Sport und Spiel bei den Germanen: Nordeuropa von der römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter 3110334976, 9783110334975, 9783110338294

Auch der vormoderne Mittel- und Nordeuropäer ist als "homo ludens" vorzustellen. So begegnen uns verschiedenst

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German, English Pages VIII+536 [548] Year 2014

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Sport und Spiel bei den Germanen: Nordeuropa von der römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter
 3110334976,  9783110334975,  9783110338294

Table of contents :
Matthias Teichert / Einleitung 1
Brettspiele
Robert Nedoma / Die Schachterminologie des Altwestnordischen und der Transfer des Schachspiels nach Skandinavien 29
Jana Krüger / Das Brettspiel in der skaldischen Dichtung 87
Ulrich Schädler / Das Spiel der Engländer. Backgammonspiele im Ms. Royal 13 A xviii der British Library 109
Mark A. Hall / Board of the Kings: the Material Culture of Playtime in Scotland AD 1–1600 163
Peter Michaelsen / Haretavl – Hare and Hounds as a board game 197
Jan Niehues / Die Brettspiele des mittelalterlichen Irland und Wales 217
Würfelspiele
Iris Ridder / Das Losbuch "Ett litet Tidhfördriff" des Grubenschreibers Gisle Jacobson und das mittelalterliche 'dobbel'-Spiel 245
Victor Hansen / "Für den Trinker gibt es Rat, für den Doppler selten." Das Doppel-Spiel in skandinavischen Rechtstexten des Mittelalters 307
Ballsportarten
Matthias Teichert / Das Schlagballspiel der Wikinger. Aspekte einer Real- und Literaturgeschichte des Knattleikr 341
Niels Penke / "Tennis-balls, my liege." Zu den kultur- und literaturhistorischen Hintergründen einer Provokation in William Shakespeares "Henry V." 359
Kampfsport
Sixt Wetzler / "Var talað mart um glímur" – Ringkampf im alten Island 377
'Outdoor Athletics'
Irene Ruth Kupferschmied / "At þreyta sund við konunginn" – Wettkampf mit dem König 401
Oliver Grimm / Game grounds in western and ship races in eastern Scandinavia: an archaeological-interdisciplinary view 429
Jagd/Tierkampf ('blood sport')
Frans-Arne Stylegar / Horse-fights and cow-fights in Norwegian folk tradition 457
Lena Rohrbach / (Nur) Ein Spiel? Spieltheoretische Überlegungen zu den Pferdekämpfen der Sagaliteratur 467
Sigmund Oehrl / "Beizjagd" auf den Rothirsch – Asiatische Jagdmethoden im Norden, keltische Vorbilder oder germanisches Jägerlatein? 481

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Sport und Spiel bei den Germanen

Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde

Herausgegeben von Heinrich Beck · Sebastian Brather · Dieter Geuenich · Wilhelm Heizmann · Steffen Patzold · Heiko Steuer

Band 88

Sport und Spiel bei den Germanen Nordeuropa von der römischen Kaiserzeit bis zum Mittelalter

Herausgegeben von Matthias Teichert

ISSN 1866-7678 ISBN 978-3-11-033497-5 e-ISBN 978-3-11-033829-4 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalogue record for this book has been applied for at the Library of Congress Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.dnb.de abrufbar © 2014 Walter de Gruyter GmbH, 10785 Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz GmbH & Co. KG, Lemförde Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ? Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Unter dem Titel „Spiele und Sport im mittelalterlichen Nordeuropa“ fand am 1./2. Oktober 2010 am Skandinavischen Seminar der Georg-August-Universität Göttingen ein anderthalbtägiges Symposium mit Vorträgen von Referentinnen und Referenten unterschiedlicher Fachrichtungen (u.a. Skandinavistik, Germanistik, Ur- und Frühgeschichte, Geschichtswissenschaft) statt. Die seinerzeit gehaltenen und diskutierten Vorträge werden hier in überarbeiteter und z.T. stark erweiterter Form als Tagungsband vorgelegt, ergänzt um einige zusätzliche Beiträge ‚externer‘ Forscherinnen und Forscher, die zumeist aus terminlichen Gründen an der Tagung nicht teilnehmen konnten. Dass der Leser den hier versammelten Texten kaum ansehen wird, welche aus einem mündlichen Vortrag hervorgegangen sind und welche von Anbeginn als schriftliche Aufsätze konzipiert wurden, spricht im übrigen für das Engagement und die Sorgfalt, die von den Referentinnen und Referenten in die Bearbeitung ihrer Beiträge und in den Vollzug dieses häufig unterschätzten Medien- und Gattungswechsels investiert wurden. Der besondere Dank des Herausgebers gilt den Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge sowie für ihre Bereitschaft, den mitunter etwas zähen Fortgang des Bandes mit Langmut zu erdulden, zweitens dem Verlag de Gruyter und insbesondere Herrn Christoph Schirmer, der das Entstehen und die Veröffentlichung des Bandes mit Geduld, Verständnis und tatkräftiger Unterstützung auf vielen Ebenen erst ermöglicht hat, drittens den Herausgebern der Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde – namentlich sei hier Prof. Wilhelm Heizmann erwähnt – für die Aufnahme des Bandes in die Reihe. Last, not least sei allen gedankt, die als Kollegen und Kolleginnen am Göttinger Skandinavischen Seminar, als studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte oder als instituts- und fachfremde Unterstützer, Ratgeber oder Korrekturleser zum Gelingen der Tagung und zum Zustandekommen des Bandes beigetagen haben. Die alleinige Verantwortung des Herausgebers für sämtliche verbliebenen Fehler, Irrtümer und sonstigen Makel bleibt selbstredend unberührt.

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Inhaltsverzeichnis Matthias Teichert Einleitung fi 1 Brettspiele Robert Nedoma Die Schachterminologie des Altwestnordischen und der Transfer des Schachspiels nach Skandinavien fi 29 Jana Krüger Das Brettspiel in der skaldischen Dichtung fi 87 Ulrich Schädler Das Spiel der Engländer. Backgammonspiele im Ms. Royal 13 A xviii der British Library fi 109 Mark A Hall Board of the Kings: the Material Culture of Playtime in Scotland AD 1–1600 fi 163 Peter Michaelsen Haretavl – Hare and Hounds as a board game fi 197 Jan Niehues Die Brettspiele des mittelalterlichen Irland und Wales fi 217 Würfelspiele Iris Ridder Das Losbuch Ett litet Tidhfördriff des Grubenschreibers Gisle Jacobson und das mittelalterliche dobbel-Spiel fi 245 Victor Hansen „Für den Trinker gibt es Rat, für den Doppler selten.“ Das Doppel-Spiel in skandinavischen Rechtstexten des Mittelalters fi 307 Ballsportarten Matthias Teichert Das Schlagballspiel der Wikinger. Aspekte einer Real- und Literaturgeschichte des Knattleikr fi 341

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Inhaltsverzeichnis

Niels Penke “Tennis-balls, my liege.” Zu den kultur- und literaturhistorischen Hintergründen einer Provokation in William Shakespeares Henry V. fi 359 Kampfsport Sixt Wetzler „Var talad mart um glímur“ – Ringkampf im alten Island fi 377 ‘Outdoor Athletics’ Irene Ruth Kupferschmied At preyta sund vid konunginn – Wettkampf mit dem König fi 401 Oliver Grimm Game grounds in western and ship races in eastern Scandinavia: an archaeological-interdisciplinary view fi 429 Jagd/Tierkampf (‘blood sport’) Frans-Arne Stylegar Horse-fights and cow-fights in Norwegian folk tradition fi 457 Lena Rohrbach (Nur) Ein Spiel? Spieltheoretische Überlegungen zu den Pferdekämpfen der Sagaliteratur fi 467 Sigmund Oehrl „Beizjagd“ auf den Rothirsch – Asiatische Jagdmethoden im Norden, keltische Vorbilder oder germanisches Jägerlatein? fi 481

Einleitung

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Matthias Teichert

Einleitung Die eng verwandten, sich in ihrer soziokulturellen Rezeption und medialen Repräsentation vielfältig kreuzenden Zeichensysteme Spiel und Sport sind anthropologische Konstanten und als solche über alle historischen und geographischen Grenzen hinweg weltweit anzutreffen. Brettspiele sind bis mindestens ins 3. vorchristliche Jahrtausend nachweisbar, darunter das altägyptische Senet1 und das chinesische Weiqi, das in der westlichen Hemisphäre unter seiner japanischen Bezeichnung Go bekannt geworden ist2. Ringkämpfer in Aktion sind auf Zeichnungen in ägyptischen Grabkammern der 5. Dynastie zu sehen, auch leichtathletische Disziplinen wie Laufen, Speerwurf und Hochsprung sowie Ballspiele, Bogenschießen, Boxen, Schwimmen, Tauchen und Rudern sind für Altägypten belegt.3 Die Ursprünge organisierter sportlich-athletischer Betätigung in Mesopotamien, Persien, China und anderen Zentren antiker Hochkultur reichen ähnlich weit zurück, insbesondere verschiedene Formen von Kampfsportarten treten in zahlreichen Kulturkreisen früh und an prominenter Stelle ins Licht auch der Überlieferung, wie etwa die wrestling-Episoden im Gilgamesch-Epos, im Mahabharata und in Homers Ilias eindrucksvoll illustrieren4. Mit der Erstaustragung der Olympischen Spiele im Jahre 776 v. Chr., die in staunenswerter Kontinuität bis 396 n. Chr. im vierjährigen Zyklus insgesamt 293 Mal stattfanden, um nach 1500jährigem Dornröschenschlaf von Pierre de Coubertin wieder belebt zu werden und sich zum milliardenschweren globalen Medienereignis und Wirtschaftsfaktor zu entwickeln, ist der Sport endgültig zu einem zentralen Element der conditio humana geworden. Die olympische Idee ist für die hier zur Debatte stehenden Probleme das aussagekräftigste Fallbeispiel: die Geschichte der antiken und neuzeitlichen Olympischen Spiele dokumentieren die Bindung des sportlichen Wettkampfs an Kult und Religion (die „olympischen“ Spiele fanden schließlich nicht zufällig im Heiligen Hain der Götter – den Olympiern – statt und sind nach ihnen benannt5), seine Liaison mit Politik und Kommerz – es dürfte ausreichen, einige zu Chiffren gewordene Olympiadaten wie „1936“, „5. September (1972)“, „1996“ und „2008“ zu nennen –, vor allem aber den kulturhistorisch bemerkenswerten Vorgang, nicht nur eine antike Institution im modernen Gewand zu reanimieren, sondern die verloren gegangene und im Westeuropa des ausgehenden 19. und 20. Jahrhunderts nicht wiederherzustellende religiös-kultische Grundierung durch Schaffung einer artifiziellen‚ säkularisierten ‚neo-olympischen‘ Ikonographie, Mythologie und Semiotik zu substituieren: die fünf

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Vgl. Pusch 1979 und Dunn-Vaturi 2007, S. 21–30. Zu Geschichte und Literaturgeschichte von Go/Weiqi vgl. Koulen 52006, S. 11–92. Vgl. Behringer 2012, S. 33–36; Decker 1987, S. 32–41; Wilsdorf 1939. Vgl. hierzu Poliakoff 1996, S. 1189–1193. Zum religiös-kultischen Kontext der antiken Olympischen Spiele vgl. Sinn 32004.

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olympischen Ringe, die Medaillenfarben Gold, Silber, Bronze, das olympische Feuer mitsamt Fackellauf gehören hierzu ebenso wie die olympische Hymne, der olympische Eid und das olympische Dorf. Die Zeitrechnung nach Olympiaden stellt gar den Grundentwurf einer eigenen Komputistik dar.6 Im Signifikanten ‚Olympia‘ überschneiden sich ferner terminologisch wie inhaltlich die Konzepte von Sport und Spiel: obgleich „Sportereignis“, werden die antiken wie neuzeitlichen olympischen Wettkämpfen in allen (dem Verfasser der vorliegenden Zeilen zugänglichen) Sprachen mit einem Äquivalent zum Terminus „Spiel“ bezeichnet, das außerhalb des olympischen Diskurses jeweils auch zur Benennung nicht-körperbetonter, anti-agonaler Betätigungen verwendet wird.7 Auch sonst reicht die Semantik des Begriff ‚Spiel‘ weit in die Nomenklatur des Sports hinein: Im Tennis ist Spiel (englisch game, französisch jeu) die Bezeichnung für die drittgrößte Einheit der Wertungszählung zwischen Match, Satz und Punkt; im Englischen ist game auch Bezeichnung für die mittlere Einheit der Punktezählung beim Tischtennis (während das Deutsche hier, in Analogie zum Tennis und anderen Rückschlagsportarten, Satz verwendet). Ein Wettkampf in einer Ballsportart wird im Deutschen gängigerweise Spiel genannt (vgl. aber englisch match oder niederländisch wedstrijd), die Ausübung einer solchen Sportart wird mit dem Verb spielen ausgedrückt: Fußballspielen, Handballspielen, Tennisspielen, vgl. die Verwendung von jouer im Französischen, jogar im Spanischen, play im Englischen oder spela im Schwedischen. Auch das englische Substantiv game ist auf (Mannschaft-) Sportarten anwendbar, allerdings nicht für einen ausgetragene Wettkampf in seinem konkreten Verlauf („ein defensiv geführtes Hockeyspiel“ o.ä.), sondern für das Spiel ‚an sich‘ als zeichensystemische Entität, so im Titel von Andrew Lloyd Webbers Fußball-Musical The Beautiful Game von 2000. Die deutschen Begrifflichkeiten ‚Spiel‘ bzw. ‚spielen‘ und teilweise auch ihre Analogien in anderen europäischen Sprachen decken demnach neben ihrer Kernbedeutung einen Großteil des semantischen Spektrums von ‚Sport‘ ab, während dies in umgekehrter Richtung nicht gilt. Für die Frage, welche Sportarten unter den Spielbegriff fallen, ist dabei weniger die Einteilung nach Einzel- oder Mannschaftssport von Bedeutung als der typische Ablauf und die verwendeten Gerätschaften und Hilfsmittel ausschlaggebend: prototypensemantisch stehen die Ballsportarten dem Idealtypus von ‚Spiel‘ am nächsten, Schwerathletik, Kampfsport und solche Disziplinen, die letztlich auf die vorzeitliche Jäger-und-Sammler-Kultur zurückgehen (Speerwurf, Laufen, Springen) oder sich aus militärischen Traditionen herleiten (Bogen- und Pistolenschießen, Biathlon) sind weiter davon entfernt, Turnen und Reiten wäre eine Mittelstellung zuzuweisen (vgl. Komposita wie „Reiterspiele“ [englisch Equestrian Games] oder „Turnfestspiel“). Von Sport pflegt der sprichwörtliche Mann auf der

6 Zum modernen Sport als säkularisierte Religion vgl. Guttmann 1979, S. 34–35. 7 Z.B. englisch Olympic Games, französisch Jeux olympiques, spanisch Juegos Olímpicos, portugiesisch Jogos Olímpicos, niederländisch Olympische Spelen, schwedisch Olympiska spelen.

Einleitung

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Straße einen kompetitiven Charakter und vor allem ein ausgeprägtes körperliches Element zu erwarten. Dies ist ein Grund, weshalb etwa Darts, Poker, Billard und Schach, die institutionell (z.B. sind der Deutsche Schachbund und die Deutsche Billard-Union Vollmitglieder im DOSB) und medial (Übertragungen im Programm von TV-Sportkanälen) nach wie vor in der breiten Masse der Bevölkerung um die Anerkennung als Sportarten kämpfen und die Bezeichnung dieser Betätigungen als Spiel häufig pejorativ gemeint sind (i.S.v. „Das ist doch kein Sport, sondern nur ein Spiel!“). Das ebenfalls wenig körperbetonte Sportschießen oder der Motorsport kennen solches Ringen um Anerkennung als Sportarten hingegen kaum. Die Forderung nach physischer Aktivität ist daher ein populäres, aber keineswegs zuverlässiges Kriterium für die Definition des Sportbegriffs. Vergleichbares gilt, in schwächerem Maße, für das Prinzip der Agonalität und Kompetitivität. Außerhalb der professionalisierten neuolympischen, von Kontinental- und Weltmeisterschaften, Ligabetrieben und Weltcups dominierten Sportindustrie existiert bekanntlich noch der sog. Breitensport, bei dem das agonale Moment zugunsten einer sozialen Komponente reduziert wird (besonders deutlich etwa beim Federball, dem ‚kooperativen‘ Gegenstück zum kompetitiven Badminton) oder ursprünglich nicht existent ist (Joggen, Nordic Walking) und erst im Rahmen der „Sportifizierung“ der betreffenden Disziplin konstruiert wird (Angeln f Sportfischen). In historischer Perspektive spielt, neben politischen Aspekten, das Element des Agon in der Rivalität zwischen ‚Sportlern‘ und Turnern im 19. Jahrhundert in Deutschland eine zentrale Rolle.8 Einen gemeinsamen Nenner von Sport und Spiel bildet die in vielen Definitionsversuchen aufgegriffene Vorstellung von der ursprünglichen ‚Zweckfreiheit‘ beider Zeichensysteme, die sich im Falle des olympischen Sports in der langen, verbissenen Verteidigung des Amateurgedankens spiegelt9. Wie das Spiel figuriert auch der Sport ein von den Gesetzmäßigkeiten des regulären Arbeitslebens und des alltäglichen ‚Kampfs ums Dasein‘ entkoppeltes Paralleluniversum, in dem es für den Athleten um Selbstbestätigung, soziales Prestige und – in Zeiten des Professionalismus – nicht selten um erhebliche Geldsummen geht, nicht aber um die pure Existenz, die körperliche Unversehrtheit oder das nackte Überleben. Die aus heutiger Sicht schaurig anmutenden Gladiatorenkämpfe im antiken Rom, von den Zeitgenossen als circenses („[Zirkus-]Spiele“) terminologisiert, sind nach diesem Verständnis ebenso aus dem Sportbegriff auszuschließen wie körperliche Aktivitäten existentieller Qualität: „reine Kampf-, Nahrungsbeschaffungs- und andere Arbeitshandlungen gehören sonach nicht hierher“10. Die ursprüngliche Zweckfreiheit des Sports lässt sich an der Etymologie des Begriffs ablesen. Der (neuhoch-)deutsche Terminus Sport wurde im frühen 19. Jahrhun-

8 Vgl. hierzu Grüne 2003, S. 78–86. 9 Vgl. Behringer 2012, S. 299–300. 10 Nedoma 2005, S. 388.

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Matthias Teichert

dert aus dem neuenglischen Substantiv sport (bzw. sports) gebildet, das durch Synkope aus der mittelenglischen Form disport („Unterhaltung“) entstanden war; dieses wiederum, ein Nomen actionis, wurde Anfang des 14. Jahrhunderts aus den altfranzösischen Begriffen desport („Unterhaltung“) und (se) desporter („unterhalten [werden]“) entlehnt, die sich ihrerseits auf das mittellateinische Verb de(s)portare („sich vergnügen; sich unterhalten; sich ablenken“) zurückgehen. Seine heutige phonetische und semantische Gestalt erlangt der Begriff sport mit dem Übergang zur Neuzeit.11 Die altgermanischen Sprachen überliefern etymologisch verwandte und bedeutungsähnliche Substantive, die eine gemeinsame indogermanische Wurzel des Wortstammes nahe legen, darunter althochdeutsch spurt („Stadion[länge], Rennbahn“). Ein altindisches Analogon sp´rdh („Kampf, Gegnerschaft“) markiert bereits ˙ den agonal-kompetitiven Charakter des mit diesem Signifikat bezeichneten Signifikanten, der sich in den europäischen Kentumsprachen erst sukzessive etabliert. Das Nordgermanische hat bereits in der Wikingerzeit einen eigenen Terminus zur Bezeichnung körperlicher und geistiger Tätigkeiten mit mehr oder minder kodifiziertem Regelwerk ausgebildet, der im altwestnordischen (altisländisch-altnorwegischen) Schrifttum umfangreich belegt ist und den die neuskandinavischen Sprachen einschließlich des ostnordischen Zweigs (Schwedisch und Dänisch) bis in die Gegenwart neben dem internationalen Sportbegriff bewahrt haben. Dieser Terminus lautet im Altisländischen, der klassischen Literatursprache Nordeuropas, íprótt und umfasst als Grundbedeutungen „körperliche od[er] geistige Fähigkeit, Fertigkeit, Geschicklichkeit, Leibesübungen, Kunst“12, geht also einerseits über den primär mit physischer Betätigung assoziierten und ein agonales Element fokussierenden Sportbegriff hinaus, ist andererseits jedoch semantisch enger und schärfer gefasst als das Konzept von Spiel(en), das auch unbeholfenes Erproben motorischer Fähigkeiten bei Kleinkindern wie das Schieben und Aufeinandersetzen von Bauklötzen und lärmendes Herumtoben von Kindern und jüngeren Teenagern (Fangen, Versteckspiel, Schattenlauf) einschließt, also Tätigkeiten, für die weder besondere Begabungen noch über die grobe Kenntnis des Regelcodes hinausgehende Vorkenntnisse oder sonstige Ausbildungsformen erforderlich sind. Die Etymologie des Femininums íprótt ist unklar, eine Verbindung zu dem altenglischen Substantiv indryhtu „Vornehmheit, Pracht; Ehre, Berühmtheit“ gilt jedoch als wahrscheinlich.13 Dieses angelsächsische Femininum wiederum ist auf altenglisch dryht „Heer, Gefolge, Schar“ gebildet, das seinerseits etymologisch dem bedeutungsähnlichen altisländischen Femininum drótt entspricht (vgl. dessen Verwendung in Komposita wie dróttseti „Truchseß“ und dróttkvætt „Hofton“ [das Hauptversmaß der enkomiastischen Skaldik]). Als gemein-

11 Zur Begriffsgeschichte des Terminus Sport vgl. Nedoma 2005, S. 388. – Zur Übertragbarkeit des Sportbegriffs auf vormoderne Epochen vgl. Behringer 2012, S. 11. 12 Baetke 72005, S. 308. 13 Nedoma 2005; Bjorvand/Lindemann 2000, S. 530.

Einleitung

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same Wurzel der altnordischen wie altenglischen Form ist ein urgermanisches Verb *dreugan „ausführen, machen, tun“ anzusetzen.14 Von der Etymologie ausgehend, scheint der Sammelbegriff íprótt auch eine elitäre Sozialtopograhie der von ihm subsumierten Tätigkeiten zu implizieren, und tatsächlich umfasst der Terminus vorrangig sportliche, musische und kunsthandwerkliche Disziplinen, die an die Institution des Fürstenhofes gebunden ist. Eine wikingerzeitliche Auflistung von ípróttir (so der Plural von íprótt) ist in einer innerhalb der Orkneyinga saga bewahrten Skaldenstrophe des Dichters und Hofmanns Rägnvaldr kali (10. Jahrhundert) überliefert: Tafl em ärr at efla, / í@róttir kank níu, t)nik trau.la rúnum, / tí. er bók ok smi.ir, skrí.a kank á ski.um, / sk)tk ok rœk, svát n)tir; hvártveggja, kank hyggja: / harpslótt ok brag@óttu.15

In den übersetzten Riddarasägur des 13. Jahrhunderts, einer Reihe freier Prosabearbeitungen der Artusromane Chrétiens de Troyes und anderer Texte der matière de Bretagne und matière de France, werden auch die höfischen septem probitates (sieben ritterliche Künste)16 als ípróttir bezeichnet. Als einziger altgermanischer Dialekt überliefert das Altisländische einen terminus technicus für einen organisierten Sportwettkampf mit eigener Infrastruktur. Es handelt sich hierbei um das Maskulinum leikr, dessen semantisches Spektrum in der klassischen Sagaprosa „Spiel, Kampfspiel, Wettkampf, Kampf“ umfasst, das daneben aber auch in den Nuancen „Tanz, Instrumentenspiel, Melodie“ belegt ist, z.B. in strengleikar („Saitenspiele“, zugleich die Benennung einer altnordischen Übersetzung der Lais der Marie de France) oder noch neuisländisch grímudansleikur („Maskenball“). Dass diese ‚musische‘ Bedeutungsschicht die primäre ist, belegt älteres west- und ostgermanisches Vergleichsmaterial, so althochdeutsch leih „Melodie, Gesang“ und gotisch *laiks („Tanz“) und das zugehörige Verb laikan („springen; tanzen“)17. Das Verb leika bezeichnet im Alt- und Neuisländischen regulierte Formen sowohl musischer wie sportlich-kompetitiver Arten von ‚Spiel‘, darunter die Profession des Gauklers (altisländisch leikmadr „Spielmann“) und das Theaterspielen (neuislän-

14 Bjorvand/Lindemann 2000, S. 530. 15 Skjaldedigtning (Jónsson 1912), S. 478. – „Allen biet‘ ich’s im Brettspiel, / Bin der Runen kundig, / Bücher versteh‘ und Schmiedwerk, / Skilauf kann wie niemand. / Schieß‘ und rudre rüstig, / Recht auch meistr‘ ich, dächt‘ ich / Saitenspiel und Skaldsang: / So neun Künst‘ erfreu’n mich.“ (Thule XIX, S. 88). 16 Die älteste Zusammenstellung des Programms der sieben ritterlichen Künste findet sich in der Disciplina Clericalis des Petrus Alfonsi (1062–1125). Sie umfasst Reiten (equitare), Schwimmen (natare), Pfeilschießen (sagittare), Fechten (cestibus certare), Jagen (aucupare) Schachspielen (scacis ludere), Versemachen (versificari). 17 Vgl. Uhlenbeck 1896, S. 93.

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Matthias Teichert

disch leikhús „Theater“; vgl. das antiquierte neuhochdeutsche Kompositum „Lichtspielhaus“ [=Kino]), doch auch das ungeregelte ‚freie‘ Spielen von Kindern wird mit demselben Verb leika bezeichnet. Derselbe Wortstamm findet sich im Festlandskandinavischen: schwedisch leka, dänisch lege, norwegisch (bokmål) leke. Auch diese Begriffe stehen für das ‚freie‘ Spiel, während für durch Regeln gebundenes (agonales) und musisches Spielen ein aus dem Mittelniederdeutschen übernommenes Lehnwort verwendet wird: schwedisch spela, dänisch spille, norwegisch (bokmål) spille, vgl. schwedisch kortspel („Kartenspiel“), dänisch skuespil („Schauspiel“), norwegisch (bokmål) spille piano („Klavierspielen“). Basis ist der Wortstamm althochdeutsch, mittelhochdeutsch und mittelniederdeutsch spil (neuhochdeutsch spielen, neuniederländisch spelen)18; isoliert steht die altenglische Form spelian, die ausschließlich in der Bedeutungsnuance „vertreten“ (i.S.v. ‚einen anderen vorstellen‘) bezeugt ist, d.h. für eine Form von Mimikry.19 Eine dritte, nur im Westgermanischen nachweisbare Wurzel zur Bezeichnung von Spiel und Spielen liegt vor in den Formen althochdeutsch pflegan, altfriesisch plega und altenglisch plagian (plægian, plegan; „sich bewegen; spielen, tanzen“), aus deren letzterer das Verb to play und das Substantivs play im Neuenglischen deriviert sind.20 Im Gegensatz zur Heterogenität der Spielterminologie im Germanischen drücken die italischen Sprachen das gesamte Bedeutungsspektrum einheitlich mit nur einem Wortstamm aus. Im klassischen Latein ist dies ludus („Spiel“) – ludere („spielen“). Umso erstaunlicher ist es, das die neuromanischen Sprachen diesen Wortstamm völlig aufgegeben haben und das Spiel(en) stattdessen mit Ableitungen aus lateinisch iocus, iocari („Scherz, Spaß“; vgl. neuenglisch joke, neuhochdeutsch Jux) bezeichnen: französisch jeu („Spiel“) – jouer („spielen“), spanisch juego – jogar, portugiesisch jogo – jogar, italienisch giuoco – giocare. Die allgemeine Spieltheorie (hier im Gegensatz zur wirtschaftswissenschaftlichen und militärkundlichen Spieltheorie) hat seit dem 18. Jahrhundert eine umfangreiche Literatur mit vielfältigen methodischen Perspektiven auf das Phänomen Spiel generiert; der Reigen von Verfassern grundlegender spieltheoretischer Beiträge umfasst neben anderen Locke, Rousseau, Kant, Schiller, Jean Paul, Schleiermacher, Spencer und Freud.21 Der klassischste aller klassischen Forschungstexte zur allgemeinen Spieltheorie ist J. Huizingas essayistische Monographie Homo Ludens – Vom Ursprung der Kultur im Spiel (1938). Huizingas vielzitierte griffige Definition des Spiels lautet:

18 Bedeutungsspektrum seit althochdeutscher Zeit: „jocus, vergnügen, Scherz; Vergnügung durch Musik; musikalisches Spiel; theatralisches Spiel, spectaculum, ludicrum; Waffenspiel, Turnier; certamen, Wettkampf; Spiel um Gewinn u[nd] Verlust; Spielzeug“ (Schade 1872–1882, S. 851). 19 Holthausen 1934, S. 309. 20 Ebd. 1934, S. 247. 21 Für einen ausführlichen Forschungsüberblick vgl. Scheuerl 111991.

Einleitung

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Spiel ist eine freiwillige Handlung oder Beschäftigung, die innerhalb gewisser festgesetzter Grenzen von Zeit und Raum nach freiwillig angenommenen, aber unbedingt bindenden Regeln verrichtet wird, ihr Ziel in sich selber hat und begleitet wird von einem Gefühl der Spannung und Freude und einem Bewußtsein des „Andersseins“ als das „gewöhnliche Leben“.22

Diese Begriffsbestimmung ist allerdings ebenso problematisch wie wegen ihrer wolkigen Allgemeinheit unverbindlich; auf der einen Seite will Huizingas sehr weit gefasste Spieldefinition die Gesamtheit der Phänomene „Geschicklichkeits- und Kraftspiele, Verstandes- und Glücksspiele, Darstellungen und Aufführungen“23 bei Kindern wie Erwachsenen und sogar bei Tieren gleichermaßen erfassen, auf der anderen Seite werden durch die Konstitutionsmerkmale der Freiwilligkeit und der Nicht-Zielgerichtetheit sämtliche Formen ‚spielerischen‘ Handelns ausgeschlossen, die von Zwang(haftigkeit), Wettkampfcharakter, materiellem Gewinnstreben und Professionalismus geprägt sind. Nicht nur sämtliche in Spielbanken um Geldeinsätze angebotenen Casinospiele, sondern auch das berufsmäßige Schach- oder Billardspiel und letztlich auch die neuzeitlichen wie antiken Olympischen Spiele wären demnach keine Spiele im Sinne von Huizingas Definition. Diese definitorischen Schwierigkeiten scheint Huizinga selbst gesehen zu haben, denn er versucht sie gegen Ende seiner Schrift durch die Konstruktion eines existentiellen Gegensatzes zwischen Spiel und Sport, hergeleitet aus der Rezeptionsgeschichte des Bridgespiels, zu lösen. Spiel und Sport stehen in Huizingas Definition für zwei inkommensurable historische Entwicklungsstufen, von denen Elemente des Spiels durch „die Publizität mit den anerkannten Championschaften, mit den öffentlichen Wettkämpfen, mit der Registrierung von Rekorden, mit den Presseberichten in ihrem eigenen literarischen Stil […] dem Sport einverleibt“24 würden, wobei „mit der stets zunehmenden Systematisierung und Disziplinierung des Spiels auf die Dauer etwas von dem reinen Spielgehalt verloren“25 ginge. Wie aus dem Untertitel des Essays hervorgeht, ist das Spiel für Huizinga die Wurzel menschlicher Zivilisation überhaupt: Der Kult entfaltete sich im heiligen Spiel. Die Dichtkunst wurde in Spiel geboren und erhielt immerfort aus Spielformen ihre beste Nahrung. Musik und Tanz waren reines Spiel. Weisheit und

22 Huizinga 2006, S. 37. 23 Huizinga 2006, S. 37. 24 Huizinga 2006, S. 214. 25 Huizinga 2006, S. 213. – „Dies offenbart sich in der Scheidung der Spieler in Professionelle und Liebhaber. Die Spielgruppe scheidet diejenigen aus, für die das Spiel kein Spiel mehr ist und die, obwohl von hoher Kapazität, im Range unter den echten Spieler stehen. Die Haltung des Berufsspielers ist nicht mehr die richtige Spielhaltung: das Spontane und Sorglose gibt es nicht mehr bei ihm. Nach und nach entfernt sich in der modernen Gesellschaft der Sport immer mehr aus der reinen Spielsphäre […].“ (Ebd., S. 213). In dieser Terminologie wären also weder Berufsspieler noch – wegen des Fehlens des Spontanen und Sorglosen – pathologisch Spielsüchtige Spieler im Sinne von Huizingas Theorie, deren Nomenklatur damit signifikant vom allgemeinen Sprachgebrauch abweicht (vgl. z.B. Titel und Handlung von Dostojewskijs Roman Der Spieler).

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Matthias Teichert

Wissen fanden ihren Ausdruck im Wort in geweihten Wettspielen. Das Recht ging aus den Gepflogenheiten eines sozialen Spiels hervor. […] Die Folgerung muß sein: Kultur in ihren ursprünglichen Phasen wird gespielt. Sie entspringt nicht aus Spiel, wie eine lebende Frucht sich von ihrem Mutterleibe löst, sie entfaltet sich in Spiel und als Spiel.26

Dem Spiel wird damit der Rang eines primären Zeichensystems zugewiesen, aus dem unter Bewahrung spielerischer Elemente sekundäre Zeichensysteme – Kultur, Religion, Dichtung, Theater, Rechtswesen, Tanz, Wissenschaft, Sport etc. – deriviert worden seien. Huizingas Grenzziehung zwischen primärem und sekundären Zeichensystem(en) ist freilich anfechtbar: das freizeitmäßig im Gasthaus betriebenen Würfelspiel steht dem von Huizinga nicht zum Spiel gerechneten professionellen Schach der Großmeister typologisch wie instrumentell zweifellos näher als dem Detektivspiel von Kindern oder dem Spiel einer jungen Katze mit einem Wollknäuel, die nach Huizinga als Emanationen nicht-agonalen Spiels zu werten wären. Mehr noch: in Huizingas Spieltheorie ist das Wesen einer agonalen spielerischen Handlung wie Würfel-, Brett- und Kartenspiel als Spiel oder Nicht-Spiel/Sport von der jeweiligen Motivation der Spieler und der soziokulturellen Rahmung der Spielsituation abhängig. Eine derart spieler- und kontextzentrierte Spieltheorie, die Struktur und Funktionen des Spiels selbst ausblendet, ist kaum operationalisierbar. Als einziges Element von Huizingas Spielbegriff, der einer kritischen Überprüfung standhält, bleibt somit das Merkmal der Regelgebundenheit festzuhalten: die Ordnung eines für alle Spieler verbindlichen Regelsystems, das Ablauf, Spieloptionen und -ziel, Ermittlung des Gewinners, Sanktionsmöglichkeiten gegen Regelverstöße o.ä. vorschreibt, strukturiert das Spiel und isoliert es gegen den Außenbereich des Nicht-Spiels; das Überschreiten und Außerkraftsetzen des Regelwerks beendet das Spielerische und überführt seine personelle und materielle Substanz auf die Ebene anderer Zeichensysteme. Die Regelgebundenheit als strukturierendes Prinzip verbindet das Spielerische mit dem Sport; hier wie dort kann das Regelwerk von hochkomplex (Jeu de Paume; Schach, Rhitmomachie) bis fragmentarisch-„skelettiert“ (Pankration; Morra) variieren. Analytisch verwertbarer als der amorphe und überdehnte, nur in der (unhaltbaren) Exklusion sportlicher und professioneller Elemente hinreichend scharfe Spielbegriff Huizingas ist die Spieltheorie des französischen Literaturwissenschaftlers, Soziologen und Philosophen R. Caillois. Caillois skizziert in einem ersten Schritt eine insgesamt sechs Elemente umfassende formale Spieldefinition. Ein Spiel ist: 1.

2.

eine freie Betätigung, zu der der Spieler nicht gezwungen werden kann, ohne daß das Spiel alsbald seines Charakters der anziehenden und fröhlichen Unterhaltung verlustig ginge; eine abgetrennte Betätigung, die sich innerhalb genauer und im voraus festgelegter Grenzen von Raum und Zeit vollzieht;

26 Huizinga 2006, S. 189.

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3.

eine ungewisse Betätigung, deren Ablauf und deren Ergebnis nicht von vornherein feststeht, da bei allem Zwang, zu einem Ergebnis zu kommen, der Initiative des Spielers notwendigerweise eine gewisse Bewegungsfreiheit zugebilligt werden muß; 4. eine unproduktive Betätigung, die weder Güter noch Reichtum noch sonst ein neues Element erschafft und die, abgesehen von einer Verschiebung des Eigentums innerhalb des Spielerkreises, bei einer Situation endet, die identisch ist mit der zu Beginn des Spiels; 5. eine geregelte Betätigung, die Konventionen unterworfen ist, welche die üblichen Gesetze aufheben und für den Augenblick eine neue, alleingültige Gesetzgebung einführen; 6. eine fiktive Betätigung, die von einem spezifischen Bewußtsein einer zweiten Wirklichkeit oder einer in Bezug auf das gewöhnliche Leben freien Unwirklichkeit begleitet wird.27

Die beiden letztgenannten Elemente schließen sich nach Caillois‘ Beobachtungen wechselseitig aus, so dass in jedem konkreten Spiel nur fünf von sechs Elemente der abstrakten Maximaldefinition realisiert sind: „Die Spiele sind also nicht geregelt und fiktiv. Sie sind entweder geregelt oder fiktiv.“28 Als Repräsentanten des geregelten Spiels nennt Caillois „Schach, Barlauf, Polo oder Bakkarat“29, als Beispiel für die Realisierung des fiktiven Element das Spiel eines kleinen Mädchens mit seiner Puppenstube. Aufgrund ihres mutex-artigen Charakters sind für Caillois gerade diese beiden Elemente geeignet, „zum Objekt einer Einteilung [zu] werden, die sich nunmehr bemüht, nicht den Eigenschaften gerecht zu werden, welche sie in ihrer Gesamtheit von der übrigen Wirklichkeit unterscheiden, sondern jenen Eigenschaften, durch welche sie sich in Gruppen von irreduzierbarer Originalität einteilen lassen.“30 Ein solches Modell zur ‚inhaltlichen‘ Kategorisierung von Spielen erstellt Caillois als zweiten Schritt seiner Theoriebildung des Spiels: Nach Prüfung der verschiedenen Möglichkeiten schlage ich … eine Einteilung in vier Hauptrubriken vor, je nachdem, ob innerhalb des jeweiligen Spiels das Moment des Wettstreits, des Zufalls, der Maskierung oder des Rausches vorherrscht. Ich beziechne [sic] sie als Agôn, Alea, Mimicry und Ilinx. Alle vier gehören sie dadurch in den Bereich der Spiele: man spielt Fußball, Billard oder Schach (agôn), man spielt Roulette oder Lotterie (alea), man spielt Seeräuber, man spielt Nero oder Hamlet (mimicry) und man spielt, um durch eine rapide Rotations- oder Fallbewegung in sich selbst einen organischen Zustand der Verwirrung und des Außersichseins hervorzurufen (ilinx).31

27 Caillois 111991, S. 163. 28 Caillois 11, S. 162. 29 Caillois 111991, S. 162. 30 Caillois 111991, S. 163. 31 Caillois 111991, S. 163–164.

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In einem dritten Schritt nimmt Caillois quer zu dieser Einteilung der Spiele in vier Sektoren (x-Ebene) eine Skalierung nach dem Gehalt von paidia – „eine gewisse unkontrollierte Phantasie“32 – und ludus, d.h. eine „zunehmende Anstrengungen, Geduld oder Geschicklichkeit und Erfindungsgabe“33 erfordernde Strukturierungs- und Verregelungstendenz (y-Ebene) vor. So ergibt sich für Caillois‘ Modell zur Beschreibung von Spielen folgende tabellarische Darstellung34:

PAIDIA

AGON (Wettkampf)

ALEA (Chance)

MIMICRY (Verkleidung)

ILINX (Rausch)

Nichtgeregelter Wettlauf, Kampf usw.

Auszählspiele, „Zahl oder Adler“

Kindliche Nachahmung

Kindliche Drehspiele

Illusionsspiele Puppe, Rüstung

Zirkus Schaukel

Maske Travestie

Walzer

Lärm

Bewegung unbändiges Gelächter

Drachen Grillenspiel Patiencen

Kreuzworträtsel

Athletik

Boxen, Billard Fechten, Damespiel Fußball, Schach Sportwettkämpfe im allgemeinen

Wette Roulette Theater Einfache Lotterie Zusammengesetzte Schaukünste im Lotterie allgemeinen Lotterie auf Buchung

„Volador“ Jahrmarktsattraktionen Ski Alpinismus Kunstsprünge

LUDUS

In jüngerer Vergangenheit Zeit ist vor allem von skandinavischen und angelsächsischen Forschern die Disziplin der Ludologie oder Spielforschung (engl. Game Studies, seltener Ludology) etabliert worden, in deren Mittelpunkt die Erforschung digitaler (Video-)Spiele, aber auch von Cybertexten, Machinima, KI u.ä. stehen.35 Eine scharfe Debatte führte die Ludologie in den 1990er Jahren mit der Narratologie wegen deren Anspruch, (digitale) Spiele als eine Form erzählender Texte aufzufassen und folglich das literaturwissenschaftliche Instrumentarium der Erzähltextanalyse auf die Spiel-

32 33 34 35

Caillois 111991, S. 164. Caillois 111991, S. 164. Tabelle nach Caillois 1991, S. 165. Eine konzise Einführung in die Disziplin bietet Mäyrä 2008.

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analyse zu übertragen. So versteht J.H. Murray Computerspiele als Teil eines als cyberdrama bezeichneten erweiterten Begriffs des Geschichtenerzählens (storytelling).36 Die Ludologie hingegen fasst das Prinzip der Simulation als Kern des Spiels auf und daher das Spiel als „the hermeneutic Other of narratives“37; das Narrative sei „top-down and preplanned“38, das Spiel hingegen „bottom-up and emergent“39. Allerdings ist der von den Ludologen zugrundegelegte Begriff von Text und Narration erkennbar zu eindimensional – Hypertexte sind z.B. nicht top-down organisiert, können aber trotzdem narrativ sein, und Roland Barthes konnte bereits 1957 die Tour de France als Epos, also als narrative Großform, bezeichnen40. Daher ist der Methode der narratologischen Spielanalyse der Vorrang einzuräumen. Brauchbar ist jedoch die ludologische Definition der konstitutiven Elemente von Spiel: Any game consists of three aspects: (1) rules, (2) a material/semiotic system (a gameworld), and (3) gameplay (the events resulting from application of the rules to the gameworld). Of these three, the semiotic system is the most coincidental to the game.41

In neuester Zeit haben R. Buland und U. Schädler den Terminus Ludographie als Titel einer Buchreihe geprägt. Für den deutschen Begriff Spiel unterschieden Buland/ Schädler vier Bedeutungsebenen, die im Englischen jeweils eine eigene Bezeichnung haben: – Zug-um-Zug-Spiele: „alle Brett-, Würfel- und Kartenspiele“42 (games) – Bewegungs-Spiele: „alle Spiele, bei denen es auf die Bewegung ankommt“43 (sports) – Wett-Spiele: „der Bereich der sogenannten Glücksspiele“44 (gambling) – Gestaltungs-Spiele: „alle Bau-, Gestaltungs- und Rollen-Spiele“45 (play/acting) Abgegrenzt wird das Spiel gegenüber „der Unterhaltung und dem Zeitvertreib dienenden spielerischen Tätigkeiten einerseits und bestimmten professionellen und künstlerischen Formen, die aus dem Spiel erwachsen können, wie Leistungssport, Tanz, Theater und dergleichen andererseits“46. Allerdings „verfehlt eine zu strikte Abgrenzung zwischen Bewegungsspiel und Leistungssport, zwischen Rollenspiel und

36 Vgl. Murray 1997. 37 Espen Aarseth: Genre Trouble. In: electronic book review (http://www.electronicbookreview.com/ thread/firstperson/vigilant [aufgerufen 27. 05. 2013]). 38 Aarseth, Genre Trouble. 39 Aarseth, Genre Trouble. 40 Barthes 1957, S. 106. 41 Aarseth, Genre Trouble. 42 Buland/Schädler 2009, S. 7. 43 Buland/Schädler 2009, S. 7. 44 Buland/Schädler 2009, S. 7. 45 Buland/Schädler 2009, S. 7. 46 Buland/Schädler 2009, S. 8.

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Theater gerade das Wesentliche, nämlich die Tatsache, dass Sport, Schauspiel, Tanz usw. im Kern Spiel sind und bleiben“47. Als Kernmerkmal des Spiels bestimmen Buland/Schädler eine „innerhalb der Spielregeln autonome Entscheidungsfreiheit“48 der Spielenden, weswegen Kreuzworträtsel, Sudoku, Puzzles etc., bei denen nur eine einzige vom Spielenden zu ermittelnde richtige Lösung existiert, nicht zu den Spielen im Sinne der ludographischen Definition zählen. Die Quellenlage zur Spiel- und Sportkultur bei den Germanen und ihrer historischen Entwicklung von der römischen Kaiserzeit (RKZ) über die Völkerwanderungszeit (VWZ) und die Wikingerzeit (WZ) bis ins hohe Mittelalter (MA) weist gewisse Parallelen zu jener für die germanische Mythologie und Religion auf. Die Überlieferungsmasse ist verstreut, heterogen und setzt sich aus Zeugnissen in unterschiedlicher medialer Gestalt zusammen. Die ältesten deutbaren Quellen – die meist kryptischen Felszeichnungen der nordischen Bronzezeit49 und anderes prähistorisches Material, das oft mehr Rätsel aufgibt als Fragen beantwortet, sei hier außen vor gelassen (ganz abgesehen von dem Problem, inwiefern die Träger dieser Kulturstufen bereits als ‚Germanen‘ im sprach- und kulturhistorischen Sinn gelten können) – sind Aufzeichnungen kaiserzeitlicher römischer Ethnografen, allen voran Tacitus und Caesar. Ihnen folgen spätantike Autoren wie der Prokop oder der romanisierte Gote Jordanes, die ihre Kenntnisse in griechischer und lateinischer Sprache festhielten und als cives des Imperiums wie ihre kaiserzeitlichen Vorgänger die Germanen mit dem ‚Blick von außen‘ betrachten, mitsamt allen Unwägbarkeiten einer Fremdbeschreibung, die mangels einheimischer Quellen nicht mit Eigendarstellungen abgeglichen werden kann, in denen sich die beschriebenen Objekte als Subjekte äußern. So ist für diese Quellen mit einer Brechung des Informationsgehalts durch die Parameter der antiken bzw. spätantiken Ethnografie und der sie determinierenden Topik wie etwa dem Barbarenmythos zu rechnen. Um den Beginn der VWZ herum treten archäologische und ikonografische Quellen germanischer Urheberschaft ins Licht der Überlieferungsgeschichte, darunter eine größere Sammlung von Brettsteinen in den Moorfunden von Vimose sowie zwei wahrscheinlich als eine Brettspiel- und eine Ballspielszene zu deutende Darstellungen auf dem (runenlosen) Horn von Gallehus, für dessen enigmatische Ikongrafie allerdings ähnliches gilt wie für die oben erwähnten bronzezeitlichen Felsritzungen.50 Immerhin deutet der Überlieferungskontext von zwei kostbaren Goldhörnern, deren kunstvolle Gravuren und Punzierungen ein ganzes Bildprogramm kultisch-ritueller Handlungen abzubilden scheinen, auf eine gewisse religiöse Verankerung von Spiel

47 48 49 50

Buland/Schädler 2009, S. 8. Buland/Schädler 2009, S. 8. Vgl. hierzu ausführlich Svahn 1970. Für einen Überblick vgl. Nielsen / Heizmann / Axboe 1998, S. 331–344.

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und Sport hin, wie sie für die altgriechischen periodikes charakteristisch ist. Zudem würde es sich um den ältesten Beleg für die Ausübung von Ballspiel bei den Germanen handeln, da die antiken Schriftquellen keine germanischen Ballsportarten erwähnen. Ab dem 8. Jahrhundert ist in den germanischsprachigen Gebieten Europas eine nennenswerte epische Dichtung in den Volkssprachen (Althochdeutsch, Altenglisch, Altwestnordisch) greifbar und ähnlich wie in der griechischen Literatur, in der die narrative Rezeption von Spiel und Sport mit dem ersten Großepiker Homer im 8 Jh. v. Chr. einsetzt – nebenbei: also ungefähr zeitgleich mit der Begründung der antiken Olympischen Spiele –776 –, zählen ludische und athletische Beschäftigungen auch in der germanischen Dichtung seit ihrem Anbeginn zum standardisierten Stoffund Motivrepertoire: der (schon aufgrund seiner äußeren Dimensionen) bizarre Schwimmwettkampf zwischen Beowulf und Breca im altenglischen Heldenepos, der zugleich Rahmen für allerlei Begegnungen der Recken mit einem ganzen Panoptikum maritimer Unholde bildet, ist das literarhistorisch bedeutendste Beispiel aus der WZ. Mit der exorbitanten Steigerung der Masse an literarischer Überlieferung im MA nimmt auch die Quantität der Spiel-und-Sport-Narrative zu; bekannte Beispiele sind die leichtathletischen Kampfspiele des Nibelungenliedes und die ungezählten Darstellungen von Turnierwesen, Jagd, Falknerei und Schachspiel in den bereits erwähnten Artusepen Chrétiens, dem Tristanroman und ihren mittelhochdeutschen Adaptionen. Von der germanistischen, anglistischen und romanistischen Mediävistik eher unbeachtet entfaltet die altisländische Literatur ein buntes Panorama nordgermanischer Spiel-und-Sport-Episoden, hinter deren fiktionaler und kompositorischer Überformung zu Narrationsstrukturen stets auch eine sachkulturelle Schicht zur zumindest partiellen Rekonstruktion historischen Spiel- und Sportwesens erkennbar bleibt, die zum Teil auch durch archäologisches und linguistisches Material und Aussagen nicht-fiktionaler Texte gestützt wird. So finden Aussagen der Sagaliteratur über die Verwendung weißer und roter (statt weißer und schwarzer) Steine im Brettspiel und die Herstellung repräsentativer Schachbretter aus Walrosselfenbein archäologische Entsprechungen in den Lewis Chessmen, den bedeutendsten erhaltenen Artefakten der altwestnordischen Schachkultur51. Die Bedeutung, die das wikingerzeitliche und mittelalterliche Nordeuropa Spiel und Sport zumaß, lässt sich anhand der Mythologisierung beider Zeichensysteme in den religiösen Vorstellungen von Liederedda und Snorra-Edda ablesen: die goldenen Brettsteine der Asen spielen eine überragende Rolle in den kosmogonischen und eschatologischen Mythen der Völuspá (Str. 8 / 61) und Gylfaginning (Kap. 14 / 53), ein Wettlauf und ein Ringkampf zählen zu den Disziplinen, in denen sich die asischen Götter in Snorri Sturlusons ‚mythologischer Novelle‘ über die Fahrt zum Riesen Skr)mir alias Útgar.aloki (Gylfaginning Kap. 45–47) mit ihrem Gastgeber und dessen Phantasmata messen müssen – mit überschaubarem Erfolg. Der Ase Ullr ist mit dem Bogenschießen und dem Schlittschuh- und Skilaufen

51 Vgl. Caldwell / Hall / Wilkinson 2010 und Robinson 2004.

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assoziiert (Gylfaginning Kap. 31), die naturalisierte Asin Ska.i (ursprünglich eine Riesentochter) mit der Jagd sowie ebenfalls mit dem Skilaufen (Gylfaginning Kap. 23). Zu den Hauptschwierigkeiten einer Sportgeschichte und historischen Ludographie des nördlichen Europa zwischen Kaiserzeit und Mittelalter zählt neben der Quellenstreuung vor allem das Fehlen umfangreicherer systematischer Aufzeichnungen zu Regelwerk, Ablauf, materieller Ausstattung, Strategie und Taktik, Theorie und Deutung von Spielen und Sportarten. Werken wie dem Falkenbuch Friedrichs II. (1241/48) oder dem Libro de los Juegos Königs Alfons‘ X. von Kastilien und Leon (1283/84) sind in Skandinavien und Island ebenso Gegenstücke an die Seite zu stellen wie den ab 1300 auf dem Kontinent zirkulierenden Schachzabelbüchern mit ihrer allegorischen und moraldidaktischen Exegesen des ‚königlichen Spiels‘; das literarische Genre Schachzabelbuch wird im Norden sehr verspätet und nur singulär rezipiert (es existiert lediglich eine schwedische Übersetzung aus dem 15. Jahrhundert). Auch Zusammenstellungen von populären Spielen, wie sie etwa Chaucer in seinen Canterbury Tales oder Rabelais in Gargantua mitteilen, fehlen. Um das Feld der physischen Agonistik ist es kaum besser gestellt. Wie im übrigen Europa setzt die schriftliche Kodifizierung des Sportwesens, seiner Regularien, Institutionen und ‚Trainingslehre‘ erst im Übergang zur Frühneuzeit ein, begünstigt durch die Errichtung der ersten Ritterakademien (Sorø 1623). Die Stimme der lateinischsprachigen Literatur, die sich in Kontinentaleuropa und England das gesamte Mittelalter hindurch wiederholt und bevorzugt zum Zwecke der Kritik von Würfel-, Brett- und Ballspiel sowie des Turnierwesens – seltener auch zur Verteidigung und Poetisierung dieser Vergnügungen – zu Wort meldet, schweigt für das mittelalterliche Skandinavien weitgehend und wird erst im Humanismus mit Olaus Magnus‘ Historia de gentibus Septentrionalibus (1555) vernehmbar. Die in den Schreibstuben Altislands kultivierte Tradition der (verglichen mit den reichlich illuminierten Prachtkodices Deutschlands und Frankreichs) eher schmucklos-kargen, nur mit wenigen schlichten Miniaturen versehenen Aufbereitung von Handschriften bringt es mit sich, dass auch die für die mittelalterliche Ludographie und Sportgeschichte sonst hochinformative Quellensorte der Handschriftenillustration weitgehend entfällt und sich die ikonographischen Zeugnisse auf vereinzelte Darstellungen von Spiel- und Sportszenen auf Bildsteinen, Schnitzarbeiten und Metallgegenständen konzentrieren, die meist ohne begleitende schriftliche Erläuterungen und entsprechend schwierig zu interpretieren sind. Auf realhistorischer Ebene lassen sich, ausgehend von einer synthetisierenden Analyse des polymorphen Quellenmaterials, die wesentlichen Entwicklungslinien der Geschichte von Spiel und Sport des germanischen Sprachgebiets von den kaiserzeitlichen Anfängen bis zum Vorabend der Moderne wie folgt skizzieren: Die Hauptquelle für die antike Ludographie (Süd-)Germaniens, Tacitus‘ Germania, beschreibt in eine ihrer meistrezipierten Passagen die Begeisterung der Germanen für das Würfelspiel (alea), das unter hohen Einsätzen bis hin zur persönlichen Freiheit des Spielers, bei aller Spielleidenschaft der Germanen jedoch stets mit großem Ernst und trotz ihrer Trinkfreudigkeit bei völliger Nüchternheit ausgetragen werde (cap. 24). Tacitus be-

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tont außerdem das Talent der Germanen zum Speerwerfen sowie die Reiterkünste vor allem der Tenkterer und beschreibt ausführlich den Schwerttanz52. Die Meisterschaft der Germanen im Schwimmen und Tauchen und das diesen Sportarten beigelegte hohe Sozialprestige – ein Topos des antiken Germanenbildes und der altnordischen Darstellung der Herrscher- und Kriegerelite gleichermaßen – erwähnt Tacitus andernorts (Agricola cap. 18). Die Ausübung von Pferdesport ist für die süd- wie nordgermanischen Völker recht kontinuierlich durch alle vormodernen Epochen belegt und reflektiert die hohe kulturelle Signifikanz des Pferdes bei den Germanen, die etwa in den vielfältig bezeugten Pferdeopfern, in der Brakteatenikonografie, in der angelsächsischen Landnahmemythe um Hengist und Horsa und einer Vielzahl mythologischer Pferde Ausdruck findet53. Die Überlieferung von Pferdekämpfen setzt mit dem ins 5. Jahrhundert zu datierenden Stein von Häggegy (Uppland, Mittelschweden) ein und kulminiert in den Isländersagas, in denen diese raue Art der Volksbelustigung (altisländisch hestaat, hestavíg oder hestaping, letzteres wörtlich „Pferdething“) zum literarischen Topos geworden ist, dessen narrative Realisierung aber exakte Kenntnis des Ablaufs realer Pferdekämpfen verrät und mit der ikonographischen Darstellung dieses blood sport auf dem Häggeby-Stein korrelieren, d.h. anders als das nur für Island belegte Schlagballspiel knattleikr scheinen Pferdekämpfe zumindest im gesamten nordgermanischen Raum nach relativ einheitlichen Regeln betrieben worden zu sein. Allerdings fehlen für das ostnordische Gebiet Zeugnisse aus dem MA und späterer Zeit, während Island und Norwegen die Tradition des Pferdekampfes bis in die Neuzeit fortsetzen. Auch die germanische Kunst der Pferdedressur ist von der klassischen Antike – Gewährsmann ist hier kein Geringerer als Caesar (De bello Gallico IV, 2) – bis in die Sagaliteratur des 13. Jahrhunderts (Ynglinga saga Kap. 20) belegt. Die leichtathletische Begabung der germanischen Stämme, die in etlichen Episoden der Sagaliteratur wiederkehrt, betonen bereits mehrere spätantike Quellen; allein drei Autoren (Prokop, Jordanes, Sidonius Apollinaris) erwähnen die Qualitäten der Eruler als Läufer. Die altwestnordische Literatur bewahrt einen umfangreichen Katalog an ludischen und athletischen Agonen, daneben auch verschiedene Schilderungen von ‚freiem‘ Spiel und Rollenspiel von Kindern (z.B. Njáls saga Kap. 8). Nicht in jedem Fall ist klar, ob es sich bei den genannten Disziplinen um mittelalterliche Adaptionen von gesamtgermanischen Vorläufern aus der RKZ und VWZ handelt, für die lediglich aufgrund von Überlieferungslücken keine älteren Quellen vorliegen, oder um nordgermanische, eventuell speziell westnordische oder sogar altisländische Sonderentwicklungen seit der WZ. Eine Sonderstellung nehmen der Ballsport, für dessen Existenz bei den germanischen Stämmen die Schriftquellen erst nach der Jahrtausendwende

52 Vgl. dazu ausführlich: Nedoma 2004, S. 605–608 und Beck 1968, S. 1–16. 53 Vgl. hierzu de Vries 21956, S. 364–367 und Simek 32006, S. 180–181.

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einsetzen, der dann aber in Gestalt des altisländischen Schlagballspiels knattleikr zum wesentlichen Paradigma sportlicher Aktivität in der Sagaliteratur wird, sowie das Brettspiel ein, das in seiner üppigen literarischen und archäologischen Überlieferung aus WZ und MA ein differenziertes Spektrum narrativer und semiotischer Kodierungen vorstellt, von der Zaubergabe und Insignie adliger Ritterkultur bis zur mythologischen Chiffre und christlichen Todesallegorie54. Die Sportgeschichte des Mittelalters und speziell des mittelalterlichen Nordeuropas ist in der Sporthistoriographie längst nicht so intensiv erforscht wie die des klassischen Altertums mit ihrer Speerspitze der antiken Olympischen Spiele, zu denen allein ein Vielfaches an Sekundärliteratur vorliegt wie zur Geschichte des Sports bei den Germanen. Neben dem Fehlen zentraler Institutionen wie dem griechischen Olympia oder den römischen circenses und der von ihnen generierten Masse an Quellenmaterial rührt das relative Desinteresse der Forschung auch von der weit verbreiteten, auf Tertullians Lehrsatz Palaestrica diaboli negotium gründenden Vorstellung einer religiös motivierten Sportfeindlichkeit des christlichen Mittelalters55 und entsprechend geringen Erwartungen an die Reichhaltigkeit und Aussagekraft der erhaltenen Überlieferungszeugnisse her. Einzige Ausnahme ist das durch eine Reihe von Monographien und mehreren Hundert Aufsätzen umfassend erforschte ritterliche Turnier als Quintessenz der höfischen Kultur des Hochmittelalters, das freilich romanischen Ursprungs im gesamten westlichen Europa rezipiert wurde, also keine spezifisch germanische Epiphanie des Sportgedankens darstellt. Auch das Turnier war beinahe seit seiner Entstehung von kirchlichen Verbotsmaßnamen betroffen, die sich in diesem Fall allerdings noch weniger durchsetzen ließen wie die zahlreichen Verbote von Ballspielen, Würfel- und Kartenspiel oder Kegeln. Tatsächlich rechnen ‚Verbotstexte‘, d.h. kirchliche Schriften und Rechtsbücher, die Spiel und Sport dämonisieren oder untersagen bzw. unter Strafe stellen, für das Hoch- und Spätmittelalter zu den ergiebigsten Quellen der Ludographie und Sporthistorik, und die frühe Geschichte des Kartenspiels, das sich ab etwa 1330/40 über das Abendland ausbreitete und im späten 19. und 20. Jahrhundert mit seinen mehreren Hundert Varianten und Subtypen zum vielleicht meistgespielten ludischen Typus wurde, ist wegen des Fehlens früher literarischer Erwähnungen und bildlicher Darstellungen sowie der relativen Kurzlebigkeit des Materials seines wichtigsten Spielmittels, der papiernen Spielkarten, sogar fast ausschließlich über Verbotstexte erschließbar.56 Sowohl (Glücks-, Geschicklichkeits- und Strategie-)Spiele als auch (körperbetonter) Sport pendeln in der Rezeption der mittelalterlichen Theologie und Staatskunst zwischen der Verdammung als eitle Zeitvergeudung und wollüstiges Teufelswerk und

54 Honemann 2004, S. 367–379. 55 Vgl. hierzu Behringer 2012, S. 70–73. 56 Zur Kulturgeschichte des Kartenspiels im spätmittelalterlichen Europa vgl. Rosenfeld 1970 und Rosenfeld 1960.

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einer milderen Betrachtung als zu duldende oder gar förderungswürdige Beschäftigung, häufig abgestuft nach Parametern wie Grad des Glückspielcharakters bzw. strategisch-taktischer Anteil, soziale Folgewirkungen und die ‚lebenspraktische‘, insbesondere militärische Verwendbarkeit. So wurde im mittelalterlichen England das Fußballspiel bekämpft, das Bogenschießen – „die am meisten gefürchtete Kriegswaffe der Engländer vor der Erfindung des Schießpulvers“57, deren meisterhafte Beherrschung durch englische Schützen auch die Basis für die Siege in den entscheidenden Schlachten des Hundertjährigen Krieges bildete – hingegen entschlossen gestärkt, z.B. durch das 1252 erlassene Statute of Westminster, das allen waffenfähigen Männern zu regelmäßigen Übungseinheiten in archery und zum Besitz eines eigenen Langbogens verpflichtete. Auf religiösem Feld stehen zelotische Eiferer wie die Bernhardin von Siena (1380–1444) und Girolamo Savonarola (1452–1498), die im Zuge ihrer Predigten Spielbretter und Sportgerät den Flammen eigens dafür entzündeter Scheiterhaufen übergaben58, besonnenen Geistern wie Thomas von Aquin oder Albertus Magnus gegenüber. Letzterer unterscheidet drei Arten von Spiel: erstens den ludus liberalis („das [zweck-]freie Spiel“), das rekreativ und ertüchtigend wirke und das menschliche Gemüt mit Freude erfülle; zweitens den ludus utilis („das nützliche Spiel“), der wie die paramilitärischen Reiterspiele einen konkret-‚realweltlichen‘ Nutzen befördert; drittens den ludus obscoenus et turpis („das verabscheuungswürdige und schändliche Spiel“), der neben dem hier erwartbaren Glücksspiel mit dem Theater auch ein ludisches Paradigma aus der Cailloisschen Rubrik Mimicry umfasst.59 Die Vernachlässigung der Germania und des Mittelalters lässt sich an Zuschnitt und Epochengewichtung von Standardwerken der Sportgeschichtsschreibung ablesen. Exemplarisch sei hier Carl Diems zum Klassiker avanciertes zweiteiliges Monumentalwerk Weltgeschichte des Sports und der Leibeserziehung von 1960 genannt, in dessen Erstem Buch der altgriechischen Sportkultur knapp 150 Seiten gewidmet sind, während auf das Großkapitel ‚Europa von den Germanen bis zur Französischen Revolution‘ weniger als 140 Seiten entfallen, davon zwei Fünftel auf die romanischen Länder Italien, Spanien und Frankreich, nur 16 Seiten auf die Britischen Inseln und immerhin 60 auf Deutschland, das hier in der Tradition einer Grimmschen Synonymisierung von deutsch und germanisch60 das angelsächsische England, die Niederlande und Skandinavien mit Island einschließt. Von diesen 60 Seiten wiederum gelten zwei Drittel den ritterlichen Disziplinen und der Sportkultur des Spätmittelalters. Die Ausführungen zum Sport bei den ‚alten Germanen‘ und im mittelalterlichen Skandinavien beschränken sich weitgehend auf Referate der einschlägigen Textstellen bei Tacitus und Paraphrasen einer Episoden aus den Isländer- und Königssagas. Ähnlich stiefmüt-

57 Behringer 2012, S. 95. 58 Behringer 2012, S. 85. 59 Vgl. Behringer 2012, S. 86. 60 Vgl. Haubrichs 2004, S. 217–218.

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terlich werden die alten Germanen und Nordleute in Wolfgang Behringers ansonsten überaus lesenswerter Kulturgeschichte des Sports – Vom antiken Olympia bis zum 21. Jahrhundert behandelt, in der weder Tacitus noch der Schwimmwettkampf des Beowulf noch die Schilderungen des Ballsports in den Sagas überhaupt erwähnt werden. Der Pionier auf dem Gebiet der altgermanischen Sportgeschichte ist der Isländer Björn Bjarnason, der 1905 mit einer (dänischsprachigen) Dissertation Nordboernes legemlige uddannesle i oldtiden61 an der Universität Kopenhagen promoviert wurde und 1908 in seiner Muttersprache die auf der Promotionsschrift basierende Monographie Ípróttir fornmanna á Nordurlöndum62 veröffentlichte. Beide Werke gründen auf der altisländischen Literatur als Quellenmaterial. Dasselbe gilt für Helmut Webers Monographie Die Leibesübungen in der Edda und den isländischen Sagas (1931)63 und Günther Reichards Altnordische Leibesübungen (1932)64. Um den südgermanischen Raum bemüht sich Helmut Kowald in seiner Wiener Dissertation Die Leibesübungen der Germanen bis zum Ende der deutschen Karolingerzeit (1934)65. Eine dezidiert gesamtgermanische Ausrichtung – sowohl in geographischer als auch in zeitlicher Hinsicht – verfolgen Martin Vogts im Zeichen völkischer Ideologie stehender Beitrag Der Sport im Mittelalter (1926)66 und Rudolf Ströbels offen rassistisches und antisemitisches Buch Sport der Germanen (1936)67. Vor allem als umfassende Materialsammlung wertvoll ist Berno Wischmanns und Åke Svahns kurze Monographie Leibesübungen und Sport der Germanen von 198068. In gesamteuropäischer Sicht befasst sich Peter Moravs Artikel Von Turnieren und anderen Lustbarkeiten (1996) mit den physischen Übungen der germanischen Völker in vormoderner Zeit.69 Die vierbändige Erstauflage des Reallexikons der germanischen Altertumskunde (RGA) enthält Lemmata zu ‚Ballspiel‘70 und ‚Leibesübungen‘71, beide verfasst von Björn Bjarnason, der auch den ‚Brettspiel‘-Artikel72 beisteuerte (ein dort angekündigter eigener ‚Schach‘-Artikel ist nie erschienen); in der auf 35 Bände angewachsenen Neuauflage des RGA findet sich, neben den Lemmata ‚Ballspiel‘73, ‚Brettspiel‘74 und ‚Leibesübungen‘ (von Else

61 Bjarnason 1905. 62 Bjarnason 1908. 63 Weber 1931. 64 Reichard 1932. 65 Kowald 1934. 66 Vogt 1926, S. 163–237. 67 Ströbel 1936. 68 Wischmann/Svahn 1980. 69 Morav 1996, S. 68–81. – Für eine kritische Besprechung der Beiträge Vogts und Moravs vgl. Krüger 2004, S. 167–211, insbesondere S. 170–180. 70 Bjarnason 1911–13, S. 160–162. 71 Bjarnason 1915–16, S. 146–150. 72 Bjarnason 1911–13a, S. 311–314. 73 Ranke 1976, S. 11–13. 74 Bauchhenß / Beck et. al. 1978, S. 450–459.

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Ebel)75 nunmehr der äußerst informative ‚Sport‘-Artikel von Robert Nedoma76, der – nach Sportarten (Leichtathletik, Schwimmen und Tauchen, Skilauf etc.) gegliedert – die klassisch gewordenen, aber auch entlegene schriftliche, archäologische und ikonographische Quellen zusammenstellt und kommentiert. Das Gegenstück zu Ebels und Nedomas Artikels auf skandinavischer Seite ist, wenngleich weniger umfassend und materialreich, Brynjulf Alvers und Maximilian Stejskals Beitrag zu ‚Idrottsleikar‘ im Kulturhistorisk leksikon for nordisk middelalder (KLNM)77. Alle drei Nachschlagewerke enthalten ferner Artikel zum ‚freien‘ Kinderspiel78, in der Zweitauflage des RGA findet sich zudem ein Lemma ‚Spiel und Spielzeug‘79. Das Würfelspiel sind im ‚neuen‘ RGA sowie im KLNM mit jeweils eigenen Artikeln vertreten80, nicht aber im ‚alten‘ RGA, was angesichts der Bekanntheit der taciteischen Einlassung zum Würfelspiel verwundert. Der Jagd und Falknerei (Beizjagd) sind, zweifellos aufgrund ihrer außerordentlichen kulturhistorischen Signifikanz, umfangreiche Lemmata gewidmet.81 Unter den Spielen (im Sinne von games) nimmt das Brettspiel auch forschungsgeschichtlich eine herausgehobene Stellung ein, begünstigt durch die Anzahl aussagekräftiger schriftlicher und archäologischer Quellen, darunter so spektakuläre Zeugnisse wie den Mythos der goldenen Spielsteine der Asen oder die Lewis-Schachfiguren. Mittlerweile liegen diverse längere Aufsätze und einige monographische Abhandlungen mit vorwiegend archäologischem Schwerpunkt vor.82 In Gesamtdarstellungen der altnordischen Kultur der WZ und des MA fristen die Spiele – wie der Sport – jedoch ein eher kärgliches Dasein.83 Bislang nur in Ansätzen geschrieben ist die Literatur- bzw. Narrationsgeschichte von Spiel und Sport im Germanischen, die die Rezeption beider Zeichensysteme im Rahmen literarischer Fiktionalität erkundet; die meisten Beiträge ranken sich um das ritterliche Turnier und das Schachspiel.84 Die im vorliegenden Band versammelten Aufsätze wollen das weite und in großen Teilen unbestellte Feld der historischen Spiel- und Sportkultur der Germania von der RKZ bis zum Ausgang des MA sichten und einige seiner Aspekte exemplarisch und methodisch betont interdisziplinär bearbeiten. Eine gewisse Lückenhaftigkeit und Selekti-

75 Ebel 2001, S. 229–232. 76 Nedoma 2005, S. 388–394. 77 Alver / Stejskal 1962, Sp. 322–329. 78 Bjarnason 1915–16a, S. 44–45; Tillhagen 1956, Sp. 349–352; Kreutzer 2000, S. 543–548. 79 Gabriel 2005, S. 354–363. 80 Tillhagen 1975, Sp. 199–201; Nedoma 2007, S. 255–259. 81 So im ‚neuen‘ RGA Lindner/Birkhan 1976, S. 163–172 und Bulitta/Lamm/Steuer/Jarnut 2000, S. 2–12. 82 Vgl. u.a. van Hamel 1934, S. 218–42; Haugen 1982, S. 1–37; Krüger 1982; Kluge-Pinsker 1991. 83 Dies gilt z.B. für Kuhn 21978 und Krause 2006. 84 Vgl. für das Turnierwesen Jackson 1985, S. 257–295. Zur Literaturgeschichte von Schach / Brettspiel vgl. van Hamel 1934 sowie Nedoma 2003, S. 157–164; Nedoma 1992, S. 91–108; Ferm / Honemann (Hrsg.) 2005; O’Sullivan (Hrsg.) (2012).

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vität wird dabei in Kauf genommen, und der Leser wird, je nach Vorkenntnissen und persönlichem Interesse, manche Disziplin oder ein bestimmtes Quellenzeugnis vermissen. Der im Untertitel des Bandes abgesteckte zeitliche Rahmen umspannt die Epochen, deren kulturelle Hervorbringungen den traditionellen Forschungsgegenstand der Germanischen Altertumskunde einerseits und der Germanischen Philologie bzw. der germanistischen, anglistischen und skandinavistischen Mediävistik andererseits bilden. Dieser weit gefasste Zuschnitt ermöglicht es, Kontinuitäten und Kommunikationsstränge von der RKZ bis zum ausgehenden MA auszuleuchten und insbesondere Informationen zur Spiel- und Sportkultur, die den germanischsprachigen Schriftquellen des Hoch-MA zu entnehmen sind, in die davor liegenden, ‚schriftlosen‘ Epochen85 rückzubinden, in denen die germanischen Ethnien ausschließlich über archäologische und bildliche Zeugnisse sowie in der Filterung römisch-lateinischer Fremdbeschreibungen greifbar sind. Dass sich etwa die Kulturgeschichte des Brettspiels in (Süd-)Germanien und Skandinavien und seine literarische Verwertung in der altnordischen Literatur letztlich nur vor dem breiteren historischen Hintergrund der kaiserzeitlichen römisch-germanischen Kulturkontakte erklären lässt, ist bereits an dem lateinischen Ursprung der germanischen Brettspielbezeichnungen – vgl. altnordisch tafl, altenglisch tæfel, alt- und mittelhochdeutsch zabel, allesamt aus lateinisch tabula – ablesbar, der das germanische Brettspiel als römisches Importgut ausweist. Wer im 21. Jahrhundert von „den Germanen“ spricht und damit, wie im Untertitel des vorliegenden Bandes, die bis ins ausgehende Mittelalter reichende Existenz einer mehr oder minder geschlossenen interkontinentalen Stammesfamilie und Kulturgemeinschaft insinuiert, die sich von benachbarten Völkerschaften abgrenzen ließe und die sich ihrer Germanität als verbindendem Element bis zu einem gewissen Grad selbst bewusst gewesen sei, setzt sich der Gefahr des Vorwurfs historischer Ahnungslosigkeit, einer rückwärtsgewandten romantisierenden Schwärmerei oder, im schlimmsten Falle, eines deutschtümelnden Geschichts- und Kulturimperialismus aus, der Engländer, Dänen und Schweden – die sich in ihren kulturellen Selbstverständnis nur selten als ‚Germanen‘ verstanden haben86 – unter dem Banner eines zwielichtigen Pangermanismus zwangsvereinen will. Wenn im Haupttitel des Bandes dennoch von „den Germanen“ als Träger und Tradenten der hier untersuchten Spielund Sportkultur die Rede ist, dann aus der Überzeugung heraus, dass dieser Terminus als heuristische Größe nicht nur für die Altertumswissenschaft, Alte Geschichte und Ur- und Frühgeschichte, sondern auch für die Mediävistik und Historische Sprachwissenschaft nach wie vor überaus brauchbar ist und sein Signifikat exakter beschreibt als alle denkbaren, nicht selten sperrigen oder gestelzten Alternativbegriffe.87 Die im

85 Sieht man von den ca. 375 völkerwanderungszeitlichen Runeninschriften im Älteren Futhark ab, die für die Rekonstruktion des zeitgenössischen Spiel- und Sportbetriebs jedoch unergiebig sind). 86 Vgl. Nielsen 2004, S. 309–314. 87 Ausführlich zum Germanenbegriff vgl. Timpe / Scardigli et. al. 1998, S. 181–438, insbesondere S. 181–245 und S. 259–309.

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19. Jahrhundert vorgenommene Einteilung der neuphilologischen Fächer und Institute ist, trotz des Drängens aus bestimmten Forschungsrichtungen wie den cultural studies auf eine Neustrukturierung, im wesentlichen bis heute erhaltenen geblieben, so dass sich auch die Skandinavistik (oder Nordische Philologie) nach wie vor in erster Linie über die gemeinsame Zugehörigkeit der von ihr erforschten Sprachen zum Zweig des Nordgermanischen definiert und das zur finnougrischen Sprachfamilie rechnende Finnische trotz der engen historischen wie kulturellen Bande Finnlands mit Schweden, Norwegen, Dänemark, Island und den Färöer meist ebenso ausschließt wie Samisch und Grönländisch. Auch die traditionelle Gliederung des germanischen Sprachen in einen westgermanischen, einen (extinkten) ostgermanischen und einen nordgermanischen Zweig sowie der eher kultur- und literarhistorisch orientierte Klammerbegriff ‚südgermanisch‘ zur Beschreibung der Gesamtheit germanischer, aber nicht-nordgermanischer Kultur haben sich, bei aller Anfechtbarkeit, bewährt. Schließlich ist der Germanenbegriff integrales Element der umfassenden Enzyklopädie, in deren Ergänzungsreihe der vorliegende Band erscheint, und als solcher auch im Titel etlicher früherer Bände enthalten. Die größten Vorteile des Germanenbegriffs sind zum einen die Tatsache, dass er ein bereits seit der RKZ etablierter ethnografischer Terminus und kein am Schreibtisch eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts entstandenes Kunstwort ist – wie die in der Tat etwas unglücklichen, aber praktischen und etablierten Begriffe indogermanisch / indoeuropäisch (deren erster Bestandteil seit der Entdeckung des Tocharischen zudem, streng genommen, obsolet geworden ist)88 –, zum anderen der Umstand, dass er die unleugbar vorhandenen Kontinuitäten zwischen den Sprechern germanischer Dialekte von der RKZ bis ins MA und vom südlichen Mitteleuropa bis nach Island und Grönland abbildet. Diese Kontinuitäten zeigen sich besonders deutlich in der von Jütland bis zum Schwarzen Meer gebrauchten runischen Koiné der Völkerwanderungszeit89 sowie im Bereich der germanischen Heldensage und Heldendichtung, deren Hauptstoffe quer über Skandinavien, die Britischen Inseln und die ‚theodisken‘ Gebiete des Kontinents überliefert (ostgermanische Heldensage im Altnordischen und Mittelhochdeutschen, die altfränkische Nibelungensage in der Edda, dänische und friesische Heldensage im Beowulf etc.) und in den verschiedenen altgermanischen Schriftsprachen mit teilweise identischen formalen Kunstmitteln (Langzeilen- und Stabreimdichtung im Althochdeutschen, Altsächsischen, Altenglischen und Altisländischen, Kenningtechnik im Altenglischen und Altnordischen) literarisiert worden sind. Auch der germanische Tierstil lässt sich in Skandinavien wie Mitteleuropa antreffen90, und die Sutton-Hoo-Funde haben deutliche Analogien mit vendelzeitlichen Gräbern aus Schweden91. Auch wenn es ‚die Ger-

88 Zur Problematik der Begriffe vgl. Krahe 1970, S. 23–24. 89 Vgl. Makaev 1996, S. 23. 90 Vgl. Salin 21935. 91 Vgl. Bruce-Mitford 1986, S. 143–210.

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manen‘ im Selbstbild der so bezeichneten historischen Individuen nie als ethnische Einheit oder gar als Staatsvolk (wie ‚die Römer‘) gegeben hat, eröffnet der Germanenbegriff übergeordnete und vergleichende Analyseperspektiven, die von einer terminologischen Partikularisierung jenseits des Germanenbegriffs verstellt würden. Bekanntlich waren die Grenzen zwischen Germanen und Kelten nicht nur für die Generation der vorromantischen ‚Wiederentdecker‘ dieser Völkerschaften unklar92, auch die antiken römischen Ethnografen einschließlich Tacitus und Caesar vermischen zuweilen beide Völkergruppen. Die Geschichte der keltisch-germanischen Kulturkontakte reicht bis weit in die Epoche vor der Besiedlung Islands (874 n. Chr.) zurück und lässt sich anhand der zahlreichen Namen und Figuren irischer und schottisch-gälischer Provenienz in der altisländischen Historiographie und Sagaliteratur veranschaulichen.93 Auch auf dem Feld des historischen Spiel- und Sportwesens sind Berührungspunkte zwischen beiden Sprachgemeinschaften und Einflüsse in beide Richtungen von erheblicher Relevanz und gerade die Kulturgeschichte des nordgermanischen Brettspiels und hier speziell des Hnefatafl wäre ohne Berücksichtigung der inselkeltischen Brettspielkultur unvollständig, wenn nicht unverständlich. Vor diesem Hintergrund ist die Aufnahme des nur auf den ersten Blick ‚fachfremd‘ erscheinenden keltologischen Beitrags von Jan Niehues im vorliegenden Band zu sehen, die zugleich den im 18. und 19. noch intensiv geführten, seit etwa 1870 aber weitgehend abgerissenen wissenschaftlichen Dialog zwischen Altskandinavistik und Keltologie/Keltistik in Deutschland anhand des Gebiets der vergleichenden Brettspielgeschichte revitalisieren will. Unter denselben Vorzeichen ist der Aufsatz von Mark Hall zu sehen, der die ‚außer- und vorgermanische‘ Brettspielkultur Schottlands in den Blick nimmt. Die Beiträge des Bandes wurden nach thematischen und typologischen Gesichtspunkten in sieben Blöcke gegliedert, von denen der zum Brettspiel mit sechs Beiträgen der umfangreichste ist, somit der privilegierten Stellung des Brettspiels zumal im westnordischen MA Rechnung tragend. Das dem Brettspiel anverwandte Würfelspiel ist Thema von zwei Beiträgen, von denen einer (von Iris Ridder) die Zeitachse bis ins 17. Jahrhundert spannt und damit nicht nur dem Le Goffschen Konzept des ‚langen Mittelalters‘ entspricht, sondern auch der traditionellen skandinavischen Periodisierung, die den Ausgang des Mittelalters häufig an das Ende des Dreißigjährigen Krieges knüpft. In die englische Renaissance des elisabethanischen Zeitalters und damit ebenfalls in eine nach gängiger Auffassung nachmittelalterliche Epoche reicht auch Niels Penkes Aufsatz zur Kulturgeschichte des Jeu de Paume, das bis ins MA zurückzuverfolgen ist und im England des 15. und 16. Jahrhunderts bis in royale Kreise im höchsten Ansehen stand und sich dort vom Ballhausspiel zum Freiluftsport lawn tennis entwickelte. Der etwas unverbindliche Anglizismus ‚Outdoor Athletics‘ vereint

92 Vgl. Birkhan 2009, S. 375–377. 93 Vgl. Sigur.sson 1988.

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zwei Beiträge zu sportlichen Disziplinen, für die wegen der Bindung an eine bestimme Naturräume wie Gewässer die Austragung im Freien konstitutiv ist; dazu zählt auch das Schwimmen, da, anders als in der römischen Bade- und Schwimmkultur, die Einrichtung spezieller (Hallen-) Schwimmbäder bei den germanischen Völkern nicht bekannt war und ausschließlich das Freiwasserschwimmen praktiziert wurde. Die umfangreichen Komplexe von Jagd/Falknerei und Tierkämpfen werden zu einem Block zusammengefasst, auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich der im 19. Jahrhundert geprägte englische Begriff blood sport in jüngerer Zeit semantisch erweitert hat und von jagdkritischer Seite auf bestimmte Formen der Jagd – wie der inzwischen verbotenen Fuchsjagd in Großbritannien – übertragen wurde. Nicht mit einem eigenen Beitrag im vorliegenden Band vertreten, aber abschließend zu erwähnen sind musische Agone, ein ludischer Typus, der von den exakten, aber vielleicht zu starren Kriterien des Cailloischen Beschreibungsmodells mit seiner Parallelität (und somit fehlender Berührung) von Agon und Mimicry nicht recht erfasst wird, obgleich er in Gestalt des Dichterwettstreits vom antiken Griechenland (Komödien- und Tragödienagone im Rahmen der Dionysien) über den mittelalterlichen Sängerkriegtopos bis zum Poetry Slam des 21. Jahrhunderts eine gewichtige Rolle spielt und in Form von Olympischen Kunstwettbewerben zwischen 1912 und 1948 ein nicht unerheblicher Teil des neuolympischen Programms war. Auf weitere ludische, aber nicht-athletischen Agone wie dem in der altnordischen Literatur mehrfach vorkommenden Schmiedewettkampf (Skáldskaparmál Kap. 35, Velents páttr), Bierbrau-Duellen (Hálfs saga ok Hálfsrekka cap. 1), dem im Märchen verankerten Motiv des Wettessens und -trinkens mit seinem Hang zu burlesk-skurrile Zügen (ATU 1088 Eating contest) oder dem Zauberwettkampf (Kalevala, 26. Gesang; zugleich ein beliebtes Motiv der Zauberer-Fantasyliteratur) sei an dieser Stelle nur unverbindlich hingewiesen. Als Anhänge sind dem Band zwei ‚Erstveröffentlichungen’ beigegeben: der Backgammon-Traktat aus Ms. Royal 13 A xviii der British Library in Transkription (von Ulrich Schädler) und Gisle Jacobsons Würfelspieltraktat Ett litet Tidhfördriff von 1613 in einer textkritischen Edition und versehen mit einer deutscher Übersetzung (von Iris Ridder). Damit wird dieses Dokument eines bislang kaum beachteten Kapitels der Kultur- und Sozialgeschichte des Würfelspiels erstmals einem breiteren Publikum zugänglich gemacht.

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Die Schachterminologie des Altwestnordischen

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Die Schachterminologie des Altwestnordischen und der Transfer des Schachspiels nach Skandinavien* 1. Einleitung: 1.1. Schach im altwestnordischen Bereich; 1.2. Transferbedingungen – 2. Quellen: 2.1. Rezeption im mittelalterlichen Europa; 2.2. Textquellen (2.2.1. Okzident, 2.2.2. Skandinavien); 2.3. Sachquellen (2.3.1. Okzident, 2.3.2. Skandinavien); 2.4. Transferwege – 3. Terminologie: 3.0. Allgemeines; 3.1. ‘Schach(spiel)’; 3.2. Spielsteine (3.2.1. ‘]’, 3.2.2. ‘^’, 3.2.3. ‘Y’, 3.2.4 ‘Z’, 3.2.5. ‘[’, 3.2.6. ‘\’); 3.3. Spielausgänge (3.3.1. ‘matt’, ‘Matt’, 3.3.2. ‘Solosieg’, 3.3.3. ‘Remis’); 3.4. Randvokabular – 4. Schluß

1 Einleitung 1.1 Schach im altwestnordischen Bereich Das Schachspiel spielt in den altwestnordischen Schriftquellen – hier sind es fast ausschließlich altisländische Texte – eine weitaus geringere Rolle als in der mittelhochdeutschen Literatur1 oder in der altfranzösischen Literatur2. Eine (mittel)lateinische Nebenüberlieferung scheint es im alten Skandinavien nicht gegeben zu haben. Im alten Norwegen und Island fehlen auch Gesellschaftsallegorien, an deren Anfang der (vor/)um 1300 von Jacobus de Cessolis verfaßte Schachtraktat (Liber de moribus hominum et de officiis nobilium sive de ludo scaccorum)3 steht, ein Werk, das ungeheure Verbreitung und zahlreiche Bearbeitungen in den einzelnen Volkssprachen gefunden hat. Die vergleichsweise homogene Agrarbevölkerung das alten Island bot jedoch keinen Bezugsrahmen für Ständeallegorien, auch in Norwegen gab es offenbar keinen Bedarf für eine metaphorische Darstellung der mittelalterlichen Klassengesellschaft anhand der Schachfiguren und des Spielregulativs – ganz im Gegensatz zu Schweden, wo Ende des 15. Jahrhunderts mit dem Schackta-

* Eine kürzere, englische Version dieses Beitrags erscheint als Old West Norse Chess Terminology and the Introduction of Chess into Scandinavia in: The Lewis Gaming Hoard in Context – new analyses of their art, purpose and place in history, ed. David H. Caldwell / Mark A. Hall (= Society of Antiquaries of Scotland, Monograph Series; Edinburgh). 1 Ein materialreiches Pionierwerk ist Maßmann 1839, 53ff. pass.; ein Verzeichnis der Termini bietet Eiserhardt 1906; zu Motivik und Metaphorik zuletzt Honemann 2004, 363ff. (mit Lit.). 2 Älterer, noch immer instruktiver Überblick: Strohmeyer 1895, 381ff. 3 Vetter 1892, 25/26ff. (Text unten); dazu jüngst v.a. Honemann 2005, 37ff.; Plessow 2007, 46ff. (Katalog der Textzeugen S. 269ff.).

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velslek (spät-aschwed. Skaftauils lek) eine Version des Liber de moribus hominum entstand.4 Auch mit Sachliteratur kann das Altwestnordische nicht dienen: volkssprachliche Spielbeschreibungen bzw. -anleitungen sind nicht überliefert, und in den mittelalterlichen norwegischen und isländischen Handschriften finden sich, soweit ich sehe, auch keine Schachprobleme. Der klassische, in einschlägigen Kreisen bekannte Mansubenbestand hat im (spät-)mittelalterlichen West- und Mitteleuropa nicht zuletzt als Wettgegenstand gedient, und zwar in originaler wie auch (nicht selten wohl zum Zwecke der Verwirrung absichtlich) entstellter Form.5 Fahrende, die auf Festen und Feierlichkeiten jeder Art mit Schachproblemen bzw. Wetten auf deren Lösung Geld verdienten, waren indessen auf städtische Infrastrukturen angewiesen – derlei städtische Infrastrukturen mit ‘Wechselkundschaft’ waren jedoch im alten Island nicht vorhanden und im alten Norwegen nur schwach ausgeprägt. Mit Ausnahme von spärlichen urkundlichen Belegen stammen die altwestnordischen Schachtermini aus fiktionalen Texten, und zwar aus der altisländischen Prosaliteratur, den Sagas.6 Die Traditionsgebundenheit – die Handlung spielt in einer früheren, jedoch auf die Gegenwart bezogenen Erzählzeit – erklärt das Fehlen von Schachmotiven in den klassischen Isländersagas; so sind es vor allem die stärker fiktionalen Gattungen innerhalb der Sagaliteratur, scil. die (übersetzten) Rittersagas und die Märchensagas (originalen Rittersagas), die die meisten und in puncto Terminologie auch ergiebigsten Schachszenen bieten.7 In den Texten lassen sich jedenfalls zwei Hauptfunktionen erkennen: zum einen fungiert das Schachspiel als Requisit des aus isländischer Sicht gänzlich fiktionalen höfischen way of life und veranschaulicht diesen zugleich.8 Zum anderen wirkt das Schachspielen auch motivbildend; dabei wird es nicht selten im Kontext politischer Konflikte in Szene gesetzt: in diesen Fällen spiegelt die schachliche Auseinandersetzung auf der Objektebene eine beginnende oder bereits bestehende zwischenmenschliche Auseinandersetzung wider. Höfischamouröse Konnotationen (wie vor allem in der altfranzösischen, aber auch in der mittelhochdeutschen Literatur)9 wohnen dem Schachspiel in den altisländischen Sagas nicht inne.

4 Klemming 1881–1882, 200–312; dazu etwa Blomqvist 1941, 7ff.; Ferm 2005, 281ff.; Plessow 2007, 72f. 5 Vgl. v.a. Murray 1913, 651ff.; Ehn 1995, 58ff.; ferner Plessow 2007, 29. 6 Überblicksdarstellungen: Fiske 1905, 9ff.; Murray 1913, 443ff. 468f.; Haugen 1982, 28ff. 7 Die loci classici sind Mágus saga jarls I (kürzere Fassung), c. 3. 7 bzw. II (längere Fassung), c. 8. 16 (dazu Nedoma 1992, 95ff.), Sigurdar saga pogla, ˛ c. 21. 46 (dazu Teichert 2007, 91ff.) und Vilhjálms saga sjóds, c. 3 sowie aus dem Fundus der postklassischen Isländersagas Víglundar saga, c. 22 (dazu Nedoma 2003, 158ff.). 8 Daß Schach im alten Skandinavien auf Adelskreise beschränkt gewesen wäre, ist aus dem literarischen Befund jedoch keinesfalls zu schließen: die Protagonisten der Königs-, Ritter- und Märchensagas sind gewissermaßen gattungsimmanent Hochadelige. 9 Dazu etwa Flesch 1999, 123ff. (mit Lit.).

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1.2 Transferbedingungen Die Ausprägung der Schachterminologie (auch) im Altwestnordischen ist eine Folge der Übernahme von Wort bzw. Wörtern mit der Sache, beruht also auf interkulturellem Transfer. In diesem Zusammenhang ist vorauszuschicken, daß so gut wie alle Schachtermini in den mittelalterlichen europäischen Sprachen letztlich aus dem Arabischen stammen; nach der Dürftigkeit der Quellen zu urteilen, hat das Schachspiel hingegen im Byzantinischen Reich ein nur wenig beachtetes Dasein geführt (s. unten, 2.1.), sodaß Ostrom als gebende bzw. vermittelnde Instanz für Spiel und Nomenklatur ausfällt. Grundsätzlich braucht die Anzahl der involvierten Personen beim Transfer von fremdkulturellen Objekten und den damit verbundenen Bezeichnungen jedenfalls nicht besonders groß zu sein; in der Regel ist es so, daß ein vergleichsweise beschränkter Personenkreis an der Rezeption, Reproduktion und initialen Weiterverbreitung von Sache und Wort beteiligt ist – im Minimalfall handelt es sich um ein Individuum: Für die nehmende Seite (Hörerseite) denkt Hinderling (1981, 31f.) „fürs Deutsche etwa an die Italienreisenden Albrecht Dürer, Heinrich Schickhardt oder Goethe bzw. heutzutage an Auslandskorrespondenten führender Zeitungen“, für die gebende Seite (Sprecherseite) „Voltaires Aufenthalt in Berlin […], an Klopstocks in Kopenhagen und vor allem an den einiger Fremder in Japan vor dem Jahr 1853“.

Die Begrenztheit auf wenige Beteiligte schließt freilich nicht aus, daß Entlehnungen auch mehrfach, d.h. durch Vermittlung zweier oder mehrerer Personen(gruppen) unabhängig voneinander, stattgefunden haben können (vgl. Hinderling 1981, 41).

2 Quellen 2.1 Rezeption im mittelalterlichen Europa Das aus dem indischen caturanga˙ (‘vierteilig, viergliedrig’; unklar, ob auf vier Spieler oder auf vier Waffengattungen zu beziehen) entwickelte Zweipersonenspiel Schach war ab dem 6. oder frühen 7. Jahrhundert als cˇatrang im sassanidischen Persien beheimatet und wurde bald von den Arabern übernommen, bei denen es ab dem 8. Jahrhundert große Beliebtheit erlangte.10 Noch vor der Mitte des 9. Jahrhunderts gelangte

10 Aus der reichen Lit. zur Frühgeschichte des Schachspiels sind vor allem zu nennen: van der Linde 1874/I, 64ff.; 1881, 1ff.; Murray 1913, 51ff.; Pagliaro 1951, 97ff.; Wieber 1972, 48ff.; Eales 1985, 19ff.; Utas 1991, 393ff.; Thieme 1994, 17ff.; Rosenthal 1997, 366ff.; Abka>i-Khavari 2001, 329ff.; Kruk 2001a, 105ff.

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das arab. (af-)fatranˇg, fitranˇg genannte Spiel11 in den islamischen Westen, i.e. in das umaiyadische Emirat von Cordoba;12 es ist davon auszugehen, daß Schach auch bald auf Sizilien bekannt wurde, das vom 9.–11. Jahrhundert unter arabischer Vorherrschaft stand. Im Byzantinischen Reich war das Schachspiel anscheinend ab dem frühen 9. Jahrhundert bekannt,13 nach Maßgabe der wenigen Quellen allerdings (wie vorhin erwähnt) nur wenig verbreitet.14 Was Zeit und Ort des Auftretens bzw. die Verbreitung im mittelalterlichen Europa betrifft, so deuten die Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte darauf, daß das Schach im Okzident schon früher rezipiert wurde als bisher angenommen. Es fällt auf, daß bereits für die erste Überlieferungsschicht des 10. und 11. Jahrhunderts Quellenmaterial ganz heterogener Art – sowohl diverse Textquellen (Glossen, Urkunden, Briefe, Sachliteratur, fiktionale Literatur, didaktische Versdichtung) als auch Sachquellen – vorliegt; die Vielfalt der Zeugnisse läßt darauf schließen, daß das Schachspiel schon früh einen festen ‘Sitz im Leben’ innehatte. Zur Unterscheidung von schachlich terminologisierten Sememen und usuellen (nicht terminologisierten) Sememen werden im folgenden Bedeutungsangaben des Typs aisl. konungr ‘Y’ (= ‘Schachfigur, die als nhd. König, ne. king, dän. konge etc. bezeichnet wird’) bzw. ‘König’ (im Sinne von ‘Monarch’) gegeben. Für die Figuren des mittelalterlichen Schachspiels verwende ich folgende Symbole: Y (= 3, nhd. König), Z (: 4, nhd. Dame), \ (: 5, nhd. Läufer), [ (= 6, nhd. Springer), ] (= 7, nhd. Turm), ^ (= 8, nhd. Bauer). Im Vergleich zum neuzeitlichen Spiel differiert die Gangart zweier Figuren: Z (arab. firzan), Vorgänger der modernen 4-Figur, zieht nur ein Feld in diagonaler Richtung; \ (arab. fil), Vorgänger der modernen 5-Figur, springt diagonal in das übernächste Feld (vgl.unten, Anm. 193). Eine Schachpartie nach altem Regelwerk hat sich durch die mangelnde Fernwirkung dieser beiden Figuren nur sehr langsam entwickelt.

11 Zu den Wortformen Wieber 1972, 304f. 12 Lévi-Provençal 1953, 443; Wieber 1972, 65. 79. 229 (sub 292223, 1.). 13 Es handelt sich um einen externen Beleg: Mu1ammad ibn-l-Qasim ) -d- > -d-.

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in der Zeit um 900 ein;130 einer der ältesten Belege für durchgeführten Lautwandel ist Freelaus m., a. 893 (: Fredelaus) in einer Urkunde aus der Abtei Cluny.131 Noch stärker ins Gewicht fällt indessen der morphologische Befund: in den altfranzösischen Lehnwörtern bewahrt das Altwestnordische nämlich in aller Regel einen Reflex des ehemaligen stammbildenden Suffixes (afrz. baron > awn. barón, bar(r)únn m. ‘Baron’, afrz. pardon > awn. pardún m. ‘Vergebung’ etc.), sodaß früh-afrz. *pedon als Lehnwort im Altwestnordischen als †pedón oder †pedún erscheinen müßte. Aus dem Altfranzösischen kann aisl. ped demzufolge nicht übernommen worden sein.

3.2.3 ‘Y’ (nhd. König) Belege: Aisl. konungr* m. ‘Y; König’, um 1400, Vilhjálms saga sjóds, c. 3;132 = nisl. kóngur, fär. kongur m. ‘3; König’; aschwed. konunger m. ‘Y; König’, 15. Jh., Schacktavelslek, Z. 52 u. ö.133 Semantisch entsprechende Bildungen sind mlat. rex m., vor 950, Einsiedler Schachgedicht, v. 35. 59. 95 etc.;134 aspan. (akastil.) rey m., a. 1283, Alfonso, Libros, fol. 2r u. ö.;135 afrz. roi m., 12. Jh. (TLWb VIII, 1393); me. kyng, nach 1400 (MED [VIII/]K, 525 s.v. king, 4.); mhd. künic, künec m., um 1200 (BMZWb I, 913; LHWb I, 1774; vgl. Eisenhardt 1906, 31f. 76ff.); mnl. coninc m., 13./14. Jh. (VVHWb III, 1780); mnd. koning, konink m., 14. Jh., Meister Stephans Schachbuch, Z. 5285 u. ö.136 etc., alle ‘Y; König’. Bei mlat. rex und aspan. rey handelt es sich um Lehnprägungen (übersetzende Bedeutungsentlehnungen) nach arab. fah ‘Y’ (kriegsmetaphorisch als ‘König’ interpretiert)137 (< mpers. fah, ‘Y; König’, apers. xfayau iya-). Konkurrierende Bildungen sind, soweit ich sehe, nicht belegt. – Vgl. ferner Murray 1913, 421 mit Anm. 12a (Wortliste ‘Y’).

130 S. etwa Pope 1934, 140 (§ 347); Fouché 1961, 600; Batany 1972, 38. 131 Bernard / Burel 1876, 58 (Nr. 50); vgl. Morlet 1968, 93. 132 Loth 1964, 8 1 (kongar Pl.). 133 Klemming 1881–1882, 201 (konnwngen) u. ö.; in der Bedeutung ‘Y’ nicht in SOb verbucht. 134 Silagi / Bischof 1979, 653ff.; ferner z.B. Ludus scacorum, v. 5,1. 17,1. 17,2 (Schumann / Bischoff 1970, 56a); Winchester-Schachgedicht, v. 3. 4. 7 bis. 12. 26. 31. 34 (Murray 1913, 514f.); Carmina Burana Nr. 209, v. 1 (Schumann / Bischoff 1970, 55); Alexander Neckam, De naturis rerum, c. 184 (Wright 1863, 325 13. 22); De vetula, v. 600 pass. (Klopsch 1965, 216). 135 Steiger 1941, 14 15 u. ö. = Musser Golladay 2007, 1246 24 u. ö. 136 Schlüter 1883, 179 u. ö.; vgl. LBHWb II, 624 s.v. kö¯ninc. 137 Belege für den Symbolwert von arab. fah (z.B. as-Sul\: ‘ist der malik [König]’, al-Bal3\: ‘im Zentrum des Heeres’) bei Murray 1913, 221ff.; Wieber 1972, 243. Übersetzungen: Murray 1913, 221f. (as-Sul\); Johann Gildemeister bei van der Linde 1881, 30ff.; Murray 1913, 222f. (al-Bal3\). – Abu Zaid al-Bal3\ als Autor der Schachmetaphorik-Passage in BL London, Arab. Add. 7515 (Rich) und Topkapı Sarayı Müzesi Kütüphanesi Istanbul, Ahmet III, 1541: vgl. Wieber 1972, 25 (B). 38 (Nr. 16). 491; Rosenthal 1975, 165 Anm. 23.

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In sämtlichen mittelalterlichen Sprachen West- und Mitteleuropas dient der Ausdruck ‘König’ zur Bezeichnung der Zentralfigur im Schachspiel, sodaß kein konkretes Vorbild für die terminologische Fixierung ‘König’ f ‘Y’ im Altwestnordischen ausgemacht werden kann.

3.2.4 ‘Z’ (nhd. Dame) Belege: Anorw.(?) [drottning] f. ‘Z; Königin’, spätes 12. Jh., figural bezeugt (Lewis, Trondheim und Meath);138 nisl. drottning f. ‘Z; Königin’, 16. Jh., Notizen des Gottskálk Jónsson (BL London, Add. 11242, 4°, fol. 52r) etc.;139 = aschwed. drotning f., 15. Jh., Schacktavelslek, Z. 53 u. ö.140 Semantisch entsprechende Bildungen sind mlat. regina f., vor 950, Einsiedler Schachgedicht, v. 35 pass. etc.;141 afrz. röine f., 14. Jh. (Hapax: La vieille, v. 1599;142 TLWb VIII, 1416); me. quene, 15. Jh. (MED [XIII/]Q–R, 57 s.v. quen(e, 2, 4.); mhd. küni˙ ginne, küneginne f., 13. Jh. (LHWb I, 1777; vgl. Eiserhardt 1906, 32f. 76ff.); mnl. coning(h)inne f., 13. Jh. (VVHWb III, 1778); mnd. koninginne f., 14. Jh., Meister Stephans Schachbuch, Z. 5510 u. ö.143 etc.; alle ‘Z; Königin’. Mlat. regina ist eine Lehnprägung (variierende Bedeutungsentlehnung), die von arab. firzan (firz, firza) ‘Z’ (kriegsmetaphorisch als ‘Berater’ bzw. ‘Wächter’ interpretiert)144 ausgeht; Benennungsmotiv ist die Funktion als Sozia des Königs. (Im ara-

138 Lewis: Caldwell et al. 2009, 191f. (Abb. S. 156f. [Fig. 1i–2g]. 163 [Fig. 8f–g]); Caldwell et al. 2010, 31 (Abb. S. 23f. [Fig. 4.9–4.16]. 31 [Fig. 6]. 59 [Fig. 16]. 65 [Fig. 20]); Trondheim: McLees / Ekroll 1990, 151ff. (Fig. 3); McLees 1990, 58 Anm. 1 (Fig. 22 [S. 59]). 166; Meath: Wallace / Ó Floinn 2002, 268 sub Nr. 7:16. 282 (Abb.). 139 Davi.sson 1888–1892, 375 44 (annar kallaz regina. pat er drottning); ferner Ólafsson 1772, 462 18 (Fru og Drottning, Damen). 140 Klemming 1881–1882, 201 (drotnyngh) u. ö.; in der Bedeutung ‘Y’ nicht in SOb verbucht. 141 Silagi / Bischoff 1979, 653; ferner Ludus scacorum, v. 8,2 (Schumann / Bischoff 1970, 56); Winchester-Schachgedicht, v. 5. 25. 30 (Murray 1913, 514f.); Alexander Neckam, De naturis rerum, c. 184 (Wright 1863, 324 30. 325 4. 7); Carmina Burana Nr. 209, v. 1 (Schumann / Bischoff 1970, 55). – Daß Adelheid oder Theophanu (Mutter bzw. Frau Ottos II.) „served as the model for the chess queen in the Einsiedeln Poem“ (Yalom 2004, 24), ist jedenfalls nicht mehr als eine unverbindliche Vermutung. 142 Cocheris 1861, 80 (La röine, que nommons fierge, / Tient de Venus, qui n’est pas vierge; afrz. vierge ~ mlat. virgo im Vorlagentext De vetula). 143 Schlüter 1883, 815 (koninghinne); vgl. LBHWb II, 624 s.v. kö¯ninginne. 144 Belege für den Symbolwert von arab. firzan als ‘Berater, Minister’ bzw. ‘Wächter, Beschützer’ (z.B. as-Sul\: ‘ist der wazir’, der den König schützt; al-Bal3\: ‘ist in der Nähe des Königs’) bei Murray 1913, 221ff.; Wieber 1972, 134f. 243. Eine usuelle (nicht-terminologische) Bedeutung von arab. firzan läßt sich offenbar nicht nachweisen (freundliche Mitteilung von Herbert Eisenstein, Wien). – Ob bzw. inwieweit den Arabern indessen die Grundbedeutung des vorausliegenden persischen Terminus – arab. firzan < mpers. frazen (parzen?) ‹plcyn'› ‘Z’, Wizarifn i cˇatrang ud nihifn i new-ardaxfir 10 (Panaino 1999, 69), wenn als ‘Wächter, Beschützer o.ä.’ zu deuten (MacKenzie 1971, 33; ders. bei Pa-

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bisch-abstrakten Figurenbestand haben Y- und Z-Figur gleiche oder sehr ähnliche Gestalt und unterscheiden sich hauptsächlich durch die unterschiedliche Größe.) Andere Bildungen: (a1) Mlat. femina f. ‘Z; Frau’, 11. Jh., Ludus scacorum, v. 5,2; nisl. frú 17. Jh.,145 fär. frúgv f. ‘4; Frau’ etc.; (a2) mlat. mulier f. ‘Z; Frau, Ehefrau’, 11. Jh., ebd., v. 9,1; (a3) mlat. coniux f. ‘Z; Ehefrau’, 11. Jh., ebd., v. 17,1. 17,2;146 (a4) mlat. virgo f. ‘Z; Mädchen’, um 1250, De vetula, v. 600 pass.147 – Jeweils Lehnprägung (variierende Bedeutungsentlehnung); Benennungsmotiv: Sozia des Königs (f des Mannes par excellence)’. (b) Mlat./E ferzia f., vor/um 1100, Winchester-Schachgedicht, v. 29;148 [g?] afrz. fierce, fierge f., 12. Jh. (TLWb III, 1826f.; FEW XIX, 47) f me. fe˘rs, 14. Jh. (MED [V/]E–F, 516), aspan. (akastil.) alf(f)erza f., a. 1283, Alfonso, Libros, fol. 2r;149 alle ‘Z’. – Lehnwort aus arab. firzan ‘Z’. (c) Aspan. (akastil.) alfferez m. ‘Z; Bannerträger, Fähnrich’, a. 1283, Alfonso, Libros, fol. < arab. firzan ‘Z’ [interpretiert als ‘Wächter, Beschützer’] × 2r u. ö.150 – Lehnwortumdeutung ( Ù arab. [al-]faris ‘Reiter, Ritter’). Nhd. Dame, schwed. dam etc. sind erst neuzeitlich belegt. – Vgl. ferner Murray 1913, 423 mit Anm. 19f. 426 mit Anm. 30 (Wortlisten ‘Z’).

Nach Ausweis der Z-Figuren aus den Sets von Uig auf der Insel Lewis und der Einzelstücke aus Trondheim und Meath – es handelt sich um gekrönte Frauen mit Haarschleier und Umhang auf einem Thron – war in Norwegen die Benennung des dem arab. firzan entsprechenden Spielsteins als ‘Königin’ (anorw. drottning) bereits im späten 12. Jahrhundert vollzogen; im Isländischen ist der Ausdruck wohl nur zufällig erst neuzeitlich bezeugt. Übersetzungsgleichungen sind zwar zu Ausdrücken aus allen in Frage kommenden Kontaktsprachen vorhanden, daß aber awn. dróttning f. ‘Z; Königin’ aus dem Altfranzösischen bzw. Mittelenglischen vermittelt wurde, ist alles in allem weniger wahrscheinlich: afrz. röine ‘Z’ ist lediglich einmal belegt, und zwar spät (Jean Lefèvre, La vielle, 14. Jh.; afrz. röine ~ mlat. (regia) virgo Pseudo-Ovid, De vetula), auch me. quene bringt es auf lediglich drei, ebenfalls erst späte Belege (15. Jh.); die regulären Ausdrücke für ‘Z’ in den beiden Sprachen sind indessen die Arabismen afrz. fierge, fierce bzw. me. fe˘rs (: arab. firzan ‘Z’).

naino 1999, 176; 2005, 137: „Old Ir.“ *fra-zai2 nah-; vgl. ferner Cantera 2000, 309) – bekannt war, ist unklar. 145 ?orkelsson 1886, 48 (Stefán Ólafsson [† 1688], Schachgedicht III,2: frúin); ferner Ólafsson 1772, 462 18 (Fru og Drottning, Damen). 146 Schumann / Bischoff 1970, 56 (femina); ebd. (vir factus mulier, vom umgewandelten 8); ebd. (coniuge). 147 Klopsch 1965, 216f. (regia virgo Venus v. 614). 148 Murray 1913, 515 (ein auf die Grundreihe vorgedrungener pedester ändert seinen Namen in ferzia); der Terminus ferzia stammt wohl aus dem Anglonormannischen. 149 Steiger 1941, 12 30 u. ö. (alfferza). 16 10 u. ö. (alferza) = Musser Golladay 2007, 1246 6 u. ö. 1247 16 u. ö. (nach Alfons unrichtige Alternativbezeichnung zu alfferez m.; s. sofort, Anm. 150). 150 Steiger 1941, 12 29. 24 20 = Musser Golladay 2007, 1246 5. 1251 6 (der alfferez werde von Unwissenden alfferza genannt); vgl. Murray 1913, 423; Bossong 1978, 65; Scherer 1995, 171; Schädler / Calvo 2009, 55f. Anm. 5.

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3.2.5 ‘[’ (nhd. Springer) Belege: Aisl. riddari* m. ‘[; Reiter, Ritter’, ca. 1220–1230, Ólafs saga hins helga, c. 144 / 153, Sturlunga saga II (Porgils saga skarda), bis, Saulus saga ok Nikanors, c. 7;151 = nisl. fär. riddari m. ‘6; Reiter’; aschwed. riddare m. ‘[; Reiter, Ritter’, 15. Jh., Schacktavelslek, v. 55. 1200 u. ö.152 Semantisch entsprechende Bildungen sind mlat. eques m., vor 950, Einsiedler Schachgedicht, v. 39. 77. 87 etc.,153 mlat./E equestris m. ‘[; Reiter, Ritter’, vor/um 1100, Hapax: Winchester-Schachgedicht, v. 10;154 aspan. (akastil.) cauallero m., a. 1283, Alfonso, Libros, fol. 2r u. ö.155 f mlat./E caballarius m., vor/um 1100, Winchester-Schachgedicht, v. 13;156 afrz. chevalier m., 13. Jh. (TLWb II, 359); me. kni˘ght, cniht 15. Jh. (MED [VIII/]J–K, 563 s.v. kni˘ght); mhd. ritter m., 12. Jh. (BMZWb II,1, 740 s.v. rîtære; LHWb II, 462 s.v. rîtære; vgl. Eiserhardt 1906, 34f. 79); mnl. ridder(e) m., 13. Jh. (VVHWb VI, 1335f.); mnd. ridder m., 14. Jh., Meister Stephans Schachbuch, Z. 5658 u. ö.157 etc.; alle ‘[; Reiter, Ritter’; ferner mlat. miles m. ‘[; Soldat, Ritter’, ca. 1180, Alexander Nekkam, De naturis rerum, c. 184 etc.158 Mlat. eques und aspan. cauallero sind Lehnprägungen (übersetzende bzw. übertragende Bedeutungsentlehnung: ‘[; der zum Pferd Gehörige: Reiter, Ritter’) nach arab. faras ‘[; Pferd’ (kriegsmetaphorisch auch als ‘Reiter, Kavallerist’ interpretiert)159 (< mpers. asp ‘[; Pferd’). Andere Bildung: Akatal. caballo m., spätes 11. Jh., Col. dipl. San Andres, Nr. 92;160 aspan. cauallo m., a. 1283, Alfonso, Libros, fol. 2r u. ö.;161 mlat. equus, 12./13. Jh., Ludus scacorum, v. 4,2 (Hs. Bl N

151 Johnsen / Helgason 1941, 443 10 (‘Große’ Ólafs saga); Jónsson 1895–1898, 371 12 (HeimskringlaVersion); Kålund 1906–1911, 137 13. 16 (Porgils saga); Loth 1963, 14 21 (Saulus saga ok Nikanors), jeweils riddara(nn) Akk. – Ein von Haugen (1982, 30) vermutetes hestr ‘[’ kann ich hingegen nicht belegen. 152 Klemming 1881–1882, 201 (riddarom Dat. Pl.). 239 (riddara Dat.) u. ö.; vgl. SOb II, 255. 153 Silagi / Bischoff 1979, 653 (aeques, aequites Pl.); ferner z.B. Ludus scacorum, v. 4,2. 13,2 (Schumann / Bischoff 1970, 56; eques, Var. miles Pn, equus Bl N Of; ebd. 58); Winchester-Schachgedicht, v. 22 bis (Murray 1913, 515); Carmina Burana Nr. 209, v. 1 (Schumann / Bischoff 1970, 55); vgl. MlWb III, 1335 s.v. eques, 1b . 154 Murray 1913, 515 (tunc equestris apponatur). 155 Steiger 1941, 14 7 = Musser Golladay 2007, 1246 14 (nach Alfons ‘richtige’ Bezeichnung gegenüber cauallo; s. unten, Anm. 161); vgl. Bossong 1978, 65. 156 Murray 1913, 515 (caballarius v. 13 = equestris v. 10, woneben v. 22 eques). 157 Schlüter 1883, 190 u. ö. (rydder); vgl. LBHWb III, 2109. 158 Wright 1863, 325 5; ferner Ludus scacorum, v. 4,2 (Schumann / Bischoff 1970, 58; miles Pn : equus Bl N Of, eques cett.); De vetula, v. 600. 610. 613 (Klopsch 1965, 216). 159 Belege für den Symbolwert des faras (z.B. al-Bal3i: ‘Reiterei’) bei Murray 1913, 222f.; Wieber 1972, 243. 160 Canellas 1964, 111 37 (uno caballo et III pedones). 161 Steiger 1941, 14 6 u. ö. = Musser Golladay 2007, 1246 13 u. ö. (‘cauallos; aber ihre korrekten Namen sind caualleros’).

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Of) etc.;162 alle ‘[; Pferd’. – Lehnprägung (übersetzende Bedeutungsentlehnung) nach arab. faras ‘[; Pferd’. Nhd. Springer, schwed. springare etc. sind erst neuzeitlich belegt. – Vgl. ferner Murray 1913, 421f. mit Anm. 13ff. (Wortlisten ‘[’);

Die personifizierende Bezeichnung der [-Figur als ‘Reiter, Ritter’ hat sich in den meisten alten west- und mitteleuropäischen Sprachen aufgrund der Möglichkeit der Eingliederung in die Systeme der älteren Kriegsmetaphorik und der im Hochmittelalter aufkommenden Sozialmetaphorik gegenüber ‘Pferd’ durchgesetzt; zu diesem Zweig von [-Wörtern gehört auch der altisländische Terminus. Aisl. riddari zeigt die auffällige Geminata -dd- (: aisl. rída st. Vb. ‘reiten’), die die Herkunft des Zeichenkörpers aus dem Mittelniederdeutschen (ridder(e) ‘[; Reiter, Ritter’) erweist.163 Im altwestnordischen Lexikon handelt es sich um ein homo(io)nymes Substituens: das mittelniederdeutsche Lehnwort riddari hat eine bereits existente ältere einheimisch-altwestnordische Bildung, scil. rídari, ríderi m. ‘Reiter, Ritter’,164 überlagert und in der weiteren Folge – nicht zuletzt durch den literarischen Einfluß der Königs-, Antiken- und Rittersagas, in denen riddari ein Zentralbegriff ist – auch weitgehend verdrängt. So etwa findet sich nicht-terminologisches rídari ‘Ritter’ in der ältesten Handschrift des altisländischen Elucidarius (AM 674a, 4°; zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts) in den jüngeren Handschriften durch riddari ersetzt (I,23)165 – und eine derartige Substitution ist wohl auch für terminologisches *rídari, *ríderi ‘[’ anzunehmen. Da der Transfer des Schachspiels in den altwestnordischen Bereich womöglich schon in das 11. Jahrhundert, spätestens jedoch in das 12. Jahrhundert fällt, hat die Möglichkeit einiges für sich, daß die Bezeichnung der [-Figur durch das jüngere mittelniederdeutsche Lehnwort riddari ‘Reiter, Ritter’ einen älteren Zustand (*rídari, *ríderi ‘[’) verdeckt und sonach nicht ursprünglich ist.

162 Schumann / Bischoff 1970, 58 (equus Bl N Of : miles Pn, eques übrige Hss.). 163 Vgl. etwa Fischer 1909, 37; Falk / Torp II, 896 s.v. ridder; de Vries 1962, 44 s.v. riddari; Magnússon 1989, 758 s.v. riddari. 164 Aisl. rídari, ríderi ist in den ältesten altwestnordischen Handschriften aus der Zeit vor und um 1200 gut bezeugt; Belege: Larsson 1891, 264 s.v. rıpare bzw. rípere (aisl.); Holtsmark 1955, 487 s.v. rídare (anorw.). Zur Bildungsweise (Suffix -ari, -eri) s. Torp 1909, 17 (§ 21). 165 ripara AM 674a, 4° : riddara AM 657, 4° (Hauksbók, um/nach 1300) und weitere Hss. (Scherabon Firchow / Grimstad 1989, 25 5. 9. 14. 20; früh-aisl. vísa tolu ˛ valdra rídara :: lat. certum numerum electorum militum).

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3.2.6 ‘\’ (nhd. Läufer) Belege: Anorw.(?) [biskup(r), byskup(r)] m. ‘\; Bischof’, spätes 12. Jh., figural bezeugt (Lewis);166 aisl. biskup* m. ‘\; Bischof’, nur im Kompositum biskups-mát, um/ nach 1300, Mágus saga jarls I, c. 7;167 = nisl. biskup, fär. bispur (woneben biskupur) m. ‘\; Bischof’; ä. dän. bispe ‘\; Bischof’, 17. Jh. (KOb I, 205 s.v. Biskop). Semantisch entsprechende Bildungen sind mlat./F episcopus m., um 1250, De vetula, v. 614;168 mnd. [bischop] m., spätes 12. Jh., figural bezeugt (Falkenburg bei Detmold);169 ne. bishop a. 1562 (Rowbotham 1562 pass.);170 alle ‘\; Bischof’; vgl. weiter abech. pop m. ‘\; Pope, Priester’, 14. Jh., Tomáå ze Åtítného, Knímky o hˇre fachové II,4 u. ö.171 Es handelt sich um Lehnprägungen (variierende Bedeutungsentlehnungen); Benennungsmotive stellen zum einen die hohe Stellung im Umfeld des Königs, zum anderen die äußere Form der arabisch-abstrakten Figur (s. unten) dar. Andere Bildungen: (a) Mlat. alficus m., 11. Jh., Ludus scacorum, v. 5,1. 15,1 etc.,172 alfinus m., um 1250, De vetula, v. 600. 610. 614 etc.;173 aspan. alffil m., a. 1283, Alfonso, Libros, fol. 2r u. ö.;174 afrz. aufin m., 12. Jh. (TL I, 668; FEW XIX, 48) f me. aufin, alfin 15. Jh. (MED [I/]A, 518); mnl. alphijn m., 15.(?) Jh. (VVHWb I, 337); ahd. altphil spätes 11. Jh. (:: senio; Thoma 1963, 228 14);175 alle ‘\’. – (Meist verdunkeltes) Lehnwort aus arab. (al-)fil m. ‘\; Elefant’176 (< mpers. pil ‘\; Elefant’).

166 Caldwell et al. 2009, 192f. (Abb. S. 157ff. [Fig. 2h–4e]. 162 [Fig. 7i]); Caldwell et al. 2010, 32 (Abb. S. 24ff. [Fig. 4.17–4.32]. 32 [Fig. 7]. 58 [Fig. 15]). 167 Cederschiöld 1884, 11 54 (biskups mát). 168 Klopsch 1965, 216 (alphinus episcopus ipse est Iupiter). 169 Peine/Treude 2012, 107ff. (Abb. 4–5). 170 Rowbotham 1562, A.iiii. [= 15] (The Bishoppes some name Alphius [sic; recte: Alphins], some fooles, & some name them Princes, […]: other some cal them archers) u. ö. Weitere Belege für ne. bishop: OED II, 223 s.v. bishop1, 5. 171 Menbík 1880, 28 u. ö. = Åimek 1956, 379 u. ö. (vgl. Iwañczak 2001, 139); ferner Klaret, Glossáˇr VII,41, Z. 2122 (Flajåhans 1926, 183; aripus :: popek A, pop B). 172 Schumann / Bischoff 1970, 56 (alficus B M; Var. u.a. a(l)finus, alphinus, arphilus, alrphilus; ebd., 58); ferner Alexander Neckam, De naturis rerum, c. 184 (Wright 1863, 325 4; senex […], qui vulgo alphicus [alficus B] dicitur). 173 Klopsch 1965, 216 (alphinus); ferner Ludus scacorum, v. 5,1. 15,1 (Schumann / Bischoff 1970, 58; a(l)finus N, alphinus Pn : alficus B M, s. vorhin, Anm. 172); vgl. GMIL I, 200. 174 Steiger 1941, 14 1 u. ö. = Musser Golladay 2007, 1246 9 u. ö. (‘auf Arabisch alffiles, was in unserer Sprache eleffantes bedeutet’); vgl. Bossong 1978, 66. 175 Der Glossator des BA Vaticana, Pal. lat. 1710 hat das Lemma lat. senio m. ‘6 (als Würfelzahl)’ (quid dexter senio ferret Pers. sat. III,48) offensichtlich als (m)lat. senius = senex m. ‘Alter; \’ gefaßt und mit dem Interpretament altphil versehen (i.e. *alphil mit sekundärmotiviertem t, also wohl als Kompositum alt-phil mit sinnleerem Hinterglied reanalysiert); vgl. weiter Lloyd et al. I, 182. – Dunkel, aber von spät-ahd. altphil ‘\’ fernzuhalten ist der Ausdruck mnd. altvi˘le Pl., 13. Jh., Sachsenspiegel I,4,1 etc., der in der Paarformel altvile unde dwerge eine nicht gerichtsfähige Person bezeichnet; vgl. SchLWb I, 64f. s.v. altvil; Höfer 1870; LBHWb I, 65 s.v. altvîl; zuletzt Duncker 2003, 266ff. (mit Lit.). 176 Vgl. Steiger 1932, 113; Riesler 1994, 179f. (Nr. 65; mit Lit.).

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(b) Ahd. alt-phil s. vorhin; mlat. senex m., ca. 1180, Alexander Neckam, De naturis rerum, c. 184 etc.;177 mhd. (der) alte, alter m., 12. Jh. (BMZWb I, 25f.; LHWb I, 43; vgl. Eiserhardt 1906, 33f. 78f.), mnl. (de) oude m., 13. Jh. (VVHWb V, 2032); mnd. (de) olde m., 14. Jh., Meister Stephans Schachbuch, Z. 5598 u. ö.178 f aschwed. olle m., 15. Jh., Schacktavelslek, Z. 54. 868. 870. 889179 etc.; alle ‘\; Alter’. – Lehnprägung (variierende Bedeutungsentlehnung); Benennungsmotiv: eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit, Klugheit (: Berater des Königs). (c) Mlat. curvus m., ‘\; [vom Alter] Gebeugter, Krummer’, vor 950, Einsiedler Schachgedicht, v. 71.180 – Lehnprägung (variierende Bedeutungsentlehnung); Benennungsmotiv: eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit. (d) Mlat./E calvus m. ‘\; Kahler, Kahlkopf’, vor/um 1100, Winchester-Schachgedicht, v. 6. 12. 19. 24.181 – Lehnprägung (variierende Bedeutungsentlehnung); Benennungsmotiv: eingeschränkte Bewegungsmöglichkeit (‘Kahlkopf’ ~ ‘Alter’),182 Klugheit (: Berater des Königs; ‘Kahlkopf’ ~ ‘Alter’). (e) Mlat./D comes m., ‘\; Graf’, vor 950, Einsiedler Schachgedicht, v. 37.183 – Lehnprägung (variierende Bedeutungsentlehnung); Benennungsmotiv: hohe Stellung (Umfeld des Königs). (f) Mlat./F stultus m., 13. Jh., Deventer-Schachgedicht, v. 25, stolidus ebd., v. 12;184 g afrz. fol* 13. Jh., Roman de la Rose, v. 6664. 6677. 6714;185 alle ‘\; Dummkopf’. – Lehnprägung (variierende Bedeutungsentlehnung); Benennungsmotiv unklar.186 Nhd. Läufer, dän. løber etc. sind erst neuzeitlich belegt. – Vgl. ferner Murray 1913, 424f. mit Anm. 22ff. (Wortlisten ‘\’);

Die \-Figuren aus den Sets von Uig auf der Insel Lewis, das jüngst gefundene Einzelstück von der Falkenburg bei Detmold und das mittellateinische, in Frankreich entstandene pseudo-ovidianische Werk De vetula bezeugen ‘Bischof’-Bezeichnungen bereits für die Jahrzehnte vor und nach 1200. Es handelt sich offenbar um wenig gebräuchliche, aber früh überlieferte Prägungen. Das Benennungsmotiv liegt zum einen allgemein im hohen gesellschaftlichen Rang (vgl. mlat. comes ‘\; Graf’, ferner mlat. marchius ‘]; Markgraf’), vor allem aber in der äußeren Form: offenbar wurden die

177 Wright 1863, 325 3 (senex […], qui vulgo alphicus dicitur); ferner Carmina Burana Nr. 209, v. 1 (Schumann / Bischoff 1970, 55). 178 Schlüter 1883, 188 (de olde) u. ö.; vgl. LBHWb II, 1145 s.v. olt, 4. 179 Klemming 1881–1882, 201 (ollin). 228 bis (ollan, ollana; Titel De disposicione alfinorum). 229 (olla); vgl. SOb II, 159. 180 Silagi / Bischoff 1979, 653 (comites). 181 Murray 1913, 514f.; vgl. Holländer B. 1995, 131. 182 Mlat. calvus ist wohl kaum als metonymischer Ausdruck für ‘Bischof’ (ã ‘Tonsurierter’ ã ‘Kahlkopf’) zu fassen. 183 Silagi / Bischoff 1979, 654 (curvosque). 184 Murray 1913, 517 (stultus saltator triuius); ebd. (stolidorum : solidorum B). 185 Langlois 1920–1922, III, 13. 14. 15 (jeweils fos Pl.); vgl. TLWb III, 2003. 186 Daß man die zwei Buckel bzw. Hörner der arabisch-abstrakten \-Figur als Zipfel (Eselsohren) der Narrenkappe interpretiert hätte, trifft schwerlich zu: selbst das ‘Vorläufermodell’ der Narrenkappe, die kapuzenartige Gugel, hat sich erst im Laufe des 14. Jahrhunderts herausgebildet. Davor waren zuerst wirres Haar und dann Total- bzw. Kranztonsur Kennzeichen der Narren (vgl. etwa Mezger 1991, 237ff.; 1993, 1024).

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beiden Buckel bzw. Hörner der arabisch-abstrakten Figur (ursprünglich die Stoßzähne des arab. fil ‘\; Elefant’)187 als cornua einer Mitra interpretiert.188 Die Bezeichnung ist offenbar während der Gebrauchsphase einer älteren ‘Querform’ der Mitra – eine niedrige Haube mit Vertiefung in der Mitte und zwei Bäuschen über den Schläfen (aus denen sich dann Ecken entwickelt haben)189 – im 11. oder 12. Jahrhundert entstanden; der späteren Normalform der Mitra mit den beiden spitzzipfeligen cornua über Stirn und Hinterkopf mangelt es jedenfalls am Analogon (Kopfteil mit zwei Ausbuchtungen seitlich nebeneinander). Wo die Bezeichnung der \-Figur als ‘Bischof’ ihren Ausgang genommen hat, ist nicht zu klären; es scheint sich um keinen genuin französischen Ausdruck zu handeln, denn sonst hätte Jean Lefèvre in seiner altfranzösischen Übersetzung von De vetula den einheimischen Terminus verwendet.190 Das Englische fällt jedenfalls aufgrund seiner späten Bezeugung (der Erstbeleg stammt erst aus dem Jahre 1562)191 als Quelle aus. Der reguläre Ausdruck für ‘\’ im Mittelenglischen ist der aus dem Altfranzösischen übernommene Arabismus aufin (mit Kürzung i > ˘ı , Dissimilation l–l zu l–n und Vokalisierung von [X]).192 (Ansonsten sind vor allem die Termini mlat. senex, mhd. der alte, alter ‘der Alte’ und Entsprechungen in Gebrauch, die in erster Linie auf die limitierte Fortbewegung referieren.193)

187 Darauf spielt die Passage Alficus trivius, cornuta fronte timendus ‘Der \ an der Wegkreuzung (i.e. im Schnittfeld der Diagonalen), furchterregend durch die gehörnte Stirn’ im Ludus scacorum, v. 15,1 (Schumann / Bischoff 1970, 56) an; vgl. Holländer B. 1995, 128. Die Interpretation/Übersetzung ‘[…], ehrfurchtgebietend mit seiner Mitra’ (Vollmann 1987, 661) hat demgegenüber weniger für sich. 188 Vgl. Alphini vero sunt cornuti exemplo episcopi Johannes Gallensis, Communiloquium I,10,7 (Thorndike 1931, 464 20; Varianten bei van der Linde 1881, 65 9f.). Wahrscheinlich ist die betreffende Schachpassage aber eine spätere Interpolation (14. Jahrhundert?); s. von der Lasa 1897, 72ff.; Thorndike 1931, 463. – Bischöfe als ‘Gehörnte’ treten z.B. in den Carmina Burana entgegen (Nr. 39, Str. 4,1: Episcopi cornuti; Nr. 42 [Romsatire Walthers von Châtillon], Str. 18,1: Redeunt a curia capite cornuti; Hilka / Schumann 1930, 63. 78); weitere mittellateinische Belege für cornutus m. ‘Bischof’ sind in MlWb II, 1901 (s.v. 1. cornutus, I,B,3,a,b ) verbucht. 189 Vgl. Braun 1907, 459. 463; Schramm 1954, 61. 190 In La vieille, v. 1603 wird lediglich auf das Äußere referiert, aber keine \-Bezeichnung genannt (L’auphin portant d’evesque mitre; Cocheris 1861, 80). 191 S. oben mit Anm. 170. 192 Dazu Steiger 1932, 178; Kiesler 1994, 179f. (Nr. 65; mit Lit.). 193 Der mittelalterliche \ kann aufgrund seiner Gangart – er zieht auf das übernächste Feld in diagonaler Richtung – gerade einmal acht der 64 Felder betreten (der \c1 etwa gelangt das ganze Spiel nur auf a3, a7, c5, e3, e7, g1 und g5!). Bereits im 12. Jahrhundert bezieht sich Alanus ab Insulis in seiner Sprichwortsammlung (Liber parabolarum 3,7, Z. 255f.) darauf, daß der \ im mittelalterlichen Schach die schwächste Figur (im engeren Sinn, ^ also ausgenommen) ist: Sic inter scacos alfinus (Var. alphinus) inutilis exstat, / Inter aves bubo, fucus inter (et inter Var.) apes ‘So entpuppt sich unter den Schachfiguren der \ als unnütz, unter den Vögeln der Uhu, unter den Bienen die Drohne’ (Limone 1993, 66; Hunt 2005, 166 13f.). Der Wert des \ entspricht nur etwa 1½ ^-Einheiten; entsprechende Belege aus der (arabischen) Schachliteratur bietet Murray 1913, 227f.; vgl. Wieber 1972, 264.

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Abb. 6,1 (links): Formen der Mitra vom 11. Jahrhundert bis heute. Abb. 6,2 (rechts): Arabisch-abstrakter \.

3.3 Spielausgänge 3.3.1 ‘matt’, ‘Matt’ Belege: Aisl. mát Adj. ‘matt’, spätes 13. Jh., Flóres saga ok Blankiflúr, c. 17;194 n. ‘Matt’, um/nach 1300, Mágus saga jarls I, c. 3. 6; Mágus saga jarls II, c. 8. 16; Gudmundar saga biskups IV (Hs. Dx); Saulus saga ok Nikanors, c. 7; Vilhjálms saga sjóds, c. 7; Víglundar saga, c. 22;195 ferner als Kompositionshinterglied in hróks-, biskups-, ped(s)-mát n. ‘]-, \-, ^-Matt’, um/nach 1300, Mágus saga jarls I, c. 3. 7; Mágus saga jarls II, c. 8. 16196 sowie in den pejorativen Termini pedryttu-, fretstertu-, fudryttu-mát n. ‘^kerl-, Furzkerl-, fudkerlmatt, schmähliches Matt (nisl. skammarmát) mit dem Königs-^’, um/ nach 1300, Mágus saga jarls I, c. 3. 7; Mágus saga jarls II, c. 8;197 = fär. mát Adj. ‘matt’. Die Interjektion ‘matt!’ ist im Altwestnordischen nicht überliefert. – Weiterbildung: máta sw. Vb. ‘„mattieren“, mattsetzen’, um/nach 1300, Mágus saga jarls I, c. 3.

194 Kölbing 1896, 57 6 (pá vard durvordinum ˛ mát). – Ein aschwed. mat Adj., 15. Jh. (SOb II, 25; Spruchband zum Bild Der Tod spielt Schach des Albertus Pictor in der Kirche von Täby) ist fraglich; vgl. af Ugglas 1946, 38 Anm. 2. 195 Cederschiöld 1884, 5 20 (Mágus saga I; allh˛ediligv mati mata). 10 35 (fa mát); ?or.arson 1858, 23 13 (Mágus saga II; gera pik […] í mátinu : mátunum Hss., vgl. ONP s.v. 2mát). 43 10 (ek fái mát); Bs II, 186 32 (Gudmundar saga IV; var komit at máti); Loth 1963, 15 2 (Saulus saga; fær mat); Loth 1964, 13 18 (Vilhjálms saga; feck mat); Halldórsson 1959, 111 4 (Víglundar saga; var komit at máti). 196 Cederschiöld 1884, 5 14f. (Mágus saga I; hróks mát); ?ór.arson 1858, 23 2. 44 9 (Mágus saga II; hróksmát, Var. hrots- A); Cederschiöld 1884, 11 54 (Mágus saga I; biskups mát); Cederschiöld 1884, 5 23 (Mágus saga I; ped mát, Var. pedz C: ebd., CXXXIV 24); ?ór.arson 1858, 23 6. 44 13 (Mágus saga II; pedsmát). 44 24 (hit fúlasta pedsmát). 197 Cederschiöld 1884, CXXVII 24. 11 59f. (Mágus saga I; pedryttu- B, fretstertu- C, fudryttumát A); 5 31 (fretstertu mát); ?ór.arson 1858, 23 15 (Mágus saga II; fretstertumát); dazu Nedoma 1992, 96ff. (mit Lit.).

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Formal und semantisch entsprechende Bildungen sind mlat. mattus Adj. ‘matt’, 11. Jh., Ludus scacorum, v. 18,1 etc.;198 mattum n. ‘Matt’, ebd., v. 18,2 etc.; mat Interj. ‘matt!’, 11./12. Jh., Carmina Burana Nr. 209, v. 4 etc.;199 aspan. (akastil.) mate Adj., a. 1283, Alfonso, Libros, fol. 3v u. ö. (xa-mat Adj. ‘schachmatt’, ebd. u. ö.);200 afrz. mat Adj., m., 12. Jh. (TLWb V, 1244ff.;201 FEW XIX, 123; vgl. Sguaitamatti-Bassi 1974, 68ff.); me. mat Adj., Subst., Interj., 14. Jh. (MED [X/]M, 210); mhd. mat Adj., m. (selten n.), Interj., 12. Jh. (BMZWb II, 87f.; LHWb I, 2059; vgl. Eiserhardt 1906, 18ff. 58ff.);202 mnl. mat m./n., 13. Jh. (VVHWb V, 1212); mnd. mat m.?/n.?, 14. Jh., Meister Stephans Schachbuch, v. 5427.203 Den alten west- und mitteleuropäischen Sprachen ist ein Ausdruck für die Situation gemeinsam, in der eine Partei das Schachgebot nicht mehr (durch Wegziehen des Y, Dazwischenstellen einer eigenen Figur oder Schlagen der schachbietenden Figur) aufheben kann. Es handelt sich um ein Lehnwort aus arab. mat ‘matt (hilflos, überwältigt, besiegt)’204 (< mpers. mat); vgl. arab. fah mat ‘schach (und) matt, schachmatt’).205 Konkurrierende Bildungen sind, soweit ich sehe, nicht belegt. – Vgl. ferner Murray 1913, 401f. mit Anm. 26 (Wortlisten ‘matt!, Matt, matt’).

Man hat auch gemeint, die Herleitung aus arab. mat „beruht auf einer zufälligen Ähnlichkeit und entspricht nicht der ursprünglichen Terminologie des Spiels“: der Schachausdruck habe seinen Ursprung in einem afrz. mat ‘tot’, das zu mater *‘zerstö-

198 Schumann / Bischoff 1970, 56 (Var. ebd., 58); in B drei weitere Belege mattum Adj. (ebd., 59); ferner Winchester-Schachgedicht, v. 36 (Murray 1913, 515; scacha mattum) etc. 199 Schumann / Bischoff 1970, 55. 200 Steiger 1941, 14 18 u. ö. = Musser Golladay 2007, 1246 26 u. ö. (mate); Steiger 1941, 14 31 u. ö. = Musser Golladay 2007, 1247 7 u. ö. (xamat). 201 In TLWb wird mat nur als Adjektiv verbucht; ein einwandfreier substantivischer Beleg findet sich aber z.B. in Barlaam et Josaphat, v. 7092 (Appel 1907, 209: Li mas en angle est molt honteus ‘Das Matt in der Ecke ist sehr schmachvoll’). 202 Die Vokalkürze von mhd. ma˘t ist durch den Endreim (: rat ‘Rad’, stat ‘Stelle, Ort’, bat ‘bat’, pfat ‘Pfad’) erwiesen. 203 Schlüter 1883, 183 (gheuen en mat); vgl. LBHWb II, 923 s.v. 5mat. 204 S. z.B. Gildemeister 1874, 696; Wieber 1972, 337 (arab. mat ‘nicht mehr weiterwissend’ o.ä.); Maciuszak 2003, 94f. (ursprünglich ‘broken, oppressed’). Gegen die in einschlägigen Etymologika frequent begegnende Deutung von fah mat als ‘der Y ist gestorben’ (statt ‘schachmatt’) spricht, so Wieber (1972, 337), „der fehlende Artikel und die unarabische Stellung der Wörter“. Freilich wird mat ‘matt’ bereits in der arabischen Überlieferung zum Teil auch (sekundärmotiviert) auf das Homonym ‘gestorben, tot’ (: mata ‘sterben’) bezogen. In weiterentwickelter Form findet sich diese Auslegung dann auch im Spielebuch von König Alfons: dort ist es nicht mehr das Simplex (arab. mat, akastil. mate), sondern bereits das Kombinat xamat, ‘das so viel wie tot bedeutet’ (Steiger 1941, 14 31 = Musser Golladay 2007, 1247 7). 205 Vgl. ferner Giraud 1982, 396 s.v. mat; Tazi 1998, 214f. (der dort gegebene Entlehnungsweg „arab. > kat. > frz. > dt.“ ist indessen angesichts des früh bezeugten mlat./D mattus nicht wirklich plausibel).

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ren, töten’ (belegt sind indessen nur die Sememe ‘mattsetzen; besiegen, demütigen’) < lat. mactare ‘opfern, schlachten, töten’ gehöre.206 Zum einen ist jedoch nicht sonderlich wahrscheinlich (und wäre gesondert zu begründen), daß Teile eines geschlossenen Terminologiesystems herausgebrochen werden; so etwa hat das Altspanische die arabischen Spiel-, Figuren- und Spielausgangbezeichnungen jedenfalls erwartungsgemäß im Verbund übernommen. Zum anderen leuchtet auch die semantische Seite nicht ein, denn der mattgesetzte Y befindet sich zwar in einer ausweglosen Situation, da er dem Schachgebot nicht mehr entrinnen kann, ‘getötet’ oder ‘zerstört’ wird er aber im Gegensatz zu geschlagenen Schachsteinen nicht, wie auch bereits im Einsiedler Schachgedicht dargelegt wird (v. 95).207 (Wie schon oben [3.1.] erwähnt, umfaßt das Bedeutungsspektrum des Adjektivs afrz. mhd. etc. mat auch ‘besiegt, unterlegen’ und ferner ‘gebrochen, kraft-, mutlos’, nicht aber ‘getötet, zerstört’ o.ä.) Das Substantiv aisl. mát n. (dazu ein adjektivischer Beleg) läßt man zumeist aus dem Altfranzösischen oder Mittelniederdeutschen stammen,208 angesichts der interlingualen Verbreitung des Terminus sind dies jedoch nicht die einzigen Möglichkeiten: gleichwohl kommt eine Herkunft aus dem Mittellateinischen in Betracht.

3.3.2 ‘Solosieg’ Matt ist nur eine von zwei bzw. drei Gewinnarten im mittelalterlichen Schachspiel. In der altisländischen Sagaliteratur ist auch der Solosieg (Beraubungssieg) nachzuweisen, bei dem die schwächere Partei außer dem Y keine weiteren Steine mehr hat, die stärkere Partei jedoch soweit dezimiert ist, daß sie nicht mattsetzen kann (also etwa Y + [ gegen k).209 Belege: Aisl. litla bert ‘„kleine Entblößung“, kleiner Solosieg’, nach 1450, Vilhjálms saga sjóds, c. 3; vgl. Mágus saga jarls I, c. 7: vard keisari berr ‘der Kaiser

206 Kluge / Seebold 2011, 607f. s.v. matt (mit Lit., die aber Seebolds Etymologie nicht stützt). 207 Silagi / Bischoff 1979, 655 (nunquam sternitur). 208 So Fischer 1909, 80 (afrz.); de Vries 1962, 380 s.v. mát 2 (afrz. oder mnd.); Magnússon 1989, 608 s.v. 2 mát (afrz. oder mnd.). 209 Zum Solosieg (ne. bare king, frz. roi dépouillé, span. rey robado), der aufgrund der mangelnden Fernwirkung von Z und \ im alten Schach wohl kein seltener Spielausgang war, s. Murray 1913, 228f. 267f. (arab.). 452. 460f. 462. 464. 467f. 469; Wieber 1972, 261f. (arab.). – Auf einen Solosieg spielt offenbar auch Reinmar von Zweter in seinem mittelhochdeutschen Spruch Vom Rîne her bin ich gekommen an (Roethe Nr. 150), an dessen Ende er das Faktum, daß er nur mehr auf seinen Mäzen, König Wenzel I. von Böhmen, zählen kann, schachmetaphorisch ausdrückt: ich hân den künec al eine noch / unt weder ritter noch daz roch: / mich stüret (C; enstiurt D) niht sîn alte noch sîn vende (vgl. Roethe 1887, 486; hier aber ‹stúret› C als stüret, nicht stiuret) ‘ich habe noch den bloßen Y und weder [ noch den ]: mich stört (hindert) weder sein \ noch sein ^.’ Dazu ausführlich Nedoma i. Dr.

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(Rögnvalds Gegner) wurde [seiner Figuren] entblößt (hatte keine Figuren mehr)’;210 = nisl. bert ‘Solosieg’, 18. Jh. (s. Anm. 214). Semantisch entsprechende Bildungen sind mlat./D nudus Adj. ‘(der Figuren) entblößt, durch Solosieg’, frühes 15. Jh., Krakauer Schachgedicht, v. 394. 485, vgl. rex nudatus ‘(der Figuren) entblößter Y, nackter Y’ ebd., v. 483;211 afrz. have Adj. ‘(der Figuren) entblößt, beraubt’ (sonst ‘finster, übel’), 12. Jh., Chrétien, Yvain, v. 2576; Roman de la Rose, v. 6683.212 In den literarischen Quellen sind die Termini zwar nur selten bezeugt, der Solosieg läßt sich aber auch indirekt belegen, und zwar als Gewinnart mittelalterlicher Schachprobleme, z.B. Alfonso, Libros, fol. 57v–58r (Nr. 93). 58r/v (Nr. 94).213 Im Altisländischen gilt der Solosieg als Gewinn von geringerem Wert.214 Ob aisl. bert eine Lehnprägung ist, läßt sich schwer entscheiden: Benennungsbegriff und -motiv sind jedenfalls einsichtig, sodaß es sich ohne weiteres um eine innere ‘Wortentfaltung’ (durch Hinzufügung eines terminologischen Semems) ohne fremdsprachliches Vorbild handeln kann.

