der Teilnehmenden, um die Aktivierung von Engagement und eine Mobilisierung zu aktiver politischer Partizipation“ (Nanz und Fritsche 2012, S. 31). Besonders ortskundige Bürger_Innen können in diesem Prozess relevante Informationsquelle und -verteiler sowie Prozessgestalter sein, die großes Potenzial für die Optimierung der Umsetzung haben (BMVI 2014, S. 79; Schmettow 2014, S. 2f.). Neben einer Erhebung von Innenentwicklungspotenzialen stand daher die Bewusstseinsbildung vor Ort im Fokus. Für einen angepassten Beteiligungs- und Aktivierungsprozess der jeweiligen Bürgerschaft, führte das Projekt zunächst eine Akteursanalyse durch. Mithilfe dieser Analyse sollten die relevanten Schlüsselakteure in den drei teilnehmenden Kommunen identifiziert und zugleich das Projekt AktVis bekannter werden. „Schlüsselakteure üben beispielsweise einen wesentlichen Einfluss auf die Beteiligung anderer Akteure aus, sie strukturieren die Beteiligung im Spannungsfeld zwischen Einbezug und Ausschluss. In der Regel sind Schlüsselakteure stark vernetzt, das heißt: sie verfügen über eine Vielzahl von institutionell geregelten und informellen Beziehungen zu anderen Akteuren. […] Sie können dem Vorhaben entscheidende Impulse und Freiraum verschaffen, sie können es aber auch blockieren“ (Zimmermann 2006, S. 26). Um die Schlüsselakteure identifizieren zu können, wurde zunächst ein Fragebogen entwickelt, der sich an die lokale Politik und Verwaltung richtete. Einbezogen wurden neben den Bürgermeister_Innen auch Mitglieder des Magistrats, Ortsbeiräte, Gemeindevorstände, Gemeindevertreter_Innen, beziehungsweise Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung, sowie Mitarbeiter_Innen aus der Bauverwaltung. Es handelte sich hierbei um einen ausgewählten Personenkreis, durch dessen Unterstützung und Anregungen, ein erfolgreicher Start des Projekts garantiert werden sollte. Zuzüglich zu einer Erfassung der allgemeinen Einstellung gegenüber des Projekts und der Innenentwicklung im Allgemeinen, sollten auch Wünsche und Bedürfnisse für die Weiterentwicklung der jeweiligen Kommune erfasst werden. Diese Fragen zielten insbesondere darauf ab, die Befragten als Befürworter_Innen oder Kritiker_Innen des Projekts einzuordnen und erste wichtige Ideen für die anstehenden Beteiligungs-Workshops zu sammeln. Darüber hinaus sollten auch relevante Personen genannt werden, mit welchen sich der Befragte über Themen der Innenentwicklung austauschte. Mehrfach genannte Personen wurden anschließend, wenn nicht bereits geschehen, ebenfalls befragt

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und als Teilnehmer_In im weiteren Verlauf gewonnen. Aufgrund einer durchweg geringen Rücklaufquote in den drei Kommunen von nur knapp über 20 %, konnten die relevanten Schlüsselakteure größtenteils erst während der weiteren Projektarbeit identifiziert werden. Hierbei wurde erstmals deutlich, dass es die aktiven Mitglieder der Ortsbeiräte sind, die über ein großes Netzwerk in den Orten verfügen und deren Unterstützung maßgeblich für den Erfolg oder auch Misserfolg eines solchen Projektes angesehen werden sollte.

Stufe 1: Ortsteilebene

Der Beteiligungs- und Aktivierungsprozess erfolgte zunächst auf der gesamten Ortsteilebene. Hierbei sollten alle Bürger_Innen informiert und für Innenentwicklung sensibilisiert werden. Die besondere Relevanz eines aktiven Ortsbeirates als lokalen Multiplikator zeigte sich unter anderem bei der Aktivierung der Bürgerschaft sowie der Durchführung von Sensibilisierungsmaßnahmen im weiteren Verlauf. So wurde das Projekt intensiv bei den Vorbereitungen des gesamten Prozesses stets durch die ortkundigen Beiräte unterstützt. Im Falle vom Ortsteil C konnte eine solche Unterstützung aufgrund eines fehlenden Ortsbeirates leider nicht erfolgen, was auch in der eigentlichen Projektarbeit spürbar war. Unter anderem konnte mithilfe der bestehenden Ortsbeiräte eine Sprayaktion durchgeführt werden (s. Abb. 3). Für die zwei an der Aktion teilnehmenden Orte wurden hierfür verschiedene Schablonen vorbereitet, welche auf relevante Themen der Innenentwicklung und natürlich auf das Projekt aufmerksam machen sollten sowie zum Ziel hatten, die Bürger_Innen zum Nachdenken über diese Themen anzuregen. Schablonen wie ein Haus und eine Scheune sollten dabei mithilfe von Sprüchen, wie „Reicht das?“ und „Was Neues in der Scheune?“ darauf aufmerksam machen, dass im Bestand durchaus noch Platz für weitere Wohneinheiten besteht und auch eine alte Scheune noch Potenzial hat. Obwohl das Ganze gemischte Reaktionen hervorrief, wie die nachgefasste Fragebogenaktion aufdeckte, wurde dennoch über das Projekt gesprochen und manche Bürger_Innen konnten dadurch zum Nachdenken motiviert werden. Des Weiteren erzeugte diese kontroverse Aktion Gesprächsstoff für die Bürgerschaft, die sich auf den Straßen über die verschiedenen Symbole austauschten und dadurch ihr Zusammengehörigkeitsgefühl, als wichtigen Teil des Gemeinschaftssinnes, gegebenenfalls stärken konnten (McMillan 1996, S. 315).

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Abbildung 3 Sprayaktion und 1. Workshoprunde (Quelle: Eigene Aufnahme 2017 und 2018)

Die zu Beginn des Projekts durchgeführte Fragebogenaktion sollte die Bürger_Innen für die Themen der Innenentwicklung und das Projekt aktivieren und sensibilisieren. Sämtliche Haushalte der drei Untersuchungsräume erhielten daher einen solchen Bogen. Dieser enthielt Fragen zu den Wohn- und Lebensverhältnissen, Wünschen zur Weiterentwicklung des Ortes („Was fehlt im Ort?“), Erwartungen an das Projekt AktVis sowie dem jetzigen Stand des lokalen Gemeinschaftssinnes, wobei die Intention dahinter nicht genannt wurde. Die Ergebnisse wurden anschließend in Themenschwerpunkte für die ersten BeteiligungsWorkshops abgeleitet und aufgearbeitet. Die ersten Beteiligungsrunden erfolgten schließlich in den jeweiligen Kommunen selbst. In dieser Runde stand zunächst der gesamte Ort oder ein Ortsteil im Fokus und es wurden alle Bürger_Innen über Pressemitteilungen, den Fragebogen sowie die Sprayaktion eingeladen und informiert. Ziel der ersten Runde war es, neben Wünschen und Zielen für die Weiterentwicklung, die Potenziale und Mehrwerte der Innenentwicklung für das gesamte Plangebiet zu diskutieren und Quartiere zu identifizieren, die am meisten Potenzial zur Innenentwicklung haben bzw. den höchsten Handlungsdruck aufweisen. Gemeinsam wurde ein Workshop pro Untersuchungsraum mit fünf Arbeitsstationen abgehalten. Hierzu wurden ebenfalls die jeweiligen Bürgermeister_Innen und Verwaltungsmitarbeiter_Innen rund ums Thema Stadtentwicklung eingeladen.

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Die Thementische ergaben sich aus den Fragebogen-Ergebnissen sowie den Projektzielen. Abwechselnd wurde an fünf Stationen gearbeitet und über schöne und unschöne Plätze im Ort gesprochen, darüber wie man gerne wohnen würde, über die Verkehrssituation sowie Fehlendes im Ort (s. Abb. 3). Mithilfe eines in AktVis entwickelten webbasierten Geoinformationssystems (WebGIS) konnten die Bürger_Innen darüber hinaus ihren Ort virtuell kennenlernen. Diese Anwendung wurde bei den Veranstaltungen von AktVis auf einem MultitouchTisch genutzt, kann aber gleichzeitig auch von Zuhause aus verwendet werden. Die zentralen Ergebnisse wurden anschließend im WebGIS sowie auf der Projekthomepage veröffentlicht, sodass die Nachvollziehbarkeit für die Teilnehmenden und die breite Öffentlichkeit gewährleistet ist (s. Kap. 3). Räumliche Bereiche, die am häufigsten angesprochen wurden, sind schließlich als Quartier für die zweite Ebene der Beteiligung ausgewählt worden. Hiermit wird eine Verknüpfung von Vor-Ort-Beteiligung mit Online-Partizipation versucht (Hälker et al. 2017, 295; Difu 2009, 2–5). Denn „bisherige Erfahrungen [deuten] darauf hin, dass eine Kombination aus Präsenzveranstaltung(en) und Online-Phasen sich förderlich auf die Entstehung eines verbindlichen Diskussionszusammenhangs auswirken kann“ (Nanz und Fritsche 2012, S. 113).

Stufe 2: Quartiersebene

Die Ergebnisse der ersten Ebene der Beteiligung mündeten direkt in die Zweite. Die weiteren Erkenntnisse aus der ersten Beteiligung wurden zur Nachvollziehbarkeit und damit alle Anregungen verwertet werden, in Aufgabenlisten übertragen, welche von den Verwaltungen vor Ort weiterverfolgt werden. Daneben wurden die politischen Vertreter_Innen durch die Verwaltungen über die Ergebnisse informiert. Dies ist unter anderem wichtig für ein Gelingen von erfolgreicher Beteiligung. So wird laut Nanz und Fritsche (2012) eine transparente sowie enge Verknüpfung zu den entsprechenden Entscheidungsträgern als relevant angesehen. Die Autoren sagen hierzu: „Wenn die erarbeiteten Empfehlungen anerkannt und in weiteren Entscheidungsprozessen berücksichtigt werden, realisieren die an deliberativen Verfahren Beteiligten, dass ihr Engagement und ihre Bereitschaft, sich in oftmals mühevolle und langwierige halböffentliche Diskussionsprozesse einzulassen, nicht vergeblich sind und sie durch ihr »Voicing« nachhaltig Einfluss nehmen können“ (Nanz und Fritsche 2012, S. 131). Die Basis der Aktivierung in AktVis wurde in der ersten Ebene erarbeitet. Auf Quartiersebene erfolgte als nächster Schritt die intensive Einbindung der Immobilieneigentümer_Innen und Anwohner_Innen der zuvor identifizierten Quartiere, mit dem primären Ziel städtebauliche Rahmenbedingungen zu erarbeiten. Hierzu wurden alle Eigentümer_Innen von Immobilien im identifizierten Bereich

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persönlich zu einem weiteren Workshop eingeladen. Die Veranstaltungen waren allerdings auch für weitere Interessierte offen. Nach einem Quartiersrundgang (s. Abb. 4), bei dem über Potenziale des Quartiers – in Anlehnung an die Ergebnisse aus der ersten Beteiligungsrunde – gesprochen wurde, erfolgte die eigentliche Gruppenarbeit. Hierbei konnten die Bürger_Innen zwischen einer klassisch, analogen Arbeitsweise mit Stift, Papier und Gebäudemodellen und der virtuellen Variante in der WebGIS-Anwendung an einem Multitouch-Tisch wählen (s. Abb. 4). Die Bürger_Innen sollten in beiden Varianten überlegen, wie das Quartier weiterentwickelt werden könnte. Ziel bestand darin, konkrete bauliche Projektideen in den Quartieren zu generieren sowie die städtebaulichen Rahmenbedingungen für diese Weiterentwicklung festzuhalten.

Abbildung 4 Quartiersrundgang und Gruppenarbeit – klassisch und virtuell (Quelle: Eigene Aufnahme 2018)

Stufe 3: Projektebene

Die Beteiligung auf Projektebene umfasst schließlich die unterstützende Beratung bei konkreten baulichen Vorhaben, die in den vorherigen Ebenen identifiziert wurden. Hierunter fallen beispielsweise Baulückenschließungen, die Wiederbelebung von Leerständen sowie die Umnutzung von Nebengebäuden. Diese letzte Ebene der Beteiligung kann nur mithilfe einer intensiven Sensibilisierung und Aktivierung der Eigentümer_Innen im Voraus erfolgreich angegangen werden. Dafür

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wurden die Eigentümer_Innen erneut durch die Kommunen mittels direkter Ansprache oder eines weiteren Anschreibens kontaktiert und das Interesse abgefragt. Mit interessierten Bürger_Innen wurden und werden Einzelgespräche vereinbart um gemeinsam über mögliche bauliche Veränderungen und damit verbundenen Auflagen zu sprechen. In diesen Beratungsgesprächen, die durch einen vorbereiteten Leitfaden strukturiert werden, sollen die Immobilieneigentümer_Innen ihre Ideen und Wünsche für eine mögliche bauliche Veränderung, möglichst konkretisieren. Ziel dieser Gespräche ist es gemeinsam mit Projektmitarbeiter_Innen sowie meist inklusive kommunalen Vertreter_Innen und je nach der Ausgangslage auch weiteren Akteuren, wie Vertreter_Innen der Dorfentwicklung oder des Denkmalschutzes, weitere Handlungsschritte im Prozess der baulichen Veränderung einzuleiten und die Eigentümer_Innen für den weiteren Verlauf adäquat vorzubereiten, wodurch etwaige Hemmschwellen überwunden werden sollen. Nach einem Rundgang auf dem Grundstück bzw. der Besichtigung der jeweiligen Gebäude, wird daher in gemütlicher Atmosphäre über die Wünsche und Bedürfnisse der Eigentümer_Innen gesprochen. Die Gespräche werden so vorbereitet, dass stets das Interesse der Eigentümer_Innen im Fokus steht und die Projektmitarbeiter_Innen lediglich als unterstützende und informierende Einheit zur Seite stehen. Dabei werden jedoch die Erkenntnisse aus den vorherigen Beteiligungsstufen weiter im Blick behalten. Da diese Stufe aktuell noch läuft, können Erkenntnisse daraus erst in ein paar Monaten generiert werden. Diese daraus resultierenden Ergebnisse werden im weiteren Projektverlauf mit der Erfassung des Gemeinschaftssinnes verglichen. Insgesamt kann jedoch bereits festgehalten werden, dass durch AktVis Projekte zur Stärkung der Innenentwicklung in den drei Kommunen identifizieren und initiieren werden konnten.

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Erfassung des Gemeinschaftssinnes in AktVis

Neben der Generierung von potentiellen baulichen Maßnahmen zur Umsetzung der Innenentwicklung, erhofft sich das Projekt zudem, durch die durchgeführten Beteiligungsverfahren, den lokalen Gemeinschaftssinn zu fördern oder diesen erstmals zu schaffen. Um die Auswirkungen von Beteiligungsverfahren auf den Gemeinschaftssinn der Bevölkerung zu untersuchen, wurden bereits zu Beginn des Projekts Fragebögen an sämtliche Haushalte der drei teilnehmenden Kommunen verteilt, in welchem unter anderem der Brief Sense of Community (BSCI) erfasst wurde. Mittels BSCI sollen Aussagen über den lokalen Gemeinschaftssinn der drei Kommunen getroffen werden. Da die Theorie hierzu besagt, dass auf Individual-

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ebene ein hoher Gemeinschaftssinn zu mehr Handlungsbereitschaft führt und auf kommunaler Ebene Handlungsbereitschaft zu einem stärkeren Gemeinschaftssinn (Long und Perkins 2003, S . 292), sollten durch den ermittelten Status Quo zu Beginn des Projekts, außerdem Rückschlüsse auf die Handlungsbereitschaft der Bürger_Innen im Kontext der Workshops gezogen werden . Ein hoher Gemeinschaftssinn, so die Annahme, führe schließlich zu einer hohen Teilnahmequote an den Beteiligungsangeboten und zugleich zu einer qualitativ hochwertigen Veranstaltung, indem sich der Gemeinschaftssinn der Teilnehmenden positiv auf deren Zusammenarbeit auswirkt . Zum Ende des Projekts wird der BSCI erneut erfasst . Hierdurch soll geprüft werden, ob der Beteiligungsprozess und die einhergehenden Aktionen zur Sensibilisierung und Aktivierung der Bürgerschaft, den Gemeinschaftssinn in den Kommunen stärken konnten . Demnach soll untersucht werden, ob Handlungsbereitschaft der Bürger_Innen zu einem stärkeren Gemeinschaftssinn führen kann, so wie es Long und Perkins (2003) postulierten . Dadurch könnte die Relevanz von Bürgerbeteiligungsprozessen sowie deren positiver Einfluss auf die vor Ort lebende Gemeinschaft hervorgehoben werden. Um zunächst den aktuellen Stand des BSCI zu erfassen, wurden die entsprechenden acht Items des BSCI ohne Erwähnung deren Intention, in den Fragebogen integriert . Hierbei konnte für alle Ortsteile insgesamt ein Durchschnittswert von 2,50 erzielt werden, was einem mittelmäßigen BSCI entspricht, wobei ein Wert von 1,00 einem sehr hohen BSCI und ein Wert von 5,00 einem sehr schlechten BSCI entspräche – Werte, die sich durch die Verwendung der 5-stufigen Likert-Skala ergeben . Betrachtet man die ermittelten Werte genauer, so können Unterschiede bei den einzelnen Ortsteilen erkannt werden, die sich ebenso im Beteiligungsprozess selbst widerspiegelten . Tabelle 1 Brief Sense of Community in AktVis (Quelle: Eigene Darstellung 2018)

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Die Ortsteile A und B wiesen im Status Quo jeweils einen leicht überdurchschnittlichen Gemeinschaftssinn-Wert auf. Begründet werden könnte dies in der Tatsache, dass es sich in beiden Fällen um geschlossene Ortsteile mit je aktiven und zugleich sehr engagierten Ortsbeiräten handelt. Die besagten Ortsteile verfügen über eine gefestigtere Gemeinschaft, was auch in deren weiteren Angaben im Fragebogen deutlich wurde. So tätigten Bürger_Innen der Kommunen A und B im Fragebogen eine vergleichsweise hohe Zustimmung mit der Aussage, dass sich die Menschen im Ort bei Problemen gegenseitig helfen würden. Obwohl die Befragten hier durchschnittlich je knapp über 20 Jahre im Ort leben (die Befragten aus C lebten im Durchschnitt bereits über 30 Jahre dort, weisen allerdings auch ein knapp fünf Jahre höheres Durchschnittsalter auf), konnte hier eine stärkere Gemeinschaft erkannt werden. Zudem konnten die leicht überdurchschnittlichen BSCI-Werte für A und B während der Beteiligungs-Workshops erfasst werden. So zeigte sich in den Workshops, dass qualitätsvollere Ergebnisse gewonnen wurden und darüber hinaus die Zusammenarbeit unter den Teilnehmenden harmonischer verlief. Des Weiteren sprachen die teilnehmenden Bürger_Innen aus A sowie B viel über die Entwicklung des gesamten Ortes und nicht vorrangig über individuelle Anliegen, wie im Falle der Kommune C. Der Fokus auf die Veränderung und Stärkung des gesamten Ortes kann als weiteres Indiz für einen starken Zusammenhalt und somit einen erhöhten Gemeinschaftssinn in den beiden Orten angesehen werden. Die Bürger_Innen der Orte A und B zeigten hier zudem tatsächlich mehr Handlungsbereitschaft, wodurch die Workshops produktiver waren und reibungsloser verliefen. Darüber hinaus konnten für den Ortsteil A, die Ortschaft mit dem höchsten Gemeinschaftssinn-Wert, erste im Workshop entwickelte Ideen direkt umgesetzt werden. So wurde der Vorschlag einen Hofflohmarkt zu veranstalten, der nicht nur den Ort, sondern auch dessen ortsbildprägende Gebäudestrukturen zeigen sollte, schon kurze Zeit nach dem Workshop umgesetzt. Des Weiteren wurde nach der ersten Veranstaltung eine Dorf-interne Kommunikationsplattform erstellt, die es den Bürger_Innen künftig ermöglichen soll, sich direkt über relevante Informationen auszutauschen. Dadurch könnte die Gemeinschaft weiter gestärkt werden. Eine Annahme, die durch die abschließende, für Ende 2018 geplante BSCI-Erfassung noch geprüft werden soll. Der unterdurchschnittliche Gemeinschaftssinn-Wert im Ortsteil C zeigte sich ebenfalls an der Qualität sowie der Umsetzung von ersten Ideen während der Workshops. Anders als die Ortsteile A und B, befindet sich der Untersuchungsraum C, ein alter Ortskern, innerhalb der Kommune und verfügt über keinen Ortsbeirat. Außerdem wird der Bereich durch eine Hauptverkehrsstraße mittig geteilt, was diesen zusätzlich optisch spaltet. Zudem wird der alte Ortskern nicht mehr

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als solcher wahrgenommen, weil sich die Einkaufsmöglichkeiten sowie die Treffpunkte aus diesem Bereich heraus verlagerten. Obwohl die Befragten der Fragebogenaktion angaben, dass sie bereits über 30 Jahre im Ort leben, würde man sich hier bei Problemen eher nicht gegenseitig helfen. Der geringere BSCI sowie diese Aussage, erwecken den Eindruck einer recht schwachen Gemeinschaft. Ebenso in den Beteiligungs-Workshops konnte dieser Eindruck weiter verfestigt werden. So zeigten sich die teilnehmenden Bürger_Innen zwar interessiert am Projekt und den hiermit einhergehenden Ideen, aber die Zusammenarbeit untereinander verlief deutlich unharmonischer als in den beiden Orten mit höherem BSCI. Obwohl die Untersuchungsräume B und C annähernd gleich viele Einwohner_Innen haben, kannten sich die Bürger_Innen aus dem Ort C untereinander weniger. Während der Workshops konnten keine Ideen generiert werden, die direkt umsetzbar waren. Die Unterschiede im lokalen Gemeinschaftssinn, wie sie der BSCI erfasste, konnte demnach qualitativ bestätigt werden. Es zeigte sich, dass die Rangfolge der drei Kommunen, bezüglich ihres Gemeinschaftssinnes, derjenigen Rangfolge im Hinblick auf Qualität und Handlungsbereitschaft während und nach der Beteiligung spiegelte. Diese gesteigerte Handlungsbereitschaft konnte ebenfalls in den Vorbereitungen auf die dritte Ebene der Beteiligung beobachtet werden. So konnten in dem Ortsteil mit höchstem Gemeinschaftssinn bis dato die meisten Beratungsgespräche für künftige bauliche Veränderungen generiert werden. Aussagen zum Zusammenhang zwischen Gemeinschaftssinn und diesen Gesprächen können bisher noch nicht gezogen werden, jedoch lässt sich hier bereits festhalten, dass die Aktivierung der Bürgerschaft – und dies auch im Hinblick auf konkrete Beratungsgespräche – durch einen hohen Gemeinschaftssinn erleichtert wird.

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Erfolgsfaktoren zur Aktivierung der Bürgerschaft

Im Laufe des Forschungsprojektes konnte festgestellt werden, dass eine adäquate Aktivierung der Bürgerschaft unabdingbar für einen erfolgreichen Beteiligungsprozess und damit schlussendlich einer Innenentwicklung ist. Hierbei spielen neben einem ausreichenden Informationsfluss, die eigentliche Vorgehensweise während der Präsenzveranstaltungen sowie der zugrundeliegende lokale Gemeinschaftssinn der Bevölkerung eine wichtige Rolle. Der strategische Ansatz in AktVis mit einem langsamen Herantasten an die Eigentümer_Innen und die Thematik der tatsächlichen Umsetzung von Innenentwicklung auf Basis einer Sensibilisierung, erscheint bis zu diesem Zeitpunkt als erfolgsversprechend. Dabei waren die Befragung und das Sammeln von Informationen sowie Meinungen der Bürger_Innen als lokale Experten wichtige Etappen und zugleich eine gute Vorbereitung für die

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durchgeführten Veranstaltungen. Daneben ist eine enge Zusammenarbeit mit Politik und Verwaltung sowie konsequente Berücksichtigung der Innenentwicklung ausschlaggebend für die aktive Umsetzung der Ideen und Projekte, die durch den Beteiligungsprozess generiert wurden. Der Einsatz der WebGIS-Anwendung als ergänzende Informations- und Kommunikationsplattform neben den Präsenzveranstaltungen hat viel Potenzial, wurde allerdings noch nicht in einem wünschenswerten Maße angenommen. Darin besteht immer noch Forschungsbedarf für die weitere Projektarbeit. Eine im Rahmen von AktVis ermittelte Erkenntnis ist zudem, dass die Aktivierung der Bürgerschaft und die damit verbundene Bereitschaft Präsenzveranstaltungen zu besuchen, maßgeblich durch gute Netzwerke in den Orten erleichtert wird. Bestehen vor Ort bereits starke Beziehungen unter den Bewohner_ Innen, kann dies – insofern die relevanten Schlüsselakteure erreicht werden – die Teilnahme an solchen Veranstaltungen erheblich verbessern. Im Falle von AktVis konnten hierdurch die Orte A und B, welche jeweils über aktive Ortsbeiräte verfügen, durch diese positiv bestärkt werden. So konnten die Ortsbeiräte als wichtige Multiplikatoren bei der Verbreitung relevanter Informationen dienen und zugleich das Projekt selbst mit wichtigen ortsinternen Informationen bereichern. Die Identifizierung der Ortsbeiräte als wichtigste Schlüsselakteure bei der Aktivierung der Bürgerschaft beeinflusste den Projekterfolg maßgeblich. Des Weiteren sind engagierte Akteure aus Politik und Verwaltung für eine nachhaltige Wirkung der Impulse relevant. Denn „um Partizipation zu stärken, muss die Beteiligung der Bürger/innen wirklich gewollt sein – von allen Akteuren. Bürgerbeteiligung braucht Motivation und Bereitschaft mit den jeweils anderen Akteuren zu kommunizieren, auch wenn es teilweise mühsam, zeitintensiv und vielleicht auch manchmal ärgerlich ist“ (Stock 2011, S. 20). Um diese notwendige Motivation zu erreichen sowie die Bereitschaft der Akteure untereinander in Austausch zu gelangen, bedarf es der kontinuierlichen Aktivierung all jener Akteure. Wie sich zeigte, können ein hoher lokaler Gemeinschaftssinn und ein stetiger Informationsfluss dies erleichtern. Daneben kann ebenso eine lockere und ungezwungene Atmosphäre der Präsenzveranstaltungen zu einer erhöhten Motivation der Bürger_Innen führen, am Prozess teilzunehmen. So seien es „anregende Informationen, interessante Gespräche in einem gut durchmischten Teilnehmerkreis an angenehmen Orten, lebendig moderiert und mit kurzweiligen Formaten [, welche] eine gute (Zusatz-)Motivation entstehen lassen. In Verbindung mit einer Aufgabe, die das Engagement wert ist und mit der Aussicht auf Wirkung der gemeinsamen Erörterungen, entsteht so eine gute Grundlage, am Prozess mitzuwirken“ (Selle 2014, S. 392).

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Zudem kann ein hoher lokaler Gemeinschaftssinn vor Ort als weiterer wichtiger Faktor im Hinblick auf eine Aktivierung der Bürgerschaft angesehen werden. Die Evaluierung des lokalen Gemeinschaftssinnes konnte bereits bestätigen, dass ein möglichst hoher Gemeinschaftssinn die Beteiligung erleichtert und zudem die Aktionsbereitschaft der Bürger_Innen erhöht. Außerdem ist zu erwarten, dass durch die aktive Einbindung der gesamten Bürgerschaft und die einhergehende Zusammenarbeit dieser während der Workshops, das Projekt den lokalen Gemeinschaftssinn noch weiter stärken konnte. Diese Annahme wird durch eine abschließende Bürgerbefragung derzeit noch untersucht. Allerdings kann bereits jetzt festgehalten werden, dass der Gemeinschaftssinn Auswirkungen auf die Aktvierung der Bürgerschaft hat und dessen Steigerung somit empfehlenswert ist. Dafür sollte die Gemeinschaft vor Ort durch Aktivitäten jedweder Art weiter gefördert und gestärkt werden. Dies ist besonders aufgrund des Zusammenhangs von Gemeinschaftssinn, Zufriedenheit und Engagement wichtig. Kann nun also durch die Beteiligung und Sensibilisierung der Bürgerschaft für das Thema der Innenentwicklung ein aktives Handeln dieser induziert werden und welchen Einfluss hat hierbei der lokale Gemeinschaftssinn? Erste Erkenntnisse aus dem Projekt AktVis scheinen ersteres zu bestätigen. So konnten durch die dreistufige Beteiligung sowie die einhergehende, intensive Öffentlichkeitsarbeit, nicht zuletzt auch unterstützt durch die Schlüsselakteure, bereits mehrere Beratungsgespräche vereinbart werden. Die Bereitschaft an diesen teilzunehmen, kann hierbei als Indiz dafür angesehen werden, dass das Projekt AktVis erfolgreich für die Relevanz der Innenentwicklung sensibilisiert und zudem die Bürgerschaft ausreichend am Prozess beteiligt hat. Darüber hinaus scheint es ebenfalls der jeweilige Status Quo des lokalen Gemeinschaftssinnes zu sein, der als relevanter Einfluss auf die Aktivierung betrachtet werden kann. Aufgrund der hohen Resonanz für Beratungsgespräche und die direkte Umsetzung einzelner Projekte in den Orten mit hohem BSCI, kann davon ausgegangen werden, dass dieser zumindest in gewissem Ausmaß die aktive Handlung der Bürgerschaft beeinflusst bzw. einen guten Nährboden dafür bietet. Für eine gelungene Innenentwicklung muss der gesamte Ort aktiv werden. Das Zusammenspiel aller Maßnahmen und Projekte ist dabei essentiell. Erst wenn jeder seinen Beitrag für den gesamten Wohnort leistet, kann daher von einer erfolgreichen Umsetzung gesprochen werden. Aber nicht nur die Einzelnen, sondern die Gemeinschaft erreicht wirklich etwas für ihren Ort. Die Summe der Aktivitäten und der Blick auf den gesamten Ort und seine Bewohner_Innen sind entscheidend. So zeigt sich, dass Innenentwicklung als Gemeinschaftsaufgabe betrachtet werden muss.

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Finanzielle Anreize für mehr Innenentwicklung Kommunale Strategien zur motivierenden ­Verhaltenslenkung privater Eigentümer von ­Wohnimmobilien Christin Swatek

Zusammenfassung

Kommunen übernehmen bei der Stärkung der Innenentwicklung eine Schlüsselrolle. Doch während sie eine Reduzierung der Flächenneuinanspruchnahme planerisch steuern können, sind sie beim Umgang mit dem Siedlungsbestand auf die Mitwirkung privater Eigentümer angewiesen, da sich eine Vielzahl von Gebäuden und Grundstücken in Privatbesitz befindet. Die Anwendung normativer Planungsinstrumente ist bei den vielseitigen Handlungsfeldern, wie beispielweise Nachverdichtungen, Aus- und Umbauten oder Leerstandsaktivierungen, sowie der Heterogenität der Eigentümerstruktur nicht immer zielführend oder gar möglich. Daher sind Strategien anzuwenden, die auf hemmende Aspekte eines Einzelnen angemessen reagieren und gleichzeitig die Bestandsentwicklung für private Eigentümer attraktiver gestalten. Eine Möglichkeit besteht im Gebrauch kommunaler finanzieller Anreize. Der Beitrag gibt einen Überblick zur Wirkungsweise und zum Umsetzungsspielraum dieses Instruments. Weiterhin werden kommunale Praxisbeispiele vorgestellt.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3_12

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Der Beitrag basiert auf einer im Rahmen des Studiengangs Stadt- und Regionalentwicklung an der Technischen Universität Kaiserslautern verfassten und von den Fachgebieten Stadtumbau + Ortserneuerung und Immobilienökonomie gemeinsam betreuten Master-Thesis und setzt sich mit finanziellen Anreizen und deren Anwendbarkeit im Stadterneuerungsprozess auseinander. Die Arbeit untersucht, inwieweit Kommunen durch den Einsatz kommunaler finanzieller Anreize die Mitwirkungs- und Investitionsbereitschaft privater Eigentümer von Wohnimmobilien zur Durchführung von Innenentwicklungsmaßnahmen ­a nregen können. Zur Beantwortung der Fragestellung erfolgen eine theoretische Auseinandersetzung zur Wirkungsweise des Instruments, eine Analyse bestehender finanzieller Anreizsysteme auf Bundes- und Länderebene hinsichtlich ihrer Eignung zur Stärkung der Innenentwicklung sowie eine umfassende Recherche zu deutschlandweiten kommunalen Praxisbeispielen. Drei Strategien werden als Fallstudie näher hinsichtlich ihrer bisherigen Wirksamkeit in der Planungspraxis ­untersucht.

