Sklaverei im Urteil der Jesuiten: Eine theologiegeschichtliche Spurensuche im Collegio Romano. Unter Mitarbeit von Gabriel-David Krebes und Tilman Moritz 9783487422060

Der vorliegende Band untersucht am Beispiel der Jesuiten, die zwischen 1550 und 1650 an der römischen Jesuitenuniversitä

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Sklaverei im Urteil der Jesuiten: Eine theologiegeschichtliche Spurensuche im Collegio Romano. Unter Mitarbeit von Gabriel-David Krebes und Tilman Moritz
 9783487422060

Table of contents :
SKLAVEREI · KNECHTSCHAFT · ZWANGSARBEIT Bd. 15
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
I. Einleitung
1. Thema und Fragestellung
2. Quellenlage und zeitliche Eingrenzung
3. Jesuitische Barockscholastik – Einordnungen
4. Aufbau
II. Das Collegio Romano
1. Die Gründung
2. Studienordnung und Fächer
2.1 Das Pariser Modell (modus parisiensis)
2.2 Die Ratio Studiorum im Licht des Trienter Konzils
2.2.1 Die Authentizität der Vulgata
2.2.2 Die Autorität der Kirchenväter
2.2.3 Die thomistische Uniformierung der Theologie und ihre Grenzen
2.3 Bildungsideale und Ausbildungsziele
2.4 Das Rotationsprinzip
3. Theologie und Interessenspolitik
3.1 Der Gnadenstreit
3.2 Jesuiten gegen „Jansenisten"
3.3 Tridentinischer Reformkatholizismus
III. Sklaverei und Bibelexegese
1. Das Wortfeld „Sklaverei“ in der revidierten Vulgata
2. Unterschiedliche Arten von Bibelkommentaren
3. Sklaverei im Alten Testament
3.1 Der Mensch als Ebenbild Gottes (Gen 1,26-27)
3.2 Die Verfluchung Kanaans (Gen 9,18-29)
3.3 Jakob und Esau (Gen 27)
3.4 Die Sklavengesetze nach Ex 21,2-6
3.5 Die Sklavengesetze nach Lev 25,39-55
3.6 Die Sklavengesetze nach Dtn 15,12-18
4. Sklaverei im Neuen Testament
4.1 Redemptio – Erlösung als Loskauf im Corpus Paulinum
4.2 Die drei Arten von Sklaverei bei Francesco de Toledo und Benito Perera
4.3 Das Verhältnis zwischen Herr und Sklave (Giovanni Stephano Menochio)
5. Zusammenfassung
IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie
1. Grundlagen
1.1 Aristoteles und der „Sklave von Natur“
1.2 Die Summa Theologiae des Thomas von Aquin
1.3 Die Schule von Salamanca und die Indiodebatte
2. Francisco Suárez (1548-1617)
2.1 Sklaven von Natur? – Der Mensch als Gottes Ebenbild
2.2 Sklaverei durch Kriegsgefangenschaft
3. Gabriel Vázquez (1549-1604): Über die Flucht
4. Exkurs: Luis de Molina (1535-1600)
5. Juan de Lugo (Joannes de Lugo; 1583-1660)
5.1 Der Sklave als Person
5.2 Christus als Sklave Gottes?
6. Antonio Pérez (1599-1649): Der Sklave als Sache
7. Zusammenfassung
V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei
1. Francisco de Toledo (1532-1596): Sklaverei als Weihehindernis
2. Emanuel Sa (1530-1596): Das Gewissen der Soldaten
3. Vincenzo Figliucci (1566-1622): Sklaverei als Ehehindernis?
4. Zusammenfassung
VI. Mission und Sklaverei
1. Jesuitische Sklavenseelsorge in Italien
2. Jesuiten als Sklavenloskäufer
3. Jesuiten als Sklavenhalter
3.1 Die Zuckerrohrplantagen in Brasilien
3.2 Der „Jesuitenstaat“ in Paraguay (1609-1768)
4. Jesuitenmissionare berichten über Sklaverei
4.1 Franz Xaver SJ (1506-1552) in Indien und Japan
4.2 Matteo Ricci SJ (1552-1610) in China
4.3 Alonso de Sandoval SJ (1576-1652) und Petrus Claver SJ (1580-1654) inKolumbien
4.4 Antonio Vieira SJ (1608-1697) in Brasilien
5. Jesuiten als Sklaven
6. Zusammenfassung
Abkürzungsverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis
Personenregister

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SKLAVEREI · KNECHTSCHAFT · ZWANGSARBEIT

ISBN 978-3-487-15556-2

Band 15

Nicole Priesching · Sklaverei im Urteil der Jesuiten

Der vorliegende Band untersucht am Beispiel der Jesuiten, die zwischen 1550 und 1650 an der römischen Jesuitenuniversität (Collegio Romano) lehrten, wie katholische Theologen Sklaverei thematisierten und deuteten. Dabei beschränkt sich die theologiegeschichtliche Untersuchung nicht auf die Rechtfertigung der Sklaverei in der Naturrechtsdebatte, sondern wird erstmals auf die verschiedenen (damals vorhandenen) theologischen Fächer ausgeweitet: Bibelexegese, Scholastische Theologie, Moraltheologie und Kasuistik. Mit einem eigenen Kapitel über Jesuitenmissionare werden zudem Erfahrungen mit Sklaverei beleuchtet. Jesuiten konnten selbst Sklaven oder Sklavenhalter sein. Auf diese Weise werden Möglichkeiten und Grenzen des christlichen Humanisierungsethos ausgelotet. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Heike Grieser (Mainz) leitete Nicole Priesching (Paderborn) das DFG-Projekt „Theologie und Sklaverei von der Antike bis zur Frühen Neuzeit“ (2012-2015), aus dem zahlreiche Veröffentlichungen hervorgegangen sind. Der vorliegende Band präsentiert die Ergebnisse des Teilprojektes „Frühe Neuzeit“.

Nicole Priesching Sklaverei im Urteil der Jesuiten Eine theologiegeschichtliche Spurensuche im Collegio Romano

OLMS

(E-Book)

SKLAVEREI · KNECHTSCHAFT · ZWANGSARBEIT Untersuchungen zur Sozial-, Rechts- und Kulturgeschichte Herausgegeben von Elisabeth Herrmann-Otto

Band 15 Nicole Priesching Sklaverei im Urteil der Jesuiten

Georg Olms Verlag Hildesheim ∙ Zürich ∙ New York 2017

(E-Book)

Nicole Priesching unter Mitarbeit von Gabriel-David Krebes und Tilman Moritz

Sklaverei im Urteil der Jesuiten Eine theologiegeschichtliche Spurensuche im Collegio Romano

Georg Olms Verlag Hildesheim ∙ Zürich ∙ New York 2017

(E-Book)

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Georg Olms Verlag AG, Hildesheim 2017 www.olms.de E-Book Umschlaggestaltung: Inga Günther, Hildesheim Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-487-42206-0

Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................................... VII I. Einleitung .................................................................................................. 1 1. Thema und Fragestellung....................................................................... 1 2. Quellenlage und zeitliche Eingrenzung ................................................. 4 3. Jesuitische Barockscholastik – Einordnungen ....................................... 7 4. Aufbau ................................................................................................. 15 II. Das Collegio Romano ............................................................................. 17 1. Die Gründung ...................................................................................... 17 2. Studienordnung und Fächer ................................................................. 22 2.1 Das Pariser Modell (modus parisiensis) ........................................ 22 2.2 Die Ratio Studiorum im Licht des Trienter Konzils ...................... 24 2.2.1 Die Authentizität der Vulgata ................................................. 29 2.2.2 Die Autorität der Kirchenväter ............................................... 36 2.2.3 Die thomistische Uniformierung der Theologie und ihre Grenzen ............................................................................................ 45 2.3 Bildungsideale und Ausbildungsziele ............................................ 49 2.4 Das Rotationsprinzip...................................................................... 54 3. Theologie und Interessenspolitik ......................................................... 58 3.1 Der Gnadenstreit ............................................................................ 60 3.2 Jesuiten gegen „Jansenisten“ ......................................................... 66 3.3 Tridentinischer Reformkatholizismus ............................................ 71 III. Sklaverei und Bibelexegese ................................................................... 73 1. Das Wortfeld „Sklaverei“ in der revidierten Vulgata .......................... 76 2. Unterschiedliche Arten von Bibelkommentaren .................................. 77 3. Sklaverei im Alten Testament .............................................................. 80 3.1 Der Mensch als Ebenbild Gottes (Gen 1,26-27) ............................ 83 3.2 Die Verfluchung Kanaans (Gen 9,18-29) ...................................... 87 3.3 Jakob und Esau (Gen 27) ............................................................... 94 3.4 Die Sklavengesetze nach Ex 21,2-6 ............................................... 99 3.5 Die Sklavengesetze nach Lev 25,39-55 ....................................... 104 3.6 Die Sklavengesetze nach Dtn 15,12-18 ....................................... 109 4. Sklaverei im Neuen Testament .......................................................... 112 4.1 Redemptio – Erlösung als Loskauf im Corpus Paulinum............ 114 4.2 Die drei Arten von Sklaverei bei Francesco de Toledo und Benito Perera...................................................................................... 125 4.3 Das Verhältnis zwischen Herr und Sklave (Giovanni Stephano Menochio) .......................................................................................... 132 5. Zusammenfassung ............................................................................. 140

VI

Inhaltsverzeichnis

IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie ............................. 146 1. Grundlagen......................................................................................... 149 1.1 Aristoteles und der „Sklave von Natur“....................................... 149 1.2 Die Summa Theologiae des Thomas von Aquin .......................... 151 1.3 Die Schule von Salamanca und die Indiodebatte ......................... 155 2. Francisco Suárez (1548-1617) ........................................................... 162 2.1 Sklaven von Natur? – Der Mensch als Gottes Ebenbild .............. 163 2.2 Sklaverei durch Kriegsgefangenschaft ........................................ 164 3. Gabriel Vázquez (1549-1604): Über die Flucht ................................ 168 4. Exkurs: Luis de Molina (1535-1600) ................................................. 176 5. Juan de Lugo (Joannes de Lugo; 1583-1660) .................................... 185 5.1 Der Sklave als Person .................................................................. 186 5.2 Christus als Sklave Gottes?.......................................................... 204 6. Antonio Pérez (1599-1649): Der Sklave als Sache............................ 206 7. Zusammenfassung ............................................................................. 210 V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei ...................... 214 1. Francisco de Toledo (1532-1596): Sklaverei als Weihehindernis ..... 217 2. Emanuel Sa (1530-1596): Das Gewissen der Soldaten ..................... 222 3. Vincenzo Figliucci (1566-1622): Sklaverei als Ehehindernis?.......... 230 4. Zusammenfassung ............................................................................. 239 VI. Mission und Sklaverei ......................................................................... 241 1. Jesuitische Sklavenseelsorge in Italien .............................................. 245 2. Jesuiten als Sklavenloskäufer ............................................................ 248 3. Jesuiten als Sklavenhalter .................................................................. 256 3.1 Die Zuckerrohrplantagen in Brasilien .......................................... 258 3.2 Der „Jesuitenstaat“ in Paraguay (1609-1768) .............................. 262 4. Jesuitenmissionare berichten über Sklaverei ..................................... 264 4.1 Franz Xaver SJ (1506-1552) in Indien und Japan........................ 265 4.2 Matteo Ricci SJ (1552-1610) in China ........................................ 272 4.3 Alonso de Sandoval SJ (1576-1652) und Petrus Claver SJ (1580-1654) in Kolumbien ................................................................ 276 4.4 Antonio Vieira SJ (1608-1697) in Brasilien ................................ 278 5. Jesuiten als Sklaven ........................................................................... 281 6. Zusammenfassung ............................................................................. 284 VII. Schluss................................................................................................ 287 Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. 304 Quellen- und Literaturverzeichnis ............................................................. 309 Personenregister ......................................................................................... 336