210 Loth 1964, 7 16 (Vilhjálms saga; hun feck litla bert); Cederschiöld 1884, 11 44 (Mágus saga I). 211 Murray 1913, 524 (nudus). 526 (Mattus uel nudus omnis debet fore ludus ‘jede Partie muß matt oder nudus [„entblößt“] werden, i.e. durch Matt oder Solosieg beendet werden’); ebd., 526 (rex nudatus). 212 Förster 1887, 105 (haves); Langlois 1920–1922, III, 14 (have); dazu Murray 1913, 750f. Unrichtig TLWb IV, 1037 (‘schachmatt’); mißverständlich Förster 1881, 97 („Matt mit dem sog. roi dépouillé“). 213 Steiger 1941, 259f. (Zugzwangproblem). 261f. = Musser Golladay 2007, 1330f. 1331f. 214 Offenbar herrschte über den genauen Wert des Solosiegs im alten Island keine Einigkeit. In der Vilhjálms saga sjóds, c. 3 gewinnt König Rikard und reklamiert den Spieleinsatz, einen Goldring; seine Gegnerin, die das litla bert erlitten hat, verweigert jedoch die Herausgabe des Rings mit dem Hinweis darauf, daß beide Y noch gewissermaßen unbeschädigt auf dem Brett verblieben seien (kongar .ij. [er Var.] uoru epter a bordinu) – sie argumentiert also damit, daß ihr Y zwar solo, aber eben nicht mattgesetzt ist, sodaß der Partieausgang dementsprechend nicht als voller Sieg Rikards gelten könne. Dazu paßt auch die Angabe der Mágus saga jarls I (c. 7), der Beraubungssieg sei hinn litli tafls munr ‘der kleine Spielgewinn’ (Var. lítill munr C D, Cederschiöld 1884, 11 43. CXXXV; vgl. Mágus saga jarls II, c. 16: enn litli munr, ?or.arson 1858, 44 3), also kein voller Sieg, und Ólafsson (1772, 463) bemerkt schließlich in Übereinstimmung dazu: „Bert, det er bart eller blot, kaldes den mindste Vinding, da den eenes Mandskab er ganske borttaget, og dog Kongen ikke sat Mat: hvis han sættes Skak i det samme er det fuldt Bert; hvis ikke, kaldes det litla Bert“. Zum Solosieg in der Mágus saga bzw. im mittelalterlichen isländischen Schach Nedoma 1992, 99f. (mit Lit.); die einschlägigen lexikographischen Werke greifen hier indessen fehl, so zuletzt auch ONP II, 255 s.v. berr („uden dækning, mat“, „fá litla bert blive mat, idet kun kongen i spillet er tilbage“): der Solosieg ist kein Matt, sondern eine eigenständige Gewinnvariante (quasi ein Dreiviertelsieg).

Die Schachterminologie des Altwestnordischen

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3.3.3 ‘Remis’ Belege: Aisl. jafntefli n. ‘„Gleichgespiel“, Gleichstand, Unentschieden, Remis’, 14. Jh., Víglundar saga, c. 22; Vilhjálms saga sjóds, c. 3.215 Vgl. ferner aspan. manna ‘Remis’, Alfonso, Libros, fol. 5v u. ö.216 Der unentschiedene Spielausgang wird im Altisländischen durch einen Neologismus offenbar ohne fremdsprachliches Vorbild bezeichnet. Für die Spielsituation, in der eine Partei keine legalen Züge mehr ausführen kann (nhd. patt) – im mittelalterlichen Schach bisweilen als Gewinn für die andere Partei, bisweilen als Unentschieden gewertet –217 ist kein eigener Terminus im Altwestnordischen überliefert.

3.4 Randvokabular Neben dem Kernwortschatz, der die Termini für Spiel, Figuren und Spielausgänge umfaßt (s. 3.1.–3.3.), ist im Altwestnordischen eine kleinere Gruppe weiterer schachbezogener Ausdrücke belegt. Vier Termini sind durch Bedeutungsübertragung entstanden (3.4.1. bekkr ‘Reihe’, 3.4.2. reitr ‘Feld’, 3.4.3. í uppnám ‘en prise’; Sonderfall 3.4.4. tafl ‘Brettspiel, auch Schachspiel; Spiel, Partie; Spielbrett; Spielstein, Schachfigur’; Neusememe), ein Terminus ist mit den Mitteln der Wortbildung geprägt (3.4.5. fingrbrjótr ‘schlechter Zug’; Neulexem). 3.4.1. Aisl. bekkr m. ‘(Grund-)Reihe’ (sonst ‘Sitzbank, Bankreihe’), 14. Jh., Sigurdar saga pogla, ˛ c. 46;218 vgl. ä. fär. bekkja-peïni Pl. (für *bekkjar-) ‘8 auf der Randlinie, Rand-8’, spätes 18. Jh. (Wörterbuch des Nicolai Mohr; s. oben, Anm. 116). Eine semantisch entsprechende Bildung ist z.B. mlat. linea f., ca. 1180, Alexander Neckam, De naturis rerum, c. 184 etc.219 3.4.2. Aisl. reitr m. ‘Feld’ (sonst ‘abgegrenzte Fläche, Revier’), um 1300, Hervarar saga ok Heidreks konungs U, c. 15; Sigurdar saga pogla, ˛ c. 46; Víglundar saga, c. 22 etc.220

215 Halldórsson 1959, 111 16 (Víglundar saga; ok var pá jefntefli); Loth 1964, 8 1 (Vilhjálms saga; enn hun kalladi jafntefli). 216 Steiger 1941, 32 4 (Problem Nr. 1) u. ö. = Musser Golladay 2007, 1253 24 u. ö. 217 Zum Patt im alten Schach s. Murray 1913, 229 (arab. za>id). 452. 462. 464. 466. – Belegt ist me. stale 15. Jh. ‘Patt’ (MED [XV/]S, 575 s.v. stale 5), vgl. stalen Vb. 15. Jh. (ebd., 576). Nhd. patt, dän. pat, nisl. patt etc. ist ein jüngerer Internationalismus (= frz. patt; vgl. etwa Kluge / Seebold 2011, 689). 218 Loth 1963a, 234 1 (taflmenn uit huarn beck ‘Figuren an jeder Grundreihe’; vom Boddatafl). 219 Wright 1863, 324 23 u. ö. 220 Helgason 1924, 134 16 (Hervarar saga U); Loth 1963a, 233 23 (Sigurdar saga pogla; ˛ seitir Pl., vom Boddatafl); Halldórsson 1959, 111 10 (Víglundar saga; Str. 17,4) = Skj. A II, 459 (Str. 18,4). – Zu der von Ketilrid gesprochenen Strophe s. Nedoma 2003, 159ff. Die Schachepisode der Víglundar saga ist nach dem Vorbild einer in der arabischen Literatur des Mittelalters verbreiteten Anekdote konstruiert, die sich um das sog. Matt der Dilaram rankt (Nedoma 2003, 159ff.).

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Semantisch entsprechende Bildungen sind z.B. mlat. campus m., 14. Jh. (selten; die regulären Ausdrücke sind tabula, punctum); mhd. velt n., 13. Jh. (BMZWb III, 296; LHWb III, 58; vgl. Eiserhardt 1906, 66). Vgl. ferner Murray 1913, 399 Anm. 18 (Wortliste ‘Feld [am Schachbrett]’).

3.4.3. Aisl. í uppnám n. ‘„in Wegnahme“, en prise (ein Spielstein ist ungedeckt und kann einfach geschlagen werden)’ (uppnám sonst ‘Entgegennahme’), vor/um 1300, Sturlunga saga II (Porgils saga skarda).221 3.4.4. Awn. tafl n. ‘Brettspiel, auch Schachspiel; Spiel, Partie; Spielbrett; Spielstein, Schachfigur’, ca. 1220–1230, Ólafs saga hins helga, c. 144 / 153 etc.;222 auch als Vorderglied in Komposita, z.B. taflbrogd ˛ n. Pl. ‘Spielkunst, Spielstärke’, um/nach 1300, Mágus saga jarls I, c. 7; Mágus saga jarls II, c. 16; Gudmundar saga biskups IV (Hs. Dx); Víglundar saga, c. 4223 und tafl-madr m. ‘Figur („Nicht-Bauer“) im Schachspiel’, 14. Jh., Sigurdar saga pogla, ˛ c. 46;224 dazu ferner Weiterbildungen wie tafla f. ‘Spielstein, Schachfigur’, tefla sw. Vb. ‘ein Brettspiel spielen; einen Spielstein ziehen; im Brettspiel gewinnen’, tofl ˛ f. ‘Spielstein, Schachfigur’ etc.225 Aufgrund der Generizität des (Ober-)Begriffs läßt sich freilich im einzelnen nicht immer zweifelsfrei feststellen, ob sich tafl auf ‘Brettspiel’ allgemein oder ‘Schachspiel’ konkret bezieht (vgl. oben, Anm. 28). Awn. tafl hat Entsprechungen in ae. tæfl, tæfel f./n.? ‘Spielbrett, Brettspiel (mit Würfel), Würfel’, ahd. zabal n. (:: lat. alea, tabula), mhd. zabel m./n. ‘Spielbrett, Brettspiel (mit Würfel)’, mnd. worp-tafel(e) f./n.? ‘Spielbrett (für ein Würfelspiel)’ etc. Es handelt sich um älteres, im Falle von lautverschobenem ahd. zabal zumindest völkerwanderungszeitliches und daher eindeutig ‘vorschachliches’ Lehngut (< lat. tabula f. ‘Spielbrett; [backgammonähnliches] Brettspiel’).226 3.4.5. Aisl. fingrbrjótr m. ‘„Fingerfehler“, schlechter Zug’, ca. 1220–1230, Ólafs saga hins helga, c. 144 / 153.227

221 Kålund 1906–1911, 137 14 (riddara, er hann hafdi teflt í uppnám). 222 Johnsen / Helgason 1941, 443 11 (‘Große’ Ólafs saga); Jónsson 1895–1898, 371 12 (HeimskringlaVersion; konungr bar aptr tafl hans ‘der König stellte seine Figur (i.e. den en prise stehenden [) zurück [scil. auf das Ausgangsfeld]); die übrigen Belege sind in ONP, s.v. tafl verbucht. 223 Cederschiöld 1884, 11 49 (Mágus saga I); ?or.arson 1858, 44 6 (Mágus saga II); Bs. II, 187 1 (Gudmundar saga IV); Halldórsson 1959, 68 2 (Víglundar saga; von einem tafl ‘Brettspiel’, mit dem wohl Schach gemeint ist). 224 Loth 1963a, 234 1 (taflmenn Pl.; vom Boddatafl). 225 Belege s. ONP, s.v. tafl-, tafla, tefla, tofl; ˛ vgl. Fischer 1909, 51; de Vries 1962, 579 s.v. tafl; Magnússon 1989, 1022. 226 Dazu Nedoma 2007, 255f. (mit Lit.). 227 Johnsen / Helgason 1941, 443 10 (‘Große’ Ólafs saga); Jónsson 1895–1898, 371 11 (HeimskringlaVersion; pá lék konungr fingrbrjót mikinn).

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Für die Frage der Entlehnwege ist der über die Spiel-, Spielstein- und Spielausgangbezeichnungen hinausgehende Schachwortschatz jedenfalls nicht weiter nutzbar zu machen. Es ist wiederum mit innerer ‘Wortentfaltung’ (Neologismus durch Hinzufügung eines terminologischen Semems oder auf Basis vorhandenen Wortmaterials) ohne fremdsprachliches Vorbild zu rechnen; wo vorhanden, finden sich Entsprechungen am ehesten im Mittellateinischen (3.4.1. linea – aisl. bekkr, 3.4.2. campus – aisl. reitr).

4 Schluß Einst meinte Willard Fiske, das Schachspiel müsse aufgrund von Übereinstimmungen in den Figurenbezeichnungen im späten 12. Jahrhundert von England aus nach Island gelangt sein.228 Bereits das Paar aisl. hrókr und me. rok(e) ‘]’ bot für ihn „sufficient evidence“; es handelt sich jedoch um alles andere als ein englisch-isländisches Exklusivum, denn der Terminus ist weder auf der gebenden Seite (afrz. roc, mlat. rochus, mhd. roch, mnd. roch) noch auf der nehmenden Seite (fär. rókur, aschwed. rokker) isoliert. Auch Fiskes zweites Argument, daß die Benennung der \-Figur als ‘Bischof’ auf das Englische und Isländische beschränkt sei, ist angesichts von Gegenevidenz (mlat. episcopus in De vetula, Bischof-Figur von der Falkenburg) nicht stichhaltig, ganz abgesehen davon, daß ne. bishop erst im späten 16. Jahrhundert zu belegen ist. Das Mittelenglische hat jedenfalls mit den beiden Lehnwörtern aufin, alfin ‘\’ und fe˘rs ‘Z’ wie auch das Altfranzösische mit aufin ‘\’ und fierce, fierge ‘Z’ eine westeuropäische Nomenklatur, die mit den altwestnordischen Benennungen in der Position biskup ‘\’ nicht übereinstimmt und in der Position dróttning ‘Z’ nur alternativ übereinstimmt (me. quene ist seltener bezeugt, afrz. röine überhaupt Hapax legomenon). Dazu kommt noch die lautliche Diskrepanz im Anlaut des Schach-Worts (me. ches(se), esches [tv°], [estv°], afrz. esch(i)ec, eschac [estv°], escac [esk°] gegenüber awn. skák [sk°]), die die sprachliche (und sachliche) Transferenz über eine Westroute im allgemeinen und eine Nordatlantik-Verbindung von England nach Island im besonderen unwahrscheinlich macht.229 Das Altwestnordische ist auch frei von Arabismen, die über die bekannten Interlexeme (hrókr ‘]’, mát ‘matt’) hinausgehen. Was den Import des Schachspiels aus dem Osten und die Rezeption im west- und südskandinavischen Raum betrifft, so ist Richard Eales aus zwei Gründen skeptisch: zum einen seien in Rußland tätige schwedische Waräger und in Westeuropa operierende dänische bzw. norwegische Wikinger

228 Fiske 1880, 129; 1905, 4f. 7ff.; zustimmend Daví.sson 1888–1892, 276; berechtigte Ablehnung bei Murray 1913, 444f. 229 Das Altspanische (Altkastilische) steht mit seinen zusätzlichen Arabismen acedrex ‘Schach_(spiel)’ und alfferez ‘Z’ noch weiter ab und scheidet als Vermittlersprache gänzlich aus.

quene å fe˘rs

‘Z’ (3.2.4.)

poun(e), paun

‘^’ (3.2.2.)

‘Remis’ (3.3.3.)

‘Solosieg’ (3.3.2.)

mat

rok(e)

‘]’ (3.2.1.)

‘Matt’ (3.3.1.)

chevalier

kni˘ght

‘[’ (3.2.5.)

have

mat

pëon, pöon, päon

roc

aufin

röine :1: fierce, fierge

roi

eschec, esc(h)ac

afrz.

aufin, alfin

‘\’ (3.2.6.)

kyng

ches(se), esches

‘Y’ (3.2.3.)

‘Schach (-spiel)’ (3.1.)

me.

jafntefli

bert

mát

ped

hrókr

riddari (*rídari?)

episcopus :1:

biskup

nudus

mattum

pedes

rochus

eques, miles å

senex å alficus, alfinus

regina

rex

ludus scachorum scachum å

mlat.

[drottning] ¯

konungr

skák-tafl skák :1:

awn.

mat

vende m.

roch

ritter

(der) alte, alter altphil (ahd.) :1:

küniginne

künic

schâch-zabel

mhd.

mat

vinne f.

roch

ridder

(de) olde

[bischop] :1:

koninginne

koning

schak-tafel, -spil schak å

mnd.

Tab. 1: Die Schachterminologie im Altwestnordischen und in mittelalterlichen Kontaktsprachen. Signifikante Lehnevidenz grau unterlegt, Gegenevidenz durch Schrägstrich markiert. – Frequenzangaben bei konkurrierenden Termini: :1: = einmal belegt, å = selten(er) belegt.

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Die Schachterminologie des Altwestnordischen

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auseinanderzuhalten, und zum anderen seien die Nordleute anderen Kulturen gegenüber bis in christliche Zeit nicht aufgeschlossen gewesen.230 Dem ist nun entgegenzuhalten, daß sich eine Trennung zwischen ‘Westwikingern’ und ‘Ostwarägern’ nicht aufrecht halten läßt – das alte Skandinavien war ein kontinuierlicher Kulturraum, in dem es keine wirklichen Barrieren mentaler, sprachlicher, religiöser, sozialer, politischer etc. Art gegeben hat. So gelangten auch Dänen, Norweger und Isländer in den austrvegr, die Gebiete südöstlich der Ostsee; es genügt hier, auf den norwegischen König Harald den Harten (aisl. Haraldr hardrádi; geboren 1014/1015) zu verweisen, der nach der verlorenen Schlacht von Stiklarsta.ir zunächst zu Jaroslav dem Weisen nach Kiev (Kænugardr) flüchtete, danach in Byzanz mit 500 Gefolgsleuten in die Warägergarde eintrat und auf Kriegszügen u.a. nach Sizilien, Nordafrika und Griechenland gelangte, bevor er wieder über Kiev nach Norwegen zurückkehrte, dort an die Herrschaft kam und schließlich in der Schlacht von Stamford Bridge (1066) in England den Tod fand231 – ein eindrucksvolles Beispiel für die enorme Mobilität der Nordleute während der Wikingerzeit. Entgegen Eales waren auch die durch Handelskontakte initiierten arabisch-skandinavischen Wechselbeziehungen in der Wikingerzeit ziemlich intensiv. So ist aus dem Orient eine Vielzahl von Objekten der materiellen Kultur nach Skandinavien gelangt, allen voran eine erstaunliche Menge an arabischen Silbermünzen (alleine in der Nähe des Hofes Spillings auf Gotland hat man über 14000 Dirhams und insgesamt 67 kg Silber gefunden; s. Östergren 2005, 366f.), ferner Waffen und Textilien bzw. Kleidung, Schmuck und Gebrauchsgegenstände aus Edelstein, Edelmetall und Elfenbein,232 das im alten Skandinavien übrigens als aisl. fílsbein, aschwed. filsben bezeichnet wurde (im Vorderglied aisl. fíll m., aschwed. fil m. ‘Elefant’ [allerdings nicht in der terminologisierten Bedeutung ‘\’ bezeugt!] < arab. fil). Die Schachterminologie des Altwestnordischen hat weder westlichen (altfranzösisch-mittelenglischen) noch östlichen (‘direkt-arabischen’) Charakter, sie repräsentiert eindeutig einen zentralen Typ. Beweiskräftig ist zum einen die Bezeichnung des Spiels (awn. skák, skáktafl), die sich mit ihrem sk-Anlaut von den ‘westlichen’ Termini abhebt und zu mlat. scac(h)um, ludus scachorum, ahd. scah-zabal bzw. mhd. schâchzabel, mnd. schak, schak-tafel (mit /sk/ > /v/) etc. stellt. Zum anderen enthalten nur die Nomenklaturen des Mittellateinischen und – in Form von indirekter (scil. figuraler) Evidenz – auch des Mittelniederdeutschen die geneuerte Benennung der \-Figur als ‘Bischof’, die sich in der weiteren Folge in nur wenigen Sprachen tatsächlich durchgesetzt hat (aisl. nisl. biskup, fär. bispur, erst sekundär ne. bishop 16. Jh.). Noch stärker als die Gemeinsamkeiten mit dem (mittelhochdeutschen bzw.) mittelniederdeutschen Fachwortschatz sind indessen die Übereinstimmungen mit dem tendenziell

230 Eales 1985, 47f.; skeptisch äußert sich auch Müller 1997, 134f. Die Ostroute grundsätzlich in Erwägung ziehen demgegenüber Petzold 1987, 67ff.; Holländer H. 1993, 392; Plessow 2007, 19 Anm. 5. 231 Krause A. 1999, 640ff.; Waßenhoven 2006, 202 (Nr. A 198; mit Quellen und Lit.). 232 Zusammenfassend Steuer 2000, 520ff.; Mikkelsen 2008, 545ff. (jeweils mit Lit.); speziell zum Handel etwa Richter-Bernburg 1987, 667ff.

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überregionalen, hauptsächlich aus den deutschsprachigen Gebieten bezeugten mittellateinischen Schachvokabular ausgeprägt: alle Positionen des Kernwortschatzes sind kompatibel. Signifikant ist hier der Terminus ‘^’, aisl. ped m., der nur aus mlat. pedes m. entlehnt sein kann; das Mittelniederdeutsche geht hier mit vinne f. ‘^’ (wohl aus mnl. vende, vinde, vinne f. ‘^’, das seinerseits aus mhd. vende m. ‘^; Fußgänger, Fußkrieger’ entlehnt ist[?])233 einen anderen Weg. Zweierlei ist festzuhalten: (1) Aufgrund der regen Kontakte zwischen Nordleuten und Arabern in der Wikingerzeit kann nicht ausgeschlossen werden, daß das Schachspiel zusammen mit anderen Produkten der orientalischen (Sach-)Kultur über den austrvegr nach Skandinavien vermittelt wurde. An konkreter Evidenz fehlt es allerdings; solange die Sachquellen aus Osteuropa nicht zuverlässig archäologisch aufgearbeitet bzw. datiert sind, muß es in dieser Frage bei einem non liquet bleiben. (2) Nach Ausweis des sprachlichen Befundes ist das Schachspiel – wahrscheinlich im 11. Jahrhundert, nach Ausweis der Lewis chessmen aber spätestens im Laufe des 12. Jahrhunderts – über Mitteleuropa nach Skandinavien gelangt; über die genaueren Umstände des Transfers können indessen nur Vermutungen angestellt werden. Wie oben (2.2.2.) erwähnt, erzählt Snorri Sturluson um 1230 von einer Schachpartie, die Knut der Große, König von Dänemark, Norwegen und England († 1035), gegen seinen Widersacher Jarl Ulf im Jahre 1026 gespielt hat; vor allem wegen der zeitlichen Kluft zwischen dem berichteten Ereignis und der Abfassung des Berichts ist die Faktizität der geschilderten Begebenheit unsicher. Anderseits ist König Knut aber auch einer englischen Quelle als Schachspieler bekannt: die Chronik der Abtei Ramsey vermeldet, der Herrscher habe die nächtliche Langeweile durch Würfel- bzw. Schachspiel bekämpft: Ipse (Bischof Aethericus) […] regem adhuc tesserarum vel scacchorum ludo longioris tædia noctis relevantem invenit (c. 75).234 Auch hier bleibt unklar, wieviel auf diese Notiz konkret zu geben ist: das Chronicon abbatiae Rameseiensis ist erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts entstanden und damit ebenfalls nicht zeitnahe. Von Knut ist ferner bekannt, daß er anläßlich der Kaiserkrönung des deutschen Herrschers Konrad II. zu Ostern 1027 eine Reise nach Rom unternommen hat; dabei ist es auch zum Austausch von Geschenken mit Papst und Kaiser (sowie anderen Würdenträgern) gekommen.235 Natürlich können sich unter den an Knut übergebenen Geschenken auch Schachbretter und -figuren befunden haben, es ist jedoch nicht opportun, den Transfer von Spiel und Termini ausgerechnet bzw. ausschließlich an Knut

233 Vgl. zuletzt Lloyd et al. III, 150 s.v. fendo (mit Lit.). – Mhd. vende, ahd. fendo m., ae. feda m. führen auf urgerm. *fanpijan- ‘Fußgänger’ (ein o-stufiges Nomen agentis zur Verbalwurzel *fenp- ‘*gehen, finden’) zurück. 234 Macray 1886, 137 22–25; dazu Murray 1913, 419. 235 Knut, Erlaß a. 1027, § 5 (Liebermann 1903, 276). Über die Romreise berichtet u.a. die Kn´ y tlinga saga, c. 17 (Gu.nason 1982, 123); vgl. ferner etwa Wolfram 2000, 122; Waßenhoven 2006, 86f. 221f. (Nr. A 273).

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und dessen Romreise zu knüpfen – es waren aber wohl höhergestellte Personen, die das Schachspiel nach Skandinavien gebracht, dort eingeführt und weiterverbreitet haben. Kandidaten gibt es in ausreichender Zahl, denn Fernreisen von Nordleuten nach Mitteleuropa und Italien waren (auch) in der späten Wikingerzeit und in der anschließenden Epoche beileibe keine Rarität. So verzeichnet Dominik Waßenhoven in seinem verdienstvollen prosopographischen Register für die Periode 1000–1250 insgesamt 57 Skandinavier, die Fahrten nach Rom unternommen haben236 – dies sind aber nur die in den mittelalterlichen Quellen tatsächlich dokumentierten Fälle von Reisenden; es muß jedoch zweifellos eine ‘touristische’ Dunkelziffer großen Ausmaßes geben. Reiseführer wie der aus der Mitte des 12. Jahrhunderts stammende Leidarvísir des isländischen Abtes Nikulás von ?verá bezeugen jedenfalls genaue Kenntnisse über das Wegenetz von (Island, Norwegen und) Dänemark nach Schleswig und Norddeutschland zum Rhein, flußaufwärts und sodann über die Schweizer Alpenpässe nach Italien;237 über das deutschsprachige Gebiet (und nicht über Frankreich) führte offenbar die Hauptroute von Nordeuropa bzw. Norddeutschland nach Italien.238 „Pat hefi ek lengi haft í hug mér at ganga sudr um sinnsakir“ (‘„Das habe ich mir schon lange vorgenommen, einmal in den Süden zu reisen“’), läßt die altisländische Laxdœla saga Bolli Bollason sagen (c. 72)239 – und als Mitbringsel von derartigen Reisen ist offenbar auch das Schachspiel nach Skandinavien gekommen.

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Die Schachterminologie des Altwestnordischen

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Abbildungsnachweise Abb. 1 (arabisch-abstrakte Figuren): Petzold 1987, 69. Abb. 2 (\ von der Falkenburg): Spiegel online – Wissenschaft; online im Internet: URL http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,798056,00.html (Stand: 9. 2. 2012); dapd. Abb. 3,1 (Schachfigurenensemble von der Insel Lewis): http://www.isleoflewischessset.co.uk/ (Aufrufdatum 7. 7.2013) Abb. 3,2 (\ von der Insel Lewis): http://www.isleoflewischessset.co.uk/ (Aufrufdatum 7. 7.2013) Abb. 4: (Sach- und Textquellen im mittelalterlichen Europa): Spielsteine des 11./12. Jahrhunderts nach Müller 1998, 599 (Abb. 2; ergänzt), Textquellen ergänzt. Abb. 5 (Sachquellen in Altrußland): Linder 1979, 59. Abb. 6,1 (Formen der Mitra): Braun 1907, 475 (Bild 234). Abb. 6,2 (arabisch-abstrakter \): Kluge-Pinsker 1991, 46 (Abb. 24; Ausschnitt).

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Das Brettspiel in der skaldischen Dichtung

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Das Brettspiel in der skaldischen Dichtung Sowohl die Kenntnis des Brettspiels als auch die des Würfelspiels verdanken die Germanen den Römern. Aufgrund von archäologischen Funden wissen wir, dass das Brettspiel seit der jüngeren römischen Kaiserzeit (ca. 200–400 n. Chr.) im skandinavischen Raum bekannt war.1 Beispielsweise sind in dem Mooropferfund von Vimose (Jütland, Dänemark) vier Spielbretter aus Holz, 80 Spielsteine aus Glas, Bernstein und gebranntem Ton sowie sechs Würfel gefunden worden.2 In der Wikingerzeit scheint sich das Brettspiel aufgrund der Vielzahl an Funden, insbesondere von Spielsteinen, einer besonderen Beliebtheit erfreut zu haben. Als das Brettspiel des Nordens dieser Zeit schlechthin gilt dabei das hnefatafl. Im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts breitete sich das Schachspiel in ganz Skandinavien aus und löste das hnefatafl in seinem Status als aristokratisches Spiel ab. Neben dem Schachspiel ist aus dieser Zeit auch das sog. kvátrutafl, wohl eine mittelalterliche Backgammon-Variante, bezeugt. In der mittelalterlichen literarischen Überlieferung Skandinaviens, sowohl in der Prosaliteratur als auch in der eddischen und skaldischen Dichtung, spielen diese Brettspielarten des Öfteren eine Rolle. Dabei hat sich die Forschung in der jüngsten Vergangenheit insbesondere dem Schachspiel in der altwestnordischen Prosaliteratur gewidmet.3 Daher soll in dem vorliegenden Beitrag die Überlieferung in einer anderen literarischen Gattung, der skaldischen Dichtung, im Mittelpunkt stehen. Denkt man an Skaldendichtung, so denkt man zunächst an die stark formalisierte Preislieddichtung, also Gedichte, die dem Lobpreis von Königen und Jarlen dienten, und somit in starkem Maße deren Nachruhm prägten.4 Sie schildern deren Kämpfe und Schlachten, und loben sie für ihre positiven Eigenschaften, wie ihren Mut dem Feind oder ihre Freigebigkeit den eigenen Gefolgsleuten gegenüber. Daneben zählt zur skaldischen Dichtung gleichwohl auch das Korpus der sog. lausavísur (im Sg. lausavísa), der losen Strophen.5 Hierbei handelt es sich um Einzelstrophen, die vor allem in den Isländersagas überliefert sind, und von denen die Sagaprosa behauptet, sie seien in einer bestimmten Situation von einer handelnden Person der Saga als Reaktion auf ein bestimmtes Ereignis spontan als Einzelstrophe improvisiert worden. Diese lausavísur sind in ihrer Thematik wesentlich vielschichtiger als die Preislieddichtung, und weisen im Gegensatz zu dieser eher den Charakter einer privaten Dich-

1 Einführend zum Brettspiel in der Wikingerzeit und im Mittelalter in Skandinavien s. Beck 1978 und Holtsmark 1957. 2 Zur archäologischen Überlieferung in Skandinavien s. Capelle 1978, Holtsmark 1957, McLees 1990, Petersen 1914. 3 Z.B. Nedoma 1992, Nedoma 2003, Teichert 2007. 4 Einführend zur Skaldendichtung s. Marold 2005 und Mundal 2007, S. 296–340. 5 Einführend zu den lausavísur s. Poole 1993, Glauser 1998 und Marold 2001a.

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tung auf. So erklärt sich, dass Zeugnisse des Brettspiels im Bereich der Skaldendichtung in erster Linie in diesem Korpus der lausavísur enthalten sind. Problematisch ist allerdings deren Datierung, die immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet ist. So kann nie ganz ausgeschlossen werden, dass eine solche Strophe erst vom Verfasser der Saga oder dessen Umkreis gedichtet wurde, um in die Saga integriert zu werden, sprich die Strophe kann durchaus einige hundert Jahre jünger sein als die Saga uns glauben machen will. Es finden sich in der skaldischen Dichtung insgesamt Belege für fünf Termini aus dem Bereich der mittelalterlichen Brettspielterminologie (s. Tab. unten): tafl n. ‚Brettspiel‘, tafla f. ‚Spielstein‘, reitr m. ‚Spielfeld‘, húnn m., die Bedeutung dieses Terminus ist nicht ganz klar, evtl. bezeichnet er einen Hauptspielstein im Brettspiel hnefatafl oder einen Würfel, sowie der Terminus kvátrutafl n., der allem Anschein nach zur Bezeichnung eines Brettspiels diente, bei dem auch gewürfelt wurde, es sich also um eine mittelalterliche Variante des Backgammons gehandelt haben dürfte. Andere Bezeichnungen dieses Spiels sind ‚Trictrac‘ oder ‚Puff‘. In der mittelalterlichen Überlieferung wird es mit lat. tabulae bezeichnet.6 tafl n.

Brettspiel

tafl (Akk. Sg.)

Rognvaldr ˛ jarl Kali Kolsson, lausavísa

tafla f.

Spielstein beim Brettspiel

toflu ˛ (Dat. Sg.)

Ketilrídr Hólmkelsdóttir, lausavísa

reitr m.

ein abgegrenztes Spielfeld auf dem Spielbrett

reiti (Dat. Sg.)

Ketilrídr Hólmkelsdóttir, lausavísa

húnn m.

Hauptspielstein im Brettspiel hnefatafl oder Würfel

húnknarrar (Gen. Sg.)

Kormákr Ogmundarson, lausavísa

húns (Gen. Sg.)

Heidarvíga saga / Eyrbyggja saga, lausavísa

húnum (Dat. Pl.)

Haraldskvædi (Hrafnsmál) von ?orbjorn hornklofi

kvátrutafli (Dat. Sg.)

Gudmundardrápa von Arngrímr ábóti Brandsson

kvátrutafl n.

das mittelalterliche Backgammon

6 S. hierzu Murray 1941.

Das Brettspiel in der skaldischen Dichtung

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1 tafl n. Bei dem ersten der hier angeführten Termini, tafl n. ‚Brettspiel‘ handelt es sich, wie in den anderen germanischen Sprachen auch (z.B. ahd. zabal n.), um ein Lehnwort, das auf lat. tabula ‚Spielbrett‘ zurückgeht.7 In der Prosaliteratur kann tafl neben dem ‚Brettspiel‘ auch das Spielbrett selbst oder eine Spielfigur bzw. einen Spielstein bezeichnen.8 Mit dem Terminus tafl wurden verschiedene Brettspielarten benannt, in der Wikingerzeit zunächst das hnefatafl, später dann das Schachspiel (skáktafl) oder aber auch das kvátrutafl. In der skaldischen Dichtung findet sich ein Beleg für tafl ‚Brettspiel‘ in einer lausavísa von Rognvaldr ˛ jarl Kali Kolsson, der in Norwegen geboren, im 12. Jahrhundert (1139–1158/9) die Funktion eines Jarls auf den Orkneyinseln inne hatte.9 Diese Strophe ist in der Orkneyinga saga überliefert, einer Saga, die Charakteristika der Islendingasogur ˛ (Isländersagas) mit denen der Konungasogur ˛ (Königssagas) verbindet, die in der Form wie sie uns heute vorliegt, um 1230 entstand.10 Die Saga beginnt ihre Handlung mit den mythischen Vorfahren der Jarle von den Orkneys und endet im frühen 13. Jahrhundert. Rognvaldr ˛ ist eine der Hauptfiguren dieser Saga, in der ihm eine Reihe von lausavísur zugeschrieben werden.11 Seine erste lausavísa wird im Zusammenhang mit seiner formalen Einführung in die Saga angeführt. In der vorausgehenden Prosa wird sein Heranwachsen geschildert und seine Person beschrieben, um seine außerordentlichen Fähigkeiten hervorzuheben: Er wird als atgørvimadr meiri en velflestir menn adrir ‚ein fähigerer Mann als die allermeisten anderen Männer‘ charakterisiert. Rognvaldr ˛ rühmt sich in dieser lausavísa vielerlei Fertigkeiten (ípróttir), an erster Stelle der des Brettspiels (tafl):12 Tafl emk orr ˛ at efla; í@róttir kannk níu; t)nik trau.la rúnum; tí.s mér bók ok smí.ir. Skrí.a kannk á skí.um; sk)tk ok rœk, svát n)tir; hvártveggja kannk hyggja: harpslott ˛ ok brag@ottu. ˛

7 Murray 1952, S. 56; Beck 1978, S. 452; Nedoma 2007, S. 255. 8 S. Fritzner 1883–1896, s.v. tafl; Holtsmark 1957, Sp. 223). 9 S. zur Biographie Rognvaldrs ˛ Jesch 2009, S. 575. 10 Einführend zur Orkneyinga saga s. Chesnutt 1993 und Würth 2003. 11 Zu den lausavísur des Jarl Rognvaldr ˛ s. Bibire 1988. In der Orkneyinga saga (cap. 81, S. 185) wird Rognvaldr ˛ auch als Mitverfasser des Háttalykill („Schlüssel der Versmaße“) genannt. 12 Strophe und Prosawortfolge nach Jesch 2009, S. 576, s. auch Skjaldedigtning B I (Finnur Jónsson 1912–1915), S. 478. Im Folgenden stammen Prosawortfolge und deutsche Übersetzungen von der Verfasserin.

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Prosawortfolge: Emk orr ˛ at efla tafl; kannk níu ípróttir; t´ y nik rúnum traudla; tíds mér bók ok smídir. Kannk skrída á skídum; sk´ y tk ok rœk, svát n´ y tir; kannk hyggja hvártveggja: harpslott ˛ ok bragpottu. ˛ Übersetzung: Ich bin schnell beim Spielen von Brettspielen; ich beherrsche neun Fertigkeiten; ich vergesse die Runen kaum; mit einem Buch und dem Handwerk beschäftige ich mich oft. Ich kann auf Skiern gleiten; ich schieße und rudere, so dass es von Nutzen ist; ich verstehe mich auf beides: das Harfenspiel und die Dichtkunst.

Eine vergleichbare, im zweiten Teil sogar identische Strophe des Haraldr har.rá.i Sigur.arson (Gamanvísur, ca. 1043–1044, Str. 4), der von 1046–1066 in Norwegen herrschte, beginnt mit: ípróttir kannk átta ‚ich beherrsche acht Fertigkeiten‘.13 Über die in der Strophe Rognvaldrs ˛ genannten Fertigkeiten hinaus wird hier das Reiten genannt, das Brettspiel dagegen nicht.14 Dieses findet jedoch in Str. 41 der Rígspula Erwähnung, einem Eddalied, das von der Entstehung der sozialen Stände (Knechte, Bauern, Adel) sowie vom Ursprung des Königtums berichtet.15 Jeder Stand wird dabei hinsichtlich der körperlichen Merkmale und typischen Fähigkeiten bzw. Tätigkeiten seiner Mitglieder charakterisiert. In Str. 41, die dem Abschnitt über den Adelsstand angehört, wird als für diesen Stand typische Betätigung, neben dem Schwimmen (sund), wie in der lausavísa des Jarl Rognvaldr ˛ das Brettspiel (tafl) genannt, welches von den Nachkommen erlernt wurde.16 Und der junge Sigur.r der Nibelungensage wurde nach dem Bericht der Volsunga ˛ saga (c. 13), eine fornaldarsaga (Vorzeitsaga) aus der Mitte des 13. Jahrhunderts,17 von Reginn neben der Runenkenntnis und den Fremdsprachen ebenfalls im Brettspiel (tafl) unterrichtet, alles Fertigkeiten, die einem Königssohn geziemen: Hann kenndi honum í@róttir, tafl ok rúnar ok tungur margar at mæla, sem @á var títt konungasonum, ok marga hluti a.ra. (nach Gu.ni Jónsson 1954, I, 140)

Hier zeigt sich also in den unterschiedlichen Gattungen der altwestnordischen mittelalterlichen Literatur die Vorstellung vom Brettspiel als Bestandteil des Bildungsprogramms in den höchsten sozialen Schichten, der höfischen Repräsentationsgesellschaft, in der auch künstlerische und soziale Tätigkeiten eine bedeutende Rolle spielten, und das damit auch Gegenstand des Männervergleichs (mannjafnadr)18 sein konnte.19

13 Vgl. Gade 2009, S. 39–40. 14 Vgl. Kock 1923–1944, § 2203; Alver 1962; Nedoma 2005. 15 Vgl. die Einleitung zur Rígspula bei von See et al. 2000, S. 477–513 sowie Dillmann 2003. 16 Neckel (1908, S. 114) und von See et al. (2000, S. 512) halten es für möglich, dass Str. 41–44 der Rígspula durch die lausavísa von Jarl Rognvaldr ˛ beeinflusst sind. 17 Einführend zur Volsunga ˛ saga vgl. Finch 1993 und Lange 2006. 18 Zum Männervergleich vgl. Uecker 2001. 19 Vgl. Beck 1978, S. 454.

Das Brettspiel in der skaldischen Dichtung

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Um welche Art von Brettspiel es sich in dieser Strophe Jarl Rognvaldrs ˛ handelt, ist jedoch unklar, der Terminus tafl könnte sich hier sowohl auf das hnefatafl als auch auf das Schachspiel beziehen.20 Es spricht jedoch einiges dafür, dass sich der Terminus tafl hier bereits auf das Schachspiel bezieht, das sich im 12. Jahrhundert in Skandinavien ausbreitete und das hnefatafl in seinem Status als aristokratisches Spiel ablöste.21 Denn aufgrund des Fundes der Schachfiguren von der schottischen Isle of Lewis, der größten Insel der Äußeren Hebriden, die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts in Norwegen angefertigt wurden22, ist damit zu rechnen, dass das Schachspiel zu der Zeit bereits auch auf den Orkneyinseln bekannt war, also in etwa zu der Zeit, als Jarl Rognvaldr ˛ seine Strophe verfasst haben soll. Eine bemerkenswerte Parallele zu den in der Strophe Rognvaldrs ˛ genannten Fertigkeiten stellen die in den Disciplina Clericalis des Petrus Alfonsi (1062–1125) genannten sieben ritterlichen Tugenden dar, unter denen ebenfalls das Schachspiel (schachis ludere) zu finden ist.23 Von der Disciplina Clericalis existiert eine Übersetzung ins Altisländische vom Ende des 14. Jahrhunderts (AM 335 4to), welche offenbar auf einer älteren freien Bearbeitung basiert, die nach mündlicher Erzählung niedergeschrieben worden war.24 So wie Kramarz-Bein (1994, S. 72) eine Beeinflussung des altnorwegischen Königsspiegels (Konungs skuggsjá) durch mündliche Erzählungen aus der Disciplina Clericalis für wahrscheinlich hält, sollte dies auch für Jarl Rognvaldrs ˛ lausavísa in Erwägung gezogen werden.

2 tafla f. und reitr m. Kommen wir zum zweiten und dritten der eingangs angeführten Termini, zu tafla f., im Pl. toflur, ˛ der zur Bezeichnung von Spielsteinen gebraucht wurde, sowie zu reitr m., der im Kontext des Brettspiels zur Bezeichnung eines abgegrenzten Spielfeldes auf dem Spielbrett diente.25 Beide sind in einer lausavísa der Víglundar saga, einer späten Isländersaga, die um 1400 entstanden ist und von der Forschung oft als Lie-

20 Jesch 2009, S. 576. 21 Zur Entstehung und Verbreitung des Schachspiels – einschließlich seiner Ausbreitung nach Europa – vgl. Eales 1986, S. 14–21, Petzold 1987 und Kluge-Pinsker 1991, S. 9–54; zum Schachspiel im wikingerzeitlichen und mittelalterlichen Skandinavien vgl. McLees 1990, S. 28–34. 22 Robinson 2004, S. 14, 58. 23 In der Disciplina Clericalis werden außerdem das Reiten, Schwimmen, Bogenschießen, Boxen, die Beizjagd und das Schreiben von Versen genannt: „Probitates vero he sunt: Equitare, natare, sagittare, cestibus certare, aucupare, schachis ludere, versificari.“ (nach Hilka / Söderhjelm 1911, S. 11). 24 Vgl. Gering 1882, S. 161–200, insbesondere S. 172 und S. XXVIII, XXX–XXXI; vgl. auch KramarzBein 1997, S. 72. 25 Zu weiteren Bedeutungen von reitr m., s. Fritzner 1883–1896, s.v. reitr.

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bessaga klassifiziert wird, enthalten.26 Die beiden Protagonisten dieser Saga sind Víglundr und Ketilrí.r, deren Liebe am Schluss der Saga ein glückliches Ende findet. Die Handlung spielt in Norwegen und im westlichen Island zur Herrschaftszeit des norwegischen Königs Haraldr hárfagri (Schönhaar). Víglundr und Ketilrí.r wachsen zusammen in Island auf und versprechen einander zu heiraten. Bevor es dazu kommt, wird Ketilrí.r jedoch erst mit mehreren anderen Männern verheiratet. Víglundr tötet ihren ersten Mann sowie einen ihrer Brüder, von denen er angegriffen worden war (c. 16), und muss daraufhin Island verlassen. Víglundr kehrt jedoch zurück und hält sich unter Angabe eines falschen Namens (Orn) ˛ den Winter über bei Ketilrí.r auf. Diese war inzwischen mit Helgi, einem Bruder von Víglundrs Vater, der sich jedoch ?ór.r nennt, verheiratet worden. Es wird erzählt, dass Víglundr und ?ór.r (Helgi) zusammen beim Brettspiel saßen (es werden hier tafl ‚Brettspiel‘ und das davon abgeleitete Verb tefla ‚ein Brettspiel spielen‘ gebraucht), wobei Víglundr der Niederlage schon nah war, da er sich nicht auf das Spiel konzentrierte, denn seine Gedanken waren – selbstverständlich – bei Ketilrí.r. Aus der Formulierung svá at honum var komit at mati‚ so dass er in die Stellung des Schachmatts gekommen war‘ ist ersichtlich, dass hier mit tafl das Schachspiel gemeint ist.27 In diesem Moment der drohenden Niederlage geht Ketilrí.r an den beiden vorbei, blickt auf das Spielbrett und spricht folgenden helmingr (Halbstrophe), in dem sie Víglundr einen Rat für seinen nächsten Spielzug gibt:28 ?oka mundir @ú ?undárr @inni toflu ˛ inn gjofli, ˛ rá. eru tjalda tró.u, teitr at o.rum ˛ reiti. Prosawortfolge: ?oka mundir @ú, inn gjöfli ?undárr, töflu @inni teitr at ö.rum reiti, eru rá. tjalda tró.u. Übersetzung: Setzen solltest du, der freigebige Mann [Gesandter Odins], froh deinen Spielstein auf das nächste Spielfeld, (das) sind die Ratschläge der Frau [Stange der Wandbehänge].

Die Strophe stellt zweifellos eine Aufforderung an die angesprochene Person (Víglundr) dar, einen seiner Spielsteine auf ein anderes Spielfeld zu setzen. Víglundr befolgt diesen Rat und kann die Niederlage verhindern. Problematisch und umstritten ist jedoch die Interpretation des Wortes am Ende der ersten Zeile dieser Strophe. Finnur Jónsson hält hier einerseits einen männlichen Personennamen für möglich29, andererseits ein

26 Einführend zur Víglundar saga vgl. Ashman Rowe 1993. 27 Vgl. zu dieser Szene auch Nedoma 2003, der zeigen konnte, dass diese Szene auf einer Anekdote der mittelalterlichen arabischen Literatur, dem sog. Matt der Dilaram basiert. 28 Nach Jóhannes Halldórsson 1959, S. 111 mit Modifikation in Zeile 1 (Pundárr statt Pundar). 29 Finnur Jónsson 1931, s.v. Pundar.

Das Brettspiel in der skaldischen Dichtung

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Apellativum pundarr, das er mit ‚kampkraftige(?) mand‘ übersetzt30. Ernst Albin Kock (1923–1944, § 2854) hingegen plädiert für ein Kompositum ?und-árr, bestehend aus der Bezeichnung für Odin im Erstglied (Pundr ist ein mehrfach bezeugter Odinsname31) und dem Appellativum árr (aus älterem ó˛rr) m. ‚Bote‘ im Zweitglied. Folglich handele es sich um eine Bezeichnung für einen Krieger, die Kock hinsichtlich der Wortbildung mit Pund-regn ‚Regen des ?undr‘ (eine Kenning für den Dichtermet bzw. die Dichtung) in Hallar-Steinns Rekstefja (Str. 8, Z. 3)32, vergleicht. Jóhannes Halldórsson (1912–1915) hingegen fasste Pundar als Genitivattribut zu toflu ˛ ‚Spielstein‘ auf, was er mit ‚Ó.instöflu(?)‘ (Odinsspielstein) übersetzt (Pundar ist der Gen. Sg. des Odinsnamens Pundr). Robert Nedoma (2003, S. 158 Anm. 6) zufolge könne es sich hier nicht um den Gen. Sg. des Odinsnamens Pundr handeln, da ein Odinsspielstein vom Prosakontext her nicht passe. An dieser Stelle sei ausdrücklich auf die äußerst problematische Frage nach der ‚Echtheit‘ der lausavísur hingewiesen sowie auf die Tatsache, dass Kommentare der eine Strophe begleitenden Prosa auch ‚falsch‘ sein können.33 Unter der Annahme, es handele sich bei dieser Strophe um eine ‚echte‘ lausavísa mit authentischer Begleitprosa soll hier ausgehend von Kock vorgeschlagen werden, das handschriftlich überlieferte ‘@undar’ als eine Kenning34 für ‚Mann‘ aufzufassen. Denn árr (bzw. die ältere Form ó˛rr) wird in der Skaldik häufig als Grundwort in Kenningar für ‚Mann‘ gebraucht und eine Bestimmung durch Odin ist zwar selten bezeugt, aber möglich.35 Neben tafla ‚Spielstein‘ findet sich in dieser Strophe der Terminus reitr für ein abgegrenztes Spielfeld auf dem Spielbrett. Dabei handelt es sich um den einzigen Beleg für reitr mit dieser Bedeutung in der skaldischen Dichtung. Innerhalb der Prosa ist reitr in der Bedeutung ‚Spielfeld auf einem Spielbrett‘ auch in der Karlamagnus saga zu finden, die der Gattung der sog. übersetzten Riddarasogur ˛ angehört, welche um die Mitte des 13. Jahrhunderts in Norwegen durch die Initiative des norwegischen Königs Hákon IV. Hákonarson (r. 1217–1263) entstanden. Es handelt sich bei dieser Saga um die Übersetzung und Zusammenstellung verschiedener altfranzösischer Chansons de geste zu einer Großkompilation.36 Im páttr Af Rúnzívals bardaga der Karlamagnús saga heißt es, dass Karl der Große mit seinen Leuten im Garten saß und dass sie sich beim Schachspiel (skáktafl) und beim kvátrutafl vergnügten. Die Spielflächen (reitir) hätten immer abwechselnd aus Gold und weißem Silber bestanden.37

30 Skjaldedigtning B II (Finnur Jónsson 1915), S. 492. 31 Vgl. Falk 1924, S. 31. 32 S. Skjaldedigtning B I (Jónsson 1912), S. 527. 33 Glauser 1998, S. 650. 34 Zur Kenning s. unten. 35 Meissner 1921, S. 272–273. 36 Einführend zur Karlamagnús saga vgl. Skårup 1993 und Kramarz-Bein 2000. 37 Vgl. Unger 1860, S. 470.

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Dass auch Frauen, wie Ketilrí.r im Fall der Víglundar saga, des Schachspiels kundig waren, dürfte der Realität in der mittelalterlichen höfischen Gesellschaft entsprochen haben. Beispielsweise erzählt auch die Gunnlaugs saga ormstungu, eine Skaldensaga des 13. Jahrhunderts, von der Kenntnis des Brettspiels einer Frau. Diese Saga handelt von der Rivalität zweier Skalden, Gunnlaugr und Hrafn, um eine Frau namens Helga in fagra (Helga die Schöne). In c. 4 heißt es, dass Gunnlaugr und Helga sich die Zeit immer beim Brettspiel (tafl) vertrieben, und bald einer am anderen Gefallen fand: Jafnan skemmtu @au Helga sér at tafli ok Gunnlaugr; lag.i hvárt @eira gó.an @okka til annars brá.liga … (nach Sigur.al Nordal / Gu.ni Jónsson 1938, S. 60)

Auch wenn solche Szenen in der mittelalterlichen Literatur narrativen Zwecken dienen, besteht kein Grund daran zu zweifeln, dass sie die soziale Realität ihrer Zeit widerspiegeln.38

3 húnn m. Für den vierten der eingangs angeführten Termini, für húnn m. mit der Bedeutung ‚Würfel, Spielstein‘, sind in der skaldischen Dichtung drei Belege zu finden: 1.) in einer lausavísa, die dem Skalden Kormákr Ogmundarson ˛ zugeschrieben wird und in der Kormáks saga enthalten ist, 2.) in einer lausavísa, die sowohl in der Heidarvíga saga als auch in der Eyrbyggja saga, beides Isländersagas, überliefert ist, sowie 3.) in Str. 16 des Haraldskvædi (Hrafnsmál), einem eddischen Preislied auf den norwegischen König Haraldr hárfagri (Harald Schönhaar). Kormákr Ogmundarsons ˛ lausavísa ist in der nach Kormákr selbst benannten Kormáks saga, einer Skaldensaga, überliefert.39 Die Skaldensagas bilden eine Untergruppe der Isländersagas und es wird angenommen, dass die Kormáks saga eine der ältesten dieser Sagas ist, sie entstand zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Diese Saga handelt in erster Linie von der lebenslangen unglücklichen Liebe des Skalden Kormákr Ogmundarson ˛ zu einer Frau namens Steinger.r. Die Kormáks saga zeichnet sich durch ihre hohe Zahl an lausavisur, losen Strophen aus. 64 der 85 in dieser Saga enthaltenen Strophen werden von Kormákr gesprochen, 56 seiner Strophen stehen im Zusammenhang mit seiner unerfüllten Liebe zu Steinger.r. Von ihm ist das umfangreichste Korpus an Liebesdichtung, die im mittelalterlichen Norden mansongr ˛ ‚Mädchenlied‘ genannt wird, überliefert.40 Der Protagonist der Saga, Kormákr Ogmundar˛

38 Eales 1986, S. 25–26. 39 Einführend zur Kormáks saga vgl. Clover 1993 und Lundgreen 2001. 40 Vgl. Marold 2001b, S. 381–382.

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son ist ein historisch belegter Skalde, der von ca. 930 bis 970 lebte.41 Skáldatal, dem Skaldenverzeichnis des 13. Jahrhunderts zufolge war Kormákr Skalde des Ladejarls Sigur.r und des norwegischen Königs Haraldr gráfeldr Eiríksson (Jón Sigurdsson et al. 1848–87, III, S. 253, 256, 261, 265, 274, 280). Die lausavísa, die für uns hier von Interesse ist, gehört zu den ersten vier Strophen, die Kormákr spricht, als er sich beim Anblick der Füße Steinger.rs in diese verliebt.42 Steinger.r tritt auf die Türschwelle, um über die Tür nach den Gästen schauen zu können. Und zwischen Tür und Schwelle befindet sich ein Spalt, durch den Kormákr ihre Füße sieht. Auf die Bemerkung von Kormákrs Begleiter hin, Steinger.r schaue ihn unverwandt an, spricht Kormákr dann diese Strophe:43 Hófat lind, né ek leynda, lí.s, hyrjar @ví strí.i, bands mank bei.i-Rindi, baugsœm af mér augu, @ás húnknarrar hjarra happ@ægi-Bil krapta helsisœm á halsi Hagbar.s á mik star.i. Prosawortfolge: Hófat baugsœm lí.s hyrjar lind af mér augu, né ek leynda @ví strí.i; mank bands bei.i-Rindi, @ás helsisœm húnknarrar happ@ægi-Bil star.i á mik á halsi Hagbar.s hjarra krapta. Deutsche Übersetzung: Die ringgeschmückte Frau [Linde des Goldes (Feuer des Bieres)] wandte nicht die Augen von mir, noch versteckte ich den Kummer; ich erinnere mich an die Frau [bittende Rindr44 (Göttin) des Bandes], als die halsgeschmückte Frau [glückempfangende Bil (Göttin) des Spielbretts (Schiff des Spielsteins)] mich vom Hals Hagbar.rs des Türpfostens45 anstarrte.

Bei húnknorr ˛ handelt es sich um eine Kenning für das Spielbrett. Kenningar sind zweioder mehrgliedrige poetische Umschreibungen: Ein Substantiv wird durch eine Umschreibung ersetzt, die bei einer zweigliedrigen Kenning aus zwei Substantiven,

41 Zu Kormákr Ogmundarson ˛ vgl. Ström 1993. 42 Die Str. 1–10 handeln von der sich entwickelnden Liebe zwischen Kormákr und Steinger.r, und es ist in Erwägung gezogen worden, dass diese Strophen ursprünglich zu einem Gedicht gehörten (Glauser 1998, S. 650; Marold 2001b, S. 382). 43 Nach Einar Òlafur Sveinsson 1939, S. 210 mit Modifikation in Zeile 3 (beidi-Rindi statt beida Rindi), s. auch Skjaldedigtning B I (Finnur Jónsson 1912–1915), S. 71 u. Skjaldedigtning A I Finnur Jónsson 1912–1915), S. 81. 44 Rindr ist eine Geliebte Odins, ihr Sohn ist Váli, vgl. Faulkes 2005, S. 26. 45 Der Türpfosten der Tür, hinter der sich Steinger.r verbarg, soll wohl die Umrisse Hagbar.rs aufgewiesen haben. Zuvor heißt es in der Saga, dass Steinger.r unter dem Bart Hagbar.rs hervorgeschaut habe. Hagbar.r ist eine bei Saxo Grammaticus überlieferte Heldensagenfigur, der vom Vater seiner Geliebten Sign) gehängt worden war (Friis-Jensen 2005, S. 465–477). Vgl. Huth 2000 und dort zitierte Literatur.

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einem Bestimmungswort und einem Grundwort, besteht. Weder Bestimmungs- noch Grundwort sollen synonym, also gleichbedeutend, mit dem Wort sein, das die Kenning ersetzt. Das Bestimmungswort soll bei der Deutung der Kenning hilfreich sein, indem es die Gedanken in eine bestimmte Richtung lenkt. Vor allem die Bestimmungswörter können wiederum aus einer Kenning bestehen.46 In der hier vorliegenden Kenning húnknorr ˛ ist knorr, ˛ eine Bezeichnung für ‚Schiff‘, das Grundwort und húnn das Bestimmungswort, húnknorr ˛ ist somit das Schiff, auf dem der húnn (der Spielstein oder der Würfel) irgendwie bewegt wird, also das Spielbrett. Húnn dient hier demzufolge dazu, die Gedanken des Rezipienten auf den Bereich des Brettspiels zu lenken. Húnknorr ˛ wiederum ist das Bestimmungswort in einer Frauenkenning, dessen Grundwort der Name einer Göttin, in diesem Fall Bil, bildet. Durch die Kenning hunknorr für ‚Spielbrett‘ wird in dieser lausavísa somit die Frau, und zwar Steinger.r, näher bestimmt. Der Terminus húnn ist ein weiteres Mal als Bestandteil einer Kenning für das Brettspiel überliefert, und zwar in einer lausavísa, die sowohl in der Heidarvíga saga als auch in der Eyrbyggja saga, beides Isländersagas, enthalten ist. Die Heidarvíga saga wird meist als die älteste uns bekannte Isländersaga angesehen, die evtl. bereits in den letzten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts geschrieben wurde.47 Die Eyrbyggja saga, die in etwa in der Mitte des 13. Jahrhunderts entstand, ist eine der umfangreichsten Isländersagas und schildert die Geschichte der im Westen Islands gelegenen Halbinsel Snæfellsnes und ihrer Bewohner bis zur ersten Generation nach der Christianisierung, sie setzt im letzten Viertel des 9. Jahrhunderts ein und endet im Jahre 1031.48 Beide Sagas berichten davon, dass der Isländer Vermundr ?orgrímsson, der nach Norwegen gefahren war, um Holz zu kaufen und den Winter bei Jarl Hákon Sigur.arson verbracht hatte, bei seiner Rückkehr zwei Berserker nach Island mitbringt, die aus Schweden stammenden Brüder Halli und Leiknir. Nachdem es zum Zwist zwischen Vermundr und den Berserkern gekommen war, schenkt er sie seinem Bruder Styr. Der plant bald einen Anschlag auf die Berserker, verspricht jedoch einem der beiden, in der Heidarvíga saga ist es Leiknir, in der Eyrbyggja saga Halli, seine Tochter Ásdís zur Frau zu geben. Da sie jedoch kein Geld hätten, sollen sie als Gegenleistung zunächst einen Weg über ein Lavafeld sowie auf diesem einen Wall und in der Eyrbyggja saga auch noch einen Schafspferch anlegen. Insgeheim plant Styr jedoch einen Anschlag auf die Berserker. Als diese mit ihrer Arbeit fast fertig sind, geht Ásdís in ihrem schönsten Kleid an den Berserkern vorbei, die Berserker sprechen sie an, sie antwortet jedoch nicht. Daraufhin spricht in der Heidarvíga saga Leiknir und in der Eyrbyggja saga Halli diese Strophe zu ihr:49

46 Einführend zur Kenning vgl. Amory 1993, Marold 2000 und Mundal 2007, S. 316–321. 47 Einführend zur Heidarvíga saga vgl. Schach 1993 und Perkins 1999. 48 Einführend zur Eyrbyggja saga vgl. McCreesh 1993 und Perkins 1994. 49 Nach Einar Ólafur Sveinsson und Matthías Pordarson 1935, S. 73, s. auch Skjaldedigtning B I (Finnur Jónsson 1912), S. 110.

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Hvert hafi., Ger.r, of gorva, ˛ gangfogr ˛ li.ar hanga, ljúg vætr at mér, leygjar, línbundin, for ˛ @ína; @vít í vetr, en vitra vangs, sákat @ik ganga, hir.idís, frá húsi, húns, skrautligar búna. Prosawortfolge: Hvert hafi., gangfogr ˛ li.ar hanga leygjar Ger.r, of gorva ˛ for ˛ @ína, línbundin, – ljúg vætr at mér –; @vít sákat @ik ganga skrautligar búna frá húsi í vetr, en vitra húns vangs hir.idís. Übersetzung: Wohin hast du, gangschöne Frau [Ger.r des Goldes (des Feuers des Armes (des am Gelenk Hängenden))], deine Reise unternommen, Leinenumwundene, – lüge mich nicht an –, denn ich sah dich im Winter nicht prächtiger gekleidet aus dem Haus gehen, kluge Frau [die das Spielbrett (Ebene des húnn) bewahrende Göttin].

Auch hier wird, wie in der zuvor besprochenen lausavísa Kormákr Ogmundarsons, ˛ 50 die Frau in einer Kenning durch das Brettspiel bestimmt. Die Frauenkenning húns vangs hirdidís weist das Grundwort hirdidís auf ein Kompositum, dessen Zweitglied dís f. eine weibliche Person (eine Schwester, ein übernatürliches Wesen / eine Göttin oder eine Norne bzw. eine Schicksalsgöttin) bezeichnet. Das Erstglied hirdi- gehört zum Verb hirda ‚bewachen, aufbewahren, achtgeben auf‘, also ist hirdidís eine Frau, die etwas aufbewahrt, auf etwas achtgibt. Was sie aufbewahrt findet sich in húns vangs, der wiederum aus einer Kenning bestehenden Bestimmung, in der vangr m. ‚die Flur, Ebene‘ das Grundwort bildet, das durch húnn näher bestimmt wird: die Flur oder Ebene ist also als Unterlage des húnn, des Spielsteins oder des Würfels zu verstehen, der Referent dieser Kenning ist demzufolge wiederum das Spielbrett. Es lässt sich also feststellen, dass in der Kenning húns vangs hirdidís die Frau als diejenige charakterisiert wird, der die Aufgabe zufällt, das Brettspiel im Haushalt gut zu verwahren. Typisch für Frauenkenningar ist, dass die Frauen, zum einen wie auch die Männer, durch Gold, Reichtum und Schmuck charakterisiert werden,51 zum anderen durch ihre Kleidung, wobei Stoffe wie Leinen oder Seide, sowie einzelne Kleidungsstücke, insbesondere das Kopftuch eine große Rolle spielen. Sie wird aber auch durch Gegenstände, die zum Haushalt oder zur Ausstattung des Hauses gehören, gekennzeichnet. Hier kommen z.B. das Herdfeuer, die Bank, das Bett oder aber auch das Brettspiel vor. Schließlich wird sie noch in ihrem Verantwortlichkeitsbereich für Getränke dargestellt, denn Bier, Met, Wein sowie Horn und Trinkgeschirr sind häufige Bestimmungen in den Frauenkenningar. Dabei ist zu beachten, dass mit der Bildung

50 S. auch Meissner 1921, S. 417). 51 Zu den Bestimmungen in den Frauenkenningar vgl. Meissner 1921, S. 400–401.

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der Bestimmungen nicht an die Situation angeknüpft wird. Es soll das Typische einer Frau ohne Rücksicht auf die jeweilige Situation dargestellt werden. So treten sogar Frauenkenningar auf, die zur jeweiligen Figur oder Situation nicht nur unpassend zu sein scheinen, sondern ihr sogar widersprechen. Daraus lässt sich folgern, dass aufgrund der Tatsache, dass die Frau in der skaldischen Dichtung in nur zwei Fällen durch das Brettspiel bestimmt wird, dies von den Skalden als weniger typisch für die Frau angesehen wurde. Zum anderen heißt dies, dass die beiden hier vorgestellten Frauenkenningar, in denen das Brettspiel zur Bestimmung dient, nicht auf Steinger.r und Ásdís selbst zu beziehen sind. Der dritte Beleg für húnn m. findet sich, wie eingangs bereits erwähnt, im Haraldskvædi (übersetzt: Haraldslied), auch Hrafnsmál genannt, dem ältesten eddischen Preislied52 auf den norwegischen König Haraldr hárfagri (Harald Schönhaar) des norwegischen Skalden ?orbjorn ˛ hornklofi, das um 900 entstand.53 In den heutigen Editionen werden diesem Gedicht 23 Strophen zugesprochen. Es besteht zum größten Teil aus einem Dialog zwischen einer Walküre und einem Raben, bei dem die Walküre dem Raben einige Fragen stellt, auf die der Rabe antwortet, daher auch die Bezeichnung Hrafnsmál für dieses Gedicht. Zunächst berichtet der Rabe (Str. 7 bis 12) vom Sieg des norwegischen Königs Harald Schönhaar in der Schlacht im Hafrsfjord, womit dieser der Überlieferung zufolge den Grundstein für die Reichseinigung Norwegens und seine Alleinherrschaft legte. Dann wird von der Heirat Haraldrs mit der Dänin Ragnhildr erzählt (Str. 13 u. 14), und schließlich wird Haraldrs Hofhaltung geschildert (Str. 15–23). Str. 16 aus diesem Teil des Gedichts lautet folgendermaßen:54 Mjok ˛ eru reif.ir rógbirtingar, @eir es í Haralds túni húnum verpa. Féi eru @eir gœddir ok fogrum ˛ mætum, malmi húnlenzkum ok mani austrœnu. Prosawortfolge: Rógbirtingar eru mjok ˛ reif.ir, @eir es verpa húnum í túni Haralds. Peir eru gœddir féi ok fogrum ˛ mætum, húnlenzkum malmi ok austrœnu mani. Übersetzung: Die Männer [im Kampf Berühmten] sind mit vielem ausgestattet, diejenigen, die am Hof Haraldrs Würfel werfen. Sie sind mit Besitztümern ausgestattet und mit schönen Kostbarkeiten, mit hunnischem Metall und einer Frau aus dem Osten.

52 Zu den eddischen Preisliedern vgl. Beck 1986. 53 Einführend zum Haraldskvædi vgl. Fidjestol 1993, Wurth 1999 und Fulk 2012, S. 91–94. 54 Nach Fulk 2012, S. 110. Das Versmaß ist hier ein eddisches, málaháttr (Erweiterung des fornyrdislag um eine druckschwache Silbe in der Verszeile).

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Der Terminus húnn wurde in dieser Strophe unterschiedlich gedeutet: Während Finnur Jónsson in seiner Ausgabe der Skaldendichtung und in seinem Wörterbuch der Skaldendichtung, dem Lexicon Poeticum, húnn mit ‚brik‘, dt. ‚Spielstein‘ übersetzte55, zog Bjarni Einarsson es vor, in seiner Edition der Fagrskinna, wohl aufgrund des Verbs verpa ‚werfen‘, für húnn hier die Bedeutung ‚Würfel‘ anzunehmen, ein Fragezeichen danach gibt jedoch seine Unsicherheit diesbezüglich wieder56. Auffällig ist jedoch, dass hier in diesem Kontext das Verb verpa ‚werfen‘ verwendet wurde, da das Werfen von Würfeln im Zusammenhang mit den Würfel-Termini ten(n)ingr m. und verpill m. durch das Verb kasta ‚werfen‘ ausgedrückt wird.57 In der Hervarar saga ok Heidreks konungs, einer fornaldarsaga (Vorzeitsaga) des 13. Jahrhunderts,58 wird ein in der Forschungsliteratur oft zitierter Zusammenhang zwischen húnn m. und dem Brettspiel hnefatafl hergestellt. In den Heidreks gátur dieser Saga, einem Rätselwettstreit zwischen König Hei.rekr und Ó.inn, der sich hier Gestumblindi nennt,59 fragt dieser auch nach húnn:60 „Hvat er @at d)ra, er drepr fé manna ok er járni kringt utan; horn hefir átta, en hofu. ˛ ekki, ok rennr sem hann má? Hei.rekr konungr, hygg.u at gátu!“

„Was ist das Tier, welches das Vieh der Menschen tötet und außen mit Eisen umgeben ist; es hat acht Ecken, aber keinen Kopf, und es rennt, sobald es kann? König Hei.rekr, bedenke das Rätsel!“

Darauf antwortet König Hei.rekr:61 „… @at er húnn í hneftafli; … hann heitir sem bjorn; ˛ hann rennr @egar er honum er kastat.“ „… das ist der húnn im Brettspiel hneftafl; er heißt wie der Bär; er rennt, sobald er geworfen wird.“

Hann heitir sem bjorn ‚er heißt wie der Bär‘ erklärt sich daraus, dass húnn m. auch ‚Bär‘, vor allem ein Jungtier bezeichnen kann. Der Auflösung des Rätsels ist zu entnehmen, dass húnn im hnefatafl (hier erscheint die gekürzte Form hneftafl) gebraucht und dabei geworfen worden sein soll. Aus der Strophe selbst geht hervor, dass mit húnn in diesem Kontext ein Gegenstand gemeint ist, der wie ein Würfel acht Ecken hat. Einem weiteren Rätsel in den Heidreks gátur, in dem nach dem Brettspiel hnefa-

55 Skjaldedigtning B I (Finnur Jónsson 1912–1915), S. 24; Finnur Jónsson 1931, S. 295. 56 Bjarni Einarsson 1985, S. 62. 57 Vgl. Fritzner 1883–1896, s.v. teningr, verpill. – Zum Würfelspiel in Wikingerzeit und Mittelalter vgl. Tillhagen 1975, Tauber 1987 sowie den Beitrag von Victor Hansen im vorliegenden Band. 58 Einführend zur Hervarar saga ok Heidreks konungs vgl. Pritsak 1993 und Reifegerste 1999b. 59 Zu den Heidreks gátur vgl. Heusler 1901 und Reifegerste 1999a. 60 Nach Jón Helgason 1924, S. 74–75 (Version der Hauksbók). 61 Nach Jón Helgason 1924, S. 75 (Version der Hauksbók).

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tafl gefragt wird, und dessen Lösung ist zu entnehmen, dass das hnefatafl ein Strategiespiel gewesen sei, bei dem eine Figur bzw. ein Spielstein namens hnefi (‚Faust‘) im Mittelpunkt stand, um den gekämpft wurde. Dabei standen sich helle und dunkle Spielsteine gegenüber, wobei der hnefi den dunklen Steinen angehörte, die ihn gegen die hellen Angreifer verteidigten. Es fragt wiederum Ó.inn/Gestumblindi:62 „Hverjar eru @ær brú.ir, er um sinn dróttin vápnalausa vega; enar jorpu ˛ hlífa alla daga, en enar fegri fara? Hei.rekr konungr, hygg.u at gátu!“

„Wer sind die Frauen, die um ihren Herrn waffenlos kämpfen; die Dunklen schützen alle Tage, aber die Hellen greifen an? König Hei.rekr, bedenke das Rätsel!“

Für dieses Rätsel lautet die Lösung:63 „… @at er hneftafl; toflur ˛ drepaz vápnalausar um hnefann ok fylgja honum enar rau.u.“ „… das ist hneftafl; die Spielsteine schlagen sich waffenlos um den hnefi und die roten stehen ihm zur Seite.“

Für húnn wurde neben der Interpretation als Spielwürfel, wodurch die Spielzüge beim hnefatafl bestimmt worden sein sollen64, auch angenommen, dass es sich um den Gegner des hnefi und dessen Partei gehandelt haben könnte65. Dass beim hnefatafl gewürfelt worden sein soll, ist immer wieder angezweifelt worden.66 Letztendlich muss die Frage nach der genauen Interpretation von húnn wohl offen bleiben, dass dieser als solcher bezeichnete Gegenstand ein Bestandteil des Brettspiels gewesen sein muss, geht aus den erläuterten Frauenkenningar hervor. Schließlich handelt es sich bei allen hier angeführten Quellen, um Zeugnisse, deren Authentizität nicht sicher ist bzw. die erst zu einem späten Zeitpunkt entstanden, nach der Wikingerzeit als das hnefatafl in seiner Beliebtheit in Skandinavien bereits auf dem Rückzug war. Selbst die oben zitierte Strophe des Haraldskvædi gehört dem Strophenkomplex dieses Gedichts an (Str. 13–23), der nach von See (1961) wohl frühestens im 12. Jahrhundert zu den Str. 1–12 hinzugedichtet worden war. Da húnn in dieser Strophe im Plural erscheint, und unter der Annahme, damit sind hier tatsächlich Würfel gemeint, wäre es denkbar, dass sich dies auf eine Variante des mittelalterlichen Backgammons, das kvátrutafl bezieht, wo die Züge durch das Werfen von zwei oder manchmal auch drei Würfeln bestimmt wurden.

62 Nach Jón Helgason 1924, S. 71 (Version der Hauksbók). 63 Nach Jón Helgason 1924, S. 71 (Version der Hauksbók). 64 Beck 1978, S. 454. 65 Bruun/Finnur Jónsson 1910, S. 97. 66 So von Nedoma 2007, S. 257. – Zum hnefatafl s. z.B. auch Murray 1952, S. 55–64, Berglund 1970, Gabriel 1985, S. 207–215, Gabriel 2005, S. 359, McLees 1990, 25–27 und Nedoma 2007, S. 256–257.

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4 kvátrutafl n. Der fünfte und damit letzte der hier zu behandelnden Termini, kvátrutafl n. für eine mittelalterliche Backgammonvariante, ist in einer Strophe der Gudmundardrápa67 enthalten. Dieses Gedicht über den isländischen Bischof Gu.mundr Arason (1161–1237), er hatte das Bischofsamt von 1203 bis zu seinem Tod 1237 inne, wurde im 14. Jahrhundert von Arngrímr ábóti Brandsson verfasst. Dieser schrieb eine Saga über diesen Bischof mit dem Ziel, dessen Heiligsprechung beim Papst in Rom zu erwirken.68 In dieser Saga wird nach Art der Königssagas folgende Strophe zur Bestätigung des zuvor in der Prosa wiedergegebenen Geschehens angeführt:69 Vættu @eir, er @urfa @óttust, @unnan hnjósk í víg.um brunni, @ví tókst @eim í einu eiki elris grand, á kalda landi. Vatnit brann, svá at skildist skotnum ˛ sk)rligt verk, me. krapti d)rum, tírsæll gaf @ví tungla st)rir til @ess afl, hjá kvátru tafli. Prosawortfolge: ?eir, er @urfa @óttust, vættu @unnan hnjósk í víg.um brunni á kalda landi; @ví tókst @eim elris grand í einu eiki. Vatnit brann hjá kvátru tafli me. krapti d)rum, svá at skildist skotnum ˛ sk)rligt verk; tírsæll st)rir tungla gaf @ví afl til @ess. Übersetzung: Diejenigen, die es zu benötigen glaubten, benetzten den dünnen Zunder im geweihten Brunnen im kalten Land; dadurch gelang es ihnen Feuer [Verderben der Erle] in einem Stück Holz zu machen. Das Wasser brannte beim kvátrutafl mit der herrlichen Kraft, so dass die Männer das wunderbare Zeichen begriffen; der ruhmreiche Gott [Herrscher der Himmelskörper] gab die Kraft dazu.

Der Strophe voraus geht die Schilderung eines Wunders, das durch von Bischof Gu.mundr geweihtes Brunnenwasser hervorgerufen wird. Es wird erzählt, dass zwei Männer beim Brettspiel sitzen und kvátra spielen, wie es zu der Zeit in den Westfjorden üblich war.70 Einem der beiden Beteiligten ergeht es dabei schlecht, da ihm der Würfel (der Terminus hierfür ist teningr m.) nicht hilft. Je öfter man bei diesem Spiel jedoch verliert, desto weniger will man aufhören, so die Saga. Als das Lampenlicht erlischt, da der Tran alle ist, müssen sie jedoch ihr Spiel unterbrechen. Es wird Wasser aus dem geweihten Brunnen geholt und in die Lampe gefüllt, die nun wieder brennt, so dass sie ihr Spiel fortsetzen können. Hieraus geht hervor, dass es sich bei kvátrutafl

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Str. 54 in Skjaldedigtning B II (Finnur Jónsson 1915, S. 386. Einführend zu dieser Saga vgl. Stefán Karlsson 1993. Nach Gu.ni Jónsson 1948, S. 454. Nach Murray 1952, S. 117 kam das kvátrutafl im 12. bzw. 13. Jhd. nach Skandinavien.

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oder kurz kvátra um ein Brettspiel handelt, bei dem 2 Personen gegeneinander spielen und dabei auch würfeln. Dieses Spiel wird, wie wir schon gesehen haben, zusammen mit dem Schachspiel auch in der Karlamagnús saga erwähnt, sowie in der Íslendinga saga71 (c. 117), die im späten 13. Jahrhundert von Sturla ?ór.arson, einem Neffen Snorri Sturlusons, verfasst wurde:72 „… @eir sátu at tafli, Kolbeinn ungi ok Gu.mundr, ok tefl.u kvátru @ar á gólfinu í stofunni …“ „… sie saßen beim Brettspiel, Kolbeinn der Junge und Gu.mundr, und spielten kvátra dort auf dem Boden in der Stube …“

Dem ist wiederum zu entnehmen, dass es sich bei kvátra um ein Spiel für zwei Personen gehandelt hat. Kurz darauf heißt es, nachdem Kolbeinn zur Kirche gegangen war:73 Gu.mundr sat eptir, ok batt saman taflit. Gu.mundr blieb zurück, und band das Spielbrett zusammen.

Daraus geht hervor, dass es sich bei kvátra eindeutig um ein Brettspiel handelt. Dann wird weiter berichtet, dass Gu.mundr angegriffen wird und aufstehen will: Gu.mundr vildi @á upp stand, ok haf.i fyrir sér tafl-bor.it. Gu.mundr wollte da aufstehen, und hatte vor sich den Brettspieltisch.

Da er wegen dem Tisch nicht schnell genug aufstehen kann, um sich zu verteidigen, erhält Gu.mundr eine tödliche Wunde. Es lässt sich also feststellen, dass es sich bei kvátra dieser Saga zufolge um ein Brettspiel gehandelt hat, bei dem zwei Personen auf dem Boden an einem kleinen Tisch gesessen und miteinander bzw. gegeneinander gespielt haben.74 Die Bezeichnung kvátra ist vermutlich über mnd. quat(t)er aus lat. quatrenio (für die Würfelzahl vier) herzuleiten.75

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Einführend zur Íslendinga saga vgl. Sverrir Tómasson 2005. Nach Gudbrand Vigfusson 1878, S. 347–348. Im Folgenden nach Gudbrand Vigfusson 1878, S. 348. Zum kvátrutafl bzw. zu kvátra vgl. auch McLees 1990, S. 34–35 und Nedoma 2007, S. 256. Beck 1978, S. 455; Nedoma 2007, S. 256.

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5 Fazit Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ein relativ breites Spektrum der Brettspielterminologie in der skaldischen Dichtung, insbesondere in den lausavísur, vertreten ist. Die entsprechenden Termini sind: tafl n. ‚Brettspiel‘, tafla f. ‚Spielstein‘, reitr m. ‚Spielfeld‘, húnn m. ‚Hauptspielstein im hnefatafl oder Würfel‘ sowie kvátrutafl n., womit wohl eine mittelalterliche Variante des Backgammons bezeichnet wurde. Die Termini lassen auf die gleichen Brettspielarten schließen, die auch in der altwestnordischen Prosaliteratur Erwähnung finden: das hnefatafl, das Schachspiel sowie das kvátrutafl. Wie in der Prosaliteratur (Volsunga ˛ saga) und der Lieder-Edda (Rígspula) erweist sich das Brettspiel, wie die oben behandelte lausavísa des Rognvaldr jarl Kali Kolsson zeigt, auch in der skaldischen Dichtung als Teil des Bildungsprogramms der hochmittelalterlichen höfischen Gesellschaft. Die in dieser Strophe zusammengestellten Fähigkeiten, u.a. eben auch das Brettspiel (tafl), entsprechen dabei dem Mannesideal der hochmittelalterlichen Dichtung in Mittel- und Westeuropa.76 Eine Beeinflussung durch mündliche Erzählungen aus der Disciplina Clericalis auf diese lausavísa Jarl Rognvaldrs ist überdies denkbar. Aber auch die Frau rückt in der skaldischen Überlieferung in den Mittelpunkt des Interesses, denn in zwei Strophen wird sie jeweils in einer Kenning durch das Brettspiel bestimmt. Darüber hinaus wird sie in der Kenning húns vangs hirdidís ‚die das Spielbrett (Ebene des húnn) bewahrende Göttin‘ (lausavísa der Heidarvíga saga und der Eyrbyggja saga), als diejenige charakterisiert, deren Aufgabe es ist, das Brettspiel im Haushalt gut zu verwahren.

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Das Spiel der Engländer: Backgammonspiele im Ms. Royal 13 A xviii der British Library Die British Library bewahrt unter der Nr. Royal 13 A xviii eine im 15. Jahrhundert zusammengestellte Sammelhandschrift auf, in der sich ein auf Pergament im Quartformat geschriebenes Manuskript über Backgammonspiele („ludi ad tabulas cum taxillis“) befindet1. Die Genauigkeit und Systematik, mit der der leider unbekannte Verfasser das Thema behandelt, ist im europäischen Mittelalter ohne Parallele. Zunächst erläutert er die grundlegenden Spielregeln, die die meisten der Spiele dieser Familie auszeichnen. Sodann stellt er acht verschiedene Spiele in ihren spezifischen Eigenarten sowie sechs Problemaufgaben mit Lösungen vor. Damit stellt dieser Traktat ein einzigartiges Dokument zur Geschichte des Backgammon im Mittelalter dar. Die Sammelhandschrift2 enthält neben den Briefen des Bischofs Ivo von Chartres (Nr. 1) mehrere historische Chroniken zur Geschichte Englands unter den Normannen; einige Traktate zeigen französischen Einfluss bzw. Interesse an Frankreich oder sind aus französischer Perspektive (z.B. Nr. 10: Genealogie der Könige von England bis auf Henry III [–1272] mit französischen Erläuterungen) verfasst. Dem Backgammon-Traktat (Nr. 12) geht unmittelbar voraus eine Beschreibung des Reisewegs von London nach Avignon (Nr. 11: „Nomina villarum ab Anglia usque ad Avinonam“), der fol. 157v (alte Paginierung 162v) mit einem Vermerk zu den Mönchen in Montpellier endet. Direkt darunter wurde das Spielbrett gezeichnet, das die lateinische Abhandlung zu den Backgammonspielen einleitet, die fol. 158r-160r (alte Paginierung fol. 163r-165r) folgt. Dem Schreiber des Backgammontextes müssen diese Seiten also vorgelegen haben. Es folgt ein auch aus dem Cotton Manuskript Cleop. B. IX bekannter Schachtraktat (Nr. 13) auf anglo-französisch aus dem frühen 14. Jahrhundert (Hunt 1985). Laut van der Linde stammen dieser und die Genealogie (Nr. 10) von gleicher Hand3, laut Murray gehört auch der Backgammontraktat der gleichen Hand an4, eine Ansicht, die ich nicht teile. Wie der Schreibstil sowie die Formen der arabischen Ziffern mit ihren fortschrittlicheren und traditionellen Zügen nahelegen5, wurde der Traktat im 1. Drittel des

1 Murray 1941, S. 57–69; Murray 1952, S. 117–129; Bell 1979, S. 15–19. Ich verwende den Terminus „Backgammon“ hier als Sammelbezeichnung für die Familie der Spiele, die in den mittellateinischen Texten unter dem Namen „ludi ad tabulas“, „ludi tabularum“ u.ä. und im Buch der Spiele Alfons’ X. als „juegos de tablas“ zusammengefasst werden. Im engeren Sinne ist Backgammon ein bestimmtes unter zahlreichen anderen Spielen derselben Gruppe. 2 Warner / Gilson 1921, II, S. 84–86. 3 van der Linde 1881, S. 205–209. 4 Murray 1913, S. 508; van der Linde 1874, S. 305–306. 5 Vgl. Smith/Karpinski 1911, S. 133ff., S. 143ff.

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14. Jahrhunderts aufgeschrieben. Nach dem Vermerk „de dono reuerendi mag. fratris Roberti Yuori conuentus Lond.“ auf der ersten Seite der den Anfang der Sammelhandschrift bildenden Briefe des Bischofs von Chartres zu urteilen, war der englische Geistliche Robert Ivory in London der erste bekannte Besitzer zumindest einiger der zwölf in seine Lebenszeit datierenden Texte dieser Sammlung (Nrn. 2–13), also womöglich auch des Backgammon- und des Schachtraktats. Der dem Karmeliterorden angehörige Philosoph und Theologe stammte aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie aus der Normandie und vermachte die Handschrift bei seinem Tode 1392 neben anderen Schriften zumeist historischen Inhalts seinem Orden6.

1 Der Backgammon-Traktat Der Backgammon-Traktat wurde schon von Joseph Strutt genutzt und in Auszügen in englischer Übersetzung wiedergegeben.7 Ausführlicher bekannt gemacht wurde die Schrift aber erst von Willard Fiske, der in seinem Buch Chess in Iceland and Icelandic Literature von 1905 viel Mühe auf die Identifizierung der in den isländischen Sagas erwähnten Spiele verwandte, darunter auch das zur Familie der Backgammonspiele gehörige ad elta stelpur. In diesem Zusammenhang veröffentlichte er eine von Sigfús Blöndal von der Königlichen Bibliothek in Kopenhagen, dem späteren Verfasser des Islandsk-Dansk Ordbog (Reykjavik 1920–22), „in some haste“8 besorgte Transkription des Textes als Fußnote. Schon Murray allerdings beklagte die Ungenauigkeiten9, interpretierte selber den Text an manchen Stellen jedoch auch nicht richtig. Daher dürfte eine neue Beschäftigung mit dem Traktat der Forschung zur Geschichte dieser überaus traditionsreichen Spielfamilie dienlich sein10. Die Abhandlung über Backgammon-Spiele beschreibt zunächst acht Varianten dieser Spielfamilie, bevor sie sich sechs Problemstellungen (iupertia) zuwendet, die wohl als Wettaufgaben gedacht waren. Das erste Spiel Ludus Anglicorum wird am

6 Zu Ivory: Stevens 1723, S. 167; Bliss / Twemlow 1902, S. 198; Clark, 1986, S. 35–39; Clark 1992, S. 171–76; Röhrkasten 2004, S. 112, S. 498. 7 Strutt 1801, S. 248ff. 8 Fiske 1905, S. 161ff. Anm. 148 9 Murray 1941, S. 57 10 Die hier vorgelegte Transkription basiert einerseits auf der Autopsie des Manuskripts sowie auf Fotografien, die mir die British Library freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat, wofür ich zu Dank verpflichtet bin. Meine eigene Lesung habe ich sowohl mit der Transkription Blöndals (in der u.a. ganze Sätze bzw. Satzteile ausgelassen sind) als auch mit einer von Murray selber angefertigten, die sich in seinem Nachlass in der Bodleian Library befindet, verglichen. Murray selbst hatte seine Transkription, wie nachträgliche Eintragungen zeigen, nach Erscheinen von Fiskes Buch 1905 mit der Blöndals verglichen.

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ausführlichsten vorgestellt, um zugleich die Spielprinzipien und -mechanismen zu erläutern, die gleichermaßen für die übrigen Spiele gelten. Deshalb kann sich der Autor bei der Beschreibung der nachfolgenden Spiele kürzer fassen. Er bedient sich dabei einer für seine Zeit bahnbrechenden Methode: Er kennzeichnet, in der einzigen Abbildung des Spielbretts zu Beginn des Traktats dargestellt, die Häuser auf dem Spielbrett mit den Buchstaben des Alphabets (Abb. 1). Mit diesem Kunstgriff kann er die Aufstellung der Spielsteine und ihre Zugrichtung einfach und auch ohne Abbildung anschaulich beschreiben, angeben, an welcher Seite des Spielbrettes die Spieler zu sitzen haben, wenn sie mit den weißen oder den schwarzen Steinen spielen, und welches das jeweilige Heimfeld ist sowie taktische Hinweise auf zu blockierende Häuser geben. Andere mittelalterliche Quellen zum Backgammon, wie etwa das einschlägige Kapitel im Buch der Spiele König Alfons’ X. (1284) oder die Problemsammlungen des Bonus Socius und des Civis Bononiae11, die sich dieser Kennzeichnung nicht bedienen, müssen für jede Stellung der Beschreibung ein Diagramm beifügen. Die Erläuterungen waren geeignet, die „ludi ad tabulas cum taxillis“ einem Publikum nahezubringen, das keinerlei Vorkenntnisse der Spielregeln besaß. Dies unterscheidet die Schrift ebenfalls von den genannten Quellen: Alfonso beschreibt lediglich, wodurch sich die jeweilige Variante auszeichnet und von den anderen unterscheidet, aber nicht mehr die für alle Varianten gleichen Grundregeln. Und die Problemsammlungen geben lediglich an, zu welcher Variante, ob Testa, Barail, usw., das Problem gehört, setzen also beim Leser über die Grundregeln hinausgehende Kenntnisse der verschiedenen Varianten voraus. Insofern ist der didaktisch klug aufgebaute Traktat im Ms. Royal 13 A xviii das einzige Lehrbuch zur Einführung in die Backgammonspiele, das aus dem Mittelalter überliefert ist.

1.1 Wenden wir uns zunächst den einzelnen Spielen zu. Es dürfte für Leser, die mit dem Backgammon-Spiel nicht vertraut sind, hilfreich sein, die Beschreibung des ersten, Ludus Anglicorum genannten Spiels in deutscher Übersetzung vorzulegen, weil hier das Spielprinzip in allen grundlegenden Elementen dargestellt wird. Um die Gliederung des Textes sichtbar zu machen, habe ich die Übersetzung in einzelne, mit Überschriften versehene Abschnitte gegliedert. Das Spiel der Engländer. Es gibt viele Backgammon-Spiele mit Würfeln, von denen das erste ein langes Spiel ist, und zwar ist dies das Spiel der Engländer. Es ist allgemein bekannt und folgender Art.

11 D’Elia 2002, S. 64 Anm. 166.

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Abb. 1 © British Library Board Royal 13.A.18

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Ausgangsstellung und Würfel: Der Spieler, der an der Seite am sitzt, wird 15 Steine in Haus f haben, und der Spieler, der an der Seite nf sitzt, wird 15 Steine in Haus a haben. Und dann spielen sie mit drei Würfeln oder mit zweien, wobei (in diesem Fall) für den dritten Würfel immer 6 Augen festgelegt werden. Spielweise und Spielziel: Dann zieht der Spieler auf der Seite am alle seine Steine, die sich in Haus f befinden, durch die Felder f t, sn und mg bis in das Feld fa und nimmt sie dort aus dem Spiel. Der Spieler aber auf der Seite nf zieht seine Steine, die in Haus a stehen, durch die Felder af, gm und ns bis in das Feld tf und spielt sie dort aus. Der Spieler aber, der zuerst seine Steine aus dem Spiel nimmt, gewinnt. Blots, Bänder, Schlagen, Einspielen: Und man muss wissen, dass der Spieler auf der Seite am jedes beliebige Haus in den Feldern mg und fa blockieren kann, außer Haus a, das von zwei oder mehr gegnerischen Steinen besetzt wird; wenn aber dort nur ein Stein steht, kann er diesen schlagen. Und wer auch immer auf irgendeinen nicht verdoppelten Stein des Gegners in einem Haus trifft, wo die Augenzahl aller oder eines einzelnen seiner Würfel endet, kann diesen schlagen, und dann muss der geschlagene Stein zurück gehen in Feld tf und wieder eintreten mit einer 6 auf t, mit einer 5 auf v, mit einer 4 auf x, mit einer 3 auf y‚ mit einer 2 auf z und mit einer 1 auf f , dies aber nur wenn jene Häuser nicht von einem seiner eigenen Steine besetzt oder durch Steine des Gegners blockiert sind. Und solange, bis der geschlagene Stein nicht wieder eingespielt worden ist, kann er nicht weiterspielen. Deswegen ist es in diesem Spiel sehr nützlich, das Haus g oder f mittels des dritten Würfels, der immer mit 6 Augen angenommen wird, zu blockieren, da eine Blockade auf g verhindert, dass der Gegenspieler ebenda mit einer 6 herauskommt. Und ein Band auf Punkt f verhindert, dass der Gegner ebendort mit einer 6 hineinkommt. Auch ist zu beachten, dass du auf blockierte Häuser beliebig viele Steine ziehen darfst darfst (sic!); ebenso darfst du, wo immer du auf einen nicht verdoppelten Stein des Gegners stößt, diesen schlagen und ihn so zwingen, wieder zurück in das Feld zu gehen, wo er zu Spielbeginn stand. Und auf die gleiche Weise kann umgekehrt der Spieler auf der Seite nf jedwedes Haus in den Feldern ns und tf mit Ausnahme des Hauses f , das von zwei oder mehr gegnerischen Steinen besetzt wird, blockieren, und wenn dort nur ein einziger Stein steht, kann er diesen schlagen. Und wer auch immer irgendeinen nicht verdoppelten Stein des Gegners auf einem Haus, wo die Augenzahl aller oder eines einzelnen seiner Würfel endet, treffen kann, darf diesen schlagen, und dann muss der geschlagene Stein zurückgehen in Feld fa und wieder eintreten mit einer 6 auf f, mit einer 5 auf e, mit einer 4 auf d, mit einer 3 auf c‚ mit einer 2 auf b und mit einer 1 auf a, dies aber nur wenn jene Häuser nicht von einem seiner eigenen Steine besetzt oder durch Steine des Gegners blockiert sind. Und solange der geschlagene Stein nicht wieder eingespielt worden ist, kann er nicht weiterspielen. Deshalb ist es in diesem Spiel sehr nützlich, die Häuser s und t zu blockieren, aus den oben genannten Gründen. Ausspielen und Spielende: Und nicht eher als derjenige, der an der Seite nf sitzt, alle seine Steine in das Feld tf gezogen hat, nimmt er sie aus dem Spiel auf folgende Art und Weise: Wenn er noch Steine auf t hat, nimmt er sie aus dem Spiel mit einer 6 oder den entsprechenden Summen, nämlich 4 & 2, einem Dreierpasch oder 5 & 1. Die Steine aber auf v werden mit einer 5 oder den entsprechenden Summen, nämlich 4 & 1 und 3 & 2, oder mit einer 6, wenn auf t kein Stein mehr steht, aus dem Spiel genommen. Die Steine auf x spielt man mit einer 4 oder den entsprechenden Summen 3 & 1 oder einem Zweierpasch aus oder mit 6 oder 5, wenn weder auf t noch auf v Steine stehen. Und so der Reihe

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nach, wenn Steine auf y stehen, werden sie mit einer 3 oder der entsprechenden Summe 2 & 1 aus dem Spiel gewürfelt bzw. mit 6, 5 oder 4, wenn auf t, v und x keine Steine mehr stehen. Und Steine, die auf z stehen, werden mit einer 2 oder einem Einerpasch oder 6, 5, 4 oder 3, wenn auf t, v, x und y keine Steine mehr stehen, vom Brett genommen. Und wenn Steine auf f stehen, werden sie durch eine 1 oder 6, 5, 4, 3 und 2, wenn auf t, v, x, y und z keine Steine mehr stehen, ausgespielt. Auf die gleiche Weise spielt der Spieler, der auf der Seite am sitzt, seine Steine aus dem Feld fa aus, und wer zuerst seine Steine vom Brett genommen hat, der wird den Sieg davontragen.

In aller Ausführlichkeit werden hier am Beispiel des Ludus Anglicorum die Spielmechanismen erklärt, die die Gruppe der Backgammonspiele auszeichnen: Gespielt wird auf dem typischen Spielbrett, das aus zwei gegenüber liegenden Reihen (hier jeweils: „pars“) von zweimal sechs Häusern (engl. „point“, hier: „punctus“) besteht. Das Spielbrett ist also in vier Felder (engl. „table“ oder „board“, hier: „pagina“) von je sechs Häusern, die hier mit a-f und g-m sowie n-s und t-f bezeichnet werden, eingeteilt. Jeder der beiden Spieler verfügt über 15 gleichartige weiße bzw. schwarze Spielsteine (hier: „homines“). Diese werden gemäß den erzielten Augenzahlen sechsseitiger kubischer Würfel (hier: „taxilli“) von Haus zu Haus gezogen. Dabei dürfen, und das ist essentiell, die Augenzahlen der Würfel nur einzeln verwendet, nicht jedoch einfach addiert werden12. Es können unbegrenzt viele Steine in einem Haus stehen. Ein einzeln stehender Stein (engl. „blot“) kann geschlagen werden und muss erst wieder eingespielt werden, bevor mit den anderen Steinen weitergespielt werden kann. Zwei oder mehr Steine derselben Farbe in einem Haus sind aber geschützt und blockieren gleichzeitig dieses Haus für die Steine des Gegenspieles (hier: „punctus nodatus“). Die Steine eines Spielers müssen in einem bestimmten Feld, seinem so genannten Heimfeld (engl. „home board“) versammelt werden, bevor sie aus dem Spiel gewürfelt werden dürfen. Wer als erster keine Steine mehr auf dem Brett hat, ist Sieger. Soweit die allgemeinen Spielprinzipien. Die verschiedenen Spiele dieser Familie unterscheiden sich nun in erster Linie durch die Position der Spielsteine zu Beginn des Spiels, deren Zugrichtung, die Anzahl der Würfel (zwei oder drei) und die Paschregel (d.h. ob ein Pasch doppelt gespielt wird oder nicht). In wenigen Varianten werden die Spielsteine, deren Anzahl dann auch weniger als 15 betragen kann, lediglich in einem Feld eingespielt und sofort wieder ausgespielt. Ludus Anglicorum13 zeichnet sich nun dadurch aus, dass zu Spielbeginn die 15 Steine der beiden Spieler sich im jeweils 1. Haus an derselben Seite des Spielbretts gegenüber stehen (Abb. 2).

12 Beispiel: Gewürfelt wird 3 und 5. Dann kann der Spieler entweder mit einem Stein 3 Häuser weit und mit einem zweiten Stein 5 Häuser weit ziehen oder mit einem einzigen Stein erst 3 und dann 5 oder zuerst 5 und dann 3 Häuser weit, nicht aber einfach 8 Häuser weit ziehen. 13 Murray 1941, S. 67 Nr. 9; Murray 1952, S. 124 Nr. 6.2.25; Bell 1979 vol. 2, S. 15–16.

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Abb. 2

Die Spielsteine ziehen also einander entgegen und müssen im jeweiligen Ausgangsfeld des Gegenspielers versammelt und von dort ausgewürfelt werden. Gespielt wird mit drei Würfeln oder mit zweien und einem imaginären dritten, der immer 6 Augen gilt – eine im Mittelalter beliebte Spielweise. Ein Pasch zählt einfach. Die Anfangsstellung an einer Seite des Spielbretts und die Verwendung von drei Würfeln legen die Vermutung nahe, dass es sich um dasselbe Spiel handelt, das in anderen mittelalterlichen Quellen lat. Testa bzw. frz. T(i)este genannt wird, ohne dass eine genaue Beschreibung dessen Spielregeln überliefert wäre. Die hier beschriebenen Regeln stimmen ferner mit dem im „Buch der Spiele“ Alfons’ X. beschriebenen Emperador (fol. 75v–76r) überein14. Dieses Spiel gehörte offenbar Jahrhunderte lang zu den beliebtesten Spielen dieser Gattung, angesichts der großen Zahl der Problemstellungen in den Sammlungen und der Tatsache, dass es hier an erster Stelle beschrieben wird. Die ausführliche Darlegung der Spielregeln ergänzt der Autor durch die Beschreibung zweier taktischer Manöver, die er als „Lympoldyng“15 und „Lurchyng“ bezeichnet. Auch Alfonso hatte die Beschreibung des Emperador für Ausführungen zu dem Blockademanöver barata genutzt. Beide Stellungen sind nur schwer in der Realität zu erreichen und galten deshalb als besonders wertvoll. Beim Limpolding (Abb. 3) geht es für den Spieler, der an der Seite tf sitzt und seine Steine von af über gm und ns in sein Heimfeld tf bringen und von dort ausspielen muss, darum, die Häuser n, o, p, q und r zu blockieren, zunächst s aber freizuhalten, bis sein Gegenspieler 8 Steine durch dieses Schlupfloch in Feld mg gebracht hat. Dann, so heißt es, soll er auch Haus s mit

14 Schädler/Calvo 2009, S. 227–228, S. 255–256. 15 Henry 1951, S. 368–371.

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Abb. 3

zwei Steinen schließen, so dass sein Gegner nur noch die Steine in Feld m-g ziehen kann. Sind so 8 gegnerische Steine im letzten Haus a angekommen, bleibe dem Gegner nichts mehr anderes übrig, als seine Steine von f auf die Häuser t, v, x, y und z zu verteilen. Sodann soll Haus s wieder freigegeben und ein Stein auf t geschlagen werden. Zwar wird der Gegner dann eben diesen Stein schlagen, da für den dritten Würfel immer 6 angenommen wird. Irgendwann würde sich aber die Möglichkeit ergeben, seinen siebten einzeln stehenden Stein zu schlagen, wenn dieser erst Haus f hat verlassen müssen. Der Begriff Limpole kommt nun auch, ein einziges Mal, soweit ich sehe, im Zusammenhang mit einem Backgammon-Problem vor, und zwar in der pikardischen Handschrift H 279, fol. 94v Problem Nr. X, der Medizinischen Fakultät von Montpellier, wie Ms. Royal 13 A xviii eine Handschrift aus dem frühen 14. Jahrhundert16. Um zu verstehen, was der Terminus limpole in diesem Zusammenhang bedeuten soll, müssen wir die beschriebene Wettaufgabe analysieren. Sie kommt, außer als Wiederholung fol. 104v Nr. XXX, auch in anderen Handschriften vor, ohne dass allerdings der Terminus Limpole genannt würde17. Die Beschreibung fol. 94v lautet (vgl. Abb. 4): Cis jus est de la limpole et de souhait en iii des. et ce que les blances feront fera la noire. et seront levees ains que la noire isse en a. et ara la noire tout ades son ju fors que dun trait, mais a cel trait ne porra ele iouer. tu as blances feras de lune de celes qui sont dehors cest assavoir de cele devant

16 Castets 1907, S. 691–705. 17 Siehe etwa: BNF Lat 10286, 153v, BNF F.Fr. 1173, 184v, BNF F.Fr. 1999, 122v, Pierpont Morgan M0108, 150r, BNC Firenze Mag. Cl. XIX 37, 161v, Vatikan Barb. Lat. 254, 165v, und BN Roma V.E. 273, 153v, und BEU Modena alfa r.9.3, 275v. Noch nicht einsehen konnte ich den Civis Bononiae-Codex Lasa im Fitzwilliam Museum in Cambridge (Ms. H 372, siehe Wormald / Giles 1982, S. 377–378.

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Abb. 4: Montpellier, Bibliothek der Medizinischen Fakultät, Ms. H 279, fol. 94v

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ii et as et de lautre as. et li ossi. et tu buf de quinnes et le tierc18 sus la siue. il a cel trait latendra en sa main, si comme iai dit devant. tu feras buffe. et tu feras buffe de amb et le tierc et il ossi. et lors enporte celi du quatre parmi la siue dambes deus. et lors fai quinnes et le tierc et tu laveras gaagnie.

In Übersetzung: Dieses Spiel ist nach Art des Limpole und mit Augenwählen bei drei Würfeln. Und so wie die Weißen ziehen, zieht der Schwarze. Und die Weißen werden ausgespielt sein, bevor der Schwarze Haus a erreicht. Und der Schwarze hat immer seinen Zug, außer bei einem Zug, aber in jenem Zug wird er nicht ziehen können. Du hast die Weißen und ziehst mit dem einen von denen, die draußen [also noch nicht im Heimfeld] stehen, d.h. mit dem vorderen 2 und 1 und mit dem anderen 1; und er genauso. Und Du (ziehst mit) 5–5–5 auf seinen Stein [und schlägst ihn]. Er wird ihn in diesem Zug in der Hand behalten [d.h. aussetzen], so wie ich oben gesagt hatte. Du machst einen Pasch. [?] Und Du ziehst 2–2–2 und er auch. Und so schlägst Du ihn im vierten Haus und er mit seinem 2–2–2 [?]. Und dann ziehst Du 5–5–5 [?] und wirst es gewonnen haben.

Der Text ist offensichtlich im unteren Teil korrupt, lässt sich aber an Hand der Wiederholung des Problems auf fol. 104v Nr. XXX leicht wieder herstellen, wo es heißt: Chis jus ici est de teste et de souhait en iii des. et ce que les blances feront fera la noire. et seront levees ains que la noire isse en a. et ara la noire tout ades son ju fors que de 1 trait, mais a ce trait ne porra ele iouer. tu as blances feras de lune de celes qui sont au dehors cest assavoir de cele devant ii et as et de lautre as. la noire fera ausi. et tu feras buf de quinnes sus la siue. li a cel trait tendra la noire en sa main, si comme dit est. est tu feras buf de as del ii qui sunt u chief et li ossi. et tu [zu ergänzen gem. Ms. BNF F.Fr. 1173, 184v: feras ii en prendant celi et] ii et ii en levant une. il fera buf de ii. tu feras quinnes troie et le gaaigneras.

Ziehen wir zum Vergleich noch den lateinischen Text in BNF Lat. 10286, 153v, heran, um zu erkennen, worum es hier geht: Iste ludus est de testa optativus in tribus taxillis et quod facient auree faciet rubea et elevabuntur ante quam rubea exeat in a. et habebit rubea semper ludum nisi in uno tractu sed illo tractu non poterit ludere. tu cum aureis facies de anteriori extrinseca deus et as et de alia as; ipse idem. tu buffe da quinnes super suam. ipse illo tractu tenebit in manu, ut predixi. tu buffe de as cum duabus que stant in capite; ipse idem. tu deus capiendo eam et deus et deus elevando unam; ipse buffe de deus. et tu quinnes et troie et lucraris.

In Übersetzung: Dieses Spiel ist nach Art des Testa mit Augenwählen bei drei Würfeln. Und so wie die Goldenen ziehen, zieht der Rote. Und die Goldenen werden ausgespielt sein, bevor der Rote Haus a erreicht. Und der Rote hat immer einen Zug, außer einmal, aber in jenem Zug wird er nicht ziehen

18 „Buf de quinnes et le tierc“ ist die übliche Ausdrucksweise, wenn es sich um einen Pasch mit drei Würfeln handelt. Wörtlich übersetzt heißt es „Pasch von Fünfern und ein dritter (Fünfer)“.

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können. Du mit den Goldenen ziehst mit dem vorderen Äußeren 2 und 1 und mit dem anderen 1; er genauso. Du (ziehst mit) 5–5–5 auf seinen Stein [und schlägst ihn]. Er wird ihn in diesem Zug in der Hand behalten [d.h. aussetzen], wie ich vorausgesagt hatte. Du (ziehst) 1–1–1 mit den beiden Steinen, die auf dem „Kopf“ [d.h. Haus t, das sechste Haus in diesem Feld]; er zieht auch 1–1–1. Du ziehst 2 und schlägst ihn und noch zweimal 2 und spielst einen Stein aus; er zieht auch 2–2–2. Und Du ziehst 5–5 und 3 und wirst gewinnen.

Behalten wir die alphabetische Kennzeichnung der Häuser aus MS. Royal 13 A xviii bei und bezeichnen die Häuser des Feldes oben rechts mit a-f, oben links mit g-m, unten links mit n-s und unten rechts mit t-f. Die Lösung des Problems verläuft folgendermaßen (Abb. 5):

Abb. 5

Es handelt sich um ein Testa-Problem, bei dem die für die Lösung erforderlichen Augen von drei Würfeln herauszufinden sind (s.u. ausführlicher). Der rote (schwarze) Stein steht auf f, also noch auf dem ersten Feld, auf dem er am theoretischen Spielbeginn stand. Das Heimfeld der Goldenen (bzw. Weißen) ist tf, das des roten (bzw. schwarzen) Steines ist af, d.h. der Rote (Schwarze) zieht im Uhrzeigersinn den Goldenen (Weißen) entgegen. Die Aufgabenstellung besagt, dass alle goldenen (weißen) Steine ausgespielt werden müssen, bevor der rote (schwarze) Stein das mit A bezeichnete und nur sechs Häuser entfernte Haus s erreicht. Dabei wird eine besondere Bedingung eingeführt: Rot (Schwarz) muss ein Mal aussetzen. Als Lösungsweg werden folgende Würfelergebnisse vorgeschlagen: Im ersten Zug „würfelt“ Gold 2–1–1 und zieht mit dem Stein auf m zwei Häuser nach o und eines weiter nach p, mit dem zweiten Stein ein Haus von i nach k. Rot gelangt mit 2–1–1 nach v. Mit dem zweiten Wurf 5–5–5 erreicht Gold mit beiden Steinen Haus v und schlägt Rot. Da damit das aus der roten Perspektive 5. Haus (v) von den beiden goldenen Steinen besetzt ist, kann Rot nicht einspielen und muss aussetzen, was mit dem Terminus „tenere in manu“ – „in

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der Hand halten“ ausgedrückt wird. Den dritten Zug 1–1–1 soll Gold mit den beiden Steinen in Haus t ausführen, also nach v und x ziehen. Rot spielt seinen Stein im dritten Feld, also y, wieder ein. Der vierte Wurf sieht als Ergebnis 2–2–2 vor. Damit zieht Gold von v nach y und schlägt erneut den Roten, während der zweite goldene Stein von x über z vom Brett gespielt wird. Da nun das zweite (z), vierte (x) und sechste (t) Haus frei sind, kann Rot seinen Stein über z und x erneut in t einspielen. Nun braucht Gold sich nur noch 5–5–3 zu wünschen, um die beiden Steine von v und den letzten Stein von y auszuspielen und so die Wette zu gewinnen. In kurzer Darstellung lautet der Lösungsweg also so19: 1. 2–1–1: Gmfp, ifk; R ffv 2. 5–5–5: Gkfv, pfv+; R setzt aus 3. 1–1–1: Gtfx, tfv; R⇐y 4. 2–2–2: Gvfy+, xfz⇒; R⇐t 5. 5–5–3: Gv⇒, v⇒, y⇒. Was hat es nun mit der Bezeichnung limpole auf sich, die in diesem Fall sicher nichts mit dem in Ms Royal 13 A xviii beschriebenen taktischen Manöver zu tun hat? Zunächst sieht es so aus, als sei limpole der Name einer Backgammon-Variante, denn der Terminus wird genauso verwendet wie testa/teste. Dass bestimmte taktische oder Regelmerkmale zum Namen für ein Spiel werden können, ist auch in anderen Fällen belegt, wie wir noch sehen werden (s.u. zu Lurtsch und zu Faylys). Im Kontext der speziellen Wettaufgabe mit seiner ungewöhnlichen Siegbedingung, dass der Gegenspieler einmal aussetzen muss, scheint limpole aber wohl eher eben auf diese besondere Taktik hinzuweisen, die dazu führt, dass der Gegenspieler seinen Zug nicht ausführen kann und so zum Aussetzen gezwungen wird. Das transitive Verb limpoler scheint zumindest im pikardischen Sprachraum denn auch im Sinne von „jemanden warten lassen“ verstanden worden zu sein20. Kommen wir zu der zweiten Taktik, dem „Lurching“. Leider ist das Manuskript an der betreffenden Stelle schlecht lesbar, doch scheint es beim Lurching darum gegangen zu sein, mit Hilfe von Bändern alle Steine des Gegenspielers im Ausgangsfeld

19 Zur Notation der Lösungen verwende ich folgende Zeichen: S: Schwarz, W: Weiß Normaler Zug: von nach, die Häuser werden mit Buchstaben gekennzeichnet Schlagen: + Einspielen: ⇐ Ausspielen: ⇒. 20 Vgl. Henry 1951, S. 368–371. So könnte m.E. der ebenda, S. 370 zitierte Vers von Gautier de Dargies (13. Jh.) verstanden werden, der vollständiger lautet (Jeanroy/Brandin/Aubry 1975, S. 4): Arivés sui a mal port, / Quant cele sor moi parole / Ou quidoie avoir confort; / [Or me dure ki mâfole / Bien m’a tenu en confort;] / Or voi k’ele me limpole, / G’i ai mais mout poi d’atente; (!) / Si l’enemai en jovente, / Encoire est & bele & gente.

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(hier tf) einzuschließen („si autem pagina tota .tf. fuerit occupata per adversarium“), bis auf einen, der dann immer wieder geschlagen werden konnte („unum ad intrandum“). Der Terminus „lurching“ wird von dt. „lurtsch“, „lurz“, hergeleitet und fand als „lourche“ auch Eingang ins Französische, so etwa im Spielkapitel von Rabelais’ Gargantua21 sowie als „lurch“ ins Englische, obgleich die mittelenglischen Wörterbücher als einzige Referenz die Stelle im Ms. Royal 13 A xviii anführen22. Das deutsche Adjektiv lurtsch ist, wie ein Blick in – allerdings neuzeitliche – Wörterbücher und ihre Quellen lehrt, ein Ausdruck, der besonders im mittel- und süddeutschen Sprachraum (Schwaben, Franken, Bayern, Böhmen, Österreich, Deutschschweiz) bis noch in das 19. Jahrhundert vorkam und so viel wie falsch, verkehrt, unredlich, träge, matt, bedeutete23. (So heißt es zum Beispiel 1610 bei Hippolytus Guarinonius, „Die Grewel der Verwüstung Menschlichen Geschlechts“: „Letztlich wissen alle gelehrten und rechtsinnigen quod ars semper imitetur naturam, das ist, Das die Kunst allezeit der Natur form nachfolgen solle, sonsten ist es alles falsch, lurtsch und umbsonst …“24. „Lurtsch“ war aber auch der ebenfalls im mittel- und süddeutschen Sprachraum einschließlich der Schweiz belegte Name eines Backgammonspiels25. Verschiedene Autoren setzen es mit dem „Verkehr“ (nl. Verkeer) gleich, das vor allem in den Nie-

21 Psichari 1908, S. 144–145. 22 Kuhn / Reidy 1973, S. 1306 s.v. „lurching“, S. 1308 s.v. „lurkere“. 23 Grimm / Grimm 1885, Sp. 1314 s.v. „lurtsch, lurz“.). 24 Guarinonius, 1610, S. 42; siehe auch S. 32, 119, 527. 25 Von den zahlreichen Erwähnungen, die allerdings später sind als der Terminus im Ms King’s 13 A xviii, seien nur folgende genannt: „Ich kann das kurtz und auch das lang,/Puff, gegen-puff und puffregal,/ Dickadack und lurtsch zu-mal …“ bei Hans Sachs (Hans Sachs, „Der verspilt reuter“, 1559: Keller / Goetze 1892, S. 78; zitiert in Fiske 1905, S. 158 Anm. 144). Schon in Hans Sachs’ erstem Gedicht der „Reimen in die drey bretspil“ vom 21. 4. 1550 kann man lesen (Keller / Goetze 1894, S. 521, Z. 14ff.): „Die schlechten pueff und pueff-regal,/Die gegenpueff und auch die luerz,/Das lang maist vor und auch das kuerz,/Dicdac und das spil mit drey stainen …“ [kleine Mühle]. Siehe auch Tauber 1983, S. 112. „Willst Du lortschen, willst Du dammen,/Willst Du ziehen in dem Schach“ bei Paul Fleming, Geist- und weltliche Poemata, Jena 1660, 425 (Ode XII: Auf eines seiner besten Freunde Geburts-Tag). Das Spiel scheint sich im 16. und 17. Jahrhundert einer besonderen Wertschätzung, auch und vor allem in adeligen und kirchlichen Kreisen (Schnitzer 1997, S. 239) erfreut zu haben, worauf Karl Leuschners Gedichte „Lorzius Aleae“ und „Ludus Lorzius“, auf Latein verfasst und Kenntnisse der antiken Literatur und Mythologie voraussetzend, schließen lassen, beide wieder abgedruckt in Caspar Dornaws „Amphitheatrum scientiae socraticae joco-seriae“, Band 1, Hannover 1619, S. 653 und S. 654–656 (siehe zuvor: Karl Leuschner 1615). Dazu: Zollinger 1999, S. 238f.). Dazu passt, dass Lurtsch neben dem Kartenspiel L’Hombre zu den bevorzugten Freizeitbeschäftigungen des Kardinals Ernst Adalbert von Harrach (17. Jh.) gehörte, wie die nicht gerade seltenen Erwähnungen in seinen Tagebüchern belegen: Keller / Catalano 2010, S. 112, 238, 277, 318, 400–401, 403, 499, 671, 809, 860. Für Anregungen, Hinweise und Diskussionen zu diesem Thema bin ich Manfred Zollinger, Wien, zu Dank verpflichtet.

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derlanden beliebt war, aber auch von Strutt in England gefunden wurde26. So schreibt Paul Martin Schütz (Sagittarius) 167627: „Lorzius, Germanis das Verkehren“. Und Simon Witgeest schreibt in der deutschen Ausgabe seines Zauberbuches von 1702, dass das Verkehr „in der Tat ein recht verkehrtes Spiel ist“28. Gerade die Bedeutung „verkehrt“, die der Bedeutung von „lurtsch“ entspricht, legt nun zusätzlich die Vermutung nahe, dass auch die Spiele Lurtsch und Verkehr identisch waren29. Diese Annahme stützen auch die überlieferten Spielregeln, die zeigen, dass beide Spiele in wesentlichen Zügen übereinstimmten. Aus den Spielregeln, die Dido dem Aenaeas in Leuschners „Lorzius“-Gedicht erklärt, geht nämlich hervor, dass beim Lurtsch die Spielsteine zu Beginn auf das 1. Haus zur Linken des Gegenspielers gestellt wurden. Die Steine standen sich also nicht, wie beim Ludus Anglicorum bzw. Testa direkt gegenüber, sondern um ein halbes Spielfeld versetzt, so wie es auch für das im 18. Jahrhundert in Frankreich sehr geschätzte Revertier überliefert ist. Gespielt wurde mit zwei Würfeln; ein Pasch zählte, wie im heutigen Backgammon, doppelt. Auf des Gegners Seite durften Steine erst auf dem letzten Feld, der Hucke (von nl. hoek = Ecke), verdoppelt werden. Und es durften nicht mehr als fünf solche „Bänder“ errichtet werden30. Die gleichen Regeln charakterisieren

26 Strutt 1801, S. 249. 27 Paul Martin Schütz (Sagittarius), Ad Ludum Scachium In Ludo Altenburgensi Sermone Valedictorio V. Eid. Iuni[i] A.C. MDCLXXVI. describendum Omnes honestae recreationis Fautores …, Altenburg 1676, Abschnitt VII: „Lorzius, Germanis das Verkehren/triginta scrupos reqvirit, qui pro tesseris duabus diverse cadentibus in alveolo varie collocantur: qvisqve autem collusorum in campos alterius vacuos eosdem transferre & qvinqve ligas conficere conatur: qvo facto is tandem victor evadit, qvi sex vel septem adversae partis orbiculos ejicit abaco iterum non imponendos, qvod vernacula linqva vocamus Lortsch machen/aut suos prior tabula lusoria eximit“, von Alliey 1847, S. 122–128, Zit. S. 124, folgendermaßen ins Französische übertragen: «VII. Lorzius, en allemand, das Verkehren, le Commerce [?], est un jeu qui demande trente Dés ou Pions. On les place sur le Damier de divers façons selon la maniere dont ils tombent quand on les jette. Chacun des joueurs tâche de pénétrer dans les places vides de son adversaire qui correspondent aux siennes, et de former cinque lignes. Cela fait, celui-là sort enfin victorieux du combat, qui a chassé du Damier, pour n’y plus reparaître, six ou sept combattants de l’armée opposée, ce que nous appelons en notre langue (lortsch machen) délier, dégager ou bien, qui sauve le premier les siens du champ de bataille». 28 Witgeest 1702, S. 398–410, = ders., Natürliches Zauber-Buch oder neuer Spiel-Platz der Künste, Nürnberg 1702, S. 398ff., = Witgeest 1745, S. 289–298. In der niederländischen Originalausgabe von 1698, Simon Witgeest (= Willem Goeree?), Het nieuw vermeerdert natuerlyk toover-boek of speel-tooneel der konsten. Bevattende omtrent 2000 natuerlyke toover-konsten en poetsen, zoo uyt de guychel tas als kaert-spel en tereling … dienstig tot heerlyk vermaek, Amsterdam 1698, wird Verkeer nicht beschrieben. 29 Schon Murray 1941, S. 62, zweifelte daran, dass Verkehr von „return“ im Sinne von Umkehr herzuleiten sei, da gegenläufige Zugrichtungen in Backgammonspielen nichts Ungewöhnliches seien. Dass eine semantische Verbindung von lurtsch und verkehr bestehen könnte, sah er aber nicht. 30 Leuschner, in: Dornaw 1619, S. 654–655: Aufstellung: „Collocat ad finem tabulae e regione repostum/Transversa reliquos, ut parte ab utraque sinistram/Spectent“; zwei Würfel, Pasch zählt doppelt: „Haec niveam quatiens dextram, demittit in aequor/Ebora, profiliunt sex & tria danda duobus/Orbi-

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auch das Verkehr, wie aus den Beschreibungen bei Witgeest und anderen hervorgeht:31 Das Spiel kann auf zweierlei Weise gespielt werden, nämlich entweder a) mit fünf bloßen Steinen (das heißt, dass zunächst fünf Steine vom Mal, also dem ersten Haus, gespielt werden müssen, ehe man ein Band machen kann) und fünf Bändern (was bedeutet, dass höchstens fünf Bänder gemacht werden und alle weiteren geschlagen werden dürfen) oder b) ohne fünf bloße Steine und mit sechs und mehr Bändern. Zu Spielbeginn werden alle 15 Steine auf das 1. Haus zur linken Hand des Gegners gestellt, ganz so wie es für Lurtsch überliefert ist. Gespielt wird mit zwei Würfeln, ein Pasch wird doppelt gespielt. Und schließlich gilt das Verdoppelungsverbot auf des Gegners Seite mit Ausnahme der Hucke (= letztes Haus zur Rechten = coin de repos im Trictrac) auch im Verkehr. Man wird also so weit gehen dürfen zu behaupten, dass Verkehr/Verkeer der im norddeutschen Sprachraum gebräuchliche Name für das Spiel war, das im mittel- und süddeutschen Sprachraum Lurtsch hieß. Übereinstimmungen mit dem im Französischen Revertier genannten Spiel sind nicht zu übersehen32: die Anfangsaufstellung („à la gauche de votre homme“), das Spiel mit zwei Würfeln, die Paschregel, das Verbot Bänder in der ersten Hälfte des Spielbretts zu machen, außer auf der Hucke („la tête“), sowie die Vorgabe, dass geschlagene Steine nur in freie Häuser oder von einzeln stehenden gegnerischen Steinen besetzte eingespielt werden dürfen („on ne peut pas rentrer sur soi“). Auch das Trictrac kennt die besondere Rolle der Hucke (coin de repos) sowie den Ausdruck „Jahn“ / „Jann“ / „Jean“. Kehren wir zur Backgammon-Abhandlung im Manuskript zurück. Im Anschluss an die Ausführungen zu Limpolding und Lurching folgt eine Erläuterung, die im Zuge einer Beschreibung von Spielregeln eines Brettspiels zum Zwecke, eine Partie vollständig zu spielen, befremdlich erscheint. Es gäbe nämlich noch eine zweite Art zu spielen, bei der keine Würfel gebraucht würden, sondern die Spieler sich ihre Würfelergebnisse aussuchen dürften. Dieses Verfahren wird in anderen Quellen als lat. „ludus optativus“ bzw. frz. „à souhaidier“ bezeichnet. Es handelt sich dabei aber um einen Modus, der im Zusammenhang mit Wettspielen, das heißt als Wettaufgaben komponierten Problemstellungen zur Anwendung kam. Die Aufgabe bestand dann darin, herauszufinden, mit welchen Würfen die vorgegebene Stellung zu gewinnen

culis. Anchisiadae bis quinque residunt,/Quatuor enumeranda rotis …“; Hucke: „Primis in bis sex licitum est tibi sedibus orbes/(Extrema excepta) nunquam coningere binos“; 5 Bände: „Sed ne contiguae sint ultra quinque ligatae/Sedes …“ 31 Identische Spieregeln in: „Das neue königliche L’Hombre (…) 1770, S. 292–307 mit einem niederländischen Gedicht über Verkehr eines gewissen „I.G.K.“ mit deutscher Übersetzung S. 308–315. Siehe auch Bauer 1756, S. 95–106. 32 Die Spielregeln des Revertier sind in allen Ausgaben der „Académie universelle des jeux“ im 18. Jahrhundert beschrieben, siehe z.B. die Ausgabe Amsterdam 1758, 2e partie, S. 106–119.

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sein würde33. Eine solche Aufgabe stellt der Autor auch hier, allerdings ohne die Stellung der Steine anzugeben, so dass sein Lösungsvorschlag nicht nachvollziehbar ist. So viel ist lediglich klar, dass es sich um ein Problem handeln muss, bei dem es besonders darum ging, zwei Steine aus dem Haus, in dem sie sich zu Anfang befinden, herauszuholen, und dazu 6–6–4 der zu wählende Wurf war. Außerdem wurde dieses Problem ad fallum gespielt, was bedeutet, dass ein Spieler sofort verlor, wenn er einen Wurf nicht ausführen konnte (siehe unten unter „Faylys“). Darauf weist der letzte Satz hin: „et sic perdet iactus duorum taxillorum“, ohne dass dieses Spielprinzip an dieser Stelle erklärt würde. Möglicherweise ist bei der Nieder- oder Abschrift etwas ausgelassen worden. Ein Beispiel für ein ähnliches Problem dieser Art findet sich in der Bonus Socius-Sammlung (Abb. 6), und zwar in Handschriften in der Pierpont Morgan Library in New York (M0108, 162v), der Faculté de Médécine der Universität Montpellier (Ms. H 279 „Le Livre Bakot“, 101r) und der Bibliothèque National de France in Paris (F.Fr. 1173, 197r, F.Fr. 1999, 134r, und Lat. 10286, 166r). Der lateinische Text im Ms. BNF Lat. 10286 lautet: Istud partitum est optativum de testa et trahunt primo auree et perditur ad fallum. et faciunt semper auree quaernes et troie et rubee semper buffe de sines. unde auree vincunt quia faciunt quaernes in A et troie en B. rubee buffe de sines velint de una velint de duabus. auree troie en B et quaernes en C et vincunt quia rubee perdunt ad fallum“. „Dieses Problem nach Art des Testa ist mit Augenwählen und die Goldenen ziehen zuerst, und es wird „ad fallum“ verloren. Und die Goldenen ziehen immer 4, 4 und 3 und die Roten immer dreimal 6. Daher gewinnen die Goldenen, weil sie mit 4–4 (zwei Steine) auf A ziehen und (einen davon) mit 3 auf B. Die Roten ziehen 6–6–6 mit einem oder mit zwei Steinen. Die Goldenen ziehen (einen Stein von A) nach B und dann (beide Steine von B) mit 4–4 auf C und gewinnen, weil die Roten „ad fallum“ verlieren.

Spieler 1 kann also mit 4–4–3 in zwei Zügen das Haus C (f) doppelt besetzen, so dass Spieler 2, der immer 6–6–6 ziehen muss, keinen Zug mehr ausführen kann und sofort „ad fallum“ verliert. Zieht Spieler 2 im ersten Zug einen einzigen Stein von m aus dreimal sechs Häuser weit auf s, so wird er im zweiten Zug nur noch von m auf f ziehen können, da C (f) blockiert ist. Zieht er im ersten Zug einen Stein von m auf f und den zweiten von m über f nach C (f), wird dieser im zweiten Zug von Spieler 1 geschlagen, kann aber, da g von den weißen Steinen besetzt ist, nicht mit 6 eingespielt werden. Eine weitere Methode, so schließt der Autor diesen Absatz, bestünde darin, dass ein Spieler zwei Würfel werfen oder aber die Augen von zwei Würfeln beliebig wählen könne, wobei der Gegenspieler den dritten Würfel bestimmt. Hierbei, so muss hinzugefügt werden, gelten die so erzielten Augen für beide Spieler, ein Verfahren, das ebenfalls im Zusammenhang mit Wettaufgaben häufig Anwendung fand.

33 Zu den Wettspielen jüngst Schädler 2011.

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Abb. 6

Als nächstes geht er auf ein sehr einfaches Spiel ein, das er Paume carie nennt34: Zwei Mannschaften zu zwei oder drei Spielern spielen mit zwei Würfeln. Jede Seite hat 15 Steine; es wird ausgelost, wer anfängt. Die Steine werden je nach Augenzahl in af eingespielt: mit einer 1 auf a, mit einer 2 auf b, mit 3 auf c, mit 4 auf d, mit 5 auf e und mit 6 auf f. Einzelne Steine werden geschlagen und müssen wieder eingespielt werden. Wenn eine Seite alle ihre Steine in af eingespielt hat, werden sie wieder ausgespielt. Wer als erster seine Steine vom Brett gespielt hat, hilft dem Gegner und spielt dessen Steine mit aus. Und weil er dann die Handflächen (frz. paume) des Gegners für jeden solchermaßen ausgespielten gegnerischen Stein einmal klatscht, heiße das Spiel paume carie. Andere Etymologien, die pomme carie, also fauler Apfel, für die eigentliche Bedeutung dieser Bezeichnung halten, treffen auf diese Interpretation demnach nicht zu35. Paschs werden, wie im modernen Backgammon, zweimal gespielt, d.h. vier Steine ein- oder ausgespielt. Die Seite, die ihre Steine zuerst ausspielt, gewinnt, egal ob sie nun Steine der Gegenspieler gefangen hat oder nicht. Die Verlierer beginnen das nächste Spiel. Es handelt sich also um ein vergleichsweise einfaches Spiel, bei dem die Steine nur ein- und wieder ausgespielt werden, ohne durch die Felder geführt werden zu müssen. Ausgangsfeld und Heimfeld sind nicht nur identisch, sondern auch für beide Parteien die gleichen. Diese Variante ist den Doze canes Alfonsos nicht unähnlich, bei dem beide Spieler versuchen müssen, ihre 12 Spielsteine in dasselbe Feld einzuspielen36.

34 Murray 1941, S. 68 Nr. 17; Murray 1952, S. 128 Nr. 6.2.43 35 S. etwa Fosbroke 1825, S. 605: pomme carie, rotten apple. 36 Schädler / Calvo 2009, S. 224, S. 253–254.

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Abb. 7

Der Verfasser beschreibt noch eine zweite Variante von Paume carie37, die in ihren Grundzügen dem deutschen Puff entspricht. Dabei müssen die Spielsteine in Feld af eingespielt und erst durch gm, ns bis tf geführt werden, bevor sie von dort wie beschrieben auszuspielen sind. Aber: Innerhalb des Feldes tf dürfen die Steine nicht mehr gezogen, sondern nur noch ausgespielt werden. Das dritte Spiel, das der Autor beschreibt, nennt er Ludus Lumbardorum, das Spiel der Lombarden. Es wird mit zwei Würfeln auf nur einer Hälfte des Spielbretts gespielt (Abb. 7) und stellt eine reduzierte Fassung des Ludus Anglicorum dar. Spieler A stellt seine 15 Steine auf f, Spieler B seine auf t. Spieler A führt seine Steine über e, d, c, b, a nach ft und spielt sie über t aus, d.h. von f aus mit einer 6, von z aus mit 5 oder 6 usw. Geschlagene Steine müssen in af wieder eingespielt werden, aber nicht in f (das von den eigenen Steinen besetzt ist) oder in ein Haus, das durch ein Band des Gegners blockiert ist, also nur von e bis a. Sein Gegner führt seine Steine entsprechend entgegengesetzt. Dieses Spiel entspricht offensichtlich dem Medio Emperador im Spielebuch Alfons’ X., mit dem Unterschied, dass im spanischen Spiel die Steine zu Spielbeginn auf den äußeren Häusern a und f stehen38. Es folgt ein interessantes Kapitel über ein Imperial genanntes Spiel39. Zu Spielbeginn werden die Steine in je drei Gruppen zu fünf Steinen aufgeteilt und je fünf

37 Murray 1952, S. 120 Nr. 6.2.3. 38 Murray 1941, S. 67–68 Nr. 14; Murray 1952, S. 124 Nr. 6.2.27; Bell 1979 vol. 2, S. 16; Schädler / Calvo 2009, S. 229, S. 256. 39 Vgl. Murray 1941, 67 Nr. 11; Murray 1952, 123 Nr. 6.2.20 (lies „k“ statt „h“); Bell 1979 vol. 2, 16 mit richtiger Regel.

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Abb. 8

Steine der einen Seite auf p, s und t sowie je fünf Steine der Gegenseite auf f, g und k platziert (Abb. 8). Bei diesem schnellen Spiel mit drei Würfeln ging es lediglich darum, seine Steine in das letzte Haus auf der eigenen Seite zu bringen, also von p, s und t aus nach f und von k, g und f aus nach a40. Ob es hierfür der genauen Augenzahl bedarf oder überschüssige Augen verfallen, wird nicht präzisiert. Die Beschreibung dieser Variante ist deshalb von Bedeutung, weil die Problemsammlungen des Civis Bononiae ebenfalls ein Imperial kennen (vgl. z.B. Vat. Barb. Lat. 254 195v, 196r, 196v, 197r; BN Roma V.E. 273, 183v, 184r, 184v, 185r; BNC Firenze Magl. XIX 37, 188r, 188v, 190v, 191r; BEU Modena alfa r.9.3., 304r, 304v, 307v, 308r). Obgleich die Beschreibungen der Problemstellungen keine vollständige Auskunft über die Spielweise geben, ist sicher, dass die Variante nicht mit der im Ms. Royal 13 A xviii beschriebenen identisch ist. Gespielt wird mit zwei Würfeln und einer festgelegten 6 für den dritten („limperial in duobus taxillis et sex in tertio“). Die Grundaufstellung der Spielsteine ist nicht bekannt, es hat aber den Anschein, als würden sich je 13 Spielsteine der beiden Parteien auf den äußeren Häusern am linken Rand des Spielbretts (m und n) gegenüber stehen. Das bemerkenswerte Spielregeldetail, dass die Spielsteine nur das letzte Haus erreichen und nicht mehr vom Brett gespielt werden müssen, scheint freilich auch auf die Civis Bononiae-Version zuzutreffen.

40 Murray schreibt, dass ein Spieler von af über amnf nach tf ziehe und dort ausspiele, der andere umgekehrt. Das ist schlichtweg falsch und steht nicht im Text.

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Abb. 9

Nicht nur für die hier vorgestellte Variante des Imperial, sondern auch für das folgende Provincial41 genannte Spiel ist das Ms. Royal 13 A xviii die einzige Quelle. Es unterscheide sich vom Imperial, so der Autor, lediglich durch die Ausgangsstellung der Spielsteine (Abb. 9). Und zwar würden alle Steine der einen Seite auf die beiden Häuser s und t, die der anderen Seite auf die entsprechenden Häuser g und f gestellt. Die Steine stehen also in je zwei Gruppen auf den inneren Häusern rechts und links neben der bar. Wie viele Steine genau auf welchem Haus stehen, sagt uns der Autor leider nicht; Murray schlug – ohne konkreten Hinweis – vor, je sieben Steine auf g und s sowie acht Steine auf f und t zu stellten. Dies ist aber lediglich eine Möglichkeit. Wenn die Ausgangsstellung der Spielsteine den einzigen Unterschied zum Imperial darstellt, wie gesagt wird („tantum variatur ab imperial in situationem hominum“), bedeutet das für das Spielziel, dass der Spieler, dessen Steine auf g und f stehen, diese nach a ziehen muss und sein Gegenspieler seine Steine von s und t nach f. Die Steine werden also auch beim Provincial nicht, wie Murray fälschlich annahm, durch die Felder geführt und aus dem Heimfeld ausgespielt. Zu den Jahrhunderte lang am meisten geschätzten Backgammonspielen gehört das Spiel, das im Ms. Royal 13 A xviii Baralie genannt wird42. Es wird mit drei Würfeln ge-

41 Murray 1941, 68 Nr. 20; Murray 1952, 123 Nr. 6.2.23; Bell 1979 vol. 2, 17 (gleiche Aufstellung wie Murray, Regeln richtig). 42 Murray 1941, S. 66 Nr. 1; Murray 1952, S. 122 Nr. 6.2.13

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Abb. 10

spielt, von denen lediglich zwei geworfen werden, während der dritte immer 6 Augen zählt. Beschrieben werden, von Murray nicht erkannt, zwei Varianten, die sich durch die Aufstellung der Spielsteine zu Spielbeginn und die Zugrichtung unterscheiden: In der ersten Variante (Abb. 10) wird angenommen, dass der Spieler, der auf der Seite am sitzt – nehmen wir an, er spielt mit den schwarzen Steinen –, das vorige Spiel gewonnen oder den 1. Zug hat. In diesem Falle stellt er 14 Steine auf z und einen auf y, während sein Gegenspieler auf der Seite nf seine 15 Steine auf f positioniert. Beide Spieler ziehen nun über af nach gm und spielen von dort die Steine aus, die Zugrichtung verläuft so gegen den Uhrzeigersinn. Geschlagene Steine müssen in ns eingespielt werden und alle vier Felder durchlaufen, während zu Spielbeginn alle Spielsteine schon am Ende des zweiten Feldes aufgestellt worden waren. Die zweite Variante setzt voraus, dass umgekehrt der Spieler, der auf der Seite nf sitzt (in unserer Darstellung also der Spieler mit den weißen Steinen) das vorige Spiel gewonnen oder den ersten Wurf hat (Abb. 11). Er stellt unter dieser Bedingung 14 Steine auf b und einen auf c. Sein Gegenüber (am) stellt seine 15 (schwarzen) Steine auf a. Beide Spieler ziehen jetzt über ft nach sn und spielen von dort die Steine aus. Geschlagene Steine müssen in mg eingespielt und über fa und ft nach sn gezogen und ausgespielt werden. Die Zugrichtung verläuft hier also im Uhrzeigersinn. Die Steine stehen zu Spielbeginn also immer auf der Seite des Spielbrettes, an der der Verlierer der vorigen Partie sitzt. Auch in den hoch- und spätmittelalterlichen Problemsammlungen des Bonus Socius und des Civis Bononiae kommt das Spiel häufig vor. Es wird mit drei Würfeln oder, wie im Ms. Royal 13 A xviii und bei Alfonso beschrieben, mit zwei Würfeln und einer festgelegten Sechs für den dritten gespielt. In einem Fall geht die Aufgabenstel-

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Abb. 11

lung von genau der gleichen im Ms. Royal 13 A xviii beschriebenen Position der Steine zu Spielbeginn aus43. Ein dem Baralie ähnliches Spiel beschrieb auch Alfons X. in seinem Spielebuch, und zwar ebenfalls in zwei Varianten44. Er nennt es Cab e quinal (im „Ordenamiento de las Tafurerias“ Cabo que val), nach der Grundaufstellung der Steine im sechsten (dem cabo = Kopf, testa) und fünften Haus. In der ersten Variante, die mit drei Würfeln gespielt wird, stehen nämlich je 15 im fünften und sechsten Haus; in der zweiten Variante, bei der für den dritten Würfel 6 Augen festgelegt werden, stehen 14 schwarze Steine im sechsten und einer im Haus direkt gegenüber, 14 weiße im fünften und ein weißer im vierten Haus. Gezogen wird im Uhrzeigersinn, bis die Steine im dem Startfeld gegenüber gelegenen Heimfeld angekommen sind, von wo sie mit zwei Würfeln und einer Sechs aus dem Spiel gewürfelt werden. Cab e quinal (Cabo que val) zählte zusammen mit Emperador (Ludus Anglicorum), Fallas (Faylys) und Seis, Dos e As zu den wenigen erlaubten Backgammonspielen in Alfonsos Glücksspielgesetz „Ordenamiento de las Tafurerias“45.

43 BNF Lat. 10286, 155v; BNF F.Fr. 1173, 186v; BNF F.Fr. 1999, 124v; Pierpont Morgan M 0108, 152r; Montpellier H 279, 111v; HAB Extravag. 118, 123v; BNC Firenze Magl. XIX 37, 163v; Vat. Barb. Lat. 254, 167v; BN Roma V.E. 273, 155v; BEU Modena alfa r.9.3., 277v. 44 Schädler / Calvo 2009, S. 230–231, S. 257–258. 45 Schädler 2012, S. 23–47, bes. S. 37ff.

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Die verschiedenen Möglichkeiten, den Würfel einzusetzen, führten im Laufe der Zeit, zumindest in Italien, zu einer auch namentlichen Differenzierung. Im 16. Jahrhundert unterschied Girolamo Cardano drei Varianten46: Speraia (Sbaraglio), mit 3 Würfeln („ingeniosa“), Speraïnum (Sbaraglino), mit 2 Würfeln und festgelegter Sechs („medium“), und Speraïonum (Sbaraglione), bei dem die Würfelaugen verdoppelt werden („maxime fortuna“). Die seiner Meinung nach vorzüglichste Variante war Sbaraglio mit drei Würfeln. In den Problemsammlungen taucht Cardanos Unterscheidung noch nicht auf. Das Spiel heißt immer Barail(l), Barill, Barat oder eben Baralie und in Italien Sbarail(l), ob es nun mit drei Würfeln gespielt wird oder mit zwei und einer feststehenden Sechs. Anzeichen für eine Veränderung finden sich im 15. Jahrhundert. So lautet der einleitende Satz im Ms. BNC Firenze Magl. XIX 37, fol. 184r, „Istud partitum est de sbaraillin in duobus taxillis et 6 semper pro tertio“. Dass es sich hierbei wohl nicht um das Versehen handelt, zweimal „in“ geschrieben zu haben, legt das 1454 niedergeschriebene Civis Bononiae-Manuskript alfa r.9.3 der Biblioteca estense universitaria in Modena nahe, wo sbaraillin sogar zweimal vorkommt (fol. 299v, 300r), und zwar in beiden Fällen im Zusammenhang mit dem Modus „zwei Würfel + 6“. Die Handschriften BNF F.Fr. 1173, 186v, und BNF Lat. 10286, 155v, Montpellier H 279, 111v Nr. 42 (frühes 14. Jh.: Castets 1907, S. 700f.), und Pierpont Morgan M 0108, 152r, schreiben ausnahmslos „barill“. F.Fr. 1999, 124v, und HAB Wolfenbüttel Extravag. 118, 123v, schreiben „barat“, während Ms. Vat. Barb. Lat. 254 und Ms. BN Roma V.E. 273 als Name des Spiels unterschiedslos „sbarail(l)“ angeben. Ein knappes halbes Jahrhundert nach Cardano, nämlich 1604, verfasste der Novareser Arzt Maurizio Bartinelli sein Buch „Il nobile e dilettevole giuoco dello Sbaraglino“, das in mehreren Ausgaben erschien47. Er unterscheidet, wie Cardano, Sbaraglio mit drei Würfeln und Sbaraglino mit zwei Würfeln + 6, hält aber letzteres für das mit Abstand bessere Spiel. Die von ihm beschriebene Ausgangsstellung der Steine entspricht der ersten Variante des Ms. Royal 13 A xviii: 15 Steine im letzten Haus des zweiten Feldes (m), 14 Steine des Startspielers im Haus davor (l) und einen im vierten Haus desselben Feldes (k). Das vorletzte Spiel, das der Autor vorzustellen sich vorgenommen hat, heißt Faylys (Abb. 12). Der Name leitet sich von einer besonderen Regel her, die auch in anderen Backgammonspielen häufiger angewandt wurde und in den Quellen als lat. „ad fallum“, frz. „a le faille“, sp. „fallas“ bezeichnet wird. Diese Regel besagt, dass ein Spieler

46 Cardano 1966, S. 275; Ore 1953. – Sein postum erschienenes Werk hatte Cardano schon als junger Mann 1524/25 verfasst und in den späten 1560er-Jahren letztgültig überarbeitet. 47 Bergamo 1607, Mailand 1619, Venedig 1631 und 1668; ausgiebig referiert bei Fiske 1905, S. 216ff.; S. 219: Ausgangsstellung, S. 220: Würfel, S. 220: 1. Beispiel, S. 221: 2. Beispiel, S. 222ff.: weitere Erwähnungen in der ital. Lit.

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sofort verliert, wenn er seinen Zug nicht vollständig ausführen kann. Er verliert also nicht einfach einen Zug, indem er aussetzt (wie beim limpole oben gesehen), sondern die ganze Partie.

Abb. 12

In diesem Spiel werden die Steine zu Spielbeginn so aufgestellt, dass je 13 Steine sich im sechsten Haus des Heimfelds (also dem „Kopf“), befinden, während noch zwei Steine auf dem ersten Feld stehen und erst an den 13 gegnerischen Steinen vorbei ins Heimfeld gezogen werden müssen, bevor mit dem Ausspielen angefangen werden kann. Diese Situation könnte theoretisch, zumal mit drei Würfeln gespielt werden soll, auch in einer Partie Ludus anglicorum bzw. Testa so entstehen, und in der Tat enthalten die Problemsammlungen auch ein Testa-Problem mit eben dieser Anordnung48. Geschlagene Steine können auf freien oder von eigenen Steinen oder einem einzelnen gegnerischen Stein besetzten Häusern eingespielt werden. Bemerkenswert ist der Hinweis darauf, dass in Ermangelung eines dritten Würfels auch mit zwei Würfeln gespielt werden könne, wobei dann die niedrigere Augenzahl verdoppelt würde („si autem tantum habeant duos tunc duplicabitur taxillus minoris numeri“). Dies ist nämlich eine im Mittelalter ebenfalls verbreitete Spielart, die als minoret (bzw. menoret) bezeichnet wird, im Gegensatz zum maioret, wenn die höhere Augenzahl verdoppelt wird. Diese beiden Varianten bewirken, dass in jedem Wurf ein Pasch entsteht:

48 Vgl. BNC Fir. Magl. XIX 37, 160r; BNF Lat. 10286, 152r; BNF F.Fr. 1173, 183r; BNF F.Fr. 1999, 120r; Montpellier H 279, 109v/110r (mit falscher Position der Doppelten im Diagramm); Pierpont Morgan M0108, 148v; HAB Extravag. 118, 120r; Vat. Barb. Lat. 254, 164r; BN Roma V.E. 273, 152v; BEU Modena alfa r.9.3, 274r.

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Abb. 13: Rom, Nationalbibliothek „Vittorio Emanuele“, Ms. V.E. 273, fol. 167v.