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Zur Schwierigkeit der Einbeziehung privater ­Eigentümer bei der Innenentwicklung

Die Einbeziehung von Immobilieneigentümern in Stadtentwicklungsprozesse nimmt angesichts veränderter Rahmenbedingungen eine zunehmend bedeutendere Rolle in der Stadtplanung ein (Vollmer 2018, S. 229–231; Schmitt 2008, S. 241; Werner 2012, S. 70–74). Zur quantitativen und qualitativen Anpassung des Wohnungsbestandes als eines der zentralen Handlungsfelder im Stadterneuerungsprozess sind Kommunen sehr stark auf die Mitwirkung privater Eigentümer angewiesen. In der Fachliteratur wird privaten Eigentümern bereits seit mehreren Jahren eine aktivere Rolle in der Stadtplanung zugeschrieben und in diesem Zusammenhang auf die Durchführung einer Eigentümermobilisierung verwiesen (BMVBS/BBR 2007a, S. 2f; BMVBS/BBR 2007b, S. 70–78). Ein Anwendungsmix aus informativen, kommunikativen und motivierenden Instrumenten soll private Eigentümer zu einem Tätigwerden animieren. Private Eigentümer sind Immobilienbesitzer, „die als natürliche Personen im Grundbuch eingetragen sind und damit alleinverantwortlich Entscheidungen über die Bewirtschaftung eines Gebäudes oder einer Nutzungseinheit treffen“ (BMVBS/ BBR 2007b, S. 9). Nach Auswertung der Gebäude- und Wohnungszählung des Zensus 2011 umfasst das private Wohneigentum ca. 33 Millionen Wohneinheiten. Dies sind drei Viertel des gesamten deutschen Wohnungsbestandes (Destatis 2014,

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S. 6). Aus quantitativer Sicht stellen private Eigentümer somit eine relevante Akteursgruppe im Stadterneuerungsprozess dar . Private Eigentümer lassen sich in der Rechtsform, aber vor allem in ihrem Handeln, von institutionellen Eigentümern abgrenzen . Private Eigentümer handeln nach eigenen Logiken und nicht immer im öffentlichen Interesse (Einem 2016, S . 242) . Sie stellen aufgrund unterschiedlicher Eigentümerkonstellationen, Nutzungsmotive, Bewirtschaftungsstrategien, Motivationslagen und persönlicher Merkmale eine sehr heterogene Akteursgruppe dar (Vollmer 2015, S . 85–94) . Daneben beeinflussen die Wechselbeziehungen innerhalb eines komplexen Wohnimmobilienmarktes das Handeln privater Eigentümer . Wohnungs-, Bauund Boden- sowie Kapitalmarkt stellen Handlungsebenen dar, zwischen denen Abhängigkeiten bestehen. Private Eigentümer sind Teil dieses verflochtenen Netzwerkes. Einfluss auf ihr Tätigwerden nehmen die Verteilung von Verfügungsrechten, die institutionellen Verknüpfungen zwischen verschiedenen Verhandlungspartnern sowie damit einhergehende Transaktionskosten (Schiffers 2009, S . 32–45; 49f, Johann 2016, S . 11; Gmünder 2010, S . 101) . Die Heterogenität der Eigentümerstruktur und deren Abhängigkeit am Immobilienmarkt sind wesentliche Faktoren, die sich auf die Mitwirkungs- und Handlungsbereitschaft privater Eigentümer im Stadterneuerungsprozess auswirken (Einem 2016, S. 242). Einfluss nehmen ebenso äußere Gegebenheiten wie ein partiell auftretendes Ungleichgewicht am Wohnungsmarkt, Qualitäts- und Funktionsverluste im bestehenden Siedlungsbestand, erhöhte baurechtliche Anforderungen, steigende Planungs- und Baukosten oder zunehmende Unsicherheiten aufgrund veränderter Rahmenbedingungen (BMUB 2016, S . 28, Brauer 2013, S . 10–16; Kofner 2004, S . 4; Werner 2012, S . 70–74) . Zur Verwirklichung ihrer planerischen Ziele können Kommunen von normativen Instrumenten aus dem Baugesetzbuch Gebrauch machen . Allerdings ist deren Anwendung bei den vielfältigen Planungsaufgaben und der Heterogenität der Eigentümerstruktur nicht immer zielführend oder gar möglich . „[…] [G]erade für die ‚Bestrafung‘ kooperationsfeindlicher Eigentümer fehlt den Kommunen ein wirksames Druckmittel“ (Davy 2005, S . 71) . Eingriffsintensive Instrumente, wie städtebauliche Gebote, Bodenordnungsmaßnahmen oder gar eine Enteignung, gehen bei einer hohen Beteiligungszahl mit einem großen zeitlichen und finanziellen Aufwand einher. Aufgrund der defizitären Haushaltslage vieler Kommunen ist deren Wirkung somit begrenzt (ebd .) . Anstatt das Handeln privater Eigentümer hoheitlich zu steuern, könnte erwünschtes Verhalten durch die Gewährung von finanziellen Vorteilen erzielt und unerwünschtes Verhalten durch eine Mehrbelastung unterbunden werden . Finanzielle Anreize ermöglichen in diesem Fall eine verhaltensmotivierende Steuerung

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und lenken nachhaltiges Verhalten in eine den kommunalen Zielen entsprechende Richtung (Franzius, 2000, S. 101–103). Private Eigentümer erlangen so ein Letztentscheidungsrecht, d. h. sie entscheiden eigenständig, ob sie dem Steuerungsziel folgen wollen oder nicht (ebd., S. 112).

Abbildung 1  Heterogenität der Akteursgruppe privater Eigentümer Quelle: E  igene Darstellung nach Vollmer 2015, S.  85–88; BMVBS/BBR 2007b, S.  11; Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen 2007, ­ S. 15–19; Krüger et al., 2010, S. 14.

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Finanzielle Anreize – Eine theoretische Annäherung

Eine rein ökonomische Annäherung zum Begriff des Anreizes ermöglicht die Volkswirtschaftslehre, die in den zehn volkswirtschaftlichen Regeln vier Prinzipien für das Entscheidungsverhalten einer Person definiert. Ökonomen unterstellen dem Menschen ein rationales Verhalten. Das Treffen von Entscheidungen bedeutet ein Abwägen von Varianten oder die Lösung von Zielkonflikten, indem Kosten und Nutzen alternativer Möglichkeiten miteinander abgewogen werden. Es erfolgt ein Vergleich von Grenznutzen und Grenzkosten. Finanzielle Anreize in Form von Belohnungen oder Bestrafungen beeinflussen die Entscheidung und das einsetzende Verhalten, indem sie Einfluss auf die Kosten oder den Nutzen nehmen (Mankiw und Taylor 2012, S. 4–10). Personen handeln in Wirklichkeit nicht ausschließlich rational im Sinne einer Nutzenmaximierung. Emotionale, normative oder wertbehaftete Einflussfaktoren sowie situative Gegebenheiten beeinflussen den Entscheidungsprozess ebenso (Döring 2015, S. 26). Die Motivationspsychologie erklärt das Verhalten vor diesem Hintergrund. Motivation ist dabei ein Zusammenspiel von Faktoren, die innerhalb einer Person liegen (z. B. Motive, Bedürfnisse, Interessen, Ziele, Werte) und von äußeren Faktoren (z. B. Gelegenheiten, Anforderungen, Anreize). Kräfte, die eine Person von innen heraus zu etwas bewegen, werden als intrinsische Motivation bezeichnet. Einfluss auf diese inneren Beweggründe haben Werte, sogenannte Grundhaltungen einer Person. Sie verkörpern allgemeine Grundsätze hinsichtlich eines wünschens- und erstrebenswerten Verhaltens in der Gesellschaft und bilden einen Orientierungsmaßstab für das eigene Handeln (Brohm 2017, S. 21; Frey et al. 2016, S. 2). Ein bestimmender Faktor der intrinsischen Motivation ist auch das Erkennen der Sinnhaftigkeit einer Handlung. Wenn eine Person den Zweck oder die Wirkung einer Sache bewusst wahrnimmt, kann dies die innere Motivation stärken. Dies muss nicht immer ausschließlich ein positiver, individueller Nutzen sein. Auch ein thematischer Zusammenhang mit dem eigenen Wertesystem kann bestimmend auf das Verhalten wirken (Brohm 2017, S. 35). Extrinsische Motivation ist eine durch äußere Reize hervorgerufene Form der Motivation (Brandstätter et al. 2013, S. 4). Das Verhalten einer Person wird durch Faktoren, wie der Aussicht auf konkrete Vorteile oder Belohnungen, Bestrafungen, Überwachung oder sozialer Kontrolle beeinflusst. Im Unterschied zur intrinsischen Motivation handelt ein Mensch nicht aus eigenem Antrieb, sondern mit der Aussicht auf Geld, Anerkennung oder der Vermeidung einer Strafe (ebd., S. 91). Finanzielle Anreize sind extrinsischen Anreizen zuzuordnen. Zu einem motivierten Verhalten kommt es, wenn intrinsische und extrinsische Faktoren zueinander kongruent sind. Finanzielle Anreize können also nur

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wirken, wenn auch innere Beweggründe einer Person für ein gewisses Vorhaben sprechen (Heckhausen und Heckhausen 2010, S. 243). Dieser Sachverhalt wird in der Motivationspsychologie mit einer Formel beschrieben. Das Verhalten ist eine Funktion aus Personen- und Umweltfaktoren (siehe auch Abbildung 2). Dabei gelten die mathematischen Gesetze der Multiplikation. Ist ein motivationsbeeinflussender Faktor nicht vorhanden, wird das Verhalten ausbleiben (Brandstätter et al. 2013, S. 5). Dies kann bedeuten, dass trotz finanzieller Anreize keine Mitwirkungsbereitschaft besteht, da innere Motive fehlen. Das Handeln kann jedoch auch ausbleiben, wenn die innere Motivation vorhanden ist, aber ein äußerer Anstoß fehlt. Finanzielle Anreize werden folglich bei desinteressierten Eigentümern noch nicht mobilisierend wirken. Sie können jedoch eine Motivation für bereits kooperationswillige und investitionsbereite Eigentümer darstellen, indem sie die Schwelle zur Wirtschaftlichkeit von Vorhaben erhöhen (Vollmer 2015, S. 107f).

Abbildung 2  Zusammenhang von intrinsischer und extrinsischer Motivation in der Motivationspsychologie Quelle: Eigene Darstellung nach Brandstätter et al., 2013, S. 6.

Finanzielle Anreize lassen sich hinsichtlich ihrer Ausgestaltung in drei Gruppen gliedern. Eine erste Unterteilung ist die Art der Auswirkung. Finanzielle Anreize bringen entweder eine finanzielle Vorteilhaftigkeit oder Benachteiligung mit sich. Anreizinstrumente mit der Gewährung eines finanziellen Vorteils entsprechen einem Bonus-Modell (UBA 2013, S. 58). Sie wirken im Sinne einer Belohnung für den Empfänger. Erwünschtes Verhalten wird in diesem Fall honoriert. Möglich sind z. B. Förderungen in Form eines Zuschusses, Steuervergünstigungen, Gewährleistungen, Bürgschaften, Garantien, Beteiligungen oder zinsvergünstigte Kredite (IfS 2009, S. 12f, 118). Malus-Modelle sind Anreizinstrumente, die sich finanziell nachteilig auf dem Empfänger auswirken (UBA 2013, S. 143). Unerwünschtes Verhalten wird bestraft (Gmünder 2010, S. 131). Eine mögliche Anwendungsform

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sind öffentlich-rechtliche Abgaben in Form von Gebühren, Beiträgen, Steuern und Sonderabgaben (Anger 2014, S. 85f, 178; Scherf 2011, S. 18). Weiterhin sind privatrechtliche Ausgestaltungen denkbar. Eine weitere Unterteilung ergibt sich aus ökonomischer Hinsicht durch ihre Wirkung im engeren und im weiteren Sinne. Im engeren Sinne ergeben sich unmittelbare wirtschaftliche Folgen für den Empfänger. Zu diesen zählen alle Möglichkeiten der zuvor aufgeführten Bonus- und Malus-Modelle. Als BonusModell im weiteren Sinne sind Maßnahmen zu verstehen, bei denen blockierende Umstände überwunden werden sollen. Dies sind beispielsweise die Anwendung von Instrumenten zur Verringerung hemmender Umstände, wie Mediationsverfahren oder Beratungen. Letztendlich implizieren öffentliche Aufwertungen eine Wertsteigerung, die ebenso zu Maßnahmen im weiteren Sinne zählen (BMVBS/ BBR 2007a, S.  144–148). Auch Malus-Modelle sind als finanzielle Anreize im weiteren Sinne denkbar, z. B. durch Maßnahmen, die ein Vorhaben aufwendiger gestalten. Zudem besteht ein Unterschied über den Gegenstand der Förderung. Richten sich die Anreize an eine bestimmte Personengruppe, so handelt es sich um eine Subjektförderung, z. B. durch personenbezogene, zinsvergünstigte Darlehen oder Zuschüsse. Die Anreize können sich auch nur auf eine ausgewählte Immobilie beziehen, welche etwa zu vergünstigten Konditionen angeboten wird. Dann weisen sie einen Objektbezug auf (Klus 2013, S. 93f).

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Kommunale finanzielle Anreize

Auf Bundes- und Länderebene bestehen mit den Programmen der KfW und des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), der Städtebauförderung, der Dorferneuerung, der erhöhten steuerlichen Abschreibung nach dem Einkommenssteuergesetz, Programmen der Denkmalpflege und der Wohnraumförderung sehr vielseitige Anreizsysteme, welche sich fördernd auf die Bestandsentwicklung auswirken und dabei gleichzeitig private Eigentümer begünstigen. Aus einer Analyse der genannten Programme leiten sich für Kommunen und private Eigentümer jedoch Defizite bei einer Nutzung zur Stärkung der Innenentwicklung ab (vgl. Abbildung 3). Bestehende finanzielle Anreize auf Bundesund Länderebene sind somit nicht immer geeignet, um auf lokale Gegebenheiten angemessen zu reagieren. Ergänzend zu den bestehenden Anreizen erscheint es daher nützlich, eigene kommunale Strategien zu entwickeln, welche ein Eingehen auf ortspezifische Rahmenbedingungen und ein gezieltes Handeln gegenüber individuellen, lokalen Problemlagen ermöglichen (Lampe und Schönherr 2009, S. 30).

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Abbildung 3 Defizite bestehender Anreizprogramme auf Bundes- und Länderebene Quelle: E  igene Darstellung nach Schmitt 2017; Woll 2017; UBA 2013, S. 37; BBSR 2015, S. 157; BMVBS 2007, S. 89, IWU 2016, S. 75.

Umsetzungsspielraum kommunaler finanzieller Anreize

Kommunen verfügen nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) über eine Selbstverwaltungsgarantie. Demnach können sie alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich regeln. Hierzu zählen die Finanzhoheit, das Satzungsrecht oder die städtebauliche Planung und Entwicklung. Bei der Initiierung kommunaler finanzieller Anreize besteht jedoch keine gänzliche Gestaltungsfreiheit. Aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG folgt, dass sich eine Kommune bei ihrem Tätigwerden an Recht und Gesetz halten muss. Daraus leiten sich zwei wesentliche Grundsätze ab, die das Handeln der öffentlichen Verwaltung einschränken. Nach dem Vorrang des Gesetzes darf eine Kommune nicht gegen höherrangiges Recht und Gesetz verstoßen. Der Vorbehalt des Gesetzes sagt aus, dass Eingriffe, die in die Rechtssphäre des Bürgers eingreifen, immer auf einer Rechtsgrundlage beruhen müssen. Die kommunale Finanzhoheit befähigt Kommunen ihren Haushalt in eigener Verantwortung zu bewirtschaften, womit die Gewährung von Leistungen oder eine Erhebung von Abgaben gestattet ist (Schwarting 2001, S. 32). Malus-Modelle in Form öffentlich-rechtlicher Abgaben zur Lenkung unerwünschten Verhaltens unterliegen jedoch zahlreichen finanzverfassungsrechtlichen Grundsätzen, sodass die Anwendung in der Praxis nur eingeschränkt möglich ist (Anger 2014,

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S. 86–92). Gebühren und Beiträge müssen immer mit einer hoheitlichen Leistung verknüpft sein, so dass ein Einzelner durch staatliches Handeln privilegiert wird. Der Vorteilsausgleich erfolgt in Form einer monetären Gegenleistung. Bei der Erhebung von Gebühren und Beiträgen ist immer ein enger inhaltlicher Zusammenhang zwischen der Abgabe und dem Sachgebiet erforderlich (ebd., S. 144–149). Möglich wäre auch das Einsetzen von Steuern als Lenkungsinstrument, da Kommunen die Erhebung örtlicher Aufwands- und Verbrauchssteuern zusteht. Hierzu haben sie, wenn auch stark begrenzt, ein Steuerfindungsrecht (Schwarting 2001, S. 33). Es gelten die entsprechenden finanzverfassungsrechtlichen Anforderungen und Besteuerungsgrundsätze, wobei der örtliche Bezug und die Vereinbarkeit mit dem gesamten Steuersystem die wichtigste Einschränkung darstellen. Nach letzterem ist die Besteuerung einer Sache nur einmal möglich. Wird ein Sachverhalt vom Staat versteuert, so ist eine Kommunalsteuer auf den gleichen Sachverhalt unzulässig (ebd., S. 78–81). Sonderabgaben unterliegen noch strengen Voraussetzungen. Als zusätzliche Belastung für den Bürger bedürfen sie einer besonderen sachlichen Rechtfertigung sowie einer deutlichen Unterscheidung gegenüber einer Steuer. Voraussetzung ist immer die Abgrenzung einer homogenen Gruppe, die sich durch eine besondere Sachnähe zum Abgabenzweck auszeichnet und eine spezielle Gruppenverantwortung für die Erfüllung dieses Ziels übernimmt. Im Wesentlichen handelt es sich um einen Gruppensondervorteil, der zu Ausgleichsmaßnahmen zwingt (Anger 2014, S. 177–184). Kommunen unterliegen weiterhin einer Reihe von Haushaltsgrundsätzen, von denen lediglich zwei, im Bezug zu finanziellen Anreizen relevant erscheinende, aufgeführt werden. So ist der Haushaltsgrundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu beachten. Von Relevanz ist auch der Grundsatz der stetigen Aufgabenerfüllung. Pflichtaufgaben und Auftragsangelegenheiten haben immer Vorrang gegenüber freiwilligen Aufgaben, zu denen stadtplanerische Leitvorstellungen und eine kommunale Strategie zur Förderung privater Eigentümer zählen dürften (Schwarting 2001, S. 56–59). Unter Bezugnahme dieser Grundsätze werden in Zeiten defizitärer öffentlicher Haushalte Anreiz-Modelle nicht immer durchsetzbar sein. Einschränkend kann auch die Kürzung des Verwaltungspersonals im Zuge öffentlicher Sparmaßnahmen wirken (ebd., S. 212). Im Rahmen der Fiskalverwaltung sind Kommunen zur Veräußerung kommunaler Immobilien ermächtigt. Diese können zum Verkauf angeboten werden, wenn sie nicht der originären Aufgabenwahrnehmung dienen und ihr voller Wert angesetzt wird. Liegt der erzielbare Verkehrswert über dem kostendeckenden Preis, können Kommunen durch Auflagen, z. B. Nutzungsgebote, Vorkaufsrechte oder Rückfallklauseln, den Wert mindern (ebd., S. 140). Gleichzeitig kann eine Kommune Vermögen erwerben, insofern es zur Aufgabenwahrnehmung dient und er-

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forderlich ist. So besteht etwa die Möglichkeit eines Zwischenerwerbs oder einer Bevorratung von Grundvermögen zur Erfüllung und Sicherstellung städtebaulicher und strukturpolitischer Ziele (ebd., S. 169). Kommunen haben weiterhin das Recht auf ein wirtschaftliches Tätigwerden, wozu ein öffentliches Unternehmen, z. B. zur Verfolgung von Stadtentwicklungszielen gegründet werden kann (Burgi 2015, S. 245–247). Je nach Organisationsform können sich dabei Vorteile, z. B. bezüglich einer leichteren Finanzierbarkeit ergeben. Dies vergrößert nicht nur den monetären Handlungsspielraum, sondern eröffnet gleichzeitig auch eine weitere Form, Anreize zu setzen. Allerdings muss sich auch ein öffentliches Unternehmen an die Leistungsfähigkeit der Gemeinde binden (Schwarting 2001, S. 176–183). Inhaltlich sind einer Kommune weitere Grenzen gesetzt. Aufgrund geologischer, topographischer oder klimatischer Bedingungen sowie dem Erhalt von Schutzgütern können nicht immer alle Innenentwicklungsflächen ausgenutzt werden. Entsprechende Verbote und Einschränkungen finden sich u. a. im Naturschutz-, Wasserschutz- und Bodenschutzgesetz. Auch können Denkmalschutzauflagen, die Unwirtschaftlichkeit von Maßnahmen, ungeklärte Eigentumsverhältnisse oder eine mangelnde Bereitschaft privater Eigentümer Vorhaben entgegenstehen. Eine weitere inhaltliche Restriktion ist die lokale Politik. Letztendlich wird es vom Stadt- oder Gemeinderat abhängig sein, nach welchen Leitbildern sich der Ort entwickelt, welche Strategien zum Tragen kommen und wie diese ausgestaltet werden.

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Anwendung und Ausgestaltung kommunaler ­Strategien zur Förderung privater Eigentümer und zur Stärkung der Innenentwicklung

Eine deutschlandweite Recherche zu kommunalen Praxisbeispielen lieferte wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der instrumentalen Ausgestaltung und des lokalen Einsatzes kommunaler finanzieller Anreize.

Ausgestaltung kommunaler finanzieller Anreize

Bei der Umsetzung kommunaler finanzieller Anreize kommen unterschiedliche Ausgestaltungsformen zur Anwendung (vgl. Abbildung 4). Sie lassen sich fünf übergeordneten, in Anlehnung nach den von Selle und Wachten definierten Instrumentengruppen zuordnen (Selle und Wachten 2008, S. 1–5). Eine mögliche Kategorie sind regulative Instrumente. Mit dem Beschluss einer Sanierungssatzung bekommen private Eigentümer die Möglichkeit einer Steuererleichterung. Im Rahmen der Städtebauförderung können innerhalb formal festgesetzter Förder-

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gebiete (durch Satzung) Finanzhilfen durch private Eigentümer in Anspruch genommen werden. Auch die Baureifmachung von innerörtlich gelegenen Flächen, eine Grundstücksneuordnung, ggf. in Verbindung mit der Ausübung eines kommunalen Vorkaufrechts oder eine langjährige Bauflächenbevorratung sind dieser Gruppe zuzuordnen. Kommunikative Instrumente gestatten eine Senkung von Transaktionskosten. Möglich sind Beratungsleistungen, die Übernahme von Gutachtenkosten oder Mediationsverfahren. Weiterhin kommen monetäre Instrumente zum Einsatz. Als Beispiele sind kommunale Förderprogramme und die Initiierung eines Wettbewerbs mit Preisgeld als Bonus-Modelle und ein erhöhter Verkaufspreis auf kommunale Grundstücke als Malus-Modell zu nennen. Bei regulativen, kommunikativen und monetären Instrumenten besteht für die Kommune eine indirekte Einflussnahme bei der Durchsetzung von Innenentwicklungsmaßnahmen, da sie zunächst nur eine Option schafft (ebd., S. 1). Inwieweit diese von den Akteuren angenommen wird und ihre Wirkung entfaltet, hängt von der Nachfrage der privaten Eigentümer ab. Dem gegenüber stehen Anreizsysteme, welche der Kommune eine direkte Einflussnahme ermöglichen (ebd.). Dies können kooperative Instrumente sein, die auf Verhandlungen zwischen Kommune und privaten Eigentümern basieren. Durch den (Zwischen-)Erwerb können problembehaftete Immobilien von der Kommune selbst vor einem weiteren baulichen Verfall bewahrt werden. Gleichzeitig ist eine vergünstigte Veräußerung kommunalen Vermögens mit Auflagen eine Option, Anreize für private Eigentümer zu schaffen. Motivierend kann auch die Gewährung eines Erbbaurechts auf ungenutzte kommunale Grundstücke oder Bestandsgebäude sein. Gleichzeitig werden diese einer Wiedernutzung zugeführt. Im engen Zusammenhang, aber dennoch als eigenes Instrument anzusehen, ist das forcierende Handeln. Dabei tritt die Kommune nicht nur als Verhandlungspartner auf, sondern setzt selbst Maßnahmen der Bestandsentwicklung um. Das fertige „Produkt“ wird Privaten angeboten. Dies können Stadtentwicklungs- und Aufwertungsmaßnahmen sein, die entweder von der Verwaltung selbst oder von einem ihrer öffentlichen Unternehmen durchgeführt werden. Zu diesem Instrumententyp fällt ebenso das Energie-Contracting, bei dem ein kommunales Energieunternehmen die Anlagen privater Eigentümer auf den neuesten Stand der Technik bringt.

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Abbildung 4­  Instrumentenmix bei der Ausgestaltung finanzieller Anreize Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Selle und Wachten 2008, S. 1–5.

Ausgewählte kommunale Praxisbeispiele für finanzielle Anreize

Thematisch decken die untersuchten Strategien sehr vielseitige Handlungsfelder zur Stärkung der Innenentwicklung ab. Dabei sind kommunale finanzielle Anreize stets auf individuelle, lokale Problemlagen einer Kommune angepasst. Beispielhaft werden in diesem Beitrag Strategien zur Reduzierung von Wohnungsleerstand, zur Behebung von Gestaltungsdefiziten, zur Steigerung der Energieeffizienz im Wohnungsbestand, zur Anpassung innerörtlicher Wohnbauflächen und zur Diskrepanz von Innenentwicklung und dem Bedarf nach weiteren Außenentwicklungsflächen vorgestellt. Die Gemeinde Hiddenhausen reagiert auf die zunehmende Überalterung und den Anstieg des Wohnungsleerstands mit der Aufstellung eines kommunalen Förderprogramms zum Erwerb von Altbauten und verzichtet gleichzeitig auf die Ausweisung neuer Baugebiete. Die Förderung besteht aus einem einmaligen Zuschuss für ein Altbaugutachten bis max. 1.500,-€ sowie einer laufenden Förderung für sechs Jahre mit bis zu 1.500,-€ jährlich (Gemeinde Hiddenhausen 2007).

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Zur Aktivierung von Wohnungsleerständen fördert die Gemeinde Brigachtal eine Wiedervermietung von leerstehendem Mietwohnraum. Unabhängig von der Lage und des Baujahres wird dem Eigentümer eine Wiedervermietungsprämie von 500,-€ je Wohnung gewährt. Voraussetzung ist, dass die Wohnung mindestens ein Jahr leer gestanden hat und mindestens für ein Jahr neu vermietet wird. Die entsprechende Wohnung muss zudem eine Mindestgröße von 70 m² aufweisen (Gemeinde Brigachtal 2014). Gestaltungsdefizite versucht die Stadt Regen durch einen jährlich stattfindenden Fassadenwettbewerb zu beheben. Der Beurteilungsbereich umfasst die Stadt Regen sowie seine Ortsteile. In die Wertung fallen alle neu- und umgestalteten Fassaden eines Wettbewerbsjahres, die optisch zu einer Verbesserung des Stadtbildes beitragen. Gewürdigt werden die drei schönsten Fassaden. Der Drittplatzierte erhält 250,-€, der Zweitplatzierte 500,-€ und der Erstplatzierte 1000,-€ Prämie (Stadt Regen o.J., S. 34–37). Um die Energieeffizienz im Wohnungsbestand zu steigern, betreibt die Stadt Emmendingen mit ihrem öffentlichen Unternehmen, der Stadtwerke Emmendingen GmbH, ein Contracting-Modell für die Wärmeversorgung. Steht die Modernisierung der Heizungsanlage für private Eigentümer an, so übernimmt das Unternehmen die Planung, die Finanzierung und den Betrieb der neuen modernen Anlage. Private Eigentümer zahlen zusätzlich zu ihren Energieverbrauch einen Wärmepreis für die Nutzung. Durch das Modell sparen Eigentümer nicht nur Planungs- und Investitionskosten, sondern auch laufende Energiekosten durch eine bessere Energieeffizienz der neuen Anlage (Stadtwerke Emmendingen GmbH o.J.). Zur Stärkung des Siedlungsbestandes bereitet die Gemeinde Sulzfeld Wohnbauland im Innenbereich auf. Hierbei macht die Gemeinde vom kommunalen Grunderwerb und bei nicht erhaltenswerter Bausubstanz vom Vorkaufsrecht Gebrauch, um anschließend einen Abbruch einzuleiten. Bei Bedarf werden Grundstücke neu geordnet. Nach Abschluss gehen die Grundstücke an Interessenten zurück. Weisen die Wohnobjekte einen erhaltenswerten Zustand auf, so steht die Motivierung der Eigentümer im Vordergrund (Roth und May-Schorb 2003, S. 161–170). Trotz Einwohnerzuwachs verfolgt die Stadt Crailsheim eine intensive Bestandsentwicklung. Um innerstädtisches Bauland bereitzustellen, gewährt die Stadt einen Zuschuss für Abbruch- und Räumungskosten für nicht erhaltenswerte Bausubstanz. Der Förderbetrag beträgt 40 % der durch das Freimachen des Grundstücks entstandenen Kosten, maximal jedoch 10.000,-€. Zur Finanzierung des Programms hat die Stadt eine Innenentwicklungsumlage eingeführt. Beim Kauf kommunaler Grundstücke für Neubauvorhaben im Außenbereich

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muss eine Umlage von 3,50,- € pro Quadratmeter gezahlt werden (Holl et al. 2013, S. 330–333; Stadt Crailsheim 2012).

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Fazit und Ausblick

Die theoretischen Erkenntnisse zum Instrument finanzieller Anreize und eine Untersuchung zur praktischen Anwendung führen zu dem Ergebnis, dass der Einsatz auf kommunaler Ebene viel Potenzial für eine motivierende Verhaltenslenkung mit privaten Eigentümern von Wohnimmobilien bietet. Kommunale finanzielle Anreize sind somit prinzipiell ein geeignetes Instrument im Stadterneuerungsprozess. Ein Gebrauch kommunaler Anreize ist angesichts der defizitären Haushaltslage vieler Kommunen immer dann in Erwägung zu ziehen, wenn bestehende Förderungen auf Bundes- und Länderebene nicht greifen, z. B. bei schwierigen Abstimmungsverhältnissen privater Eigentümer, als Prävention gegen Wohnungsleerstand oder punktuellen Einzelmaßnahmen. Wie die Auswertung kommunaler Praxisbeispiele zeigt, ist der Gebrauch kommunaler finanzieller Anreize in jeder Kommune, egal ob wachsend, stagnierend oder schrumpfend und unabhängig von der Ortsgröße möglich. Aus der theoretischen und praktischen Untersuchung lassen sich Empfehlungen zur Anwendung des Instruments ableiten. Im Vorfeld ist eine umfangreiche Bestandsanalyse zur Ist-Situation ratsam. Aus der Analyse sind lokale Handlungsfelder, Zielgruppen und erforderliche Instrumente abzuleiten. Beim Gebrauch kommunaler finanzieller Anreize muss nichts Neues entwickelt werden. Kommunen können sich bestehenden regulativen, kommunikativen, monetären, kooperativen oder forcierenden Instrumenten bedienen. Kommunale finanzielle Anreize sind immer da einzusetzen, wo hoheitliche Instrumente keine Wirkung entfalten. Im Sinne eines Instrumentenmixes sollten Bonus-/ Malus-Modelle zusammen mit weiteren Bausteinen der Eigentümermobilisierung sowie den klassischen planerischen Instrumenten angewendet werden (Vollmer 2015, S. 211–222; Gmünder 2010, S. 102). Bonus-/Malus-Modelle sind dabei als Teilstrategie eines übergeordneten Innenentwicklungskonzepts zu verstehen. Anreizprogramme auf Bundes- und Länderebene können in die eigene Strategie integriert werden. Wichtig dabei ist, dass eine Doppelförderung durch kommunale und staatliche finanzielle Anreize vermieden wird. In Kommunen mit defizitärer Haushaltslage könnte zur Finanzierung eines Bonus-Modells zusätzlich ein Malus-Modell angewendet werden. Hierbei ist es empfehlenswert, die erzielten Einnahmen zweckgebunden für Bestandsentwicklungen einzusetzen. Gleichzeitig agiert ein Malus-Modell als Lenkungs-

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instrument zur Stärkung der Innenentwicklung. Der Anreiz sollte so ausgestaltet sein, dass auch der tatsächliche „Verursacher“ benachteiligt wird. Bei der Strategiefindung gilt es die Defizite der staatlichen Förderungen zu überwinden. Ein Bonus-Modell sollte sich durch eine unbürokratische Mittelvergabe auszeichnen. Um das Vertrauen der Bürger zu gewinnen, ist es wichtig, dass auch eine gewisse Kontinuität und Dauerhaftigkeit gewährleistet werden. Zugleich muss die Kommune flexibel auf neue Aufgaben reagieren können, da die Innenentwicklung als dynamischer Prozess zu verstehen ist. Trotz der vielen Vorteile, die kommunale finanzielle Anreize mit sich bringen, wird deren Potenzial in der Praxis noch nicht vollkommen ausgeschöpft, wie die deutschlandweite Recherche zu kommunalen Praxisbeispielen zeigt. Bisher haben sich in der kommunalen Praxis fast ausschließlich Bonus-Modelle etabliert. Lediglich die Stadt Crailsheim verfolgt ein Malus-Modell in Form eines erhöhten Verkaufspreises auf kommunale Neubauflächen neu entwickelter Wohnbaugebiete. Eine große Beschränkung liegt in der praktischen Umsetzbarkeit. Städten und Gemeinden wird durch bestehende Gesetze fast keine Ausgestaltungsmöglichkeit gegeben. Aus diesem Grund sind Erleichterungen und eine größere Unterstützung des Staates gefordert. Weiterhin ist anzunehmen, dass Kommunen ihre Einwohner durch Mehrbelastungen nicht verlieren wollen. Ein interkommunaler Wettbewerb um Einwohner mag für viele Lokalpolitiker ein Hemmnis der Anwendung darstellen. An Ideen und Reformmodellen mangelt es nicht. Malus-Modelle könnten im Bereich der Energieeinsparung in Form von Energieabgaben einen nutzbringenden Beitrag zur Innenentwicklung leisten (UBA 2013, S. 47–68). Eine große Chance eröffnet auch die aktuelle Debatte zur Grundsteuerreform. Die aktuelle Ausgestaltung der Grundsteuer gibt Kommunen keinen Spielraum die Siedlungsentwicklung nachhaltig zu steuern. Daher wurden mehrere Reformmodelle entwickelt, welche einen Beitrag zum Flächensparen leisten können (Anger 2014, S. 107–120). Inwieweit deren Umsetzung verfassungsrechtlich möglich ist, muss abschließend interdisziplinär erörtert werden. Abschließend bleibt festzuhalten, dass kommunale finanzielle Anreize einen wichtigen Beitrag im Stadterneuerungsprozess leisten können. Ihr praktischer Gebrauch ist jedoch begrenzt. Aufgrund unterschiedlicher Ausgangslagen privater Eigentümer sind finanzielle Anreize nicht als alleinige Lösungsstrategie zu betrachten. Soziodemographische Merkmale, der Grad der Betroffenheit, ein fehlendes Problembewusstsein, fehlende finanzielle Mittel oder weitere Einflüsse können trotz attraktiver Anreize bei Entscheidungen als hemmende Faktoren überwiegen. Denkbar sind auch das Eintreten einer Marktsättigung und die Grenzen der Bestandsentwicklung, wenn alle Nachverdichtungspotenziale aufgebraucht sind und

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das Baurecht keinen Spielraum mehr zulässt. Entgegen steht zudem die Erforderlichkeit einer hoheitlichen Lenkung, da sich nicht alle Ziele auf dem Prinzip einer Freiwilligkeit umsetzen lassen werden.