Vorwort Diese Studie ist aus dem DFG-Projekt „Theologie und Sklaverei. Teilprojekt: Frühe Neuzeit“ hervorgegangen. Der Bearbeiter im gesamten Projektzeitraum (Juni 2012-Mai 2015) war Gabriel-David Krebes, der die exegetischen, scholastischen und kasuistischen Werke der frühneuzeitlichen Jesuitenprofessoren am Collegio Romano daraufhin untersuchte, inwiefern in ihnen Äußerungen zur Sklaverei zu finden sind, und eine Auswahl der näher zu analysierenden Texte traf, die er auch großteils übersetzte. Da es angesichts der großen und zunächst auch unübersichtlichen Quellenlage nicht gelang, die angedachte Monographie in diesen drei Förderungsjahren zu schreiben, übernahm ich diese Arbeit, wobei ich in vorbildlicher Weise von meinem Mitarbeiter, Herrn Dr. Tilman Moritz, unterstützt wurde, der vor allem die aufwendigen Korrekturen der Zitate übernahm und, da noch einige weitere Texte Eingang in die Studie fanden, eigene Übersetzungen anfertigte. Entsprechend wurden alle Übersetzungen der Bearbeiter mit Kürzeln kenntlich gemacht. Auch wenn der nun vorliegende Text von mir verfasst wurde, so wäre diese Monographie ohne die wertvolle Vorarbeit und den hohen Einsatz der beiden Bearbeiter nicht zustande gekommen. Ihnen gebührt mein besonderer Dank! Danken möchte ich auch meinem Mitarbeiter, Herrn Florian Warnsloh, und meiner wissenschaftlichen Hilfskraft, Frau Ilka Zänger, für ihre engagierte Unterstützung beim Korrekturlesen. Nicht vergessen werden darf Daniel Baumann, der als studentische Hilfskraft Herrn Krebes in den erwähnten drei Jahren zuverlässig zur Hand ging. Die Mühe der redaktionellen Arbeit und der Drucklegung dieses Bandes wurde diesmal wesentlich von Dr. Tilman Moritz und Fabian Potthast (studentische Hilfskraft) übernommen. Für ihren unermüdlichen Einsatz danke ich ihnen herzlich. Mein großer Dank gilt schließlich Frau Prof. Dr. Elisabeth HerrmannOtto als Herausgeberin der Reihe und Herrn Dr. Peter Guyot vom Georg Olms Verlag für die Aufnahme dieses Bandes und die unkomplizierte Betreuung seiner Drucklegung. Für die Finanzierung der Druckkosten danken wir wiederum der DFG. Nicole Priesching

I. Einleitung 1. Thema und Fragestellung Wie deuteten die Jesuiten am Collegio Romano die Sklaverei? Um diese Frage soll es in der vorliegenden Studie gehen. Ihre Relevanz erhält sie aus der Tatsache, dass es während der Frühen Neuzeit im christlichen Europa – auch in Rom – noch ganz selbstverständlich Sklaven und Sklavinnen gab. Dies scheint aus heutiger Sicht unvereinbar mit der christlichen Botschaft zu sein, so dass hier ein kirchengeschichtliches Klärungsbedürfnis besteht. Immerhin war auch der Papst in der Frühen Neuzeit ein Sklavenhalter, da auf den Schiffen der päpstlichen Flotte (vor allem muslimische) Galeerensklaven ihren Dienst taten.1 Ebenso gehörten ganz selbstverständlich Haussklaven zur Dienerschaft adeliger römischer Haushalte, auch zu denen der kirchlichen Würdenträger. Rebellionen oder Auflehnung gegen dieses System in Rom, sei es von Sklaven oder von Kritikern, sind bisher nicht bekannt. Wie positionierten sich also die jesuitischen Theologen im Hinblick auf diese Praxis? Welche Verhaltensnormen propagierten sie für Sklaven und ihre Herren? Welche Formen von Humanität forderten sie ein? Welche Formen von Gewalt gegenüber Sklaven sahen sie als gerechtfertigt an und welche nicht? Wie wurden diese Positionen wiederum theologisch begründet? Auf welche Denktraditionen griffen die Theologen dabei zurück? Die Wahl des Untersuchungsortes fiel auf das Collegio Romano, das von 1551 bis zur Aufhebung des Jesuitenordens 1773 bestand. Dieses römische Kolleg hatte in der Frühen Neuzeit eine Vorbildfunktion für jesuitische (aber auch nichtjesuitische) katholische Ausbildungsanstalten in Europa und darüber hinaus. Der Jesuitenorden breitete sich schließlich weltweit aus und gründete eifrig Kollegien und Universitäten. Das Collegio Romano war gewissermaßen die Mutter der Jesuitenuniversitäten und stand in besonderer Nähe zum Papst in Rom. Es unterhielt eine direkte Beziehung zur Ordensleitung und wurde zu einem Vorbild an Organisation und Gelehrsamkeit. „In den ersten dreißig Jahren nach seiner Gründung wirkten im Collegium Romanum die repräsentativsten Gelehrten des Ordens.“2 So war es als Zentrum eines weltweiten jesuitischen Netzwerkes in Rom ein Ort regen kulturellen und theologischen Austausches. Das Collegio Romano wurde für viele auswärtige Studenten, die beispielsweise aus Mitteleuropa dorthin zum Studieren kamen, zu einem prägenden Ort. Gerade in der Ausbildung klerikaler 1 2

Vgl. PRIESCHING (2012); PRIESCHING (2014). BALDINI (1998) 694.

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I. Einleitung

Eliten spielte das Collegio Romano im Zusammenspiel mit weiteren Kollegien wie dem Collegio Germanico eine wichtige Rolle. Die dort gelehrte Theologie strahlte zudem in die Missionsgebiete der Jesuiten aus.3 Damit weist diese Bildungsstätte bereits über eurozentristische Perspektivierungen hinaus. Wie soll man ‚die Theologie‘ einer Universität analysieren? Hier ist ein exemplarisches Vorgehen notwendig. Insofern haben wir dieses Buch als ‚theologische Spurensuche‘ untertitelt, was den Charakter der Studie trefflich beschreibt. Hier wird nicht der Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, sondern der Versuch unternommen, aussagekräftige Miniaturen zu einem weitgehend unerforschten Gebiet zusammenzutragen. Dabei soll das Urteil der Jesuiten über Sklaverei erstmals aus verschiedenen theologischen Fächerdisziplinen heraus beleuchtet werden. Dieser methodische Zugang basiert auf folgender Beobachtung: In den bisherigen Darstellungen wird vor allem die Naturrechtsdebatte über die Sklaverei anhand einzelner oder mehrerer Autoren untersucht. Dies liegt angesichts der historischen Bedeutung der Indiodebatte nahe, die vor allem mit naturrechtlichen Argumenten geführt wurde.4 Zudem lässt sich eine naturrechtliche Reflexion über Sklaverei auch über konfessionelle Grenzen hinweg finden, was eine vergleichende Perspektive eröffnet. Dies zeigt zum Beispiel die Studie von Bernd Franke (2009), der „die Sklaverei als Sinnbild absolut wirkender Ungleichheit unter dem Blickwinkel einer auf dem Naturrecht aufbauenden Rechtsphilosophie“ herausgearbeitet hat.5 Er untersuchte das Verständnis von Sklaverei bei den führenden Naturrechtsphilosophen des 17. Jahrhunderts: Francisco Suárez SJ (1548-1617), Hugo Grotius (1583-1645), Thomas Hobbes (1588-1679), Samuel von Pufendorf (1632-1694) und John Locke (1632-1704). Bei diesen Vertretern ist zunächst zwischen ihrer biographischkonfessionellen Herkunft und ihren naturrechtlichen Positionen zu differenzieren. Die Unterschiede in den Rechtfertigungsversuchen zur Sklaverei hängen in erster Linie mit den von Franke herausgearbeiteten naturrechtlichen Konzeptionen zusammen, die auch unterschiedliche Menschenbilder implizierten. Die divergierenden anthropologischen Grundannahmen können jedoch nicht auf konfessionsspezifische Vorstellungen zurückgeführt werden. Vielmehr hat Franke gezeigt, dass in der Naturrechtsdiskussion zunehmend die Bedeutung der menschlichen Vernunft in den Vordergrund rückte und damit eine scholastische Argumentation, wonach Sklaverei eine Folge

3

Vgl. BROGGIO (2002) 81-120. Zur Indiodebatte z. B. DELGADO (2007) 353-372; LAS CASAS Bd. 1-3 (1994-1997). 5 FRANKE (2009) 11. 4

1. Thema und Fragestellung

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der Erbsünde sei, ablöste,6 die Debatte also gewissermaßen säkularisiert wurde. Die konfessionellen Merkmale traten gegenüber einer konfessionsübergreifenden Normenordnung deutlich in den Hintergrund. Da am Ende dieser Entwicklung und bei keinem der genannten Vertreter ein Plädoyer für oder gegen die Sklaverei stand, handelte es sich bei der naturrechtlichen Debatte auch nicht um eine Kontroverse, die symptomatisch für die konfessionelle Spaltung Europas gewesen wäre.7 Dieser Befund soll in der vorliegenden Studie zu katholischen Theologen näher beleuchtet werden, ausgehend vom spanischen Jesuiten Francisco Suárez, welcher die einzige katholische Persönlichkeit in der Studie von Franke ist.8 Suárez lehrte von 1580 bis 1585 Scholastische Theologie am Collegio Romano in Rom. Er prägte also auch das Naturrechtsverständnis dieser Jesuitenuniversität. Hier soll darüber hinaus auch das Sklavereiverständnis bei seinen römischen Nachfolgern in den Blick genommen werden: Juan de Lugo (1583-1660)9 und Antonio Pérez (1599-1649).10 Die naturrechtliche Debatte über Sklaverei war ein Bestandteil des Faches Scholastische Theologie. Diese bildete neben der Heiligen Schrift die 6

Die Erbsündenlehre spielt freilich bereits bei den Kirchenvätern eine wichtige Rolle für die Deutung von Sklaverei. Die Scholastik griff darauf zurück (vgl. weiterführend aus dogmatischer Perspektive: KÖSTER [1979]; KÖSTER [1982]). 7 Solche Kontroversen wurden in anderen Bereichen, z. B. im Rahmen der Rechtfertigungslehre und Ekklesiologie, geführt und fanden einen deutlichen Niederschlag in der Traktatliteratur. Der konfessionell stark aufgeladene Gnadenstreit und die Auseinandersetzung um die Ekklesiologie zeigten sich auch in den umfangreichen kontroverstheologischen Werken von Roberto Bellarmino, der von 1592 bis 1594 Rektor des Collegio Romano war (BOUTE [2010] 375-390; DIETRICH [1999]; MOTTA [2005] 226-243). 8 Dieser Beitrag nimmt somit das Anliegen einer konfessionsübergreifenden Perspektive auf. Bereits Franke hat in seiner repräsentativen Studie die Hauptvertreter reformierter, anglikanischer, protestantischer sowie puritanischer Provenienz für das späte 17. Jahrhundert eingehend untersucht. Allerdings fehlt eine Untersuchung zu einflussreichen katholischen Autoren in dieser Zeitspanne, die zu den genannten nicht-katholischen in Beziehung zu setzen sind. 9 Juan de Lugo y de Quiroga stammte aus Sevilla, studierte Recht in Salamanca und trat 1603 in den Jesuitenorden ein. Bis zum Jahr 1618 hatte er ein Benefizium von König Philipp II. erhalten. Am Collegio Romano hatte er von 1621 bis 1643 eine Professur inne. Hoch geschätzt von Papst Urban VIII. (1623-1644 Papst), wurde er im Jahr 1643 vorerst geheim (in pectore) und wenig später in feierlicher Form zum Kardinal erhoben. Bis zu seinem Tod war er eine feste Größe an der römischen Kurie (Hierarchia Catholica medii et recentioris aevi sive Summorum Pontificum, S.R.E. Cardinalium ecclesiarum antistitum series, hg. v. Patrice GAUCHAT, Bd. 4, Regensburg 1935). 10 Antonio Pérez wurde 1599 in Puenta la Reina (Navarra) geboren und verstarb 1649 in Corral de Almaguer. 1613 trat Pérez als Novize in den Jesuitenorden ein. Von 1618 bis 1624 studierte er Literatur, Philosophie und Theologie in Salamanca. Später lehrte er selber Philosophie in Valladolid und ab 1634 Theologie in Salamanca. Nachdem Juan de Lugo zum Kardinal berufen worden war, erhielt Pérez dessen Lehrstuhl am Collegio Romano. Er war dort von 1642 bis 1648 Professor für Scholastische Theologie (vgl. RAMELOW [1997]; SOMMERVOGEL Bd. 6 [1960] Sp. 514-515).