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Beim Minoret würde etwa aus dem Wurf 3–2 ein 3–2–2, beim Maioret entstünde 3–3–2. So fällt es leichter, Bänder zu erhalten. Die Problemsammlungen enthalten kein Spiel namens Fallum oder Faille, sondern verwenden lediglich die Ad fallum-Regel. Es gibt aber eine Aufgabe mit sowohl gleicher Ausgangsstellung wie im Faylys als auch mit dem Hinweis auf die MinoretSpielweise49. Diese Aufgabe muss einige Berühmtheit besessen haben, denn in den jüngeren Manuskripten des Civis Bononiae in Italien (z.B. Florenz, Vatikan, Rom), die die Position als Menoret-Aufgabe definieren, erhielt sie sogar einen eigenen Namen: Le Merlin (Abb. 13). Als eigenes Spiel taucht Faylys sonst auch im Spielebuch Alfons’ X. auf, hier unter dem Namen Fallas50: Die Grundaufstellung ist identisch, und es wird ebenfalls mit drei Würfeln gespielt. Schöpften demnach Beide, Alfonso und der Autor des englischen Backgammontraktats, aus der gleichen Quelle? Fayles scheint in England noch einige Zeit durchaus bekannt geblieben zu sein, wenn Ben Jonson es in seinem Bühnenstück „Every man in his humour“ von 1598 neben Tick-tack erwähnt. Seine Kommentatoren im 19. Jahrhundert waren dann allerdings auf Auskünfte von Francis Douce angewiesen, der in Kenntnis des Manuskripts Royal 18 A xviii einige Informationen beisteuern konnte51. Die Stelle, an der im Manuskript der Name des letzten Spiels eingetragen werden sollte, ist leider leer geblieben. Strutt gibt ohne weiteres Mylis an. Dieses Spiel mit seiner ungewöhnlichen Grundaufstellung ist in keiner anderen Quelle überliefert (Abb. 14). Die Steine der einen Seite stehen in Dreiergruppen in den Häusern a, b, c, d und g, während von der Gegenseite fünf auf f, je vier auf e und f und zwei in Haus k stehen. Wie beim Baralie ziehen beide Parteien in die gleiche Richtung und spielen im selben Heimfeld (gm) aus, wobei die Ausgangsstellung bewirkt, dass es keine lange Eröffnungsphase gibt und eine Partie vergleichsweise schnell verläuft. Nur geschlagene Steine, die in Feld ns eingespielt werden, müssen alle vier Felder durchlaufen. Auch hier kommt die beliebte Regel zum Einsatz, dass zwei Würfel gespielt werden, während für den dritten immer 6 Augen angenommen werden. Die Aufgabe scheint für den Spieler mit fünf Steinen auf f etwas leichter, denn er hat nicht nur den ersten Zug, sondern benötigt auch nur 131 Augen, um alle Steine auszuspielen, während der Spieler mit den Dreiergruppen 144 Augen bedarf. Außerdem bewirkt die Sechs des dritten Würfels, dass er seine fünf Steine von f relativ pro-

49 BNC Fir. Magl. XIX 37, 174v; BNF Lat. 10286, 167v; BNF F.Fr. 1173, 199v; Vat. Barb. Lat. 254, 179v; BN Roma V.E. 273, 167v; BEU Modena alfa r.9.3., 289v. 50 Schädler / Calvo 2009, S. 231–232, S. 254. 51 Gifford 1816, S. 77–79.

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Abb. 14

blemlos an den vier Bändern auf a bis d vorbei ziehen kann. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass die Partie doch recht ausgewogen verläuft.

1.2 Die Probleme Die Erklärungen der Spielregeln sind Voraussetzung dafür, die folgenden Problemstellungen zu verstehen, da diese stets den Regeln eines bestimmten Spiels folgen. Anhand des Namens des jeweiligen Spiels kann der Leser erkennen, in welche Richtung die Steine ziehen müssen und welches das Heimfeld der beiden Parteien ist. Solche Aufgaben bezeichnet unser Autor als iupertia, eine Neuschöpfung, die wohl über frz. jeu parti (anglo-frz. giu parti, jupartie) vom lat. iocus partitus abgleitet ist. In anderen mittellateinischen Texten wird meist der Begriff partitum verwendet. Die vorgestellten Probleme richten sich anscheinend, so wie der vorangegangene Abschnitt, an Anfänger, denn es sind Kompositionen mit nur wenigen Steinen. In der Darstellung lässt der Autor offen, welche Seite mit den weißen und welche mit den schwarzen Steinen spielt, und bezeichnet die Spieler stets als „derjenige, der an der Seite nf sitzt“ bzw. „derjenige, der an der Seite am sitzt“. Ich ordne der Übersichtlichkeit halber jeder Seite eine Farbe zu. Das erste Problem wurde für Ludus Anglicorum komponiert (vgl. Abb. 2). Würfel werden nicht gebraucht, denn die Würfe stehen für jeden Spieler fest: Ein Spieler zieht immer 6–6–6 und hat den ersten Zug, der andere zieht immer 2–1–1, soll aber gewinnen, wenn er gut spielt. Es handelt sich um eine typische Wettaufgabe, in der eine Seite scheinbar im Vorteil ist, was sich bei genauerer Analyse als falsch herausstellt – eine

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Abb. 15

Falle für den unerfahrenen Spieler, der sich auf eine solche Wette einlässt und nach oberflächlicher Betrachtung die Seite wählt, die stets 6–6–6 ziehen darf. Als Lösungsweg wird angegeben, dass Schwarz in acht Zügen zwei Steine auf r (im Ms. steht k) bringen könne bzw. Weiß zwei Steine auf h. Im nächsten Zug könne man dann mit 1–1 das Haus s oder g mit zwei Steinen blockieren, so dass der Gegner, der stets Sechsen ziehen muss, nicht aus seinem Ausgangsfeld herauskommt. Noch leichter falle der Sieg, heißt es, wenn man einen gegnerischen Stein schlägt, weil dieser nicht eher eingespielt werden kann, bis auch die beiden auf dem entsprechenden Haus stehenden Steine weggezogen sind. Leider ist die Beschreibung dieses ersten Problems offenbar korrupt. Es fehlt die Angabe, wie viele Steine die beiden Spieler jeweils noch in welchen Häusern stehen haben. Anscheinend wurde aber daran gedacht, dass wie zu Anfang einer Partie Ludus Anglicorum alle 15 Steine im jeweils ersten Haus stehen sollen, von dem aus man in acht Zügen mit 2–1–1 h oder r erreicht. Die Lösung stimmt allerdings so nicht, denn der Spieler, der den Sechserpasch zur Verfügung hat, wäre bereits im ersten Zug mit drei Steinen auf s bzw. g und hätte auch nach neun Zügen noch immer drei Steine dort stehen, so dass dieses Haus gar nicht mehr vom Gegenspieler besetzt werden kann. Es ist mir bisher weder gelungen, diese Aufgabe in den einschlägigen Problemsammlungen zu identifizieren, noch eine mit den Angaben übereinstimmende Position zu finden, die stimmig ist. Die Spielvariante des 2. Problems wird zwar nicht angegeben, doch das Spiel ist ebenfalls eines, das über das ganze Brett gespielt wird, bei dem die Spieler in entgegengesetzter Richtung ziehen und die Heimfelder sich gegenüber liegen, wie beim Ludus Anglicorum (Testa). Schwarz an der Seite nf hat je zwei Steine im Heim-

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Abb. 16

feld auf t und u; Weiß hat einen Stein auf f, der in das Heimfeld af gezogen werden muss (Abb. 15). Weiß würfelt immer 4–4–4, Schwarz immer 1–1–1 und beginnt. Wie kann Schwarz, scheinbar im Nachteil, dennoch gewinnen? Der Lösungsweg ist folgender: 1. S1tfy; W± (weil v blockiert ist) 2. Syff+, vfx (Dieser Zug ist wichtig. Man würde hier gefühlsmäßig eher den einzeln stehenden Stein auf t zu den beiden anderen auf v ziehen, anstatt nun drei einzeln stehende Steine auf t, v und x zu haben); W⇐n & x+ 3. S⇐a, tfx; Wfa+ (Auch dieser Zug ist überraschend: S spielt nicht S⇐a, afb, sondern bereitet mit tfx das Band auf x vor und lässt Weiß auf a schlagen.) 4. S⇐a+ & fb, vfx (Band); W± 5.–11. Sbfz; W± (An dieser Stelle ein Fehler im Ms, wo es heißt „cum tribus vicibus tollet illos homines qui sunt in y…“: Gemeint ist das Band auf x, deshalb statt „y“ lies „x“.) 12. Sz⇒, f⇒; W± 13. S1xfz, 1xfy; W⇐n 14. Sz⇒, yfz; Wa 15. Sz⇒ Die dritte Aufgabe, so heißt es, sei der vorigen ähnlich. Schwarz hat 3 Steine auf t, Weiß 1 Stein auf x (Abb. 16). Tf ist das schwarze Heimfeld, fa wohl das weiße, obgleich dies nicht ausdrücklich gesagt wird. Weiß würfelt stets 4–4–4, Schwarz 1–1–1 und beginnt. Wiederum soll der vermeintlich schlechter stehende Spieler mit den schwarzen Steinen gewinnen. Aber wie? Der angegebene Weg ist dieser:

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Abb. 17a–c

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Abb. 17d–e

1. Stfx+, tfv; W⇐n & x+ 2. S⇐a, 1tfx; W a+ 3. S⇐a+, afb, vfx (Blot); W± 4ff. wie Problem 2. Im Unterschied zu den vorangegangenen Problemaufgaben, bei denen die Würfelergebnisse vorgegeben wurden und der Spieler die zielführenden Züge zu bestimmen hatte, ist es im vierten Problem die Aufgabe des Spielers, die Würfe zu ermitteln, durch die Schwarz gewinnen kann. „Die Kunst aber besteht darin, sich solche Würfelergebnisse auszudenken, durch die Du das Spiel wirst gewinnen können“, schreibt der Autor. Dabei gelten die so vorgeschlagenen Würfe stets für beide Spieler („et ambe partes habebunt aequales iactus“). Es handelt sich um einen häufig

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vorkommenden Modus der Backgammon-Problemaufgaben, den sogenannten „ludus optativus in tribus taxillis“, der bereits weiter oben im Manuskript beschrieben worden war. Die Ausgangsposition: Schwarz hat 1 Stein auf n, 5 auf t, 1 auf f und muss diese sieben Steine im Heimfeld tf ausspielen (wozu 43 Augen nötig sind); Weiß hingegen hat lediglich 3 Steine auf f, die alle schon im Heimfeld fa stehen und nur noch ausgewürfelt werden müssen (wofür 18 Augen ausreichen). Schwarz befindet sich also scheinbar im Nachteil, hat jedoch den ersten Zug (Abb. 17). Als Lösung schlägt der Autor vor: 1. 4–4–4; 2. 6–6–1; 3. 6–6–6. Der Spielverlauf gemäß den einzelnen Zügen wird nicht genau angegeben; er ist folgender: 1. 4–4–4: Sn ⇒; W 3ffb (?? Besser wäre: Wf ⇒, ffb) 2. 6–6–1 (sehr typischer Zug mit der Folge, dass W nur 2 von 3 Steinen ausspielen kann, also 1 Stein übrig bleibt): S 2t ⇒, f ⇒; W 2b ⇒, bfa 3. 6–6–6: S 3t ⇒. Auf diese Weise gewinnt Schwarz, aber nur, weil er den ersten Zug und damit einen Zug mehr als Weiß hat, und: weil dem Autor oder dem Spieler mit den weißen Steinen hier ein grober Fehler unterlaufen ist. Anders als beim nächsten Problem Nr. 5, wurde nämlich vergessen, eine Sonderbedingung einzuführen, die Weiß zwingt, im ersten Zug alle drei Steine zu ziehen. Denn anstatt mit den drei Steinen nach b zu ziehen, könnte Weiß ja auch einen Stein mit 4–4 ausspielen und nur noch einen Stein nach b bringen. Dann könnte Weiß im zweiten Zug (6–6–1) diese beiden Steine bequem aus dem Spiel würfeln. Solche Zusatzbedingungen waren ein beliebtes Element in mittelalterlichen Wettaufgaben. Dabei werden zum Beispiel einem Spieler zwei Züge hintereinander zugestanden oder untersagt, im ersten Zug bereits auszuspielen, oder aber verlangt, im ersten Zug alle drei Steine zu bewegen. So heißt es in der Formulierung im Ms. BNF F.Fr. 1173, fol. 189r: “il est mis en convenence ke toutes les rouges au premier trait doivent iuer“52. In unserem Falle würde eine der beiden letzteren Bedingungen ihren Zweck erfüllen. Ein beinahe identisches Problem mit der gleichen Abfolge von Würfen und Spielzügen findet sich in den mittelalterlichen Problemsammlungen (vgl. Abb. 18).53 Stellvertretend für die fast wortgleichen Beschreibungen in den verschiedenen Handschriften gebe ich hier den lateinischen Text des Manuskriptes in der Biblioteca Nazionale

52 Vgl. BNC Fir. BR 241, 168r; BNF Lat. 10286, 160r; BNF F.Fr. 1173, 189r; Montpellier H 279, 95r; Barb. Lat. 254, 172r; BN Roma V.E. 273, 160r; BEU Modena alfa r.9.3, 280r. 53 BNC Fir. BR 241, 115v unten/116r unten; BNC Fir. Magl. XIX 37, 160v; BNC Fir. Magl. XIX 51, 190v; BNF Lat. 10286, 152v; BNF F.Fr. 1173, 183v; BNF F.Fr. 1999, 121v; Montpellier H 279, 92v und 110v; Pierpont Morgan M0108, 149r; HAB Wolfenbüttel Extravag. 118, 120v; Vatikan Barb.Lat. 254, 164v; BN Roma V.E. 273, 152v; BEU Modena alfa r.9.3, 274v – alle ohne die notwendige Bedingung.

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Abb. 18

„Vittorio Emanuele“ in Rom 273 sowie den französischen der Handschrift F.Fr. 1173 in der Bibliothèque Nationale de France in Paris wieder: Iste ludus est optativus in tribus taxillis et quod facient albe facient nigre. et stant quinque in domo sua albe et nigre in sua. et vincent albe faciendo buf de quatern de tabula extrinseca usque in capite. ipse facient idem usque in a. et albe elevabunt sineus as. nigre elevabunt duas faciendo idem. et albe faciendo buf de sine et vincent. Cheles dor traient premieres et est ceste parture de le teste a souhaidier en iii des. Et quele cose celes dor fachent les rouges feront. Et sunt les v dor en lor maison et les rouges en le leur. Et le gaaignent celes dor en faisant buffe de quarnes de le table dedehors dusques en le teste. il fera ce meisme dusques en a. et en esleveront iii en faisant sines et as. les rouges feront ce meisme et en esleveront de ii. et celes dor feront buffe de sines et le gaaigneront. Dieses Spiel ist mit Augenwählen bei drei Würfeln und was die Weißen (F.Fr. 1173: die Goldenen) machen, machen die Schwarzen (F.Fr. 1173: die Roten). Und es stehen 5 Weiße (Goldene) in ihrem Heimfeld und die Schwarzen (Roten) in ihrem. Und die Weißen (Goldenen) gewinnen, indem sie 4–4–4 mit dem äußeren Stein auf den „Kopf“ ziehen. Der Gegner zieht genauso bis A. Und die Weißen (Goldenen) spielen (F.Fr. 1173: drei Steine) mit 6–6–1 aus. Die Schwarzen (Roten) ziehen ebenso und spielen zwei Steine aus. Und Weiß (Gold) zieht 6–6–6 gewinnt.

Die Ausgangsstellung unterscheidet sich nur geringfügig und ist gegenüber dem Problem hier gespiegelt; außerdem sind die Farben vertauscht: Es stehen (wenn wir die Bezeichnung der Felder vom Ms. Royal 13 A xviii übernehmen) ein weißer (bzw. goldener) Stein auf n, vier weiße (bzw. goldene) Steine auf s und ein weiterer auf t sowie drei schwarze (bzw. rote) Steine auf g. Die weißen Steine sollen eher aus ihrem Heimfeld sn ausgespielt werden, als die drei Schwarzen aus ihrem Heimfeld gm, in dem Haus 1 mit dem Buchstaben A besonders hervorgehoben ist. Auch hier werden

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Abb. 19a–c

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Abb. 19d–e

als Gewinnzüge, die Weiß auswählen darf und auch für Schwarz gelten, 4–4–4, 6–6–1 und 6–6–6 angegeben und vergessen, die notwendige Zusatzbedingung einzuführen (Verbot des Ausspielens bzw. Gebot, alle drei Steine zu bewegen). Mit dem ersten Zug wird der weiße Stein von Haus t auf das erste Haus im Heimfeld, den „Kopf“ (caput, teste) gezogen, damit im nächsten Zug mit dem Ausspielen begonnen werden kann. Schwarz kann seine drei Steine nur nach A (1) bringen (aber eben nur wegen der Einschränkung). Mit dem zweiten Zug kann Weiß zwei Steine von s und den einzelnen von n ausspielen, Schwarz dagegen bleibt ein Stein im letzten Haus m übrig. Im nächsten Zug kann Weiß dann seine drei restlichen Steine aus dem Spiel würfeln.

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Abb. 20a–c

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Abb. 20d–f

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Abb. 20g

Die fünfte Aufgabe wandelt das zuvor beschriebene Problem Nr. 4 etwas ab (Abb. 19). Der Spieler an der Seite nf, mit Du angesprochen, hat einen Stein auf n, fünf Steine im Heimfeld auf t und muss seine Steine in tf ausspielen. Sein Gegner hat drei Steine in seinem Heimfeld auf f. Spieler nf, dem wir die schwarzen Steine geben wollen, hat den ersten Zug. Es ist ein ludus optativus: Schwarz soll die für beide Seiten geltenden Würfe („ambo vos habebis aequales iactus“) bestimmen, mit denen er die Aufgabe lösen und die Wette gewinnen kann („magisterium autem est tales imaginari iactus per quos potes ludum lucrari“). Hier nun wird aber die im vorigen Problem vergessene Sonderbedingung („sub isto tamen pacto“) formuliert, nämlich dass im ersten Zug kein Stein ausgespielt werden darf („quod nullum hominem tolles in primo iactu“). Mit welchen Würfen also gewinnt Schwarz? Für die diesmal richtige Lösung gibt der Autor folgende Würfelergebnisse an: 1. 4–4–3 (die Drei, weil im 1. Zug nicht ausgespielt werden darf); 2. 6–6–1, wobei die 1 den Sinn hat, dass Weiß im 2. Zug nur zwei Steine ausspielen kann; 3. 6–6–6. Die nicht mehr beschriebene Zugfolge ist diese: 1. Sn ff; W2ffb, ffc (wegen des Ausspielverbots!) 2. S2t⇒, f⇒; Wc⇒, b⇒, bfa 3. S3t⇒. Auch in der sechsten iupertia wird der Spieler an der Seite nf mit Du angesprochen. Diesmal wird nur mit zwei Würfeln gespielt, die Variante aber nicht genannt. Es handelt sich jedoch wiederum um ein Spiel, bei dem die Steine der beiden Spieler einander entgegenziehen und die Heimfelder gegenüber liegen, wie beim Ludus Anglicorum. Spieler nf, dem wir die schwarzen Steine geben, hat je einen Stein auf b, c und d und muss diese im Heimfeld tf ausspielen (Abb. 20). Weiß hat 1 Stein auf n und muss diesen in fa ausspielen. Weiß würfelt immer 3–1, Schwarz immer 6–6 und hat den ers-

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ten Zug. Auch hier besteht die Aufgabe darin, die richtigen Züge zu ermitteln. Schwarz steht zwar immer ein Sechserpasch zur Verfügung, dafür hat er den wesentlich weiteren Weg zurückzulegen, und das mit drei Steinen. Ein kleiner Hinweis soll dem Spieler nf das Auffinden der richtigen Lösung erleichtern: Er muss so spielen, dass er den weißen Stein schlägt, selbst aber nicht geschlagen wird. Der Lösungsweg wird nicht beschrieben, eine Möglichkeit wäre die folgende: 1. S muss dfk und cfi vermeiden, wo Weiß schlagen wird; also: Sbfo; Wnfi 2. Scfi+, dfk; W⇐x 3. Skfq, ifp; Wxfr 4. Sofv, qfy (diese beiden sind durch Wr gefährdet); Wfn 5. Spfx, v⇒; Wnfi 6. Sx⇒, y⇒.

2 Zusammenfassung Der Backgammontraktat im Ms 13 A xviii ist eine bemerkenswerte Schrift, auch wenn es aufgrund der angetroffenen Auslassungen wahrscheinlich ist, dass es sich bei den Seiten im Ms Royal 13 A xviii nur um eine Abschrift handelt. Sie kombiniert, anders als das Kapitel zu den Tablas-Spielen im Spielebuch Alfonsos und auch im Unterschied zu den Problemsammlungen, die Erklärung der Spielregeln von acht verschiedenen Spielen dieser Familie mit der Erläuterung von Problemstellungen. Der Text ist didaktisch klug aufgebaut und bedient sich ungewöhnlicher und gleichzeitig rationeller Mittel: Die Idee, die Häuser des Spielbretts durchgängig mit Buchstaben zu versehen, macht Diagramme zur Beschreibung von Positionen und Spielzügen überflüssig. Auffällig ist, dass eine ähnliche alphabetische Bezeichnung der Felder des Spielbretts auch in dem auf den Backgammontext folgenden Schachtraktat in derselben Sammelhandschrift Anwendung findet, dort aber erst ab dem neunten Problem. Hat der Schreiber des Schachtraktats den Backgammontext kurz nach Beginn der Arbeit entdeckt und zum Vorbild genommen? Der Verfasser kennt sich mit zu seiner Zeit üblichen Gepflogenheiten, wie etwa dem Spiel mit zwei Würfeln und einem mit sechs Augen angenommenen imaginären dritten, ebenso gut aus wie mit der dem Backgammon eigenen Taktik. Die Terminologie ist eigen und unterscheidet sich verschiedentlich von der des Bonus Socius und des Civis Bononiae. Wo diese einfach „nigri trahunt primo“ oder „nigri habent voltam“ sagen, schreibt der Autor unserer Schrift etwas umständlicher „habet prerogativam incipiendi“. Die Felder als paginae zu bezeichnen, ist genauso singulär wie iupertia an Stelle von partitum. Familia als Bezeichnung für die Gesamtheit der Spielsteine einer Partei entspricht der damaligen Terminologie im Schach. Ungewöhnlich ist auch, dass er die Spieler nicht gemäß der Farbe der Spielsteine anspricht, sondern anhand der Seite des Spielbretts, an der sie jeweils sitzen. In der Tat kann man das Spiel oder Problem so oder so aufbauen. Die Probleme

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finden sich – zumindest bis jetzt – nicht in den bekannten Problemhandschriften, könnten also durchaus Eigenkompositionen sein, orientieren sich aber jenen. Die Auswahl der beschriebenen Spiele ist ebenfalls bemerkenswert. Mit Ludus Anglicorum und Baralie werden zwar zwei der im Mittelalter und der frühen Neuzeit beliebtesten Backgammonspiele vorgestellt. Doch für Mylis, Paume carie, Imperial und Provincial ist die Handschrift die einzige Quelle. Imperial kommt im Bonus Socius nicht, aber im Civis Bononiae vor, wobei das Spiel allerdings nicht mit dem hier beschriebenen identisch ist. Zwei Spiele finden sich außer hier nur noch im Spielebuch Alfonsos: Ludus Lumbardorum, das Alfonsos Medio Emperador gleicht, und das dem spanischen Fallas entsprechende Faylys. Berücksichtigt man außerdem, dass in beiden Werken die Erläuterung des taktischen Blockierens in die Beschreibung des gleichen Spiels – hier Ludus Anglicorum, dort Emperador – eingebunden ist, liegt die Vermutung nahe, dass beide Verfasser auf die gleiche Quelle zurückgriffen. Wie auch in den Problemsammlungen kommt das praktisch mit dem modernen Backgammon identische Toutes tables / Todas Tablas gar nicht vor, ein Beleg dafür, dass dieses Spiel, das erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts an Beliebtheit gewann54, damals noch nicht besonders geschätzt wurde. Auffällig sind die ungewöhnlichen Namen zweier Spiele: Ludus Anglicorum für das Spiel Testa, das in den Problemsammlungen am häufigsten auftaucht und daher unter diesem Namen allgemein bekannt gewesen sein muss; Ludus Lumbardorum für das gleiche Spiel auf nur dem halben Brett. Um einer Erklärung hierfür näher zu kommen, sollte man sich vor Augen führen, dass die Schrift offenbar in England entstand. Dafür sprechen einerseits sprachliche Eigenheiten (am auffälligsten die ing-Formen von limpolding und lurching)55, andererseits auch die Beobachtung, dass sich der Text anscheinend schon immer in England befand. Dort wurden mehr als anderswo Spiele als didaktisches Mittel auch im Kontext der Erziehung an Kirchen- und Klosterschulen geschätzt und eingesetzt, darunter neben Rätseln und Schach wohl auch das Backgammon56. Zur englischen Herkunft des Textes passt schließlich auch, dass der Autor ein zur damaligen Zeit sehr bekanntes Spiel in „Spiel der Engländer“ umtauft und es an den Anfang seiner Abhandlung stellt. Im Vergleich zu diesem „langen Spiel“ („ludus longus“) nun erscheint das „Spiel der Lombarden“ als gestutzte Version. Wenn er an dieser Stelle also die Lombarden ins Spiel bringt, erinnert dies an einen Hinweis des Nicolaus de Nicolai, des Verfassers oder Übersetzers des damals berühmten Schachtraktats Bonus Socius. In der pikardischen Handschrift in Paris BNF F.Fr. 1173 sagt er von sich selbst, dass er in der Lombardei lebe, und rühmt die

54 Schädler 2010. 55 Außerdem gibt es sprachliche Verbindungen zum anglo-französischen Schachtraktat: vgl. etwa die Fassung baralie für baraill mit batalie für bataille im Schachtraktat. 56 Schädler 2013.

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Lombarden als die besten Schachspieler57. Ob es zu weit geht, dem Autor der Backgammon-Abhandlung einen kleinen Seitenhieb auf Nicolaus und die Norditaliener zuzutrauen?

Anhang. Transkription des Backgammon-Traktats in Ms. Royal 13 A xviii In den Anmerkungen: Abweichende Lesungen Blöndals in Fiske 1905 und Murrays (kursiv). Blöndal verwendete durchgängig römische Zahlen, auch wo im Ms. arabische Ziffern stehen, was ich nicht jedes Mal vermerkt habe. Fol. 158ra (163 ra) Multi sunt ludi ad tabulas cum taxillis1, quorum primus est longus ludus, et est ludus anglicorum et est communis et est talis nature. ille qui sedet ex parte .am. habebit .xv. homines in puncto .f. Et ille qui sedet ex parte .nf. habebit .xv. homines in puncto .a. Et tunc ludent2 cum tribus taxillis vel cum duobus, supponito3 semper pro tertio taxillo .vi. tunc ille qui est ex parte .am. ducet omnes suos homines qui sunt in .f. per paginas .f t. et .sn. et .mg. usque ad paginam .fa. et ibi tollet eos. Ille autem qui est ex parte .nf . ducet omnes suos homines qui sunt in .a. per paginas .af. .gm. ns. usque ad paginam .tf . et ibi tollet eos. Ille autem qui primo4 abstulerit homines suos vincet. Et sciendum quod ille qui sedet ex parte .am. potest nodare quemlibet5 punctum in pagina .mg. et in pagina .fa. excepto puncto .a. quum occupatur per duos homines adversarii sui vel plures, et quum non est ibi nisi unus homo tunc potest capere eum. Et quemcumque6 potest incipere aliquem hominem adversarii non nodatum in puncto, ubi terminatur numerus omnium vel singulorum taxillorum suorum, potest capere eum, et tunc ille homo captus redibit ad paginam .tf ., et intrabit cum .vi. in .t., Et cum .5. in .v. Et cum .4. in .x., et cum .3. in .y. Et cum .2. in .z. Et cum .1. in .f ., et hoc si illa puncta non fuerint occupata per aliquem de suis propriis nec nodata per adversarium. Et usque intraverit illum hominem captum, non potest ludere. Propter7 quod

57 Murray 1913, S. 701; Chicco / Rosino 1990, S. 46–47; Sanvito 2008, S. 128. 1 2 3 4 5 6 7

„cum taxillis“ fehlt. ludunt supposito prior quodlibet quicunque Notandum

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multum expedit in hoc ludo nodare punctum .g. et .f. propter8 iactum taxilli tertii, in quo supponitur semper .vi., quia punctus .g. nodatus9 impediet egressum adversarii sui ibidem cum .vi. Et punctus .f. nodatus impediet ingressum adversarii sui ibidem cum .vi.10 Et notandum11 quod in punctis nodatis potes12 potes [sic!] ducere quot13 homines volueris; item ubicumque inveneris hominem adversarii tui non nodatum, potes capere eum, et facere eum redire ad paginam, ubi primo stetit in initio ludi. Et eodem modo econverso14 ille qui sedet ex parte .nf . potest nodare quemlibet15 punctum in pagina .ns. // 158rb (163rb) et in pagina .tf . excepto puncto .f . quum occupatur per duos homines adversarii sui vel plures, et quum non est ibi nisi unicus homo, tunc capere potest eum. Et quemcumque16 potest incipere17 aliquem hominem adversarii sui non nodatum in puncto, ubi terminatur numerus taxillorum suorum omnium vel singulorum, potest capere eum; et tunc ille homo captus redibit ad paginam .fa. et intrabit cum .vi. in .f., et cum .5. in .e., et cum .4. in .d., et cum .3. in .c. Et cum .2. in .b. Et cum .1. in .a., et hoc18 si illa puncta non fuerint19 occupata per aliquem de suis propriis nec nodata per adversarium. Et usque intraverit illum hominem captum non potest ludere. Propter20 quod multum expedit nodare puncta .s. et .t.‚ propter causas quas21 supra dixi. Et notandum quod cum ille22 qui sedet ex parte .nf . duxerit omnes suos homines in pagina tf ., tollet eos sub ista forma: si aliquos homines habeat in puncto .t. illos tollet cum .vi. vel suo equivalenti, videlicet .4.2./.3.3.23/.5.1.; homines autem qui sunt in puncto .v. tollentur cum .5., vel suo equivalenti, ut .4.1./3.2 vel cum .6. . si nullus homo fuerit in puncto .t.; homines autem qui sunt in puncto .x. tollentur cum .4. vel suo equivalenti, ut .3.1./ et .2.2. vel cum .6. et .5. si non fuerint homines in .t. nec in .v.; et sic deinceps si aliqui homines fuerint in puncto .y. tollentur cum .3. vel suo equivalenti, ut .2.1. vel cum .6.5.4, si non fuerint homines in .t. nec in .v. nec in .x. Et si aliqui homines fuerint in .z. tollentur cum .2. vel cum .1.1. /vel cum .6.5.4.3., si non fuerint homines in .t. nec in .v. nec in .x. nec in .y. Et si aliqui homines fuerint in .f . tol-

8 per / proprio 9 quod punctum .g. nodare 10 „Et punctus .f. nodatus impediet ingressum adversarii sui ibidem cum .vi.“ fehlt. 11 nota 12 in puncta nodata [ubique?] 13 quos 14 ergo / e contrario 15 quodlibet 16 quicunque / quocumque 17 invenire 18 homo 19 sunt / fuerunt 20 Notandum 21 „.t., quos“ 22 Et non prius quam ille / Et nota quod cum ille 23 Eine 3 fehlt.

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lentur per .1. vel per .6.5.4.3.2., si non fuerint homines in .t. nec in .v. nec in .x. nec in .y. nec in .z. Eodem modo ille qui sedet ex parte .am. tollet homines suos in pagina .fa., et ille qui primo24 abstulerit homines suos de tabula, ille habebit victoriam. Est et25 alia victoria et solempnis26 et magni magisterii, ut si ille qui sedet ex parte .nf . posset nodare puncta .n.o.p.q.r. ita quod punctus .s. esset apertus, et quod posset27 compellere28 adversarium suum ducere .viii. homines usque in punctum .a., et tunc facere quod habeat unum hominem in .t. et alium in .v. et alium in .x. et alium in .y. et alium in .z., et alium in .f . et septimum ad intrandum29; et haec victoria vocatur lympoldyng. Si30 autem pagina tota .tf . fuerit31 occupata per adversarium et [2 Wörter unleserlich: … fuerit?]32 unum ad intrandum [2–3 Wörter unleserlich] homines [1 Wort unleserlich]33 // 158va (163va) non vocabitur illa victoria limpoldyng sed vocatur lurchyng. cautela autem in hoc ludo est, ut ille qui sedet ex parte nf34 habeat ista puncta nodata n.o.p.q.r. et quod punctus .s. sit apertus, ita quod adversarius suus posset35 exire cum hominibus suis usque ad paginam .mg. Et cum ibidem duxerit unum vel duas de suis, quod statim, quia citius36 fieri potest, nodetur punctus .s. ita quod non possit amplius exire usque omnes homines quos duxerit in pagina .mg. ponantur37 in puncto .a. et quod puncta .t.v.x.y.z. occupentur38 per adversarium. et tunc aperetur39 punctus .s., ut iterum possit exire cum suis hominibus in pagina .mg. et sic fiat usque .viii. homines adversarii reducantur in puncto [.a.]. et tunc clauso puncto .s. fac adversarium implere cum suis hominibus puncta .t.v.x.y.z. et tunc remanebunt duo homines adversarii in .f. et tunc aperiatur punctus .s., et tunc semper capias adversarium tuum in puncto .t. et ipse te recapiet per .vi., qui est semper iactus supponitus40, ita quod redibis ad paginam .fa. et ibi intrabis41 et redibis ad paginam .ns. usque ille ha-

24 prior 25 etiam 26 sollemnis 27 possit 28 compillare 29 adhuc irreductum 30 cum 31 fuit / fueret 32 nec reliquitur? / et habuit 33 ubi agat (?) homines suos / qui […] homines fuerint in a 34 af 35 possit 36 quam primum 37 ponatur 38 et occupentur 39 aperitur 40 suppositus 41 rentrabis

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beat unum iactum, per quem42 oportebit ipsum evacuare punctum f de altero hominum ibidem43 repertorum, ita quod tantum sit in .f. unus homo, et relinquantur44 puncta .t.v.x.y.z. occupata per eum, et tunc capies septimum suum hominem vagantem et tunc erit limpoldatus. Est et45 alius modus ludendi modo supradictum46 et hoc sine taxillis ut cum uterque ludentium possit eligere47 iactum quem voluerit. ille tamen48 qui habet prerogativam incipiendi ipse vincet si bene ludat. si autem bene ludat ipse eliget in principio49 suum iactum .664.50 quia tunc quemcumque51 iactum elegerit adversarius suus, si velit exire cum duobus hominibus extra paginam in qua situantur in principio52 ludi, in secundo53 iactu electo potest nodare super54 eum et capere eum et facere eum redire cum homine capto et sic perdet iactus duorum taxillorum. Est etiam55 tertius modus ludendi ut quum unus eligit iactus duorum taxillorum et adversarius suus dat sibi iactum tertii taxilli56, vel si utraque pars iactet duos57 taxillos et pars adversa dat 3m iactum. 158vb (163vb): Paume carie. Est et58 alius ludus ad tabulas qui vocatur paumecarie et fit 59 iste ludus cum duobus taxillis et sub hac forma. nam debent duo ludentes esse ex una parte et duo ex alia, vel tres ex una parte et60 tres ex alia. et primo iactabunt omnes ex una

42 quod 43 ibid 44 reliqua 45 etiam 46 supradicto 47 et homo (leer) eligere 48 tunc 49 primo 50 .vi. vi. v 51 qui tunc proprium / quorum tunc quodcumque 52 primo 53 primo 54 semper 55 et 56 Beide schreiben „adversarius suus dat .6. iactum tertii taxilli“, was keinen Sinn macht. Wenn die Augen des 3. Würfels immer 6 sein sollen, warum dann das komplizierte Verfahren, dass der eine Spieler die Augen von 2 Würfeln wählt, der andere Spieler aber dann für den 3. Würfel 6 wählen muss? 57 duos 58 etiam 59 sit 60 posterius alii ex alia parte, et sic alterutum. „tres ex alia … ex altera parte“ fehlt.

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parte et post alii ex altera parte et sic alterutum. fiat autem sors quis habebit prerogativam incipiendi. Et utraque pars habebit .xv. homines. ludent autem sub hac forma. cum iactu .1. ponet unum hominem in a. Et cum .2. ponet hominem in .b. Et cum .3. ponet hominem in .c.. Et cum .4. ponet hominem in .d. Et cum .5. ponet hominem in .e.. Et cum .vi. ponet hominem in .f. et potest nodari quodlibet punctus. quum tamen unus homo invenitur solus in puncto potest capi per adversarium et tunc oportet ipsum iterato intrari ut prius61. Cum autem intraverint homines suos in pagina .fa. statim tollent homines suos per consilis62 iactus per quos eos intraverunt. ille autem qui primo abstulerit homines suos incipiet adiuvare adversarium suum et tollet homines adversarii sui usque omnes tollantur. Et tunc63 quot homines habuit de64 adversario suo. tunc cum tot hominibus percutet65 palmas adversariorum suorum et ideo vocatur paume carie. Notare tamen66 quod in isto ludo si aliquis iactaverit taxillos taliter quod sint equales ut .66. .55. .44. .33. .22. .11. tunc cum .66. ponet .4. homines in .f. et cum .55. ponet .4. homines in .e. et sic deinceps. et ultra hoc iterato iactabit. Et per eandem formam quum aufert homines suos si iactes taxillos ita quod iactus sint equales, cum illo iactu auferet .4. homines si ibidem totidem reperiantur. Et quemcumque67 autem homo capitur reintrabit de novo. ille autem qui primo abstulerit homines suos ipse vincet sive capiat homines de adversario68 suo sive non. ille etiam qui ultimum homines abstulerit ipse incipiet iactare in secundo 69 ludo. Est etiam alius modus ludendi in hoc ludo. quia ut predictum est intrabunt70 in pagina .fa. et prius71 ducent homines suos per paginas .mg. .ns. usque ad paginam .tf. et ibi eos tollent ut predictum est. notandum72 tamen quod in hoc ludo potest quisque73 punctus nodari. item cum aliquis74 homo venerit in pagina .ta. non potest amoveri de loco usque tollatur.

61 primus 62 aequales / consilens 63 Et autem tunc 64 ab 65 percutut 66 Notandum tamen / Nota tunc 67 quotiescunque / quocumpque 68 ab adversario / adversario 69 proximo 70 quum … intrabunt / quia … intrabit 71 primus 72 nota 73 quodlibet / quilibet 74 alius

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// 159ra (164ra) Et si aliquis75 homo capiatur ubicumque fuerit oportet ipsum76 redire ad paginam .fa. et ibi intrare ut prius et post reduci ad paginam .tf. et ibi tolli. Ludus lumbardorum. Est et77 alius ludus qui vocatur ludus lumbardorum et est talis nature. ille qui sedet ex parte .nf. habebit familiam suam in .f. Et qui sedet ex parte .am. habebit familiam in .t. tunc ille qui sedet ex parte .nf. ducet omnes suos homines existentes in .f. per puncta .edcba. in pagina .tf. et ibi eos tollet. cum omnes ibidem fuerint ducti78 et erit .f. primus punctus in ablationem et auferentur79 homines ibidem existentes per .6. Et qui sunt in .z. auferentur per .5. et .6. et sic deinceps. Et si capiatur aliquis80 homo suus tunc redibit intrando in pagina .fa. Et restituetur81 ad paginam .ft. Et notandum82 quod intrare non potest in .f. cum fuerit occupatus per proprios homines nec in aliquo puncto nodato per adversarium. In punctis tamen .e. et .a. intrare potest licet fuerint83 occupata per proprios homines. ideo multum expedit illa puncta nodare ut habeatur introitus si necesse fuerit. item sic84 expedit nodare puncta .o. et .v. ut impediatur introitus adversarii. Et cum85 eodem modo faciet adversarius suus in punctis contra se positis victoria autem est communis. videlicet ut qui primo homines suos abstulerit ipse vincet et fiet iactus cum duobus taxillis tantum et non pluribus. Imperial. Est et86 alius ludus qui vocatur imperial et es talis nature. Ille qui sedet ex parte .nf. habebit 3am partem familie sue sive .5.87 in .p. et aliam 3am in .s. et aliam 3am in .t. Et qui sedet ex parte .am. habebit eodem modo familiam suam in .kgf. Et si pars .nf. cum familia tota citius venerit88 ad punctum .f. quam adversarius ad punctum .a. ipse vincet. Si aliter89 vincitur et fiet iactus cum 3bus taxillis.

75 alius 76 primum 77 etiam 78 ducet 79 auferat 80 alius 81 reiteratur / redeat 82 nota 83 sunt 84 saepe 85 sic / omni 86 etiam 87 6 qui 88 citius venit / cicius venerit 89 autem

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Provincial. Est et90 alius ludus qui vocatur provincial et tantum variatur ab imperial in situationem hominum, quod91 in hoc ludo omnes homines ex una parte92 situantur in punctis .st. et homines ex alia parte situantur in punctis .gf. Baralie. Est et93 alius ludus qui vocatur baralie. Et est talis nature. Ille qui sedet ex parte .am. si ultimo fuerit lucratus ludum vel habeat prerogativam iactus taxillorum ponet omnes suos homines in puncto94 .z. excepto uno qui erit in puncto .y. Et qui sedet ex parte .nf. habebit omnes suos homines in puncto .f. Et ducentur omnes // 159rb (164rb) homines utriusque partis per .af. usque ad paginam .gm. et in ista pagina tollentur. Et qui primo abstulerit ille vincet. Et si aliquis95 homo hinc inde capiatur96 fiat introitus in pagina .ns. et ducatur per paginam .tf. et .af. ad paginam .gm. Et notandum quod in qualibet pagina potest fieri nodus et fit97 iactus cum duobus taxillis et subintelligitur numerus .vi. per 3° taxillo. Si autem pars .nf. vincit tunc ponet98 homines suos in puncto .b. excepto uno qui erit in .c. Et pars alia omnes in puncto .a. et ducentur omnes homines usque ad paginam .ns. et ibi auferentur ut prius fiebat in pagina .mg., et in illa pagina fiat introitus si aliquis99 homo capiatur, et ducatur100 per .fa. .ft. usque ad paginam .sn. Faylys. Est et101 alius ludus qui vocatur faylys et est talis nature. Ille qui sedet ex parte .nf. habebit totam familiam suam in .t. exceptis duobus qui erunt in .a. Et qui sedet ex parte .am. habebit totam familiam suam in .f. exceptis duobus qui erunt in .f. et ludent102 cum tribus taxillis si tot habeant. si autem103 tantum habeant duos tunc dupl(ic)abitur taxillus minoris numeri104. Et tunc ille qui sedet ex parte .nf. ducet duos suos homines in .a. usque ad .t. Et secundum105 consuetum modum omnes tollet.106 Et possunt illi duo uniri in quolibet puncto. Et nodet omnia puncta in pagina

90 etiam 91 quam / quorum 92 „situantur in punctis .st. et homines ex alia parte“ fehlt 93 etiam 94 „.z. excepto uno qui erit in puncto .y. Et qui sedet ex parte .nj. habebit omnes suos homines in puncto“ fehlt. 95 alius 96 capientur 97 sit 98 ponit 99 alius 100 ducantur 101 etiam 102 ludunt / ludetur 103 etiam 104 imum 105 primum (in) 106 „Et possunt illi duo uniri in quolibet puncto.“ fehlt.

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.tf. si velit. Et si capiatur aliquis107 homo suus, redibit ad paginam .fa. et ibi intrabit et redibit, et intrare potest in quolibet puncto; etiam108 si fuerit occupatus alio vel aliis suis hominibus in puncto tamen109 nodato per adversarium non potest intrare. Eodem modo potest ille facere ex parte adversa et faciat cum110 eodem modo. victoria autem talis est qui primo abstulerit familiam propriam vincet111. vel si adversarius suus aliqua vice habeat talem iactum qui ludi non potest in toto tunc similiter112 ille vincitur qui talem iactum habuit et ideo vocatur faylis. (Mylis) Est et113 alius ludus qui vocatur [… leer …] cuius natura talis est. unus eorum habebit duos homines in .k. Et .4. in .f. Et .4. in .e. Et .5. in f. et ille habebit prerogativam taxillorum. Et fiet iactus cum duobus taxillis et presupponetur .vi. per 3o taxillo. Alia pars habebit .3. homines in .g. Et .3. in .d. Et .3. in .c. Et .3. in .b. Et .3. in .a. Et omnes homines utriusque partis ducentur ad paginam .mg. et ibi auferentur. Et qui primo abstulerit suos ipse vincet. Et si aliquis114 homo hinc inde capiatur fiet introitus in pagina .ns. et ducetur per paginam .tf. Et .af. usque ad paginam .mg. et ibi auferetur cum tempus fuerit oportunum. 159va (164va) [1. Problem] Sunt115 etiam116 in lusu tabularum quae117 cautele sunt iupertie, quarum prima118 est de119 ludo anglicorum, et fit sine120 taxillis, quia121 una pars habebit semper122 iactum .666. et habebit prerogativam incipiendi, altera autem pars habebit semper123 iactum .211.; ille tamen124 qui habet iactum .211. ille vincet si bene125 ludat; quia cum luserit octies126 potest habere duos homines in puncto .r.127 si sederit ex parte .nf. vel duos in

107 alius 108 et 109 tunc 110 omni 111 vincent 112 subito 113 Est 114 alius 115 Erit 116 et 117 quod 118 propriae, quorum primae 119 ex / ex 120 sit sub 121 quum / quorum 122 supremum 123 supremum 124 tunc 125 bonum 126 quia cum luserint omnes / quorum cum luserit octies

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puncto .h. si sederit ex parte .am.; et tunc in proximo128 lusu cum .(2?)11.129 potest nodare punctum .s. vel. g., ita quod130 pars adversa non poterit exire, et tunc faciliter potest131 vincere si sciat ludere; vel132 si possit capere133 unum hominem de adversario suo faciliter potest vincere, quod134 ille homo captus numquam (?) potest reduci in paginam, ubi debet tolli, usque alius abstulerit omnes suos homines exceptis duobus qui stabant135 in puncto ubi ille debet intrare hominem suum136 captum. [2. Problem] Est et alia iupertia137 in lusu tabularum; nam ille qui sedet ex parte .nf. habebit duos homines in puncto .t. et alios duos in .v. et ille qui sedet ex parte .am. habebit unum hominem in .f. quem debet ducere per paginas .tf. sn. mg. et auferre138 in pagina .fa. et erit semper iactus suus .444.; ille autem qui sedet ex parte .nf. tollet suos quatuor homines in pagina ubi stant secundum communem modum139. Et erit semper iactus suus .111. Ille autem vincet si sciat ludere, quod cum .111. unum de suis quos habet in .t. ponet in .y. et in secundo iactu capiet hominem, qui est in .f. et hoc cum .11. Et cum tertio .1. ponet in .x.140 alterum duorum qui sunt in .v. Et tunc ille qui est ex parte .am. intrabit hominem suum cum .444. et ponet eum in .n. Et tunc141 ille qui sedet ex parte .n[f.] hominem suum captum in puncto .x. intrabit in puncto .a. cum .1. et cum .11. ponet hominem suum in .x. qui prius fuit in .t. Et tunc142 pars adversa cum .444. iterum capiet hominem alterius in puncto .a. Et tunc iterato143 ille qui sedet ex parte .nf. intrabit hominem suum, et cum .11. ducet eum in puncto .b. Et cum tertio .1. nodabit punctum .x. ita quod144 pars adversa non poterit intrare. Et tunc cum sepcies145 .111. ducet hominem qui est in .b. usque ad punctum .z. Et tunc146 in

127 .k. 128 proprio 129 2.2. 130 itaque 131 poterit 132 ut 133 caperit 134 videre, quorum 135 stabunt 136 sicut 137 impertia 138 auferret 139 primum in communem modum / se [vacat] 140 .k. 141 item 142 item 143 item t… 144 itaque 145 septies 146 item

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octavo lusu tollet duos homines qui sunt in .z. et in .f. Et // 159vb (164vb) postea cum tribus vicibus tollet illos homines qui sunt in .x.147 Et adhuc remanebit homo partis adverse in .a.; ita quod148 vincetur. Et sciat149 quod alio modo quam ut predictum est non potest fieri victoria. [3. Problem] Est et150 alia iupertia151 similis priori, ut si ponantur .3. homines in .t. ex una parte, et ex parte alia erit unus homo in .x. qui habebit iactum ut prius .444. et alius habebit iactum .111. ille autem qui habet homines suos in .t. habebit prerogativam incipiendi. Et cum .11. capient152 hominem adversarii sui in .x. Et cum tertio .1. ponet hominem in .v. Et tunc153 adversarius suus intrabit capiens eum et ponens hominem suum in .n. Et tunc154 ille qui sedet ex parte .nf. intrabit hominem suum in .a. cum uno .1. Et cum .11. ponet hominem suum in .x. qui prius fuit in .t. Et tunc155 ille qui sedit ex parte .ma. iterum capiet alium in .a. Et tunc156 ille intrabit in .a. capiens adversarium suum ponens illum hominem cum .11. in puncto .b. et tunc157 cum tercio158 .1. nodabit punctum .x., ita quod159 pars adversa non poterit intrare. Et tunc lucrabitur ludum ut supra in proxima160 iupertia161. [4. Problem] Est et162 alia iupertia, ut si tu qui sedes ex parte .nf. habeas unum hominem in .n. et .5. in puncto .t. et septimum in puncto .f. Et in pagina .tf. tolles homines tuos. Et habebis prerogativam incipiendi163; ille autem, qui sedet ex parte .ma. habebit tres homines in puncto .f. Et in pagina .fa. eos tollet. Et ambe partes habebunt164 equales iactus;

147 .y. 148 itaque 149 sciatis 150 etiam 151 impertia 152 capiet 153 item 154 item 155 item 156 item 157 item 158 tertio 159 itaque 160 predicta 161 impertia 162 etiam 163 incipiens 164 ambo partes habebit

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magesterium165 autem est tales ymaginare166 iactus per quos poteris ludum lucrari. Et fiet sub167 hac forma: primus iactus erit .444. Et secundus iactus .661. Et tertius .666. [5. Problem] Est et168 alia iupertia169, similis priori, ut si tu qui sedes ex parte .nf. habeas unum hominem in .n. Et .5. in puncto .t. Et ille qui sedet ex parte .am. habebit .3. homines in puncto .f. qui debet tollere homines suos in pagina .fa. tu autem debes tollere homines tuos in pagina .tf. habebis que prerogativam incipiendi170. Et ambo vos habebitis171 equales iactus, magesterium172 autem est tales ymaginare173 iactus per quos potes ludum lucrari, sub isto tamen pacto174, quod nullum hominem tolles in primo iactu. Fiet autem sub hac forma; primus iactus erit .443., // 160ra (165ra) secundus iactus erit .661. Et 3ius iactus erit .666. [6. Problem] Est etiam175 alia iupertia176 ut si tu sedeas ex parte .nf.177 habebis tres homines in .bcd., quos debes ducere per paginas .mg. et .ns. et tollere eos in pagina tf; ille autem qui sedet178 ex parte .ma. habebit unum hominum in .n. quem debet ducere ad paginam .fa.179 et ibi tollere. et erit iactus suus semper .31., sed iactus tuus semper erit .66. et tu habebis prerogativam incipiendi; vel alius de hoc non est cura; si autem velis lucrari ludum oportet te capere eum. et ita ludere quod ipse te non capiat.

165 magisterium / magisterium 166 imaginari 167 similiter 168 etiam 169 impertia 170 „suos in pagina .fa. tu autem debes tollere homines“ fehlt. 171 habebis 172 magisterium / magisterium 173 imaginari 174 isto [vacat] pacto 175 et / autem 176 impertia 177 .no. 178 sedit 179 fe

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Board of the Kings: the Material Culture of Playtime in Scotland AD 1–1600 This paper is an introduction to board and dice games in medieval Scotland, set within a European historical context and a theoretical context that addresses both leisure and play.

Theorising play Leisure-time, to varying degrees is an element of culture shared by all levels of society. It is the free time (or the time not devoted to one’s occupation and survival needs) at the disposal of an individual or group of people and so can be deemed to be a measure of the strictures on time applied within a given society. An alternative name for leisure is recreation, which indicates the pursuit of a pleasurable activity or the process of an individual’s entertainment and relaxation. The linguistic root of this word is the same as re-create, which in its modern form is spelt the same, with the addition of a hyphen. This is significant because it imbues recreation with one of its key meanings, that of repetition, a re-use of or re-fashioning of reality through the pursuit of one’s pleasurable desires. It carries then a sense of recreating the world through the reordering of reality – in terms of the present study – on the gaming board or through the role of the dice. Leisure, of course, covers much more than gaming and in the context of medieval society it includes hunting pursuits and horseracing but both are outside the scope of this present paper, though aspects of them are dealt with by other chapters in this book. The other key word to which board and dice games are subordinate is play. Play is primarily a free activity bounded by its own space and time where it can unfold its own inner order. An older view of play argued that it pre-figured culture and civilisation, as the archetypal opposite of that which is rational, controlled and systematised, as outlined by Huizinga’s Homo Ludens A Study of the Play Element in Culture (1950). It is a view that remains useful in some of its detail but that has been for many superseded by a more functional approach which sees forms of play as embedded and interwoven with social structures. It thus has a greater concern with particular forms of play and their social contexts as typified by Callois’s Les jeux et les homes (1958).1 This paper explores board and dice games as clear examples of play forms with cultural and cross-cultural contexts.

1 See Borst 1991, p. 195–214 for an insightful medieval case study.

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Games and play have a complex role in the everyday for they are, as enacted or performed, or even manufactured, part of the every day but in their purpose are meant to enable an escape from the everyday. Play can be viewed as a performed metaphor of the human condition, both mirroring specific situations in life (as between competing ethnic and national groups for example) and the broader structures of human existence – the struggle to know what is coming. Board games, like other forms of play, are both a quotidian, everyday practice and an area contested as the preserve of social elites. The amenability of play to these and other approaches is testimony to the ambiguous nature of play, in exploration of which Sutton-Smith2 identified seven key, inter-disciplinary, overlapping narratives about the meaning of play which he labelled as the rhetorics of play. They are: – progress – fate – power – identity (at a community level) – the imaginary – self-absorption – frivolous Three of these rhetorics (progress, the imaginary and the self) Sutton-Smith classifies as modern or individual rhetorics and the other four as ancient or communal ones. As a psychologist, Sutton-Smith pays particular attention to the role of play in children’s lives, including the assumed rather than proven notion that play is adaptive and developmental for children (and animals, but not adults), a notion that often misses the point of play’s enjoyment, which chimes well with philosopher John Gray’s observation that “the point of playing is that play has no point”3. The child’s play context is explored further in Hall forthcoming. In the present paper I shall not dwell on the notion of distinguishing child from adult play save to refute the still common idea that play – including board games – can be safely dismissed as a child’s even a childish activity of little consequence. Whether played by child or adult in the medieval period board games were fundamental to the enjoyment of life, to a sense of identity, to a sense of rebellion or subversion and to an engagement with metaphor and a desire to manipulate the future. The “ingrainedness” of play is in part rooted in its forming a constituent element of sacred work or ritual duty in pre-Industrial societies.4 Although by the close of the medieval period play had begun to be seen as a separate space in opposition to work (e.g. through the evolving work ethic of the Protestant Reformation, which sought to establish work as a Christian virtue and play as its

2 Sutton-Smith 1997. 3 Gray 2002, p. 196. 4 See Turner, 1982, p. 31–32.

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enemy5) it was essentially the Industrial revolution that turned play into a leisure commodity, de-coupling it from its interconnection with work, and their joint support of ritual and myth.6

A compendium in time and space Let us now examine some of the key pieces of evidence for the pursuit of board games and dicing. I shall adopt the convenience of chronology and begin with the Picts and their contemporaries. Currently there is no evidence for the playing of board games in Scotland before the Roman phase of the Iron Age. The earliest board games in Scotland appear to be Roman ones. Archaeology shows that they were being played on and around Hadrian’s and the Antonine Wall, including the forts at Corbridge and Bearsden. The evidence suggests that these games or at least the gaming equipment penetrated indigenous society. The best example is the elite, Pictish burial from Waulkmill, Tarland, Aberdeenshire, an accidentally discovered and poorly recorded cist burial beside a stone circle. The finds included seven brownish quartzite counters, four dark blue glass counters and two vari-coloured counters. The style of these pieces makes them typical Roman gaming counters. The group is dated broadly to the first half of the First Millennium AD. There seems no doubt that the incumbent was a Pict, and a consumer of Roman material culture. Tarland is the most coherent and substantial group of Roman counters from non-Roman contexts in Scotland, perhaps the equivalent of the small group of rich burials including gaming equipment from the south of Britain, including and St Albans and Welwyn, Herts. In Scotland several other pieces are known from various sites including Camelon, Buchlyvie and Traprain Law, all of them demonstrative of contact with Rome.7 The Scottish evidence fits into a wider European pattern, a pattern that demonstrates that board games can be seen as a Roman introduction to Northern Europe.8 The games were not simply copied but adapted and innovated upon. Thus it can deduced that the Roman game Ludus Latrunculorum probably gave rise to at least two indigenous variants, fidcheall and gwyddbwyll in Ireland and Britain and hnefatafl in the Scandinavian world. When dealing with the early Picts and their interface with Rome we have a good reminder of how gaming can tell us about wider societal issues. One of the earliest epigraphic references to the Picts is made in a gaming context. In 1983 a copper alloy pyragus or dicing tower was found in the early 1980s near Vettweisss-Froitzheim Germany9,

5 6 7 8 9

See Norbeck 1971. See Turner 1962, p. 32. For references to the Roman – Iron Age material see Hall 2007. Hall and Forsyth 2011, which focusses upon Britain and Ireland. Horn 1985; Hartley et al 2006, p. 135.

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bearing two inscription, including a hexagram – the style typical of those used in the Roman games of XII Scripta and alea – which can be translated as ‘The Picts defeated, the enemy wiped out, play without fear!’ The cup may date to the early 4th century and refer to the Roman campaigning in Britain in the late 3rd-early 4th century. Such inscriptions were part of a wider, literate culture that invoked the Picts as a stock enemy against whom Rome proved herself. Chadwick cites several panegyrists who did this and suggests that the Roman use of the word Picti occurs first in connection with praise for Constantius Chlorus and his victory over the tribes in Northern Britain.10 At a slightly later date chief amongst these panegyrists was Claudian (c. 370–c.410 AD), who used the Picts very much as a trope: “The Pict has been overcome and Britain is safe […] He conquered … the well-named Pict […] Thule was warm with the blood of the Picts” are just three of his constructions.11 Additional confirmation of campaigning against the Picts at the end of the 3rd century is suggested by a Roman gaming board, for alea, from Trier and one from the catacomb of SS Marco and Marcellino, Rome. Both bear inscriptions referring to victories against the Parthians and the Britons, both dated to 297 AD.12 The second Froitzheim inscription runs around the upper edge of the sides and back and translates as ‘Use happily, may you live’ – a form of good luck message appropriate to the playing of a board game. I have recently considered this evidence and that more generally for First Millennium AD Scotland in more detail elsewhere13 and here I will confine my comments on the games played by the Picts and their neighbours, to the tafl group, of which the commonest forms appear to have been hnefatafl (king’s table) and fidcheall, as introduced above.14 The game represented by these variants were (and remain) a contest between two unequal forces. The king piece of the defending side occupies the central cell or intersection, surrounded by his defenders. The aim is to get the king to one of the four corner cells and so secure victory. The usually larger attacking force is arranged along the edges of the board and has to try and capture the king piece by surrounding it on four sides. All the pieces move orthogonally as the rook pieces in chess. Hnefatafl has generally been held to be of Scandinavian origin, with the earliest board fragment dated to the 5th century AD, from a grave at Vimose, Funen and it seems to have been carried by the Vikings to all the counties they raided or settled. Whilst hnefatafl is undoubtedly the Scandinavian variant of the game its spread by the Vikings may be an overly simplified account. Accepting the Roman inspiration of the game the Vikings may well have encountered variants elsewhere, as with fidcheall

10 Chadwick 1958, p. 147–151. 11 For full quotations and details see Chadwick 1958, p. 150–151. 12 For a more fully consideration of both items see Purcell 1995. 13 See Hall 2007. 14 Murray 1952, p. 55–64; Parlett 1999, p. 196–204; Payne 2006 for a new analysis of the Anglo-Saxon evidence and Forsyth and Hall and Forsyth 2011 explores some of the Irish evidence, with more to follow in Forsyth/Hall (in preparation)..

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in Ireland. There are a number of boards from sites in Scotland that suggest that a variant of the game more akin to fidcheall or gwyddbwyll to give it its British name, was known prior to the arrival of the Vikings. Pictish phases at Buckquoy, Howe and Birsay, Orkney have produced such boards incised on stone. And there is a surface find of a stone board from Dun Chonallaich, nr. Kilmartin, Argyll, which is presumed to be Dalriadic.15 The broch site at Scalloway, Shetland has also produced gaming pieces16 that could have been used in a fidcheall/tafl-type game, notably one that could readily be a king piece (though a pawn is not impossible if it is from a very elaborate set). Comparison with other later Iron Age figurines suggests that these pieces may also have had a ritual function, possibly as part of the tool-kit of a shaman or druid, which does not rule out use as gaming pieces as there is a reinforcing cross-over between games play and fortune prediction or divination and magic.17 The evidence for board games also extends to a range of other playing pieces, several of them (in bone and shale) of the pegged variety, many of them formerly identified as pin heads (for the full range see Hall 2007, 13–19). Non-pegged pieces include single pieces each from Cnip and Birsay discussed further below, under chess. The majority of the pegged pieces are of a pre 12th century date and a number are consistent with the piriform shape common in Scandinavia between the 9th and 13th century. A probably later example was recovered from a bore-hole in Perth and could relate to the 1266 visit to Perth of high status Scandinavians for the signing of the Treaty of Perth, which ceded the Hebrides to the Scottish crown. From Scotland, a similar, more elaborate piriform piece (with an acorn terminal) and a peg socket, of late Pictish-early Norse date, was recovered from the church site at Birsay, Orkney.18 It was found under one of the stone seats in the NE corner of the church. From a building adjacent to the church was found a fragment of a whalebone gaming board with peg holes (Curle 982, 89 and 110), of fidcheall rather than hnefatafl type (none of the squares have the special designations associated with the latter). A second, plain hemispherical bone piece comes from a midden in the later, Mid-Norse phase of the site.19 From the Norse and Pictish levels there are four further pegged pieces20 of the type formerly identified as pins (and reclassified by Close-Brooks21) and a piece Curle identifies as a nail22 is more probably a pegged gaming piece.

15 For all these boards see Hall 2007, p. 12–13. 16 Wilson /Watson 1998, p. 174–175. 17 Hall 2007, p. 5–6 and 19. 18 Curle 1982, p. 89 and 110. 19 Curle 1982, no. 271. 20 Curle 1982, ill. 38 nos. 259–62; p. 110. 21 Close-Brooks 1987, p. 166. 22 Curle 1982, p. 110, no. 266.

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By comparison, the evidence from Anglo-Saxon England (including Sutton Hoo) includes a large number of playing pieces, some of which were undoubtedly for tafl games.23 There developed an Anglo-Irish connection, for by the early 10th century it was known in elite Christian circles of both countries. The cornerstone of the evidence is a folio from an 11th century copy of a 10th century Irish Gospel Book (Corpus Christi College Oxon 122g). This illumination shows the layout for hnefatafl in the shape of an allegorical game on the harmony of the Gospels, known as Alea Evangeli – “The Game of the Gospels” or “Evangelists”. Its title caption notes that the game was brought to Ireland by Dubinsi, Bishop of Bangor (d. 953), from the court of King Athelstan (r. 925–40).24 Perhaps than we should not be surprised to find assemblages of incised board games from ecclesiastical sites (including Raholp and Downpatrick, Co. Down, Tintagel Cornwall and Whithorn Galloway) and particularly notable in this regard are the hnefatafl/fidcheall boards from the island monastery of Inchmarnock, Bute. Excavation there by Headland Archaeology has recovered some 35 gaming boards along with a number of other slates with graffiti designs and inscriptions and lettering, clear indication of a monastic school function. The majority of the boards appear to be for a tafl or fidcheall variant (and probably of 9th/10th century date). Additionally there are at least one merels (or nine men’s morris) board (illus. 8), two alquerque boards and a haretafl (or ‘hare and hounds’) board, not all identified in the final report25 and all suggestive of a 12th century or later date, which fits in with the later medieval inscribed slates (including a 15th century example). They suggest a school function persisted with the change from a monastic to a proprietorial church. The material probably reflects two strands of activity – the leisure time of the monks and lay brothers and the teaching of board games, including to secular, elite pupils. A parallel from Ireland may be the double-sided slate hnefatafl/fidcheall board from Downpatrick Cathedral, Northern Ireland26 and from Scotland, the board from Whithorn Priory27. Textual references certainly indicate that such board games were an essential aspect of court or elite lifestyles. In the Old Irish tale (Scela Cano meic Gartnain), describing Cano’s departure for Ireland with the people of Skye in 688 we learn of: “ …a royal retinue sailing in currachs, complete with fifty well-armed warriors, fifty well-dressed ladies and fifty liveried gillies each with the silver leads of two greyhounds in his right hand, a musical instrument in his left and the board of a fidchell game on his back, along with gold and silver playing men.”28 Both fidcheall and its variant brandubh (possibly derived directly from hnefatafl) are listed in Irish law texts of the 7th and 8th centuries as games to be taught to boys of noble birth – along with how to swim, ride a horse and

23 24 25 26 27 28

Youngs 1983, p. 854–874; Hall 2007, p. 19–21. Robinson 1923, p. 69–71; Murray 1952, p. 61–62. Lowe 2008. Hall 2001. Hill 1997, p. 447–449. MacLean 1997, p. 174.

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throw a spear, part of their training for a life of leisure, hunting and warfare.29 Though not necessarily all of the slates found at Inchmarnock were used in a teaching context, still the quantity and focus of the material may suggest secular elite pupils being taught the everyday business of an elite lifestyle. Of course, the ecclesiastics on site may also have been learning and playing the game. Parallel but later evidence suggestive of this idea takes the shape of a 14th century misericord from Montbenoit, France.30 This can be read as both a reference to Dominican anti-gaming tracts and sermons but also as indicative of the monastic pursuit of these games. The board shown in the Montbenoit misericord is probably for chess. Finds of chess pieces are comparatively rare in Scotland. The most well known pieces, the most substantial component of the Lewis hoard of gaming pieces, come from Uig Parish, on the Isle of Lewis. Their recent re-examination31 demonstrates that their presence on Lewis is less the result of an accident (with the implication of geographic irrelevance) and more because they were meant to be there, their cultural significance fully in tune with the politics, religion and culture of the Western Isles and their position along the sea-lanes connecting the Scandinavian and Irish Sea worlds. Whilst the hoard certainly includes chess pieces, its smaller number of disc-pieces or tablemen have received less attention and some of the geometric pawns in particular could have as equally have been used for hnefatafl as for chess, quite probably interchangeably so. The Lewis pieces aside, chess pieces from Scotland are only known as single finds. There is a figurative walrus ivory rook, possibly from Skye but certainly the Western Isles and an abstract bone/walrus ivory knight from Rothesay Castle, Bute (illus. 2a, on display in Bute Museum, Rothesay). It was recovered during moat clearance work at the Castle, in 1872 (at the instigation of the 3rd Marquess of Bute). In addition, Wilson32 describes an elaborate walrus ivory figurative queen piece in the collection at Penicuik House and supposedly collected in the North of Scotland in 1682 and possibly no longer extant is a piece from Dunstaffnage Castle, a walrus ivory king piece. This is described by Pennant33 (1776, 409) as an ‘ivory image’ or ‘inauguration sculpture’, made in memory of the Stone of Destiny. Until recently, there appeared to be only one certain chess piece from the North and East of Scotland, an abstract jet bishop piece from the Meal Vennel site in Perth (illus. 2b).34 But we can now add two further certain abstract pieces to the tally from Kirkwall, Orkney (illus. 3a) and from Coldingham, Borders (illus. 3b). The Kirkwall piece (unpublished but on display in Tankerness House Museum, Kirkwall) is an ivory king or queen piece of cylindrical

29 Kelly 1997, p. 452. 30 Béthmont-Gallerand 2001, 183 and fig. 1. 31 Caldwell/Hall/Wilkinson 2009. 32 Wilson 1863, 357–358 33 Pennant 1776, p. 409. 34 Hall 2002, p. 298; Cox 1998, p. 182.

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form with a knopped projection on top. It was excavated in 1974 and could be as early as 10th-11th century in date. The Coldingham piece is a stray find from the parish church (formerly the Priory) donated to the Society of Antiquaries of Scotland in 1893 (Anon. 894, 51). A king or queen piece, it is made of antler, of truncated, conical form (with flattened off front), decorated with ring-and-dot (two rows on the top) and horizontal lines and chevrons. In addition there are two uncertain pieces that previously I have accepted as probably for hnefatafl from Cnip, Lewis and Birsay, Orkney.35 The piece from Cnip is a plain, bone conical example, with a bifurcated terminal (illus. 4a). It is securely associated with the central occupation area of wheelhouse 1, phase 2, which is dated to AD1-AD 100 (and followed by phase 3, dated to AD100–250).36 Archaeologically this makes a chess identification impossible given the early date but the eroding nature of the sand-dune site may suggest that the piece has dropped in from a later phase. Its distinctive form is certainly unique for an early gaming piece (including tafl variations) but is very like some abstract chess rook pieces. From Novgorod, Russia, there is a simple, wooden pronged piece that is identified as a castle (“ladya”) and described as a cylinder with a large groove in its upper part37, which may date to the 12th or 13th century (a similar date for the Cnip piece would make it contemporary with the Lewis chess pieces). Similarly, there is a wooden rook piece form Carlisle, misidentified in the as yet unpublished report as a bishop (info supplied by Tim Padley, Tullie House Museum, Carlisle); two bone pieces from West Cotton, Raunds, Northamptonshire and a bone example from Thetford, Norfolk. The two examples from West Cotton are damaged or unfinished but clearly have the bi-furcated tops that suggest they are rooks38 and are suggested to relate to the village’s 12th century hall (ibid 28). The Thetford example was originally identified as a cord puller (Rogerson and Dallas 1984, 182, fig. 199, 96) but Chapman suggests a more plausible identification is a top bi-furcated rook (and further cites an example from Deddington Castle, Oxfordshire, communicated to him by Richard Ivens via a pers. comm.)39 The piece from Brough of Birsay, of conical form with ring-and-dot decoration (illus. 4b), was published by Curle (1982, 110, no. 2251 and illus. 38) as an unfinished handle.40 The form though suggests a gaming piece is much more likely. It is unstratified from the Norse horizons of Area 11 of the site – it could have served equally well as a pawn for hnefatafl or chess. The clearest evidence for the localised manufacture of chess pieces in Scotland comes from a reference to Kirkcudbright, Galloway, south west Scotland. In the mid 12th century, the monk Reginald of Durham (biographer of St Cuthbert) travelled to

35 Hall 2007, p. 16–17. 36 Hunter 2006, 148–50, colour pl. 8. 37 Rybina 2007, 355 and fig 21.1 m. 38 Chapman 2010, cat. 50 and 51. 39 Chapman 2005, p. 5. 40 Curle 1982, p. 110, no. 2251 and illus. 38.

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Kirkcudbright and met there a carver who made ‘combs, tablemen, chess, dice, spigots and other such articles of horn and bone’ (Reg. Dunelm. Cap. Lxxxvciii41). Also in the 12th century, John of Salisbury visited, and met an ivory carver, of whom John, horrified, tells us made ten different types of dice game.42 The chess pieces listed above are generally dated to the 11th – 13th centuries; chess pieces from the end of the medieval period are much rarer finds (I know of none from Scotland). That the status of the game was maintained though is indicated by the variety of text references, often to royal possessions. These include inventories, Romance tales and moral treatises, a number of which are quoted in the Dictionary of the Older Scottish Tongue and the Etymological Dictionary of the Scottish Language.43 Chess boards are even rarer physically than the pieces. An incised board on a sandstone masonry block from Melrose Abbey, Borders, and probably cut by masons, is likely to be for a variant of chess (illus. 5). The board is incomplete because the block was fashioned into a vault rib in the late 14thearly 15th century (pers. comm. Mary Márkus). That rather abbreviated discussion of chess has carried us into the later medieval period where there are several other games to take note of. I will begin with the finds from the excavations at Finlaggan, Islay44 which helps to make the case that such pastimes were not confined to the amusements of the elite but were more widely played. The Finlaggan evidence includes a single fragment of a graffito gaming board (illus. 6) incised on a slate. Its use as a gaming board presumably predates any use as a building slate, possibly having been scratched out to pass the time during construction work. It is probably a fragment from an alquerque board. This is a war or leaping-capture game widely played in Mediterranean and Asian cultures. It is probably of preMedieval origin. It seems to have entered Europe via Spain. 10th century Arabic manuscripts mention a game called ‘Quirkat’ or ‘El-Quirkat’, introduced to Spain via the Islamic Conquest. Once played in Spain it became known as alquerque. It is a game for two players, each with twelve pieces arranged on a board of twenty-five points. Through alternate moves each player tries to capture the other player’s pieces by jumping over them.45 Incised or graffiti alquerque boards are comparatively rare in Britain. Examples have been recorded from the cloisters of Norwich Cathedral, from Norwich Castle and from St Mary’s Church, Cavendish, Suffolk.46 There are at least five other Scottish sites that have produced evidence for this game: single, slate-incised examples come from Dundonald Castle, Ayrshire47 and from Ballumbie Church,

41 42 43 44 45 46 47

Quoted in Murray 1913, p. 420 and McLean c. 1984, p. 13. McLean c.1984, p. 103. Craigie 1937, p. 513; Jamieson 1882, p. 490. To be discussed in more detail in Hall forthcoming b. Murray 1952, p. 65–71; Parlett 1999, p. 243–247. Murray 1952, p. 66. Caldwell 2004, p. 107–109.

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Angus (excavated in 200648), whilst Inchmarnock has a clutch of one complete board and 10 fragments of other boards49. The most recent find is the corner of a slate board for alquerque from excavations at Kilwinning Abbey in 2011. There may also be a variant or incomplete example from Carrick Castle, which survives as a slate-incised fragment.50(. The Spanish Alfonso Codex of 1283 (a gaming compendium compiled for King Alfonso X of Leon and Castille) describes three variations of alquerque, for three, nine and twelve pieces per player, of whom there were usually two but sometimes four. It also has parallels with the chase game of Fox and Geese (sometimes referred to as Tod and Lambs in Scotland). The Spanish variant of this, Catch the Hare is also recorded in the Alfonso manuscript as being played on the alquerque board. There is no accessible edition of the Codex translated into English but there is a good online introduction (Historic Games) and a new German translation51 and useful contextual discussions52. It is worth a passing speculation that a copy of this manuscript could have spent time in Scotland. King Edward I, a known ardent player of chess (the main subject of the Codex) was also married to Eleanor of Castille, Alfonso’s sister. Recently one of the Codex miniatures has been suggested to depict Edward playing against his then fiancée, Eleanor.53 A copy of Alfonso’s book would surely have been an eminently suitable gift to a brother monarch (and we might note that Edward’s gifts to Eleanor included a chess set). To pile speculation upon speculation it seems conceivable that Edward would have taken any copy of the book with him during his visits to Scotland (Olivia Constable, pers. comm., disagrees with me here suggesting a copy of such a luxurious manuscript so late in Alfonso’s life would seem unlikely). The Finlaggan excavations also recovered three bone, playing pieces, readily identifiable as tablesmen (illus. 8). Tables was not a single game but a family.54 The medieval variations probably derived from the Roman game of tabula and surviving today as backgammon. Popular throughout the medieval period from at least the 11th century onwards, their popularity is demonstrated by the finds of pieces and boards notably, for example, the set from Gloucester55 and by the medieval depictions of the game (e.g. the misericord in Manchester Cathedral, of late 15th century date56. There are a range of decorated discs from across Europe, of pre 11th century date, and including a series of stone discs incised with Pictish symbols (of 7th/8th century date), which may relate to the playing of Roman-derived tables games.57 The two smaller, well dec48 Hall forthcoming c. 49 Ritchie 2008, p. 126–127. 50 For Carrick see Ewart / Baker 1998, p. 975 and illus. 23; for Kilwinning see Hall forthcoming 2013. 51 Schädler 2009. 52 Constable 2007 and Carpenter 1998. 53 Yalom 2004, p. 61 54 Murray 1942, p. 57–69. 55 Watkins 1985, Watkins / Steward 1984. 56 Hall 2009, p. 65. 57 For fuller discussion see Hall 2007.

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orated, Finlaggan pieces were found together. Though one is zoomorphic (possibly depicting a unicorn) and the other of interlace design this does not argue against a close association because they may well represent opposing sides of the same set of pieces (the one side fabulous beasts and the other of geometric or abstract forms). We cannot rule out the pieces representing two sets, with each side in each set being of similar design but distinguished by colour. Sets may also have been of mixed media. Egan, in his discussion of the London pieces suggested that black stained wooden discs could have been opposed by bone or ivory pieces rather than pale wooden ones.58 In contrast the third piece is about as third as big again as the other two and more simply decorated. Both ‘groups’ fit into recognised series. If the combined weight of evidence for both pieces suggests a pre 15th century date what does the wider picture of such playing pieces suggest? From Scotland there is a small tally of figurative bone gaming pieces, including from Iona Abbey; the Bishop’s Palace, Kirkwall, Orkney; Dalcross Castle, Inverness-shire; Stonehaven, Aberdeenshire; Urquhart Castle and Melrose Abbey.59 The animals and monsters depicted include mermaids, rabbits, a grotesque, a horseman, a centaur and an eagle. None of these pieces has a fully secure archaeological context and on artistic grounds have been dated to the 11th–12th centuries, and so considered to be Romanesque. However, recently the pieces from Iona, and also a large interlace disc from Rhum have been re-dated to the 15th – 16th century, in line with the West Highland art tradition.60 Other related material includes the Rhum disc just mentioned and also the blank ivory discs found with the Lewis chessmen, possibly unfinished tablemen. From Rothesay Castle, Bute comes a bone tablesman (not published but on display in the Bute Museum, Rothesay) decorated with a floral motif within concentric circles, comparable to wooden examples from Threave61 and Perth62. Also of note for this discussion is a stone disc from Carrick Castle, Argyll which is crudely decorated with the head of a queen.63 This could be imitating the more elaborate bone tablesmen described above, though it is also possible that this represents an improvised queen piece for a low-status chess set. The larger piece from Finlaggan (illus. 8) has its upper surface incised with two concentric circles just inside the rim and a central compass point within a small circle. The simpler geometric style of decoration on this piece distinguishes it from the other two bone playing pieces and again is consistent with a wider series of such pieces. These simpler forms of tablesmen come in a variety of materials –skeletal, stone, reused pottery and wood – with a variety of ring and dot and/or concentric circle dec-

58 Egan 1998, p. 294. 59 Glenn 2003, p. 184 [Iona], 182–183 [Kirkwall], 183 [Urquhart]; Kluge-Pinsker 1991, cat’s. B59 [Iona], B60 [Kirkwall], B57 [Dalcross], B58 [Stonehaven], B56 [Urquhart]; B55 [Melrose]; Hall forthcoming b. 60 Glenn 2003, p. 184–185. 61 Good / Tabraham 1981, p. 119. 62 Bogdan forthcoming. 63 Ewart / Baker 1998, p. 975, illus. 23.

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oration. Examples across these various media include pieces from Perth High Street64, Urquhart Castle65 and Aberdeen66. They range in date from the 12th-15th century. Outside Scotland the picture is similar and a brief list could cite Goltho in Lincolnshire, Loughor Castle in Glamorgan, London, York and Trondheim, Norway.67 Illus. 9 shows some of the cruder pottery counters/playing pieces from Perth, demonstrative of the wider range of gaming pieces used (not necessarily exclusively for one type of game). The larger piece from Finlaggan is less accomplished than the two smaller pieces and may, like the series of stone discs from the site, indicate gaming practised across all social levels at Finlaggan. The Lord of the Isles and his elite companions were peripatetic in their occupation of Finlaggan and so it would have been for their prized sets of chess and tables. What was not peripatetic was the poorer quality material culture of the permanent occupants who kept the site maintained and ticking over in readiness for the return of their Lord. I noted above the merelles boards from Inchmarnock (illus. 7). Merelles, particularly its variant Nine Men’s Morris, was one of the most popular medieval board games. In terms of archaeological evidence the boards most often survive as graffitiincised designs on stone. The evidence has been reviewed several times, including for Scotland by Robertson in the 1960s.68 His paper dealt with later medieval examples primarily from monastic sites, notably Arbroath and Dryburgh. More recent finds – including St Magnus Cathedral, Kirkwall69; Jedburgh Abbey70 and Inchmarnock71 – maintain this predominantly monastic distribution. The game was played by Romans and Vikings but the known British examples date from the later medieval period, with no boards dating with any certainty earlier than the 11th/12th century. It was certainly a game known to the Vikings – they introduced it to the Faroes for example, where there is a 10th century board from Toftanes.72 The accepted convention is that the game was a Norman introduction to mainland Britain. The Normans played the game presumably because their Viking forebears did. The evidence for the game in pre 11th century Normandy/Brittany is however opaque. I know of no surviving boards for merels. There is gaming evidence, mostly in the form of dice and playing pieces (e.g. from the 10th century ship burial from the Ile de Croix73) though the latter are generally of the type associated with hnefatafl. By the later medieval period various satires portray

64 The ceramic discs remain unpublished, for the bone and wood discs see MacGregor, Hall and Smith et al. 2011, p. 102, 106 and illus. 52; Curteis and Morris et al. 2012, p. 256–57. 65 Samson 1982, p. 475. 66 MacGregor 1982, p. 180–182. 67 For a discussion and references to these pieces see Hall forthcoming b. 68 Robertson 1967. 69 Anon 2002, p. 44. 70 Lewis / Ewart 1995, p. 105–110. 71 Lowe 2008. 72 Hansen 1998, fig. 11b. 73 Price 1989, p. 97 and 415.

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merels as the game of the peasantry and urban poor, in contrast with backgammon, as the game of the urban rich and chess as the game of the aristocratic and church elites.74 This was not an absolute hierarchy; archaeological evidence (including a number of lead badges and toys depicting chess boards from the Netherlands75) indicates that chess was popular at all levels of society. The overwhelming majority of the gaming material culture from late medieval Scotland (in contrast with the First Millennium AD) is related to urban or proto-urban sites, leaving a want of evidence from rural, peasant sites. Such sites when they are excavated are notoriously lacking in almost any material culture and it is tempting to see the lack of gaming evidence likewise as a symptom of material poverty. One way to test this and explore the question more fully would be to identify and excavate rural settlement sites in proximity to or dependent upon some of the towns, castles and churches discussed in this paper as producing gaming evidence (i.e. more hinterland studies at various scales). This has been done, for example, and albeit on a very small scale, in Sweden. There, a notable contrast was found between the royal castle of Edsholm and the neighbouring farms of Skramle and Djupsundet, in the bailiwick of Värmland.76 One of the contrasts between the materially impoverished farms and the castle was thrown-up by the gaming evidence from the castle. This comprises at least two chess pieces and a die (all of horn). Their presence in the castle and absence from the two farms was interpreted as being less likely to mean that farm-dwellers had no nor needed no leisure time than that they chose not to indulge in such pursuits. The evidence from the castle also supports nuances of interpretation beyond thrift versus luxury. In one of the castle buildings interpreted as a possible tavern or barrack were found together a coin, a pair of dice and a third of a wine mug – eloquent testimony to the boredom-defeating life of the soldiers stationed there.

Dice and devotion In Scotland dice are the oldest form of clearly identifiable gaming material culture (albeit some of them would have been used for divination, which shared aspects of performance and contesting the future with gaming). The dice in question are a particular form known as parallelopiped and are common to the first millennium AD (and primarily a late Iron Age phenomenon) of Britain, Ireland and Western Europe.77

74 75 76 77

Hall 2001. Hall 2001. Svensson 1995. MacGregor 1985, p. 129–131; Raftery 1984, p. 247–248.

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Such dice, rectangular or elongated cubes in shape, are generally numbered (with ring-and-dot motifs) on their four long faces, usually to represent the numbers 3, 4, 5 and 6 (in varying orders) and not 1 and 2. The shape may reflect the earlier tradition of lot forms where specific numbering was not marked but different faces could be distinguished by differences in shape or colour. Casting sets of such lots was a form of fortune-telling or divination. The dice are generally made from the shafts of small long bones (typically the metapodials of sheep)78 – the appropriateness of using these bones may ultimately derive from the appropriateness of the animal in sacrifice, which would have authenticated the further use of elements of the carcass for divination. Clarke catalogued 20 definite examples from Scotland (mainly from broch and wheelhouse sites in the Northern and Western Isles, with the exception of two from Caithness) and suggested a date range in the second quarter of the first millennium AD for the majority (though generally they come from unstratified contexts).79 Their predominantly Western and Northern Isles distribution may be a cultural indicator but it may equally be an indication of the availability of raw materials with mainlined dice predominantly made of wood and so less likely to survive in the archaeological record. The excavation of five dice from Scalloway broch pushes the dating range into the middle of the first millennium AD. Four of them were recovered from phase 2, which is broadly dated to 100 BC – 500AD, but they are stratigraphically linked to the end of this phase giving them a late 5th century date.80 The fifth example comes from the start of phase 3 (500–600 AD) giving the whole group a tight dating and a hint of continuity in practice across a time of transition. Usually the ends of such dice are open, but even when solid and intact – as with some antler examples – they are not generally numbered (ibid.) but there are two Scottish examples of end-numbered dice: from the Broch of Ayre, Orkney (where one of the ends is marked with a single dot within a double circle81) and from Scalloway broch, Shetland (where both ends are marked with four ring-and-dots82). These may be symbolic in a non-numerical way or be decorative rather than additional dice values; a die from Bute has its ends decorated with a tri-lobed petal or leaf within a circle83. If the dice were being used in a set then the marking of the ends might distinguish particular die from others in the set. Raftery noted that there were 16 parallelopiped dice from Iron Age and Early Medieval Ireland – all of them bone except for one wooden example from Ballinderry Crannog.84 He suggested the Irish material comprised two size differentiated groups,

78 MacGregor 1985, p. 129. 79 Clarke 1970. 80 Smith /Wilson 1998, p. 174. 81 Clarke 1970, p. 30 no. 7. 82 Smith /Wilson 1998, p. 174. 83 Clarke 1970, p. 229 no. 1. 84 Raftery 1984, p. 247.

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one small, one large, with the smaller examples being earlier in date, i.e. earlier part of the first millennium AD, a pattern which has also been recognised for the Scottish material85; more recently both large and small examples have been excavated at Bornais, South Uist [Sharples] may clarify further the size / date linkage). Such dice could have been used for gambling games, for controlling the moves in board games (with or without gambling) or for divination or fortune-telling (and none of these options excludes the others). The dice from the Knowth ‘gamblers’ burial were interred alongside two sets of gaming pieces.86 These uses might add to any intrinsic appeal to keep the die as an heirloom. A perhaps predominant use without gaming boards is suggested by the lack of any survival of such boards and may be given tentative support (with due caution about over-generalising) by Tacitus’s account of the Germans (ch. 24), whose gaming he describes as essentially gambling with dice. Overlapping with the use of dice in Pictland (as it did in Anglo-Saxon England) and again with Roman antecedents, was the use of astragali. These are a form of casting-lot, a means of making a decision by leaving it to fate, possibly deriving from divination and soothsaying practice. Gambling on the outcome of cast lots is one of the earliest forms of gaming and the three forms of lot-casting: divinatory, decisionmaking and gaming share an impulse to determine the future which probably meant they were inextricably intertwined from the start. Like the parallelopiped dice astragali are a form of quaternary lot, that is where each astragal has four possible faces. The word comes from the Greek for knucklebone, particularly those of sheep and goats. Their irregular shape means that on a hard surface four outcomes are possible, traditionally designated flat, concave, convex and sinuous and associated with the numbers 1, 3, 4 and 6 (the Romans used the 1–3–4–6 numbering in race and dice games, including XII Scripta). There are several examples of astragali from sites in the Northern Isles. Perhaps the most notable is the three from the Broch of Burrian, North Ronaldsay, Orkney, found with 3 parallelopiped dice and 3 conical-style gaming pieces.87 Two of the Burrian astragali are distinctively marked, one with a crescent and V-rod on one broad face and a disc with an indented rectangle on the other. The second has a confused looking design which has not adequately been deciphered. By the second half of the first millennium AD the Roman introduced cubic die had become the commonest form and it is this form with which we are still familiar today. The use of such dice in the medieval period perhaps attracted the greatest level of condemnation from ecclesiastical and secular authorities. That condemnation was though far from universal and (as Purdie has observed) demonstrates the complexity

85 Smith and Wilson 1998, p. 174. 86 For a fresh analysis of this gaming material see Hall / Forsyth 2011. 87 MacGregor 1974, p. 86–88.

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of the place of dice usage in medieval society88. Despite the widespread condemnation the popularity of dice throughout society remained constant, and “periodic royal and civic prohibitions occurred alongside state-sanctioned gambling parlours”89 (illus. 10). Concern over their criminal context was part of a wider European pattern where the repression of three offensive behaviours was particularly targeted: prostitution, gambling and blasphemy.90 Games and gambling were widely perceived as having a strong link to violence and to varying degrees most forms of games were the subject of legal attention because they were amenable to gambling, and it was gambling (and the violence it could lead to) that was the real concern. Gambling was most readily associated with dice and was seen to lead to theft, brawling and murder. The East Window of St Peter Mancroft, Norwich, includes a scene of two dice players with daggers drawn. Gambling also disturbed divine order through blasphemy. Gambling was perceived as an attack on sustenance and sociability: on production, commerce and the family. These problems are neatly summarised in Chaucer’s wordpicture of tavern life and gambling in The Pardoner’s Tale, “the very mother of lying, of deceit and cursed swearing, of blasphemy and manslaughter.”91 The fight was still being fought by the Reformed church: An entry for November 11 1611 in the Kirk Session Register of St John’s Perth records the account of an informer recounting his Sunday time spent gambling with dice and drinking in the house of Walter Young, who was a Deacon of the Kirk. He blamed his wife, refused to allow her to be questioned and was locked-up92 (note also the details of prohibitions by the Kirk on golf, football and nine-pins93). The worst offender in terms of dice games was probably hazard – it offered huge rewards for the winner but could reduce the loser to absolute poverty. The game involved rolling dice and betting on predicted sequential outcomes. In a study of gaming as depicted on misericords examples from Ely and Gloucester Cathedrals were interpreted as depicting board games but in fact it is more likely that both are representations of dice games – the depiction of a plain board on which to role the dice, the two players being shown with dice, and the money that is clearly being gambled, all in fact point to hazard.94 Its presence on misericords probably supported church moralising about the game but Church condemnation of the game (and/or for its world-turned-upside-down celebration) did not stop its play or its popularity. The latter was such that some individuals used references to the game to signal something of their identity. A seal matrix depicting a dog and a hare playing with dice across a

88 Purdie 2008, p. 183. 89 Purdie 2008, p. 184. 90 Dean 2001; MacIntosh 1998, esp. p. 70, 77–78, 90, 96–107) 91 Coghill 1992, p. 155. 92 Lawson 1848, p. 266–67. 93 Lawson 1848, pp. 188, 200 and 242. 94 Hall 2009, p. 64.

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board and carrying the inscription HASARD INHODISMMIN (‘Hazard thy hood is mine’) was used to seal at least two documents in 1296 and 1301 respectively and relating to property in Essex (Nat Archives DL 25/1684 and 1685, available online95; Harvey & MacGuiness 1996, 115). It is not clear who the owner of the matrix was, possibly one Hugh le Beltere of Newport, Essex or Adam Charman, of Rickling, Essex. The inscription presumably means if you play me at hazard I will win everything including your hood (an equivalent to a much later gambling phrase ‘lose your shirt’). The game was included in comic, satirical tales about the saints. The French tale, ‘St Peter and the Minstrel’, is about a minstrel from Sens, who loses everything at dice and winds up in Hell. The Devil leaves him in charge whilst going out to collect more souls and St Peter takes advantage, visiting with a board and three dice to play hazard, staking money against the souls in the minstrel’s care. St Peter wins and the Devil kicks the minstrel out of Hell; St Peter lets him in to heaven.96 In Scotland the word ‘hazard’ is known from at least the 13th century and DST records several instances of it applied to dice and the gambling upon them, including expenditure/losses by the king, in both Perth and Linlithgow. In some respects the link to blasphemy promoted greater concern than gambling because it was a direct sin against God: the blasphemous imploring of aid from God or the saints that often accompanied the rolling of the dice made the dice, in inverting the prayer mode, a blasphemous act. In Florence in 1501 a gambler was hanged for the sacrilegious act of defacing an image of the Virgin Mary with horse dung.97 This recalls a much earlier incident of the late 12th century recorded (and derived from an earlier French source) in Walter Bower’s early 15th century Scotichronicon: During the siege of Châteauroux by Philip of France, mercenaries were playing dice in front of the church of the Blessed Virgin Mary, one of them, frustrated at loosing his winnings, blasphemed and then broke an arm off a near-by statue of the Virgin, blood was seen to pour from the arm and it was treated as a miraculous relic.98 Bower notes ‘”he wretched mercenary was that very day snatched away by the Devil to that place to which he was already leading him and ended his life in a most miserable fashion.” This destination Hell is graphically indicated by Brueghel’s magnificent painting, Triumph of Death, which includes, bottom right, cards, money and a backgammon board all over-turned in the face of the advancing army of death. As an aside here I should point out that although we have no cards surviving from medieval Scotland, they were certainly being played, no doubt including Tarot. James IV in particular appears to have been a profligate spender of money on playing at cards, as he was on dice (see below). Returning to Brueghel’s painting, it was painted in c.1562, when

95 96 97 98

See also Harvey /MacGuiness 1996, p. 115. Brewer 2008, p. 110–111. Dean 2001, p. 57. Corner et. al. 1994, p. 375.

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gaming was still seen as an example of the general folly and wickedness of mankind, rather in the tradition of Hieronymus Bosch and his contemporaries, which also developed from earlier outlooks (as evidenced for example by the stained glass windows in Norwich – showing a bishop being taken away by death against the background of a chess board – and Chartres – where the Prodigal Son window shows him playing chess with dice99). The connection between gambling and dice also has other reflexes for not only were dice frequently used as tools of divination and fortune telling100, itself a root of gambling but they had a role in so-doing in the life of Christ: dice were used at the crucifixion to cast lots, to gamble for Christ’s clothing, thus making his clothing subject to fate. This made dice doubly open to clerical condemnation, being perceived as an inversion of prayer the only legitimate means of trying to influence the future.101It also meant that dice were frequently depicted in a wide range of artistic media as Arma Christi or instruments of Christ’s passion. A probably early 16th century bench end from the Cathedral of St Magnus, Kirkwall, Orkney shows the three dice cast for Christ’s robe.102 In Norwich Cathedral a 15th century Nave roof boss shows three dice being cast for Christ’s garments, with violence about to erupt.103 A 15th century octagonal font in Meigle parish church, Perthshire, shows them beside Christ’s clothing.104 (Many illuminated manuscripts and printed books also show the Passion dice (for example the mid 14th century ivory devotional book now in the V & A Museum105) and often this is in connection with the Mass of St Gregory. Examples include: on a chantry chapel reredos at Hexham Abbey, Robert Campin’s c.1430 painting of the Mass and a 1539 feathers on panel depiction from Mexico (school of Peter of Ghent).106 Gambling and dicing then could be seen as immoral and socially disturbing acts requiring the attentions of the Church and secular legal authorities. There were though in the medieval period variant views. Even divination was not universally frowned upon, as some thought that casting lots for example was a way to divine the will of God (something Augustine of Hippo approved of in his commentary on Psalm 30). There are several Biblical precedents for the use of lots and the Lex Frisionum indicates that in Frisia lots were kept in a reliquary on the altar, one of them marked with a cross and used to determine guilt or innocence. More broadly on gaming, during the canonisation enquiry into St Thomas Cantilupe, Bishop of Hereford, evidence was taken from Hugh le

99 Hall 2009, p. 70. 100 See for example Braekman 1980 and note that the two operate in similar ways using constitutive rather than regulative rules; cf. Ahern 1982. 101 Purdie 2008, p. 184. 102 Caldwell 1984, p. 107–108. 103 Rose / Hedgecoe 1997, pl. p. 108. 104 RCAHMS 1994, p. 24 and fig. c. 105 MacGregor and Langmuir 2000, pl. 48. 106 The St. Gregory’s mass theme is discussed in Hall 2009.

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Barber, one of Cantilupe’s servants. Part of his evidence recounts how he, Hugh, became blind. He prayed for recovery, hoping that he could at least see sufficiently again to see the Host being raised, to move around and “to play at chess and dice”107. Barber goes on to name Dom Philip Walense rector of the church at Stretton, as someone Hugh used to play chess and dice with, both at his home and when they were both in London. That such evidence could be taken to support a proposed canonisation of a venerable ecclesiastic shows that such games were not entirely frowned upon by the Church. A broader gaming parallel is provided by one of the miracle stories of St Osmund of Salisbury. When a girl was struck on the head by a quoit she apparently dies but recovered and offered the quoit at the tomb of Bishop Osmund.108 Indeed there is further evidence of their incorporation in the cult of saints. The museum collections in Aschaffenburg, Bavaria include a double-sided gaming board from the church of Sts Peter and Alexander. The edges of the boards have glass compartments for keeping relics. This board, which dates to circa 1300, probably arrived in Aschaffenburg in the 16th century when Cardinal Albrecht of Brandenburg fled the Reformation in the Halle area. Contemporary documentation of 1531, listing the relics that the Cardinal brought with him includes the gaming board (for both chess and backgammon) of Saint Rupert.109 Of course there were Church divisions on how much the pursuit of games should be tolerated or condemned. There are several 15–16th century examples of elaborate double gaming boards like that from Aschaffenburg, as well as dice and cards, being burnt as part of back to basics, fire and brimstone, campaigns to force people to give up perceived decadent pursuits (ibid, cat. 71 (Bamberg, Germany); and an Italian woodcut, as the bonfire burns a pope looks on and hair and long-toed shoes are cut110;). At a more personal level of reforming zeal it is worth noting the suggestion that the circumstances of the disposal of the Gloucester tabulae set in the early 12th century may be associated with Walter of Gloucester retiring to Llanthony Priory (Stewart 1992). The more inclusive view of games is one that chimes well with the admittedly slight and almost casual remarks of St Thomas Aquinas. In his Summa Theologica (I and II, 32, 1 and 13), he expressed approval of women’s hairstyles and of games and diversions, including verbal play and dramatic representations: “It is good that women should adorn themselves in order to cultivate the love of their husbands and games give delight in that they lighten the fatigue of our labours.”111 There was, of course, a clear distinction between frivolous and useful games (though equally some games can be found in both of these camps), which Rabelais’s Litany of Games, satirises. Smith, in his discussion of this list contrasts it with John of Salisbury’s com-

107 Jancey 1982, p. 200. 108 Malden 1901. 109 Jenderko-Sichelschmidt / Marquart /Ermischer 1994, p. 84–86. 110 See Muzzarelli 2006, fig. 2.12, and Paton 1992, p. 307–336. 111 Quoted in Eco 1986, p. 98–99.

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ments on frivolous and useful games, in Policraticus112 though we should also remember that in the same work (I.5) John condemns the dice gamester (as he did on his trip to Kirkcudbright, mentioned above). This apparent contradiction between seeing gaming as both evil and good should occasion no surprise being yet another everyday manifestation of the thread of contradictory-opposites that runs through medieval culture. Above I outlined the interpretive possibilities for the 14th century misericord from Montbenoit, France, and here I draw on the second, that it represents monastic pursuit of those games. It meshes with other evidence. A twelfth-thirteenth century story recorded by Caesarius of Heisterbach, about a monastery in Bonn, sheds a useful confirmatory light on such monastic practice, mentioning that the monks played games in the cloisters after vespers; many medieval cloisters in England are certainly incised with gaming boards. On-going excavations at Kilwinning Abbey, Ayrshire have recovered from the cloister area several slate-incised gaming boards (pers. comm. Tom Rees; illus. 11). The 14th-15th century reliquary known as Charlemagne’s chess set, from the Collegiate Church of Santa Maria, Roncesvalles (Orreaga), Navarre, Spain takes the form of a chessboard.113 More well known are the late 11th century chess pieces from South Italy, for many centuries in the treasury of St Denis, Paris, preserved as Charlemagne’s chessmen, because they were perceived as relics of Charlemagne. An episode in the tale of Raimond de Montpezat sees him delivered from prison by St Foy and in token of the miracle he takes a chessboard which hangs on the wall of his dungeon and gives it to the shrine of St Foy in Conques. It may be that the series of lead gaming-board badges from the Low Countries (part of a wider series of badges) and which I have previously interpreted as an indication of the social spread of the game counter to the late medieval satire of chess being the game of church and aristocratic elites in fact has something to do with pilgrimage after all.114

End game This contribution has hopefully introduced the reader to the broad range of evidence for board and dice games in medieval Scotland and indicated how that evidence might be understood in a European context. Such a review enables us to see that we can go beyond simply saying that our medieval forebears’ experiences encompassed the playing of games. The diversity of the surviving evidence and the diversity of the board and dice games played (and we by no means know the whole range played) elo-

112 Smith 1934, vol 1, ch. Xxii and p. 112ff. 113 Heredia 1982; Roux 2007, p. 153. 114 Hall 2001.

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quently speak of everyday experiences in a variety of social contexts – urban, rural, ecclesiastical, domestic and lordly-residence (and each by no means limited to a single social class) – by people with nested identities and in varied positions on the moral spectrum. The pursuit of games was morally contested and this opened it up to a rich vein of metaphorical interpretations. Not least the Scottish evidence makes a significant case study to the regional diversity of the everyday European experience. Finally, I hope that this discussion has demonstrated the value of playing the game of chasing down the wider social relevance and contexts of board and dice games, something that has to be done in the light of the fundamental relevance of the material in demonstrating the human propensity for play, that subtle combination of recreation and re-creation: escaping the world and re-fashioning it to our liking; it is about being and becoming.

Acknowledgements This paper stems from on-going research, the initial impetus for which was an exploration of gaming in early medieval Scotland and presented as the 2006 Groam House Academic Lecture.115 followed by a study of board and dice games as an everyday experience in medieval Scotland, with several lectures given in Pitlochry, Dundee and Glasgow and published in 2011. This paper develops that previous work and I am grateful to Matthias Teichert for his invitation to the Göttingen conference. I am grateful to Mary Markus, Tom Rees and Derek Hall for information about the boards from Melrose and Kilwinning Abbeys, to Sheila Garson (Orkney Museum) and I G Scott for information about the Kirkwall chess piece, to Anne Spiers for details of the Rothesay chess piece and to David Caldwell and Jackie Moran for access to and information on the Coldingham chess piece.

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Illustrations Illustration 1: 1a: Set of pieces for hnefatafl from Viking ship burial excavated in Westness, Orkney. © National Museums Scotland. 1b: The figurative cone playing piece from Scalloway Broch, Shetland. © National Museums Scotland Illustration 2: 2a (left): Bone chess knight from Rothesay Castle, Bute, © The Bute Museum, Rothesay, Isle of Bute; 2b (right): Jet chess bishop from excavations in Perth, © Perth Museum & Art Gallery, Perth & Kinross Council, Scotland Illustration 3: 3a: Chess piece from Kirkwall, Orkney © Tankerness House Museum, Orkney Council, Scotland. 3b: Chess piece from Coldingham, Borders, Photography M A Hall courtesy NMS. Illustration 4: 4a: Gaming piece from Cnip, Lewis © National Museums Scotland. 4b: Gaming piece from Birsay, Orkney © National Museums Scotland. Illustration 5: Remains of board, possibly for chess, incised in sandstone masonry block, Melrose abbey. Drawing by Mary Markus, courtesy Historic Scotland. Illustration 6: Fragment of a slate gaming board from excavations in Finlaggan, Islay. © National Museums Scotland. Illustration 7: Slate incised Nine Men’s Morris board from Inchmarnock, off Bute, Scotland. © Headland Archaeology (UK) Ltd and with thanks to the Society of Antiquaries of Scotland for permission to reproduce. Illustration 8: Two bone, decorated tablesmen from excavations in Finlaggan, Islay, © National Museums Scotland

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Illustration 9: Improvised, reused pottery gaming pieces from excavations in Perth. © Perth Museum & Art Gallery, Perth & Kinross Council, Scotland. Illustration 10: A selection of bone die from excavations in Perth, © Perth Museum & Art Gallery, Perth & Kinross Council, Scotland. Illustration 11: Multiple NMM boards incised on a slate excavated at Kilwinning Abbey. Photography Mark Hall, courtesy Tom Reess, Rathmell Archaeology.

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Haretavl – Hare and Hounds as a board game The French Military Game In 1887 the French mathematician Édouard Lucas described and analyzed a board game named Le Jeu Militaire (“The Military Game”). He wrote an article about it in the magazine La Nature.1 In this game three game pieces chase one single piece on a lined board consisting of twelve triangles. The hunted piece may move in all directions while the hunters are only allowed to move left, right or forward. There is no capture and the object of the game is for one player to immobilize the hunted piece, and for the other to let it slip behind »enemy lines”. The three pursuing pieces are placed at one end of the board with the pursued piece on the point in front of them. The player with the single piece opens the game by moving it to the centre of the small board with 11 crossing points. According to Édouard Lucas Le Jeu Militaire had obtained great popularity in French military circles and at the Café de la Régence in Paris. Lucas assisted at an event at the Parisian café in which a champion of draughts defeated a strong chess player in the new game, and solved problems without watching the board. Édouard Lucas quotes a passage from the military magazine Le Bulletin de la Réunion des officiers, from August 1886, according to which this game was invented by a retired sub lieutenant, Knight of the Legion of Honour, Monsieur Louis Dyen. In the same passage the game is recommended as being very useful for officers. The game is said to give an idea about the strategic manoeuvres that three cavalry brigades, named tours (towers), may use in their fight against a military corps. Furthermore, Lucas quotes from a flyer accompanying the box with Dyen’s game. In this flyer Dyen, who names himself “inventor” of the game, offers money rewards to players who can defeat him in a match. However, it seems that opinions differed concerning who was actually the inventor of the game. Lucas mentions in a note that according to Martin Gall, who wrote articles about abstract games in the magazine Gil Blas, the inventor of Le Jeu Militaire was Monsieur Constant Roy, from Saint-Mandé (Seine), one of the eastern suburbs of Paris. Constant Roy, a graduate engineer, did actually take out a patent for an identical game, Le Stratagème militaire, in January 1886. All the rules, and even the game terminology, are identical with those used by Dyen, except that in this case the towers fight against an officer.2

1 Lucas 1887: 402–404, and 1893: 105–116. 2 Boutin 2004: 53. I am thankful to Michel Boutin for sending a photocopy of patent no. 173655 from January 21, 1886, with a description of Constant Roy’s game. “Martin Gall” was a pseudonym of the French chess champion Jules Arnous de Riviére (1830–1905).

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Board and pieces for Le Jeu Militaire.

This historical question was of course not the main interest of the mathematician Édouard Lucas. He was interested in analyzing this relatively simple game, demonstrating that with perfect play the three white pieces should always win within a dozen moves. The English name The French Military Game appeared for the first time in an American games encyclopaedia, The Young Folk’s Cyclopaedia of Games, by John D. Champlin and Arthur E. Bostwick, published in 1890. The short description in this book is based upon the article by Lucas in La Nature.3 Because of its combination of extreme simplicity and strategic subtlety The Military Game attracted the attention of later generations of mathematicians. The Dutch mathematician Fred Schuh analyzed several variants of this game in 1943 in a book with mathematical puzzles that was translated into English in 1968.4 He described both the original French game (The Soldier’s Game) and several modified variants which he had invented himself. In 1952 an extended version of his game The Giant and the Dwarfs was brought out under the name of Ratio, produced by the firm Jumbo (Hausemann & Hötte). With the turn of a disc the game board could easily be changed. In a rule booklet sold with the game Professor Schuh analyzed 14 variants: six blockade games as well as eight conquest games in which the dwarves attempt to kill the giant by jump capture. The giant can also capture dwarves in the same way, but is not obliged to do so.5 Another mathematician who took an interest in the game was Martin Gardner, who discussed it in the magazine Scientific American in 1963.6 Gardner’s article seems to have caused a new interest in the game in the United States. It was released there in

3 Champlin and Bostwick 1890: 362–363. 4 Schuh 1943: 189–192, and 1968: 239–244. 5 Schuh 1952: 1–70. Horn 2001: 94. Thanks to Michel Boutin and Fred Horn for sending copies of these texts. 6 Gardner 1963: 124–130, and 1971: 39–47.

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1970 under the name of Cornered, a French Game of Strategy and Pursuit (Decon Industries, New York).7 The most exhaustive analysis of The Military Game until now appeared in 1982 in the book Winning Ways for Your Mathematical Plays.8 Professor Elwyn Berlekamp wrote Chapter 21 in which he described The French Military Hunt, or Hare and Hounds, as he named it. Like Schuh, Berlekamp invented his own variants, but these were larger than the original board. His medium board has 17 and his larger board 23 crossing points. Play on these extended boards is more interesting, as it makes it more difficult for the hounds to trap the hare. Martin Gardner thought that it was a pity that The Military Game had been forgotten. He wrote in his article from 1963 that “not one of the standard histories of board games even mentions it”. Board game historians like Willard Fiske, H.J.R. Murray and R.C. Bell did not include this game in their works.

An asymmetric blockade game The French Jeu Militaire belongs to a small class of games which have hardly been noticed. I will follow the terminology proposed by Thierry Depaulis and name these games “asymmetric blockade games”.9 Blockade games form a class by themselves. Examples of these relatively rare games have mostly been recorded from Asia, but a symmetric blockade game, the horseshoe game (French jeu du fer à cheval; Swiss-German Ross-Nagle), has also been played in a smaller area of Europe.10 “Symmetric” means that the two players have the same (small) number of pieces (two to four). In the “asymmetric” blockade games one player has one game piece and the other between three and five. The object of all blockade games is to block the opponent so that his single piece cannot move. One loses if this is not possible. There are no captures in these games. In this respect they differ from a much better known class of board games, the so-called “hunt games”. In these games the single piece is allowed to capture the hunters. As a consequence of this rule a higher number of hunters is necessary (normally between 10 and 30), and the game board is correspondingly larger. The object in the hunt games is likewise to block the single piece (sometimes two or more pieces), but in a number of cases there is an alternative or additional object, namely to occupy a certain number of places at the opposite end of the board. It is

7 Boutin 2001: 53–54. 8 Berlekamp, Conway and Guy 1982/2003: 647–665,711–729. 9 Depaulis 1999: 21–26. Michaelsen 2009: 149–163. 10 Murray 1952: 92–93.

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therefore with some modification that hunt games may be categorized as “asymmetric blockade games with capture”. The first to distinguish the class of asymmetric blockade games was Assia Popova in her article on Mongolian board games from 1974.11 She calls them jeux de poursuite, “pursuit games”. The Mongolian examples, üxrijn ever (“ox horn”) and neg tugal tuux (“lead the calf”), do not seem to be related to any European games. The European games of this class can be divided into three main subcategories, according to the game board design: – games on extended merrels/Three Men’s Morris boards, like the Jeu Militaire; – games on quadratic, rectangular or circular boards with a central circle – this sub-category is known from central and southern Europe; – games on the draughts board (8x8 or 10x10). In this paper I am going to discuss the first two of these subcategories: asymmetric blockade games played on lined boards, especially the first one, which seems to have been known in northern Europe since the Middle Ages.

Haretavl – a Scandinavian forerunner of The French Military Game As I have demonstrated in articles published in Danish in 1998 and 2009, The French Military Game had traditional forerunners in Scandinavia and the Baltic countries.12 The earliest Scandinavian reference that could relate to the game is probably the headword harespil (“hare game”), included by the Danish linguist Mathias Moth (1649–1719) in his collections for a dictionary of the Danish language – a dictionary that was never published.13 It seems likely that harespil is identical with haretavl, a headword in Videnskabernes Selskabs Danske Ordbog (“The Academic Society’s Danish Dictionary”) Volume 2, published in Copenhagen in 1802. Haretavl is here described as a kind of Dragtavl (a general term including board games like draughts and merels), in which one player has only one piece, and the other player several pieces with which he seeks to bind his single piece. This short description can hardly refer to any other game than the game known under the name of haretavl in a number of later Danish sources.14 In addition to this early evidence I have found at least 23 descriptions in later Scandinavian dictionaries, folklore collections and game books which almost cer-

11 12 13 14

Popova 1974: 19–23. After Namzhildorzh 1963 and 1966. Michaelsen 1998: 11–44, and 2009: 149–163. Kalkar 1881–1907: “harespil”. VSO II, 1802. See also Molbech 1832–1859, and Feilberg 1886–1914.

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tainly refer to a traditional board game similar to, or practically identical with, The French Military Game.15 These descriptions testify that around 1860 the game was known in at least three different parts of Denmark: on the island Bornholm in the Baltic Sea, in the western part of the island Funen, and in the north-western part of Jutland.16 At that time it had also been described in two anonymous game books printed in Copenhagen in 1853 and 1862.17 This makes it very likely that some people in the Danish capital knew the game at that time. The Norwegian and Swedish descriptions of the game all derive from the beginning of the 20th century. The Norwegian evidence come from only three areas: two places in western Norway, around 100 km north of Bergen, three places in the region Trøndelag east of Trondheim, and one place in the northernmost part of Trøndelag, 65o north. All these places are situated near the sea or a fjord.18 The Swedish evidence is even more sporadic. It seems that the game was only played in the extreme southeastern corner of Sweden, in Österlen in south-eastern Scania. The only known examples come from three parishes along the coast near the town of Simrishamn.19 There have always been close cultural ties between this area and the Danish island Bornholm. The game had several names in Scandinavia. There is evidence of the name haretavl in most parts of Jutland20 and a corresponding name, haratawla, in Bornholm.21 In these areas we also find similar game names such as gåsetavl/gåzatawla, and rævetavl/ræwatawla, names of the hunt game also known as ræv og gæs in Danish, and as Fox and Geese in English.22 In haretavl, as the name says, the hare was the key figure, and it was without exception hunted by hounds. A common Danish name of the game was hund efter hare (“hound after hare”). Similar names were used in parts of Norway and Sweden where the game was played.23 As this name does also denote a completely different outdoor game, I have decided to use the Danish word haretavl as a generic term for variants of this game. Other Scandinavian names of the game seem to have been used more locally. These names reflect that the game could occasion-

15 JO; ØMO; Norsk Ordbok 2014; Dansk Folkemindesamling; Dansk Dialektforsknings samlinger; Folkminnessamlingen/Nordiska Museets Arkiv; Dialekt- och Ortnamnsarkivet i Lund; Folklivsarkivet i Lund; Espegaard 1972–2000; Espersen 1908; Kristensen 1898; Kvolsgaard 1891; Skyum 1951; Knudsen and Lüttichau 1921; Spillebog for Børn; Drengenes egen Bog. 16 Espersen 1908, Fynsk Hjemstavn 1937: 30, and Kvolsgaard 1891: 109–110. 17 Spillebog for Børn: 35–36, and Drengenes egen Bog 1862: 47–48; 1868: 36–48. 18 NO 2014 – Setelarkivet and Trønderordboka. 19 Tillhagen 1947: 1285–1290; Folkminnessamlingen/Nordiska Museets arkiv; Dialekt- och Ortnamnsarkivt i Lund, Folklivsarkivet i Lund. 20 JO; Feilberg 1886–1914; Kristensen 1898: 332–333; Kvolsgaard 1891: 109–110; Skyum 1951: 285. 21 Espersen 1908. 22 Espersen; Dansk Dialektforsknings samlinger; JO; Feilberg; Kristensen; Kvolsgaard; Skyum. 23 NO 2014 – Setelarkivet; Folklivsarkivet i Lund.

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The board with 11 points

The board with 9 points

A board with 12 points from Vendsyssel, Northern Jutland

Haretavl – Hare and Hounds as a board game

A board with 21 points from Thy, Northwestern Jutland

A round board with 13 points from Western Funen

A board with 12 points from Vendsyssel, Northern Jutland

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ally be played with one fox and three hounds, or with three whelps or puppies and a bitch.24 To many of the descriptions of haretavl a diagram is attached, showing the layout of the game board. Seven out of 16 diagrams show the board with 11 points, but in one case this has no inner diagonals. Five other diagrams show a smaller nine-point board, identical with the board for Fred Schuh’s modified Game of Dwarfs. The last four boards are unique, and may perhaps be regarded as the result of local experiments. The board with 11 points is recorded from Funen, from the anonymous game book for children printed in Copenhagen in 1853, from south-eastern Sweden, and from three places in Norway.25 The board with nine points is recorded from eastern Jutland, from Bornholm, from a game book printed in Copenhagen in 1921, from a place almost 200 km north of Trondheim, Norway, and from the tiny island Birkholm south of Funen.26 On Birkholm the game was played on a stylized depiction of the islet. Three hounds hunted the hare, which could only be captured at four named localities. This last piece of information fits better with the 11-point board. A board with 12 points is recorded from a place in Vendsyssel, northern Jutland.27 This looks like an extension of the nine-point board. A circular board with 13 points is recorded from a place in the western part of Funen.28 In this case the board with 11 points is extended with two extra points. A circle frames an inner square with nine points. The three hounds can lock the hare up on four points on this circle. It is a bit unclear if the inner square had diagonals or not. In any case, it is impossible for the hounds to catch the hare with optimal play. A large board with 21 points is recorded from a place in Thy, north-western Jutland.29 This board looks like an extension of the 11-point board. In this game four hounds chase the hare. The hounds are not allowed to move backwards, while the hare may move in all directions. An even larger board with 29 points is recorded from a place in eastern Jutland. This board consists of four nine-point boards put together in the shape of a cross.30 Regarding the rules of the Scandinavian variants, a rule that restricts the mobility of the pursuers is only mentioned explicitly in two sources: in the description of the

24 NO 2014 – Trønderordboka; Folkminnessamlingen/Nordiska Museets Arkiv; Dialekt- och Ortnamnsarkivet i Lund. 25 ØMO and seddelsamling; Spillebog for Børn: 35–36; Tillhagen 1947: 1285–1286; Folkminnessamlingen/Nordiska Museets Arkiv; NO 2014 – Setelarkiv and Trønderordboka; Barneleikar fra gard og grend: 79. 26 Kristensen 1898 and illustration in Dansk Folkemindesamling; Espersen 1908; Knudsen and Lüttichau 1921; NO 2014 – Trønderordboka; ØMO and seddelsamling. 27 Espegaard 1972 and 1986; JO and seddelsamling. 28 Fynsk Hjemstavn 1937: 30; ØMO and seddelsamling. 29 JO and seddelsamling. 30 Kristensen 1898 and illustration in Dansk Folkemindesamling.

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large variant from Thy just mentioned, and in the description in Drengenes egen Bog (“Boy’s Own Book”) which may be based upon a British tradition.31 In the Norwegian rules followed in Trøndelag such a restriction on moves was probably implied. Here the hare can only be captured at the top of the board, like in Fred Schuh’s rules of the Soldiers’ Game.32 In several other Scandinavian descriptions of haretavl the hare can be captured at both ends of the board, a rule that implies that the hounds can move in all directions. Rules that restrict the moves of the attackers, so that they can only move forwards or laterally, are known from a number of hunt games. In these games this rule serves to create a better balance between hunting and hunted pieces, making the game more exciting. The initial position of the pieces differs in the Scandinavian descriptions of haretavl. In most examples the hounds are placed at one end of the board, but in one example from eastern Jutland the hare is placed at the central point on a nine-point board, surrounded by hounds on three out of four sides.33 Other sources mention that the hare and sometimes both the hare and the hounds may be placed anywhere on the board.

Haretavl in the Baltic Countries As we have seen, haretavl was played in Denmark as early as in the 18th century. It seems, however, that the game was played in Riga, Latvia, as early as around 1300. During excavations in Riga in 1974 and 1975 two primitive game boards were found.34 One of these is especially interesting in this connection. On a cellar floor under a stone building from the 13th century a 47 cm long, 17 cm wide and 2 cm thick board of oak was found. This had the contours of various board game variants incised on both sides. The stone houses from this part of the town were built in the second half of the 13th century, and the Latvian professor of archaeology Andris Caune dates the game board to the end of the 13th century, or the beginning of the 14th century. One of the six incised patterns is easily identified as the one normally used for the board game Nine Men’s Morris. Rather unusually, it has a star pattern in the central square. During excavations in Århus, East Jutland, Denmark, in 1994, a wooden plank with the same pattern was found near the cathedral. The Danish archaeologist Hans

31 Drengenes egen Bog 1862: 47–48; 1868: 36–38. It has not been possible to find an edition of a British Boy’s Own Book with this description. 32 Barneleiker fra gard og grend: 79; NO 2014 – Trønderordboka; Schuh 1943: 189–192; Schuh 1968: 239–244. 33 Kristensen 1898 and illustration in Dansk Folkemindesamling. 34 Caune 1993: 455–460.

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Game boards from Riga, c. 1300 AD

Skov who found it suggests that two games were combined in one: a Nine Men’s Morris board with a board for Three Men’s Morris in the centre.35 A similar pattern, in which the central square is only crossed by two instead of four lines, is found in a slightly older Nine Men’s Morris board from Riga. This is from the beginning of the 13th century, while the Århus board is from around 1200. Another of the six patterns with only nine crossing points is easily identified as the figure used for Three Men’s Morris. The last four patterns differ from patterns of well-known games. Three of these are identical with 11 crossing points, while the fourth is a bit different at both ends, with 14 crossing points in total. Andris Caune proposed in his article from 1993 that these were local Riga variants of Three Men’s Morris. In the autumn of 2000 I contacted Professor Caune and drew his attention to the fact that three of these game diagrams had exactly the same pattern as the board used for haretavl. The fourth diagram with 14 crossing points might be a local variant of this. The game played in Riga had probably a German name. Pieces of pottery reveal that German newcomers, workmen or merchants, occupied the house in which the game board was found. The slightly older Nine Men’s Morris board from a Livonian fisherman’s farm testify that the original population in this area amused themselves with a similar kind of pastime.36 In 1282 Riga had become a member of the Hanseatic League. This was an economic alliance of trading cities and their guilds that established and maintained a trade monopoly along the coast of northern Europe. It stretched from the Baltic to the North Sea and inland, during the Late Middle Ages and Early Modern Period. It seems

35 Skov 1997: 29–31. 36 Caune 1993: 455–460.

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A board with 11 points from Saaremaa, Estonia

very likely that the game played in Riga may have been known in other Hanseatic towns along the Baltic Sea. That this game was actually identical with the game later known in Denmark as haretavl seems to be confirmed by the existence of an Estonian variant, named Jänes ja koerad (“hare and hounds”) or Jänes soppi (“the hare to the corner”). Dr. Alexey V. Lobashev kindly drew my attention to the description of these games in a book by Aleksander Kalamees, Eesti rahva-mänge (“Estonian Folk Games”), published in Tallinn 1960.37 From Vändra in the south-western part of Estonia is recorded a wellknown related game with one hare and four hounds on an 8x8 draughts board. A shorter description from Kärla describes Jänes soppi as being played on the board with 11 crossing points, similar to the one used in most variants of haretavl, but without inner diagonals. An identical game board is depicted in the Danish Drengenes egen Bog (“The Boy’s Own Book”), Copenhagen 1862.38 As this book is allegedly a translation of a British Boy’s Own Book, this game board was possibly known in Britain, too. In the Estonian game one cuts four small figures out of a wooden stick. Three of these are sharp. They are hounds with sharp teeth, while the fourth has a cut like a hare with a cracked lip. As in several of the Scandinavian variants the initial position of hare and hounds is optional. Kärla is situated in the south-western part of the island Saaremaa, not far from the Gulf of Riga. From the founding of Riga in 1201 until recently, the Baltic countries have had a turbulent history. For long periods the same rulers governed Riga and Saaremaa, but more important is the short distance between the two places. There were normally good trade connections and cultural contacts between the countries around the Baltic Sea. It is therefore no surprise that Riga, Saaremaa, Bornholm and Scania did share a common game. The evidence from Saaremaa seems to support my hypothesis that the Riga game boards were used for a game like haretavl. We cannot be sure, however. Aleksander Kalamees recorded another variant from Kärla, played on the

37 Kalamees 1960: 116–117. 38 Drengenes egen Bog: 47–48/36–38.

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same board with 11 crossing points. This is played with three hares and three hounds. In this game the players try to get three pieces in a row. It thus remains a possibility that the Riga game boards were used for Three Men’s Morris. As this is the only known evidence of such a game on the 11-point board, and as the 11-point board with the added triangles seems to be designed for a game where a hunted piece can be trapped in one corner, I find it much more probable that the Riga game boards were used for a blockade game.39

Haretavl in Spain Alexey Lobashev has drawn my attention to one more variant of this game, described in a Spanish game book from around 1900. In his book Juegos de los niños en las escuelas y colegios (“Children’s Games in Schools and Colleges”), published in Madrid in 1901 or 1904, Father Santos Hernandéz collected the rules of a lot of games.40 In Chapter III, Juegos de cálculo, he describes several abstract board games, including La liebre perseguida (“The Chased Hare”). This game is played on the well-known 11-point board. In this game three galgos (a Spanish sort of greyhound) chases the hare. There is a fixed initial position identical with the one used in Le Jeu Militaire, but the task of the greyhounds is more difficult in the Spanish variant, as they are only allowed to move diagonally or straight ahead, not laterally. Perhaps as a means of reducing the advantage of the hare, another special rule was used in this game: before the two greyhounds that flank the hare in the start position make their first move forwards, they are allowed to move backwards to the corner point, where the third greyhound is situated, if the latter has left this position. Despite this rule, it seems that Santos Hernandéz is wrong when he writes that the galgos should always win. This special rule was included in the rules of both Le Jeu Militaire and Le Stratagème Militaire, published in 1886. In his article from 1887 Édouard Lucas, however, abandoned the rule that the untouched hunters could move one step backwards on their first move, as he thought that the hunters would win anyway.41 It thus seems that exactly the same game was played in Paris in 1886 and in Spain around 1900, with only one difference: in the Spanish game the hunters could only move forwards.

39 Perhaps one more variant of haretavl may be traced back to the Middle Ages. In Èndrei 1986/1988: Fun and Games in old Europe the nine-point board for haretavl (as well as a less plausible eight-point board) is depicted. One gets the impression that the author regards this as a medieval game, but both description and name of the game are unclear, and unfortunately the readers receive no information about his sources. 40 Hernandéz 1901/1904: 183. 41 Lucas 1887: 402–404; Lucas 1891: 105–116.

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Medieval Hare hunt game from Spain

It is difficult to say anything about the age of this Spanish hare hunt game, as we do not know which sources were available for Santos Hernandéz when he wrote his book. The earliest known description of a hunt game occurs in the manuscript of Alfonso el Sabio from 1283. This game, played with 10, 11 or 12 hunters and one hare on a 25-point alquerque board, is named Cercar la liebre, “Catch the Hare”. The object of this game is to block the hare, but the hare can capture hunters by short jump captures.42 This medieval Spanish game is somewhat different from the other games dealt with in this paper, but the concept of hunters trying to trap a hare on a game board is the same. The evidence from Riga indicates that a smaller hunt game without captures, or, better, an asymmetric blockade game, was likewise in existence in the late 13th century.

Haretavl and other asymmetric blockade games The evidence from Scandinavian countries, Baltic countries and Spain support the hypothesis that the game supposed to have been invented in Paris in 1886 was not a new invention, but most likely a reincarnation and popularization of a much older traditional board game. One might suppose that the two Frenchmen who claimed to have invented the game knew a similar folk game, be it from France, or from another country.43 This hypothesis is further strengthened by the existence of a number of

42 Murray 1913: 569 and 616–617. 43 It is possible that the postulated “inventors” did invent the rule of a fixed initial position with the hunters at one end of the board. Such a rule is not mentioned explicitly in sources dating from before 1886. It seems, however, to be implied by the rules given in the Danish Drengenes egen Bog, published in Copenhagen in 1862. Here the hounds can only move forwards, which only makes sense if they start

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closely related games played in various parts of Europe. Several of these might very well have been played for centuries. A game similar to haretavl, but played on the draughts board with four or five hunters, is certainly older than the Jeu Militaire. Édouard Lucas described it, and it can be traced back to German sources from the early 19th century that describe or refer to a game named Wolfsspiel or Wolf und Schafe (“Wolf Game”/“Wolf and Sheep”).44 One may assume that the game played on the smaller, lined boards was known in Germany before the early 19th century, and that it fell into oblivion, while the new game, transferred to the draughts board, became popular. In a similar way, the medieval hunt game Fox and Geese was transferred from a lined board to the draughts board. Pierre Mallet was the first to describe this new variant in his draughts book, published in Paris in 1668.45 This game did not, however, gain the popularity comparable to that of the variants played on lined boards. A group of asymmetric blockade games have been played in central and southern Europe on various boards. These game boards are generally larger than those used for haretavl , having from 21 to 41 crossing points. A characteristic feature is a pattern with a central circle surrounded by several half circles that are placed along the edge of an outer circle or square. In these games the hunters may move in all directions. This means that there are no safe places for the hunted piece. If played correctly, the hunters always win. The strategy of the hunted piece is to force the hunters to a longer hunt. As shown by Thierry Depaulis and Carlo Gavazzi such games have been played in France and Italy.46 In Vernou-en-Sologne, Central France, schoolchildren in the 1940s played the game Le Jeu de gendarmes et le voleur (“The Game of the Gendarmes and the Thief”) on two different boards with the same topological pattern: one with a cir-

at one end of the board. The book is allegedly translated from English, but may partially be based upon Danish tradition. The idea of creating a military version of a hunt game is also known from the so-called Belagerungsspiel (“Game of Siege”), Asalto, or Jeu d’Assault, a variant of Fox and Geese that became popular in Germany and France in the early 19th century. But a military game could also be turned into a hunt game. When Henri Issanchou introduced his “new” Jeu de Renards in Paris in 1879, he simply turned the attackers and defenders from the Jeu d’Assault into foxes and hens, and the fort into a poultry house, see Issanchou 1889. 44 Campe 1811: 761; Alvensleben 1853: 645, which contains descriptions of its rules. The earliest detailed description in a Scandinavian language is found in Norman 1878: 162–165. It is named varg och får (“wolf and sheep”), even if an alternative Swedish name is added: mota Olle i Grind (literally: “stop the bull at the gate”, that is to “take the bull by the horns”). The Danish Drengenes egen Bog from 1862 mentions briefly that Haren, forfulgt af hundene (“the hare chased by the hounds”) can also be played on a draughts board. This game is also mentioned in Danish dialect dictionaries; see Michaelsen 2009: 149–163. 45 Mallet 1668. 46 Gavazzi 1997; Depaulis and Gavazzi 1999: 46–50.

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Board for the game of Les Gendarmes et le Voleur, Sologne, Central France

Board for the Gioco dell’Orso, Piedmont, Northern Italy, and for the Jeu du Lièvre, France

Board for the game Chasing the Hare, Greece

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cular, and one with a quadrate outer edge. In this game three gendarmes chase a thief.47 In Il Gioco dell’Orso (“The Bear Game”) from northern Italy three hunters chase a bear. In this game, which is still played in Forgnengo in Piedmont, the hunters are placed in the centre, surrounding the bear on three sides. This initial position was also used in a Scandinavian variant of haretavl, and in the Greek children’s game To kynégi tou lagoú (“The Game of Chasing the Hare”). In this game, described by Maria Argyriadis, three children take part in the hare hunt: one moves the hare, another the hunter, while a third child moves the hunter’s two hounds.48 A game identical to the North Italian “Bear Game” was manufactured by a man in Nantes, western France, in 1917, under the name of Le jeu du lièvre (“The Hare Game”). It was apparently regarded as a traditional French game.49 The Piedmontese gioco dell’ orso may be quite old, as it has been found carved into a rock together with other diagrams of board games. Unfortunately, the rock carvings with board game graffiti found by Carlo and Luca Gavazzi are very difficult to date. Carlo Gavazzi explains that most of them are datable between the 18th and the 20th centuries. Two of these North Italian graffiti game boards have a design which somewhat resembles that of most haretavl boards. A game board from Vignone (province of Verbania) has 17 possible places, as two extra lines have been added to the 11-point board. One of the Riga game boards from c.1300 has a similar design in one of its two ends. Unfortunately no one in Vignone could explain how the game was played. The diagram is located on one of the stone slabs that cover the wall surrounding the church square. The church of San Martino is from the late Renaissance, which means that the earliest possible dating of the diagram is the 17th century.50 Another board from Montaldo di Mondovi (province of Cuneo) has a rhomboid shape with 11 possible places. This is topologically identical with the board for haretavl/The French Military Game. It was found during excavations in the protohistoric settlement, though without any archaeological context. Thus, no dating is available.51 Recently Mark Hall has turned my attention to several graffiti game boards from England and Scotland of a similar type. He has discovered these boards in the cathedrals of Salisbury and Lincoln, and has also found some similar boards in the recently published material from Inchmarnock monastery (off the west coast of Scotland). The diagram from the east cloister of Salisbury Cathedral, southern England, has a rhomboid shape like the one from Montaldo, but with two extra lines as in the diagram from

47 Edeine 1974: 607. 48 Argyriadis 2002 and 1997: 93–95. 49 According to the French newspaper L’Illustration of 29 December 1917, with a long article about games and toys designed for the blind. Thanks to Michel Boutin and Thierry Depaulis for finding and sending information about this. 50 Gavazzi 1997: 13, fig.15; 53, fig. 18. Depaulis 1999: 23. 51 Gavazzi 1997: 14, fig. 18; 78, fig. 187. Thanks to Thierry Depaulis for clarifying this.

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Game boardm from Vignone, Northern Italy

Game board from Montaldo di Mondovì, Piedmont, Northern Italy

Scratched board from Salisbury, England (courtesy Mark Hall)

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Vignone.52 Thus, it seems that games of this type had a wide geographical distribution in Europe. It has been suggested that many of the circular “Roman wheel patterns” and other pavement signs from the Greek, Roman and Byzantine periods should be interpreted as game boards. It is interesting to compare the board designs of several of the asymmetric blockade games played in France, Italy, and Greece in the 20th century with some of the carvings found in Roman cities like Rome, Ephesus, or Didyme.53 Some of these possible game boards from antiquity should perhaps be regarded as “topos markers”, that is, marks on the ground that helped people to stand there during official celebrations. Other diagrams might have functioned as magical signs, or, simply as decorations. In his article “Bärenjagd in Augusta Raurica?” Ulrich Schädler has proposed that two plates of sandstone with a special pattern similar to that of a handball field might be interpreted as game boards for the Bear Game. These possible game boards from the 3rd century were found during excavations in Augst, Switzerland, the Roman Augusta Raurica. I can understand that Ulrich Schädler now tends to believe more in another interpretation: that these plates were used as moulds in metal production. However, I do not think that the hypothesis that some of the Roman diagrams were used for blockade games should be discarded completely. Apart from the similar game design, computer analyses seem to show that at least some of the ancient diagrams do function as game boards for blockade games.54 It may be uncertain if this type of board game was known already in the Roman Empire, but the evidence I have collected in this paper makes it quite probable that a forerunner of the Parisian Le Jeu Militaire and the Scandinavian haretavl can be traced back to at least 1300. Recent research by Mark Hall seems to support my hypothesis that this game type was known in the Middle Ages. I suppose that other old game boards of this type may have been found, but without having been identified correctly. It is to be hoped that future research might be able to add new information to our knowledge about this neglected category of board games.

52 Personal communication from Mark Hall. 53 See Gavazzi 1997: 15; Depaulis and Gavazzi 1999: 46–50, and diagrams in Rieche 1984 and 1986; Höckmann 1996: 252–262 and pl. 44–47, Bell / Roueché 2007: 106–109. 54 Schädler 2002: 8–11, and personal communication from Ulrich Schädler. See also the web page by Mats Winther with short articles and computer implementations of “Hare Games” and “Bear Games”, http://hem.passagen.se/melki9/. Thierry Depaulis (1999: 21–26) suggested that some round Roman boards described as “radmühle” were not used for merrels/three-in-a-row, but for a blockade game, perhaps for a symmetric blockade game like the Maori game mu-torere. I agree with this suggestion.

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Die Brettspiele des mittelalterlichen Irland und Wales* Das Spielen von Brettspielen wird in mittelalterlichen irischen und walisischen Texten häufig als eine der typischen Fähigkeiten eines Helden oder als Zeitvertreib an Herrschersitzen beschrieben, Spielbretter erscheinen regelmäßig in Auflistungen von Kostbarkeiten und dennoch haben wir anscheinend wenig Kenntnis davon, was es mit den in der überlieferten Literatur beschriebenen ‚keltischen‘ Brettspielen des mittelalterlichen Irland und Wales eigentlich auf sich hat. Bei den Begriffen „Kelten“ oder „keltisch“ ist eine kurze Warnung vor einer unkritischen Verwendung nötig. Je nach Wissenschaftsdisziplin (Sprachwissenschaft, Archäologie, etc.) gibt es unterschiedliche Definitionen dieser Begriffe, die sich nicht notwendigerweise überschneiden und auch nicht immer in Einklang bringen lassen. In der Archäologie werden die von den Griechen als Keltoi, bzw. von den Römern als Galli bezeichneten Gruppen mit der späten Hallstatt-Kultur des achten bis fünften vorchristlichen Jahrhunderts sowie der späteren La Tène-Kultur des fünften bis ersten Jahrhunderts v. Chr. assoziiert. In der Sprachwissenschaft bezeichnet der Begriff „keltische Sprachen“ einen Zweig der indo-europäischen Sprachfamilie. Darunter gehören (neben anderen) Irisch und Kymrisch (Walisisch) zu den inselkeltischen Sprachen, also denjenigen Sprachen, die auf den Britischen Inseln gesprochen wurden oder teilweise sogar heute noch gesprochen werden.1 Ein großer Teil der Textkulturen des mittelalterlichen Irland und Wales ist in diesen inselkeltischen Sprachen erhalten geblieben, kann also gemäß dieser sprachlichen Definition als keltisch bezeichnet werden. Dies setzt jedoch noch keinerlei kulturelle Identität mit anderen historisch oder archäologisch als keltisch bezeichneten Gruppen voraus. Die Verwendung dieser Begriffe im vorliegenden Beitrag folgt dem Ansatz von Sims-Williams, der sich für einen vorsichtigen, den jeweiligen Disziplinen entsprechenden, Einsatz unter Berücksichtigung einer möglichen Nichtübertragbarkeit zwischen modernen wissenschaftlichen Disziplinen, Regionen oder Jahrtausenden ausspricht.2 Bei einer Betrachtung der Brettspiele des mittelalterlichen Irland und Wales ist die grundlegendste Aussage, die getroffen werden kann, dass sie – wie Schach oder Dame – von zwei Spielern auf einem rechteckigen oder quadratischen Spielfeld gespielt wurden.3 Sobald wir genauere Aussagen treffen wollen, etwa über die genaue

* Bei dem vorliegenden Beitrag handelt es sich um eine überarbeitete und deutsche Fassung des ursprünglich in (Bock et al. 2011) erschienen Textes (Niehues 2011). Für die freundliche Zustimmung zur Neubearbeitung möchte ich den Herausgeberinnen und dem Verleger danken. 1 Fife 2009, S. 3–5. 2 Sims-Williams 1998, S. 33. 3 MacWhite 1945, S. 31.

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Spielweise, stoßen wir auf Probleme. Es ist uns keine vollständige Beschreibung von Spielregeln der ‚keltischen‘ Brettspiele erhalten und auch die archäologische Überlieferung ist bestenfalls lückenhaft. Durch eine Kombination der Erkenntnisse die aus den archäologischen Funden gewonnen werden können mit einem Überblick über die Informationen über die Brettspiele aus den überlieferten Texten die die Brettspiele erwähnen oder behandeln, möchte dieser Beitrag zeigen, dass die Situation wesentlich weniger unklar ist, als allgemein angenommen wird. Eine Identifikation der Spiele oder von Gruppen verwandter Spiele setzt eine genauere Kenntnis der jeweiligen Details voraus. Hierzu sollen einerseits die (archäologischen und textuellen) Quellen auf Hinweise zur materiellen Beschaffenheit der Spielbretter und Figuren untersucht werden. Andererseits ist zu untersuchen, ob und welche Aussagen zur tatsächlichen Spielweise bzw. zu Regeln gemacht werden können. Hierbei ist u.a. von Belang, ob es sich bei den Brettspielen um sogenannte Jagdoder Kampfspiele (s.u.) handelt, wieviele Figuren welcher Art jeder Spieler hat, wie diese gezogen werden, und wodurch ein Spiel gewonnen wird. Weiterhin soll die Frage der Ähnlichkeit dieser Spiele mit dem bekannteren Schach untersucht werden, da ihre Namen doch üblicherweise – auch in modernen Übersetzungen von Texten – mit diesem Begriff übersetzt werden. In diesem Beitrag werden Spiele aus Irland und Wales behandelt, mit kurzen Bezügen auf Spiele aus Skandinavien und der römischen Welt. Die irischen Spiele sind fidchell, etwa ‚Holz-Sinn‘, brandub, ‚Rabe-Schwarz‘, und búanfach, möglicherweise ‚andauernder Hieb‘.4 Die in den walisischen Quellen erwähnten Spiele sind ffristial, gwyddbwyll (ebenfalls etwa ‚Holz-Sinn‘), das mit dem irischen fidchell etymologisch verwandt ist, sowie tawlbwrdd (zur Deutung dieses Begriffs später mehr). Um weitere Hinweise auf die Eigenschaften dieser Spiele zu gewinnen, werden die römischen Spiele tabula und latrunculi (ludus latrunculorum) ebenfalls kurz behandelt. Für eine Betrachtung ‚keltischer‘ Brettspiele möglicherweise unerwartet gibt das lappländische tablut uns hier ebenfalls entscheidende Hinweise und wird daher ebenfalls herangezogen. Vor einer detaillierten Betrachtung der überlieferten irischen und walisischen Texte soll ein Überblick über die relevanten archäologischen Funde sowie die aus ihnen möglichen Schlussfolgerungen gegeben werden. Dabei stellen einige Spielbretter, die bei archäologischen Ausgrabungen im gesamten Gebiet der Britischen Inseln gefunden wurden eine wichtige Quelle für die behandelten Brettspiele dar. Obwohl generell Vorsicht angebracht ist, archäologische Funde und überlieferte historische Texte zueinander in Bezug zu setzen, entsprechen einige der gefundenen Spielbretter den Beschreibungen in uns überlieferten Texten in einem solchen Ausmaß, dass trotzdem einige Schlussfolgerungen gezogen werden können.

4 MacWhite 1945, S. 26.

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Brettspiele kommen häufig in den überlieferten irischen und walisischen Texten des Mittelalters vor, in den meisten Fällen sind dies aber nur kurze und beiläufige Erwähnungen. Diese Erwähnungen liefern selten mehr als nur bruchstückhafte Hinweise zu diesen Spielen, wohl weil vom damaligen Publikum angenommen werden konnte, mit den Spielen vertraut genug zu sein, um keine detaillierten Erklärungen zu benötigen. Nur in einigen seltenen Fällen behandeln Texte diese Spiele direkt, daher werden die Texte auch auf indirekte Hinweise zu den oben genannten Identifikationsmerkmalen untersucht. Einige Autorinnen und Autoren haben sich dieses Themas bereits angenommen. Der einflussreichste Artikel ist hier „Early Irish Board Games“ von Eóin MacWhite (1945), der die Grundlage aller weiteren Arbeiten zu diesem Thema bildet. Eine entscheidende Wendung, die den Schlüssel zum Verständnis der frühen europäischen Brettspiele bilden sollte, war die Wiederentdeckung eines Berichtes über das lappländische tablut-Spiel, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts veröffentlicht wurde.5 Dieser Bericht wurde von Murray wiederentdeckt und erlaubte ihm, das alte nordische Spiel hnefatafl zu rekonstruieren.6 Dieses Spiel war der Schlüssel zum Verständnis einer ganzen Familie von Spielen, von denen es Zeugnisse aus Skandinavien und den Britischen Inseln gibt und die sich deutlich von denen der griechischen und römischen Welt unterscheiden.7

Die archäologische Beweislage Crummy und Schädler beschreiben einen außerordentlichen Fund aus einer Grabstätte in Stanway (bei Colchester, dem römischen Camulodunum): die Reste eines Spielbrettes mit einem anscheinend vollständigen Set an Spielsteinen – bereit ausgelegt wie für den Start einer Partie.8 Da es aus einem romanisierten britischen Fundkontext stammt, könnte dies ein römisches oder ein britisches Spiel gewesen sein. Die Diskussion und tatsächliche Identifikation dieses Spiels wird dadurch erschwert, dass das Raster des Spielfeldes nicht erhalten geblieben ist und lediglich vermutet werden kann und dass die Spielsteine bei der Grablegung bewegt worden zu sein scheinen. Zwei der Spielsteine, einer auf jeder Seite des Feldes, unterscheiden sich von den anderen in Größe und Platzierung, möglicherweise aufgrund einer besonderen Rolle innerhalb des Spiels. Schädler und Crummy sind unterschiedlicher Meinung über die Anzahl der Felder, die man für das Spielbrett annehmen kann. Es sprechen Argumente sowohl für die Annahme von 9 mal 13 Feldern als auch für 8 mal

5 6 7 8

Smith 1811. Murray 1978. Murray 1978, S. 56. Crummy 2007 und Schädler 2007.

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12 Feldern. Während Crummy in seiner zusammenfassenden Bewertung zwar nicht explizit annimmt, es sei ludus latrunculorum gewesen, so bevorzugt er doch die Annahme, das Spielbrett sei auch aufgrund des romanisierten Kontextes des Grabfundes für ein römisches Spiel mit einer geraden Anzahl an Reihen und Spalten bestimmt gewesen.9 Schädler wiederum spricht sich für eine ungerade Zahl an Reihen und Spalten aus. Damit gäbe es auf diesem Spielbrett eine Mittelreihe auf der jeweils der zentrale, besondere Spielstein platziert werden konnte. Dies spräche also dafür, dass der Größenunterschied der Steine und ihre mittige Platzierung auf dem Feld absichtsvoll sind und möglicherweise auch eine besondere Stellung innerhalb des Spiels wiederspiegeln.10 Schädler zufolge führt die Einführung eines besonderen Spielsteines automatisch zu einer fixen Startposition des Spiels, während bei Spielen mit ausschließlich gleichartigen Spielsteinen das Platzieren der Steine bereits ein Teil des Spiels selbst sein kann.11 Ausgehend von rekonstruierten Regeln für ludus latrunculorum widerspricht Schädler der Annahme, das Spielbrett aus Stanway sei für dieses Spiel gedacht gewesen, da hierfür ein quadratisches Spielfeld mit der gleichen Anzahl an Reihen und Spalten verwendet wurde. Weiterhin wurden auf dem Brett aus Camulodunum wesentlich mehr aufgestellte Spielsteine gefunden, als bei einer Partie des ludus latrunculorum hätten verwendet werden können.12 Auf eine mögliche Identifikation dieses Spiels wird in der Folge noch zurückgekommen werden. Sterckx beschreibt einige Spielfelder, die in Buckquoy auf den Orkneys in Felsen geritzt gefunden wurden. Die Linien dieser Spielfelder umfassen einen Bereich von 6 mal 6 Feldern, obwohl bei fast allen ähnlichen Spielbrettern eine ungerade Anzahl an Reihen und Spalten vorherrscht. Eine kreisförmige Markierung an der mittleren Schnittstelle des Spielfeldes deutet jedoch an, dass hier die Bewegung der Spielsteine entlang der Linien statt innerhalb der Felder stattfand. Gemäß dieser Annahme handelt es sich hier um ein Spielfeld von 7x7 Reihen und Spalten, was ein Spiel aus der Familie des tablut nahelegt. Trotz der vorsichtigen Annahme eines skandinavischen Ursprungs dieser Spielfelder oder ihrer Schöpfer zählt Sterckx sie eher zu einem kelto-skandinavischen Kontext13 und betont ihre Internationalität.14 Eines der bemerkenswertesten und auch am besten publizierten Spielbretter von den Britischen Inseln ist das hölzerne Brett, das auf einem Crannog (befestigte, häufig künstliche Inseln in Seen) in Ballinderry in Irland geborgen wurde. Das Spielbrett wurde im Jahr 1936 von Hencken detailliert beschrieben.15 In das Spielbrett, das von

9 Crummy 2007, S. 358–359. 10 Schädler 2007, S. 62–67. 11 Schädler 2007, S. 367. 12 Schädler 2007, S. 368–369. 13 Sterckx 1973b, S. 685. 14 Sterckx 1973b, S. 683–685. 15 Hencken 1936, S. 186–187.