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Interviews

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Strategisches Arbeiten in der Innenentwicklung kleinerer Städte und Gemeinden – ein Prinzip



Gregor Langenbrinck und Thomas Fischer

Zusammenfassung

Innenentwicklung ist ein zentraler Ansatzpunkt für nachhaltige Stadtentwicklung, insbesondere wenn es um die Entwicklung der Kernbereiche als lebendige und nutzungsgemischte Wohn- und Versorgungsstandorte geht. Woran liegt es, dass die Praxis vielerorts immer noch anders aussieht – nicht nur in kleineren Städten und Gemeinden? In einem Forschungsprojekt gingen Urbanizers in Kooperation mit der TU Kaiserlautern im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) u. a. der Frage nach, welche Rolle strategisches Arbeiten als Prinzip für eine gelingende Innenentwicklung sowohl in schrumpfenden als auch in sich stabilisierenden Kleinstädten haben kann. Nicht nur der Werkzeugkasten ist ausschlaggebend, sondern auch der Prozess und die Art und Weise, wie Werkzeuge dann eingesetzt werden. Arbeiten mit der Eigenart oder auch Eigenlogik, verbunden mit einer präzisen „ehrlichen“ Analyse des Ist-Zustands der kleineren Stadt oder Gemeinde sind dabei ein zentraler Ausgangspunkt, um tragfähige Ziele festzusetzen. Gerade wenn es um die „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ geht, spielen die vor Ort vorhandenen Potenziale und damit das Spezifische der Kommune eine große Rolle. Um etwa mit endogenen Unsicherheiten oder plötzlich auftretenden exogenen Herausforderungen besser umgehen zu können, kann es hilfreich sein strategisch zu arbeiten. Praktiker können vor Ort „ihre“ spezifische Strategie mit Wegen und Nebenwegen zur Innenentwicklung entwickeln und umzusetzen. Der folgende Beitrag stellt somit weiterführende Überlegungen aus der Vor-Ort Praxis des Forschungsprojekts zur Diskussion. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3_13

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1 Problemstellung Fokus auf Wohn- und Versorgungsstandorte

Lebendige und nutzungsgemischte Wohn- und Versorgungsstandorte sind zweifellos eine zentrale Zielsetzung integrierter Stadtentwicklung. Mit Blick auf kleinere Städte und Gemeinden gilt das unabhängig von deren regionalen Lage oder ihrer jeweiligen ortsspezifischen Situation. Wohnen und Versorgung sind zugleich die zentralen Themenfelder einer konstruktiven Innenentwicklung. Kommunalpolitische Notwendigkeiten, wie die Sicherung eines an veränderte Lebens- und Arbeitsbedingungen angepasstes Wohn- und Versorgungsangebot, können dabei mit einer Reihe bundespolitischer Zielsetzungen – etwa der „Nachhaltigkeitsstrategie“ (u. a. 30 ha Ziel bis 2020) oder dem „Klimaschutzplan 2050“ – sinnvoll verknüpft werden. Gleichermaßen als Leitbild wie auch als Umsetzungspraxis verstanden, zielt Innenentwicklung in diesen Themenfeldern somit im Wortsinn auf lebendige und zugleich nachhaltige Kern- oder Altstädte und damit auf mehr Lebensqualität ab.

Ein gut gefüllter Werkzeugkasten allein reicht nicht

Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang eine Vielzahl an Ideen und Konzepten, welche sowohl eine energetische Gebäude- und Quartierssanierung und damit verbunden auch die sozialverträgliche und zugleich klimawandelangepasste Qualifizierung von Frei- und Grünräumen als auch die nachhaltige Neubauentwicklung zur Nachverdichtung der Kernstädte im Blick haben. Dafür steht ein reich gefüllter Werkzeugkasten an informellen, formellen, planerischen und gesetzlichen Instrumenten und Werkzeugen zur Verfügung, der in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt und verfeinert wurde. Dass ein solcher Werkzeugkasten allein nicht ausreicht, lässt sich anhand der kommunalen Anwendungspraxis belegen. Neben den richtigen Werkzeugen scheint für Erfolg oder Misserfolg die aktive und eingeübte Zusammenarbeit zwischen Kommunalpolitik und Verwaltung, Zivilgesellschaft und Eigentümern wichtig zu sein.

Heterogene und komplexe Ausgangssituationen vor Ort

Wie sich dieses Zusammenspiel dann konkret ausgestaltet und eine in diesem Sinne lebendige und nutzungsgemischte Kernstadt gelingen kann, ist nicht so ohne weiteres zu bestimmen. Denn gerade wegen der heterogenen, oft im Detail widersprüchlichen örtlichen Ausgangssituationen und vielfältigen Akteurs-Konstellationen lässt sich erfolgreiche Best Practice vielfach nur sehr eingeschränkt übertragen. Zwar werden Werkzeuge wie auch Prozesswege dargestellt, doch die Tücke liegt hier im Detail. Als Beispiel solch eines Widerspruchs sei hier nur auf

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das öfters vor Ort zu beobachtende Phänomen hingewiesen, dass kleinere Städte in peripheren Lagen zwar über eine durchaus gute Arbeitsmarktsituation verfügen können, jedoch unvermindert weiter schrumpfen. Wie damit in der kleinen Stadt oder Gemeinde dann strategisch umgegangen wird, was den Impuls gab, der zur Ausgestaltung und Umsetzung eines kreativen Ansatzes führte, lässt sich eher selten Best Practice entnehmen. Wer vor Ort den Akteuren jedoch aufmerksam zuhört, kann solche Impulse anhand von „Zwischentönen“ erkennen.

Abbildung 1 Die Eigenart der kleinen Stadt oder Gemeinde verstehen – zum Beispiel Grafenau

Übertragbarkeit von Beispielen nur eingeschränkt möglich

Die Zusammenhänge zwischen Wohnen, Arbeiten und Versorgung sind jedenfalls nicht eindeutig zu bestimmen, sondern von Stadt zu Stadt unterschiedlich und mit ihnen die Lösungsansätze. Folglich sind übergreifende, verallgemeinernde Ableitungen, die beispielsweise bei einer bestimmten Ausgangslage den Einsatz eines bestimmten Werkzeugs für Dritte empfehlen und die eine zielgerichtete Stadtent-

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wicklung in ihrer eigenen Stadt oder Gemeinde beabsichtigen, eher schwierig zu übersetzen und anzuwenden. Die Anzahl der zu berücksichtigenden Interessen und Akteure ist hoch, Nutzungsdifferenzen, vor allem hinsichtlich der Flächen, bestehen häufig. Die Lage ist vielschichtig und komplex (Porsche 2015). Aktuelle Studien und Forschungsfelder bestätigen das. Der Stadtraumtypus „Kleinstadt“ erfährt dabei zunehmend politische und fachliche Bedeutung. Unterstützt wird die wachsende Auseinandersetzung mit kleineren Städten und Gemeinden u. a. durch die „Initiative Kleinstädte in Deutschland“ des Bundesministeriums des Innern für Bau und Heimat (BMI). In den letzten beiden Jahren sind eine Vielzahl an Forschungsvorhaben begonnen oder fertiggestellt worden (Wüstenrot Stiftung 2019, UBA 2015). Vor allem auch im Rahmen des Bund-Länder-Programm „Kleinere Städte und Gemeinden“ wurden 2018–2019 eine Reihe zum Teil umfänglicher Publikationen veröffentlicht unter anderem aus Forschungsprojekten der Transferstelle sowie durch Begleitforschungen mit Bezug zum Thema der Studie. Sie fokussieren häufig auf sektorale Schwerpunkte der Innenentwicklung in kleineren Städten und Gemeinden. Stellvertretend sei hier Urbanität in Kleinstädten (BBSR 2018), Hidden Champions und Stadtentwicklung (BBSR 2019a) oder interkommunale Kooperationen (BBSR 2018b) verwiesen. Hier setzt die Studie breiter an, weniger das „Was“, denn das „Wie“ stand im Mittelpunkt.

Ein Forschungsprojekt, um dem „Wie“ auf die Spur zu kommen

Um entsprechenden „Zwischentönen“ in den Prozessen, die letztlich den Ausschlag in die ein oder andere Richtung der Innenentwicklung vor Ort gegeben haben, näher zu kommen, wurde ein Fokus in der Studie „Innenentwicklung in kleineren Städten und Gemeinden – Strategien zur Sicherung lebendiger und nutzungsgemischter Wohn- und Versorgungsstandorte“ auf die strategische Komponente innerhalb der Prozesse gesetzt. Die Studie war innerhalb der Begleitforschung zum Städtebauförderungsprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“ verankert und wurde im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) erarbeitet. Für die Auftragnehmer, Urbanizers Büro für städtische Konzepte aus Berlin und das Fachgebiet Stadtumbau + Ortserneuerung der TU Kaiserslautern, stand also von Beginn an die Frage im Raum, wie man u. a. anhand der anvisierten zehn Fallstudien möglichst tiefe Einblicke in die Situation vor Ort gewinnen könnte, um genau jene „Zwischentöne“ wahrzunehmen, die zum Gelingen oder NichtGelingen von Prozessen in der Innenentwicklung den Ausschlag gegeben haben könnten.

Strategisches Arbeiten in der Innenentwicklung kleinerer Städte …

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Strategien in der Innenentwicklung, was heißt das eigentlich?

Bereits anhand der ersten Ergebnisse aus den Fallstudien wurde deutlich, dass es für die Praxis der Innenentwicklung hilfreich sein könnte, den Strategiebegriff und damit verbundene Arbeitsweisen klarer zu definieren. Ähnliches ließ sich auch für den Begriff der Innenentwicklung selbst erkennen. Nun gibt es durchaus Gründe für eine gewisse „Unschärfe“ vor allem im Falle des Begriffs Innenentwicklung zu plädieren – eventuell auch um mit Blick auf mögliche Tatbestände innerhalb von Förderprogrammen als Kommune unter dem entsprechenden „Deckel“ der Förderung leichter Platz finden zu können. Gleichwohl kann für die Arbeit vor Ort eine differenziertere Definition von Vorteil sein. Zusammenhänge, die im Rahmen von Entscheidungen zur Innenentwicklung vorgenommen werden, ließen sich so eventuell besser einstufen und beurteilen. Ein weiterer Grund, die beiden Begriffe etwas schärfer zu umreißen, resultiert aus deren Wechselspiel. Innenentwicklung kann als Teil integrierter Stadtentwicklung verstanden werden. Mit dem „Integrierten“ in der Stadtentwicklung hat quasi automatisch die Komplexität in entsprechenden Prozessen zugenommen. Mehr Akteure und Verwaltungsressorts, die eingebunden werden. Mehr Themen, deren Überlappungen und Wechselwirkungen berücksichtigt werden müssen. Das ist hinlänglich bekannt und muss hier nicht weiter ausgeführt werden. Auch nicht, dass Städte offene, hoch komplexe Systeme sind. Wichtig hingegen ist, dass viele Planungsmethoden versuchen besagte Komplexität zu reduzieren – zumindest in der kommunalen Praxis vor Ort kleinerer Städte und Gemeinden lässt sich das öfters beobachten. Strategien hingegen „rechnen“ mit Komplexität, sie arbeiten stärker mit Wahrscheinlichkeiten. Dass hier in der Alltagspraxis nicht ganz klar getrennt werden kann, hat sicher auch damit zu tun, dass bestimmte Prinzipien, wie etwa die Zielbestimmung oder die Vereinbarung, diese auf mehreren Wegen erreichen zu können, ähnlich scheinen. Während hinsichtlich der Definition von Innenentwicklung mehr oder weniger ein Konsens besteht – auf eine Vorstellung der im Rahmen der Studie vorgenommenen Arbeitsdefinition wird deswegen hier verzichtet – kann das für Strategie oder strategisches Arbeiten nicht behauptet werden.

Vorschlag für ein vorläufige Definition für strategisches Arbeiten

Strategie oder strategisches Arbeiten setzt sich (zumindest teilweise) von gängigen Parametern der Planung ab. Sicherlich erfordert auch strategisches Arbeiten zunächst einen konzeptionellen, planerischen Aufriss. Von dort aus wird allerdings „anders“ gearbeitet. Dieses „Anders“ impliziert vor allem die Position, die von den Akteuren im Prozess vor Ort eingenommen wird. Wodurch unterscheiden sich planungsbezogene Ansätze von denen eines strategischen Arbeitens? In Strategien

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werden zwar, ähnlich wie bei jeder Planung auch, zunächst Voraussetzungen geklärt und ein festes Ziel formuliert. Um dieses zu erreichen, wird aber von Anfang an implizit davon ausgegangen, dass unterschiedliche Wege in Betracht gezogen werden müssen, die ihrerseits flexibel sind. Jede Strategie definiert zwar einen Hauptweg, parallel stehen jedoch alternativ Nebenwege zur Verfügung, die bedarfsweise, wenn sich Ausgangsbedingungen, etwa durch eine neue Faktenlage, unerwartet ändern, eingeschlagen werden können oder aber erst entwickelt werden müssen. Und natürlich können Haupt- und Nebenwege im laufenden Prozess der Anwendung einer Strategie angepasst werden. Das setzt neben gegenseitigem Vertrauen ein hohes Maß an Flexibilität der beteiligten Akteure voraus – eine Herausforderung. Strategisches Arbeiten bedarf zweier Dinge, von denen zumindest angenommen werden darf, dass sie in vielen kleineren Städten und Gemeinden eher nicht umgesetzt werden. Beide haben mit den beteiligten Akteuren zu tun und wie diese bereit sind miteinander zu arbeiten. Zunächst ist die eigene „ehrliche“ Reflexion der Situation als Akteur in einer Kommune erforderlich. Darüber hinaus ist es wichtig, dass eine gemeinsame verwaltungs- und kommunalpolitische Reflexion durchgeführt wird, sprich eine offene Auseinandersetzung mit der kommunalen Ist-Situation, den Marktkräften, den weiteren Akteuren vor Ort, aber auch der interkommunalen Konkurrenz zu Nachbarstädten. Zwar entwickeln viele kleinere Städte und Gemeinden integrierte Konzepte. Diese liefern sicher einen guten Ausgangspunkt, allerdings nur dann, wenn die in ihnen adressierten Akteure sich im Nachgang zum strategischen Arbeiten zusammenschließen und den im Konzept definierten Ist-Zustand immer wieder kritisch aktualisieren und ggf. erweitern. Nur so lassen sich Zielvereinbarungen treffen und wirksame Maßnahmen entwickeln. Strategisches Arbeiten heißt, Veränderungen im Prozess nicht als Hemmnis, sondern als Möglichkeit zu sehen, deren Bedeutung für den Prozess kritisch reflektiert wird. Das Ergebnis eines Beteiligungsverfahrens, eine Gesetzesänderung, das plötzliche Aussteigen eines zentralen Akteurs usw. können solche Fakten sein. Sie können mitunter starke Konsequenzen für den Prozessweg haben und dazu führen, dass einer der möglichen Nebenwege eingeschlagen wird. Auf Grundlage der veränderten Faktenlage wird festgestellt, was das Wahrscheinliche ist. Der Prozess kann also deutlich dynamischer sein.

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Abbildung 2 Strategisches Arbeiten bedeutet Nebenwege als Option von Beginn an mitzudenken

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Strategiehemmnis 1: Kompetenzverlust, Personal- und Zeitmangel

Strategisches Arbeiten setzt wie erwähnt neben der eigenen „ehrlichen“ Reflexion meiner Situation als Akteur auch die gemeinsame verwaltungs- und kommunalpolitische Reflexion voraus. Eine solche Strategie berücksichtigt „Persönlichkeit“, „Fähigkeiten“ und „Talente“ der Stadt. Sie folgt damit ihrer „Eigenart“ (WBGU 2016, S. 5) oder „Eigenlogik“, die es aber zunächst einmal durch die involvierten Akteure zu definieren gilt. In fast allen Fallstudien wurde deutlich, dass es vor allem an Zeit und auch der Möglichkeit, Abstand zu gewinnen mangelt. Das gilt für die Mitarbeiter der planenden Verwaltung, Kommunalpolitiker oder privatwirtschaftliche Akteure gleichermaßen. Gründe sind sicherlich auch in den Konsolidierungsbemühungen und Einsparungen vieler Kommunen beim Personal zu suchen, die in einigen Bundesländern in den vergangenen Jahren umgesetzt worden sind. Mitunter hat das eine prekäre Wirkung. Denn auf den Schultern weniger Mitarbeiter lastet dann eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben, die in größeren Städten in den Bereich unterschiedlicher Ressorts fallen würden. Mit dem Verlust von Stellen geht in den Verwaltungen zudem fachliche Kompetenz verloren. Selbst wenn neues Personal eingestellt werden kann, müssen Kompetenzen und Wissen erst sukzessive wiederaufgebaut werden. Allerdings ist es oft so, dass die wenigen neu zu besetzenden Stellen angesichts fehlenden Nachwuchses überhaupt nicht nachbesetzt werden, was die Belastung der „verbliebenen“ Mitarbeiter verschärft. Einige Kleinstädte besitzen vor Ort gar keine eigenen Verwaltungen mehr. Die Ressorts werden innerhalb von Verwaltungsgemeinschaften oder Verbandsgemeinden organisiert. Fast automatisch führt das zu zeitlichen wie fachlichen Engpässen. Zeit, Kompetenz und Wissen sind aber nötig, um für die Stadt oder Gemeinde eine Perspektive zu entwickeln. Das gilt auch unabhängig davon, dass Leistungen an Dienstleister, Entwicklungsgesellschaften oder Sanierungsträger übertragen werden können. Die Koordination innerhalb der Verwaltung, zwischen unterschiedlichen Akteuren kann zu Engpässen führen, die strategisches Arbeiten erschweren. Ein eher „durchstrukturierter“ Planungsprozess mit klar abgesteckten Teilschritten, die „abgearbeitet“ werden können, scheint der dann einfachere Weg zu sein.

Strategiehemmnis 2: Rückgriff auf übliche Planungstools

Fehlt diese Zeit zum Aufbau einer Perspektive aufgrund der verwaltungs- und kommunalpolitischen Situation, ist die Entwicklungsfähigkeit der Stadt oder Gemeinde eingeschränkt. Viele Akteure sind sich der Situation durchaus bewusst. Um dennoch Veränderungen auf den Weg zu bringen, wird dann oft mit bekannten Werkzeugen und Maßnahmen gearbeitet, von denen man ausgeht, dass sie auch ohne weitergehende Analyse der Ist-Situation funktionieren können. So wird ver-

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sucht, durch Angebotsplanungen für ausgewählte Lagen in der Kernstadt neue Investitionsanreize zu schaffen oder durch flankierende Aufwertungsmaßnahmen im öffentlichen Raum gestalterisch positive Akzente zu setzen, die dann einen positiven Entwicklungsimpuls geben sollen. Die Hoffnung ist also, dass sich beides positiv auf die Investitionsbereitschaft von Eigentümern oder Investoren auswirkt, und sich schließlich die Situation stabilisiert beziehungsweise eine Wachstumsdynamik entsteht. Wenn allerdings die für jede strategische Zielsetzung zentrale kritische Bestandsaufnahme und -bewertung des Ist-Zustands von der Stadt oder Gemeinde nicht geleistet werden kann, zeigen die an sich sinnvollen Maßnahmen zur Innenentwicklung lediglich geringe, vielfach sogar gar keine Wirkung.

Mögliche Themenfelder und Aufgaben in kleineren Städten und ­Gemeinden

Für die Studie zur Innenentwicklung war es wichtig, Rahmenbedingungen und Aufgaben zu benennen anhand derer dann strategisches Arbeiten beobachtet werden kann. Leitplanken stellten einerseits der Schwerpunkt auf „lebendige und nutzungsgemischte Wohn- und Versorgungsstandorte“ und andererseits der Fokus auf kleinere Städte und Gemeinden dar. Folgende Rahmenbedingungen und Aufgaben wurden hierfür benannt: • Sicherung und Stabilisierung vorhandener Nutzungen und Funktionen in den Kernstädten durch geeignete Strategien • Recyceln von Flächen etwa durch die Aktivierung von Brachen, Baulücken oder Leerständen, damit verbunden eine behutsame Nachverdichtung im Bestand durch Neu- und Umbau • bewusste Verlagerung von derzeit peripher gelegenen Nutzungen und Funktionen der Kommune in die Kernstadt (Polizei, Feuerwehr, Ämter) • Verbessern der Aufenthaltsqualität in öffentlichen Räumen, etwa durch Aufwertungsmaßnahmen von Plätzen, Straßenräumen oder Grün- und Parkanlagen • kooperierendes Miteinander zentraler Akteure (Eigentümer, Händler, Initiativen, Verwaltung und Kommunalpolitik), etwa durch den Aufbau von Netzwerken und kommunalen oder privaten Strukturen wie Zentren- oder Geschäftsstraßenmanagement, • gezielte Kommunikationsstrategien nebst der Entwicklung passender WerbeFormate im Online- und Offline-Bereich • konsequente kommunalpolitische Prüfung aller Investitionsentscheidungen der Stadt oder Gemeinde auf nachteilige Auswirkungen für die Kernstadt („Ortskernverträglichkeitsprüfung“).

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Widerspruch zwischen forschungsbezogenen ­Handlungsempfehlungen und Vor-Ort-Praxis

Das Spektrum ist umfänglich, vor allem wenn die Querbezüge der weiter oben benannten Aspekte mitberücksichtigt werden. Die Innenentwicklung ist allein durch die Heterogenität und hohe Anzahl an zu beteiligenden Akteuren und dann in Verbindung mit den baukulturell sowie bau- oder denkmalschutzrechtlich oft schwierigen Ausgangsbedingungen bei der Aktivierung von Flächen, Brachen oder leerstehenden Gebäuden deutlich aufwändiger in Vorbereitung, Prozessentwicklung und Umsetzung als die Außenentwicklung. So ist es bei Betrachtung übergeordneter Parameter (z. B. Nachhaltigkeitsstrategie, Landverbrauch, Klimawandelanpassung, Leitbild der Leipzig-Charta und so weiter) nachvollziehbar, dass Innenentwicklung Vorrang gegenüber der Außenentwicklung hat. Vor Ort in kleinen Städten und Gemeinden sieht das oft anders aus, „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ bleibt allzu häufig ein frommer Wunsch.

Erschöpfungspragmatismus: Außenentwicklung vor ­Innenentwicklung

Wenn auch durch das Forschungsprojekt nicht quantitativ belegbar, lassen qualitative Einzelaussagen der Akteure vor Ort in den Fallstudiengemeinden die Vermutung zu, dass die bereits genannten Faktoren Personalmangel, Kompetenz- und Wissensverlust innerhalb der kommunalen Verwaltungen ein Grund dafür sind, dass teilweise doch Außenentwicklung vor Innenentwicklung geht und nicht umgekehrt. Hier träfe dann Forschungserkenntnis auf kommunalen Erschöpfungspragmatismus, nach dem Motto „Außen ist einfacher, also Außenentwicklung!“ Bezogen auf Wohnen und Handel, also den thematischen Kern dieser Studie, kann es dann schnell zu sich selbst verstärkenden Effekten kommen. Gerade in kleineren Städten und Gemeinden mit stagnierenden oder schrumpfenden Bevölkerungszahlen nimmt der Verlust an traditionellen innerstädtischen Funktionen des Wohnens, des Einzelhandels oder der Ausstattung mit sozialer wie kultureller Infrastruktur zu, weil Flächen dafür an den Ortsrändern (problemloser) ausgewiesen werden können. Die Folge ist der in der Fachwelt vielbeklagte „Donut-Effekt“.

Ziel: differenzierte Erkenntnisse und eine Arbeitshilfe, die hilft

Will man also die zentralen (und eben überlasteten) Akteure in Verwaltung und Kommunalpolitik, aber auch Eigentümer und Unternehmer als Akteure einer nachhaltigen Innenentwicklung gewinnen, sind es solche und andere Faktoren, die als eine Realität vor Ort berücksichtigt werden müssen. Die im Rahmen der Studie entwickelte Arbeitshilfe „Strategien der Innenentwicklung“ (BBSR 2020)

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will die Akteure vor Ort erreichen. Sie tut dies unter anderem, indem sie kurz und anschaulich ihr Material präsentiert. Eine Mischung aus Strategie und anschaulichen Beispielen soll dazu anregen selbst Wege für strategisches Arbeiten zu entwickeln, und zwar gerade trotz allerlei Vorbehalten, Regularien aus Fördermittelprogrammen und sonstiger potenzieller Hindernisse. Um dem Identitätsverlust vieler kleinerer Städte und Gemeinden entgegenzuwirken, geht an einer erfolgreichen Innenentwicklung kaum ein Weg vorbei. Dass also der Schwerpunkt der Studie eine Fokussierung auf lebendige und nutzungsgemischte Wohn- und Versorgungsstandorte darstellt, ist Programm. Der Ausschnitt hilft zunächst, aus einer hohen Anzahl potenzieller Fallstudienorte möglichst jene zu finden, die einerseits eine voraussichtlich hohe „Ausbeute“ an Strategien erwarten, und andererseits möglichst vielfältige und differenzierte Prozesswege erkennen lassen. Um beide Ziele zu erreichen, also sowohl tiefere und differenziertere Einblicke in die Situation vor Ort zu gewinnen und damit verbunden etwas über die genannten „Zwischentöne“ zu erfahren, war es für die Entwicklung des Forschungsansatzes wichtig, eine Art Pendelbewegung zu vollziehen und zwar zwischen den Anforderungen zur Generierung fachlicher Erkenntnisse und denen einer zweckdienlichen Arbeitshilfe hin und her. Teil der Methodik war es also immer auch mit einer angenommenen Perspektive, die Akteure vor Ort einnehmen, zu operieren.

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Forschungsansatz und Verlauf

Aufgabe der Studie war es, Strategien für die Innenentwicklung in kleineren Städten und Gemeinden zu identifizieren, durch die diese als lebendige und nutzungsgemischte Wohn- und Versorgungsstandorte erhalten beziehungsweise zu solchen entwickelt werden können. Dafür wurden zehn Forschungsleitfragen formuliert. Sie halfen zunächst, Felder zu definieren, in denen Strategien untersucht werden sollten, und Kriterien für die Auswahl von Fallstudien zu bestimmen. Zudem definieren sie den Betrachtungsrahmen für die Auswertung der Ergebnisse: • Mit welchen Herausforderungen in der Innen- und Ortskernentwicklung müssen Kleinstädte umgehen? • Welche Ansätze und Strategien gibt es, um die Entwicklung – sowohl baulich als auch funktional – verstärkt auf die Stadt- und Ortskerne und den Siedlungsbestand zu richten? • Welche Instrumente und Ansätze haben sich besonders bewährt und warum?

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• Welcher Stellenwert kommt neuen Wohnformen oder multifunktionalen Einrichtungen zu, um die Stadt- und Ortskerne langfristig als attraktive Lebensmittelpunkte zu erhalten? • Welche Akteure sind bei der Innenentwicklung und der Sicherung lebendiger, nutzungsgemischter Stadtzentren einzubeziehen? • Wie gelingt es, Eigentümer für die Strategie der Kommune zu gewinnen? • Wie kann die Stadtgesellschaft einbezogen werden? • Welche Handlungsoptionen und Synergien ergeben sich im interkommunalen Zusammenhang für die Innenentwicklung? • Auf welche Fördermöglichkeiten und weitere Impulse und Unterstützung von außen können Kommunen zurückgreifen? Welche Bedeutung hat dabei die Städtebauförderung – insbesondere das Städtebauförderprogramm „Kleinere Städte und Gemeinden – für überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke“? • Welche Empfehlungen für die Ausgestaltung und Umsetzung des Programms lassen sich ableiten? Der vorab umrissenen Problemstellung folgend, wurden zusammen mit den Forschungsfragen das Forschungsdesign entwickelt. Es wurde so ausgerichtet, dass einerseits unterschiedliche inhaltliche Zieldefinitionen von Strategien erfasst werden können, zugleich aber auch die im Rahmen der Innenentwicklung konzipierten Strategiewege und damit verbundene Prozesselemente analysiert werden konnten. Dabei kam ein Methodenmix zur Anwendung. Vorbereitend wurde zunächst wie weiter oben bereits angedeutet besagte Arbeitsdefinition zur Innenentwicklung in kleineren Städten und Gemeinden formuliert. Kernelement zur Herleitung eines empirischen Befunds waren dann vor allem zehn Fallstudien. Sie wurden anhand eines differenzierten Kriterienkatalogs aus bundesweit über 100 verschiedenen Beispielen ausgewählt. Ausgewählt wurden: Neustadt in Holstein, Pritzwalk und Wittstock/Dosse, Flöha, AG Bachtal, Ilzer Land (Perlesreut, Grafenau, Thurmansbang), Eschwege, Hann. Münden, Vreden, Altena und die Kurstadtregion Elbe-Elster, Bad Liebenwerda. Aus den Ergebnissen von durchgeführten Experteninterviews und der Bereisungen wurden dann Thesen abgeleitet, die in einem Expertenworkshop mit Experten und Vertretern aus den zehn Fallstudienorten diskutiert wurden. Mit den Ergebnissen ließen sich dann strategische Ansätze identifizieren, die eine Grundlage für die oben erwähnte Arbeitshilfe und für die fachlich inhaltliche Untersetzung der Forschungsfragen bildeten. Betont werden muss allerdings, dass das Vorgehen – durchaus im Sinne strategischen Arbeitens – im Fortgang der Studie immer wieder rückgekoppelt und soweit erforderlich modifiziert wurde. Wenn man so will, waren – ganz im Sinne

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des untersuchten strategischen Arbeitens – auch Nebenwege zum zunächst definierten Hauptweg möglich. Sie resultierten unter anderem auch, wie weiter oben angedeutet, aus der Herausforderung, während des gesamten Forschungsvorhabens immer wieder in Form einer „Pendelbewegung“ die Perspektive zu wechseln zwischen wissenschaftlicher Auswertung und anwendungsbezogener Praxis vor Ort.