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I. Einleitung

zweite Säule der theologischen Ausbildung. Angesichts des jesuitischen Anspruchs einer theologischen universalen Bildung, die sich bei den Professoren auch im Rotationsprinzip zwischen den einzelnen Fächern zeigte, erscheint es reizvoll, die Sklaverei nicht nur in einem einzigen theologischen Themenzusammenhang (Naturrecht) zu beleuchten. So soll die Sklaverei auch als Thema der Schriftauslegung am Collegio Romano zur Sprache kommen, was bisher noch nicht untersucht wurde. Ferner soll das neu entstehende Fach der Moraltheologie und die Kasuistik in die Untersuchung einbezogen werden. Schließlich wird die Theorie mit den Erfahrungen aus der missionarischen Praxis verbunden und nach Wechselwirkungen befragt. Damit fungiert das Thema Sklaverei wie eine Sonde, um sich der jesuitischen Theologie und dem Universitätsbetrieb in der Barockscholastik insgesamt zu nähern.

2. Quellenlage und zeitliche Eingrenzung Zur Ordenstheologie und Lehre der Jesuiten finden sich die meisten Quellen im Zentralarchiv in Rom (Archivum Romanum Societatis Iesu, ARSI). „Neben Manuskripten und persönlichen Akten sind dort die allermeisten Schriftstücke aufbewahrt, die später als offizielle Richtlinien des Ordens gedruckt wurden.“11 Dazu gehört an erster Stelle die Studienordnung (Ratio Studiorum), auf deren Entwicklung und Inhalte hier im zweiten Kapitel eingegangen wird.12 „Darüber hinaus besitzt das ARSI noch verschiedene andere Dokumente, z. B. die Berichte über die Debatten in den Kongregationen sowie über die von den Dozenten durchgeführten Untersuchungen und die von Gruppen oder Einzelnen gemachten Eingaben und Vorschläge.“13 Das Repertorium von Carl Sommervogel bietet wiederum genaue Verzeichnisse der unveröffentlichten und gedruckten Werke der Jesuiten mit ihren diversen Ausgaben.14 Für Italien allerdings bestehen im Werk 11

BALDINI (1998) 669. Ratio studiorum, Rom 1586. – Später gedruckt in: PACHTLER (1887-1894). Es handelt sich um die erste offizielle Fassung der Ratio Studiorum, in der die während der ersten fünfzig Jahre gesammelten praktischen Unterrichtserfahrungen ihren systematischen Niederschlag gefunden haben. Obwohl diese Studienordnung schon 1599 durch eine neue ersetzt wurde, ist sie wegen ihres Einleitungsteils, in welchem die didaktischen Prinzipien erörtert und gerechtfertigt werden, von großem bildungsgeschichtlichen Interesse. Dieser Einleitungsteil verschwindet fast völlig in der nachfolgenden Fassung: Ratio studiorum, Neapel 1599. Diese Fassung der Studienordnung kann als die definitive für den Orden gelten. Offiziell wurde zwar die Fassung von 1616 von der Ordensleitung als definitiv bezeichnet. Doch weist diese nur geringe Modifikationen zur Fassung von 1599 auf. 13 BALDINI (1998) 669. 14 Vgl. SOMMERVOGEL (1960). 12

2. Quellenlage und zeitliche Eingrenzung

5

Sommervogels Lücken, so dass weder alle Drucke noch alle Manuskripte dort erfasst sind.15 In dieser Fülle an Material nach dem Thema der Sklaverei zu suchen, gleicht der sprichwörtlichen Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Die Jesuiten haben keine eigenständigen Bücher zur Sklaverei verfasst. Das Thema ist dennoch in allen Fachbereichen mehr oder weniger präsent gewesen, vor allem in Bibelkommentaren und scholastischen Abhandlungen, Manuskripten und Traktaten zu diversen Themen. Es ist davon auszugehen, dass das Meiste nicht verschriftlicht, sondern im Rahmen des Vorlesungsbetriebs mündlich weitergegeben wurde. William Augustine Wallace hat 1977 die Aufzeichnungen der Physikvorlesungen am Collegio Romano zwischen 1570 und 1590 untersucht.16 Danach diktierte jeder Dozent die eigenen Vorlesungen. Zudem gab er jedem Kurs einen eigenen Aufbau, trotz der generellen Einheitlichkeit der Programme, Übungen und Ausrichtungen. Damit wurde eine gewisse philosophische Freiheit garantiert, was auch der Grund dafür sein dürfte, dass die Einführung gedruckter Handbücher zunächst am Veto der Professoren scheiterte. Dies hatte die Ordensleitung hartnäckig versucht, um eine bessere Kontrolle der Unterrichtsinhalte zu gewährleisten.17 Es ist also durchaus möglich, dass im Rahmen der Vorlesungen auch persönliche Kommentare zur Sklaverei fielen. Dies würde allerdings eine Untersuchung der handschriftlichen Vorlesungsmanuskripte erfordern, die im Rahmen dieses Projektes nicht geleistet werden konnte. Ende des 16. Jahrhunderts kamen dann zunehmend Handbücher auf, welche Themen und Aufbauschemata teilweise vereinheitlichten, nicht aber die philosophischen Thesen, wie Vergleiche zwischen gedruckten und ungedruckten Schriften verdeutlichen. Gedruckt wurde überhaupt nur ein kleiner Bruchteil dessen, was theoretisch hätte veröffentlicht werden können. Die Auswahl dessen, was gedruckt wurde, hing nicht nur mit dessen Qualität zusammen, sondern vor allem mit dem Urteil der Ordenszensur. Diese waren auf eine einheitliche und rechtgläubige Lehre bedacht.18 Das ist auch für die Darstellung des Urteils der Jesuiten über die Sklaverei zu bedenken. Hier liegt keine Untersuchung der verbotenen Werke der Jesuiten zu diesem Thema vor. Die Auswahl der untersuchten Quellen richtete sich nach dem Kriterium, möglichst repräsentative Autoren für eine Jesuitentheologie zu wählen, also gerade den offiziellen ‚Mainstream‘ einzufangen. Mit Baldini ist dabei festzuhalten, dass die Synthese der jesuitischen Lehre bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts festgelegt wurde. In dieser Zeit entstanden ihre klassischen 15

BALDINI (1998) 672. Vgl. WALLACE (1977). 17 BALDINI (1998) 691. 18 Zur internen Zensur des Ordens vgl. BALDINI (1984) 13-43; FRIEDRICH (2016) 308-312. 16

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I. Einleitung

Formulierungen einer spätscholastischen Theologie. Insofern richtete sich der Fokus auf die Professoren und Schriften der Anfangszeit bis etwa in die Mitte des 17. Jahrhunderts. Dies soll im Folgenden näher erläutert werden. In der italienischen Forschung wird die jesuitische philosophische Tradition vor allem mit den Werken ihrer iberischen Begründer, von Perera (auch Pereira) bis Suárez und Vázquez, identifiziert.19 Der in der Nähe von Valencia geborene Benito Perera (1535-1610) trat 1552 in den Jesuitenorden ein und folgte bereits 1553 wegen seiner hervorragenden Studienleistungen einer Einladung nach Rom. 1566-67 war er am Collegio Romano Professor für Metaphysik, 1561-1562/ 1563-1565 für Logik, 1559-1561/ 1563-1564/ 1566-1567 für Philosophie, 1567-1570/ 1583-1586 für den dritten Lehrstuhl für Scholastische Theologie, 1576-1590/ 1596-1597 für Heilige Schrift. Er lehrte also gemäß dem Rotationssystem der Jesuiten fünf verschiedene Fächer, was seine universale Gelehrsamkeit dokumentiert. Er verfasste nicht nur zahlreiche Exegesekommentare, sondern auch philosophische Schriften.20 Während er zeitweise den dritten Lehrstuhl für Scholastische Theologie innehatte, lehrte der Kastilier Francisco Suárez zwischen 1580 und 1585 auf dem zweiten Lehrstuhl für Scholastik.21 Als Suárez krank wurde, berief man 1585 seinen Landsmann Gabriel Vázquez (1549-1604)22 zu seinem Nachfolger. Auf dem Weg dorthin erkrankte Vázquez jedoch schwer, so dass er erst Ende 1585 oder Anfang 1586 in Rom eintraf und die Lehre erst im Frühjahr 1586 übernahm. Er war ferner der Beichtvater des Hl. Aloisius von Gonzaga und Konsultor der römischen Indexkongregation. Im August 1591 verließ Vázquez, der sich in Rom nie ganz wohl gefühlt hatte, das Collegio Romano und ging zunächst nach Alcalá. Dorthin war vor ihm bereits der kranke Suárez zurückgekehrt und hielt über De sacramentis und die Summa Theologiae I-II des Thomas von Aquin (künftig STh) Vorlesungen.23 Wieder folgte ihm Vázquez 1593 auf den Lehrstuhl in Alcalá nach. Theologisch zeigt sich bei Vázquez immer wieder eine mehr oder weniger verdeckte Auseinandersetzung mit Suárez. Vor allem beim Gnadenstreit standen sich Suárez und Vázquez als Rivalen gegenüber, wobei sich Vázquez „von der ‚jesuitischen‘ Linie des sogenannten Molinismus benannt nach Luis de

19

Vgl. GIACON 3 Bde. (1944-1950). Z. B. das Werk Physicorum, sive de principiis rerum naturalium libri XV, Rom 1562 (nach 1576 unter dem Titel De communibus omnium rerum naturalium principiis et affectionibus libri XV. Vgl. SOLA [2001] 3088f.; SOMMERVOGEL Bd. 6 [1960] Sp. 499-507; VILLOSLADA [1954] 78-80). Perera wurde wegen seiner Aristotelesauslegung zeitweise innerhalb des Ordens kritisch beäugt (FRIEDRICH [2016] 332f.). 21 Zum Werk Pereras siehe Kap. III. 22 SCHWEDT (1997) Sp. 1168-1175. 23 KIENZLER (1996) Sp. 154-163; Sp. 155. 20

2. Quellenlage und zeitliche Eingrenzung

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Molina SJ zugunsten des Augustinismus entfernt hatte“.24 Zeitweise kam er in Rom auch in Konflikte mit anderen römischen Jesuiten, darunter Roberto Bellarmino.25 Die jesuitische Lehre blühte mit berühmten Theologen in Rom also zu Beginn des 17. Jahrhunderts auf. Am Ende desselben Jahrhunderts, als die Kollegien zumindest ihren Studentenzahlen nach eine Blütezeit erlebten, „wiesen jedoch alle Disziplinen des Philosophiekurses Anzeichen einer Krise auf“.26 Die logisch-metaphysischen Werke eines Juan de Ulloa (16391725)27 und anderer Professoren, die mit ihm im 18. Jahrhundert am Collegio Romano wirkten, waren traditioneller als die ihrer Vorgänger. Im Vergleich zur zeitgenössischen philosophischen Kritik geriet die jesuitische Tradition zunehmend ins Hintertreffen. Persönlichkeiten wie Perera, Suárez und Vázquez, mit denen im Allgemeinen die Philosophie des Ordens identifiziert wird, lehrten vor 1600 und ihre Werke wurden vor 1620 veröffentlicht. „Demnach erreichte die römische Ordensphilosophie fast sofort ihren Höhepunkt, sei es, weil sie sich aus der Tradition der spanischen Spätscholastik herleitete, oder weil die Grundzüge des jesuitischen Denkens schon früh festgelegt waren.“28 Im Vergleich dazu sind die nachfolgenden Professoren wie Juan de Lugo (1583-1660), Silvestro Mauro (1619-1687) oder Giovanni Battista Tolomei (1653-1725) weniger bekannt. Dies lag vor allem an den starren Rahmenbedingungen, welche grundlegende Neuerungen verhinderten. So wurde die Rezeption des neuen Rationalismus sowie der experimentellen Wissenschaft erschwert. Vor diesem Hintergrund erscheint es berechtigt, den Untersuchungszeitraum auf die ersten hundert Jahre des Collegio Romano zu beschränken. 3. Jesuitische Barockscholastik – Einordnungen Für die kirchengeschichtliche Einordnung des hier behandelten Zeitraums spielten in der Forschung der letzten fünfzig Jahre Begriffe wie ‚Gegenreformation‘, ‚Katholische Reform‘ und ‚Konfessionalisierung‘ eine zentrale Rolle. So ging Hubert Jedin einerseits von einer ‚Gegenreformation‘ als antihäretischer Rekatholisierung aus, um ihr andererseits eine ‚Katholische