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Abb. 1: Das Spielbrett aus dem Fund von Ballinderry (Hencken 1936, plate XXV)

einem fein geschnitzten Rand eingefasst wird, ist ein Raster von 7x7 Löchern gebohrt. Die Spielsteine wurden also anscheinend nicht auf das Spielfeld gelegt, sondern, vergleichbar etwa mit heutigen Reisespielen, in das Spielfeld gesteckt. Das zentrale Loch und die Ecklöcher sind durch Umrandungen hervorgehoben, möglicherweise aufgrund einer besonderen Stellung innerhalb des Spiels. Ein interessantes Detail sind die Vertiefungen, die an beiden gegenüberliegenden Seiten eingeschnitzt sind, beide haben eine halbkreisförmige Einkerbung in ihrer Mitte. Hencken nimmt an, dass diese zur Aufbewahrung geschlagener Steine während einer Partie dienten, die Einkerbungen also eine Hilfe seien, die Steine wieder aufzunehmen. Ein aus Horn geschnitzter Stecker, von der Größe in die Löcher des Spielfeldes passend, wurde bei der selben Ausgrabung gefunden.16 Hencken bezeichnet das Spielbrett als ein Ergebnis kelto-nordischer Kunst und spricht sich für eine Herkunft von der Isle of Man aus.17 Ein unvollständiges, weniger schmuckvolles Exemplar vom Typ des BallinderrySpielbrettes wurde 1838 in der irischen Grafschaft Antrim in einem Torfmoor gefunden. Aufgrund der verwendeten Motive schlägt Simpson für dieses eine Datierung sogar noch vor dem Ballinderry-Brett vor, möglicherweise in das 6. bis 8. Jahrhundert.18 16 Hencken 1936, S. 186–187. 17 Hencken 1936, S. 184–185. 18 Simpson 1972, S. 64.

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In der Diskussion der möglichen Spiele für das Ballinderry-Spielbrett kommt Hencken jedoch zu keinem endgültigen Ergebnis. Erst die Wiederentdeckung eines Berichtes über das lappländische tablut-Spiels durch Murray, die Hencken jedoch zu diesem Zeitpunkt unbekannt war, sollte den Schlüssel zur Identifikation dieses Spiels bieten und wird in der Folge noch genauer vorgestellt. Nach diesem Überblick über die wichtigsten der archäologischen Funde kann noch keine eindeutige Identifizierung der gespielten Spiele vorgenommen werden. Im Zuge der weiteren Betrachtung, sollen in den folgenden Abschnitten die uns überlieferten Texte, ausgehend von dem erwähnten Bericht, auf Hinweise auf die Brettspiele untersucht werden.

Tablut, brandub und tawlbwrdd Ein entscheidender Schlüssel zu den Rätseln der alten Brettspiele war die Entdeckung und Beschreibung eines in Lappland gespielten Spieles, tablut genannt, durch Linnaeus im 18. Jahrhundert19 und die Wiederentdeckung eines von Linnaeus verfassten Berichts durch Murray.20 In diesem Spiel treten zwei ungleiche Seiten gegeneinander an: Ein Spieler hat acht Figuren und einen König, sein Gegner hat 16 Figuren und keinen König. Alle Figuren ziehen wie der Turm im Schach. Das Ziel der Angreifer ist es, den König zu umzingeln und zu schlagen; dieser muss versuchen, den Rand des Spielfeldes zu erreichen, um seinen Fängern zu entkommen. Figuren werden geschlagen, indem sie von zwei Seiten vom Gegner umstellt werden, der König muss von allen vier Seiten umstellt werden, um geschlagen zu werden.21 Die Beschreibung des tablut und seine anschließende Identifikation mit hnefatafl, einem in skandinavischen Quellen häufig erwähnten Spiel, ermöglicht es, auch über das walisische tawlbwrdd und das irische brandub, die vermutlich zur selben Familie gehören, genauere Angaben zu machen.22 Murray beschreibt das skandinavische Spiel tafl (bzw. hnefatafl, s.u.) und setzt es dem walisischen tawlbwrdd gleich. Er nimmt ebenfalls an, dass es das Spiel auch in Irland gegeben haben müsse.23 Wie im Folgenden gezeigt wird, ist der aussichtsreichste Kandidat eines irischen Vertreters dieser Familie das Spiel brandub. Die spätere Form des tafl war hnefatafl. Obwohl dieses Spiel weit verbreitet im frühen Skandinavien und den Britischen Inseln nachgewiesen werden kann, wurde es

19 Smith 1811, S. 55–58. 20 Murray 1978. 21 Smith 1811, S. 55–58. 22 MacWhite 1945, S. 33–34. 23 Murray 1978, S. 55.

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doch durch die Einführung des Schachspiels verdrängt. Diese Einführung datiert Murray auf das 11. Jahrhundert für England und das 12. Jahrhundert für Skandinavien. Die letzten Berichte über ein Überleben eines Spiels dieser Familie stammen aus Wales (1587) und Lappland (1732). Aufgrund dieses langen Überdauerns in abgelegenen Gebieten ist es schwierig, ein Datum einzugrenzen, nach welchem auch der weitergeführte Gebrauch der ursprünglichen Namen der Spiele kein anderes Spiel als Schach mehr meinen kann. Von einer eigentümlichen Variante wird für den Hof Æthelstans, eines angelsächsischen Königs des 10. Jahrhunderts, berichtet. In einem Manuskript, entweder von englischer oder irischer Herkunft, wird die Aufstellung eines Spieles mit dem Namen alea evangelii beschrieben und abgebildet. Es werden 48 Figuren auf der einen Seite und 24 Figuren und ein König auf der gegnerischen Seite in einem komplizierten Muster auf einem Spielfeld von 18 mal 18 Feldern verteilt. Über Allegorien und numerologische Symbolismen werden das Spielfeld und die Aufstellung herangezogen, um Harmonien des Evangeliums zu illustrieren. Trotz dieses Ansatzes (den Murray als gekünstelt ablehnt24) trifft diese Schilderung insgesamt auf die Beschreibung von hnefatafl zu.25 Ein weiteres irisches Spiel ist das brandub, welches von MacWhite ebenfalls zur Familie des tablut gezählt wird. Er weist auf die eindeutige Eignung des Spielbretts von Ballinderry für diese Spiele hin, wobei ein Spielfeld von 7 mal 7 Feldern am ehesten für ein Spiel von fünf Figuren (darunter ein branán, dt. etwa „König“) auf der einen Seite, und acht Angreifern auf der anderen geeignet sei. Während für das Spielbrett von Ballinderry ein Ursprung von der Isle of Man gesichert scheint, betont MacWhite die Internationalität von Brettspielen und spricht sich für die Möglichkeit eines irischen Spiels, gespielt auf der skandinavisch besiedelten Isle of Man, aus, dessen Spielbrett dann schlussendlich nach Irland gerät.26 Ein weiterer Hinweis auf die Anzahl der Spielfiguren im brandub stammt aus dem Acallam na Senórach („die Unterredung der/mit den Alten“), einem mittelirischen Text etwa aus dem 11. oder 12. Jahrhundert. Dort heißt es: Atá mo brandub co mbloidh . isin tsléib os Leitir broín, cuiciur airgit gil can glór . ocus ochtur do dergór.27 My famed brandub is in the mountain above Leitir Bhroin, five voiceless men of white silver and eight of red gold.28

Auch hier sind die beiden Seiten deutlich unterschiedlich, wieder mit einer schwächeren Seite von vier Kriegern und einem König gegen die zweifache Anzahl gegneri-

24 25 26 27 28

Murray 1978, S. 61. Murray 1978, S. 61–62. MacWhite 1945, S. 35. Stokes/Windisch 1900, S. 112. MacWhite 1945, S. 30.

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scher Krieger. In ihrer Diskussion des irischen Begriffes branán in einem Gedicht des 14. Jahrhunderts (Ó Macháin 2010: S. 55) führt Knott weitere Hinweise für das brandub auf. Auch hier sind es 13 Spielfiguren, was einer Seite mit vier Kriegern und einem König gegen acht Angreifer entspräche, wiederum ähnlich den tablut-Spielen. Weiterhin gibt es fünf Orte, an denen es für einen branán angemessen ist sich aufzuhalten: „Tara, Cashel, Croghan, Naas, Oileach“.29 Tara wurde traditionell als Sitz der irischen Hochkönigswürde verstanden, gewissermaßen der zentrale Ort der Insel. Obwohl das Konzept eines von Tara herrschenden Hochkönigs der Insel Irland wohl immer eher ein theoretischer Anspruch als historische Realität war, behielt es doch erhebliche literarische Wirkung. (Bhreathnach 2006: S. 1663–1664). Die weiteren Orte sind jeweils die traditionellen Königssitze der vier irischen Provinzen Munster, Connacht, Leinster und Ulster. Wenn wir Tara als den zentralen Punkt dieser Aufstellung nehmen, also als den Ort, der in den tablut-Spielen dem König vorbehalten bleibt, bleiben noch vier besondere Orte, möglicherweise die Eckpunkte auf dem Spielbrett, deren Erreichen in einigen Erwähnungen für den König als spielgewinnend geschildert wird. Sowohl brandub als auch fidchell teilen das Schlagen der Figuren durch Umzingelung durch gegnerische Figuren.30 Das walisische tawlbwrdd-Spiel gehört zur Familie der tablut-Spiele. Es wird mit 16 Angreifern gegen neun Verteidiger (darunter eine Königsfigur) auf einem Spielbrett von 11 mal 11 Feldern gespielt. In späteren Quellen werden 24 gegen 13 Figuren erwähnt. Nach MacWhite stellt dies eine spätere Weiterentwicklung dar, nicht ein eigenständiges neues Spiel.31 Die mittelalterlichen walisischen Gesetzestexte, die im Großteil in das 12. und 13. Jahrhundert datieren32, enthalten weitere Hinweise auf die Verteilung der Figuren im tawlbwrdd. Der Gesamtwert eines bestimmten Spielbrettes wird mit 120 Pence angegeben, 60 für jede Seite, mit dem König zum selben Wert seiner eigenen acht Männer, die Männer beider Seiten mit dem selben Wert. Wir haben es also mit einer Gruppe von 16 Angreifern (60 Pence) gegenüber acht Verteidigern (30 Pence) und einem König (ebenfalls 30 Pence) zu tun (Lewis 1913: S. 273). Ein Manuskript des Walisers Robert ap Ifan, welches auf das Jahr 1587 datiert ist, enthält eine detaillierte Beschreibung des tawlbwrdd. Um es zu spielen, benötigt man einen König in der Mitte, zwölf Männer auf den Feldern um ihn herum und 24 weitere, die ihn zu fangen versuchen. Diese Angreifer werden an den Rändern des Spielfeldes aufgestellt. Gerät einer der Männer des Königs zwischen zwei seiner Gegner, so wird er aus dem Spiel genommen. Gerät der König zwischen zwei Angreifer, obwohl der Spieler vor diesem Zug gewarnt wurde, so wird er ebenfalls geschlagen, wenn er nicht

29 Knott 1926, S. 198–199. 30 MacWhite 1945, S. 31. 31 MacWhite 1945, S. 34. 32 Roberts 2006, S. 1113.

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entkommen kann. Sagt der eine jedoch „gwrheill“, bevor er einen Spielstein zwischen zwei andere bewegt, so wird er nicht geschlagen. Laut Bayless bedeute gwrheill „I am your liegeman“33 etwa „Ich bin dein Lehnsmann“, die Figur wird also nicht aus dem Spiel entfernt wenn sie sich freiwillig zwischen zwei gegnerische Figuren bewegt hat. Gelingt es dem König ‚seine Linie zu laufen‘ (wahrscheinlich gemeint: das Brett zu verlassen), so gewinnt seine Seite das Spiel.34 Diese Beschreibung des tawlbwrdd ist der von Linnaeus gegebenen Beschreibung des tablut sehr ähnlich, was eine Verwandtschaft dieser Spiele nahe legt. Einer möglichen Verbindung des tawlbwrdd mit Würfeln wird von Bayless widersprochen. Sie sieht eher eine Entlehnung aus dem Altenglischen (tæfl + bord) oder dem Altnordischen (tafl-bord) als Quelle des Namens tawlbwrdd statt einer Verbindung mit dem Verb taflu (dt. werfen), welches ein Hinweis auf die Verwendung von Würfeln in diesem Spiel hätte sein können.35 Mit Hinweis auf die Ähnlichkeit des tawlbwrdd mit dem hnefatafl und dem tablut schlägt Lewis eine Einführung dieses Spiels durch skandinavische Einwanderer in Wales vor.36 Auch im Hinblick auf die archäologische Beweislage unterstreichen Hall und Forsyth den offensichtlichen Ursprung dieser skandinavischen Spiele aus dem römischen tabula (s.u.), das sich im Rahmen von kulturellen Kontakten in der germanischen Welt verbreitete und adaptiert wurde.37

Fidchell und gwyddbwyll Die nächste Gruppe von Spielen, die untersucht werden sollen, sind fidchell und gwyddbwyll. Nach einer Betrachtung der Informationen zu den Namen dieser Spiele sowie der allgemeinen Spielweise und den Regeln, sollen danach einige weitere, dieses Spiel betreffende Bereiche untersucht werden: die Geräuschentwicklung beim Spielen, der Status der Spiele, die Beschaffenheit der Spielmaterialien, die Darstellung des abwechselnden Gewinnens der Partien, Einsätze und Gewinnmöglichkeiten und die Frage des in der überlieferten Literatur angenommenen Ursprungs der Spiele. In seiner Diskussion der gemeinsamen Etymologie des irischen fidchell des walisischen gwyddbwyll und des bretonischen gwezboell schlägt Guyonvarc’h *vidu-k2 ueslo-s als Ursprungsform vor und argumentiert, obwohl er beispielsweise für das Gallische nicht belegt ist, für einen gemeinkeltischen Ursprung dieses Begriffs.38 Depaulis spricht sich gegen einen gemeinsamen indoeuropäischen Ursprung der Brettspiele 33 34 35 36 37 38

Bayless 2005, S. 14. Sterckx 1973a, S. 738–739. Bayless 2005, S. 16. Lewis 1943, S. 205. Hall, Forsyth 2011, S. 1326. Guyonvarc’h 1966, S. 325.

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aus, wobei er für die Entwicklung auch einfacher Brettspiele das Vorhandensein eines urbanisierten kulturellen Hintergrundes als Voraussetzung sieht.39 Hall und Forsyth weisen darauf hin, dass eine Einführung der Worte für fidchell in Irland bzw. gwyddbwyll in Britannien vor datierbaren Lautveränderungen der keltischen Sprachen im 6. Jahrhundert stattgefunden haben muss, die also einen terminus ante quem bieten.40 Sie argumentieren für eine Übernahme des Konzepts der Brettspiele nach Britannien etwa gegen Ende des ersten Jahrhunderts v. Chr., was also entsprechend den frühestmögliche Zeitpunkt für die Entstehung der Bezeichungen der Spiele darstellen würde.41 Sanvito stimmt einerseits den generell akzeptierten Etymologien für fidchell und gwyddbwyll zu, geht aber noch einen Schritt weiter und sieht in dem enthaltenen Begriff „Sinn“ einen Hinweis darauf, dass den hölzernen Spielsteinen ein eigener Sinn zugeschrieben worden sei. Mit diesem Glauben seien dann auch die Vorkommnisse sich selbst spielender Spielsteine in den überlieferten Texten zu erklären.42 Auf solches sich selbst spielendes gwyddbwyll trifft beispielsweise Peredur in der walisischen Erzählung Peredur fab Efrawc (Peredur, Sohn des Efrawg)43, ein anderes, das gwyddbwyll des Gwenddoleu ap Ceidio, findet sich in der Liste der 13 Schätze der Insel Britanniens (s.u.). Eine der seltenen Stellen einer zeitgenössischen ausdrücklichen Erklärung eines der keltischen Spiele liefert das Sanas Chormaic (Cormacs Glossar). Dieses frühe irische Glossar (etwa aus dem 9. Jahrhundert) erklärt unter anderem in der Tradition der Etymologien des Isidor von Sevilla die Bedeutung von Begriffen durch Betrachtung der Bestandteile der Wörter.44 Der Eintrag zu fidchell lautet: Fidchell .i. féthciall. fáthciall .i. ciall 7 fath ocahimbirt. no fuathcell .i. fuath cille .i. cetharcoir cétamus inf˙idchell 7 dirge a títhe. dub 7 find forri 7 sainmuintir cach la fecht beos bereas a cluithe. Síc et ecclesia per singula per .iiii. terrae partes .iiii. evangeliis pásta. isdirech ambesaib 7 hitíthib nascreptra et nigri et albi .i. boni et mali habitant in ecclesia .45 Fidchell [Fithcill B] .i. féth-ciall, fáth-ciall i.e. it requires sense (ciall) and fáth (‘learning’) in playing it. Or fuath-cell, .i. fuath cille ‘likeness of a church’, in the first place, the fidchell is four-cornered, its squares are right-angled, and black and white are on it, and, moreover, it is different people that in turn (b) win the game. Sic et ecclesia per singula per iiii. terrae partes iiii. evangeliis pasta (c). It is straight in the morals and points of the scripture (a) et nigri [.i. dub B] et albi [.i. gel B] i.e. boni et mali, habitant in ecclesia.46

39 Depaulis 2000, S. 105. 40 Hall / Forsyth 2011, S. 1332–1333. 41 Hall / Forsyth 2011, S. 1335. 42 Sanvito 2005, S. 12. 43 Goetinck 1976, S. 66. 44 Russell 2006, S. 1559. 45 Stokes 1862, S. 21–22. 46 O’Donovan/Stokes 1868, S. 75–76.

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Diese Erwähnung von Schwarz und Weiß, die „auf ihm“ seien (Stokes 1862: S. 21), wurde gemeinhin so verstanden, dass entweder schwarze und weiße Spielsteine verwendet worden seien oder das Spielfeld selbst schachbrettartig in schwarze und weiße Felder geteilt gewesen sei (MacWhite 1945: S. 31). Anders als Stokes, der den Begriff títhe als „Felder“ interpretiert, sieht Atkinson (1885: S. 19–20) hierin eher „Linien“. Unbeschadet dieser unterschiedlichen Auffassungen, deuten dennoch beide Übersetzungen auf ein rechteckiges Spielbrett, bestehend aus rechteckigen Feldern, hin. Eine der detailliertesten Beschreibungen des fidchell finden wir in der Geschichte von Mac Da Cherda und Cummaine Foda aus dem ‚Gelben Buch von Lecan‘ einer Sammelhandschrift mit Teilen aus dem 14. bis ins frühe 16. Jahrhundert.47 Hier bittet Guaire den Kleriker Cummaine fidchell gegen ihn zu spielen. Als dieser zugibt, das Spiel noch nie gespielt zu haben, wird ihm erklärt, es sei schwierig zu erlernen. Erst nachdem er eine Reihe von Tests besteht, die offenbar seine Intelligenz unter Beweis stellen sollen, fährt Guaire damit fort, ihm die Regeln des Spieles zu erklären: ‚Maith,‘ or Guaire, ‚imrem fithchell.‘ ‚Cindas gontar ind fir?‘ or Cummaine. ‚Ni anse, dias dub dam-sa im óinfer find duid-seo forsin n-óintí oc imchosnam na saigti thall.‘48 ‘How are the men taken?’ said Cummaine. ‘Not diffcult to say; a black pair of mine about one white man of yours on the same line (?) disputing the attack from the other side.’(?)49 (‘Good,’ said Guaire, ‘let us play chess [fidchell].’

Cummaine gelingt es daraufhin, Guaire den gesamten restlichen Tag daran zu hindern, auch nur einen einzelnen Stein von ihm zu schlagen, was offenbar eine bemerkenswerte Leistung darstellt. Das Spielziel scheint hier also das Schlagen der gegnerischen Figuren gewesen zu sein, und nicht die Flucht einer besonderen Figur vom Spielfeld. MacWhite analysiert einen Abschnitt aus der Geschichte Serglige Con Chulainn (Cú Chulainns Krankenlager) aus dem Lebor na hUidre (einem irischen Manuskript von Ende des 11. oder Anfang des 12. Jahrhunderts,50 in dem die Bewegung von Streitwagen entlang eines Tals mit dem Ziehen von Spielsteinen im fidchell verglichen wird. MacWhite nimmt die Bewegung des Turms im Schach für die fidchell-Steine an, da dies die einzige Möglichkeit wäre, wie der von Guaire beschriebene Schlagmechanismus ein spielbares Spiel ergäbe.51 Ausgehend von einem möglichen Wortspiel im Text von Echtra Airt meic Cuind ocus Tochmarc Delbchaime ingine Morgain (Das Abenteuer von Art, Sohn des Conn und Delbchaems Brautwerbung), nimmt MacWhite einen „Zug/eine Bewegung der Verbannung“ (altir. bert indarba) als einen spielge-

47 Hellmuth 2006a, S. 1120. 48 O’Keeffe 1911, S. 32. 49 O’Keeffe 1911, S. 33. 50 Hellmuth 2006b, S. 1128–1129. 51 MacWhite 1945, S. 27.

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winnenden Zug im fidchell an.52 In Cath Maige Tuired (Die Schlacht von Mag Tuired) spielt Lug auf den fidchell-Brettern von Tara, gewinnt alle Einsätze und vollführt einen sogenannten cró Logo (die Einpferchung des Lug).53 Dieser Begriff könnte also entweder einen besonderen spielgewinnenden Zug oder den Zustand eines entschieden gewonnenen Spiels im fidchell beschreiben. Die Geschichte Altromh Tighi Da Medar (Die Aufzucht des Hauses der zwei Kelche) gibt Hinweise darauf, dass das Spielen von fidchell nicht immer eine ernste und ruhige Angelegenheit gewesen sein muss. Als Manannán die Halle des Ealcmar betritt, werden eine Reihe an Klängen und Geräuschen beschrieben, darunter „foghar na ficheall aga fath-imirt”, der Lärm des Spielens von fidchell54. In der Iomramh Churraig Hua Gcorra (der Seefahrt der Húi Corra) wird das Haus von Conall dem Roten beschrieben: In diesem erklängen stets die ‚Drei Rufe‘, nämlich der Ruf der Bierseiher beim Ausschank, der Ruf der Servierer über den Kesseln beim Austeilen des Fleisches und gair na n-óglach ós cionn na bhfithcheall ag breith cluiche ara chéile, der Ruf der Krieger über den fidchell-Brettern beim ‚Gewinnen der Spiele voneinander‘ (also beim Gewinnen eines Spieles gegen einen Gegner).55 Das Spiel wird also auch hier mit lautstarker Geselligkeit verbunden. Ein aufschlussreicher Hinweis auf den hohen Status der Brettspiele in Irland findet sich in den irischen Gesetzestexten des Cáin Íarraith („Gesetz der Pflegschaft“) über die Erziehung von Kindern bei Pflegeeltern. Bei dieser im mittelalterlichen Irland üblichen Institution war es vorgeschrieben, dass das Pflegekind eine standesgemäße Ausbildung erhielt, sonst drohte den nachlässigen Pflegeeltern eine Schadensersatzklage. Zum vorgeschriebenen Lernstoff von Söhnen aus adligem oder königlichem Haus gehörte neben Reiten und Schwimmen auch das Spielen von fidchell und brandub.56 Hier ist also der hohe Status dieser Spiele sogar gesetzlich festgeschrieben. Das Spielen von Brettspielen ist anscheinend in den Sagentexten männlichen Helden, Edlen und Königen vorbehalten. Es gibt jedoch, neben der Figur der Königin Medb – die aber in fast jeder Hinsicht einzigartig ist – noch einige wenige andere Stellen an denen fidchell von Frauen gespielt wird: Als der irische Held Caílte auf Prinzessin Echna von Connacht trifft, spielen ihre Dienerinnen fidchell und sie selbst lädt Caílte ein, gegen sie zu spielen.57 Eine andere Stelle, an der das Spielen von fidchell durch eine (adlige) Frau angedeutet wird, findet sich in Tochmarc Étaíne (Das Werben um Étaín). Hier wird erwähnt, dass ein fidchell-Brett im Haus der Königin aufbewahrt werde (Bergin/Best 1938: S. 174).

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MacWhite 1945, S. 28. Gray 1982, S. 40–41. Ní C. Dobs 1930, S. 194–195. Stokes 1893, S. 26–27. Kelly 1988, S. 87. Stokes / Windisch 1900, S. 207.

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Im Reicne Fothaid Canainne (Der Reicne (eine Art Gedicht) des Fothad Canainne) findet sich eine Beschreibung eines fidchell-Spiels, in der angegeben wird, dass die Hälfte seiner Figuren von gelbem Gold und die andere Hälfte aus weißer Bronze sei. Hieraus können wir schließen, dass beide Spieler dieselbe Anzahl an Figuren hatten, also beide Seiten gleichstark waren.58 In seiner Zusammenfassung der erhaltenen Beschreibungen von fidchell-Spielen nimmt MacWhite eine gleiche Anzahl von Figuren je Spieler an, entweder in Farbe oder Material unterschiedlich und häufig aus edlem Metall gearbeitet.59 Auch das Spielbrett selbst wird in der Regel als aus (Edel-)Metallen bestehend beschrieben. Im Reicne Fothaid Canainne werden die Spielfiguren in einem goldbestickten Beutel (ferbolc) aufbewahrt, der mit einem besonderen Verschluss gesichert ist, der nicht von einer unwissenden Person geöffnet werden kann.60 Während die Beschreibung dieses Verschlusses künstlerischer Freiheit geschuldet sein mag, bestand wohl offensichtlich der Wunsch zur sicheren Verstauung von Spielsteinen. In seiner Diskussion einer Strophe aus dem Reicne Fothaid Canainne zieht Hull auch eine unklare Beschreibung eines fidchell-Brettes heran, die von Meyer ediert wurde.61 Gemäß dieser Passage sei ein spezielles fidchell-Brett von vier Kerzen beleuchtet worden, die anscheinend jeweils vermittels eines au (möglicherweise eine Öse oder vorstehendes Teil62) befestigt gewesen seien. Nach ausführlicher Diskussion liest Hull diesen Vers so, dass unter normalen Umständen der tropfende Kerzentalg, rot gefärbt vom Docht des rú (wohl eine abfärbende Pflanze63), das au verfärben würde, dieses spezielle fidchell sei aber derart bemerkenswert, dass sein au nicht verfärbt würde.64 Bislang wurden noch keine Spielbretter mit Ösen oder ähnlichen Befestigungsmöglichkeiten für Kerzen oder andere Lichtquellen gefunden, es bleibt also unklar, ob diese Beschreibung auf historischen Tatsachen beruht. Wenn in den überlieferten Texten die Beleuchtung eines Spielbrettes erwähnt wird, so geschieht sie üblicherweise durch Edelsteine oder Juwelen, die Licht ausstrahlen.65 Die prachtvolle Ausstattung der in den Texten erwähnten Spielbretter wird im Laufe der Zeit derart zum Topos, dass sie schlussendlich sogar parodiert wird. Im Siabradh Sídhe agus Innéirghe Mhic na Michomhairle (Die Feenverzauberung und das Erheben des schlecht beratenen Jünglings), einer irischen Burleske aus dem späten 17. oder frühen 18. Jahrhundert heißt es von einem (Backgammon-) Spielbrett, es bestehe aus zwei Flächen von weißer Bronze mit smaragdener Abdeckung und Spitzen von wunderschönem El-

58 Meyer 1910, S. 13. 59 MacWhite1945, S. 27–28. 60 Meyer 1910, S. 14. 61 Hull 1962, S. 183. 62 Hull 1962, S. 184. 63 Hull 1962, S. 184–185. 64 Hull 1962, S. 186. 65 Z.B. Bergin / Best 1938, S. 174.

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fenbein mit einem Karfunkelstein so hell, dass ein blinder Mann ohne Augen auch in einer Neumondnacht auf ihm spielen könnte (Doan 1992: S. 36–37). MacWhite weist auf die interessante Tatsache hin, dass das fidchell-Spiel einigen Textpassagen zufolge von den Spielern abwechselnd gewonnen wurde.66(Dies würde eher ein unbalanciertes Spiel, mit verschiedenen Anzahlen ‚angreifender‘ und ‚verteidigender‘ Figuren und einem Rollenwechsel nach jeder Partie, also ein Jagdspiel, nahelegen als ein Kampfspiel mit ausgeglichenen Seiten. In einem Preisgedicht von Tadhg Dall Ó hUiginn wird Hugh O’Donnell „a bhranáin óir ós f˙idhchill” angesprochen, ein goldener branán unter den fidchell-Männern.67 Dies impliziert mindestens einen Spielstein mit besonderer Bedeutung, möglicherweise auch einen je Seite. Es sind auch andere Passagen überliefert in denen ein Spieler wiederholt Spiele gewinnt. So etwa im Acallam na Senórach (Die Unterredung mit den Alten/der Alten), einem mittelirischen Text der in seinen frühesten Versionen wohl in das 11. bis 12. Jahrhundert datiert.68 Hier gewinnt Finn Bán drei Tage lang gegen Guaire Goll fortwährend alle Spiele. (Stokes/Windisch 1900: S. 38). In den Macgnimartha Find (Die Knabentaten Finns) spielt Finn gegen den König von Bantry und gewinnt sieben Spiele am Stück.69 Der Typ Brettspiele, der den Kampfspielen zugerechnet werden kann (z.B. Schach oder Dame), wird in der Regel vom jeweils besseren Spieler gewonnen. Bei Jagdspielen (z.B. Fuchs und Gänse) hat häufig der Angreifer einen deutlichen Spielvorteil, daher der Rollentausch nach jeder Partie. Dies würde dann ebenso das Motiv des abwechselnden Gewinnens erklären.70 Rennspiele (z.B. Backgammon, Leiterspiel) basieren in der Regel zumindest teilweise auf einem Glückselement, meistens Würfeln, so dass hier der Gewinner jeder Runde zufälliger ist.71 In seiner Auswertung der gefundenen Hinweise sieht MacWhite die Möglichkeit, dass das Motiv des abwechselnden Gewinnens vom brandub auf Beschreibungen des fidchell übertragen wurde.72 Breen sieht eine andere Möglichkeit und schlägt vor, fidchell sei der irische Name für das Mühle-Spiel gewesen, räumt allerdings ebenfalls ein, dass sich für das Mühle-Spiel keine Hinweise vor der Ankunft der Normannen finden lassen. Es gibt zwar Hinweise auf dieses Spiel in Skandinavien bereits aus dem 10. Jahrhundert73, eine Identifikation mit fidchell scheint aber nach der gegenwärtigen Beweislage sehr unwahrscheinlich.

66 MacWhite 1945, S. 31. 67 Knott 1922, S. 11 68 Nagy 2006, S. 8. 69 Meyer 1881, S. 200. 70 MacWhite 1945, S. 35. 71 Lewis 1945, S. 202. 72 MacWhite 1945, S. 35. 73 Breen 2003, S. 43

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Zimmer74 bespricht den im Kontext der Brettspiele verwendeten Begriff tóchell, der sich im Buch von Leinster (einem irischen Manuskript des 12. bis 13. Jahrhunderts75) und dem Lebor na hUidre (Buch der Dunklen Kuh) findet. Er widerspricht Windisch, der den Begriff als ‚das im Spiel gewonnene‘ versteht. Er sieht den Begriff stattdessen als Komplement zu gell, dem Einsatz eines Spiels. Tóchell bezeichnet also das, was der zweite Spieler dem vom ersten Spieler gemachten Einsatz hinzufügt.76 Wir haben keine Informationen darüber, ob es ein bestimmtes Vorgehen gab, um gell und tóchell zu bestimmen, oder ob ein Unterschied zwischen dem den Einsatz vorschlagenden und dem ihn ergänzenden Spieler gemacht wurde. In einem Abschnitt des Acallam na Senórach einigen sich zwei Spieler auf einen Einsatz von drei Unzen Gold, von jedem von ihnen, für drei Tage des Spiels, bevor sie beginnen.77 Dies entspräche dem Gedanken, dass sich die Spieler vor jeder Partie (oder gleich für mehrere Spiele) auf Einsätze von etwa gleichem Wert einigten. Wie riskant es sein konnte, zu spielen ohne sich im Vorhinein auf den Einsatz zu einigen, wird etwa daran klar, wie Eochaid seine Frau an Midir verliert, nachdem er eine Partie fidchell mit offenem Einsatz verliert und Midir als Gewinn Eochaids Frau auswählt.78 Es existieren mehrere irische Texte, die vom Ursprung des fidchell berichten. Im Lebor Gabála Érenn (dem Buch von der Einnahme Irlands), einem Text aus dem Buch von Leinster, gehört es zu den Verdiensten des Lug, „fidchill 7 liathroit 7 echlaisc 7 oenach“ („chess-play [fidchell] and ball-play and horse-racing and assembling“) nach Irland gebracht zu haben.79 Diese Assoziation mit Lug, einer der zentralen Figuren des irischen sog. mythologischen Zyklus der Erzählungen, gerühmt wegen seiner Fähigkeiten als Krieger sowie in allen Künsten und Handwerken80, schreibt dem Spiel mithin einen quasigöttlichen Ursprung zu. In der Erzählung des Cath Maige Tuired versucht Lug Tara zu betreten und verlangt dass man ihm alle dort vorhandenen fidchell-Bretter bringe, woraufhin er auf allen gewinnt (Gray 1982: S. 40–41). Hier wird er also nicht als der Schöpfer des Spiels gesehen. Der Text fährt fort: Acht masa i n-uamas an catha Troíanna rohairged in fi[d]ceall ní torracht hÉrinn and sin í. Úair is a n-áonaimsir rogníadh cath Muigi Tuired 7 togail Traoí.81 […] if fidchell was invented at the time of the Trojan war, it had not reached Ireland yet, for the Battle of Mag Tuired and the destruction of Troy occurred at the same time.82

74 Zimmer 1890, S. 80–81. 75 Hellmuth 2006c, S. 1125. 76 Zimmer 1890, S. 80–81. 77 Stokes/Windisch 1900, S. 38. 78 Bergin/Best 1938, S. 180–184. 79 Macalister 1941, S. 128–129. 80 Ó Faoláin 2006, S. 1200. 81 Gray 1982, S. 40. 82 Gray 1982, S. 41.

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Hier wird eine weitere, widersprüchliche Tradition dieses Motivs integriert, indem eingeräumt wird, dass das fidchell-Spiel Irland zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreicht hatte, wenn es zu Zeiten des Trojanischen Krieges erfunden wurde, da die Schlacht von Mag Tuired und die Zerstörung Trojas in der irischen Historiographie als synchron angesetzt werden.83 Diese Textstelle findet eine interessante Parallele in den Etymologien des Isidor von Sevilla (s.u.). Die irische Togail Troí (Die Zerstörung Trojas) zählt das Spielen von Brettspielen zu den Kunststücken, die von den trojanischen Kriegern beherrscht werden: „imbeirt gái 7 chlaidibh 7 imbeirt f˙idhchille 7 brandub“84, (pl[a]ying spear and sword […] playing chess [fidchell] and draughts [brandub]85), doch die Erfindung dieser Spiele wird hier nicht erwähnt. Neben der von MacWhite vorgeschlagenen Historia Troiana des Guido de Columna als eine Quelle für die Idee der Erfindung in Troja86, sind, wie bereits erwähnt, die Etymologien des Isidor von Sevilla, die die Spiele in Buch XVIII “De Bello et Ludis” besprechen, ein anderer möglicher Ursprung87 hierfür: lx. De tabula. Alea, id est lusus tabulae, inventa a Graecis in otio Troiani belli a quodam milite Alea nomine, a quo et ars nomen accepit. Tabula luditur pyrgo, calculis tesserisque.88 LX. Vom Brettspiel. Alea (Glücksspiel mit Würfeln), d.h. das Spiel der tabula, wurde von den Griechen während der Langeweile im Trojanischen Krieg, [und zwar] von einem Soldaten namens Alea erfunden, von welchem die Kunst den Namen erhielt. Tabula wird gespielt mit Türmen, Steinchen und Würfel.89

In dieser Beschreibung werden einige Unterschiede zu den irischen Spielen deutlich. Für das Spielen von tabula sind nicht nur Figuren (calculi), sondern auch Würfel (tesserae) und ein Würfelturm (pyrgus) notwendig. Diese werden weder für die irischen Spiele fidchell, brandub oder búanfach, noch für die walisischen gwyddbwyll und tawlbwrdd erwähnt. Möglicherweise begründet sich diese oben genannte Gleichsetzung von tabula und fidchell, ebenso wie die spätere mit dem Schach, in einer groben Ähnlichkeit und einem Mangel an detaillierten Informationen. Aufgrund der Annahme gleichstarker Seiten, des Fehlens einer Königsfigur, und des Ziels die Figuren des Gegners zu schlagen, für das fidchell sieht MacWhite die größte Ähnlichkeit mit dem römischen ludus latrunculorum oder dem griechischen

83 Gray 1982, S. 41. 84 Stokes 1884, S. 9. 85 Stokes 1884, S. 71. 86 MacWhite 1945, S. 25. 87 Der Gedanke, dass Spiele während der trojanischen Belagerung erfunden wurden, um die gelangweilten Soldaten zu unterhalten scheint seine erste Erwähnung bei Sophokles zu haben (siehe Woodford 1982, S. 180). 88 Lindsay 1911, S. lx. 89 Möller 2008, S. 668.

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pfilei«.90 Indem Bayless fidchell von den unbalancierten Spielen der tablut/tafl-Familie unterscheidet, legt sie eine Identifikation von fidchell mit latrunculi nahe. Sie weist außerdem darauf hin, dass einige uneindeutige angelsächsische Funde ebenfalls zu einem Spiel dieser Familie gehört haben mögen.91 In seiner Einteilung der Brettspiele in verschiedene Typen zählt Murray sowohl fidchell als auch gwyddbwyll zu den Kampfspielen, da hier beide Seiten mit der gleichen Anzahl und Art an Figuren gegeneinander kämpfen, und schlägt ebenfalls eine Identifikation mit dem für das römische Britannien tatsächlich belegten ludus latrunculorum vor.92 Nach dieser Übersicht über die Hinweise für das irische fidchell soll jetzt das walisische Spiel gwyddbwyll näher betrachtet werden. Die Hinweise für gwyddbwyll sind weniger aufschlussreich als für das tawlbwrdd, durch welches es offenbar im Laufe des 10. Jahrhunderts ersetzt wurde, weshalb tawlbwrdd wesentlich besser belegt ist.93 Aufgrund der etymologischen Entsprechung von fidchell und gwyddbwyll ist man versucht anzunehmen die beiden Spiele seien in Spielweise und Regeln ähnlich gewesen. Da uns allerdings kein zeitgenössischer Vergleich der beiden Spiele vorliegt, muss mit dieser Annahme vorsichtig umgegangen werden. In einer walisischen Aufzählung der 13 Schätze der Insel Britanniens (einer Liste herausragender sagenhafter Gegenstände) findet sich das gwyddbwyll des Gwenddoleu ap Ceidio. Die Besonderheit dieses aus edlem Metall gefertigten Spielbrettes sei es, dass die Figuren von selbst zu spielen begännen, sobald sie aufgestellt seien.94 Abgesehen vom poetischen Bild eines sich selbst spielenden Spieles können wir hier doch zumindest schlussfolgern, dass vor Spielbeginn die Spielsteine erst aufgestellt werden mussten, vermutlich in einer festgelegten Startposition.

Weitere Spiele und die Spiele der römischen Welt Das walisische ffristial ist nur spät und skizzenhaft belegt. Wo es erwähnt wird, scheinen die Quellen einig zu sein, dass es mit Würfeln gespielt wurde, worin ein deutlicher Unterschied zu den anderen hier besprochenen Spielen läge.95 In seiner Diskussion eines Abschnitts aus einem Gedicht Dafydd ap Gwilyms, wo es heißt: gwerin ffristial a thawlbwrdd, schlägt Lewis für ffristial zwei mögliche alternative Bedeutungen vor: einerseits könnte dieser Begriff einfach nur „Spiel“ bedeutet haben, was aus ffristial a thawlbwrdd dann etwa „das tawlbwrdd-Spiel“ machen würde; andererseits

90 MacWhite 1945, S. 35. 91 Bayless 2005, S. 17–18. 92 Murray 1978, S. 33–35. 93 Murray 1978, S. 34. 94 Bromwich 2006, S. 259. 95 Stern 1901, S. 185.

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könnte ffristial auch eine adjektivische Bedeutung, analog etwa dem neukymrischen ffrystio (dt. hasten, eilen) haben.96 Nach dieser Deutung wären dann gwerin ffristial die ‚verfolgenden Männer‘ oder die ‚angreifenden Spielsteine‘, was das Ziel des Angreifers beim tawlbwrdd, den König am Verlassen des Spielbrettes zu hindern, gut träfe.97 Nach keiner dieser beiden Deutungen jedoch wäre ffristial ein Würfelspiel. Zu einem der anderen irischen Spiele, dem búanfach, sind bedauerlicherweise fast keine Hinweise überliefert, und selbst für diese kann eine Verwechslung oder Überschneidung mit den anderen, besser belegten Spielen nicht ausgeschlossen werden.98 Zimmer gibt eine Auflistung von Passagen, die deutlich machen, dass búanfach mit den anderen irischen Brettspielen assoziiert wird.99 Fälle, in denen búanfach einzeln, außerhalb von Aufzählungen erwähnt wird sind selten. Eine Passage findet sich in der Táin Bó Cuailnge (dem „Rinderraub von Cooley“, in vielfacher Hinsicht der zentrale irische Sagentext), sowohl in der Fassung aus dem Buch von Leister als auch dem Lebor na hUidre. Hier spielt Cú Chulainn búanfach gegen Láeg, seinen Wagenlenker. Während Cú Chulainn allerdings abgelenkt ist und nach dem herannahenden Fergus Ausschau hält, gelingt es Láeg, alle Spiele gegen ihn zu gewinnen.100 Dieses wiederholte Gewinnen durch den selben Spieler legt eine Ähnlichkeit des búanfach mit fidchell anstelle einer solchen mit brandub nahe. Aufgrund der hohen Wahrscheinlichkeit einer engen Verbindung zwischen den ‚keltischen‘ und den römischen Brettspielen, sollen diese hier kurz vorgestellt werden. In Quellen aus der römischem Welt finden sich drei verschiedene Brettspiele: Mühle, tabula und ludus latrunculorum oder latrunculi. Während das Mühle-Spiel fast unverändert bis in unsere Zeit gekommen ist, wird tabula als einer der Vorläufer des heutigen Backgammon angesehen.101 Ein fast vollständiges tabula-Spiel wurde in einem auf das 11. Jahrhundert datierten Abfallschacht in Gloucester gefunden.102 Murray weist in seiner Diskussion der ‚keltischen‘ Brettspiele darauf hin, dass für diese in keiner Beschreibung Würfel erwähnt werden, es also auf Können und nicht auf Glück ankam.103 Da tabula jedoch stets mit Würfeln gespielt wurde, kann es kaum ein Vorfahr der ‚keltischen‘ Spiele sein, obwohl es unzweifelhaft in Britannien ebenfalls bekannt war. Das dritte römische Spiel, latrunculi, ist schwieriger zu fassen. Trotz unzähliger Hinweise und Anspielungen in überlieferten römischen Texten und einer ganzen Anzahl an vermutlichen Spielfeldern aus archäologischen Funden ist uns doch keine

96 Lewis 1943, S. 188ff. 97 Lewis 1943, S. 189f. 98 MacWhite 1945, S. 30. 99 Zimmer 1890, S. 78–79. 100 Zimmer 1890, S. 78–79. 101 Schädler 1994, S. 47. 102 Stewart / Watkins 1984, S. 186. 103 Murray 1978, S. 34.

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vollständige Beschreibung seiner Regeln erhalten. Aus den überlieferten Hinweisen können wir schlussfolgern, dass es sich um ein Spiel mit hohem Status für zwei Spieler handelt, dass ohne Würfel mit Steinen zweier unterschiedlicher Farben (üblicherweise Schwarz und Weiß) auf einem Brett mit viereckigen Feldern gespielt wurde. Alle Figuren scheinen dieselben Fähigkeiten gehabt zu haben, einzelne Figuren mit besonderen Eigenschaften gab es nicht. Spielziel scheint das Schlagen der gegnerischen Figuren durch Einkreisen gewesen zu sein.104 Schädler fasst die erhaltenen Hinweise zusammen und schlägt eine Rekonstruktion der Regeln des ludus latrunculorum vor. Hier ist besonders die Regel für das Schlagen der gegnerischen Figuren interessant: eine Figur wird geschlagen, wenn sie an zwei Seiten von gegnerischen Figuren umstellt ist, nach derselben Methode wie bei den tablut-Spielen. Weiterhin scheint es keine vorgegebene Startposition der Figuren gegeben zu haben, sondern das Aufstellen war wie bei Mühle bereits die erste Phase des Spiels.105 Für latrunculi geeignete Spielfelder wurden überall im Bereich des römischen Imperiums gefunden, was einen Einfluss dieses Spiels auf die mit den Römern in Kontakt gekommene örtliche Bevölkerung möglich macht.106 Hall und Forsyth zeigen überzeugend die Einführung der Idee von Brettspielen nach Brittannien durch kulturelle Kontakte mit der römischen Welt auf. Diese scheint interessanterweise in enger Verbindung mit anderen römischen „kulturellen Praktiken“, wie Schreiben und Schrift, Münzen, dem Trinken von Wein und der Bestattung mit Grabbeigaben gestanden zu haben.107 Indem er die Spiele von Typ des fidchell und gwyddbwyll als mögliche Kandidaten für das Spielbrett aus Stanway vorschlägt, sieht Schädler die Möglichkeit, dass die Hinweise auf das abwechselnde Gewinnen der Spieler sich in der Hinzufügung eines besonderen Spielsteins begründen, der das Spiel asymmetrisch macht. In seiner Zusammenfassung verschiedener, auch widersprüchlicher Hinweise spricht sich Schädler für ein keltisch-römisches Hybrid aus, möglicherweise einen Vorläufer der späteren fidchell und gwyddbwyll.108 Ebenso betonen Hall und Forsyth, dass im Zuge der ersten britisch-römischen Kulturkontakte aus dem römisch besetzten Gallien zwar die Idee des Brettspielens, nicht aber ein bestimmtes römisches Spiel unverändert übernommen worden sei109, erst nach der römischen Eroberung Britanniens sind dann römische Spiele dort zahlreich nachzuweisen.110 Das Spiel aus Stanway könnte also dementsprechend eine örtliche Weiterentwicklung des ludus latrunculorum, auf dem Weg zu den ‚keltischen‘ Spielen sein.

104 105 106 107 108 109 110

Schädler 1994, S. 48–59. Schädler 1994, S. 54–55. Schädler 1994, S. 50. Hall/Forsyth 2011, S. 1335. Schädler 2007, S. 373–374. Hall/Forsyth 2011, S. 1333. Hall/Forsyth 2011, S. 1335.

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Gewalt und Verletzungen Obwohl das Spielen von Brettspielen üblicherweise zu den ruhigeren und sichereren Beschäftigungen gerechnet wird, werden die Brettspiele in Irland und Wales doch auf verschiedene Arten und Weisen mit Gewalt in Verbindung gebracht. Da sich diese Verbindungen nicht auf einzelne bestimmte Spiele beschränken, sollen einige hier in der Folge gesondert näher betrachtet werden. In seiner Diskussion der überlieferten irischen Gesetzestexte betreffend Strafen und Entschädigungen bei Unfällen und unbeabsichtigten Verletzungen bespricht Fergus Kelly auch einen Gesetzestext zu Verletzungen bei Spielen. Diese Mellbretha, von Binchy etwa ‚Sport-Urteile‘ übersetzt, behandeln Verletzungen, die beim Spielen zugefügt werden sowie die entsprechenden Entschädigungen. Unter anderem führt dieses Traktat sogenannte Spiele mit vollständiger Immunität auf: Hurley-Ball, „Grenzpfosten“, „kleine Behausungen ausgraben“ (vielleicht Sandburgenbau?), Springen, Schwimmen, Ringen, brandub, fidchell und búanfach, Versteckspiel, Tragen und das Jonglieren mit Bällen. Alle diese Spiele sind ‚immun‘ und ziehen bei Unfällen oder Verletzungen weder Krankenpflege (die nach irischem Recht dem Verursacher der Verletzung in Rechnung gestellt wurde) noch Strafe nach sich.111 Diese Spiele mit vollständiger Immunität werden dann einer zweiten Gruppe, den „fianluichi“ (wohl ‚Wettkampfspiele‘) gegenübergestellt. Diese sind bocluasc (Schwingen (?)), echréim (Pferdereiten), cor cloiche (Gewichtheben (?)), dréim (Klettern) léim (Springen) und díbirciud (Schleudern). Die dritte Gruppe, die colchluichi, „schuldige Spiele“, sind: „Viele gegen Wenige“, „Gegenschleudern“, „auf einem Hügel verstecken“ und „einen Holzspieß in eine Versammlung werfen“.112 Bei den meisten dieser Spiele, besonders den Wettkampfspielen oder den schuldigen Spielen, scheint der Gedanke von Verletzungen oder Unfällen plausibel, die Erwähnung von Brettspielen in diesen Listen wirft allerdings Fragen auf. In seiner Diskussion der Mellbretha verwirft Binchy die Vorstellung, diese Brettspiele seien von Kindern und nicht von den üblichen Helden und Königen gespielt worden. Weiterhin besagen Rechtskommentare, die Immunität für diese Spiele gelte nur bis ins Erwachsenenalter, was einen erwachsenen Brettspieler für alle im Spiel zugefügten Verletzungen haftbar mache. Binchy schlägt vor, diese Kommentare aufgrund ihrer zweifelhaften Realitätsgrundlage zu ignorieren (Binchy 1968: S. 150). Ihm zufolge sind die aufgezählten Spiele gemäß ihres jeweiligen Verletzungsrisikos gruppiert. Es werden also typische Kinderspiele mit Beschäftigungen wie Schwimmen oder Jonglieren und den Brettspielen, mit denen sich auch Erwachsene die Zeit vertreiben, zusammengefasst. All diese Spiele seien als ungefährlich erachtet worden und alle dennoch auftretenden Unfälle oder Verletzungen seien Fälle von höherer Ge-

111 Binchy 1968, S. 149. 112 Binchy 1968, S. 150.

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walt, für die kein Haftungsanspruch entstehe.113 Nun ist zwar eine zufällige Verletzung von Spielern oder Zuschauern während des Spielens eines Brettspiels schwer vorstellbar, für vorsätzliche Verletzungen während des Spiels gibt es allerdings in den irischen Texten eine ganze Anzahl von Berichten. So gerät etwa Guaire Goll, nachdem er drei Tage am Stück gegen Finn Bán im fidchell verliert, völlig außer sich und beschimpft den siegreichen Finn. Dieser schlägt ihn daraufhin derart, dass Guaire Goll sechs Zähne verliert und bewusstlos auf das Spielbrett sinkt. Finn Bán wird später für diesen Hieb schwer bestraft und entkommt nur knapp dem Tode.114 (In Echtra Nerai (Neras Abenteuer) wird der Held Fergus von Bricriu, einem chronischen Unruhestifter, so verhöhnt, dass er nach ihm schlägt. Er trifft ihn mit seiner Faust, in der er fünf fidchell-Steine hält, so hart am Kopf, dass Bricriu eine dauerhafte Verletzung davonträgt.115 In Oided mac nUisnig (dem Tod der Söhne von Uisneach) wirft Naisi einen fidchell-Stein so, dass das Opfer seines Wurfes ein Auge verliert.116 Die Frage nach einer möglichen magischen oder symbolischen Verbindung zwischen dem Kampf der Figuren auf einem Spielbrett und dem Kampf etwa der realen Kämpfer Owains und Arthurs in Breuddwyd Rhonabwy („Rhonabwys Traum“) um die beiden Spieler herum wurde von Helmut Birkhan angesprochen.117 Er nimmt weiterhin an, dass die Erwähnung, der irische König Conchobor verbringe ein Drittel des Tages mit dem fidchellSpiel, auf die Rolle des Spiels als Modell echten Krieges zurückgehe.

Schlussfolgerungen Zusammenfassend lässt sich (neben einzelnen Spielen bislang ungeklärter Zuordnung) eine Identifikation zweier Gruppen von Spielen aus der Quellenlage sicher bestätigen. Dies sind einerseits die Spiele der tablut-Familie, also das irische brandub und das walisische tawlbwrdd. Aus den Quellen lassen sich diese eindeutig den JagdSpielen mit unterschiedlich starken Seiten und dementsprechend ungleichen Gewinnchancen einordnen. Ausgehend von den Hinweisen der einheimischen Quellen und den bekannten Regeln des tablut kann mit einiger Sicherheit auf die Spielweise dieser Spiele geschlossen werden. Ihre Entlehnung aus der skandinavischen Welt, wohin sie wohl aus ursprünglich römischer Quelle gelangten, kann als sicher angenommen werden. Die andere Gruppe an Spielen, das irische fidchell und das walisische gwyddbwyll, sind ihrer Art nach den ausbalancierten Kampfspielen, bei denen üblicherweise der

113 114 115 116 117

Binchy 1968, S. 152. Stokes/Windisch 1900, S. 38. Meyer 1889, S. 226. Stokes/Windisch 1887, S. 139. Birkhan 1989, S. 205–208.

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bessere Spieler gewinnt, zuzurechnen. Aufgrund der Hinweise aus den Quellen scheinen diese Spiele zwar in einzelnen Punkten denen der tablut-Familie ähnlich zu sein, unterscheiden sich insgesamt aber doch deutlich von ihnen. Eine Verwandtschaft ihrer Spielweise mit der des ludus latrunculorum der römischen Welt kann zwar nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, scheint aber im Angesicht der bekannten Hinweise plausibel. Dies wird weiterhin durch die Annahme gestützt, dass sie kurz vor oder im Rahmen der römischen Eroberung eingeführt worden sind. Obgleich also wohl keine der beiden Guppen ‚ursprünglich keltische‘ Spiele sind, wurden die Spiele vollständig in die Kulturen des mittelalterlichen Irland und Wales integriert und dort mit hohem Status verbunden. Nachdem die tatsächliche Identität und Spielweise dieser Spiele nach der Einführung des Schachspiels im Laufe der Zeit in Vergessenheit gerieten, wurden sie, wo sie in den überlieferten Texten Erwähnung fanden, mit dem prestigeträchtigen Schach identifiziert. Dies hatte einerseits Folgen für die Bewertung der in den Texten vermittelten Kultur, andererseits aber auch teilweise für die Rekonstruktion der Geschichte des Schachspiels selbst. In seinem Aufsatz weist Eóin MacWhite diesen verbreiteten Irrtum, dass, fidchell und brandub Schach oder Dame gewesen seien zurück.118 Er weist darauf hin, dass die beiden Spiele nicht nur in den Sagentexten, sondern auch in Rechtstexten erwähnt werden und so eine Existenz der Spiele mindestens seit dem 7. Jahrhundert angenommen werden kann.119 Allgemein wird heute eine Ankunft des Schachspiels zusammen mit den (Anglo-) Normannen (also nach 1169) in Irland angenommen.120 Obwohl der Begriff fidchell in irischen Texten bis in die Neuzeit weiter verwendet wird, verliert er seine ursprüngliche Bedeutung; im heutigen Irisch wird ficheall als Begriff für Schach verwendet. Bereits in Texten aus der frühneuzeitlichen/klassischen Periode wird fidchell offenbar nicht mehr unter seiner ursprünglichen Bedeutung verstanden, so wird dieser Begriff in Eachtra Mhelóra agus Orlando (frühes 17. Jh) synonym mit táiplis (tables, Vorläufer des Backgammon, s.o.) verwendet.121 Bereits im Jahr 1874 weist Antonius van der Linde die vorschnelle Identifikation unbekannter Brettspiele mit dem Schach zurück und zieht es stattdessen vor, sie als „Pseudoschach“122 zu bezeichnen. Das damals übliche Vorgehen, fidchell, gwyddbwyll und tawlbwrdd als „Schach“ oder „Dame“ zu übersetzen, lehnt er scharf ab. Er führt dann Beweise an, um seine Auffassung zu belegen dass diese Begriffe tatsächlich keine Brettspiele meinen würden, sondern stattdessen eine Art Ringkampfspiel.123 Nachdem er dann einige von ihm als widersprüchlich wahrgenommene Beweise auf-

118 MacWhite 1945: S. 25. 119 MacWhite 1945, S. 25. 120 z.B. Breen 2003, S. 45. 121 Greene 1955, S. 7. 122 van der Linde 1874, S. 39. 123 van der Linde 1874, S. 56–59.

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geführt hat, überlässt er die Interpretation dieser Fakten Anderen.124 Vielleicht wenig überraschend ist sein Ansatz auf den Britischen Inseln wenig rezipiert worden und „Schach“ blieb bis weit in das 20. Jahrhundert der Begriff der Wahl, um die einheimischen Spiele zu übersetzen. In seiner Untersuchung aus dem Jahr 1886 spricht sich Lloyd für ein sehr hohes Alter des Schachspiels in Irland aus, da es bereits in Sagen wie Tochmarc Étaíne erwähnt werde.125 Trotz einer im Text selbst angegebenen internen Datierung von Teilen der Sage um die Zeitenwende, ist der Text dieser Sage (der aufgrund sprachlicher Eigenheiten eine Datierung auf frühestens das 9. Jahrhundert erlaubt) nur in Manuskripten erhalten, die auf das Ende des 11. Jahrhunderts und des 14. Jahrhunderts datieren.126 Weiterhin wird in den überlieferten Manuskripten nicht Schach (‚chess‘) erwähnt, sondern fidchell, die Identität dieser Spiele wird von Lloyd, der mit anscheinend englischen Übersetzungen der Texte arbeitet, lediglich angenommen. Interessanterweise hat diese Identifikation der ‚keltischen‘ Spiele mit dem Schach auch später noch stellenweise zu der Annahme geführt, dass angesichts des hohen Alters der ersten Belege dieser Spiele in Irland, das Schachspiel selbst eine irische Erfindung sein müsse (z.B. Nugent 2009). Ganz der etymologisierenden Tradition folgend, nimmt Parry auch für das Backgammon-Spiel einen keltischen (diesmal walisischen) Ursprung an. So sei der Name zusammengesetzt aus walisisch bach („klein“) und cammawn („Kampf“) und die Engländer hätten es dann vermutlich aus Wales übernommen.127 Nun sind, wie oben gezeigt wurde, die besprochenen Brettspiele aus Irland und Wales so verschieden in ihrer Art und Spielweise zu Schach, Dame oder Backgammon, dass von der Verwendung dieser Begriffe zu ihrer Übersetzung abgeraten werden muss. Eine bessere Alternative könnte es sein, die tatsächlichen Namen der Spiele zu verwenden und, wo nötig, eine erklärende Anmerkung hinzuzufügen, dass dies Brettspiele sind die sich mit dem heute bekannteren Schach oder Dame allein das grundlegende Konzept von Figuren auf einem viereckigen Spielfeld teilen. Eine detaillierte Diskussion zur Übersetzung kultureller Konzepte aus dem Altirischen (so auch der Brettspiele) und die dahinterliegenden Übersetzungsstrategien von Assimilation bis zur ausdrücklichen Repräsentation von Fremdheit in einem postkolonialen Kontext findet sich bei Tymoczko.128 Wie zum Beweis eines andauernden Interesses an den ‚keltischen‘ Brettspielen sind moderne Rekonstruktionen von fidchell und brandub über das Internet erhältlich, beide mit sehr ähnlichen, offenbar auf dem ta-

124 „Wir müssen es dem keltisch-britischen humbug anheimstellen, sich dieses Gebräu mundgerecht zu machen“ (van der Linde 1874, S. 59). 125 Lloyd 1886–1887, 659–660. 126 Koch 2006b, S. 1674–1675. 127 Parry 1821, S. 303–304. – Für eine detaillierte Diskussion und Widerlegung des „Mythos vom keltischen Schach“ siehe Harding 2010a sowie Harding 2010b. 128 Tymoczko 2008, besonders S. 163–185.

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blut basierenden Regeln.129 (siehe Corsmeyer 2011). Während die rekonstruierten Regeln des brandub aufgrund seiner Ähnlichkeiten zum tablut der historischen Realität wahrscheinlich recht nahe kommen, kann dies für diese Rekonstruktion des fidchell wohl nicht gesagt werden. Im Rahmen dieses Beitrages konnten nicht alle Quellen und Texte im Detail diskutiert werden. Auch wurden viele kurze oder beiläufige Erwähnungen der Brettspiele in den verschiedenen Texten hier nicht ausgewertet. Es steht zu vermuten, dass eine solche vollständigere und detailliertere Untersuchung weitere interessante Ergebnisse erbringen würde. Weiterhin bleibt auch die Hoffnung, dass zukünftige archäologische Ausgrabungen weitere Brettspiele zu Tage fördern, und uns so weitere Einblicke in die Geschichte und Entwicklung dieser frühen europäischen Brettspiele bringen. Es gibt einige weitere interessante Aspekte, die hier nicht angesprochen werden konnten, darunter etwa die Frage nach einem möglichen Zusammenhang von Brettspielen mit Aspekten von Herrschaft, ihrer Konzeption und ihrer Ausübung.130 Auch steht eine detaillierte Untersuchung des bretonischen gwezboell und seiner Zusammenhänge mit dem irischen fidchell und dem walisischen gwyddbwyll noch aus.

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Das Losbuch Ett litet Tidhfördriff

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Das Losbuch Ett litet Tidhfördriff des Grubenschreibers Gisle Jacobson und das mittelalterliche dobbel-Spiel 1 Einleitung Gisle Jacobson war einer der ersten amtlichen Grubenschreiber, der am schwedischen Kupferbergwerk Stora Kopparberget in Falun am Anfang des 17. Jahrhunderts tätig war. Im Rahmen seiner Anstellung verfasste er die erste offizielle Beschreibung der Kupfergrube in Falun und einige Jahre später auch ein moralisch didaktisches Würfellosbuch für Bergleute. Die Arbeit der Bergleute war seit dem 14. Jahrhundert von dem so genannten omgång geprägt. Mit omgång oder auch pargång genannt, bezeichnete man die festgelegte Ordnung, nach der in den einzelnen Grubenräumen gearbeitet wurde. Die Verteilung der Grubenräume wurde jedes Neujahr durch ein ritualisiertes Auslosen entschieden, ein Würfelspiel, das man dobbel i gruvstugan nannte. Es gibt Quellen, die darauf deuten, dass diese Sitte an dem Bergwerk seit dem Mittelalter üblich war. Gisle Jacobsons Würfellosbuch, das den Titel Ett litet Tidhfördriff trägt, baut in seiner Konzeption auf diese Form des Losens und ist eine Spielanweisung für ein geselliges Orakelspiel. In diesem Artikel wird zunächst näher auf den Grubenschreiber eingegangen, bevor die Gattung der Losbücher beschrieben wird. Danach wird der Zusammenhang zwischen der Arbeitsorganisation im Bergwerk und dem Schmelzhüttenbesitz mit der Sitte dieses ritualisierten Würfelspielens erläutert, das es in Verbindung mit dem Verteilen der Arbeit in den Grubenräume eindeutig nur bei den Bergleuten am Stora Kopparberg gegeben hat. Abschließend beschreibt der Artikel die Beziehung zwischen dem Würfellosbuch und dem mittelalterlichen dobbel i gruvstugan, um einerseits die Funktion und den Inhalt des Buches zu erklären und andererseits deutlich zu machen, welche Aspekte des Textes auf den Gebrauchszusammenhang hinweisen, ein Würfelspielbuch speziell für Bergleute in Falun aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts zu sein.

2 Das Kupferbergwerk in Falun im 17. Jahrhundert und der Grubenschreiber Gisle Jacobson Am 6. November 1606 wurde das Kupferbergwerk in Falun im Auftrag des schwedischen Königs von dem Grubenvogt (bergsfogde) Peter von Benningen, dem Grubenschreiber Gisle Jacobson und den so genannten Sechsmännern (sexmän) untersucht.

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Mit Sechsmännern bezeichnete man in älterer Zeit die Vertrauensmänner, die von den Bergleuten gewählt wurden. Zu dem Zeitpunkt war das Bergwerk eines der wichtigsten Einnahmequellen des Reiches. Ihre Glanzzeit fällt in den Zeitraum zwischen 1629 und dem großen Grubeneinsturz von 1687.1 In dieser Periode wurden hier etwa Zweidrittel der Weltproduktion an Kupfer gewonnen und bald auch so viel Gold, dass man die Grube in Falun bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts zur größten Goldmine Schwedens rechnete.2 Es lässt sich zeigen, dass man in der Gegend von Falun wahrscheinlich schon seit der Eisenzeit, mit Sicherheit aber seit dem 9. Jahrhundert Kupfer abbaute.3 Zum ersten Mal urkundlich belegt ist der Bergbau in der Region durch ein Schriftstück, das bezeugt, dass der Bischof Peter von Västerås ein Achtel der Kupfermine, die Tiskasjöberg genannt wurde und womit der Kopparberg gemeint ist, erworben hat.4 Danach findet sich eine Urkunde von König Magnus Eriksson aus dem Jahre 1347, in welcher er den Bergleuten besondere Rechte erteilte und dabei die Bestimmungen für den Kupferbergbau der Gegend genauer festlegte.5 Diese Bergbauregion wurde bergslag genannt, denn in ihr galt das Gesetz des Berges, bergets lag, das durch königliche Privilegien und Briefe geregelt war.6 Diese montanhistorischen Zeugnisse aus dem schwedischen Mittelalter und der frühen Neuzeit sind, vor allem was das Bergwerk Stora Kopparberg betrifft, in bedeutender Anzahl überliefert. Wichtig zu erwähnen ist ein Privilegienbrief von König Magnus Eriksson aus dem Jahre 1360, auf den weiter unten näher eingegangen wird. In ihm ist eine Formulierung enthalten, die einen deutlichen Bezug auf die ritualisierte Form des Auslosens der Arbeitsordnung mit Hilfe von Würfeln hat und der somit belegt, dass dieses Verfahren seit dem Mittelalter am Stora Kopparberg zur Anwendung kam. Wie noch heute alte Zolldokumente aus Lübeck illustrieren, wurde der Handel mit Kupfer nach Europa durch die Hanse organisiert.7 Gegen Ende des 16. Jahrhunderts stieg der Bedarf an Kupfer in Europa beträchtlich und forderte technische Verbesserungen der Förderanlagen des Kupferbergwerks in Falun. Gustav Vasa hatte als Folge des Dalarna-Aufruhrs das Bergwerk 1551 unter königliche Verwaltung gestellt. Seine Nachfolger hielten daran fest und bemühten sich vor allem um die Verbesserung der Wasserpumpen, so dass sich das Bergwerk allmählich zur größten Industrie-

1 Forsslund 1936, S. 63ff. 2 Bevor ihr die Goldmine von Boliden den Rang ablief. Der Bergbau in Falun wurde, nachdem er über Jahrhunderte zur wichtigsten Metallproduktionsstätte Schwedens gehört hatte, Ende des 20. Jahrhunderts eingestellt. Im Jahre 2001 wurde dieser historischen Industrielandschaft von der UNESCO der Titel Weltkulturerbe verliehen. 3 Lundqvist & Nordahl 1963. 4 Söderberg 1932, S. 68; Boëthius 1965, S. 99f. 5 Boëthius 1965, S. 109f.; Wessén 1947. 6 Man rechnet mit ca. 20 Bergbaugebieten, die aus dem Mittelalter stammen, die meisten davon befinden sich in dem Gebiet, das man heute noch bergslag nennt, vgl. Pettersson 1994. 7 Lindroth 1955, S. 34f.; Heckscher 1968, S. 50–51.

Das Losbuch Ett litet Tidhfördriff

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anlage Schwedens mit um die 1000 Beschäftigten entwickelte.8 Doch war der Abbau auch von einer gewissen Sorglosigkeit bestimmt und die Förderung so wenig durchdacht, dass das Gestein durch die verschiedenen Pingen und Schächte bald so untergraben war, dass es am 25. Juni 1687 zu der erwähnten Katastrophe kam, die gleichzeitig das Ende der Glanzzeit des Bergwerks bedeutete. Die drei Hauptpingen (bondestöten, blankstöten und skeppsstöten) samt die darunterliegenden Schächte und Kammern stürzten ein und hinterließen ein Loch mit einer Tiefe von 95 und einer Breite von 350 Metern. Dieser gewaltige Krater wird stora stöten (die große Pinge) genannt und ist auch heute noch beeindruckend anzusehen. Jedoch als die Sechsmänner zusammen mit dem Grubenvogt und dem Schreiber Gisle Jacobson das Bergwerk inventierten, gab es noch die alten Schächte. Die Beschreibung, die Gisle Jacobson bei dieser Gelegenheit anfertigte, stellt heute das älteste Zeugnis über das damalige Aussehen des Bergwerks dar und ist um einige Jahre älter als die älteste Grubenkarte von Olov Hansson Swart, die erst aus dem Jahr 1629 stammt.9 Gisle Jacobson ist häufiger in schwedischen Quellen vom Ende des 16. und Anfang des 17. Jahrhunderts zu finden. Er war als Kanzlist in Stockholm tätig, bevor er nach Dalarna kam.10 Danach scheint er in Falun gelebt zu haben, wie ein Eintrag in die Biographia Cuprimontana belegt, einer Sammlung biographischen Materials über Personen mit Anknüpfung an das Bergwerk und ihrer Gesellschaft Stora Kopparbergs Bergslag.11 Seine Tätigkeit als Schreiber hat ihn zur Schriftstellerei geführt, denn neben der ersten offiziellen Grubenbeschreibung des Kupferbergwerks in Falun hat er mindestens noch eine Schrift verfasst, nämlich eben dieses Würfellosbuch, das speziell für Bergleute konzipiert ist. Der Titel der Schrift, die in Stockholm am 2. September 1613 gedruckt wurde, lautet: Ett litet Tidhfördriff/ Der medh man kan fördröye Tidhen/ och affslå onde Tanckar/ som letteligen kunne komme när man intet tager sigh

8 Sog. „Bornsbrukstiden“; vgl. Boëthius 1965; Lindroth 1955, S. 40ff. 9 Lindroth 1955, S. 67. Die Anfertigung der Beschreibung hängt mit der Anordnung des Grubenvogts zusammen, jährlich die Grube zu inventieren. 1606 wurde die erste Besichtigung vorgenommen und ein Protokoll angefertigt, das von Gisle Jacobson stammt. Dieses beginnt mit den Worten: ”Anno 1606 denn 6 Nouembris Ransackades gruwanns legenhet af Sex man gruff skrifwaren, och grufue Fogden.” Ein Faksimile einer etwas späteren Grubenkarte, nämlich der von Hans Ranie aus dem 1683, wurde 1957 in Stockholm gedruckt. Die Originalkarten befinden sich im Firmenarchiv von Stora Enso AB, Archivcentrum Dalarna in Falun. 10 De Brun, 1924, S. 822f. Jacob Ingelssons Berättelse om Stora Kopparberget år 1716, S. 16 zählt Gisle Jacobson als Grubenschreiber auf. Er kommt mehrmals in Stockholm Stads Tänkeböcker zwischen 1587 und 1615 vor. Åbo stads historia kennt Gisle Jacobson als Zollschreiber für die Perioden zwischen 1595 und 1599. Nikula 1987, S. 213. 11 Gisle Jacobson ”omtalas i Kopparbergs kyrkas räkenskaper, i vinlängder för åren 1614 och 1620, men icke påföljande års”. Helmer Lagergrens Notierung in der Biographia Cuprimontana von 1942. Die Liste der „Älvsborgs lösen“ von 1614 lokalisiert ihn in Ingarvet. Älvsborgs lösen 1:a termin 1614. Die Biographia Cuprimontana befindet sich im Firmenarchiv von Stora Enso AB, Archivcentrum Dalarna in Falun.

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före/ och må brukas när tiden så medhgiffs.12 Das Werk besteht aus einem längeren Text, der das eigentliche Losbuch vorstellt,13 und zwei hinten angefügten Gedichten. Das erste Gedicht trägt den Titel Än ett annat Sätt med try Terningar til at kasta/ som brukas hos Berkmennerne widh Kupperbergeth und enthält eine kürzere Beschreibung der Sitte des dobbel i gruvstugan und wie diese mit der Arbeits- und Grubenraumverteilung der Bergleute zusammenhängt. Mit dem Gedicht Een liten Förmaning efter vnderwiszningen huru Berkmenen dubla, in dem fromme Ermahnungen an die Bergleute angeführt werden, schließt das Buch ab.

3 Mittelalterliche Losbücher Gisle Jacobsons Text ist ein typisches Beispiel für den spielerischen Umgang mit Texten, den man in der Ära des Humanismus und des Barock häufiger antrifft. Würfellosbücher entwickeln sich aus der so genannten onomantischen oder mantischen Literatur, die zu den ältesten Textsorten der Menschheit überhaupt gerechnet werden und von alltäglichen Lebensfragen wie dem Ausgang von Krankheiten, Liebesglück, politischen Entwicklungen oder vom Wetter handeln.14 Mit ihrer Hilfe hoffte man, Einblick in die Zukunft und das eigene Schicksal zu gewinnen, oder Rat in schwierigen Entscheidungssituationen zu bekommen. Das bekannteste Beispiel dieser Art der mantischen Praxis stellt wohl die „tolle, lege“-Passage des Augustinus aus den Confessiones dar, in welcher er Rat sucht, indem er das damals sehr geläufige Bibelstechen, auch Stichomantie genannt, praktizierte.15 Diesen Rat gebenden und wahrsagenden Funktionszusammenhang bieten alle Los- oder Orakelbücher, wie dann aber die Lose gezogen werden und das Orakel formuliert ist, kann sehr unterschiedlich ausfallen. Entweder richtet man sich nach aufs Papier gespritzten oder in den Sand gekratzten Folgen von Punkten (daher auch Geomantie oder Sandwissenschaft), oder nach dem Zeiger eines Zifferblattes, das man zu drehen hatte. Ob man nun zufällig herausgeschüttelte Karten, Fäden oder Stäbchen verwendete, das wichtigste war, dass die Antwort auf den Wunsch oder die Frage, die man an das Orakel richtete, dem Zufall oder eben der göttlichen Vorsehung überlassen war. Zu einem der beliebtesten Losinstrumente gehörten von alters her immer schon verschiedene Arten von Würfeln.16 Doch galt der Würfel auch als Instrument des Teufels,17,und die

12 Colljin 1943, Sp. 418. Es sind zwei Exemplare überliefert, eins in der Kungliga Biblioteket in Stockholm und eins in der Universitätsbibliothek von Uppsala (Kopie in Lund). 13 Vgl. Stöllinger-Löser 2004. Weiter Bolte 1925 und ders. (Hrsg.) 1903. 14 Vgl. Böhm 1932/1933, Sp. 1351–1386 und 1386–1401. 15 Aurelius Augustinus, Confessiones VIII 12,29. Siehe dazu auch Thomas von Aquino sors consultatoria, Summa theologica II 2, 95, 8. Vgl. weiter Böhm 1932/1933, s.v. Losen. Das Bibelorakel gilt als besondere Form des christlichen Aberglaubens. Vgl. auch Sparn 1998. 16 Nedoma 2007.

Das Losbuch Ett litet Tidhfördriff

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Bibel erzählt beispielsweise davon, wie die Soldaten, die Jesus ans Kreuz geschlagen hatten, um seinen nahtlosen Rock würfelten, weil sie ihn nicht teilen wollten.18 In den nicht sehr zahlreichen kunst- und literaturgeschichtlichen Arbeiten zu den Los- und Punktierbüchern hat man sich bemüht, diese zu kategorisieren, indem man sie durch verschiedene formale und motivische Merkmale voneinander abgegrenzt hat.19 Für meinen Zusammenhang interessant ist, dass das vorliegende Würfellosbuch keinen wirklich seriösen, weissagenden Anspruch hat. Ernsthafte Wahrsagebücher waren ohnehin nach kirchlichem und weltlichem Recht verboten. Auf der anderen Seite ist Ett litet Tidhfördriff aber auch nicht rein scherzhaft und satirisch gehalten, sondern hält sich bewusst im Grenzbereich von ernsthafter Orakelpraxis und geselligem Kurzweil oder Tidhfördriff auf. Der Verfasser will den Rat suchenden Bergleuten auf spielerisch unterhaltsame Weise moralisierende Lebensweisheiten vermitteln, ob man die Antworten dann scherzhaft oder ernst nimmt, bleibt dann dem einzelnen Bergmann oder Spieler selbst überlassen. Diese Art von lystig selskabs bog, wie der Untertitel einer dänischen Variante eines solchen Buches lautet, war in Schweden vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert beliebt. Das dänische Losbuch nennt sich Lycke Bogen und stammt ungefähr aus derselben Zeit wie Ett litet Tidhfördriff (ca. 1600). Hier wird das Los über eine dem Buch beigegebene, drehbare Scheibe gezogen, die auf ein bestimmtes Tier zeigt. Das eigentliche Losbuch bietet dann eine Liste von 88 Tieren, alle mit einer kleinen Illustration und einem paargereimten Vierzeiler versehen, der das eigentliche Los darstellt.20 Vor dem Hintergrund der Verbreitung und Beliebtheit des Würfelns im Mittelalter und der frühen Neuzeit liegt das Ziehen der Lose mit Hilfe von Würfeln auf der Hand. Bei den überlieferten Würfellosbüchern wird das Los dann auch entweder mit zwei oder, wie bei Gisle Jacobsons Würfellosbuch, mit drei Würfeln ermittelt. Da das Würfeln im ritualisierten Funktionszusammenhang in Falun und am Bergwerk offensichtlich sanktioniert war, liegt es für den Grubenschreiber nahe, den Würfel als Loswerkzeug einzusetzen. Dass das für ihn jedoch nicht ganz unproblematisch war, wird weiter unten erläutert.21 Zunächst soll die Funktion des ritualisierten Würfelns im Zusammenhang mit der Arbeitsorganisation im Bergwerk erklärt werden.

17 Mehl 1990, S. 314; Herold 1932, Sp. 1015. 18 Mann 1994. 19 Als erster widmete sich der Kunsthistoriker Sotzmann in der Mitte des 19. Jahrhunderts dieser Gattung, vgl. Sotzmann 1850. Die danach umfangreichste Studie ist Boltes Untersuchung zu Wickram, Bolte 1903. 20 Vgl. Bröndum-Nielsen (Hrsg.) (1917). Vgl. hierzu auch Martin Flachs Losbuch aus dem Ende des 15. Jahrhunderts Voulliéme [Hrsg] [1923]. 21 Über die negative Einstellung skandinavischer Rechtstexte zum Dobbelspiel handelt Victor Hansens Beitrag „Für den Trinker gibt es Rat, für den Doppler selten“ – Das Doppelspiel in skandinavischen Rechtstexten des Mittelalters in diesem Band.

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4 Der omgång der Bergleute am Kopparberg Der Bergslag hat im Vergleich zu den übrigen schwedischen Landschaften mehrere Besonderheiten aufzuweisen. Diese Gegend schließt verschiedene Bergwerke ein und genoss, wie die ältesten Privilegien von Stora Kopparberg, Norberg und Salberg illustrieren, politische Sonderstellung und Selbstverwaltung. Wer dort wohnte, konnte bestimmte Vorzüge sowohl steuerrechtlicher, gewerblicher als auch juristischer Art in Anspruch nehmen.22 Volle Selbstverwaltung und eigene Gerichtsbarkeit sollten den Ertrag der Bergwerke steigern, wie z.B. der in den Kopparbergsprivilegien ausdrücklich erwähnte Bergfrieden erläutert, der „Geächteten“ des ganzen Reiches Asyl gewährte, wenn sie sich dazu bereit erklärten, täglich am Berg zu arbeiten. Mit „Geächteten“ meinte man leichtere Verbrecher, denn zu den Schwerverbrechern der Zeit des Kopparbergprivilegs von 1347 rechnete man nicht nur Mörder, sondern auch diejenigen, die ihren Hausherrn verraten hatten, „offensichtliche“ Diebe und „Kvinnofridsbrytare“, also solche, die sich an Frauen vergangen hatten.23 Im Übrigen gewährten die mittelalterlichen Privilegien jedem arbeitswilligen Mann, auch wenn er geächtet war, das Recht, Land in der Nähe des Bergwerks zu roden und zu bestellen, ohne dafür Pacht zu bezahlen und mit der Möglichkeit, dieses dann unter gewissen Bedingungen sogar zu besitzen.24 Abbau, Bearbeitung und Schmelzung der Kupfererze war von den Bergleuten in dieser Region schon immer genossenschaftlich organisiert worden, da die Vorkommen von Stora Kopparberg das Bauen von Schächten und Stollen verlangten und der Bergbau untertage, im Gegensatz zum Übertagebergbau, nicht von einzelnen Individuen zu leisten war. Ursprünglich wurde aber das Beschaffen des Kupfererzes als eine Nebenbeschäftigung angesehen. Hier ging es, wie die frühen Privilegien von Stora Kopparberg illustrieren, nur um ein Nutzungsrecht am Berg, um das Rohmaterial für die Hüttenschmelzöfen zu beschaffen.25 Bergmann am Stora Kopparberg war anfänglich nicht derjenige, der am Berg untertage Erz abbaute, sondern derjenige, der einen Teil einer Schmelzhütte besaß. Zur Verhüttung des Kupfererzes hatte man entlang der Wasserläufe in Falun verschiedene Schmelzhütten gebaut, die seit dem 13. Jahrhundert mit von Wasserkraft unterhaltenen Blasebälgen betrieben wurden. Für eine Hütte brauchte man zwei Blasebälge, die man par nannte und die sich in der Regel mehrere Bergleute teilten. Am Anfang des 16. Jahrhunderts besaßen etwa 100 Bergleute um die 20 Hütten, d.h. normalerweise vier Bergleute ein par, so dass jedem Gru-

22 Boëthius 1965; Granström 1940. 23 Vgl. Sommarin 1908, S. 17f. Ähnliche Privilegien wurden auch für den Salberg formuliert. Vgl. zum Beispiel die Beschreibung der Silberbergwerksprivilegien von Gustav Vasa bei Norberg 1978, S. 27ff. 24 Boëthius 1965, S. 23ff., 151ff. 25 ”Tidigare har här antagits att en del bönder haft hyttor och hämtat den malm de behövde i gruvan och 1360 års brytningsstadga ger klart besked om att hyttdriften var en förutsättning för rätt till gruvbrytning.” Boëthius 1965, S. 103. Siehe dazu auch Sommarin 1908, S. 14f.

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benanteilsinhaber ein fjärding (fjärdepart), also Viertel gehörte und dementsprechend besteuert wurde.26 Man besaß also einen Anteil einer Schmelzhütte und damit war nicht nur das Nutzungsrecht samt Nutzungspflicht am Berg und eine bestimmte Besteuerung verbunden, sondern auch ein besonderer Eigentumsbesitz. In dem oben bereits erwähnten Privilegienbrief vom 19. Februar 1360 heißt es beispielsweise: Först och främst vilja vi, att ni er emellan dela alla gruvor, vilka genom Tomas Litlagarp, Godsven Unge och vem annan det vara må hittills kommit i dagen och brukats och detta i proportion till det antal bälgar, som var och en av eder må ha hållit, samt att därefter var och en må bearbeta och utnyttja sin del, allt eftersom lotten faller. Och ingen må våga att i gruvrummen från det förut bearbetade stället hoppa över något, utan han må bryta ur berget jämnt enligt förut sagda plan och ordning, vare sig det är gott eller dåligt.27

Der Privilegienbrief bezieht sich ausdrücklich auf den Hüttenbesitz, indem von der „Anzahl der Blasebälge“ die Rede ist. Bergmann und Hütteninhaber ist hier, im Gegensatz etwa zu Rammelsberg, einer alten deutschen Kupfermine in Goslar, von deren Organisation und Technik sich die schwedischen Könige gerne inspirieren ließen, dieselbe Person, denn das Brechen und Veredeln des Kupfererzes wurde noch mit einer relativ einfachen Bergwerkstechnik betrieben. Par ist in diesem Zusammenhang die Bezeichnung für die jeweiligen Abbaugemeinschaften, die sich untereinander in der Grube beim Abbau gemäß der Ordnung abwechselten, wie sie beim jährlich ausgeführten dobbel i gruvstugan ermittelt worden war.28 Je nach den Fähigkeiten und Möglichkeiten zum Malmerzschmelzen, die die einzelnen Kooperativen der Hütten (par) hatten, verteilte sich auch der Zugang zum Kupfererz und zum Bearbeiten der einzelnen Stollen und Grubenräumen.29

26 Dazu ausführlicher Boëthius 1957, S. 2ff. und 1965, S. 116ff. – „En hytta hade som bekant två, d.v.s ett par, blåsbälgar. Begreppet ”par” får sedermera en vidare betydelse. Från att ha åsyftat en hytta, kommer det tillika att angiva den mot en hytta svarande gruvdelen och blir alltså en term för ägandeförhållande. Skatten till kronan, avraden, vilken tidigast utgått i proportion till gruvandelen, beräknas i slutet av 1300-talet efter par, och paret blir s.a.s. sinnebilden för kopparbergsbruket, betygad genom dess förekomst på Kopparbergets sigill, vilket visar två blåsbälgar.” Ekstrand 1937, S. 42. 27 Übersetzung aus dem Lateinischen bei Ekstrand 1937, S. 38, dort auch die Edition des Grundtextes S. 37f.: „Jn primis volumus, vt omnia et singula fossata per thomam litlagarp et godhswenum Vnga ac quemcunque alium hactenus inuenta et culta inter vos iuxta numerum follium, quem vestrum quilibet tenuerit, propor ionaliter diuidatis ac partem suam quilibet deinceps laboret et excolat ordine sicut cadit. Nec aliquis in fossatis ipsis de cetero saltum facere audeat set equaliter secundum modum et ordinem predictos de monte ipso diminuat siue bonum siue malum.“ Vgl. auch die Edition dieses Briefes bei Wessén 1947, S. 41, mit schwedischer und englischer Übersetzung. 28 Die Bezeichnung par kommt im 15. und 16. Jahrhundert als Benennung von Grubenanteilen auch am Salberg vor, vgl. Norberg 1978, S. 22. Zur Problematisierung des par-Begriffs vgl. Granström 1940, S. 102f. Am Salberg trifft man jedoch nicht das Auslosen der Arbeitsordnung durch das ritualisierte Würfelspiel des dobbel i gruvstugan an. Vgl. die ausführliche Beschreibung der Arbeitsorganisation des Silberbergwerks im 16. und 17. Jahrhundert bei Norberg 1978. 29 Ekstrand 1937, S. 43; Lindroth 1955, S. 33.

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Wie dieser Privilegienbrief illustriert, wechselten sich die Bergleute beim Abbau des Erzes in vorgeschriebener Reihenfolge in den Grubenräumen ab, „ordine sicut cadit“, wie es in dem lateinischen Grundtext des Privilegienbriefes heißt, in der Ordnung, wie sie durch das gefallene Los aufgestellt worden war. Der Abbau war also seit dem Mittelalter genau organisiert und wurde omgång oder pargång genannt. Demnach gab eine hohe Würfelzahl im Zusammenhang mit dem dobbel i gruvstugan eine gute Position im omgång, oder wie Gisle Jacobson in seinem Text aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts formuliert, „Den högste ögon på try Terningar kan få/ Han får fremst j par gongen gå”. Zu Gisle Jacobsons Zeit war die Arbeit also immer noch so organisiert, dass die jeweilige Abbaugemeinschaft einer Hütte (par), die die höchste Zahl gewürfelt hatte, Zugang zum ersten Grubenraum bekam, die mit der zweithöchsten Zahl Zugang zum zweiten Grubenraum und so weiter. Entsprechend der altertümlichen Weise des Erzbrechens, dem so genannten tillmakning, wurde in der Grube Feuer gesetzt, so dass das harte Gestein leichter zu brechen war. Das Feuer wurde in der Regel am Nachmittag angezündet, wenn die erste Schicht mit dem Brechen des Erzes fertig war. Für die nächste Schicht wurde der Raum in der Weise gewechselt, als jetzt die erste Arbeitsgemeinschaft in den zweiten Raum ging, die zweite in den dritten und so weiter. Dadurch wurde jeder Gruppe der Reihe nach Zugang zu jedem Raum geboten, unabhängig davon, wie ergiebig der jeweilige Grubenraum gerade war. Durch diese Verfahrensweise wurde die Willkür des Zufalls beim Würfeln eigentlich ausgeglichen, denn jede Gemeinschaft musste den zugewiesenen Raum während eines bestimmten Zeitraums bearbeiten, unabhängig vom Ertrag an Kupfererz. Wie erfolgreich man war, hing deshalb nicht von dem Rotationsprinzip in den Grubenräumen ab, da man nie wusste, welcher Raum gerade der ertragreichste war, sondern von der Anzahl der Bergarbeiter und wie geschickt diese waren. Dass die Geschicklichkeit der Arbeiter ausschlaggebend war, ist offensichtlich, wenn man bedenkt, dass zu dieser Zeit gerade mal höchstens 8 Grubenarbeiter, die so genannten gruvdrängar, in einen Grubenraum passten.30 Stora Kopparberget ist das älteste Bergwerk Schwedens und dass man hier mehrere technische und organisatorische Methoden von dem deutschen Vorbild, der Kupfergrube in Rammelsberg bei Goslar, übernommen hat, illustrieren die vielen schwedischen bergtechnischen Begriffe, die deutsche Entlehnungen sind. Von Stora Kopparberg aus wurden diese Erneuerungen und Organisationsprinzipien dann von anderen Gruben in Schweden übernommen. Doch lässt sich gerade die mittelalterliche Sitte, die Reihenfolge des Abbaus in den Grubenräumen und Stollen durch ein

30 Naucler 1941, S. 53. In einer Abhandlung von Johan Henric Grave aus dem Jahre 1783 wird die Arbeit noch so beschrieben: „Många oförtrutne och härdiga arbetare, som ej försummade att lösbryta de heta och remnade klyftorna, afskräcktes ej af den öfver hufvudet hängande fara, fruktade ej för malmos, rök, damm af den nyligen nedbrunna veden, vunno så mycket mera lön för sin möda.” (Grave 1783, S. 4.) Zu ausführlichen Beschreibungen der harten Arbeitsbedingungen in schwedischen Gruben der frühen Neuzeit vgl. Norberg 1978.

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ritualisiertes Auslosen festzulegen, dem dobbel i gruvstugan, weder bei Rammelsberg noch an irgendeinem anderen schwedischen Bergwerk belegen. Es scheint sich hierbei also um eine besondere Sitte der Bergleute von Stora Kopparberg zu handeln, die nicht importiert ist und auch nicht von anderen Bergwerken oder Gruben übernommen wurde. Das hängt wiederum mit den besonderen Besitzverhältnissen der einzelnen Gruben, Stollen und Grubenräumen zusammen. Am Stora Kopparberg besaß man eben nicht, wie etwa die Bergleute in Rammelsberg, eine Grube oder vielleicht einen Anteil einer Grube, sondern diese war, wie oben beschrieben, ein Teil des allmännige (Allmende). Natürlich kam es zu Situationen, in denen Bergleute, zumeist deutsche Einwanderer, im Berg neue Erzlagerstätten entdeckten und diese dann für sich, der deutschen Sitte gemäß, beanspruchten. Genau darauf bezieht sich der oben zitierte Privilegienbrief vom 19. Februar 1360, wenn es heißt, „ dass alle von Thomas Litlagarp und Godsven Unga zugleich mit mehreren anderen bisher eingerichteten und benutzen Arbeitsräumen unter euch in Proportion (…) verteilt werden (…) sollen“.31 Den beiden Bergleuten Thomas Litlagarp und Godsven Unga wird der Besitz der von ihnen entdeckten Erzlagerstätten untersagt und befohlen, dass diese Gruben ebenfalls mit in die ursprüngliche Verteilungs- und Rotationsordnung einbezogen werden sollen.32

5 Das Verfahren und die Funktion des dobbel i gruvstugan Bei dem Auslosen der Reihenfolge ging man so vor, dass sich zu Neujahr die Bergleute vor dem Grubenvogt und anderen Repräsentanten des Königs sammelten und den Zufall entscheiden ließen, indem sie nacheinander, gemäß der Reihenfolge des Vorjahres, würfelten. Gewürfelt wurde mit drei sechsseitigen Würfeln, die von eins bis sechs nummeriert waren. Die neue Reihenfolge galt, wie die Privilegien von Stora Kopparberg nahelegen, ab Anfang Januar, doch konnte der Zeitpunkt des Rituals auch verschoben werden, wenn beispielsweise der König oder die Königin dem Ritual beiwohnen wollte.33 Wer beim dobbel i gruvstugan den besten Wurf machte, bekam den ersten Grubenraum zum Abbauen des Erzes zugewiesen, die Gemeinschaft mit dem zweithöchsten den zweiten usw. Dass die Reihenfolge und das Rotationsprinzip dann

31 Die deutsche Übersetzung stammt von Maedge 1916, S. 166. 32 Ekstrand 1937; Boëthius 1965, S. 114. 33 Hildebrand 1946, S. 573–575: ”Kungabesök”. – Hildebrand 1946, S. 573 beispielsweise über Königin Christinas Besuch in Falun 1646: „Under sin vistelse i Falun hade drottningen tre gånger varit vid gruvan och hyttorna och där funnit allt i gott sick. Hon hade också ’haft alla bergsmän tillhopa och ansett partalens dobbel´; denna procedur, som brukade äga rum närmare nyåret, hade väl alltså uppskjutits för det höga besökets skull.”

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auch im Laufe des Jahres eingehalten wurden, war die Aufgabe des sogenannten Bergmeisters, der Vorsitzende des von den einzelnen Arbeitsgemeinschaften oder par gewählten Rats der 14. Das ritualisierte Auslosen der Arbeitsordnung hat Gisle Jacobson in Ett litet Tidhfördriff in dem auf das Losbuch folgenden Gedicht Än ett annat Sätt med try Terningar til att kasta/ som brukas hos Berkmennerne widh Kupperbergeth näher beschrieben: WJd kopperbergz Gruffua plägar wara wijs/ Der af Berkmännen bäre både äre och prijs/ Nyårs tidh medh try Terningar att kasta/ Det til hwar Berksman moste sigh hasta/ Den högste ögon på try Terningar kan få/ Han får fremst j par gongen gå/ Och haffuer en fördel/ fram för andra/ Som länger åther j gongen monde wandra/ Men den som j rumpan kommer/ han sitter der fast/ Det waller hans ringa och arma kast/ Try es fyra eller sex ögon kunne det göra/ När det skeer/ skal man glädie höra/ Hwar man skratta och lee der ååt/ Då är lust och glädie och ingen grååt/ Den fremst kommer får för kopper än den eftrest malm/ Derföre gör det mongen stor ångest och harm/ Den widare her om wil wetta och fråga/ Han må sigh hijt til kopperberget wåga/ Nyårs tidh som förre är sacht/ Så får han der på giffua acht/ Och sielf see det som här är om talat/ Och wil här medh haffue läsaren Gud befalat. (Jacobson 1613, Diivf.)

Die Besonderheit dieser Sitte lässt es naheliegend erscheinen, dass sie in Reiseberichten der Zeit Erwähnung findet. Es sind zwar viele Zeugnisse von ausländischen und schwedischen Reisenden im Königreich Schweden zur Großmachtzeit erhalten, doch gibt es nur einige wenige, die ihre Eindrücke von einem Besuch des Bergwerks Stora Kopparberg aufgezeichnet haben.34 Der in diesem Zusammenhang wohl prominenteste Reisebericht ist der eines französischen Diplomaten mit Namen Charles Ogier, der auf einer Reise, die er von 1634 bis 1635 unter anderem in Schweden unternahm, einen Bericht verfasst hat, den er in Tagebuchform unter dem Titel Carolii Ogierii ephemerides sive iter Danicum, Svecidum, Polonicum 1656 drucken ließ. Der schwedische Teil des Reiseberichts von Charles Ogier, der auch einen Besuch im Kupferbergwerk zu Falun beinhaltet, ist schon früh ediert und kommentiert worden.35

34 Bring 1954. 35 Ogier 1656/1914. Vgl. auch die jüngere kommentierte und revidierte Ausgabe von Stig Appelgren, Ogier 1656/1978.

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Weniger bekannt ist allerdings, dass in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts in der Vatikanbibliothek ein bis dahin unbekanntes Manuskript dieses französischen Diplomaten gefunden wurde. Darin ist das ritualisierte Auslosen der Grubenräume und Reihenfolge des Abbaus in folgender Weise geschildert:36 Den andra Januari varje år samlas alla de som vilja söka sin lycka i Jorden och uppdelas i 32 grupper eller lag, vardera om 16 personer som kasta lott för att se vem som skall arbeta först, som nr två eller som nr 3. Det lag, vilket det tillkommer att arbeta som första lag, kastar sin ved klockan 4 på kvällen ner i gruvan och tänder på kl. 6 lämnar den till midnatt och går in igen och hugger bänder, drar allt vad de orka ända till kl 4 om aftonen följande dag då de måste gå ut, hur läget än är för dem och ge plats åt följande lag, som ibland har nytta av det arbete som första laget gjort, beroende på hur lyckan dem.

Wie man diesen Beschreibungen entnehmen kann, sind sich die Autoren schon Anfang des 17. Jahrhunderts der Kuriosität dieser mittelalterlichen Sitte der Bergleute am Stora Kopparberg bewusst. Auch zum Beginn des nächsten Jahrhunderts findet sich noch eine ähnliche Einstellung, wie man in Olof Olofsson Nauclers akademischer Abhandlung Beskrivning över Stora Kopparbergs gruva aus den Jahren 1701 nachlesen kann. Bei ihm wird dieses kuriose Ritual ausführlich und wie folgt beschrieben:37 Denna brukar försiggå i gruvstugan efter årsskiftet vid en sammankomst av hela Kopparbergslaget, vilket hållas efter offentlig pålysning. Denna sammankomst kallar man dobbel. Sedan gruvrätten i bergsmännens närvaro intagit sin plats vid bordet, uppläser notarien ur partals boken varje par enligt föregående års ordning, t.ex. första paret i första gången. Därefter framträder rotmästaren eller en annan av parlagarne och kastar tre tärningar, varpå det tal, som han fått, antecknas. På samma sätt förfares med det andra och därpå det tredje ända till tjugofemte paret. Stundom överlämnas delägarna lottkastningen åt bergmästaren eller någon annan förnämlig man, som står nära till. Efter aktens slut uppföras paren i en ny ordning enligt det tal de erhållit vid lottningen, och det par får sig första rummet anvisat, som slumpen givit högsta talet. Den, som fått 3 eller 4, får det sista rummet. Därvid bliva de ofta de sista, som förut varit de första, och tvärtom. Mycket sällan lyckas det någon att behålla sin forna plats. Då talet, som fås genom ett kast med tre tärningar, icke kan vara mindre än 3 och ej högre än 18 och då alltså talen ej räcka till för 25 olika kast, kan det ej undvikas, att två eller flera par få samma tal. De måste alltså tävla ånyo, varvid blott de men inga andra få deltaga. Ett exempel skall förtydliga saken. Om vid första lottningen tre par fått talet 10, erhålla alla plats under det par, som fått 11, och över det, som fått 9. Mellan dessa tre anställes nu förnyad lottning för att bestämma ordningen mellan dem. Sedan man sålunda genomgått en pargång, sker på samma sätt lottning om den andra och slutligen om den tredje. Därefter uppläser notarien den nya ordningen mellan paren, t.ex. ”Det, som var det tionde under förra året, har nu blivit det första, det tjugonde har blivit det andra, det tjugofjärde det tredje o. s. v.”

36 Wis 1988, S. 11. 37 Naucler 1941, S. 41. Die lateinische Abhandlung Nauclers mit dem Orginaltitel Delineatio magnæ fodinæ Cuprimontanæ wurde 1941 in schwedischer Übersetzung von Engelbert Nordenstam herausgegeben.

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Spätmittelalterliche Dokumente illustrieren ebenfalls das Interesse des Reichsverwesers an diesem Spiel, da zu dieser Zeit auch die Abgaben an die Krone im Zusammenhang mit dem dobbel i gruvstugan festgelegt wurden. Wenig überrascht daher die Tatsache, dass dabei auch gepfuscht wurde, wie einige überlieferte Briefe an den Reichsverweser Svante (Sture) Nilsson vom Anfang des 16. Jahrhunderts veranschaulichen. Wie der Betrug organisiert war, erklären die Briefe nicht genauer, man bekommt aber den Eindruck, dass es sich weniger um „schlechte“ Würfel als vielmehr um Machtmissbrauch handelt, bei dem die wenigen reichen Bergleute die Reihenfolge, die beim dobbel i gruvstugan ermittelt worden war, missachteten und die ärmeren Bergleute übervorteilten.38 Man kann sich fragen, warum das Würfeln um die Arbeitsordnung gerade im Bergbau des Stora Kopparberg eine so große Rolle gespielt hat. Vergleicht man die Bergwerksstatuten von Stora Kopparberg mit anderen mittelalterlichen Bergordnungen, wie z.B. denen von Salberg oder von Rammelsberg, so fällt auf, dass ein wichtiger Faktor, der die Produktion beeinträchtigte und teilweise sogar zum Stillstand brachte, neben Wassersucht der Grube, Einstürzen, Hungersnöten und Pest auch Streitigkeiten der Bergleute gehörte. In der einschlägigen schwedischen montanhistorischen Literatur ist viel von den Bemühungen der einzelnen Regenten die Rede, geeignete Fachkräfte aus dem Ausland vor allem für Salberg und Stora Kopparberg anzuwerben. Die Bergordnungen und königlichen Regelungen sollten die Zufuhr an Lebensmittel und Holz der Region sichern, aber auch Streit vorbeugen und schlichten. So ist beispielsweise der Anlass der Ausfertigung des Privilegienbriefs von Magnus Eriksson aus dem Jahr 1360 der, den Streit zwischen den Bergleuten, der auch die Arbeitsordnung betrifft, beizulegen.39 Die Goslarer Berggebräuche von um 1360 stellen ein eindrucksvolles deutschsprachiges Beispiel für den Versuch dar, mit detaillierten Verordnungen die Zusammenarbeit der Bergleute zu regeln, der jedoch misslang, denn gerade im 14. Jahrhundert kam der Bergbau in der Region aufgrund von Streitigkeiten fast zum Erliegen.40 Eine wichtige Funktion des Losens aber war von alters her neben der divinatorischen Praxis, die der Entscheidungshilfe in schwierigen Situationen, bei kirchlichen- und weltlichen Gerichtsbeschlüssen und bei

38 Über das Interesse des Reichsverwesers Svante (Sture) Nilssons am dobbel i gruvstugan vgl. Ridder in Druck. Hier ausführlicher über das Schreiben von Arvid Siggesson an den Reichsverweser in Pers 1932, S. 11f. und den Brief vom 16. Dezember 1504. Ein ähnliches Anliegen hat auch der Västeråsvogt Jon Jönsson in einem Brief an Svante Nilsson vom 8. Dezember 1505. Pers 1932, S. 196f. Zur Problematik von „schlechten“ Würfeln im Zusammenhang mit der Geschichte der Stochastik vgl. Ineichen 1991. 39 „Som anledning till utfärdandet av 1360 års brev angives, att bergets drift på ett märkbart sätt blivit förminskad på grund av bergsmännens tvister.“ Ekstrand 1937, S. 47. 40 Zum Oberharzer Bergbau im Mittelalter allgemein siehe Bornhardt 1943, über Krisen im Mittelalter und der frühen Neuzeit vgl. Bartels 2000 und 1997, S. 48. Über die Arbeitsorganisation am Rammelsberg im 17. und 18. Jahrhundert vgl. Kraschewski 1997. Zu den Goslarer Berggebräuche siehe Fröhlich 1953.

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Streitigkeiten.41 Nedoma dokumentiert, wie weitverbreitet das Würfelspiel im Mittelalter war, bei dem es ohne Brett einfach nur „um bestimmte Augenkombinationen oder auch nur um hohe Punktzahlen ging“.42 Hansen weist darüber hinaus in diesem Band auf die ambivalente Einstellung in mittelalterlichen skandinavischen Quellen zum Würfelspielen hin, auch wenn es als Instrument der Entscheidungshilfe funktionalisiert wurde.43 Offensichtlich hat sich seit dem Mittelalter am Stora Kopparberg die Sitte erhalten, Streit mit Hilfe von Losen einigermaßen erfolgreich zu vermeiden, so dass es dann in ritualisierter Form in die Arbeitsorganisation der Grube integriert wurde. Dieser Umstand steht jedoch in augenscheinlichem Kontrast zu der im mittelalterlichen Europa gut bezeugten „christlichen Propaganda gegen alle Gesellschaftsspiele“.44 Merkwürdigerweise finden sich auch Belege zu Spielverboten im Zusammenhang mit Stora Kopparbergs oder Salbergs Bergwerksordnungen und Gerichtsbarkeit.45 Deutschsprachige Bergwerkssagen aus dem Mittelalter legen auch die Vermutung nahe, dass Glück am Berg, womit das Auffinden von Erzlagerstätten gemeint ist und Glück beim Spiel zusammen gehörten.46 Der Artikel 14 der Goslarer Berggebräuche von um 1360 beispielsweise verbietet, jemanden wegen Streitigkeiten beim Spiel vors Berggericht zu laden.47 Das Spiel, um das es hier geht, ist jedoch nicht das Würfelspiel sondern Kegelspiel, da man im Mittelalter am Rammelsberg in unmittelbarer Nähe der Grubenwinden auch Kegelbahnen baute.48

6 Gisle Jacobsons Ett litet Tidhfördriff Diese jahrhundertealte Sitte der Bergleute, jedes Jahr zu Neujahr die Reihenfolge des Abbaus und damit die Verteilung des Kupfererzes untereinander durch ein ritualisiertes Würfelspiel festzulegen, nimmt der Grubenschreiber Gisle Jacobson somit als Ausgangspunkt und Konzeption für ein Losbuch für Bergleute. Das Würfelosbuch Ett litet Tidhfördriff, das er 1613 veröffentlichte, enthält nach dem umständlichen barocken Titel zunächst eine Unterrichtung des Lesers, genauer eine Spiel- und Gebrauchsanweisung:

41 Pesch 2003. 42 Nedoma 2007, S. 256. 43 Vgl. Victor Hansens Beitrag im vorliegenden Band. 44 Nedoma 2007, S. 255. 45 Wessén 1947; Granström 1940; Norberg 1978. 46 Heilfurth 1967. 47 Fröhlich 1953, S. 100. 48 Über die Geschichte des Kegelspiels und seine Beziehungen zum Bergbau vgl. Weisgerber 1979. Allgemein über die Geschichte des Kegelspiels in Schweden Tillhagen 1949.

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Eet litet Tidhfordriff må jagh heta/ Om någon wil efter migh leta/ Och der hoos wil migh rätt förstå/ Skal han lata efter try Terningar gå/ Och sedan en god önskan begära/ Den honom helst kan lända til ähra/ Och sedan kasta medh Terningar try/ Så skal han wäl merckia och si/ Huar han får samma ögen igän/ (Jacobson 1613, Bl. Aiir)

Gemäß dieser Anweisungen geht der Erzähler davon aus, dass einige Bergleute sich die Zeit vertreiben wollen, damit keine bösen, d.h. sündigen Gedanken aufkommen, oder wie es auf dem Titelblatt heißt: „affslå onde Tanckar/ som letteligen kunne komme när man intet tager sigh före“. Die Bergleute nehmen dafür ein moralisch gerechtfertigtes Orakelspielbuch, das sie mit drei Würfeln spielen. Der würfelnde Bergmann soll sich etwas wünschen, doch soll der Wunsch etwas Ehrenhaftes sein und nach Möglichkeit „lända til ähra”. Die durch den Wurf ermittelte Zahl kann dann in dem folgenden Orakeltext aufgesucht werden, der die verschiedenen Würfe, die mit drei sechsseitigen Würfeln möglich sind, mit einem Spruch versehen aufzählt, der dann das Los vorstellt. Dieses Verfahren bietet eine natürliche Gliederung des Textes, so dass nach der Spiel- und Gebrauchsanweisung (Underwiszning) und der Dedikation (Til Läsaren), der eigentliche Losbuchtext folgt. Die Bergleute wollen sich also die Zeit mit einem Orakelspiel vertreiben, das zusammen mit drei Würfeln, alleine oder in Gesellschaft gespielt werden kann und es spielt dabei keine Rolle, in welcher Reihenfolge gewürfelt wird: Ähre j flere än twå eller trij/ Skal hwar kasta sitt kast frij/ Och hwar sielf sins kasts vthtydare wara/ Förutan all nögdh och fahra/ Kan en det icke allene göre/ Hoppes man det att see och höre/ Att ibland selskap finnes vthtydare gode/ Det man icke annan kan förmode/ Som leggie för hwar annan löök opå/ Ty Teth plägar intet elliest fort gå/ Medh minder Rullewagnen brukas ibland/ Och förer en man från land på strand/ Denne Bookz innehold och grundh/ Ähr nog vnderwist på denne stundh (Jacobson 1613, Bl. Aiirf.)

Diese Gebrauchsanweisung des Spiels zu Beginn des Textes lässt keinen Zweifel daran, dass es sich hier um ein geselliges Spiel und nicht um ernstgemeinte Divination handelt, denn das Los soll irgendwie gedeutet werden: „Tyd dedh sedan vth j beste meningen/ Hwad digh bliffuer giffuit på Terningen”, heißt es hier im Text, der weiter

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erklärt, dass in geselligem Beisammensein gespielt wird, wenn man sich die Zeit vertreiben will, wie zum Beispiel auf Reisen: „Denne Bookz innehold och grundh/ Ähr nog vnderwist på denne stundh“. Die auf die Spielanweisungen folgende Dedikation soll den Leser oder Spieler von den guten Zielrichtungen, die der Erzähler mit der Schrift verfolgt, überzeugen. Die Lose in dem nach der Dedikation folgenden Losbuchtext bestehen jeweils aus kleinen Holzschnitten mit der schematischen Darstellung von drei Würfeln und dazu je einen Spruch von divergierender Länge. Der Erzähler ist sich der Tatsache bewusst, dass die kleinen Holzschnitte mit schematisierten Würfeln unmoralische Zwecke signalisieren könnten, besonders bei weniger literarisch gebildeten Lesern. Wie folgende Verse bestätigen, rechnet er mit der Möglichkeit, dass nicht jeder Bergmann oder gruvdräng lesen kann und der Text darum in geselliger Runde vorgelesen wird: EHoo du äst som denne Book läs eller hörer/ Du min ord och Mening til det beste vthförer/ När du wilt digh rett tenckia om/ Fins her medh jw någen lärdom/ (Jacobson 1613, Bl. Aiiir)

Ein Bergmann, der nicht im Stande ist den Text zu lesen und darum nur die Holzschnitte erfasst, kann beim bloßen Anblick die Intention des Buches durchaus missverstehen. Darum macht der Erzähler in der Dedikation nochmal die Absicht des Buches deutlich und warnt vor den Folgen des Würfelspielens um Geld:

Fast här settes Terningar för hwad stycke/ Så lät digh fördenskul ey förtyckie/ Det skeer icke medh dobbel eller sådane sätt/ Derföre skal du giffue migh ja och rätt/ Den der om Penningar doble wil/ Han miszbrukar offta Gudz Nampn der til/ Och säger han wan och haffuer rätt/ Då han mest tappar och gör orät alt slätt/ Så skeer det ey medh desse Terningar try/ Det kand du både hore och si/ Tag digh derföre af hwart stycke någon lärdom/ Jagh troor wist att du skalle holle digh from/ (Jacobson 1613, Bl. Aiiir)

Trotz dieser Warnungen und guten Intentionen weiß der Erzähler von dem schlechten Ansehen, das sowohl das Würfelspielen um Geld im Allgemeinen, aber auch im Besonderen dieser Art von Losbüchern und Lospraktiken anhaftete. Er ist sich nicht sicher, ob man ihm nicht doch unmoralische Absichten unterstellen wird und setzt darum sein Buch in einen bestimmten Anwendungskontext, der von alters her schon Scherz und Unterhaltung mit moralischer Lehre vereint hat:

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Så lenge man seer hwad de wilie bedriffua/ Som offta wilie ens annars arbete förachta/ Och ey desz Lärdom wilie betrachta/ Som skedt är medh Renike Fox och andre flere/ AEsopi Fabler och andre parabler mere/ Monge läse dem för deris skempt/ Men icke til det minste fölie lärdomen jempt/ (Jacobson 1613, Bl. Aiiir)

Nach der Spielanweisung und genauen Erklärung der Funktion dieses Buches folgt nun der Losbuchtext. Würfelt man mit drei sechsseitigen Würfeln, die mit den Ziffern eins bis sechs nummeriert sind, ergeben sich 56 verschiedene Wurfkombinationen mit folgendem Orakelspruch. Der Erzähler meint in der Dedikation erklären zu müssen, warum der Text diese bestimmte Länge hat: „Haffuer man flere kast på try Terningar kunnet nåå/ Skulle denne Book haffue bliffuit större och så/“ (Jacobson 1613, Bl. Aiiir). Der Losbuchtext beginnt erwartungsgemäß mit der schematische Darstellung des Wurfs mit der Zahlenkombination 1 1 1 und kombiniert ihn mit einer sechszeiligen Strophe in Paarreimen. Danach folgt der Wurf mit der Ziffernkombination 1 1 2 mit nachfolgendem paargereimten, zweizeiligen Spruch, dann der Wurf 1 1 3 plus paargereimten, zweizeiligen Spruch und so weiter, bis alle möglichen Wurfkombinationen für drei Würfel durchgespielt und mit jeweils unterschiedlich langen Sprüchen kombiniert sind. Ein Orakelspruch mit einfachem Paarreim ist beispielsweise der zu dem Wurf 1 1 3, eine prägnante Warnung vor Hochmut.49 Eines der längsten Strophen in dem Würfellosbuch ist der Spruch der der Wurfkombination 4 3 2 zugeordnet ist. Er zählt 18 paargereimte Zeilen und enthält eine längere Auslegung über Gierigkeit.50 Bei drei Würfeln sind die niedrigsten Würfe die mit den Zifferkombinationen 1 1 1, 1 1 2 oder 1 1 3, die als Summe eine drei, vier oder fünf ergeben und beim dobbel i gruvstugan der Bergleute zu Neujahr den letzten Platz im Grubenraum oder Schacht bedeutet haben würden. Der folgende paargereimte Spruch zum Wurf 1 1 1 gibt den Hohn wieder, der sicher von den Bergleuten zu hören war, wenn jemand diesen Wurf tat: HÅhå/ du kastar mechtig ögon höga/ Mig tycker dit anslag doger rett föga/ Derför kasta Terningen better omkring/ Så skal digh lyckas better ting/ I dette ärende kan dig ey skee lycka/ Ehuru digh och elliest må tyckia (Jacobson 1613, Bl. Aivr).

49 „För blöder mongen stolten Huffuud panna/ Min ord skal du för wisso sanna“ (Jacobson 1613, Bl. Aivv) 50 „ Lenge leffua är en girigh mans plåga/ Ty han wandar ey hwad han skall wåga/ Ja/ Siäl och Lijff haffuer han ey så käärt/ Som sins nestes godz/ ehwad thet är wärdt (…)“ (Jacobson 1613, Bl. Biijr).

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Der weiter folgende Losbuchtext bietet dem Leser oder Hörer verwendbare und moralische Unterweisungen an, die an Situationen des praktischen Lebens einfacherer Leute gebunden sind. Ein Beispiel für einen solchen praktischen Ratschlag ist die Belehrung, sich bloß nicht zu früh zu freuen: Ropa icke hoy för än du kommer öffwer becken/ Will tu någet haffua/ tag medh dig säken/ Och öpna säcken medan grisen är giffuin/ Eller du bliffuer snart der ifrå drifuin. (Jacobson 1613, Bl. Bivv)

Der Text und mit ihm die Ratschläge sollen die Charaktereigenschaften des Bergmannes stärken und zum tugendhaften, moralischen aber auch allgemein klugen Verhalten anleiten: En laat och trött Häst longt til at rida/ Gör en man harm och mykin quida/ För än du skalt salen på ryggen bära/ Må du thette achta och lära/ Lägg icke frå bys medh minder du orkar fram/ Om du icke elliest skall stå medh skam/ Stat denne gong af medh din begäre/ Dett kommer tigh hwarken til gagn eller äre. (Jacobson 1613, Bl. Civ)

Diese Belehrungen zielen auch auf das Ansehen des Bergmannes und oft vermittelt der Text, wie man peinliche Situationen vermeidet und durch ethisches korrektes Benehmen das eigene Vertrauenskapital schützt. Die oben zitierten Sprüche machen deutlich, dass für den Bergmann von Stora Kopparberg ehrenhaftes Verhalten nicht nur eine moralische sondern auch eine soziale Komponente beinhaltet. Darüber hinaus sind die Ratschläge mitunter einfach rein praktischer Natur: Den en god Kåål haffua wil/ Moste settie flesk och Smör ther til/ Så är medh thet du begärer och wilt få/ Ther moste du och någet koste vpå/ Så skeer dig efter din begäre/ Och länder dig til gagn och ähre (Jacobson 1613, Bl. Cijr).

Auch nützliche Gesundheitsratschläge werden geboten: Men den twål/ man skal twetta Ögen vth/ Ehwad det är antingen såpa eller luth/ Den att köpa må man lata bestå/ Ock ey någet att kosta der opå/ Ögon att mista är en stoor plåga/ Ty må man på något annat att wåga/

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Detta anslag går intet forth/ Ty slå det af sinneth borth. (Jacobson 1613, Bl. Div)

Diese Beispiele illustrieren das Stilniveau des Textes und deuten auf den Adressaten und den alltäglichen Funktionszusammenhang hin. Gemäß dem rhetorischen Decorum wird die für den Gegenstand und das Publikum angemessene Stilebene und ein passender Inhalt gewählt. Weniger überrascht daher auch der wiederholte Gebrauch von Sprichwörtern, die hier der rhetorischen Tradition entsprechend in ethischen Situationen Argumente für das moralisch korrekte Handeln geben.51 Der moderne Leser erwartet vielleicht gewisse numerologische Zusammenhänge zwischen dem Inhalt der einzelnen Strophen und der im Spätmittelalter bei den Gelehrten beliebten Ziffersymbolik, doch lässt sich das im Text nicht nachweisen.52 Diese Beobachtung verstärkt den Eindruck, dass der Text hauptsächlich als Gesellschaftsspiel konzipiert und genutzt werden sollte und nicht mit seriösen Divinationspraktiken laboriert. Bei diesem Orakelspielbuch steht nicht eine bestimmte mantische Praxis im Zentrum, sondern der Spielcharakter und die Funktion von Kurzweil und Zeitvertreib, denn der Text wendet sich in erster Linie an die Bergleute des Bergwerks von Stora Kopparberg.53 Man merkt Gisle Jacobsons Losbuch deutlich an, dass es sich, etwa im Unterschied zu dem prominentesten Beispiel dieses Genres, nämlich dem Würfellosbuch von Lorenzo Spirito, Il Libro della Sorti aus dem Jahre 1482 oder gar dem dänischen Losbuch Lycke Bogen vom Anfang des 17. Jahrhunderts,54 an eine niedrigere soziale Schicht der Gesellschaft der schwedischen frühen Neuzeit wendet. Lorenzos aufwendige Inkunabel für den adeligen Gebrauchszusammenhang steht in augenscheinlichem Kontrast zu Gisle Jacobsons schlichteren Druckschrift für einfache Leute. In der frühen Neuzeit waren die schlichteren Losbücher in der Regel Wür-

51 Sprichwörter (proverbs) “arise in the midst of a conversation, and are used by speakers to give a ‘name’ to the ethical problem confronting them, and to suggest ways in which it has been solved in the past (though the suggestion is not necessarily directed immediately to the ones confronted by the problem).The use of a proverb invokes an aura of moral rightness in a conversation; the comfort of past community procedure is made available to the present and future.” (Abrahams 1968, S. 150.) 52 Zu den numerologischen Kompositionskriterien des berühmten Buch der Spiele, dem Libro de los juegos von Alfons dem Weisen vgl. Schädler / Calvo 2009, S. 32. 53 Aus der Perspektive der frühen Neuzeit bietet ein Spielbuch mit Orakelsprüchen, auch wenn es hier nicht eindeutig um eine divinatorische Praktik geht, eine an sich paradoxale Situation. Der Bergmann wählt mit Hilfe des Würfels, also durch den Zufall, ein Los in Form eines Spruchs und die durch die totale Sinnlosigkeit gewählte Antwort auf den Wunsch des Bergmanns, wird durch den Glauben an eine höhere Macht, die mantisch zugänglich ist, wahr und relevant. Diese zufällige Textauswahl, wird so zur hermeneutisch bindenden Praxis. Wie man deutlich an diesen Beispielen merkt, ist der im Mittelalter als problematisch aufgefasste Zusammenhang zwischen Offenbarungswahrheit, Providenz och Kontingenz in diesem Text auf einer eher unbewussten Ebene immer noch aktuell. Vgl. Ridder 2012. 54 Vgl. das Faksimile von Lorenzos Würfellosbuch bei Rosenstock 2010.

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fellosbücher für Soldaten und Handwerker der Städte, im Gegensatz etwa zu den teureren Varianten von Tier- und Kartenlosbüchern.55 Die Arbeit am Berg war mit großen Gefahren verbunden, Unfälle und Todesfälle kamen häufig vor und waren schwer zu vermeiden. Glück zu haben war darum von entscheidender Bedeutung, und montanhistorische Quellen berichten immer wieder von den abergläubischen Praktiken der Bergleute, um Unglücke in den Guben vorzubeugen.56 Fluchen in der Grube beispielsweise wurde noch am Anfang des 18. Jahrhunderts mit dem „trähäst“ bestraft. Auch verbietet Gustav Adolfs Bergwerksartikel vom 28. August 1612 den Bergleuten in den Gruben „att svärja, bannas, slåss och parlimenta“, da sonst die Gefahr drohe, dass „Gud allsmäktig bliver förorsakad att taga sin välsignelse ifrån oss“.57 Um Unglücke zu vermeiden, galt es, sich richtig und vor allem ethisch korrekt zu benehmen. Derjenige aber, der sich in der Grube einwandfrei zu benehmen wusste, „ansågs kunna räkna med makternas bevågenhet – att bergfrun skulle ‚ge förbön‘ om ras och olyckor, som man därigenom kunde undgå.”58 Interessant ist in dem Zusammenhang der oben schon erwähnte große Grubeneinsturz vom 25. Juni 1687, bei dem u.a. die ehemaligen Tagesöffnungen blankstöten, bondestöten und skeppsstöten einstürzten und ein riesiger Krater, stora stöten genannt, entstand. Der Zufall wollte es, dass dieser am 25. Juni, also am St. Davids Tag eintraf, dem Tag nach Mittsommer, an dem die Grubenarbeiter frei hatten, so dass dieser gewaltige Einsturz keinem einzigen Bergmann das Leben kostete. Aufgrund der gefährlichen Arbeitssituation dieser Menschen, finden sich in dem Losbuchtext neben Themen aus dem praktischen Leben verständlicherweise auch viele Textbeispiele, die von der Thematik Glück und Unglück handeln.59 Die durch den Wurf ermittelte Zahl führt den Bergmann zu einem Spruch, aus dem die Erfüllung oder Nichterfüllung der Frage oder des Wunsches abgeleitet werden sollte. Die Wahrsagungen, die der Text zu den einzelnen Würfen anzubieten hat, sind selten direkte Ja- oder Nein-Antworten, sondern eher ambivalent gehalten und mitunter schwer zu deuten. Wenn man sich fragt, inwieweit die Orakelsprüche den Wünschen der Bergleute entsprechen, kann erwartungsgemäß beobachtet werden, dass diese so allgemein gehalten sind, dass mit einer gewissen hermeneutischen Praxis immer eine Antwort hineingelegt werden kann. Eindeutig sind die Sprüche nur in ihrem moralischen Anspruch, sie wollen die Bergleute in schwierigen Situationen tugendhaft beraten.60 Gute Ratschläge und sinnvolle Entscheidungshilfe können dem Denken

55 Bauer 1999, S. 6. 56 Åmark 1951. 57 Åmark 1951, S. 134. 58 Åmark 1951, S. 135. Über die Bergfrau und ähnliche Erscheinungen und Vorstellungen in den schwedischen Bergwerken vgl. auch Tillhagen 1988. 59 Ausführlicher zu dieser Thematik Ridder 2012. 60 Vgl. etwa den Spruch zur Wurfkombination 421: ”Offta kan en önska thet honom intet må gagna/ Ty skall tu min ord rätt sanna./ Derföre sätt ditt hopp til Gud allena/ Han wil digh dit besta ey förmena/

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der Bergleute des Mittelalters und der frühen Neuzeit dem entsprechend ausschlaggebend dafür sein, ob der Bergmann lebend, tot oder, etwa im Zusammenhang mit Grubeneinstürzen, gar nicht aus der Grube wieder heraus kommt. Das besondere an Gisle Jacobsons Würfellosbuch ist jedoch, dass man hier ein genuin schwedisches Orakelspielbuch vorfindet, für das es kein deutsches oder dänisches Vorbild gibt. Der Text ist keine Adaption oder Kompilation eines fremdsprachigen Originals, sondern ganz dem Gebrauchszusammenhang der schwedischen Bergleute des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts angepasst. Es handelt sich bei diesem Text also um ein frühes Beispiel schwedischer Volkskultur, mit anschaulichen Darstellungen der Zeit.

Anhang Tidhfördriff Ett litet Tidhfördriff/ Der medh man kan fördröye Tidhen/ och affslå onde Tanckar/ som letteligen kunne komme när man intet tager sigh före/ och må brukas när tiden så medhgiffs. Stält och vthdragin wid Kopperberget af GISLE IACOBSON. Och af trycket vtgångin den 2. Septembr. Anno M. DC XIII. Tryckt j Stockholm af Chr. Reusner.

Underwiszning. Eet litet Tidhfordriff må jagh heta/ Om någon wil efter migh leta/ Och der hoos wil migh rätt förstå/ Skal han lata efter try Terningar gå/ Och sedan en god önskan begära/ Den honom helst kan lända til ähra/ Och sedan kasta medh Terningar try/

Och giffuer digh beter än du beder/ Ty så at göra/ plägar wara hans sedher.” Jacobson 1613, Bl. Birf. Dieser Umstand gilt übrigens für die meisten Losbücher als geselliges Spiel der frühen Neuzeit und Parallelen im Anwendungszusammenhang mit z.B. dem dänischen Lycke Bogen, das von den deutschen Vorlagen inspiriert ist, sind hier sehr deutlich, vgl. Bröndum-Nielsen 1917. Weiter dazu auch das Tierlosbuch von Martin Flach von um 1485, Voulliéme 1923.

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Så skal han wäl merckia och si/ Huar han får samma ögen igän/ Merck wäl min gode Wän/ Hwad swar du får/ af eller til/ Fast det icke är som du haffua wil/ Skal du digh der medh late ååt nöija/ Om och icke skal du intet lenge dröija/ Vthan slå ditt sinne der ifrå/ Så kan det better efter din wilia gå/ Försök ändå åther medh en hasth/ Att du finner på ett better kasth/ Tyd dedh sedan vth j beste meningen/ Hwad digh bliffuer giffuit på Terningen/ Ähre j flere än twå eller trij/ Skal hwar kasta sitt kast frij/ Och hwar sielf sins kasts vthtydare wara/ Förutan all nögdh och fahra/ Kan en det icke allene göre/ Hoppes man det att see och höre/ Att ibland selskap finnes vthtydare gode/ Det man icke annan kan förmode/ Som leggie för hwar annan löök opå/ Ty teth plägar intet elliest fort gå/ Medh minder Rullewagnen brukas ibland/ Och förer en man från land på strand/ Denne Bookz innehold och grundh/ Ähr nog vnderwist på denne stundh.

Til Läsaren. EHoo du äst som denne Book läs eller hörer/ Du min ord och Mening til det beste vthförer/ När du wilt digh rett tenckia om/ Fins her medh jw någen lärdom/ Sijnes digh och vthi någet ware miszhagh/ Så beholt det dig ticker tager better lagh/ Fast här settes Terningar för hwad stycke/ Så låt digh fördenskul ey förtyckie/ Det skeer icke medh dobbel eller sådane sätt/ Derföre skal du giffue migh ja och rätt/ Den der om Penningar doble wil/

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Han miszbrukar offta Gudz Nampn der til/ Och säger han wan och haffuer rätt/ Då han mest tappar och gör orät alt slätt/ Så skeer det ey medh desse Terningar try/ Det kand du både hore och si/ Tag digh derföre af hwart stycke någon lärdom/ Jagh troor wist att du skalle holle digh from/ Haffuer man flere kast på try Terningar kunnet nåå/ Skulle denne Book haffue bliffuit större och så/ Män så later man nu här widh bliffua/ Så lenge man seer hwad de wilie bedriffua/ Som offta wilie ens annars arbete förachta/ Och ey desz Lärdom wilie betrachta/ Som skedt är medh Renike Fox och andre flere/ AEsopi Fabler och andre parabler mere/ Monge läse dem för deris skempt/ Men icke til det minste fölie lärdomen jempt/ Wiltu achta nyttan och desz lära/ Holler du dem fast better j ähra/ Gör och så medh dette lille och ringa/ Ehuru jag det må tilwäga bringa/ Holt det som sant är altid jempt/ Och det som är desz lijcht ware skempt/ Migh tycker om du wilt sådant begrunda/ Kan jag det tuifla ingalunda/ Att du later denne Book bliffue oförtalath/ Der aff jag bliffuer mykit hugswalath/ Och bliffuer förorsaket at betre göre/ Ähn aff migh är giordt någentid före. Jag befaler digh här medh Läsare Gud Alzmechtig/ Medh alle åhörare som holle sigh vprächtig/ Troo och ähre holler så lenge j leffue/ Fruchter Gud/ han warder eder wälsignelse giffue. GISLE JACOBSON.

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1 11 HÅhå/ du kastar mechtig ögon höga/ Mig tycker dit anslag doger rett föga/ Derför kasta Terningen better omkring/ Så skal digh lyckas better ting/ J dette ärende kan dig ey skee lycka/ Ehuru digh och elliest må tyckia.

1 12 Gud giffuer lyckan/ men Lotten faller hwar han wil/ Den beste Lotten skal få/ han skal haffwa lyckan der til.

1 13 För blöder mongen stolten Huffuud panna/ Min ord skal du för wisso sanna.

2 12 Then är sääl/ som Gud wil wäl/ Det du önskar/ der til har du skääl/ Och skal digh medh Gudz hielp lyckas wäl.

1 14 Thet bekommer tigh wäl som Hunden gräs/ Ehwad du önskar/ eller hwad du beds.

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3 21 Högfärd är en Drotning til all last/ Derföre bruka digh med en hast/ Wiltu haffua framgong j tin begäre/ Så betrachta wäl tinne ähre/ Och haff Gud medh tig j rådh/ Så bewisar han tig sina nådh.

2 22 Du rider een Häst och han är blackot/ Du täncker longt och rider starckot.

5 11 Hielp tigh sielff så hielper tig Gud/ Höör hans ord och holt hans budh.

4 21 Offta kan en önska thet honom intet må gagna/ Ty skall tu min ord rätt sanna. Derföre sätt ditt hopp til Gud allena/ Han wil digh dit besta ey förmena/ Och giffuer digh beter än du beder/ Ty så at göra/ plägar wara hans sedher.

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3 22 Kasta medh Terningarne hårt til/ Så får du see huru thet löpa wil/ Din begären skall digh wäl lyckas/ Ähndoch j börian/ kan digh ey så tyckias.

3 31 Det Gud will haffue fram kan ingen Menniskia tage tilbake/ Derföre skal tu honom med tacksamheet icke försake.

6 11 Herre gunst och Aprile wäder/ Skriffues både medh en fiäder/ De pläger intet lenge stå/ Derföre må ingen bygge ther opå/ Det kan sigh så snart omwända/ Och mykit annars j Staden hända/ Ähn som du förre hade tänckt/ Att Lyckan skulle digh haffue skenckt/ Derföre öffuergif hwad du haffuer j acht/ Och tro thet wara sant som nu är sacht.

5 21 Offta söker man efter thet man icke finner/ Och spellar om thet man icke winner/ Men ofta winner idkin och icke stickin/ Derföre låt tigh icke wara för tyckin/ Ditt anslag går wäl för sig/ Om du elliest haffuer Gud medh dig.

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4 22 Hej hej/ hasta tigh icke så fast/ Du lärer wäl kasta än ett kast/ Och ähndå icke skeer efter din wilia/ Ty then finnes som tigh ther frå kan skilia/ Slå dine tanckar om på ett annat sätt/ Så kan tigh wäl skee better rätt.

3 23 Herregunst är intet arfuegodz. På then oskylliga miszbruka ey din Herris hyllest/ Vthan bewisa och gör honom got tilfyllest/ Elska och war honom trogon nat och dag/ Der medh vpfyller du Gudz helige laag/ Haffuer du framgong hos din Herre/ Wår du din stalbroder intet desz werre/ På deth du må vndfly det straf och plåga/ Som Bösslarne torde på then orätfärdige fogden wåga/ See digh fördenskull allestedz wijslige om/ Och stell digh altidh gudfruchtig och from/ Så skeer tigh vthi ditt ahnslag framgong/ Vthan all skade/ nödh och mootgong.

4 31 Dine tanckar löpe fast wide om kring/ Och vthrätta doch fast föga ringa ting/ Vthan göre tigh swacht Huffuud och sinne/ Derföre will iagh digh opå minne/ Wiltu någet skaffa medh gärningarne/ Så kasta wäl fast medh Terningarne.

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6 21 Hwadh lönligit är skal tu ey allom vppenbara/ Om tu icke willt komme på fara/ Thet kommer wäl fram j sinom tidh/ Bed Gud han är tigh nådig och blidh/ Så skeer tigh Lycko j det du åstundar/ Om du ditt ährende gudeliga begrundar.

5 22 Mera kan en Dåre onska och tala/ Än monge wise kunne honom sware/ Derföre haf sompt fördragh/ Om det elliest skall taga lagh.

4 32 Lenge leffua är en girigh mans plåga/ Ty han wandar ey hwad han skall wåga/ Ja/ Siäl och Lijff haffuer han ey så käärt/ Som sins nestes godz/ ehwad thet är wärdt/ Han wandar ey hwart Siälen Länder/ Först han får det vnder sina händer/ Medh rätt och orätt/ huru det kan gåå/ Der passar han slätt intet opå/ Sompt för litet/ och sompt för ringa/ Huru han det då best kan tinga/ Derföre wachte dig ehoo du äst/ Aff hwem du warder budin til gäst/ Enn du icke skallt heela Laget betala/ Då kan dig rätt ingen hugswale/ Så wändt tigh om och war til fridz/ Medh det som digh medh retto giffz/ Tacka Gud för alla delar/ Han beskärer dig gott/ att digh aldrig felar.

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3 33 Denn kan intet åka som icke kan wända/ Och see för sigh hwad honom wil hända/ Ähr det gott/ så lät det gå foort/ Män är det ondt så wändt det bort.

4 41 See och achta wäl din skantz/ För än du stiger medh någen j dantz/ Och see til hwem du tager j handh/ Om han är dig icke deste better bekandh/ Tycker det dig wäre ditt gangn/ Må du wäl tagan hiertelig j fampn/ Då skeer dig j ditt anslag lycka/ Och huar man haffuer der til tijckia.

5 31 Lyckan skiuter Diureth. Denn der Diur wil skiuta/ Han skall antingen stå rätt eller luta/ Om han det elliest drabba will/ Skall han haffua lyckan der till/ Ähr och gott Diur på färde/ Lägg wilian widh efter desz wärde.

6 31 På wädie banen löper mongen full fast/ Och achte sig till målet medh en hast/ På det han kan en god lön finna/ Som til måleth kan först hinna/ Men de som seent komme löpe fåfengt/

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Det kunde de förre icke haffue täncht/ Derföre får en lönen för alla/ Det mon deris senheet walla/ Bediom för den skull Gud om hans helga nåde/ Att wij motte löpa/ och wandra j hans råde.

6 22 Man skall ey kasta perlor för Swin/ Ey heller giffua dårar dricka Wijn/ Det dig best tjänar det får du wäl/ Om du derföre haffuer gjordt skääl.

5 41 Hwad såsom du haffuer satt dig j Sinne/ Ehwad du äst en man eller Quinne/ Låt digh ey ifrå wijka/ Ty der vthi skall dig ingen swika/ Din Lycka mon dig det giffua/ Ty skall dig någen der iffrå driffua.

5 32 Ropa icke hoy för än du kommer öffwer becken/ Will tu någet haffua/ tag medh dig säken/ Och öpna säcken medan grisen är giffuin/ Eller du bliffuer snart der ifrå drifuin.

4 42 Denn som will efter sitt galne huffuud löpa/ Hwad han får skal han dyrt nog köpa/ Ähr det ont eller är det gott/

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Så räknas det ey annan för håån och spott/ Gack fördenskul medh gode Wenner j rådh/ Och war icke j den saken allt förbråd/ Ty bråde gerningar tage sellan lagh/ Haff förthenskull denne gång fördrag.

4 33 Högfärd är en stoor odijgd/ Och kommer sin herre på skam och blijgd/ Giffuer Gud dig j wärdene framgong/ Låt icke din Näste lida twång/ Holt din Näste för din lijke/ Så wäl den fattige som den rijke/ Gör det rätt är/ och holle dig from/ Det bliffuer din störste rijkedom/ På åndelychten skall du det finna/ Thet du j börione icke kunde besinna/ Hollt dette så skeer tigh lycka/ Då beholler du Wänner och god tyckia/ Så haffuer du lycka j tin begäre/ Och skeer tigh ther til både glädie och ähre.

6 41 Holt tigh ganske wäl stilla j huden/ Och quad ey/ för än du rider hem medh Bruden/ Offta sadelar en och den andre rider/ Så är thet skedt j åtskilelige tider/ Ty achta tigh granth och see wäl til/ Om det eliest skal gå/ som du haffua wil.

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6 32 Du seglar rätt nu för tu skööt/ Ther efter haffuer du lagt dit huffuud j blöt/ Far nu fort det tager wäl lagh/ Haff ther medh nu intet lenger fordragh.

5 51 Det bekommer dig wäl som Salt i surt öga/ Thet du begärar det båtar dig föga/ Haf ther medh nu fördragh/ Om thet elliest skall taga lagh.

5 42 En laat och trött Häst longt til at rida/ Gör en man harm och mykin quida/ För än du skalt salen på ryggen bära/ Må du thette achta och lära/ Lägg icke frå bys medh minder du orkar fram/ Om du icke elliest skall stå medh skam/ Stat denne gong af medh din begäre/ Dett kommer tigh hwarken til gagn eller äre.

5 33 Hwecka ey medh ditt sinne hijt eller dijt/ Bedh Gud om hans nåde medh högste flijt. Han warder tigh j rättan tidh hielpa/ Så at ingen kan tigh nider stielpa/ Haffuer tu til honom en stadig troo/ Så fåår tu medh honom ewinnerlig boo/ Han hörer altidh tin hiertans böön/ Och giffuer tigh en Ewig löön.

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4 43 Gud giffuer tig wäl oxen/ men icke strax j hornen fast/ Wil tu honom få/ så beflita tigh medh hast/ Gud wil tigh wäl tin nödtorfft giffue/ Ther medh tu må vppeholla Liffue/ Doch skall tu tigh medh sielffuer hielpa/ Och tigh icke nidh j lettien stielpe/ War flitig til att förwerfue titt brödh/ Så hielper tigh Gud från ångest och nödh.

6 51 Den en god Kåål haffua wil/ Moste settie flesk och Smör ther til/ Så är medh thet du begärer och wilt få/ Ther moste du och någet koste vpå/ Så skeer dig efter din begäre/ Och länder dig til gagn och ähre.

6 42 Land widh hampn och strand widh lamn/ Hwad du begärer/ får du j Jesu nampn.

6 33 Altidh hoppes man det besta/ Och wedersakar det wersta/ Derföre bliff j hoppet fast/ Så haffuer du rätt för dit kast.

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5 52 Lycka råka man/ Pijl järn hatt/ Alt så är dina tanckar vnderlige fatt/ Mellanåt drabbe de det/ som the kunde tiäna/ Understundom det du intet seer gerna.

5 43 Tolamodh öffuerwinner all tingh/ Och wexer icke ibland alle werder kringh/ Kan tu den gode örth wäl wachta/ Skal tu min ordh rätt troo och betrachta/ Då haffuer tu j din örtegård itt got stycke/ Och tigh skeer ther af både hugnet och lycke.

4 44 Wäck icke Hunden medan han soffuer/ Han skencker tigh det som intet dogher/ Troo och en Hund icke allt för wäl/ Han giorde än här til ingen god skäl/ Ditte wil iagh dig på minne/ Och slå af hwadh du haffuer j sinne.

1 66 Troheet giffuer bröd och en god lön/ Otro giffuer straff och en ond bön/ Men stell dig trogen j alle dine handlingar/ Så skeer dig j din acht inge förwandlingar.

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6 52 Tro allom wäl/ män tro dig sielffuan besth/ Ty offta kan den suika som dig sitter nästh/ See fördenskul til hwem du skalt troo/ Om du elliest wilt leffua j roo.

6 43 Gör det rätt och halt tigh from/ Så giffuer Gud tigh lycko och rikedom.

5 53 För alt det ondt är/ så skal tu rädas/ Och emot alt gott/ så skal tu glädias/ Dig skeer nu som du haffua wil/ Der giffue digh gud lyckan til.

5 44 Den Steen som offta röres wexe sellan mossa på/ Så mån och mest medh dem alle gå/ Som ofte flytja och ey kunne stille bliffue/ Vthan wandre som offtast sig til quide/ Ty när alle foglar flyge af/ är kråkan quar/ Wil tu haffua lyckan så war nu snar/ Digh sker lyckan som tu åstunda/ Twiffla ther på rät ingalunda.

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6 62 Den swelter intet som dyrt köper/ Ehuru då lyckan hårt löper/ Så kan tu trocka fram efter werdzlig wis/ Och giff Gud både äre och pris/ Att han dig sin wälsignelse giffuer/ Att dig intet felas så lenge du leffuer.

6 53 Gaack icke gode Wänner förnär/ Du west icke om de äre digh alle så käär/ Du tarffuar icke tage dem alle j händer/ Du seer them intet länger än til deris tänder/ Sätt här fulkomliga troo til/ Och gör sedan huru du wil.

5 54 Ohöffuelige seder och fremmande Kläder/ De nu monge ostadige hierta gläder/ Som nyfikne äre ther efter att göre/ Oanset hwad de ther öffuer skole höre/ På sin baak spotzke och för achtelige ordh/ Ty är råd fölia gudz gröne jordh/ Jorden är gammel och gecker mongen man/ Thet seger iagh opå mina sann. Gamble Wenner och seder icke förachta/ Vthan det granneligen betrachta/ Digh lyckas wäl j alle stundh/ Medh glädie och ähre så margelundh.

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6 44 Denn som gilia wil/ sökies efter ähra och dygd/ Offta kommer fagerhet/ mongen på skam och blygd/ När fagerheten förswinner/ så är odygden quarr/ Den ther alene eftersöker/ han är rätt en Narr/ Män är dygdh och fägring tilhope samman/ Bekommer du then/ så skeer digh stoor gamman/ Bedh fördenskul Gud om en god maka/ Fruchta honom/ han wil digh intet försake.

6 63 Du seglar rätt för en skarx boglina/ Ty må du tigh sielf besinna/ Du kommer rätt strax vpå ett grund/ Och det kan skee rätt på denne stund/ Men huru du wilt det förbij gå/ Jagh troor du kommer ther rätt nu opå/ See dig nu fördenskul wiszlig kring/ Du kommer icke dedan medh föga ting.

6 54 Det kommer icke alle tanckar j Säcken/ Och icke alt foder för Hästen j häcken/ Sompt kommer brede widh och tanckar tulsi/ Det kant du både höre och si/ Derföre troor iagh icke din begäre kan lyckas/ Ehuru digh och sielff må tyckias.

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5 55 Klaffare och Ridder rödh/ The tinne j haffuer/ och är intet dödh/ De äre twå Stalbröder så såthe/ Ja/ der må icke alle på båthe/ De före en man på trappon op och neder/ Det haffuer så altid warit deris seder/ Bediom för den skul Gud nat och dag/ Att det motte komme j et better lag/ Att de motte här efter haffue ingen framgongh/ Och komme någen j nödh och twongh/ Vthan bekomme deris förtiänta löön/ Så hörer Gud mongen fattig Mans böön/ Och at wij alle j gemen stelle oss wäl/ Så leffue wy både hääl och sääl.

6 64 Men den twål/ man skal twetta Ögen vth/ Ehwad det är antingen såpa eller luth/ Den att köpa må man lata bestå/ Ock ey någet att kosta der opå/ Ögon att mista är en stoor plåga/ Ty må man på något annat att wåga/ Detta anslag går intet forth/ Ty slå det af sinneth borth.

6 55 Det är gott til dukat bord gå/ Eho der til kan hima och nåå/ Han må Gud derföre prijs hembära/ Att han är kommin til den ähra/ Och tacka Gud och Herran Christ/ Som honom haffuer den lycka bewijst.

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6 65 Öffuerdådighet tager en ond ända/ See fördenskul för dig huru din saak wil lenda/ För än du steller henne på gongh/ Om icke någen gör digh motstond och twång/ Tycker digh intet hinder wara/ Så låt gå fort föruthan fahra.

6 66 Stoor ord sittie icke j halsen fast/ Doch haffuer du kastat det högste kast/ Som man kan på try Terningar få/ Ty begärer du att det må efter din wilia gå/ Men haffuer tu på try Terningar högre fååt/ Skulle det ey haffue efter din wilia gåt/ Men see digh wijslige före/ Digh skeer lycke/ det skal du höre/ Och medh dette kast haffuer denne book ände/ Gud han oss sine nåder sände. A M E N.

Än ett annat Sätt med try Terningar til at kasta/ som brukas hos Berkmennerne widh Kupperbergeth. WJd kopperbergz Gruffua plägar wara wijs/ Der af Berkmännen bäre både äre och prijs/ Nyårs tidh medh try Terningar att kasta/ Det til hwar Berksman moste sigh hasta/ Den högste ögon på try Terningar kan få/ Han får fremst j par gongen gå/ Och haffuer en fördel/ fram för andra/ Som länger åther j gongen monde wandra/ Men den som j rumpan kommer/ han sitter der fast/ Det waller hans ringa och arma kast/ Try es fyra eller sex ögon kunne det göra/

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När det skeer/ skal man glädie höra/ Hwar man skratta och lee der ååt/ Då är lust och glädie och ingen grååt/ Den fremst kommer får för kopper än den eftrest malm/ Derföre gör det mongen stor ångest och harm/ Den widare her om wil wetta och fråga/ Han må sigh hijt til kopperberget wåga/ Nyårs tidh som förre är sacht/ Så får han der på giffua acht/ Och sielf see det som här är om talat/ Och wil här medh haffue läsaren Gud befalat.

Een liten Förmaning efter vnderwiszningen huru Berkmenen dubla. DV Berksman som af Stock och Sten skal taga din föda/ Och der opå kasta stort arbete och möda/ Bed Gud att Berget må dig rundeligen giffua/ Malm och Metall/ der medh du kan dit arbete driffwa/ Och digh til föda och vppehelle wända/ Digh der af bespisa/ samp och then älenda/ Efter du haffuer intet annat på litha/ Moste du digh medh allo macht beflita/ Att bidia Gud om hans heliga Andes nåde/ Han later digh få ditt folck hem vtan wåde/ Ifrån Gruffuan som mongen plägar skade göra/ Och esom offtast til sin dödzgraf föra/ Du tiänare som west digh dit arbete til stunda/ Holt dig från Ööl och sweriande alle lunda/ Bed Gud att hans helige Änglar äre dig näst/ Vthi huadh som helst arbete såsom tu äst/ Att du digh icke onödigt j farligheten giffuer/ Der igenom du sedan borta bliffuer/ War trogen på din Huszbondes arbete altid/ Så är Gud digh nådig och blid/ Och later tigh en god Lön förwerffua/ Och sedan det ewiga lijffuet få att ärffua/ Gud giffue oss allom sin helige Andes nåde/ Och beware oss från allan wåde. A M E N.