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Diskursive Ortsbegehung als methodisches ­Kernelement

Um Strategien, Zwischentönen und weiteren wichtigen Aspekten der lokalen Innenentwicklung bestmöglich auf die Spur zu kommen, wurden die Bereisungen als sogenannte diskursive Ortsbegehungen durchgeführt. Kernelement derselben ist es, formelle und informelle Momente im Laufe der Bereisung zielführend miteinander zu verschränken. So erhielten auf Innenstadtspaziergängen und in Gruppen- und Einzelinterviews lokale Akteure die Gelegenheit, ihre Herangehensweise an Innenentwicklung zu schildern. Durch den Wechsel formeller und informeller „Momente“ konnten funktionierende Strategien, deren Prozesswege und eingesetzte Werkzeuge, aber auch dabei auftretende Herausforderungen von unterschiedlichen Seiten besprochen werden. Der jeweilige Ablauf wurde mit den lokalen Akteuren im Vorfeld gemeinsam entwickelt. Er hing jeweils von der Situation vor Ort ab und unterschied sich oft in Art und Anzahl der beteiligten Akteure, aber auch von der jeweiligen Gesprächsdynamik.

Diskursive Ortsbegehung im Sinne strategischen Arbeitens

Rückblickend betrachtet kann festgestellt werden, dass sich die „Eigenart“ oder „Eigenlogik“ der Stadt oder Gemeinde bereits in diesen individuell vereinbarten Abläufen und dem vorgeschlagenen Spektrum an Akteuren spiegelte. Methodisch ist dabei zu unterstreichen, dass für das Gelingen der diskursiven Ortsbegehung ein mehr oder weniger vollständiges „Durchplanen“ und Strukturieren kontraproduktiv gewesen wäre. Die Begehungen wurden also selbst im Sinne strategischen Arbeitens durchgeführt. Ihr Ablauf verfügte demzufolge über eine gewisse Durchlässigkeit. Es war dabei die Aufgabe des Forscherteams, sich mit Sensibilität in die Situation, die „Sprache“, den Umgang miteinander vor Ort einzufühlen, um dann gezielt durch Nachfragen zentralen Punkten auf die Spur zu kommen. Die Resultate einer solch diskursiven Kultur war mitunter für die Akteure selbst überraschend, führte sie doch auch für sie neue Ergebnisse zutage. Ebenfalls dem strategischen Arbeiten verwandt, zeichnet sich das Format durch

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eine klare Zielsetzung, aber einer nur ungefähren Vordefinition eines Weges aus – verbunden mit einer stetigen Bereitschaft, Nebenwege zu gehen, um dem Ziel dadurch näher zu kommen.

Abbildung 3  Den Zwischentönen auf der Spur – Diskursive Ortsbegehungen

Auswertung der Bereisungen und Vorbereitung Expertenworkshop

Die Aufbereitung des vor Ort generierten Materials folgte einem abgestimmten Dokumentationsraster. Wesentliches Element waren Steckbriefe, in die neben den prinzipiellen Ergebnissen auch die erwähnten Zwischentöne eingearbeitet wurden. Aus den Ergebnissen jeder Fallstudie wurden dann Kernbotschaften abgeleitet. In ihnen sind zentrale Erkenntnisse und Erfahrungen akzentuiert. Der so entstandene Horizont zentraler Aussagen ermöglichte es, strategische Ansätze zu benennen und auch zu quantifizieren sowie die Anwendung formaler wie informeller Instrumente genauer herauszuarbeiten. Aus der Summe aller Fallstudienergebnisse konnten dann insgesamt 18 Thesen für verschiedene Wirkungsbereiche gebildet werden, die übergreifende Lösungsansätze aufzeigen sollten. Sie flossen zusammen mit

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der Arbeitsdefinition zur Innenentwicklung in das vorbereitende Dokument für den Expertenworkshop ein.

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18 Thesen für die Innenentwicklung

Die abgeleiteten insgesamt 18 Thesen bildeten die Ausgangslage für das weiterführende Gespräch mit Experten, Kommunalvertretern und Planenden im Expertenworkshop. Es handelt sich also um einen Status quo unterschiedlicher Möglichkeiten, die in den Fallstudien zu den beiden Kernthemen „lebendige und nutzungsgemischte Wohn- und Versorgungsstandorte“ derzeit ausprobiert und umgesetzt werden.

Rückversicherung: „Strategie der Strategie“ für Fachleute

Der Status quo an Möglichkeiten bezieht sich auf unterschiedliche Themenschwerpunkte. Damit wird ein Spektrum abgebildet, das jedoch selbstredend nicht von jeder kleineren Stadt oder Gemeinde in Deutschland erreicht wird – was auch gar nicht das Ziel ist. Vielmehr werden je nach Situation in der Regel mehrere Themenschwerpunkte angegangen und teilweise oder ganz erreicht. Die 18 Thesen wurden insgesamt sechs Rubriken (kommunaler Wirkungsbereich, Partner der Innenentwicklung, Handel, Wohnen, öffentlicher Raum, sowie spezifische Instrumente) zugeordnet. Sie werden hier ausschnittsweise zusammenfassend vorgestellt.

I Kommunaler Wirkungsbereich

Lagegunst, geografische Situation oder die verkehrliche Anbindung sowie generelle Trends in der Stadtentwicklung lassen sich nicht oder nur unwesentlich beeinflussen. Wer also in diesem Feld strategisch arbeiten möchte, setzt wesentlich auf endogene Potentiale. Diese lassen sich durch interkommunale Kooperationen verbessern. Dabei können Verwaltungen, starke Einzelpersönlichkeiten wie Bürgermeister oder auch bürgerschaftliche Initiativen zentrale Impulsgeber sein. Wie weiter oben angedeutet, sollten sich die Akteure von Zeit zu Zeit über Handlungsspielräume und sich ändernde äußere Faktoren klar werden. Auf dieser Grundlage können Prioritäten für die Entwicklung der Kerne oder die Zusammenarbeit mit Nachbargemeinden klarer bestimmt werden. Dabei sind Maßnahmen in der Kernstadt immer in Wechselwirkung mit Funktionen und Nutzungen in den Ortsteilen oder Nachbarkommunen zu gewichten und zu entwickeln, um Akzeptanz zu erhöhen. Bedarfe und Erwartungshaltungen in den Ortsteilen sollten im Dialog mit den Bürgern festgestellt werden.

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Die Bündelung von Verwaltungskompetenz und -ressourcen ist wichtig. Querschnittsaufgaben der Stadt- und Ortsentwicklung sind in kleineren Städten und Gemeinden oft personaltechnisch kaum noch zu leisten. Eine Lösung sind kommunale Verwaltungsverbünde.

II Partner der Innenentwicklung

Innenentwicklung sollte standort- bzw. quartiersbezogen und nicht allein objektbezogen betrieben werden. Soll das gelingen, ist eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe von Eigentümern, Politik und Verwaltung erforderlich. Spezifische Angebote (Beratung, kommunale Förderprogramme, Bestandschecks, Immobilienportal) sind hierfür zielführend. Das funktioniert vor allem dann besonders gut, wenn die Eigentümer vor Ort ansprechbar und kooperationsbereit sind. Ist dem so, können Händler- oder Gewerbevereine die kommunalen Bemühungen unterstützen. Voraussetzung, dass dies gelingt, sind flache Hierarchien und Transparenz. Bürgerschaftliches Engagement hilft, kann aber kommunale Aufgaben nur ergänzen. Die Kommune kann unterstützend eine Plattform oder Anlaufstelle einrichten. So können kulturelle und gemeinwohlorientierte Projekte etwa bei der Fördermittelakquise unterstützt werden. Auch andere Kommunen können Partner sein. Fast immer spielen dabei wirtschaftliche Interessen, Maßnahmen zur Verbesserung der Verwaltungseffizienz oder eine bessere Wahrnehmung nach außen eine zentrale Rolle. Ziel ist es beispielsweise, Funktionsteilungen im Kooperationsverbund zu erreichen. Selbst nicht institutionalisierte Kooperationen zur Zusammenarbeit in unterschiedlichen Handlungsfeldern zwischen Kommunen sind möglich, ohne dass diese dabei an Eigenständigkeit oder Identität verlieren.

III Handel

Zur Sicherung der Versorgungsqualität kernstädtischer Wohnungsbestände können Wohnungsgesellschaften und Einzelhändler bei der Absicherung der Nahversorgung kooperieren. So können Vollsortimenter mit einem größeren Marktbetrieb bei überschaubarem Risiko zusätzlich ein kleineres Ladengeschäft in der Kernstadt eröffnen (10-Euro-Einkauf). Wichtig dafür ist, dass die Eigentümer – vor allem wenn es sich um Einzelimmobilien handelt – gute Konditionen ermöglichen, die das Risiko für den Einzelhändler überschaubar halten. Erdgeschosszonen in Schlüsselimmobilien spielen für die Attraktivität von Kernbereichen eine wichtige Rolle. Wenn diese für den Einzelhandel dauerhaft unattraktiv sind, können sie für Wohn-, Dienstleistungs-, Bildungs- oder Kulturnutzungen entwickelt werden. Kommunalpolitik und Verwaltung können hier gut mit Investoren oder Wohnungsgesellschaften zusammenarbeiten.

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IV Wohnen

Angesichts der zunehmenden Alterung der Bevölkerung in der Mehrzahl der kleineren Städte und Gemeinden wird Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, aber auch bei der Gebäudesanierung und im Neubau zu einem zentralen Thema. Darüber hinaus wächst auch in kleineren Städten der Bedarf an neuem, qualitätsvollem Wohnraum etwa im Mietwohnungsbestand oder durch neue Wohnformen. Wohnen sollte nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit weiteren Angeboten wie gemeinschaftliches Wohnen mit Tagesbetreuungs-, Begegnungs- und Freizeitangeboten zu sogenanntem Co-Housing verknüpft werden. Auch kommunale Beratungs- und Förderangebote tragen zur Stärkung des Wohnens in den Stadt- und Ortskernen bei.

V Öffentlicher Raum

Eine Aufwertung von Bereichen und Räumen für Fußgänger ist nicht ohne attraktive Erdgeschossnutzungen erfolgreich. Wichtig ist eine Verknüpfung zwischen zentralen Anlaufpunkten und Schlüsselorten. Dies kann bis zur Herausarbeitung von Wegeverbindungen gehen und zu Verlagerung bzw. Stützung von Nutzungen führen. Qualitätsvolle Wegeverbindungen können die Imagebildung der Gemeinde nach außen und nach innen verbessern.

VI Spezifische Instrumente

Die Gründung adäquater Trägerstrukturen kann für die Kommunen zielführend sein. Sie ist dann zu empfehlen, wenn die Aufgaben nicht zum Alltagsgeschäft der Verwaltung zählen oder über den Markt geregelt werden können. Die Trägerstruktur entlastet die Verwaltung und hilft Kompetenzen aufzubauen. Zu empfehlen ist folgendes Vorgehen: Die Kommune untersucht erstens, wie die konkrete Aufgabe formuliert wird und arbeitet das damit verknüpfte Ziel heraus. Sie stellt zweitens fest, welche Instrumente (finanzielle Unterstützung, Kooperation) erforderlich sind und drittens, was für die Umsetzung eine passende Trägerstruktur sein kann. Viertens unterstützt sie die Gründung der Trägerstruktur. Die Organisationsform ist vom Ziel abhängig. Denkbar sind Projektgesellschaften, Genossenschaften, Vereine etc. Temporäre „Pop-Up-Stores“ werden seit einiger Zeit auch für kleinere Städte und Gemeinden diskutiert und erprobt. Gewerbetreibende können so nachhaltige Impulse setzen. Die Anzahl potenzieller Betreiber ist, das haben die Fallstudien gezeigt, allerdings in kleinen Städten und Gemeinden begrenzt. Für die dauerhafte Beseitigung strukturellen Leerstands sind sie nur bedingt geeignet. Damit anstehende Investitionen von Seiten der Kommunen, aber auch Mittel aus Förderprogrammen der Länder oder des Bundes bzw. größere Vorhaben von

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Investoren, sich nicht kontraproduktiv zur Innenentwicklung auswirken, ist für diese Investitionen ein Bestands-Check in Form einer Innenstadtverträglichkeitsprüfung zu empfehlen. Dabei soll mindestens erhoben werden, ob das Vorhaben einen Mehrwert für die Kernstadt generieren könnte oder ob es den Zielen der Innenentwicklung nicht entgegensteht.

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Ergebnisse aus dem Expertenworkshop

Die Thesen wurden im Expertenworkshop zum Teil kontrovers diskutiert. Dessen Intention war es, aus dem Zwischenergebnis gemeinsam Ansätze für übergeordnete Strategien zu entwickeln. Das Besondere, dass es sich nämlich um jene Akteure handelte, die experimentell und zum Teil mit viel Mut Strategien entwickelt und erprobt haben, galt es also zunächst mal im Sinne des erwähnten „Selbsterinnerns“ zu klären. Die von einigen Kommunalpolitikern gestellte Frage, was man denn noch tun könne, um die Innenentwicklung zu befeuern, stand demzufolge im Hintergrund. Was im Kontext des Expertenworkshops zunächst verstanden werden musste war, dass es in den Diskussionen um eine spezifische Form der Prozessgestaltung  – nämlich strategisches Arbeiten und wie man es verbessern kann – gehen sollte, weniger aber um gegebenenfalls neue Instrumente und Werkzeuge. Gerade bei letzterem sahen sich ihrem Verständnis nach viele Fallstudienkommunen am Limit dessen, was möglich ist. Das Spektrum sei weitgehend ausgereizt, was zu einem Teil aber auch mit übergeordneten strukturellen Abhängigkeiten zu tun hat, auf deren Verbesserung die Kommunen selbst nur sehr geringen oder keinen Einfluss haben.

Übergeordnete Strukturen verbessern: Drei Schlüsselthemen

Zentral war dabei vor allem das Thema Digitalisierung. Die in Deutschland weit hinter dem europäischen (und auch weltweiten) Durchschnitt liegende Versorgung mit schnellem Internet wurde grundsätzlich, mit Bezug auf die Situation vieler kleinerer Städte und Gemeinden spezifisch, als mangelhaft dargestellt. Wenn die kleinen Kommunen ihre in den letzten Jahren wachsende Attraktivität als Wohnstandort mit hoher Lebensqualität entwickeln wollen, müssen auch die Möglichkeiten zum Arbeiten eine hohe Qualität aufweisen. Teleworking, aber auch CoWorking oder die Gründung kleinerer Start-ups, sind auf ein schnelles Internet angewiesen. Ohne dieses würden in spätestens 10 Jahren sämtliche sonstigen Qualifizierungen der Innentwicklung wirkungslos.

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Als für die Zukunftsfähigkeit ebenfalls wichtig wurde die Anbindung an die schienengebundene Verkehrsinfrastruktur diskutiert. Im Umfeld von Metropolen wie Berlin oder München seien die Umlandkommunen in so genannten „Speckgürtel“ (bis 50 km) mittlerweile gut erreichbar, wenngleich die Taktung oft nicht ausreiche. Jenseits davon fehle es aber an attraktiven Möglichkeiten, wodurch eine Reihe von Kommunen deutliche Nachteile habe. Dieser Punkt spiegelt sich mit einer Reihe von „Zwischentönen“, die das Projektteam auf den Fallstudienbereisungen gesammelt hat. Als drittes Schlüsselthema wurde die Daseinsvorsorge in der Fläche adressiert. Wie kann die disparate Situation in vielen kleineren Städten und Gemeinden, vor allem aber in den Ortsteilen durch gezielt eingesetzte Mittel – auch vom Bund – verbessert werden? Sowohl die Kommission für gleichwertige Lebensverhältnisse als auch die Baulandkommission beschäftigen sich mit diesem Thema.

Themenfelder für das strategische Arbeiten Handel Der Handel befindet sich insgesamt  – vor allem durch den digitalen OnlineHandel – in einem Transformationsprozess. Das spürt insbesondere der stationäre Einzelhandel in kleineren Städten und Gemeinden vermutlich noch mehr als in Großstädten. Wie sich die Transformation allerdings genau vollzieht, blieb offen. Weit mehr weiß man über das Kundenverhalten. Kunden wünschen faktisch unisono eine schnellere, bequemere und direktere Versorgung. Mit Blick auf die Innenentwicklung sind ihnen die Konsequenzen und Wechselwirkungen für die eigene Stadt kaum klar. Strategisch müssten also gerade kleinere Städte und Gemeinden stärker Aufklärungsarbeit innerhalb der Bevölkerung leisten. Es geht darum zu erkennen, dass kleinteilige Einzelhandelsstrukturen in Zentrumslage einen Mehrwert für die Lebensqualität in der Kernstadt haben. Allerdings muss gefragt werden, wie realistisch das ist. Prädestinierend ist zunächst die Nähe zu den Bewohnern, was jedoch alleine nicht ausreichen wird. Es bedarf einer übergeordneten bundesweiten Strategie zur Gestaltung des Handels in ländlichen Räumen.

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Abbildung 4­ Nicht nur Online-Handel bedroht den stationären Einzelhandel in Kernstädten

Bürgergesellschaft stärken Dass die „Bürgergesellschaft“ einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung der Innenentwicklung leisten kann, ist evident. Intensiv diskutiert wurde, dass Kommunen bei der strategischen Innenentwicklung alle Generationen in den Blick nehmen müssen – nicht nur Ältere und junge Familien. Dieser Punkt war bereits aus den Expertengesprächen im Vorfeld der Fallstudienbereisungen hervorgegangen und wurde hier noch einmal eindringlich bestätigt. Aufgabe der Kommune wird es zunehmend, zwischen den Zielgruppen zu moderieren. Allerdings zeichnet sich, wie andernorts auch, in Beteiligungsverfahren eine Verhärtung der Fronten ab. Veränderung wird per se als „Störung“ empfunden. Begriffe wie sozialer oder geförderter Wohnungsbau können zum Teil nicht mehr benutzt werden, da sie sofort als kommende „Störung“ interpretiert und abgelehnt werden. Zu Fragen ist aber auch, ob die Zielgruppe der 30- bis 40-Jährigen, die für die Sicherung der Zukunftsfähigkeit der Kommune wesentlich ist, überhaupt mit Beteiligungsinstrumenten erreicht werden kann. Ein Ansatz zum Umgang mit dieser Zielgruppe wird immer wichtiger.

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Übergeordnete kommunale Zielsetzungen Auch für kleinere Städte und Gemeinden in schrumpfenden oder stagnierenden Regionen gilt: Bodenpolitik ist ein Schlüssel gelingender Innenentwicklung. Trotz des bürgerschaftlichen Widerstands sind Ansätze zu finden, wie bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung gestellt werden kann. Ohne solche Impulse und Angebote sind neue Bewohner kaum für eine kleine Stadt oder Gemeinde zu finden. Insgesamt müssen sich Kommunen viel stärker intern, aber auch mit ihren Nachbarn abstimmen, welche Handlungsfelder man besetzen möchte. Diese Rollenfindung ist angesichts übergeordneter Veränderungsprozesse in kurzen Intervallen zu aktualisieren. Strittig ist die These, dass zur Sicherung der Attraktivität die Kernstadt eher verkleinert werden sollte, als hohe Leerstände zu haben. Trotz des gut gefüllten Werkzeugkoffers ist vielen Kommunen unklar, welche instrumentellen Möglichkeiten tatsächlich bestehen. Selbst Protagnisten fehlt es an Erfahrungen. Ähnlich wie bei notwendiger Aufklärungsarbeit im Einzelhandel sind kleine Städte und Kommunen angesichts der kurzen Wege zwischen den Akteuren prädestiniert, innovative Prozesse einzuleiten. Mobilität Gerade kleine Städte und Gemeinden sollten sich klarmachen, dass Deutschland eine mobile Gesellschaft ist. Die Konsequenzen für Arbeiten, Wohnen und Alltagsgestaltung werden zu wenig bei der Rollendefinition der Kommune reflektiert. Diese Rollendefinition scheitert oft an der Aufklärung einfacher Widersprüche zwischen der individuellen Wahrnehmung des eigenen Mobilitätsverhaltens und dem übergeordneten Widerstand gegen motorisierten Verkehr. Ähnlich wie beim Handel werden die Konsequenzen des eigenen Verhaltens nicht mit Wirkung auf das eigene Lebensumfeld reflektiert. Begegnungsräume Zwar wird die Gestaltung solcher Räume als Schlüssel vermerkt, kritisch zu betrachten ist dabei aber der Unterschied zwischen optischem Eindruck und tatsächlicher Aufenthaltsqualität. Besonders Plätze und Grünräume sollten eine hohe Vielzahl an Nutzungen ermöglichen. Dabei werden nach wie vor nicht alle Generationen (z. B. auch Kinder- und Jugendliche) einbezogen. Strategische Ansätze, deren Zielsetzung mehr Multifunktionalität vorsieht oder entsprechende Ziele zunächst durch kurzfristige temporäre Interventionen oder Nutzungen testweise zu erproben, um etwaige Zielkonflikte besser erlebbar zu machen, werden kritisch diskutiert und dann oft nicht umgesetzt. Temporäre Nutzungsangebote, um Leerstände zu aktivieren oder neue Konzepte zu erproben, sind eine Option, die allerdings, oft aus Unkenntnis des Instruments oder Formats, nicht gezogen werden.

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So sind Zwischennutzungen und Nutzungsexperimente in kleinen Städten und Gemeinden noch eine Seltenheit.

Abbildung 5  Herausforderung: Attraktives Wohnen im Kern für alle Generationen

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Strategisches Arbeiten – ein Prinzip

Im Nachgang wurden 10 strategische Ansätze für die erwähnte Arbeitshilfe ausgearbeitet und durch entsprechende Beispiele aus den Fallstudien spezifiziert. Sie beginnen mit dem gemeinsamen Ermitteln und Herstellen von Grundlagen, zeigen, wie man Partner für die Innenentwicklung innerhalb der Kommune findet und dann spezifische Unterstützungsangebote etwa für private Eigentümer aufbaut. Grundsätzlich für das strategische Arbeiten ist es dann, alle Generationen und Kulturen mitzunehmen und generationenübergreifende Nutzungsangebote zu schaffen. Dazu zählt wesentlich, Wohnen in allen Lebenslagen und die Kernstadt in Wechselwirkung mit den Ortsteilen und Nachbarkommunen zu entwickeln. Auch die Qualifizierung von Grün- und Freiraum sowie die Verbesserung von Wegeverbindungen und Lauflagen sind weitere strategische Ansätze, genau wie für die Versorgung und Einzelhandel andere Wege und Optionen zu entwickeln.

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Mit etwas Abstand zu den Gesprächen und Reflexionen aus den Fallstudienbesuchen kann man konstatieren, dass dort, wo mit Mut und Offenheit agiert wurde, auch strategisch gearbeitet wurde. Allerdings passierte dies fast immer, ohne dass die Akteure dies explizit so bezeichnet hätten. Sicherlich hat das auch damit zu tun, dass strategisches Arbeiten vor allem dann ins Spiel kommt, wenn gängige Wege des Planens und der Einsatz von Instrumenten, die man vermeintlich „einfach“ übertragen kann, versagen. Strategien in der Innentwicklung bedeuten, dass man eher suchend und tastend im Opaken voranschreitet, um zum Ziel zu gelangen. Wie gesagt: Wer nach dem Prinzip des strategischen Arbeitens vorgeht, kann andere, neue Wege und Nebenwege, vor allem aber auch Optionen in der integrierten Stadtentwicklung entdecken, die ansonsten so nicht entstehen würden. Angesichts des komplexen Zusammenspiels endogener und exogener Faktoren führt solches Arbeiten möglicherweise dann eher zum Erfolg als ein bis ins Detail durchgearbeiteter Prozessplan, der zwar vermeintlich „abgearbeitet“ werden kann, gegenüber „Störungen“ aber deutlich weniger Resilienz zeigt. Ein scheinbar sichererer Weg des Planens steht also einer Reihe scheinbarer Risiken der Strategie gegenüber. Zweifellos gilt: Wer strategisch arbeitet, muss mehr mit Wahrscheinlichkeiten umgehen, die oft auf nur „ungefähren“, nicht gänzlich sicheren Faktenlagen basieren. Das stellt für alle in Verantwortung stehenden Akteure vor Ort eine Herausforderung dar. Eine Legitimation ist von den betroffenen Stadtbewohnern oft nicht ganz so einfach zu bekommen. Um so wichtiger wären zwei Dinge. Erstens: Beispiele, in denen „Zwischentöne“ deutlich „hörbar“ gemacht werden, um das, was den Erfolg der jeweiligen Strategie letztlich ausmacht, besser verstehen zu können. Zweitens: Eine an der Vor-Ort-Praxis orientierte Arbeitsdefinition strategischen Arbeitens, die ergänzt, geändert und insgesamt entlang der Alltagspraxis weiterentwickelt und Akteuren vor Ort zugänglich gemacht wird. Der Beitrag versteht sich demzufolge als Angebot, die hier als vorläufig vorgestellte Definition zu diskutieren und weiter zu präzisieren.

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Literatur

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BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung (Hrsg.) (2020). Strategien der Innenentwicklung. Lebendige und nutzungsgemischte Wohn- und Versorgungsstandorte in kleineren Städten und Gemeinden. Eine Arbeitshilfe. Bonn. BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung (Hrsg.) (2019a). Hidden ­Champions und Stadtentwicklung. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung innovativer Unternehmen für Kleinstädte in peripherer Lage. Bonn. BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung (Hrsg.) (2019b). Kleinere Städte und Gemeinden – überörtliche Zusammenarbeit und Netzwerke. Dritter Statusbericht zum Städtebauförderprogramm. Bonn. BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung (Hrsg.) (2018). Urbane ­Kleinstädte. Bonn. Mitschang, Stephan (2014). Umsetzung des Leitbildes der Innenentwicklung – eine Bewertung der städtebaulichen Planungsinstrumente, In: Mitschang, Stephan (Hg.) ­ Innenentwicklung. Fach- und Rechtsfragen der Umsetzung (Berliner Schriften zur Stadtund Regionalplanung 22). Frankfurt/Main, S. 23–86. Porsche, L. (2015). Die Lage entscheidet – ExWoSt-Forschungsfeld „Potenziale von ­Kleinstädten in peripheren Lagen“. In: BBSR (Hg.): Forschung im Blick 2015/2016. Bonn, S. 21–24. UBA – Umweltbundesamt (2015). Innenentwicklung organisieren – Kommunale Organisationsstrukturen für ein effizientes Flächenressourcenmanagement im Praxistest. Dessau-Roßlau. Wüstenrot Stiftung (Hrsg.) (2019). Neues aus kleinen Städten und großen Dörfern. ­Ludwigsburg. WBGU – Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen (2016). Der Umzug der Menschheit: Die transformative Kraft der Städte. Berlin

Rubrik Lehre



Transformation StadtLand



Kerstin Schenkel

Zusammenfassung

Die Winterschool 2018 zum Thema StadtLand-Campus und die in diesem Kontext stattfindenden intensiven Diskussionen haben vielfältige Impulse zur (Klein)Stadterneuerung erarbeiten können. Zum einen stellt die Winterschool nicht nur selbst ein emanzipatorisches und experimentelles Lehr- und Lernformat dar, sondern hat mit der Konzeptionierung der StadtLandCampusProjekte ihrerseits ein solches Format entwickelt. Die darin enthaltene Idee der LernLabore bzw. Reallabore im ländlichen Raum beinhalten sowohl eine nachhaltige Forschungsorientierung als auch eine inter- und transdisziplinäre sowie partizipative Ausrichtung (Schneidewind et al. 2017). Das entwickelte Planungsprozessverständnis bezieht gesellschaftliche Akteure in die Definition und Bearbeitung stadtplanerischer Problemstellungen vor Ort ein und etabliert andere Formen und Akteure der Wissensgenerierung (Nawis 2014). Damit wird ein Pfad beschritten, der eine Umsteuerung der großstadtfixierten Stadtplanung nicht nur inhaltlich, sondern auch räumlich-materiell beschreitet. Angemessene Antworten auf die Problemstellungen von Kleinstädten in peripheren Räumen werden so nicht aus der Distanz, sondern in Kooperation, im transformativen Dialog und im gemeinsamen Lernen, Leben und Arbeiten vor Ort entwickelt.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3_14

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Im Zentrum des Hochschuldialogs 2018 der Nationalen Stadtentwicklungspolitik standen die peripheren ländlichen Räume und ihre Klein(st)städte sowie ihre spezifischen Herausforderungen in Zeiten starker technischer und gesellschaftlicher Transformationen . Die status- und institutionenübergreifenden Diskussionen während der Winterschool haben den Beitrag der Hochschulen für stärkere StadtLand-Vernetzungen und die produktive Entwicklung der ländlichen Räume sowie ihrer Provinzstädte in Deutschland diskutiert . Dazu gehören u . a . der steigende Bedarf an akademischer Forschung und Lehre auf dem Land und die Erweiterung der Planer-Ausbildung um Reallabore im ländlichen Raum . Mit den Hochschul-Campus-Konzeptionen sind von den Studierenden dynamische Bilder der Provinzstadt als Lehr- und Lernraum des StadtLands entwickelt worden .

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Hochschuldialog der Nationalen Stadtentwicklungspolitik

Im Rahmen des Hochschuldialogs der Nationalen Stadtentwicklungspolitik dienen zwei Formate der Diskussion von Forschungsthemen, Forschungsvorhaben und aktuellen Methoden . Die Hochschultage organisieren den Austausch zwischen Vertreter*innen aus Bund, Ländern und Kommunen, Wissenschaft und Forschung . Die einwöchigen Winterschulen „Fachlicher Nachwuchs entwirft Zukunft“ fördern die Zusammenarbeit zwischen Studierenden und Lehrstühlen der Planungsfakultäten in Deutschland sowie dem Bundesbauministerium und dem BBSR .

Das Format „Fachlicher Nachwuchs entwirft Zukunft“

Vor elf Jahren an der Technischen Universität in Berlin erstmals ausgerichtet ist mit dem Projekt das Ziel verbunden, aktuelle Forschungsfelder urbaner Entwicklungen mit dem Potential junger, angehender Stadtplaner*innen an den Hochschulen zusammenbringen . Jedes Jahr entwickeln die Studierenden der beteiligten Hochschulen über ein Semester in experimentellen Arbeitsweisen neue Denkzugänge und Handlungsansätze zu dem jeweils gewählten Planungsthema . Das Projekt besteht aus drei Bausteinen: (1) den Semesterprojekten der beteiligten Hochschulen, in denen einzelne Facetten des jeweiligen Rahmenthemas im Mittelpunkt stehen, (2) der einwöchigen Winterschool, an der alle Beteiligten gemeinsam intensiv und hochschulübergreifend das gemeinsame Thema in Form einer spezifischen Aufgabenstellung diskutieren und vertiefen . Zudem stellen die Studierenden (3) die Ergebnisse ihrer Arbeit im Rahmen des Hochschultags „Nationale Stadtent-

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wicklungspolitik“ einer breiten Fachöffentlichkeit vor (TU Berlin 2018) . Durch die unterschiedlichen Ausprägungen der beteiligten Lehrstühle – von entwurfsorientiert bis hin stadtsoziologisch ausgerichtet– können die Studierenden von vielfältigen Perspektiven auf die komplexen Sachverhalte heutiger Stadtplanung profitieren. Unterschiedliche Kompetenzen, Wissensbestände und Zugänge jenseits der Statusgruppen der Professor*innen, Wissenschaftler*innen und Studierenden ermöglichen so neue Blickwinkel und schaffen den angehenden Stadtplanerinnen und Stadtplanern eine neue Plattform (Nationale Stadtentwicklungspolitik o .J .) .

Die Semesterprojekte 2018|19 „Produktive Provinzstadt“

Im Zentrum der im Wintersemester 2017|18 stattgefundenen elf Semesterprojekte stand das in Zusammenarbeit von BMI, BBSR und Planungsfakultäten ausgehandelte Thema „Die Produktive Provinzstadt“ . Gemeinsam sollten Entwicklungspfade von Kleinstädten eruiert sowie visionäre und zukunftsausgerichtete Handlungs- und Gestaltungsperspektiven für die Kleinstädte in peripheren ländlichen Räumen – den sgn . „Produktiven Provinzstädten – formuliert werden . Im Vordergrund stand dabei die Frage, welchen produktiven Input – in ökonomischer als auch schöpferisch-kreativer Perspektive – dieser Typus ländlicher Räume und seine Provinzstädte heute für die Entwicklung unserer europäischen Gesellschaften des 21 . Jahrhunderts geben kann .