24

SCHWEDT (1997) Sp. 1168-1175; Sp. 1171. Ebd., Sp. 1170. 26 BALDINI (1998) 683. 27 Der Spanier Juan de Ulloa war von 1702 bis 1710 Professor für Scholastische Theologie und von 1711 bis 1721 Professor für Heilige Schrift am Collegio Romano. Er starb 1725 in Rom (vgl. SOMMERVOGEL Bd. 8 [1960] Sp. 340-343). 28 BALDINI (1998) 696. 25

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I. Einleitung

Reform(ation)‘ voran und zur Seite zu stellen. Diese habe demnach bereits im 15. Jahrhundert begonnen, die Kirche produktiv zu erneuern. Nachdem die Reformation und die damit verbundene Kirchenspaltung diesen Prozess unheilvoll unterbrochen hätte, konnte die katholische Reform nach dem Konzil von Trient (1545-1563) nur noch teilweise fortgesetzt werden.29 In den 1960er Jahren problematisierte schließlich Ernst Walter Zeeden (1916-2011) den Begriff ‚Gegenreformation‘ als Epochensignatur und führte den Begriff ‚Konfessionsbildung‘ als parallelen Vorgang ein.30 Schließlich betonten Wolfgang Reinhard und Heinz Schilling mit ihrem Konzept der ‚Konfessionalisierung‘ zusätzlich die sozialen und politischen Folgen der konfessionellen Konkurrenz. Der Konfessionalisierungsprozess, der in allen drei Konfessionen gleichzeitig stattfand, verzahnte die Teilsysteme Kirche, Staat und Gesellschaft miteinander.31 Die Herausarbeitung des weitgehend konfessions- und strukturanalogen Umbildungsprozesses, der sich in drei Tagungsbänden niederschlug,32 führte zum Eindruck impliziter Verähnlichung der Konfessionen. Allerdings konnten mit der Anwendung der Konfessionalisierungsthese auch Besonderheiten und Gegenläufigkeiten zutage gefördert werden, so dass hier Kritik nicht verfing. In den letzten zwanzig Jahren entwickelte sich eine solche Fülle von regionalen Detailstudien, dass die inspiratorische Kraft des Konfessionalisierungskonzeptes trotz teilweiser Korrekturen und Modifikationen außer Frage steht. Vor diesem Hintergrund erscheint die grundsätzliche Kritik von Peter Hersche, die Konfessionalisierungsthese erweise sich als das größte Hindernis zur adäquaten Erkenntnis des frühneuzeitlichen Katholizismus im Barockzeitalter,33 als übertrieben. Dabei greift er vor allem die Orientierung des Konzepts an der Modernisierungsthese an. Ihr setzt er eine Kulturgeschichte des katholischen Barock entgegen, die gerade von der Nicht-Modernität her zu schreiben wäre: „als Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit der katholischen Reformbemühungen, als ostentative Verschwendung und planlos lebende Mußepräferenz des katholischen Wirtschaftsstils und als eine Religiosität, die zwar differenzierend typologisiert, der aber kein modernisierender Wandel zugeschrieben werden kann.“34

29

Vgl. JEDIN (1973). Vgl. ZEEDEN (1965); ZEEDEN (1967); ZEEDEN (1973); ZEEDEN (1985). 31 Vgl. REINHARD (1983); REINHARD (1989); REINHARD (1995); REINHARD (1977); REINHARD/ SCHILLING (1988); SCHILLING (1995). 32 Vgl. REINHARD/ SCHILLING (1995); RUBLACK (1992); SCHILLING (1986). 33 HERSCHE (2006) 63. 34 So die treffende Zusammenfassung bei HOLZEM Bd. 1 (2015) 15. Zur Kritik Holzems an der zu Grunde liegenden Weber-Rezeption bei HERSCHE siehe ebd. 30

3. Jesuitische Barockscholastik – Einordnungen

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Problematisch erscheint aber in der Tat die Vorstellung, dass sich auf der Grundlage einer Modernisierungstheorie der Prozess einer Konfessionalisierung als ‚Fortschritt‘ auf dem Weg in die moderne Gesellschaft darstellt. Wenn diese Entwicklung dann nach Max Weber auch noch als fortgesetzte ‚Entzauberung der Welt‘ gedacht wird, so wird man diesem Geschichtsbild eine Christentumsgeschichte als „kontinuierliche Verzauberung der Welt“ entgegensetzen können, wie dies Jörg Lauster jüngst tat.35 In einer dialektischen Betrachtung dieser beiden Grundthesen wird man der geschichtlichen Offenheit des Transformationsprozesses schließlich am ehesten gerecht. Die Kulturgeschichte des Christentums von Lauster setzt sich auch zum Ziel, „seine kulturelle Erscheinungsvielfalt besser zu verstehen.“36 Ein ähnliches Interesse zeigt Thomas Kaufmann in seinem Beitrag zum „lutherischen Protestantismus in der zweiten Hälfte des Reformationsjahrhunderts“, in welchem er nach „konfessionellen Kulturen“ fragt.37 Dabei interessieren weder primär die theologischen Lehrinhalte noch deren „institutionelle Lebensgestalten“, sondern Kontexte und Konflikte, in denen sich der Protestantismus durchsetzen musste.38 Auch der Katholizismus hatte sich im Rahmen gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Kontexte und Konflikte nach innen wie nach außen zu behaupten. Dies wird man auch in der Theologiegeschichte nicht vergessen dürfen. So werden manche theologischen Erläuterungen über Sklaverei erst vor dem Hintergrund unterschiedlicher Praxisfelder relevant und verständlich. Gleichzeitig ist aber auch das Bemühen um spekulative Durchdringung zur Fundierung konkreter Praxis zu würdigen. Theologie ist Zeitdiagnose unter bestimmten religiösen Prämissen. Sie ist zeitlich und beschäftigt sich doch stets auch mit dem Überzeitlichen, mit Gott. Gerade dann, wenn Kulturgeschichte einseitig wirtschafts- oder sozialgeschichtlich ausgerichtet ist und Theologie nur noch als Legitimationsinstanz machtpolitischer Interessen verstanden wird, ist dies in Erinnerung zu rufen. In der heutigen säkularen Gesellschaft ist das Fremde eines religiös durchwirkten Zeitalters wie dem 16. und 17. Jahrhundert weder zu verklären noch kleinzureden. Das gilt auch für die Jesuiten und ihre Bedeutung für die Frühe Neuzeit. So wird die Gesellschaft Jesu gemeinhin als Speerspitze des tridentinischen Katholizismus betrachtet. Auch Hersche bescheinigt ihnen: „Wenn überhaupt von ihrer [gemeint ist die katholische Reform; d. Verf.] Durchsetzung gesprochen werden soll, dann haben sicher die Jesuiten einen gewichtigen

35

LAUSTER (2014) 14. Ebd. 37 KAUFMANN (2006). 38 Ebd., VII. 36

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I. Einleitung

Anteil daran gehabt.“39 Insgesamt müsse ihr Erfolg aber als ambivalent bezeichnet werden. Gerade die Bildungsinstitutionen der Jesuiten würden zeigen, wie sich ein Erfolgsrezept in Rückständigkeit verkehren könne. Um 1750 galten sie nicht mehr als modern, sondern als überholt.40 Immerhin, könnte man einwenden, bliebe eine zweihundertjährige Erfolgsgeschichte keineswegs zu verachten. Zumindest also für unseren Untersuchungszeitraum gelten die Jesuiten unbestritten als dynamischer Reformorden mit Modernisierungspotenzial. Den heute überwiegend positiven Darstellungen von Erfolg und Charme des Jesuitenordens, seiner methodisch angeleiteten Spiritualität und weltmännischen Gewandtheit, alles zur höheren Ehre Gottes, steht eine latent jesuitenfeindliche Publizistik gegenüber, die jesuitische Verschlagenheit, Spitzfindigkeit und Machtgier betont. Die starken Polarisierungen in der Betrachtung des Jesuitenordens erscheinen dabei manchmal wie späte Reflexe von Konfliktgeschichten, deren tiefgreifendste wohl die Auseinandersetzung mit den ‚Jansenisten‘ war. Allerdings verhärtete sich diese Frontstellung erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Gerade ihr Erfolg brachte den Jesuiten auch zahlreiche Feinde im eigenen Lager ein. Ausgerechnet in der Zeit, als die Umsetzung der Trienter Reformen in Europa langsam Gestalt annahm, verstrickten sich Jesuiten immer tiefer in innerkatholische Machtkämpfe. Das Konzil von Trient schuf keine vollendete katholische Konfession, sondern löste zunächst eine langwierige Formierungsphase angesichts vieler offener Fragen aus. Der tridentinische Katholizismus war eine schwere Geburt und kaum hatte er sich um 1600 einigermaßen konstituiert, drohte er auch schon wieder in verschiedene Strömungen zu zerfallen. Die Jesuiten trugen diesen schwierigen Transformationsprozess, wie viele andere alte und junge Orden, mit. Eine Monopolstellung im Bildungssektor war vielleicht (wenngleich sie sich nur langsam herausbildete) im deutschen Katholizismus gegeben, für die blühenden theologischen Landschaften in Spanien und Portugal kann davon im 16. Jahrhundert kaum die Rede sein. Die Jesuiten füllten nicht einfach nur eine Lücke, welche die von der Reformation erschütterten alten Orden hinterlassen hatten – das galt nur für die Länder, in denen sich die Reformation ausbreitete –, sie standen vielmehr in Rom und auf der iberischen Halbinsel neben einem äußerst vitalen Dominikanerorden, zu dem sie sowohl kooperative wie konfliktive Verhältnisse unterhielten. Hochachtung und Rivalität gingen oft Hand in Hand. Auch globalgeschichtlich betrachtet waren die Jesuiten immer nur eine Gruppe unter anderen. Andere Orden (v. a. Franziskaner, Dominikaner, Ka39 40

HERSCHE (2006) 203. Ebd., 207f.

3. Jesuitische Barockscholastik – Einordnungen

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puziner) missionierten rege in der größer werdenden Welt. Wenn Jesuiten also als Multiplikatoren für eine an Trient orientierte katholische Konfessionalisierung bzw. Reform gelten können, so waren sie dies doch nie allein. Hier hat sich in der Forschung bisweilen eine Überbetonung eingeschlichen, die nicht zuletzt auch darin ihre Gründe hat, dass die Geschichte der Jesuiten von diesen selbst vorbildlich erschlossen wurde. Insofern wäre es wünschenswert, dass diese Untersuchung über das Sklavereiverständnis der Jesuiten durch weitere Forschungen zu anderen Orden in dieser Zeit ergänzt wird. Wenn auch in diesem Buch die Jesuiten als Untersuchungsgegenstand gewählt wurden, so soll dies nicht in der Weise geschehen, diesen Orden als monolithischen Block zu sehen, in dem es eine in sich geschlossene Schultheologie gegeben hätte. Die jesuitische Theologie steht im Kontext eines theologischen Diskurses, der über die eigenen Ordensgrenzen hinausging und sowohl nach außen wie nach innen kontrovers geführt wurde. Die innere Geschlossenheit des Ordens ist zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu beschreiben. Auch an einem Thema wie der Sklaverei wird schnell sichtbar, wie unterschiedlich die Autoren dachten. Schließlich ist noch zu betonen, dass es in der Frühen Neuzeit keinen tridentinischen Einheitskatholizismus gab, sondern mehrere Katholizismen. Die Rede von ‚Katholizismen‘ im Plural gehört mittlerweile zum Gemeinplatz der Katholizismusforschung – nicht nur der Frühen Neuzeit, sondern auch darüber hinaus. Die Betonung katholischer Pluralität scheint auch in ideologiekritischer Hinsicht angebracht, gehört doch die Vorstellung eines tridentinischen Einheitskatholizismus, „der vier Jahrhunderte lang Glauben und Leben der Katholiken unversehrt bewahrt habe“41, nach Hubert Wolf zum Geschichtsbild katholischer Fundamentalisten wie den Pius-Brüdern und traditionalistischer Kreise am rechten Rand der Kirche. Aus all diesen Überlegungen ergeben sich Konsequenzen für die hier vorgenommene theologiegeschichtliche Untersuchung. So ist festzuhalten, dass die kulturgeschichtliche Ausrichtung frühneuzeitlicher Katholizismusforschung trotz des vielbeschworenen ganzheitlichen Ansatzes zu einer merkwürdigen Vernachlässigung der Theologie geführt hat. Claus Arnold machte 2008 auf dieses Desiderat aufmerksam und fragte im Rahmen seiner Untersuchung zur Römischen Zensur der Werke Cajetans und Contarinis nach der theologischen Dimension einer katholischen Konfessionalisierung.42 An diese Frage ist anzuknüpfen und dabei der Blick auch wieder auf die theologischen Werke der Zeit selbst zu richten. Dabei wird man rasch 41 42

WOLF (2015) 160. ARNOLD (2008).