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Zeitvertreib Ein kleiner Zeitvertreib, mit dem man Zeit und böse Gedanken vertreiben kann, die ja leicht kommen, wenn man nichts zu tun hat. Bietet sich demnach an, wenn man Zeit dafür hat. Zusammengestellt am Kopparberg von Gisle Jacobson. Gedruckt den 2. September 1613 in Stockholm von Chr. Reusner. [Übersetzung: Iris Ridder]

Anleitung Ein kleiner Zeitvertreib soll mein Name sein. Und wenn jemand sich auf mich einlassen und es richtig machen will, muss er sich drei Würfel besorgen. Dann soll er sich etwas wünschen, nach Möglichkeit etwas Ehrenhaftes. Und wenn er dann mit drei Würfeln würfelt, soll er sich die Zahl der Augen merken und schauen, wo er die gleiche Augenzahl entdeckt. Beachte wohl, mein lieber Freund, welche Antwort du bekommst. Obwohl du sie hin und wieder nicht haben willst, sollst du dich (doch) damit zufrieden geben. Wenn nicht, sollst du nicht lange warten, sondern an etwas anderes denken, dann fügt es sich besser nach deinem Willen. Versuch es jedoch sogleich noch einmal, damit Du einen besseren Wurf bekommst. Deute dann den Wurf in bester Absicht. Seid Ihr mehr als zwei oder drei Spieler, soll jeder würfeln, wie er will, und den Wurf selbst deuten, ohne Not und Gefahr. Sollte jemand das nicht selbst können, finden sich in der Gesellschaft hoffentlich gute Interpreten, die untereinander beratschlagen. Denn wie bei kleineren Pferdewagen üblich, pflegt es mit ihnen nun einmal nicht so schnell zu gehen, um einen Mann vom Land zum Strand zu bringen. Aber Inhalt und Gehalt dieses Buches bietet genug Unterhaltung für diesen Moment.

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An den Leser. Wer du auch immer bist, der dieses Buch hört oder liest, du wirst meine Worte und Absicht zum Besten ausführen. Wenn du dir das richtig überlegen willst, gibt es hier ja etwas zu lernen. Auch wenn du meinst, dass dir etwas nicht passt, so behalte es, bis du findest, es geht nun besser. Und auch wenn hier vor jedem Abschnitt Würfel abgebildet sind, so wundere dich deswegen nicht: es hat nichts mit dobbel oder Ähnlichem zu tun. Du bist mit mir wohl einer Meinung, dass der, der um Geld würfelt, oft genug auch Gottes Namen missbraucht und behauptet, er gewönne und habe Recht, obwohl er schlechterdings verliert. Das ist mit diesen drei Würfeln nicht der Fall, das kannst du hören wie auch sehen. Lerne darum von jedem Abschnitt etwas. Ich bin mir sicher, dass du fromm bleibst. Hätte man mehr Wurfe mit drei Würfeln bekommen können, wäre dieses Buch entsprechend grösser geworden. Aber lassen wir das nun auf sich beruhen. Hauptsache man erkennt jene, die oftmals die Arbeit eines anderen verachten und somit nicht die Lehre daraus ziehen. So ist das mit Reinecke Fuchs und mehreren anderen Parabeln, wie Aesops Fabeln geschehen. Viele lesen sie nur wegen ihres Witzes, obwohl nichts desto weniger immer eine Lehre folgt. Wenn du den Nutzen aus der Lehre ziehst, so ehrst du diese umso mehr. Halte es darum auch so mit diesem kleinen und unbedeutenden Buch, nimm es so, wie ich es nun einmal hinbekommen habe. Finde dich ab mit dem, was wahr ist, und halte es so mit den Scherzen. Ich meine, wenn du das so bedenkst, dann wirst du zweifellos dieses Buch nicht schlecht machen. Dieses würde ich sehr schätzen und es würde mich ermuntern, mich noch mehr als zuvor anzustrengen. Ich empfehle dich hiermit, lieber Leser, Gott dem Allmächtigen, mit allen frommen Zuhörern, die Treue und Ehre hoch halten, solange sie leben. Furchte Gott, er wird euch segnen. GISLE JACOBSON

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1 11 Haha, du würfelst eine sehr hohe Augenzahl. Mir scheint, dein Wurf taugt nicht viel. Würfele darum nochmal, so klappt es besser. In diesem Fall hast du jedoch kein Gluck, auch wenn du es meinen solltest.

1 12 Gott schenkt dir Glück, aber das Los fällt, wohin es will. Der das beste Los erhalten wird, dem wird auch das Glück zuteil.

1 13 Vielen stolzen Köpfen geht es schlecht, meine Worte werden sich fraglos bestätigen.

2 12 Wem Gott wohlgesinnt ist, der ist glücklich. Und wenn du dir was Rechtmäßiges wünschst, wird es dir mit Gottes Hilfe auch gelingen.

1 14 Was du dir auch immer wünschst oder erbittest, es wird dir guttun wie dem Hund das Gras.

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3 21 Handle darum schnell, weil Hochmut der Laster Königin ist. Willst du Erfolg mit deinem Wunsch haben, bedenke deine Ehre und berate dich mit Gott, dann wird er dir seine Gnade beweisen.

2 22 Du reitest ein Pferd und das ist lahm. Du denkst zu lang und reitest zu kurz.

5 11 Hilf dir selbst, so hilft dir Gott. Hör auf ihn und halte sein Gebot.

4 21 Oftmals kann sich einer das wünschen, was ihm nichts nutzen mag. Darum sollst du dich ganz nach meinen Worten richten. Setze darum deine Hoffnung einzig auf Gott. Er wird dir das, was das Beste für dich ist, nicht verwehren. Und wird dir mehr geben, als du erbittest. Denn dass er das so tut, das ist seine Art.

3 22 Würfle fest mit den Würfeln, so wirst du sehen, dass es geht. Dein Wunsch wird sich wohl erfüllen, auch wenn du es zunächst nicht erwartest.

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3 31 Was Gott will, dass es geschieht, kann kein Mensch zurück nehmen. Darum darfst du ihm nicht deine Dankbarkeit vorenthalten.

6 11 Aprilwetter und die Gunst mächtiger Herren sind beide mit einer Feder geschrieben. Beides hält sich nicht lange und darum sollte keiner darauf bauen. Es kann sich vieles so schnell ändern und vieles andere in der Stadt passieren. Auch wenn du früher erwartet hattest, dass das Glück dir hold sei. Lass von dem ab, was du vorhattest, und glaube an das, was nun gesagt ist.

5 21 Oft sucht man nach dem, was man nicht finden kann, und spielt um das, was man nicht gewinnen kann. Oft aber gewinnt der Fleißige und nicht der leicht zu Reizende. Sei darum nicht so empfindlich. Wenn du ansonsten Gott bei dir hast, ist dein Wurf geglückt.

4 22 Hallo, beeil dich nicht so sehr, du dürftest wohl noch einen Wurf schaffen und doch wird es nicht nach deinem Wille gehen, denn es gibt den, der dich davon abhalten wird. Versuche, an etwas anderes zu denken, dann kann es nur besser für dich werden.

3 23 Die Gunst der mächtigen Herren ist kein Erbgut. Die Gnade deines ehrbaren Herrn missbrauche nicht, sondern erweise und tue ihm Gutes zur Genüge.

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Liebe ihn und sei ihm Tag und Nacht treu. Damit erfüllst du Gottes heiliges Gesetz. Hast du Erfolg bei deinem Herren, schütze deinen Kameraden besser nicht, so dass du der Strafe und der Pein entgehst, die die Aufwiegler gegen den ungerechten Vogt zu riskieren gewagt haben. Darum sieh dich immer und überall weise um, halte dich immer gottesfürchtig und fromm, dann hast du mit deinem Wurf Erfolg und bist frei von Schaden, Not oder Misserfolg jedweder Art.

4 31 Deine Gedanken irren viel umher und erledigen doch nicht viel, sondern machen deinen Kopf und Sinn nur schwach. Darum möchte ich dich daran erinnern: Willst du was mit deinen Taten erreichen, so würfle viel mit den Würfeln.

6 21 Was geheim sei, solltest du nicht allen erzählen, denn sonst bringt es dich in Gefahr. Nur zu schnell kommt es heraus. Bitte Gott, dass er dir gnädig und mild gestimmt ist. Wenn du deine Angelegenheit fromm durchdenkst, dann hast du Glück in allem, was du dir vornimmst.

5 22 Ein Tor kann mehr ersehnen und fragen, als viele Weise ihm antworten können. Habe darum entschieden Geduld, wenn du im Übrigen erfolgreich sein willst.

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4 32 Lange zu leben, ist die Plage eines gierigen Mannes, denn er kümmert sich nicht darum, was er sich erlauben darf. Ja, die Seele und das Leben hat er nicht so lieb wie den Besitz seines Nächsten, was auch immer es wert ist. Er kümmert sich nicht darum, wie die Seele endet. Erst wenn er es in seine Hände bekommen hat, ganz gleich ob mit Recht oder Unrecht, wie es nun einmal passiert. Es bekümmert ihn nicht, ob einiges zu klein und einiges zu gering ist, (Hauptsache), wie er es am besten bekommen kann. Pass darum auf, wo du auch bist, von wem du eingeladen wirst, so dass du nicht die ganze Runde bezahlen musst. Dann kann dich keiner dafür schadlos halten. Sieh dich also um und sei zufrieden mit dem, was dir rechtens gegeben wurde. Danke Gott für alles und er wird dir Gutes tun, so dass dir niemals etwas fehlt.

3 33 Wer nicht umkehren kann, soll (gar nicht erst) fahren, sondern sich umsehen, was ihm passieren wird. Ist es gut, lass es schnell gehen, ist es aber schlecht, wende dich davon ab.

4 41 Überwache und bewahre deine Schanze wohl, bevor du mit jemandem zu tanzen beginnst. Und pass auf, wem du die Hand reichst. Wenn du ihn nicht gut kennst, du aber meinst, es kann dir von Vorteil sein, magst du ihn wohl herzlich umarmen. Dann machst du einen gelungenen Wurf und alle Leute mögen dich.

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5 31 Das Glück schießt das Tier. Wer Tiere schießen will, der soll entweder aufrecht stehen oder knieen. Wenn er es sonst treffen will, soll er auch Glück haben. Sind zudem viele Tiere anzutreffen, richte dich nach deren Wert.

6 31 Auf der Rennbahn laufen viele sehr schnell und beeilen sich, so schnell wie möglich zum Ziel zu kommen, denn wer zuerst ins Ziel kommt, erhält einen guten Preis. Aber die zu spät kommen, laufen umsonst. Das hätten sie sich zuerst nicht gedacht. Darum bekommt einer den Lohn für alle, da sie zu spät gekommen sind. Bittet darum Gott um seine heilige Gnade, dass wir nach seinem Rat gehen und wandern mögen.

6 22 Man soll nicht Perlen vor die Säue werfen und auch nicht Toren Wein zu trinken geben. Was dir zuträglich ist, wirst du bekommen, hast du es dir denn verdient.

5 41 Was du dir vorgenommen hast, unabhängig davon, ob du ein Mann oder eine Frau bist, lass dich nur ja nicht davon abbringen. Denn es soll dich keiner darin beirren und dich davon abbringen, was dir das Glück bringen soll.

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5 32 Rufe nicht Hallo, bevor du über den Bach gekommen bist. Wenn du was haben willst, nimm einen Sack mit und öffne den Sack, wenn dir das Schwein zuteil wurde. Andernfalls wirst du bald vertrieben.

4 42 Wer nach seinem verrückten Kopf handeln will, der muss das, was er bekommt, teuer bezahlen. Ob es gut oder schlecht ist, es wird für nichts anderes als für Hohn oder Spott sorgen. Lass dich darum von guten Freunden beraten und sei nur ja nicht zu schnell in dieser Angelegenheit. Denn schnelle Taten gelingen selten. Warte darum dieses Mal.

4 33 Hochmut ist eine große Untugend, denn sie beschämt seinen Besitzer und bringt ihn in Verlegenheit. Gibt Gott dir Erfolg in der Welt, behandle deinen Nächsten nicht schlecht, sondern wie deines Gleichen, egal, ob er arm oder reich ist. Mach das, was richtig ist und sei fromm, das wird dein größter Reichtum sein. Was du am Anfang nicht verstehen konntest, wirst du an deinem Lebensende einsehen. Hältst du dich daran, wirst du Glück haben und Freunde und Einvernehmen behalten. Dann wird sich dein Wunsch erfüllen und zudem werden dir sowohl Freude als auch Ehre zuteil.

6 41 Verhalte dich maßvoll, sei ruhig und singe nicht, bevor du mit der Braut nach Hause reitest. Oft sattelt einer und ein anderer reitet.

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So ist es zu allen Zeiten gewesen. Sei darum sorgfältig und vorsichtig, wenn du denn willst, dass es gehen soll, wie du es haben willst.

6 32 Du segelst jetzt mit vollen Segeln, dabei hattest du dir immer Sorgen gemacht. Also weiter so, solange es gut geht. Warte damit nur ja nicht zu lange.

5 51 Das tut dir gut wie Salz im schmerzenden Auge. Was du haben willst, nutzt dir wenig. Habe Geduld damit, wenn du denn willst, dass es gut geht.

5 42 Lange auf einem langsamen und müden Pferd zu reiten, macht einen Mann wütend und ist eine Plage. Bevor du den Sattel auf dem Rücken trägst, solltest du folgendes beachten und lernen: Fahr nicht weg, wenn du nicht anzukommen vermagst und dich blamieren willst. Lass diesen Wunsch fallen, denn er wird dir weder dienlich noch ehrenhaft sein.

5 33 Sei nicht wankelmütig, sondern bitte Gott mit großem Fleiß um Gnade. Er wird dir zur rechten Zeit helfen, so dass dich keiner umwerfen kann. Hast du einen starken Glauben an ihn, dann darfst du mit ihm ewig wohnen. Er hört immer das Gebet deines Herzens und gibt dir ewigen Lohn.

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4 43 Gott gibt dir den Stier, aber nicht direkt bei den Hörnern. Willst du ihn haben, so strenge dich mächtig an. Gott wird dir das Notwendige geben, womit du das Leben erhalten kannst. Doch helfe dir vor allem selbst und verfalle nicht in Faulheit. Sei fleißig, um dein Brot zu verdienen, dann hilft dir Gott aus Angst und Not.

6 51 Wer einen guten Kohl haben will, der muss Schweinefleisch und Butter dazu tun. So ist das überhaupt mit allem: was du verlangst und haben willst, musst du dich schon etwas anstrengen. Dann erhältst du, was du dir wünschst und was nützlich und ehrenhaft ist.

6 42 Land am Hafen und Strand am Hafen. Was du dir wünschst, bekommst du im Name Jesu.

6 33 Man hofft immer das Beste und widerstrebt dem Schlimmsten. Sei darum voller Hoffnung, dann wird dir der Wurf gelingen.

5 52 Das Glück sucht und findet seinen Mann so wie der Pfeil seinen Helm. Deine Gedanken sind so merkwürdig: manchmal treffen sie das, was ihnen nutzen könnte, manchmal aber das, was du nicht gerne siehst.

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5 43 Geduld überwindet alles, wächst aber nicht überall. Kannst du das gute Kraut gut bewachen, wirst du meine Worte wohl glauben und sie beachten. Denn hast du in deinem Kräutergarten ein schönes Stück, dann gibt es dir sowohl Trost als auch Glück.

4 44 Weck nicht den schlafenden Hund, er nutzt dir gar nichts. Und traue bloß keinem Hund zu sehr, dazu besteht kein Anlass. Das möchte ich dir einschärfen und vergiss das, was du vorhast.

1 66 Treue gibt Brot und guten Lohn. Untreue dagegen gibt Strafe und böses Gebet. Sei also in allen deinen Taten treu, dann kommt es auch zu keinen Änderungen in deinen Absichten.

6 52 Traue anderen, aber vertraue dir selbst am meisten, denn oft kann der dich täuschen, der dir am nächsten sitzt. Gebe darum acht, wem du vertrauen kannst, wenn du denn in Frieden leben willst.

6 43 Erfülle deine Pflicht und sei fromm, dann schenkt dir Gott Glück und Reichtum.

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5 53 Du sollst dich vor allem Bösen fürchten und dich über alles Gute freuen. Was du haben willst, das tritt nun ein, denn Gott gibt dir das Glück dazu.

5 44 Auf dem Stein, der oft bewegt wird, wächst kein Moos. So geht es auch meistens mit all denen, die oft umziehen und nicht still sitzen können, bis das Wandern zur Pein wird. Denn wenn alle Vögel weggezogen sind, die Krähe ist dann noch immer da. Willst du Glück haben, so sei nun schnell. Das Glück, dass du ersehnst, wird dir zuteil. Daran zweifle nun noch weniger.

6 62 Wer teuer kauft, hungert nicht. Aber wenn dich das Glück verlässt, dann mühe dich auf weltliche Weise weiter ab. Gebe Gott sowohl Ehre als auch Lob, so dass er dir seinen Segen gibt und es dir an nichts mangelt, solange du lebst.

6 53 Trete guten Freunden nicht zu nahe, du weißt nicht, ob sie dir alle so zugetan sind. Du brauchst nicht allen die Hand zu geben, denn du kannst ihnen nur auf die Zähne sehen (aber nichts ins Herz). Glaub vollständig daran und tu dann, wie es dir beliebt.

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5 54 An unhöflichen Sitten und ungewöhnlicher Kleidung erfreuen sich nun viele unschlüssige Herzen, die neugierig darauf sind, das nachzuahmen – ganz gleich, ob sie darüber höhnische und verächtliche Worte zu hören bekommen. Darum ist es klug, Gottes grüner Erde zu folgen. Die Erde ist alt und täuscht manchen Mann. Das sage ich mit aller Bestimmtheit. Verachte nicht alte Freunde und Sitten, sondern beachte sie sorgsam, dann wird dir alles gelingen und Freude und Ehre aller Art zuteil.

6 44 Wer heiraten möchte, suche Ehre und Tugend. Die Schönheit bewirkt oftmals, dass viele verachtet werden und sich schämen. Wenn die Schönheit verschwindet, ist jedoch die Untugend noch da. Wer nur nach Schönheit sucht, ist ein richtiger Narr. Kommen aber Tugend und Schönheit zusammen und du findest sie, so wird die Freude groß sein. Bitte darum Gott um eine gute Frau. Denn fürchtest du ihn, so musst du auf nichts verzichten.

6 63 Du segelst jetzt mit vollen Segeln. Doch besinne dich darauf, dass du ziemlich bald auf Grund laufen kannst und das ganz plötzlich. Wie du das vermeiden kannst, glaube ich, hast du sicher selbst schon herausgefunden. Sei klug und sieh dich um, damit du dich nicht mit nichtigen Sachen abgibst.

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Iris Ridder

6 54 Nicht alle Gedanken gelangen in den Sack und nicht alles Futter für das Pferd in die Futterraufe. Ein Teil landet daneben so wie die Gedanken umher irren. Das kannst du sowohl hören als auch sehen. Darum glaube ich nicht, dass sich dein Wunsch erfüllt, wie sehr du es auch meinst.

5 55 Verleumder und falsche Personen, die haben Geist und sind nicht tot. Das sind zwei so innerliche Kumpanen. Ja, alle können keinen Gewinn machen. Sie verleumden einen Mann. Das war immer schon ihre Sitte gewesen. Wir sollen darum Gott Tag und Nacht bitten, dass es besser ausgehen möge. Dass jene von jetzt an keinen Erfolg mehr haben und in Not und Zwang kommen sollen, während den verdienten Lohn sie bekommen mögen: so hört Gott vieler armer Leute Gebet wie auch, dass es alle schaffen und somit wohlbehalten als auch glücklich leben mögen.

6 64 Aber die Seife, mit der man die Augen waschen soll, ganz gleich, ob es Schmierseife oder Lauge ist: sie soll man nicht kaufen und auch nicht dafür bezahlen. Die Augen zu verlieren, ist ein großes Unglück. Wage dich darum lieber an etwas anderes heran. Dieser Wurf geht nicht schnell. Darum vergiss es.

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6 55 Es ist schön, an einen gedeckten Tisch zu gehen. Wem es gelingt, dahin zu kommen, der soll Gott lobpreisen, dass ihm diese Ehre zuteil geworden ist. Und er danke Gott und Christus dem Herrn, der ihm dieses Glück erwiesen hat.

6 65 Verschwendung nimmt ein böses Ende. Sieh voraus, wie sich deine Angelegenheit entwickeln wird. Schau, bevor du damit anfängst, ob dich nicht jemand hindert und dir Zwang antut. Wenn du jedoch meinst, dass dem nichts im Wege steht, so lass es gefahrlos schnell angehen.

6 66 Große Worte sitzen nicht im Hals fest, doch du hast den höchsten Wurf getan, den man mit drei Würfeln bekommen kann. Darum erwartest du, dass es nach deinem Willen gehe. Aber hättest du einen noch höheren Wurf getan, wäre es nicht nach deinem Willen gegangen. Sieh dich immer weise vor, du wirst Glück bekommen, das sollst du hören. Und mit diesem Wurf endet dieses Buch. Gott möge uns seine Gnade schicken. AMEN.

Noch eine andere Weise mit drei Würfeln zu würfeln, die bei den Bergleuten am Kopparberget angewendet wird. Am Bergwerk zu Kopparberget pflegt man das zu tun, was den Bergmännern sowohl Ehre wie Lob bringt. Zum Neujahr mit drei Würfeln zu würfeln, muss sich jeder Bergmann beeilen. Wer die höchste Augenzahl mit drei Würfeln bekommen kann, der kann als erster im pargång gehen und hat einen Vorteil vor den anderen, die weiter hinten im pargång gehen müssen.

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Wer aber zuletzt kommt, der sitzt da fest, verursacht durch seinen niedrigen und unglücklichen Wurf. Drei, vier oder sechs Augenzahlen können das bewirken. Wenn das passiert, dann hört man Freudenrufe. Jeder Mann lacht und freut sich darüber. Da kommt Lust und Freude auf und keine Tränen. Wer zuerst kommt, der bekommt eher Kupfer als jener, der zuletzt kommt Messing. Davor haben viele natürlich große Angst. Wer mehr davon wissen und fragen will, der mag sich hier zum Kopparberg wagen, zu Neujahr, wie oben gesagt. So kann er in Augenschein nehmen und selbst das sehen, was hier erzählt worden ist. Und so möchte ich den Leser hiermit Gott anvertrauen.

Ein kleiner Rat nach der Belehrung, wie die Bergleute würfeln. Du Bergmann, der sich von Stock und Stein ernährt und darauf viel Arbeit und Mühe verwendet. Bitte Gott, dass der Berg dir großzügig Erz und Metall geben möge, so dass du deine Arbeit betreiben und dich ernähren und erhalten kannst. Das gilt für dich wie den Armen, weil du nichts anderes hast, auf das du dich verlassen kannst. Darum musst du dich mit aller Macht anstrengen, die Gnade Gottes und seines Heiligen Geistes zu erbitten. Er lässt dir deine Leute ohne Gefahr heimkommen aus dem Bergwerk, das manchen zu schaden pflegt und oftmals zum Grabe führt. Du Bediensteter, der du weißt, dass sich deine Arbeit naht, halte dich nur ja von Bier und Fluchen fern. Bitte Gott, dass seine heiligen Engel dir nah sind, bei welcher Arbeit auch immer, so dass du dich nicht aus Versehen in Gefahr bringst und dadurch dann umkommst. Sei während der Arbeit deines Herrn immer treu, dann ist Gott dir gnädig und mild und lässt dich einen guten Unterhalt verdienen. Und dann darfst du ein ewiges Leben erben. Gott möge uns allen die Gnade seines Heiligen Geistes geben und uns vor allem Unheil bewahren. AMEN.

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Literaturverzeichnis Quellen Jacobson, Gisle (1613): Tidhfördriff. Ett litet Tidhfördriff/ der medh man kan fördröye Tidhen/ och affslå onde Tanckar/ som letteligen kunne komme när man intet tager sigh före/ och må brukas när tiden så medhgiffs. Stält och vthdragin wid Kopperberget af Gisle Iacobson. Och af trycket vtgångin den 2. septembr. 1613. Stockholm. Bröndum-Nielsen, Johannes (Hrsg.) (1917): Lycke Bogen. En lustig selskabs bog. Kopenhagen. Voulliéme, Ernst (Hrsg.) (1923): Losbuch. Ein scherzhaftes Wahrsagebuch gedruckt von Martin Flach in Basel um 1485. Berlin.

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Das Losbuch Ett litet Tidhfördriff

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Das Losbuch Ett litet Tidhfördriff

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„Für den Trinker gibt es Rat, für den Doppler selten“

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„Für den Trinker gibt es Rat, für den Doppler selten“. Das Doppel-Spiel in skandinavischen Rechtstexten des Mittelalters 1. Einleitung – 2. Gesetzgebung: 2.1. Schweden, 2.2. Norwegen, 2.3. Island, 2.4. Dänemark, 2.5. Deutschsprachiges Gebiet – 3. Etymologie: 3.1. Formen, 3.2. Bedeutung, 3.3. Herkunft – 4. Würfelspiele in weiteren Quellen – 5. Spielverlauf – 6. Schlussbetrachtung

1 Einleitung Das Doppel hat im Mittelalter so viele soziale Probleme verursacht, dass skandinavische Gesetzgeber sich gezwungen sahen, verschiedene Verbote und Einschränkungen einzuführen. Im skandinavisch- und deutschsprachigen Gebiet des Mittelalters war Doppel (anord. dobel oder dubl/dufl1, mhd. topel) das gängige Wort für Würfelspiel im Allgemeinen, und bezeichnete nicht ein bestimmtes Würfelspiel. Heute lebt das Wort nur im Niederländischen in der Form dobbel weiter. Die Gesetzeslage in Skandinavien und im deutschsprachigen Gebiet deutet darauf hin, dass das Doppelspiel und seine Spieler über Jahrhunderte hinweg einen schlechten Ruf in der Gesellschaft genossen. Frühere und spätere Berichte sowie das Sprichwort in der Überschrift stehen Würfelspielern ebenfalls negativ gegenüber. Andererseits scheint der Würfel in manchen Situationen eine entscheidende Rolle gehabt zu haben – zumindest, wenn man einigen belletristischen Texten Glauben schenken darf. Die alten skandinavischen Belege des Wortes dobel sind bis dato nie systematisch behandelt worden. Deswegen sollen zu Beginn dieses Aufsatzes Belege in schwedischen, norwegischen, isländischen und dänischen Gesetzestexten des Mittelalters systematisch untersucht und zusammengebracht werden. Dabei soll verdeutlicht werden, welche Rolle das Würfelspiel zur jeweiligen Zeit in der Gesellschaft gespielt hat. Danach werden die Formen in Bezug auf Schreibweise, Bedeutung und Herkunft diskutiert. Der Vollständigkeit halber werden anschließend einige Quellen aus anderen Gebieten und Textsorten herangezogen, um den Sachverhalt vollständiger darstellen zu können. Vor der Schlussbetrachtung wird trotz bescheidener Verifizierbarkeit der mögliche Spielverlauf des Doppels erörtert.

1 Die altnordischen Formvariation wird unter Abschn. 3.1 diskutiert. Als altnordische Leitformen werden in diesem Aufsatz dobel ‚Würfelspiel‘, dobla ‚würfeln‘ und doblare ‚Würfelspieler‘ verwendet. Zur Diskussion über die Bedeutung vgl. Abschn. 3.2.

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2 Gesetzgebung 2.1 Schweden Der wohl älteste nordische Beleg des Wortes dobel findet sich im gotländischen Bauerngesetz Gutalagen (im Weiteren abgekürzt: GL2), das vermutlich in den 1220er Jahren niedergeschrieben wurde3. Im GL wird Doppel mit der folgenden Formulierung verboten: af dufli Dufl ier af takit. huer som duflar @a wari sacr at @rim oyrum wi@r socn. wil ai socn sykia @a byti socn .iii. marcr @ingi.4 „Über Doppel Doppel ist abgeschafft. Wer doppelt, der büße der Kirchengemeinde drei Öre. Will die Kirchengemeinde nicht annehmen, dann büße sie dem Ding drei Mark.“ (Übersetzung V.H.)

Der kurze Eintrag über das Doppel-Verbot kommt direkt vor dem Schlusswort des Gesetzes, in dem festgestellt wird, wie das Gesetz im Zweifelsfall weiterhin ergänzt werden kann. In GL gibt es viele Nachträge und Ergänzungen, die zeigen, dass der Aufzeichnung von GL eine mündlich tradierte Rechtsordnung zugrunde liegt, die den jeweiligen Entwicklungen der politischen und sonstigen Verhältnisse angepasst wurde (vgl. Strauch 2011, S. 510), und das Doppelverbot scheint eine solche Anpassung gewesen zu sein. Deswegen dürfte es das Verbot also auf Gotland im Jahr 1220 nicht besonders lange gegeben haben. Im Chor der gotländischen Kirche von Öja in Visby, der in der ersten Hälfte des 13. Jh. gebaut wurde5, wurden drei Würfel gefunden, die kirchliche Diener vermutlich als Zeitvertreib verwendeten.6 Es bleibt jedoch ungewiss, in welchem Umfang dem Gesetz getrotzt wurde. Eine Abbildung im Portal der auf Gotland südlicher gelegenen Kirche von Källunge zeigt zwei sich zankende Würfelspieler (vgl. Abschn. 4). Das Portal stammt zwar aus der Mitte des 14. Jahrhunderts7, kann, da dort verschiedene Aspekte des mittelalterlichen, profanen Lebens geschildert wird8, nicht vorbehaltslos als nach dem Gesetz betriebenen Spielvertrieb gesehen werden.

2 Eine alphabetische Liste der verwendeten Gesetzesabkürzungen findet sich im Anschluss an den Aufsatz. 3 Zur Datierung vgl. Strauch (2011, S. 508 f). 4 Nach Pipping 1905, Teil I S. 58 (meine Hervorhebungen). 5 Vgl. Lagerlöf/Svahnström 1991, S. 212. 6 Vgl. Swanström 1989, S. 268f. 7 Vgl. Lagerlöf/Svahnström 1991, S. 179. 8 Vgl. Lagerlöf/Svahnström 1991, S. 179.

„Für den Trinker gibt es Rat, für den Doppler selten“

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Nachdem der Deutsche Orden 1398 die Insel Gotland erobert hatte, wurde GL ins Frühneuhochdeutsche übersetzt, s. Abschn. 2.5. Da Gotland eine Zeit lang auch in dänischem Besitz war, gibt es von GL auch eine dänische Übersetzung, die aus dem 16. Jahrhundert stammt. Das Würfelspiel wird auf Dänisch daabel geschrieben, das Verb im Präsens daabler (zu den Formen vgl. Abschn. 3.1). In Smålandslagen (im Weiteren abgekürzt: SmL) – dem Rechtsbuch Smålands – ist das Doppel nicht verboten. Niedergeschrieben wurde das Gesetz möglicherweise am Ende des 13. Jahrhunderts.9 Der meistens negativ gesehene Doppel-Spieler wird hier und in vielen anderen Texten doblare (Doppler) genannt. Im Kirchenabschnitt wird angegeben, wie eine Ehe geschlossen wird. Der Pfarrer sollte, nachdem er für die Braut gebetet hat, das Wissen des Bräutigams und die Trauungsurkunde prüfen. In diesem Zusammenhang werden einige Kriterien für einen guten Bräutigam genannt: han scall ey wara moorthare eller mandrapære. ey kirkin brytære eller kloster löpære. ey doblare eller drinkare. ey puto mather eller portkunw. renn a then wara. guthi scal thiæna.10 „Er soll kein Mörder oder Manntöter, kein Kirchendieb oder Klosterflüchtling, kein Doppler oder Trinker, kein Freier von Prostituierten sein. Sauber soll derjenige sein, der Gott dienen soll.“ (Übersetzung V.H.)

Der Doppler ist hier in keiner guten Gesellschaft und wird als unsauber angesehen. In dieser Textstelle taucht der Doppler wie im Sprichwort der Überschrift11 zusammen mit dem Trinker auf. Dies könnte aber auch lediglich auf die Alliteration zwischen doblare und drinkare zurückzuführen sein. Das Doppel wird am ausführlichsten in Magnus Erikssons Stadtrecht (im Weiteren abgekürzt: MES) von ca. 1350 besprochen12. Dieses Gesetz galt in schwedischen Städten, die das Stadtrecht hatten und enthält einen eigenen Dopplerabschnitt (aschw. Dobblara balker).13 Der Abschnitt schließt sich unmittelbar an den Abschnitt über Diebe an, was vielleicht kein Zufall ist. Er erscheint ganz am Ende des Rechtsbuches. Wie in GL müssen diejenigen, die doppeln, eine Buße bezahlen. Das Geld geht in MES allerdings nicht wie im GL an die Kirchengemeinde, sondern an die Dreifelderwirtschaft

9 Eine genauere Datierung des SmL erweist sich als schwierig, weil das Gesetz heute weitgehend verloren ist (vgl. Strauch 2011, S. 425ff). Aus diesem Grund kann natürlich nicht völlig ausgeschlossen werden, dass Doppeln im SmL doch verboten war und bestraft wurde. 10 Nach Schlyter 1844, S. 98 (meine Hervorhebung). 11 Näheres zum Sprichwort vgl. Abschn. 4. 12 Zur Datierung vgl. Strauch 2011, S. 542–543. 13 Soweit nicht anders gekennzeichnet beziehe ich mich hier und im Folgenden auf Holmbäck / Wessén 1966, S. 291, solange es um MES geht.

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(aschw. thræskiptis). Ist jemand außer Stande, die Buße zu bezahlen, soll er beim ersten und zweiten Mal mit dem Stock geschlagen werden, beim dritten Verstoß muss er die Stadt verlassen. Des Weiteren gibt es eine strengere Strafe für denjenigen Doppler, der nicht sein eigener Herr ist oder kein Eigentum hat (§ 1), oder der mit seinem Genossenschaftsgut14 doppelt (§ 2). Der zuletzt erwähnte Fall ist wie folgt geregelt: Dobblar nokor sina widherlæghning bort, taki then ater hona agher aff them hona wan, ok han hona fordobbladhe gange til ærwdhes fore konungenum ok stadhenum, vtan han nadher faar ok then thet wan andrum tilhördhe, böte tolff marker konungenum ok stadhenum. Orkar han eig botum, wardhi rætter hans som för ær sakt.15 „Verliert jemand beim Doppel sein Genossenschaftsgut, nimmt es derjenige, der es besitzt, von demjenigen zurück, der gewann, und derjenige, der verdoppelte16, soll für den König und die Stadt arbeiten, wenn er keine Gnade bekommt. Und derjenige, der das gewann, was jemandem anderen gehörte, büße dem König und der Stadt zwölf Mark. Kann er nicht büßen, werde seine Strafe wie vorher gesagt17.“ (Übersetzung V.H.)

An einer anderen Stelle des MES, und zwar im Grundstückabschnitt (aschw. Jordha balker), wird das Doppel als mögliche Ursache für Armut genannt. In diesem Teil des Gesetzbuches geht es darum, in welchen Fällen der Ehemann bzw. die Ehefrau über das Eigentum des/der anderen verfügen kann: Nw kunno the wara barna bunden æller eig, ok them trænger hunger eller fatikdomber, ok kombir eig til aff forgörilsom, som aff dobel18 ok andro toliko, tha ma hwart thera annars forgöra.19 „Haben sie nun Kinder oder nicht, und drängt Hunger oder Armut, und kommt es nicht aus Verschwendung, wie aus Doppel oder anderem dem gleichen, dann darf jeder über das Eigentum des anderen verfügen.“ (Übersetzung V.H.)

Doppler werden in MES neutraler als in SmL dargestellt. Das Doppeln hat straf- und eherechtliche Konsequenzen, ohne dass der Doppler selbst negativ dargestellt wird. MES ist das einzige Gesetz mit einem eigenen Dopplerabschnitt. Zwei Jahrhunderte später war die Spielsucht immer noch ein gesellschaftliches Problem, denn auch Peder Månsson verbietet in seinem Gefechtsgesetz (aschw.

14 Meine Übersetzung von aschw. widherlæghning, d.h. Gut, das jemand zusammen mit anderen besitzt. Näheres zu dem aschw. Wort vgl. Holmbäck / Wessén 1966, S. 30 Fn. 70. Es ist wahrscheinlich von withærlogh ‚Gefolgschaft‘ (vgl. Strauch 2011, S. 335) abgeleitet. 15 Nach Schlyter 1865, S. 399–400 (meine Hervorhebungen) 16 D.h. beim Doppeln verlor (vgl. Grimm / Grimm 1854–1960, s. v. 2verdoppeln). 17 D.h. wie in § 1. Er muss also 40 Mark Buße zahlen. 18 In einer anderen Handschrift mit der Schreibweise dombel belegt (vgl. Schlyter 1865, S. 124 Fn. 78). 19 Nach Schlyter 1865, S. 123–124 (meine Hervorhebung).

„Für den Trinker gibt es Rat, für den Doppler selten“

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Stridslag, im Weiteren abgekürzt: PMG) aus dem Jahr 1522 das Doppel und begründet das Verbot: Dobla mz tærningh, taffwel etc. Stadgom wi oc førbywdom ath jngen skal dobla æller leka mz tærningh, wartaffwel, karthenspel, æller annan leek wm pæninga, thy ther aff komber kiiff och osæmya.20 „Mit Würfeln, (Spiel-)Brettern etc. doppeln Wir bestimmen und verbieten, dass jemand doppeln oder mit Würfeln, Wurfbrett, Kartenspiel, oder anderem Spiel um Geld spielen soll, weil daraus Zank und Uneinigkeit kommt.“ (Übersetzung V.H.)

Auch bei Månsson wird das Doppeln finanziell bestraft21: Die Hälfte des Einsatzes, um den gespielt wurde, geht an den Hofverwalter (aschw. gaardz mæstaren22) und die andere Hälfte an denjenigen, der die Doppler aufgedeckt hat. Wer zum dritten Mal beim Doppeln ertappt wird, muss ein ganzes Monatsgehalt zahlen, die eine Hälfte an den König und die andere Hälfte an denjenigen, der ihn beim Doppeln ertappte. Die Überschrift des Abschnitts wirft die Frage nach der genaueren Bedeutung von dobla auf, die ursprünglich vermutlich auf Würfel beschränkt war, vgl. Abschn. 3.2. Dieser Beleg taucht aber vergleichsweise spät auf, so dass hier von einer Bedeutungserweiterung hin zum ‚um einen Einsatz spielen‘ o. Ä. ausgegangen werden kann. Doppeln wird meistens finanziell bestraft, die Komplexität der für die Strafzumessung relevanten Parameter variiert stark. Im MES hat das Doppeln außerdem einen Einfluss auf die Ehe bzw. darauf, inwiefern man über das Eigentum des Ehepartners oder der Ehepartnerin verfügen kann. Für die Ehe relevant ist darüber hinaus das negative Licht, das SmL auf die Doppler wirft, weil sie als Bräutigam schlecht geeignet sind. Die einzige Konstante scheint der schlechte Ruf zu sein, der dem Spiel und dessen Spieler anhaftet, ansonsten sind die Aussagen vielfältig.

2.2 Norwegen Die norwegischen Belege sind vergleichsweise spärlich und sind alle auf den norwegischen König Magnus Lagabætir zurückzuführen. Er verbietet in seinem Landrecht (im Weiteren abgekürzt: MLL) und Stadtrecht (im Weiteren abgekürzt: MLS) aus der Mitte der 1270er Jahre das Doppel. MLL wurde schrittweise von 1274 bis ca. 1276 ein-

20 Nach Hyltén-Cavallius 1845, S. 29, meine Hervorhebung. 21 Dieser Abschnitt basiert auf dem Rest des Abschnittes Dobla mz tærningh, taffwel etc., wie er bei Hyltén-Cavallius 1845, S. 29 wiedergegeben wird. 22 Vgl. SAOB 1997ff., s. v. gård unter gårds-mästare.

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geführt (vgl. Strauch 2011, S. 160). MLS tritt in Bergen bereits 1276 in Kraft, während der Zeitpunkt der Einführung in den Städten Nidaros, Oslo und Tønsberg unbekannt ist (vgl. Strauch 2011, S. 171). Die Regelung in Bezug auf das Doppel-Spiel steht in beiden Gesetzen im Kaufabschnitt (in MLL in § 28, in MLS in § 27) und die Formulierung ist so ähnlich, dass an dieser Stelle eine Wiedergabe ausreicht. Die Textpassage im MLL sieht folgendermaßen aus: 28. Vm dubl23 En ef menn dubla24 e.a kasta teningum vm peninga, se vppnemt allt konungs vmbo.s manni, @at er a bor.e liggr, oc huer @eirra sekr halfre mork silfrs ui. konung. En ef menn ue.ia, hafi at allz engu oc se sectar laust ui. konung.25 „28. Über Doppel „Und wenn Leute doppeln26 oder um Geld würfeln, so nimmt der Bevollmächtigte des Königs alles auf, was auf dem Tisch liegt und jeder von ihnen büße dem König eine halbe Mark Silber. Und wenn Leute wetten, habe keiner davon und büße dem König nicht.“ (Übersetzung V.H.)

In den Rechtsbüchern Magnús’ ist wie in den schwedischen Rechtsbüchern eine bestimmte Geldstrafe für das Doppeln vorgesehen. Diese Bestimmung wurde wenige Jahre später auch auf Island eingeführt (s. Abschn. 2.3). In Norwegen war sie sehr lange gültig. Im Gesetzbuch Christians IV. aus dem Jahr 1604 galt sie uneingeschränkt weiter und auch die Formulierung wurde im Wesentlichen beibehalten (vgl. das Gesetzbuch Christians IV.: Kong Christian Den Fjerdes Norske Lov, im Weiteren abgekürzt: CIV) in der Auflage von Hallager / Brandt 1855, S. 183). CIV ist auf Dänisch geschrieben, und das Würfelspiel wird wie in der dän. Übersetzung des GL daabel geschrieben, das Verb im Präsens daabler (zu den Formen vgl. Abschn. 3.1). Der einzige andere Beleg aus Norwegen stammt ebenfalls aus Magnús Lagabætir, und zwar aus dem norwegischen Gefolgschaftsrecht (anorw. Hirdskrá, im Weiteren abgekürzt: HS). Magnús ließ HS etwa in derselben Zeit wie MLL aufzeichnen (vgl. Strauch 2011, S. 149). Es enthält im Abschnitt 28 Über Gesittetheit und höfische Haltung der Männer27 einen Teil, in dem der Doppler bzw. das Doppel wie im SmL mit anderen schlechten Taten und Gefahren zusammengebracht werden. Im Satz davor wird deutlich vor übermäßigem Trinken gewarnt, weil man dadurch nicht nur seinen Verstand, sein Vermögen und seine Freunde verliert; das Schlimmste ist, dass die Seele verloren

23 In MLS steht dulplan (vgl. Keyser / Munch 1848, S. 266), welches ein Schreibfehler zu sein scheint. Vermutlich ist duplan gemeint. 24 In MLS steht dieses Verb als dufla geschrieben (vgl. Keyser / Munch 1848, S. 266). Zur Variation fl/bl vgl. Abschn. 3.1. 25 Nach Keyser / Munch 1848, S. 165 (meine Hervorhebungen). 26 Meißner 1941, S. 377 übersetzt ungenau dubl mit ‚Spiel‘ und dubla mit ‚spielen‘, vgl. dazu Abschn. 3.2. 27 Übersetzung von Meißner 1938, S. 31.

„Für den Trinker gibt es Rat, für den Doppler selten“

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geht, weil man unfähig ist, auf sich selbst, Gott und gute Menschen (anorw. godra manna) zu achten. Darauf folgt: ran ok stul., hor.om ok fri.lu lifi, por(t)konur e.a dufl, lausyr.i e.a .ramb oc ofmetna.r oc agirnni a annars fe […].28 „Hüte dich vor29 Raub und Diebstahl, Ehebruch und unehelichem Verkehr, vor Dirnen oder Doppel [meine Änderung30], frecher Rede oder Stolz, Hochmut und vor Gier nach dem Gut oder den Mitteln eines anderen […].“31

In der Fortsetzung werden weitere Angelegenheiten aufgelistet, vor denen man sich hüten sollte, wie z.B. Bestechungen, Nachrede, Schläfrigkeit, Fluchen und üble Rede aller Art. Wie in SmL wird das Doppel hier zusammen mit anderen schlechten Taten erwähnt. Es gibt zwar nur wenige norwegischen Belege, aber das MLL galt mit nur wenigen Ausnahmen für lange Zeit im ganzen Land und wurde erst durch das norwegische Gesetzbuch Christians V. aus dem Jahr 1687 (Kong Christian Den Femtes Norske Lov, im Weiteren abgekürzt: CVN) endgültig abgelöst, obwohl selbst dort etwa 130 Vorschriften aus dem MLL weiterhin galten (vgl. Bøe 1966, Sp. 236). Im CVN gibt es eine neue Formulierung zum Doppel, die dem dänischen Recht entstammt, s. Punkt 2.4.

2.3 Island Das isländische Rechtsbuch Jónsbók (im Weiteren abgekürzt: Jb) wurde vom isländischen Rechtsprecher Jón Einarsson geschrieben und 1281 vom Allthing mit Ausnahme einiger Kapitel angenommen (vgl. Strauch 2011, S. 254). Jón Einarsson war vermutlich bei der Abfassung des MLL/MLS in Norwegen maßgeblich beteiligt32 (), was die vielen Übereinstimmungen mit den norwegischen Gesetzen erklären könnte. Der Abschnitt zum Doppel ist nahezu identisch, aber der Text kommt im Diebsabschnitt statt im Kaufabschnitt vor: 17. Vm dufl ok ef kastat er tenningum um peninga En ef menn dufla e.a kasta tenningum um peninga, sé uppnæmt konungs umbo.smanni alt, @at er á bor.i liggr, oc hverr @eira sekr hálfri mark vi. konung. En ef menn ve.ia, hafi at engu oc sé sectarlaust.33

28 nach Keyser / Munch 1848, S. 417 (meine Hervorhebung). 29 Die in der deutschen Übersetzung ausgedrückte Warnung steht im anorw. Originaltext an anderer Stelle. 30 Meißner übersetzt anorw. dufl ungenau mit ‚Spiel‘. 31 Übersetzung von Meißner 1938, S. 33. 32 Vgl. Strauch 2011, S. 250. 33 Nach Halldórsson 1904, S. 277 (meine Hervorhebungen).

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„17. Über Doppel und wenn um Geld gewürfelt ist „Und wenn Leute doppeln oder um Geld würfeln, so nimmt der Bevollmächtigte des Königs alles auf, was auf dem Tisch liegt und jeder von ihnen büße dem König eine halbe Mark. Und wenn Leute wetten, habe keiner davon und büße nicht.“ (Übersetzung V.H.)

In Island war das Würfelspielverbot bei der Einführung des Jb nicht neu. Auch das etwas ältere Rechtsbuch Grágás enthält ein Würfelspielverbot, aber es wird dort nicht dobel genannt. Die folgende Passage stammt aus dem Königsbuch (Konungsbók34), entstanden um ca. 126035. Das Verbot ist ein Teil des Haussuchungsabschnitts (Rannsóknapáttur) und lautet wie folgt: Um verplakast og tafl. ?a. er mælt i lögum vorum a. menn skulu eigi kasta verplum til fjár sér en ef kasta og var.ar fjörbaugsgar..36 „Über Würfelspiel und Brettspiel. Es ist in unserem Gesetz gesagt, dass Männer nicht um ihr Gut würfeln sollten, und falls sie würfeln, gibt es dreijährige Landesverweisung37. (Übersetzung V.H.)

Es folgen entsprechende Verbote gegen Brettspiele. Im oben zitierten Teil wird kasta verplum statt dobla und verplakast statt dobel verwendet.

2.4 Dänemark Die dänischen Belege sind deutlich jünger als die meisten norwegischen und schwedischen und verteilen sich größtenteils auf das gesamte 15. Jahrhundert. Die dänischen Landschaftsgesetze (adän. landskapslagar) aus dem 13. Jahrhundert erwähnen das Doppel nicht (vgl. Reitzel-Nielsen 1979, S. 323). Dies heißt aber nicht, dass es keine Spielverbote gab. Bereits das Kopenhagener Stadtrecht des Bischofs Jens vom 29. 1. 1294 (Biskop Jens’ stadsret af 29/1 1294, im Weiteren abgekürzt: KSJ) stellt fest, dass man im Spiel (in aliquo ludo) nicht mehr als 1 Schilling verlieren soll (vgl. Kroman 1951–61, Bd. 3, S. 44). Da dieses Stadtrecht auf Lateinisch abgefasst wurde, kann es nicht als Beleg für Doppel gesehen werden. Dieses Stadtrecht dient jedoch teilweise als Grundlage für andere Stadtgesetze. Die dänischsprachigen Gesetzesregelungen zum Doppel teilen sich in zwei größere Gruppen auf: einerseits von Königen gegebene Rechtsbücher, die meistens Stadtrechte waren und andererseits Vorschriften meist für Berufsgruppen. Die Rechts-

34 35 36 37

Konungsbók ist die älteste umfangreiche erhaltene Fassung des Grágás. Zur Datierung vgl. Strauch 2011, S. 236. Nach Karlsson 1992, S. 473 (meine Hervorhebungen). Zur fjörbaugsgard vgl. Strauch 2011, S. 238.

„Für den Trinker gibt es Rat, für den Doppler selten“

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bücher sind alle auf die skandinavischen Könige Erik von Pommern (1382–1459), König Christoffer von Bayern (1416–1448) oder König Hans (1455–1513) zurückzuführen38. Meistens steht das Doppelverbot in den Stadtrechten, vereinzelt aber auch in einem Hofrecht. Die Vorschriften (dän. skråer) gab es mancherorts für bestimmte Berufsgruppen, die in der Regel von den Ausübenden dieses Berufs selbst ausgearbeitet wurden.39

a) Gesetze Unter den allgemeiner gültigen Gesetzen ist das Hofrecht von Erik von Pommern (Erik af Pommerns gårdsret, im Weiteren abgekürzt: EPH) vermutlich das älteste, obwohl die Stadtrechte teilweise an KPJ von 1294 angelehnt sind. Dass es Bestimmungen zum Hofrecht gibt, wird bereits in einem Brief von 1378 klar, da aber Erik von Pommern erst 1382 geboren wurde, muss sein Gesetz erst nachträglich nach ihm benannt worden sein. Frühe Quellen geben diesbezüglich keine eindeutigen Hinweise, aber spätestens eine Bemerkung über „unsere lieben Hofrechte“ in einem Urteil vom 14. 8. 1428 macht ein Inkrafttreten vor 1428 wahrscheinlich.40 Handschrift B 74 des EPH wurde von verschiedenen Händen geschrieben. Die erste stammt von ca. 1250, die dritte Hand, die von Pfarrer Laurentius Iohannis, hat im Jahr 1460 () u.a. die folgende Regelung aufgenommen41. Hier ist das Doppeln nachts untersagt und man darf nicht mit einem beliebigen Einsatz doppeln. Ein Totalverbot herrscht allerdings nicht: Om dobl æller taffl Ænghen man ma tafl legæ eller lengher doblæ sithen myn herræ koning haffuer bødhet godhæ nat oc gor i sit herberghæ gyør thet nogher sydhen. er han knabæ eller schyttæ ligge viii netter i tornet eller i kysten oc edæ wandh oc brødh. Ær han dun lighe samelwnd weth wandh oc brødh. Ær han smaswen mistæ siin hwdh. Nw widhes thet noghen oc wordher ey greben weth ferskæ gerningher dyliæ met sex men som fore er saght. (nach Gammeldansk Seddelsamling o.J., Zettel 636028, meine Hervorhebungen) […]

38 Erik von Pommern war 1389–1442 König in Norwegen, 1396–1442 in Dänemark und 1396–1439 (nicht zusammenhängend) in Schweden (vgl. Westrin 1904–1926, Bd. 7, Sp. 783 f). Christoffer von Bayern regierte von 1440–48 in Dänemark und Schweden und 1442–48 in Norwegen (vgl. Westrin 1904–26, Bd. 14, Sp. 1450). König Hans war 1481–1513 König in Dänemark, 1483–1513 in Norwegen und 1497–1502 in Schweden (vgl. Westrin 1904–1926, Bd. 10, Sp. 1401). 39 Vgl. Kroman 1965, Sp. 366. 40 Vgl. dazu Liedgren 1960, Sp. 646. 41 Vgl. Brøndum-Nielsen 1961, S. X–XII. – Frau Britta Olrik Frederiksen am Nordisk Forskningsinstitut an Københavns Universitet danke ich herzlichst für wertvolle Hinweise zu EPH und insbesondere der ihr vorliegenden Handschrift B 74.

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Ænghen man maa syn hest eller wapen bort doblæ oc ænghen man maa paa høgræ gyæl en som han ber til bordhet eller til leegs. Hwo thet gyør waræ wgild oc standæ sammæ ræt som foræe er sacht. Oc hwo som dobler om gwld waræ wgildh.42 „Über Doppel oder Brettspiele Kein Mann darf Brettspiele spielen oder länger doppeln, nachdem mein Herr König gute Nacht geboten hat, und in seine Herberge geht. Macht es jemand danach, (und) ist er ein Junge oder Schütze, liege er acht Nächte im Turm oder Kerker und esse Wasser und Brot. Ist er Diener, liege er ebenso bei Wasser und Brot. Ist er ein kleiner Junge, verliere er seine Haut43. Nun weiß man, dass jemand auch nicht auf frischer Tat ertappt wird, außer mit sechs Männern wie vorher gesagt wurde44. […] Kein Mann darf sein Pferd oder Waffe weg-doppeln und kein Mann darf mit höherem Einsatz [doppeln] als er mit zum Tisch oder zum Spiel trägt. Wer das macht, verstoße gegen das Gesetz und unterstehe demselben Recht, wie vorher gesagt wurde. Auch wer um Gold doppelt, verstoße gegen das Gesetz.“ (Übersetzung V.H.)

Laut EPH scheint das Doppeln also unter bestimmten Bedingungen erlaubt gewesen zu sein. Im allgemeinen Stadtrecht König Christoffers (Kong Christoffer af Bayerns almindelige stadsret, im Weiteren abgekürzt: CaS), das in der Zeit nach 1443 entstanden ist45, fällt die Strafe für das Doppeln wesentlich milder aus als in den anderen Rechtstexten. Es handelt sich stattdessen um den Höchsteinsatz beim Spiel: Taper nager bymans søn i dobell eller i nager legh mere æn en ß penninge, tha scal thogh then, som winner, æy mere beholde aff hanum æn en øre penning.46 „Verliert der Sohn eines Stadtmannes im Doppel oder in einem Spiel mehr als einen ß47 Pfenninge, dann soll doch derjenige, der gewinnt, nicht mehr von ihm behalten als ein Öre Pfenninge.” (Übersetzung V.H.)

Diese Bestimmung hat eine auffällige Ähnlichkeit zum KPJ von 1294 und dürfte darauf bezogen sein, da sie auch in KPJ für Spiele im Allgemeinen gilt (s.o.). Es ist offen, warum von allen Spielen das Doppel hervorgehoben wird, aber es könnte daran liegen, dass kein anderes Spiel häufiger oder mit so hohem Einsatz gespielt wurde. Dies würde zur Situation im deutschsprachigen Gebiet passen, wo Glücksspiele hauptsächlich mit Würfeln getätigt wurden.48

42 43 44 45 46 47 48

Nach Gammeldansk Seddelsamling o.J., Zettel 637874 (meine Hervorhebungen). D.h. bekommt er Prügel. D.h. ohne dass sechs Männer unter Eid die Untat bezeugt haben. Vgl. Kroman 1951–1961, Bd. 5, S. 35. Nach Kroman 1951–1961, Bd. 5, S. 45 (meine Hervorhebung). Abkürzung für Schilling (vgl. Stötzner 2005, S. 3). Vgl. Blaschitz 1995, S. 312.

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Weiterhin findet sich diese Bestimmung auch in Privileg für Malmö vom 16. 2. 1487 (Kong Hans’ store privilegium for Malmø, im Weiteren abgekürzt: PfM) und Helsingørs Stadtrecht (im Weiteren abgekürzt: HøS) aus dem 16. Jahrhundert wieder. HøS soll trotz der späten Handschrift von Christoffer aus Bayern stammen, wie es am Anfang des Textes steht.49. In PfM und HøS wird das Doppel wie in CaS dobell, in der Überschrift in HøS allerdings dobel geschrieben.50 In König Christoffer von Bayerns Stadtrecht für Kopenhagen (Kong Christoffer 3. af Bayerns stadsret for København, im Weiteren abgekürzt: CSK) von 1443 wird Doppel mit Gewalttaten verbunden: hwo som fanger hugh eller pwst i doblespell aff then, som han dobler med, han, som hugh vtgiuer, bøthæ honum ængte, som hugh faar, men han skall bøthæ koningen oc stadhen effter syn brøthæ; wordher oc noghen i heell slaghen offuer doblespeell, han skall iordhes vnder galghen, oc then, som honum i heell slaar, giue liff fore liff.51 „Erhält jemand beim Doppelspiel einen harten Schlag oder eine Ohrfeige von demjenigen, mit dem er doppelt, büße derjenige, der den harten Schlag ausgibt, demjenigen nicht, der den harten Schlag erhält, aber er soll dem König und der Stadt nach seinem Brot52 büßen. Wird auch jemand beim Doppel-Spiel totgeschlagen, soll er unter dem Galgen gedemütigt werden, und derjenige, der ihn totschlägt, gebe Leben für Leben.“ (Übersetzung V.H.)

Hier wird also das Doppeln an sich nicht bestraft, sondern die Gewalt, die dabei entstehen kann. CSK hat die entsprechende Bestimmung aus KPJ von 1294 deutlich verschärft. KPJ stellt fest, dass es keine Strafe dafür gibt, jemanden beim Spielen zu verletzen53, des Weiteren, dass derjenige, der beim Spielen ums Leben kommt, nicht am Friedhof beerdigt werden kann. Die Strafe des Mörders wird im Spielabschnitt nicht erwähnt, sondern vermutlich in anderen Teilen des Gesetzes, da es unwahrscheinlich ist, dass ein Mord nicht bestraft wurde. In PMG war von Zank und Uneinigkeit die Rede, und CSK stellt eventuelle andere und dramatischere Konsequenzen in Aussicht. Auch zwei Würfelspieler, die im Portal der Kirche von Källunge abgebildet sind, streiten sich und greifen zum Messer zu (vgl. Abschn. 4). Christoffer von Bayern führt in CaS und HøS diese Regelung weiter, König Hans ebenso in seinem allgemeinen Stadtrecht (Kong Hans’ almindelige stadsret, im Weiteren abgekürzt: HaS), im PfM vom 16. 2. 1487 und im Stadtrecht von Aalborg vom 10. 11. 1507 (Kong Hans’ stadsret for Skagen, im Weiteren abgekürzt: SkS). Die Formulierungen in diesen Rechtsbüchern sind sehr ähnlich. Das Würfelspiel wird in CaS zweimal

49 Vgl. Kroman 1951–1961, Bd. 3, S. 133. 50 Vgl. Kroman 1951–1961, Bd. 3, S. 142 für HøS, Bd. 5, S. 86 für PfM. 51 Nach Kroman 1951–1961, Bd. 3, S. 93 (meine Hervorhebungen). 52 D.h. nach seinen Möglichkeiten. 53 Vgl. Kroman 1951–1961, Bd. 3, S. 44.

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dopel spel, in HøS dobelspel und dobelspell, in HaS dobell (Dat. dobelle), in PfM dobelspell und dobelspill und in SkS dobelspil, doobelspil und dobell geschrieben, das Verb doplær in CaS, dobler in HøS, HaS und SkS sowie doble in PfM (die Wortformen wie bei Kroman 1951–61, Bd. 5, S. 51 für CaS, Bd. 1, S. 308 für SkS, Bd. 5, S. 99 für HaS und Bd. 5, S. 90 für PfM). SkS erhält wie GL die Überschrift Vm dobell. Ein Urteil aus Viborg vom 1. 8. 1579 bestätigt, dass die Regelungen zum Doppel umgesetzt wurden. Laut Urteil musste der Angeklagte Bay Perßenn seine beim Doppel entstandenen Schulden nicht an Hertuig Claußenn zurückzahlen, weil mit Kreide auf dem Tisch geschrieben wurde, wie viel der Angeklagte verspielt haben soll, und nicht, dass Hertuig Claußenn ihm das Geld beim Doppeln (dän. medt att doble) ausgeliehen hatte.54 Christian V. behält in seinem dänischen Gesetzbuch von 1683 (Kong Christian Den Femtis Danske Lov, im Weiteren abgekürzt: CVD) und im norwegischen Gesetzbuch von 1687 (CVN) das Doppelverbot bei. Die unten zitierte Stelle steht im Buch 5 über Schulden (Om Gield)55 und sieht in beiden Gesetzbüchern folgendermaßen aus: _____ Ingen er pligtig til at betale hvis hand i Dobbel taber og der skyldig bliver. (nach Danske Lov 2008, Kap. 14 und Norske Lov 1982, S. 232, meine Hervorhebung) „Niemand ist zum Zahlen verpflichtet, falls er im Doppel verliert und dabei schuldig wird.“ (Übersetzung V.H.)

In Dänemark wird diese aus vielen Stadtrechten (z.B. KJP von 1294 und CaS aus dem 15. Jahrhundert) bekannte Einschränkung praktisch auf das ganze Land erweitert, wo die mittelalterlichen Landschaftsgesetze sonst bis zur Einführung des CVD 1683 galten (vgl. Kristiansen 1997, S. 17). In Norwegen wird die Gesetzeslage zum Doppeln dem MLL/MLS gegenüber etwas abgemildert, weil CVN die finanzielle Strafe abschafft. Seit CVD/CVN bezeichnet dobbel im Dänischen Glücksspiele im Allgemeinen (vgl. Abschn. 3.2). In Dänemark ist diese Passage in Prinzip noch bis heute im Vertragsrecht gültig, obwohl neuere Gesetze z.B. zum Toto oder Roulette in der Zwischenzeit bestimmte Formen von Glücksspielen wieder erlaubt haben (vgl. Andersen 2008, Abs. 12).

b) Vorschriften Nachdem nun die Belege in Rechtsbüchern behandelt worden sind, sollen im Folgenden die Belege in den Berufsvorschriften diskutiert werden. Der älteste dänische Beleg, von der Datierung der Handschrift ausgehend, stammt aus einer Vorschrift für

54 Vgl. Reitzel-Nielsen 1979, S. 323. 55 In CVD in § 53 des Kapitels 14, in CVD in § 55 des Kapitels 13.

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Bäckergesellen56 in Kopenhagen (Skraa for Bagersvenderne i Kjøbenhavn, im Weiteren abgekürzt: SbK) von 1403. § 8 sieht wie folgt aus: Ær thet swo, at two brodhere leighe til sammens meth terninghe oc en annen brodher kommer ther till gangendis oc siger thet, tha skulle the two, som haffue leigt, til hobe betale hwerder two engelske. Fremdelis ær thet oc soo, at en broder kommer ther, som twenne brødere leighe til sammens meth terninger, og dylger han thet, oc komer thet sin wth, tha betaler han, som haffuer duldh thet, two engelske, soo wel the, ther doblet haue. (nach Nyrop 1895–1904, Bd. 2, S. 5, meine Hervorhebung) „Ist es so, dass zwei Brüder57 zusammen mit Würfeln spielen und ein anderer Bruder dazu kommt und es meldet, dann sollen die zwei, die gespielt haben, jeder zwei Englische58 an das Volk zahlen. Des Weiteren ist es auch so, dass (falls) ein Bruder dorthin kommt, wo zwei Brüder zusammen mit Würfeln spielen, und er das verheimlicht, und es später heraus kommt, dann zahlt er, der es verheimlicht hat, zwei Englische, sowie (auch) die, die gedoppelt haben.“ (Übersetzung V.H.)

Hier gibt es also eine finanzielle Strafe auch für denjenigen, der das Doppeln verheimlicht. In diesem Text scheint dobla synonym mit ‚mit Würfeln spielen‘ verwendet zu werden (Näheres zur Bedeutung des Wortes s. Abschn. 3.2). Auch die Schuhmachergesellen in Roskilde mussten nach einer Vorschrift von 1450 (Skraa for Skomagersvenderne i Roskilde, im Weiteren abgekürzt: SsR) zahlen, falls sie doppelten. § 21 lautete: doffler nogher vor brodher høgre en paa en groth, bødhe ij mark vox i compani. (nach Nyrop 1895–1904, Bd. 2, S. 125, meine Hervorhebung) „Doppelt jemand von den Brüdern mit mehr als einer Münze, büße (er) zwei Mark Buße an die Zunft.“ (Übersetzung V.H.)

Im Malmö59 sollten die Küfer nicht zu oft spielen, denn auch ihnen drohten laut ihrer Vorschrift von 1499 (Skraa for bødkerne i Malmø, im Weiteren abgekürzt: SbM) finan-

56 Ob es sich dabei um die Bäcker oder dessen Dienstleute handelt, ist nicht ganz klar, zudem dän. svend sowohl ‚Handwerker‘ im allerweitesten Sinne (mitsamt Berufen wie z.B. Bäcker, Schuhmacher und Böttcher) als auch ‚Dienstmann‘ bedeuten konnte (vgl. Kalkar 1881–85, Bd. 4, S. 228 f). Vielleicht handelt es sich bei den Berufsbezeichnungen, die auf -svend enden, wirklich um Dienstleute, denn, wie später gezeigt wird, gibt es in Malmö eine Vorschrift von 1499 für bødker ‚Küfer‘ und eine andere von 1503 für bødkersvende. 57 Hier und im Folgenden im Sinne von Zunftgenossen. 58 Mit einem ‚Englischen‘ (dän. engelsk) ist eine kleine silberne Münze gemeint (vgl. Kalkar 1881–1885, Bd. 1, S. 474). 59 Die Texte aus Malmö sind mit Hinblick auf den Grenzverlauf bis 1658 unter Dänemark eingeordnet. In diesem Jahr gingen die südlichen Landschaften Skåne (Schonen), Halland und Blekinge von Dänemark-Norwegen an Schweden über.

320

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zielle Bußen. Bei der dritten Wiederholung konnten sie sogar aus der Zunft entlassen werden. Dies ist in § 22 geregelt: om nogher brodher fynnes i dobelspeell, bøøde tre skonske march første tiid, och annen tiid ny skonske march, om han fynnes ther i; ock fynnes han tridie syne ther met, tha skall han meeste syt embede, vdhen han kan serdelis winthne thet igjen aff borghermestere ock raad ock aff brødere i embedet. (nach Nyrop 1895–1904, Bd. 2, S. 289, meine Hervorhebung) „Wenn ein Bruder beim Doppelspiel gefunden wird, büße er drei schonische Mark beim ersten Mal, und beim zweiten Mal neun schonische Mark, falls er dabei gefunden wird; und wird er ein drittes Mal dabei gesehen, dann soll er sein Amt verlieren, falls er es nicht ausdrücklich vom Bürgermeister und dem Rat und von den Brüdern im Amt zurück gewinnen kann.“ (Übersetzung V.H.)

Vier Jahre später, im Jahr 1503, gibt es auch eine Vorschrift für Küfer oder evtl. ihre Dienstleute60 (Skraa for bødkersvenderne i Malmø, im Weiteren abgekürzt: SbsM) mit einer finanziellen Strafe in § 18: hwilken brodher ther fynnes paa doffwell oc legher tiil pwngs61 met kordhen spell, terningh eller met noghet andhet doffwell, tha skall han giiffwæ j markæ wox. (nach Nyrop 1895–1904, Bd. 2, S. 293, meine Hervorhebungen) „Wird ein Bruder beim Doppeln gefunden oder spielt sich zum Unglück mit Kartenspiel, Würfel oder mit irgendeinem anderen Doppel, dann soll er eine Mark Buße geben.“ (Übersetzung V.H.)

Ähnlich wie in PMG kann von einer allgemeineren Bedeutung des Verbes dobla in Richtung ‚um einen Einsatz spielen‘ ausgegangen werden, vgl. Abschn. 3.1. Das Doppel wurde in manchen Berufen also spezifisch verboten. Diese Vorschriften sind wahrscheinlich nicht erst im 15. und 16. Jahrhundert entstanden, sondern haben erst dann eine festere Form bekommen (vgl. Kroman 1965, Sp. 365). Ob das Doppel-Verbot älter ist oder bei der Entstehung der Vorschriften hinzugefügt wurde, ist ungewiss. Eine letzte Vorschrift, die sich allerdings nicht auf eine Berufsgruppe bezieht, machte König Hans am 17. 3. 1496 in Odense wirksam, und zwar für die Dreifaltigkeits-

60 Vgl. dazu Fn. 56. 61 Vielleicht handelt es sich hier um einen Abschreibfehler. Es scheint wenig Sinn zu geben, sich til pungs ‚zum Beutel‘ (vgl. Hægstad / Torp 2008, S. 483 s. v. pung) zu spielen, während sich til pungs ‚zum Nachteil/zur Belästigung‘ (vgl. Hægstad / Torp 2008, S. 665 s. v. pung) zu spielen wahrscheinlicher und relevant scheint und außerdem in anderen Quellen belegt ist. Wenn dem so sei, wäre die Originalhandschrift und Regelung älteren Datums, und das p wäre vom Abschreiber als p missverstanden, weil das p am Anfang des 16. Jahrhunderts längst außer Gebrauch geraten war. Diese Annahme kann allerdings nicht unmittelbar verfolgt werden und bleibt unsicher. Mangels besserer Alternative wird in der Übersetzung trotzdem davon ausgegangen.

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gilde (Skraa for Trefoldighedsgilde i Odense, im Weiteren abgekürzt: TgO). § 18 lautet dort: scall engen doble eller lege wartawell i gildes hwss widh en tønde oll oc j mark wox til widhe. (nach Nyrop 1895–1901, Bd. 1, S. 775, meine Hervorhebung) „Niemand soll im Gildehaus um ein Fass Bier doppeln oder Wurfbrett spielen und (dafür gibt es) eine Mark Buße als Strafe.“ (Übersetzung V.H.)

Für die dänischen Belege kann zusammenfassend festgestellt werden, dass Doppel in Dänemark nicht grundsätzlich verboten war. Anders als in Schweden, Norwegen und Island ist in den dänischen Stadt- und Hofrechten keine finanzielle Strafe vorgesehen. Außerdem scheint die Oberschicht von den Einschränkungen ausgenommen zu sein, da z.B. König Hans laut seinen Rechenschaftsbüchern selbst mit großen Einsätzen gespielt hat (vgl. Abschn. 5). Allerdings kann das Doppeln nicht nur zu Zank und Uneinigkeit wie in PMG, aber auch zu Gewalt und sogar Tod führen, wie in CSK deutlich gemacht wurde. Lediglich in den Vorschriften für die Berufsgruppen dominieren das Spielverbot und die damit verbundene Geldstrafe. Unter den Vorschriften bevorzugt nur SsR eine Begrenzung des Höchsteinsatzes. Ein Bezug auf den Höchsteinsatz ist sonst nur in den Stadt- und Hofrechten üblich, wo keine Verbote zu finden sind.

2.5 Deutschsprachiges Gebiet Auch nieder-, mittel- und hochdeutsche Gesetzestexte erwähnen Doppel-Verbote und/oder die Doppler und ihren zumeist schlechten Ruf. Die gute Übersetzung von GL, die 1401 abgeschlossen wurde und damit die älteste bekannte Übersetzung aus einer skandinavischen Sprache ins Hochdeutsche ist (vgl. Schmid 2006, S. 62), bestätigt zusammen mit anderen deutschsprachigen Quellen die Annahme, dass das Doppel auch im deutschsprachigen Gebiet bekannt und verbreitet war. Die Schreibsprache der Übersetzung ist ostmitteldeutsch geprägt (vgl. Schmid 2006, S. 67 sowie omd. Charakteristika in Fn. 25). In der frnhd. Übersetzung wird dufl in der Überschrift als Kompositum dopil spil ‚Doppelspiel‘, am Anfang des Abschnittes als Verbalabstraktum dopelen ‚Doppeln‘ wiedergeben, und das Verb duflar als dopelt (die frühneuhochdeutsche Formen nach Czajkowski 2005, S. 69). Auch in ‚genuinen‘ deutschsprachigen Gesetzen werden Doppel-Verbote ift genannt. Hier seien zur Verdeutlichung lediglich zwei weitere Beispiele dafür erwähnt, obwohl viel mehr deutsche Rechtstexte das Doppel behandeln (vgl. DRW 1932 –s. v. Doppel, doppeln, Doppelspiel und Doppler). Im Breslauer Urkundenbuch (1261) wird deutlich gemacht, dass durch Doppel erworbenes Geld illegal ist, und Die Goslarer Statuten (1. Hälfte des 14. Jahrhunderts) entscheiden, dass das durch Doppeln Erworbene nicht als Erbe gelten kann.

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beklaget ein man den anderen vmbe topelspil, her en hat ime nicht zu antwortene (nach Korn 1870, S. 22, meine Hervorhebung) „Verklagt ein Mann einen anderen wegen Doppelspiels, muss62 er ihm nicht antworten.“ (meine Übersetzung) Düwe noch rof noch dobelspel ghilt de erve nicht (nach Göschen 1840, S. 6, meine Hervorhebung) „Diebstahl und Raub und Doppelspiel gilt für das Erbe nicht.“ (meine Übersetzung)

Wie in den skandinavischen Gesetzestexten gibt es auch im deutschsprachigen Gebiet Einschränkungen, die sich auf das Doppel-Spiel beziehen, und ein deutschsprachiger Übersetzer konnte im Jahr 1401 den Sachverhalt gut aus dem Agn. ins Dt. übertragen.

3 Etymologie 3.1 Formen Die in den besprochenen Texten skandinavischen Formen von dobel ‚Würfelspiel‘63 und ihren Ableitungen dobla ‚würfeln‘ und doblare ‚Würfelspieler‘ lassen sich wie folgt zusammenfassen. Die Belege sind chronologisch sortiert mit dem ältesten Beleg 656667 zuerst64: Text

Entstehungszeit

dobel

dobla

GL

1220er Jahre

duflar (Präs.)

HS MLL MLS Jb SmL Aschw. Sprichwort66

1273–1277 1274–77 ab 1276 1281 Ende 13. Jh. 13./14. Jh.?

dufl dufli (Dat.) dufl dubl duplan65 dufl

doblare

dubla (Inf.) dufla (Inf.) dufla (Inf.) doblare dubblarom67

62 Die im Mnd. vor dem Verb stehende und zu ihm gehörende Negation en (vgl. Schiller-Lübben 1875–1881, Bd. 1, S. 658 s. v. en) wurde nicht in die Übersetzung übernommen, weil damit eine im heutigen Deutsch ungrammatische doppelte Verneinung entstehen würde. 63 Zur Bedeutung vgl. Abschn. 3.2. 64 Mit einem * markierte Belege tauchen in dem in Frage kommenden Text zweimal in dieser Form auf. 65 Zum möglichen Schreibfehler vgl. Fn. 23. 66 Zum Sprichwort und zur dessen Datierung vgl. Abschn. 4. 67 Steht im Dativ Pl.

„Für den Trinker gibt es Rat, für den Doppler selten“

Text

Entstehungszeit

dobel

dobla

MES

ca. 1350

dobel dombel

SbK EPH

1403 1420er Jahre?

CSK

1443

dobbla*68 (Inf.) dobblar* (Präs.) fordobblade (Prät.) doblet (Part. Perf.) doblæ* (Inf.) dobler (Präs.) doplær (Präs.) dobler (Präs.)

CaS

nach 1443

SsR HaS

1450 1480er Jahre?

PfM

1487

TgO SbM SbsM Dän. Sprichwort69 SkS

1496 1499 1503 1506 1507

HøS

Anfang 16. Jh.

dobelspel* dobelspell PMG dän. GL CIV (auf Dän.) CVD CVN

1522 16. Jh. 1604 1683 1687

68

dobl dopel spel* doblespell doblespeell dobell dopel spel* dobell* dobelle (Dat.) dobell dobelspell dobelspill

323

doblare

doplær (Präs.) doffler (Präs.) dobler (Präs.) doble (Inf.)

doble (Inf.) dobelspeell doffwell dobleræ dobell dobelspil doobelspil dobel dobell

daabel* daabel Dobbel Dobbel

dobler (Präs.)

dobler (Präs.)

dobla* (Inf.) daabler (Präs.) daabler (Präs.)

69

Es gibt, wie in alten Texten üblich, viele verschiedene Schreibweisen. Manche Variationen verdienen keine besondere Aufmerksamkeit, dazu gehören z.B. die a/æ/e-Variation der unbetonten Silben, der Sprossvokal e in dob(e)l und das m vor bl in der Form dombel (in MES), weil sie den natürlichen und erwarteten sprachlichen Veränderungen dieser Zeit entsprechen. Die Einfach- und Doppelschreibung verschiedener

68 Die Form taucht zweimal im MES auf (vgl. Schlyter 1865, S. 398), wurde jedoch nicht im Abschn. 2.1 zitiert. 69 Zum Sprichwort und zur dessen Datierung vgl. Abschn. 4.

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Vokale und Konsonanten gehört ebenfalls zur normalen orthographischen Variation, das aa in daabel im dän. GL und in CIV dürfte die gleiche Vokalqualität wie die dominierende o-Schreibung der anderen Gesetze haben. Überraschender dagegen ist die Variation zwischen f(l) und b(l). Die meisten Belege zeigen b, was direkt mit der mnd. Herkunft zusammenhängt, weil das Mnd. fast ausschließlich Formen auf b aufweist (s. Abschn. 3.2). Die Formen mit dem geschriebenen f, das anfangs vermutlich [b] ausgesprochen wurde, müssen jedoch anders begründet werden. Vier der f-Formen stammen aus den ältesten Quellen GL, HS, MLS und Jb, während die Belege mit f aus SsR und SbsM neueren Datums sind. Die geographische Streuung ist dabei denkbar groß: von Gotland im Osten, nach Bergen und Island im Westen und nach Malmö und Roskilde im Süden. Lediglich die norwegisch-isländischen Formen bei HS, MLS und Jb könnten eventuell sprachgeschichtlich durch den im Isländischen vorhandenen Wandel von fl zu bl erklärt werden, sofern dieser Aussprachewandel im Westnorw. anfing (ohne dort vollzogen zu werden). Dieser Wandel könnte die orthographische Variation rechtfertigen. Generell gelten für Worte mit b l-Aussprache in dieser Stellung, dass das b l im Isl. zu bl und im Norw., Schw. und Dän. zu vl geworden ist, wie am Beispiel von isl. tafla [tabla], schw. tavla, norw./dän. tavle (in allen Sprachen mit der Bedeutung ‚(Schreib-)Tafel‘) erkennbar ist (vgl. dazu Torp 2011, S. 17). Für die f-Formen in GL, SsR und SbsM (wie auch in HS, MLS und Jb, wenn die letzte These nicht stimmen sollte) gäbe es zwei Erklärungsmöglichkeiten. Entweder wurden die aus dem Mnd. entlehnten Wörter an die heimische Phonotaktik oder Orthographie angepasst und deswegen ein f zugeordnet, oder die Formen mit f sind ererbt und waren in Gebrauch, bevor die Wörter aus dem Mnd. entlehnt wurden. Die Belege in GL, HS, MLS und Jb aus dem 13. Jahrhundert könnten für die letztere These sprechen, denn es würde sich ansonsten tatsächlich um ein recht frühes Lehnwort aus dem Mnd. handeln, das außerdem im Vergleich zu fast allen jüngeren Belegen lautlich anders wäre. Die f-Schreibung in SbsM könnte auf eine ältere Grundlage der Handschrift zurückzuführen sein, insbesondere wenn die in Fn. 35 erwähnte Möglichkeit für einen Abschreibfehler zutrifft. Gegen diese These spräche vor allem die sehr dünne Grundlage, die aus insgesamt nur sechs Belegen besteht. Die f-Schreibung ist sporadisch und könnte darauf beruhen, dass die jeweiligen Schreiber oder Abschreiber das Wort einfach nicht (er)kannten, oder dass es eventuell mit dem bereits bekannten dúfl ‚Klatsch‘ bzw. dúfla ‚klatschen‘ verwechselt wurde. Diese Verwechslung scheint allerdings unwahrscheinlich. Schließlich könnte die f-Schreibung aber auch auf eine lokale oder ältere Aussprache im Mnd. zurückzuführen sein, die in die älteren Stufen der anord. Dialekte übernommen wurde70. Der aisl. Beleg von verplakast in Grágás könnte auch da-

70 Eine solche Aussprache als b (oder ein ähnlicher Frikativ) liegt vermutlich z.B. der im Mnd. belegten Schreibweise doffelen (vgl. Schiller-Lübben 1875–1881, Bd. 1, S. 527 s. v. dobbelen) zu Grunde. Da

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für sprechen, dass vor dem mnd. Einfluss andere Wörter verwendet wurden, und dass dieses dann später durch das Mnd. dobel ersetzt wurde. Auffällig ist auch der Vokalismus. Alle Belege bis auf die ersten in GL, HS, MLL, MLS und Jb sowie im schwierig zu datierenden aschw. Sprichwort weisen ein o auf, die erwähnten, und nur diese, jedoch ein u. Obwohl aus einer u/o-Variation normalerweise wenige Rückschlüsse gezogen werden können, sind die zwei Unterschiede u/o und bl/fl, die in den (doch wenigen) früheren Belegen normalerweise im selben Wort auftreten, vielleicht Indizien genug, dass es sich tatsächlich um ererbte Formen handelt (zur Herkunft vgl. Abschn. 3.3). Die Schreibweise mit bb und die Großschreibung des Substantivs scheinen sich erst in den 1680er Jahren wegen den Gesetzen Christians V. (CVD und CVN) durchzusetzen.

3.2 Bedeutung Die ursprüngliche Bedeutung von dobla scheint ‚würfeln’ gewesen zu sein (vgl. Hægstad / Torp 2008, S. 116 s. v. dubla, Baetke 1983 verzeichnet das Wort nicht). Dies korreliert auch mit mnd. dobbelen ‚würfeln, mit Würfeln spielen‘ mit all seinen Varianten dobelen, dabelen, dopelen, doffelen (vgl. Schiller-Lübben 1875–1881, Bd. 1, S. 527 s. v. dobbelen), so dass von einer Entlehnung aus dem Mnd. auszugehen ist.71 Unklar ist m.E., ob mit Tauber davon ausgegangen werden kann, dass nhd. dobelen ferner entweder von dem afrz. doublet ‚Wurf mit gleichen Augen‘ oder lat. duplicare ‚Verdoppelung des Satzes beim Spiel‘ kommt.72 Die mhd. Entsprechung ist topelen ‚würfeln‘.73 Auch im archaischen Nhd. hat doppeln die gleiche Bedeutung wie im Mnd.74 Dem deutschen Wort unterliegt eine ganz unklare Bedeutungsentwicklung.75 Das mhd. topelen wurde erst im 16. Jahrhundert vom nhd. würfeln verdrängt76, im Nl. lebt das Wort als dobbelen ‚würfeln‘ bis heute weiter.77 Konkurrierend zu dobla gibt es im Anord. auch kasta terningum und kasta verplum78 (wörtlich ‚Würfel werfen‘, ‚würfeln‘). Nicht ganz klar ist, ob es sich bei dobla und kasta terningum/verplum um Synonyme handelt oder ob es einen Unterschied gibt. Ein möglicher Unterschied könnte z.B. darin bestehen, dass es bei dobla immer

diese Schreibweise jedoch nur vereinzelt vorkommt und außerdem nicht datiert ist, scheint es unwahrscheinlich, dass die frikativische Aussprache aus dem Mnd. kommt. 71 Vgl. Birkmann 2004, S. 55. 72 Tauber 1987, S. 76–77. 73 Vgl. Lexer 1992, S. s. v. topelen. 74 Vgl. Grimm / Grimm 1854–1960, s. v. 4doppeln. 75 Vgl. Kluge / Seebold 1995, S. 190 s. v. doppeln. 76 Vgl. Tauber 1987, S. 76 77 Vgl. WNT 2007–2010 s. v. 1dobbelen. 78 In Grágás, s. Abschn. 2.3.

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um Würfeln mit Einsatz ging, während kasta terningum dann eine neutrale Ausdrucksweise für ‚würfeln‘ wäre. In MLL/MLS/Jb stehen dobla und kasta terningum im selben Satz. Bei der Formulierung dubla eda kasta teningum vm peninga ist nicht ganz klar, ob dubla ‚doppeln‘ und kasta teningum vm peninga ‚um Geld würfeln‘ tatsächlich zwei verschiedene Tätigkeiten bezeichnen, oder ob Letzteres eventuell Ersteres erklärt. Ein bemerkenswerter Unterschied zwischen den Formulierungen aus den Jahren 1275–1281 und der entsprechenden Regelung in CIV 1604 ist, dass anorw. eda ‚oder‘ durch dän. oc ‚und‘ ersetzt wurde: En ef menn dubla e.a kasta teningum vm peninga, se […].79, „Und wenn Leute doppeln oder um Geld würfeln, so […]“ (Übersetzung und Hervorhebungen V.H.) Om mand daabler oc kaster tærning om pendinge, da […].80 „Und wenn Leute doppeln und um Geld würfeln, dann […]“ (Übersetzungen und Hervorhebungen V.H.)

Diese Veränderung könnte bedeuten, dass damit tatsächlich die gleiche Tätigkeit gemeint war, und dass dobla schon in MLL/MLS/Jb (alternativ erst in CIV) ‚um Geld würfeln‘ bedeutete, nicht zuletzt weil anorw. eda auch ‚und‘ bedeuten konnte81. Es ist denkbar und wahrscheinlich, dass bei dobla über die Zeit ein Bedeutungswandel eintrat. Ursprünglich war die Bedeutung wohl ‚würfeln‘. Da aber so oft um einen (hohen) Einsatz gespielt wurde, kam später die Bedeutung ‚mit Einsatz würfeln‘ dazu, und diese Bedeutung scheint irgendwann die ursprüngliche verdrängt zu haben. Die in den Rechtstexten immer wieder auftauchende Verbindung mit hohen Einsätzen, Einsatzbeschränkungen und finanziellen Konsequenzen macht diese Verbindung einleuchtend. Ob und ab wann dies eventuell die Wortbedeutung wurde, kann anhand der Belege und Wörterbücher nicht eindeutig geklärt werden. Außerdem ist vorstellbar, dass dobla zu bestimmten Zeiten in bestimmten Städten oder Regionen mehr Bedeutungen hatte, und dass die Bedeutungen nicht überall gleich waren. In SbK aus dem Jahr 1403 scheint die Bedeutung eindeutig ‚mit Würfeln spielen‘ zu sein, in SbsM aus 1503 und PMG aus 1522 scheint sich die Bedeutung zu ‚um einen Einsatz spielen‘ verallgemeinert zu haben, was daran liegen könnte, dass Glücksspiele hauptsächlich mit Würfeln gespielt wurden.82

79 Nach Keyser / Munch 1848, S. 165. 80 Nach Hallager / Brandt 1855, S. 183. 81 Vgl. Hægstad / Torp 2008, S. 122 s. v. eda. 82 Vgl. Blaschitz 1995, S. 312.

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Im 16. Jahrhundert lässt sich kaum entscheiden, ob dobbel sowohl für Würfel- als auch für Kartenspiele verwendet wurde.83 Zu dieser Zeit kommen lege ‚spielen‘, doble ‚doppeln, Würfelspiele spielen‘, korte ‚Karten spielen‘ und tavle ‚Brettspiele spielen‘ wesentlich häufiger als das neuere spille ‚spielen‘84 vor.85 Die allgemeinere Bedeutung von dobla hat sich im Schw. bis heute bewahrt, die Bedeutung ‚ mit Karten oder Würfeln Hazard spielen‘ gilt allerdings als veraltet.86 Im Norw., Dän. und Isl. ist das Verb verloren gegangen. Nebenbedeutungen des Verbs doppeln im Mnd. weisen darüber hinaus auf die Möglichkeit hin, mit Würfeln zu entscheiden. Im Mnd. trug das Verb dobelen die Nebenbedeutung ‚um einen Entscheid würfeln‘87, im Mnd. in Mecklenburg im 14. Jahrhundert ferner ‚einen Rechtsstreit oder -anspruch durch Würfeln entscheiden‘88 Dass der Würfel auch in der Belletristik als Entscheidungsträger eine Rolle gespielt hat, wird im Abschn. 4 verdeutlicht. Das Verb dobla ‚würfeln‘ müsste zum Substantiv dobel ‚Würfelspiel‘ gebildet worden sein. Dass es sich bei diesem Wort ausschließlich um Würfelspiele handelte, scheint gewiss.89 Dieses Substantiv hat aber keinen Eintrag im Mittelniederdeutschen Wörterbuch90, was merkwürdig erscheint, da gern davon ausgegangen wird, dass das Wort aus dem Mnd. nach Skandinavien gekommen ist91. Allerdings hat das Nl. als einzige gegenwärtige germanische Sprache dobbel in der wohl ursprünglichen Bedeutung ‚Würfelspiel‘ beibehalten.92 Synonym zu dobel wird das Kompositum dobelspil in CSK, CaS, PfM, SbM, SkS und HøS verwendet. In vier dieser sechs Texte werden sowohl das Simplex dobel als auch das Kompositum dobelspil verwendet, nur CSK und SbM verwenden das Simplex nicht. Auch die frnhd. Übersetzung des GL verwendet sowohl das Kompositum

83 Vgl. Troels-Lund 1914, S. 142. 84 In den modernen skandinavischen Sprachen wird anders als im Deutschen zwischen da. lege, schw. leka, no. leike/leke ‚spielen‘ (im Weiteren mit leke als Leitform) und dän./norw. spille, schw. spela ‚spielen‘ (im Weiteren mit spille als Leitform) unterschieden. Der Unterschied ist unscharf und besteht in erster Linie darin, dass spille ergebnisorientierter ist, während bei leke das Spielen an sich im Vordergrund steht. Ob man also mit Würfeln leker oder spiller, drückt heute zwei verschiedene Aspekte des Würfelns aus. Im heutigen Deutsch und in den skandinavischen Sprachen des Mittelalters würde man in allen Fällen spielen resp. leke verwenden. 85 Vgl. Troels-Lund 1914, S. 142. 86 Vgl. SAOB 1997ff., s. v. dobbla. 87 Vgl. Lasch / Borchling 1928, S. 435 s. v. Dobelen. 88 Vgl. Wossidlo / Teuchert 1957, Sp. 343–344 s. v. Dobbel). 89 Vgl. Kalkar 1881–85, Bd. 1, S. 366 s. v. Dobbel und Hægstad / Torp 2008, S. 116 s. v. dubl). 90 S. Schiller-Lübben 1875–1881. – In Lasch / Borchling (1928, S. 435 s. v. 2dobel) wird ‚Würfelspiel‘ nur als Nebenbedeutung zu dobel aufgezeichnet. 91 vgl. Magnússon 1989, S. 133 und Falk / Torp 1910–11, Bd. 1, S. 145 s. v. Dobbel) 92 zum Nl. vgl. WNT 2007–2010 s. v. 1dobbel).

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als auch das Simplex (vgl. Abschn. 2.5). Dies ist nicht vom Originaltext motiviert, weil dieser kein Kompositum aufweist (vgl. Abschn. 2.1). Das Kompositum stammt ebenfalls aus dem Mnd.93). Außerdem wurde in Island wohl gleichbedeutend verplakast verwendet, vgl. Abschn. 2.3. Im Mhd. ist sowohl das Simplex topel ‚Würfelspiel‘ (vgl. Lexer 1992, s. v. topel) als auch das Kompositum topel-spil ‚Würfelspiel‘ vorhanden. Im älteren Dän. (1300–1700) hat das Substantiv dobbel die gleiche Entwicklung wie das schwed. Verb dobbla durchgemacht und bedeutet ‚Hasardspiel, Glücksspiel‘.94 Die Schreibweise und Interpretation des Wortes dobbel gelten in Dänemark seit 1683 bis heute unverändert (vgl. Abschn. 2.4 zum CVD). Die Bedeutungsentwicklung von ‚Würfelspiel‘ zum allgemeineren ‚Glücksspiel‘ lässt sich dadurch erklären, dass kein Glücksspiel so verbreitet wie das Würfelspiel war95, was auch die Formulierung in CaS vermuten lässt, wo das Würfelspiel vor allen anderen Spielen hervorgehoben wird: Taper nager bymans søn i dobell eller i nager legh […].96 „Verliert der Sohn eines Stadtmannes im Doppel oder in einem Spiel […]” (Übersetzung und Hervorhebungen V.H.)

Für die frühe Bedeutung ‚Würfelspiel‘ spräche außerdem die im Norw. belegte Bildung dobbelsten (‚Würfel‘97), was wörtlich als ‚Stein, mit dem man doppelt‘ (Doppelstein) verstanden werden muss. Diese Bildung ist aller Wahrscheinlichkeit nach auch aus dem Mnd. entlehnt.98 Das Wort dobel ist mit einer angenommenen Grundbedeutung ‚zweifach‘ nicht zu erklären. Auf jeden Fall gibt es im Anord. dobel nur in der Bedeutung ‚Würfelspiel’, nicht in der Bedeutung ‚doppelt‘, denn Letzteres heißt im Anord. tvifaldr99. Eine Verbindung zwischen den Bedeutungen ‚Würfelspiel‘ und ‚doppelt‘ gibt es wahrscheinlich im Mnd. und ferner wohl auch im Afrz. und Lat. Wesentlich seltener belegt ist der doblare ‚Würfelspieler‘, in den behandelten Rechtstexten nur in SmL und SkS, außerdem in einem altem Sprichwort, das es im Aschw.

93 Vgl. Schiller-Lübben 1875–1881, Bd. 1, S. 529 s. v. dob(b)el-, dolpelspel. – Hier findet sich die gleiche unerwartete Abweichung wie im MLS (vgl. Fn. 23), allerdings ohne dass daraus weitere Schlussfolgerungen gezogen werden können. 94 Zum Dän. vgl. Kalkar 1881–1885, Bd. 1, S. 366 s. v. Dobbel. 95 Vgl. Blaschitz 1995, S. 321. 96 Nach Kroman 1951–61, Bd. 5, S. 45. 97 Vgl. Kalkar 1881–85, Bd. 1, S. 367 s. v. Dobbelsten) 98 Vgl. Schiller-Lübben 1875–1881, Bd. 1, S. 529 s. v. dobbelstên). Auch dieses Kompositum lebt im heutigen Nl. mit der Bedeutung ‚Würfel‘ weiter (vgl. WNT 2007–2010 s. v. 1dobbelsteen). 99 Vgl. Falk / Torp 1910–11, Bd. 1, S. 145 s. v. dobbelt sowie Hægstad / Torp 2008, S. 116 s. v. dubl)

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und Adän. gab (vgl. Abschn. 4). Auch dieses Wort ist aus dem Mnd. entlehnt100 und hat eine mhd. Äquivalenz topelære ‚Würfelspieler‘.101 Zusammengefasst kann also angenommen werden, dass dobel ‚Würfelspiel‘ bedeutete und dass davon dobla ‚würfeln‘ und doblare ‚Würfelspieler‘ abgeleitet worden sind. Klar scheint, dass die Wörter zu einem Zeitpunkt aus dem Mnd. entlehnt wurden, obwohl dies bei den ältesten Belegen etwas unsicherer ist und obwohl ein fehlender Eintrag von dobbel im mnd. Wörterbuch es etwas schwieriger macht festzustellen, genau wie der Entlehnungsprozess stattfand.

3.3 Herkunft Die Herkunft der Formen mit b, die erst ab dem Ende des 13. Jahrhunderts belegt sind, ist eindeutig mnd. (vgl. Abschn. 3.2). Die Formen mit f wurden im Laufe des 12. Jahrhunderts von den Formen mit b verdrängt, ein Umstand, der entweder auf Ererbtheit oder Anpassung hindeuten könnte (vgl. Abschn. 3.1), obwohl für das Verb auch im Mhd. begrenzt die Form doffelen belegt ist. Insgesamt kann Magnússon zugestimmt werden, dass der Ursprung des Wortes dobel (und damit auch der Wörter dobla und doblare, V.H.) unklar ist.102

4 Würfelspiele in weiteren Quellen Gesetzestexte sagen etwas darüber aus, welche Maßnahmen die Gesetzgeber tatsächlich verwirklicht haben. Um aussagekräftigere Schlüsse über die Rolle des Würfelspiels in der Gesellschaft ziehen zu können, werden zum Abschluss ausgewählte nichtjuristische Texte herangezogen, in denen Würfelspiele oder würfelspielende Menschen beschrieben werden. Im Vordergrund stehen dabei Texte bzw. Textpassagen, in denen der Würfel als Entscheidungsträger dient. Die Textauswahl ist keinesfalls vollständig103, soll weitere Aspekte des Würfelspieles aufzeigen, ohne sich dabei wie bisher auf das Wort dobel und seine Ableitungen zu beschränken. Den ältesten bekannten Beleg über würfelnde Germanen liefert Tacitus. Im Jahr 98 n. Chr. hänselt er die Germanen und ihr Verhältnis zum Würfelspiel und lässt verstehen, dass der Spieleinsatz schon lange vor den in diesem Aufsatz behandelten Gesetzesregelungen sehr hoch sein konnte:

100 Vgl. Schiller-Lübben 1875–1881, Bd. 1, S. 528 s. v. dobbeler, dobeler, dopeler. 101 Vgl. Lexer 1992, s. v. topelære, topeler 102 Magnússon 1989, S. 133 s. v. 2dufl, dubl. 103 Für einen umfassenderen Überblick vgl. Nedoma 2007, S. 255ff.

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Das Würfelspiel betreiben sie [die Germanen] seltsamerweise nüchtern wie eine ernste Sache, mit so blindem Eifer im Gewinnen beziehungsweise Verlieren, daß sie, wenn sie alles verloren haben, mit dem allerletzten Wurf um ihre persönliche Freiheit den Einsatz wagen. Der Verlierer begibt sich freiwillig in die Sklaverei; […] So groß ist bei einer verkehrten Sache ihr Starrsinn; (doch) sie selbst nennen es ‚Treue‘.104

Selbst wenn Tacitus in seiner Ausführung übertrieben haben mag, kann zusammen mit den vielen Belegen aus dem Mittelalter davon ausgegangen werden, dass Würfelspiele nicht erst dann eine wichtige Rolle spielten, sondern sicher bereits den Germanen bekannt – und auch lästig – waren. Dass Würfelspiele zu Armut führen konnten, behauptete auch MES. Der Ernst, mit dem das Würfelspiel verbunden war, zeigt sich auch in PMG und CSK, wo Zank und Uneinigkeit bzw. Schlägereien, Ohrfeigen und sogar Tod als mögliche Folgen von Würfelspielen erwähnt werden. Auch zwei abgebildete Würfelspieler im Portal der Kirche von Källunge auf Gotland scheinen sich zu zanken, da sie jeweils ein Messer in der Hand halten, sich gegenseitig in die Haare reiben und zornig aussehen (vgl. Abbildung im Abschn. 5). In Konungs skuggsjá („des Königs Spiegel“) scheint sich der Ruf der Würfelspieler nicht verbessert zu haben. Dort wird z. B. ausdrücklich vor dem Würfelspiel um Geld gewarnt105, und das Sprichwort in der Überschrift dieses Aufsatzes verrät wohl, dass die Doppler im Mittelalter einen schlechteren Ruf als die Alkoholiker genossen: drinkarum wardhir radh fore ok dubblarom siællan.106 „Für den Trinker gibt es Rat, für den Doppler selten.“ (Übersetzung V.H.)

Das Sprichwort erscheint in einer Sammlung schwedischer Sprichwörter. Die ersten Handschriften dieser Sammlung stammen vom Anfang des 15. Jahrhunderts107, die Sprachform der vorhandenen Sprichwörter ist allerdings eindeutig um einige Jahrhunderte älter.108 Das Sprichwort taucht auch in einer von Peder Laale im Jahr 1506 geschrieben Sammlung dänischer Sprichwörter (Nr. 1059) auf: Dranckære wordher raadh, men Dobleræ inghen.109 „Für den Trinker gibt es Rat, für den Doppler keinen.“ (Übersetzung V.H.)

104 Übersetzung von Perl 2009, S. 103. 105 Vgl. Nedoma 2007, S. 256. 106 Nach Reutherdahl 1841, S. 115. 107 Vgl. Reutherdahl 1841, S. II. 108 Die Frage nach der genauen Datierung des Sprichwortes kann im Rahmen dieses Aufsatzes nicht weiter verfolgt werden. 109 Nach Nyerup 1828, S. 358.

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Die schwedische Überlieferung der Sprichwörter enthält wesentlich mehr sprachliche Archaismen als die dänische110, während der inhaltliche Unterschied auf ein Wort beschränkt ist.111 Viele andere alte Sprichwörter stehen dem Würfelspiel negativ gegenüber112, auch im Deutschen.113 Nicht immer jedoch wird das Würfelspiel als etwas von vornherein Negatives dargestellt. An mehreren Stellen wird eher auf die wichtige und gar entscheidende Rolle des Würfels, die auch bei Tacitus angesprochen wird, hingewiesen. Ein konkretes Beispiel dafür findet sich im nächsten/vorigen Aufsatz im vorliegenden Band, in dem beschrieben wird, wie Grubenarbeiter in Falun im 17. Jahrhundert über die Arbeitsordnung gewürfelt haben. Im Folgenden werden zwei Beispiele aus der Belletristik genannt, in denen Würfel eine ganz entscheidende Rolle spielen. Am Anfang des 11. Jahrhunderts sollen Würfel z.B. über das Schicksal der Insel Hisingen (heute ein Teil von Göteborg) entschieden haben. Laut der Óláfs saga helga („Saga von König Olaf dem Heiligen“) sollen Olof Schoßkönig von Schweden und Olaf der Heilige von Norwegen um den Besitz der Insel gewürfelt haben.114 (vgl. Niedner 1922, S. 158). Der König mit dem höchsten Wurf sollte den Besitz der Insel übernehmen. Am Ende hatte der schwedische König zwei Sechser, der norwegische König aber, weil sich der eine Würfel entzweite, eine Sechs und eine Sieben. Der norwegische König gewann und „[d]ie Könige aber schieden in Frieden“115 – schließlich hatten die Würfel entschieden. Auch in skandinavischen Balladen trifft der Würfel wichtige Entscheidungen. In der norwegischen Ballade Terningspelet (‚das Würfelspiel‘) treffen sich ein Hirt und eine Königstochter und sie würfeln mit einem auf Anhieb hohen Einsatz: er um seine Kleider, sie um ihre Unschuld. Die Balladen wurden über viele Generationen hinweg

110 Vgl. Reutherdahl 1841, S. X. 111 In beiden Ausgaben sind die Sprichwörter sowohl auf Latein als auch auf Schwedisch bzw. Dänisch wiedergegeben. Die skandinavischen Versionen sind wahrscheinlich die Originale. Möglicherweise handelt es sich nicht um eine Übersetzung, sondern lediglich um eine Gegenüberstellung lateinischer und skandinavischer Sprichwörter. Auf Latein lautet das Sprichwort in beiden Ausgaben folgendermaßen: Talistis nulla, bibulis emenda fit ulla (vgl. Reutherdahl 1841, S. 115 und Nyerup 1828, S. 358) „Würflern (wird) keine (Strafe), Trinkern wird eine Strafe.“ Möglicherweise ist statt emenda ‚Buße/Geldstrafe‘ eher das ähnliche Wort emendatio ‚(moralische) Besserung‘ anzusetzen, womit sich (freier übersetzt) Folgendes ergeben würde: „Für Trinker gibt es Besserung, für Würfler nicht“ bzw. „Trinker können sich bessern, Würfler nicht.“ So verstanden würde das Sprichwort mehr Sinn machen und wäre den entsprechenden skandinavischen Varianten wesentlich ähnlicher. (Meinen Dank an Martin Mangei für die Übersetzungshilfe.) 112 Vgl. Nyerup 1828, S. 359. 113 Für ältere und neuere deutsche Sprichwörter s. Mumprecht 2002, S. 322ff. 114 Vgl. Niedners Übersetzung der Óláfs saga helga von 1922, S. 158. 115 Niedner 1922, S. 158.

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mündlich überliefert, weswegen es viele Varianten dieser Ballade gibt116. Die unten zitierte Niederschrift machte der Philologe Sophus Bugge 1864 von Gunnild Sundsli in Fyresdal in Telemark. Das Lied besteht aus 16 Strophen, an dieser Stelle werden drei zitiert: 2. Høyr de liten féhyring eg talar te deg lyster dú inkje kaste gulltærningar mæ meg. […] 4. Ja set dú upp de hóser å set dú upp de skó eg set ímót min møydóm å den æ falli gó.

2. Höre du kleiner Hirt ich spreche dich an hast du keine Lust zu würfeln Goldwürfel mit mir. […] 4. Ja, setzt du die Hosen und setzt du die Schuhe setze ich meine Unschuld dagegen und sie ist sehr gut

5. Den fyste gulltærning på tævlebóri rann Jomfrua tapa å féhyring han vann (nach Sophus Bugge [1864])

5. Der erste Goldwürfel auf den Spieltisch fiel Die Jungfrau verlor und der Hirt, er gewann (Übersetzung V.H.)

Dieses Motiv kommt ebenfalls in der dänischen Ballade Kæmpeviserne (‚die Riesenweisen‘) vor: Der Junggeselle verliert alles, d.h. Pferd, Schwert, Hut und Tunika, gewinnt aber am Ende die Ehre und das Vertrauen der Königstochter.117 Anhand einer Legende und zweier Balladen lassen sich kaum sichere Rückschlüsse ziehen, und die Frage nach der Rolle des Würfelspieles bleibt weiterhin offen. Auf jeden Fall wurde der Würfel nicht nur mit Spielsucht, Totschlag und anderem Negativen verbunden. Der Würfel hatte durchaus eine Rolle als Entscheidungsträger, obwohl ungewiss ist, mit welchem Wahrheitsanspruch die Saga von Olaf dem Heiligen und die Balladen Terningspelet und Kæmpeviserne überliefert wurden. Vielmehr kann man davon ausgehen, dass der Würfel auf jeden Fall etwas Mysteriöses mit sich trug, was sich in der Saga und in der Ballade widerspiegelt. Außerdem könnte man sich fragen, was zuerst entstanden ist: die Spielsucht oder die Geschichten? Gibt es Geschichten über den Würfel, weil er viele süchtig gemacht hat, oder wurden viele Leute süchtig und krank, weil es Geschichten über große Gewinne (und Verluste) gab, die angeblich durch Würfelspiele erbracht werden konnten?

116 23 aufgesammelten Varianten der Ballade finden sich bei Dokumentasjonsprosjektet (o. J.), siehe Literaturverzeichnis. 117 Vgl. Troels-Lund 1914, S. 144.

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Zwei Würfelspieler im Portal der Kirche von Källunge auf Gotland, das aus dem 14. Jahrhundert stammt (vgl. Lagerlöf/Svahnström 1991, S. 179). Foto: Prof. Hans Ulrich Schmid am Institut für Germanistik der Universität Leipzig.1 118

5 Spielverlauf Die Quellen sagen kaum etwas darüber aus, wie Würfelspiele tatsächlich gespielt wurden. Klar scheint nur, dass über sehr lange Zeit – vor, in und nach dem Mittelalter – viel gewürfelt wurde, und dass Gesetzgeber des Mittelalters Verbote oder Einschränkungen für nötig hielten, um die soziale Belastung zu reduzieren. Auf jeden Fall müssen es die Spielregeln erlaubt haben, dass man ziemlich schnell ziemlich viel verlieren (und gewinnen) konnte.

118 Herrn Schmid danke ich herzlichst für den wertvollen Hinweis auf diese Abbildung und für die Erlaubnis, das von ihm gemachten Foto an dieser Stelle wiedergeben zu dürfen.

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Zwei sich zankende Würfelspieler, die im Portal der Kirche von Källunge auf Gotland abgebildet sind, können einige Hinweise geben, was benötigt wurde, um ein verbreitetes Würfelspiel zu spielen: In dieser Abbildung treten viele Charakteristika auf, die sich mit anderen Quellen überschneidet. Es werden zum Beispiel mit drei Würfel gespielt. In verschiedenen archäologischen Ausgrabungen tauchen Würfel auch oft zu dritt auf, weswegen davon ausgegangen werden kann, dass oft mit drei Würfeln gleichzeitig gewürfelt wurden.119 Auch der Fund im nördlichen Teil der Chormauer der Kirche von Öja auf Gotland besteht aus drei Würfeln.120 Diese Funde korrespondieren auch mit den Spielregeln der Grubenarbeiter in Falun, deren Ziel es war, mit drei Würfeln eine höchstmögliche Zahl zu würfeln.121 In der Abbildung oben scheint es auch um hohe Zahlen zu gehen. Der mittlere und rechte Würfel zeigen eindeutig zwei Fünfer, während der linke Würfel zu abgeschliffen ist, um eine eindeutige Zahl erkennen zu können, obwohl allerdings mindestens vier Augen vorhanden zu sein scheinen. Außerdem gibt es eine Darstellung eines Würfelspielers von Thomasin von Zerclaere um 1220 („Der welsche Gast“)122 sowie vier Bildstreifen vom Oldenburger Sachsenspiegel von 1336123, in denen immer exakt drei Würfel zusammen gezeigt werden. Das Ziel der höchstmöglichen Punktzahl findet sich wie erwähnt auch in der Saga von König Olaf dem Heiligen. Die von Kluge/Seebold in den Raum gestellte Idee, es könnte sich um zweimal die gleiche (also doppelte) Augenzahl bzw. einen Pasch handeln124, wirkt auf dieser Grundlage, und obwohl in der Abbildung ein Fünferpasch gezeigt wird, weniger wahrscheinlich und würde außerdem einen Zusammenhang mit dobbel in der Bedeutung ‚zweifach‘ suggerieren, den es vermutlich nicht gibt (vgl. Abschn. 3.2). Oft wurde, wie in der Abbildung, auf einem vartavl (Wurfbrett) gewürfelt, das es in vielen verschiedenen Varianten gab, je nachdem ob sie zu Hause hergestellt oder z.B. aus dem Ausland importiert wurden125. Trotz der seltenen Erwähnung von Spielregeln kann sicherlich mit Tillhagen und Birkmann angenommen werden, dass beim Doppel sehr häufig um Geld und ihren Wert gespielt wurde.126 Es wurde viel häufiger mit Würfeln als ohne Würfel um Geld gespielt.127 Dass die Einsätze teilweise sehr hoch waren, zeigt allein die mittelalter-

119 Vgl. Tillhagen 1975, Sp. 199. 120 Swanström 1989, S. 268. 121 Vgl. den Beitrag von I. Ridder im vorliegenden Band. 122 Vgl. Blaschitz S. 309. 123 Vgl. Blaschitz S. 314ff. 124 Kluge / Seebold 1995, S. 190 s. v. doppeln. 125 Vgl. Troels-Lund 1914, S. 143. Z.B. konnte in Stockholm ein vartavl (‚Wurfbrett‘) für 50 Öre gekauft werden. 126 Vgl. Tillhagen 1947, S(p). 1304 und Birkmann 2004, S. 256. 127 Vgl. Blaschitz 1995, S. 312.

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liche Gesetzgebung, aber auch Tacitus sprach bereits im Jahr 98 n. Chr. diesen Punkt an. Auch andere Berichte aus dem Mittelalter bezeugen sehr hohe Einsätze. So zeigen im 15. Jahrhundert die Rechenschaftsbücher von König Hans und seiner Frau Königin Christine, in denen genau steht, wie viel Geld dem König zum Doppeln mitgegeben wird.128 Außerdem wurden manchmal wichtige Entscheidungen mit Würfeln getroffen werden, und das Verb dobelen hatte im Mnd., wie im Abschn. 3.2 angeführt, sogar die Nebenbedeutung ‚um einen Entscheid würfeln‘. Weitere Anhaltspunkte über den üblichsten Spielverlauf und die üblichsten Spielregeln sind nach dem heutigen Kenntnisstand nicht vorhanden.

6 Schlussbetrachtung In diesem Aufsatz wurde anhand von vielen Belegen aus skandinavischen Gesetzen und Vorschriften gezeigt, dass das Doppel in (Teilen von) allen skandinavischen Ländern entweder verboten oder nur eingeschränkt erlaubt war. Archäologische Ausgrabungen aus Bergen und Trondheim könnten darauf hindeuten, dass die Gesetze gewirkt haben, weil die Anzahl der Würfel nach der Einführung des MLS Mitte der 1270er Jahre deutlich zu sinken scheint.129 Ein einziger gotländischer Fund in der Kirche von Öja (vgl. Swanström 1989, S. 268) erlaubt auch keine Rückschlüsse über Steigerung oder Reduktion der Anzahl der Würfel. Der Fund erklärt zusammen mit der Abbildung in der Kirche von Källunge (vgl. Abschn. 5) sowie dem Urteil aus Viborg vom 1. 8. 1579 (vgl. Abschn. 3.4) allerdings, dass die Einschränkungen und Verbote allein nicht ausreichten, um die Menschen vom Doppel-Spiel abzuhalten. Manche normative Textpassagen beinhalten auch schlechte Urteile über das Doppel-Spiel und die Doppler, die dieses Spiel betrieben haben. Eine Ersterwähnung liefert Tacitus bereits im Jahr 98 n. Chr. und die Überlieferungen gehen bis in die frühe Neuzeit hinein. Auch im deutschsprachigen Raum war das Würfelspiel sowohl das am wenigsten angesehene als auch das am meisten verbreitete Gesellschaftsspiel des Mittelalters.130 Offen bleibt weiterhin, welche Anziehungskraft der Würfel hat und warum der Würfel einen solchen Einfluss auf die Leute gewinnen konnte. Auch unklar ist, warum Würfelspiele besonders süchtig machen konnten und nach welchen Regeln normalerweise gespielt, gewürfelt und gesetzt wurde. Klar ist nur, dass weder Würfelspielverbote noch Spielsucht und Spielsüchtige Phänomene sind, die auf Skandinavien oder das Mittelalter zu beschränken sind. Es scheint sich vielmehr um ein zeit-

128 Vgl. DM 1864, S. 83. 129 Für Bergen vgl. Lund 2010, S. 65; für Trondheim vgl. Kristiansen 1997, S. 16. 130 Vgl. Blaschitz 1995, S. 310.

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loses und kulturunabhängiges Phänomen zu handeln. Würfelspiele sind wesentlich älter als z.B. die ähnlich suchterzeugenden Kartenspiele.131 Auch heute gibt es bekanntermaßen etliche Einschränkungen bei Glücksspielen verschiedener Art. Z.B. sind Würfelspiele auch im Koran geächtet und in der Scharia zusammen mit allen zufallsabhängigen Geschäften untersagt.132 Nicht ganz klar ist, mit welcher Begründung das Doppelverbot eingeführt wurde. Birkmann und Nedoma sind der Meinung, dass die Verbote religiöse Gründe haben konnten133, und Birkmann führt weiter an, dass das Doppel nicht mit christlichem Glauben vereinbar war. Ob dies wirklich der Fall ist, ist m.E. fragwürdig; zum einen, weil die Bibel keine derartigen Würfelspielverbote kennt, sondern lediglich ein Gotteslos134, und zum anderen weil die Verbote und Einschränkungen viel mehr auf soziale Verhältnisse und Schutz der Bürger und damit der Gesellschaft als auf religiöse Moral zu beruhen scheinen. Natürlich hätte die Begründung der skandinavischen Gesetzesgeber ähnlich der Begründung Eike von Repgows im Oldenburger Sachsenspiegel sein können: dass dieser Schatz (also das Gesetz), der den Mitmenschen als Lebenshilfe und den Rechtssprechern als Entscheidungshilfe überreicht wird, gottgewollt sei135. Trotz allem scheint die Lebenshilfe im Vordergrund zu stehen, und die Erwägungen eher ökonomisch und sozial als moralisch zu sein. Eine solche Trennung lässt sich jedoch nicht eindeutig machen. Sowohl die Rechtsgeber als auch die Kirche können teilweise aus denselben (ökonomischen und sozialen, moralischen) Gründen Glücksspiele abgelehnt haben. In den skandinavischen Gesetzestexten steht der ökonomische Aspekt wesentlich deutlicher im Vordergrund als der religiöse: Man durfte entweder gar nicht oder z.B. nicht um sein Pferd, um mehr als eine Münze oder mehr, als man besaß, spielen. In MES darf jemand, der arm ist, über das Eigentum des Ehemannes bzw. der Ehefrau verfügen, aber das nicht, falls die Armut durch Doppel verursacht war. Für den Doppler gab es eben nur selten Rat.

Abkürzungsverzeichnis An dieser Stelle seien die in diesem Aufsatz verwendeten Abkürzungen für Gesetze aufgelistet. CaS König Christoffer von Bayerns allgemeines Stadtrecht CIV Kong Christian Den Fjerdes Norske Lov CSK König Christoffer von Bayerns Stadtrecht für Kopenhagen CVD Kong Christian Den Femtis Danske Lov

131 132 133 134 135

Vgl. Troels-Lund 1914, S. 142. Vgl. Gstrein 2010, Abs. 6. Vgl. Birkmann 2004, S. 55 und Nedoma 2007, S. 255. Vgl. Althöfer 2005, S. 3. Vgl. Blaschitz 1995, S. 311.

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CVN EPH GL HaS HS

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Kong Christian Den Femtes Norske Lov Erik von Pommerns Hofrecht Gutalagen König Hans’ allgemeines Stadtrecht Hir.skrá (Gefolgschaftsrecht)

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Das Schlagballspiel der Wikinger

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Das Schlagballspiel der Wikinger. Aspekte einer Real- und Literaturgeschichte des Knattleikr Von allen Spieltypen und Sportarten sind zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Ballspiele – bzw. Ballsportarten – wahrscheinlich die am häufigsten betriebenen und sicherlich diejenigen, welche die größte kontinuierliche Medienresonanz generieren (einen Sonderfall bilden hier die Olympischen Sommerspiele, die in vierjährigen Intervallen für jeweils 17 Wettkampftage eine Reihe von ‚ball-losen‘ Disziplinen ins Licht einer meist kurzzeitigen Aufmerksamkeit rücken). Mehr als andere ludische und athletische Disziplinen – mit Ausnahme des mit Deutungshorizonten überfrachteten Schachspiels mit seiner eigenen, hochhomplexen Mytholgie und Semiotik – sind Ballspiele in einer Vielzahl von Diskursen präsent, von der epischen Literatur (z.B. die Baseball-Motivik in Hemingways The Old Man and the Sea), Politik (die britische Cricket-Diplomatie). Die enorme kulturelle und mitunter auch religiöse Signifikanz von Ballspielen u.a. im präkolumbianischen Amerika, in Japan und im alten China sowie in weiten Teilen des vormodernen Europa ist in der Forschung ausführlich beschrieben worden; ihr steht die Unbekanntheit von Ballspielen in den traditionellen Kulturen Schwarzafrikas und Australiens gegenüber. Für Altgriechenland sind Ballspiele in archäologischen, ikonografischen und literarischen Quellen umfangreich belegt1, letztere beginnend mit der Uraniaballspiel-Episode im Achten Gesang von Homers Odyssee, die eine Art Handballmatch vorstellt; ins Programm der antiken Olympischen Spiele fanden sie jedoch keinen Eingang. Aus dem kaiserzeitlichen Rom ist, neben anderen Sorten von Ballspiel und -sporten ein Schlagballspiel mit dem (griechischen) Namen trigon bekannt. Für das Germanien der römischen Kaiserzeit lassen die Schriftquellen aus den Federn römischer Ethnografen nichts von Ballspielen verlautbaren. Da die Autoren mit Ballsportarten vertraut gewesen sein dürften, wäre bei einer Beobachtung ähnlicher Tätigkeiten bei den Germanen ein entsprechender Vermerk erwartbar, weswegen das Schweigen der römischen Informanten als Indiz für die Unbekanntheit von Ballspiel bei den beschriebenen Germanenstämmen gewertet werden kann. Tacitus betont in seiner Darstellung des Schwerttanzes, dies sei das einzige den Germanen bekannte spectaculum (Germania ca. 24) und schließt somit die Existenz von Ballsportveranstaltungen oder anderer organisierter ludi aus. Die älteste Quelle, die eine Deutung als Darstellung eines germanischen Ballspiels nahelegt, befindet sich auf dem auf etwa 400 n. Chr. zu datierenden runenlosen Horn von Gallehus (Jütland). Während

1 Vgl. Diem 1960, S. 157–160.

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die direkten Vorläufer der heutigen Fußballcodes2 erst ab dem 14. Jahrhundert von England ihren Siegeszug antraten, sind Schlagballspiele für England schon seit dem beginnenden 11. Jahrhundert3 und aus der germanischsprachigen Gebieten Kontinentaleuropas seit dem 12. Jahrhundert belegt, so das von Ulrich von Lichtenstein zu literarischer Ehre erhobene sleipall. – Die Vorstellung, dass „in germanischen Vorzeiten […] Schlagball ein Bestandteil der Thingveranstaltungen“4 gewesen sein soll, ist freilich eine Phantasmagorie, die wahrscheinlich auf einer zu arglosen Rückprojektion der Aussagen wikingerzeitlicher und mittelalterlicher isländischer Quellen auf kaiserzeitliche südgermanische Verhältnisse beruht. In der altisländischen Sagaliteratur, aufgezeichnet im Wesentlichen zwischen dem späten 12. und dem mittleren 14. Jahrhundert, wird mehrfach von Wettkämpfen in einem Ballspiel berichtet, das mit meist hölzernen Schlägern und einem harten Ball gespielt wurde und bei dem es häufig recht rustikal zuging, schwere Verletzungen und sogar Totschläge eingeschlossen. Dieses Spiel wird in mehreren Schriftquellen als knattleikr bezeichnet, es scheint äußerst beliebt sowie mit einem gewissen Sozialprestige verbunden gewesen zu sein und wird wiederholt als konfliktauslösendes Motivs sowie als Folie zur Charakterisierung von Hauptfiguren verwendet. Ein Auszug aus dem Kapitel der Egils saga Skallagrímssonar, der fiktionalisierten Biographie des Skalden Egill, ein genialer Dichter und gewalttätiger Soziopath in Personalunion, möge das Gesagte veranschaulichen: Knattleikr var lagi.r á Hvítavollum ˛ allfjolmennr ˛ á ondver.an vetr; sóttu menn @ar til ví.a um hera.. Heimamenn Skalla-Gríms fóru @angat til leiks margir; ?ór.r Granason var helzt fyrir @eim. Egill ba. ?ór. at fara me. honum til leiks; @á var hann á sjaunda vetr: ?ór.r lét @at eptir honum ok reiddi hann at baki sér. En er @eir kómu á leikmótit, @á var monnum ˛ skipt bar til leiks; @ar var ok komit mart smásveina, ok ger.u @eir sér annan leik; var @ar ok skipt til. Egill hlaut at leika vi. sveinn @ann, er Grímr hét, sonr Heggs af Heggsto.um; ˛ Grímr var ellifu vetra e.a tíu ok sterkr at jofnum ˛ aldri. En er @eir lékusk vi., @á var Egill ósterkari; Grímr ger.i ok @ann mun allan, er hann mátti. ?á reiddisk Egill ok hóf upp knattrét ok laust Grím, en Grímr tók hann hondum ok keyr.i hann ni.r fall mikit ok lék hann heldr illa ok kvezk mundu mei.a hann, ef hann kynni sik eigi. En er Egill komsk á fœtr, @á gekk hann ór leiknum, en sveinarnir œp.u at honum. Egill fór til fundar vi. ?ór. Granason ok sag.i honum, hvat í haf.i gorzk; ˛ ?ór.r mælti: „Ek skal fara me. @ér, ok skulu vit hefna honum.“ Hann seldi honum í hendr skeggøxi eina, er ?ór.r haf.i haft í hendi; @au vápn váru @á ti.; ganga @eir @ar til, er sveinaleikrinn var. Grímr haf.i @á hent knottinn ˛ ok rak undan, en a.rir sveinarnir sóttu eptir. ?á hljóp Egill at Grími ok rak øxina i hofu. ˛ honum, svá at @egar stó. i heila.5

2 Die Gesamtheit der aus dem mittelalterlichen Fußball derivierten Fußballvarianten, d.h. neben dem Association Football (dem aus kontinentaleuropäischer Sicht ‚eigentlichen‘ Fußball) auch Rugby Union, Rugby League, Irish Football, American Football, Australian Football etc.) 3 Vgl. Bjarnason 1911–1913, S. 160–161 und Ranke / Beck 1976, S. 12. 4 Mathys 1983, S. 24 5 ÍF 2, S. 99–100. – „Zu Beginn des Winters wurde ein Ballspiel in Hvitarvellir angesetzt, bei dem sehr viele Leute anwesend waren; die Männer kamen von weither aus der Umgegend herzu. Von Skalla-

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Der vorliegende Beitrag will dem Ballspiel der ‚Wikinger‘ auf zwei Ebenen nachgehen: realhistorisch soll eine Rekonstruktion des Knattleikr skizziert sowie seine genetische und typologische Beziehung zu anderen – teils historischen, teils rezenten – Ballsportarten recherchiert werden6; in literarhistorischer Sicht sollen die narrativen und strukturellen Funktionen des Knattleikr in altnordischen Erzähltexten in Augenschein genommen werden. Zunächst ein Blick auf das zur Verfügung stehende Quellenmaterial. Archäologische Zeugnisse in nennenswertem Umfang existieren nicht, was die realhistorische Rekonstruktion erschwert, da diese somit allein auf schriftliche Quellen angewiesen ist. Die Absenz verwertbaren archäologichen Materials ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass die zum Knattleikr verwendeten Material meist aus Holz gefertigt waren, das sich zumal unter den klimatischen Bedingungen Skandinaviens und Islands nicht gut erhält. Literaische Quellen erwähnen den Knattleikr zwar relativ häufig, meist jedoch nur in einer knappen, für den modernen Rezipienten wenig aussagekräftigen Nebenbemerkung. Detailliertere Beschreibungen des Spielablaufs finden sich in einer Handvoll Isländersagas, weitere Informationen, etwa zu einzelnen Spielsituationen oder zur sozialen Dimension des Ballspiels lassen sich einigen weiteren Isländersagas sowie diversen Vorzeit- und Märchensagas7 entnehmen. Die Überlieferungsmasse ist verstreut und fragmenatrisch, eine durchkomponierte, zusammenhängend erzählte literarische Darstellung fehlt ebenso wie eine systematische Aufzeichnung des Regelwerks. Letzteres lässt darauf schließen, dass der Knattleikr nicht

Grims Hausleuten ritten viele dorthin zum Spiel; Thord Granason war der tüchtigste von ihnen. Egil bat Thord darum, daß er mit ihm zum Spiel gehen dürfte; damals war er in seinem siebenten Jahr. Thord gab nach und ließ ihn hinter seinem Rücken reiten. Als sie zum Spielplatz gekommen waren, wurden die Männer dort zum Spiel eingeteilt; da waren auch viele Jungen gekommen, und sie machten ein Spiel für sich; auch sie wurden dazu eingeteilt. Egil traf es, daß er gegen einen Jungen spielen mußte, der Grim hieß, ein Sohn von Hegg auf Heggstadir. Grim war elf Jahre alt oder zehn und so stark, wie es seinem Alter entsprach. Und als sie gegeneinander spielten, da war Egil schwächer; Grim ließ ihn auch den Unterschied spüren, so sehr er konnte. Da wurde Egil zornig und hob das Spielholz in die Höhe und schlug auf Grim ein, aber Grim faßte ihn mit den Händen und warf ihn mit Gewalt nieder und ging ziemlich übel mit ihm um und sagte, er würde ihm gehörig was antun, wenn er sich nicht anders aufführe. Aber als Egil wieder auf die Füße kam, ging er weg vom Spielplatz und die Jungen riefen hinter ihm her. Egil suchte Thord Granason auf und erzählte ihm, was geschehen war. Thord sagte: »Ich werde mit Dir gehen und wir werden uns an ihm rächen.« Thord gab ihm eine Bartaxt, die er in der Hand gehabt hatte; diese Waffen waren damals üblich. Sie gehen nun dorthin, wo das Spiel der Jungen stattfand. Grim hatte da gerade den Ball bekommen und ihn weggeschlagen, und die anderen Jungen liefen danach. Da rannte Egil auf Grim zu und hieb ihm die Axt in den Kopf, so daß sie gleich im Schädel steckenblieb.“ (Übersetzung Schier 1996, S. 91–92). 6 Zur Realgeschichte des Knattleikr dürfte die erstrangige Arbeit nach wie vor das entsprechende Kapitel in Björn Bjarnasons isländischsprachige Monographie über den Sport der mittelalterlichen Skandinavier und Isländer von 1908 sein. 7 Zu den Begriffen Isländersaga, Vorzeitsaga und Märchensagas sowie den sie bezeichnenden literarischen Gattungen vgl. Schier 1970, S. 34–51, 72–91, 105–115.

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nur in der erzählten Sagazeit (930–1030), sondern auch noch in der Zeit der Aufzeichnung der Sagas zwei bis drei Jahrhunderte später so allgemein bekannt gewesen sein muss, dass sich nähere Erläuterungen seitens der Erzähler erübrigten. Sämtliche den Knattleikr erwähnenden Schriftquellen stammen aus Island und die älteren und ausführlicheren Texten spielen handlungsmäßig auch dort. Norwegische, färöische, schwedische, dänische und gutnische Quellentexte fehlen. Der Knattleikr scheint demnäch eine isländische Domäne und in anderen Ländern Nordeuropas weniger bekannt gewesen zu sein. Die gegenwärtig in Schweden, Dänemark, Norwegen und auf den Färöern anzutreffenden rezenten Schlagballspiele lassen sich nicht direkt aus dem Knattleikr ableiten. Beachtenswert ist schießlich, dass um sich bei fast allen den Knattleikr erwähnden Quellen um fiktionale Texte handelt; im nicht-fiktionalen Schrifttum, also Gesetzesbüchern, medizinischer und enzyklopädischer Literatur, Diplomatarien usf. spielt der knattleikr, ganz im Gegensatz zum Würfel- und Brettspiel, keine Rolle, sieht man von einer singulären Erwähnung in der Gesetzessammlung Grágás ab. Die schriftlichen Quelen zum Knattleikr sind im einzelnen folgende: (fiktionale Texte) Grettis saga Ásmundarssonar cap. 15, Gísla saga Súrssonar cap. 15 und cap. 18, Egils saga Skallagrímssonar cap. 40, Eyrbyggja saga cap. 43, Hallfredar saga vandrædaskálds cap. 2, Vápnfirdinga saga cap. 4, Porsteins saga Víkingssonar cap. 10, Flóamanna saga cap. 10, Víglundar saga cap. 14, Hardar saga cap. 23, Pordar saga hredu cap. 3, Gongu-Hrólfs ˛ saga cap. 9, Sigrgards saga frœkna cap. 1; (nicht-fiktionale Texte) Grágás § 92. Als erster Schritt zur Rekonstruktion des historischen Knattleikr bietet sich ein Blick auf die zur Bescheibung dieses Balsorts verwendete Terminologie an. Die Spielbezeichnung selbst, knattleikr, ist ein zweigliedriges Kompositum, gebildet aus dem Mask. von aisl. knottr ˛ „Ball“ und aisl. leikr8 „Spiel“, wäre also schlicht mit „Ballspiel“ zu übersetzen und weniger als spezifsche Spielbezeichnung denn als generischer Begriff, ähnlich dem Simplex tafl („Brettspiel“), zu verstehen. Wenn aber – wie es in den Sagas offenkundig geschieht – der generische Begriff für „Ballspiel“ zur Bezeichnung einer bestimmten Art des Ballspiels verwendet wird, liegt der Schluß nahe, dass im wikingerzeitlichen und mittelalterlichen Island überhaupt nur ein einziges Ballspiel bekannt war, da ansonsten exaktere Benennungen zur Differenzierung der unterschiedlichen Spieltypen nötig gewesen wären. Das Altisländische kennt allerdings noch eine weitere Ballspielbezeichnung, das hapax legomenon soppleikr, ebenfalls ein generischer Begriff, gebildet aus dem Maskulinum soppr „Ball“ und leikr. Die einzige Erwähnung des soppleikr in der Bósa saga ist allerdings zu kurz und unklar, um das Verhältnis von soppleikr und knattleikr zu ermitteln. Das Determinans des Kompositums knattleikr, knottr, ˛ „Ball“ ist zugleich die übliche Bezeichnung des

8 Zu dieser Vokabel, ihrer Etymologie und vergleichenden Phonetik und Semantik in den germanischen Sprachen vgl. Beck 1968, S. 1–16.

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Spielballs beim knattleikr und etymologisch zu knoda „kneten“ zu stellen9, was insofern bemerkenswert ist, als es die Verwendung von elastischem, knetbarem Material zu implizieren scheint, während in den Textquellen wiederholt von hölzernen, kugelartigen Bällen die Rede ist. Neben diesem nur im Nordgermanischen belegten Derivat knottr ˛ kennt das Altnordische noch die seltener verwendete gemeingermanische Ballbezeichnung bollr „Kugel, Ball, Testikel“10. Mit dem Grundwort knottr sind mehrer Komposita zur Bezeichnung von Spielgerät gebildet: das Neutrum knatt-tré wörtlich „Ballholz“ (= Schläger) das zugleich Auskunft über das primär verwendete Herstellungsmaterial gibt; das synonyme Femininum knattgildra „Ballholz, Spielholz“, das Femininum knattdrepa und das Maskulinum knattdrepill, beide „(eigentlich:) Ballstock zum Schlagen“11 (zum drepa „schlagen; erschlagen“). Die häufig wiederkehrende Erwähnung von solchen Schlaghölzern sowie vom Schlagen und Fangen von Bällen belegt, dass es sich beim Knattleikr technisch gesehen um ein Schlagballspiel handelt. Einer genaueren Analyse der einzelnen Textquellen zum Knattlekr vorangestellt seien daher einige grundsätzliche Informationen zum Schlagballspiel sowie zu einem heute fast vergessenen Typus mittelalterlicher Ballspiele, der mangels eines präziseren Terminus mit dem Sammelbegriff mittelalterlicher Fußball (als Lehnübersetzung von englisch medieval football) zu bezeichnen ist. Die Schlagballspiele bilden innerhalb der Ballsportarten die drittgrößte Gruppe, nach den Torspielen (Fußball, Hockey, Handball, Polo etc.) und den Rückschlagspeielen (Tennis, Badminton, Squash etc.). Bekannteste Vertreter sind zweifellos das englische Cricket und der amerikanische Baseball, daneben existieren aber noch zahlreiche weitere Einzelspiele, deren Verbreitung größtenteils regional begrenzt ist, darunter die bis in die 1950er Jahre in Deutschland populäre und schlicht Schlagball (in Österreich Kaiserball) genannte Variante. Grob geschätzt dürften weltweit etwa 30 rezente Schlagballspiele existieren.12 Dazu kommen einige aus dem Schlagball derivierte Turnspiele, die ohne Schlaghölzer und mit größeren Bällen gespielt werden, darunter das im deutschen Schulsport gespielte Brennball. Gemeinsames strukturelles und strategisches Merkmal der Schlagballspiele ist – neben der namensgebenden Verwendung von Schlaghölzern zur Beförderung des Spielballs – eine asymmetrische Spielsituation: in jedem Spielabschnitt bildet eine Mannschaft die schlagende (und laufende), die andere die werfende (und fangende) Partei, bis nach festgelegten Re-

9 Vgl. Nedoma 2005, S. 392 und de Vries 31977, S. 323. 10 Zur Etymologie und historischen Semantik von aisl. knottr ˛ sowie von den Entsprechungen zu aisl. bollr ˛ in den anderen altgermanischen Sprachen vgl. Beck 1976, S. 11 und Roeder 1911–1913, S. 160. 11 Baetke 72005, S. 331. 12 Die wichtigsten seien hier zumindest dem Namen nach genannt und ihrer Herkunft/geographischen Verbreitung zugeordnet: British Baseball, Softball, Lapta (Rußland), Oina (Rumänien), Langbold (Dänemark), Brännboll (Schweden), Pesäpallo (Finnland), Stickball (USA), Wireball (USA), Corkball (USA), Rounders (Großbritannien), Stoolball (Großbritannien).

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geln die Rollen getauscht werden. Im Regelfall sind dabei von der Schlagmannschaft weniger Spieler auf dem Feld aktiv als von der Wurfmannschaft, beim Cricket etwa ist das Verhältnis 2:11. Ein weiteres Merkmal ist der weitgehend fehlende Körperkontakt zwischen Spielern gegnerischer Mannschaften, der sich, falls überhaupt vorhanden, auf ein eher symbolisches ‚Abschlagen‘ wie beim Baseball beschränkt. Körperbetontes Spiel mit Tackling, Checks oder Fouls ist nicht vorgesehen und teilweise durch die räumliche Distanz zwischen Schlagleuten und Werfern bzw. Fänger auch kaum möglich. Eine aus moderner Sicht etwas skurril anmutenden Sorte von Ballspielen mittelalterlicher Provenienz hat in regionalen Hochburgen auf bemerkenswerte Weise überdauert und fristet dort ein interessantes Nischendasein. Die Rede ist von archaischen Vorstufen der modernen Fußballspiele, dem medieval football, auch mob football, folk football, village football oder Shrovetide football genannt – auf letztere Benennung wird später noch zurückzukommen sein. Wie die Terminologie erahnen lässt, liegt das Hauptverbreitungsgebiet dieses mittelalterlichen Fußballs auf den Britischen Inseln, vor allem in England. Eine vereinzelte Notiz über die Existenz von Ballspielen in England datiert aus dem 9. Jahrhundert: die Historia Britonum des Nennius erwähnt das Ballspiel, „pilae ludus“ genannt, einer Gruppe von Jungen. Ab dem 12. Jahrhundert werden die Nachrichten zahlreicher, auch das Kicken des Balls wird nun ausdrücklich erwähnt. Die wertvolle Quelle aus dieser Zeit ist die Description of London des William Fitzstephen (1191), die das Geschehen an einem Faschingsdienstag um 1180 recht anschaulich beschreibt.13 Zu den lateinischen gesellen sich nun auch volkssprachige Quellen sowie vereinzelte ikonographische Zeugnisse, so eine Gravierung aus der Kathedrale von Gloucester aus dem 13. Jahrhundert. Noch aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert die erste Nachricht von einem Todesfall infolge der rauen Spielsitten und so verwundert es beinahe, dass das erste Fußballverbot ‚erst‘ 1315 vom Lord Mayor von London, Nicholas de Farndone, erlassen wurde. Ein Ballspielverbot König Edwards III. von 1349, das vierzehn Jahre später noch einmal erneuert wurde, nimmt erstmals eine Differenzierung zwischen Fußball und Handball – sowie Hockey – vor.14 Es handelt sich um den ältesten Beleg für die Auffächerung des Fußballs in verschiedenes Codes, die zum heutigen Nebeneinander des international nach identischen Regeln gespielten, aus kontinentaleuropäischer Sicht ‚normalen‘ Fußballspiels (britisch [Association] football, amerikanisch soccer) und mehrerer Rugby- und Footballvarianten, in denen der Ball mit Füßen und Händen gespielt wird. Der mittelalterliche Fußball war eine ‚volkstümliche‘ Angelegenheit, es spielten die Bewohner benachbarter Städte, Stadteile oder Dörfer gegeneinander, die Zahl der

13 Vgl. den bei Behringer 2012, S. 117 zitierten Auszug. 14 Vgl. Behringer 2012, S. 117–118 und die dort angeführte Literatur.

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Mitspieler war unbeschränkt und umfasste nicht selten mehrere Hundert Personen auf jeder Seite. „Spielfeld“ war die gesamte Stadt oder ein Areal derselben mit wenigen Ausnahmen wie Friedhöfen und private Gärten. Die beiden Tore befanden sich an den beiden am weitesten voneinander entfernten Punkten der Stadt, der ballführende Spieler muss mit dem Ball das gegnerische Mal erreichen, wiederum wie im Rugby und Football.15 Ansonsten scheint es keine festen Regeln gegeben zu haben, die fast anarchische Regellosigkeit ist geradezu ein Alleinstellungsmerkmal des medieval football, durch das er sich gravierend von den modernen Fußballvarianten, vor allem aber von den stark reglementierten und daher häufig als kompliziert geltenden Schlagballspielen unterscheidet. Was nun den Knattleikr anbelangt, so lassen sich aus der eingangs zitierten Textstelle aus der Egils saga folgende Informationen zur Rekonstruktion von Regelwerk und Spielverlauf entnehmen. Gespielt wird mit einem Schlagholz; der damit von einem Spieler geschlagene Ball wird von den anderen Spielern zu erreichen versucht, und zwar offenbar sowohl von den Mannschaftskameraden des wegschlagenden Spielers als auch von den Spielern der gegnerischen Mannschaft. Eine strikte räumliche Separierung zwischen den Mannschaften, wie für Schlagballspiele eigentlich üblich ist, existiert nicht, wie aus der Schilderung der Rangeleien zwischen Egill und dem für die gegnerische Seite Grímr hervorgeht. Der Knattleikr ist ein körperbetontes Mannschaftsspiel, dessen einzelne Spielzüge aber als Zweikämpfe ausgetragen werden, in denen jeder Spieler von Mannschaft A vor Spielbeginn einen festen Gegenspieler aus Mannschaft B zugeteilt bekommt. Spielsituation und taktische Aufstellung sind damit symmetrisch wie beim mittelalterlichen Fußball und seinen modernen Derivaten (sowie allen Torballspielen), nicht asymmetrisch wie beim Schlagball. Neben dem regulären Knattleikr für Männer gibt es auch eigene Wettkämpfe für Kinder und Jugendliche, im Altnordischen als sveinaleikar (von altisländisch sveinn „Junge, Knabe“) bezeichnet, weibliche Spieler werden nicht erwähnt. Gespielt wird draußen und zu Winterbeginn. Der Ballsport ist ein Publikumsmagnet und zieht Schaulustige aus der ganzen Umgebung an, die das Spiel verfolgen, d.h. es gibt eine klare Trennung aktiven Spielern und beobachtenden Zuschauern – typisch für Schlagball, atypisch für mittelalterlichen Fußball. Die Knattleikr-Darstellungen der anderen Sagaquellen wiederholen diese Informationen und ergänzen das Bild, ohne es ganz zu vervollständigen. Die Gisla saga Súrssonar, die gleich zwei Ballspielszenen enthält (Cap. 15 und 18), nennt ebenfalls die körperbetonte Zweikampfsituation zwischen zwei Spielern der sich gegenüberstehenden Mannschaften und eine große Zahl von Zuschauern. Über das in der Egils saga Mitgeteilte hinaus ist der Gísla saga folgendes zu entnehmen: ein KnattleikrMatch kann auch auf dem Eis ausgetragen werden, die Spielfeldbegrenzung ist klar

15 Für ausführlichere Rekonstruktionen des medieval football vgl. Diem 1960, S. 510–513 und Behringer 2012, S. 116–119.

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markiert, es gibt so etwas wie in „Aus“ – ein Merkmal, das im Schlagball deutlich, im mittelalterlichen Fußball hingegen nur marginal ausgeprägt ist –, und der Ball ist von sehr harter Konsistenz, ablesbar an den Verletzungen, die ein Querschläger verursacht; das Zerbrechen des Schlägers deutet wie schon die Bezeichnung knatt-tré darauf hin, dass dieser aus Holz gefertigt ist. Die Grettis saga Ásmundarssonar nennt ebenfalls eine Eisfläche als Spielbelag, größere Zuschauermengen, Schlaghölzer und die 1:1-Situation samt der vorherigen Festelegung von Spieler-‚Paarungen‘, festgelegt nach Größe und Stärke mit dem Ziel annähernder Kräftegleichheit. Der Ball wird über größere Distanzen geworfen und gefangen. Knattleikr-Matches werden periodisch wiederkehrend im Herbst ausgetragen und sind von längerer, mehrtägiger Dauer, vergleichbar mit dem Cricket (in dessen höchster Form, dem Test Cricket, sich ein Match über fünf Spieltage erstreckt). Ein für die Rekonstruktion des Knattleikr wichtiges Detail erwähnt die Víglundar saga, in deren Darstellung des Zweikampfes zwischen dem Titelhelden Víglund und seinem Rivalen Jokull ˛ es heißt: „?at var ein tíma, at Víglundr sló út knottin ˛ fyrir Jokli.“16 Mit Robert Nedoma ist dieser Satz dahingehend zu interpretieren, dass das Spielziel wohl darin bestand, den Ball über ein Mal oder eine Begrenzungslinie der gegnerischen Seite hinauszuschlagen.17 Dem Knattleikr läge damit derselbe Spielgedanke zugrunde wie dem mittelalterlichen Fußball und nicht der einen Schlagballspiels, bei dem es wie beim Cricket oder Baseball um das Ablaufen einer bestimmten Stecke durch die Spieler der Schlagmannschaft geht. Zusammenfassend ergibt sich folgendes Bild: Knattleikr ist ein Mannschaftsballspiel, dessen Ablauf wesentlich durch die Segmentierung der Spielzüge in Zweikämpfe zwischen jeweils einem Spieler beider Mannschaften strukturiert wird, wobei die ‚Paarungen‘ vor Spielbeginn festgelegt werden. Die Spielsituation ist symmetrisch, die Spielweise ist stark körperbetont. Das Spiel ist zeitaufwändig, ein Match kann mehrere Tage dauern. Die Spielfeldbegrenzungen sind exakt markiert, ebenso die Grenze zwischen Spielern und Zusehern, die in großer Zahl zum Spiel strömen. Hauptspielzeiten sind Herbst und Winter, Spielbelag ist im Herbst eine ebene Fläche im Freien, im Winter auch eine Eisfläche. Das Spielziel besteht darin, den Ball zu einem Mal oder über eine Linie zu befördern.18 In diesen rekonstruierbaren Elementen kristallisiert sich der Knattleikr als eine Art Hybridballsport heraus, die typische Merkmale des Schlagballs mit solchen des mit-

16 ÍF 14, S. 89. – „Einmal geschah es, dass Víglund den Ball über Jökul hinausschlug.“ (Übersetzung nach Nedoma 2005, S. 392) 17 Vgl. Nedoma 2005, S. 392. 18 Vgl. auch die knappere Rekonstruktion in Bjarnason 1908, S. 219.