Abbildung 1

Projektlogo „Produktive Provinzstadt“ (Quelle: Bentlin 2017)

Die Studienprojekte konnten Transformationsprozesse identifizieren und visionäre Ideen für die Zukunft der ländlichen Räume und ihrer Klein(st)städte in Deutschland entwickeln . Dazu gehörte u . a . die vergleichende Studie der BTU Cottbus zur wirtschaftlichen Entwicklung von Klein- und Mittelstädten in der Lausitz, in deren Verlauf Produktivität von Provinzstädten als durch Wissenschaft, Industrie aber auch durch das Engagement der lokalen Bevölkerung geschaffen beschrieben

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wurde (Weidner & Maikämper 2018). Im Semesterprojekt »LandschaFFt Zukunft« der Fachhochschule Erfurt wurde die bestehende Raumhierarchie neu gegliedert und der Bürgerhaushalt als starkes Mitbestimmungsinstrument für die Bürger sowie die Finanzmittelzuweisung als zweite Säule etabliert. Ein neues Berechnungsmodell integrierte u. a. zivilgesellschaftliche Aktivitäten, regionale Wertschöpfung und interkommunale Zusammenarbeit. Im Teilprojekt »LandERschaFFt sich« wurde das Instrument des LandLotsen entwickelt, um durch die Förderung gesellschaftlicher Beteiligungsstrukturen einen Beitrag zur Angebotssicherung der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum zu leisten. Das Potential hybrider Räume für die Entwicklung ländlicher Räume stand unter dem Titel »LandschaFFts gemeinsam«. Deutlich wurde, dass hybride Gebäudenutzungen und Aufgabenteilungen die interkommunale Zusammenarbeit zur Sicherung der Daseinsvorsorge befördern können (Schenkel et al. 2018). StadtLandKooperativen standen im Mittelpunkt des Kasseler Projekts unter Nanni Grau (2018). Ziel war eine kritische Auseinandersetzung mit experimentellen Strategien der Raumproduktion durch Verflechtungen großstädtischer und peripherer Orte, die der Aktivierung strukturschwacher Regionen durch selbstorganisierte Nutzer- und Akteursgruppen dienen können.

Abbildung 2  Vorstellung der Seminararbeiten (Fotograf: Jörg Behrens 2018)

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Die aus den Lehrprojekten hervorgegangenen Ergebnisse und ihre Präsentation bildeten den Startpunkt für die gemeinsame Winterschool 2018 in der Planungsfakultät der Fachhochschule der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt.

Die Winterschool „StadtLandCampus“

Die Winterschool widmete sich der Konzeption eines „StadtLandCampus“, eines Hochschulstandorts im ländlichen Raum. Ziel war es neue Beziehungen und Netzwerke zwischen Land und Stadt zu schaffen, einen Experimentierraum für transformatives Planen, Bauen und Wirtschaften in peripheren Räumen herzustellen und damit zur Realisierung nachhaltiger, zukunftsfähiger und lebenswerter Gesellschaftsstrukturen beizutragen. Berücksichtigt werden sollten zudem die Beziehungs- und Netzwerkqualität zwischen Erfurt und der Kleinstadt in wissenschaftlich-fachlicher, sozial-kultureller und räumlicher Hinsicht, die Planungsprozessqualitäten solch eines transformativen Planungsprozesses sowie ein transdisziplinäres Curriculum für einen Studiengang. In den Projektierungsprozess praktisch einbezogen waren die thüringischen Kleinstädte Bad Liebenstein und Stadtilm sowie das Dorf Nöbdenitz im Altenburger Land und deren Bürgermeister und Planungs- bzw. Bauämter.

Abbildung 3  Winterschool: Konzeptionsarbeit (Fotograf: Jörg Behrens 2018)

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Abbildung 4  WorldCafe: Ab aufs Land (Fotograf: Jörg Behrens 2018)

Im Ergebnis sind drei lokale/regionale Campus-Konzeptionen hoher Qualität entwickelt worden. Der Campus Vitale in Bad Liebenstein überträgt die Kleinteiligkeit und Polyzentralität als prägenden raumstrukturellen Charakters Thüringens auf die Maßstabsebene des Campus. Er knüpft an Standortfaktoren und sektorale Qualitäten Bad Liebensteins an und schlägt eine Brücke zwischen lokalen Experten, (Landes-)Verwaltung und Bildungsinstitutionen der Region. Der Campus Ilmtal – Der Sprung aufs Land verzahnt seine Entwicklung mit einer behutsamen Stadterneuerung und gibt Impulse zur Revitalisierung der Innenentwicklung. Die lokale Wirtschaft und das öffentliche Leben profitieren durch den steigenden Bedarf an Gastronomie, Nahversorgung, Freizeiteinrichtungen und Veranstaltungen. Sowohl studentisches als auch bürgerschaftliches Engagement können genutzt werden um Projekte vor Ort anzustoßen und zu realisieren. Der NetzwerkCampus – Land macht Bildung hat seinen Standort im Dorf Nöbdenitz. Er rückt die Problematiken der ländlichen Räume ins Bewusstsein der Stadtplanungspolitik und trägt Dynamik in die Entwicklung peripherer Standorte. Er konzentriert sich verstärkt auf die Vernetzung unterschiedlicher Akteure wie Hochschulen, Unternehmen, Gemeinden und Städten und verortet das Leben, Arbeiten und Lernen und Lehren dezentral innerhalb des Ortes in bereits bestehenden Räumlichkeiten.

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Abbildung 5  NetzwerkCampus Nöbdenitz (Quelle: Bentlin et al 2018)

Im Kontext der Winterschool wurden von den Studierenden über die Konzeptionsarbeit hinaus Forderungen entwickelt, die die Qualifikationen der Stadtplaner*innen stärker für die planerischen Herausforderungen in ländlichen Räume vorbereiten sollen. Dazu gehört u. a. der Appell nach Einrichtung eines interdisziplinären ruralen Planungsstudiengangs und der Etablierung eines AufsLandsemesters sowie die inhaltliche Erweiterung schulischer Curricula um die vielfältigen Lebenssituationen in ländlichen Bereichen sowie die Abhängigkeit zwischen Stadt und Land. Die Ergebnisse der Winterschool wurden im Rahmen des Hochschultages 2018 im Format einer FishBowl-Diskussion und unter Beteiligung von Almuth Draeger (BMUB) sowie dem Nöbdenitzer Bürgermeister André Gampe präsentiert.

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Sie haben spannende, aber auch kontroverse Diskussionen um den tatsächlichen Neuwert dieser Konzeptionen aber auch hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit ausgelöst.

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Produktives StadtLand

Im Rahmen der Winterschool wird jährlich obligatorisch ein Positionspapier der projektbegleitenden Wissenschaftler*innen zum übergeordneten Arbeitsthema verfasst, im Jahr 2018 zu der Produktiven Provinzstadt (Bentlin et al. 2018, S. 64ff.) In der Diskussion und Positionierung wurde der Begriff des Produktiven StadtLands gleich zu Beginn dem der Produktiven Provinzstadt gegenübergestellt. Es sollte verdeutlicht werden, dass Kleinstädte, regionale Zentren und aktive Regionen in ihrem dynamischen Potential und ihrer urbanen Prägung durch die polarisierten Zuschreibungen des ländlichen Raums im Allgemeinen keine angemessene Narration erfahren. StadtLand verdeutlicht demgegenüber die gegenseitige Durchdringung der städtischen Lebensweise mit ländlichen Idealen sowie der ländlichen Lebensstile mit städtisch-urbanen Elementen bzw. die Annäherung von Lebenswirklichkeiten von Stadt- und Land-Bewohnern. Um ein Verständnis dieser vielfältigen Lebensrealitäten zu entwickeln sind deshalb u. a. auch vertiefende sozialräumliche Studien, interdisziplinäre und vergleichend regionale wie nationale und internationale Blickwinkel sowie auch eine verbindliche Präsenz vor Ort erforderlich. Hochschulstandorte im ländlichen Raum könnten als Anker im regionalen Innovationssystem ortsgebundenes Wissen mit Hochschullehre und -forschung verbinden. Als Akteur und Transformationsgegenstand in einer Region verstärken sie den Austausch zwischen Stadt und Land auf Augenhöhe. Kritisch thematisiert wurde zudem das weiterhin gültige raumordnerische Prinzip der zentralen Orte bzw. der Zentralräume, dass mehr Mängelverwaltung darstellt als Chancenentwicklung und Potentialorientierung für peripher gelegene Kleinstädte. „Die Neubestimmung zukünftiger Entwicklungspfade von Gemeinschaften (Gebietsreformen) und der Ausstattung mit Infrastrukturen und ihrer Trägerschaft muss von den Gemeinden mitentwickelt und nicht von oben und ohne örtlichen Wirklichkeitsbezug verordnet werden“ (Bentlin et al. 2016, S. 66). Zur Stärkung lokaler Entscheidungsrechte und Selbstverwaltung kann die Einsetzung intermediärer Akteure gehören oder auch Bürgerhaushalte als starker zweiter Säule der Finanzierung der Daseinsvorsorge. Denkbar sind auch neue demokratische Formate, wie ein ländliches Parlament. Zudem sollte Raumordnung neu zu denken bedeuten, die finanzielle Ressourcenausstattung neben

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der Einwohnerzahl auch an Faktoren wie die Fläche und die Gemeinwohlausrichtung der Gemeinden zu knüpfen. Eingegangen wurde auch auf die bestandsorientierte Stadtlandentwicklung. Im Vordergrund stand das Experiment mit Standards und Normen um den Neubaudarf zu senken. Dazu gehören auch die Orientierung an Nutzungsmischung, Hybridität sowie gezielter Funktionsüberlagerungen von bebauter Fläche und öffentlichen Räumen. Statt unkontrollierter Zersiedlung und EFH-Gebietsausweisungen bedarf es eines Bewusstseins für Baukultur und der Etablierung differenzierter gemeinschaftlicher wie individuellerer Wohnformen und Wohnungsangebote für verschiedene Lebensphasen. Dazu können das selbständiges Wohnen im Alter, die WG für den verwitweten Mann, das gemeinschaftliche Wohnen oder auch die erste eigene kleine Wohnung gehören. Auch Sharing-Ansätze des StadtLandes sind denkbar, wenn flexible, dynamische Arbeitsverhältnisse zeitlich befristete Wohnformen mit sich bringen oder wenn Bedürfnisse nach Abwechslung – nach ländlicher Ruhe für Stadtbewohner und städtischer Kultur für Landbewohner – korrespondieren. Im Kontext des Mobilitätsbedarfs wurde konstatiert, dass die ländlichen Räume und die Vernetzung des StadtLandes die Innovationsräume für neue Arten von Mobilität – insbesondere digitalisierter Mobilität – darstellen. Fläche bzw. StadtLand sollte als Netzwerkstadt gedacht werden und die Daseinsvorsorge nicht zuvorderst als Angebotsmenge, sondern als Erreichbarkeit. So kann die Organisation vielfältiger individualisierter wie gemeinschaftlich ausgerichteter Mobilitätsarten einerseits und die Ergänzung durch mobile Infrastrukturen andererseits dem Daseinsvorsorge-Auftrag gerecht werden. Der Ausbau der Digitalisierung müsste sich aber dringend an Gerechtigkeitskriterien orientieren und gleichermaßen in Stadt und Land erfolgen sowie gemeinwohlorientiert, nichtkommerziell und auf Jung und Alt ausgerichtet sein. Ein weiterer Diskussionsschwerpunkt war auch der mangelnde Diskurs um die Folgen des ländlichen Strukturwandels, der Bodenpolitik, der Globalisierung und Digitalisierung auf die Strukturen in den ländlichen Räumen. Die Entkopplung der Landwirtschaft vom Gemeinwesen des Dorfes und der Kleinstadt bedarf dringender Aufmerksamkeit und neuen Antworten. Wenn StadtLand als Raum der Produktion, der Kultur sowie als Landschafts-, Lebens- sowie politischer Raum gedacht wird, dann muss auch die Landwirtschaft wieder enger mit den Erfordernissen der Gemeinden vernetzt werden. Das betrifft bspw. die Einbindung der Landwirtschaft in die Stadt- und Regionalentwicklung und die Kopplung der Agrarförderpolitik mit der Regionalförderung. Landwirte müssten über ihre Funktion als Produzent landwirtschaftlicher Erzeugnisse hinaus als kulturlandschaftsprägende Akteure anerkannt und eingebunden werden.

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Es bedarf zudem neuer Kooperationsformate bei der Landschaftsgestaltung und beim Infrastrukturausbau. Zudem muss Nachhaltigkeit als durchgehender Orientierungsmaßstab für landwirtschaftliche Förderung und Finanzierung gelten, um die nachhaltige Bodenbewirtschaftung sowie die Gestaltung einer modernen Agrarlandschaft nach ökologischen Standards zu unterstützen. Statt monofunktionaler Großstrukturen bedarf es der Vervielfältigung landwirtschaftlicher Produktionsformen für den heimischen Markt sowie ihre lokale Verankerung. Auch Formen solidarischer, nicht gewinnmaximierender Landwirtschaft sowie gemeinwirtschaftlicher und eigentumsneutralisierter Produktionsweisen sollten mitgedacht werden. Alles in allem stellt die Winterschule der Nationalen Stadtentwicklungspolitik ein sehr erfolgreiches, bereicherndes Format dar. Es wurde 2019 von der TU Kaiserslautern zum Thema „Rebellische Stadt“ ausgerichtet (Schmidt 2018) und 2020 als europäische Summerschool von der TU Berlin zum Thema „Borderline City“ (TU Berlin 2020).

Literatur Bentlin, F., Million, A., Schenkel, K., & Zemke, R. (Hrsg.). (2018). Lehr- und Lernraum StadtLand. Auf dem Weg zu einem neuen Planungsverständnis. Berlin: Universitätsverlag der Technischen Universität Berlin. Grau, N. (2018). Kooperativen zwischen Stadt und Land. In: Bentlin, F., Million, A., Schenkel, K., & Zemke, R. (Hrsg.). Lehr- und Lernraum StadtLand. Auf dem Weg zu einem neuen Planungsverständnis. Berlin: Universitätsverlag der Technischen Universität Berlin. S. 34–35. Nationale Stadtentwicklungspolitik 2018. Sommerschulen. https://www.nationale-stadtentwicklungspolitik.de/NSP/DE/Forschung/Sommerschulen/sommerschulen_node.html. Zugegriffen: 28. Januar 2019. Schenkel, K.; Zemke, R. & Andres, S. (2018). Zukunftslandschaften. In: Bentlin, F., Million, A., Schenkel, K., & Zemke, R. (Hrsg.). Lehr- und Lernraum StadtLand. Auf dem Weg zu einem neuen Planungsverständnis. Berlin: Universitätsverlag der Technischen Universität Berlin. S. 31. Schmidt, H. (2019). Rebellische Stadt. Unter: http://urbandesign.staedtebau.tu-berlin.de/ fnez/rebellische-stadt. Zugegriffen: 01. Februar 2019. Schneidewind, U. & Singer-Brodowski, M. (2017). Vom experimentellen Lernen zum transformativen Experimentieren. Reallabore als Katalysator für eine lernende Gesellschaft auf dem Weg zu einer Nachhaltigen Entwicklung. In: In: Hollstein, B., Tänzer, S. & Thumfart, A.(Hrsg.). Schlüsselelemente einer nachhaltigen Entwicklung: Haltungen, Bildung, Netzwerke. TU Berlin – Technische Universität Berlin (2018). Produktive Provinzstadt. http://urbandesign.staedtebau.tu-berlin.de/fnez/produktive-provinzstadt. Zugegriffen: 28. Januar 2019.

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TU Berlin – Technische Universität Berlin (2020). Borderline City. https://borderlinecity. com/en/projects. Zugegriffen: 16. Mai 2020. Nawis – Verbund für nachhaltige Wissenschaft 2014: Resilienz und Reallabore als Schlüsselkonzepte urbaner Transformationsforschung In: GAIA 23/3, 284–286. Weidner, S., & Maikämper, M. (2018). Vielfältige Provinzstädte in der Lausitz. In: Bentlin, F., Million, A., Schenkel, K., & Zemke, R. (Hrsg.). Lehr- und Lernraum StadtLand. Auf dem Weg zu einem neuen Planungsverständnis. Berlin: Universitätsverlag der Technischen Universität Berlin.



Übersicht über die Autorinnen und Autoren dieses Bandes

Uwe Altrock Jahrgang 1965; Prof. Dr.-Ing., Bauassessor, Stadtplaner und Mathematiker; 2003 bis 2006 Juniorprofessor für Urban Structures an der BTU Cottbus. Seit 2006 Professor für Stadtumbau und Stadterneuerung bzw. Stadterneuerung und Planungstheorie an der Universität Kassel; Arbeitsschwerpunkte: Planungstheorie, Planungsgeschichte, Stadterneuerung. Seit 2000 Mitherausgeber des Jahrbuch Stadterneuerung. Sabine Baumgart Jahrgang 1952, Prof. Dr.-Ing., Stadtplanerin und Architektin, Architekturstudium an der TH Hannover, 1983 bis 1985 Referendariat in der Fachrichtung Städtebau; 1989 Gründung von BPW Baumgart Pahl-Weber in Hamburg. 2000 Promotion an der Universität Stuttgart. 2002 bis 2018 Professorin für Stadt- und Regionalplanung an die TU Dortmund, Leiterin des Fachgebietes Stadt- und Regionalplanung, Fakultät Raumplanung, Forschungsfeld zu Klein- und Mittelstädten. Seit 2004 Partnerin bei BPW Stadtplanung, Bremen. Seit 2019 Präsidentin der ARL – Akademie für Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft. Marieke Behne Studium der Architektur in Hamburg, Mitarbeit am Lehr- und Forschungsprogramm Urban Design, seit 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Architektur und Stadt an der HafenCity Universität Hamburg, Mitglied der Planungsgruppe Projektbüro.

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3

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  Übersicht über die Autorinnen und Autoren dieses Bandes

Peter Dehne Prof. Dr., Studium für Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin, Referendariat in der Fachrichtung Städtebau, von 1987 bis 1997 Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Stadt + Dorf in Berlin. Seit 1990 berät er kleine Städte, Gemeinden und Regionen in Ostdeutschland. Seit 1997 Professor für Planungsrecht/Baurecht an der Hochschule Neubrandenburg. Seine Schwerpunkte der angewandten Forschung an der Hochschule sind die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Raumentwicklung, die Anpassung und der Umbau der regionalen Daseinsvorsorge, die kooperativen Regionalentwicklung, Strategien und Politik für ländliche Räume sowie strategische Planung und Beratung für Klein- und Mittelstädte. Martina Dettweiler Jahrgang 1990, M.Sc., Studium der Raumplanung an der TU Dortmund, Referendariat in der Fachrichtung Städtebau. Seit 2017 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Landmanagement der TU Darmstadt. Christoph Janosch Diepes Jahrgang 1983, Dr.-Ing., Raumplaner. Nach Studium und Arbeit an der TU Dortmund sowie der ETH Zürich besetzte er zwischenzeitlich als Fachreferent für Stadtentwicklung die Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis in der Metropolregion Rhein-Main in der Stadt Offenbach am Main. wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Landmanagement der TU Darmstadt, 2018 die Lehrstuhlvertretung des Fachgebietes der Stadt- und Regionalplanung, Fakultät Raumplanung an der TU Dortmund, Forschungsschwerpunkte in den Bereichen Bauleitplanung, Baulandpolitik sowie Klimawandel in der Stadt- und Regionalplanung. Seit 2019 den Bereich der vorbereitenden und verbindlichen Bauleitplanung der Stadt Hagen. Thomas Fischer Jahrgang 1972, Dr.-Ing., Stadtplaner (AK-LSA); Vermessungstechniker, Studium der Raum- und Umweltplanung an der Universität Kaiserslautern; 2002 bis 2008 Stadtplaner im Büro für Siedlungserneuerung Dessau; 2008 bis 2009 Siedlungsplaner in Bern/CH; seit 2009 Wiss. Mitarbeiter im Fachgebiet Stadtumbau + Ortserneuerung der TU Kaiserslautern; 2015 Promotion an der TU Kaiserslautern mit einer Dissertation zum Thema der Stadtumbau und Kultur. Mitbegründer diverser ehrenamtlicher Initiativen wie Schwabehaus e. V. Dessau, Freundeskreis Flußbaden Dessau, raumpiraten Kaiserslautern. Arbeitsschwerpunkte: Kulturelle Vermittlung von Stadtumbaumaßnahmen, Behutsame Stadterneuerung, Integrierte Stadtent-

Übersicht über die Autorinnen und Autoren dieses Bandes

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wicklungsplanung, informelle Planungsinstrumente, Beteiligungsprozesse und zivilgesellschaftlich getragene Projektentwicklung, Aktivierungsstrategien von Eigentümern, Umgang mit Wohnungsleerstand, BMBF-Verbundprojekt „Stadterneuerung am Wendepunkte – die Bedeutung der Bürgerinitiativen gegen den Altstadtverfall für die Wende in der DDR“ (Stadt-Wende). Evi Goderbauer Dipl.-Ing. Stadtplanerin, Studium der Stadt- und Regionalplanung an der TU ­Berlin, Referendariat in der Fachrichtung Städtebau in Düsseldorf. Seit 2002 Projektleiterin im Referat Stadtentwicklung des in Bonn ansässigen Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) mit Arbeitsschwerpunkten zur nachhaltigen Stadt- und Stadtteilentwicklung, zu städtebaulichen Konzepten und Planungen sowie zum Stadtumbau und zur Städtebauförderung. Jens Hoffmann Dr.-Ing., 1993 bis 1998 Studium der Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin. Seit 1999 freiberuflicher Planer insbesondere mit den Schwerpunkten: Inhalte und Governance regionaler und lokaler Entwicklungsprozesse. Seit 2001 Geschäftsführer des Instituts für Umweltgeschichte und Regionalentwicklung e. V. an der Hochschule Neubrandenburg; 2004 bis 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Neubrandenburg. Forschung zu folgenden Themen: Auswirkungen des demographischen Wandels, Landnutzugs- und Landschaftswandel, Windenergienutzung, Entwicklung von Kleinstädten. 2010 Promotion an der TU Berlin. Seit 2018 Vertretungsprofessur Landnutzungswandel im Studiengang Naturschutz und Landnutzungsplanung der Hochschule Neubrandenburg. Johann Jessen Jahrgang 1949, Prof. Dr. rer. pol.; 1968 bis 1975 Studium der Architektur und Stadtplanung an der TH Darmstadt, danach freiberuflich als Stadtplaner tätig. 1978 bis 1990 wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Stadtforschung und im Studiengang Raumplanung der Universität Oldenburg, 1981 Promotion und 1990 Habilitation an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg. 1992 bis 2016 Professor für Grundlagen der Orts- und Regionalplanung am Städtebau-Institut der Universität Stuttgart. Seit vielen Jahren mit wechselnden Themen in der Stadtforschung engagiert. In den letzten Jahren lag der Forschungsschwerpunkt auf Prozessen der Reurbanisierung und der Innovation in der räumlichen Planung. Mitglied des wissenschaftlichen Kuratoriums von Forum Stadt und des Präsidiums der Deutschen Akademie der Städtebau und Landesplanung.

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  Übersicht über die Autorinnen und Autoren dieses Bandes

Bernd Kniess Jahrgang 1961, Prof. Dipl.-Ing. Urban Design, Architekt und Stadtplaner. Gastprofessur an der BU Wuppertal, seit 2008 Professor für Urban Design an der HafenCity Universität Hamburg, verantwortlich für den Aufbau des interdisziplinären Masterprogramms Urban Design und die Durchführung von Realexperimenten in der Verbindung von Lehre, Forschung und Praxis wie bspw. der Universität der Nachbarschaften (2008–2014), dem Begegnungshaus Poppenbüttel (2015–2018), der Zukunftsstadt Friedrichstadt (2016–2022). Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Robert Knippschild Jahrgang 1974, Prof. Dr.-Ing., Studium der Raumplanung an der TU Dortmund. 2001 bis 2016 Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter und als Freiberufler. 2008 Promotion der der TU Dortmund, Fakultät Raumplanung. 2009 bis 2012 Gastprofessor und Vertretungsprofessor für Regionalplanung an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. 2010 bis 2014 Vertretungsprofessor für Raumordnung an der Technischen Universität Dresden. Seit 2016 Leiter des Interdisziplinären Zentrums für ökologischen und revitalisierenden Stadtumbau (IZS) in Görlitz und Universitätsprofessor am Internationalen Hochschulinstitut (IHI) Zittau der Technischen Universität Dresden. Forschungsschwerpunkte: Strategien und Instrumente für eine nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung, Lebensqualität in Städten und Regionen, interkommunale und grenzüberschreitende Kooperation, Urban und Regional Governance. Lisa Marie Knotz M. Sc., Studium der Stadt- und Regionalentwicklung an der TU Kaiserslautern und der University of South Australia (Urban and Regional Planning) in Adelaide; Masterabschluss im Juli 2017 an der TU Kaiserslautern zum Thema „Zentrale Versorgungsbereiche – mehr als ein Funktionsraum? Die Bedeutung des öffentlichen Stadtraums für die Entwicklung von zentralen Versorgungsbereichen“, Juli 2017 bis September 2018 Stadtplanerin im Stadtplanungsamt der Stadt Neumarkt in der Oberpfalz, seit Oktober 2019 Stadtentwicklungsplanerin im Amt für Stadtplanung und Wohnen der Landeshauptstadt Stuttgart. Zuständig für die Themen Einzelhandel und die Entwicklung der Stadtteilzentren.

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Tanja Korzer Dr.-Ing. Arch., von 2003 bis 2018 geschäftsführende Akademische Assistentin am Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft (ISB) der Universität Leipzig und seit 2019 Mitarbeiterin bei „|u|m|s| STADTSTRATEGIEN“ in Leipzig. Forschungsschwerpunkte: Entwicklungen des E-Commerce und dessen Einfluss auf urbane Handelslagen, crossmediale Bürgerbeteiligungsprozesse in integrierten Stadtentwicklungsprozessen sowie aktuelle Diskussion zum bezahlbaren Wohnen. 2012 Promotion durch Dissertation „Lernen von Shoppingcentern. Potenziale für eine ökonomisch tragfähige und nachhaltige innerstädtische Einzelhandelsentwicklung in Klein- und Mittelstädten“. Seit 2014 engagiert sie sich als ­Vizepräsidentin im Wissensnetzwerk Stadt und Handel e. V. Jörg Kosinski M. Sc. Wirtschafts- und Sozialgeographie, 2013 bis 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Leibniz-Institut für Länderkunde Leipzig, 2017 bis 2019 am ­Institut für Stadtentwicklung und Bauwirtschaft (ISB) der Universität Leipzig. Seit 2019 ist er in einem EU-Projekt beim Fraunhofer-Zentrum für Internationales Management und Wissensökonomie IMW in Leipzig tätig und bereits seit 2014 freiberuflicher Gutachter. Forschungsschwerpunkte im Bereich Stadtentwicklung mit Bezug auf Nachtökonomien, Einzelhandel und bezahlbares Wohnen sowie Wissenstransfer. Mitglied im Verband der Geographen an deutschen Hochschulen und in der Transferstelle stadtnachacht.de Ronald Kunze Jahrgang 1950, Dr.-Ing., Assessor für Städtebau, Stadtplaner IfR/SRL. 1970 bis 1977 Studium der Infrastruktur- und Raumplanung an der TU Darmstadt, 1979 bis 1981 Referendariat in der Fachrichtung Städtebau, 1991 Promotion an der Universität Kassel. 1991 Gastdozent im Lehrgebiet Städtebau an der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar (HAB), jetzt Bauhaus-Universität. 1977 bis 1994 wissenschaftlicher Mitarbeiter in Forschungsinstitutionen und an der Leibniz-Universität Hannover am Institut für freiraumbezogene Soziologie (IFPS), der Universität Kassel im Lehrgebiet Stadterneuerung und Stadtumbau und der TU Hamburg-Harburg im Arbeitsbereich Städtebau. 1994 bis 1997 Leiter der Ortsplanungsstelle Leipzig. Seit 1998 Büro für Städtebau und Kommunalberatung, Fachautor für Planungsrecht und Städtebau, Mitherausgeber des Praxishandbuch für Bauleitplanung und Städtebaurecht, 1996 bis 2011 Mitglied der Redaktion PlanerIn, ab 2011 Redaktion „RaumPlanung. Fachzeitschrift für räumliche Planung und Forschung“. Mitgliedschaften in SRL, IfR, Wohnbund, Netzwerk Baukultur in Niedersachsen. Seit 1990 Mitherausgeber des Jahrbuch Stadterneuerung.

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Übersicht über die Autorinnen und Autoren dieses Bandes

Detlef Kurth Jahrgang 1966, Prof . Dr .-Ing ., Stadtplaner SRL/DASL . 1985 bis 1992 Studium der Stadt- und Regionalplanung an der TU Berlin, 1992–1997 Mitarbeiter bei Planergemeinschaft Dubach, Kohlbrenner Berlin, 1997 bis 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Dortmund, Fakultät Raumplanung, Fachgebiet Städtebau und Bauleitplanung . 2003 Promotion über Strategien der Stadterneuerung am Beispiel Berlin an der Universität Dortmund . 2003 bis 2017 Professor an der Hochschule für Technik Stuttgart, Fakultät Architektur und Gestaltung . Forschungsschwerpunkte zu District Center Management, energiegerechtem Stadtumbau . Mitgliedschaften in DASL, SRL, IfR, AESOP, Architektenkammer Baden-Württemberg . Mitarbeit in der Redaktion der SRL-Zeitschrift PlanerIn sowie im ASAP Ausschuss Stadtplanung . Seit 2017 Professor für Stadtplanung an der TU Kaiserslautern . Seit 2017 Mitherausgeber des Jahrbuch Stadterneuerung . Gregor Langenbrinck Jahrgang 1965, Dr .-Ing ., Studium der Architektur an der TU Karlsruhe und der TU Graz . 1995 bis 2001 Universitätsassistent am Institut für Kunstgeschichte an der TU Graz . 2001 bis 2003 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Stiftung Bauhaus Dessau . 2006 bis 2008 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Görlitz Kompetenzzentrum Revitalisierender Städtebau der TU Dresden . Seit 2008 selbstständig tätig mit „Urbanizers Büro für städtische Konzepte“ . 2008 bis 2010 Vertretungsprofessur am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur und der Stadt (GTAS), TU Braunschweig . Arbeitsschwerpunkte: Prozessmoderation und kooperative Projektentwicklung, energetische Stadtsanierung, Innenentwicklung, Grün- und Freiraumentwicklung, Kommunikation baukultureller Prozesse . Hans-Joachim Linke Jahrgang 1962, Prof . Dr .-Ing ., Studium des Vermessungswesens an der Universität Bonn . Seit 2002 Professor für Landmanagement an der TU Darmstadt . Lars Porsche Jahrgang 1972, Diplom-Geograph; Studium der Geographie, Soziologie und Politikwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und der Universidad de Zaragoza (Spanien); zunächst Tätigkeit für Soluziona, Unión FENOSA, Bereich Strategische Stadtentwicklung, Spanien und Philippinen . Seit 2002 Projektleiter im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) mit Stationen im Europa-Referat (Schwerpunkt ESPON), Referat Umwelt und Verkehr (Schwerpunkt Erneuerbarer Energien); stellvertretende Leitung des UNESCO-Chair

Übersicht über die Autorinnen und Autoren dieses Bandes

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„Intermediate Cities and World Urbanisation, CIMES“, in Lleida (Spanien, ­Oktober 2013 bis April 2014). Aktuell im Referat Städtebaulicher Denkmalschutz und Baukultur des BBSR mit dem Arbeitsschwerpunkt Kleinstädte. Anna Richter Studium der Soziologie und Anglistik/Amerikanistik in Bremen und New York, Promotion in Leeds (UK), Redaktionsmitglied von „City. Analysis of Urban Change, Theory, Action“ (Routledge). von 2013–2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehr- und Forschungsprogramm Urban Design der HafenCity Universität Hamburg. Andrea Rüdiger Jahrgang 1966, Dr.-Ing., Dipl.-Verwaltungswirtin. Studium der Raumplanung an der TU Dortmund. Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Stadt- und Regionalplanung, Stadtplanerin und Fakultät Raumplanung, TU Dortmund. 2008 Promotion zu dem Thema: Der Alltäglichkeit auf der Spur Rolle der Stadtgröße für die räumliche Planung. Judith Sandmeier M. A., 2013–2016 Tätigkeit als Denkmalpflegerin in der städtebaulichen Denkmalpflege bei der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen. Seit 2016 Konservatorin im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Arbeitsschwerpunkt in der fachlichen Begleitung von Kommunen und Planern bei der Erstellung von städtebaulich-denkmalpflegerischen Gutachten sowie formellen und insbesondere informellen Planungen, wie Denkmalpflegerischen Erhebungsbögen und Kommunalen Denkmalkonzepten. Dissertationsprojekt zu den theoretischen Grundlagen und den praktischen Instrumenten der städtebaulichen Denkmalpflege um 1900 am Beispiel ausgewählter Dörfer und Städte. Holger Schmidt Jahrgang 1959, Prof. Dr., 1981 bis 1988 Studium der Stadtplanung an der ­heutigen Bauhaus-Universität in Weimar, 1989 Promotion, 1991 bis 2000 Ständiger L ­ eiter der Akademie und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Stiftung Bauhaus in ­Dessau, ab 2000 eigenes Büro für Siedlungserneuerung mit den Arbeitsfeldern Stadterneuerung und Stadtumbau in Dessau, seit 2009 Professur für Stadtumbau und Ortserneuerung an der TU Kaiserslautern. Seit 2017 Mitherausgeber des ­Jahrbuch Stadterneuerung.