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I. Einleitung

feststellen, dass der nachtridentinische Uniformierungsdruck gar nicht so stark war wie allgemein angenommen. Die Werke der Exegese stellen sich bereits formal und methodisch uneinheitlich dar. Hier gab es eine Bandbreite an Möglichkeiten, den Stoff aufzubereiten und auszulegen. Über die Handhabung der sogenannten ‚Autoritäten‘ (z. B. Vulgata, Kirchenväter, Thomas von Aquin) vor, während und nach dem Konzil von Trient wurde mühsam gerungen. Ein differenzierter Umgang mit ihnen zeigt sich nicht zuletzt in den hier behandelten Werken. Die Versuche der Römischen Zensur, die Theologie rechtgläubig auf Linie zu bringen, machten auch immer wieder die Aporien dieser Zielsetzung deutlich. Die Vorgaben der jesuitischen Studienordnung (Ratio Studiorum) sind also nicht nur vor dem Hintergrund konfessioneller Normierungsinteressen zu sehen, sondern ebenso als Balanceakt innerkonfessioneller Heterogenität, der Spielräume zulässt. Diese These wird noch näher auszuführen sein. Theologiegeschichtlich ist diese Studie in die Epoche der ‚Barockscholastik‘ oder ‚Zweiten Scholastik‘ einzuordnen.43 Ihr ging eine ‚erste‘ Scholastik des Mittelalters voraus, von der sie sich allerdings deutlich unterschied. In Methode und Fragestellung nahm die Barockscholastik die Fragen und Lösungen der eigenen Zeit kritisch auf. Dies lässt sich schließlich im Hinblick auf die Sklaverei, die mit den Entdeckungen und Eroberungen fremder Kontinente neue Züge und Formen annahm, feststellen. Die Barockscholastik darf aber ebenso wenig mit der römischen Neuscholastik des 19. Jahrhunderts verwechselt werden. Dies ist umso deutlicher zu betonen, als in der Theologiegeschichte des 20. Jahrhunderts große Bemühungen jesuitischer und dominikanischer Geschichtstheologen wie Marie-Dominique Chenu OP (1895-1990), Henri de Lubac SJ (1896-1991), Yves Congar OP (1904-1995) und Jean Daniélou SJ (1905-1974) unternommen wurden, eine Alternative zur römischen Neuscholastik zu finden. Während die Dominikaner Thomas von Aquin wieder in einen mittelalterlichen Kontext einordneten, um damit einen anderen Thomismus als den römischen freizulegen, wandten sich die Jesuiten vor allem der ‚wiederentdeckten‘ Vätertheologie zu. Allerdings sahen sich diese Theologen großen Repressionen durch das Heilige Offizium ausgesetzt, die zu Indizierungen von Büchern, zum Verlust von Lehrstühlen und Zwangsversetzungen führten. In der Enzyklika Humani generis (1950) wurde diese Richtung mit dem abwertenden Begriff ‚nouvelle théologie‘ belegt und verurteilt. Erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) änderte sich die Situation grundlegend. Die genannten Theologen wurden zu wichtigen Inspiratoren des 43

LEINSLE (1995) 262. Dies meint einen Zeitraum zwischen der Hochphase des europäischen Humanismus um 1500 und der Durchsetzung aufklärerischer Ideen im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert.

3. Jesuitische Barockscholastik – Einordnungen

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Konzils und seiner Rezeption. Daniélou wurde 1969 zum Kardinal kreiert, Lubac 1983 und Congar 1994.44 Mit der nouvelle théologie ging eine Aufwertung einer bestimmten Art von Theologiegeschichte einher, deren Anliegen immer noch aktuell sind. Die Rückbesinnung auf die Quellen führte zu einer Relativierung eines römischen Neuthomismus, indem sie tiefe und lebendige Traditionen der Kirche ansichtig machte, die von der noch relativ jungen Entwicklung des 19. Jahrhunderts überschattet wurden. Das Fach Kirchengeschichte steht heute in seinem Selbstverständnis immer noch in dieser (nachkonziliar etablierten) Tradition, insofern es als locus theologicus kirchliche Fehlentwicklungen kritisch durchleuchtet und sich als memoria innovans prospektiv mit der Vergangenheit beschäftigt.45 Die Rückbesinnung auf die ganze Breite der kirchlichen Tradition führte bei den Theologen der nouvelle théologie zunächst aus naheliegenden Gründen zum Studium der Kirchenväter, der Konzilien und ganz besonders der mittelalterlichen Theologen. Bei der Suche nach dem „historischen Thomas“ kam es bei Chenu rasch zu einer methodischen Öffnung, die zu einer engen Verbindung mit der historischen Annales-Schule führte und in der Ausbildungsstätte Le Saulchoir begeistert rezipiert wurde. Insofern entstand zwischen den Vertretern der profanhistorischen Annales-Schule (die Zeitschrift Annales wurde 1929 gegründet) und Chenu bald ein wertvoller interdisziplinärer Austausch. Chenu beschrieb diesen Einfluss im Rückblick so: „Meine Forschungen verbanden sich … mit der neueren Historiographie, die sich von der Geschichte der großen Männer abwandte und zum alltäglichen Leben hinneigte. Hinunter zu … den Mentalitäten, hinunter zur Anonymität der Massen und zur Oralität der Erzählungen – kurz gesagt, hinunter zum gelebten und nicht nur zum gelehrten Glauben.“46

Die vorliegende Studie ist zwar keine Mentalitätsgeschichte oder Alltagsgeschichte, aber sie hat dennoch eine anonyme Masse im Blick, die Sklaven und Sklavinnen. Der theologiegeschichtliche Zugang ist nicht gegen einen mentalitätsgeschichtlichen auszuspielen, sondern im Horizont der vielfältigen sozialgeschichtlichen Studien über Sklaverei zu sehen, die bereits existieren. Zwischen Theorie und Praxis besteht ein Abstand, dessen Ausmaß nur vorsichtig abzuschätzen ist und der im Leben der Menschen individuell variierte. Doch dies war bereits den Barockscholastikern bewusst, die neben den rechtlichen Rahmenbedingungen auch Orientierung für das Gewissen, das innerhalb dieser Rahmenbedingungen in der Praxis stets 44

BAUER (2016); FÉDOU (2016); FAMERÉE/ ROUTHIER (2016). Vgl. JASPERT (2013). 46 CHENU (1985) 176. 45

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I. Einleitung

herausgefordert wurde, geben wollten. Die Hinwendung zum gelebten Glauben lässt sich bei den gelehrten Jesuiten des 16. und 17. Jahrhunderts immer wieder erkennen. Gerade im Kontrast zu einem doktrinal verengten Neuthomismus des 19. Jahrhunderts ist es lohnend, sich die dynamische Verbindung zwischen Theologie und Praxis der Barockscholastiker vor Augen zu führen. Dies fängt freilich nicht die Perspektive der Sklavinnen und Sklaven selbst ein, die selbst fast gar nicht als Produzenten von Quellen auftreten, die ihnen eine Stimme verleihen. So führt diese Studie nur indirekt an ihre Lebenswelt heran, nämlich über die Gewissens-, die Normen- und Interessenskonflikte ihrer christlichen Besitzer und Umgebung. Für die genannten Geschichtstheologen des 20. Jahrhunderts spielten vor allem die Zeit der Kirchenväter und das Mittelalter eine große Rolle.47 Die Reformation erfuhr im letzten Jahrhundert gerade im Hinblick auf den ökumenischen Dialog eine Neubewertung. Congar, der in seinen geschichtlichen Nachforschungen bis zur nachtridentinischen Theologie gelangte, sah in dieser Theologie jedoch den Anfang einer Niedergangsgeschichte, die im 19. Jahrhundert ihren Tiefpunkt erreicht hatte. „In der Theologie der Gegenreformation sollte die Bewegung einer Überhöhung der Autorität der Kirche und insbesondere der päpstlichen Autorität immer größer werden.“48 Entsprechend bezeichnete er die Arbeit der nachtridentinischen Theologen auch als „Übergang“ zu einer Überhöhung des Lehramts der Kirche, wobei in Opposition dazu die Bewegungen der Gallikaner und Jansenisten gestanden hätten.49 Diese Perspektive wurde in der Kirchengeschichte als Unterscheidung zwischen einem zentripetalen (tridentinischen) und zentrifugalen Katholizismus (im Gallikanismus, Jansenismus u. a.) fortgeführt. Vor diesem Hintergrund erfuhren in den letzten Jahrzehnten die römischen Barockscholastiker kaum Beachtung, es sei denn als Vertreter eben jenes Übergangs, dem sich die betrachteten Bewegungen widersetzten. So ist es an der Zeit, hier eine ergebnisoffenere historische Kontextualisierung anzustreben, zumal die Barockscholastiker nicht für die Entwicklungen des 19. Jahrhunderts verantwortlich sind. Auch hier gilt es, sich die Bandbreite der barockscholastischen Tradition bewusst zu machen, um so eine Teleologie zu vermeiden. Wenn dieses Buch zu einem besseren Verständnis der Arbeits-

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Daniélou konzentrierte sich bei seinen historischen Forschungen auf die ersten vier Jahrhunderte, Lubac arbeitete auch über Themen der späteren Patristik wie des Mittelalters, Chenu widmete sich vor allem der Mediävistik. Congar führte seine Studien zeitlich am Weitesten an die Gegenwart heran (vgl. BAUER [2016]; FÉDOU [2016]; FAMERÉE/ ROUTHIER [2016]). 48 FAMERÉE/ ROUTHIER (2016) 137. 49 Ebd., 137f.

4. Aufbau

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und Denkweise jesuitischer Theologie in ihrer Anfangsphase beiträgt, wäre ein weiteres Ziel erreicht.