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telalterlichen Fußballs kombiniert. Technisch handelt es sich um ein Schlagballspiel19: auf einem markiertes Spielfeld wird ein kleiner harter Ball mit einem Holzschläger gespielt, der – ablesbar an seiner missbräuchlichen Verwendbarkeit als Schlagwaffe – offenbar von keulenartiger (wie beim Baseball) oder scheitartiger (wie beim Cricket) Form ist. Auch in den Austragungsmodalitäten und dem performativen Aspekt des Spiels dominieren die Schlagballelemente: die ausgedehnte Spieldauer; die räumliche und funktionale Separierung der Zuschauer von den aktiven Spielern; der relativ hohe Organisationsgrad der Matches; auch die Austragung von Wettkämpfen in einer speziellen Kinder- und Jugendvariante, die terminologisch vom Sport der Erwachsenen unterschieden wird, ist für Schlagballspiele charakteristisch, nicht jedoch für Fußballvarianten20. Taktisch und strategisch dagegen steht der Knattleikr dem mittelalterlichen Fußball näher; Indikatoren sind die symmetrische Spielsituation, die fehlende räumliche Distanz zwischen den spielenden Mannschaften und die physisbetonte Spielweise, letztere verbunden mit und/oder begünstigt von einem offenbar relativ losen Regelwerk. Als Hybridballsportart aus Elementen des Schlagballs und des mittelalterlichen Fußballs nimmt der Knattleikr in der europäischen Ballspielkultur eine Ausnahmestellung ein. Aus dem präkolumbianischen Nordamerika jedoch sind Quellen zur Existenz eines indianischen Ballspiels bewahrt, das weitreichende Parallelen zum nordgermanischen Knattleikr aufweist und das in veränderter Gestalt unter dem Namen Lacrosse – so benannt von dem französischen Jesuiten Jean de Brébeuf nach dem verwendeten Schlaggerät (franz. la crosse „Schläger“) – noch heute gespielt wird.21 Der Spielgedanke besteht darin, eine hölzerne Kugel oder einen harten Gummiball mit einem Netzschläger zu fangen und in die torartigen Male zu schlagen oder zu tragen, die sich an beiden kurzseitigen Enden des Spielfeldes befinden. Die Sitten auf dem Spielfeld waren in historischer Zeit sehr rau, es kam im Eifer des Gefechts zu Handgemengen, Verletzungen und vereinzelten Totschlägen. In der ursprünglichen indianischen Ausprägung wurden Massenspiele mit mehreren hundert beteiligten Aktiven ausgetragen und die Spieldauer konnte mehrere Tage währen – es liegt also eine ähnliche Verschmelzung von Elementen des Schlagballs und historischen Fußballs vor wie im Knattleikr.

19 Dass das in den Isländersagas geschilderte Ballspiel, d.h. der knattleikr „vielleicht richtiger ein Boßeln, wie es an der deutschen Wasserkante gespielt wird“ (Kuhn 1971, S. 81) gewesen sein soll, ist eine charmante, aber unbegründete Vermutung Hans Kuhns, die hier nicht weiter verfolgt wird, da sie sich durch die eklatanten Unterschiede zwischen dem Boßeln (genauer gesagt dessen Vorläufer Klootschießen) und den in den Sagas genannten Merkmalen des Knattleikr sozusagen von selbst erledigt. Zum Boßeln / Klootenschießen vgl. Kujas 1994. 20 Vgl. etwa das Baseball-Derivat Softball, das in zwei Hauptcodes (slow pitch and fast pitch) mit jeweils mehreren geschlechter- und altersspezifischen Subvarianten gespielt wird; in Europa gilt das Spiel nach wie vor als ‚entschärfte‘ Baseballvariante vorrangig für weibliche Spieler. 21 Zum Lacrosse-Spiel und seiner indianischen Vorgeschichte vgl. Vennum 1996 und Fisher 2002.

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Die Analogien zwischen Knattleikr und Lacrosse wurden erstmals zu Beginn des 20. Jahrhunderts von dem norwegischen Historiker Ebbe Hertzberg in einem Nordboernes Gamle Boldspil betitelten Aufsatz registriert.22 Vor dem Hintergrund der Vínlandfahrten um und nach dem Jahr 1000 geht Hertzberg von einer genetischen Identität beider Spiele aus, und zwar mit den Isländern und Grönländern als gebender und den indigenen Amerikanern als nehmender Seite (sozusagen eine ‚isländisch-grönländische These‘). Mit Hinweisen auf archäologische Zeugnisse des Lacrosse23, die bis ins 9. Jahrhundert zurückreichen sollen, also in eine Epoche lange vor der ersten Vínlandreise, hat man das Verhältnis umdrehen wollen. Allerdings steht diese ‚indianische These‘ auf tönernen Füßen und gerät rasch in chronologische Schwierigkeiten. Hauptquellen für den Knattleikr sind, wie erwähnt, die Isländersagas, die zwar erst im 13. und frühen 14. aufs Pergament gebracht worden sind, aber in der Zeit zwischen 930 und 1030 spielen (sog. saguold „Sagazeit“). Gerade die erzählte Zeit derjenigen Sagas, die am ausführlichsten über den Knattleikr berichten, sind vor der Jahrtausendwende im 10. Jahrhundert anzusetzen (u.a. Gísla saga, Egils saga). Sofern man die entsprechenden Textstellen nicht samt und sonders zu Anachronismen erklären will, steht man somit vor dem Problem, dass die Existenz des Knattleikr bereits für die Epoche vor der ersten Vínlandfahrt und damit vor jedem Kontakt der Isländer und Grönländer mit der indianischen Kultur bezeugt ist. Die Aussagekraft der von Hertzberg ins Feld geführten (angeblichen) Lacrosse-Artefakte aus dem 9. Jahrhundert will sich der Verfasser der vorliegenden Beitrags mangels einer wissenschaftlichen Vorbildung in altamerkanischer Archäologie nicht zu beurteilen anmaßen. Die Suche nach einer genetischen Beziehung zwischen Knattleikr und Lacrosse bleibt in jedem Fall eine Chimäre, sowohl weil beide Ballsportarten in ihrem jeweiligen Kulturkreis bereits v o r den westnordisch-indianischen Kulturkontakten der Vínlandkolonisation ausgeübt worden zu sein scheinen als auch weil die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Spielen von den Anhängern einer solchen Verbindung überbewertet werden. Das gilt zunächst in technischer und taktischer Hinsicht für das Spiel selbst. Die Benutzung von Stöcken oder Schlaghölzern ist zwar für das Lacrosse bezeugt, stellt aber auch dessen einziges charakteristisches Schlagballspielelement dar. Ansonsten weist Lacrosse die typischen Merkmale des mittelalterlichen Fußball auf, von der symmetrischen Spielsituation, die auch dem Knattleikr eigen ist, bis zur fehlende Trennung zwischen Spielern und Zuschauern. Gerade diese aber macht auf soziokultureller Ebene das zentrale Distinktionsmerkmal zwischen (historischem) Schlagball und mittelalterlichem Fußball aus. Wahrscheinlicher und einleuchtender als eine genetische Beziehung von knattleikr und Lacrosse ist eine direkte Verbindung zu zwei keltischen Mannschaftsball-

22 Hertzberg 1904. 23 Die moderne Bezeichnung Lacrosse bezeichnet im Folgenden das historische indianische Spiel des präkolumbianischen Amerika, für das die in nachkolumbischer Zeit aufgezeichneten indianischen Sprachen verschiedene Bezeichnungen überliefern.

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sportarten, die ebenfalls Elemente des Schlagballs mit denen des mittelalterlichen Fußball kombinieren. Die ältere davon ist das irische Hurling (irisch Iomáint/Iománaíocht), das in der alt- und mittelirischen Literatur, darunter in den Erzählungen aus dem Cú Chulainn-Sagenkreis, häufig erwähnt wird. Das Spiel, dem einzelne Quellen ein phantastisches Alter von mehr als 3000 Jahren zuschreiben, ist seit dem Einsetzen der gälischen Schriftüberlieferung nahezu lückenlos bis in die Gegenwart bezeugt, d.h. das heute in Irland und einigen anderen Ländern wettkampfmäßig betriebene Hurling ist keine mehr oder minder freie Rekonstruktion aus älteren Fragmenten – wie der u.a. an nordamerikanishen Colleges anzutreffende moderne Knattleikr –, sondern leitet sich in unmittelbarer Tradition von dem alten keltischen Ballspiel her. Gespielt wird Hurley mit einem aus Eschenholz gefertigten, zwischen 64 und 97 cm langen Stock (irisch camán), dessen englische Bezeichnug hurley dem Spiel seinen internationalen Namen gegeben hat, einem Lederball (irisch sliotar) mit einem Durchmesser von 69–72 mm und einem Gewicht von 110–120 Gramm. Es handelt sich um ein Torspiel mit Ziel, den Spielball entweder über eine vertikal angebrachte Torstange zu befördern (ein Punkt) oder in den unteren, mit einem Netz befestigten und von einem Torhüter verteidigten Tores unterhalb der Stange zu versenken (drei Punkte). Diese Zweiteilung des Tormals durch eine waagerechte Stange verbindet das Hurling mit mehreren rezenten Fußballcodes, darunter Rugby (League und Union) und American Football, erweist sich also als typisches Element (mittelalterlichen) Fußballs. Beteiligt sind pro Mannschaft 15 Spieler mit festen taktischen Positionen, die ebenso wie der Aufteilung des Spielfelds weitgehend dem heutigen Gaelic Football entsprechen; ob es sich hierbei um ein gemeinsames Erbe handelt oder um eine spätere Angleichung, sei dahingestellt. Der Ball darf mit dem Hurley oder mit der flachen Hand geschlagen und mit der Hand gefangen, nicht aber geworfen werden. Der ballführende Spieler der gegnerische Mannschaft darf bis zu einem gewissen Grad körperlich angegangen werden (Bodychecks im Stil des Eishockey sind jedoch untersagt). Es existiert traditionell eine eigene, camogie oder camógaíocht genannte Variante für weibliche Spieler, in der körperlicher Angriffe vollständig untersagt sind. Durch irische Einwanderer gelangte Hurling nach Schottland, wo es sich im 14. Jahrhundert zum Shinty entwickelte. Trotz erkennbarer Unterschiede zum Knattleikr – das Verbot des Werfens, das beim Knattleikr erlaubt ist, und die fehlende Sementierung der Spielzpüge in Zweikämpfe – steht dieses irische Hybridspiel dem Knattleikr typologisch näher als Lacrosse und angesichts des bekanntermaßen starken irischen Einflusses auf die altisländische Kultur24 wäre eine genetische Verbindung mit dem Knattleikr zumindest vorstellbar. Sie könnte auch erklären, warum der Knattleikr gerade auf Island mit seinem starken keltischstämmigen Bevölkerungsanteil so verbreitet gewesen ist, nicht aber in Norwegen und im ostnordischen Raum.

24 Vgl. insbesondere Sigur.sson 1988.

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In einem nächsten Analyseschritt gilt es nun, beide Spieltypen nach dem vielbeschworenen ‚Sitz im Leben‘ zu befragen. Als Ausgangspunkt kann die englische Bezeichnung für eine populäre Ausprägung des mittelalterlichen Fußballs gewählt werden: Shrovetide Football, so genannt, weil sie alljährlich nur einmal, am Faschingsdienstag (englisch Shrove Tuesday) – gespielt wurde. Auch andere regionale Varietäten weisen einen Bezug zur Faschingssaison auf, seltener auch – wie das orkneyische Ba-Spiel – zur Weihnachtszeit oder zu Silvester und Neujahr. Auch das historische Lacrosse war, nach vereinzelten schriftlichen Berichten aus sehr viel späterer Zeit, an bestimmte religiöse Festdaten gebunden und die Forschung wird nicht müde, eine rituell-kultische Verankerung des indianischen Lacrosse zu postulieren, bevorzugt verbunden mit dem Hinweis auf das Kemari, einer Art religiös gefärbten KreisfußballZeremonie in Japan, die dort teilweise auf den Vorhöfen von Shintoschreinen vollzogen wird25. So reizvoll der Verweis auf das ethnologische Vergleichsmaterial aus Japan sein mag, es taugt bei näheren Hinsehen keinesfalls, um die Verhältnisse des mittelalterlichen Nord- und Nordwesteuropa oder auch die des präkolumbianischen Amerika zu erhellen. Spielgedanke und Durchführung sind von denen des Knattleikr, Lacrosse, Schlagball und mittelalterlichem Fußball vollständig verschieden. Insbesondere handelt es sich bei Lacrosse um ein physisbetontes Kampfspiel26 von ausgeprägter Agonalität und Kompetetivität, ein Element, das dem körperkontaktlosen und ‚kooperativen‘, vorrangig auf ästhetischen Schauwert ausgerichteten Kemari vollständig fehlt. Auch für europäischen Ballspiel sind verwitterte rituelle und kultische Ursprünge geltend gemacht worden; als Kronzeuge wird dabei meist das vor allem in Norddeutschland, Skandinavien, England und der Normandie verbreitete sog. Osterballspiel aufgerufen27, dessen spärliche Quellen allerdings bei eingehender Betrachtung nicht den Anschein erwecken, als hätte diese heitere, nicht-agonale Vergnügung beider Geschlechter der mittelalterlichen Dorfjugend irgendetwas mit den blutigen Raufspielen zu schaffen, die im Knattleikr, im Hurling und im mittelalterlichen Fußball ausgetragen wurden. Es stellt sich die Frage, welches Element des Nexus Karneval/Ostern und Ballspiel das primäre ist, ob also die religiöse und liturgische Praxis das Ballspiel aus den Trümmern archaischer Ritualismen geformt hat oder das im Kern areligiöse Ballspiel sekundär an die Karnevals- und Osterzeit gekoppelt wurde. Der mittelalterliche Fußball ist seinem Wesen nach ein Kampfspiel, bei dem beide Seiten taktisch nach Raumgewinn und strategisch nach der Positionierung des Spielballs an einem bestimmten Zielpunkt an der Spielfeldbegrenzung streben. Die Ur-

25 So z.B. Mathys 1983, S. 7–10. 26 Vgl. die in mehreren indianischen Sprachen belegte Bezeichnung des Spiels als ‚kleiner Bruder des Krieges‘. 27 Vgl. Mathys 1983, S. 11–12.

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sprungsmythen, die sich um den englischen mob football ranken, sind zahlreich, handeln aber gerade nicht von sakralen Begebenheiten, sondern von weltlichen Geschehnissen, so im Fallbeispiel des angesprochenen orkadischen Ba-Game: so soll es sich nach einer verbreiteten Überlieferung bei dem Ball ursprünglich um den abgeschlagenen Kopf eines schottischen Tyrannen gehandelt haben, den eine aufgebrachte Volksmenge werfend und tretend durch die Gassen getrieben hat, nachdem der abgetrennte, aber noch lebendige Kopf den heroischen Tyrannentöter durch einen Biss getötet hat. Teilstücke dieses Mythos sind u.a. in der Orkneyinga saga und Sir Gawain and the Green Knight erhalten. Erst viel später versuchte die Kirche, dem eine eigene, religiös erbauliche Ursprungslegende des Ballspiels entgegenzusetzen. Sehr ähnliche Sagen zum Ursprung des Ballspiels sind aus anderen Regionen überliefert, so aus Chester, wo für die erste Ballspielpartie der abgeschlagene Kopf eines dänischen Gefangenen als Spielgerät verwendet worden sein soll28. Wenig verwunderlich ist, dass auch über Wikinger eine Schauermär kursierte, nach der die gefürchteten nordischen Räuber und Plünderer die abgehauenen Köpfen ihrer Opfer zum Fußballspielen missbraucht haben sollen.29 Eine einleuchtende These zu den Ursprüngen des Schlagballspiels hat der ungarische Sporthistoriker Gyula Hajdü vorgelegt30: er sieht in der asymmetrischen Spielsituation die sportlich-spielerische Imitation einer Belagerungssituation mit der Feldmannschaft als Belagerer und der Schlagmannschaft als Belagerte. Das Urbild des Werfers ist demnach ein Kundschafter der Belagerer, das des Schlagmannes ein Kurier der Belagerten. Dieser militärische Ursprung des Schlagballs hat sich, so würde man Hajdüs Theorie ergänzen, am deutlichsten im Cricket erhalten, während er etwa im Baseball stärker verwässert ist. Wie der Karneval selbst im Kern anti-religiöse, jedenfalls anti-christliche Anteile hat – man denke an augustinische Lehre von der Fastnacht als civitas diaboli – so sind die auf die Karnevalszeit terminierten oder an anderen periodisch wiederkehrenden Daten ausgetragenen europäischen Ballspiele des Mittelalters nicht als säkularisierte Kultveranstaltungen zu begreifen, sondern viel eher der volkstümlichen, karnevalesken Lachkultur des Mittelalters zuzuordnen, die Michail Bachtin als „Gegenwelt gegen die offizielle Welt“31 und sowie als „Mischbereich von Realität und Spiel“32 beschreibt. Typische Merkmale des Karnevals, die in den literarischen Darstellungen des Knattleikr wiederholt realisiert werden, sind die enge periodische Abzirkelung der Spielzeit, die sich auf wenige Wochen im Herbst und Winter beschränkt oder an die sommerlichen Thingversammlungen gebunden ist und die Organisationsform des

28 Vgl. Diem, S. 511. 29 Vgl. Diem, S. 511. 30 Vgl. Hajdü 1971 (nach Endrei/Zolnay 1986). 31 Bachtin 1969, S. 32. 32 Bachtin 1969, S. 48.

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Ballspielspektakels als Volksfest mit eigener Infrastruktur wie den in Eyrbyggja saga cap. 43 erwähnten Buden, die eigens für die Unterbringung der auswärtigen Zuschauer errichtet werden33. Der von Bachtin genannten karnevalesken Aspekt der Durchmischung von Spiel und Realität, vom imitierenden So-Tun-als-ob und realen Handeln, lässt sich in den literarischen Knattleikr-Darstellungen in ähnlicher Manier nachzeichnen wie bei vielen Brettspiel-Schilderungen der altnordischen Erzählkunst, in denen der Übergang vom spielerisch-sportlichen Kampf am Brett zu Blutvergießen, Totschlag und Mord fließend ist. Dabei ist literarhistorisch eine recht stringente Entwicklung des Spannungsfeldes von Spiel und Gewalt erkennbar. Während in den älteren Isländersagas der klassischen Epoche die beim Knattleikr entstehenden Handgemenge meist Affekthandlungen sind, die im Eifer des Gefechts entstehen und sich spontan entladen, begegnet in ‚nachklassischen‘ jüngeren Texten wiederholt die Erzählstruktur, dass ein Knattleikr-Match von vorneherein in der Absicht veranstaltet wird, einen Zwischenfalls zu provozieren und einen Vorwand für die Tötung einer bestimmten Person zu schaffen, am deutlichsten vielleicht in cap. 1 der Sigrgards saga frækna. Die karnevaleske Funktionalität des Knattleikr dehnt sich in diesen Texten von der erzähltechnischen auf die handlungsstrukturierende Ebene aus. Bekanntlich identifiziert Bachtin vier zentrale Kategorien des Karnevalesken, die er „Familiarisierung“, „Exzentrizität“, „Mesalliance“ und „Profanation“ nennt. Allen vier Elementen lassen sich in den altisländischen Knattleikr-Narratemen Realisierungen zuordnen. Am offensichtlichsten gilt dies für die Familiarisierung, welche die „sozialhierarchische und jede andere Ungleichheit der Menschen, einschließlich der altersmäßigen“34 außer Kraft setzt: das für den Älteren tödlich endenden Ballspiel zwischen dem siebenjährigen Egill und dem elfjährigen Grímr ist vielleicht das klarste Beispiel, aber auch Grettir und andere Sagahelden messen sich im Kindesalter höchst energisch und erfolgreich mit älteren Gegnern. Die karnevaleske Exzentrizität dokumentiert sich vielleicht am deutlichsten in der Pórdar saga hredu cap. 3 (in der Thule-Übersetzung wegen abweichender Kapitelzählung cap. 7), wo ein Verbalduell zwischen den Gegenspielern ?ór.r und Ásbjorn ˛ in wüsten wechselseitigen Beschimpfungen gipfelt. Die karnevalesken Kategorien der Mesalliance und der Profanation sind am deutlichsten in den Textstellen konturiert, in denen Knattleikr-Wettkämpfe mit einer Thingversammlung verbunden sind und in denen so etwas wie eine Dialogizität – um einen zweiten Kernbegriffs Bachtins zu verwenden – zwischen der durchreglementierten, überstrukturierten Welt des Things und der umgestülpten Welt des ‚BallspielKarnevals‘ entsteht, ablesbar an den korrespondieren Motiven der Thingbuden zur Beherbergung der Häuptlinge und der Buden für das Ballspielpublikum.

33 Vgl. ÍF 4, S. 115 (Übersetzung Böldl 1999, S. 98). 34 Bachtin 1969, S. 48.

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Eine von den Befürwortern einer sakralen Dimension des altnordischen Ballspiels als Kronzeugin angerufene Quelle ist eine kurze Episode in cap. 10 der Flóamanna saga. ?at er sagt eitt sumar, er menn kómu til mannamóts í fjörbaugsgar. til Lóns, @á var ?orgis fimm vetra, er hann @angat veik, ok vildi vera at sveinaleik, markar sér völl ok kva.st vilja at vera. Sveinar sög.ust hafa sammælzt á, at sá einn skyldi at leikum vera, er nökkuru kvikindi hef.i at bana or.it. Ré.st @orgils @á frá leiknum, ok @ótti @ó illa, er hann fráskila gerr.35

Kurt Ranke sieht an dieser Stelle kultische Elemente zumindest durchschimmern36, Lily Weiser meint hier sogar eines verblassten Initiationsritus habhaft werden zu können37. Diese Deutung ist allerdings im Zuge einer Gesamtbetrachtung der Flóamanna saga und vor dem Hintergrund ihrer literarhistorischen Stellung kaum aufrechtzuerhalten. Die Flóamanna saga ist eine typische ‚nachklassische‘ Isländersaga, erst nach 1300 entstanden; ihr Hauptthema, die Bekehrung des Protagonisten ?orgils vom Heidentum zum Christentum und seine Standfestigkeit dem neuen Glauben gegenüber, teilt sie mit anderen ‚nachklassischen‘ Isländersagas wie der Grœnlendinga saga, zudem sind Einfluss der hagiographische Literatur, insbesondere der Dialoge Gregors des Großen erkennbar. In diese christlich-klerikale Stimme mischt sich eine zweite, volkstümlich-karnevalisierende Stimme, so dass wiederum eine dialogische, polyphone Erzählstruktur entsteht. Markantester Ausdruck dieser zweiten Erzählstimme in der Saga ist die Untotengeschichte in cap. 22 38, in der, nebenbei bemerkt, auch von nächtlichen Spielen (náttleika) die Rede ist. Die Episode um die verweigerte Teilnahme auf Knabenspiel ist diesem zweiten, karnevalesken Narrationsstrang zuzuordnen und hat eher den Charakter einer pasticheartigen Kuriosität denn einer vertrauenswürdigen Quelle zu vorchristlichen germanischen Initiationsriten. Auf eine weitere Referenzgröße zur kultur- und literarhistorischen Einordnung weist die Szenenregie der Hallfredar saga cap. 2, wo es über Ambiente und Publikum eines Knattleikr-Matches heißt: Ve.r var gott, ok sátu konur úti ok horf.u á leikinn. Valger.r Óttarsdóttir sat upp í bekkuna frá ok konur hjá henni. Ingólfr var at leiknum, ok fló knottrinn ˛ upp @angat. Valger.r tók knottin ˛ ok lét

35 ÍF 13, S. 249–250. – „Einmal im Sommer, heißt es, kamen die Männer an der heiligen Thingstätte im Sumpf zusammen. Thorgils war fünf Jahr, als er dorthinging. Er wollte am Spiel der Knaben teilnehmen. Er bestimmte einen Platz, wo er stehen wollte. Die Knaben sagten, sie hätten ausgemacht, nur, wer schon ein lebendes Wesen getötet habe, dürfe am Spiel teilnehmen. Thorgils mußte da vom Spiele lassen und war sehr erbost, daß man ihn zurückwies.“ (Übersetzung Thule 13, S. 96–97). 36 Vgl. Ranke 1976, S. 13. 37 Vgl. Weiser 1927, S. 74. 38 Vgl. hierzu Teichert 2012, speziell S. 20–36.

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koma undir skikkju sína ok ba. @ann sœkja, er kastat haf.i. Ingólfr haf.i @á kastat; hann ba. @á leika, en hann settisk ni.r hjá Valger.i ok tala.i vi. hana allan @ann dag.39“

Diese Szene könnte auch aus der Schilderung eines höfischen Turniers entstammen und tatsächlich ließen sich bei näherer Betrachtung funktionale und strukturelle Äquivalenzen zwischen beiden Systemen von Spielen innerhalb ihres jeweiligen soziokulturellen Umfeldes nachweisen. Selbstredend ist die Grad der Karnevalisierung im Fall des höfischen Turniers französischer Prägung wegen seines starren kodifizierten Regelwerks und seines ritterlich geprägten Gesellschafts- und Frauenbildes sehr viel geringer Konventionen als in der vorhöfischen nordischen Schlagballkultur. Andererseits erreicht der Knattleikr niemals den extremen Karnevalisierungsgrad des mittelalterlichen Fußballs, der praktisch ohne Regelwerk und strukturierte Mannschaftsaufstellung auskommt und der noch dazu keine Distinktion zwischen Akteuren und Zuschauern zulässt – nach Bachtin ein wesentliches Element karnevalistischer Lachkultur.

Literatur Quellen Böldl, Klaus (Hrsg.) (1999): Die Saga von den Leuten auf Eyr. Aus dem Altisländischen übersetzt von K.B. München. Einar Ólafur Sveinsson (Hrsg.) (21957): Eyrbyggja saga. Reykjavík (Íslenzk Fornrit [ÍF] 4). Einar Ólafur Sveinsson (Hrsg.) (21957): Vatnsdœla saga. Reykjavík (Íslenzk Fornrit [ÍF] 8). Jóhannes Halldórsson (Hrsg.): Kjalnesinga saga. Reykjavík. (Íslenzk Fornrit [ÍF] 14). Niedner, Felix (Hrsg.) (21965): Grönländer und Färinger Geschichten. Übertragen von F.N. Darmstadt. (Thule XIII) Schier, Kurt (Hrsg.) (1996): Egils Saga. Die Saga von Egil Skalla-Grimsson. Aus dem Altisländischen übersetzt von K.S. München. Sigur.ur Nordal (Hrsg.) (1933): Egils saga Skalla-Grímssonar. Reykjavík (Íslenzk Fornrit [ÍF] 3). ?órhallur Vilmundarson / Bjarni Vilhjámsson (Hrsg.) (1991): Hardar saga. Reykjavík. (Íslenzk Fornrit [ÍF] 13). Niedner, Felix (Hrsg.) (21964): Vier Skaldengeschichten. Übertragen von F.N. Darmstadt. (Thule IX)

39 ÍF 8, S. 142. – „Es war schönes Wetter und die Frauen saßen auf dem Festplatz und sahen dem Spiele zu. Auf dem Hügel dabei saß auch Valgerd, Ottars Tochter, und ihre Frauen bei ihr. Ingolf war am Spiel, und der Ball flog zu ihr hinauf. Valgerd nahm den Ball, barg ihn unter ihren Mantel und sagte, wer ihn geworfen habe, solle ihn sich holen. Ingolf hatte den Ball geworfen. Er hieß die andern ruhig spielen, er aber saß neben Valgerd nieder und sprach mit ihr jenen ganzen Tag.“ (Übersetzung Thule 9, S. 213.)

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Forschungsliteratur Bachtin, Michail (1969): Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur. Aus dem Russischen übersetzt und mit einem Nachwort von Alexander Kaempfe. München. Baetke, Walter (72005): Wörterbuch zur altnordischen Prosaliteratur. Berlin. Beck, Heinrich (1968): Waffenspiel und Waffentanz. In: Birkhan, Helmut (Hrsg.): Festschrift Otto Höfler zum 65. Geburtstag. Band 1, S. 1–16. Wien. Behringer, Wolfgang (2012): Kulturgeschichte des Sports. Vom antiken Olympia bis ins 21. Jahrhundert. München. Björn Bjarnason (1911–13): Ballspiel. In: Hoops, Johannes (Hrsg.): Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Erster Band, S. 160–162. Straßburg. Björn Bjarnason (1908): Ípróttir fornmanna á Nordrlöndum. Reykjavík. Diem, Carl (1960): Weltgeschichte des Sports und der Leibeserziehung. Stuttgart. Fisher, Donald (2002): Lacrosse. A history of the game. Baltimore. Gísli Sigurdsson: Gaelic influence in Iceland. Historical and literary contacts. A survey of research. Reykjavík 1988. Hajdü, Gyula (1971): Magyar népi játékok gyüjteménye. Budapest. Nach: Endrei, Walter / Zolnay, László (Hrsg.) (1986): Fun and Games in Old Europe. Budapest, S. 110–111. Hertzberg, Ebbe (1904): Nordboernes gamle Boldspil. In: Hist. Skrifter tilegn. Prof. Ludwig Daae o. s. v. af Venner og Diciple. Christiania, S. 210ff. Kuhn, Hans (1971): Das alte Island. Düsseldorf. Kujas, Helge: Klootschießen – Boßeln – Schleuderball. Die traditionellen Friesenspiele im 19. Jahrhundert und heute. Ein Beispiel für die ”Versportung” der Volksspiele. Oldenburg. Mahys, Fritz Karl (1983): Die Ballspiele. Eine Kulturgeschichte in Bildern. Dortmund. Nedoma, Robert (2005): Sport. In: Beck, Heinrich / Geuenich, Dieter / Steuer, Heiko (Hrsg.): Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Zweite, völlig neu bearbeitete und stark erweiterte Auflage. Band 29, S. 388–394. Berlin / New York. Ranke, Kurt (1976): Ballspiel. In: Beck, Heinrich / Jankuhn, Herbert / Ranke, Kurt / Wenskus, Reinhard (Hrsg.): Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Zweite, völlig neu bearbeitete und stark erweiterte Auflage. Band 2, S. 11–13. Berlin / New York. Schier, Kurt (1970): Sagaliteratur. München. de Vries, Jan (31977): Altnordisches etymologisches Wörterbuch. Leiden. Vennum, Thomas (1996): Das indianische Lacrosse-Spiel. Der kleine Bruder des Krieges. Idstein. Weiser, Lily (1927): Altgermanische Jünglingsweihen und Männerbünde. Ein Beitrag zur deutschen und nordischen Altertums- und Volkskunde. Bühl.

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“Tennis-balls, my liege.” Zu den kultur- und literaturhistorischen Hintergründen einer Provokation in William Shakespeares Henry V. 1 Einleitung Das Historiendrama Henry V., der 1599 entstandene vierte und abschließende Teil der Lancaster-Tetralogie, gehört zu den häufig untersuchten Stücken William Shakespeares, zu dem eine äußerst reiche Sekundärliteratur vorliegt.1 Von daher ist es erstaunlich, dass das dominierende Motiv einer der zentralen Stellen des Dramas verhältnismäßig wenig Beachtung gefunden hat. Es handelt sich bei der in der englischsprachigen Forschung als „tennis balls episode“ bezeichneten Szene zugleich um eine der populärsten literarischen Äußerungen zum Tennis. Obwohl es nicht primär um das Spiel an sich oder ein Spiel im Spiel geht, also die innerfiktive Darstellung einer sportlichen Handlung auf der Theaterbühne, ist die Szene 1.2 hinsichtlich ihrer sprachlichen Gestalt und ihres motivischen Gehalts eine reiche Quelle, die viel über das kulturelle Wissen und seine Wertigkeiten um das Jahr 1600 verrät. Dass es sich bei dem provozierenden Geschenk um Tennisbälle handelt, ist weder zufällig gewählt, noch könnte ein alternatives Motiv die Dramenhandlung auf vergleichbare Weise motivieren. KING HENRY: What treasure, uncle? EXETER: [Opens tun] Tennis-balls, my liege. KING HENRY: We are glad the Dauphin is so pleasant with us. His present and your pains we thank you for. When we have match’d our rackets to these balls, We will, in France, by God’s grace, play a set Shall strike his father’s crown into the hazard. Tell him he hath made a match with such a wrangler That all the courts of France will be disturb’d With chaces. And we understand him well, How he comes o’er us with our wilder days, Not measuring what use we made of them.

1 Vgl. die achthundertfünfzehnseitige, bereits 1983 erschienene annotierte Bibliographie von Joseph Candido und Charles R. Forker oder deren Nachfolger unter http://www.worldshakesbib.org (letzter Zugriff 07. 05. 2013).

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We never valu’d this poor seat of England; And therefore, living hence, did give ourself To barbarous licence; as ’tis ever common That men are merriest when they are from home. But tell the Dauphin I will keep my state, Be like a king, and show my sail of greatness When I do rouse me in my throne of France. For that I have laid by my majesty And plodded like a man for working days, But I will rise there with so full a glory That I will dazzle all the eyes of France, Yea, strike the Dauphin blind to look on us. And tell the pleasant prince this mock of his Hath turn’d his balls to gun-stones, and his soul Shall stand sore charged for the wasteful vengeance That shall fly with them; for many a thousand widows Shall this his mock mock out of their dear husbands, Mock mothers from their sons, mock castles down; And some are yet ungotten and unborn That shall have cause to curse the Dauphin’s scorn. But this lies all within the will of God, To whom I do appeal; and in whose name Tell you the Dauphin I am coming on To venge me as I may, and to put forth My rightful hand in a well-hallow’d cause. So get you hence in peace; and tell the Dauphin His jest will savour but of shallow wit, When thousands weep more than did laugh at it. – Convey them with safe conduct. – Fare you well. (1.2.257–297)2 Zuvor wurden in 1.1 am englischen Königshof durch den jungen Henry mit seinen politischen und geistlichen Beratern territoriale Ansprüche auf Frankreich erwogen und schließlich auch eine militärische Aktion beschlossen. Darauf traf ein Botschafter des Dauphins von Frankreich ein, der Henry im Namen seines Herrn als Geschenk das Kästchen – im Original „tun“ (1.2.258), woraus bei August Schlegel eine „Tonne“3

2 Der Text folgt der Ausgabe King Henry V. des The New Cambridge Shakespeare (2005) unter Angabe von Akt, Szene und Zeile. 3 Die deutsche Übersetzung wird im Folgenden zitiert Shakespeares dramatische Werke V, hrsg. Max Koch, 1885.

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wird – und eine Botschaft überbringt. Dadurch wird eine wesentliche Veränderung herbeigeführt, denn Henry erliegt der kalkulierten Provokation des Dauphins: Vom vorherigen Erwägen juristischer Ansprüche unter Wahrung von „Recht und Gewissen“4 ist nun nichts mehr zu spüren, Henry spricht stattdessen offen von „vengeance“ (1.2.283), von Rache und Vergeltung, mit der er seine Interessen in einem „set“ (1.2.262) durchsetzen will, wenn sie nur erst die richtigen „rackets“ (1.2.261) dazu gewählt haben. Dabei wähnt er sich bei diesem „edlen Werk“5, alle „courts“ (1.2.265) Frankreichs in Angst und Schrecken zu versetzen, nicht nur im Recht, sondern von Gott selbst geleitet: Wenn sein Wille es gestatte, werde er „in heil’ger Sache den gerechten Arm [ausstrecken]“6 und zu diesem Zwecke das „Gespött“ der Tennisbälle in Kanonenkugeln – „gun-stones“ (1.2.282)7 verwandelt zurückschicken und dem König die „Krone“ in die „Schanze“, „hazard“ (1.2.263) schlagen. Aus dem „mock“ des Dauphins, dem spöttischen Geschenk, ist Henrys „mock“ geworden – die ironische Umdeutung des Spott-Begriffs ins „Gespött“ der Kanonen. Unter Zuhilfenahme einiger termini technici des Tennisspiels, die eine gute Kenntnis der Materie verraten, wird hier die bald folgende militärische Operation in allegorischer Rede vorweggenommen. Die so beschlossene Invasion führt zur Eroberung der Stadt Harfleur und mündet schließlich in der historischen Schlacht von Agincourt8, die am 25. Oktober 1415 in Nordfrankreich stattfand. Shakespeares Drama verhandelt an dieser Etappe aus dem Hundertjährigen Krieg ausschnittmäßig den historischen Konflikt zwischen England und Frankreich. Die Personen und Ereignisse haben ihre realhistorischen Vorbilder, allein die Tonne mit den Tennisbällen hat es nicht. Sie ist eindeutig dem Bereich dichterischer Imagination zuzurechnen, hat aber gleichwohl einige literarische Präformierungen, in denen mal mehr, mal weniger provokative Ballgeschenke einerseits, die Um- und Beschreibung der Schlacht von Agincourt mit Tennismotiven andererseits zu finden sind, auf die Shakespeare zurückgreifen konnte.9 Wenn es auch reine Spekulation bleiben mag, ob Shakespeare mit diesem Motiv darauf hoffte, dass sein Publikum hier eine intertextuelle Referenz oder eine sogar kontrafaktische Szene entdecken könnte – es muss ihm in jedem Fall als geeignet erschienen sein, um die Dramenhandlung glaubwürdig zu motivieren.

4 1.2.96: „May I with right and conscience make this claim?” 5 1.2.310: „fair action”, 6 Schlegel, S. 24. Henry V, „put forth my rightful hand in a well-hallowed cause”, 1.2.292/293. In 4.8.97 nach der erfolgreich bestandenen Schlacht wird der Arm dann als Gottes Arm wiederaufgenommen: “Oh God, Thy Arm was here!“ 7 Wahrscheinlich handelt es sich bei „gun-stones“ um einen Anachronismus. Das Wort findet sich auch in The Bataile of Agyncourt, V. 162. Es scheint daher so, als sei Shakespeares Henry V. weit deutlicher an diesem literarischen Vorbild orientiert als gemeinhin angenommen wird. 8 Der Kalauer wird diesen Ort aufgrund seines „courts“ als besonders geeignet erachten. 9 Vgl. die etwas ältere Studie von Emmerig 1906. Dort wird die Auffassung vertreten, dass Shakespeare eindeutig auf die Ballade zurückgreift und das Ballgeschenk aus dem Alexanderroman übernommen hat, das historisch nicht belegt ist.

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Die provozierende Tonne als ablehnende Antwort auf die Gebietsforderungen jedenfalls fügt dem englischen Kriegszug eine Motivationsebene hinzu, so dass neben den macht- und staatspolitischen Beschluss auch ein persönliches Interesse des gekrönten Königs tritt.

2 Literarische Präformierungen: Ballgeschenke und die Schlacht von Agincourt An Ballgeschenke knüpfen sich zahlreiche überlieferte Geschichten, die zumeist bedeutende historische Persönlichkeiten im Mittelpunkt haben. So auch die u. a. bei Rudolf von Ems und dem Pfaffen Lambrecht überlieferte Anekdote, nach der Alexander der Große von seinem persischen Gegenüber Darius als symbolische Aufforderung zur Unterwerfung neben anderen wertvollen Geschenken auch einen Ball erhält.10 Auch ein seinerzeit populäres, um 1500 entstandenes mittelenglisches Hirtenspiel, das als The Shepherd’s Second Play bzw. Secunda Pastorum im Kreis der Wakefield Plays überliefert ist, verwendet dieses Motiv, wobei es dort etwas anders semantisiert wird – hier ist Jesus Christus der Empfänger und die Provokationsleistung entfällt. Das Geschenk zielt allerdings darauf ab, der Jugend des Beschenkten angemessen zu sein. Neben Kirschen und einem kleinen Vögelchen bekommt der neugeborene Heiland Bälle mitgebracht, und damit solle er, wie der überbringende dritte Schäfer ihm vorschlägt, „go to the tennis“11. Einen ungleich konkreteren Prätext kann in dem anonymen, in mehreren Fassungen überlieferten Gedicht The Bataile of Agyncourt ausgemacht werden, das bald nach der Schlacht 1415 entstand. Dort fallen mit „rofe“ (Dach) und „palmplys“ (Palmspiel, d.h. Jeu de paume) nicht nur einige für die Begriffsentwicklung von Tennis wichtige etymologische Hinweise, es wird auch ein „Match“ geschildert, bei dem die englischen Kanonen ihre „Bälle“ auf die französische Stadt Harfleur niedergehen lassen. Das hämische Ballgeschenk findet sich auch hier, auf das Henry, Shakespeares König antizipierend, mit „And suche a tenys ball I shall hym sende / That shall bere downe the hye rofe of his hall …“12 verspricht, solche Bälle nach Frankreich zurückzuschicken, dass sie das Dach des Thronsaals einreißen werden.13 In der Ballade kommen also bereits mehrere Elemente zusammen, die bei Shakespeare wieder aufgenommen werden: Neben dem Ballgeschenk und dem Bezugsort Agincourt werden

10 Vgl. Kern / Ebenbauer / Krämer-Seifert 2003, S. 203–204. 11 Shepherd (Anonymous), S. 198. – Zur Interpretation und kulturgeschichtlichen Kontextualisierung des Second Shepherds Play vgl. Gillmeister 1986b, S. 105–119. 12 Bataile, S. 46–47. 13 Das Gedicht ist als „possible source“ vollständig wiedergegeben in Bullough, S. 412–416.

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über die Darstellung der Schlacht in Begriffen des Tennisspiels Sport und Krieg eng miteinander verknüpft. Auch bei Charles d’Orleans, dem „letzten Minnesänger“ Frankreichs, lässt sich eine ähnliche allegorische Rede feststellen, der anlässlich seines fünfundvierzigsten Geburtstags am 24. 11. 1439 sein Leben in terms of tennis rekapituliert.14 Als junger Mann kämpfte er in der Schlacht bei Agincourt, nun befinde er sich zwischen Alter, Glück und Sorge hin- und hergerissen in einer Midlife crisis. Es stehe jetzt „à deux“, den Lebensjahren entsprechend 45 beide, der Zenit sei erreicht, nun gehe es bergab und die Partie werde sich entscheiden: „Vieullesse de douleur enrage / De ce que le jeu dure tant, / Et dit, en son felon langage, / Que les chasses dorenavant / Merchera, pur m’estre nuisant; / Mais ne m’en chault, je la deffy, / Ne je ne crains riens que Soussy.“15 Kaum eine tennisgeschichtliche Darstellung16 verzichtet auf eines dieser Beispiele und auch in den Kommentaren zu Shakespeares Stücken fehlt es zumindest nicht an entsprechenden Benennungen der (möglichen) Prätexte. Doch genau dabei bleibt es: Nennungen, die auf weiterführende Erklärungen verzichten und den kultur- sowie literaturgeschichtlichen Einschreibungen nicht weiter nachgehen. Nur so ist es im Ansatz nachvollziehbar, wie der renommierte Tennis-Historiker und Anglist Heiner Gillmeister zu der Auffassung gelangt, Henrys Tennisballepisode bleibe „im Grunde ein blindes Motiv“17. Denn im Hinblick auf Handlung und Struktur des Dramas ist es eigentlich alles andere als das! Durch die immense Provokationskraft dieses Motivs setzt eine Dynamisierung der Handlung ein. Der erste Akt ist beendet, sodann wird der Feldzug umgehend angetreten und die rhetorisch verschärfte Umdeutung in die Tat umgesetzt. Es scheint mir eher ein bedeutungsreiches Symbol zu sein, das verschiedene Bedeutungsebenen zusammenwirft und darüber einen mehrfachen Schriftsinn evoziert. Dabei werden sowohl grundlegende Bauprinzipien des Dramas antizipiert, als auch Referenzialisierungen über die Textgrenzen hinaus zugelassen – oder dem Publikum der Shakespeare-Zeit sogar aufgedrängt. Es wird mir von daher darum gehen, die literarischen und kulturhistorischen Hintergründe zu beleuchten, um den Affront, als der das Ballgeschenk zweifelsfrei zu erkennen ist, als solchen auch plausibel zu machen. Nur über die Geschichte des Tennisspiels und den sich in ihr abzeichnenden kulturellen Wertigkeiten lässt sich das Provokationspotential der symbolträchtigen Bälle verstehen. Dass diese Geschichte auch einem William Shakespeare, wer auch immer er oder sie gewesen sein mag, durchaus bekannt war, ist über Parallelstellen in ande-

14 Vgl. Gillmeister 1990, S. 170–171. 15 Charles d’Orléans 1982, S. 145. 16 Sie finden sich in Gillmeister, bei Stemmler 1990, Clerici 1979 oder Henderson 2001, der behauptet, die Szene „is known to every schoolboy”; vgl. auch Henderson 2001, S. 61. 17 Vgl. Gillmeister 1990, S. 140.

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ren eigenen Stücken nachweisbar.18 Über einige zeitgenössische Dramatiker lässt sich zudem ein Kontext aufzeigen, der Motive aus dem Fundus der Ballspiele um 1600 als ebenso populär wie zahlreich bezeugt. Dabei wird vor allem eines deutlich: dass diese Bildsprache des Tennispiels bereits eine radikale Wertverschiebung durchlaufen hatte. In Ritterromanen, Mysterienspielen und Lehrdichtungen vom 13. bis 15. Jahrhundert dienten die allegorischen Darstellungen von Ballspielen vornehmlich der Veranschaulichung religiöser Zusammenhänge oder pädagogisch-didaktischen Zwecken. Das beständige Hin und Her bzw. Rein und Raus – dehors und dedans19 – im modus operandi des Tennisspiels barg neben einer beständigen Popularität auch ein immenses allegorisches Potential, das für das abstrahierende Mysterienspiel der Wakefield Plays ebenso geeignet war wie für den gelehrten Dialog. Erasmus von Rotterdam etwa verwendet in seinen Colloquia familiaria eine Vielzahl an Vergleichen und Beispielen auch aus dem praktischen Ballspiel.20 Eine der prominentesten Stellen findet sich in Geoffrey Chaucers Troilus and Criseyde21 (um 1385). Der Held Troilus wirft mit der Frage an seinen väterlichen Freund Pandarus, ob es ihm denn möglich sei, mit dem Rakett hin und her zu spielen eine aporetische Situation auf: „But kanstow playen raket to and fro” (Book IV, 460)22 Denn natürlich vermag Pandarus dies nicht, denn zu Chaucers Zeit war es noch unmöglich, mit dem Rakett in beide Richtungen zu schlagen, da nur der Verteidiger über ein Rakett – ob Handschuh oder Schläger sei dahingestellt – verfügt hat. In der praktischen Unfähigkeit des Vaters, beide Spielrichtungen zu bedienen, wird der gleichen Unmöglichkeit Ausdruck verliehen, die Troilus daran hindert, seine Geliebte zu vergessen. Ob nun zur Erzeugung paradoxaler Fragen, der bildreichen Anweisung des Nachwuchses oder zur Illustration der letzten Dinge: in den meisten Fällen wurden Tennismetaphern herangezogen um ernste Angelegenheiten zu illustrieren, von denen in

18 An zahlreichen weiteren Stellen in seinen Werken finden sich Hinweise darauf, dass der Dichter neben den zeitgenössischen Wertungen auch mit dem Spiel und seinen Gepflogenheiten bekannt war. In der zweiten Szene des dritten Akts in – der Komödie! – Much ado about nothing (1598/1599) scherzen Don Pedro, Claudio und Leonato über den liebestollen Benedick, dass dessen Bart wohl schon einige Tennisbälle gefüllt habe Much ado about nothing 3.2.35: “Old ornament of his cheek hath already stuffed tennis balls“. Und auch in dem späten Stück Pericles taucht noch einmal ein Bild aus dem Tennisinventar auf: “A man whom both the waters and the wind, / In that vast tennis-court, have made the ball / For them to play upon, entreats you pity him: / He asks of you, that never us’d to beg.” (2.1.38–41) Insgesamt neun Stellen außerhalb Henry V. verzeichnet Brewster 1959, S. 17–18. Erstaunlicherweise lässt Madden (Erstausgabe 1897) in seiner großangelegten Studie zum Sport bei Shakespeare und im elisabethanischen Zeitalter Ballspiele komplett aus und beschränkt sich aufs Reiten, Jagd, Falknerei u.a. 19 Vgl. Gillmeister 1990, S. 110. 20 Vgl. etwa die Colloquia Familiaria in Desiderii Erasmi Roterodami Opera Omnia,l Bd. 1, Sp. 646. 21 Ein Stoff, den Shakespeare für sein Stück Troilus and Cressida (nach 1602) ebenfalls bearbeitet hat. 22 Zitiert nach The Riverside Chaucer, S. 544.

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England um das Jahr 1600 nicht mehr allzu viel zu vernehmen ist: Bälle, Spieler und entsprechende Metaphern, die mit Tennis in Beziehung stehen, tauchen (fast) ausnahmslos in Komödien auf. Auf der Bühne bestätigt sich die weitverbreitete Annahme, Tennis sei „ein Spiel der Galane, vornehmen Stutzer und Möchtegerne“23 geworden. Dieses auf der Bühne erzeugte Bild soll auch über etwas anderes hinwegtäuschen. Darüber nämlich, dass Frankreich in Dingen höfischer Spielkultur England in jeder Beziehung voraus – eben à la mode – gewesen ist. Die an Henry adressierten Bälle sind also auch Ausdruck einer kulturellen Überlegenheit, die den französischen Dauphin dem englischen Aggressor gegenüber mit dem nötigen Selbstbewusstsein ausstattet. Von den hier kurz skizzierten Hintergründen ausgehend bieten sich, wie nun zu zeigen ist, vier Erklärungsansätzen, um den Effekt des Ballgeschenks auf Henry plausibel zu machen. Zunächst wäre das eine „psychologisch“ nachvollziehbare persönliche Beleidigung. Dem jungen König Henry wird schließlich ein allzu jugendliches Gemüt – „you savour too much of your youth“ (1.2.250) – unterstellt, dessen Geist die Bälle eben gerade deswegen angemessen seien („meter for your spirit“, 1.2.254), entsprechend wird Henry noch jovial der Ratschlag erteilt, dass die große Politik sich nicht durch Gaillarde-Tänze machen ließe: „There’s naught in France / That can be with a nimble galliard won“ (1.2.251f.). Dieser vielleicht motivationspsychologisch zu nennende Ansatz besitzt einige Evidenz, er ist auch in der Forschung24 benannt worden und bräuchte hier eigentlich nicht weiter ausgeführt zu werden, wenn nicht einschränkend festzuhalten wäre, dass das spezifische Element des Geschenks, eben dass es sich um Tennisbälle handelt, dort (in der Forschung) durchgängig unberücksichtigt geblieben ist – denn eine allein auf Henrys Jugend abzielende Beleidigung hätte wie im Beispiel der Alexander-Anekdote auch jeder beliebige Spielball hervorrufen können. In diesem Sinne ist anzumerken, dass auch „psychologische“ Erklärungsansätze einer kausalen Begründung ihrer Ursachen bedürfen, die in diesem Fall im Bereich kultureller Konnotationen und Wertungen zu suchen ist. Ein zweiter Ansatz könnte nun daran anschließen, indem die möglicherweise unangemessene Konfrontation von Ernst und Humor als Auslöser verstanden wird. Diese in politischen Zusammenhängen einander unvereinbaren Gegensätze erzeugen ja erst den Spott, dem sich Henry vorübergehend ausgesetzt sieht. Zu der ernsten politischen Angelegenheit – eben den gestellten Territorialansprüchen – wird mit dem Geschenk von französischer Seite eine spöttische Gegenreaktion unternommen, ein „mock“, den Henry bei seiner Königswürde und offiziellen militärischen Führungsrolle keinesfalls als Spaß akzeptieren kann. Nach dem persönlichen Angriff, erfährt

23 Gillmeister 1990, S. 198. Die Redeweise „in France“ für „auf dem Tenniscourt“ führt dieses ressentimentgeladene Stereotyp zu einer identitären Gleichsetzung. 24 Er findet sich etwa bei John C. Bromley (The Shakespearean kings, 1971) oder Curtis Brown Watson im Zusammenhang mit dem Ehrbegriff der Renaissancezeit; vgl. Watson 1960, S. 408–409.

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also auch – um mit Ernst Kantorowicz zu sprechen – „the king’s second body“25 seine Beleidigung. Um dies wieder richtigzustellen, wird das spielerische Geschenk im Gegenzug, zunächst nur rhetorisch, dann praktisch, in Henrys Variante des „mock“ umgedeutet, nämlich in Geschütze, wenn die Bälle als Kanonenkugeln zurückgeschossen werden. In dieser verbalen Engführung deutet sich erneut der grundlegende und auch bis in unser Jahrtausend erhaltene Zusammenhang von Sport und Militär an – in der Sprache wie auch in der Praxis. Die sportliche Auseinandersetzung ist aus der militärischen hervorgegangen und dieser, mit abnehmender Tendenz, bis heute nachempfunden. Zahlreiche militärische Begriffe haben im Sport ihre Wiederaufnahme und Weiterverwendung erfahren. Hier die Genese des Tennisspiels nachzuzeichnen, bietet sich also bislang aus zwei Gründen an, zu denen noch zwei weitere hinzutreten, die in Bezug auf die Provokationsleistung einige Plausibilität versprechen. Zunächst wäre dies die Tennisgeschichte als eine Konkurrenzgeschichte, die sich über Jahrhunderte – wiederum bis zum heutigen Tag – zwischen England und Frankreich abspielt. Die Frage nach den Ursprüngen des Spiels wird dabei zur Herausstellung der eigenen Position unterschiedlich beantwortet, ist in jedem Fall aber Kristallisationspunkt eines brisanten nationalen Konflikts, an den sich auch weiterführende hegemoniale Interessen kultureller Art knüpfen. Schließlich wird sich über die Geschichte auch etwas über die Wertungen und kulturellen Valeurs herausfinden lassen, denen das Tennisspiel im Wandel der Jahrhunderte unterlag. Über den zeitgenössischen Hintergrund erschließt sich das Bild vom tennisspielenden Komödianten und „Möchtegern“, durch das Henry sein Königsamt nicht beeinflusst sehen will.

3 Die Geschichte des Tennis-Spiels Bis die heute als Tennis bekannte Sportart überhaupt Tennis genannt wurde, sind mindestens dreihundert Jahre vergangen. Die genauen Ursprünge lassen sich nicht zweifelsfrei klären, als gesichert gilt aber, dass es sich im frühen 13. Jahrhundert in Nordfrankreich als eigene Form des Ballspiels etablierte. Aus dem höfischen Turnier und der dort mitunter gepflegten Disziplin der Burgeroberung – dem späteren pas d’armes oder engl. passage of arms – entwickelte sich ein Spiel, das die Eroberung eines Burg- oder Stadttores symbolisch nachvollzog.26 Hier sind auch die Ursprünge des Fußballspiels zu vermuten, demgegenüber die Tennisvorläufer schon eine Schwundstufe markieren, denn von Anfang an sind diese Spiele auf Distanz ohne direkten Körperkontakt ausgekommen und damit weitaus weniger rabiat und martia-

25 Kantorowicz analysiert die Binarität des mittelalterlichen Königtums, das neben dem physischen Körper des Königs auch noch einen unsterblichen, transzendenten „body“ annimmt. Dabei nimmt er auch auf Shakespeare und dessen Historie Richard II. Bezug. Vgl. Kantorowicz 1990, S. 47–63. 26 Zum pas d’armes und die Verbindung zum späteren Tennis siehe Gillmeister 1990, S. 109ff.

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lisch gewesen als das noch heute ungleich härtere Fußball. Das ist auch ein möglicher Grund dafür, dass diese friedlicheren Tennisvorläufer im Rahmen höfischer Feste, etwa Hochzeiten, gepflegt wurde – und relativ früh von Frauen gespielt wurden27. Eine Transformierung erfuhr dieses erste Ur-Tennisspiel, indem es den Weg ins Kloster fand. Als quasi „kirchlich abgesegnete Form des mittelalterlichen Fußballspiels“28, machten vor allem Mönche und Klosterschüler Jagd auf die Tore, die sie in den Kreuzgängen zahlreich vorfanden. Von hier aus nahm das Spiel eine rasche Verbreitung und Weiterentwicklung: Zum einen über die Klostermauern hinaus zurück in die Sphäre des Hofes, wo nach dem Niedergang des ritterlichen Turnierwesens29 neue Formen der sportlichen Betätigung gesucht wurden, zum anderen fand es auch auf der Straße unter Bürgern und Bauern gut dokumentierten Anklang. Adlige Klosterschüler brachten das Spiel ihrer Lehrmeister in die Burgen und Schlösser und trugen so zu einer Popularisierung bei, die das Spiel über den nordfranzösischen Raum, die südlichen Niederlande und den französischsprachigen Teil Flanderns verbreitete. Zunächst firmierte das Spiel unter dem Namen cache (chasse), nach einer pikardischen Dialektvariante des lateinischen captiare für ‚jagen, fangen‘30. Das Spiel auf die Tore und Öffnungen des Kreuzganges erfolgte anfangs noch unter einer klaren Rollenfestlegung: es gab Angreifer und Verteidiger, wie es zahlreiche, stereotypisierende Darstellungen zeigen.31 Aufgabe des Angreifers war es folglich, den Ball mit der Hand in das Tor zu befördern, um einen Punkt zu erzielen, während der Verteidiger genau dieses zu verhindern suchte. In der Frühphase des Spiels wurde ein Ball aus Leder, der entweder mit Haaren, Wolle oder Spänen gefüllt war, mit der bloßen Hand gespielt. Erst später wurde etwa der Handschuhe für den Verteidiger eingeführt – noch viel später, erst zur Mitte des 16. Jahrhunderts, setzte sich der Schläger durch.32 Der Angreifer spielte zunächst den Ball auf oder an das Querdach, um den von dort zurückkommenden Ball

27 Als prominentestes Beispiel ist hier Margot von Hainault (geboren 1402) zu nennen, die um 1420 als erste Profispielerin Erwähnung findet. Sie spielte im Auftrag Philips III. von Burgund („der Gute“, 1396–1467) und absolvierte 1427 eine Tournee gegen Bezahlung, bei der sie gegen ihre männlichen Gegner stets siegreich war. Weiterführend Stemmler 1990, S. 19. 28 Gillmeister 1990, S. 162. 29 Vgl. Barber / Barker 2001, S. 127ff. 30 Vgl. das englische Verb ‚catch‘ und die Bezeichnung für das flandrische, noch heute praktizierte Kaatsen. 31 Die Darstellung zeigt Angreifer (links) und Verteidiger (rechts) in deutlich erkennbar verschiedenen Positionen. Oberhalb des Verteidigers die Luke und rundlaufend das Dach. 32 Zunächst spielte man mit Handschuhen, ab dem 15. Jahrhundert mit Schlägern aus massivem Holz, später mit ausgeschnittenen Schlagflächen, die mit Pergamentfänden bespannt waren, für die nicht selten Handschriften zweckentfremdet und damit zerstört wurden. Im 16. Jahrhundert ging man dazu über, Bespannungen aus Tierdärmen zu fertigen und diese senk- und waagerecht statt wie zuvor diagonal einzuziehen. Die Länge der Griffe variierte ähnlich wie die Formung des Schlägerkopfes. Der Schlägertyp richtete sich auch danach, ob Bälle aus Leder oder aus Tuch gespielt wurden.

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erst dann auf das Tor des Verteidigers weiterzuschlagen. Dieser konnte den Ball entweder aus der Luft heraus – als Volley – oder nach einmaligem Aufspringen zurückspielen. Dem Anspiel des Daches liegt möglicherweise ein ähnlicher Gedanke wie dem Anstoß beim Fußball zu Grunde, einer Form der indirekten Spieleröffnung, die den sofortigen Angriff und zu schnelle Punkte verhindern soll. Sprang der Ball zweimal auf der Seite des Verteidigers, wurde dort die sogenannte schasse gesetzt und der Angreifer durfte von dieser Position einen neuen Angriff auf das Tor unternehmen. Es galt für den Verteidiger also immer vor allem, den Ball so weit wie möglich vom Tor weg zu schlagen – dieses als „Herzstück des mittelalterlichen Tennisspiels“33 bezeichnete Phänomen der Schassenregel hatte dem Spiel neben dem körperlichen auch noch einen taktischen und damit intellektuellen Anspruch hinzugefügt, der anscheinend gerade den Mönchen gut gefiel. Der englische Sportkolumnist Geoffrey Green bezeichnete das mittelalterliche Tennisspiel wegen dieser strategischen Elemente nicht ganz unzutreffend als „chess in motion“34, wobei die Komplexität des Schachspiels sicher nirgends erreicht wurde; eher ähnelt es als Präzisionsspiel einigen Billard-Varianten. Gelang es dem Verteidiger indessen zweimal, den Angriff abzuwehren, konnte er seinerseits in die Rolle des Angreifers wechseln und so zu punkten versuchen. Matches wurden häufig in Mannschaften, etwa 3 gegen 3, ausgetragen und gespielt, bis eine Partei die festgelegten 4 oder 6 Spiele für sich entschieden hatte. Die heutigen „Sätze“ entsprechen einer Konvention, die erst im 19. Jahrhundert durchgesetzt wurde. Die genauen Zeitpunkte, zu denen verbindliche Regeln kodifiziert oder die typische Zählweise eingeführt wurden, lassen sich ebenso wenig mit Sicherheit bestimmen wie die genaue Verbreitung. Doch ist es anzunehmen, dass diese kurz skizzierte

33 Gillmeister 1986a, S. 65. 34 Green 1977, S. 12.

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Form des Spiels für Jahrhunderte Bestand hatte und sich verändernde Neuerungen nur über lange Entwicklungsprozesse durchsetzten. Diese fanden dann zumeist dort statt, wo es veränderte räumliche Gegebenheiten anboten oder sogar erforderlich machten, z.B. wo es Luken oder Löcher in den Wänden entweder anstatt oder neben den üblichen Toren gab. Neben den Kreuzanlagen von Klöstern wurden bald – dies ist ab der Mitte des 14. Jahrhunderts belegbar – als Spielorte in der höfischen Welt geeignete Plätze gesucht, die sich in rechteckigen Innenhöfen oder entwässerten Teilen von Burggräben finden ließen. Zugleich nahm diese Art des Ballspiels auch seinen Weg in die Dörfer und Städte, wo es von Bürgern verschiedenster Provenienz ausgeübt wurde – an Hauswänden, in engen Straßen oder mitunter auch auf Kirchhöfen. Im Artois sind bereits für das späte 13. Jahrhundert Marktplätze als beliebte Spielstätten nachweisbar, was darauf hindeutet, dass diese Form des Ballspiels früh Breitensportcharakter hatte. Dieser Spieltrieb des Volkes war einigen Herrschenden – anders als die Spielleidenschaft des Adels – ein Dorn im Auge. Schon im 14. Jh. finden sich zahlreiche Erlasse, die das Ballspiel einschränkten oder sogar unter Strafe stellten. Karl V. von Frankreich (1338–1380) erließ 1369 das Edikt zum Verbot des Ballspiels, da es, etwa im Unterschied zum Bogenschießen oder Fechten, keinem Waffengebrauch zur Verteidigung des Königreiches diene und zudem auch noch von der Arbeit abhalte.35 Ferner wurde die Verbindung des Ball- mit dem Wettspiel als problematisch angesehen. Die charakteristische Zählweise verdankt das Tennisspiel den Wetteinsätzen und dem dort platzierten gros denier tournois, dem großen Groschen von Tours, der sich in 4 kleinere Einheiten, den deniers, zu je 15 Pfennigen umrechnen ließ. Die Obergrenze 60 (soixante) basiert auf dem französischen partiellen Vigesimalsystem, das höhere Zahlen durch Kombination darstellt. Als Wett- und Glücksspiel bot Tennis Anlass für Streit und Raufereien und diente König Karl keinem erkennbaren Zweck. Zur gleichen Zeit erfreute sich das Spiel beim Adel großer Beliebtheit, wo sich dann auch die Bezeichnung jeu de paume – Spiel mit der Hand bzw. mit der Handinnenfläche nachweisen lässt. Den adligen Spielern und ihren Gönnern steht auch die Erfindung bzw. Entwicklung des Tenniscourts – allein diese bis heute geläufige Bezeichnung zeigt an, woher er stammt – zu verdanken, die ab dem 16. Jahrhundert als Neugründungen festzustellen sind. Im Zuge dessen erfuhr das Spiel auch grundlegende Veränderungen: die Torbögen waren endgültig zu Luken geschrumpft und auf den nun gefliesten Böden dürfte das Sprungverhalten der Bälle sich ebenso rapide verändert haben wie das Laufverhalten der Spieler. Auch die klaren Rollenmuster fanden hier ihre Auflösung, die beide Spieler gleichzeitig zu punktberechtigten Akteuren machte und der Rollenwechsel zwischen Angreifen und Verteidiger entfiel.

35 „[…] defend toutes sortes de dez, tables, tritac, paume, palet, boules, billes et autres jeux qui n’exercent point les hommes pour les rendre habiles au fait des armes.“ (Zitiert nach Rigaudière [Hrsg.] 1966, S. 97–161, hier S. 155.

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Festzuhalten ist also, dass es diese spezifizierte Form des Ballspiels zunächst in allen gesellschaftlichen Schichten gegeben hat und die Stilisierung zum „Spiel der Könige“ als royal bzw. real tennis im 19. Jahrhundert eindeutig als nachträgliche Konstruktionsleistung und wertstrategisches Wunscherzeugnis zu betrachten ist. Vielmehr zeigt die Geschichte einen Zweischritt an, der zunächst eine Demokratisierung des Spiels, dann aber eine Dichotomisierung von oben bedeutet, also die unterschiedliche Bewertung des Spiels nach sozialpragmatischen Kriterien, je nachdem, welcher gesellschaftlichen Schicht die Ausübenden entstammten, wo sie ihrem Spieltrieb nachgingen und damit letztlich, ob sie einen Akt legitimer (Spiel-)Kultur ausübten oder nicht.

4 Tennisgeschichte als Konfliktgeschichte: England vs. Frankreich Da die Bezeichnung Tennis für das Spiel zuerst in England auftauchte36 und es dort auch einige prägende Veränderungen erfuhr, während es in Frankreich weiter jeu de paume hieß, wurde die Erfindung des Tennis von den Engländern für sich in Anspruch genommen. Historisch betrachtet sind dies die einzigen, wohlgemerkt schwachen Argumente, den Anspruch auf die Urheberschaft zu begründen. Der lokale Ursprung lässt sich für Nordfrankreich zweifelsfrei nachweisen, und darüber hinaus gibt die Sprache des Tennisspiels mit Begriffen wie service, advantage, fault, point oder court unmissverständlich Aufschluss über ihre Herkunft. Auch die schwer erklärbaren Begriffe „deuce“ – für den Gleichstand bei 40 beide – und „love“ – der einzigartigen Bezeichnung für die Null – über die verstiegene Mutmaßungen angestellt wurden, lassen hinter den englischen Begriffsverzerrungen dennoch die französischen bzw. kontinentalen Ursprünge durchblicken. Das für den Einstand gebräuchliche „Deuce“ etwa leitet sich von der Feststellung her, dass beide Spieler zwei Punkte vom Spielgewinn entfernt sind: à deux du jeu.37 Im 14. Jahrhundert wurde Tennis – möglicherweise über den Vermittlungsweg Schottland38 in England zur Mode, fand dort aber keine mit Frankreich vergleichbare

36 Seit dem 14. Jh. in England nachweisbar – in Italien taucht um 1325 ein mit dem Wort „tenes“ bezeichnetes Spiel auf, das wahrscheinlich von französischen Rittern mitgebracht wurde. Der Name des Spiels geht auf den Ausruf zurück, mit dem der oder die Angreifer die Verteidiger dazu aufriefen, ihre Aufstellung einzunehmen. Im Turnier wurden die Mitglieder der verteidigenden Mannschaft mitunter als „tenants“ bezeichnet. Damit verweist das Wort Tennis nach Gillmeister, „in seiner tiefsten Bedeutungsschicht […] auf sein gedankliches Vorbild im Mittelalter, die ritterliche Turnierdisziplin des pas d’armes.“ (Gillmeister 1986a, S. 164.) 37 Vgl. Gillmeister 1990, S. 166–167. 38 Die kulturellen Beziehungen zwischen Frankreich und Schottland waren unter dem schottischen König Alexander III. (1241–1286) stark ausgeprägt, da seine Mutter Marie de Coucy (1218–1285) Französin und seit 1239 mit Alexander II. verheiratet war.

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Verbreitung. England blieb trotz vieler Gegenbehauptungen bis ins 16. Jahrhundert hinein „Tennisprovinz“39, was sich auch in Zahlen gut nachvollziehen lässt. Sir Robert Dallington stellt 1598 die Vermutung an, dass in Frankreich mehr Tennis gespielt werde als im Rest Europas.40 Es wird angenommen, dass Ende des 16. Jahrhunderts jede französische Stadt über 1 oder 2 Spielstätten verfügte, Zentren wie Orléans etwa über 60 und Paris über mehrere Hundert. Die Schätzungen gehen dabei weit auseinander, die Zahlen bewegen sich zwischen 250 und 1800 Plätzen.41 Welcher Wert auch eher der Wirklichkeit entsprochen haben mag – im Vergleich dazu hatte London 1620 nachweisbare 14 Plätze – ebenso viele in Oxford und Cambridge! Die studentische Begeisterung jedoch war in beiden Reichen groß. So groß sogar, dass es Francois Rabelais wert schien, seinen Helden Pantagruel auf der großen Tour im 1. Buch seines Romans feststellen zu lassen, dass sowohl die Studenten als auch ihre Professoren mehr spielen als studieren und ihnen einen satirischen Wahlspruch verpasst: „Un esteuf en la braguette, / En la main une raquette, / Une loy en la cornette; / Une base danse au talon – / Vous voylà passé coquillon.“42 Im Übergang vom 16. zum 17. Jahrhundert – die Hochphase zwischen 1550 und 1600 – lässt sich im florierenden Frankreich ein „goldenes Zeitalter“43 des Tennisspiels erblicken. Es entstehen Ballhäuser, die zunächst eigens für das Ballspiel vorgesehen sind – die später darin veranstalteten Tanzabende waren eindeutig Zweckentfremdungen, die möglich wurden, als das jeu de paume im Niedergang begriffen war, der bald als Folge der Übersättigung eintrat. In seiner Hochphase stellt das Spiel mit zahlreichen Produkten und Dienstleistungen einen ebenso wirtschaftlich wie kulturell bedeutenden Faktor vor allem in der französischen Hauptstadt dar. Dort hatte die Gilde der paumiers, also all derjenigen, die Bälle, Handschuhe oder Schläger herstellten, bis ins 13. Jh. zurückgehende Tradition, wo sie ursprünglich zu den Bürsten-

39 Gillmeister 1986a, S. 62. 40 Stemmler 1990, S. 58. 41 Stemmler 1990, S. 34. 42 Vgl. Rabelais (Hg. Scheler / Boulenger), S. 190. Übertragung etwa: „Einen Tennisball in der Tasche / In der Hand ein Racket / Ein Gesetz unterm Talar/ Einen Tanz in den Beinen / Und schon habt Ihr den Doktorhut.“ (Übersetzung N.P.) – Dass Tennis als akademisches Problem nicht unüblich war, illustriert der Fall eines Oxforder Professors, der 1492 wegen seiner Spielleidenschaft zu spät in die Kirche kam und später vorzeitig aus dem Dienst „ausschied“. Dazu Gillmeister 1990. – Vergleichbares kritisiert auch Johann Geiler von Kaysersberg (1445–1510), der seinen Studiernarren vorhält, dass diese sich mehr mit „balschlagen, fechten, tanzen und springen“ als dem Erwerb von Wissen und Weisheit im Studium der artes beschäftigen. Von Spil-Narren erwähnt zudem „das spiel der offnen rauß und schantzen“, eine Konzeption, die dem damaligen Tennis mit Luken („offnen“) und Schassen („schantzen“) entsprechen könnte Vgl. S. CLIX (paginiert als S. 151). Neuere ließen sich nicht ausmachen. Lorenzis Ausgabe von 1881 stellt nur eine Auswahl dar, zudem übersetzt er ins Neuhochdeutsche. 43 Stemmler 1990, S. 20.

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machern gehörten.44 Im 16. Jh. gab es klar verbriefte, äußerst anspruchsvolle Ausbildungsvorschriften und schließlich auch die höchste Klasse der professionellen maîtres paumiers. Lehrmeister waren ebenso gefragt und gut bezahlt wie ihre zahlreichen Lehrbücher und Ratgeber.45 Schätzungen nach lebten um 1600 ca. 7000 Menschen46 – bei einer wegen des rapiden Bevölkerungsanstiegs schwer zu schätzende Gesamteinwohnerzahl von 300–400000 – in Paris vom jeu de paume, wobei täglich Tausende Franc verwettet wurden. Letzteres trug maßgeblich dazu bei, dass das Tennisspiel zunehmend schlechter beleumundet wurde und auf eine Stufe mit anderen Glücksspielen hinabsank – was etwa darin nachvollziehbar ist, dass Platzlizenzen mit Glücksspiellizenzen vergeben wurden. Vor allem in England nahm diese Kritik unter einem aufkommenden Puritanismus rasch zu, so dass Tennis etwa neben Fechten, Tanzen und Flirten (!) als Ausdruck typisch französischer Galan(t)erie galt und als reines Gauner- und Betrügerspiel bald vehement abgelehnt wurde.47 Auch in Frankreich setzte aber im Verlauf des 17. Jahrhunderts ein Niedergang ein, der sich neben der Anrüchigkeit auch über die oft uneindeutigen, variierenden Regeln und Spielplätze begründete.48

44 Wenn Stephen Greenblatt mit seiner Darstellung den ‚richtigen’ Shakespeare getroffen hat, dann war sein Vater John Shakespeare von Beruf Handschuhmacher, der mit Leder und illegalerweise auch Wolle arbeitete – und damit womöglich auch einmal Equipment für Tennisspieler in Auftrag bekam. Vgl. Greenblatt 2004, S. 54. 45 Aus dieser Zeit stammen die großen Lehrwerke Antonio Scainos (1524–1612, Trattato del giuco della palla, 1555), der u.a. Alexander den Großen und Julius Cäsar als große Ballspieler erwähnt und den Sport als seit jeher königlich herauszustellen versucht. 46 Neben den Paumiers waren dies Spieler, Trainer, Schieds- und Linienrichter, Platzwarte und jene, die beim Wetten erfolgreich waren. 47 Stemmler 1990, S. 59–60. 48 In Zeiten des Rokoko erfreute sich das Spiel de longue paume im Freien neben Ballet, Maskenspiel und Theater noch einer gewissen Beleibtheit, mit der französischen Revolution und der Liquidation des Adels verschwand das Spiel dann nahezu vollständig. In England gab es einen langsamen, aber kontinuierlichen Aufschwung, der von den Landsitzen des Adels seinen Ausgang nahm und im 19. Jahrhundert schließlich das begründete, was wir heute überall auf der Welt als Tennis verfolgen können. Dieses von Major Wingfield patentierte lawn tennis, das zunächst Sphairistiké hieß, entwickelte sich in Abgrenzung zum real bzw. royal tennis, das noch heute in der Tradition des jeu de paume steht. – Deutschland ist im Vergleich zu den großen Tennisnationen durch die Jahrhunderte randständig gewesen und auch das Tennis in Deutschland war es. Zwar gab es auch hier zahlreiche imposante Ballhäuser und spielfreudige Ritterakademien, aber Breitenwirkung entfalten konnte Tennis bis ins späte 19. Jahrhundert nicht. Es firmierte meist unter der Bezeichnung Ball- oder Ballenspiel, während sich Tennis oder Jeu de Paume nicht durchsetzen konnten. Deutlich wird diese sprachpuristische Ablehnung bis zum Deutschen Wörterbuch der Brüder Grimm, in dem sich keinerlei Einträge zu Begriffsbildungen mit „Tennis“ finden. So wird es auch verständlich, dass August Wilhelm Schlegel in seiner Erstübersetzung von 1801 in Unkenntnis der Materie aus den ihm unbekannten „tennis balls“ kurzerhand „Federbälle“ werden ließ.

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5 Tennis in Komödien des Elisabethanischen Zeitalters Wie eingangs bereits erwähnt wurde, besaßen die Komödiendichter der Elisabethanischen Epoche eine ausgesprochene Vorliebe für Bilder und Vergleiche aus dem Bereich des Tennisspiels. Unter den Zeitgenossen Shakespeares sind hier allein für das Jahr 1599 Georg Chapmans A Humorous Days Mirth und Henry Porters The Pleasant Historie of the two angrie women of Abington, das am Beispiel eines „matchs“ Heirat und den sportlichen Wettkampf engführt, zu nennen. Desweiteren Ben Jonsons Stücke Cynthia’s Revels (1600) und Episcence or the silent woman (1609/10) sowie dessen Gemeinschaftsproduktion mit George Chapman und John Marston Eastward Ho (1605), einer der populärsten englischen Renaissancekomödien. Dieses Stück zeigt einen besorgten Meister Touchstone, dessen Geselle Quicksilver Tennis spielt, schlechten Umgang hat und schließlich im Gefängnis endet. In diese Reihe gehört schließlich auch John Websters The White Devil (1609/12), das den Verschwörer Lodovico lange räsonieren lässt, wie und wo er den Herzog von Florenz ermorden könne: auf dem Tennisplatz mittels eines vergifteten Schlägergriffs, wo sich der Herzog zudem noch in die Hölle fluchen könne.49 Das Bild, das diese Stücke vom Tennisspieler entwerfen, ist stets ähnlich: Leichtlebige und unehrliche Charaktere, die statt auf Arbeit auf Glücksspiel setzen, gute Beziehungen zur Mafia pflegen und dem angemessen auch ins Gefängnis wandern. Die genaue Analyse würde es noch deutlicher machen: Das, was dort mit Raketts und Bällen zusammengebracht wird, ist eines Königs in jeder Hinsicht nicht würdig.50 Davon ausgehend konfrontiert Shakespeares Szene die veritable Figur des Königs, der seine ausschweifende Jugend überwunden wissen will, und die ernsthaften historischen Ereignisse mit Attributen der „niederen“ Charaktere wie sie die Komödie zeigt. Genau ein solches Bild eines „niederen“ Charakters will der Dauphin von Henry ver-

49 Vgl. Webster 1927, S. 128: „Or th’e handle of his racket, – o that, that! / That while he had beenbandying at tennis, / He might have sworn himself to hell, and struck / His soul into the hazard! O my lord!”. Auch in dem 1612/13 entstandenen Stück The Duchess of Malfi, einer Jacobean tragedy, greift Webster eine Tennismetapher auf: ‘We are merely the stars’ tennis balls, struck and bandied which way please them’ (V, iv, 52). Eine Formulierung die bei Stephen Fry als Romantitel (The Star’s Tennis Balls, 2001) wieder aufgenommen wird. An dieser Stelle danke ich Mark Hall für den Hinweis auf Websters Duchess. Angekündigt, aber bis heute nicht erschienen ist ein Tagungsband The Tennis Metaphor in Renaissance and Stuart Political Poems, der die ‘Proceedings of the Medieval and Renaissance Athletes and Athletics Conference’ dokumentieren sollte, die im Juni 2004 am Centre for Reformation and Renaissance Studies in Toronto stattfand. 50 Es ist damit anzunehmen, dass Shakespeare mit seinen Tennisbällen – ebenso mit der Wahl der Raketts – und ihrem Provokationsgehalt einen Anachronismus begangen hat – beides sind Phänomene, die dem Jahr 1600 entsprechen, weniger aber dem 1415 der Dramenhandlung.

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mitteln, indem er ihm die entsprechenden Attribute als „passendes“ Geschenk vermacht. Als Spieler, Tänzer und Galan, der seiner Aufgabe nicht gewachsen ist. Aus dieser Geringschätzung heraus ergeht die Provokation, Henry in einen Krieg zu verwickeln. Der Dauphin glaubt nämlich nicht, dass England unter Henrys Führung ein ernst zu nehmender Gegner ist. Doch genau dafür will Henry den Gegenbeweis erbringen. Er will zeigen, dass er seiner Rolle gerecht werden kann und kein leichtlebiger Hasardeur mehr ist. Das Ballgeschenk funktioniert hier als Fürstenspiegel, der Henry eine implizite Kritik formuliert, die er versteht, reflektiert und ihn zum Handeln animiert. Deutlich wird dieser Überwindungswille Henrys auch an anderer Stelle, wenn er seine ehemaligen Spiel- und Trinkgefährten endgültig verbannt. Der einst beliebte Ritter John Falstaff ist bereits in Ungnade gefallen und gehört nicht länger zu Henrys Armee. Sein Sterben wird lediglich in der Rahmenhandlung erwähnt – als Figur auftreten darf er nicht mehr. Auch dem ehemaligen Zechkumpanen Bardolph ergeht es schlecht; er wandert wegen Diebstahls an den Galgen. Diese marginal scheinenden Nebenhandlungen verdeutlichen Henrys Drang, einerseits mit seiner Vergangenheit abzuschließen, andererseits aber auch den erfolgreichen Versuch, alle Komödianten51 von der Bühne zu vertreiben. Es ist in diesem Zusammenhang daher anzunehmen, dass Shakespeare in den Tennisbällen eine Anspielung auf ein Motiv aus der Komödie beabsichtigt hat, dessen spöttischer Gehalt von Henry bewältigt werden muss, indem er es zunächst ins Militärisch-Ernste umdeutet und schließlich auch den impliziten Vorwurf, kein fähiger König und Feldherr zu sein, mit seinem Sieg bei Agincourt entkräftet. Der Schluss des Dramas zeigt dann die glückende Synthese von Ernst und Komik: Ertragbar wird die Komödie und das humorvolle Spiel nämlich erst für denjenigen, der vor aller Augen bewiesen hat, dass er kein Clown und Scharlatan ist. Die komödiantische Brautwerbungsszene in 5.2 korrespondiert dabei mit der Provokationsszene 1.2. Das Wort „mock“ taucht im gesamten Stück fünfzehnmal auf – allein fünfmal in der eingangs zitierten Passage. Die Bedeutung wird dabei stets variiert und gibt damit ein eindrucksvolles Beispiel einer Antanaklase52 ab. Henrys „mocks“ zielen dabei auf Vorgänge des Tötens und Zerstörens ab und imaginieren mögliche Effekte des militärischen Angriffs auf Frankreich. Im Schlussakt ist im Rahmen des Verwirrspiels zwischen Henry und Kate zweimal von „mock“ die Rede – „But good Kate, mock me mercifully“ (5.2.184) – die hier im leichten Spiel der „mockery“ harmlos spottend keinen Schaden anrichten können – in der Liebe gelten andere Regeln, und damit auch Rollen, als im Krieg.

51 Der als Komödiant Sir John Falstaff in Henry IV. beliebt geworden und in The Merry Wives of Windsor (1597) abermals aufgetaucht war, verkörpert all das, was Henry überwinden will – und in den Tennisbällen wieder auftaucht. 52 Ähnlich auch: Anaklasis. Das $nˇ- macht den distributiven Charakter der rhetorischen Figur noch deutlicher, dessen altgriechische präpositionale Verwendung auf ein „je“ hindeutet, also eine verschiedenseitige Verteilung.

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Aus dieser Konfrontation anfänglich unvereinbarer Bedeutungsgehalte ergibt sich der provokationsgeleitete Handlungsanstoß und eröffnet zugleich ein das gesamte Stück durchwaltendes Prinzip der Ambivalenz, das erst in der Schlussszene seine glückliche Symbiose findet. Davor betreibt das Stück einen beständigen Wechsel zwischen unterschiedlichen landes- und sozialsprachlichen Valeurs – zwischen Englisch und Französisch, zwischen Hochsprache und Dia- bzw. Soziolekten, einen Wechsel der Stilebenen – zwischen komödiantischen und tragödischen Szenen – und zwischen den zwei Gesichtern der Hauptfigur Henry, der janusköpfig in eine wenig ruhmvolle Vergangenheit zurückblickt, zugleich aber die glänzende Zukunft als Herrscher über Frankreich und Gemahl der Königstochter vor Augen hat. Die Grenze zwischen Tragödie und Komödie ist am Ende weiterhin durchlässig, doch nun muss Henry nicht mehr fürchten, ganz auf die eine Seite gezogen zu werden und zur komischen Figur herabzusinken, da er sich auf der anderen Seite als würdig erwiesen hat.53 Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass das Ballgeschenk eine zweifache Funktion erfüllt: Es dynamisiert zunächst die Dramenhandlung, indem es einen geeigneten Vorwand bietet, sofort zu den Waffen zu rufen und Krieg zu führen. Zum anderen sind die Bälle Zeichenträger, deren Mehrdeutigkeit eine metaphorische Umdeutung möglich macht und in diesem Zugleich ein entscheidendes Strukturprinzip des Dramas einführt. Wie es der vor dem ersten Akt auftretende Chor bereits verkündet hatte, ist das Theater immer dazu verdammt, große Dinge ins „cockpit“ (1.0.11), die als Hahnengrube imaginierte Bühne, zu überführen und dabei von der Kunst der Reduktion Gebrauch zu machen, die das Stück durch eben diesen Chor selbstreflexiv antizipiert. „Suppose“ (1.0.19) heißt es zu Beginn: „Denkt euch im Gürtel dieser Mauern nun / Zwei mächt’ge Monarchien eingeschlossen“ (Schlegel, S. 12). Wer einen solchen Appel an den Gutwillen des Zuschauers voranschickt, der wird sich die gelungene Allegorie mit den Tennisbällen nicht entgehen lassen, den großen historischen Konflikt – gewissermaßen in ballo – zu verknappen.

Literatur Quellen Anonymous (1962): The Bataile of Agyncourt. In: Bullough, Geoffrey: Narrative and dramatic sources of Shakespeare. Bd. IV. Later English history plays: King John, Henry IV, Henry V, Henry VIII. London. Anonymous (1961): The Second Shepherds’ Play. In: The Wakefield mystery plays. Hg. Martial Rose. London, S. 178–199.

53 In diesem Verfahren der beständigen Wechsel mag man schließlich eine strukturanaloge Nachgestaltung des spielerischen Hin und Her des Tennis erkennen, aber vielleicht wird damit der Bogen auch überspannt.

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„Var tala. mart um glímur“ – Ringkampf im alten Island 1 Einführung Der Ringkampf ist eine Konstante der menschlichen Kultur. Nicht nur als letztes Mittel kriegerischer Auseinandersetzung, auch als agonales Spiel und sportlicher Wettkampf findet er sich auf der ganzen Welt und zu allen Zeiten. Während Kinder „instinktiv“, ohne formal definierte Regeln miteinander ringen, ordnen Erwachsene das freundschaftliche Ringen festen Reglements unter, um es vom ernsthaften Nahkampf abzugrenzen, Verletzungsgefahren zu minimieren und Eskalationen zu vermeiden.1 Neben Kampfsystemen für den Ernstfall entstanden auf diese Weise unterschiedliche Formate ringerischen Wettkampfs. Die Techniken solchen Wettkampfs lassen sich schon im alten Ägypten nachweisen,2 und seit mindestens 704 v. Chr. ist er als olympische Disziplin Teil der europäischen Sportgeschichte. Bis heute erfreut sich der sportliche Ringkampf großer Beliebtheit, sei es als Sumo in Japan, als Ölringen Yag˘lı Güre¸s in der Türkei oder in unzähligen weiteren, meist regionalen bzw. nationalen Stilen. Im Gegensatz zu den heute am weitesten verbreiteten Formaten (GriechischRömisch, Freistil und Judo) ist es seit dem Mittelalter typisch für die sportlichen Ringkampfstile Mittel- und Nordeuropas, sich auf den Kampf im Stand zu fokussieren. Hier ist ein Durchgang beendet, sobald einer der Kontrahenten am Boden landet. Das galt für das gesellige Ringen, das Fabian von Auerswald 1539 beschrieb, und gilt auch für das gegenwärtig praktizierte Schwingen der Schweizer oder das bretonische Gouren. Dieser Richtung lässt sich auch die Glíma3 zuordnen, die heute auf Island unter der Obhut des nationalen Glíma-Verbandes betrieben wird.

1 1 Z.B. im bedeutenden deutschen Ringkampfbuch Ringer kunst des Fabian von Auerswald von 1539, das schmerzhafte Techniken zwar zeigt, aber als „nicht Geselliglich“ bezeichnet. [Welle 1993, S. 166.] Oder im modernen Judo, das besonders verletzungsträchtige Methoden des älteren japanischen Ju Jutsu verwarf. 2 Auf den Grabmalereien von Beni Hassan, um 2000 v. Chr. 3 Die Etymologie des Wortes glíma, das in dieser Bedeutung nur im Isländischen und Färöischen vorkommt, ist nicht endgültig geklärt. Brøndum-Nielsen (1924, S. 460 u. 461) leitet es von einer germanischen Wurzel gli her, die die Bedeutung glänzen, scheinen trägt (vgl. glimmen im Deutschen) und auf die raschen, „blitzartigen“ Bewegungen der Ringkämpfer verweisen soll. Ásgeir Blöndal Magnússon stimmt der Ableitung grundsätzlich zu, nimmt aber noch eine zwischengeschaltete Bedeutungsebene an, die den Wortsinn von leuchten hin zu erfreuen, Spaß machen verschiebt (in: Einarsson 2006, S. 98); Liebermann (1996, S. 89) geht von einer Bedeutung to pull or push aside; cast a sideways look aus.

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Den Ringkampf hat es auf Island seit dem Mittelalter kontinuierlich gegeben, wie Belege aus verschiedenen Jahrhunderten zeigen – z.B. die auf Papier geschriebenen, siegbringenden Zauberzeichen, die in der Neuzeit zur Glíma in die Schuhe gelegt wurden.4 Ob man daraus eine intakte Traditionslinie rein isländischer Ringkampfmethoden und Reglements vom Mittelalter bis in die Gegenwart ableiten darf, oder ob immer wieder Techniken und Reglements ausländischer Ringkampfstile importiert wurden, sei dahingestellt. Im Folgenden wird beschrieben werden, wie die altisländische Literatur den Ringkampf darstellt. Nicht in allen Fällen ist es ihr an Realismus gelegen; im Überblick der Darstellungen, die als realistisch gewertet werden können, wird in einem zweiten Schritt skizziert werden, wie der Ringkampf im isländischen Mittelalter ausgesehen haben könnte. Zuletzt soll gezeigt werden, wie man das Wissen über den Ringkampf zu narrativen Zwecken einsetzte.

2 Vier Typen des erzählten Ringkampfs Eine vergleichbare Beschreibung des Ringkampfes steht bisher aus, obwohl er ein häufiges Motiv in der altisländischen Literatur darstellt. Die umfangreichste Abhandlung zum Thema findet sich in ?órsteinn Einarssons Próun glímu í íslensku pjódlífi [2006].5 Allerdings war Einarsson kein Literaturwissenschaftler, und sein Zugriff ist ein sportgeschichtlicher. Zudem ist sein Buch postum erschienen, als Zusammenstellung verschiedener Aufzeichnungen unterschiedlichen Alters, was bisweilen Überschneidungen, Auslassungen oder Widersprüche mit sich bringt. Dass das Buch außerhalb Islands kaum rezipiert wurde, mag am Fehlen von Übersetzungen in leichter zugängliche Sprachen liegen. Dem mittelalterlichen isländischen Ringkampf (bzw. dem, was man sich darunter vorstellt) wurde außerhalb akademischer Kreise – besonders innerhalb neuheidnisch orientierter Teile der Mittelalterszene – europaweit Aufmerksamkeit zuteil, die Materialfülle und Genauigkeit Einarssons bleiben aber unerreicht.6

Im Mittelalter steht glíma synonym neben anderen Bezeichnungen des Ringkampfs; eine Bedeutungsnuance in Richtung geselliges Ringen scheint zu bestehen (Einarsson 2006, S. 68), lässt sich aber nicht stringent nachweisen. 4 Zu sehen unter URL: http://www.vestfirdir.is/galdrasyning/german/G-magical_staves2.php#Ginfaxi [letzter Zugriff 01. 02. 2013]. 5 Ein Artikel zum Buch unter URL: http://www.mbl.is/greinasafn/grein/1077282/ [letzter Zugriff 01. 02. 2013]. Ältere Untersuchungen zum Thema finden sich z.B. bei Í@róttasamband Íslands [1916, S. 1–18] und Björn Bjarnason (1905). 6 Vgl. Bartel 2009.

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Einarsson beginnt seine Untersuchung der mittelalterlichen Vorläufer der heutigen Glíma bei der Finnboga saga; es soll ihm hier gleichgetan werden. Die wohl im 14. Jahrhundert entstandene Finnboga saga zeichnet sich durch ihr großes Interesse am Ringkampf aus. Sie verfügt nicht nur über eine Reihe sehr unterschiedlicher Ringkampfszenen, sondern eignet sich auch zu einer Unterteilung derselben in vier Typen, die sich im Weiteren auf die Gesamtheit altnordischer Ringkampfbeschreibungen (und evtl. auch darüber hinaus, das bliebe zu prüfen) anwenden lässt. Diese vier Typen lassen sich im Überblick wie folgt darstellen: I. II. III. IV.

Ringkampf des Helden gegen das Monster („mythisches Ringen“) Ringkampf aus Lust an der Gewalt („gladiatorisches Ringen“) Ringkampf als Teil gewalttätiger Auseinandersetzungen („Ringen im Ernst“) Ringkampf als Sport („geselliges Ringen“)

Natürlich gibt es in diesem Raster Unschärfen und Überschneidungen, dennoch bleibt es hilfreich zu einer ersten Verortung der relevanten Szenen. Im Folgenden sollen die einzelnen Typen genauer erläutert werden. Dies geschieht jeweils zuerst anhand einer Szene aus der Finnboga saga, die dann durch weitere Beispiele ergänzt wird. Wie dabei gezeigt werden wird, sind Typus I und II im Phantastischen beheimatet, während III und IV sich um Realismus bemühen. Bemerkenswert ist, dass ein einzelner Text alle vier Typen beinhalten kann.

2.1 Mythisches Ringen: Der Held gegen das Monster Eines Winters, so die Finnboga saga, stiftet ein Bär in Halogaland Unruhe. Er tötet Menschen und Vieh und erwehrt sich hartnäckig aller Versuche, ihn zu stellen. Finnbogi schleicht alleine los, um ihn auf eigene Faust zu erlegen. Die Begegnung der beiden ist kurios: Der Bär (der offensichtlich die menschliche Sprache versteht, also mehr Unhold als Tier ist) weigert sich so lange, gegen Finnbogi zu kämpfen, bis sich dieser Stück für Stück seiner Waffen entledigt hat, zuerst des Helms und des Schildes, dann sogar des Schwertes. Es bedarf noch einiger Beleidigungen durch Finnbogi, bis der Bär sich schließlich erhebt und auf einen Ringkampf einlässt: Björninn stó. upp og byrsti sig og ger.ist mjög ófr)nlegur, hljóp a. Finnboga og færir upp hramminn og ætlar a. ljósta hann me.. Og í @ví er hann hefir sig upp til hleypur Finnbogi undir hann framan. ?eir gangast a. lengi og gengur upp fyrir @eim flest @a. er fyrir @eirra fótagangi var.. Tra.ki. var. miki. og var. sú endalykt a. hann gengur björninn á bak aftur og braut í sundur hrygginn í honum […]. [Finnboga saga ramma, Kap. 11, S. 637. „Der Bär stand auf, tat verärgert und gebärdete sich sehr mürrisch. Er sprang auf Finnbogi zu, hebt die Tatze und will ihn damit schlagen. Und wie er sich aufrichtet, springt Finnbogi nach vorn und dicht an ihn heran. Sie kämpfen lange miteinander

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und zerwühlten den Boden, wohin ihre Füße traten. Sie hinterließen tiefe Spuren, und es endete damit, dass er den Bären von hinten packte und ihm das Rückgrat zerbrach […].“]7

Die Vorgehensweise Finnbogis gegen den Bären ist paradigmatisch für das, was hier als „mythisches Ringen“ gefasst werden soll. In klarer Rollenverteilung Gut gegen Böse tritt der übermenschlich starke Held gegen den monströsen Unhold an. Dabei siegt er nicht durch den Einsatz ausgefeilter ringerischer Technik, sondern durch reine Körperkraft; in unserem Beispiel durch das Brechen des Rückgrats. Der mythische Held beweist gerade durch den Verzicht auf technische Tricks die Vollkommenheit seiner Macht. Er lässt seinen Körper selbst zur Waffe werden (Finnbogis Niederlegen von Rüstung und Schwert macht es deutlich) und bricht den Widerstand des Feindes mit der schieren Gewalt dieser Waffe. Im Rückgriff auf die Sofsky’sche Körper(aktiv)-Leib(passiv)-Dichotomie8 lässt sich sagen: Physis und Individuum werden im Moment des Sieges völlig eins; in diesem Augenblick ist der Held zur Gänze Körper, d.h. in seiner Macht handelnd, während der Unhold zur Gänze Leib ist, d.h. die Verletzung und Tötung erleidend. Typisch für den mythischen Ringkampf ist, dass die tödliche Verletzung nicht mittelbar (z.B. durch einen Sturz, also den Boden) geschieht, sondern durch die Kraft des Helden direkt herbeigeführt wird: Der Unhold wird zerbrochen, zerrissen, erwürgt oder dergleichen. Finnbogi demonstriert dies noch zwei weitere Male in der Saga; zuerst und „in Reinform“ in seinem Kampf gegen den Mörder seiner Söhne, ?orvaldr Mo.skegg. ?orvaldr wird mit den typischen, nicht-menschlichen Attributen belegt: „ertu hinn versti ma.ur sem sagt er og eigi einhamur og ertu tröll @ó a. @ú s)nist ma.ur“ [Finnboga saga ramma, Kap. 29, S. 651; „Du bist der übelste Mann, wie es heißt, und wandelst deine Gestalt, und du bist ein Troll, auch wenn du wie ein Mensch erscheinst.“]. Die Auseinandersetzung der beiden wird als lang und heftig beschrieben, technische Einzelheiten werden nicht genannt. Als es Finnbogi schließlich gelingt, seinen Kontrahenten unter sich zu zwingen, ist er so geschwächt, dass er sein Schwert nicht mehr zu heben vermag, und er beißt ?orvaldr die Kehle durch [Finnboga saga ramma, Kap. 29, S. 651]. Ähnlich verfährt er in seinem letzten Ringkampf, den er gegen den Meuchelmörder ?orbjörn Sleggja austrägt. ?orbjörn wird beschrieben als „bæ.i mikill og sterklegur, svartur og heldur illmannlegur“ [Finnboga saga ramma, Kap. 40, S. 666; „sowohl groß als auch stark, dunkel und von ziemlich bösartigem Aussehen“], dem Finnbogi scheint er als „hi. mesta tröllmenni“ [Finnboga saga ramma, Kap. 40, S. 668; „der größte Trollmann“]. Die Auseinandersetzung endet damit, dass Finnbogi, der sich des Sieges ob der Kraft seines Gegners keineswegs sicher ist, dem ?orbjörn die Kehle durchbeißt und den Kopf nach hinten presst, bis das Rückgrat bricht. Den eigentlichen Todes-

7 Die Schreibweise der altnordischen Zitate richtet sich nach der jeweiligen Ausgabe, lediglich im Falle der Jónsbók wurde eine weitere Normalisierung vorgenommen. Übersetzungen von S.W. 8 Vgl. Sofsky 1996, S. 31.

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stoß setzt er dann allerdings mit seinem Messer [Finnboga saga ramma, Kap. 40, S. 668]. Es sind larger-than-life-Helden, Heroen, die auf diese Art ringen, bzw. Protagonisten, die ihren Anspruch auf den Heroenstatus derart anmelden. Grettirs Kampf gegen den Wiedergänger Glámr, oft in Beziehung zum Beowulf-Epos gebracht,9 trägt wesentliche Züge des mythischen Ringkampfs. Zwar wird Glámr zuletzt mit dem Schwert enthauptet, auch ändert Grettir plötzlich die Richtung seiner Kraft, um den Unhold zu Fall zu bringen, was als taktisches Manöver gewertet werden kann. Aber der Kampf selbst, ein Zerren und Reißen der beiden aneinander, ist als furchtbarer Widerstreit körperlicher Kräfte konzipiert. Die Wortwahl der Saga vermittelt das Bild von Kraft gegen Kraft eindrücklich. Von ringkämpferischen Finessen, wie wir ihnen später begegnen werden, ist keine Rede: En @rællinn lag.i a. handleggjum Grettis svo fast a. hann hörfa.i allur fyrir orku sakir. […] Vildi Glámur leita út en Grettir fær.i vi. fætur hvar sem hann mátti en @ó gat Glámur dregi. hann fram úr skálanum. Áttu @eir @á allhar.a sókn […] hann hleypur sem har.ast […]. [Grettis saga, Kap. 35, S. 1010. „Der Knecht aber ergriff Grettirs Arme so fest, dass der dieser Gewalt völlig nachgeben musste. […] Glámr wollte ihn hinauszerren, Grettir stemmte aber seine Füße gegen alles, was er erreichen konnte. Dennoch gelang es Glámr, ihn aus der Stube zu zerren, und sie kämpften aufs Härteste miteinander […] er sprang, so gewaltig er konnte […].“]

Was in Reichweite der Kontrahenten liegt, wird bei diesem Kampf vernichtet: „Gengu @á frá stokkarnir og allt brotna.i @a. sem fyrir var.. […] dyri. og rjáfri. gekk í sundur, bæ.i vi.irnir og @ekjan frerin […]“ [Grettis saga, Kap. 35, S. 1010; „Die Pfosten wurden ausgerissen, und alles zerbrach, was ihnen im Wege war […] und die Decke ging entzwei, sowohl das Gebälk als auch die gefrorenen Rasenstücke darauf […]“]. Dass Grettir zuletzt sein Schwert benötigt, um Glámr endgültig den Garaus zu machen, mag an dem furchteinflößenden Blick in die Augen des Untoten und an dessen Fluch liegen. Grettir wird hier der letzte Schritt zur Übermenschlichkeit des mythischen Ringers verwehrt: „@ví má eg rá.a a. @ú ver.ur aldrei sterkari en nú ertu“ [Grettis saga, Kap. 35, S. 1010; „dafür kann ich sorgen, dass du nie stärker wirst, als du jetzt bist“]. Wie Pálsson und Edwards bemerkten: „[…] in Grettir’s Saga, the protean enemy is used to explore and reveal the hero’s limitations. Without these confrontations the hero can easily grow into a superhero and thus lose his esentially human qualities.10“ Dieses letzte fehlende Quentchen heldenhafter Eignung, das Grettir von Finnbogi unterscheidet, zeigt sich bereits vorher, bei Grettirs Kampf gegen einen Bären. Ungleich Finnbogi braucht er eine Waffe, um das Untier zu töten.

9 Auch Beowulf besiegt Grendel, indem er ihm beim Ringkampf den Arm ausreißt, und erfüllt so die typischen Bedingungen des mythischen Ringens. 10 Pálsson / Edwards 1970, p. 67.

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Es bleibt zu bemerken, dass nicht jeder Kampf zwischen Mensch und Monster automatisch in die Kategorie des mythischen Ringens fällt; primäres Merkmal zur Einteilung ist der Durchführungsmodus. So können z.B. viele Auseinandersetzungen mit Trollen eher dem zweiten oder auch dritten Typus zugerechnet werden.

2.2 Gladiatorisches Ringen: Ringkampf aus Lust an der Gewalt Finnbogi befindet sich am Hof von Jarl Hákon, den er durch seine Dreistigkeit gegen sich aufgebracht hat. Zur Belustigung der Anwesenden soll er zum Ringkampf gegen einen Mohren antreten: […] mælti jarl: „Hér er, Finnbogi, piltur einn er @ú skalt glíma vi.. ?arftu ekki a. hlífast vi. @ví a. ekki skal hann hlífa @ér.“ […] Sí.an bjuggust @eir til glímu og var. sá atgangur bæ.i har.ur og langur. ?óttist Finnbogi @a. sjá a. @essi var magna.ur ekki lítt. Steinn stó. á vellinum har.la mikill og @ar vildi hann færa Finnboga a.. Hann lét @á berast a. steininum og er @eir komu a. @á snarast Finnbogi frá og gengur hann á bak aftur blámanninn og setur hrygg hans á steininn og br)tur í sundur. [Finnboga saga ramma, Kap. 16, S. 624. „Der Jarl sagte: ‚Hier ist ein Knabe, Finnbogi, mit dem sollst du ringen. Du sollst ihn nicht schonen, denn er wird dich auch nicht schonen.’ […] Dann bereiteten sie sich zum Ringen, und dieser Kampf war hart und lang. Dem Finnbogi schien es, dass dies kein geringer Krieger war. Auf dem Kampfplatz lag ein sehr großer Stein, zu dem wollte er den Finnbogi ziehen. Der ließ sich zum Stein ziehen, und als sie zu ihm gekommen waren, drehte er sich um, kam hinter den Mohren, warf ihn mit dem Rücken auf den Stein und brach ihm das Rückgrat.“]

Die Szene verdeutlicht den Typus des gladiatorischen Ringens in seiner Optimalform: Hier werden fiktive Zuschauer des Kampfes und Publikum der Saga deckungsgleich. Beide ergötzen sich an der Gewalt, die ein Kämpfer dem anderen antut. Dabei existiert dieser Typus auch, ohne dass es Zuschauer innerhalb der Geschichte gibt. Sein Kennzeichen ist die Gewaltdarstellung, die zum Selbstzweck wird, der Text ist die Arena. In einigen Punkten gibt es Überschneidungen mit dem ersten Typus. Der Gegner wird mit den äußerlichen Merkmalen eines Unholdes versehen: „@óttist hann eigi hafa sé. lei.ilegra mann“ (Finnboga saga ramma, Kap. 16, S. 624; „er meinte, in seinem Leben keinen greulicheren Menschen gesehen zu haben“]; die Kraft der Kontrahenten wird betont: „var magna.ur ekki lítt“ (Finnboga saga ramma, Kap. 16, S. 624; „es war kein geringer Krieger“); Ringkampftechniken werden nur angedeutet. Dennoch unterscheidet sich der Kampf gegen den Mohren in wesentlichen Punkten vom mythischen Ringen: Der Rahmen der Auseinandersetzung ist gesellschaftlich gesteckt, der Kampf selbst gewollt. Es geht nicht mehr um die Abwehr einer existentiellen Bedrohung der Ordnung durch chaotische Kräfte von außen, wie sie der Bär oder Glámr dargestellt haben. Der Mohr ist in der Wahrnehmung der Saga zwar grotesk, aber nur so weit andersartig, dass er als Gegner eine Herausforderung für den Prota-

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gonisten darstellt. Seine Andersartigkeit, d.h. sein bedrohliches Potential, ist bereits dadurch im Zaum gehalten, dass er dem Befehl des Jarls untersteht; er gleicht den wilden Tieren im Kolosseum. Wie bei antiken Gladiatorenspielen wird beim gladiatorischen Ringen häufig mit dem Fremdartigen, dem Exotischen operiert, vor allem, was die Gegner der Protagonisten betrifft – Mohren, Trollweiber, Berserker und dergleichen. Exotik und grell gezeichnete Gewalt fügen sich nahtlos in diejenigen Sagas ein, deren Anliegen ohnehin das Abenteuerliche und Phantastische ist, besonders also in die ævint´ y risogur. In diesem Kontext werden Ringkampfszenen bereits vom mittelalterlichen Publikum als unterhaltsame Actionsequenzen wahrgenommen worden sein, nicht als wahrheitsgetreue Darstellungen. Als weiteres Beispiel eine Szene aus der Vilmundar saga vidutan; die Parallelen zur Finnboga saga sind augenscheinlich: Schauplatz des Kampfes ist die düstere Festung des Königs Hjarandi, die den Namen Vidbjódr (Abscheu) trägt, während der Gegner Vilmundrs so lange Fingernägel hat, dass seine Hände als hremsur (Klauen) bezeichnet werden. Auch hier tritt der Held also gegen das Fremdartige an, das einerseits abstoßend ist, andererseits aber als Teil gewohnter Ordnung (des vertrauten Herrschaftssystems von König und Untergebenen) keine existentielle Bedrohung für die Welt der Saga darstellt. V(ilmundr) kastar klædum og gengr fram á uóllen. Ruddj hleypr j mot honum. og rekr bada hnefa fyrer briost honum af aullu afle. V(ilmundr) tok á mot sterkliga. og lagdj henndrnar utan at handleggiunum á honum. og uatt honum á lopt sterkliga. og urdu @a sviptingar miklar med @eim. og uard flest upp at ganga. en huar sem Ruddj tok á @a blanadj allt undan. @uiat hann hafdi forn skornar negl. en fanga stackren uar suo seigr fyrer. at eckj geck á hann. kongr og aull hirdjn horfdj á @enna leik. og @otte mikjls uert vm afl V(ilmundar). @eir baruzt uida um uòllen. @ar til at @eir kuomu at @eim steine. sem suerzegg uar j greypt. V(ilmundr) m(ælti) @a vid Rudda „skulu uid lengi eiga leik @enna“. „@ar til annar huor fellr“ seger Ruddj. „gack @u @a at betr“ s(eger) V(ilmundr). Ruddj spyrner nu vid fotunum suo sterkliga at hann uedr jordjna til hnia. en leggr suo hremsurnar vm hrygg (V)ilmundi at holldjt geck undan. V(ilmundr) tok hann @a upp á bringu ser. og geck med hann at steinenum. og keyrer hann njdr á suerdz eggina. suo fast at Rudda tok j sundr j midiu. geck hann nu fyrer kong og hellt á fótahlutnum af Rudda. og synndizt flestum hann @a grimmligr. [Vilmundar saga vidutan, Kap. 13, S. 166–167. „Vilmundr wirft seine Kleider ab und schreitet auf den Kampfplatz. Ruddi springt ihm entgegen und schlägt ihm mit aller Kraft beide Fäuste auf die Brust. Vilmundr hielt fest dagegen, fasste seine Unterarme und schleuderte ihn in die Luft. Nun begann ein großes Ringen zwischen ihnen. Und wo Ruddi hinfasste, da wurde die Haut ganz blau, denn es war lange her, dass er sich die Nägel geschnitten hatte. Und sein Ringerkittel war so fest, dass nichts ihn verletzen konnte. Sie kämpften überall auf dem Platz, bis sie zu einem Stein kamen, in den eine Schwertklinge eingelassen war. Da sagte Vilmundr zu Ruddi: ‚Sollen wir dieses Spiel noch länger treiben?’ ‚Bis einer von uns fällt’, sagte Ruddi. ‚Dann streng dich nur an’, sagte Vilmundr. Ruddi schob nun so kräftig aus den Beinen, dass er bis zu den Knien in die Erde sank, und dann fasste er mit seinen Klauen auf Vilmundrs Rücken, dass das Fleisch sich löste. Vilmundr hob ihn auf Brusthöhe, ging mit ihm zu dem Stein und schmetterte ihn nieder auf die Schwertschneide, so hart, dass er in zwei Teile zerrissen wurde. Nun ging er vor den König und hielt den unteren Teil Ruddis empor. Und da erschien er den meisten unter ihnen wild und grausam.“]

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2.3 Ringen im Ernst: Ringkampf als Teil gewalttätiger Auseinandersetzungen Das Motiv des Steines, auf den der unterlegene Gegner geschmettert wird, findet sich auch außerhalb des gladiatorischen Ringkampfs: Var Álfur @ar kominn og ætla.i skjótt um a. rá.a vi. Finnboga. Hann hljóp upp og undir Álf. Var hann afrendur a. alfi. Gangast @eir a. lengi. Tekur @á eldurinn a. brenna og sér um allan hellinn. Finnbogi sér hvar einn steinn var í innanver.um hellinum. Hann var hvass ofan sem egg. ?ar vildi Álfur færa hann a.. Finnbogi for.ast @a. ekki. Og er @eir koma a. steininum hleypur Finnbogi yfir upp og kippir a. sér vi. me. afli og br)tur bringubein hans á steininum og lætur Álfur @ar lífinu […]. [Finnboga saga ramma, Kap. 13, S. 639. „Álfr war gekommen und gedachte, kurzen Prozess mit Finnbogi zu machen. Der sprang auf und unterlief Álfr, er war sehr kräftig. Sie kämpften lange miteinander, als das Feuer hoch flammte und man die ganze Höhle erkennen konnte. Finnbogi sah, dass im Inneren der Höhle ein Stein war, der oben eine scharfe Kante hatte, und dorthin wollte Álfr ihn bringen. Finnbogi wehrte sich nicht dagegen, und als sie an den Stein kommen, springt er darüber und zieht den Álfr mit aller Macht zu sich und bricht ihm das Brustbein auf dem Stein, und so lässt er sein Leben […].“]

Die Verwandtschaft zu den oben genannten Szenen ist eindeutig, dennoch ist das Umfeld, in dem gerungen wird, ein völlig anderes: Ohne Vorwarnung wird Finnbogi in den Kampf um Leben und Tod verwickelt und nützt die natürlichen Gegebenheiten des Schauplatzes, um sich zu verteidigen. Eine Konzeption des Angreifers als monströs oder andersartig fehlt – die Szene lässt sich dem Typus „Ringen im Ernst“ zurechnen. In der Finnboga saga finden sich Auseinandersetzungen, die für diesen dritten Typus noch typischer sind als der Kampf Finnbogis gegen Álfr: Nach langen Reisen hat sich Finnbogi auf einem Hof als Bauer eingerichtet. Sein Rivale Jökull will ihm seine Ruhe nicht gönnen und schickt Meuchler aus, die Finnbogi umbringen sollen: ?orgrímur hleypur @á a. horninu í einum sta. og kippir úr torfu og @rífur upp sver. og hleypur a. Finnboga @ar sem hann lá og höggur til hans sem hæglegast. Finnbogi svaf eigi jafn fast sem hann lét e.a ?orgrímur hug.i og spratt upp í móti og brá feldinum a. sver.inu og snara.i a. honum @egar. ?orgrímur hljóp @á undir Finnboga og @ó a. hann væri sterkur vel @á átti hann @ó eigi vi. sinn maka hér um og haf.i Finnbogi hann skjótt undir […] tekur sí.an sver.i. og höggur af honum höfu.. [Finnboga saga ramma, Kap. 39, S. 665. „?orgrímr läuft in die Ecke an eine Stelle, wo er ein Stück Rasen anhebt und ein Schwert hervorholte. Er springt auf Finnbogi zu, wo der lag, und schlägt nach ihm, wie es ihm am einfachsten scheint. Finnbogi schlief nicht so fest, wie er den ?orgrímr hatte glauben lassen, und sprang auf und ihm entgegen; er warf seinen Umhang über das Schwert und wendete den Schlag ab. Da unterlief ?orgrímr den Finnbogi, aber obwohl er recht stark war, reichte seine Kraft hier doch nicht aus, und Finnbogi hatte ihn schnell unter sich […] Dann nimmt er das Schwert und schlägt ihm den Kopf ab.“]

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Die Abwehr einer Klingenwaffe mit Mantel oder Umhang, wie von Finnbogi ausgeführt, findet sich mehrfach in späteren Fechtbüchern – es kann sich bei der Szene also durchaus um eine Referenz des Autors auf eine ihm bekannte Kampfmethode handeln. Der Ablauf des Kampfes ist in seiner Dynamik gut nachvollziehbar und plausibel: Das Schwert des Attentäters wird mit dem Mantel gebunden und beiseitegeschlagen; der Angreifer geht daher direkt in den Ringkampf über, in dem er aber gegen Finnbogi chancenlos ist. Die kontinentalen Ringkampfhandschriften des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit trennen deutlich zwischen geselligem Ringen und Ringen im Ernst.11 Diese Unterscheidung scheint auch dem Autor der Finnboga saga geläufig gewesen zu sein. Als Finnbogis Sohn Gunnbjörn in einen Hinterhalt Jökulls gerät, wird seine Kampfkraft in Frage gestellt: „skal nú vita hvort @ú ert betur vopnfimur e.a glímufær.“ [Finnboga saga ramma, Kap. 37, S. 663; „Jetzt wird man sehen, ob du eher geschickt mit den Waffen bist oder fähig im Ringkampf.“] Das Ringen im Ernst – das auch Schläge und Tritte umfasst – ist notwendiger Teil einer Kampf- und Selbstverteidigungskunst, die im regellosen Kampf um Leben und Tod ihre Anwendung findet. Die Ausklammerung von Schlägen, Tritten und Ringkampftechniken aus dem Fechten ist eine späte historische Entwicklung, die einer Ästhetisierung und Versportlichung geschuldet ist.12 Der nahtlose Übergang zwischen bewaffneten und unbewaffneten Techniken ist heute noch bestimmend für die Kampfsysteme z.B. der Philippinen oder Indonesiens und war es auch in Europa von den ersten Fechtbüchern bis ins 17. Jahrhundert. Der Typus „Ringen im Ernst“ ist die literarische Wiedergabe des zeitgenössischen kämpferischen Bewegungsrepertoires und entspricht dem, was mittelalterliche Autoren und ihr Publikum vielleicht für außerordentlich, aber doch für realistisch umsetzbar hielten. Die geschilderten Manöver mögen ihnen aus erster Hand bekannt gewesen sein, sei es aus dem Gefecht oder aus dem Training.13 „Im Ernst“ ist also auf zwei Ebenen zu verstehen: Auf der der Protagonisten, die ernsthaft miteinander kämpfen, und auf der des Textes, der hier Glaubwürdigkeit beansprucht. Eine weitere Kampfszene dieser Art findet sich in der Porgils saga og Haflida, Teil der Sturlunga saga. Interessanterweise ist es der Unterlegene der Auseinandersetzung, der im Nachhinein mit knappen Worten den Hergang schildert: Og eitt sinn er vi. hittumst á förnum vegi @á veitti eg honum tilræ.i en hann rann undir höggi. og var. eg undir. Si.an brá hann knífi og stakk í auga mér og missti eg s)nar a. auganu. ?á lét hann Gu.mundur Grímsson mig upp standa. Og var @a. nakkva. me. ólíkindum a. @ví sem mér @ótti. Eg haf.i tvö megin hans enda @ótti mér vera mundu slíkur mun okkar í ö.ru.

11 Vgl. Anm. 1. 12 Vgl. Wetzler 2012. 13 Die Frage nach der Existenz programmatischen Kampftrainings im mittelalterlichen Island ist noch nicht hinreichend geklärt. Für das Festland bis hinauf nach Norwegen ist derartiges Training eindeutig belegt, s. Wetzler 2012.

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[Sturlunga saga (Porgils saga og Haflida), Kap. 34, S. 42. „Und einmal, als wir uns begegneten, da schlug ich nach ihm, aber er unterlief den Schlag, und ich kam unter ihn. Dann zog er ein Messer und stach mir ins Auge, und ich verlor das Augenlicht auf dieser Seite. Dann ließ mich Gu.mundur Grímsson aufstehen, aber irgend etwas daran schien mir recht seltsam. Ich hatte zweimal seine Körperkraft, und ich dachte, so wäre es auch sonst zwischen uns bestellt.“]

Sich unter einen Angriff abzuducken, zumal wenn er mit einer Waffe geführt wird, ist eine sinnvolle Taktik. Die Fähigkeit, dieses Abducken direkt in einen Gegenangriff überzuleiten, erfordert allerdings einiges an Können (oder Glück). Das nahtlose Zusammenspiel von ringerischen und bewaffneten Manövern zeigt sich, wenn Gu.mundr aus dieser Aktion heraus auch noch sein Messer zieht und zusticht. Die Verwunderung des Erzählers, trotz überlegener körperlicher Kräfte besiegt worden zu sein, verweist auf den Vorteil, den die souveräne Beherrschung der Kampftechniken auch dem Schwächeren bietet. Dies gilt umso mehr, je weniger Regeln der Kampf unterliegt.14

2.4 Geselliges Ringen: Sport und Spiel Eines Sommers nimmt Finnbogis Sohn Gunnbjörn an Wettkämpfen teil, bei denen das Ringen eine wichtige Rolle spielt: „var tala. mart um glímur“ [Finnboga saga ramma, Kap. 37, S. 662. „Man redete viel über Ringkämpfe“]. Trotz anfänglichen Zögerns wird Gunnbjörn für einen Kampf gegen Jökull gesetzt, einen alten Rivalen seiner Familie: Eftir @etta taka menn til leiks. Var Gunnbirni skipa. í mót Jökli. Gengust @eir a. fast og ger.u langa lotu og féll Jökull á kné. ?á var um rætt a. @eir mundu hætta og kalla jafni. Jökull vill @a. eigi og ger.u @eir lotu a.ra og féll @á Gunnbjörn á kné. ?á gengu menn a. og bá.u @á hætta. Jökull kva. ekki reynt vera. Eftir @a. taka @eir til hi. @ri.ja sinn. Gunnbjörn leysir @á til og hleypur undir Jökul og @rífur hann upp á bringu sér og setur ni.ur innar vi. pallinn miki. fall. ?eir Jökull og Bersi hljópu til vopna og voru haldnir. Eftir @a. skilja @eir leikinn. [Finnboga saga ramma, Kap. 37, S. 662. „Danach beginnen die Männer mit den Spielen. Gunnbjörn wurde gegen Jökull aufgestellt. Sie gingen sich hart an und kämpften eine lange Runde, bis Jökull aufs Knie fiel. Da hieß es, sie sollten aufhören und es einen Gleichstand nennen. Jökull will das aber nicht, und sie kämpften eine zweite Runde, und diesmal fiel Gunnbjörn aufs Knie. Da traten Männer hinzu und baten sie aufzuhören. Für Jökull kam das nicht in Frage. Danach versuchten sie es ein drittes Mal. Da löst sich Gunnbjörn und unterläuft Jökull, hebt ihn bis auf Brusthöhe und schmettert ihn auf das Podest nieder. Jökull und Bersi sprangen zu ihren Waffen, aber man hielt sie auf. Danach endete das Spiel.“]

Der geschilderte Kampf gibt verschiedene Hinweise über die Verfassung des geselligen Ringens im mittelalterlichen Island: Einmal über den gesellschaftlichen Rahmen,

14 Eine Beobachtung, die zum ersten Mal 1470 in einem deutschen Ringkampfbuch ausformuliert wurde (vgl. Welle 1993, S. 127).

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in dem es stattfindet – Ringen wird als Teil eines sozialen Ereignisses, als sportlicher Wettkampf mit aktiven (Kämpfer) und passiven (Zuschauer) Akteuren ausgetragen. Als es zu gewalttätigen Ausschreitungen zu kommen droht, beendet man die Spiele. Dann erfahren wir etwas zum Ablauf der Kämpfe: Kampfpaarungen werden abgesprochen, man ringt in mehreren Runden. Zuletzt zur technischen Dimension des Ringens: Unterlaufen und Ausheben werden geschildert, die Kämpfer gehen aufs Knie nieder. Mit diesen Angaben bleibt die Finnboga saga nicht alleine. Aus der Gesamtschau der altisländischen Literatur lässt sich ein recht detailliertes Bild des damaligen geselligen Ringens zeichnen. Dass es sich bei den Beschreibungen nicht nur um einen literarischen Reflex älterer, zur Zeit der Niederschrift obsoleter sportlicher Praktiken handelt, zeigen z.B. die gesetzlichen Bestimmungen der Jónsbók aus dem 14. Jahrhundert zum Ringkampf. Ihre Wortwahl drückt den geselligen Durchführungsmodus des Ringens aus: „Nu geíngr ma.r til leiks, fangs […]“ [Jónsbók, S. 56. „Geht ein Mann zum Spiel oder zum Ringkampf […]“]. Da das Augenmerk des vorliegenden Bandes auf Sport und Spiel liegt, sollen im Folgenden die drei Faktoren gesellschaftlicher Rahmen, Ablauf und technische Dimension des geselligen Ringens näher bestimmt werden: Die Bausteine des Ringens – die einzelnen technischen Fertigkeiten […] an sich – sind in allen Kulturen, die den Ringkampf kennen, die gleichen […] Die Epochenspezifik des Ringkampfs besteht daher eher in der Art und Weise, wie die technische Fertigkeit u.a. in einen ganzen Handlungskomplex integriert wird. […] Damit begibt man sich auf die Suche nach der (gesellschaftlichen) Motivierung, die der technischen Fertigkeit zugrunde liegt.15

2.4.1 Der soziale Rahmen Ringkämpfe finden zum Teil als spontaner Zeitvertreib statt, in der Finnboga saga z.B. als (ruppiges) Spiel der Jungen: „Og @a. var einn dag a. Bár.ur spur.i hvort Gunnbjörn vildi glíma vi. annan pilt“ [Finnboga saga ramma, Kap. 35, S. 659. „Und eines Tages fragte Bár.r, ob Gunnbjörn mit einem anderen Jungen ringen wolle.“]. Solchem Zeitvertreib kann etwas Frivoles anhaften, wie den Rangeleien des zwölfjährigen Finnbogis mit den Mägden [Finnboga saga ramma, Kap. 6, S. 628.]. Häufiger sind aber Ringkämpfe, die im Rahmen gesellschaftlicher Ereignisse als Wettkampf und Schauspiel inszeniert werden. So zur Belustigung der Gäste auf der berühmten Hochzeit von Reykhólar: „?ar var nú glaumur og gle.i mikil og skemmtan gó. og margskonar leikar, bæ.i dansleikar, glímur og sagnaskemmtun“ [Sturlunga saga (Porgils saga og Haflida), Kap. 17, S. 22. „Es gab nun Lustbarkeit und große Freude, gute Unterhaltung und allerlei Spiele, sowohl Tänze als auch Ringkämpfe und das Erzählen von Geschichten.“]. Oder auf dem Frühjahrs@ing von Hegranes: „?á tölu.u til su-

15 Welle 1993, S. 22 (Hervorgebung im Original).

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mir menn ungir a. ve.ur væri gott og fagurt og sé gott ungum mönnum a. hafa glímur og skemmtan. ?eir kvá.u @a. allrá.legt“ [Grettis saga, Kap. 72, S. 1064. „Das Wetter sei schön und angenehm, meinten einige junge Männer, und dass es gut sei, Ringkämpfe und unterhaltsame Spiele zu veranstalten. Man stimmte dem zu.“]. Ähnlich wie bei heutigen Sportereignissen können dabei die Kämpfer als Stellvertreter konkurrierender Gruppen fungieren, oder es treten umgekehrt Gruppen in Konkurrenz zueinander, weil sie sich mit Kämpfern aus ihren Reihen identifizieren. Typischerweise geschieht dies nach geographischer Zuordnung und bietet den Ringern umso mehr die Chance auf den Erwerb sozialen Prestiges, da sie nicht länger nur für sich, sondern für ihre Gemeinschaft antreten. Über die physische Aktion des Ringkampfs fügt sich der Einzelne in das komplexe Beziehungsgeflecht von Zugehörigkeiten und Abhängigkeiten ein, das für den isländischen Freistaat so typisch ist: ?a. gerist eitt sumar á al@ingi a. í Fangabrekku gengust menn a. sveitum, Nor.lendingar og Vestfir.ingar. Gekk Nor.lendingum @yngra. Var fyrir sveit @eirra Már sonur Glúms. Kemur @ar a. ma.ur einn er Ingólfur hét sonur ?orvalds. […] Már mælti: „?ú ert @reklegur ma.ur. Muntu vera sterkur. Veit mér a. ganga til fangs.“ Hann svarar: „?a. mun eg gera fyrir @ínar sakir.“ Sá féll er í móti var, gengur til annar og hinn @ri.ji og fór svo. Nú hugna.i Nor.lendingum. ?á mælti Már: „Ef @ú @arft míns formælis skal eg @ér a. li.i ver.a […].“ [Víga-Glúms saga, Kap. 13, S. 1923. „Es geschah eines Sommers auf dem Al@ing, dass die Männer nach ihren Bezirken aufgeteilt auf den Ringkampfplatz gingen, die aus dem Nordland und die von den Westfjorden. Den Nordländern erging es schlecht, ihr Anführer war Már, der Sohn von Glúmr. Da kam ein gewisser Mann hinzu, der Ingólfr hieß, der Sohn von ?orvaldr. […] Már sprach: ‚Du bist ein kräftig gewachsener Mann und wirst wohl stark sein. Tu mir einen Gefallen und komm zum Ringkampf.’ Er antwortete: ‚Das will ich dir zuliebe tun.’ Der gegen ihn rang, fiel zu Boden, und so ging es auch mit dem zweiten und dem dritten. Die Nordländer waren erfreut. Da sprach Már: ‚Wenn ich ein Wort für dich einlegen soll, will ich dir helfen […].’“]

Eichberg meint, „daß der gesellschaftliche Charakter des Sports nicht nur in seiner Organisation, Führung und Ideologie lag und liegt, sondern sich im Sportverhalten selbst aufsuchen läßt“16. In diesem Sinne ist es die Gleichzeitigkeit von „gesellig“ und „antagonistisch“, die die von den Sagas beschriebenen Wettkämpfe auszeichnet. Sie dienen dazu, kriegerische Fähigkeiten auf unblutige Weise darzustellen, und spiegeln das ambivalente Verhältnis, das man im mittelalterlichen Island zur Gewalt besitzt. Denn einerseits sind Aggression, Kampfbereitschaft und Kampffertigkeit lobenswerte Charakterzüge, andererseits aber nur so lange, wie sie in gesellschaftlich akzeptierten Bahnen kanalisiert werden. Standhaftes, zielführendes, aber gleichzeitig regelkonformes Ringen repräsentiert den erfolgreichen Mann, der sich im wirtschaftlichen und politischen Umfeld gegen Rivalen durchsetzen kann, ohne als ojafnadarmadr die soziale Ordnung in Gefahr zu bringen.

16 Eichberg 1978, S. 14.

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Diese vielfältigen sozialen Funktionen kämpferischer Wettkämpfe lassen sich weltweit und zu unterschiedlichen Zeiten immer wieder aufzeigen. Es drängt sich die Frage auf, ob man es hier mit einer Grundkonstante kriegerisch orientierter Kulturen zu tun hat. Man vergleiche z.B. die gesellschaftlichen Implikationen heutiger ZuluStockkämpfe: Today, stick fighting is still an opportunity for men to build courage and skill, earmark themselves for leadership positions, and earn respect in the community […] Zulu people call it „playing sticks“ […] After they have passed puberty, boys begin to fight at public ceremonies such as weddings, the lung-festival […], first-fruit festivals […], and interdistrict fighting competitions […] Stick fighting can take place as single or group combat, depending on the nature of the occasion on which it takes place.17

Dass man in solchen gesellschaftlichen Zusammenhängen kämpfen spielt, entspricht dem altisländischen Sprachgebrauch, z.B. „til leikfangs“ [„zum Spielringen“], „at leika hælkrók“ [„einen Fußfeger spielen“]. Dieses leika betont den geselligen, auch performativen Charakter des Ringens.18

2.4.2 Ablauf der Kämpfe Wo als Wettkampf gerungen wird, entstehen Kampfpaarungen per Herausforderung (z.B. Gunnlaugr Ormstunga gegen ?ór.r), oder sie werden durch Dritte zusammengestellt. Dies einerseits, um ausgeglichene Kämpfe zu garantieren: „Nú glímdu fyrst @eir sem ósterkastir voru […] En er flestir höf.u glímt nema @eir sem sterkastir voru […]“ [Grettis saga, Kap. 72, S. 1064. „Nun rangen erst die, die am schwächsten waren […] Und als die meisten gerungen hatten außer denen, die am stärksten waren […]“]. Andererseits werden durch die Kampfpaarungen zwischenmenschliche Spannungen in physische Handlung übersetzt, z.B. wenn Bersi dafür sorgt, dass Gunnbjörn gegen Jökull antritt (s.o.). Gerungen wurde im Haus und im Freien. Einarsson zählt fünf Textstellen, die Ringkämpfe innerhalb eines Gebäudes beschreiben19, und weitere fünf unter freiem Himmel.20 Eine speziell abgegrenzte oder gar rituell hergerichtete Kampffläche, wie sie im Zusammenhang mit dem Holmgang beschrieben wird, ist nicht zu belegen.

17 Coetzee 2010, S. 19. 18 Vgl. den brasilianischen Kampftanz Capoeira oder Indonesiens Silat, die ebenfalls gespielt werden. 19 Einarsson 2006, S. 78: Svarfdæla saga, Porvalds páttr tasalda, Finnboga saga, Kjalnesinga saga. Ohne methodologische Bedenken stellt Einarsson den Kampf ?órrs gegen Elli aus der Gylfagynning diesen Sagastellen anbei. 20 Einarsson 2006, S. 78: Grettis saga, Víga-Glúms saga, Króka-Refs saga, Kjalnesinga saga, Bárdar saga Snæfellsáss.

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Die Kämpfe waren in Runden organisiert: „Sí.an glíma @eir @rjár lotur og @ótti Bár.i mjög jafni og ba. @á hætta“ [Finnboga saga ramma, Kap. 35, S. 659. „Sie rangen drei Runden, und sie schienen dem Bár.i gleich gut zu sein, und er gebot ihnen aufzuhören.“]. Dabei ging eine Runde anscheinend so lange, bis einer der Kontrahenten zu Boden fiel. Ein Bodenkampf, wie er im heutigen Judo und im olympischen Ringen eine wichtige Rolle spielt, wird nirgends beschrieben. Schwierig zu beurteilen ist die Bedeutung des Niedergehens auf ein Knie. Geschieht dies, endet die Runde zwar, eine echte Entscheidung scheint damit aber nicht herbeigeführt. Gunnbjörn und Jökull gehen beide jeweils einmal aufs Knie, bevor ihr Kampf in der dritten Runde eskaliert, und der Kampf Grettirs gegen die zwei Brüder endet nicht, obwohl „)msir fóru á kné“ [Grettis saga, Kap. 72, S. 1067. „alle von ihnen gingen aufs Knie nieder“].21 Auch ?órrs abgesetztes Knie bei seinem Kampf gegen Elli, dem wohl berühmtesten Ringkampf der altnordischen Literatur, reicht noch nicht aus für einen klaren Sieg seiner Gegnerin, stattdessen unterbindet der Gastgeber ein Weiterkämpfen. Einarsson deutet die Belege dahingehend, dass „fall á kné sé ekki talinn sigur, en menn geta kallast jafnir […] Fullur sigur mun ekki hafa talist, nema andstæ.ingur félli á baki., @ví a. @á var hann kominn í óhagræ.isa.stö.u“22 Den unterschiedlichen Graden an Hilflosigkeit, die ein Niedergehen aufs Knie bzw. ein völliger Fall repräsentieren, wurde eine symbolische Bedeutung beigemessen, die sich auch in der Rechtsordnung spiegelt. Das ehrenrührige Vergehen, einen anderen Mann niederzustoßen, benennt die Grágás: „En @a. er fall, ef hinn sty.ur ni.ur kné e.a hendi, allra helst, ef hann fellur meir“ [Grágás 1992, S. 210. „Dies aber ist ein Fall, wenn er mit Knie oder Hand zu Boden geht, und erst recht, wenn er noch mehr fällt.“]. Der Grettis saga zufolge wurden Ringkämpfe mit freiem Oberkörper ausgetragen – kein Wunder eingedenk der Belastung, der die Kleidung der Ringer sonst ausgesetzt worden wäre. Grettir „kasta.i […] kuflinum og @ví næst öllum bolklæ.um“ [Grettis saga, Kap. 72, S. 1066. „warf […] die Haube ab und alle Oberbekleidung“] und hält die anderen Wettkämpfer an, sich mit dem Ausziehen zu beeilen, „@ví a. ekki sit eg lengi klæ.laus“ [Grettis saga, Kap. 72, S. 1066; „damit ich nicht lange ohne Kleider dasitze“]. Alternativ existierte zumindest die Vorstellung eines besonders stabilen Kittels, den man speziell zu diesem Zweck trug, des fangastakkr. Ob es sich bei seiner Erwähnung um die Spiegelung isländischer Realität oder um ein literarisches Motiv handelt, ist

21 In der modernen Glíma gilt: „Man rechnet nicht mit einem Fall bei der Glíma, wenn der Glímakämpfer den Boden oder die Erde nur mit den Armen oder Beinen unterhalb des Ellenbogens oder Knies berührt, wenn er z. Bsp. auf das Knie oder den Ellenbogen fällt, um dem eigentlichen Fall vorzubeugen.“ [Íslenzk Glíma 1929, S. 7.] 22 Einarsson 2006, S. 77. – „ […] ein Fall aufs Knie wurde nicht als Sieg, sondern als Gleichstand gewertet […] Ein vollständiger Sieg wurde nicht gegeben, außer der Gegner fiel auf den Rücken, denn dann war er in eine unterlegene Position gekommen.“ (Übersetzung S. W.)

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ungewiss;23 die Texte, in denen der Begriff auftaucht (Kjalnesinga saga, Vilmundar saga vidutan, Sigrgards saga frækna), tragen märchenhafte Züge.

2.4.3 Techniken des Ringens Wie jeder Kampfsport ist auch der Ringkampf in seiner Form abhängig von seinem kulturellen Rahmen – bestimmte Reglements, ästhetische Vorstellungen, soziale Normen usw. definieren den technischen Fundus eines gegebenen Ringkampfsystems. Dennoch führt die Konstanz von Material und Versuchsanordnung – zwei Menschen wollen einander zu Boden bringen – zu einer bemerkenswerten Parallelität, häufig sogar Deckungsgleichheit historischer und rezenter Ringkampftechniken weltweit. Übereinstimmungen zwischen den Positionen der altägyptischen Darstellungen von Beni Hassan und iranischem Koshti, zwischen frühneuzeitlichen deutschen Ringhandschriften und olympischem Judo sind zahlreich und mühelos zu finden. Es lohnt sich, die literarischen Beschreibungen diverser Techniken mit dem Wissen um diese Konstanz zu interpretieren. Die heutige isländische Glíma benützt vielfach technische Termini, die in dieser Form und Bedeutung bereits in der Saga-Literatur zu finden sind. Es gibt keinen Anlass zu bezweifeln, dass dieser sprachlichen Deckung auch eine große praktische entspricht. Der Zugriff, der sich dadurch auf den Ringkampf als sportliche, soziale und performative Praxis des mittelalterlichen Islands ergibt, ist von ungewöhnlicher Direktheit. Während z.B. der genaue Aufführungsmodus der Saga-Rezitation auf der Hochzeit von Reykhólar kaum nachzuvollziehen ist, können wir uns die dort abgehaltenen Ringkämpfe sehr plastisch vorstellen – ein Hüftwurf bleibt ein Hüftwurf. Ringkampf beginnt mit dem gegenseitigen Fassen. Die Art, wie sich die Kontrahenten zu Kampfbeginn fassen dürfen – bzw., ob sie es überhaupt tun – prägt den weiteren Verlauf des Kampfes und impliziert die erlaubten und verbotenen Techniken. Während die heutige Glíma Startposition und Bewegungssatz standardisiert hat, geben die Quellen hierüber keine klare Auskunft. Womöglich kamen zur Zeit der Niederschrift der Texte mehrere Regelsätze zum Einsatz. Auch die Frage nach dem Halten oder Lösen des zu Beginn eingenommenen Griffs kann nicht einheitlich beantwortet werden: während es manche Textstellen als Regelverstoß werten, den Griff zu lösen, ist dies in anderen erlaubt.24 Die Bedeutung des Fassens spiegelt sich in der Wortwahl der Quellen, wie ein Blick auf den bereits erwähnten Ringkampf ?órrs gegen Elli zeigt. Trotz seines mytho-

23 Die Figuren der (allerdings meist später entstandenen) kontinentalen Ringkampfbücher tragen für gewöhnlich Oberbekleidung, wobei hier die Abhängigkeit von bildgestalterischen Normen zu berücksichtigen ist. 24 Einarsson 2006, S. 77.

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logischen Kontexts reiht er sich nahtlos in die übrigen Stellen zum geselligen Ringen ein. Die Handschriften der Snorra-Edda nützen Wörter, die sich von at fá (nehmen, fassen) ableiten; nur im Codex Upsaliensis findet sich der Ausdruck glíma. Der Begriff fang steht dabei im Altisländischen nicht nur für Griff oder Greifen, spezieller noch für „that which one clasps or embraces, […] an armful“25, sondern synonym für Ringen an sich, vgl. engl. to catch und catch-as-catch-can für „Ringkampf“. Die sprachliche Assoziation von ringen und umarmen ist im mittelalterlichen Europa verbreitet; das älteste italienische Fechtbuch Fior de Battaglia, von Fiore dei Liberi um 1410 verfasst, nennt das waffenlose Kämpfen abrazare, ital. für umarmen.26 Ebenso ist es verbreitet, einen Ringkampfstil danach zu bezeichnen, wie sich die Kontrahenten greifen, z.B. Hoselupf, Collar and Elbow oder Backhold. Letzteres ist der Name des schottischen Ringkampfs, bei dem man als Startposition die Hände hinter dem Rücken des Gegners schließt, ihn also komplett umfängt. In isländischen Texten findet sich hierfür ein eigenes Wort, hryggspenna. Útgar.a-Loki jedenfalls befiehlt in der Snorra-Edda, Elli solle „taka fang vi. Ása?órr“ [Edda Snorra Sturlusonar, S. 81. „mit dem Asen-?órr ringen“]. Im Kampf gegen die Amme des Gastgebers, bei der es sich um das personifizierte Alter handelt, kann der Gott einen Achtungserfolg erzielen. Obwohl das Alter letzten Endes jeden zu Fall bringen wird, wie der Text impliziert, kann Elli den mächtigen ?órr nicht mit bloßer Kraft überwinden.27 Stattdessen bemüht sie sich eines bragd, einer schnellen, plötzlichen Bewegung, in diesem Zusammenhang: eines Tricks, einer Technik. „Fellt hefir“ [Edda Snorra Sturlusonar, S. 81; „zu Fall gebracht hat“] Elli schon andere Männer, die nicht schwächer als ?órr erschienen. Das Wort fellt ist hier wörtlich als fällen zu deuten, als völliges Zu-Fall-Bringen, da der Oberkörper auf dem Boden aufschlägt. Genau dies gelingt Elli diesmal nicht: Nur auf ein Knie kann sie den Gott niederringen, ein klarer Sieg bleibt ihr verwehrt (s.o.). In Ermangelung eines ähnlich trickreichen bragd bleibt ?órr nur seine gewaltige Kraft, die er Elli entgegenhalten kann. Natürlich ist Ringen immer auch eine Sache der Kraft, aber Kraft alleine reicht nicht aus, um dauerhaft erfolgreich zu ringen – es geht um die Kenntnis der richtigen Technik, wie sich die Gylfagynning bewusst ist.28 Welche Technik genau Elli anwendet, wird uns nicht mitgeteilt. Andere Texte sind ausführlicher in ihren Beschreibungen oder benützen ringerische Fachtermini, die auf eine gute Kenntnis der Bewegungsabläufe bei Autoren und ihrem Publikum hindeuten. Z.B., wenn es im Jökuls páttr Búasonar ohne weitere Erklärung heißt: „og sló til sni.glímu vi. Gnípu, en er hana var.i minnst, brá hann henni lausamjö.m“ [Jökuls páttr Búasonar, Kap. 1, S. 49. „Er setzte an, Gnípa über sein ausgestrecktes Bein

25 Cleasby/Vigfusson 1993, S. 141. 26 Mondschein 2011, S. 22. 27 D.h., trotz seines mythischen Personals lässt sich die Textstelle gerade nicht dem mythischen Ringen zurechnen. 28 In der heutigen Glíma gilt es als schlechter Stil, Kämpfe nur durch Kraft zu entscheiden.

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zu ziehen, und als ihr Widerstand am geringsten war, warf er sie über die Hüfte.“]. Sowohl snidglíma als auch lausamjödm sind ringerische Fachtermini, und der im @áttr beschriebene Übergang von der einen in die andere Technik ist nicht zufällig gewählt. Es handelt sich um verwandte Bewegungen, deren Ähnlichkeit auch von modernen isländischen Ringern betont wird [Í@róttasamband Íslands 1916, S. 92.]. In der Gesamtschau der relevanten Textstellen stellt Einarsson zwölf Techniken des mittelalterlichen isländischen Ringens zusammen:29 – – – – – – – – – – –



leggjarbragd eda hælkrókur fyrir báda [Fegen eines Beins oder beider Beine von hinten oder von der Seite, mit dem äußeren Fuß] kastbragd [wörtl. „Wurftrick“; die Bedeutung konnte nicht geklärt werden, auch eine Anfrage beim Glímusamband Íslands blieb erfolglos] sveifla [Schwingen, d.h. ausheben und seitwärts werfen] magabragd eda klofbragd [frontales Ausheben, auch über den Oberschenkel von innen] háls- eda bolabragd [Niederzug mit Griff am Hals] draugabragd – bragd framan á baeda fótleggi [Fegen beider Beine von vorne] hnésbótarkrókur [Ausheben am Knie] snidglíma [Überzug über das ausgestellte Bein] tábragd, stigid á rist [auf den Fuß stellen und werfen] lausamjödm [Hüftwurf] fótarbragd, ekki getid um tegund [nicht näher bezeichnete Fußfeger; darunter evtl. die in der Aufzählung sonst nicht genannten krækjur, d.h. Fußhaken mit dem Spann] hælkrókur [Fußhaken mit der Ferse]

3 Der narrative Zweck der Ringkampftechniken Isländersagas sind keine Sportreportagen. Auch wenn die detaillierten Ringkampfschilderungen zur Unterhaltung des Publikums dienten, erschöpft sich darin nicht ihr narrativer Zweck. Wer mit den Einzelheiten des Ringens vertraut ist, kann aus den Textstellen Bedeutungsebenen herauslesen, die sonst verborgen bleiben. Ringkampfdarstellungen dienen z.B. dazu, Figuren näher zu charakterisieren, die Beziehungen der Charaktere untereinander zu verdeutlichen oder intra- und intertextuelle Bezüge herzustellen.

29 Vgl. Einarsson 2006, S. 76. Einarsson benützt die Terminologie der modernen Glíma, deren Kenntnis er voraussetzt. Genaue Erklärungen und Bilder zu den Techniken bei Í@róttasamband Íslands [1916], online zum Download unter URL: http://openlibrary.org/books/OL24411028M/Gl%C3%ADmub%C3%B3k [letzter Zugriff 01. 02. 2012].

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3.1 Definition eines Charakters Auf dem ?ing ringt Grettir gleichzeitig gegen zwei Brüder, die so gute Kämpfer sind, dass es außer ihm niemand mit ihnen aufnehmen will. Grettir hingegen beweist schnell, dass er seinen Beinamen „der Starke“ zu Recht trägt: Grettir seildist aftur yfir bak ?ór.i og tók svo í brækurnar og kippti upp fótunum og kasta.i honum aftur yfir höfu. sér svo a. hann kom a. her.um ni.ur og var. @a. allmiki. fall. ?á mæltu menn a. @eir skyldu fara til bá.ir bræ.urnir senn og svo var gert. ?á ur.u allmiklar sviptingar og máttu )msir betur en @ó haf.i Grettir ávallt annan hvorn undir en )msir fóru á kné […]. [Grettis saga, Kap. 72, S. 1967. „Dann griff Grettir über ?ór.rs Rücken und packte seine Hosen, hob ihn von den Füßen und warf ihn nach hinten über den Kopf, so dass er auf die Schultern niederfiel und einen üblen Sturz erlitt. Da sagten die Leute, dass beide Brüder ihn gleichzeitig angreifen sollten, und so wurde es getan. Da gab es ein mächtiges Gezerre, und mal hatte der eine, mal die anderen die Oberhand. Aber doch hatte Grettir stets einen unter sich, und mal ging der eine, mal die anderen nieder aufs Knie […].“]

Der Wurf, bei dem Grettir über ?ór.rs Rücken greift und ihn über den eigenen Kopf aushebt, ist keine Fiktion der Saga, sondern existiert in dieser Form auch noch in der heutigen Glíma. Aber er ist der wohl kraftaufwendigste und spektakulärste Wurf in ihrem Repertoire. Und die Fähigkeit, gleichzeitig zwei andere berühmte Ringkämpfer auf Augenhöhe zu bekämpfen, erscheint zwar nicht unmöglich, aber schier unglaublich. Indem die Szene Grettir derart agieren lässt, verortet sie ihn auf einer Schnittstelle zwischen historischer und sagenhafter Figur (s.o.) – erhebt einerseits Anspruch auf Glaubwürdigkeit, schreibt dem Helden andererseits aber wirklich außergewöhnliche Kraft zu.30 Wo der Ausführungsmodus ringerischer Aktion sich von der Technik hin zur Kraft verlagert, zeigt die Saga, dass nicht mehr ein Gegner, sondern ein Feind bekämpft wird, der geschädigt oder gar vernichtet werden soll. Die physische Aktion spiegelt den innerlichen Wechsel von Kontrolle zum Affekt seitens des Akteurs: ?eir takast fangbrög.um og glíma lengi @ar til ambátt ein kom í stofudyrnar og kallar @etta ambáttafang er hvorgi féll og ba. @á kyssast og hætta sí.an. Klaufi reiddist vi. @etta og tekur ?ór. upp á bringu sér og keyrir ni.ur fall miki. svo allir ætlu.u hann meiddan. Eftir @a. gyr.ir Klaufi hann svo fast a. hélt vi. mei.sl. [Svarfdæla saga, Kap. 13, S. 1797. „Sie begannen einen Ringkampf und rangen lange miteinander, bis eine Magd in die Stube trat und das ein Mädchenringen nannte, weil niemand zu Boden fiel. Sie riet ihnen an, sich zu küssen und dann aufzuhören. Klaufi erzürnte sich darüber und hob den

30 Der Meistergürtel der heutigen Glíma trägt in Erinnerung an diese außergewöhnliche Kraft den Namen Grettisbelti.

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?ór.r bis auf Brusthöhe und schmetterte ihn so mächtig auf den Boden, dass alle meinten, er müsste verletzt sein. Dann verprügelte Klaufi ihn fürchterlich.“]

Die verbale Effemination durch die Magd provoziert Klaufi derart, dass er nicht länger bereit ist, seine Wut in einen technischen Ringkampf zu kanalisieren. Er wechselt unvermittelt auf die Ebene roher Kraft, mit letztlich fatalen Folgen – im Anschluss an die Prügel holt er eine Axt und erschlägt ?ór.r.