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  Übersicht über die Autorinnen und Autoren dieses Bandes

Gisela Schmitt Jahrgang 1956, Dipl.-Ing. Architektur und Stadtplanung, seit 1987 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Planungstheorie und Stadtentwicklung, Fakultät Architektur RWTH Aachen, Arbeitsschwerpunkte: Planungstheorie, Stadtentwicklung, Bestandserneuerung und Wohnen. Seit 2011 Mitherausgeber des Jahrbuch Stadterneuerung. Kerstin Schenkel Dr., seit 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin in der Fachrichtung Stadt- und Raumplanung der Fachhochschule Erfurt. Aktuelle Arbeits- und Lehrschwerpunkte: Planung und Entwicklungspolitik ländlicher Räume und ihrer Kleinstädte und Dörfer, Nachhaltigkeit unter Postwachstumskrierien, Demokratieentwicklung, Governance und Partizipation, Bildungsentwicklung und -­planung, Ausstellungskonzeption. Derzeit befasst mit der Implementation eines inter- und transdiziplinären StadtLand-Campus an der FH Erfurt. Lisa Marie Selitz M. A., 2010–2015 Studium der Kunstgeschichte sowie Kultur- und Sozialanthropologie als Zweifachbachelor an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und darauf aufbauend Denkmalpflege an der Universität Bamberg. Seit 2016 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Kompetenzzentrum Denkmalwissenschaften und Denkmaltechnologien (KDWT) der Universität Bamberg. Eingebunden in das Kooperationsprojekt „Das kommunale Denkmalkonzept Bayern – neue Wege städtebaulicher Denkmalpflege” des KDWT und des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege. Seit 2016 Assoziierte in dem interdisziplinären DFG-Graduiertenkolleg „Identität und Erbe“ der Technischen Universität Berlin und der Bauhaus-Universität Weimar. Lena Spatz M. A., 2010 bis 2016 Studium der Soziologie an der TU Darmstadt. 2017 bis 2019 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Arbeits- und Ingenieurpsychologie am Institut für Psychologie der TU Darmstadt am BMBFProjekt „Aktivierung von Flächenpotentialen für eine Siedlungsentwicklung nach innen – Beteiligung und Mobilisierung durch Visualisierung“ (AktVis). Externe ­Doktorandin der TUD.

Übersicht über die Autorinnen und Autoren dieses Bandes

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Christin Swatek M. Sc., Bachelorstudium der Urbanistik an der Bauhaus-Universität Weimar, Masterstudium der Stadt- und Regionalentwicklung an der TU Kaiserslautern, seit 2017 Projektbearbeiterin im Bereich Stadtentwicklungsmanagement bei KEM Kommunalentwicklung Mitteldeutschland GmbH. Silke Weidner Prof. Dr., SRL, 2001 bis 2004 Juniorprofessur für Stadtmanagement an der Universität Leipzig. Promotion 2004 zum Thema Stadtentwicklung unter Schrumpfungsbedingungen. Seit 2004 Leitung des Planungsbüro „|u|m|s| STADTSTRATEGIEN“ in Leipzig mit Prof. Dr.-Ing. Jan Schaaf. Seit 2009 Lehrstuhl „Stadtmanagement“ an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg und seit 2016 Leitung des Instituts Stadtplanung. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte beziehen sich auf Prozesse, Akteure und Instrumente zur Innenstadtentwicklung, mit einem besonderen Fokus auf den Themenkomplex Handel. Zahlreiche Gutachtertätigkeiten, Juryaktivitäten, Lehraufträge und Engagements wie z. B. als Vizepräsidentin der Gesellschaft für immobilien-wirtschaftliche Forschung e.V. und als Präsidentin des Wissensnetzwerkes Stadt und Handel e.V. Isabelle Willnauer Dipl.-Ing. Architektur; Studium der Architektur und Stadtplanung an der Universität Stuttgart. In ihrer gemeinsam mit Katrin Herrmann verfassten Diplomarbeit entwickelte sie ein städtebauliches Erneuerungskonzept und einen Bürgerbeteiligungsprozess für die Tübinger Großsiedlung „Waldhäuser Ost“. Wissenschaftliche Mitarbeiterin unter der Leitung von Prof. Dr. Johann Jessen an der von der Wüstenrot Stiftung geförderten Studie „Große Siedlungen in kleinen Städten“. Seit 2016 akademische Mitarbeiterin am Fachgebiet Grundlagen der Orts- und Regionalplanung des Städtebau-Instituts, Universität Stuttgart. Dissertationsvorhaben zu den Potenzialen von Kooperationen zwischen Kommunen und Akteuren aus der organisierten Zivilgesellschaft in der gemeinwohlorientierten Wohnraumentwicklung. Constanze Zöllter Jahrgang 1987, Diplom-Geographin, 2006 bis 2013 Studium der Geographie, aftslehre, Landschafts- und Freiraumplanung an der TU Dresden und an der Università IUAV in Venedig. 2014 Projektbearbeiterin für Transferaufgaben im Bundesprogramm LernenvorOrt, Landkreis Görlitz, Schul- und Sportamt. Seit 2015 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Interdisziplinären Zentrum für

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Übersicht über die Autorinnen und Autoren dieses Bandes

ökologischen und revitalisierenden Stadtumbau in Görlitz. Schwerpunkte ihrer Arbeit bilden die wissenschaftliche Begleitung der Projekte „Probewohnen Görlitz-Altstadt“ und „Stadt auf Probe – Wohnen und Arbeiten in Görlitz“ sowie die Begleitung der Pilotphase der Görlitzer Stadtumbau-Matrix. Promoviert seit 2018 an der TU Dresden zum Thema Standortfaktoren für Wohn- und Lebensstandorte mit hoher Lebensqualität in von Schrumpfung betroffenen Mittelstädten.



Autorinnen und Autoren 1990 – 2020

A Abt, Jan Achterberg, Heinz-Jürgen Albers, Gerd Altrock, Uwe

Amedi, Janne Amey, Frank Anacker, Katrin Anders, Sascha Andres, Stefan Apud, Ana M. Austermann, Klaus

2011:233 2002:111 1994:39 1995:69; 1997:336(R); 1998:25, 193; 2000:369; 2001:393; 2002:17, 55, 332; 2003:35, 95; 2004/05:53, 149; 2006/07:95, 395(R); 2008:71,83; 2009:61, 137; 2010:55, 329; 2011:21, 51; 2012:125, 345 (R); 2018:XI; 2019:49; 2020:IX 2009:307 2011:139; 2017:183 2010:297 2000:379; 2012:251 1994:415 1994:351 2002:295 B

1996:248 2011:285; 2013:297 2008:135 1992:110 2001:357; 2008:243; 2020:65 2010:65 2006/07:357 2000:29 2020:181 1999:21 2013:227 2003:75 2016:37 2001:341; 2003:315; 2009:227; 2013:53 Bertram, Grischa 2011:81; 2012:187; 2014/15:133 Best, Ulrich 2000:29 Beyer, Cornelia 2002:149 Bieker, Susanne 2010:183 Bielawska-Roepke, Patrycja 2011:319 Bilgin, Ihsan 1998:183 Blanc, Maurice 2004/05:311 Blase, Dieter 2014/15:31 Blaß, Jörg 1994:377 Bleck, Rüdiger 2006/07:243 Bodenschatz, Harald 1990/91:43; 1992:37; 1993:29, 268(R); 1994:125; 1995:63; 2000:253; 2001:9; 2002:61; 2003:179; 2010:35; 2012:69; 2017:3 Böcker, Mone 2010:93 Böhme, Elisa 2019:171 Boedecker, Daniel 2008:323 Bonacker, Margit 1993:234; 2012:271 Baeuchle, Birgit Baltes, Hannah Banse, Juliane Bartels, Olaf Baumgart, Sabine Baumgärtner, Christine Béart, Thierry Beckmann, Ralf Behne, Marieke Bentler, Andreas Beran, Fabian Berding, Ulrich Bernien, Sandra Bernt, Matthias

Boon, Kaat Born, Lukas Bose, Michael Bote, Peter Brake, Klaus Brand, Herbert Braun, Jochen Breckner, Roswitha Bremer, Stefanie Bremm, Hans-Jürgen Breuer, Bernd Bricocoli, Massimo Brück, Andreas Büttner, Frithjof Buff, Reinhard Burdack, Joachim Busch, Roland

2006/07:159 2001:229 2009:129 1999:83 1996:25 2000:333 1996:248 1993:75, 219 2003:389; 2008:333 1994:87 1999:159; 2003:87 2001:269 2012:313 2010:261 2012:271 2002:77 2017:275

Caesperlein, Gerold Claussen, Wiebke Connert, Beate Cheng, Yung-Chen Chabou-Othmani, Miriam

C 2001:35 1996:172 2006/07:65 2018:327 2018:51

Dangschat, Jens S. Davy, Benjamin Debold-Kritter, Astrid Dehaene, Michiel Dehne, Peter Deilmann, Clemens Dettmer, Julia Dettweiler, Martina Deutz, Lutz Diepes, Christoph Dietrich, Corina Diller, Christian Doehler, Marta Dorsch, Pamela Drittenpreis, Julia Düchs, Martin Dürr, Susanne Dürsch, Hans-Peter Duhm, Burghard Dulski, Birgit

D 2016:13 1998:91 2002:317 2006/07:159 2020:35 2010:169 1999:209 2020:259 1995:91 2020:259 2008:419 2017:295 1992:137 2001:121 2013:145 2013:251 2013:303 1999:145; 2004/05:207 1992:162 2011:299

Ebert, Ralf Eckenweber, Anna Eckert, Ronald Edelhoff, Silke Effenberger, Karl-Heinz Eichenlaub, Alexander Eichhorn, Sabine

E 2003:167 2014/15:241 2010:215; 2017:209 2014/15:185 2010:169 1990/91:89 2003:359

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3

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Einem, Eberhard von Ekardt, Felix ElGamal, Mohamed Elias, Christine Elle, Johannes Ellermann, Ute Emmenegger, Barbara Emmenegger, Michael Erpenstein, Annette Ewald, Markus

  Autorinnen und Autoren 1990 – 2020

2014/15:19 2019:191 2018:33 1997:303 2008:363 1992:299 2002:171 2002:171 2009:159 2018:277 F

Faber, Christian Falini, Paola E. Fehl, Jonas Fein, Regina Feldtkeller, Andreas Ferber, Uwe Ferner, Michael Fessler Vaz, Lilian Feucht, Karsten Feuerlein, Leon Feuerstein, Christiane Fischer, Friedhelm Fischer, Ivonne Fischer, Thomas Fischer, Uta Flecken, Ursula Förster, Wolfgang Foljanty, Lukas Frank, Daphne Frank, Keno Frech, Siri Frick, Dieter Friedrich, Maik Friedrichsen, Angela Frinken, Matthias Fritsche, Nadja Fritzen, Andreas Froessler, Rolf Frommer, Birte Fugmann, Friederike

1997:235 1996:159 1995:307 2009:295 2003:143 1997:69; 2003:331; 2006/07:59 1990/91:187 1992:219; 1997:225 1996:53 1992:281 2010:19 1994:259; 1997:313; 1999:227; 2000:225; 2012:207 2002:273 2014/15; 2019:49; 2020:303 2002:201 1996:268; 2004/05:391 1997:161; 2004/05:299 2011:263 1998:211; 2004/05:355; 2013:319 2010:163 2014/15:115 1994:418 1999:341 1995:307 1990/91:175; 1994:397 2012:251 2004/05:45 1992:195; 1993:168; 2000:105 2010:183 2019:285 G

Gaube, Andrea Gebel, Annett Gernert, Verena Geyler, Christian Glatthaar, Michael Gliemann, Katrin Glöckner, Beate Goderbauer, Evi Gonzales, Thoralf Graumann, Doreen Greiner, Claudia Grube, Nils Grundmann, Elisabeth Grunze, Nico Gude, Sigmar Güntner, Simon

1999:113 2008:293 2016:373 2003:341 2010:133 2001:35 2008:219 2020:115 2001:137 1997:115 1995:307 2016:83 1995:302; 1998:325 2010:117; 2012:279; 20014/15:43 1995:91 2003:341; 2004/05:241, 267, 2012:251

H Haars, Anne 2002:213; 2004/05.:283 Haase, Andrea 2003:359; 2008:411, 419 Haase, Annegret 2004/05:77 Haase, Marina 2010:151 Habermann-Nieße, Klaus 2001:199; 2004/05:61 Hädrich, Aniola 2006/07:325 Hämer, Hardt-Waltherr 1994:49 Hänsch, Robert 2006/07:398(R) Hahn, Nicole 2006/07:225 Hal, Anke van 2011:299 Haller, Christoph 2002:131; 2008:219; 2009:261 Hanhörster-Schiewer, Heike 1999:53 Häußermann, Hartmut 1993:141; 1998:9 Haferburg, Christoph 2009:29; 2011:213 Hagemeister, Ulrike 2009:261; 2010:105 Hahn, Achim 1993:94 Hannemann, Christine 1993:227 Hans, Nils 2019:267 Hansel, Christoph 1992:327 Hansjürgens, Bernd 2009:47 Harms, Hans 1990/91:251; 1995:246; 2000:409 Harlander, Tilman 1997:171, 319 Harth, Annette 2011:63 Hartwig, Niels 1992:321 Happe, Michael 2010:231 Hauff, Thomas 2006/07:133 Haug, Peter 2010:169 Haxter, Jörg 2010:261 Hedrich, Ramona 2002:149 Heinisch, Marc 2008:293 Heinrich, Anna J. 2014/15:185 Heinrichs, Dirk 2009:47 Heinze, Janine 2006/07:225 Heinze, Michael 2017:275 Heitkamp, Thorsten 1994:311; 2000:149 Held, Gerd 1996:193, 289; 1999:291; 2002:9 Helfen, Thomas 2001:393; 2004/05:267 Helleman, Gerben 2002:213 Hellriegel, Martin 2010:231 Hendrix, Jens 2004/05:405 Henkel, Knut 2004/05:267 Hennicken, Dieter 1992:211 Hermann, Heike 2001:137; 2003:125 Herrmann, Monika 2010:337 Herzbruch, Jens 1992:339 Hertzsch, Wenke 2001:215 Herz, Michael 2002:111 Hildersberger, Angelika 1999:277 Hirth, Markus 2019:247 Höger, Uwe 2014/15:79 Hoelscher, Martin 2010:231; 2013:329 Hoffenreich, Carola 1994:234 Hoffmann, Heike 2011:179 Hoffmann, Jens 2020:35 Hoffmann-Axthelm, Dieter 1997:319 Hofmann, Nina 2014/15:217 Hohn, Uta 2002:231 Holm, Andrej 2009:227 Holthaus, Olaf 1992:327 Horn, Antje 2010:261 Horni, Henriette 2011:199 Hopfner, Karin 2014/15:55 Hristovy, Aneta 2009:281 Hühner, Tanja 2006/07:83

Autorinnen und Autoren 1990 – 2020

Hundt, Tobias Huning, Sandra Hurrle, Jakob

2004/05:373 2003:109; 2008:55 2004/05:391 I

Ingenschay, Cosima

2003:341 J

Jacobs, Nils Jäckels, Melana Jäger, Oliver Jähnke, Petra Janßen, Michael Jessen, Johann Jochumsen, Ole Jost, Karina Jürgens, Ulrich

1990/91:293; 1992:271 2019:73 1992:321 2013:181 1994:413 1998:255; 1999:193; 2010:65; 2020:85 2004/05:191 1998:313 2009:177; 2010:317

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Krebs, Philipp Kreichauf, René Kreibich, Volker Kreutz, Stefan Krist, Stephanie Kronenberg, Ingo Kropmann, Niels Kropp, Ingo Krüger, Arvid Krüger, Daniela Krüger, Thomas Kuder, Thomas Kuhlicke, Christian Kuklinski, Oliver Kunert, Jens Künkel, Klaus Kunze, Ronald

K Kabisch, Sigrun Kadereit, Peter Kaether, Johann Kahnert, Rainer Kanacri Sfeir, Marilu Kantzow, Wolfgang Karow-Kluge, Daniela Kasper, Birgit Kast, Alexandra Kath, Sylvia Kegler, Harald Kemming, Herbert Kensbock, Holger Kienast, Gerhard Kirschenmann, Christian Samuel Kleger, Heinz Klitzing, Dieter von Klitzing, Anne Klose, Patrick Kloss, Christian Knebel, Nikolaus Kniess, Bernd Knippschild, Robert Knotz, Lisa Marie Koch, Michael Kozcy, Oliver Kodra, Dorothee Kolhatkar, Mrudula Koller, Barbara Kolodziej, Markus Konter, Erich Kopetzki, Christian Kopp, Philipp Korzer, Tanja Kosinski, Jörg Krämer, Stefan Krätke, Stefan Krause, Bettina Krautzberger, Michael

2003:315; 2004/05:77; 2012:333; 2013:367 1994:365 2010:133 1997:63 1992:228 1996:35 2019:285 2001:315 2004/05:267 2001:215 1990/91:125; 1992:153; 1993:65; 1997:91; 2010:35; 2012:107; 2017:21 2011:25 1998:225 2014/15:133; 2018:123 2018:189 1997:336 2001:157 1997:291 2011:119 2008:345; 2012:173 2009:187 2020:181 2019:171; 2020:137 2020:233 1994:25; 1997:121 2017:121 1995:196 2009:187 2014/15:259 2003:377 1990/91:111; 1992:259; 1993:29; 1994:159; 1995:104; 1997:53 1990/91:125; 1992:361; 1994:385 2019:153 2020:207 2020:207 2014/15:55 1990/91:243; 1992:124 1997:33 1997:83

Kupfer, Conny Kurtenbach, Sebastian Kurth, Detlef

2002:111 2016:171 1993:252 1999:209; 2003:9; 2008:253; 2012:251; 2014/15:99 1995:302 1992:321; 1994:402 2017:319 2010:169 2009:19; 2012:233; 2013:161; 2017:147; 2019:25 2016:65 2003:9; 2008:253; 2012:251 1995:69; 2008:195 2009:47 2003:75 2019:203 1995:178 1990/91:13, 103, 300(R), 302(R); 1992:179, 366, 369(R), 370(R), 371(R); 1993:51, 205, 270, 275(R); 1994:205, 425; 1995:119, 316(R); 1997:63, 103; 1999:73, 173; 2000:313; 2001:81; 2002:55; 2004/05:53; 2010:55; 2018:XI; 2019:IX 1999:341 2016:201 1990/91:293; 1992:271; 1999:95; 2000:297, 363; 2002:213; 2004/05:415, 421(R); 2010:337; 2018:XI; 2019:117

Lamker, Christian Lang, Markus Langenbrinck, Gregor Laschewski, Anka Latham, Alan Lautenschläger, Wolfgang Lehmkuhl, Gisela Leibl, Robert: Leimbrock, Holger Leinauer, Irma Ley, Astrid Lichtenberger, Elisabeth Liebau, Christiane Liebmann, Heike Linke, Hans Joachim Linker, Michael Lobato, Isabel Rámos Locher, Michael Lohnert, Beate Luchterhand, Daniel Luckmann, Heide Luczak, Urs Ludeña Urquizo, Wiley Lübke, Ingrid Lüken-Isberner, Folckert Lückenkötter, Johannes

L 2011:337 1993:188; 1995:137 2020:303 2008:293 1999:253 1992:291 1992:291 1997:173 2012:85; 2013:69 1992:281 2011:213 1993:23 1995:291 2008:159; 2010:105; 2012:147 2020:259 1994:390 2016:105 2013:217 2009:295 2004/05:329 2011:139 2009:213 1995:269 1990/91:229; 2003:203 2001:189 1995:229

Machule, Dittmar Mack, Gerlinde Mahnken, Gerhard Mai, Klaus

M 2001:89 1994:419 2013:201 1992:169

354

Maier, Franziska von Malottki, Christian Mamunlu, Hale Martokusumo, Widjaja Mathey, Juliane Maufrais, Katja May, Ruth Mazzanti, Raffaele Mecklenbrauck, Ilka Megerle, Heidi Mellinger, Stefanie Meltzer, Lutz Merk, Elisabeth Meyer, Volker Michelis, Peter Migliaccio, Anna Milkov, Boris Million, Angela Milstrey, Ulrike Mix, Peter Möbs, Sabine Möller, Holger Mosavat, Tooska Müller, Anja Müller, Daniela Müller, Peter M. Müller, Sebastian Münchow, Thomas Murböck, Marion Mussel, Christine

  Autorinnen und Autoren 1990 – 2020

2019:363 2016:229 2009:71 2000:203; 2002:255 2006/07:43; 2019:171 2003:341 2002:39; 2004/05:33 2003:239 2008:117 2016:343 2008:293 2002:327 2008:185 2009:47 1999:125 2006/07:175 1997:173 2014/15:185 2016:315 2004/05:191 1999:341 1992:344 2009:83 2017:275 1998:319 1994:339 1994:311 2019:347 1998:303; 2002:295 2003:220 N

Naegler, David Nagler, Heinz Naue, Sophie Nähr, Norbert Nelle, Anja Netsch, Stefan Neuer-Miebach, Therese Neugebauer, Carola Neumann, Wolfgang Niemann, Lars Nieße, Brigitte Novy-Huy, Rolf Nowara, Nick Nuissl, Henning Nyhues, Jens

2006/07:19 2009:307 2018:219 1994:377 2012:157; 2013:241; 2017:57 2017:319 2003:267; 2004/05:311 2011:99 1999:193 2011:39 2004/05:255 2019:1 2018:165 2004/05:95 2003:301

Pahl-Weber, Elke Patricio, Marisa Peiniger, Enrique Pesch, Franz Peter, Andreas

Radermacher, Bettina Ramos Lobato, Isabel Reershemius, Sandra Reicher, Christa Reimer, Mario Reinken, Kurt Rettich, Stefan Reuther, Iris Richter, Anna Riedel, Daniela Rieke, Kerstin Riemer, Hana Ring, Rosemarie Ringel, Johannes Rink, Dieter Roch, Isolde Röding, Anja Rogge, Peter Roloff, Jürgen Rommelfanger, Stefan Rosemann, Jürgen Roskamm, Nikolai Rößler, Stefanie Rothas, Delia Rüdiger, Andrea Rüdiger, Holger Rüsch, Eckart Ruiz, Marcelo Ruß, Dirk

R 2006/07:325 2011:273 1996:278 2006/07:381; 2011:23; 2017:167 2011:25 2003:9 2008:171 1990/91:137; 1992:137 2020:181 2001:215 2002:93 2013:145 1993:244 2004/05:113 2004/05:95 2008:135 2002:289 2003:331 1996:278 1992:299; 2014/15:31 1993:13, 155 2008:309 2019:171 2019:97 2020:65 1994:390 1996:13 1999:21 1992:314; 1994:280

Pfadt, Andreas Pfeiffer, Peter Pfotenhauer, Erhardt Pinardi, Mara Plate, Elke Polinna, Cordelia Poppe, Manfred Poppel, Tom Porsche, Lars Potz, Petra

P

Şahin, Sema Sáinz Guerra, Josè Luis Samuels, Ivor Sander, Hendrik Sandholz, Simone Sandmeier, Judith Santos, Paula dos Sartorio, Francesca S. Sauter, Matthias

2004/05:191; 2006/07:133; 2008:83 1997:187 1993:94 1998:255 2003:315

Schäfer, Uta Schäfer, Nicole Schammer, Brigitte Schauz, Thorsten Scheller, Gitta Schenkel, Kerstin

O Odebrecht, Julia Oevermann, Heike Oppen, Christian von Oßenbrügge, Jürgen Overhageböck, Nina

Putri, Prathiwi Widyatmi

1992:27, 71; 1993:23, 252; 1996:67, 295; 1998:63, 81; 2000:65; 2001:65; 2003:69, 221; 2006/07:39; 2010:47, 55 1992:114 1990/91:251; 1992:219; 1997:207 1994:49 1990/91:27; 1992:169 1995:91 2006/07:295; 2010:79 1995:212 2008:293 2020:3 1994:299; 1995:315; 1998:153; 1999:353; 2001:411; 2002:327 2018:309

Petz, Ursula von

2010:261 2013:107 2013:265 2009:29 2008:243

S 2013:343; 2017:335 1997:137; 2006/07:367 2000:91 2003:389 2018:1 2020:155 2000:191 2003:221; 2008:397 1998:263; 1999:21; 2001:109; 2003:283 1993:111 1999:353 2004/05:267 2011:39; 2014/15:185 2011:63 2020:329

Autorinnen und Autoren 1990 – 2020

Scheutzow, Katja Schilling, Maike Schinkel, Ulrike Schlomka, Bettina Schlomski, Sabrina Schmale, Elisabeth Schmals, Klaus M. Schmidt, Alexander Schmidt, Birgit Schmidt, Dagmar Schmidt, Holger Schmitt, Gisela

Schmitt, Jürgen Schneide, Werner Schneider, Gregor Schneider, Julian Schneider, Sandra Schönig, Barbara Scholz, Barbara Scholz, Wolfgang Schramm, Sophie Schröder, Edgar Schröder, Roland Schröer, Achim Schröteler-von Brandt, Hildegard

1998:163 1999:359 2010:215 2006/07:205 2017:249 1999:145 1992:27; 1993:219; 1995:15; 1997:11; 2004/05:19 1998:225; 2004/05:123; 2008:333; 2011:285; 2013:361 1994:223; 1995:296 1995:119 1994:205; 2012:327; 2013:119; 2014/15; 2017:43; 2018:XI; 2019:49 1994:15; 1998:239; 1999:313; 2003:51; 2004/05:221; 2011:351(R); 2013:379 (R); 2017:75; 2018: XI; 2019:IX 1999:341 2011:139 2014/15: 2019:347 2004/05:255 2006/07:275 1992:228 1998:163; 2018:77 2009:197; 2018:101 2000:399 2006/07:113 2013:145

1999:277; 2000:349; 2013:89; 2014/15:171 1990/91:157, 187, 299(R); 1992:15, 92, 356, 373(R), 374(R); 1993:124, 272(R); 1994:49, 421; 1995:39, 319(R); 1996:133; 1997:323, 333; 1998:81, 125; 1999:323(R); 2000:39, 127, 419; 2001:49, 81; 2003:69, 95, 249; 2006/07:39, 295; 2008:33; 2009:99; 2010:47; 2011: 21, 163; 2012:21; 2013:25; 2016:253 Schubert, Herbert J. 1995:15; 2000:11; 2001:173 Schulz, Klaus-Dieter 1996:93, 120; 1998:35, 337(R) Schümer-Strucksberg, Monica 2004/05:267 Schwarz, Jürgen 1999:267 Schwormstedt, Karsten 1995:307 Scurrell, Babette: 2002:121 Seelig, Sebastian 2009:83 Selitz, Lisa Marie 2020:155 Sell, Torben 2008:363 Selle, Klaus 1990/91:69; 1994:67; 1999:9; 2001:21; 2003:75; 2008:19 Semsroth, Klaus 2002:183 Sept, Ariane 2003:341 Sewing, Werner 1994:193 Siebel, Walter 1993:141 Siebert, Ingo 2001:212 Siegmann, Jörg 2003:167 Sigglow, Julia 2010:199 Silveira, Carmen Beatriz 1997:225 Simon-Philipp, Christina 2011:245; 2013:303; 2014/15:55 Sinning, Heidi 2016:289 Skalska, Anita 2008:383 Smaniotto Costa, Carlos 2006/07:43 Schubert, Dirk

355

Steinbrink, Malte Steinebach, Gerhard Steinführer, Annett Stellmacher, Florian Sternberg, Manfred Stettner, Reiner Stotz, Patrick Stratmann, Eva-Maria Strauß, Christian Strubel, Alessa Stumm, Brigitte Sucato, Evelyn Süß, Waldemar Swatek, Christin

2009:239; 2014/15:157 1995:137; 2003:341 2004/05:135 2020:259 2008:293 2008:383 1997:257; 1998:263; 1999:21; 2000:265 1992:145 1990/91:147, 287; 1993:29; 1995:104 2011:213 1997:75 2004/05:77 2009:83 1993:267 1995:91 2012:251 2000:71 2004/05:113; 2008:431; 2017:101 2019:223 1994:103 2004/05:171 1994:103 2020:283

Tavares Ribeiro, Claudia Temple, Nicole de Tenz, Eric Thabe, Sabine Thiel, Joachim Tibbe, Heinz Tölle, Alexander Tomaselli, Markus Tornow, Britta Treffzt, Erich Trojan, Alf

T 1997:207 2001:215 2013:127 2003:155 2000:127 2001:379 2006/07:339 2002:183 1990/91:211; 2001:247 2010:279 1994:103, 413

Überall, Frank Ulloa, Ignacio Castillo Unbehaun, Christian Urbanczyk, Rafael Usadel, Jens Usunov, Katja Utku, Yasemin Uttke, Angela

U 2011:153 2018:249 1994:402 2010:241 2001:89 2006/07:189 2004/05:405 2006/07:243

Vaché, Martin Veil, Katja Viala, Jean Philippe Vogelpohl, Anne Volkmann, Anne Vollert, Maria: Vollmer, Maximilian Volmer, Rainer Vorkoeper, Jutta

V 2016:229 2012:279 1996:210 2016:271 2016:151 1992:228 2017:225 1994:390 2013:283

Waibel, Michael Wagner, Jeanette Wallraf, Mona Wallraf, Wolfram

W 2009:115 1995:161 2019:267 2008:207

Söpper, Katharina Sophianos, Sophos Spars, Guido Spatz, Lena Stafe, Philipp Stańczak, Małgorzata Staubach, Reiner Stein, Martin Stein, Michael

356

  Autorinnen und Autoren 1990 – 2020

Weltermann, Karin Wendland, Ulrike Wenzl, Thomas Werneke, Jan Werner, Franziska Weselak, Marta Wessling, Christoph Wever, Susanne Weyrauch, Bernhard Wildschütz, Ulli Wilke, Heinrich Willnauer, Isabelle Winters, Theo Wullers, Daniela Wuschansky, Bernd

1998:109 2003:191; 2004/05:267 2001:293 1996:227 2019:347 2006/07:257 1992:334; 2000:175, 2016:105 2006/07:145 2008:431; 2011:139; 2020:207 1994:402 1993:111 2002:338 2010:351(R) 2002:171 1990/91:267; 1992:240; 1993:29, 256; 1994:179, 365; 1995:326(R); 1998:141, 340(R); 2000:65; 2012:41 1994:402 2017:183 2001:215 2014/15:197 2017:209 2008:383 2009:307 1992:334 1996:257; 2008:345 1994:15 1992:314; 1994:280 2020:85 2013:45 2006/07:313 2008:101

Zablocka-Kos, Agnieszka Zavala-Kcomt, Teresa Zeidler, Laura Zemke, Reinhold Zibell, Barbara Ziegler, Christiane Zimmer-Hegmann, Ralf Zölter, Constanze

Z 2000:161 2000:399 2019:309 2008:273 1994:25; 1997:121 1996:113 2004/05:171; 2019:267 2020:137

Walter, Gerd Walther, Jens-Uwe Waltz, Victoria Walz, Manfred: Warzecha, Viktor Weber, Markus Weck, Sabine Weidinger, Jürgen Weidner, Silke Wegner, Harald Weiske, Christine Weist, Thorsten Weith, Thomas Wehrli-Schindler, Brigit Welch Guerra, Max

Ortsregister 1990 – 2020 Ortsregister 1990-2019

Afrika

Asien

Allgemein 1990/91:243

Allgemein 1990/91:243

Äthopien Addis Abeba 2009:187,295 Ägypten Kairo 2009:307; 2018:1 Rashid 1995:212 Algerien Algier 2018:XI, 51 Burkina Faso Ouagadougou 2018:1 Kamerun 2019:309 Kenia 2018:77, 165 Nairobi 2018:165 - Kibera (Soweto) 2009:197 Mali Timbuktu 2018:1 Marokko Fes 2018:1 Marrakesch 2018:1 Nigeria Lagos 2018:1 Südafrika 2018:IX, 1, 77, 123 Allgemein 2011:213 Guateng 2009:177 Johannesburg 2009:29 Kapstadt 1997:173; 2018:1, 123 Tansania Daressalam 1995:229; 1998:163; 2018:77, 101 - Tabata 1995:229