4. Aufbau Die vorliegende Studie gliedert sich in fünf Teile. Zunächst wird die Institution des Collegio Romano vorgestellt (II.). Dabei liegt ein Schwerpunkt auf der Studienordnung (Ratio Studiorum), die wiederum in ihrem Verhältnis zum Trienter Konzil beleuchtet werden soll. Neben den institutionellen Rahmenbedingungen soll schließlich noch ein Blick auf die Beteiligung der Jesuiten an den beiden größten theologiegeschichtlichen Konfliktfeldern, dem ‚Gnadenstreit‘ und dem ‚Jansenistenstreit‘, geworfen werden, wobei beides nur für den Untersuchungszeitraum bis Mitte des 17. Jahrhunderts dargestellt wird. Damit soll deutlich werden, dass die Jesuiten neben der spekulativen Durchdringung theologischer Fragestellungen auch machtpolitische Interessen in eigener Sache verfolgten, wie ihre Kontrahenten jeweils auch. Ob diese Konfliktpunkte sich auch in irgendeiner Weise auf das Thema Sklaverei auswirkten, wird zu fragen sein. Nach dieser institutionen- und theologiegeschichtlichen Rahmung folgt in III. der erste Teil zur Sklaverei und zwar als Thema in der Bibelexegese. Dabei werden unterschiedliche Bibelkommentare vorgestellt und ausgewählte Stellen aus dem Alten und Neuen Testament auf ihre Aussagen über Sklaverei hin untersucht. In IV. folgt die Behandlung der Sklaverei als Thema der Scholastischen Theologie. Nach einleitenden Bemerkungen zu Grundlagen bei Aristoteles, Thomas von Aquin und der Schule von Salamanca, die zum Wissenshorizont der jesuitischen Theologen gehörten, werden einzelne Autoren behandelt. Neben Suárez kommt auch dessen philosophischer Gegenspieler Vázquez zu Wort. Der bedeutende spanische Einfluss auf die römische Theologie zeigt sich auch über den spanischen Jesuiten Luis de Molina, der sich deutlich zur Sklaverei positionierte und gleichzeitig im Rahmen des Gnadenstreits einem römischen Prozess ausgesetzt war. Er wird in einem Exkurs behandelt. Auf ihn stützte sich wiederum Juan de Lugo, der zu den Nachfolgern des Suárez in Rom gehörte. Im Kontrast zu dessen humanem Ethos wird schließlich Antonio Pérez eingeführt. Besonderer Wert wurde bei der Auswahl der Texte auf die Frage nach der Begründung von Sklaverei, dem damit verbundenen Menschenbild und der Frage nach einer Aristotelesrezeption gelegt. Nach diesen beiden theologischen Hauptsäulen werden in V. drei Positionen zur Sklaverei im Fach Moraltheologie (und Kasuistik) vorgestellt. Hierbei wird auch deutlich, wie sich die Moraltheologie mühsam zwischen

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I. Einleitung

Scholastischer Theologie mit ihrer Behandlung des Naturrechts und der Ethik nach Thomas einerseits und der praxisorientierten Kasuistik als eigenständige Disziplin herausbildete. Schließlich folgt in VI. noch ein Ausblick auf die Missionstätigkeit der Jesuiten, in deren Kontext tiefgreifende Erfahrungen mit unterschiedlichen Formen von Sklaverei gemacht wurden. Auch diese wurden innerhalb des Ordens kommuniziert und gehörten somit zum Wissenshorizont der römischen Theologen, die wiederum Missionare ausbildeten. Am Schluss (VII.) werden die Ergebnisse der einzelnen Teile miteinander in Beziehung gesetzt und ausgewertet.

II. Das Collegio Romano 1. Die Gründung Die Gesellschaft Jesu wurde von Ignatius von Loyola (1491-1556) gegründet, der für diesen neuen Orden am 27. September 1540 von Papst Paul III. die Gründungserlaubnis erhielt.50 Ihre Losung ‚Gott in allen Dingen finden‘ zeigt, dass dieser Orden von einer mönchischen Klausur Abstand nahm und stattdessen mitten in der Welt wirken wollte. In den Ordenssatzungen 51 wird als Ziel der Jesuiten angeben, „sich nicht nur mit der göttlichen Gnade der Rettung und Vervollkommnung der eigenen Seelen zu widmen, sondern sich mit derselben Gnade inständig zu bemühen, zur Rettung und Vervollkommnung der Seelen der Nächsten zu helfen“.52 Die Aufgabenstellung des Jesuitenordens war universal und ganzheitlich angelegt. Alles, was dazu diente, dieses Ziel zu erreichen, sollte unternommen werden. Dazu gehörte konkret eine Unterweisung der Seelen durch öffentliche Predigten und Vorträge sowie durch geistliche Übungen. Kinder sollten genauso im Christentum angeleitet werden wie einfache Menschen. Wichtig war die geistliche Tröstung der Gläubigen durch das Beichtehören und die Verwaltung der übrigen Sakramente. Eine christliche Lebensführung sollte eingeübt und begleitet werden.53 Ein zentrales Tätigkeitsfeld dieses Apostolats wurden die ‚Schulen‘.54 Im ersten Jahrzehnt hatte der neue Orden noch keine Schulen, doch „seit ungefähr 1551 eröffneten die Jesuiten im Durchschnitt vier bis fünf Schulen pro Jahr“55 und dies mit steigender Tendenz. Ignatius befürwortete diese Entwicklung. So schrieb Juan Alfonso de Polanco (1517-1576), den Ignatius Zur Geschichte des Jesuitenordens: HAUB (2007); O’MALLEY (1995); RAVIER (1982). Ignatius hatte sich lange dagegen gesträubt, zum Generaloberen seines Ordens gewählt zu werden, um nicht gegen die Demut zu verstoßen. Nachdem er diesen Widerstand aufgegeben hatte, leitete er die rasch anwachsende Societas Iesu von ihrer römischen Niederlassung aus mit großen Fleiß und Genauigkeit, was sich auch in den detaillierten ,Satzungen‘ zeigt, die er bis zu seinem Tod 1556 immer wieder überarbeitete (HOLZEM Bd. 1 [2015] 201f.). Sie wurden in leicht geänderter Form 1558 von der ersten Generalkongregation in Kraft gesetzt. Die Satzungen (Constitutiones) sind zugleich Grundgesetz und Lebensregel der Jesuiten. 52 Satzungen der Gesellschaft Jesu (Text B), in: Ignatius von Loyola, Gründungstexte der Gesellschaft Jesu, Bd. 2, übersetzt von Peter KNAUER, Würzburg 1998, 592. Zur Entstehung der Satzungen: ebd., Einführung, 580-589; RAVIER (1982). 53 PRIESCHING/ KREBES (2014) 119f. 54 SCHATZ (2014) 61. Zu den Ursprüngen des Schulengagements der Jesuiten und seinen Entstehungszusammenhängen vgl. GRAFTON/ JARDINE (1984); Für die Jesuiten DONOHUE (1963); FARRELL (1954); HENGST (1981); LUNDBERG (1966); SCAGLIONE (1986). 55 HAUB (2007) 43; O’MALLEY (1995) 233. 50 51

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II. Das Collegio Romano

1547 als Sekretär nach Rom geholt hatte,56 im Jahr 1555 an Francisco de Borja57: „Es ist die Absicht unseres Vaters [Ignatius; d. Verf.], besonders in diesem Anfangsstadium, eher die Kollegien als die Häuser zu vermehren.“58 Diese Entwicklung war keineswegs von Anfang an vorgezeichnet gewesen, denn die Gesellschaft Jesu ist nicht als Lehrorden gegründet worden. Ignatius und seine Gefährten kamen vielmehr nach Rom, „um sich dem Papst für die katholische Reform zur Verfügung zu stellen. Sie wollten frei sein, um an andere Orte zu gehen, wo sie am meisten gebraucht wurden.“59 Insofern schienen Schulen zunächst der Mobilität des Ordens zu widersprechen. Andererseits zeigte sich bald, dass für die Verbreitung des Glaubens gut qualifizierte Priester sowie die Erziehung der Jugend notwendig waren. Und so ist es nicht verwunderlich, dass die Kollegien bald den ersten Platz unter den Aufgaben der Jesuiten einnahmen. 1560 schrieb Polanco, dass es zwei Weisen gebe, den Nächsten zu helfen: „[D]ie eine besteht darin, in den Kollegien die Jugend in Literatur, Lernen und christlichem Leben zu erziehen, und die zweite darin, an jedem Ort jeder Art von Personen durch Predigen, Beichthören und andere Mittel zu helfen“.60 Noch vor der Gründung von Schulen für Kinder und Jugendliche stand die Ausbildung des eigenen Ordensnachwuchses im Vordergrund. „Die ersten ‚Jesuitenkollegien‘, die bis 1545 entstanden, waren Wohnheime an Universitäten für Jesuitenscholastiker oder auch Novizen (eigentliche Novizenhäuser gab es noch nicht); jedenfalls nahmen sie nur solche auf, die wenigstens Jesuiten werden wollten.“61 Diese Kollegien – mit diesem Begriff wurden verschiedene Institutionen bezeichnet – sollten also zunächst „bloße Unterkünfte ohne irgendwelchen Unterricht“62 sein. „Solche Kollegien existierten an den Universitäten Paris, Löwen, Köln, Padua, Alcalá, Valencia und Coimbra.“63 In Messina kam es auf Initiative der Stadt dann 1548 dazu, dass erstmals auch Auswärtige in das Kolleg aufgenommen wurden, unab-

O’MALLEY (1995) 19. O’Malley betont hier die große Rolle Polancos bei der Abfassung der Satzungen, in denen die Grundprinzipien des Ordens festgehalten wurden. Der erste Sekretär des Ignatius war seit 1539 Franz Xaver gewesen, der dieses Amt bis zu seiner Aussendung in die Mission nach Indien am 14. März 1540 innehatte (HAUB [2002] 31). 57 Francisco Borja (1510-1572) wurde 1565, nach dem Tod von P. Laínez, zum dritten Ordensgeneral der Gesellschaft Jesu berufen. 58 Monumenta Ignatiana. Sancti Ignatii de Loyola Societatis Jesu fundatoris epistulae et instructiones, Bd. 9, Madrid 1909, 83, zitiert nach O’MALLEY (1995) 234. 59 HAUB (2007) 43. 60 O’MALLEY (1995) 233. 61 SCHATZ (2014) 61f. 62 O’MALLEY (1995) 235. 63 SCHATZ (2014) 62. 56

1. Die Gründung

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hängig davon, ob diese Jesuiten werden wollten oder nicht.64 Dieser Schritt zur Öffnung wurde wegweisend für die folgenden Gründungen, darunter 1551 das Collegio Romano. Der Plan zu dieser Gründung ging auf Ignatius selbst zurück, der von den Studienerfolgen des Kollegs von Messina beeindruckt war. Alles fing klein an: „Am 22. Februar 1551 bezog eine Gruppe von fünfzehn Studenten in Rom ein schlichtes Haus, das die Inschrift trug: ‚Scuola di Grammatica, d’Umanità e Dottrina Cristiana, gratis‘. Am folgenden Tag begannen die Vorlesungen in Latein und Griechisch. Damit war das Collegium Romanum entstanden. Anfangs vermittelte es also grammatisches und humanistisches Wissen und diente der religiös-sittlichen Bildung der Alumnen.“65

Bereits 1553 wurden jeweils drei Lehrstühle für Philosophie und für Theologie eingerichtet. Damit wuchs das humanistische Gymnasium zu einem Kolleg, in dem man auch Theologie studieren konnte. Dort gab es eine Vorlesung aus der STh des Thomas von Aquin, eine Vorlesung aus den Sentenzen des Petrus Lombardus und eine Vorlesung zur Heiligen Schrift. 1555 kam noch ein eigener Lehrstuhl für Kontroverstheologie hinzu. Akademische Grade konnten erstmals 1556 erteilt werden. 1562/63 wurde noch ein Lehrstuhl für Moraltheologie eingerichtet.66 Gerade dieses Collegio Romano war „als internationales Modell-Kolleg gedacht“67 und zog viele auswärtige Schüler an. Es bestand aus einem Schulgebäude und einem Wohntrakt für die Jesuitenlehrer wie für die Studenten. Nach mehreren Ortswechseln fand das Kolleg 1560 seinen Platz an der heutigen Piazza del Collegio Romano.68 Seine finanzielle Situation war von Anfang an prekär. „Die Stiftung von Borja blieb weit hinter den Erfordernissen und Erwartungen zurück.“69 Die Päpste unterstützten das Kolleg zunächst nur spärlich, bis sich Papst Gregor XIII. (1572-1585 Papst) seiner annahm. Die Gründung des Collegio Romano markiert einen Wendepunkt in der Ordensausbildung. Während bis dahin Jesuiten durch Nicht-Jesuiten an Universitäten ausgebildet worden waren, bestand die Ordensleitung nun darauf, „dass Jesuiten durch Jesuiten gelehrt werden und der Orden auf eigenen Anstalten den eigenen Nachwuchs ausbilden solle“.70 Doch damit nicht genug: 64

Der Jesuit Jeronimo Nadal (1507-1580) war von 1548 bis 1552 Professor und Rektor des Kollegs in Messina. Aus seiner Lehrtätigkeit dort stammt wahrscheinlich eine von ihm verfasste Studienordnung (THEINER [1970] 104). 65 Ebd., 100. 66 Ebd.; VILLOSLADA (1954) 10-13; 30; 71. 67 SCHATZ (2014) 62. 68 O’MALLEY (1995) 270. 69 Ebd., 271. 70 SCHATZ (2014) 62.