3.2 Interpersonelle Beziehungen Unter dem Punkt „Ringen im Ernst“ wurde die kurze Sequenz aus der Porgils saga ok Haflida zitiert, in der ein Kämpfer den anderen niederwirft, am Boden fixiert und ihm mit dem Messer ein Auge aussticht. Wie festgestellt wurde, ist das Unterlaufen des gegnerischen Angriffs mit anschließendem Wurf kämpferisch plausibel, die dargestellte Kampfhandlung als realistisch zu betrachten. Gleichzeitig liegt die symbolische Bedeutung des Kampfverlaufs auf der Hand, wenn der Kontext der Stelle in Betracht gezogen wird. Auslöser für die Auseinandersetzung war der Ehebruch, den die Frau des Unterlegenen mit dem Gewinner des Kampfes begangen hatte. Der gehörnte Ehemann wird ein weiteres Mal gedemütigt, liegt unter seinem Widersacher und wird mit dem Messer gestochen. In der Penetration mit der phallisch konnotierten Klinge spiegelt sich das zuvor geschehene Unrecht. Der Angriff gegen das Gesicht als Ehrbeschneidung ist gängige mittelalterliche Praxis, auch auf dem Kontinent: „The role of ritual in physical aggression is emphasized in every study of the period. […] In symbolic language, the face stood for the whole person and his reputation.“31

3.3 Intra-/intertextuelle Bezüge Die Vorliebe der Isländersagas, zukünftiges Geschehen durch Träume und Omen anzudeuten, zeigt sich auch in der Ringkampfszene der Gunnlaugs saga ormstungu: Og um daginn er @eir fundust tóku @eir til glímu. ?á laust Gunnlaugur bá.a fæturna undan ?ór.i og felldi hann miki. fall en fóturinn Gunnlaugs stökk úr li.i, sá er hann stó. á, og féll Gunnlaugur @á me. ?ór.i. ?á mælti ?ór.ur: „Vera má“, segir hann, „a. @ér vegni eigi anna. betur.“ „Hva. @á?“ segir Gunnlaugur. „Málin vi. Hrafn“ […] Gunnlaugur svarar öngu. ?á var vafi.ur fóturinn og í li.inn fær.ur og @rútna.i allmjög. [Gunnlaugs saga ormstungu, Kap. 10, S. 1183. „Und am nächsten Tag, als sie sich trafen, begannen sie zu ringen. Da fegte Gunnlaugr dem ?ór.r beide Beine fort und brachte ihm einen kräftigen Fall bei. Aber Gunnlaugr verrenkte sich das Gelenk des Standfußes, und er fiel mit ?ór.r zu Bo-

31 Spierenburg 2008, S. 33.

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den. Da sprach ?ór.r: ‚Mir scheint, dass es dir mit einer anderen Sache nicht besser ergeht.’ ‚Womit denn’, sagte Gunnlaugr. ‚Mit deinem Handeln gegen Hrafn’ […] Gunnlaugr antwortete nichts. Der Fuß wurde bandagiert und das Gelenk eingerenkt, es schwoll heftig an.“]

?ór.r ahnt richtig: Bei einem Holmgang fügen sich später Gunnlaugr und Hrafn gegenseitig tödliche Wunden zu, wie im Ringkampf zuvor fallen also beide Kontrahenten. Dass dabei wieder eine Fußverletzung auftritt – diesmal allerdings bei Hrafn – vernetzt den Holmgang auf eine zweite Weise mit der Glíma-Szene. Mehrere Texte können über ihre Ringkampfszenen motivisch verknüpft sein, wenn ein Autor auf eine etablierte Kampfpaarung zurückgreift, die einen bestimmten technischen Verlauf des Ringens bedingt. Beispielsweise, wo es der Held mit einer Trollfrau zu tun bekommt: ?á spratt Hyrja kerling upp ok rann á hann ok tóku @au at glíma, og var @eirra atgangr bæ.i har.r og langr, @ví a. hon var hit mesta tröll, en Grímur var rammr at afli; enn @ó lauk svá, at hann brá henni á loptmjö.m, svo a. hún féll. [Gríms saga lodinkinna, Kap. 1, S. 167. „Da sprang das Weib Hyrja auf und rannte auf ihn zu, und sie begannen zu ringen. Ihr Kampf war hart und lang, denn sie war die schlimmste Trollin, und er von großer Körperkraft. Und doch endete es so, dass er sie über die Hüfte aushob, so dass sie fiel.“]

Der bereits erwähnte Ringkampf im Jökuls páttr Búasonar verläuft parallel; auch Gnípa, gegen die Jökull ringt, ist eine Trollfrau. Durch die gemischtgeschlechtlichen Kampfpaarungen, wie sie in der Realität wohl kaum vorgekommen sein dürften, erhalten die Texte zudem eine sexuelle Konnotation. Sie wird dadurch verstärkt, dass sowohl der Jökuls páttr als auch die Gríms saga bei einem Kampf Mann gegen Frau einen Hüftwurf zum Einsatz kommen lassen – der männliche Held bringt seine weibliche Gegnerin mit einer Technik zu Boden, die mit dem engen Aneinanderpressen von Hüfte auf Hüfte arbeitet.32 Daran halten verschiedene Varianten der Gríms saga auch bei unterschiedlicher Wortwahl fest.33 Ohnehin eröffnet die Saga wenige Zeilen vor der Auseinandersetzung einen sexuellen Horizont: „?au vóru í stuttum og skörpum skinnstökkum bæ.i; gerla sá hann, hversu @au voru í sköpun bæ.i í millum fótanna“ [Gríms saga lodinkinna, Kap. 1, S. 166. „Sie waren beide in kurze, abgewetzte Fellumhänge gekleidet. Er sah, wie sie beide zwischen den Beinen beschaffen waren.“].

32 Eine englische Bezeichnung für den Hüftwurf lautet cross-buttocks; der gleiche Begriff wird aber auch für eine Stellung beim Liebesspiel benützt: URL: http://www.menshealth.com/sexpositionmaster/ sex-positions/crossbuttocks.html [letzter Zugriff 01. 02. 2012]. 33 AM 343 a 4°: á loptmjödm; AM 471 4°: til mjadmar; AM 173 folx: mjadmar bragd.

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4 Kulturgeschichtliche Relevanz Als textgebundene Wissenschaft versucht die Altnordistik, das mittelalterliche Skandinavien anhand seines Schrifttums zu verstehen. Dieser methodische Ansatz erhält seine Berechtigung aus der hohen Qualität und großen Quantität der schriftlichen Quellen, birgt aber eine Gefahr: Allzu leicht fällt „Kultur“ in eins mit „Textproduktion“. Getreu dem Luther-Wort „Die Sprachen sind die Scheiden, darin die Schwerter des Geistes verborgen stecken“ glaubt man, das Wesen einer Kultur aus ihrem gesprochenen und geschriebenen Wort zu begreifen. Erst in einem zweiten Schritt werden dann die Zeugnisse aller übrigen Ausdrucksformen dem Bild eingefügt, das aus den sprachlichen Quellen gewonnen wurde. Diese Herangehensweise spiegelt vielleicht auch das Selbstbild der modernen Forscherinnen und Forscher: Während man sich im akademischen Umfeld über die Fähigkeiten des Verstandes definiert, steht man dem eigenen Körper indifferent gegenüber – er konstituiert das Ich nicht, sondern ist lediglich sein Vehikel. Es muss hinterfragt werden, ob vor einem solchen Hintergrund nicht wesentliche Teile fremder Lebenswirklichkeiten unerkannt bleiben. Das Desinteresse der heutigen westlichen Welt gegenüber körperlich-kämpferischen Fertigkeiten ist die historische Ausnahme. Im mittelalterlichen Island hingegen ist der Körper eine Währung, mit der ein Mann als Krieger um soziales Prestige handeln kann. Den Wert des Körpers zum Beispiel durch das Training von Ringkampftechniken zu steigern, ist eine naheliegende Konsequenz. Auf diese Weise „erhält das technisch-taktische Arsenal des Ringkampfes kulturgeschichtliche Relevanz“34 [Welle 1993, S. 296.], da physische und geistige Ausdrucksformen einer kriegerisch orientierten Kultur in Wechselwirkung miteinander stehen: The heroic display ethos of a culture or subculture is that collective set of behaviours, expected actions and principles or codes of conduct that ideally guide and are displayed by a hero […] The heroic display ethos […], the oral and/or written mythologies and histories of martial exploits, and specific martial techniques collectively constitute a network of three symbiotically interrelated phenomena. Together, they combine to constitute a variety of genres of cultural performance ranging from aesthetic, virtual displays […] to game-contests or mock combats arranged as part of a public festival […], to duels or combats […], to external warfare itself. […] Through such public performances, a particular (sub)culture’s warrior-ethos itself is displayed to a wide public through use of actual techniques.35

Die Erforschung der altnordischen Spiel- und Sportgeschichte ist kein bloßes Sammeln historischer Kuriositäten – im Gegenteil: Sie ist unverzichtbar, solange das Ziel eine möglichst vollständige Beschreibung des skandinavischen Mittelalters ist. Der damalige Mensch definierte sich nicht nur durch eine bestimmte Art zu denken und

34 Welle 1993, S. 296. 35 Zarrilli 2010, S. 606.

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zu dichten, sondern auch durch eine spezifische Weise, sich zu bewegen, zu spielen, zu tanzen, Sport zu treiben und zu kämpfen.

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At preyta sund vid konunginn – Wettkampf mit dem König 1 Das Schwimmen in der altnordischen Literatur: allgemeine Fähigkeit und königliche Begabung Nicht wenige Sagas geben Auskunft darüber, dass die Fertigkeit des Schwimmens im norrönen Raum der Wikingerzeit und der folgenden Jahrhunderte bekannt gewesen ist. Eindrücklich ist etwa die Passage in der Hardar saga, in der Helga, die Frau von Hor.r, ˛ nach dem Tod ihres Mannes von einer Insel schwimmend ans Festland flüchtet. Nachdem sie ihren vierjährigen Sohn in Sicherheit gebracht hat, kehrt sie zurück, um ihrem älteren Sohn zu helfen, der bereits selbst ein Stück des Weges zurückgelegt hat.1 Bemerkenswert ist auch die Tat von Grettir Ásmundarson, der sich gezwungen sieht, von der Insel Drangey ans Festland zu schwimmen, weil sein Knecht in der Nacht das Feuer ausgehen ließ und kein Boot zur Verfügung steht, um neue Glut zu holen.2 Ohne die Historizität der geschilderten Ereignisse vorauszusetzen, ist aufschlussreich, was die Ausgabe der Grettis saga hierzu vermerkt: Die kürzeste Strecke zum Land beträgt 7,5 km, und im Jahre 1927 benötigte ein Schwimmer dafür 4 Stunden und 15 Minuten.3 Was die Saga berichtet, ist also nicht nur durchführbar, auch die Zeitangaben erscheinen realistisch. Grettir schwimmt am späten Nachmittag los und kommt nach oder bei Sonnenuntergang an. Erleichterung scheint er durch eine spezielle Technik zu suchen: Es heißt, „hann lét fitja saman fingrna“4; „fitja saman fingrna“ lässt sich in etwa durch „mit Schwimmhaut/-häuten versehen“ wiedergeben.5 Die Beispiele von Helga und Grettir schildern besondere Leistungen in Notsituationen, durch die das Ansehen der Protagonisten Steigerung erfährt. Die Erzählung von Helga und ihren Söhnen gibt zudem einen Hinweis darauf, dass das Schwimmen eine Fertigkeit war, die in der Bevölkerung verbreitet war und nicht, wie andere Arten körperlicher Betätigung, einer bestimmten Gruppe – Männern einer mehr oder weniger privilegierten Oberschicht – vorbehalten war. Das Schwimmen tritt jedoch in der norrönen Literatur in einer Vielzahl anderer Kontexte auf. Trotz, oder vielleicht gerade wegen der relativ hohen Verbreitung wird es auch ausdrücklich als besondere

1 Vgl. ÍF 13, S. 89. 2 Vgl. ÍF 7, S. 238–239. 3 Vgl. ÍF 7, Anm. 2. 4 ÍF 7, S. 238. 5 Vgl. Baetke 2005, S. 140. In der Neuübersetzung der Grettis saga (Simek / Hennig 2011) heißt es: „und verband die Finger mit Schwimmhäuten“.

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Fähigkeit einiger Sagahelden erwähnt. So erscheint es in der einführenden Beschreibung Kjartan Ólafssons in der Laxdœla saga: „Kjartan var hverjum manni betr á sik kominn, svá at allir undru.usk, @eir er sá hann; betr var hann ok vígr en flestir menn a.rir; vel var hann hagr ok syndr manna bezt; allir í@róttir haf.i hann mjõk umfram a.ra menn […].“6 In ähnlicher Weise wird es in der Beschreibung von Gunnarr Hámundarson in der Njáls saga angeführt: Gunnarr kann das Schwert mit beiden Händen gleich gut führen oder einen Speer werfen. Wenn er kämpft, scheinen drei Schwerter in der Luft zu sein, so schnell sind seine Bewegungen; er ist der beste Bogenschütze; er kann höher als seine eigene Körpergröße in voller Rüstung springen und ebenso weit vorwärts wie rückwärts – und er ist ein guter Schwimmer.7 Im Vergleich zu Gunnarr erscheint das Schwimmen in der Beschreibung Kjartans exponierter, denn seine übrigen Talente werden zum großen Teil (nur) in allgemeiner Form genannt. Der Grund hierfür ist im weiteren Verlauf der Saga zu sehen, in dem es zum Schwimmwettkampf mit dem norwegischen König Óláfr Tryggvason kommt. Ehe sich dieser ereignet, wird zudem an einer weiteren Stelle davon erzählt, dass Kjartan, sein Ziehbruder Bolli und einige andere junge Männer sich die Zeit beim Schwimmen vertreiben.8 Die Rezipienten der Saga sind also bestens über Kjartans Vermögen auf diesem Gebiet informiert, bevor er mit dem König zusammentrifft. Für Gunnarr hingegen besitzt das Schwimmen keine größere Bedeutung. Es erscheint „nur“ als ein Glied in der Aufzählung aller seiner Fertigkeiten, und im Lauf der Njáls saga tut er sich durch andere Talente hervor. Dass das Schwimmen überhaupt zusammen mit seinen weiteren Fähigkeiten genannt wird, zeigt jedoch, dass es an sich als wichtig genug und geeignet aufgefasst wurde, eine Person, einen Sagahelden zu charakterisieren. Nicht nur für Hauptpersonen der Isländersagas wird das Schwimmen-Können notiert, auch für einige Könige wird es ausdrücklich vermerkt, erscheint also als „königliche Fertigkeit“: So heißt es etwa von Óláfr helgi, er sei ein guter Schwimmer gewesen.9 Óláfr Tryggvason bestreitet in der Laxdœla saga einen Schwimmwettkampf mit Kjartan, in der Óláfs saga Tryggvasonar en mesta zusätzlich auch mit Eindri.i ilbrei.r. Über König Haraldr har.rá.i wird ein Schwimmwettkampf mit Hemingr Ásláksson erzählt. – Die drei Episoden werden in Punkt 2 genauer besprochen. – Auch in einer Strophe aus der Morkinskinnan, die Haraldr har.rá.i zugeschrieben wird, findet das Schwimmen Erwähnung. Es erscheint dort als eine von acht Fertigkeiten, die der König für sich in Anspruch nimmt:

6 ÍF 5, S. 77 – „Kjartan war mehr als jeder andere vollkommen, so daß alle, die ihn sahen, staunten. Auch in der Waffenführung überragte er die meisten Männer. Handwerklich war er geschickt und der allerbeste Schwimmer. In allen Künsten übertraf er die anderen.“ (Beck 1997, S. 71.) 7 Vgl. ÍF 12, S. 53. Ebenso heißt es in der Beschreibung Skarphe.inns, er sei „syndr sem selr“, vgl. ÍF 12, S. 70. 8 Vgl. ÍF 5, S. 91–92. 9 Vgl. ÍF 27, S. 4.

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Í@róttir kannk átta: Yggs fetk lí. at smí.a, fœrr emk hvasst á hesti, hefk sund numit stundum skrí.a kannk á skí.um, sk)tk ok rœk svát n)tir hvárttveggja kannk hyggja harpsló˛ tt oc brag@ó˛ ttu.10

Ob die Strophe authentisch ist, kann hier dahingestellt bleiben11 – eine Variation, in der der erste Teil und damit das Schwimmen fehlt, findet sich in der Orkneyinga saga.12 Betont werden darin körperliche Fähigkeiten ebenso wie das Harfespiel und die Dichtkunst.13 Vor allem die Erwähnung letzterer sowie die Nennung des Skifahrens geben der ganzen Strophe ein „nordisches“ Gepräge. Ähnlich und doch unterschiedlich in der Zusammenstellung der Fertigkeiten ist eine Strophe der Rígspula. Von Jarl, dem mythischen Begründer der Oberschicht/Aristokratie, heißt es dort, dass er sich im Umgang mit Bogen, Schwert und Speer, mit Pferden und Hunden sowie im Schwimmen übte: Upp óx @ar lind nam at scelfa, álm at beygia, flein at fleygia, hestom rí.a, sver.om breg.a,

Iarl á fletiom, leggia strengi, orvar ˛ scepta, froccor ˛ d)ia, hundom verpa, sund at fremia.14

Deutlicher als in der Strophe von Haraldr har.rá.i wird das Schwimmen hier Fertigkeiten gleichgestellt, die man beinahe als ritterlich bezeichnen könnte, die aber in jedem Fall ihren Bezug zur kriegerischen Sphäre nicht verleugnen können. Im Gesamtzusammenhang des Gedichts dient ihre Aufzählung dazu, auf den hohen Stand von Jarl hinzudeuten. Ohne eine bestimmte Datierung15 oder eine Beeinflussung der Rígs-

10 ÍF 23, S. 116. – „I have eight accomplishments: I know how to forge Yggr’s [Ó.inn] wine [skaldic poetry]; I am a swift horseman; on occasion I have practiced swimming. I can glide on skis; I shoot and row well enough; I have command of both harp playing and poetry.“ (Andersson / Gade 2000, S. 149.) 11 Vgl. Andersson / Gade 2000, S. 30–31 und 473. 12 Vgl. ÍF 13 1965, S. 130. 13 Zum Begriff íprótt und den verschiedenen Fertigkeiten, die damit bezeichnet werden können, vgl. die Einleitung des vorliegenden Bandes. 14 Edda (Neckel / Kuhn 1983), S. 285 (Str. 35). – „Dort wuchs Jarl auf den Bänken auf; den Lindenschild begann er zu schütteln, Bogensehnen zu legen; den Bogen zu biegen, Pfeile zu schäften, den Speer zu schleudern, Spieße zu schwingen, Pferde zu reiten, Hunde zu hetzen, Schwerter zu ziehn, Schwimmen zu betreiben.“ (Krause 2004, S. 193–194.) 15 Die Datierung der Rígspula ist nach wie vor umstritten. Der Frankfurter Edda-Kommentar nennt als terminus post quem 1230/1250, vgl. von See et al. 2000, S. 513. Ähnlich äußern sich Krause 2010,

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pula durch kontinentaleuropäische Werke vorauszusetzen, lässt sich darauf hinweisen, dass das Schwimmen auch in der Ausbildung eines Ritters eine Rolle spielte.16 Verschiedene Gründe können dafür verantwortlich sein, welche Fähigkeiten in Dichtung und Sagaliteratur Personen zugeschrieben werden. Mündliche Tradition mag eine Rolle spielen, ebenso können persönliche Präferenzen der Schreiber verantwortlich für die Nennung oder Auslassung einer Fertigkeit sein. Lars Lönnroth verweist auf den „Rhythmus“, der in einigen Beschreibungen zutage tritt, so etwa im Fall von Gunnarr und Skarphe.inn. Zudem macht Lönnroth darauf aufmerksam, dass besonders ausführliche Beschreibungen eher in jüngeren Sagas zu finden seien, die mit Sicherheit starke literarische Überarbeitung erfahren haben; in älteren Sagas und auch in der älteren Poesie seien umfangreiche Personenbeschreibungen eher selten.17 Des Weiteren ist mit intertextueller Beeinflussung zu rechnen: Für Gunnarr mag das Schwimmen erwähnt werden, weil es von Kjartan bekannt war; die Episode von Hemingr und König Haraldr im Hemings páttr kann entstanden sein, weil letzterem in der Strophe der Morkinskinna eben jene Fähigkeiten in den Mund gelegt werden, die in der Prosaerzählung begegnen (Schwimmen, Bogenschießen und Skilaufen). Hält man die Strophe für interpoliert bzw. jünger, könnte umgekehrt auch der páttr bzw. eine seiner Vorstufen die Strophe beeinflusst haben.18

2 Wettkampf zwischen König und Held in der Sagaliteratur Begegnet das Schwimmen in der Sagaliteratur in agonaler Form, stehen dabei zwei mögliche Formen des Wettstreits zur Auswahl: Das Wett- oder Weitschwimmen sowie der häufiger thematisierte „Tauchwettkampf“, bei dem die Kontrahenten versuchen, sich gegenseitig unter Wasser zu drücken. Auffällig ist, dass derartige Schwimmwettkämpfe (teilweise in Verbindung mit weiteren Wettstreiten), in den Sagas vor allem verwendet werden, um König und Sagaheld aufeinander treffen zu lassen. Bevor die prominentesten Beispiele, die Episoden der Laxdœla saga, des Eindrida páttr ilbreids

S. 178–179 und Simek 2006, S. 349–350. Ein Überblick über die verschiedenen Einschätzungen findet sich bei Dillmann 2003, S. 619–628, insbesondere S. 625–626. Er möchte ihre Entstehung eher früher ansetzen, ebenso Sigur.sson 2011, S. 82. 16 Vgl. etwa die häufig zitierte Strophe des Ritterspiegels in Neumann 1936, V. 2700 sowie die noch ältere Erwähnung des Schwimmens (neben verschiedenen anderen Fertigkeiten) in der Disciplina clericalis des Petrus Alfonsi (Hilka / Söderhjelm 1911, S. 10). Vgl. Broekhoff 1973, S. 225–247, hier 228; 1988, S. 57–102, hier 67. Auf die Ähnlichkeit der Aufzählung der probitates in der Disciplina clericalis zu Nennungen von Fertigkeiten in Sagas und Dichtung weist Rafnsson (2005, S. 180, unter Verweis auf Gu.mundsson 1997, S. 262) hin. 17 Vgl. Lönnroth 1969, S. 69–70 bzw. S. 68–117. 18 Vgl. Liestøl 1933, S. 107.

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und des Hemings páttr Ásláksonar, näher betrachtet werden, lassen sich einige Überlegungen zum Wettkampf in den Sagas sowie zum angesprochenen Phänomen, dem Zusammentreffen von König und Held, voranstellen. Anders als der ernstere Holmgang, der gewöhnlich mit scharfen Waffen und zu einem konkreten Zweck durchgeführt wird,19 bieten Auseinandersetzungen wie die Schwimmwettkämpfe den Kontrahenten die Gelegenheit, ihre Kräfte auf körperlich fordernde, jedoch (meist) unblutige Weise zu messen. Sie ähneln darin den aus der Ethologie bekannten Komment- und Rangordnungskämpfen.20 Gestattet man sich einen weitergehenden Analogieschluss, lässt sich davon ausgehen, dass die an sich harmlosen Wettkämpfe (wie die Schwimmwettkämpfe) in den Sagas die Herausbildung einer Rangordnung oder deren Neufestlegung mit sich bringen. In einer Gesellschaft, in der Männer Ansehen besitzen oder gewinnen, weil sie sich durch bestimmte Fertigkeiten hervortun, kann physische Dominanz in einem Wettkampf auf die soziale Ebene übertragen werden. – Dass in der Sagaliteratur ausschließlich körperliche Fähigkeiten zu Ruhm und Ansehen beitragen, ist damit nicht gesagt.21 Speziell für die Darstellung von Königen „in Old Norse society“ lässt sich nach Jón Vi.ar Sigur.sson feststellen, dass ihnen nicht nur mehr Fähigkeiten als anderen weltlichen Anführern zugeschrieben werden, sondern sie diese darin für gewöhnlich auch übertreffen.22 Nicht nur, aber auch dadurch bilden sie eine von den übrigen Personen abgehobene Gruppe – „[k]ings are in a group of their own“23. Die nicht zu bestreitende Sonderstellung des Königs lässt jedoch einen Wettkampf mit ihm als heikle Angelegenheit erscheinen. Obgleich ein König in einem solchen Unterfangen kaum seine Stellung, seinen Titel riskiert, bedeutet eine Niederlage vor dem Hintergrund einer möglichen Neuordnung der Rangfolge auch für ihn Einbuße an Ansehen und Autorität. Unweigerlich verschiebt sich das Machtverhältnis, wenn auch in sublimer Weise. Für den Kontrahenten wiederum bedeutet ein Sieg über den König zwar Vergrößerung des Ansehens, jedoch kaum den Gewinn der Gunst des Königs. Warum aber lassen sich die Könige und ihre Gegner auf eine derartige Situation ein? Wie gestalten die Sagas diese spezielle Konstellation und was wird durch sie vermittelt?

19 Vgl. etwa die Zweikämpfe, zu denen in der Brennu-Njáls saga aufgefordert wird (ÍF 12, S. 27–28 (Hrútr fordert Mor.r), ˛ S. 66–67 (Gunnarr fordert Hrútr)). Vgl. auch Beck 2000, S. 78–79. 20 Vgl. Eibl-Eibesfeldt 1995, S. 143–145 und 533. 21 Etwa das Beispiel Njálls belegt das Gegenteil. Vgl. auch z.B. Andersson 1970, S. 575–593. 22 Vgl. Sigur.sson 2011, S. 73. 23 Sigur.sson 2011, S. 79. Selbstverständlich ist die Sonderstellung des Königs auch in anderen Dingen als den körperlichen Fertigkeiten begründet, vgl. etwa Jakobsson 1997, S. 89–154 und 212–222.

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2.1 Kjartan Óláfsson und König Óláfr Tryggvason in der Laxdœla saga Die wohl bekannteste Erzählung über einen Schwimm- bzw. Tauchwettkampf enthält Kap. 40 der Laxdœla saga, in dem Kjartan Óláfsson und der norwegische König Óláfr Tryggvason aufeinander treffen. In leicht abgewandelter Form wird die Episode in mehreren anderen Texten berichtet: in der Óláfs saga Tryggvasonar (ÓTO) des Mönchs Oddr Snorrason, der Óláfs saga Tryggvasonar en mesta (ÓTem)24, der Fríssbók sowie der Kristni saga.25 Die folgende Analyse beschränkt sich größtenteils auf die Passage der Laxdœla saga, die dort etwas markanter ausgestaltet ist als in den übrigen. Auch ist der Schwimmwettkampf in dieser Saga gut vorbereitet: Wie erwähnt, kommt an zwei vorausgehenden Textstellen bereits zur Sprache, welch guter Schwimmer Kjartan ist.26 Als Kjartan in Norwegen ankommt, erfährt er, dass Óláfr Tryggvason an die Macht gekommen ist und sich für die Einführung des Christentums einsetzt. In Ni.aróss trifft er auf andere Isländer, die vom König an der Ausfahrt nach Island gehindert werden, weil sie sich weigern, den christlichen Glauben anzunehmen.27 Darauf folgt die in ihrer sagatypisch reduzierten Darstellung einprägsame Schilderung des Wettkampfes zwischen Kjartan und dem König: Kjartan sieht, wie Männer zum Baden aus der Stadt an den Fluss gehen, worauf er mit seinen Gefährten ebenfalls beschließt, „at fara til sundsins at skemmta sér um daginn“,28 also zum Baden zu gehen um sich den Tag über zu vergnügen, wie sie es auch in Island getan haben. Kjartan bemerkt, dass ein Mann aus der Gruppe der Norweger sich vor allen übrigen im Schwimmen hervortut („einn ma.r lék @ar miklu bezt“). In Anbetracht dessen, dass Kjartan schon als der beste Schwimmer Islands vorgestellt wurde, kann es nicht überraschen, dass er den Norweger herausfordern möchte. Zunächst fragt er zwar seinen Ziehbruder Bolli, ob er nicht einen Kampf mit dem Mann wagen möchte, doch der lehnt ab. Im anschließenden Kräftemessen zwischen Kjartan und König Óláfr, bei dem sich die Männer gegenseitig so lange wie möglich

24 Die Óláfs saga Tryggvasonar en mesta zeigt in den betreffenden Passagen oft große, zum Teil wörtliche Übereinstimmung mit der Laxdœla saga, erzählt aber meist etwas ausführlicher, vgl. Halldórsson 1958, S. 359–367 und 369–372. 25 Dass die Laxdœla saga aus der ÓTO bzw. einer Vorstufe schöpft, scheint plausibel, vgl. Heller 1976, S. 53–67. Wie die Texte ansonsten zueinander stehen, wurde und wird unterschiedlich diskutiert. Die Beurteilung ist eine Rechnung mit mehreren Unbekannten – mit der verlorenen lateinischen ÓTO, der verlorenen Ólafs saga Tryggvasonar des Mönchs Gunnlaugr Leifsson und Vorstufen der bestehenden Texte. Vgl. hierzu u.a. Magnússon Ólsen 1893, S. 207–352; A.albjarnarson 1937; Rafnsson 2001; ders. 2005; ÍF 13, S. LXII–CXXIX; ÍF 25, S. LXXX–CLXXXIII; Kupferschmied 2009. 26 Vgl. ÍF 5, S. 77, 91–92. 27 Vgl. ÍF 5, S. 115–116. 28 Vgl. für dieses und die weiteren Zitate zum Schwimmwettkampf ÍF 5, S. 117–118.

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unter Wasser zu halten versuchen, ergeben sich drei „Tauchgänge“. Einmal behält Kjartan die Oberhand,29 beim zweiten Mal Óláfr, beim dritten bleiben sie so lange unter Wasser, dass es Kjartan scheint, er habe sich nie in einer ebenso schlimmen Lage befunden („@ykkisk Kjartan aldri komit hafa í jafnrakkan sta. fyrr“) – dies ist im Übrigen das einzige Mal in der gesamten Szene, dass die Gedanken eines der Protagonisten mitgeteilt werden; alle anderen Hinweise auf die Gemütsverfassung einer Person ergeben sich aus deren Handlungen. Nachdem sie wieder aufgetaucht sind, begeben sich die Kontrahenten an Land. Kjartan zeigt sich verärgert über sein Unvermögen, den Gegner zu besiegen. Doch je abweisender er sich verhält, umso entgegenkommender reagiert der König. Anstatt den Triumph auszukosten, bemerkt er versöhnlich, es komme auch darauf an, mit welchem Gegner man es zu tun habe. Die Szene endet damit, dass Kjartan von König Óláfr einen Mantel als Geschenk erhält. Seine Gefährten sind darüber wenig erfreut, denn sie sind der Meinung, Kjartan habe sich auf diese Weise weit in die Gewalt des Königs gegeben („@óttu Kjartan mjok ˛ hafa gengit á vald konungs“). Die Interaktion von Kjartan und König Óláfr in Kapitel 40 der Laxdœla saga ist damit noch nicht abgeschlossen. Hat Kjartan den König zuerst zum Schwimmwettkampf herausgefordert, droht er ihm in einer späteren Szene sogar den Tod an, wenn auch nicht von Angesicht zu Angesicht: Bei einem Gelage mit seinen Gefährten verkündet er vollmundig, er werde sich keineswegs zum neuen Glauben zwingen lassen und den König in seiner Halle verbrennen. Als er zur Rede gestellt wird, gibt er sein Vorhaben ohne Umschweife zu. Erneut verhält sich König Óláfr äußerst großmütig – er sieht von einer Bestrafung ab und gewährt ihm sogar die Ausreise nach Island. Kjartan und seine Gefährten lassen sich schließlich noch im selben Winter taufen.30 Betrachtet man die Kontrahenten genauer, zeigt sich, dass ihre Opposition auf mehreren Aspekten gründet. Zentral ist sicherlich der vorhergehend thematisierte soziale Aspekt, also der Unterschied im gesellschaftlichen Rang von Sagaheld und König. Óláfr ist aufgrund seines Titels und seiner Stellung anderen, auch Kjartan, übergeordnet. Als Untertan muss sich Kjartan allerdings nicht fühlen, denn Island hat zum Zeitpunkt des Geschehens den norwegischen Monarchen noch nicht anerkannt. In seiner Heimat besitzt Kjartan zudem selbst großes Ansehen; er entstammt ebenfalls einem Königsgeschlecht und verfügt über entsprechendes Auftreten. Die unterschiedliche Herkunft der beiden Gegner, sowie ihr unterschiedlicher Glaube – Kjartan ist Heide, König Óláfr Christ – bilden darüber hinaus konträre Eigenschaften, die den Konflikt verstärken.

29 Am Rande erwähnenswert ist die Bemerkung zur „Technik“ des Tauchwettkampfes, die die ÓTO (Redaktion A) und die Fríssbók enthalten: Kjartan habe den Fuß des Königs ergriffen und ihn auf diese Weise unter Wasser gedrückt, vgl. Oddr Snorrason: Óláfs saga Tryggvasonar (ÍF 25), S. 241, 379. 30 Vgl. ÍF 5, S. 123.

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Am Ende von Kapitel 40 steht die Aufhebung dieser auf drei Ebenen bestehenden Opposition bzw. die Lösung des Konfliktes, realisiert durch die vollständige Anerkennung des norwegischen Königs durch Kjartan. Seine Unterordnung vollzieht sich in mehreren Stufen, deren erste der Schwimmwettstreit darstellt. Dieser dient auch dazu, ein Zusammentreffen zwischen Kjartan und dem norwegischen König überhaupt zu bewerkstelligen. Dennoch ist der Wettkampf keineswegs bloßer Vorwand, sondern essentieller Bestandteil der Erzählung: In ihm wird bereits über das zukünftige Verhältnis der Protagonisten entschieden. Ein Wettkampf mit dem König lässt sich, wie angesprochen, als durchaus heikles Unterfangen auffassen. Die Laxdœla saga spielt allerdings mit den Identitäten: Dem Leser sind die beiden Kontrahenten bekannt, doch gegenseitig geben sie sich im Vorfeld des Wettkampfes nicht zu erkennen. Sie treffen vorgeblich als zwei einander unbekannte Männer aufeinander, ihr Verhältnis zu Beginn des Kampfes lässt sich daher als (vordergründig) unverbindlich beschreiben. Kjartan kann seinem Gegner deshalb einigermaßen unbefangen gegenübertreten. Dass er weiß oder wenigstens ahnt, um wen es sich bei seinem Gegner handelt, lässt sich jedoch annehmen: Sein abweisendes Verhalten nach dem Schwimmen, das in der Antwort auf Óláfrs Frage kulminiert, er interessiere sich nicht für dessen Namen („ekki hir.i ek um nafn @itt“), legen nahe, dass er sehr wohl eine Vermutung über die Identität seines Gegners hegt. Er möchte es bei der Unverbindlichkeit belassen und gar nicht „offiziell“ erfahren, wen er nicht besiegen konnte. Auch wenn in der Laxdœla saga nie von einer Niederlage die Rede ist31 (König Óláfr erscheint allerdings im Vorteil, weil Kjartan sich durch ihn beim dritten Tauchgang so bedrängt fühlt wie nie zuvor), hat der Isländer sein Ziel verfehlt. Er, der der „Beste“ in Island war, konnte seinen Gegner nicht besiegen. Kjartan hat im wahrsten Sinn des Wortes in Norwegen seinen Meister gefunden. Dieser Erweis der körperlichen Ebenbürtigkeit oder, je nach Interpretation, der Überlegenheit des Königs bildet ein wichtiges Element im Prozess der Unterordnung Kjartans, ja lässt sich als dessen Voraussetzung begreifen. Obgleich der Isländer über den Ausgang des Kräftemessens verärgert ist, müssen ihm die (körperlichen) Fähigkeiten seines Gegners Respekt abverlangen. Anders ausgedrückt: Gerade die Tatsache, auf einen von ihm nicht zu besiegenden Mann getroffen zu sein, gestattet Kjartan, diesem Achtung entgegenzubringen. Das großmütige Verhalten des Königs trägt natürlich außerdem dazu bei, ebenso auch sein übergeordneter gesellschaftlicher Rang, den Kjartan zur Kenntnis nehmen muss, als Óláfr ihm schließlich doch seinen Namen kundtut – jede Unverbindlichkeit im Verhältnis der beiden Männer ist damit aufgehoben. Der Schwimmwettkampf mit der unmittelbar anschließenden Interaktion zwischen Kjartan und dem König kommt in dieser Erzählung einem Erkenntnisprozess gleich: Das (An-)Erkennen der physischen Ebenbürtigkeit bzw. Überlegenheit des

31 Alois Wolf spricht von „Patt“, vgl. Wolf 1994, S. 743.

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Kontrahenten geht voraus, darauf aufbauend folgt das (An-)Erkennen der Person des Königs. Doch nicht nur Kjartan bietet sich die Gelegenheit zur Erkenntnis, sondern ebenso dem König: Kjartan sei ein vortrefflicher Mann, allerdings auch sehr stolz, äußert Óláfr im Anschluss an den Wettstreit („Bæ.i er, at @ú ert gørviligr ma.r, enda lætr @ú allstórliga […].“) Er weiß nun um die Qualitäten des Isländers, und ihm ist daran gelegen, einen solchen Mann für sich zu gewinnen. Das Verhalten des Königs nach dem Wettkampf kann zwar Verwunderung hervorrufen, zumal es nicht unbedingt mit dem Bild des Herrschers übereinstimmt, das in anderen Sagas, andeutungsweise auch in der Laxdœla saga, gezeichnet wird – Óláfr verfährt mit seinen Feinden bzw. den Heiden, die hartnäckig am alten Glauben festhalten, zuweilen überaus grausam.32 Die hier abweichende Darstellung lässt sich u.a. auf das Interesse des Verfassers zurückführen, Kjartans Stellung als Hauptperson der Saga hervorzuheben. Unköniglich ist Óláfrs Handlungsweise jedoch keineswegs.33 Mit seinem besonnenen, milden Auftreten und seiner Großmut prägt er ideale Eigenschaften eines mittelalterlichen (christlichen) Herrschers aus. Zudem gestattet ihm gerade seine zuvor im Wettkampf bewiesene Stärke die nachsichtige Behandlung Kjartans: An Autorität hat er nichts eingebüßt. König Óláfr erscheint dementsprechend nach dem Wettkampf in einer Position, von der alle Initiative ausgeht. Kjartan kann nur reagieren, und auch wenn er sich nicht angemessen verhält und nur widerwillig auf die Fragen des norwegischen Herrschers antwortet, entzieht er sich diesem auch nicht. Zwar wendet er sich ab, als er erfährt, um wen es sich bei seinem Gegner handelt,34 kehrt aber um, als der König ihn zurückruft („hann kallar á Kjartan ok ba. hann eigi svá skjótt fara“) und ihm den Mantel schenken will. Kjartans Zögern resultiert gleichermaßen aus seiner Verärgerung über den Ausgang des Wettkampfes wie aus dem Dilemma, das für ihn daraus erwächst: Die Offerte des Mantels demonstriert (erneut) die übergeordnete Stellung des Königs35 und wird von Óláfr Tryggvason klar eingesetzt, um von Kjartan eine Entscheidung zu erzwin-

32 Vgl. etwa (ÍF 25), z.B. S. 236–237, 253 und 276–283. 33 So Wolf 1994, S. 743. 34 Hanne Monclair ist der Ansicht, Kjartan habe sich sogleich abgewandt und sei ohne Mantel gegangen, „slik at kongen var mest påkledd, slik det var vanlig skikk for å vise hvem som var øverst i rang.“ (Monclair 2003, S. 109.) Etwa der norwegische Königsspiegel erwähnt, dass man seinen Mantel ablegen solle, bevor man vom König empfangen wird, vgl. Holm-Olsen 1945, S. 47. Ob die Passage der Laxdœla saga tatsächlich darauf rekurriert, lässt sich diskutieren. Es kommt zum einen darauf an, wie das Adjektiv „skikkjulaus“ („mantellos“) verstanden wird: Bedeutet es, dass Kjartan zwar einen eigenen Mantel dabei hat, sich aber nach dem Kampf nicht damit bekleidet um dem König den gebührenden Respekt zu erweisen, oder bedeutet es, dass er überhaupt keinen Mantel dabei hat? Zum anderen legt das Verhalten Kjartans nicht nahe, dass ihm daran gelegen ist, den König zu ehren. Sein übereiltes Abwenden kann als unangemessen verstanden werden – hat er tatsächlich einen eigenen Mantel dabei, zieht er ihn deshalb nicht an, weil er der ganzen Situation überdrüssig geworden ist und so schnell wie möglich außer Reichweite des Königs kommen möchte. 35 Vgl. Gurevich 1968, S. 129; Monclair 2003, S. 131–134.

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gen: Durch eine Ablehnung des Geschenks würde der Isländer den König wesentlich stärker brüskieren, als er es durch sein bisheriges Verhalten getan hat. Mit der Annahme des Mantels aber verpflichtet er sich dem König sichtbar für alle Anwesenden und begibt sich, mit den Worten seiner Gefährten, (wenigstens zu einem gewissen Grad) in dessen Gewalt: Dem Prozess des (An-)Erkennens schließt sich eine Stufe der Unterordnung an. Beide Redaktionen der ÓTO, Fríssbók und Kristni saga belassen es dabei: Mit der Annahme des Mantels ist der weltliche Teil der Unterordnung unter den König vollzogen, die Taufe Kjartans und seiner Gefährten folgt fast unmittelbar und ohne weitere Komplikationen.36 Nur die Laxdœla saga (und die ÓTem)37 schiebt als retardierendes Moment die erwähnte Episode des Aufbegehrens ein, in der Kjartan davon spricht, den König umzubringen, anstatt sich von ihm zur Annahme des Christentums zwingen zu lassen. Sein Stolz und sein Anspruch, selbst mit Achtung behandelt zu werden, kommt dabei unmissverständlich zum Ausdruck: „„Engis manns nau.ungarma.r vil ek vera,“ segir Kjartan, „[…] @ykki mér @at ok lítilmannligt, at vera tekinn sem lamb úr stekk e.a melrakki ór gildru […].““38 Alois Wolf spricht hier zu Recht von einer „Selbstheroisierung“ bzw. davon, die Laxdœla saga ziehe „stärkste heroische Register“39, die in ihr eigentlich deplatziert wirkten. Doch auch wenn sich Kjartans Gerede von der Tötung des Königs als „heroische Seifenblase theoretischer fortitudo“40 erweist, ist die Passage nicht funktionslos: Das folgende Zusammentreffen mit dem König wiederholt das erste gleichsam in verschärfter Weise und unter anderen Vorzeichen – die Männer wissen von vornherein, wem sie gegenüberstehen. Kjartan bietet sich, als er vom König zur Rede gestellt wird, die Gelegenheit, zusätzlich zu den erwiesenen körperlichen Fähigkeiten weitere positive Eigenschaften wie Aufrichtigkeit und Tapferkeit zu demonstrieren. Óláfr Tryggvason wiederum kann seine Macht noch deutlicher als vorher ausspielen: Die Isländer müssen vor ihm erscheinen und Rede und Antwort stehen. Gleichzeitig zeigt er sich in noch höherem Maß großzügig und nachsichtig als bei der ersten Begegnung: Kjartans Verhalten, das diesmal nicht nur ungebührlich, sondern geradezu aufrührerisch ist, lässt der König ungeahndet. Erweitert wird das Geschehen im Vergleich zum ersten Zusammentreffen um den Aspekt der Bekehrung, die in der Laxdœla saga damit im Vergleich zu den übrigen Texten wesentlich mehr Raum erhält. Auch hierin erweist sich der König nachgiebig: Er will Kjartan und seine Gefährten nicht zwingen, sich zu bekehren. Der Topos des „edlen Heiden“ wird in dieser Passage aufgerufen, jedoch nicht so stark in den Vor-

36 Vgl. ÍF 25, S. 242–243;ÍF 15/1. 37 Vgl. Óláfs saga Tryggvasonar en mesta I (Halldórsson 1958), S. 362–367. 38 ÍF 5, S. 119. – „„Unter keines Mannes Gewalt will ich mich begeben“, sagt Kjartan, „[…] Es schiene mir auch von der Art kleiner Leute zu zeugen, wie ein Lamm aus der Hürde oder ein Fuchs aus der Falle geholt zu werden.““ (Beck 1997, S. 104.) 39 Wolf 1994, S. 744. 40 Wolf 1994, S. 744.

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dergrund gerückt wie im nachfolgend zu besprechenden Eindrida páttr: Der König selbst äußert, es sei ersichtlich, dass Kjartan mehr auf seine eigene Kraft als auf ?órr und Ó.inn vertraue. Die Nachsicht und die Achtung seiner Person durch Óláfr gepaart mit den Eindrücken der Messfeier am Weihnachtsfest41 bewegen Kjartan schließlich dazu, das Christentum anzunehmen – Kjartan und seine Gefährten lassen sich am zweiten Weihnachtsfeiertag taufen. Allerdings legen Kjartans eigene Worte nahe, dass bereits das erste Treffen entscheidende Wirkung gehabt hat: „Svá leizk mér vel á konung it fyrsta sinn, er ek sá hann, at ek fekk @at @egar skilt, at hann var inn mesti ágætisma.r, ok @at hefi ek haldizk jafnan sí.an, er ek hefi hann á mannfundum sét […].“42 Nicht nur die weltliche Unterordnung, sondern auch die Taufe Kjartans erscheint im Geschehen des Schwimmwettkampfes schon angelegt. Zwischen körperlicher Auseinandersetzung und Annahme des christlichen Glaubens besteht ein unübersehbarer Konnex. Die Bekehrung ist, da es sich bei Óláfr Tryggvason um einen christlichen König handelt, unabdingbarer Bestandteil einer vollen Unterordnung unter seine Macht. So wichtig sie allerdings auch ist, der weltliche, soziale Aspekt der Unterwerfung bleibt ebenso präsent: Die Laxdœla saga vermerkt ausdrücklich, dass Kjartan am Tag seiner Taufe auch „handgenginn ma.r“ des Königs wird; Kjartan wird nicht nur Christ, sondern auch Gefolgsmann des Königs. Der Aspekt der Herkunft wird implizit mitberücksichtigt: Der Isländer unterwirft sich dem norwegischen König. Wie sehr der Laxdœla saga als Isländersaga daran gelegen ist, die Position Kjartans zu stärken, wird im Vergleich mit den übrigen Texten ersichtlich. So formulieren diese Kjartans Schwierigkeiten und damit seine Niederlage im Schwimmwettkampf meist sehr klar. In Redaktion A der ÓTO wird die Szene recht wortreich geschildert: „[…] ok sí.an fara @eir ni.r @ri.ja sinni ok eru @á ni.ri miklu lengst, ok @ykkir Kjartani @á mál upp, ok er @á engi kostr, ok kennir @á aflsmunar. ?eir eru lengi ni.ri um @at fram er honum @ótti hófligt […].“43 Kjartan spürt also einen Unterschied im Kräfteverhältnis. In der Fríssbók ist der Vorgang in ganz ähnlichen Worten beschrieben, statt des letzten zitierten Satzes heißt es dort: „Eru ni.ri @ar til Kjartan er mjok ˛ @rotinn.“44 Redaktion S der ÓTO verkürzt die Schilderung des gesamten Wettkampfes stark, doch Kjartans Unterlegenheit gibt sie unmissverständlich zu verstehen: „Ok er @eir komu upp var Kjartan fœr.r ni.r ok var lengi ni.ri, ok var

41 Vgl. ÍF 5, S. 121–122. 42 ÍF 5, S. 122. – „Der König gefiel mir bereits beim ersten Mal, als ich ihn sah, so gut, dass ich sofort verstand, er müsse ein ausgezeichneter Mann sein – und dieser Eindruck hat sich bestätigt, seit ich ihn in weiteren Begegnungen erlebte.“ (Beck 1997, S. 106.) 43 Oddr Snorrason: ÍF 25, S. 241 – „[…] und schließlich tauchen sie zum dritten Mal unter und bleiben noch länger unter Wasser, und Kjartan scheint es an der Zeit aufzutauchen, aber dazu gibt es keine Möglichkeit, und er spürt den Unterschied der Kräfte. Sie sind lange unter Wasser, über das hinaus, was ihm angemessen erschien.“ 44 Oddr Snorrason: ÍF 25, S. 379 – „Sie bleiben unter Wasser bis Kjartan sehr erschöpft ist.“

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au.sætt at hann mundi skorta vi. @enna mann.“45 Hier ist nicht einmal die Rede davon, dass beide Männer untertauchen, sondern Kjartan wird vom Norweger einfach unter Wasser gehalten. Auch die Kristni saga berichtet ähnlich und verleiht damit der Unterlegenheit Kjartans deutlich Ausdruck: „It @ri.ja sinn fær.i sá Kjartan ni.r ok helt honum svá lengi ni.ri at honum helt vi. kafnan.“46 Ähnliche Tendenz zeigt auch die Gestaltung der auf den Schwimmwettkampf folgenden Szene. Redaktion A der ÓTO erzählt ähnlich wie die Laxdœla saga: Auch in ihr entgegnet Kjartan dem König, es interessiere ihn nicht, gegen wen er den Wettkampf bestritten habe. Allerdings erscheint sein Verhalten im Ganzen weniger ungehörig, von zögerlichem Reagieren auf die Äußerungen des Königs ist nicht die Rede. Dass Kjartan sich abwendet, wirkt zudem weniger brüsk, da beide vorher noch einige Worte wechseln.47 In der knappen Darstellung von Redaktion S der ÓTO erhält Kjartan nicht einmal die Möglichkeit, auf die Frage des Königs zu antworten. Dieser sagt ihm sofort, wer er ist und schenkt ihm im Anschluss den Mantel. Die Kristni saga wiederum gibt das gesamte Gespräch eher kurz gefasst in indirekter Rede wieder und nimmt allein damit dem Geschehen an Brisanz. Die schroffe Antwort Kjartans, es interessiere ihn nicht, wer sein Gegner sei, wird umgangen: Der König fragt, ob Kjartan wisse, wer er sei, und Kjartan verneint. Zum Gehen wendet sich Kjartan danach nicht, vielmehr überreicht ihm der König sogleich den Mantel und äußert, nun wisse er, mit wem er sich gemessen habe. Seinen Namen nennt er nicht, Kjartan erschließt lediglich, dass er mit dem König gekämpft hat.48 Dass Kjartan eventuell die Annahme des Mantels verweigern könnte, wie es das Zögern in der Laxdœla saga impliziert, wird in keinem der übrigen Texte (außer der ÓTem) angedeutet. Von der negativen Reaktion der Gefährten Kjartans auf das Geschenk berichten indes alle. Die Laxdœla saga mildert also die Niederlage Kjartans zu einem Nicht-BesiegenKönnen des Königs ab. Gleichzeitig lässt sie seine Persönlichkeit durch den zur Schau getragenen Stolz markanter hervortreten. Dass eine Ursache hierfür in der Gattung zu suchen ist, der die Saga angehört, liegt auf der Hand.49 Ebenso wie für den Gesamttext lassen sich speziell für die hier besprochene Episode Bezüge zur Entstehungszeit,

45 ÍF 25, S. 241 – „Und als sie wieder nach oben kamen, wurde Kjartan unter Wasser gedrückt und war lange unten, und es war leicht zu erkennen, dass er gegen diesen Mann nicht ankommen würde.“ 46 ÍF 15 – „Zum dritten Mal drückte dieser Kjartan unter Wasser und hielt ihn so lange unten, dass er beinahe ertrunken wäre.“ 47 ÍF 15 – S. 242, siehe auch S. 379 (Auszug aus der Fríssbók). 48 ÍF 15. 49 Dass Kjartan vor dem Wettkampf Bolli auffordert, sich mit dem König zu messen (und nicht Hallfre.r, wie in der ÓTO und der Fríssbók), leitet zudem den später offen aufflammenden Konflikt der Ziehbrüder ein. Ähnliche Funktion haben Kjartans großsprecherische Worte, er werde den König in seiner Halle verbrennen – Bolli reagiert darauf skeptisch. Der Schwimmwettkampf erhält in der Saga somit auch eine Funktion für den weiteren Verlauf der Handlung.

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wohl der Mitte des 13. Jahrhunderts, postulieren.50 Die grundsätzlich positive Darstellung Óláfr Tryggvasons weist vermutlich auf einen Zeitpunkt nach vollzogener Anerkennung des norwegischen Königs als Staatsoberhaupt Islands, sicher aber auf einen Verfasser, der dieser Entwicklung wohlwollend gegenüberstand.51 Im Wettkampf (und der weiteren Interaktion) der beiden Protagonisten, Kjartan und Óláfr, die Island und Norwegen repräsentieren,52 wird die Annäherung zwischen Isländern und norwegischem König geradezu parabelhaft vor Augen geführt: Der sich stolz und arrogant verhaltende Kjartan lässt sich in seinem Zögern den Isländern gleichstellen, die nur widerwillig ihre Unabhängigkeit aufgeben. Im Kräftemessen mit dem König erscheint er als diesem nahezu ebenbürtig. Der Herrscher wiederum wird als Persönlichkeit gezeichnet, die in ihrer Milde und Großmut noch über das rex-iustus-Ideal hinausgeht, wie es etwa der Königsspiegel verlangt.53 Er lässt sich von Kjartans Stolz nicht beirren, sondern gesteht ihn diesem sogar zu. Den Isländern wird auf diese Weise ein würdiger König präsentiert, der sie in angemessener Weise zu behandeln weiß, der sie achtet und nicht demütigen will (sie, mit Kjartans Worten, nicht wie ein Schaf aus der Hürde oder einen Fuchs aus der Falle holen wird). Das noble Verhalten des norwegischen Königs aber ermöglicht es den Isländern, ebenso wie Kjartan, einzulenken und seine Herrschaft anzuerkennen. Die gesamte Episode wird so zum Plädoyer für das norwegische Königtum und für die Anerkennung des norwegischen Königs als Oberhaupt Islands.

2.2 Eindri.a páttr ilbrei.s Der Eindrida páttr ilbreids ist in der Flateyjarbók innerhalb der ÓTem zu finden54 – seine zentrale Figur, Eindri.i, trifft genauso wie Kjartan mit Óláfr Tryggvason zusammen. Eindri.i ist Norweger, doch ebenso wie Kjartan noch Heide. Viel stärker als in der Begegnung mit Kjartan zeigt sich König Óláfr von christlichem Eifer durchdrungen: Als ihm zu Ohren kommt, dass Eindri.i noch nicht bekehrt sei, lässt er nach ihm

50 Siehe zur Bezugnahme der Saga insgesamt auf Geschehnisse des 13. Jahrhunderts z.B. Heller 1961, S. 112–133; Heller 1968, S. 134–155; Njar.vík 1971, S. 72–81; Magerøy 1971, S. 4–33; Kjartansson 1994, S. 377–387. 51 Peter Hallberg hat die Saga Óláfr ?ór.arson hvítaskáld zugeschrieben, vgl. Hallberg 1963. Rolf Heller benennt in seinem Aufsatz von 1968 u.a. unter Bezugnahme auf die Norwegen-Episode Sturla ?ór.arson als Autor, äußert sich später aber nicht mehr so entschieden, vgl. Heller 1968, S. 150–155 und Heller 1976. Auch Marina Mundt hält Sturla ?ór.arsons Verfasserschaft für äußerst wahrscheinlich, während Hallvard Magerøy gewichtige Gründe gegen eine solche anführt, vgl. Mundt 1969; Magerøy 1971, S. 4–33. 52 So auch Wolf 1994, S. 743. 53 Vgl. Holm-Olsen 1945, S. 73–75. 54 Vgl. Vigfússon / Unger 1860, S. 456–465; siehe auch Óláfs saga Tryggvasonar en mesta II (Ólafur Halldórsson 1961), S. 214–228.

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schicken, und als dieser nicht erscheint, begibt sich der König zu ihm. Eindri.i wird rechtzeitig benachrichtigt und kann den König mit allen Ehren empfangen. Als er dem König entgegen tritt, ist er folgendermaßen gekleidet: „hann uar j raudum skallatz kyrtle ok silkihufu gullsaumada a hofde ok spent gullhlade at enni ser ok digran gullhring a hægri hende.“55 Anders als seine auffällige Kleidung vermuten lässt, die ihn als Angehörigen der übergeordneten Gesellschaftsschicht kennzeichnet, (und völlig anders als der bisweilen arrogante Kjartan) erweist er sich im weiteren Verlauf als zurückhaltend, bescheiden und respektvoll. Bevor es zu den eigentlichen Wettkämpfen kommt, entspinnt sich ein langes Gespräch zwischen König Óláfr und Eindri.i, in dem ersterer Thema und Richtung vorgibt. Eindri.i lässt keinerlei Ambitionen erkennen, seine Fähigkeiten besonders herauszustellen: Danach gefragt antwortet er: „herra her liggia skiot suor til um j@rottir minar at @ær hefi ek ongar.“56 Erst als der König nachhakt, nennt er ihm zögernd erst eine Fähigkeit, das Schwimmen, eine zweite, das Bogenschießen, und eine dritte, das Jonglieren mit Messern, wobei er sich in keiner für besonders herausragend erklärt. Auch wenn ihm die drängenden Fragen des Königs nicht behagen, entzieht er sich diesen zu keiner Zeit. Er zeigt vielmehr, dass er sich völlig klar über das angemessene Verhalten dem König gegenüber ist („heyrir mer æigi at @egia uit ydr“57). Dass es ihm dennoch an Mut und Stolz nicht fehlt, zeigt sich im Vorfeld, als er vom König gefragt wird, ob er nicht gehört habe, wie es anderen Heiden ergangen sei, die sich der Bekehrung widersetzt hätten: „ohr˛eddr er ek um @at at @er uæitit mer hardynde ok ydr satt at segia skal ek ongum hofdingia uæita naudigr @ionustu ok fyrri dauda @ola en nokkurs mannz kugan.“58 Seine weiteren Worte ähneln denen Kjartans, ja erscheinen sogar noch eine Spur selbstsicherer; auch kann er sie rational begründen: Sagt Kjartan, er wolle niemands „nau.ungarma.r“ sein, äußert Eindri.i, er brauche niemands „nau.ungarma.r“ sein, denn er habe genug Unterstützung in der Gegend.59 Fast beiläufig gibt er dem König zu erkennen, wie er die Lage einschätzt und macht ihm deutlich, dass auch dessen Macht an Grenzen stoßen könne. Eindri.i mag also mit Gerd Wolfgang Weber „den alten selbständigen Wiking und Großbauer“60 repräsentieren, unbotmäßig erscheint sein Verhalten gegenüber dem König ˛

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55 Vigfússon / Unger 1860, S. 459 – „Er war in ein rotes Scharlachgewand gekleidet und hatte eine goldbestickte Seidenmütze auf dem Kopf und ein goldenes Band um die Stirn und einen großen Goldring an der rechten Hand“. 56 Vigfússon / Unger 1860, S. 460 – „Herr, hier lässt sich kurz zu meinen Fertigkeiten antworten, dass ich über keine verfüge“. 57 Vigfússon / Unger 1860, S. 461 – „Es ziemt sich nicht für mich, Euch gegenüber zu schweigen“. 58 Vigfússon / Unger 1860, S. 460 – „Ich habe keine Angst davor, dass Ihr mir mit Härte begegnet, und um Euch die Wahrheit zu sagen: Ich werde keinem Häuptling gezwungenermaßen Dienst leisten und eher den Tod ertragen als Unterdrückung durch irgendjemanden.“ 59 Vgl. Vigfússon / Unger 1860, S. 460 – „suo er bygdum skipat her j nandir at ek @arf æingis naudungarmadr vera.“ 60 Weber 1981, S. 505.

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aber nicht. Die folgenden Wettkämpfe wären obsolet, ginge es vor allem darum, Eindri.i dazu zu bringen, die Herrschaft des Königs anzuerkennen: Die Opposition von König und Held wird im páttr durch den Aspekt des unterschiedlichen Glaubens nicht nur ergänzt (wie in der Laxdœla saga), sie wird vielmehr gerade durch ihn ausgelöst.61 Dass der König im weiteren Verlauf insistiert, Genaueres über Eindri.is Fertigkeiten zu erfahren, lässt sich zwar auch auf Neugier und die schlichte Notwendigkeit zurückführen, einen eventuellen Gegner besser kennen zu lernen. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass Óláfr schon zu diesem Zeitpunkt den Plan gefasst hat, sich mit Eindri.i zu messen, um ihn zu bekehren, vielleicht befördert durch dessen eigene Worte: Es erschiene ihm unwahrscheinlich, dass die Götterbildnisse tatsächlich so viel Macht besäßen, wie behauptet werde, schließlich seien sie viel hässlicher und schwächer als er selbst – „ek reyni at @au likneski er gud eru kollut eru j alla stade ufridare ok enn mattaminne en ek sealfr.“62 Vom König gefragt, warum er denn nicht an den christlichen Gott glaube, erwidert er: „@a hefui ek einradit at taka alldri @ann sid vkunnan er vnanir menn ok mer uandalausir j alla stade boda utan ek komi fullri skilning a at yduar gud se suo almattigr sem @er segit.“63 Vom Topos des „edlen Heiden“ und allen damit zusammenhängenden Implikationen abgesehen,64 gibt Eindri.i damit selbst vor, auf welche Weise man ihn bekehren kann: Da er seine (körperlichen) Fähigkeiten höher einschätzt als die der heidnischen Götter resp. Götterbildnisse, liegt es nahe, ihn im Wettkampf von der Stärke des christlichen Gottes zu überzeugen. Auffällig ist zudem die Einordnung der „í@róttir“ als Gabe des christlichen Gottes, wie sie König Óláfr bereits am Anfang seiner Begegnung mit Eindri.i äußert: „@u ert madr mikill ok uænn ok ef @ar fara eftir j@rottir @inar @a munu ekki margir @inir iafnningiar j Noregi. @ui h˛efir @er at vita skapara @inn ok kunna at lofa gud firir sinar giafir“65 – für seine Fähigkeiten müsse Eindri.i seinen Schöpfer loben. Eindri.i willigt ein, zum Christentum überzutreten, wenn er besiegt wird. Das erwähnt heikle Moment in der Konfrontation von König und Held wird von Óláfr Tryggvason selbst thematisiert und entschärft: „er @at b˛ede at ek @ikiumzst @a gerst uita huerr @u ert enda @iki mer suiuirdingarlaust @o at @u berir af mer. enn hinn er @o myklu ædri @inn sigr at ek bera hærra lut af okkrum vidskiptum ef @etta liggr vid sem ek

61 Die Bekehrung der Hauptperson steht im Mittelpunkt der meisten pættir der Flateyjarbók, vgl. Würth 1991, S. 95–101 und 153–155. 62 Vigfússon / Unger 1860, S. 459 – „Ich erfahre, dass die Bildnisse, die Götter genannt werden, in jeder Hinsicht hässlicher und noch schwächer sind als ich selbst.“ 63 Vigfússon / Unger 1860, S. 460 – „Da habe ich entschieden, niemals den mir unbekannten Glauben anzunehmen, den mir nicht nahe stehende Männer und mir nicht verwandte überall predigen, wenn ich nicht zur vollständigen Einsicht gelange, dass Euer Gott so allmächtig ist, wie Ihr sagt.“ 64 Siehe z.B. Weber 1981, S. 502–503; Lönnroth 1969, S. 1–29. 65 Vigfússon / Unger 1860, S. 459 – „Du bist ein stattlicher und ansehnlicher Mann, und wenn deine Fertigkeiten dem entsprechen, wird es nicht viele Männer in Norwegen geben, die dir ebenbürtig sind. Daher geziemt es sich für dich, deinen Schöpfer zu kennen und Gott für seine Gaben loben zu können.“

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sagde adr.“66 Er erklärt also, dass es ihm nichts ausmache, von Eindri.i besiegt zu werden und behauptet, es sei für ihn nicht schmachvoll, einem ebenbürtigen Gegner zu unterliegen. Relativiert werden diese Worte allerdings dadurch, dass sich der christliche König in Einklang mit den Absichten seines Gottes fühlen kann und darauf vertraut, dass dieser ihm beistehen wird. Zugleich mildert Óláfr die mögliche Niederlage seines Gegners, indem er sie ins Gegenteil verkehrt: Der eigentliche Sieg für Eindri.i sei es, zu unterliegen und damit den christlichen Glauben zu gewinnen. Noch einmal antwortet Eindri.i dem König voller Bescheidenheit: „@o at ek kynne manna bezst allar j@rottir […] @a uæri ægi @o tilganganda vid ydr.“67 Obwohl er – ob ernsthaft oder vorgeschoben – die Überlegenheit des Königs gar nicht anzweifelt, will er auf den Wettkampf aber auch nicht verzichten und sich sofort bekehren, wie der König vorschlägt. Der folgende Schwimmwettkampf wird sehr ausführlich beschrieben. Die beiden Kontrahenten tauchen einander unter und sind schließlich gleichzeitig unter Wasser, so dass es beinahe aussichtslos erscheint, dass sie jemals wieder an die Oberfläche kommen.68 Schließlich taucht der König wieder auf. Von Eindri.i fehlt zunächst jede Spur, und niemand wagt, den König nach ihm zu fragen. Nach einer Weile erscheint Eindri.i jedoch auf sehr überraschende Weise: Auf einem Seehund sitzend nähert er sich dem Land.69 Als er herankommt, gibt er das Tier frei, und sofort nimmt Óláfr Tryggvason den Kampf wieder auf und drückt Eindri.i unter Wasser. Als er ihn wieder empor lässt, ist dieser so erschöpft, dass ihm der König helfen muss, an Land zu kommen. Die Niederlage Eindri.is in diesem Zweikampf ist offensichtlich, wie der König selbst ausdrückt: „mikil j@rott er @er j sundferdum @inum Endride. en @o er @at nu gude at @akka at @u vart okkar nu odriugare sem menn mattu sia at ek uard at flytia @ig at lande.“70 Er deutet mit diesen Worten gleichzeitig an, dass Gott ihm Beistand geleistet hat, sein Sieg also durch eine höhere Macht beeinflusst war. Obwohl sich die Stärke des Königs und damit des christlichen Gottes eigentlich schon erwiesen hat, belässt es der páttr, wie erwähnt, nicht bei diesem einen Wettkampf. Die Verdreifachung des Motivs lässt sich einerseits, ebenso wie etwa auch das fantastische Element des Seehundes, auf dem Eindri.i reitet, als genretypisches Erzählmuster der Fornaldar sögur zurückführen, dem der páttr zum Teil folgt. Anderer-

66 Vigfússon / Unger 1860, S. 461 – „Beides ist der Fall: Ich meine genau zu wissen, wer du bist, daher erscheint es mir nicht schmachvoll, wenn du mich übertriffst. Aber dies wäre doch ein viel größerer Sieg für dich, wenn ich in unseren Auseinandersetzungen die Oberhand behalte, wenn das auf dem Spiel steht, was ich vorher sagte.“ 67 Vigfússon / Unger 1860, S. 461 – „Auch wenn ich alle Fähigkeiten besser als alle anderen Männer beherrschen würde […], wäre es doch nicht ratsam, mich mit Euch [im Wettkampf] zu messen.“ 68 (Vigfússon / Unger 1860), S. 462 – „[…] lekuzst vid leinge. færdu ymser adra nidr ok um sidir voru @eir sua leinge j kafui at nærr @otti oruænt at @eir munde upp koma.“ 69 Zur möglichen Herkunft des Motivs siehe Fellows Jensen 1962, S. clix; Liestøl 1933, S. 103. 70 Vigfússon / Unger 1860, S. 462 – „Großes Können zeigst du beim Schwimmen, Eindri.i. Aber dennoch ist es nun Gott zu verdanken, dass du uns nun unterlegen warst, wie die Leute sehen konnten, als ich dich an Land bringen musste.“

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seits dienen die beiden folgenden Wettkämpfe, das Bogenschießen und das Jonglieren mit Messern, dazu, die Überlegenheit des Königs durch seinen Glauben noch wesentlich klarer vor Augen zu führen: Nach mehreren Schüssen, die der König jeweils zuerst ausführt und Eindri.i ihm in gleicher Weise nachtut, wählt Óláfr als Ziel eine „hnettafla“71, die er auf den Kopf von Eindri.is Neffen legen lässt. Vor dem Schuss bekreuzigt er sich und macht das Kreuzzeichen über der Pfeilspitze.72 Dass er sein Ziel nicht verfehlt, lässt sich somit unmittelbar auf den Einfluss seines Gottes zurückführen. Das Unternehmen an sich, das sich in ähnlicher Weise im noch zu besprechenden Hemings páttr Áslákssonar findet und dort als perfides Ansinnen des missgünstigen Haraldr har.rá.i gelten kann, wird im Eindrida páttr auf diese Weise zugleich erhöht und entschärft: Es dient dem Beweis der Macht des christlichen Gottes sowie der Gunst, die König Ólafr von diesem zuteil wird; im Vertrauen auf seinen Gott muss König Óláfr nicht befürchten, dem Kind Schaden zuzufügen. Eindri.i zieht in diesem Wettstreit den Kürzeren, weil er auf Bitten seiner Mutter und seiner Schwester darauf verzichtet, einen ebensolchen Schuss zu wagen. Allein im Vertrauen auf seine eigene (menschliche) Kraft ist dieses Unterfangen zu gefährlich; das Leben seines Neffen kann er nicht aufs Spiel setzen. Eindri.i erweist sich in dieser Szene einmal mehr als beherrscht und dem König gegenüber gehorsam, aber auch als aufrichtig: Ohne Umschweife erklärt er, er werde sich rächen, wenn seinem Neffen etwas geschehe. Dass ihn die Situation nicht unberührt lässt, wird darin offenbar, dass er errötet, als der König sich zum Schuss bereit macht.73 Im letzten Wettkampf, dem Jonglieren/Spiel mit Messern, ist Eindri.i wiederum dazu aufgefordert, alle Kunststücke, die der König ausführt, in gleicher Weise nachzutun. Dabei kommt es zum entscheidenden Ereignis: Über die Riemen des Schiffes zu laufen und dabei zu jonglieren, gelingt Eindri.i zwar noch, er kann dabei jedoch nicht wie der König von einer Seite des Schiffes über das Wasser hin auf die andere laufen. Diese übermenschliche Leistung, die der páttr wie das Wunder eines Heiligen gestaltet,74 offenbart die Überlegenheit des Königs und seines Gottes unmissverständlich und für alle sichtbar. Eindri.i kommentiert das Geschehen mit den Worten „mattu @er @etta ekki leika af æinne saman yduarre j@rott helldr med krafti @ess guds er @er truit a“75 und verleiht damit seinem Einsehen Ausdruck. Von der Macht des christlichen Gottes überzeugt, kann er sich nun taufen lassen. Zusätzlich vermerkt der

71 Vigfússon / Unger 1860, S. 463. Nach anderer Schreibung ergibt sich „hnef tafla“, Óláfs saga Tryggvasonar en mesta (Halldórsson 1961), S. 226, was als „eine Art Schachfigur“ interpretiert wird, vgl. etwa Hemings páttr Ásláksonar (Fellows Jensen 1962), S. clx; Klockhoff 1896, S. 187. 72 Vgl. Vigfússon / Unger 1860), S. 463. 73 Vgl. Vigfússon / Unger 1860), S. 463. 74 Rafnsson bezeichnet den Eindrida páttr (zusammen mit weiteren pættir der Flateyjarbók) als „jartegnasaga“, also als Wundererzählung, vgl. Rafnsson 2005, S. 171. 75 Vigfússon / Unger 1860, S. 464: „Ihr konntet das nicht durch Eure Fähigkeit allein ausführen, sondern [nur] mit der Kraft des Gottes, an den Ihr glaubt.“

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páttr, dass Eindri.i auch hirdmadr des Königs wird; dies erscheint jedoch, anders als bei Kjartan, als zusätzliche Folge der Wettkämpfe, nicht als deren unmittelbares Ziel.

2.3 Hemings páttr Áslákssonar Die Grundkonstellation im Hemings páttr76 stimmt mit derjenigen der besprochenen Episoden überein: Der Held des páttr, Hemingr, misst sich mit einem König, Haraldr har.rá.i.77 Wie im Eindrida páttr sind beide Kontrahenten Norweger, zudem ähneln sich in den beiden pættir die Disziplinen, in denen die Gegner antreten: Neben dem Schwimmen kommt im Hemings páttr wiederum das Bogenschießen vor, als dritte „Sportart“ allerdings das Skilaufen. Darüber hinaus ergeben sich jedoch deutliche Abweichungen zu den beiden anderen Episoden. Sowohl Hemingr als auch der König sind bereits Christen; die Bekehrung des Helden ist damit weder das erklärte Ziel noch überhaupt ein Aspekt der Wettkämpfe. Auffallend im Hemings páttr ist die kompromisslose Vorgehensweise, ja der Hass des Königs gegen Hemingr, der eine völlig andere Grundstimmung herbeiführt als in der Laxdœla saga oder dem Eindrida páttr. Allein die Tatsache, dass Hemingr bei Zieheltern in einer abgeschiedenen Gegend und nicht bei seinem Vater aufgezogen wird, wo er dem König begegnen könnte, macht ihn anscheinend verdächtig.78 Dass er zudem von einem Gefolgsmann des Königs als ein schon in jungen Jahren außerordentlich begabter Mann beschrieben wird, verstärkt offenbar das Misstrauen des Königs. Er erscheint dem König als Widersacher, den es zu kennen, zu bezwingen und am Ende aus dem Weg zu räumen gilt. Während eines Aufenthalts bei Áslákr, dem Vater Hemingrs, befiehlt der König ihm, seinen inzwischen herangewachsenen Sohn holen zu lassen. Zweimal weigert Áslákr sich, doch ist dies der einzige Ungehorsam, den er sich gegenüber dem König zuschulde kommen lässt. Dass er oder Hemingr Verrat planen, indiziert der páttr in keiner Weise.79 Nach der dritten Aufforderung durch den König sendet Áslákr einen Mann namens Kálfr zu Hemingr, mit der Botschaft, dass das Leben seines Vaters und

76 Die Erzählung kommt in mehreren Handschriften vor, in keiner jedoch vollständig. Sie findet sich auch in Sagen und rímur unterschiedlicher Herkunft, vgl. die Einleitung zur Ausgabe des Hemings páttr Áslákssonar von Fellows Jensen 1962; Liestøl 1933, S. 99–110. 77 Zur Verbindung von Hemingr und König Haraldr vgl. Liestøl 1933, S. 107–109; Klockhoff 1892, S. 138–139. 78 Aus Vergleichen mit norwegischen und färöischen Strophen (folkeviser) geht hervor, dass König Haraldr sich darin zunächst brüstet, er kenne keinen, der ihm ebenbürtig sei, dann aber erfährt, Hemingr könne es vielleicht mit ihm aufnehmen, vgl. Klockhoff 1892, S. 117–118. Deutlicher als im Hemings páttr fungiert darin also der Anspruch des Königs, selbst uneingeschränkter Meister in allen Fertigkeiten zu sein, als Motiv für die folgenden Wettkämpfe mit Hemingr. 79 Vgl. Fellows Jensen 1962, S. 4–7 (Hr/Flat).

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seines Bruders auf dem Spiel stehe, wenn er nicht komme, jedoch sein eigenes, wenn er dem Wunsch des Königs entspreche. Vorgestellt wird Hemingr in der Tat als beachtenswerter Mann. Die Parallelen zu Eindri.i (und anderen Sagahelden) sind dabei nicht zu übersehen: „ma.ur kemur j rau.um kyrtli og hafdi gull hlad vm enne en harit la a herdum nidre. onguann mann @ottist Kalfur hafa sied meira eda uaskligra.“80 Trotz seines stattlichen Äußeren zeigt sich Hemingr, ähnlich wie Eindri.i, bescheiden, als er dem König schließlich begegnet. Er macht deutlich, dass er bereit ist, in allen Dingen den Willen des Königs zu erfüllen. Sein Verhalten zeugt zudem von Verantwortungsbewusstsein, schließlich kehrt er zurück, um das Leben seines Vaters nicht zu gefährden: en @ui em ek hier kominn at eg vil ydur alla @a hlute bioda er @ier vilit af mier @iggia hier @ott ek eiga litit brautar geingi at bioda. læt eg ydur heimillt @at ef @ier vilit mik til @ess nyta s(eiger) hann. @a vil ek ok vera med ydur ef @ier vilit @ath. En ef @ier vilit mik meir minka @a vil ek bioda ydur vtlegd mina til fridar faudur minvm ok avdrvm frændvm seiger Hemingur. En @ott @ier vilit mer dauda dæma s(eiger) Hemingur @a mun ek eiki vnndan hlaupa.81

Um seine Familie zu schützen, bietet er dem König sogar an, in die Verbannung zu gehen – und sich dadurch erniedrigen zu lassen („ef @ier vilit mik meir minka“). Seine Worte lassen jedoch auch Stolz und Mut erkennen: Habe Haraldr ihm den Tod zugedacht, werde er nicht fliehen. Die offenkundige Demut Hemingrs, das Zugeständnis an den König, mit ihm verfahren zu können, wie er wolle, lässt zudem auf (s)ein christliches Verständnis des Königtums schließen: Der von Gott eingesetzte Monarch ist in seiner Macht nahezu uneingeschränkt und kann über das Leben anderer bestimmen. Hemingr unterwirft sich, ist vorbildlicher Untertan. Seine Todesverachtung stellt ihn darüber hinaus in eine Reihe mit heidnischen Sagahelden einerseits, mit christlichen Märtyrern andererseits.

80 Fellows Jensen 1962, S. 11 (Hr, die Flateyjarbók ist hier etwas ausführlicher): „Ein Mann in einem roten Gewand kommt und hatte ein goldenes Band um die Stirn, und die Haare reichten bis auf die Schultern hinunter. Kálfur schien es, als habe er nie einen stattlicheren oder tüchtigeren Mann gesehen.“ Diese Art der Kleidung erscheint toposartig. Auch Orvar-Oddr ˛ wird so beschrieben, allerdings nicht im Zusammenhang mit den Wettkämpfen, vgl. die Orvar-Odds ˛ saga in der Ausgabe von Boer 1892, S. 6; Kjartan trägt nach dem Wettkampf mit dem König ebenfalls ein rotes Gewand, vgl. ÍF 5, 1934, S. 118. 81 Fellows Jensen 1962, S. 13 (Flat, die Hrokkinskinna besitzt etwas kürzeren Wortlaut): „Doch deshalb bin ich hierher gekommen, weil ich Euch alles anbieten möchte, was Ihr hier von mir annehmen wollt, auch wenn ich nicht viel vorzuweisen habe. Ich überlasse es Euch, wenn Ihr so über mich verfügen wollt, sagt er. Ich will auch bei Euch bleiben, wenn Ihr das wollt. Aber wenn Ihr mich mehr demütigen wollt, dann will ich Euch meine Verbannung anbieten, zum Frieden für meinen Vater und andere Verwandte, sagt Hemingr. Aber wenn Ihr mir den Tod zudenkt, sagt Hemingr, dann werde ich nicht fliehen.“

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Etwas unvermittelt stellt König Haraldr die Frage nach den Fähigkeiten seines unfreiwilligen Kontrahenten – Hemingrs Auftreten, so lässt sich interpretieren, überzeugt Haraldr nicht von dessen Harmlosigkeit. Hemingr antwortet bescheiden, erwähnt aber sein Können im Skilaufen.82 Unmittelbar darauf beginnt der erste der im Hemings páttr geschilderten Wettkämpfe, das Bogenschießen. König Haraldr vollführt diverse Kunststücke (Kunstschüsse), die Hemingr in gleicher Weise wiederholen muss. Als der König erkennt, dass Hemingr ihm ebenbürtig ist, zwingt er ihn, eine Nuss vom Kopf seines Bruders Bjorn ˛ zu schießen.83 Beweist König Óláfr im Eindrida páttr durch einen ähnlichen Schuss, den er selbst ausführt, wie groß die Gunst ist, die sein Gott ihm erweist, offenbart sich hier die Niedertracht König Haraldrs zum ersten Mal deutlich. Hemingr weigert sich zunächst, dem Willen des Königs zu entsprechen und will lieber selbst sterben. Sein Bruder überredet ihn jedoch dazu, den Schuss zu versuchen. Blieb der christliche Hintergrund in seiner oben zitierten Äußerung implizit, zeigt Hemingr nun durch das Schlagen des Kreuzzeichens, dass er auf die Hilfe Gottes hofft. Auch ihm gelingt der Schuss.84 Anders als in den vorhergehend analysierten Episoden kann der König seine Überlegenheit über den Herausgeforderten nicht beweisen, und das heikle Moment beginnt, seine Wirkung zu tun: Bereits der Wettkampf im Bogenschießen büßt in seinem Verlauf die Harmlosigkeit ein, die ihm an und für sich eignet, indem der König das Leben von Hemingrs Bruder aufs Spiel zu setzen bereit ist und bei Nicht-Ausführung sowie auch bei Nicht-Gelingen des Schusses Hemingr den Tod in Aussicht stellt. Die resultierende Situation erscheint für den König allerdings noch prekärer und lässt nur einen Ausweg zu, nämlich die Eliminierung Hemingrs. Mit dem Schwimmwettkampf sowie der dritten Disziplin, dem Skilaufen, das gar nicht mehr als Wettkampf angelegt ist, verfolgt der König ausdrücklich das Ziel, Hemingr zu töten: König Haraldr wendet sich zunächst an einen seiner Gefolgsmänner und befiehlt ihm, Hemingr beim Schwimmen umzubringen: „@ier ætla eg. ad firer koma H(emingi) æ sundi j dag.“85 Dieser sowie ein zweiter lehnen ab, weil sie sich Hemingr nicht gewachsen fühlen, erst der dritte, Nichulas ?orbergsson, erklärt sich bereit. Die beiden Kontrahenten müssen sich zuvor einigen, auf welche Weise sie sich beim Schwimmen messen sollen: Nichulas fragt, „huort uilltu helldur reyna kafsund eda fram langt“86, stellt also den zuvor in der Laxdœla saga und im Eindrida páttr besprochenen „Tauchwettkampf“ offenbar dem Weitschwimmen gegenüber. Es ist letzteres, in dem sich

82 Vgl. Fellows Jensen 1962, S. 13 (Hr/Flat). 83 Vgl. Fellows Jensen 1962, S. 16–17 (Hr/Flat). 84 Vgl. Fellows Jensen 1962, S. 17–18 (Hr/Flat). 85 Fellows Jensen 1962, S. 18 (Hr): „Ich erwarte von Dir, dass Du Hemingr beim Schwimmen umbringst.“ 86 Fellows Jensen 1962, S. 18 (Hr): Die Flateyjarbok besitzt hier „kapp sund eda fram langt“, was weniger eindeutig zu interpretieren ist.

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beide schließlich messen. Hemingr erweist sich als viel ausdauernder und hält noch weiter hinaus, als Nichulas umkehrt. Als er bemerkt, dass seinen Kontrahenten die Kraft verlässt, schwimmt Hemingr zurück und hilft ihm, an Land zu kommen.87 Hemingr stellt damit zum einen seine körperliche Kraft und Geschicklichkeit unter Beweis, zum anderen seine christliche Nächstenliebe. Der König sucht daraufhin selbst den Kampf mit Hemingr: Er greift ihn an und drückt ihn unter Wasser. Weil die See unruhig ist, können die am Ufer Stehenden den Kampf nicht weiter verfolgen. Erst als es bereits dunkel ist, kommt der König allein an Land. Hemingr hält man für tot, doch einige Zeit später betritt er die Halle, und legt dem König dessen Messer in den Schoß. Das Geschehen wird nicht weiter ausgeführt, es heißt nur, „@ottvzt aller vita ath hann [Hemingr, I. K.] mvndi af honvm knifin tekit hafa.“88 Der eigentliche Verlauf des Wettkampfes bleibt so zwar im Dunklen. Dennoch geht klar hervor, dass der König, obwohl er unfaires Spiel trieb und im Kampf sein Messer einsetzte, seinen Gegner wiederum nicht besiegen konnte. Da Hemingr sich am Ende im Besitz des Messers befindet, lässt sich davon ausgehen, dass er sich nicht nur gegen Haraldr verteidigen konnte, sondern ihn sogar schonte. Hemingr gibt seine Integrität trotz der unredlichen Methoden des Gegners nicht auf. Zum einen hält er damit die Grenzen des Wettkampfs ein, der an sich als harmloses Kräftemessen konzipiert ist, zum anderen handelt er konform mit der Idee vom von Gott eingesetzten König, an den er nicht Hand legen darf. Nachdem es Haraldr nicht gelungen ist, Hemingr im Schwimmwettkampf zu töten, muss er eine weitere Gelegenheit dazu herbeiführen: Er befiehlt Hemingr, im Skilaufen so waghalsige Manöver zu vollführen, dass klar ist, dass Hemingr dabei den Tod finden wird. Nach einer ersten Probe seines Könnens, mit der sich der König nicht zufrieden gibt, erhält Hemingr von einem Gefolgsmann Haraldrs eine Reliquie, die Augenbinde des heiligen Stephanus, die der Märtyrer trug, während er gesteinigt wurde.89 Wenig überraschend ist es das Tuch, das Hemingr rettet: Als er einen Abgrund hinabstürzt, verfängt es sich an einem Felsvorsprung und hemmt den Fall. Was sich anschließt, ist die als Wunder im christlichen Sinn gestaltete Rettung Hemingrs. Nachdem er sein Gut zu je einem Drittel den Armen, dem heiligen Stephanus und Óláfr dem Heiligen versprochen und zudem eine Pilgerfahrt nach Rom gelobt hat, kommt ihm der rex perpetuus Norvegiae selbst zu Hilfe und befreit ihn aus seiner verhängnisvollen Lage.90 Hemingrs eigene Fähigkeiten reichen also in diesem Fall nicht aus, um gegen die Missgunst des Königs zu bestehen. Er bedarf göttlicher Hilfe, und diese wird ihm, der sich in den früheren Auseinandersetzungen mit dem König als ge-

87 Vgl. Fellows Jensen 1962, S. 20 (Hr/Flat). 88 Fellows Jensen 1962, S. 21 (Flat): „Alle glaubten zu wissen, dass er [Hemingr] ihm das Messer abgenommen hatte.“ 89 Vgl. Fellows Jensen 1962, S. 22f (Hr/Flat). 90 Vgl. Fellows Jensen 1962, S. 26–28 (Hr/Flat).

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recht und tugendhaft im christlichen Sinn erwiesen hat, auch zuteil. Später wird Hemingr in der Schlacht von Stamford Bridge auf Seiten der Engländer kämpfend erneut auf König Haraldr har.rá.i treffen und diesen töten (gemeinsam mit Haraldr Godwinsson).91

3 Resümee – Funktionen und Deutungsansätze Einige weitere Erzählungen zeigen ähnliche Muster wie die beschriebenen. Orvar˛ Oddr etwa beweist sein Können in drei Disziplinen (sofern sich die letzte als solche bezeichnen lässt), im Bogenschießen, Schwimmen und Trinken. In einem wesentlichen Detail weicht die Orvar-Odds ˛ saga allerdings von der Konstellation in den besprochenen Episoden ab: Der König fungiert nicht als Gegner, sondern als Zuschauer.92 Die Morkinskinna und die Heimskringla erzählen in etwas unterschiedlicher Weise von einer Begebenheit, in der König Sigur.r Jórsalafari eine Rolle spielt: Er greift unvermittelt einen Mann an, der sich mit anderen beim Schwimmen die Zeit vertreibt, und ertränkt seinen unfreiwilligen Gegner beinahe. In der Morkinskinna gehört der Angegriffene zu den Leuten des Königs und zieht offenbar den Unmut seines Herrn auf sich, weil er sich als zu guter Schwimmer zeigt. Die Darstellung lässt allerdings darauf schließen, dass auch die Stimmungsschwankungen bzw. die depressive Laune des Königs für sein unverhältnismäßig hartes Vorgehen verantwortlich sind.93 In der Heimskringla will der König den Mann, der als Isländer vorgestellt wird und nicht zu seinen eigenen Leuten gehört, in die Schranken verweisen, weil dieser sich einen Spaß daraus macht, alle schlechteren Schwimmer – Männer des Königs – unterzutauchen.94 In beiden Erzählungen wird der König von einem seiner Gefolgsmänner daran gehindert, den Mann zu töten. Dessen Eingreifen gestaltet sich in der Morkinskinna massiv: Nachdem Sigur.r Jórsalafari seinen Gegner dreimal untergetaucht hat, wird er selbst von seinem Gefolgsmann dreimal unter Wasser gedrückt. Auch in der Heimskringla wird der König festgehalten, letztlich jedoch mit Worten überzeugt. Dass zwischen allen Episoden Korrespondenzen bestehen, ist klar ersichtlich, und dass sie sich in der einen oder anderen Weise beeinflusst haben, steht außer Frage: Der Hemings páttr etwa wird als Vorlage für den Eindrida páttr betrachtet,95 die Episode der Morkinskinna als Grundlage des Schwimmwettkampfes im Hemings páttr,

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Vgl. Fellows Jensen 1962, S. 26f, 52. Vgl. Boer 1892, S. 71–85. Vgl. ÍF 24, S. 141–142. Vgl. ÍF 28, S. 269. Vgl. Fellows Jensen 1962, S. clviii-clxi; Klockhoff 1896, S. 188.

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evtl. auch im Eindrida páttr.96 Verschiedene Ungenauigkeiten in den Erzählungen lassen sich sicherlich durch Abhängigkeiten erklären, so z.B. die Aussage im Eindrida páttr, die Leute hätten nicht gewagt, Óláfr Tryggvason anzusprechen und nach dem Verbleib Eindri.is zu fragen, als er während des Schwimmens an Land kommt. Im Eindrida páttr gibt es keinen Grund für den König, zornig zu sein, weshalb die Vorsicht der Männer keine rechte Begründung besitzt.97 Im Hemings páttr ist der König verständlicherweise verärgert, weil es ihm nicht gelungen ist, Hemingr umzubringen.98 Einfluss des Hemings páttr auf den Eindrida páttr ist daher relativ sicher zu konstatieren. Betrachtet man den (Schwimm-)Wettkampf zwischen Sagaheld und König vor allem als narratives Muster, lässt sich feststellen, dass die drei genauer untersuchten Texte es zu bestimmten Zwecken und wohlüberlegt einsetzen. So eng die Beziehung zwischen Hemings páttr und Eindrida páttr auch sein mag, bei der Ausgestaltung der Wettkämpfe gehen beide eigene Wege. Der dreifachen Erprobung von ípróttir ist das Element der Steigerung immanent. Im vermutlich jüngeren Eindrida páttr ist jedoch nicht nur das Skifahren durch das Jonglieren mit Messern ersetzt, in ihm ist auch der Schwimmwettkampf an erster Stelle platziert. Eine Steigerung lässt sich auf diese Weise am besten erzielen: Eindri.i wird zwar bereits im Schwimmen besiegt, das Eingreifen himmlischer Macht lässt sich aber erst im außergewöhnlichen Pfeilschuss des Königs erahnen. Überdeutlich zeigt es sich, als er jonglierend über die Riemen (und übers Wasser) läuft. Im Hemings páttr ist das Schwimmen hingegen bewusst an zweite Stelle gesetzt: Im Bogenschießen erweist sich Hemingr seinem Gegner zunächst überlegen, das folgende Kräftemessen im Wasser bietet König Haraldr die erste Gelegenheit, sich des unliebsamen Kontrahenten zu entledigen. Gemeinsam ist allen Erzählungen der Prozess des Erkennens, der Erkenntnis. Als Element ist sie Wettkämpfen natürlich immanent, geht es doch um den Nachweis – das Erkennen – des Vermögens der Protagonisten in bestimmten Disziplinen, von Über- oder Unterlegenheit. Keine der Erzählungen belässt es jedoch dabei, der Erkenntnisgewinn geht mehr oder weniger weit über den Aspekt von Kraft oder Geschicklichkeit hinaus. Die Laxdœla saga bleibt ihm relativ stark verhaftet, doch bietet der Wettkampf sowohl Kjartan als auch König Óláfr die Gelegenheit, weitere Eigen-

96 Der Schwimmwettkampf der Laxdœla saga besitzt nach Sveinbjörn Rafnssons Ansicht sein Vorbild nicht in der oben skizzierten Episode der Morkinskinna, sondern der Heimskringla; zudem geht er davon aus, dass beide, Morkinskinna und Heimskringla, diesbezüglich auf eine ältere Fassung der Morkinskinna zurückgreifen, vgl. Rafnsson 2005, S. 171, 174f. Dass die Morkinskinna ältere Erzählungen aufnimmt, ist kaum zu leugnen. Dass jemals eine ältere Fassung von ihr existierte, wird in der Neuausgabe allerdings mit starken Zweifeln belegt, vgl. ÍF 27, S. XIX–XXXIV. Siehe auch Jakobsson 2002, S. 53–54. 97 Vgl. Vigfússon / Unger 1860, S. 462. Auf die unbegründete Darstellung im Eindrida páttr macht auch Fellows Jensen aufmerksam, vgl. Fellows Jensen 1962, S. clix. 98 Vgl. Fellows Jensen 1962, S. 21 (Flat/Hr).

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schaften des Gegners kennen zu lernen. Mit der Feststellung körperlicher Fähigkeiten ist der Erweis menschlicher Qualität an sich verknüpft, ja nahezu gleichgesetzt. Dass sogar die Enthüllung der Identitäten der Gegner, die Nennung der Namen, an das Ende des Wettkampfs verlagert ist, erscheint als Besonderheit. Im Falle Eindri.is erweisen die Wettkämpfe nur vordergründig die körperliche Überlegenheit König Óláfrs. Nach und nach tritt die Macht des christlichen Gottes hervor, am Ende steht mit dem Wunder eine regelrechte Offenbarung, nach der es für Eindri.i keinen Grund mehr gibt, das Christentum abzulehnen. Der páttr überhöht die Wettkämpfe und stellt sie in den Dienst der Bekehrung. Das Wettkampfmuster wird dabei überschritten, denn einem der Gegner wird nicht allein göttliche Unterstützung zuteil, er fungiert geradezu als Werkzeug himmlischer Macht. Auch im Hemings páttr offenbaren die Wettkämpfe nicht nur körperliche Stärken oder Schwächen: Die schlechten Eigenschaften des Königs, die positiven Hemingrs, die sich bereits im Vorfeld andeuten, treten während der drei Entscheidungen immer klarer zutage. Die Erkenntnis Hemingrs beschränkt sich aber nicht auf die üblen Absichten und die moralische Unterlegenheit des Königs. Im Lauf der Wettkämpfe besinnt Hemingr sich immer mehr auf seinen Glauben; der christliche Gott kommt ihm zu Hilfe, zunächst weniger offensichtlich im Bogenschießen, in Todesnot schließlich durch Óláfr den Heiligen. Die Wettkämpfe bringen Hemingr in existenzielle Bedrohung, die er aus eigener Kraft nicht abwenden kann. Sie führen ihm die Grenzen seiner Fähigkeiten vor Augen, lassen ihn aber zugleich die Allmacht Gottes und die Belohnung für sein Vertrauen in diesen erfahren. Das Potential für weiterführende Erkenntnis findet sich bereits in der Episode der Morkinskinna, auch wenn darin kein Wettstreit im eigentlichen Sinn stattfindet: Der zunächst missgestimmte König gelangt zu der Einsicht, dass er durch seinen Gefolgsmann (der ihn dreimal untertauchte) vor einer üblen Tat bewahrt wurde, und belohnt dessen Eingreifen. Ob man die Erzählung der Morkinskinna nun als Keimzelle für die Schwimmwettkämpfe betrachten will oder nicht, es fällt auf, dass die übrigen Episoden zum einen zeitlich früher angesetzt, zum anderen um den religiösen Aspekt erweitert sind. Der Wettkampf zwischen König und Sagaheld scheint demnach in der Übergangszeit von Heiden- zu Christentum und kurz danach besondere Wirkung zu entfalten. Ein Grund dafür mag sein, dass das Aufeinandertreffen im Schwimmen im Falle Kjartans und Eindri.is auch als Präfiguration ihrer späteren Taufe gewählt wurde.99 Zudem verkörpern alle drei Hauptpersonen einen ähnlichen Typus: Wenn Hemingr auch kein Heide mehr ist, lässt er sich seiner Herkunft nach ebenso als Vertreter der freien Wikinger und Bauern betrachten, wie Weber es für Kjartan und Eindri.i feststellt.100 Letztere treten als „Repräsentanten eines Freiheits- und Ebenbürtigkeits-

99 So deutet Weber den Vorgang, vgl. Weber 1981, S. 502. 100 Vgl. Weber 1981, S. 505.

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bewußtseins“101 auf, wobei es Eindri.i an Respekt gegenüber dem König nicht fehlen lässt; Hemingr verhält sich zwar demütiger, ist sich jedoch seiner selbst ebenfalls gewiss. Das Parabelhafte, das für die Laxdœla saga angesprochen wurde, aber auch den anderen Episoden eignet, entfaltet erst in dieser Distanz zur Zeit der Niederschrift der Texte, in der das Königtum längst etabliert war, seine spezielle Wirkung. Der Wettkampf dient nicht nur der Bestimmung der konkreten Rangfolge zweier Individuen, er fungiert auch als Mittel, die gesellschaftliche Stellung von König und Held resp. freiem Mann auf allgemeiner Ebene zu verhandeln. Grundsätzliche Ansprüche lassen sich dabei deutlich machen: Der König muss als würdiger Herrscher erkannt werden, um Unterordnung verlangen zu können; seine Kontrahenten/die ihm Untergebenen müssen sich jedoch ebenso bewähren, um ehrenvolle Behandlung erwarten zu dürfen. Ist der König unwürdig, wie Haraldr har.rá.i im Hemings páttr, ist er vor einer Niederlage nicht gefeit. Besiegt werden kann der König jedoch offenbar nur durch einen quasi makellosen – christlichen – Gegner.

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Game grounds in western and ship races in eastern Scandinavia: an archaeologicalinterdisciplinary view According to Tacitus, the Germanic people used to drink for days and nights, and this often resulted not only in conflicts, but also in bloodshed. Nevertheless, it was during feasts that conciliations, arrangements of marriages, the election of chieftains and, finally, the decision making on war and peace took place (Tacitus, Germania, ch. 22). Games of dice, however, were played when participants were sober; they played passionately, even though they might sacrifice their freedom with a final, losing throw of the dice (Tacitus, Germania, ch. 24). One may say that the archaeological discussion of games shares close ties with the report by Tacitus inasmuch as gaming boards, but much more so gaming dice, are a well-known find category.1 Besides those kinds of artefacts, however, remains of major archaeological features are also worth mentioning when it comes to the holding of games. In the following, two different kinds of premodern buildings will be introduced: court sites (Norwegian tunanlegg or kretstun) in western Scandinavia (more specifically, along the western Norwegian coast) and ship sheds (Finnish talas) in eastern Scandinavia or, to be more precise, in western Finland (figs. 1 and 8). In an archaeological contribution like the present one, there is no other way than to start with a proper description of the archaeological features themselves and, as it turns out, the court sites (gathering places) will have to be introduced at much greater length than is the case with the sheds. In both cases, functional interpretations can be suggested on a purely archaeological basis, but in yet another step source materials outside archaeology (place name types, a Nordic written source, folk traditions) are taken into account in order to shed further light on the interpretations of the two different kinds of buildings, and it is by introducing those very source materials that game-related considerations seem feasible. As regards Norway, the article will also briefly introduce a place name type that may refer to grounds for foot or horse races, but any further elucidation of that aspect is outside the scope of the present paper, and archaeology would be of little help in that particular respect anyhow. (cf. the contribution by F.-A. Stylegar in the present book). The present author is fully aware that the exploration of source materials other than archaeological ones should be done by scientists who are competent in the respective fields and furthermore such sources cannot be taken at face value, but must be subject to source-critical examination first. It is important to

1 E.g. Gabriel 2005, p. 357–360.

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Fig. 1: Distribution of court sites in Norway.

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underline, however, that this paper does not use source materials outside archaeology for launching theories far off the scientific mainstream, but refers to or rather tries to revive old game-related interpretations which perhaps lacked proper reception in more recent years. The very methodological approach of the article, i.e. the use of different non-archaeological source materials for further elaboration of an archaeological topic, will be evaluated at the very end: which level of theory is achieved by pure archaeological in comparison to interdisciplinary reasoning, and what about different levels of validation of theories?

Western Norwegian court sites: gathering places used as game grounds? Court sites consisted of a group of houses which encircled an open area (fig. 2). Roughly 25 such features, which had a maximum outer diameter of 80 m, are known in Norway today, and they are mostly situated in the very north and south-west of the country.2 Another such monument has come to light most recently in Voss in inner Hordaland.3 This is a good indication that our knowledge is fragmentary, but there is no doubt that court sites are a major class of archaeological monument in Norway. In fact, they also deserve international attention as a rather advanced kind of architectural solution from the first millennium AD that tried to meet underlying demands. To be more precise, a court site consisted of up to 20 houses which were very much alike inasmuch as they were rectangular with maximum internal dimensions of 10 × 4 m, and there were often longitudinal hearths along their middle-axes.4 The sites in the south-west are known for their many, sometimes thousands of, potsherds whereas further to the north finds were rare. The areas in the middle of such sites had no buildings, but in some cases, in particular in the south-west, there were mounds in the very centres which yielded hearths, but no graves (fig. 2).5 It is an interesting footnote that a re-excavation beneath the middle mound of the Klauhauane site in Jæren (south-western Norway) revealed a somehow enigmatic square building that did deviate from the other ones as to its size and the lack of inner hearths.6 The hearths on different layers in the mounds situated in the very middle of the gathering places or the ones on the outside of the square building in Klauhauane might be related to the preparation of common feasts

2 3 4 5 6

Cf. e.g. Møllerop 1971, Johansen / Søbstad 1978, Stenvik 2001, Olsen 2003, Storli 2006, Grimm 2010. Cf. an article in Aftenposten, 22. 07. 2011. Møllerop 1971; Johansen /Søbstad 1978; Storli 2006; Grimm 2010. See Møllerop 1971, and Grimm 2010, p. 31–32. Møllerop 1971, p. 157–159.

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Fig. 2: Detail of a reconstruction drawing of the court site in Steigen, northern Norway (painting by A. Reinert from 1956, printed in Lund 1959, fig. 2).

of a secular or, perhaps, more ritual character though the latter assumption is far from being substantiated.7 Chronologically, the court sites in the south-west were in use from the 1st/2nd to 5th century AD, not least judging from the dating of potsherds8, whereas the ones in the north were built in the 2nd/3rd century and at least some of them (the substantial ones) stayed intact for most of the first millennium AD, as is foremost indicated by radiocarbon datings.9 The Norwegian court sites have been discussed for a long time, and in the middle of the last century, when research climaxed in terms of actual excavations, there was a dispute between scholars who put forward the settlement10 and those who supported the gathering site hypothesis.11 On the basis of the many excavations of such sites, it is sound today to conclude that they were no ordinary settlements due to the lack of byres, storage buildings and the usual find spectrum of a settlement that included a

7 Grimm / Pesch 2010; cf. Lund 1942, p. 70, Storli 2011, p. 108–109. 8 Møllerup 1971; Grimm 2010, p.33–36 9 Storli 2006, p. 72–74. 10 Petersen 1938, p. 156–157; Møllerop 1957, p. 65–67. 11 Rønneseth 1959, p. 68–74; Lund 1965, p. 288–310.

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variety of tools.12 In contrast, the entire spatial arrangement rather points towards the use of the houses as temporary accommodation in which meals were prepared but there was no housework by men or women (repairing, sewing etc.), and the open area amidst the houses served for gatherings. Researchers have also speculated upon the particular function of the gathering sites, and some have ascribed mainly one such function: the late Harald Egenæs Lund had the belief that gatherings of military retinues took place there13, whereas in old as in most recent times of research they were considered thing places.14 The thing-related argument can draw upon the fact that sites in the south-west (e.g. Dysjane on the Turidge in Jæren) and north (Steigen) are found in areas which had thing sites in early medieval times.15 Other scholars, however, have preferred a multifunctional (or, perhaps more adequately, oligofunctional) explanation according to the different ways in which the sites were used, such as for “Ding, Markt, Kult und Wettkämpfe[n]”.16 In addition, there was a lively discussion about the social sphere of the sites: do they reflect gatherings of equal persons17 or was there a control of the meetings by nearby important farms, and did local rulers fix, inter alia, meetings of their military followers?18 To put it very simply, the sites as such leave a very egalitarian impression inasmuch as the houses were very much alike without any differences in size or find spectrum. However, the gathering places in the south-west and north of the country are situated in areas which have yielded archaeological proof of important farms in terms of richly furnished graves, large burial mounds, treasure finds which included silver or gold objects, ship houses (see below) etc. It cannot come as any surprise that those find circumstances led further to the belief that the gatherings took place under the control of powerful persons who had their farms nearby.19 More recent research, however, has come to the conclusion that the gathering places lay strategically in relation to settlement areas (bygder), but often there was no immediate link to an important farm nearby, or there were several farms at some distance which have yielded finds and monuments of particular interest.20 It is the present author’s opinion that an overall Norwegian perspective would be worthwhile when it comes to court site research21, but one should be open to the possibility that perhaps there was no common denominator for all the sites – neither in functional nor in social terms – and things

12 Møllerop 1971, p. 166; Johansen / Søbstad 1978; Grimm 2010, p. 32–33. 13 See e.g. Lund 1964, p. 100. 14 Nicolaysen 1862–1866, p. 301; Olsen 2003; Storli 2006. 15 Cf. E. Havnø in 1931 as quoted in Johansen / Søbstad 1978, p. 11; Rønneseth 1959, p. 72–73. 16 Rønneseth 1966, 23; cf. Grimm / Stylegar 2004, p. 122–124. 17 E.g. Olsen 2003, p. 106–123; Storli 2006, p. 99–100. 18 See e.g. Lund 1964, p. 99–100; Johansen 1988, p. 28–33; Johansen 1990, p. 48–57; Magnus / Myhre 1986, pp. 265, 315 and 380; Rønneseth 1986; Solberg 2002; Grimm / Stylegar 2004, p. 118–122. 19 See e.g. Lund 1964, p. 5 and Rønneseth 1986. 20 Storli 2006 and Grimm 2010. 21 Cf. Myhre / Øye 2002, p. 201–207 and Bertelsen / Løken 2005.

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might also have changed during the considerable period of time in which the places served for gatherings. Remarkably, the holding of games at the sites was suggested by archaeologists at least as early as the 1960s22, but this argument drew upon extra-archaeological sources. For a further elaboration of the game-related aspect, a court site in the north of Norway in the area of the Leknes farm (Vestvågøy parish) will be introduced (figs. 1, 3 and 5). In fact, Norway has an extremely lengthy western coast that very much benefits from the mild Gulf Stream.23 The Lofoten Islands in the very north of the country have been known for fishing for a long time, due to the biggest spawning ground for cod in Norway being situated nearby, before tourism gained importance more recently due to the spectacular natural surroundings. The fishing resources are in fact the key to understanding the islands in historical terms too since, notably, the Lofoten Islands saw the establishment of the first town by the name of Vågan, a trading post, in the early 12th century24, but probably fishing had been important earlier on too.25 In the archaeological long-term, the islands have seen a permanent settlement since the first farming population in Neolithic times, i.e. since the fourth millennium BC.26 The northern Norwegian model for living with little growing of cereals but with mostly cattle-keeping and fishing was somehow different from areas further to the south, but it was a perfect accommodation to the natural resources that worked out well and led to a considerable density of settlement.27 When it comes to Vestvågoy, one of the islands that belongs to the Lofoten group, Viking Age settlement is speculated to have amounted to at least 115 farms with a population of 1800.28 This would have equalled what was usual until the Black Death or after the rise in settlement activities from the 17th century onwards. Archaeologically, the Lofoten Islands have received much attention in recent decades. This is mainly owing to the discovery and excavation of the chieftain’s farm in Borg at a sheltered bay in the north of the island (figs. 3 and 4).29 The chieftain’s house had a final length of more than 80 m in its second phase of 7th to early 10th century, and the reconstructed building at this location has an internal height of not less than 8 m.30 That very long house was separated into several parts, the main ones being a byre, a living room, and a so-called “internal hall”, the latter of which stood out be-

22 23 24 25 26 27 28 29 30

Lund 1965, p. 308; Rønneseth 1966, p. 23; cf. Armstrong 2000, p. 108. See Solberg 2000, p. 28–30. Bertelsen et al. 1987; Bertelsen 1995. Nielsen 1998. Johansen 1982. E.g. Johansen 1990, 24–32; Grydeland 2004. Johansen 1982. Cf. Stamsø Munch, Johansen / Roesdahl 2003. Herschend / Mikkelsen 2003; Storli 1995, p. 8.

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Fig. 3: Central places in the Lofoten Islands in northern Norway (Johansen 2003, fig. 4.3).

cause of its construction and prestigious finds, such as sherds of continental glass vessels.31 Finally, it is important to underline that a somehow dubious and possibly partly destroyed minor court site with only four remaining house ruins was found a few hundred metres to the north of the chieftain’s house.32 The discovery and excavation of the site at Borg provided a big surprise given the northern location of the site, but a careful look at the overall archaeological record of northern Norway and saga literature demonstrates that the really powerful chieftains of the north did not reside at Borg.33 As a matter of fact, Borg was perhaps only second

31 Holand 2003; Stamsø Munch 2003. 32 Johansen / Søbstad 1978, p. 44–46. 33 See Johansen 1990, p. 48–57.

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Fig. 4: The chieftain’s house in Borg, Vestvågøy, on one of the Lofoten Islands. Phase 2. A: living room; B: entrance room; C: “internal hall”; D: room of unknown function; E byre (Herschend/Kaldal Mikkelsen 2003, fig. 6A.19).

class even on the island of Vestvågøy, since the real focal area was found along the Buksnesfjord to the south-west (figs. 3 and 5). A cemetery with not less than 60 graves from the first half of the first millennium AD at Holsøya, a little island near to the fjord’s lower end, is an indicator of rather intense settlement activities in the area34, and close to Ramsvik a richly furnished, woman’s grave from the first centuries AD (early Roman Iron Age) was found in a substantial burial mound.35 Hol has yielded the ruins of a ship house, up to 40 m in length (!) and dating to the transition to medieval times, and Leknes, on land just bordering the innermost end of the fjord, is known for a once substantial court site (to be returned to). Finally, Buksnes (later on Hol in the same fjord) had the main church of Lofoten parish that served Vestvågoy and two more of the Lofoten Islands further to the south-west.36 In conclusion, the area adjoining the Buksnesfjord yields a rich archaeological heritage but since the aforementioned monuments and finds originate from different spots, it is impossible to locate a dominant farm. As has been argued, there was no such farm, but in fact several of a certain social standing.37 Alternatively, the archaeological record could be taken as an indication of such a farm, but perhaps its position changed.38 This very discussion cannot be enlarged in the scope of the present paper, but it might be worth keeping in mind that in a broader, northern European perspec-

34 35 36 37 38

Johansen 2003, p. 30. Resi 2005. Bratrein 1984, p. 32–33. Storli 2006, p. 111–112. See Johansen 2003, p. 31.

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Fig. 5: Archaeological sites of major concern along the Buksnesfjord in south-western Vestvågøy (one of the Lofoten Islands). Court site at Leknes, large ship house at Hol and large burial mound with a richly furnished grave from the first centuries AD close to Ramsvik. The initial medieval church at Buksnes is also indicated (Storli 2006, fig. 36).

tive, it is a well-established assumption that an important farm from the Viking era lay somewhere near Buksnes since the initiative to build early medieval churches (as in Buksnes) was in the hands of powerful families with roots going back to the Iron Age.39 The court site in Leknes was described for the first time in the late 19th century, but when the archaeologist H.E. Lund returned to the site in 1950, there were only four houses left, whereas the rest (probably ten more) had been destroyed when a soccer ground had been built.40 The outer diameter of the site has been calculated at c. 60 × 45–50 m. There were very few finds, and four radiocarbon datings of organic materials (three originating from houses, one more from a cooking pit outside the houses) cover mainly the first centuries AD, but one cannot rule out that the site was also in use in the second half of the first millennium AD. Leaving archaeology, it is in fact the very farm name of Leknes that serves as a starting point for further reflection. Once, Oluf Rygh underlined in the introduction to

39 Lidén 1987; Lidén 1995; Näsman 2001, p. 50–51. 40 Johansen / Søbstad 1978, p. 38–43; Storli 2006, p. 59–61.

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“Norske Gaardnavne” that farm names including Old Norse “leikr” allude to gathering places for playing games, i.e. ball games and wrestling, but also horse fights and horse races were mentioned.41 Suggestions to that effect, however, were already older, and this very interpretation is still acknowledged in recent place name research.42 Interestingly, the well-known Norwegian historian Alexander Bugge did touch upon the Norwegian names of that kind in his classical study “Thing places, guilds and other old focal points in Norwegian settlement areas”.43 Based on the name collection in “Norske Gaardnavne”, he listed just over 40 farms with the original spelling Leikvin (today mostly Løken), whereas the name types (original spelling) Leikvangr, Leikvollr and Leiknes seem to have been much less frequent. Those denotations are mainly known from eastern Norway, where they were often attached to areas with a central position within settlement districts (bygder). Furthermore, there is sometimes a local confluence with church and thing sites, either on the ground of the Leik farm or in the area of a neighbouring one, and pre-Christian religion is indicated by nearby place names, such as farms by the name of Hov. Bugge’s considerations cannot be elaborated any further, but the aforementioned Leknes farm on Vestvågoy in the very north would have belonged to the same category inasmuch as it possibly saw a thing place for people from a wider district in parts of the first millennium AD (reflected by the court site) and also later on (as one may suggest), and that there was a church about three kilometres to the south-west of Leknes. It is important to keep in mind, however, that the dating of the Leik names remains uncertain. Therefore, in the case of Leknes in the Buksnesfjord, one does not know whether a denotation of that kind was attached to the area when the court site was still in operation and used for holding games, if it was attached to the area later on in the knowledge that there had been a game ground before or, by following the wrong assumption, that the ruins which were still visible on the surface once had belonged to a game ground. In the present case, however, the necessary sourcecritical objections do not quite convince since the respective farm names follow a pattern, i.e. a strategic position in the countryside well in reach of people within a certain settlement district (bygd), and that might point towards a name-giving with a factual background in the period the areas or court sites were in use for holding games. As has been suggested, up to four court sites in the south-west and north of Norway had a connection with place names of the Leik type among a total number of about 25 such sites recorded until now. Besides Leknes on the Lofoten Islands, there is yet another such feature in the north in Tjøtta, Alstahaug, Nordland (fig. 1) with an attached place name Lækkenga (eng: meadow; cf. Wik 1983, 13). That name has been

41 Rygh 1898, p. 64–65. 42 Sandnes /Stemhaug 1997, p. 287. 43 Bugge 1920, p. 202–208.

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related to “leikr” by the archaeologist H.E. Lund44, but in order to be certain it would be necessary to have the opinion of a place name specialist. When it comes to the county of Rogaland in south-western Norway with as many as eight court sites (fig. 1, nr. 3–10), two such features have been discussed in the present context. In fact, the minor, irregular and somehow dubious gathering (court) site at Skjelbrei in the marginal Høyland fjellbyd to the east of Stavanger had the farm Leikvang (vang: meadow) just nearby, i.e. one of altogether three farms in Rogaland with the name element Leik.45 Besides that, the Leksaren name attached to one court site of Rogaland has also been introduced into the discussion46, but according to the place name specialist M. Olsen, the name goes back to “lax”, i.e. salmon (note of Olsen’s kept at the Archaeological museum/University in Stavanger47). The local link between court sites and Leik place names in a few cases might lend further corroboration to the assumption that games were held at such sites. Mostly, however, the holding of such games did not go hand in hand with gathering places of the aforementioned kind since Leik names are mostly found in eastern Norway, as it seems, where no court sites have been recorded so far. When it comes to the southwest and north of Norway as the main areas of distribution of court sites, it would be worth having a list of the Leik place names and the names of places adjacent to court sites in general, and any such list should include both farm and field names. However, the majority of the roughly 25 recorded gathering places had surely no connection with any denotations of that kind. Thus, the reference to the Leik place names has added a new facet to the functional sphere one may ascribe to Norwegian court sites, but the game-related link is far from being substantiated. However, any attempt to make such a link does not end with a reference to place names. There are more pieces of evidence which might strengthen an assumption to that effect, and the first things to add are archaeological sites from Iceland. In 1843, the botanist and poet J. Hallgrímsson discovered a group of house ruins just outside Reykjavík on a small peninsula (fig. 6).48 In the period to follow, various investigations were carried out, the most recent ones after 1981. The site consists of 15–18 features that are visible on the surface in an area of, all in all, 6000–7000 square metres. The site consisted mostly of rectangular houses with walls of stone or turf, and once two groups of houses faced each other with one of their short sides open but there was no overall regular order to the buildings. The houses or, probably more appropriately, booths of turf were older than the ones of stone, due to stratigraphical overlay. In between the groups of houses, there was an open place. The row of build-

44 45 46 47 48

E.g. Lund 1965, p. 308. NG vol. 10, pp. 26, 166, 209 and 480. Cf. Lund 1965, p. 308 Cf. Grimm 2010, p. 134. Cf. Ólafsson 1987.

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ing remains closest to the middle also yields a circular stone enclosure (18 m across) encircling a smaller ring of 8 m across that is made of turf walls. That stone enclosure was overlaid by two houses with stone walls at its sides, and that is a testimony to different periods of use of the area (that overlay, however, is not indicated in the simplified plan). There is no archaeological dating of the site via artefacts or any naturalscientific dating of related organic materials, but tentatively it has been ascribed to the period from c. 900 AD to the 13th century, based on its position in relation to three volcanic ash layers. Remarkably, the very area carries the name Tingnes that is reminiscent of a thing place.49 Consequently, the house remains were linked with the so-called Kjalarnes assembly, i.e. one of two local assemblies in Iceland that pre-dated 930 AD, the period when Allthing was founded, and the stone circle on the site was regarded as a socalled “ring of judges” (domarring) that served as the outer demarcation of a place of jurisdiction within which the judges gathered.50 However, the thing-related interpretation is far from being unproblematic since first and foremost the site of the Kjalarnes assembly surely lay further to the north. Besides that, different periods of use were found in Tingnes, and the actual appearance of the literarily attested “ring of judges” of Iceland remains unknown51, whereas stone circles of Norway and Sweden (often considered as such rings) were superficial markers of flat burials (cremation graves) in parts of the first millennium AD.52 Finally, the booths at Tingnes could be regarded alternatively as sheep sheds whereas the stone circle has seen different interpretations, from a heathen temple down to a sheep fold.53 When it comes to thing sites on Iceland, there is no systematic list of such places for the period of the “Free State” up to 1271, but soon after that, in a period of Norwegian hegemony, a new law mentioned twelve districts (thing), which must have been to some extent identical to the earlier situation (fig. 6).54 Research that was mainly carried out in the nineteenth century pinpoints no fewer than 80 supposed thing sites like the one, just mentioned, in Tingnes; many more than that are to be expected on the basis of the written records. A lengthy critical review of the mostly nineteenth-century investigations of such features came to the conclusion that the identification of assembly sites in Iceland remains a serious challenge and, in the face of the present source situation, alternative interpretations, such as temporary dwellings, cannot be ruled out.55 In conclusion, much research remains to be done on the Icelandic features. One may suggest, however, some link between the Icelandic thing and the western Norwe-

49 Ólafsson 1987, p. 348–349 50 Ólafsson 1987, p. 348–349. 51 Capelle / Beck 1984. 52 Arne 1938; Burenhult 1991, p. 134–136. 53 Ólafsson 1987, p. 349. 54 Cf. Karlsson 2005 55 Fri.riksson 1994, p. 105–145.

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Fig. 6: Icelandic thing places.

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gian court sites inasmuch as there is some resemblance in the general outline and some chronological overlapping between the latest such sites in the north of Norway and, possibly, the earliest ones in Iceland. Furthermore, it is important to bear in mind that powerful people from the north of Norway did emigrate to Iceland – or perhaps more appropriately – went into exile in Iceland in the period c. 870–930 AD, when the formation of the Norwegian state (rikssamling) was more and more on its way and they were among the ones who lost their positions.56 Thus, there are interesting links between northern Norway and Iceland in general when it comes to (supposed) gathering grounds, but those links do not add up to a convincing validation of the game-related interpretation of the Norwegian court sites. Iceland, however, yields yet another source of material that is relevant for discussing the underlying topic: sagas and in particular Chapter 43 of “The Saga of the People of Eyri”, i.e. Eyrbyggja saga.57 “The Saga of the People of Eyri” relates to events in western Iceland (fig. 7), more specifically along the north coast of the Snæfellsnes Peninsula and, unlike other sagas which concentrate upon a single human being or a family, it is the story of a certain region in Iceland that begins with the first settlers in the late 9th century and goes further to the year 1031, apart from an epilogue that relates to the early 13th century.58 The very saga itself was probably not written down any earlier than the period c. 1255–1265, but there is good reason to assume that the author had probably older written accounts and oral traditions at hand. In ch. 43 of the saga, it is stated: “Around the Winter Nights it was the custom of the people of Breidavik to hold ball games under Oxl mountain, south of Knorr. The spot is still called Leikskalavellir (Game-Shed Plains), and people from the whole district would come there. Large sheds were built for them to stay in, and some of them stayed for a fortnight or longer.”59 This passage continues to elaborate on events in connection with ball games, but this will be kept out of consideration. The present paper is not the proper one to discuss the trustworthiness of saga sources, in particular the question whether an account like the one quoted reflects a precise knowledge of what used to happen in that area or whether folks started speculation later on when becoming aware of the particular place name “Leikskalavellir”. On a superficial level, however, the account mentioned seems to fit in surprisingly well with the northern Norwegian court site at Leknes since in both cases there were place names which contained Old Norse “leikr”. In addition, the sheds in Iceland as well as the houses in Leknes had nothing to do with usual farms, and the sites were used only sporadically.

56 57 58 59

Nielssen 1995, p. 42. Cf. the contribution by M. Teichert in the present volume. See e.g. Böldl 2005, p. 1–26. Ólason 2003, p. 49.

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Fig. 7: The main area of events in western Iceland, as told within “The Saga of the People of Eyri” (Böldl 1999).

Thus, the description of “Leikskalavellir” in “The Saga of the People from Eyri” and the Norwegian Leik place names strengthen the assumption that one of perhaps different functions attaching to the western Norwegian court sites and, perhaps, also to the supposed Icelandic thing sites was the holding of games within certain periods of the year. Remarkably, the irregularity of the houses in Tingnes in Iceland has parallels in various court sites in Norway. In the latter case, this has been ascribed to later alterations to the initial outline60, but this is only bare speculation.

60 Stylegar / Grimm 2005, p. 95.

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As regards Norway, the game-related thought was expressed in the 1960s at the latest61, and it is worth considering it again since most recent court site research is perhaps too thing-focused.62 On a more general level, there may have been, in the olden days, a connection between assembly sites in the midst of settlement districts, religion and sports.63 One final aspect is the somehow astonishing fact that there was a certain Norwegian gathering place architecture in parts of the first millennium AD, whereas later on, when there were still meetings held at those sites, there was no longer any architecture. What had happened? Were there too many people around at the later meetings, or had the character of the meetings changed? The northern Norwegian Buksnesfjord is worth another look since one more farm name of particular concern is known. Once, a farm by the name of Skei ran along the fjord but it was abandoned and cannot be located any longer. According to classical as much as most recent place name research, names of that kind (originally spelled skeid) could have had different meanings, from a simple “way between acres” to “ground for foot or horse races”.64 In his already mentioned classical article from 1920, Alexander Bugge followed the latter interpretation and pointed to the fact that several dozen such farm names are known in Norway, from the east to the very north, and the abandoned farm at the Buksnesfjord was in fact the most northern one that carried such a denotation.65 Remarkably, names of that kind are often found at church sites or on farm grounds bordering churches, and there was also a link to thing and former cult places. Furthermore, they often denoted plains which would have been quite suitable locations for race grounds.66 There is no doubt that place names have to be critically examined by specialists concerned with questions about the actual age of such denotations and about the possible danger of a retrospective and, perhaps, misleading name-giving that ascribed races to a certain location because it seemed quite ideal for that, but perhaps there were no such races at the location earlier on. Yet another aspect that has to remain without further elaboration is the horse fight tradition (skeidet), as known from up to 19th-century southern Norway, which some have traced back to pre-Christian roots.67 A final source-critical objection is fundamental inasmuch as the discussion of

61 Lund 1965, p. 308, Rønneseth 1966, p. 23; cf. also Armstrong 2000, p. 108. 62 E.g. Olsen 2003, Storli 2006, Grimm 2010. 63 Bugge 1920, p. 202–212, Wenskus 1984, p. 451. 64 Rygh 1898, p. 75; cf. de Vries 1977, p. 487–488, Hovda et al. 1982; Sandnes / Stemhaug 1997, p. 399, Vikstrand 2001, p. 351–357, Nedoma 2005, p. 393. 65 Bugge 1920, p. 208–212. 66 Rygh 1898, 75; Sandnes & Stemhaug 1997, 399. 67 E.g. Solheim 1956, Solheim / Kuusi 1981, Hovda et al. 1982, Beck 2003; cf. the contribution by Lena Rohrbach in the present book.

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Skei (Skeid) place names is no archaeological topic since there is probably no hope to find traces of any such race ground. To return to the Buksnesfjord in the very north of Norway, it is at least an interesting thought that the restricted settlement area along the fjord yields two place names possibly indicative of the holding of some sort of games, and in addition the court site might be the very concrete remains of gatherings which (also) had to with games. The story goes even further inasmuch as in some cases there is a link in Norway between place names of the Leik and Skei (Skeid) type. According to a report for Valle, Setesdal (southern Norwegian Aust-Agder) in the year 1780, there were first horse fights at a place called Skeidvollen (vollen: wall) close to the churchyard, and then there were horse races at a place nearby which ran by the name of Leikvollen.68

Finnish ship sheds: shelters for vessels used for races way back in time? A rectangular boat or ship house lay close to the coast or fjord with one of its narrow sides facing the water and forming the access to the building, and it was meant to shelter a vessel against bad weather conditions and damage. A systematic research of such buildings has developed as a field of its own in northern Europe since the 1970s, and it started in south-western Norway with many known premodern ruins of such buildings.69 In fact, Norwegian research was triggered off by the well-preserved ruins of such houses the stone or outer earthen walls of which are still clearly visible in the countryside today (fig. 9). Remarkably, the oldest ruins are almost 2000 years old, and dozens had a length of 30 m or even more. Obviously, the houses served for the sheltering of ships comparable to the rowing vessel of Nydam from the 4th century AD or sailing vessels which were in use from the Viking Age at the latest.70 Ship houses are found in groups at important farms of the first millennium AD, as at the aforementioned Borg71, whereas in the Middle Ages kings and noble families had such ship houses (sometimes groups of those) and in addition there were sheltering sites of the so-called leidang system evenly distributed in the country.72 Within that maritime defence organisation, each ship district (skipreide) had to provide a fully-equipped vessel that

68 Bugge 1920, p. 208; Solheim 1956, p. 31–32. 69 E.g. Rolfsen 1974, Christensen 1977, Myhre 1977, Myhre 1985, Nilsen 1996, Nilsen 1998, Grimm 2006, Johansen 2007. 70 E.g. Crumlin Pedersen 1997 and 1999, Bill 2002. 71 Nilsen 1998, p. 97–98, Johansen 2003, p. 29. 72 Myhre 1985 and 1997.

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usually stood in a ship house (leidangsnaust).73 In addition to the archaeological remains and the written sources, there are also place names which relate to such houses, and there has been the tradition to shelter vessels on land until most recently. Apart from Norway, the source situation is poorer for the rest of Scandinavia, but there is reason to suggest that boat and ship shelters did exist in parts of premodern Sweden and Finland, and they surely did so on the islands in the North Atlantic, under the influence of the immigrants from Norway.74 As to Denmark, however, it is dubious if the sheltering of vessels was really part of the maritime coastal culture. Admittedly, two sheds from the 11th century have been recorded in Harrevig on the Limfjord, but otherwise there are no archaeological remains, not to mention written sources, place names and a sheltering tradition.75 When it comes to western Finland, it yields a very particular kind of source material (figs. 8 and 10;).76 Sheds for vessels (Finnish talas) were characterised by roofs which rested upon posts or some very simple wooden walls, and some of those sheds were in use until very recently.77 This light kind of a sheltering site would in fact have disappeared without a trace a while after its abandonment. In eastern Finland, however, sheltering was no common practice, since the vessels were often simply dragged ashore and turned around for wintertime. The vessels and sheds in question were part of a rather recent church-owned maritime organisation, the so-called church boats, which were meant for the transport of crews to church services.78 Besides that, those very vessels were also used for races (to be returned to later). A church boat was owned by a certain settlement district, and Finland holds a position of its own as the only country with a nationwide organisation of that type, as it seems. In Sweden, there was such an organisation too, but it did not include the southern part of the country79, whereas church boats had little importance in Norway80 and were probably non-existent in Denmark on the whole. In the following, the focus will be upon Finland. Church boats were in the hands of a village or a part thereof, but this only included farm owners in their own right who were part of a church boat crew.81 Each party held the same share in the vessel, and each farm had one rower who kept an oar of individual shape at home. The helmsman of the vessel was a respected person who

73 Rolfsen 1974, p. 126–127. 74 Grimm 2006, p. 155–158. 75 Grimm 2006, p. 151–153. 76 Vilkuna 1975, p. 83; cf. Andersson 1966–1968 and 1981. 77 Vilkuna 1975, p. 83. 78 Vilkuna 1975; cf. Erixon 1935, Eskeröd 1973. 79 Eskeröd 1973, p. 186. 80 Vilkuna 1975, p. 80–81. 81 Vilkuna 1975.

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Fig. 8: Distribution of sheds of the Finnish church boat organisation.

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Fig. 9: Reconstruction drawing of a south-western Norwegian boathouse (Rolfsen 1974, as redrawn by Westerdahl 1989, fig. 136).

not only steered the boat or ship but also had the command over the rowers and he had to make sure that the vessel was kept in a good state. Yet another person, the “boat master” had the vessel built, and each of its shareholders had to contribute the same amount of wood and work. Usually, a vessel of that kind was long, but relatively narrow and pointed, and it provided 6–15 pairs of oars each of which was meant for two rowers. The largest of all preserved vessels had 15 pairs of oars, it measured almost 20 m in length, carried the name “The Invincible”, and it made the 12 kilometres to church in half an hour. Remarkably, the most substantial of all known ships had 30 pairs of oars and it could carry 120 rowers plus 30–40 more people. Church boats or ships had individual names as in the aforementioned case, but more frequent were denotations which reflected the name of the home village or names of animals like falcon, bear, wolf etc. As late as 1934, a nationwide inquiry in Finland came to the result that there were still 160 such vessel crews. The oldest documents about church boats in Finland date back to the early 17th century, but there was probably a climax in that kind of maritime organisation in the 19th century.82 It must be legitimate, however, to ask whether church vessels had

82 Vilkuna 1975.

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already been known for a longer period of time. In fact, written sources which date back to the 15th century testify to an obligation by the state that each church district had to provide a vessel in order to transport royal representatives when they came to the respective areas, but besides that there is good reason to suggest a stateowned maritime defence system, i.e. a ledung organisation, introduced under Swedish rule. In that very respect, it is an interesting footnote that in both Sweden and Norway, ledung/leidang ship houses were part of the royal maritime defence organisation83, and with that knowledge in mind it seems sound to suggest that the light western Finnish sheds (talas) as known from most recent times had earlier forerunners in connection with a maritime defence organisation. Furthermore, some Skepphus names (ship house) on Finnish Åland might date back to medieval times or even earlier, due to their position relative to the shoreline, and it has been assumed that those buildings were part of a maritime (ledung) organisation.84 Finally, Åland and the Finnish mainland have yielded several dozen Snäck names as a denotation of a warship type of the Viking Age or early medieval period.85 They have also been taken as an indication of such a kind of organisation, and at least in Åland the names are often found close to churches. Perhaps, there was an even older pre-medieval layer of vessels in common ownership in Finland.86 In fact, a name given to one of those vessels relates to a very particular hostage-based administrative division (Gisslalag, Geiselgau), i.e. an archaic type of law according to which it was only by the use of hostages that rights could be asserted.87 In Finland, the tribute man and his followers travelled through the areas of subordinates in order to exchange such hostages, have a feast of goods (taxes) provided by the subordinates and collect tributes. Remarkably, they used a vessel provided by the very district.88 Finally, to return to the underlying topic, it is important to stress that Finnish church boats were not only used for the transport of the vessel crews to church services. On the contrary, when the church service was over, the very same persons, who were all dressed up, had boat races on their way back to the villages. It is probably sound to conclude that not only was the boat itself a prestige item of the village, but so also was the first place in the boat race. A staged boat race was filmed in the late 1930s.89 Furthermore, the tradition is still alive, and the Finnish Prime Minister Matti Vanhanen participated in such a race in 2009 (www.finn-land.net on July 19th 2009,

83 84 85 86 87 88 89

E.g. Myhre 1997, Westerdahl 2002, p. 177. Voltavuo-Pfeiffer 1989, p. 407. Strauch 2001, p. 188; cf. Holmberg / Skamby Madsen 1997/1998. Vilkuna 1975, p. 89. Vilkuna 1981; cf. Walliser 1989, Nedoma / von Olberg 1998. Vilkuna 1975, p. 89. Vilkuna 1975, fig. 4.

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Fig. 10: Reconstruction drawing of a Finnish shed, used for a church boat (Vilkuna 1975, fig. 2).

viewed on January 16th 2011). As to Sweden, lake Siljan (Dalarna) is particularly wellknown for church boats, boat houses and boat races, and the tradition is still alive.90 In fact, the church boat races lead further to the question: were those races a remote and somehow distorted echo of military training within the ledung organisation since the crews had to practice dealing with emergencies? And are there any Norse written sources which relate to boat races, the training of boat crews or, more generally, the training of warriors?

Final remarks The present paper has touched upon game grounds in western and ship races in eastern Scandinavia, with archaeological starting points. In the present cases, functional interpretations of the respective features (court sites and ship houses) were made on archaeological grounds, but they were elaborated by taking into account additional, non-archaeological sources. The questions posed in the introduction, i.e. the one about different levels of theory achieved by pure archaeological in comparison to interdisciplinary reasoning and the one about different levels of validation of theories, shall be briefly returned to, with a reference to the range of theories according to the

90 Eskeröd 1973, pp. 17–46 and 51–183; cf. Erixon 1935.

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sociologist K. Merton: from low (analysis of empirical regularities) to middle (basic research) and, finally, to high range, i.e. theories of high complexity which constitute entire edifices of teachings beyond mere empiricism.91 Middle Range Theory has been discussed in the Anglo-American “New Archaeology” since the late 1960s, but any further elaboration92 is outside the scope of the present paper. There is a chance to reconstruct a chronological sequence from court sites in south-western Norway which were in use from the 1st/2nd to 5th century AD to those in the north of the country which remained intact until the end of that millennium and, via people forced to emigrate, to gathering sites in Iceland. The sites can be woven into an entire network of source materials: archaeological, written and toponymic ones. One may say that the purely archaeological interpretation of court sites as gathering places is a theory of low range, based upon empirical down-to-earth research. The game-related interpretation of Norwegian court sites, however, yields a middle range, inasmuch as it indicates people’s mentalities over a considerable period of time in a large area, and different kinds of source materials strengthen this assumption. As it seems to the present author, the quoted passage of “The Saga of the People of Eyri” that is very relevant for the game-related argument never made its way explicitly into court site research. To go further, it would be worthwhile to make local place name studies for western Norwegian areas with court sites and/or the place name element Leik by including both farm and field names, and it would be interesting to know whether there are Icelandic place names of that kind and, if there are, whether any can be found in the surroundings of supposed thing sites. The western Finnish ship sheds are a source material from modern times, and due to their light construction it would be difficult to find traces of premodern ruins. According to place name evidence on Åland, however, sheds were known in medieval times or perhaps even earlier, and any assumption to that effect can be further strengthened by the sheltering tradition of vessels in large parts of Scandinavia (Denmark nothwithstanding). Church boats in common ownership are a rather modern phenomenon, but there is good reason to assume that they stood in an older tradition, since first there were vessels in common ownership made available to tribute men and, later on, to representatives of the state or within the ledung organisation, and only in the final stage communal vessels became church boats. Thus, for the ship sheds as much as for the vessels in common ownership, different kinds of source materials allow the reconstruction of a tradition way back in time. This kind of argument comes close to a middle range theory as it describes a lively facet of people’s mentality that remained under changing societal backgrounds. The source situation is different with regards to the church boat races, which cannot be traced back any earlier than

91 Merton 1949. 92 E.g. Raab / Goodyear 1984.

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the beginning of the 17th century, and that is why they can be demonstrated to have been contemporary with only the last representatives of vessels in common ownership. Any assumption of a greater age of those races is tempting, but there is a lack of validation, in contrast to the surely old tradition of sheds and communal vessels in western Finland and the ascertained game-related sphere of Norwegian and, possibly, Icelandic gathering sites.

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Horse-fights and cow-fights in Norwegian folk tradition The skeid phenomenon, being a rather broad spectre of different competitive events in rural society, but including horse- and cow-fights, are mainly known from two different kinds of sources, early modern folk tradition in some inland areas in southern Norway, and Icelandic medieval sagas, although archaeology might also contribute. Even if skeid is often interpreted as referring to horse fights pure and simple, the term actually means ‘race-ground’, and horse-racing was an integral part of festivals that also included horse-fights.1 From areas where memories of the old skeid are best kept, we hear of all kinds of competitions that took place alongside animal-fights and horseraces; people were racing each other, held jumping competitions, wrestled each other etc.2 All these activities took place within a context that was arguably carnivalesque.

1 Horse-fights Skeid is first and foremost an aspect of folk tradition in the inland regions of Telemark, Setesdal and adjoining areas. Outside these areas of Scandinavia, the skeids are largely known from place-names or single mentionings only. Regarding the skeid in Moland, Telemark, the bishop of Oslo gave the following description as early as 1618: About a mile and a half from Fyresdal a crowd of people congregates on St. Bartholomew’s Day with their horses from the districts all round, and the horses are left to bite each other two by two, the notion being that when they bite each other two by two, there will be a good crop and vice versa.3

A later source supplies further information: At Molandsmoen … there is a level piece of ground where four pointed stones, which marked a square combat-ground in olden times, have stood. Nowadays it is the scene of a small horsefair …, when the horses are ridden to be tested and finally let loose to fight for a mare, which a man holds in the middle of the ground and defends with a pole, until one of the horses has proven victor.4

1 2 3 4

Solheim 1956. Cf. Stylegar 2006. Glostrup 1895, p. 39. Wille 1786, quoted after Olsen 1951, p. 230.

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Thus, in Telemark, the skeid seems to have incorporated horse-fights as well as horseraces at certain times of the year. Further light is thrown upon the phenomenon in the neighbouring Setesdal valley. The skeid there was first described in a late 17th century collection of dialect terms, where the term ‘Sckiey-Moenen’ was explained as a level field where people gathered at certain times and practiced horse-fights in a way that must have had clear affinities with the practice in Moland. It was however in Setesdal that the skeids were most widespread in the early modern period; in this valley there was a skeid in each and every parish. The oldest description of a skeid in Setesdal comes from Valle parish; it dates to 1771, and its author was the local vicar named Gjellebøl.5 He describes a skeid with two main elements – horse-fights and horse-racing. At a certain day in August a large congregation gathered with their horses at the skeid-field near the vicarage; a mare was then brought forward, as well as two stallions which immediately starting to fight over the mare. This went on, with a new stallion being brought forward every time one of the fighting ones had to call it a day: It may easily be imagined what a strange spectacle this is, when nothing can be heard but the fierce neighing of the horses and the foolish shouting and crying of the crowd.

After this, writes Gjellebøl, people go to another place near the vicarage, called Leikvollen (i.e. the games-field). Here they raced each other, three or four at a time: This is done in as strange a manner as is described above, because they do not seek to win the race at a regular trot, but all, by constant beating and whipping, force their horses into a wild gallop. This too is bad for the beasts, which sometimes stumble and fall on hummocks and stones, and also for the riders, who are often thrown and maimed, which easily happens as a result of the mad racing and of their riding without saddles … (op cit.).

Yet other sources add some details to this picture. Thus, we learn that the skeid involved heavy drinking, that other kinds of competitions also took place during the day (wrestling, etc.), that women and children were watching the events from the rooftops, and that dancing was also involved, as well as commerce. During the horsefights, the men were all equipped with a big wooden rod to keep the horses off with; often they used these rods on each other, too. A couple of more obscure practices are mentioned too – the horses were allowed to graze on the infield, and overnight people pulled up the barley with the root in the fields. The skeid in Valle was abolished c. 1820, and the same thing happened in other parts of Setesdal. The reason given in later folk tradition for why the skeid was stopped, was that a man living near the vicarage was ridden down and crippled dur-

5 Gjellebøl 1800.

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ing the games, and that people got tired of having to mend the turf-roofs every year because of spectators using the roofs to get a good view of the games.

2 Cow-fights In the cattle breeding inland region from Jæren in the west to Telemark in the east a particular type of skeid was practiced until the late 19th century. In these areas the cattle was kept in stables during the cold, snowy winters. When the cattle was let loose in springtime, the farmers had their bu-skeid (cow-skeid), i.e. they let the animals fight each other to decide which cow was to be this year’s bu-konge (cow-king). These cow-fights are best known from Sirdal, an inland valley between the countnies of Rogaland and Vest-Agder.6 The local historian Hans Seland wrote in 1928 about the cow-fights of his childhood: It was great fun on the pre-improvement farms on the day when the cows were taken out to graze. It was always on the same day, and each and every time the cows were butting and showing off strength.

Particularly aggressive cows were sought after by the farmers. If the men couldn’t decide which cow was the strongest one, they fought each other instead. Some cows were really wild. One cow in particular was traded from one farmer to the next, and this animal butted several others to death. Still, it gave prestige to own this cow. Especially the men from the Virak farm in Sirdal were known to travel long distances to acquire wild cows with big horns. The bu-konge had to be big, strong, and brave – and preferably have a set of horns sharp as knives. As long as the cow matched these demands, it did not really matter whether or not it was a good milk cow. A farmer who owned a bu-konge took good care of it. The bukonge was fed hay of the highest quality, which otherwise was a privilege granted only to horses. The ordinary cows only got low quality grass from the mountains. While caring for the cows was typical woman’s work, only men took care of the bukonge. As was the case with the skeid horses, the fighting-cows were also fed snakeheads, which people believed had strengthening and healing effects. The animals were given liquor, too. Some farmers sharpened and polished the cow’s horns in preparing for the bu-skeid. In the 19th century the bu-skeid took place within the framework of multi-tenanted farms. However, only one farm in each settlement district had a bu-skeid. It is

6 Eikeland 2003.

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likely that the cow-fights in earlier times were organised on a parish level, as were the horse-skeids.

3 Dating the skeids As we have seen, the oldest written source mentioning a skeid in Telemark dates to 1618, while the skeid in Setesdal is mentioned in the late 17th century, and the skeid in Sirdal only considerably later. The folklorist Svale Solheim, however, points out that there are obvious similarities between the horse-fights (hestavíg) described in Icelandic sagas and the skeids as they are known from written sources and folk tradition in south Norway. Even some of the more curious aspects of the skeid in Norwegian folk tradition seems to be confirmed by the saga descriptions. Landnámabók, for instance, mentions a Pórmódr skeidagodi in a 12th century context, and Elias Wessén argued that such skeid-godir probably had something to do with the horse-skeids7. In Sirdal folk tradition there is a story about a skeid-functionary, a certain Svein, who was responsible for the skeid at Skeidsmonen every autumn.8 Solheim believes that the horse-fights were transplanted to Iceland by Norwegian settlers in the 9th and 10th centuries.9 Some Norwegian written sources mention horse-fights at an early date. The regional law-code for the Frostating area (Trøndelag in central Norway) formulates certain rules regulating horse-fights. These rules were incorporated into the nation-wide Landslov in 1274. To get further back in time than this, we have to turn our attention to archaeology. Looking at the four stones (only two of them are left) which marked the skeid-field in Moland, it is highly interesting that one of the two remaining stones has a runic inscription. The inscription dates to the 12th or 13th centuries, and according to Magnus Olsen transliterates as pórolfr reit. Sá skal ráda rú(nar), er lér stigreips, ie ‘Thorolf wrote. He shall command (these) runes who lends (another person) a stirrup’. Olsen’s sketchy interpretation of the meaning of the inscription does not necessarily ring true. However, provided that ‘stigreips’ is really to be translated as stirrup, the inscription could very well be connected to the skeid taking place there.10 Pictorial evidence suggests that horse-fights took place in Scandinavia already in the Late Iron Age. The oldest example of a horse-fight being pictured is on a stone from Häggeby in Uppland, Sweden. The stone dates to c. 500 AD.11 On one of the so-

7 Wessén 1922. 8 Eikeland 2003. 9 Solheim 1961, p. 540. 10 Olsen 1951. 11 Beck 2003, p. 96.

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called rune-bones from Weser near Bremen is pictured a man (?) pointing a spear-like object at a horse, and this might illustrate a horse-fight, with the man holding a wooden rod to keep the horse off. These bones date to the Migration period. Face-toface animals is a rather common motif in Late Iron Age art, and some researchers believe that they represent horses fighting.12 I would also like to mention the runic inscription on a Migration period gold bracteate from Ågedal, Vest-Agder, Norway. Found in a richly furnished woman’s grave, the inscription is by most runologists considered unintelligible, but O. Grønvik proposed a reading and an interpretation some years ago.13 According to Grønvik (1987) the inscription reads: Wir may lead the horse, full of yule-power, to the pasture. A retinue [of mares] the fast one has in his porch. In 1996 he revised his interpretation, thus: The slave-woman, rosy-cheeked, full of yule-power, may lead the horse to the pasture! It became apparent that the old one had a retinue in the tún. The choice of words in the inscription rings familiar when seen in the light of later saga descriptions of skeidhorses and the information one can gather from early modern folklore. Besides the horse itself, we have the martial connotation of the term retinue (líd), where one would expect something more along the lines of ON stód, the normal word used for a herd of horses. We have a similar choice of words in a couple of sagas describing skeid-horses.14 Furthermore, we have the mentioning of “yule-power”, which sounds like an echo of the skeids being held at Yuletide many places in Norway in early modern times.15 The inscription is even more intriguing because of the find spot for the gold bracteates. Ågedal is a traditional assembly site (first mentioned in the 15 century, but most likely considerably older), with the Thing mound (Tinghaugen) situated nearby the barrow with the Migration period burial. Near the Thing mound is a place called Langhaugen (“Long-mound”), where according to oral tradition, horseraces were held in the old days.