China Guangzhou 2009:137 Hongkong 2009:137; 2018:1; 2019:153 Peking 2018:1 Shanghai 2011:285; 2018:1 Dubai 2018:1 Indien Bengaluru 2018:277 Mumbai (Bombay) 2018:1, 277 - Dharavi 2009:99 Indonesien Bandung 2000:203 (Braga) Jakarta 2002:255 (Sunda Kelapa ); 2018:IX, 309 Iran Teheran 2009:83 Israel Jerusalem 2001:293 Japan Kobe 2011:11 Tokio 2002:231 Yokohama 2018:1 Jerusalem Hebron 2018:1 Malaysia 2018:1 Nepal Lekhnath 2013:319 Katmandu 2018:1 Palästina Gaza 2001:293 Jerusalem 2001:293 Parkistan Karachi 2018:IX, 309 Qatar Doha 2018:1

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3

357

358

Singapur 2018:1 Sri Lanka Allgemein 2013:319 Südkorea Seoul 2009:159; 2018:1 Syrien Aleppo 2018:1 Damaskus 2018:1 Taiwan Taipei 2018:IX, 327 Thailand Bangkok 2014/15:217; 2018:1, 123 Türkei →siehe unter Europa Vietnam Ho Chi Minh City (Stadt) 2009:115,129; 2010:215; 2018:1, 309 Hanoi 2018:1

Australien/Ozeanien Australien Canberra 2012: 207 Sydney 1999:227; 2000:225; 2012: 207 - Newington 2000:225 Neuseeland Auckland 1999:253 (Ponsonby Road)

Europa Allgemein 1992:195 Belgien Allgemein - Flandern 2006/07:159 Brüssel 2014/15:133 Bulgarien Allgemein 2013:227 Sofia 2013:227 Dänemark Allgemein 1996:35; 2014/15:133 Ballerup 1990/91:211

  Ortsregister 1990 – 2020

Kopenhagen 1993:29; 2010:65; 2013:303; 2016:171 - Nørrebro 2001:247 - Vesterbro 2001:247 Taastrup 1990/91:211 Deutschland Allgemein 1996:248 (Neue Bundesländer); 2001:9 (DDR); 2012: 41; 2016: 13; 2019:1 - Brandenburg 1995:296; 2008:219; 2010:151; 2020:207 - Hessen 2001:189; 2008:219; 2019:49 - Mecklenburg-Vorpommern 1999:113; 2010:133 - Nordrhein-Westfalen 1997:69 (Ruhrgebiet); 1998:239, 303, 313: 1999:21; 2000:349; 2003:389; 2004/05:171, 373; 2006/07:83; 2008:83, 101; 2010:241; 2011:25,39,337; 2020:65 - Rheinland-Pfalz 2008:219; 2019:49 - Sachsen-Anhalt 2010:133 - Schleswig-Holstein 2008:219; 2010:163 - Thüringen 2010:133; 2017:53 Aachen 1999:277; 2010:241; 2014/15:79 - Rehmviertel 2019:285 Alsfeld 2014/15:115 Altena 2020:303 Altenburg 1996:257 Amberg 2020:85 Arnsberg 2008:109 Arnstadt 2014/15:55 Bachtal 2020:303 Bad Driburg 2020:115 Bad Essen 2020:115 Bad Kreuznach 2020:115 Bad Langensalza 2017:183 Bad Liebenstein 2020:329 Bad Liebenwerda 2020:303 Bad Lobenstein 2020:3, 35 Belgern-Schildau 2020:3 Bergkamen 1994:280 Berleburg (Bad) 2013:89; 2014/15:171 Berlin 1990/91:125, 147; 1994:159, 193, 418 (Mauerstreifen); 1996:93 (Ost-Berlin); 1997:11 (Ost-Berlin); 1998:9, 25; 1999:95; 2001:229, 341; 2003:341; 2004/05:267; 2006/07:113; 2008:345; 2010:35; 2013:53 (Ost-Berlin); 2014/15:19, 115; 2016:171; 2019:25; 2020:3, 303, 329 - Friedrichshain 1994:179 (Rummelsburger Bucht, Eldenaer Straße), 419 (Eldenaer Straße); 1999:227 (Rummelsburger Bucht); 2001:391 (Boxhagener Kiez); 2003:301, 341 (Boxhagener Kiez) - Hellersdorf 1999:159 - Köpenick 1996:53 (Allende-Viertel) - Kreuzberg 1994:49; 1999:9; 2000:29; 2003:341 (Wrangelkiez); 2008:309 (Gleisdreieck); 2012: 173, 207; 2013:45, 53, 181 - Lichtenberg 2012: 233 (Hohenschönhausen), 233 (Karlshorst/Rummelsburg), 233 (Alt-Lichtenberg); 2013:161 (Neu-Hohenschönhausen); 2016:37 (Victoriastadt/ Kaskelkiez) - Marzahn 1995:104; 1996:93; 2001:121 (Nord); 2010:117; 2012: 279; 2013:127 - Mitte 1994:124 (City Ost), 365 (Friedrichstadt, Dorotheenstadt); 1995:63 (Museumsinsel), 326 (Wilhelmstraße); 1996:93, 113 (Regierungsviertel), 120 (Potsdamer Platz); 1998:35 (Arkonaplatz), 141 (Friedrichstadt); 2001:9 (Alexanderplatz, Marx-Engels-Forum); 2012:107 (Nicolaiviertel, Fischerinsel), 125; 2016:65 (Wedding/ Leopoldplatz)

Ortsregister 1990 – 2020

- Moabit 1995:69 (Lehrter Bahnhof); 2003:341; 2013:127, 181 - Neukölln 1990/91:293; 1992:271; 1993:94 (Britz-Süd); 2001:121 (Reuterkiez); 2012: 69; 2013:45 - Pankow 2011:233 - Prenzlauer Berg 1993:227 (Helmholtzplatz); 1995:91; (Bötzowviertel, Kollwitzplatz); 1997:291; 1998:35 (Arnimplatz); 2013:45 - Reinickendorf 1992:179 (Märkisches Viertel) - Spandau 1990/91:27; 1992:291 (Herrstraße-Nord), 1994:179 (Wassersadt Oberhavel) - Tiergarten 1993:75 (Turmstraße) - Treptow 1994:179 (Adlershof); 2006/07:19 (Johannistal) - Wedding 1994:49 (Brunnenstraße); 2003:341 (Soldiner Kiez); 2004/05:391 (Soldiner Kiez); 2012: 69, 125, 173 Beverungen 2020:3, 35 Bitterfeld 1992:153; 1997:91; 2008:219; 2012:333 Blankenburg (Bad) 2008: 219 Bochum 2004/05:405; 2014/15:31 Böhlen 1997:103 Boitzenburg 1994:234 Bollwick 1999:113 Bonn 2008:135 Borken 2008:219 Borna 1997:103; 2012:333 (Birkenhain) Bottrop 1996:227 - Welheim 1992:314; 1994:280 Brandenburg (Havel) 1992:169 (Neustadt) Braunsbedra 2012: 333 Braunschweig 1992:71 (Altstadt ); 2012: 69 Bremen 2014/15:99 - Grohner Düne 1992:179 - Mahndorfer Marsch 2008:333 - Osterholz-Tenever 2008:83 - Peterswerder 1993:244 - Tenever 2019:49 - Varreler Bäke 1992:179 Bremerhaven 2014/14:55 Brigachtal 2020:283 Burbach 2014/15:171 Bürstadt 2020:233 Castrop-Rauxel 1996:227; 2006/07:83 Chemnitz 2001:9 (Karl-Marx-Stadt); 2006/07:65; 2008:431; 2012: 251; 2014/15:31, 115; 2019:73 - WG „Fritz Heckert“ 1999:343 Cottbus 2006/07:95; 2008:293; 2020:329 - Sachsendorf-Madlow 2000:285; 2002:131; 2004/05:373 Crailsheim 2020:283 Darmstadt 2012: 69 Dessau 1992:145, 153; 1997:91; 2003:359; 2016:315 - Gasviertel 1998:141 - Nord 1990/91:287; 1992:162 - Wolfener Siedlung 1992:153 - Roßlau 2013:119 Dorsten 2008:101 (Wulfen-Barkenfeld) Dortmund 1992:299; 1999:291; 2008:243; 2010:241; 2014/15:31; 2016:105 - Borsigplatzviertel 2001:35 - Hombruch 1992:334 - Innenstadt 1994:87 - Nordstadt 1992:299; 1994:67; 2016:201 - Kasernenareal 1992:321 - Scharnhorst 2010:261 Dresden 1993:270; 1999:125; 2008:135, 431; 2012:125 - Gorbitz 1999:145

359

- Nickern 2004/05:207 - Prohlis 1999:145 Drolshagen 2014/15:171 Duisburg 2010:231; 2013:241 - Hochheide 2006/07:243 - Maxloh 1999:53; 2002:273 - Nord 2006/07:83 Eberswalde 2020:207 Eggesin 2002:131 Eichwalde 2020:3 Eisenach 2012: 279 Eisenhüttenstadt 2012: 279 Eisleben 2011:51 Ellefeld 2020:3 Elmshorn 2014/15:99 Emmendingen 2020:283 Erfurt 1992:339 (Andreasviertel); 2012: 107; 2014/15:19, 115, 185; 2020:329 Eschwege 2020:303 Esens 2012:125 Essen 2004/05:171; 2010:231; 2013:107, 297; 2014/15:31 - nördliche Innenstadt 2019:285 Felsberg 2019:1 Flensburg 2014/15:99 Frankfurt (Main) 1992:370, 371; 1993:29; 2001:65; 2014/15:19; 2016:83 (Bahnhofsviertel); 2016:229 Freiberg 2016:111 Freising 2020:155 Friedrichstadt 2020:181 Fürstenwalde (Spree) 2001:215; 2004/05:135 Geithain (Sachsen) 1995:291 Gelsenkirchen 2004/05:171; 2008:111; 2012: 251; 2014/15:31 - Bismarck/Schalke-Nord 1998:313; 2002:295 - Lindenhof 2010:337 - Tossehof 2017: 159 Gießen 2003:331; 2014/15:99 Gladbeck 2014/15:185 Godesberg (Bad) 2012: 69 Görlitz 1998:35; 2012: 279; 2013:69; 2014/15:19; 2020:137 Göttingen 2001:199 (Grone) Gotha 2012: 107 Gräfenberg 2020:155 Gräfenhainichen 2004/05:149; 2012: 333 Greifenhain 2006/07:95 Greifswald 2012: 107; 2013:127 Grevelsberg 2008:109 Großgrimma 2012: 333 Großräschen 2000:285 Großschönau 2020:3, 35 Güstrow 2012: 125 Haar 2020:85 Halberstadt 1999:83; 2012: 107 Halle (Saale) 2003:359; 2006/07:205; 2008:185, 431; 2012:279; 2019:25 - Brunos Warte 1998:35 - Glaucha 2012: 157; 2014/15:115 - Neustadt 1994:205; 1995:119; 1999:173; 2000:313; 2012: 107 - Silberhöhe 2000:313 Haltern 2014/15:99 Hamburg 1990/91:125; 1992:92, 119; 1993:29, 270; 2003:155; 2004/05:267; 2008:345; 2009:239; 2012: 69, 125, 147, 251; 2013:283, 303; 2014/15:19, 55, 79; 2016:271 - Altona 1994:103 (Osterkirchenviertel); 1996:133; 1998:109 (Ottensen); 2001:137 (Lurup); 2008:33

360

- Bergedorf 1990/91:187; 1995:307 (Lohbrügge-Nord); 2014/15:99 - Eimsbüttel 1993:124 (Schröderstift); 1998:109 (Eidelstedt); 2003:377 (Schanzenviertel); 2009:239 (Lenzviertel); 2012: 271; 2013:25 - Harburg 1992:179 (Kirchdorf-Süd); 1993:244 (KirchdorfSüd); 1995:302 (Kirchdorf-Süd); 2001:89 (Wilhelmsburg), 2002:93 (Neuwiedenthal-Stubbenhof); 2003:125 (Wilhelmsburg); 2012: 207 (Wilhelmsburg); 2013:181, 201 (Wilhelmsburg) - Mitte 1990/91:157 (Karolinenviertel); 1992:92 (Altstadt, Neustadt), 110 (Speicherstadt), 356 (Karolinenviertel); 1993:124 (Hafenstraße); 1996:133 (Hafen, Speicherstadt); 1998:109 (St. Pauli); 2000:419 (HafenCity); 2003:9 (Karolinenviertel); 2010:93 (Osterbrookviertel); 2013:25 (St. Pauli); 2013:25 (Hammerbrook); 2016:253 (St. Pauli); 2016:271 (St. Georg) - Nord 2006/07:113 (Ohlsdorf ) - Wandsbek 1990/91:187 (Farmsen, Tegelsbarg, Hohenhorst); 1998:109 (Steilshoop); 2003:125 (Steilshoop); 2010:261 (Steilshoop); 2014/15: 99 (Steilshoop) Hameln 2012: 85; 2013:69 Hamm 2008:108 Hann. Münden 2020:303 Hannover 1995:15 (EXPO); 2013:69; 2014/15:19, 55 - Hainholz 1992:179 - Linden 2016:125 - Nordstadt 2004/05:33; 2016:125 Hattingen 2008:117 (Südstadt) Hennigsdorf 2004/05:207 Heringsdorf 2020:115 Herne 1996:227 Herten 2008:333; 2012: 85; 2013:69 Hiddenhausen 2013:89; 2014/15:171; 2020:283 Hildesheim - Drispenstedt 2001:199; 2004/05:255 Hohenmölsen 2012:333 Homberg (Efze) 2019:1 Hoyerswerda 2002:131; 2012: 279 Illingen (Saarland) 2013:89 Ilzer Land 2020:303 Ingolstadt 2013:145 Jena 2004/05:123 (Lobeda); 2012: 279 Jesberg 2008:219 Kaiserslautern 2019:223 Karl-Marx-Stadt →siehe Chemnitz Karlsruhe 2013:303 Kassel 2004/05:405; 2008:33; 2012:125; 2014/15:115, 197; 2020:329 - Helleböhn 1994:390 - Nordstadt-Hegelsberg 2002:111 - Waldau 1992:179 Kastellaun 2020:3, 35 Kiel 2008:33; 2014/15: 99 Kirchzarten 2020:3 Kleve 2008:333 Koblenz 2012: 327 Köln 1993:29; 2011:153; 2012: 125, 207; 2013: 303; 2014/15:55; 2020:3 - Kalk 1998:239; 2006/07:257 Konstanz 2008:333 (Strohmeyersdorf); 2013: 303 Krefeld 2019:1 Kreuznach (Bad) 2014/15:115 Kreuztal 2008:110 Lahr 2020:233

  Ortsregister 1990 – 2020

Lauchhammer 2006/07:95 Leinefelde 2002:131; 2004/05:149; 2012: 279; 2013:127 Leipzig 1990/91:125, 1992:137; 1993:29; 1994:402; 1995:137; 1998:35; 2001:65; 2004/05:77, 95, 113; 2008:431; 201:139; 2012: 107, 279, 333; 2013:127; 2019:73 - Connewitz 1992:137; 1995:137 - Grünau 1992:271; 1995:137; 1999:159; 2006/07:225 - Innenstadt 2004/05:207 - Lindenau 1997:303 - Neustadt-Neuschönefeld 1997:303 - Reudnitz 2006/07:43 - Südraum 1997:103; 2006/07:59 Leuna 2006/07:145 Lichtenfels (Hessen) 2014/15:171 Liebenau 2002:332 Lörrach 2013:303 Luckenwalde 2020:207 Ludwigsburg 2010:337 (Schlösslfeld) Lutherstadt 2017:197 - Eisleben 2017:199 Lübeck 1994:259; 2013:217 - Altstadt 1992:37; 1993:234 Magdeburg 1990/91:137; 1994:385; 2003:359; 2014/15:19 - Altstadt 1994:385 - Kannenstieg 1999:173 - Neustädter Feld/See 1999:173 - Olvenstedt 1999:173 - Reform 1999:173 - Salbke 2008:171 Mainbernheim 2020:3, 155 Malente 2020:3, 35 Mannheim 2012: 125; 2014/15:55 Marburg 2012: 85; 2013:69, 89 Marl 2013:69 Medebach 2014/15:171 Meißen 1999:83 Metzingen 2019:1 Mindelheim 2020:233 Möckern 2020:3 Mücheln 2020:3, 35 Mülheim an der Ruhr 2019:49 München 1993:29; 1996:35; 2008:33; 2013:145; 2014/15:19 - Freiham 2010:337 - Haidhausen 1993:219; 2012: 125 - Harthof 2013:241 Münster 2006/07:133; 2012: 125 Nauen 1996:268 Naumburg 2012:107 Neuenkirchen (Saar) 1992:259 Neuental (Nordh.) 2008:219 Neuhausen (auf den Fildern) 2013:303 Neu-Isenburg 2020:85 Neuruppin 1994:377, 397 Neustadt (Holstein) 2020:303 Neuwied 2012: 327; 2020:85 Nöbdenitz 2020:329 Norderstedt 2014/15:99 Nürnberg 1993:29; 2013:303 Nürtingen 2020:85 Ochsenfurt 2013:145 Oer-Erkenschwick 2004/05:171 Offenbach 2014/15:99 Offenburg 2014/15:55 Oldenburg i. O. 2014/15:79 Paderborn 2019:49

Ortsregister 1990 – 2020

Pirmasens 2008:83; 2014/15:277 Plauen 2013:69 Potsdam 2001:9; 2012: 107, 125; 2013:303; 2014/15:19, 55 - Bornstedter Feld 2004/05:207 - Erste Barocke Stadterweiterung 1997:33 - Stern 1992:291 - Zweite Barocke Stadterweiterung 1990/91:175; 1994:397; 1998:35 Protzwalk 2020:303 Quedlinburg 2012: 107 Ravenburg 2002:332 Regen 2020:283 Regensburg 2013:217 Remscheid 2010:23 Rendsburg 2014/15:99 Rhein-Selz 2020:3 Riesa 1997:115 Rodewisch 2020:3, 35 Rosenheim 2012: 251; 2014/15:185 Rostock 1993:29; 1999:113 - Altstadt 1998:35 - Groß Klein 2001:215 Rudolstadt 2008:219 Saalfeld 2008:219 (Alt) Saarbrücken 2013:303; 2014/15:99; 2019:285 Sachsen 2017:110 Sangershausen 2004/05:149 Schönebeck 2020:115 Schotten 2013:89 Schwäbisch Gmünd 2012: 251 Schwedt (Oder) 2012: 279 Schwerin 1993:111 (Großer Dreesch); 1998:63; 2016:315 Schwerte 2011:119 Selb 2008:83 Siegen 2013:89; 2014/15:171 Soest 2013:89 Sondershausen 2017:64 Spenge 2014/15:55 Stadtilm 2020:329 Staßfurt 2013:119 Stralsund 1999:83; 2011:99; 2012: 279; 2013:127 Stendal 1999:173; 2012: 279 Stuttgart 2011:245; 2013:303 - Bad Cannstatt 2011:245 Suhl 2012: 279 Sulzfeld 2020:283 Sütondern 2020:3 Tönning 2020:181 Tübingen 2003:143; 2012: 125 Unna 2020:85 Velten 2000:333 Viechtach 2020:155 Vreden 2020:303 Wabern 2008:219 Walmerod 2013:89 Waltrop 1996: 227 Wedel 2020:85 Weilheim 2013:145 Weimar 1998: 225 (Nord); 2012: 107; 2014/15: Weißwasser 2003:315; 2013:127; 2014/15:283 Wertheim 2020:85 Wetzlar 2003:331 Wiesbaden 2014/15: 99 Wismar 1999:113; 2002:149 (Friedenhof); 2011:99; 2012: 125; 2013:217 Witten 2014/15:115

361

Wittenberg 1992:153; 1997:91; 2008:207 Wittenburg 2019:49 Wittstock/Dosse 2020:303 Witznitz 1997:103 Wolfen 1999:173 (Nord); 2008:219 Wolfsburg 2004/05:191; 2011:63 Wolgast 2012: 279 Wuppertal 1999:53 (Ostersbaum) Zeitz 2012: 333 Zell am Harmersbach 2020:3, 35 Ziegenhain 1992:344 Zschornewitz 1994:223 Zwesten (Bad) 2008:219 Zwickau 1992:327 (Nordvorstadt); 2008:431; 2012: 279 - Eckersbach 2017:66 England →siehe UK Estland Allgemein 2014/15:133 Frankreich Allgemein 1994:421; 1996:172; 1999:193; 2003:267; 2004/05:311; 2011:263; 2014/15:133 - Lothringen 1997:69 Béziers 1993:188 Lille 2006/07:357 Lyon 1993:188 (Vénissieux) Marseille 2016:343 Paris 1993:29; 2010:35; 2013:265; 2018:1 - Mantes-La-Jolie 1993:188 - Massy-Saclay 2002:77 Großbritannien →siehe UK Irland Allgemein 2014/15:133 Dublin 2004/05:267; 2014/15:133 Italien Allgemein 1990/91:27; 2006/07:175; 2013:265; 2014/15:133 Assisi 1996:159 Bologna 1993:29; 1996:159; 2003:239 Cinisello Balsamo 2001:269 Florenz 2013:217 Genua 2008:55, 397 Mailand 2001:269 Neapel 1996:159 Palermo 2006/07:189 (Oreto-Tal) Rom 1993:29, 252; 1994:299; 1996:67, 159; 1998:153; 2003:221 Turin 2008:397; 2014/15:133 Lettland Allgemein 2013:227 Riga 2008:363 Litauen Allgemein 2013:227 Vilnius 2004/05:267 Luxemburg Allgemein 2014/15:133

362

Mazedonien Skopje 2009:281 Niederande Allgemein 1993:155; 2002:213; 2014/15:133 Amsterdam 1992:211; 2011:299; 2014/15:133, 259 - Bijlmermeer 2002:213; 2004/05:283 - Parkstad 2004/05:283 Hoogvliet 2010:65 Maastricht 2017:172 Nijmegen - Oud-West 1993:168; 2000:71 Roosendaal 2002:213 (Philipswijk) Rotterdam 1990/91:229; 1993:29; 2000:39; 2002: 213; 2019:49 (Hoogvliet); 2010: 65; 2013:303; 2014/15:133 Norwegen Oslo 2000:39 Österreich Allgemein 2014/15:133 Wien 1993:29; 1997:161; 2002:183; 2004/05:299; 2009:239 ; 2010:19; 2019:25 - Erdberg 2002:183 - Gürtel 2002:183 - Heiligenstadt 1993:272 (Karl-Marx-Hof ) - Ottakring 2003:155 - Volkert- und Alliiertenviertel 2009:239 Polen Allgemein 2013:227 Breslau 2000:161; 2006/07:325 (Ohlauer Vorstadt) Elbing 2008:383 Glogau 2008:383 Krakau 2000:161 Lodz 2008:383 Posen 2000:161; 2006/07:339; 2008:383 Sosnowiec 2008:383 Stettin 2000:161; 2006/07:325; 2008:383; 2011:319 Warschau 2000:161; 2013:227 - Altstadt 2008:383 - Mokotow 2008:383 Portugal Lissabon 2000:39; 2013:265 - Barrio Alto 2000:127 - Cestelo 2000:127 Porto 2011: 273 - Morra de Sé 2011:271 Rumänien Bukarest 2014/15:241 Russland Jaroslawl 2003:203 Moskau 1992:240; 1995:178; 2013:265 - Chimki-Selenograd 2002:77 - Kuncevo 1998:193 - Tepli Stan 1992:240 St. Petersburg 2004/05:329; 2013:227 Schweden Allgemein 2014/15:133 Göteborg 2000:39

  Ortsregister 1990 – 2020

Malmö 2000:175 (Rosemgaard); 2013:303 Schweiz Allgemein 2014/15:133 Basel 2010:65; 2013:217 Bern 2013:217 Biel 1997:121 Genf 2013:217 Lausanne 2013:217 Monte Carasso 1997:121 Winterthur 1997:121 Zürich 1997:121; 2008:33; 2013:217, 303; 2016:289 - Auzleg 2002:171 - Grünau 2002:171 - Hardquartier 2002:171 Spanien Barcelona 1993:29; 1997:137; 2000:39; 2012: 313 Bilbao 2018:1 Elche 1996:193 Madrid 1997:137; 2016:171 - Palomeras 2006/07:367 - Puente de Vellecas 1994:311; 2000:1491 - Tres Cantos 2002:77 Sevilla 1995:196 (EXPO) - Altstadt 1995:196 Valencia 2012: 313 Tschechische Republik Brno 2013:227 Most 2012: 107 Prag 2013:303 Theresienstadt 20 Türkei Istanbul 1997:323; 1998:183; 2009:71; 2018:1 - Küçükçekmece 2009:71 - Zeytinburnu 2009:71 - Beyoğlu 2013:343 - Sulukule 2017:336 UK (Vereinigtes Königreich) Allgemein 1994:421; 1995:39, 161; 2000:91, 105; 2012:187; 2014/15:133 - Schottland 2014/15:133 Belfast 2011:199 Creswell 2012: 297 Coventry 2008:33 Glasgow 1993:29; 2000:175 (Govan); 2004/05:267 Huddersfield 2006/07:225 Liverpool 2012:297 London 2006/07:295; 2010:35, 65, 79; 2014/15:133; 2018:1, 123; 2019:153 - Southwark 2003:249 - Tower Hamlets 2003:249 - Covent Garden 2012:207 - South Bank 2012: 207 Manchester 1999:209 (Hulme); 2018:1 Newport 2012:297 Ukraine Ivano-Frankivsk 2013:227 Ungarn Allgemein 2014/15:133

Ortsregister 1990 – 2020

Nord-/Mittelamerika

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Salvador de Bahia 2013:241 Santos 1997:187 (Favela do Dique) São Paulo 2013:241; 2018:1

Costa Rica San José 2018:IX, 249

Chile Santiage de Chile 1992:228 (Santiage Poientes) Valparaiso 1990/91:267; 1993:256

Cuba Havanna 2000:379 (Las Cañas); 2010:279 (Allg., San Isidro); 2013:265

Ecuador Quito 1998:211; 2004/05:355

Dominikanische Republik Allgemein 2013:319 El Salvador San Salvador 1993:205 (Colonia Las Palmas, Colonia St. Louis, Colonia Tutunichapa, Esteban) Haiti Port-au-Prince 1996:210 (Bicentenaire) Kanada Toronto 2012: 21 Kuba Havanna 2018:1, 189 Mexiko Mexiko Stadt 2018:1 USA (Vereinigte Staaten von Amerika) Allgemein 2000:265; 2003:179; 2011:163; 2014/15:157 Baltimore 2011:163 Boston 2011:163; 2012: 21; 2014/15:19 Chicago 2000:39; 2001:315 (Cabrini Green); 2006/07:275; 2010:35 Detroit 2014/15:19 Memphis 2000:253 New Orleans 2011:179 - French Quarter 2011:179 New York 1997:235 (Bronx , Brooklyn); 2011:163; 2012: 21 Pittsburgh 1994:87 - Oekland 1994:87 San Francisco 2018:1 Seattle 2011:163 Washingston D.C. 2010:297; 2012: 21

Südamerika Allgemein 1990/91:243 Argentinien Buenos Aires 2009:213; 2013:265; 2018:IX, 1, 189, 219, 249 Brasilien Allgemein 2000:191; 2013:241 Belém 2013:241 Fortaleza 2013:241 Porto Alegre 1994:331; 2013:319 Recife 2018:1 Rio de Janeiro 1992:219; 1997:207, 225; 2013:265

Kolumbien Medellín 2013:329 Peru 2018:165 Lima 1990/91:251; 1994:377 ; 1995:246; 2018:IX, 165 - Andahuaylas 1995:296 - Barranco 1995:269 - Barrios Altos 1995:246 - Ciudad de Papel 1994:377 - Huaycán 1994:377 - Mendoza Merino 1995:246 - Monserrate 1995:246 - Pachacamac 1994:377 Trujillo 2000:399 (El Povenir) Uruguay Montevideo 1994:351 (Barrio Sur) Venezuela Bejuma 1994:339 Caracas 1996:278; 2009:227 Miranda 1994:339 Montalbá 1994:339



Stichwortregister 1990 – 2020 Stichwortregister 1990–2019

Bitte beachten Sie Angegeben ist jeweils die Seitenzahl, auf dem ein Artikel beginnt. Der inhaltliche Bezug kann sich dabei auch erst auf einer späteren Seite befinden. Bei der Fülle an bisher erschienenen Beiträgen war es nachträglich nicht möglich, die Schlagwortvergabe absolut korrekt und widerspruchsfrei durchzuführen. Hineise zu falschen Zuordnungen oder fehlenden Verweisen nimmt die Redaktion gerne entgegen. Wir hoffen, dass Ihnen dieses Stichwortverzeichnis bei der Benutzung des Jahrbuches Stadterneuerung weiterhilft.

A Abriss → siehe Rückbau Agenda 21 → siehe Nachhaltigkeit Akteure 1990/91:157; 1999:31; 2002:213, 338; 2011:139, 233, 273, 319; 2013:107, 181, 201, 283; 2014/15:115; 2020:259 - öffentliche Akteure 2008:19 - Sanierungsträger 1993:124 - Wohnungswirtschaft 1995:178; 2013:127, 161; 2014/15:43, 55; 2016:229; 2019:1 → insb. zu Bürger, Mieter etc. siehe Partizipation Akteursanalyse 2018:277 Alternative Finanzierungsinstrumente 2019:1 altersgerechtes Wohnen → siehe Demografie Altstadt 2013:217, 265, 343; 2020:207 → siehe auch Innenstadt Anreize, finanzielle 2020:283 Arbeiten, strategisches 2020:303 Artenvielfalt 2019:171 Aufbau → siehe Wiederaufbau Aufenthaltsqualität 2020:233 Aufschwung Ost → siehe Stadterneuerung in den neuen Bundesländern Aufwertung 2008:71, 101, 117, 135, 207, 219; 2013:69, 127, 145, 181, 283, 303, 329, 343; 2016:37, 83, 125, 253, 271; 2018:IX, 1, 123, 189, 219 Ausbildung → siehe Universität Ausgrenzung 2016:171, 201, 343, 373 Ausland → siehe Stadterneuerung im europäischen Ausland und hervorgehobene Artikel (kursiv) Ausländer → siehe Migration

Die fett hervorgehobenen Stichworte waren zuvor ein Schwerpunktthema im Jahrbuch Stadterneuerung. Dieses beinhaltet gewöhnlich eine ausführliche Einführung in das Thema. Der entsprechende Artikel ist in der Auflistung ebenfalls fett hervorgehoben. Die unterstrichenen Artikel nähern sich dem Thema von einer stark theoretisch orientierten Richtung. Die kursive Schreibweise (Seitenzahl) gibt einen Hinweis auf internationale Beiträge.