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II. Das Collegio Romano

1552 wurde in Rom auch noch das Collegio Germanico gegründet.71 Die Initiative hierfür ging auf Kardinal Giovanni Morone (1509-1580) zurück, der in den 1540er Jahren päpstlicher Legat im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation war und sich wegen des sich rasant ausbreitenden Protestantismus Sorgen um die Priesterausbildung machte.72 So sollten die Söhne adeliger Familien, die für eine kirchliche Karriere vorgesehen waren, fernab von den reformatorischen Einflüssen am Collegio Romano studieren und in einem eigenen Kolleg wohnen. Dieses Collegio Germanico beherbergte trotz seines Namens verschiedene Nationen wie Polen, Engländer, Franzosen, Schotten und Ungarn. Doch die Deutschen bildeten hier die Mehrheit.73 Auch das Collegio Germanico stand unter der Leitung der Jesuiten. Damit wurde die jesuitische Priesterausbildung auch auf die Weltgeistlichen ausgedehnt.74 Allerdings geriet das Collegio Germanico bald nach seiner Gründung, nämlich nach dem Tod von Julius III. (23. März 1553) in eine finanzielle Krise, die den Bestand ernsthaft gefährdete.75 Unter Gregor XIII. (15721585) kam es zu einer „Neugründung und Vergrößerung dieser Anstalt“.76 Das Collegio Germanico besaß einen besonderen Charakter. Es war zugleich Jesuitenanstalt und päpstliches Seminar. So erklärte die Gründungsbulle Ex Collegio Germanico (1584) von Gregor XIII., dass die Gesellschaft Jesu in der Leitung des Kollegs nicht ihre Gebräuche einführen möge, sondern neue Regeln erstellen solle, die zur Heranbildung von Weltpriestern geeignet wären.77 Die Oberleitung lag bei den Päpsten, die durch Bullen, Breven und apostolische Visitationen eingriffen.78 Die Verbindung zwischen 71„Nach

einer Verzögerung durch den Parmakrieg und einem erneuten Eintreten der Kardinäle bei Papst Julius III. nach der Beendigung des Krieges kam die Gründung des Collegiums Germanicum in Gang. Ignatius von Loyola wurde von den Kardinälen mit der Vorbereitung der notwendigen Maßnahmen, d.h. dem Entwurf der Gründungsbulle, der Statuten und Regeln und der Anwerbung von Kandidaten betraut. Die Gründungsbulle ‚Dum Sollicita‘ erschien am 31. August 1552“ (SCHMIDT [1984] 13). 72 Zu ihm: WESSELING (2001) Sp. 923-933. 73 BROGGIO (2002) 101-103. Im Jahr 1565 wurde für die Diözese Rom ein eigenes Priesterseminar eingerichtet, das Seminario Romano. Für alle Auswärtigen wurde das Collegio Germanico zum Priesterseminar bzw. zum exklusiven Kolleg. 74 VILLOSLADA (1954) 13f. 75 Das Collegium Germanicum wurde aus freiwilligen Zahlungen des Kardinalskollegiums erhalten, die allerdings mit dem Tod von Papst Julius III. weitgehend versiegten (vgl. SCHMIDT [1984] 14). 76 Ebd., 15. 77 Ebd., 18. Die Bulle Gregors XIII. Ex Collegio Germanico findet sich bei: PACHTLER Bd. 1 (1887) 382-394. Die Entstehungsgeschichte der Statuten und Regeln des Collegium Germanicum bis zu ihrem Endpunkt 1584 mit der genannten Bulle ist mehrfach dargestellt und durch die Editionen Monumenta quae spectant primordia Collegii Germanici et Hungarici, hg. v. Friedrich SCHRÖDER SJ, Rom 1896 und Monumenta Paedagogica Societatis Iesu, hg. v. Ladislaus LUKACS SJ, Bde. 1-7, Rom 1965-1992 umfassend dokumentiert. 78 SCHMIDT (1984) 21.

1. Die Gründung

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Papst und Kolleg lag bei fünf Kardinälen, den sogenannten Kardinalprotektoren.79 Einzelne Rechte, wie die Einsetzung des Rektors oder die Aufnahme der Alumnen, waren dem Jesuitengeneral zugeordnet.80 Das Collegio Germanico hatte eine gewisse Vorbildfunktion für die tridentinischen Seminare im Auftrag der Bischöfe, wie sie im Trienter Seminardekret vom 15. Juli 1563 gefordert wurden.81 Damit hätte man eigentlich diese Bestimmung bereits als eingelöst betrachten können. Dennoch kam die Forderung auf, der Papst möge den Bischöfen ein Vorbild geben, indem er in seiner eigenen Diözese ein römisches Seminar einrichtete. Daraufhin wurde 1563 das sogenannte Seminario Romano gegründet, dessen Leitung 1564 wiederum die Jesuiten übernahmen.82 Während Rom bis zum Konzil von Trient für die Rekrutierung und Ausbildung des deutschen Klerus keine Rolle gespielt hatte,83 änderte sich dies nun mit dem Ausländerseminar des Collegio Germanico und der Lehranstalt des Collegio Romano, an der zunehmend Schüler aus aller Welt studierten. Beide standen allerdings erst seit Gregor XIII. finanziell auf einer soliden Basis. Die Zahl der Schüler am Collegio Romano stieg rasch an. 1552 sollen es bereits 520 von auswärts und 22 oder 24 Jesuiten gewesen sein.84 Allerdings existieren keine Listen über die externen Studenten am Kolleg, so dass keine genauen Statistiken geführt werden können.85 Die internationale Strahlkraft des Collegio Romano kann jedoch sehr hoch eingeschätzt werden. Bald stieg es zu einem Zentrum für die Ausbildung der jesuitischen Führungselite auf. Erst mit der starken Zunahme an Jesuitenkollegien in ganz Europa ging diese Anziehungskraft im 17. Jahrhundert wieder etwas zurück. Insofern dürfte das Collegio Romano im 17. Jahrhundert nicht mehr ganz so repräsentativ

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Ebd., 22. Ebd., 19. 81 Vgl. Konzil von Trient, Sessio XXIII (15. Juli 1563), Kanon 18: Die Einrichtung von Seminarien zur Heranbildung des künftigen Klerus, in: COD Bd. 3 (2002) 750-753. Nach Hubert Jedin sollten die tridentinischen Seminare zur Priesterausbildung drei Merkmale aufweisen, „es ist, [a.] wie die mittelalterliche Domschule, in der Regel eine Lehranstalt; [b.] seine vita communis ist nach dem Vorbild der Kollegien ausgerichtet, also zur Heranbildung von Priestern abgestellt; [c.] im Unterschied zu beiden steht es unter der Leitung des Bischofs und ist ihm direkt unterstellt“ (JEDIN Bd. 2 [1966] 351; vgl. dazu auch GANZER [1997] 475-487). 82 Zur Gründung des Seminario Romano, welches auch unter der Leitung der Jesuiten stand, vgl.: TESTA (2002); THEINER (1970) 102f. 83 Die römische Sapienza war im Kreise der italienischen Universitäten nicht von Bedeutung und führte in der Frühen Neuzeit ein Schattendasein (ebd., 1). Zur Geschichte der Sapienza, vgl. SPANO (1935). 84 VILLOSLADA (1954) 24. 85 BROGGIO (2002) 81-120; 91-94. Es ist unklar, ob keine Listen geführt wurden oder ob diese nicht erhalten geblieben sind. 80

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II. Das Collegio Romano

gewesen sein wie in seiner Anfangsphase.86 Hier galt es noch als unstrittiges Vorbild für alle künftigen Jesuitenkollegien. So führte Ignatius in einem Brief vom 31. März 1553 in zehn Punkten aus, warum das Collegio Romano seiner Meinung nach das wichtigste Kolleg der Jesuiten sei und bleibe: 1. Die große Anzahl an Studenten (alunni), die den besten Unterricht sowohl in allen Disziplinen als auch in den christlichen Tugenden erhielten, 2. der Ort (Rom), die wichtigste Stadt Italiens, 3. die gelehrtesten Professoren, die nach der Pariser Art87 lehren, 4. dass ihr Ruhm auch der Ruhm des Apostolischen Stuhles sei, 5. dass der Papst dort geeignete Männer für die Mission fände, 6. dass die Studenten des Collegio Germanico den guten Ruf des Collegio Romano in Europa verbreiteten, 7. die Nähe ihrer Lehren zum Heiligen Stuhl, 8. dass alle Vornehmen (Fürsten, Botschafter, Bischöfe etc.), die den römischen Hof besuchen, den guten Ruf des Collegio Romano in Europa verbreiteten, 9. die Heranbildung einer jesuitischen Elite und 10. die Notwendigkeit, anderen ein Beispiel zu geben.88 Beim Collegio Romano handelte es sich also nicht um irgendein Jesuitenkolleg, sondern um ein Institut mit Vorbildfunktion für alle anderen, ein Zentrum der katholischen Orthodoxie und religiösen Reformbewegung. Studium und Frömmigkeit sollten in der Ausbildung Hand in Hand gehen. Obwohl zahlreihe angehende Weltpriester in das Collegio Romano aufgenommen wurden, spielte es seine größte Rolle für die Ausbildung des Ordensnachwuchses. „Fast von Anfang an galt es als Zentrum, von dem aus Jesuiten zu den verschiedensten pastoralen Sendungen geschickt wurden und von dem aus ‚neue Ansätze‘ gebildet werden sollten, um andere Schulen zu gründen.“89

2. Studienordnung und Fächer 2.1 Das Pariser Modell (modus parisiensis) Bei Ignatius findet sich im oben zitierten Brief der Hinweis, dass man am Collegio Romano im Hinblick auf Lehre und Universitätsorganisation den modus parisiensis übernahm anstatt des modus italicus, der sich an der Universität Bologna orientierte.

86

BROGGIO (2002) 81-120, 94. Zum modus parisiensis siehe den folgenden Abschnitt. 88 VILLOSLADA (1954) 14f. 89 O’MALLEY (1995) 271. 87

2. Studienordnung und Fächer

23

Ignatius hatte den modus parisiensis in Alcalá und in Paris kennengelernt. Schon bei der Eröffnung des Kollegs in Messina 1548 hatten sich die Jesuiten für das Pariser Modell entschieden. Wie sah nun das jesuitische Erziehungssystem nach diesem Modell aus? Das Studium war mehrstufig aufgebaut. Diese Stufen entsprachen drei verschiedenen Typen von Jesuitenkollegien. Der notwendige Unterbau bestand im Gymnasium. Bevor also der universitäre Unterricht beginnen konnte, war eine grundlegende schulische Ausbildung zu absolvieren. Es gab „Kollegien, die nur eine Schule mit fünf oder sechs Klassen bis zur ‚Rhetorik‘ enthielten.“90 Die nächste Stufe bestand im zwei- bis dreijährigen Studium der Artes (Logik, Physik, Mathematik, Metaphysik, Ethik). Es gab Jesuitenkollegien, deren Ausbildungsmöglichkeiten lediglich bis hierhin reichten. Die nächste Stufe erreichten diejenigen, die auch noch Theologie studierten. Das Collegio Romano bot als Kolleg des dritten Typs neben den ersten beiden Stufen zusätzlich den vollständigen theologischen Kurs (Cursus maior) an. Kollegien mit diesem Maximalprogramm waren tatsächliche ‚Universitäten‘.91 Ignatius hatte mit Bezug auf das Collegio Romano 1551 entschieden, „dass sich die Schüler zuerst die grundlegenden Fähigkeiten in Lesen und Schreiben aneignen müssten, bevor sie zugelassen würden.“92 Dies war vor allem für das humanistische Bildungsprogramm in den ersten Jahren wichtig, da dieses Lateinkenntnisse erforderte. Das kollidierte zwar mit dem sozial-karitativen Impetus, Kinder aus allen Schichten zu unterrichten, aber die meisten Zeitgenossen sahen wie die Jesuiten in den humanistischen Studien das größte Potenzial, um einen aufrechten und frommen Charakter zu formen. So hielt Jeronimo Nadal93 1552 den Vorrang der pietas im Erziehungssystem der Jesuiten fest: „Alles ist mit Bedacht so zu regeln, dass während der Studien die Frömmigkeit (pietas) an erster Stelle steht.“94 Inhaltlich war der modus parisiensis nach Klaus Schatz durch drei Merkmale gekennzeichnet:95 1. Das universitäre Leben spielte sich in den Kollegien ab. Dort lebten zum einen Magister und Scholaren unter einem Dach zusammen, und zum 90