4 Mythological aspects There is a certain intermixture beween the skeid and the Otherworld in Norwegian folklore.16 In Telemark as well as in Setesdal one can find the idea that the stallion which won the horse-fights, and which was called the skeid-fole (skeid-stallion), could have supernatural origins, ie it could sometimes be a hulder-hest (fairy-horse). The story of the so-called Gråfole (Grey-stallion) is well known in Valle in Setesdal.

12 13 14 15 16

Gjessing 1943. Grønvik 1987 and Grønvik 1996. Cf. Stylegar 2006. Lid 1933, p. 9ff. Stylegar 2006.

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The Gråfole appeared by itself for three successive years at the skeid until a man from the Røysland farm got the courage to capture it. For the next two years the Gråfole became skeid-fole, but the year thereafter it lost to yet another hulder-hest. When the Røysland man took the Gråfole home after the skeid, he happened to slap it lightly on the back with the bit. The horse then killed him and disappeared into the mountains. The Gråfole came back for the next three skeids, but no one tried to capture it again. Then it disappeared for good, even if some people claimed to have seen it at far-away pastures in the mountain or carrying people over the so-called Gråfol-åi (Gråfoleriver) further west.17 The grey fairy-horse also appears in Icelandic saga tradition. Landnámabok relates the story about a mare which was with a strange, long-haired and grey stallion. Later on the mare gave birth to Eidfaxi, ‘the horse that went to Norway and in one day killed seven men at Lake Mjøsa and was killed there itself.’

5 Skeids and carnival When Solheim published his great study of the horse-fights in Norway in 1956, he stressed that the skeid in Setesdal took place at the same time as the livestock was returned from summer mountain pastures to the home farms. For him, then, the skeid was first of all a shieling-festival, ‘a festival celebrating the work completed at the sæter (ie shieling).’ While this is an interesting hypothesis, the evidence is not altogether clear. While the horse-fights in Moland in Telemark happened at St. Bartholomew’s day, August 24, one of the two big annual skeids in Sirdal took place in-between the sowing-season and the harvesting-season, which means earlier than the Setesdal skeid. The testimony from Moland in 1618 suggests a connection to harvest rituals. Be that as it may, I would like to briefly point to another aspect that seems to link all the skeids, without regard to when they took place, and including the cow-fights. This is the carnivalesque side of the skeids. As theorised by Mikhail Bakhtin, in the carnival ready-made truths as well as hierarchies of everyday life, their solemnities, pieties, and etiquettes were profaned and overturned by normally suppressed voices and energies; fools became wise and kings beggars, and opposites were mingled. Through the carnival the world was turned-upside-down, ideas and truths were endlessly tested and contested, and all demanded equal status.18 A number of the oddities associated with the skeids can be made sense of in light of the carnival. Seemingly strange customs like the fact that animals were allowed to graze on the normally off-limit infields, that people in Setesdal were pulling barley

17 Liestøl 1939, p. 107–108 18 Bakathin 1993.

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plants from the fields, roots and all, that the Molanders rode horses without a saddle, or that otherwise peaceful cows were put on a ‘killing spree’ in Sirdal. The same goes for men performing women’s work when preparing for the bu-skeids, as well as for the intermingling of real horses and fairy-horses in the popular imagination, etc. Since the carnival often explicitly mocks aspects of official culture, it is worth noting that Magnus Olsen’s interpretation of the runic inscription at Molandsmoen not only implies a connection with the skeid, but also indicates that the inscription – even though it seems to describe a ‘punishment’ of bending over (in a way that suggests sexual defamation, one might add) for some offence linked to the skeid – is formulated as a legal rule. If Olsen is right, this seems to be an explicit mockery of law, and perhaps even of the thing (assembly) with its fixed procedures and reliance on written law.

6 Uplanders, mountain people and their culture While skeids and animal-fights might once have been widespread all over Norway and beyond, like place-names and to some degree folk legends suggests, the skeid was exlusively an inland, not to say mountain, phenomenon in the 17th century and later. Thus, one has to pose the question why the skeid tradition was kept in the inland valleys, even though it disappeared in the coastal districts? The cultural anthropologist Jan-Petter Blom has made important contributions to our understanding of the inland areas in southern Norway as a cultural zone. He argues that the traditional farming population in southern Norway shared the same culture, but that the mountain farmers nonetheless had developed certain cultural traits or ways of living in response to ‘adaptive requirements and opportunities provided by variations in ecological conditions.’ While the lowlanders were bound to their farm and led a stable life, the life of a mountain farmer was bound up with the exploitation of extensive areas. He was constantly on the move, crossing the mountains; he was a hunter, a dealer, a cowboy and a horse-trader. ‘As a result’ Blom writes, ‘the mountaineer is often attributed a certain type of character: he is a gambler, an artist and a ruffian in contrast to the sturdy, mild lowlander. … The more a mountaineer involves himself in social competition with peasants of the lowlands, and through them with most Norwegians, the more his overt style of living must diverge from that of people in other tactical positions. Through this specialization, distinctive regional cultures emerge …’.19 However, it would be wrong to reduce the valley culture to a question about ecology. We are, after all, dealing with parts of Norway that also share some structural features as well as having a common history. Regions like Telemark and Setesdal, the

19 Blom 1969, pp. 77, 81.

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Robyggjalog of medieval sources, was integrated into the Norwegian kingdom at a relatively late time, and one could argue that the valley culture was established in opposition to the process of state formation that in the end saw Robyggjalog pacified and subdued. These are also regions where freeholding farmers, and not tenant farmers, remained the norm throughout the Middle Ages and later. This customary pattern of land-holding differed from the one found in coastal areas, and this fact also gives us some idea about why the inland culture, and here we must include the skeids, was so competitive. At a basic level, the skeids were part of a mountain valley culture where the surplus from farm based activities in the outlands – be it animal husbandry, bog-iron extraction, or large-scale hunting – were converted into prestigious objects and practices. The archaeologist Irmelin Martens writes about the mountain farmers in Telemark that ‘dress adornments and buildings strongly indicate the inhabitants’ need for cultural re-assertion, which is also demonstrated in the development of local styles.’ 20 The mountain valleys are not only the home of skeids, but also of prestigious wooden architecture in the shape of stave-churches and high loft buildings. It was a place where prestige could be acquired by having the highest loft, the longest house, the sharpest knife, the prettiest wife, the biggest fiest, and the most costly dress – or even the strongest horse and the wildest cow. But it was also a place where the prestige and status acquired through intense competition could be profaned and equalised through carnival.

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20 Martens, I. (1998): Some cultural aspects of marginal settlement and resource utilization in South Norway. In: Andersson, H. / Ersgård, L. / Svensson, E. (Ed.): Outland Use in Preindustrial Europe, pp. 30–39. Lund.

Horse-fights and cow-fights in Norwegian folk tradition

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(Nur) Ein Spiel? Spieltheoretische Überlegungen zu den Pferdekämpfen der Sagaliteratur Einleitung In einem Band über Sport und Spiele in der mittelalterlichen isländischen Kultur drängt sich dem mit der Sagaliteratur vertrauten Leser bald der Gedanke an die in mehreren Isländersagas geschilderten Pferdekämpfe auf – im Altnordischen entweder als hestavíg, Pferdekampf, oder als hestaat, Pferdehatz, bezeichnet –, an Grettir Ásmundarsons Teilnahme an einem Pferdekampf, der mit gebrochenen Rippen endet, an Gunnarr von Hlí.arendi, der seinen Hengst nur widerwillig gegen den Hengst eines anderen Mannes antreten lässt, weil ihm schwant, dass er in nachhaltigem Unfrieden enden könnte, und nicht zuletzt auch an ?orsteinn ?órarinsson, der seinen Beinamen der Schilderung im gleichnamigen páttr folgend einem Stangenhieb (stangarhogg) ˛ während eines Pferdekampfes verdankt. Diese kurze Aufzählung deutet bereits an, dass Pferdekämpfe in den Sagas als Ereignisse mit inhärentem Konfliktpotential geschildert werden. Der vorliegende Artikel widmet sich der Frage, inwiefern die in den Sagas geschilderten Pferdekämpfe unter den Prämissen eines Spiels verstanden werden können oder ob eine solche Einordnung dem Charakter der Schilderungen möglicherweise nicht gerecht wird und die kulturelle Funktion dieser Kämpfe – in ihrer literarisch verhandelten Form – verkennt. Zu diesem Zweck sollen die in den Sagas geschilderten Pferdekämpfe vor dem Hintergrund einschlägiger kulturanthropologischer und literaturwissenschaftlicher Auseinandersetzungen mit dem Wesen von Spielen beleuchtet werden. Dass Pferdekämpfen auch jenseits der Welt der Sagas über mehrere Jahrhunderte hinweg bis ins Spätmittelalter kulturelle Relevanz in der mittelalterlichen Gesellschaft Skandinaviens zukam und die Schilderungen der Sagas somit in einer realen Tradition verwurzelt sind, zeigen vorchristliche Bildsteine, zooarchäologische Funde sowie Regelungen der jüngeren norwegischen und isländischen Rechtsbücher des Mittelalters, dem Landslov und der Jónsbók, in denen verschiedene Verletzungen von Pferden und durch Pferde im Rahmen von Pferdekämpfen behandelt werden.1 Auch in Bildform ist uns die Tradition des Pferdekampfs im isländischen Kontext überliefert: Auf folio 51 verso der Heynesbók, einer ins 16. Jahrhundert datierten

1 Den nyere Lands-Lov, Landsleiebolk, Kap. 36, S. 126; Jónsbók, Landsleigubálkr, Kap. 36, S. 167. Vgl. auch Beck 2003, S. 97.

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Handschrift der Jónsbók, befindet sich am unteren Rand eine Zeichnung zweier Pferde, die mit den Köpfen gegeneinander gerichtet sind. Hinter dem linken Pferd steht ein Mann mit einem peitschenähnlichen Gegenstand in der Hand. Da diese Zeichnung unter dem Text des Abschnittes Um hestaat og taglskurd (Über Pferdehatz und Schweifschneiden) steht und in den Randzeichnungen der Heynesbók stets das letzte Wort der Seite aufgegriffen wird, das in diesem Fall „hestavigum“ lautet, lässt sie sich zweifelsfrei als Darstellung eines Pferdekampfes identifizieren. Der vorliegende Artikel will jedoch nicht den realen Traditionen von Pferdekämpfen im mittelalterlichen Island nachgehen oder das Verhältnis zwischen Tradition und narrativer Verhandlung erörtern, sondern der narrativen und anthropologischen Relevanz des Ereignisses Pferdekampf nachgehen, mithin die Frage stellen, zu welchem Zweck und unter welchen Vorzeichen die Erzähler Schilderungen dieser Ereignisse in ihre Erzählungen aufgenommen haben.

Spiel und Kampf Bevor im Folgenden der Spielcharakter der Pferdekämpfe erörtert wird, ist zunächst zu klären, was ein Spiel ausmacht und in welchem Verhältnis Spiel und Kampf stehen. Johan Huizinga hält in Homo Ludens, seiner erstmals 1939 erschienenen kulturanthropologischen Studie des spielerischen Ursprungs der menschlichen Kultur, folgende formale Kennzeichen des sozialen Spiels fest: Erstes Charakteristikum des von ihm als „Superabundans“2 bezeichneten Spieles ist, dass es eine freie Handlung, d.h. nicht erzwungen ist, zweitens ist ein Spiel das Heraustreten aus dem gewöhnlichen

2 Huizinga 1956, S. 11.

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Leben „in eine zeitweilige Sphäre von Aktivität mit eigener Tendenz“,3 d.h. es dient nicht der Befriedigung von Lebensnotwendigkeiten. Ein drittes Merkmal des Spieles ist nach Huizinga schließlich seine Abgeschlossenheit und Begrenztheit.4 Huizinga betont, dass ein Spiel durchaus auch gewalttätige5 Elemente aufweisen kann und führt als Beispiel mittelalterliche Turniere an, über die er schreibt: Das mittelalterliche Turnier war freilich ein Spiegelfechten, also ein Spiel, es soll aber in seiner frühesten Gestalt durchaus ‚blutiger Ernst‘ gewesen und bis auf den Tod ausgefochten worden sein […] Kämpfen als Kulturfunktion setzt jederzeit beschränkende Regeln voraus und fordert bis zu einem gewissen Grade die Anerkennung der Spielqualität.6

Diese Bemerkung Huizingas weist darauf hin, dass auch kulturelle Handlungen, denen kein Spielcharakter im engeren Sinne zukommt, Regeln folgen, die jenen eines Spiels vergleichbar sind. Den fließenden Übergang zwischen Kampf und Kampfspielen betont auch August Nitschke in seiner Studie zu Bewegungen im Mittelalter und Renaissance: Kampfspiele und Kämpfe lassen sich schwer voneinander trennen. Sie gehen allzu oft ineinander über. Zwar wünschen die Teilnehmer von Kampfspielen ihren Partnern keine Wunden zuzufügen, doch verwandten sie meist dieselben Waffen wie im ernsthaften Kampf, wenn auch abgestumpft und umgebogen. So kam es häufig genug zu Verletzungen oder Todesfällen. Gelegentlich gingen Kampfspiele auch unmittelbar in Kämpfe über oder dienten zur Einleitung von Kämpfen.7

Gewalttätigkeit bis hin zum Tod kann also durchaus Gegenstand und Kennzeichen eines Spiels sein, der Spielcharakter des Geschehens wird jedoch durch die oben angeführten Kriterien der Regelgebundenheit, Abgeschlossenheit und des Heraustretens aus dem gewöhnlichen Leben bestimmt; sind diese nicht gegeben oder werden diese überschritten, ist die Welt des Spiels verlassen.

Zum Spielcharakter der Saga-Pferdekämpfe Ausführliche Schilderungen von Pferdekämpfen finden sich vor allem in den Isländersagas und in den auf Island spielenden Íslendinga pættir, innerhalb der anderen Untergattungen der Sagaliteratur gibt es nur in den weltlichen zeitgenössischen Sa-

3 Huizinga 1956, S. 16. 4 Zu allen Merkmalen vgl. Huizinga 1956, S. 16–18. 5 Gewalt wird im Kontext dieses Artikels in einer engen Definition verstanden als absichtsvolle, gegen ein Lebewesen gerichtete physische Handlung, die die körperliche Integrität verletzt (zu einer weiterführenden Diskussion des Gewaltbegriffs im vorliegenden Kontext mit Verweisen auf einschlägige Literatur vgl. Rohrbach 2009, S. 194). 6 Huizinga 1956, S. 102. 7 Nitschke 1987, S. 23.

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gas neben einer Reihe von beiläufigen Erwähnungen solcher Ereignisse zwei vergleichbare Episoden, in denen ein Pferdekampf im Detail beschrieben wird.8 Dass es sich bei Pferdekämpfen um eine unterhaltsame Angelegenheit handelt, wird in den verschiedenen Sagas, die eine solche Veranstaltung schildern, eingangs stets betont. Dabei ist die ähnliche Wortwahl auffällig.9 Der Spielcharakter steht auch im Vordergrund, als Gu.rún Ósvífsdóttir in der Laxdœla saga ihren Söhnen vorwirft, dass sie nur an Pferdekämpfe oder Spiele dächten, statt an wichtige Dinge, wie etwa ihren Ehemann Bolli zu rächen.10 Die Schilderungen von Pferdekämpfen folgen in den Sagas alle demselben Muster, dabei lassen sich folgende narrative Kernelemente ausmachen: Zwei Männer treiben ihre Hengste oder die anderer Männer während einer unterhaltsamen Veranstaltung gegeneinander; im Verlauf dieses Kampfes kommt es zu einer Verletzung oder Beleidigung von Menschen und eventuell Pferden, woraufhin der Kampf beendet wird.11 Beispielhaft soll hier die Schilderung des Pferdekampfs im eingangs erwähnten ?orsteins @áttr stangarhoggs ˛ angeführt werden, der die typischen narrativen Elemente eines Saga-Pferdekampfes aufweist: ?eir ?orsteinn ok ?ór.r mælta til hestaats ungum hestum. Ok er @eir ottu, @á vildi hestr ?ór.ar verr bítask. ?ór.r l)str nú á skoltinn hesti ?orsteins, er honum @ótti sinn hestr verr hafa, mikit hogg. ˛ En ?orsteinn sá @at ok l)str á móti hest ?ór.ar heldr meira hogg, ˛ ok rann nú hestrinn ?ór.ar, ok œp.u menn @á me. kappi. ?á l)str ?ór.r ?orstein me. hestastafnum, ok kom á brúnina, ok hljóp hon ofan fyrir augat.12

8 Schilderungen von Pferdekämpfen in Isländersagas und Íslendinga pættir bieten Bjarnar saga Hítdœlakappa (Íslenzk Fornrit 3), S. 174f; Grettis saga (Íslenzk Fornrit 7), S. 99f; Gunnars páttr Pidrandabana (Íslenzk Fornrit 11), S. 196–198; Njáls saga (Íslenzk Fornrit 12), S. 147–151; Reykdœla saga (Íslenzk Fornrit 10), S. 181f und 221f; Víga-Glúms saga (Íslenzk Fornrit 9), S. 43f; Porsteins páttr stangarhoggs ˛ (Íslenzk Fornrit 11), S. 69–70. Die beiden Episoden in den weltlichen zeitgenössischen Sagas finden sich in der Gudmundar saga d´ y ra (Sturlunga saga Bd. 1 (Jón Jóhannesson, Magnús Finnbogason und Kristján Eldjárn 1946), S. 183) sowie in der Arons saga Hörleifssonar (Sturlunga saga Bd. 2 (Jón Jóhannesson, Magnús Finnbogason und Kristján Eldjárn 1946), S. 272f). Weitere Erwähnungen von Pferdethingen in Sturlunga saga Bd. 1 (Jón Jóhannesson, Magnús Finnbogason und Kristján Eldjárn 1946), S. 101f, 132, 183, 322, 420, Sturlunga saga Bd. 2 (Jón Jóhannesson, Magnús Finnbogason und Kristján Eldjárn 1946), S. 152 (vgl. Bjarni Vilhjálmsson 1990, S. 13). 9 „Var @ar fol.i ˛ hesta ok gó. skemmtan“ (Víga-Glúms saga (Íslenzk Fornrit 9), S. 62) [Dort gab es eine Menge Pferde und gute Unterhaltung]; „ok var @at in mesta skemmtan“ (Grettis saga (Íslenzk Fornrit 7), S. 99) [und das war hervorragende Unterhaltung]; „?ar var folmennt ˛ ok gó. skemmtan“ (Gunnars @áttr ?i.randabana (Íslenzk Fornrit 11), S. 196) [Dort waren viele Leute, und es gab gute Unterhaltung]; „ok var @at it mesta gaman“ (Njáls saga (Íslenzk Fornrit 12), S. 151) [und das war ein großes Vergnügen]. 10 Vgl. Laxdœla saga (Íslenzk Fornrit 5), S. 179–180. 11 Weiterführende Ausführungen zur Narrativität der Saga-Pferdekämpfe vgl. Rohrbach 2009, S. 74–75. 12 ?orsteins @áttr stangarhoggs (Íslenzk Fornrit 11), S. 69–70 [?orsteinn und ?ór.r verabredeten sich zum Pferdekampf mit jungen Hengsten. Und als sie trieben, da wollte ?ór.s Hengst sich schlechter

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Die Pferdekämpfe werden als abgeschlossene Handlungen geschildert, die einem festen Regelwerk folgen. Die Beteiligung an einem solchen Pferdekampf ist freiwilliger Natur, wiederholt erklären sich junge Männer wie etwa Skarphe.inn Njálsson oder auch Grettir Ásmundarson freiwillig dazu bereit, den Hengst eines anderen Mannes im Kampf anzutreiben. In Hinblick auf die Charakteristika der Regelhaftigkeit, Abgeschlossenheit und Freiwilligkeit können die Pferdekämpfe, wie sie in den Sagas geschildert werden, somit durchaus als Ereignisse mit Spielcharakter eingeordnet werden, es handelt sich bei ihnen zweifelsohne um ein Superabundans, das nicht dem direkten Überleben dient. Die Regeln des Spiels werden jedoch mit Ausnahme des Gunnars @áttr ?i.randabana, der als einziger von allen Saga-Pferdekämpfen friedlich endet, gebrochen, indem einer der Männer entweder wie im Falle des ?orsteins @áttr zunächst den gegnerischen Hengst oder aber direkt seinen Gegner selbst mit der Pferdestange schlägt, als der eigene Hengst zu unterliegen droht. In jedem Fall führt dieser Regelbruch letzten Endes immer zu einer absichtsvollen Gewaltanwendung zwischen den beteiligten Männern im Rahmen des Ereignisses selbst. Dieses Gewaltpotential der Pferdekämpfe wird in den Schilderungen der Sagas aufgegriffen: Die Besitzer selbst verhalten sich wiederholt deutlich ablehnend gegenüber einer Aufforderung zum Pferdekampf. Gunnarr von Hlí.arendi erklärt seinen 13), um ihn gegen StarHengst für zu jung und wenig erprobt („ungr ok óreyndr at ollu“ ˛ ka.r Barkarsons Hengst antreten zu lassen, und erst nachdem dieser anführt, dass gewisse Leute Gunnarr für feige hielten, lässt er sich zur Teilnahme überreden, jedoch nicht ohne vorab an das ehrenhafte Verhalten der Beteiligten zur Wahrung des Unterhaltungscharakters zu appellieren: „en @ó vil ek @ess bi.ja y.r, at vér etim svá hestu14 num, at vér gerir o.rum ˛ gaman, en oss eigi vandræ.i, ok @ér geri. mér enga skomm.“ ˛ Diese Äußerung Gunnars und andere zurückhaltende Reaktionen auf die Aussicht auf einen Pferdekampf deuten an, dass der Regelbruch aufgrund der Schmählichkeit der Situation über die Spielsituation hinaus Wirkungen zeitigt. Anders als in der früheren Forschung wiederholt formuliert,15 stehen die Schilderungen dieser Ereignisse nicht isoliert innerhalb des Handlungsverlaufs der Erzählungen. Die Eskalation beschränkt sich nicht auf den Rahmen des Pferdekampfes allein, sondern wirkt in allen Fällen über diesen hinaus und zeitigt Folgen für das weitere Verhältnis der beteiligten Personen. In allen Sagas, in denen Pferdekämpfe erwähnt werden, kommt

beißen. ?ór.r versetzt nun ?orsteins Hengst einen großen Schlag auf die Nase, weil ihm sein Pferd schlechter zu stehen scheint. Aber ?orsteinn sah dies und versetzt nun ?ór.s Hengst einen noch größeren Schlag, und nun lief ?ór.s Hengst, und da johlten die Männer um die Wette. Da schlägt ?ór.r ?orsteinn mit der Pferdestange, und der Hieb traf die Augenbraue, die über das Auge anschwoll.] 13 Njáls saga (Íslenzk Fornrit 12), S. 148. 14 Njáls saga (Íslenzk Fornrit 12), S. 149. [und doch möchte ich euch bitten, dass wir so die Pferde gegeneinander treiben, dass wir einander Freude bereiten und keine Schwierigkeiten und dass ihr mir nicht Schmach zufügt.] 15 So etwa Schönfeld 1902, S. 138–139; Sigur.ur Nordal 1938, S. XCI.

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ihnen eine konfliktauslösende oder zumindest konfliktverstärkende Funktion für den weiteren Handlungsverlauf zu, wie bereits Theodore Andersson und Jesse Byock in ihren strukturalistisch inspirierten Studien der Isländersagas für einige Sagas herausarbeiten, ohne dabei jedoch die auffällig verfestigte Funktion dieser Episoden näher zu erörtern.16 Im ?orsteins @áttr stangarhoggs ˛ stellt der Pferdekampf den Ursprung des Hauptkonfliktes der kurzen Erzählung dar. In allen anderen Fällen steht der Pferdekampf jedoch inmitten einer Kette von konfliktauslösenden Elementen und bildet einen von mehreren Bausteinen hin zur Klimax des Geschehens. In der Njáls saga sind die aus dem Pferdekampf erwachsenden Streitigkeiten mit Starka.s Familie letzten Endes eine der beiden Konfliktlinien, die zu Gunnars Tod führen. Was als Unterhaltung beginnt, endet somit in allen Fällen in blutigen Auseinandersetzungen.

Zur metonymischen Dimension der Pferdekämpfe Es ist mithin genau diese Grenzüberschreitung des Konfliktes über den Rahmen des Spieles hinaus, die einen Pferdekampf zu einem erzählenswerten Ereignis in den Isländersagas mit zentraler handlungsstrukturierender Funktion machen. Auch wenn andere Freiluftaktivitäten ebenfalls durchaus Gewaltpotential in sich bergen, entfaltet dieses in keinem Fall so weitreichende Wirkungen wie in Verbindung mit den Pferdekämpfen. Die exemplarische Untersuchung des Porsteins páttr stangarhoggs ˛ und der Njáls saga zeigt, dass John D. Martin nicht zugestimmt werden kann, wenn er in seiner Untersuchung von Sport und Spielen in der Sagaliteratur Pferdekämpfe mit anderen Spielen gleichsetzt und die ausgetragenen Streitigkeiten auf den Spielrahmen begrenzt sieht: In none of the cases examined here do fights arising at outdoor sporting events have a determinative effect on the outcome of feuds, nor do any such conflicts have more than ancillary roles in shaping the whole plots of the sagas in which they appear.17

Das spielrahmensprengende Konfliktpotential der Pferdekämpfe liegt in der besonderen Natur dieser Aktivität begründet. Während es bei allen anderen Aktivitäten die Männer selbst sind, die im intellektuellen oder körperlichen Wettkampf gegeneinander antreten, sind es bei einem Pferdekampf zunächst nur die beiden Hengste, die ihre Kräfte messen. Der Unterschied zu anderen sportlichen Wettkämpfen, bei denen sich Männer verschiedenartiger Gegenstände als Instrumente bedienen, ist, dass es sich in diesem Fall um Lebewesen handelt, die von ihren Besitzern oder anderen Män-

16 Andersson 1967, S. 12; Byock 1993, S. 243–244. So entgeht etwa Andersson die zentrale Funktion des zweiten Pferdekampfs in der Bjarnar saga Hítdœlakappa, vgl. Rohrbach 2009, S. 73–74 17 Martin 2003, S. 39, vgl. auch S. 30.

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nern als Stellvertreter ihrer selbst gegeneinander getrieben werden. Diese Lebewesen können einem anderen unterliegen, und diese Gefahr einer potentiellen Niederlage verbunden mit der bestehenden Parallele zu menschlichen feindlichen Auseinandersetzungen begründen eine metonymische Relation zwischen einem Hengst und dem ihn antreibenden Mann während eines Pferdekampfes, die diesen zu einem Stellvertreterkampf mit direkter Rückwirkung auf die beteiligten Männer werden lässt.18 Bereits Bjarni Vilhjálmsson unterstrich die metonymische Dimension des Vorgangs: Leikarnir höf.u bers)nilega í för me. sér hættu á hnjaski og mei.slum á hestum og mönnum @eim, sem ottu hestunum. Ef brug.i. var út af drengilegum leikreglum, leiddi @a. til skapraunar og mó.gana, sem erfitt var a. @ola. Sómi hests e.a sómabrestur fær.ist yfir á eiganda hans e.a stjórnanda.19

Mit der Bereitschaft zur Teilnahme am Spiel Pferdekampf setzen die Besitzer ihre eigene Ehre aufs Spiel: Der eigene Hengst kann sich bewähren oder aber dem anderen unterliegen und auf diese Weise seinem Besitzer Ehre bringen oder aber seiner Ehre abträglich sein. Aufgrund dieser metonymischen Verknüpfung tendiert ein im Kampf Unterlegener dazu, alles daran zu setzen, damit der eigene Hengst doch noch gewinnt. Lässt sich dies durch gezieltes Antreiben oder Stören der Hengste nicht erreichen, impliziert dies auch die Verletzung des tierischen oder menschlichen Gegners. Die Schilderungen zeigen, dass sowohl die Verletzung des Tieres als auch der direkte Übergriff zwischen den Männern eine Ehrverletzung darstellen, die zur Aufrechterhaltung der Ehre und damit auch des gesellschaftlichen Status angemessen entgegnet werden muss.20 Beschreibungen und Wertschätzungen von Hengsten in den Sagas zeigen eine herausgehobene Stellung dieses Tieres in der isländischen Gesellschaft, die sich auch in den Regelungsbeständen der Jónsbók widerspiegelt.21 Nur bei Pferden wird davon erzählt, dass hochrangige Männer sie selbst pflegen und versorgen, sie striegeln und tätscheln. Lediglich zu Hunden können Männer ähnliche nahe Beziehungen eingehen, ohne ihren Status zu gefährden, denn die Nähe zu Tieren wird in den Sagas generell als statusgefährdend dargestellt.22 Hengste werden mit Attributen geschildert,

18 Metonymische Relationen werden hier in Anlehnung an Klaus Uwe Panther und Günter Radden verstanden als „cognitive process that evokes a conceptual frame“ (Panther / Radden 1999, S. 9). René Dirven betont die grundsätzlich metonymische Beziehung von Nutz- und Haustieren zur Menschenwelt (Dirven 2002, S. 78). Die Erwähnung von Nutztieren in den Sagas ist im für den mittelalterlichen Kontext außerordentlichen Grad durch eine solche metonymische Beziehung zwischen Mensch und Tier geprägt, vgl. Rohrbach 2009, S. 171–200. 19 Bjarni Vilhjálmsson 1990, S. 7. 20 Zu einer Diskussion der engen Verbindung zwischen Ehre (sómi) und sozialem Status (virding) im mittelalterlichen Island vgl. Meulengracht Sørensen 1993, S. 187–197; Miller 1990, S. 29. 21 Vgl. Rohrbach 2009, S. 262–267. 22 Vgl. Rohrbach 2009, S. 165–171.

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die auch für die Schilderung herausragender Männer Verwendung finden; ein guter Hengst ist unerschrocken (øruggr), zuverlässig (traustr) und kampferprobt (reyndr).23 Dieses konzeptionell enge Verhältnis zwischen Mann und Hengst ermöglicht die starke metonymische Verknüpfung im Rahmen der Pferdekämpfe und erklärt die metonymische Verschiebung der Verletzung eines Hengstes auf seinen Besitzer. Nicht in allen Fällen ist es der Besitzer selbst, der den Hengst im Kampf aufhetzt. In der Grettis saga beispielsweise führen Grettir den Hengst Atlis und Oddr ómagaskáld den Hengst seines Vetters Kormákr gegeneinander. Auch in diesem Fall verläuft der Pferdekampf nach dem üblichen Muster, beginnt mit eifrigem Anstacheln des eigenen Pferdes und mündet in einer Schlägerei, nachdem Grettir von der Pferdestange getroffen wurde.24 Die Identifikation des antreibenden Mannes mit dem Hengst und die Übertretung der Spielgrenze begründen sich somit offensichtlich nicht ausschließlich aus dem Besitzverhältnis, sondern entstehen daneben auch aus der konkreten Kampfsituation heraus. Und auch in diesen Fällen kann diese zu einer Gefährdung des Status führen: Zur Wiederherstellung der eigenen Ehre greift Grettir Ásmundarson seinen Kampfgegner Oddr und Kormákr, den Besitzer des Pferdes, bei nächster Gelegenheit an. Dass in der Njáls saga Gunnarr Skarphe.inn seinen Hengst nicht alleine antreiben lässt, kann andererseits dahingehend verstanden werden, dass der Ausgang eines Pferdekampfes auch dann Einfluss auf den Status des Besitzers hat, wenn er nicht daran beteiligt ist.25 Die während des Kampfs zu den Hengsten eingegangene Nähe wird folglich in den Sagas als höchst instabile Lage dargestellt, die zu einer Ehrverschiebung zwischen den beteiligten Parteien führen und somit nachhaltige Auswirkungen auf den eigenen Status zeitigen kann.

Pferdekämpfe als tiefe Spiele? Die den Schilderungen der Pferdekämpfe innewohnende metonymische Dimension weist Ähnlichkeiten mit den Charakteristika des tiefen Spiels (Deep Play) auf, wie es Clifford Geertz in einem erstmals 1971 erschienen Aufsatz in den auf Bali durchgeführten Hahnenkämpfen identifiziert: denn nur dem Anschein nach kämpfen da Hähne gegeneinander, in Wirklichkeit sind es Männer. Keinem der einige Zeit auf Bali verbracht hat, entgeht die tiefgehende psychologische Identifikation der Männer mit ihren Hähnen.26

23 24 25 26

Vgl. Rohrbach 2009, S. 179–180. Grettis saga (Íslenzk Fornrit 7), S. 99–100. Njáls saga (Íslenzk Fornrit 12), S. 150. Geertz 1987, S. 209.

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Er stellt fest, dass fast allen Hahnenkämpfen soziologische Relevanz eignet, da vor allem miteinander konkurrierende oder verfeindete Gruppierungen besonders engagiert gegeneinander antreten.27 Geertz stellt eine Typologie des Hahnenkampfes auf, anhand derer sich die Tiefe des Spiels ablesen lässt: In dem Maße, wie gewährleistet ist, daß sich in einem Kampf Personen, die nahezu statusgleich (und/oder persönliche Feinde) sind, und/ oder Personen mit hohem Status einander gegenüber stehen, wird der Kampf tiefer. Je tiefer der Kampf, 1. desto enger die Identifikation von Hahn und Mann […] 2. desto bessere und ebenbürtigere Hähne kommen zum Einsatz; 3. desto mehr Emotionen sind im Spiel; desto eher werden alle vom Kampf mitgerissen werden.28 Diese Beobachtungen lassen sich mit einigen Einschränkungen auf die Pferdekämpfe der Isländersagas übertragen: Die an einem Pferdekampf beteiligten Männer sind sehr häufig mächtige Männer und sogar Goden, neben Gunnarr von Hlí.arendi etwa in der Reykdœla saga Vémundr kogurr ˛ ?órisson oder auch Vigfúss Glúmsson in der Víga-Glúms saga. In keinem der in den Sagas geschilderten Pferdekämpfe handelt es sich in beiden Fällen um unbedeutende Männer. Allerdings können wie im Falle der Njáls saga durchaus hohe Statusunterschiede zwischen den beiden Gegnern bestehen, ohne dass der Pferdekampf dadurch zu einem flachen Spiel wird. In diesem Fall sind es wie in der Njáls saga meist die niedriger gestellten Männer, die den anderen zum Kampf herausfordern. Die beteiligten Pferde werden mit Ausnahme des Kleppers Kálfs von Stokkahla.ir in der Víga-Glúms saga als ansehnliche Hengste beschrieben. Auch von Kálfs Pferd heißt es jedoch, dass es ein sehr tüchtiges Kampfpferd sei.29 Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem von Geertz untersuchten balinesischen Hahnenkampf und den Pferdekämpfen ist jedoch, dass der balinesische Hahnenkampf niemals die Spielebene verlässt,30 während dies wie oben diskutiert bei den Saga-Pferdekämpfen die Regel darstellt. Das besondere an den in den Sagas beschriebenen Pferdekämpfen ist daher, dass es in fast keinem Fall bei der metonymischen Dimension bleibt, sondern dass ab einem gewissen Zeitpunkt der Kampf auf die beteiligten Männer übergeht und mithin von einem tiefen Spiel zu einem tatsächlichen Gewaltaustausch ohne Spielcharakter wird. Preben Meulengracht Sørensens

27 Geertz 1987, S. 238. 28 Geertz 1987, S. 242. 29 „Hann átti hestklár einn gamlan, en hann kom hverjum hesti fyrr.“ [Er besaß einen alten Klepper, der aber jeden Hengst besiegte] (Víga-Glúms saga (Íslenzk Fornrit), S. 43). 30 Vgl. Geertz 1987, S. 242.

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Feststellung, dass Pferdekämpfe ebenso wie andere Sportveranstaltungen in der Sagagesellschaft der symbolischen Nachahmung eines Kampfes ohne Gewaltausübung dienen,31 trifft somit für die Anlage dieser Veranstaltungen durchaus zu, führt jedoch an der anthropologischen Relevanz der Schilderungen in den Erzählungen vorbei. Beim Hahnenkampf kommt es in Anbindung an den Erfolg der Hähne zu imaginären Statussprüngen der beteiligten Männer, deren Wirkung auf den Spielrahmen begrenzt bleibt und keinen Einfluss auf die tatsächliche soziale Position hat.32 Die aus den Pferdekämpfen erwachsenden Statusverschiebungen sind dagegen dauerhafter Art. Die Gründe für diese spielgrenzenüberschreitende Wirkung sind in der Struktur der mittelalterlichen isländischen Gesellschaft zu suchen.

Pferdekämpfe als Gesellschaftsspie(ge)l An dieser Stelle ist noch einmal darauf zurückzukommen, dass fast alle Pferdekämpfe in den Isländersagas überliefert sind und lediglich in der Sturlunga saga zwei ähnliche Schilderungen aufgenommen wurden. Die Pferdekämpfe erscheinen somit in der Erzähltradition der Sagaliteratur konzeptionell eng an die isländische Gesellschaft der Sagazeit geknüpft. Diese Gesellschaft wird in den Isländersagas als ein dynamisches soziales System präsentiert, in dem der errungene gesellschaftliche Status permanent verteidigt werden muss. Die für die Isländersagas charakteristische Form der feindlichen Auseinandersetzung ist der Kampf zweier oder weniger Männer gegeneinander, der aus unterschiedlichen Motiven heraus entstanden sein kann.33 Diese Konzentration auf binäre Konflikte unterscheidet die Isländersagas grundlegend von den anderen Untergattungen der Sagaliteratur, vor allem aber von der Sturlunga saga, ihrem zeitgenössischen Pendant. Die metonymische Funktion, die Pferdekämpfe innerhalb des in den Isländersagas beschriebenen Gesellschaftsgefüges einnehmen, spiegelt diese Konzentration auf binäre Konflikte wider; der Pferdekampf kann geradezu als Paradigma der Konfliktstruktur der Sagazeit verstanden werden. Die Sturlunga saga hingegen ist geprägt durch Kämpfe zwischen großen Gruppierungen, in denen politische und ökonomische Vorherrschaft ausgefochten wird.34 Die Ehre eines Mannes wird selten in direkten Zweikämpfen, sondern meist indirekt durch Stellvertreterkämpfe zwischen Untergebenen oder durch groß angelegte Raubzüge und Brandschatzungen verteidigt und aufrechterhalten. In den zeitgenössischen Sagas geht es nicht mehr um ehrerhaltende Kämpfe zwischen Einzelnen, son-

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Meulengracht Sørensen 1993, S. 198. Vgl. Geertz 1987, S. 245. Vgl. Miller 1990, S. 49; Jón Vi.ar Sigur.sson 1999, S. 179. Vgl. Miller 1990, S. 40.

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dern um bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen zwischen großen Gruppen und die immer engere Anbindung dieser Gruppen an den norwegischen Königshof. Diese veränderte Gesellschafts- und Konfliktstruktur der Sturlungenzeit manifestiert sich auch in der Schilderung der beiden Pferdekämpfe in den zeitgenössischen Sagas. In der Gudmundar saga d´ y ra kommt es bei einem Pferdekampf zweier Männer namens Nikulás zum üblichen gewalttätigen Ende, das jedoch nicht zu weiteren Auseinandersetzungen zwischen den beiden Beteiligten, sondern zu einer Eskalation der Konkurrenzstreitigkeiten zwischen den Hauptfiguren Gu.mundr d)ri und Önundr ?orkelsson, den Schutzherren der beiden Männer, führt.35 Die Arons saga erzählt von einer Teilnahme Arons an einem Pferdekampf in Norwegen, bei dem Aron dem norwegischen König zum Sieg seines zaghaften Hengstes verhilft, indem er den Hengst nach isländischer Sitte mit der Pferdestange antreibt, bis der gegnerische Hengst vor Erschöpfung tot niedersinkt. Der König hatte zuvor den Kampf für unentschieden beendet erklärt, nachdem sich beide Hengste ohne weiteres menschliches Eingreifen lange und hart gebissen hatten und sein Hengst dabei schließlich abließ.36 Nachdem der König daraufhin den gerade geschenkten Hengst aus Island nicht weiter beachtet, tritt Aron an den König heran und bittet ihn, den Hengst deswegen nicht in Unehre zu halten, sondern ihn noch einmal nach isländischer Sitte gegen den anderen Hengst anzutreiben, woraufhin dieser gewinnt. Der Kampf endet zwar mit dem Groll des königlichen Gegners, Gautr, der Tod des Hengstes führt jedoch weder im Rahmen des Pferdekampfs noch im späteren Verlauf zu Gewalttätigkeiten zwischen den beteiligten Männern. Die Schilderung dieses Ereignisses illustriert die Verbundenheit der Isländer mit dem norwegischen König und dient zugleich der Veranschaulichung der königlichen Autorität: Die Verortung des Ereignisses im direkten Umfeld des norwegischen Herrschers verhindert, dass Gauts Ehrverlust durch den Tod seines Hengstes weitere Folgen zur Wiederherstellung seiner Ehre zeitigt. In den zeitgenössischen Sagas wird der Pferdekampf somit nur bedingt unter den Vorzeichen eines metonymisch beginnenden Stellvertreterkampfes mit Weiterführung in der direkten Auseinandersetzung geschildert. Die konzeptionelle Identifikation zwischen Mann und Hengst findet zwar auch in diesen Schilderungen ihren Widerklang, aber die Übertragbarkeit der Niederlage vom Tier auf den Menschen findet aufgrund der verfestigteren Gesellschaftsstrukturen der Sturlungenzeit und des königlichen Norwegens unter anderen Vorzeichen statt als im Island der Sagazeit; in der Gudmundar saga d´ y ra kann geradezu von einer doppelten metonymischen Verschiebung von den Hengsten über die beiden Kampfparteien hin zu ihren Goden ge-

35 Vgl. Rohrbach 2009, S. 113. 36 „?eir váru lausir látnir ok kómu hart saman, ok var @etta it sköruligasta víg, bæ.i hart ok langt. En [er] á lei. vígit, lattist hestr konungs.“ [Sie wurden losgelassen und gingen hart aufeinander los, und dies war ein äußerst mannhafter Kampf, sowohl hart als auch lang. Aber als der Kampf eine Weile vor sich gegangen war, ließ der Hengst des Königs ab] (Sturlunga saga Bd. 2 (Jón Jóhannesson, Magnús Finnbogason und Kristján Eldjárn 1946), S. 272).

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sprochen werden, und im Falle der Arons saga verbleiben die Auswirkungen innerhalb des Rahmen des Spiels und dienen der Illustration von königlicher Macht und Ehre.

Spiel der Literatur Die Saga-Pferdekämpfe können somit zwar nur bedingt als Schilderungen eines Spiels bezeichnet werden, wohl aber als literarisches Spiel mit dem Spielerischen des Spiels, als Spiel dritter Ordnung, wie von Christine Stridde erläutert: Wenn das Erzählen vom Spielerischen des Spiels schließlich in den Vordergrund rückt, handelt es sich um Spiel dritter Ordnung, das auf einer Ebene angesiedelt ist, auf der mit dem Spiel selbst bzw. seinen konstitutiven Elementen gespielt wird. Dort fungiert das Erzählen vom Spiel bloß noch als struktureller Rahmen für das Selbstreflexive, das nun eigens diskursiv wird. Das heißt: Das Spiel mit dem Spiel wird zum eigentlichen Erzähl-Thema.37

Die Pferdekampfschilderungen der Isländersagas spielen mit den konstitutiven Elementen des Spiels Pferdekampf, indem der Spielcharakter der Veranstaltungen einerseits stets betont wird, andererseits aber als permanent zur Disposition stehend dargestellt wird. Der Regelbruch des Spiels wird als Normalzustand geschildert, und die Überschreitung des Spielrahmens wird zum eigentlichen Gegenstand der Schilderung. Das literarische Spiel mit dem Spielcharakter der – als Tradition historisch verbürgten – Pferdekämpfe reflektiert das instabile Gefüge der Ehrgesellschaft Saga-Islands und ist zugleich narratives Strukturelement mit katalytischer Funktion für den Handlungsverlauf einer Saga innerhalb der Erzähltradition.38 Dieser Artikel endet also mit einem Plädoyer, die in den Sagas geschilderten Pferdekämpfe nicht primär als spielerische oder sportliche Aktivität zu betrachten, sondern gerade ihren inhärenten grenzüberschreitenden Charakter als zentrales Merkmal in den Blick zu nehmen, denn dieser bildet den Grund für die Aufnahme dieser Schilderungen in die Sagaerzählungen. Zwar sind die Pferdekämpfe in ihrer Anlage stets als kämpferische Spielhandlung geschildert, narrativ und anthropologisch relevant sind sie jedoch nur im Falle des Verlassens des spielerischen Rahmens.

37 Stridde 2010, S. 32. 38 Zu verschiedenen narrativen Funktionen von Spielen in der Literatur vom Mittelalter bis zur Gegenwart vgl. Jahn/ Schilling 2010, S. 8–11.

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„Beizjagd“ auf den Rothirsch – Asiatische Jagdmethoden im Norden, keltische Vorbilder oder germanisches Jägerlatein?1 „The death of the gazelle is now considered the highest triumph of Eastern falconry. As with us, there are amongst them traditions that in ancient times the haute volerie was of a nobler kind, – that the wolf of the woods and the wild sheep of the hills were the favorite quarry of the barons, white and black, who, ignoring or disdaining such poaching tools as musket and matchlock, prided themselves upon the prowess of a hawk as of a son or a second self.“ (Sir Richard Francis Burton)

I Einführung in die Problematik Den Ausgangspunkt der folgenden ikonografisch-jagdhistorischen Überlegungen stellen die figürlichen Bilder auf dem spätwikingerzeitlichen Runenstein von Balingsta in Uppland dar (U 855, Abb. 1).2 Der Stein war bereits im 17. Jahrhundert bekannt und lag zu jener Zeit in vier Fragmente zerbrochen auf einer Wiese. Ein fünftes Bruchstück war in der Mauer des Kirchhofs verarbeitet. 1864 hat man die herumliegenden Steinfragmente an gut sichtbarer Stelle, in etwa 100 Meter Entfernung unmittelbar am Weg zwischen Balingsta und Balingsta-Böksta, wieder zusammengefügt und aufgestellt. Das einst in der Kirchhofmauer verbaute Stück ist erst im Jahr 2004 aufgefunden und einbezogen worden.3 Das Denkmal besteht aus Granit und ist 2,57 m hoch und 2,12 m breit. Die Runeninschrift ist auf einem zoomorphen Band platziert, das dem Typ Pr2 nach Anne Sofi Gräslund4 zugeordnet und etwa in die erste Hälfte des elften Jahrhunderts datiert werden kann. Der Stein wurde in Gedenken an einen gewissen Eistr von dessen Eltern und Geschwistern errichtet. Die rundliche, vom Inschriftenband umgebene Bildfläche bietet folgende Jagddarstellung: In der Mitte der Fläche befindet sich ein Reiter auf einem großen Pferd. Er hält eine Lanze in der einen und vielleicht die Zügel des Pferdes in der anderen Hand. Vor dem Pferd sind offenbar zwei Hunde zu sehen, die einen größeren Vierfüßler verfolgen. Es handelt sich um einen Geweihträger. Nur eine Geweihhälfte ist von der Seite sichtbar. Die Geweihstange ist nach hinten gerichtet und mit fünf sehr langen Enden

1 Zu diesem Thema erscheint mit zeitlich geringem Abstand ein weiterer, weniger umfangreicher Beitrag in Englischer Sprache, der weitere Informationen, Quellen und ergänzendes Bildmaterial enthält: Oehrl im Druck. 2 Jansson / Wessén 1949–1951, S. 505–518; Christiansen 1997, S. 161–167; Oehrl 2006, S. 118–122. 3 Jüngst veröffentlicht: Åhlén 2010, S. 102f. 4 Gräslund 1991; Gräslund 1992; Gräslund 1994; Düwel / Gräslund 2003.

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ausgestattet. Trotz der starken Stilisierung lassen sich die zoologischen Deutungsmöglichkeiten eingrenzen. Die deutliche Ausrichtung der Stange nach hinten, die relative Gesamtgröße und die angegebene Endenzahl des Geweihs können kaum auf einen Rehbock zutreffen.5 Das Gehörn eines Rehbocks ist in der Regel nur leicht nach hinten geneigt und verfügt über drei Enden an jeder Stange. Auch die Darstellung eines Elches ist unwahrscheinlich, da weder die typische Schaufelbildung des Geweihs noch der charakteristische Kehlbeutel und Bart wiedergegeben sind. Letztere sind etwa auf dem Fragment II eines gotländischen Bildsteins von Garda kyrka angedeutet (Abb. 2). Folglich dürften wir es im Fall von Balingsta mit einem Rothirsch zu tun haben. Die vom Künstler angegebene Endenzahl und -form entspricht am ehesten einem so genannten Eissprossenzehner, einem Hirsch mit fünf Enden an jeder Geweihstange ohne Kronenbildung an den Stangenspitzen und somit einem noch nicht ganz ausgewachsenen fünf- bis sechsjährigen Stück.6 Eine derart präzise Ansprache des Hirsches ist m.E. jedoch nur unter Vorbehalt vorzunehmen, da – wie bereits erwähnt – die Tierdarstellungen auf dem Stein stark stilisiert sind. Bereits die Tatsache, dass die Geweihenden widernatürlicherweise nach unten und nicht nach oben weisen, führt den fehlenden zoologischen Anspruch des Künstlers vor Augen und mahnt zur Vorsicht. Die Darstellung von Balingsta zeigt also eine berittene Hetzjagd mit der Hundemeute auf einen Hirsch, sehr wahrscheinlich einen Rothirsch. Links im Bild, unter dem Schweif des Pferdes ist zudem ein Bogenschütze auf Skiern zu sehen. Oberhalb des Runenbandes ist ein Vogel mit gekrümmtem Schnabel und langen Klauen dargestellt. Es dürfte sich um einen Greifvogel – den auffallend langen gekrümmten Klauen nach zu urteilen um einen so genannten Grifftöter, z.B. einen Habicht oder einen Adler – handeln.7 Ein entscheidendes Detail auf dem Haupt des Beutetiers ist von einigen früheren Betrachtern – etwa Johannes Bureus und Johannes Haquini Rhezelius (Abb. 3) – als Teil des Geweihs missverstanden worden. Tatsächlich handelt es sich um einen stilisierten Greifvogel, der mit den Füßen auf der Geweihstange steht, das stumpfe Schwanzgefieder und die Schwingen nach hinten abspreizt und mit dem Schnabel die Stirn des Hirsches attackiert (Abb. 4). Eine weniger stilisierte Darstellung eines Greifvogels, der seine Beute – in diesem Fall eine Schlange – bindet, also festhält, und mit dem Schnabel angreift, ist auf dem Runensteinfragment von Estuna kyrka (U 574) zu sehen (Abb. 5). Tatsächlich ist die Jagd mit Greifvögeln in Schweden wohl bereits im sechsten Jahrhundert bekannt gewesen (zu den archäologischen Indizien siehe unten)8 und durch einige historische Quellen auch für das elfte Jahrhundert bezeugt.9

5 Zur Gehörnbildung beim Rehbock siehe das entsprechende Kapitel in: von Raesfeld 19859. 6 Zur Geweihbildung beim Rothirsch siehe das entsprechende Kapitel in: von Raesfeld 19889. 7 Oehrl 2010a, S. 31f. 8 Sofern die Beigabe von Greifvögeln in Gräbern tatsächlich als Zeugnis gewertet werden darf: Vretemark 1983; Vretemark 1988. 9 Zu den Quellen siehe insbesondere Hofmann 1953 bzw. Hofmann 1957–1958.

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Bereits Johann Hadorph erkannte den Vogel auf dem Hirschkopf und identifizierte ihn als Falke. Der Reiter sei ein „[…] Ridderlig Jägare på sin häst, som med ett Spiut och en falk samt två hundar effterföllier en Hiort […].“10 Hadorph geht von der realistischen Darstellung einer zeitgenössischen Beizjagd aus. Diese Auffassung ist auch in der jüngeren Forschung – bis heute – bedenkenlos vertreten worden. So heißt es in den Aufzeichnungen Ottos von Friesen, es handele sich um eine „[…] älgjakt om vintern för falkar och hundar […].“11 An der dargestellten Beizjagd selbst nimmt von Friesen keinen Anstoß, vielmehr versucht er das Auftreten des Skifahrers zu erklären und die jagdtechnischen Zusammenhänge zu beleuchten: „På skidor rör man sig med tillräcklig snabbhet i terrängen för att kunna ha fågeln under uppsikt.“12 In ihrem einschlägigen Beitrag über Bilddarstellungen zur Beizjagd im Norden aus dem Jahr 1981 lässt auch Gunilla Åkerström-Hougen keinen Zweifel daran, dass es sich um die realistische Darstellung einer Beizjagd auf Hirsch, Elch oder Rehbock handelt.13 Allein der Skifahrer sei erklärungsbedürftig und möglicherweise als Lückenfüller eingefügt worden. Åke Ohlmarks meint gar, die abgebildete Beizjagd auf den Geweihträger verweise auf die Todesumstände des in der Inschrift genannten Eistr.14 Sven B. F. Jansson schreibt in „Runinskrifter i Sverige“, auf dem Stein von Balingsta „[…] har ristaren givit oss bilder från en älgjakt på vintern. Stenen har visserligen skadats, men motivet är fult klart. […] Fåglarnar är otvivelaktigt jakthökar.“15 Bei einer ganzen Reihe weiterer Forscher darf ex silentio geschlossen werden, dass sie die Auffassung, es handele sich um eine realistische Beizjagdszene, bedenkenlos teilen.16 Einwände oder kritische Fragen gibt es hingegen kaum. Nur in Gisela Hofmanns grundlegender Arbeit zu „Falkenjagd und Falkenhandel in den nordischen Ländern“ heißt es knapp und ohne weitere Erläuterung: „Das ist jedoch sehr unsicher, da der Falke zur Elchjagd kaum gebraucht worden sein dürfte.“17 Genau das ist auch für mich der Stein des Anstoßes und Grundlage meiner Überlegungen gewesen.18 Bei der Beizjagd, wie wir sie heute in Europa verstehen und wie sie im Wesentlichen auch Kaiser Friedrich II. in seinem Buch „De arte venandi cum avibus“ beschreibt,19 jagt der Greifvogel just so, wie er es auch in freier Wildbahn tun würde –

10 Jansson / Wessén 1949–1951, S. 505. 11 Jansson / Wessén 1949–1951, S. 510. 12 Jansson / Wessén 1949–1951, S. 511. 13 Åkerström-Hougen 1981, S. 276. 14 Ohlmarks 1978, S. 77. 15 Jansson 19772, S. 158. 16 u.a. Fuglesang 2004, S. 222; Fuglesang 2005, S. 84f.; Weber 1972, S. 333; Christiansen 1997, S. 162ff.; Lindberger 2001, S. 35; Hellner / Rooth 1960, S. 40. 17 Hofmann 1957–1958, S. 118; vgl. Hofmann 1953, S. 34. 18 Oehrl 2006, S. 119. 19 Zum Einfluss von Friedrichs Falkenbuch auf die moderne Falknerei: Hewicker 2007, S. 148ff.

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„[…] postquam iam dimissi sunt, liberati et sui iuris […].“20 Das natürliche Beutespektrum, das bei den gängigsten Beizvogelarten – Falke und Habicht – insbesondere aus Flugwild wie Tauben und Enten sowie kleinerem Haarwild wie Kaninchen und Feldhase besteht, wird dabei kaum erweitert. Der Mensch bereitet die jagdliche Aktion lediglich vor, begleitet sie und erhält im Anschluss – und das ist der wesentliche Unterschied – die vom Vogel selbst getötete oder zumindest vom Vogel gebundene und vom Falkner abgefangene Beute. Der Mensch hat Anteil an dem, was der Greifvogel sonst für sich allein tut („[…] facere ad opus hominum, quod operabantur per se et ad opus suum […]“21). Im „Leitfaden für Falknerprüfung und Praxis“ von Heinz Brüll und Günther Trommer heißt es: „Die Beizjagd ist die Kunst [hier werden bewusst Terminologie und Verständnis des Stauferkaisers aufgegriffen], mit abgetragenen oder bereiteten [d.h. abgerichteten] Greifvögeln zu jagen. Mit dieser Kunst stellt der Falkner naturgegebene Kräfte in seinen Dienst. Er verzichtet auf weittragende Waffen und erhält so dem Wilde alle Chancen, die es auch in freier Wildbahn, im freien Spiel der Kräfte gegenüber seinen natürlichen Feinden hat.“22 Der größte und kräftigste heimische Greifvogel, der bei der Beizjagd eingesetzt werden kann, ist der Steinadler. Selbst ein Steinadler ist nicht im Stande, ein gesundes und annähernd ausgewachsenes männliches Stück Elchwild oder Rotwild zu schlagen. Ein schwedischer Elchbulle wiegt zwischen 250 und 400 kg. Ein ausgewachsener Rothirsch bringt es im mittel- und nordwesteuropäischen Klima auf etwa 100 bis 250 kg Lebendgewicht. Gemäß der Bergmannschen Regel ist das Gewicht in kälteren Zonen tendenziell größer.23 Um die maximalen Möglichkeiten eines im beschriebenen Sinne jagenden Greifvogels zu veranschaulichen, zitiere ich erneut aus dem „Leitfaden für Falknerprüfung und Praxis“. Dort berichtet Claus Fentzloff von seinen außergewöhnlichen persönlichen Erfahrungen: „Einzelne Revierinhaber eröffneten die Möglichkeit, den Adler auf Rehwild anzusetzen. So erklang 1963 bei der Ordenstagung in Celle zum ersten Mal bei einer offiziellen Beizjagd das Signal ‚Rehtot‘. ‚Leif‘ hatte einen schwachen Kitzbock geschlagen. Mein Jungadler ‚Tabu‘, 1967 im zweiten Flug, band im August eine vierjährige Rehgeiß im Fürstl. Löwenstein’schen Revier. Die Geiß hatte noch nicht voll verfärbt; der Aufbruch zeigte einen Massenbefall an Lungenwürmern. Beim tschechischen Falknertreffen 1976 in Budweis band ‚Leif‘ von zwei Rehen, die vor mir im Klee hochwurden, das schwächere Tier. […] Ein ganz besonderes und einmaliges Erlebnis, das nur selten einem Falkner beschieden ist, war die Schakalbeize mit Steinadlern in Marokko, im November 1974. […] Jacques Renaud und ich jagten dort mit drei Adlern sechs Tage und beizten sechs Schakale […]. Dass unsere Adler gleich den ersten Schakal so schneidig anjagten, hatten wir nicht erwartet. Wir hielten den Atem an, wenn ein Adler mit doppeltem Kopfgriff band

20 Willemsen 1942, Bd. I, S. 166. Zu Friedrichs Einstellung zur Falknerei: Menzel 2003 und Menzel 2007 (kürzere Fassung). Im Vergleich zur arabischen Falknerei: Möller 1976/1977, S. 74. 21 Willemsen 1942, Bd. I, S. 5f. 22 Brüll / Trommer 20005, S. 1 (als Zitat aus der dritten Auflage von 1979). 23 Bergmann 1847.

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und sich der Kampf entspann, den wir durch schnelles Abfangen beendeten. […] Die Sicherheit unserer Adler bestärkte uns in dem Wunsch, mit ihnen auch die Wolfsjagd bei den Kirgisen einmal mitzuerleben.“24 So beeindruckend diese Schilderungen von der Adlerbeize auf schwaches Rehwild, Schakal und Wolf auch sind, das Binden oder gar Töten eines ausgewachsenen Rot- oder Elchhirschs bewegt sich jenseits aller Möglichkeiten. Ein schwaches Stück Rehwild bringt es auf etwa 18 kg Lebendgewicht. Vor diesem Hintergrund müsste die Beizjagddarstellung von Balingsta als wikingerzeitliches Jägerlatein abgetan werden.

II Bisherige Forschung Diese Ungereimtheit hat bisher nur John Bernström 1962 im Artikel „Jaktfåglar“ im „Kulturhistorisk Leksikon for nordisk middelalder“ zu erklären versucht.25 Bernströms Ausführungen sind zwar sehr kurz, doch enthalten sie eine bemerkenswerte Deutungsperspektive. Bernström bezweifelt, dass auf dem Runenstein von Balingsta eine Beizjagd im eigentlichen Sinne zur Darstellung gelangt ist. Vielmehr handele es sich um eine ansonsten im Norden nicht bezeugte Jagdmethode, die in Asien beheimatet zu sein scheine. Demnach attackiere der Beizvogel von Balingsta gezielt die Augen des Hirsches und behindere somit dessen Flucht, damit Reiter und Hunde das Stück leichter einholen und stellen können. Diese, aus heutiger Sicht brutale und alles andere als weidgerechte Jagdmethode, die wohl auch Friedrich II. die Haare hätte zu Berge stehen lassen, habe seit alters her in den zentralasiatischen Grassteppen Anwendung gefunden. Das widernatürliche Verhalten des Greifvogels sei dadurch erreicht worden, dass man dem gezähmten Vogel die tägliche Atzung ausschließlich in den Augenhöhlen eines toten Wildes dargeboten habe. Bernström verweist auf nur zwei Quellen, eine Bemerkung von Ktesias, überliefert in Aelianus’ „De natura animalium“ und den Reisebericht des Marco Polo. Tatsächlich ist bei Aelianus gar nicht von der Jagd auf Schalenwild, sondern auf Hase und Fuchs die Rede. Adler, Milane und sogar Raben seien bei den Indern auf Hasen und Füchse abgetragen (d.h. abgerichtet) worden, indem man ihre Atzung regelmäßig an einem zahmen Hasen oder Fuchs befestigt habe.26 Im Bericht des Marco Polo wird die Beizjagd mit dem Adler auf Rehwild und Damwild am Hof des Kublai Khan in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts erwähnt. Das Behindern des Wildes durch Attackieren der Augen wird jedoch nicht thematisiert. In der Übersetzung von Ronald Latham lautet die Stelle: „He [Kublai Khan] has also a great many eagles trained to take […] fallow-deer

24 Brüll / Trommer 20005, S. 103f. 25 Bernström 1962. 26 Scholfield 1958, S. 238.

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and roe-deer, and these too bring in game in plenty.“27 Dass ein Adler Schalenwild in der Größe eines Damhirsches – dieser erreicht ein Lebendgewicht von über 100 kg – eigenständig zur Strecke bringt, ist nahezu ausgeschlossen. Als weitere Hinweise auf den Einsatz von Greifvögeln bei der Hirschjagd im Norden stellt Bernström dem Runenstein von Balingsta die eisernen Türbeschläge von Roglösa sowie das Wappen von Jämtland zur Seite. Letzteres ist bereits auf einem Siegel aus dem Jahr 1635 zu sehen (Abb. 6). Es zeigt in dieser frühsten Variante einen Rothirsch, auf dessen Rücken ein Vogel sitzt. Vor dem Hirsch bäumt sich ein kleiner Vierbeiner, vermutlich ein Canide auf. Erst die späteren Varianten des Wappens lassen deutlich einen Elch erkennen, der von einem Hund/Wolf und einem Greifvogel angegriffen und gebissen wird. Ob bereits das Siegel von 1635 bzw. dessen etwaige mittelalterliche Vorläufer einen Angriff auf den Geweihträger darstellten, ist ungewiss. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, ist damit nicht sicher gesagt, ob die Abbildung tatsächlich etwas mit der Beizjagd zu tun hat oder eine ganz andere symbolische Bedeutung im Hintergrund steht. Der Zeugniswert des Wappens bleibt somit zweifelhaft. Die figürlichen Türbeschläge von Roglösa in Östergötland aus der Zeit um 1200 bilden einen hornblasenden Jäger mit einem Hund und einem Beizvogel ab (Abb. 7).28 Anders als Bernström und andere offenbar voraussetzen,29 attackiert letzterer jedoch nicht den Hirsch rechts im Bild, sondern widmet sich offenkundig einem kleinen Vierfüßler (Hasen?)30 unmittelbar hinter dem Hirsch, um mit seinen Klauen auf ihn zu stoßen.31 Es handelt sich um ein realistisches Bild eines auf Beute am Boden stoßenden Greifvogels. Auch der Hund eilt unmissverständlich hinter diesem kleinen nicht näher zu bestimmenden Beutetier her. An der Jagd auf den Rothirsch32 sind Hund und Greifvogel nicht unmittelbar beteiligt. Im Übrigen meint Bernström, dass im Norden auch Greifvögel auf Menschen abgerichtet und im Kampf eingesetzt worden sein könnten. Die angeführten Quellen, die dieses fantastische Szenario belegen sollen, sind jedoch dürftig. Zunächst merkt

27 Latham 19592, S. 113. 28 Zu Roglösa und verwandten Beschlägen siehe die einschlägigen Arbeiten von Lennart Karlsson (Karlsson 1980; Karlsson 1988). Jüngst zur Deutung der Figuren: Nordanskog 2006. 29 Zuvor bereits: Hellner / Rooth 1960, S. 40; Höfler 1952, S. 279; später auch: Brusewitz 1968, S. 41; Åkerström-Hougen 1981, S. 290, 292; Lindberger 2001, S. 37. Nur Höfler merkt an, dass diese Beizjagddarstellung eigentlich unrealistisch sei. Brusewitz rezipiert Bernströms These vom Aushacken der Augen und den Verbindungen zum asiatischen Raum ganz unbekümmert. 30 Auch auf dem Theoderich-Relief von San Zeno in Verona ist neben einer Hirschjagd mit Hunden ein Beizvogel zu sehen, der auf einen Hasen stößt (Höfler 1952, Taf. VIB). 31 Man vergleiche die entsprechenden Darstellungen auf den Truhen von Ryssby und Voxtorp, die aus derselben Schmiede stammen (Karlsson 1980, Fig. III:1, IV:1). 32 Åkerström-Hougen geht – vermutlich aufgrund der geringen Geweihendenzahl – von einem Rehbock aus (Åkerström-Hougen 1981, S. 290). Aufgrund der enormen Geweihgröße und des recht langen Wedels ist diese Deutung jedoch wenig wahrscheinlich. Nicht zuletzt der ikonografisch-mythologische Kontext verweist auf ein Stück Rotwild (Karlsson 1980; Karlsson 1988, Bd. I, S. 314ff.).

„Beizjagd“ auf den Rothirsch

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Bernström ohne Nennung einer Quelle an, dass dergleichen im mongolischen Kulturkreis vorgekommen sei. Dann verweist er auf die Ynglingatal des ?jó.ólfr ór Hvini. Dort heißt es in Strophe 19, die geschundene Leiche des Óttar, der im Kampf gegen die Dänen gefallen war, sei nach Vendel getragen worden. Es heißt – so dürften die Zeilen zu verstehen sein – Óttar sei unter den Klauen des Adlers gefallen und die blutigen Füße des Raben haben ihn getreten.33 Dass der Dichter hier kaum an abgerichtete „Kampfvögel“ der Dänen, sondern vielmehr an die Tiere der Walstatt dachte, die den Leichnam bzw. den Sterbenden malträtieren, und somit übliche skaldische KampfTopoi verwendet, ist offensichtlich. Ganz ähnlich verhält es sich m.E. mit den von Bernström ins Feld geführten Kampfszenen auf gotländischen Bildsteinen (Abb. 8–9). Auch hier wenden sich die aasfressenden Vögel gefallenen Kriegern zu, ohne selbst an den Kampfhandlungen beteiligt zu sein. Schließlich verweist Bernström auf mittelalterliche nordische Gesetzestexte, in denen es heißt, dass der Besitzer eines Greifvogels für von diesem verursachte Verletzungen an Mensch und Tier haftbar sei. Auf abgerichtete „Kampfvögel“ dürften auch diese Texte nicht hindeuten. Ihren Hintergrund würde ich vielmehr im Bereich „Jagdunfälle“ verorten. Auch heute noch kommt es zuweilen vor, dass Beizvögel Katzen oder kleinere Hunde schlagen oder auch mal mit einem Menschen aneinandergeraten. In Deutschland etwa sind in der Vergangenheit bereits Jogger während der Brutzeit von wildlebenden Mäusebussarden angegriffen und verletzt worden. Obgleich Bernströms Thesen, die auch im bekannten jagdhistorischen Werk von Gunnar Brusewitz zu finden sind,34 auf tönernen Füßen stehen, sind sie bisher, wenn ich richtig sehe, in nur einem Fall ausdrücklich kritisiert und abgelehnt worden. Der Kunsthistoriker Lennart Karlsson stellt in seinen Arbeiten zur Tür von Roglösa fest, dass „weder die äußerst reiche mittelalterliche Jagdliteratur noch die modernen wissenschaftlichen Arbeiten, die Jagdvögel behandeln […]“ Beispiele dafür bieten, „[…] dass Raubvögel in Verbindung mit der Jagd auf größeres Wild, wie z.B. auf den Hirsch benutzt wurden.“35 Das gezielte Angreifen der Augen durch den Greifvogel, das den Hirsch behindern und Jäger und Hunden die Möglichkeit geben soll, die Beute einzuholen, sei unglaubwürdig. Karlsson betont, dass Bernström und Brusewitz „ihre Hypothesen auf einige wenige, schwer deutbare Bilddarstellungen aufbauen, und dass sie darüber hinaus diese Fangmethode in Westeuropa nicht belegen konnten“36. In seinem Buch „Medieval Ironwork in Sweden“ schreibt Karlsson schließlich folgenden bedeutungsvollen Satz: „It must be said that […] no one has managed to prove that such a

33 Finnur Jónsson 1912–1915, AI, S. 11. 34 Brusewitz 1968, S. 41. Auch Lars Silén geht in seinem kurzen Beitrag über Balingsta davon aus, dass der Vogel nach den Augen des Wildes hackt. Allerdings handele es sich um einen abgerichteten Raben (Silén 1983, S. 90). 35 Karlsson 1980, S. 16. 36 Karlsson 1980, S. 16.

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hunting method has ever exist.“37 Zu dieser Aufgabe möchte ich im Folgenden einen Beitrag leisten. Dies ist also die Lage: Die meisten Forscher, die sich zum Runenstein von Balingsta und der Tür von Roglösa geäußert haben, gehen von einer Beizjagddarstellung aus, ohne deren Authentizität zu hinterfragen, ohne die jagdhistorischen und jagdtechnischen Probleme zu würdigen oder überhaupt zu erkennen. Nur John Bernström sieht sich veranlasst, eine Erklärung für das abgebildete Geschehen abzuliefern und geht von einer mit Beizjagd im eigentlichen Sinne nicht vereinbaren Jagdmethode nach asiatischem Vorbild aus, bei der ein Greifvogel die Augen des Hirsches attackiert und diesen somit an der Flucht hindert. Lennart Karlsson widerspricht und betont, dass sich diese unglaubwürdige Jagdmethode nicht belegen lasse.

III Weiteres nordisches (und kontinentales) Bildmaterial Zunächst scheint mir das nordische Bildmaterial ergänzt werden zu müssen. So ist auf einem weiteren spätwikingerzeitlichen Bildstein aus Uppland ein Greifvogel zu sehen, der auf ein Geweih oder Gehörn tragendes Stück Wild zu stoßen scheint.38 Der Stein von Husby-Lyhundra kyrka (U 548) zeigt einen paarhufigen Vierfüßler, dessen Körperform und Proportionen denen des Hirsches von Balingsta ähnlich sind (Abb. 10).39 Schwer einzuordnen ist der leicht beschädigte Fortsatz am Hinterteil des Tieres. Hier wäre ein Schwanz zu erwarten. Unklar ist auch der Kopfschmuck des Wildes. Er besteht aus zwei langen, nach hinten gerichteten, leicht nach oben geschwungenen Stangen, die Hörnern ähneln. Sollte es sich tatsächlich um einen Boviden handeln, käme ein Schafbock, ein Ziegenbock oder ein Widder (Wildschaf) in Betracht. Bei diesen Tieren sind die Hörner jedoch stets nach unten geneigt – wie etwa bei einem Ziegenbock oder einem Steinbock – oder gar eingerollt wie bei einer Heidschnucke oder einem Muffelwidder. Tatsächlich hat wahrscheinlich derselbe Runensteinritzer, der das Bild von Husby-Lyhundra geschaffen hat, Asmund Kareson,40 auch einen Bildstein mit einem Schaf – dem agnus dei – hinterlassen. Er befindet sich in Frötuna in Rasbo sn (U 1004, Abb. 11). Hier hat Asmund Kareson die Hörner korrekt nach unten geneigt wiedergegeben. Da im Fall von Husby-Lyhundra zudem zwei weitere – wenn auch ganz unverständlich platzierte – Fortsätze auf dem Haupt des Tieres auftreten, scheint mir die Deutung als Rothirsch mit einem etwas unbeholfen dargestellten bzw.

37 Karlsson 1988, Bd. I, S. 322. 38 Åkerström-Hougen 1981, S. 277, 288. Hier wird das Stück irriger Weise als Rehbock angesprochen. 39 Jansson / Wessén 1943–1946, S. 434. 40 Jan Axelson 1993, S. 93, 95.

„Beizjagd“ auf den Rothirsch

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stilisierten Geweih am besten vertretbar zu sein.41 Über dem Haupt des Wildes ist ein stoßender Greifvogel zu sehen, der noch stärker als im Fall von Balingsta stilisiert ist. Auch hier scheint also ein Greifvogel auf das Haupt eines Rothirsches zu stoßen.42 Ein jagdlicher Kontext ist nicht unmittelbar erkennbar. Allerdings ist anzumerken, dass die Beizjagd im Bildrepertoire Åsmunds durchaus eine Rolle zu spielen scheint: Auf dem Stein von Vidbo kyrka (U 375), der ebenfalls dem Umfeld von Asmund Kareson zugerechnet wird,43 ist ein Reiter zu sehen, über dem ein stark stilisierter Greifvogel schwebt (Abb. 12–13).44 Ein weiteres skandinavisches Steindenkmal der Wikingerzeit, das in die Überlegungen einbezogen werden sollte, ist der runenbeschriftete, als „Joalf Cross“ bezeichnete Kreuzstein von Kirk Michael auf der Isle of Man aus dem zehnten Jahrhundert.45 Auf Seite B des Kreuzsteins ist an oberster Stelle, in der Fläche unmittelbar über dem Kreuz ein laufender, sehr stattlicher Geweihträger abgebildet (Abb. 14). Am Hinterlauf des Tieres sind die Überreste eines Hundes zu erahnen, der das Wild verfolgt und möglicherweise bereits zufasst. Links oben im Bild schwebt über dem Hund und seiner Beute ein großer Vogel, dessen Kopf leider beschädigt ist. Ein weiterer Vogel sitzt auf dem Rücken des Beutetieres, berührt mit dem Schnabel dessen Nacken und scheint es zu attackieren.46 Die Hirschjagd mit Hunden gehört zu den häufigsten Motiven im Bildprogramm der „Manx Crosses“.47 Auf Seite A des „Joalf Cross“ ist gleich dreimal zu sehen, wie ein Hund einen Geweihträger attackiert und in dessen Hals oder Nacken zu beißen beabsichtigt (Abb. 15). Auf Seite B wird der Hirsch – es dürfte sich um einen Rothirsch handeln – nicht nur von einem Jagdhund verfolgt, sondern auch von zwei Greifvögeln bedrängt, von denen einer bereits zum Angriff übergegangen zu sein scheint. Scheinbar hat er seine Klauen in den Rücken und den Schnabel in den Hals des Stückes geschlagen.

41 So auch Jansson / Wessén 1943–1946, S. 434. Bengt Bergman sieht auch hier einen Boviden – das agnus dei (Bergman 1948, S. 82–84). Dieser Ansicht ist bisher auch der Autor gefolgt (Oehrl 2010a, S. 30f., 42, 44, 46, 244). 42 Auf dem Runenstein von Altuna (U 1161) und dem Bildstein von Rybylund (U Fv1955;219) ist ebenfalls ein stilisierter Greifvogel zu sehen, der einen großen Vierfüßler angreift. Da dieser auf den Runensteinen sehr häufig auftretende, im Mammen-, Ringerike- und Urnesstil gestaltete Vierbeiner („das große Tier“) jedoch ein Raubtier – einen Wolf oder einen Löwen – mit mythologischem Hintergrund darstellt, spielt die Darstellung im vorliegenden Kontext keine Rolle (Oehrl 2010a – zur zoologischen Zuordnung zusammenfassend: S. 42–44; zur mythologischen Deutung zusammenfassend: S. 198–202, 231f.; zu Rybylund und Altuna: S. 223, Abb. 91, 94). 43 Axelson 1993, S. 91. 44 Jansson / Wessén 1943–1946, S. 128ff.; Åkerström-Hougen 1981, S. 277, 287. 45 Kermode 19942, S. 199–202. 46 Diese Attacke wird auch von Christiansen richtig erkannt, aber leider ganz kritiklos hingenommen (Christiansen 1997, S. 172). 47 Z.B.: Kermode 19942, Pl. XLVII, LIII, LIV; Christiansen 1997, S. 171–173.

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Ebenfalls aus dem zehnten Jahrhundert stammt das Fragment eines Steinkreuzsockels von Holy Trinity Church in Stonegrave, Eastern Yorkshire (Fragment 6aA, Abb. 16).48 Eine darauf abgebildete und von Ornamentfeldern eingerahmte primitive Tierfigur ist als anglo-skandinavisch anzusprechen. Es handelt sich um einen pferdeähnlichen Vierbeiner, auf dessen Rücken ein Vogel sitzt. Ähnlich wie auf dem „Joalf Cross“ scheint der Vogel mit dem Schnabel den Hals des Tieres zu attackieren.49 Der Schwanz des Tieres ist für einen Wedel etwas zu lang. Dennoch halte ich es vor dem Hintergrund des „Joalf Cross“ von Kirk Michael und dem Umstand, dass auf den nordenglischen Bildsteinen Jagdmotive durchaus häufig sind (Abb. 17),50 für wahrscheinlich, dass auch hier ein Greifvogel gemeint ist, der auf ein Stück Schalenwild – vielleicht ein weibliches Stück Rotwild – stößt. Besonders beeindruckend ist ein norwegisches Bilddenkmal aus der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts (Abb. 18). Es handelt sich um ein mit gestickten Runen und gestickten figürlichen Darstellungen versehenes Altartuch aus der Kirche von Bilden in Oppland, das in Form einer Zeichnung aus dem 17. Jahrhundert auf uns gekommen ist (N 70).51 Die Beschriftung nennt einen gewissen Lo.inn, der das Tuch für seine Nichte verzierte (markadi). In wesentlichen Zügen kehrt hier die Jagdszene von Balingsta wieder. Ein Reiter mit einer Lanze und einem Hund – unmittelbar darüber zu sehen – verfolgt einen Rothirsch. Ein Greifvogel ist über dem Geweih des Stückes zu sehen, streckt seine Klauen aus und stößt auf seine Beute. Offensichtlich ist das Haupt des Hirsches Ziel der Attacke. Anders als auf dem uppländischen Runenstein steht der Hirsch in einem flachen Gewässer, in das er geflüchtet zu sein scheint. Tatsächlich wissen wir von historischen Parforcejagden (Abb. 19), dass flüchtende Hirsche gern Wasser annehmen, um sich dort zu stellen, wo die Hunde weniger wendig sind. Der gehetzte Hirsch sucht Schutz im Wasser, ist den Jägern hier jedoch ausgeliefert. Mit einem waghalsigen Sprung scheint ein zweiter Jäger das Haupt des Hirsches packen oder gar eine Art Trense in den Äser des Stückes stecken zu wollen. Die Aktion ist nicht eindeutig, doch macht es den Eindruck, als wolle der Mann den Hirsch in irgendeiner Weise halten, behindern oder gar fangen.52 Verblüffend ähnlich ist die Positionierung eines kleinen Menschleins im Geweih des Hirsches am romanischen Portal der Kirche von Besse in Périgord (Südwestfrankreich), auf die mich freundlicherweise Wilhelm

48 Lang 1991, S. 218f. 49 So auch Christiansen, der jedoch keine zoologische Zuordnung des Beutetieres vornimmt (Christiansen 1997, S. 170). 50 Weitere Beispiele: Lang 1991, Ill. 670f.; Cramp 1984, Ill. 710 (Beizjagd) und 726. Möglicherweise mit der Falknerei verbunden: Cramp 1984, Ill. 69. Siehe ferner: Christiansen 1997, S. 170. 51 Fett 1909, S. 42; Olsen 1941–1960, Bd. I, S. 204–207. 52 Bereits die Sachsen haben Hirsche gefangen, um sie als Lockhirsche einzusetzen. Ein geschirrter Hirsch wurde im Gräberfeld von Rullstorf, Kr. Lüneburg angetroffen (Rech 2006, S. 118 mit einschlägiger Literatur). Zu weiteren möglichen Lockhirsch-Funden siehe: Dobiat 1996, S. 721. Auch in der „Lex Salica“ und im „Pactus Legis Alamannorum“ werden Lockhirsche erwähnt (Dobiat 1996, S. 721).

„Beizjagd“ auf den Rothirsch

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Heizmann aufmerksam gemacht hat (Abb. 20). Da der Hirsch von einem Reiter mit Pfeil und Bogen verfolgt wird und sich wie das Männlein im Geweih gerade zum Jäger umdreht, dürfte hier jedoch mit einer Darstellung der Eustachius-/Hubertuslegende zu rechnen sein. Dass diese auch im Fall von Bilden eine Rolle spielt, ist nicht auszuschließen. Unsicher ist zunächst auch die Intention einer dritten Figur, die hinter dem Hirsch im Wasser steht und einen geschäfteten Gegenstand mit rundem Aufsatz in den Händen hält. Da sie sich jedoch eindeutig auf die Fische im Wasser konzentriert, dürfte sie nicht als Teil der Jagddarstellung zu betrachten sein. Vielmehr wird es sich um einen Fischer handeln,53 der im Uferbereich mit einem Kescher mit rundem Bügel arbeitet. Auf diese Weise sind im Mittelalter häufig Kleinfische oder auch Hechte gefangen worden. Einen guten Vergleich bietet eine Illustration in Kaiser Maximilians I. „Tiroler Fischereibuch“ von 1504 (Abb. 21)54. Das übrige Szenario ist jedenfalls als berittene Hetzjagd auf einen Rothirsch zu betrachten, an der neben einem Hund auch ein Greifvogel aktiv beteiligt ist. Obgleich die von Bernström angeführte Gruppe von Bildzeugnissen somit deutlich vergrößert werden konnte, bleibt Karlssons Vorwurf, Belege aus dem übrigen Europa haben nicht vorgelegt werden können, schwerwiegend. Doch auch hier sind Bernström wichtige Fakten entgangen. Wenigstens zwei Denkmäler sind zu nennen. Im Werk „Il Falconiere“55 von Jaques Auguste de Thou (1553–1617), das von Pietro Angelo Bargeo (1517–1596) bearbeitet und 1735 von Giovanni Pietro Bergantini ins Italienische übersetzt und herausgegeben wurde, befindet sich das Bild einer bemerkenswerten Hirschjagd (Abb. 22). Ein Rothirsch wird von zwei Hunden gehetzt und ist im Begriff, in einen Teich oder See zu flüchten. Eine Gruppe von Jägern folgt der Beute. Zudem sind zwei Greifvögel auszumachen, die den Hirsch bedrängen. Einer der Vögel nähert sich mit aufgerissenem Schnabel von vorn, der andere scheint seine Klauen in den Rücken des Rothirsches schlagen zu wollen. Das Szenario ähnelt in verblüffender Weise der Hirschjagd auf dem etwa 600 Jahre älteren Altartuch aus dem norwegischen Bilden. Wesentlich älter ist das zweite Bilddenkmal vom Kontinent, das ich ergänzen möchte. Es handelt sich um ein etruskisch-römisches Fresko aus Pompei, das aus bekannten Gründen vor dem Jahr 79 nach Christus entstanden sein muss. Das obere Feld zeigt einen nackten kindlichen Jäger mit Flügeln – eine Eros-Figur – die mit einem Speer bewaffnet ist und einen Hund auf zwei Geweihträger hetzt (Abb. 23). Die deutlich widergegebenen Wedel und das schaufelartige Geweih des stärkeren Stückes links lassen zwei Damhirsche erkennen. Bei geringen Stücken, wie hier rechts zu sehen, kann die Schaufelbildung beim Damhirsch ausbleiben. Über

53 Auch Sophus Bugge geht von einer Jagd- und einer Fischereiszene aus: Lorenzen 1933, S. 226, Fußnote 162. 54 Die Szene mit dem Kescher befindet sich unten rechts. Darüber ist sogar ein berittener Falkner und unten links ein vor zwei Hunden ins Wasser geflüchteter Rothirsch zu sehen. Siehe auch Lindner 1957, Taf. XXXX f. mit einer vergleichbaren Komposition. 55 Bergantini 1735.

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dem kleineren Damhirsch ist ein Vogel mit ausgebreiteten Schwingen dargestellt, der Kopf und Klauen nach unten, in Richtung Hirsch richtet. Der Damhirsch blickt seinerseits nach oben, scheinbar seinem Feind in der Luft entgegen. Trotz des missratenen, weil etwas zu dünnen, fast gänseartigen Halses, dürfte ein stoßender Greifvogel dargestellt sein.

IV Schriftquellen56 Was hat es nun mit den hier zusammengetragenen Jagddarstellungen auf sich? Bezeugen sie tatsächlich den Einsatz von Greifvögeln bei der Jagd auf größeres Schalenwild, bei der die Augen des Wildes attackiert werden, wie Bernström behauptet? Die beiden von Bernström angeführten Quellen von Aelianus und Marco Polo sind unpassend und nur bedingt glaubwürdig. Dennoch haben Bernström und Brusewitz ganz Recht, wenn sie schreiben, Greifvögel seien außerhalb Europas bei der Jagd auf größeres Wild zum Einsatz gekommen. Dazu gibt es in der Tat zahlreiche Quellen, von denen ich im Folgenden einige zusammentragen und auswerten möchte. Der französische Forschungsreisende Sir Jean Chardin, der zwischen 1664 und 1670 als Juwelier am Königshof in Isfahan lebte, berichtet im 1735 veröffentlichten Werk „Voyages en Perse et autres lieux de l’Orient“ von der Beizjagd auf Schalenwild. Um den Greifvogel auf Schalenwild abzurichten, erhalte er seine Fleischration vom Kopf einer mit Stroh ausgestopften und auf Rädern befestigten Tierhaut. Die Jagd gehe dann wie folgt vonstatten: „Nachdem man ein Beutetier zunächst müde gehetzt hat, wirft man den Vogel ab. Dieser wird dann sogleich nach dem Kopf des Tieres stoßen, mit seinen Flügeln auf dessen Augen schlagen und mit den Fängen und dem Schnabel danach hacken. Dadurch erschreckt sich das furchtsame Tier derart, dass es bewusstlos zu Boden stürzt, wodurch die Jäger Zeit haben, heranzukommen.“57 Das Hacken mit Krallen und Schnabel auf die Augen des Schalenwildes will auch der britische Diplomat und Offizier Arthur Conolly in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Persien beobachtet haben. Falken sollen dort Gazellen geschlagen haben, indem sie ihnen die Augen aushackten.58 Der deutsche Naturforscher und Geograf Peter Simon Pallas schreibt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts über die Kirgisen, sie verwendeten zum Training der Greifvögel eine mit Stroh ausgestopfte Antilopenhaut

56 An dieser Stelle möchte ich Johannes Kuth, Karl-Heinz Gersmann und insbesondere Hans-Albrecht Hewicker vom Deutschen Falkenorden ganz herzlich für ihre engagierte Hilfe und ihr großes Interesse danken. Ohne die zahlreichen Literaturhinweise und aufschlussreichen fachmännischen Beurteilungen von Seiten des Falkenordens wäre der vorliegende Beitrag nicht entstanden. Dank gilt auch meinem alten Weggefährten und Jagdkammeraden Daniel Althaus, dessen Einschätzungen und Korrekturen mir stets sehr hilfreich sind. 57 Zitiert nach Schlegel / Verster van Wulverhorst 1999, S. 166. 58 Nach Schlegel / Verster van Wulverhorst 1999, S. 167.

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und füllten die Augenhöhlen mit Atzung. Daher schlugen die so abgetragenen Adler die Antilopen, indem sie ihnen die Augen aushackten.59 Eine bildliche Darstellung der kirgisischen Antilopenjagd ist auf dem Frontispiz des berühmten Werkes „Traité de Fauconnerie“60 von Hermann Schlegel und Abraham H. Verster van Wulverhorst von 1844–1853 zu sehen (Abb. 24). Der Künstler zeigt offenbar, wie der Greifvogel mit dem Schnabel auf das Gesicht der Antilope einhackt. Auf einem Bild des Lithografen Christian Votteler aus dem 19. Jahrhundert, das ebenfalls die Adlerbeize bei den Kirgisen darstellt, hat der Greifvogel einen ausgewachsenen Rothirsch zu Boden gerissen und noch am lebenden Stück begonnen, hinter dem Blatt zu kröpfen (Abb. 25). Beides ist absolut unrealistisch und ohne jeden Zeugniswert. Daniel Johnson schreibt 1822 in seinem Buch „Sketches of field sports as followed by the natives if India with observations on the animals“: „All the native gentlemen of India who are in the least degree fond of sporting, keep hawks of various kinds, and never travel without them. The largest kind are trained to kill deer [damit dürften Antilopen gemeint sein] by pitching on their heads and picking out their eyes.“61 Bemerkenswerterweise gibt es jedoch eine Reihe von ähnlichen Berichten, die das vermeintlich gezielte Aushacken der Augen mit dem Schnabel gar nicht oder zumindest nicht ausdrücklich erwähnen. Die wohl prominenteste Quelle stellt das weltberühmte „Thierleben“ von Alfred Edmund Brehm dar. Brehms Schilderungen beruhen nicht auf eigener Anschauung. Als Quellen nennt er Mitteilungen von „Heuglin“ und „Spony“. Ein Literaturhinweis erfolgt nicht. Ersterer ist unschwer als Theodor von Heuglin (1824–1876), ein bekannter Ornithologe und Afrikaforscher, zu identifizieren. Der zweite Gewährsmann ist mir unbekannt. Im Norden Afrikas werde der Falke auf Gazellen abgetragen. Dies geschehe mit Hilfe eines ausgestopften Tieres, in dessen Augenhöhlen man das Fleisch der Greifvögel platziere. Schließlich gehe man dazu über, die Vögel auf zahme junge Gazellen zu werfen, um sie für den jagdlichen Einsatz zu trainieren. Dieser wird von Brehm wie folgt beschrieben: „Der Falke erhebt sich hoch in die Luft und eilt in pfeilschnellem Flug auf die Gazelle zu, stürzt sich von oben auf sie und versucht, in der Augengegend die Fänge einzuschlagen. Das überraschte Wild ist bemüht, durch Rütteln und Überschlagen sich des Raubvogels zu entledigen, während dieser nötigenfalls den Kopf des Opfers verlässt, um ihn sofort wieder von neuem zu packen. […] Abgekoppelt folgen sie [die Hunde] sogleich dem Falken, den sie fest im Auge behalten, und hinter ihnen drein jagen nun im vollsten Laufe die Jäger. Wenn der Falke gut ist, hält er jede nicht allzu große Antilope auf, bis die Hunde herangekommen sind und sie niederreißen. Für die Beteiligten ist die Jagd entzückend. Jedes Mal, wenn der Falke die flüchtige Gazelle überholt, sie stößt und die Fänge in Hals und

59 Nach Schlegel / Verster van Wulverhorst 1999, S. 169. Ohne Angabe einer Quelle schreibt Heinz Kronasser, in Persien seien im 17. Jahrhundert Beizvögel so abgetragen worden, dass sie die Augen von Wildeseln angriffen (Kronasser 1953, S. 70). 60 Ich benutze hier die deutsche Übersetzung von 1999 (Schlegel / Verster van Wulverhorst 1999). 61 Johnson 1822, S. 46.

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Kopf zu schlagen versucht, ertönt ein Freudengeschrei aus allen Kehlen.“62 Schließlich wird das Stück abgefangen. Ohne weitere Details wird die Falkenjagd auf Gazellen im heutigen Libyen in einem Bericht des niederländischen Konsuls am Hof des Paschas Jusuf Karamanla kurz nach 1830 erwähnt.63 Besonders interessant, da aus der Feder eines einheimischen Praktikers, ist die Schilderung des persischen Prinzen Taymur Mirza aus dem Jahr 1868. Ausführlich schildert er die langwierige Prozedur des Abtragens von wild gefangenen Sakerfalken auf Gazellen. Dabei kommt zunächst ein abgetrenntes Gazellenhaupt zum Einsatz, auf dem der Saker geatzt wird. Im zweiten Schritt verwendet man ein gefesseltes lebendes Gazellenkitz, auf dessen Haupt der Vogel seine Atzung zu binden lernt. Schließlich lässt man eine gefangene Gazelle vor dem Saker im freien Gelände laufen und wirft ihn auf das Wild. „Der Falke wird auf die Gazelle stoßen und den Kopf binden, der Hund wird sie niederziehen. Hierauf wird die Gazelle abgefangen […].“64 Vergleichbares sei auch bei den arabischen Nomaden und anderen Völkern üblich.65 Der schottische Staatsmann und Historiker Sir John Malcom schreibt 1829 über die persische Beizjagd auf Antilopen: „Obwohl die Falken bei der Verfolgung des Tieres fast den Boden berühren, holen sie es, trotz dessen erstaunlicher Geschwindigkeit, bald ein und attackieren den Kopf ihres Opfers. Dabei schlagen sie es manchmal mit einer solchen Wucht, dass das Tier zu Boden geht. Nachdem das Wild auf diese Weise zum Stillstand gebracht wurde, sind Hunde und Reiter nur wenige Augenblicke später zur Stelle.“66 Ein weiterer britischer Augenzeuge ist der Staatsmann und Historiker Mountstuart Elphinston, der sich in seinem 1815 erschienen Buch „The Kingdom of Caubul“ über die Beizjagd in Afghanistan äußert: „The chirk [Sakerfalke], which is tought to strike the antelope, and to fasten on its head, and retard it till the grey-hounds come up.“67 Aus dem letzten Jahrhundert stammt ein präziser Bericht von Gerd Kühnert, der die Beizjagd in Afghanistan persönlich kennengelernt und 1980 ein Buch darüber veröffentlicht hat. Er schildert die Jagd mit Sakerfalken auf Kropfgazellen in Turkestan. Beim Abtragen werde der Kopf einer Hausziege verwendet. Die Jagd selbst beschreibt er wie folgt: „Wird von dem reitenden Falkner in der Steppe ein Sprung Kropfgazellen ausgemacht, versucht er ein ihm zusagendes Tier abzusprengen und auf dieses den Saker zu werfen. Der Beizvogel fliegt den Kopf des Beutetieres von vorn an und bindet das Wild durch Manteln über den Augen, d.h. durch Zudecken des Kopfes mit den Schwin-

62 Brehm 1927, S. 280f. 63 Nach Schlegel / Verster van Wulverhorst 1999, S. 184. Nach einer mündlichen Mitteilung eines gewissen E. Klippel, auf die sich Hans-Heinrich Vögele in seinem einschlägigen Buch über die Falknerei beruft, werden auch beim Beduinenstamm der El-Hanadi Falken mittels einer Tierhaut auf Gazellen abgetragen (Vögele 1931, S. 67). 64 Zitiert nach Vögele 1931, S. 50. 65 Nach Vögele 1931, S. 52. 66 Zitiert nach Schlegel / Verster van Wulverhorst 1999, S. 168. 67 Elphinstone 1969, S. 144f. Siehe auch Gerd Kühnert 1980, S. 25f. mit deutscher Übersetzung.

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gen. Hierdurch irritiert, bleibt die Gazelle stehen und versucht durch kreisende, heftige Bewegungen, den Beizvogel abzuschütteln. Inzwischen haben die Tarsis [Jagdhunde] das Wild eingeholt und leisten dem Vogel durch Festbeißen Unterstützung. So kann der Falkner, der zu Pferd der Jagd folgt, die Gazelle greifen und abfangen (schächten).“68 In „Unknown Mongolia“ von Douglas Carruthers aus dem Jahr 1914 heißt es über die Gazellenjagd mit dem Adler in Ostturkestan nach einem Augenzeugenbericht: „[Der Adler] grabbed it by the rump with its strong talons. It regularly dragged the deer down, and held on for some time, the little gazelle kicking out like mad. We still galloped on, and I wondered what the finish would be. The shikari, when he got up to them, without drawing rein threw himself off his pony, and grabbed the deer by the hindleg, just as it had kicked itself free, and, pulling out his knife, cut its throat.“69 Robert Shaw schreibt 1871 in seinem Werk „Reise nach der Hohen Tartarei“, der Adler sei auch „[…] zum Rothwild- und Antilopen-Fang abgerichtet, wie die Falken zum Vogelfang.“70 Leider wird die Jagdmethode nicht näher erläutert, noch die Art des Wildes genauer beschrieben, so dass wir im Unklaren darüber bleiben, um welche Art von „Rotwild“ es sich tatsächlich handelt. Die Art und Weise, in der Shaw über die Behandlung des Adlers berichtet, lässt erahnen, dass er von der Falknerei nicht viel weiß und keine eigenen Erfahrungen mit ihr gemacht hat.71 Aufschlussreich ist auch der Bericht des berühmten britischen Afrikaforschers und Orientalisten Richard Francis Burton in seinem Buch „Falconry in the Valley of the Indus“ von 1852. Dort beschreibt Burton aus eigener Anschauung, wie die Inder mit dem Habicht Gazellen jagen: „Then she [der Habicht] descended upon the animal’s head, deafening it with her clashing pinions, and blinding it with her talons. […] Then the dogs, who had become ferocious as wolves, gained sensibly upon their victim.“72 Schließlich erreichen auch die berittenen Jäger den Ort des Geschehens und trennen nur mit Mühe ihre Hunde von der Gazelle. „The death of the gazelle is now considered the highest triumph of Eastern falconry.“73 Das Buch von Richard Francis Burton enthält auch zwei Zeichnungen, die das Geschehen illustrieren. Sie zeigen zum einen (Abb. 26) den von oben auf das Gazellenhaupt stoßenden Vogel mit den Reitern und ihren Greyhounds im Hintergrund, zum anderen die Situation, in der sich der Habicht unter Flügelschlagen am Kopf des Wildes festkrallt und es scheinbar zu Boden zwingt (Abb. 27). Die Beizjagd auf Gazellen in Indien wird von einigen weiteren europäischen Beobachtern erwähnt, jedoch nicht näher beschrieben.74

68 Kühnert 1980, S. 99. 69 Carruthers 1914, Vol. II, S. 587. 70 Shaw 1872, S. 133. 71 So scheint ihm der Zweck der Falkenhaube unbekannt zu sein: „[…] man hatte dem armen Geschöpf eine Haube über den Kopf gezogen […].“ Shaw 1872, S. 133. 72 Burton 1852, S. 84. 73 Burton 1852, S. 85. 74 Schlegel / Verster van Wulverhorst 1999, S. 171.

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Es ist von großer Bedeutung, dass derartige Jagdmethoden in der arabischen Welt schon sehr früh verbreitet gewesen zu sein scheinen. Detlef Möller schreibt in seinen „Studien zur mittelalterlichen arabischen Falknereiliteratur“, der Sakerfalke sei für den paarweisen Einsatz auf Gazellen abgetragen worden.75 Dies sei mit Hilfe eines Gazellenfells geschehen, zwischen dessen Ohren man die Atzung befestigte. In der nächsten Trainingsphase habe man mit gefangenen Gazellen gearbeitet. In seinem „Buch der Belehrung durch Beispiele“ aus der Zeit zwischen 1155 und 1182 schildert der syrische Ritter Usama ibn Munqiü die Jagd auf Gazellen mit Hilfe mehrerer Würgfalken. Die Falken scheinen die Tiere am Haupt zu attackieren („Er [der Falke] fasst eine Gazelle am Ohr und bindet sie“) um sie vom Rest des Rudels zu trennen und den Hunden den Angriff zu ermöglichen.76 Im Falknereibuch „Kitab dawar\ a5-5ayr“ („Die Beizvögel“) von Al Gi5r\f ibn Qudama al-Gassan\ aus dem achten Jahrhundert wird angemerkt, dass Sakerfalken und Adler auf Gazellen und „größeres Wild“ abgetragen werden können.77 Eine Schilderung der Jagd selbst fehlt hier allerdings. Wie man sich die Jagd der Araber auf Kropfgazellen im 19. Jahrhundert vorstellte, zeigt übrigens ein Aquarellgemälde des Künstlers J. Clark (Abb. 28).

V Auswertung der Quellen Die hier zusammengetragenen Quellen aus dem 17. bis 20. Jahrhundert zeigen, dass die Jagd mit dem Greifvogel auf Gazellen bzw. Antilopen von Nordafrika über Persien, Afghanistan und Turkestan bis Indien bekannt war. Die frühsten Hinweise stammen aus einem arabischen Werk des achten Jahrhunderts. Der Großteil der angeführten Berichte hat zwei wesentliche Dinge gemein: Erstens wird der Greifvogel abgetragen, indem man ihn auf einer Haut bzw. einem Kopf des zu bejagenden Wildes atzt. Zweitens wird er daraufhin auf das Haupt seiner Beute stoßen, sich dort festhalten und das Stück mit Klauen und Schwingen so bedrängen und behindern, dass es zu Boden geht und/oder die berittenen Jäger und ihre Hunde nachfolgen und eingreifen können. Was die Methode des Abtragens anbelangt, so ist zu sagen, dass unerfahrene Jungvögel in der Tat zunächst noch die Tendenz haben, jedes flüchtende Wild – ob dem natürlichen Beutespektrum zugehörig oder nicht – anzujagen. Erst durch das Sammeln von Erfahrungen lernt der Jungvogel, seine Beute richtig einzuschätzen. Wenn ein junger Greifvogel in freier Wildbahn ein größeres Stück Wild, etwa ein Stück Schalenwild anjagt, wird er schnell feststellen, dass er auf diese Weise nicht an Nahrung gelangt und diesen Versuch in Zukunft unterlassen. Wenn hier jedoch der Mensch eingreift und dem Greifvogel mit Hilfe einer Attrappe positive Erfahrungen vermittelt,

75 Möller 1965, S. 150f. 76 Preissler 19812, 244f., vgl. 232f. 77 Möller 1988, S. 74, 93, 96; neue Edition mit französischer Übersetzung: Möller / Viré 2002.

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wird er dieses Verhalten in freier Natur wiederholen. Was die Jagd selbst betrifft, so besteht sie lediglich im Stoßen, Binden und Manteln. Das bedeutet, der Vogel lässt sich auf dem Kopf des Wildes, wo er in der Trainingszeit seine Atzung erhielt, nieder, versucht mit aller Macht, sich mit den Klauen am Haupt festzukrallen und schlägt die Flügel über seine vermeintliche Beute. Dies entspricht durchaus dem natürlichen Jagdverhalten des Greifvogels bei kleinerem Wild. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass der Greifvogel seine natürliche Beute selbst und ziemlich rasch tötet – mit den Klauen (Grifftöter) oder im Falle eines Falken (Bisstöter) durch einen gezielten Genickbiss bzw. die enorme Wucht des Aufpralls. Der Vogel mantelt, das heißt er schirmt seine erlegte Beute mit den Schwingen von möglichen Konkurrenten ab und beginnt schließlich, sie mit dem Schnabel zu rupfen und zu zerlegen.78 Bei der hier thematisierten widernatürlichen Jagdmethode bindet der Vogel nur das Haupt des Wildes und mantelt darauf solange, bis der Jäger das Stück tötet und ihm die erhoffte Atzung zukommen lässt. Durch Festkrallen und Schlagen der Schwingen wird das Wild in Sicht und Bewegung stark behindert, gegebenenfalls ist der Vogel sogar in der Lage, das Wild zu Fall zu bringen oder gar zu Boden zu ringen. Tötungshandlungen des Greifvogels sind bei einem so großen Stück Wild jedoch nicht zu erwarten. Dass beim Binden auch die Augen des Beutetieres in Mitleidenschaft gezogen werden, ist leicht vorstellbar. Das gezielte Aushacken der Augen mit dem Schnabel erscheint jedoch unrealistisch.79 Greifvögel hacken für gewöhnlich nicht auf lebende Beutetiere mit dem Schnabel ein. Der Schnabel kommt erst zum Einsatz, wenn das Tier tot ist. Nur Falken töten mit einem gezielten Biss in das Genick. Da das Hacken nach den Augen, wie wir oben gesehen haben, ohnehin in nur wenigen Berichten erwähnt wird, ist eine Art Missverständnis erwägbar. Ein europäischer Beobachter, der das Geschehen aus einiger Entfernung betrachtete, mag die hitzige und für den Unbedarften wenig übersichtliche Auseinandersetzung falsch interpretiert und ein Hacken mit dem Schnabel irrigerweise hineininterpretiert haben, zumal die Klauen des Vogels in der Tat sichtbare Verletzungen im Augenbereich verursacht haben dürften. Im Übrigen lässt sich in der Tat auch der Einsatz von Greifvögeln gegen Menschen nachweisen. So gibt es etwa in einem Falknereibuch des Arabers Al-Asad\, das zwischen 1237 und 1242 entstanden ist, einen Abschnitt mit der Überschrift „Wer einen Fürsten zum Lachen bringen will“.80 Dort wird beschrieben, wie man mit Hilfe einer Menschenpuppe erreicht, dass eine Gruppe von drei bis fünf Sakerfalken eine bestimmte Person angreift. Entscheidend ist hierbei, dass die Puppe den gleichen Turban trägt wie das Opfer. Ähnliches ist laut Sir Jean Chardin auch im 16. Jahrhundert in

78 Brüll / Trommer 20005, Abb. 16.4. 79 Darauf (und auf vieles andere) hat mich Hans-Albrecht Hewicker aufmerksam gemacht, dem ich für seine unermüdliche Hilfe nicht genug danken kann. 80 Möller 1965, S. 151. Eine Edition mit französischer Übersetzung, die mir leider nicht zugänglich war, ist 1880 erschienen: Pharaon 1880.

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Persien üblich gewesen.81 Von einem Kampfeinsatz, wie es Bernström vorschwebt, ist hier jedoch nicht die Rede. Vielmehr handelt es sich um eine Art höfische Belustigung. Möchte man dennoch ein nordisches Bilddenkmal anführen, dass einen derartigen Greifvogelangriff widergeben könnte, so wird man weniger die Schlachtszenen auf gotländischen Bildsteinen mit ihren leichenfressenden Vögeln der Walstatt, sondern eher einen Kreuzstein von Kirk Michael auf der Isle of Man ins Auge fassen müssen (Abb. 29). Er zeigt auf Seite A oben rechts neben dem Kreuz einen stehenden oder zumindest noch nicht vollends niedergesunkenen – also noch lebenden – Mann, auf dessen Kopf sich ein Greifvogel festkrallt. Vor dem hier gezeichneten Hintergrund erscheint es in der Tat gut denkbar, wenn nicht wahrscheinlich, dass die oben beschriebenen nordischen Bilddenkmäler vergleichbare „östliche“ Jagdmethoden spiegeln. Wie sonst sollte der Angriff des Greifvogels auf das Haupt des Hirsches im Kontext einer Jagddarstellung zu erklären sein? Dabei ist von Bedeutung, dass der Stein von Balingsta und die Stickerei von Bilden einen Reiter und einen Hund abbilden, die das vom Greifvogel bereits bedrängte Wild verfolgen. Der Ablauf der Jagd gleicht also durchaus der in den angeführten Texten beschriebenen Vorgehensweise. Auf dem „Joalf Cross“ wird das Wild von einem Hund gehetzt und von einem Paar Greifvögel attackiert. Dies entspricht dem Vorgehen der Araber im Mittelalter, bei denen es laut Detlef Möller üblich war, zwei Sakerfalken auf eine Gazelle zu werfen.82 Drei Einwände sind jedoch zu bedenken: 1.) Der Greifvogel von Balingsta attackiert den Hirsch mit dem Schnabel. Das wirkt, wie gesagt, unrealistisch. Auch ist ein Schlagen mit den Schwingen nicht erkennbar. Auf dem Stein von Stonegrave und dem „Joalf Cross“ ist weder das Manteln noch das Festkrallen auf dem Haupt der Beute zu sehen. 2.) Eine Gazelle ist kein Rothirsch. Die in den angeführten Berichten als Beute erwähnte Kropfgazelle bringt es auf 30 bis 40 kg, die Indische Gazelle beispielsweise auf etwa 25 kg Lebendgewicht. Ein Rothirsch kann das Vielfache dieses Gewichtes erreichen. Bei einem so mächtigen Tier, das zudem über ein ungleich größeres und für den Angreifer aus der Luft wesentlich gefährlicheres Geweih verfügt, dürften die Störaktionen des Vogels weniger effektiv sein. Zu Boden bringen wird er es keinesfalls. 3.) Es bleibt Bernströms Einwand, sowohl in Skandinavien als auch auf dem Kontinent sei kein einziger schriftlicher Beleg dieser Jagdmethode ausfindig zu machen. Was den ersten Einwand anbelangt, so könnte man sich vielleicht vorstellen, dass der Künstler die Jagdmethode nicht aus eigener Anschauung kannte und daher nicht ganz korrekt wiedergab. Der zweite Einwand lässt sich ebenfalls ein wenig relativieren. Auch wenn auf den Bilddenkmälern recht stattliche Hirsche zu sehen sind, so ist doch zu fragen, ob sie wirklich das in der Realität bejagte Wild authentisch abbilden. Man mag in Wirklichkeit nur geringes und junges männ-

81 Schlegel / Verster van Wulverhorst 1999, S. 167. 82 Vermutlich bezieht sich Möller auf Al-Asad\ (Möller 1965, S. 150f.). Siehe auch den Bericht des syrischen Ritters Usama ibn Munqiü aus der Zeit zwischen 1155 und 1182: Preissler 19812, 244f.

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liches, insbesondere aber weibliches Rotwild mit Hilfe eines Greifvogels gejagt, die Beute in der bildlichen Wiedergabe jedoch etwas stilisiert und idealisiert haben. Man wird mit einer ikonografischen Form wikingerzeitlichen Jägerlateins rechnen dürfen. Sogar der dritte Einwand kann und muss abgemildert werden:83 Im zehnten Buch seines Hauptwerks „Ruralia commoda“ (um 1300) beschreibt Petrus de Crescentius die Jagd mit dem Habicht (Kapitel VII „De asture“) und erwähnt kurz: „Feriunt etiam capriolos parvos et eos impediunt adeo, quod canes eos capere possunt.“84 Auch wenn Petrus keine weiteren Erläuterungen liefert, so können wir doch erkennen, dass der Habicht einen schwachen Rehbock (keinen Rothirsch) attackiert und ihn solange bedrängt, bis die Hunde ihn einholen und fassen können.85 Dies entspricht genau der in Asien bzw. der arabischen Welt angewandten Methode. Über die Vorlagen und Quellen des Jagdbuches von Petrus de Crescentius ist leider noch sehr wenig bekannt. Verbreitet scheint die Methode in Europa nicht gewesen zu sein, andernfalls hätte sie wohl in weiteren Quellen ihre Spuren hinterlassen. Eine Erklärung für das Schweigen der ansonsten reichen kontinentalen Quellen86 zur Beizjagd könnte damit zusammenhängen, dass die Nordgermanen die „Hirschbeize“ unmittelbar im Osten übernommen haben, während der Kontinent87 davon fast unberührt blieb. Da die frühsten möglichen Zeugnisse88 einer Beizjagd-Praxis im Norden – hier sind insbesondere die vendelzeitlichen Fürstengräber von Vendel (Grab 3), Valsgärde (Grab 6) und Rickeby

83 Für diese wertvolle Information (und weitere Hinweise) habe ich Martina Giese herzlich zu danken. 84 Richter 1998, S. 175. Es gibt zwei deutsche Übersetzungen aus dem 14. und 15. Jahrhundert, welche die entsprechende Stelle jedoch nachhaltig verändern: Lindner 1957, S. 98f., 129, vgl. 67f. 85 Der Syrer Usama ibn Munqiü erzählt in seinem zwischen 1155 und 1182 entstandenen Werk, er sei gemeinsam mit Emir Mu’\n ad-D\n zu Besuch am Hof des Frankenkönigs Fulk (Fulko V., Graf von Anjou und König von Jerusalem) in Akkon gewesen und habe dort einen Habicht als Geschenk erhalten, den zuvor ein Genuese besessen und bei der Beizjagd auf Kraniche eingesetzt habe (Preissler 19812, 215). Auf dem Rückweg von Akkon sah der Syrer, wie sich dieser Habicht „[…] auf Gazellen wie auf ein Stück Fleisch stürzte.“ Sollte der Bericht in dieser Form der Wahrheit entsprechen, dann muss der Mann aus Genua seinen Habicht für die Jagd auf Schalenwild trainiert haben. Da er diese Trainingsund Jagdmethode jedoch auch erst während seines Aufenthalts im Heiligen Land kennengelernt haben könnte, darf die Geschichte nicht als eindeutiger Beleg gewertet werden. Wohl aber bekommen wir anhand dieser Erzählung einen Eindruck davon, wie wir uns den Austausch von jagdlichem Know-How zwischen Ost und West während des Hochmittelalters vorstellen können. 86 Als Überblick siehe: Lindner 1976, S. 165–169. Archäologisch beispielsweise: Dobiat 1996, S. 722. 87 Zur Verbreitung der Beizjagd auf dem Kontinent durch die Germanen, die sie bei den Sarmaten kennengelernt haben dürften, siehe: Birkhan 1972; Lindner 1973, S. 111–148; Åkerström-Hougen 1974, S. 99–101; Lindner 1976, S. 165. Einen gelungenen Überblick über die Geschichte und Verbreitung der Falknerei in Ost und West liefert Stefan Georges: Georges 2006, S. 15–31. 88 Vendel: Stolpe 1912, S. 59; Valsgärde: Arwidsson 1942, S. 110 f; Rickeby: Sjösvärd 1989, bes. S. 34–40 (Beitrag von Maria Vretemark), Fig. 17; Bildstein von Klinte, Kirchspiel (Klintebys): Lindqvist 1941/1942, Bd. I Fig. 134, Bd. II S. 81f.; Vretemark 1979; Åkerström-Hougen 1981, S. 275f., 285; Vretemark 1983. Siehe auch die Hinweise von Jan Peder Lamm in Lamm / Steuer 2000. Als frühstes Zeugnis könnten Greifvögelbeigaben in einem der Grabhügel von Uppsala aus der Zeit um 500 angeführt werden (Vretemark 1983, 49).

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(A1) sowie ein gotländischer Bildstein zu nennen – aus dem östlichen Schweden stammen, meint Gisela Hofmann sogar, die Skandinavier hätten die Beizjagd generell ohne Vermittlung des Kontinents oder des Westens durch unmittelbaren Kontakt mit den Völkern des Ostens kennengelernt. Es sei „[…] ja bekannt, dass das gotische Reich am Schwarzen Meer kulturell nach Skandinavien zurückgewirkt hat und dass die Einflüsse vor allem Schweden betroffen haben. Dort wurde auf den über den Ostweg gekommenen Anregungen weitergebaut, und diese bildeten die Grundlage für die hohe Kulturblüte der Vendelzeit. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass auch die Kunst, mit dem Falken zu jagen, auf diesem Wege gekommen ist.“89 Auch wenn dieses Bild so kaum aufrechtzuerhalten und der entscheidende Impuls bei der Übernahme der Beizjagd durch die Nordgermanen eher im Westen zu lokalisieren ist,90 könnten doch einzelne Ideen und Methoden – auch in späterer Zeit91 – durchaus ohne Anteil des Kontinents vom Osten nach Skandinavien gelangt sein.92 Nur am Rande sei hier auf zwei weitere Umstände hingewiesen, die in die Überlegungen einbezogen werden müssen. Zunächst darf nicht übersehen werden, dass die geschilderte Jagdmethode, wie auch die angeführten Schriftquellen z.T. anschaulich bezeugen, eine bestimmte Beschaffenheit des Geländes voraussetzt. In einer geschlossenen Waldlandschaft ist die Hirschhatz mit dem Greifvogel kaum durchführbar. Es muss sich um eine großflächige offene Landschaft handeln. Wo diese in Skandinavien und England zu welchem Zeitpunkt zur Verfügung stand und wie sich dies mit Datierung und Herkunft der entsprechenden Bilddenkmäler verträgt, kann hier nicht eingehend geprüft werden. Außerdem ist die Art des Greifvogels, die sich anhand der bildlichen Darstellungen kaum sicher bestimmen lässt, von Belang. Sollte die Jagd auf den Rothirsch im Norden tatsächlich mit Hilfe abgetragener Greifvögel durchgeführt worden sein, so wäre mit dem Einsatz eines möglichst großen Vogels zu rechnen. Ob Falke oder Habicht in der Lage sind, einen ausgewachsenen Rothirsch nachhaltig zu behindern, ist diskussionswürdig. Hier wäre der Steinadler, der etwa bei den Kirgisen auf Wolf und Antilope und auch heute in Europa auf Rehwild abgetragen wird, die erste Wahl. Doch gerade der Steinadler scheint in der abendländischen Falknerei bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts keine Rolle gespielt zu haben.93 Auch Friedrich der II. hat ihn offenbar nicht verwendet. Belege für seine Verwendung im Norden sind mir keine bekannt.

89 Hofmann1957/1958, S. 133. 90 Jankuhn 1960; Lindner 1976, S. 169; Åkerström-Hougen 1981, S. 292. Zur Beizjagd im angelsächsichen England: Oggins 2004, 36–49. 91 Man denke an den starken Einfluss des Ostens auf die Kultur der Wikingerzeit in Schweden, wie er sich etwa in Birka bemerkbar macht (siehe dazu beispielsweise Hedenstierna-Jonson / Holmquist Olausson 2006). 92 Dies hat bereits Heiko Steuer angedeutet: Lamm / Steuer 2000. 93 Giese 2009, S. 2f.; Giese 2010, S. 356–360.

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VI Deutungsalternative: Keltische Vorbilder? Angesichts der zugegebenermaßen recht lückenhaften und wenig eindeutigen Quellenlage sehe ich mich gezwungen, einen alternativen Lösungsansatz für unser jagdhistorisches Problem zu entwerfen. Er setzt bei den beiden ältesten nordischen Darstellungen der vermeintlichen Hirschbeize auf dem „Joalf Cross“ auf der Isle of Man und dem Fragment von Stonegrave in Eastern Yorkshire an. Wie bereits erwähnt, gehören Jagdszenen, insbesondere die Hirschjagd, zu den häufigsten Motiven auf den wikingischen „Manx Crosses“ und Bildsteinen Nordenglands. Ihre Vorbilder sind jedoch keineswegs skandinavisch. Die skandinavischen Neusiedler in Nordengland und auf der Isle of Man haben diese Form der Jagdikonografie von den zum Zeitpunkt ihrer Landnahme bereits vorhandenen keltischen bzw. anglo-keltischen Kreuzsteinen und Steinkreuzen übernommen. Auf den keltischen – dazu zählen auch die piktischen – und anglo-keltischen Steindenkmälern ist sowohl die Hirschjagd mit Hetzhunden als auch die Beizjagd gut bezeugt.94 An diesem Bildvorrat haben sich die Wikinger bedient und die fremden Motive in ihren eigenen Kunststil und ihre eigene Ikonografie und Vorstellungswelt integriert.95 Diese Adaption wirkt, so wurde mehrfach vermutet, auch auf die Kunst der skandinavischen Mutterländer zurück.96 Die berittenen Beizjäger auf dem spätwikingerzeitlichen Runenstein von Alstad im norwegischen Oppland (N 61–62)97 dürften auf diesen westlichen Einfluss zurückzuführen sein. Auch der Runenstein von Balingsta scheint letztlich in dieser Tradition zu stehen. Betrachtet man die möglichen Vorbilder der nordischen Jagddarstellungen im Westen etwas genauer, so ist festzustellen, dass die Hirschhatz und die Beizjagd bzw. Greifvogeldarstellungen zuweilen auf ein und demselben Bildstein auftauchen. Wie im Fall des Steins von Elgin in Moray im Nordosten Schottlands98 können die beiden jagdlichen Ereignisse so dicht beieinander platziert sein, dass für den Unkundigen nicht klar ersichtlich ist, wie die einzelnen Figuren richtig zugeordnet werden müssen (Abb. 30).99 Die Komposition von Elgin zeigt oben einen Reiter, der offenbar im Begriff ist, seinen Greifvogel, der auf der linken Hand seines Herrn sitzt, auf den Vogel unmittelbar vor dem Pferd zu werfen. Zwei Hunde, die das Federwild aufgespürt und

94 Z.B.: Allen 1903, Fig. 59, 69, 72A, 137A, 138, 228B, 231A, 240A, 240B, 252B, 265, 483B; Harbison 1992, Bd. 2, Fig. 66, 73, 111, 340, 342, 343, 347, 522. Henderson / Henderson 2004, S. 125 ff; Alcock 2003, S. 412ff. Möglicherweise mit der Falknerei verbunden: Bailey / Cramp 1988, Ill. 96, 117. 95 So bereits: Bugge 1899, S. 255f.; Bugge 1906, S. 169–182; Jüngst etwa: Fuglesang 2005, S. 84. 96 Wobei die Darstellungen von den Britischen Inseln letztlich auf die kontinentale Jagdikonografie der Antike zurückzuführen sein mögen. Siehe insbesondere: Fuglesang 1986, S. 186f.; Christiansen 1997, S. 199; Fuglesang 2004, S. 222; Fuglesang 2005, S. 84. 97 Olsen 1941–1960, Bd. I, S. 133ff. 98 Für Literaturhinweise bezüglich der piktischen Bildsteine möchte ich an dieser Stelle Mark Hall (Perth Museum and Art Gallery) meinen herzlichen Dank aussprechen. 99 Allen 1903, S. 135f.; Alcock 2003, S. 417f.; Henderson / Henderson 2004, S. 128f.; Carrington 1996, S. 459ff.

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eventuell hochgemacht haben, begleiten den Reiter. Der eine läuft voran, der andere richtet sich hinter dem Pferd auf, als wolle er mit der Schnauze die Hand seines Herrn erreichen. Unterhalb dieser Beizjagddarstellung ist eine Hirschhatz zu sehen. Ein Reiter, der offenbar mit einer Jagdlanze ausgerüstet ist, folgt einem stattlichen Rothirsch. Ein Hund hat das Wild bereits eingeholt und attackiert es mit einem Biss in das große Gescheide. Darunter sind zwei weitere Reiter dargestellt, deren Kontext nicht zu bestimmen ist. In den Augen eines Unbedarften, der nicht viel von der Beizjagd versteht, mag die Bildkomposition von Elgin den Eindruck machen, als stelle sie ein einzelnes Jagdgeschehen dar. Man könnte annehmen, sowohl der Reiter mit dem Beizvogel oben im Bild als auch der Reiter unmittelbar darunter konzentrierten sich auf den Hirsch. Ein derartiges Missverständnis könnte dazu geführt haben, dass die skandinavischen Künstler zwei verschiedene Bildmotive, Hirschhatz und Beizjagd, miteinander verbunden und so das unrealistische Motiv der Hirschbeize geschaffen haben. Den Hintergrund dieser Situation könnte die Einschätzung bilden, die Beizjagd habe im Norden vor Beginn des Mittelalters keine sehr große Rolle gespielt.100 Dass die skandinavischen Künstler in Nordengland und auf der Isle of Man nur vage Vorstellungen von der Beizjagd hatten, ist unter dieser Voraussetzung durchaus denkbar. Als weiteres schottisches Beispiel könnte der Stein von Shandwick in Moray angeführt werden (Abb. 31).101 Er zeigt (hier unten rechts) einen knienden Mann, der mit Pfeil und Bogen auf einen Rothirsch zu schießen beabsichtigt. Ein Vogel befindet sich unmittelbar hinter dem Jäger und scheint sich an ihm festzuhalten. Es macht durchaus den Eindruck, als gehörten Jäger und Vogel unmittelbar zueinander. An der Hirschjagd ist letzterer jedoch nicht beteiligt. Von den irischen Steinkreuzen könnte

100 So etwa: Lindner 1976, S. 169–171; Hofmann 1957–1958, S. 116–139, bes. S. 131ff. Die Anzahl in Gräbern nachgewiesener Greifvogel-Beigaben ist jedoch seit Kurt Lindners und Gisela Hofmanns Arbeiten stark gestiegen (Tyrberg 2002, S. 227–230). Der Zeugniswert von bildlichen Greifvogeldarstellungen ohne offensichtlichen jagdlichen Kontext indes wird gerade in der jüngeren Forschung stark überschätzt. Weder die Börsenbeschläge von Sutton Hoo und die Sattelbeschläge von Vallstenarum auf Gotland noch die ebenfalls vendelzeitlichen Vogelfibeln oder die Tierbilder auf dem frühwikingerzeitlichen Runenstein von Sparlösa verweisen eindeutig auf abgetragene Beizvögel (so jedoch: Åkerström-Hougen 1981, S. 267–275, Fig. 2, 7, 9; jüngst beispielsweise: Jennbert 2007). Die germanische Greifvogelsymbolik ist vielschichtig und keineswegs allein durch die Beizjagd zu erklären (zu den verschiedenen möglichen Deutungsebenen, um nur einen anschaulichen Überblick zu nennen: Paulsen 1953, S. 156ff.). Ganz abwegig ist die Einbeziehung der völkerwanderungszeitlichen Goldbrakteaten (Åkerström-Hougen 1981, S. 269–271, Fig. 6), für die Karl Hauck einen methodischen Zugang gefunden und in über 60 Einzeluntersuchungen eine umfassende mythologische Interpretation vorgelegt hat, die weitgehend Zustimmung erfährt. Zu Haucks Studien und ihrer Stellung siehe: Heizmann 2007; Düwel / Heizmann 2009, S. 349–355. Dort auch zur veralteten und verfehlten Reiter-Deutung der C-Brakteaten, der Åkerström-Hougen unbekümmert folgt. Ein vollständiges Verzeichnis der hauckschen Schriften zur Ikonologie der Goldbrakteaten wird auf folgender Internetseite geboten: http://www. fruehmittelalter.uni-muenster.de/goldbrakteaten. Zu den Vogeldarstellungen auf Brakteaten siehe jüngst auch: Oehrl 2010b. 101 Allen 1903, S. 69–73.

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das „South Cross“ von Castledermot, County Kildare einbezogen werden (Abb. 32).102 Auf der Westseite der Kreuzbasis sind dort zwei Jäger mit einem Speer bzw. einer Art Jagdschwert zu sehen, die eine Gruppe von größerem Schalenwild verfolgen. Darunter ist auch ein Hirsch. Er befindet sich rechts unten und scheint von einem Jagdhund attackiert zu werden.103 Gleich darüber ist zudem ein Vogel dargestellt. Auch wenn es so aussehen mag, als sei die Aufmerksamkeit des Vogels auf den Hirsch gerichtet, muss er doch aufgrund seines langen Halses und seiner gesamten Körperform als Wasservogel und somit als weiteres Beutetier angesprochen werden. Mit Beizjagd hat die Darstellung nichts zu tun. Dennoch könnte ein nordischer Künstler, der die Jagd mit Greifvögeln nur vom Hörensagen kannte, den Wasservogel als Greifvogel missverstanden und eine Art der Hirschbeize hineingelesen haben. Ähnliches mag für die Ostseite der Basis eines St. Patrick und St. Columba geweihten Steinkreuzes (Abb. 33) und die Nordseite der Basis des „Market Cross“ in Kells, County Meath gelten.104 Auf beiden ist in eine Jagdszene mit mehreren Hetzhunden auf Rot- und Schwarzwild ein Vogel mit langem Hals eingestreut. Die Ostseite der Kreuzbasis des „Market Cross“ bildet zwei Kentauren mit Pfeil und Bogen bzw. einem Dreizack ab (Abb. 34). Auf dem Rücken des Kentauren rechts im Bildfeld steht ein Vogel. Vor dem zweiten Kentauren, der sich in der Mitte befindet, greift ein Vogel einen Fisch. Unmittelbar daneben, in der linken Bildecke scheint tatsächlich ein weiterer Vogel einen kleineren Vierfüßler zu greifen bzw. auf dessen Rücken zu stehen. Das Verhältnis der Figuren zueinander ist jedoch unklar und das Auftreten der Pferdemenschen sowie der Vogel-Fisch-Kombination105 verweist eindeutig auf christlich-mythologische Vorstellungen, so dass von einer realistischen Jagddarstellung106 eigentlich keine Rede sein kann. Ähnliches gilt für den sehr schlecht bewahrten schottischen Bildstein aus der Kirche von Nigg in Easter Ross (Abb. 35), auf dem an oberster Stelle der Bildfläche einst ein Greifvogel zu sehen war.107 Dieser war ursprünglich unmittelbar über einem nicht näher bestimmbaren, heute verlorenen Vierbeiner positioniert (Abb. 36).108 Auch wenn einige der Bilder unterhalb dieser Figurenkombination als Jagdszenen angesprochen werden können, ist die Bedeutung der Vogel-Vierbeiner-Kombination ungewiss. Nicht nur, dass die Art des Wildes unbestimmbar und eine echte Attacke des Vogels nicht unmittelbar erkennbar sind – auch verweisen Schaf und Harfe, die etwa in der Mitte der Bildfläche zu sehen sind und König David vergegenwärtigen, auf einen alttestamentarischen

102 Harbison 1992, Bd. 1, S. 39–41. 103 Allerdings könnte es sich auch um einen Hasen handeln. Die „Löffel“ des Hasen sind auf der Fotografie bei Harbison nicht deutlich als solche zu erkennen und könnten auch Teil des Wasservogels darüber sein. 104 Harbison 1992, Bd. 1, S. 103–111, Fig. 342, 343. 105 Mütherich 1986. 106 Peter Harbison spricht dennoch von einer Jagdszene: Harbison 1992, Bd. 1, S. 104. 107 Allen 1903, S. 80ff. 108 Henderson / Henderson 2004, S. 126f., Fig. 184.

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Kontext. Ein christlich-mythologischer Kontext ist auch im Fall des piktischen St. Andrew Sarkophags aus der Zeit um 800 gegeben.109 Neben Darstellungen aus dem Alten Testament erscheint hier ein Greif – eine Mischung aus Adler und Löwe – der einen Esel schlägt (Abb. 37). Unmittelbar darüber erscheint David zu Pferd mit einem Beizvogel auf der Hand.110 Einem skandinavischen Künstler, der diese Steine betrachtet und als Vorbild bzw. Anregung verwendet hat, mögen die christlich-mythologischen Zusammenhänge unklar oder unwichtig gewesen sein. Als eine Art „Übergangsform“ sei das wikingische „Thor Cross“ von Bride auf der Isle of Man genannt (Abb. 38).111 Auf Seite A des Steins ist auf beiden Hälften der Bildfläche jeweils eine Hirschjagd dargestellt. Links wird ein Hirsch von einem Hund gehetzt und von einem Mann mit einer Lanze frontal angegriffen. Ein weiterer Mann scheint unter dem Hirsch zu liegen, ein weiterer Hund ist über dem Hirsch zu sehen. Hinter dem Mann mit der Lanze kauert ein Vogel. Der Hirsch auf der rechten Seite der Fläche wird von einem Hund attackiert, der scheinbar auf dem Rücken des Wildes steht und im Begriff ist, im Nackenbereich zuzufassen. Unmittelbar vor dem Hirsch ist ein großer Vogel mit gekrümmtem Schnabel platziert. Es macht den Anschein, als seien die beiden unbeteiligten Vogelfiguren etwas deplatziert und unbedacht in die unübersichtliche Jagddarstellung eingestreut worden. Hier könnte der skandinavische Künstler ein Vorbild vor Augen bzw. vage in Erinnerung gehabt haben, auf dem Hirsch- und Beizjagd nebeneinander auftraten, ohne dass er sich über die Funktion der Greifvögel im Klaren gewesen wäre. Sollte meine Hypothese das Richtige treffen, so könnten letztlich auch die Darstellungen von Balingsta und Bilden auf dieses – oder ein vergleichbares, andernorts zu lokalisierendes – Missverständnis zurückzuführen sein. Sowohl die Vorstellung, die Skandinavier könnten die „Beizjagd“ auf größeres Schalenwild im Osten kennengelernt haben als auch die Idee, es liege ein Missverständnis bzw. eine Uminterpretation westlicher Bildmotive vor, könnten angesichts des piktischen Bildsteins von Kirriemuir in Angus (Abb. 39–40) ins Wanken geraten. Er zeigt (unter dem rechten Kreuzarm auf Seite 1 des Steins) einen Geweihträger, der anscheinend von einem Vogel verfolgt und attackiert wird.112 Bedauerlicherweise ist der Vogel nur schlecht bewahrt und sein genaues Aussehen nicht zu rekonstruieren. Das Geweih des Wildes ist stilisiert, doch der lange Wedel lässt deutlich einen Rothirsch erkennen. Die heraushängende Zunge sowie die Haltung der Beine zeigen, dass der Hirsch am Ende seiner Kräfte ist. Darunter sind drei weitere Vierfüßler – Hetzhunde oder weiteres Wild – zu sehen. Als Jäger könnte der große Mann in der linken Bildhälfte angesprochen werden. Er scheint dem Geschehen zu folgen. Eine of-

109 Ritchie 1989, S. 40; Henderson / Henderson 2004, S. 78; Carrington 1996, S. 460ff. 110 Henderson / Henderson 2004, Fig. 190. 111 Kermode 19942, S. 180–185. 112 Allen 1903, S. 227; Henderson / Henderson 2004, S. 126, Fig. 183

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fensichtliche Jagdszene ist auf der Rückseite (Seite 2) des Bildsteins dargestellt.113 Ein berittener Jäger mit einer Lanze hetzt einen Rothirsch, der bereits von einem Hund eingeholt und gefasst wird. Allem Anschein nach dürfte also auf Seite 1 des piktischen Kreuzsteins von Kirriemur eine Hetzjagd auf einen Rothirsch dargestellt sein, an der auch ein Vogel beteiligt ist. Dass die eigenartige Beinhaltung des Tieres und die heraushängende Zunge auf ein verendetes Stück Wild hindeuten und der Vogel somit als Aasfresser zu bestimmen ist,114 halte ich für weniger plausibel. Sollte der Stein von Kirriemur folglich bezeugen, dass die Pikten Greifvögel bei der Hirschjagd einsetzten? In diesem Fall wäre durchaus zu fragen, ob die Skandinavier diese Jagdmethode nicht auch im Westen kennengelernt haben könnten. Andererseits handelt es sich bei der Darstellung von Kirriemur (soweit ich es überblicke) um einen Einzelfall, der keineswegs zwingend auf die reale Existenz einer derartigen Jagdmethode verweist. Möglicherweise ist es bereits auf Seiten der piktischen Künstler zu einem Missverständnis oder einer Fiktionalisierung des Beizjagdmotivs gekommen und die nordischen Steinmetze haben lediglich das Bildmotiv übernommen. Ich muss die Frage offen lassen.

VIII Fazit Spiegeln die Darstellungen von Balingsta, Husby-Lyhundra kyrka, Bilden, Stonegrave und Kirk Michael folglich eine spezielle, nur für Asien bzw. die arabische Welt schriftlich belegte Jagdmethode, welche die Skandinavier im Osten oder gar bei den Pikten kennengelernt haben, oder gehen sie auf Missverständnisse bzw. Uminterpretationen bei der Adaption fremder Bildmotive zurück? Stellen sie realistische Jagdszenen, Abbildungen einer nordischen „Hirschbeize“ dar oder handelt es sich um reine Fiktion? Lag also John Bernström mit seiner Einschätzung richtig oder ist vielmehr den Einwänden Lennart Karlssons zu folgen? Eine Entscheidung für die eine oder die andere Erklärung muss dem Urteil des Lesers überlassen bleiben. Angesichts der schwierigen Quellenlage wage ich zu diesem Zeitpunkt keine Entscheidung zu fällen. Zumindest hoffe ich, eine überraschenderweise bislang kaum beachtete jagdhistorisch-ikonografische Problematik vergegenwärtigt und eine lang versäumte interdisziplinäre Debatte angeregt zu haben. Durch die hier gebotene Klärung der jagdlichen Hintergründe sowie Zusammenstellung und Auswertung der erreichbaren Bilddenkmäler und Schriftzeugnisse sind die unverzichtbaren Grundlagen für weitere Diskussionen geschaffen und die von Bernström und Karlsson geäußerten Überlegungen auf ein neues Niveau gehoben.

113 Allen 1903, Fig. 240B. 114 Alcock 2003, S. 418, Fig. 183.

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koram-Pass. Autorisierte vollständige Ausgabe für Deutschland. Aus dem Englischen von J. E. A. Martin (Jena). Silén 1983: Lars Silén: Några reflektioner angående bilderna på Balingsta-stenen i Uppland. In: Fornvännen 78, S. 88–91. Sjösvärd 1989: Lars Sjösvärd: HaukR – en rinker från Vallentuna. Riksantikvarieämbetet och Statens Historiska Museer, Rapport UV 1989:2. Arkeologisk undersökning av fornlämning 27, Rickeby, Vallentuna sn, Uppland (Stockholm). Stolpe 1912: Hjalmar Stolpe: Graffältet vid Vendel. Arkeologiska Monografier 3 (Stockholm). Stuart 1856: John Stuart: Sculptured Stones of Scotland, Bd. 1. Spalding Club 27 (Edinburg). Tyrberg 2002: Tommy Tyrberg: The archaeological record of domesticated and tamed birds in Sweden. Acta zoological cracoviensia 45. Special Issue, S. 215–231. Vögele 1931: Hans-Heinrich Vögele: Die Falknerei. Eine ethnographische Darstellung. Veröffentlichungen des Geographischen Instituts der Albertus-Universität zu Königsberg, Pr. Neue Folge, Reihe Ethnographie Nr. 1 (Königsberg). Vretemark 1983: Maria Vretemark: Prehistoric Falconry in Sweden. In: Ulf Erik Hagberg et al. (Hg.): Sachsensymposion Skara 1983. 34. Symposion der Arbeitsgemeinschaft für Sachsenforschung in Skara 29. Augusti bis 3. September 1983 (Skara 1983), S. 46–52. Vretemark 1988: Maria Vretemark: Storgravsprojektet – osteologiska analyser av yngre järnålderns benrika brandgravar. In: Fornvännen 83, 1988, S. 144–156. Weber 1972: Gerd Wolfgang Weber: Das Odinsbild des Altunasteins. In: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 94, S. 323–334. Willemsen 1942: Carl Arnold Willemsen (Hg.): Friderici Romanorum Imperatoris Secundi. De arte venandi cum avibus, Bd. I–II. Nunc primum integrum editit Carolus Arnoldus Willemsen (Leipzig 1942).

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Abbildungen

Abb. 1 Runenstein von Balingsta prästgård in Uppland (U 855); die zusammengesetzten Bruchstücke in Böksta backe: Hirschhatz mit Greifvogel und Bogenschütze (mit freundlicher Genehmigung von Marit Åhlén)

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Abb. 2 Bildstein von Garda kyrka auf Gotland; Fragment II: Elche mit Kehlbeutel (nach Lindqvist 1941/1942)

Abb. 3 Runenstein von Balingsta prästgård in Uppland (U 855); fehlerhafter Stich von Rhezelius: Der Greifvogel wurde als Teil des Geweihs missverstanden (nach Jansson / Wessén 1940–1958)

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Abb. 4 Runenstein von Balingsta prästgård in Uppland (U 855); Detail: Der Greifvogel auf dem Hirschhaupt (nach Jansson / Wessén 1940–1958)

Abb. 6: Das Wappen von Jämtland auf einem Siegel aus dem Jahr 1635; Zeichnung der Bilddarstellung in der Siegelmitte: Rothirsch mit Vogel und Vierbeiner (Zeichnung des Verfassers)

Abb. 5 Runenstein von Estuna kyrka in Uppland (U 574); Detail: Greifvogel schlägt Schlange (nach Jansson / Wessén 1940–1958)

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Abb. 7: Die eisernen Türbeschläge von Roglösa in Östergötland; obere Partie: Jagdszene mit Hirsch und Beizvogel, der auf einen kleinen Vierbeiner stößt (nach Karlsson 1980)

Abb. 8: Gotländischer Bildstein Lärbro St. Hammars I; fünftes Register von oben: Kampfszene mit Vogel (nach Lindqvist 1941–1942)

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Abb. 9: Gotländischer Bildstein Lärbro Tängelgårda I; oberstes Register: Schlachtszene mit Walstattvögeln (nach Lindqvist 1941–1942)

„Beizjagd“ auf den Rothirsch

Abb. 10: Bildstein von Husby-Lyhundra kyrka in Uppland (U 548): Ein Greifvogel (simplifizierte Darstellung) stößt auf einen Geweihträger (nach Jansson / Wessén 1940–1958)

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Abb. 11: Bildstein von Frötuna in Rasbo sn, Uppland (U 1004): agnus dei (nach Jansson / Wessén 1940–1958)

Abb. 12: Runenstein von Vidbo kyrka in Uppland (U 375); Fotografie des Runenwerks: Reiter mit schlecht erhaltenem Greifvogel (nach Jansson / Wessén 1940–1958)

„Beizjagd“ auf den Rothirsch

Abb. 13: Runenstein von Vidbo kyrka in Uppland (U 375); Zeichnung von Peringskiöld: Reiter mit Greifvogel (nach Jansson / Wessén 1940–1958)

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Abb. 14: „Joalf Cross“ von Kirk Michael auf der Isle of Man; Seite B, oberste Partie: Hirsch wird von zwei Greifvögeln verfolgt/attackiert (nach Kermode 19942)

Abb. 15: „Joalf Cross“ von Kirk Michael auf der Isle of Man; Seite A, linke Hälfte: Hirschhatz (nach Kermode 19942)

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Abb. 16: Steinkreuzsockel von Holy Trinity Church in Stonegrave, Eastern Yorkshire; Fragment 6aA: Vogel auf Vierbeiner (nach Lang 1991)

Abb. 17: Bildstein von Kirklevington in Northern Yorkshire; Fragment 11: Hirschhatz (nach Lang 2001)

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Abb. 18: Altartuch aus der Kirche von Bilden in Oppland (N 70); Zeichnung aus dem 17. Jahrhundert: Fischerei- und Hirschhatzszene mit Greifvogel (nach Olsen 1941–1960)

Abb. 19: „Die par force Jagd des Hirschen und deren ganzer Vorgang mit ausführlicher Beschreibung in 16 Kupfertafeln“ von Johan Elias Ridinger (1698–1767); Tafel 13: Der gehetzte Hirsch stellt sich im Wasser (mit freundlicher Genehmigung von: ridinger handlung niemeyer, www.ridinger-niemeyer.com)

„Beizjagd“ auf den Rothirsch

Abb. 20: Romanisches Portal der Kirche von Besse in Périgord, Südwestfrankreich; Detail des Figurenfrieses: Der Heilige Eustachius/Hubertus? (nach Secret 19792)

Abb. 21: Illustration in Kaiser Maximilians I. „Tiroler Fischereibuch“ von 1504; Ausschnitt: Fischfang im Uferbereich mit Kescher (nach Niederwolfsgruber 1992).

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Abb. 22: Illustration in „Il Falconiere“ von Jaques Auguste de Thou (1553–1617); Ausgabe von 1735: Der gehetzte Hirsch stellt sich im Wasser und wird von Greifvögeln bedrängt (nach Bergantini 1735)

Abb. 23: Etruskisch-römisches Fresko aus Pompei; Ausschnitt: Damwildjagd mit Vogel (nach de Chamerlat 1986)

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Abb. 24: Illustration in „Traité de Fauconnerie“ von Hermann Schlegel und Abraham H. Verster van Wulverhorst von 1844–1853; Ausschnitt aus dem Frontispiz: Beizjagd bei den Kirgisen mit Antilope und Greifvogel im Hintergrund (nach Schlegel / Verster van Wulverhorst 1999)

Abb. 25: Lithografie von Christian Votteler aus dem 19. Jahrhundert; Einzelblatt: Kirgisische Adlerbeize auf Rotwild (mit freundlicher Genehmigung von Hans-Albrecht Hewicker)

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Abb. 26: Illustration in Burtons „Falconry in the Valley of the Indus“; Frontispiz „The Death of the Gazelle“: Der Greifvogel stößt auf das Haupt der Gazelle, Reiter und Hunde folgen (nach Burton 1852)

Abb. 27: Illustration in Burtons „Falconry in the Valley of the Indus“; „Goshawk & Gazelle“: Der Habicht „bindet“ das Gazellenhaupt und „mantelt“ darauf (nach Burton 1852)

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Abb. 28: Gemälde von J. Clark aus dem 19. Jahrhundert: Berittene Gazellenbeize bei den Arabern (nach de Chamerlat 1986)

Abb. 29: Kreuzstein von Kirk Michael auf der Isle of Man; Detail oberhalb des Kreuzes rechts: Greifvogel attackiert Mann (nach Kermode 19942)

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Abb. 30: Bildstein von Elgin in Moray, Schottland; Zeichnung: Falkner zu Pferd und Hirschhatz (nach Allen 1903)

Abb. 31: Bildstein von Shandwick in Moray, Schottland; Zeichnung des mittleren Bildregisters: Bogenschütze mit Vogel stellt einem Rothirsch nach (nach Allen 1903)

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Abb. 32: „South Cross“ von Castledermot, County Kildare, Irland; westliche Seite der Kreuzbasis: Jagdszene mit Hirsch und Wasservogel (nach Harbison 1992)

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Abb. 33: „Cross of SS. Patrick and Columba“ in Kells, County Meath, Irland; östliche Seite der Kreuzbasis: Jagdszene mit Hirsch und Wasservogel (nach Harbison 1992)

Abb. 34: „Market Cross“ in Kells, County Meath, Irland; östliche Seite der Kreuzbasis: Greifvögel auf Fisch, Vierbeiner und Kentaur (nach Harbison 1992)

„Beizjagd“ auf den Rothirsch

Abb. 35: Bildstein aus der Kirche von Nigg in Easter Ross, Schottland; Zeichnung des Steins ohne die abgebrochene Kopfpartie: Jagdszenen, Schaf mit Harfe und geflügelte Menschengestalt (nach Allen 1903)

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Abb. 36: Bildstein aus der Kirche von Nigg in Easter Ross, Schottland; Rekonstruktionszeichnung der fragmentarisch erhaltenen abgebrochenen Kopfpartie (nach Allen 1903)

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Abb. 37: „St. Andrew Sarkophag“ aus der Kathedrale von St. Andrew in Fife, Schottland; Ausschnitt von der reich bebilderten Seitenplatte: Greif schlägt Esel (nach Henderson / Henderson 2004)

Abb. 38: „Thor Cross“ von Bride auf der Isle of Man; Ausschnitt von Seite A: Zwei Darstellungen einer Hirschhatz mit scheinbar unbeteiligten Vögeln (nach Kermode 19942)

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Abb. 39: Bildstein von Kirriemuir in Angus, Schottland; Fotografie von Seite 1: Vogelähnliche Darstellung über gehetztem Hirsch (nach Henderson / Henderson 2004)

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Abb. 40: Bildstein von Kirriemuir in Angus, Schottland; ältere Zeichnung von Seite 1: Greifvogel stößt auf Rothirsch? (nach Stuart 1856)

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