B Barrios 2018:IX, 189, 249 Bauakademie der DDR 2012:107 Bauhaus 2017:14 Baukultur 2012:173 Baurecht → siehe Planungsrecht Begegnung 2019:153 Behelfsstrukturen 2019:309 Behutsamkeit / behutsame Stadterneuerung 2013:25, 45, 53, 69, 89, 107, 119, 127, 145, 161, 181, 201, 217, 227, 241, 251; 2014/15:259 → siehe auch Revitalisierung benachteiligte Gebiete → siehe Soziale Stadt Bergbaufolgelandschaft → siehe Tagebau Besonderes Städtebaurecht 2019:117 Bestandsanalyse 2020:181 Bestandsentwicklung → siehe Revitalisierung Beteiligung 2020:259 Betroffenenbeteiligung → siehe Partizipation Bidonvilles 2018:51 Bildung 2011:245; 2016:105 Bildungskatastrophe 2012: 41 Biodiversität 2019:171 Bodenpolitik 2020:303 Bodenrecht → siehe Planungsrecht Bonus-Modell 2020:283 Brachfläche 2008:171, 309, 383; 2011:245 Bürgerbeteiligung → siehe Partizipation Bürgerhaushalt 2012: 233; 2013:161, 319 Bürgerkommune 2012: 233 Bürgerinitiative 2012: 271

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 U. Altrock et al. (Hrsg.), Stadterneuerung in Klein- und Mittelstädten, Jahrbuch Stadterneuerung, https://doi.org/10.1007/978-3-658-30231-3

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  Stichwortregister 1990 – 2020

Bundesbaugesetz → siehe Planungsrecht Business Imrovement District(s) 2014/15:99

Eventplanung → siehe projektorientierte Planung Experimenteller Wohnungs- und Städtebau 2020:3

C Climate Improvement District 2019:203 Collective actions 2018:249, 309 Community Development Corporations 2014/15:157 Community Planning 2012: 207 Congrès International d‘ Architecture Moderne (CIAM) 2013:265 Crowdfunding 2019:73

F Fachwerkstadt 2019:117 Federal Housing Act 2012: 21 Festivalisierung 2011:21, 25, 39, 51, 63, 81, 99, 119, 139, 153, 163, 179, 199, 213; 2013:303 → siehe auch projektorientierte Planung Flächenrecycling → siehe Konversion Flächenreserve → siehe Leerstand Flächensanierung 1990/91:125; 1992:92; 1998:35; 2000:161; 2002:149, 231; 2004/05:221; 2009:99, 115, 137; 2012: 21, 41, 69, 85, 107, 125, 173; 2013:53, 69, 89, 145, 227, 241, 265; 2014/15:133 Fördermittel(wettbewerb) 1992:195; 2000:105; 2008:101, 195, 397 Förderschwerpunkte 2019:117 Forschungsfeld 2020:3 Freiraum 1990/91:211, 293; 1992:179, 240, 271; 1995:307; 1996:93, 113, 227; 1997:91; 1999:145; 2001:21; 2002:111, 119: 2003:155; 2004/05:123, 191; 2006/07:39, 43, 133, 145, 243; 2008:71, 117, 135 (Ansprüche); 2009:71, 159, 307; 2010:117; 2013:145, 217, 227, 303; 2019:25 → siehe auch Landschaft Freiraumplanung 2019:171 Friedhof 1990/91:293; 1992:271; 2006/07:113; 2013:89 Funktionsverlust 2020:233 Fußgängerzone 2008:33

D Daseinsvorsorge 2020:303 Deindustrialisierung → siehe Konversion Demografie 2002:131; 2004/05:61, 95, 373; 2006/07:65, 205, 225; 2010:105, 117, 133, 163, 169, 183, 199, 241; 2019:267 - kindergerechte Stadt 2004/05:391; 2011:233 - Wohnen im Alter 2000:313; 2008:117; 2010:19 - demographischer Wandel 2013: 89, 227; 2014/15:115 Denkmalpflege 1992:344; 1994:259; 1995:269, 291; 1996:13, 120; 1997:33; 1998:35, 63, 141, 211; 2000:127,161, 203; 2002:201,255, 317; 2004/05:329; 2008:185, 195; 2010:279; 2011:81, 99, 299; 2012: 125, 147, 187, 207, 297; 2013:217, 241 Denkmalschutz 2012: 297; 2013:107, 283, 343; 2014/15:197 Denkmalschutzgesetz 2012: 107 Design → siehe Stadtgestaltung Dezentralisierung 2012: 21 Digitalisierung 2019:191 Dorferneuerung 1999:113; 2009:137; 2013:89; 2014/15:171 E Eigentümer 2017: 15 Eigentümermobilisierung 2020:283 Eigentümer, private 2020:283 Einzelhandel → siehe Stadtökonomie Einzelhandelskonzept 2020:233 Energiewirtschaft → siehe Infrastruktur Entdichtung 2012: 21 Entwicklungshilfe → siehe Entwicklungszusammenarbeit Entwicklungsmaßnahmen 1994:179; 1996:35; 1999:33 Entwicklungszusammenarbeit 1990/91:251; 1993:205; 1994:331; 1995:212, 229, 269; 1998:163; 2019:309 → siehe auch squatter settlement Erbbaurecht 2019:1 Erdbebenprävention 2014/15:241 Erhalt des kulturellen Erbes 2020:137 Erholungsort 2020:115 Erneuerungspolitik 1990/91: 157, 229; 1992: 162, 95, 228; 1993:29, 155, 168, 188, 205, 256; 1994:49, 159, 193, 234, 299, 331, 351, 365, 385, 402, 415; 1995:137, 246, 269; 2003:9, 87, 249, 267; 2004/05:149, 241, 311; 2006/07:19, 357 Ethnografische Methoden 2019:309 Europa → siehe Stadterneuerung im europäischen Ausland und hervorgehobene Artikel (kursiv) bzw. Erneuerungspolitik Evaluation 2002:295; 2012: 297 Evaluierung 2019:117

G Gemeinschaftsinitiative Soziale Stadt 2019:131 Gemeinschaftssinn 2020:259 gemeinwohlorientierte Quartiersentwicklung 2019:1 Gender 1993:244; 1996:268; 1998:325; 2002:39 Gentrification / Gentrifizierung → siehe Stadtsoziologie Geoinformationssysteme (GIS) 1994:339; 2004/05:191; 2006/07:113 Geschichte → siehe Planungsgeschichte oder Denkmalpflege Gestaltung 2020:233 Gestaltungskonzept 2019:153 Gestaltungsrichtlinien 2019:153 Gesundheitsgeografie 2020:115 Gewerbe → siehe Stadtökonomie Gleichwertige Lebensverhältnisse 2020:3 Globalisierung 2013:343 → siehe auch Nachhaltigkeit Großprojekte 2012: 313 Groß(wohn)siedlung(en) 1990/91:187, 211; 1992:179, 240, 281; 1993:111, 188; 1994:205, 311; 1995:104, 119, 302, 307; 1996:248; 1997:35, 125; 1998:225, 239; 1999:95, 145, 159, 173, 193, 343; 2000:313, 333; 2001:137, 199, 269, 315, 377; 2002:93, 131, 149; 2003:203; 2004/05:283, 299; 2006/07:243 (Hochhaus), 275, 367; 2008:83, 117, 135, 159, 207, 363; 2010:117, 231, 337; 2012: 69, 125, 207, 233, 279; 2013:127, 161, 227; 2014/15:43, 133; 2016:315; 2019:49; 2020:85 Grünflächen 2019:171 Grüne Infrastruktur 2019:171 Grünraum → siehe Landschaft und Freiraum

Stichwortregister 1990 – 2020

H Hafen 1996:133; 1997:173; 2000:39; 2002:255; 2006/07:295; 2011:163 Hausbiografien 2020:181 Heilbad 2020:115 Hochhäuser → siehe auch Großwohnsieldung Housing Imrovement District 2014/15:99 I IBA → siehe Internationale Bauausstellung Industrielles Gartenreich 2017:14 Informelle Planung 2019:153 Infrastruktur 1997:69; 2010:55; 2012: 41; 2013:89, 227, 319; 2018:IX, 1, 51, 77, 101, 123, 165, 277; 2019:153 - technische 1992:327; 1994:390; 1996:257; 1998:163; 2002: 171; 2006/07:145; 2009:115, 159, 213, 227; 2010:133, 169, 183, 199, 215, 337; 2011:163; 2013:343 - soziale/kulturell/bildung 1994:103, 413; 2001:377; 2004/05:123, 191; 2006/07:225, 257; 2010:19, 65, 79, 93, 105, 117, 133, 151, 163, 317; 2011:245 Infrastrukturelle Aufwertung 2019:309 Inkrementelles Planungssystem 2019:247 Innenentwicklung 1990/91:147; 1997:235; 1998:193; 2002:213; 2009:281; 2010:215; 2020:259, 283, 303 - Nutzungsmischung 1996:25; 2012: 21, 69, 125; 2013:69, 145, 303 Innenstadt 1990/91:243; 1992:37, 71, 145, 211; 1996:159, 2002:239; 1997:121, 137; 1998:63, 211; 1999:95; 2000:91, 161, 203, 253; 2001:9; 2002:255; 2003:167, 2004/05:77, 191, 329; 2006/07:325; 2008:33, 159, 207, 243, 383; 2009:261, 281, 307; 2010:215, 279; 2011:199, 273; 2016:343; 2018:1, 123, 277; 2020:207 → siehe auch sozialistische Planung Innenstadtentwicklung 2020:207 Innenstadterneuerung 2018:1 Innenstadtmanagement 2019:223 Integration → siehe Migration Integrierte städtebauliche(s) Entwicklungskonzept(e) 2019:131 integrierte Stadtentwicklung 2019:117 integrierte Stadtentwicklungsplanung 2012: 21, 147; 2018:123, 309 integrierte Stadtentwicklungskonzepte 2017:62 Interaktives Planen 2019:247 Interkommunale Kooperation 2003:331; 2006/07:59; 2008:219, 431; 2020:303 → siehe regionale Kooperation Internationale Bauausstellung (IBA) 2011:51, 245; 2013:127, 145 - Berlin (1979-1987) 1994:49; 1999:9; 2013:45, 53, 07, 227 - Emscher Park 1992:314, 369; 1993:141; 1994:280; 1996:227; 1999:9; 2001:65; 2006/07:83; 2011:25, 39; 2013:107 - Fürst-Pückler-Land 2000:285; 2006/07:95; 2011:51 - Hamburg 2013:201 - Stadtumbau 2002:119; 2011:51; 2013:119 Internationales → siehe Stadterneuerung im europäischen Ausland und hervorgehobene Artikel (kursiv) ISEK 2019:117 J Jugendbauten 2014/15:115 Jugendliche 2017:59

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K Kahlschlagsanierung → siehe Fläschensanierung Kartografie 1994:339 → siehe auch GIS Katastrophenmanagement 2014/15:241 Katastrophenschutz 2014/15:241 Kiezmangemant → siehe Stadtmanagement Kinder → siehe Demographie Kleine Städte und Gemeinden 2020:303 Kleinstädte 2020:3, 65, 85, 115, 181, 207, 259, 329 Kleinstadtentwicklung, kooperative 2020:3 Kleinstadtforschung, systematische 2020:3 Klimaanpassung 2019:117 Klimaschutz 2019:117 Klimawandel 2019:49 Kollektives Gedächtnis 2018:1 Konversion 1997:63; 1998:125; 2001:65; 2013:343 - industriell 1990/91:12; 1992:334; 1997:69, 91, 103, 115, 121; 1998:225, 239; 1999:277; 2000:285; 2006/07:59, 95; 2011:25; 2012: 125, 207; 2014/15:115 - infrastrukturell 1996:133; 1997:173; 2000:39; 2002:231, 255; 2004/05:207; 2006/07:43; 2008:309; 2011:163, 245 - militärisch 1992:321; 1997:75; 2002:201; 2004/05:207 → siehe auch Leerstand Kommunales Denkmalkonzept Bayern 2020:155 Kooperation 2020:35 → siehe auch interkommunale Kooperation Kooperationsformate, Neue 2020:329 kritische Rekonstruktion 2012: 107, 125, 173, 207 Kultur 1996:227;1998: 313; 2003:69, 155, 167, 341; 2004/05:421; 2006/07:95, 225, 295; 2008:71, 171; 2011:39, 63, 119, 139, 163, 179; 2013:107, 303; 2016:343; 2018:1, 189, 277 Kulturerbe 2018:1, 189 Kunst → siehe Kultur Kurort 2020:115 L Lärm 2008:323 Landschaft 1996:227; 1997:91, 103; 2001:65; 2002:111; 2004/05:45; 2006/07:41, 159, 175, 189; 2008:135, 309, 411; 2010:117 → siehe auch Freiraum und Wasser Leerstand 1996:210; 1998:12; 2002:131, 201; 2003:341; 2008:159; 2012: 157, 279; 2013:89, 181; 2014/15:115 → siehe auch Konversion Lehre → siehe Universität Leipzig-Charta 2014/15: Leitbild(er) 1992:137; 1993:29; 1996:53; 1997:69; 2006/07:19; 2012: 21, 69, 125, 187, 207; 2013:69, 201, 283, 303; 2014/15:19, 31, 79, 171, 197, 217 → siehe auch Planungstheorie Lokale Agenda → siehe Nachhaltigkeit Lokale Entscheidungsrechte 2020:329 Lokale Ökonomie → siehe Stadtökonomie Lokale Selbstverwaltung 2020:329

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M Malus-Modell 2020:283 Medizingeografie 2020:115 Megacities und Stadterneuerung 2009:29, 47, 61, 71, 83, 99, 115, 129, 137, 159, 187, 197, 213, 227, 295, 307; 2010:215 Metropolregion 2012: 313 Migration 1992:314; 1997:11; 173; 1998:325; 1999:53, 193; 2000:29, 191; 2001:35, 121; 2002:273; 2004/05:221; 2006/07:275; 2013:319; 2016:171, 201, 343; 2019:49 Mittelstadt 2012: 85, 147; 2013:69; 2020:65, 85, 115, 207, 259 Mittelzentren 2020:207 Moderne, städtebauliche 2012: 69, 125, 173, 187, 207 Modernisierung 2012: 21; 2016:271 Möglichkeitstrichter 2019:247 Monitoring 2014/15:133; 2016:253 Muddling Through 2019:247 N Nachhaltigkeit 1997:323; 1998:63, 81, 91, 125, 141, 153, 163, 183; 2001:173, 247; 2002:295; 2010:337; 2011:139; 2012: 187; 2013:45, 251, 319 Nachhaltigkeitsstrategie 2020:303 Nachhaltige Stadtentwicklung 2018:1, 51, 277 Nachkriegsmoderne 2020:85 Nachmoderne 2020:85 → siehe auch Städtebauförderung, 40 Jahre Narrative 2020:35 Neighbourhood development 2018:219, 249 Neokeynesianismus 2012: 41 Neoliberalismus 2012: 41 Neubau 1990/91:267; 1992:110, 145, 271, 321, 334; 1993:256; 1994:179, 223, 390; 1995:69, 296; 1997: 235; 1998:35; 2000:225; 2002:131, 213, 231; 2009:99, 115, 137, 295; 2013:89 Neubauerneuerung 2017:59 New Urbanism → siehe Stadtsoziologie Nicht-investive Maßnahmen 2019:131 Nutzung 2019:49 Nutzungsmischung → siehe Innenentwicklung O Öffentliche(r) Raum/Räume 1996:278; 2000:11; 2001:21; 2002:111; 2003:69, 75, 87, 95, 109, 125, 143, 179, 191, 359; 2004/05:329, 391; 2006/07:133; 2008:55, 71; 2011:139, 153; 2013:303; 2019:153, 285 Öffentlicher Wohnungsbau 1990/91:187, 211; 1997:235; 2001:315; 2006/07:275, 339, 367; 2008:117; 2009:187; 2010:297; 2012: 41, 69, 125; 2014/15:259 Ökologie 1990/91:89; 1992:291, 299; 1994:103, 390; 1996:257, 268; 1997:69, 91, 187; 1998:125, 153; 1999:277; 2000:225; 2008:345; 2009:129, 159; 2010:337; 2013:89, 303 - Klimawandel 2010:183, 215; 2011:285, 299 Ökologische Herausforderungen 2019:191 Ökonomie → siehe Stadtökonomie Ökosystemleistungen 2019:171 Ortsentwicklung 2020:115 Ortskernverträglichkeitsprüfung 2020:303 Ortsrundgang, diskursiver 2020:303

  Stichwortregister 1990 – 2020

P Paradigmenwechsel 2012: 21, 107, 207 Partizipation 1992:162, 179, 299, 314; 1993:51, 168, 188; 1994:67,103, 205, 223, 280, 311, 377; 1995:137, 229, 269; 1998:163, 303; 1999:21, 113, 125, 145, 159, 277, 343; 2000:265, 285, 313, 333; 2001:89, 109, 229, 269; 2002:39, 171, 231; 2003:203, 267, 283; 2004/05:33, 149, 255, 267, 311, 355, 391; 2006/07:225, 313; 2008:171, 253, 293, 397; 2009: 83, 159, 213, 227, 261; 2010:65, 93; 2011:153, 233, 245, 319; 2012: 21, 41, 125, 173, 187, 207, 233, 271, 313; 2013:45, 53, 107, 127, 145, 161, 181, 201, 227, 283, 303, 319, 343; 2014/15:133; 2016:83; 2018:IX, 165; 2019:49; 2020:259 - Selbsthilfe 1990/91:69, 1996:278; 2000:333, 379; → siehe auch Akteure Partizipative Quartiersentwicklung 2018:277; 2019:73 Planungseuphorie 2012: 41 Planungsgeschichte 1990/91:125, 137, 147, 187; 1992:37, 71, 137, 162, 211, 281, 339; 1993:51, 65; 1994:39, 49, 125, 223, 259; 1995:39, 63, 137, 326; 1996:67; 1997:33, 137, 207; 1998:35, 183; 1999:325; 2000:39; 2001:9, 89, 247, 315; 2002:61; 2003:359; 2004/05:19, 45; 2009:159, 281, 307; 2010:35 Planungskultur 2012: 21 Planungsinstrumente, informelle 2020:137 Planungstheorie 1990/91:69, 103, 111, 251; 1993:267; 1994:67, 87, 193; 1995:15, 91; 1996:53, 159; 1997:11, 53; 1998:125; 1999:9, 209; 2000:11, 29; 2001:21, 49, 109, 121, 173; 2002:9, 17, 39; 2003:9, 35, 75, 95, 179, 283; 2004/05:19, 45, 61, 149, 221, 241; 2006/07:19, 43, 175; 2008:19, 33, 55, 101, 185, 195; 2009: 19, 29, 47, 99, 213, 239, 261; 2010:19, 35, 241, 317 → siehe auch Leitbilder Planungsrecht 1990/91:147; 1992:356, 361; 1993:75; 1994:179, 234, 397; 1996:35; 1997:75; 2000:191, 297; 2001:109, 293; 2004/05:207, 299; 2008:273, 383; 2012: 41 - Bodenrecht 2001:293; 2008:171, 363; 2016:253, 271 Plattenbau → siehe Großwohnsiedlung Politik → siehe Erneuerungspolitik Post-2015-Agenda 2018:1 Potenziale 2020:35 PPP 1995:161, 178; 1996:172; 1997:235; 1999:205; 2000:313; 2003:9; 2004/05:267, 329; 2006/07:325 Prädikat 2020:115 Prädikatisierung 2020:115 Private Initiativen zur Stadtentwicklung 2019:203 Privatisierung 2008:19, 363; 2013:343 Projektorientierte Planung 1993:141; 1994:299; 1995:15, 69, 196; 1997:137, 173; 1998:25; 1999:9, 209, 291; 2000:225, 285, 419; 2006/07:83, 95 → siehe auch Festivaliserung public space 2018:249, 327 Q Quartierfonds → siehe Verfügungsfond Quartiersentwicklung 2019:1 Quartiersmanagement → siehe Stadtmanagement Quick-response-Code (QRC) 2012:173 R Raumaneignung 2020:181 Raumbeobachtung 2019:285 Räume, ländlich 2020:329

Stichwortregister 1990 – 2020

Raumordnungsgesetz → siehe Planungsrecht Raumordnungsprogramm 2017:321 Raumpioniere 2013:119, 181, 201 Reallabor 2020:329 Reappropriation 2018:249 Rebellische Stadt 2020:329 Recht → siehe Planungsrecht Regionalplanung 2008:219, 411, 419, 431 Regionale Besonderheiten 2018:1 Regionale Kooperation → siehe interommunale Kooperation Rekonstruktion 2017:10 Rekonstruktion, kritische → siehe kritische Rekonstruktion Reservefläche → siehe Leerstand Religion 2008:273 Responsive Planning 2019:247 Ressortübergreifende Zusammenarbeit 2019:131 Reurbanisierung 2012: 125; 2013:145 Revitalisierung 1990/91:111; 1994:87, 1996:248; 1997:137, 161, 291; 2002:17; 2008:383; 2010:279; 2012: 69, 107, 125, 173, 207; 2013:303; 2018:1, 189; 2020:137, 259 → siehe auch Innenstadt Rückbau 1999:173; 2000:313; 2001:315, 377; 2002:131, 149, 171, 213; 2003:315; 2004/05:123, 373; 2008:159, 207; 2010:117; 2012: 279; 2013:53, 69, 89, 107, 127, 145, 265, 343; 2014/15:43, 55; 2016:315 S Sanierung 2017:11 Sanierungsrecht 2019:117 Schrumpfung 2013:69, 89, 119, 181; 2014/15:19 (schrumpfende Stadt), 55, 197; 2016:151; 315 → siehe auch Demographie Selbsthilfe → siehe Partizipation Segregation → siehe Stadtsoziologie Sicherheit 2008:33 Siedlungen, informelle 2013:241; 2018:51, 77, 101,123, 165, 219, 277 Siedlungsbau → siehe Neubau Slums 2012: 21; 2018:123, 165, 277 Smart City 2019:267 Soziale Infrastruktur → siehe Infrastruktur Soziale Stadt 1998:239, 303; 1999:95, 267; 2000:105, 149, 265, 297, 313; 2001:81, 89, 109, 137, 157, 173, 189, 199, 215; 2002:9, 171, 295, 338 (Bilanz); 2003:283; 2004/05:171, 221, 241, 311; 2006/07:257; 2012: 147, 173, 233, 251; 2013:53, 127, 161, 181, 283, 297, 303; 2014/15:31, 133, 157, 185, 241; 2016:105, 201; 2019:25 - benachteiligte Gebiete 2016:83, 151 Sozialer Wohnungsbau 2020:85 → siehe auch öffentlicher Wohnungsbau Sozialistische Planung 1990/91: 287; 1992: 137; 2001:9 Soziologie → siehe Stadtsoziologie Spielleitplanung 2017:252 Squatter Settlement 1990/91:251; 1992:219; 1993:205; 1994:331, 351; 1995:229; 1996:278; 1997:187, 207, 235; 2002:231; 2009:99, 115, 129, 197, 213, 227, 307 → siehe auch Entwicklungszusammenarbeit Stadt, autogerechte 2012:69; 2014/15:

369

Städtebauförderung 2020:65 Stadtentwicklung 2020:3, 155, 259 Stadtentwicklung, informelle 2018:77 Stadtentwicklung, strategische 2020:65 Stadtentwicklungsplanung, integrierte → siehe integrierte Stadtentwicklungsplanung Stadtentwicklungspolitik 2012: 41; 2020:329 Stadterneuerung 2019:25; 2020:85, 155 Stadterneuerungsgeschichte 2017:XVII Stadterneuerung an der Peripherie 1996:172; 1998:63, 193, 225; 2002:55, 61, 77, 111, 149, 332; 2003:179, 221; 2004/05:61, 95; 2006/07:159, 189; 2008:411; 2013:69, 145; 2014/15:79, 259; 2016:373; 2019:25 Stadterneuerung im europäischen Ausland 1993: 29; 1994:87; 2000:65, 175, 419; 2001:49; 2002:61, 171, 213 → siehe auch hervorgehobene Artikel (kursiv), hier nur Überblick und vergleichende Artikel Stadterneuerung in den neuen Bundesländern: Zehn Jahre danach 1999:73, 83, 113, 125, 173 Stadterneuerungsmethoden 2020:181 Stadterneuerungsprogramm 2012: 297 Stadterneuerung und Armut 2016: 13, 37, 65, 83, 105, 125,151, 171, 201, 229, 253, 271, 289, 315, 343, 373 Stadtgestalt 2017:167 Stadtgestaltung 1994:125; 1995:104, 119; 1996:93; 2003:389; 2004/05:95, 405; 2006/07:65, 133, 159; 2008:33, 55, 333 Stadtkernsanierung 2012: 85 Stadtkultur und öffentlicher Raum 2003:69 → siehe auch Kultur bzw. öffentlicher Raum Stadtland 2020:329 Stadtlandcampus 2020:329 Stadtmanagement/Quartiersmanagement 1992:299, 1993:168, 188; 1995:212; 1999:21, 95; 2000:71, 91, 297; 2001:157, 173, 215, 229, 391; 2003:249, 341; 2004/05:255, 267; 2006/07:257; 2009:19, 239; 2012: 233, 251; 2013:53, 161 (Kiezmanagement), 181; 2014/15:55, 79, 99, 157, 185, 241; 2019:25, 223 Stadtnaturschutz 2019:171 Stadtökonomie 1992:124; 1994:87, 377; 1995:161, 302; 1996:172, 193, 248; 1997:291, 303; 1998:325; 1999:267; 2002:77; 2003:51; 2004/05:61, 373; 2006/07:257; 2008:253, 323, 333; 2011:63, 163, 199 - Einzelhandel 2003:109, 341; 2004/05:95, 191, 329; 2006/07:339; 2009:29, 115, 137; 2010:317; 2011:163, 199; 2020:207, 233 - informelle Ökonomie 1990/91:243; 1996:193; 2000:399; 2009:99; 2011:213 - lokale Ökonomie 1990/91:243; 1996:133; 1998:109, 325; 1999:21, 193; 2000:175, 203; 2001:137, 199, 229; 2002:273; 2003:377 - Gastronomie 2003:377 - Gewerbe (Artikel mit Gewerbe-Schwerpunkt) 1992:110; 1999:277, 291; 2000:91, 175, 357; 2003:109; 2020:207 - Wohnungswirtschaft 1995:178; 2006/07:205; 2008:243; 2009:83, 159; 2010:117, 169, 231, 297 Stadtprofil 2020:115 Stadtrand → siehe Stadterneuerung an der Peripherie Stadtraum 2019:97 Stadtraum, öffentlicher 2020:233

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Stadtsoziologie 1992:219, 356; 1993:75, 94, 111, 124, 244, 252; 1994:280, 299, 377, 397, 1995:15, 91, 161, 178, 246; 1996:248; 1998:211, 263; 1999:21, 53, 193, 343; 2000:11, 29, 105, 175; 2001:21, 121, 315; 2002:39, 93; 2003:109, 143, 191, 315; 2004/05:391; 2009:29, 83, 115, 187 - Armutsquartiere 2016:13 - Ausgrenzung 2016:65 - Gentrification / Gentrifizierung 1992:92, 119; 2012: 207; 2013:145, 181, 241, 343; 2014/15:133; 2016:37, 125, 253 - Neue Armut 1998:263; 1999:21 - New Urbanism 2000: 253; 2001:315; 2002:61; 2003:179; 2012: 187 - Segregation 1990/91:187; 1996:172; 1997:11, 303; 1998:9; 1999:145; 2000:265; 2004/05:221;2006/07:275; 2011:213; 2013:227, 319, 343; 2014/15:79; 2016:13, 105, 125, 201, 229, 315, 343, 373 - Sozialstruktur 1993:94, 219, 227, 234; 2004/05:135, 221; 2009:29; 2016:125 - Quartierseffekte 2016:13, 65, 105 → siehe auch Migration, Gender, öffentlicher Raum Stadtstruktur → siehe Stadtgestaltung Stadtteilmanagement → siehe Stadtmanagement Stadt- und Ortsteilzentren, aktive 2017:305 Stadt- und Gemeindetypen 2020:3 Stadtumbau 1990/91:125; 2002:213; 2004/05:53, 207, 283; 2006/07:225; 2009:115; 2010:169, 199; 2012: 21, 271; 2019:25; 2020:65, 85, 137 - Stadtumbau Ost 2002:119, 131, 289 (Bilanz); 2003:315; 2004/05:123, 135, 149, 373, 421; 2008:159 (Bilanz), 207, 219; 2009:261; 2010:105, 117; 2012: 41, 125, 147, 157, 279; 2013:127; 2014/15:19, 43 - Stadtumbau West 2004/05:171, 373, 421; 2008:83, 101, 219; 2010:231; 2012:147; 2013:181, 283, 297; 2014/15:19, 31; 2016:83, 315 → siehe auch Rückbau und Förderwettbewerb Stadtumbau und Aufwertung 2008:71 → siehe auch Aufwertung Städtebauförderung, 40 Jahre - 50 Jahre Nachmoderne 2012: 21,41, 69, 85, 107, 125, 147, 157, 173, 207, 233 Städtebauförderung 2012: 41, 85, 107, 125, 147,157, 173, 251; 2013:161; 2014/15:19, 99, 115; 2016:253; 2019:25 Städtebauförderung, Bund-Länder 2017:186 Städtebauförderungsgesetz → siehe Städtebauförderung Städtebauliche Denkmalpflege 2020:155 Städtebaulicher Denkmalschutz 2017:301; 2020:137 städtebauliches Entwicklungskonzept 2019:117 Stiftungen 2019:73 Stromversorgung 2019:191 Strukturwandel 2012: 21 Studium → siehe Universität Suburbanisierung → siehe Stadterneuerung an der Peripherie Suffizienz 2019:191 Synoptische Planung 2019:247 Szenario 2020:35 Szenariomethode 2020:3

  Stichwortregister 1990 – 2020

T Tagebau 2012:333 Technische Infrastruktur → siehe Infrastruktur Theorie → siehe Planungstheorie Tourismus 1995:269; 2002:332; 2011:63, 139, 163,179; 2012:333, 2020:115 Trabantenstadt 2020:85 Transformation(sprozesse) 2012:333; 2014/15:217 Transformationsstrategien 2019:191 Triangulation 2012:297 U Umfeld → siehe Freiraum Umland → siehe Stadterneuerung an der Peripherie Umnutzung 2014/15:115 Umsiedlung 2012: 333 Umsiedlungspolitik 2018: IX, 51 Umweltgerechtigkeit 2019:153 UNESCO-Welterbe 2013:107, 217 Universität 1990/91:89, 175, 251; 1992: 169, 259; 1993:268; 1994:49; 1995:269; 2000:349; 2004/05:391, 421; 2006/07:313; 2010:35, 47, 337; 2011:337 - Bauhaus-Universität Weimar 2017:27 - ETH Zürich (CH) 1994:25; 2013:217 - HafenCityUniversität Hamburg (ehemals TU Hamburg-Harburg) 1992:15; 1994:377; 1999:325; 2010:47 - HfT Stuttgart 2004/05:415 - Hochschule Anhalt (Dessau) 2008:411, 419 - Hochschule für Architektur und Bauen Weimar 1992 - Hochschule Ostwestfalen-Lippe 2011:337 - RWTH Aachen 1994:15; 1999:313; 2011:337 - TU Berlin 1990/91:43; 1993:267; 1996:13; 2000:369; 2001:391; 2002:17, 317 - TU Delft (NL) 1993:13 - TU Dortmund (ehemals Uni Dortmund) 1992:27; 1994:402; 1997:257; 1998:263; 2000:363; 2006/07:381; 2010:47; 2011:337 - TU München 2010:47 - TU Wien (A) 1993:23; - UdK Berlin (ehemals HdK) 1990/91:27 - Uni Kassel (ehemals GH Kassel) 1990/91:13; 1992:366; 1994:385, 415; 2010:329 - Uni Siegen 2011:337 - Uni Stuttgart 1998:255 Urban gardening 2013:303 Urban governance 2013:69, 319 Urban Improvement District 2014/15:99; 2019:203 Urbanisierung → siehe Verstädterung Urbanität 2020:35 Urban Renaissance 2012: 187 V Verdichtung 2013:145, 217, 343 → siehe auch Innenentwicklung Versorgungsbereich, zentraler 2020:233 Versorgungsfunktion 2020:233 Verstetigung, 2019:49 Verfügungsfond 2000:71; 2001:229; 2012: 233; 2013:53

Stichwortregister 1990 – 2020

Verkehr 1996:257; 1997:137; 1999:227, 291; 2002:171; 2003:389; 2004/05:405; 2006/07:357; 2008:33; 2009:159; 2011:163, 213, 263 → siehe auch Infrastruktur Verstädterung 1994:339; 1997:323; 2010:241; 2013:343; 2014/15:217 Vielfalt 2019:49 Visualisierung 2020:259 W Wahrnehmung 2019:97 Wasser 1994:179; 2004/05:113; 2006/07:83, 95, 159, 189, 295; 2008:345; 2009:115, 159; 2018:101, 123, 165, 277 → siehe auch Landschaft Weltkulturerbe → siehe UNESCO-Welterbe Wettbewerb um Fördermittel → siehe Förderwettbewerb Wiederaufbau 1998:125; 2008:33, 55, 117, 383; 2011:81, 153 Winterschool 2020:329 Wirtschaft → siehe Stadtökonomie Wohnen (nur ausgewählte, vertiefende Artikel) 1990/91:137; 1992:71, 119, 124, 153; 1996:159; 1997:161, 187, 207, 225, 235, 291, 303; 1998:35, 193; 1999:21, 227, 253; 2000:225, 313, 379; 2001:121, 199, 293, 341; 2002:183; 2003:51; 2004/05:77, 95 135, 191, 207, 283, 299, 373; 2006/07:205, 243, 275; 2008:135 (Zufriedenheit); 2009:295; 2010:279, 297; 2011:163, 213, 273; 2016:229; Wohneigentum 2003:301; 2008:253, 363; 2018:1, 77, 165, 189 Wohnimmobilien 2020:283 Wohnumfeld → siehe Freiraum Wohnungsbauprogramm 2012: 107; 2018:IX, 123 Wohnungsgemeinnützigkeit 2017:78 Wohnungsmarkt 2017:63 Wohnungsmarkt, informeller 2018:219 Wohnungspolitik 2017:60; 2018:IX, 51, 123; 2019:25 Wohnungswirtschaft → siehe Akteure Z Zentrenentwicklung 2020:65 Zersiedelung 2012: 69, 313 Zivilgesellschaft 2012: 233 Zukunft Stadtgrün 2019:117 Zukunftsbilder 2020:35 Zuwanderung → siehe Migration Zwischennutzung → siehe Leerstand Zwischenstadt → siehe Stadterneuerung an der Peripherie

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