Ebd., 69. O’MALLEY (1995) 251. 92 Ebd., 246. 93 Jeronimo Nadal wurde 1507 in Palma de Mallorca geboren und ist 1580 in Rom verstorben. Er studierte in Alcalá und Paris, wo er Ignatius von Loyola kennenlernte. 1538 wurde er in Avignon zum Priester geweiht. Er war, unter anderem, 1565-73 Assistent für die spanische Provinz und 1571/72 Generalvikar (vgl. WRBA [2006] Sp. 619). 94 Monumenta Paedagogica, Bd. 1, Rom 1965, 136; Hieronymus Nadal, Commentarii de Instituto Societatis Jesu, hg. v. Michael NICOLAU, Rom 1962, 462; 832, zitiert nach O’MALLEY (1995) 246. 95 SCHATZ (2014) 64f. Schatz weist hier zudem noch auf die jeweiligen Unterschiede zum modus italicus hin. 91

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II. Das Collegio Romano

anderen fanden hier die Lehrveranstaltungen statt. Dieses Modell übernahmen die Jesuiten für ihre Kollegien. 2. Das Studium wurde in Klassen eingeteilt. Sobald man den Stoff einer Klasse beherrschte, konnte man in die nächste aufsteigen. Die Dauer hing dabei vom Lernfortschritt des Einzelnen ab und variierte entsprechend. Die Vorlesungen für die Studenten erfolgten klassenspezifisch. Auch dies übernahmen die Jesuiten. 3. Das Lernen erfolgte mit verschiedenen Methoden. Neben der Rezeption der Vorlesungen gab es auch Repetitionen, Disputationen und Exerzitationen (Übungen) durch die Studenten. Die Methoden zur Verarbeitung des Stoffes und seine aktive Aneignung wurden von den Jesuiten aufgenommen und weiter perfektioniert. Die Schüler und Studenten wurden also verschiedenen Klassen zugeteilt. Sie folgten einem festgesetzten Plan und schritten nachweislich von Lernstufe zu Lernstufe voran. Um in die nächste Klasse aufzusteigen, mussten Prüfungen bestanden werden.96 Während die Jesuiten in den pädagogischen und universitätsorganisatorischen Grundlinien also dem modus parisiensis folgten, nahmen sie sich theologisch die Schule von Salamanca zum Vorbild. „So bildeten die Jesuiten aus den pädagogischen Errungenschaften der damaligen Zeit den ‚Modus Romanus‘ aus.“97 Das Collegio Romano kann, wie erwähnt, als Gründung mit Vorbildcharakter für den ganzen Orden angesehen werden. Bereits 1553 schrieb Polanco an alle Jesuitenoberen einen Brief, in dem er die Hoffnungen zum Ausdruck brachte, die sich mit diesem neuen Kolleg verbanden. Es sollte in der akademischen Welt durch Professoren berühmt werden, „die nicht nur das Kolleg durch die Gewohnheit der akademischen Übungen bereichern, wie sie an der Universität von Paris gebräuchlich sind. Dies wird eine großartige Hilfe für Italien sein, in dessen Schulen besonders zwei Dinge fehlen – ein gut geordnetes Vorlesungsprogramm sowie Übungen, die die Aneignung des Lernstoffes sichern. Fleißige Studenten werden, so hoffen wir, mit uns in kurzer Zeit mehr erreichen als anderswo in langer Zeit; und vielleicht werden sich andere Schulen, durch unser Beispiel inspiriert, ebenfalls verbessern.“98

2.2 Die Ratio Studiorum im Licht des Trienter Konzils Bereits seit dem frühen Mittelalter lässt sich zwischen einer Ausbildung der Theologieprofessoren und des Seelsorgeklerus unterscheiden. Zwischen diesen beiden Gruppen bestand eine Bildungskluft, die mit dem Entstehen der O’MALLEY (1995) 252. THEINER (1970) 109; VILLOSLADA (1954) 11f. 98 Monumenta Paedagogica, Bd. 1, Rom 1965, 133-163, zitiert nach O’MALLEY (1995) 251. 96 97

2. Studienordnung und Fächer

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Universitäten (ab dem 12./13. Jahrhundert) tiefer wurde. Die Seelsorgerausbildung erschien dabei immer wieder als völlig unzureichend. Kritik an der Unwissenheit sowie an der charakterlichen Formung der Priesteramtskandidaten gehörte zum Standardrepertoire von Reformkräften bis hin zur Reformation. Das Konzil von Trient versuchte mit dem erwähnten Seminardekret diesen Mängeln abzuhelfen. Danach sollten alle Bischöfe in ihren Diözesen, wenn schon keine Universitäten, dann wenigstens Seminare oder Kollegien errichten.99 Damit wollte das Konzil einen Mindeststandard für die Ausbildung des Seelsorgeklerus sicherstellen.100 Ein zentraler Gegenstand für den Seelsorgeklerus war die Kasuistik (Gewissensfälle). Ab 1556 gab es mit P. Diego de Ledesma (1519-1575) am Collegio Romano einen Professor für Casus conscientiae.101 Von 1563 bis 1575 war Ledesma auch Studienpräfekt.102 Bis 1566 wurden die Gewissensfälle nur an Sonn- und Feiertagen gelesen. Wegen des großen Andrangs fanden Lektionen zu den Gewissensfällen 1564 in der Kirche „Il Gesù“ statt. Dieser Zulauf erklärt sich auch durch die erwähnte Gründung des Seminario Romano, dessen Leitung die Jesuiten 1564 übernahmen. Nach 1566 verlor die Kasuistik allmählich ihren Charakter als außerordentliche Vorlesung und wurde ordentliches und öffentliches Lehrfach.103 Insgesamt bleibt aber festzuhalten, dass das Bildungsangebot der Gesellschaft Jesu in Rom neben den künftigen Theologieprofessoren auch den einfachen Seelsorgeklerus im Blick hatte, für die ein reduziertes und praxisorientiertes Lehrprogramm vorlag. Bereits die Ordenssatzungen unterschieden zwischen „zwei Gruppen von Schülern, je nach Alter, Begabung, Neigung und Bestimmung durch den Oberen“.104 Die einen machten so gute Fortschritte, dass sie die akademische Laufbahn einschlagen konnten. Die anderen blieben auf einer niedrigeren Stufe stehen und wurden für seelsorgliche Aufgaben ausgebildet. Auf diese Weise blieb die mittelalterliche Unterscheidung zwischen Theologieprofessoren und Seelsorgeklerus bestehen, wurde aber durchlässiger und stärker an die Leistung der Schüler gebunden. Schon die ersten, auf Rom begrenzten Studienordnungen in der Mitte des 16. Jahrhunderts sahen entsprechend 99 Zur Erfindung des Geschichtsmythos eines ‚Tridentinischen Seminars‘ im 19. Jahrhundert, vgl. WOLF (22015) 163-166. 100 23. Sitzung, 15. Juli 1563, Kanon 18: Die Errichtung von Seminaren zur Heranbildung des künftigen Klerus, in: COD Bd. 3 (2002) 750-753. 101 THEINER (1979) 101. Bei VILLOSLADA (1954) wird Ledesma nicht unter der Moraltheologie geführt, was wohl mit der Zuordnung dieses Lehrstuhls zum Cursus maior zu tun hat. 102 VILLOSLADA (1954) 322. Nach THEINER (1970) war Ledesma von 1562 bis 1575 Studienpräfekt des Collegio Romano. 103 THEINER (1970) 100-103. 104 Ebd., 109.

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II. Das Collegio Romano

zwei Ausbildungskurse vor: den Cursus maior als vollen theologischen Kurs für den akademischen Nachwuchs und den Cursus minor als Kurzlehrgang zur Ausbildung der Beichtväter und Seelsorger.105 Auch das stellte eine Weiterentwicklung des modus parisiensis dar. Im Laufe einiger Jahrzehnte bildete sich bis 1599 aus den Erfahrungen der Praxis eine feste Studienordnung, die Ratio Studiorum, heraus. Folgende Etappen führten dorthin: Die erste Studienordnung des Collegio Romano stammt aus dem Jahr 1558.106 Bereits 1569 wurde unter dem dritten Ordensgeneral Francisco de Borja (1565-1572) die erste allgemeine Ratio Studiorum des Ordens erlassen. Unter seinen Nachfolgern Everard Mercurian (1573-1580)107 und Claudio Aquaviva (1581-1615)108 wurde diese Studienordnung noch weiter ausgearbeitet. Die 5. Generalkongregation (3.11.1593 bis 18.1.1594) ordnete bereits die Drucklegung der Studienordnung an, die aber erst in den Jahren 1598/1599 erfolgte.109 Die Redaktion der Druckfassung lag beim Collegio Romano.110 Sie blieb bis zur Aufhebung des Jesuitenordens 1773 in Kraft. Die 7. Generalkongregation (5.11.1615 bis 26.1.1616) brachte noch einige Ergänzungen zur Studienordnung, die darum erst in späteren Ausgaben erscheinen.111 Diese Studienordnung von 1599 gliederte sich in einzelne „Regeln“ für den Provinzial, den Rektor, den Studienpräfekten, die einzelnen Professoren, den Pedell, für die Schüler, für die wissenschaftlichen Übungen und für besondere Anlässe (z. B. Preisverleihungen). Danach beinhaltete das volle Theologiestudium folgende Fächer: Die Heilige Schrift (Sacra Scriptura), Scholastik (Theologia Scholastica), Hebräisch (Lingua Hebraica), Metaphy-

105

Ebd., 241. Monumenta Paedagogica, Bd. 2, Rom 1976, 45-52. 107 Everard Mercurian wurde 1514 in der belgischen Stadt Marcourt geboren, worauf er später mit seinem latinisierten Zunamen verwies. Nach seinem Studium in Paris war er von 1558 bis 1564 Provinzial in der Jesuitenprovinz Germania Inferior (Niedergermanien). Als Günstling Gregors XIII. wurde er Nachfolger von Francisco de Borja und somit von 1573 bis 1580 der vierte Ordensgeneral der Societas Jesu und der erste Nicht-Spanier in diesem Amt. 1580 starb Mercurian in Rom (vgl. FOIS [2004] 1-34). 108 Claudio Aquaviva (auch Acquaviva) wurde 1543 in Neapel geboren. Im Alter von 25 Jahren trat er in die Societas Jesu ein und wurde erst Provinzial in Neapel, später in Rom. Als Nachfolger von Everard Mercurian war er von 1581 bis 1615 der fünfte Ordensgeneral des Jesuitenordens. Unter ihm wurde die Ratio atque institutio studiorum Societatis Iesu verfasst, die ab 1599 dem ganzen Orden vorgeschrieben war. Aquaviva starb 1615 in Rom (vgl. BAUTZ [1975] Sp. 202). 109 SCHATZ (2014) 66. Zur Entwicklung der Ratio Studiorum vgl. auch LUNDBERG (1966) 73-76. „Die letzte Fassung der Studienordnung [die von 1599; d. Verf.] erhielt volle Gesetzeskraft und annullierte die beiden vorangegangenen Studienordnungen von 1586 und 1591“ (THEINER [1970] 233). 110 COLPO Bd. 1(2001) 848-850; 848. 111 THEINER (1970) 233. Dies ist für die Ausgabe von Pachtler von 1887 zu berücksichtigen. 106

2. Studienordnung und Fächer

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sik (Metaphysica), Physik/ Naturphilosophie (Physica), Logik (Logica), Ethik (Ethica), Mathematik mit Geometrie und Astronomie (Methesis), Rhetorik (Rethorica) und Griechisch (Lingua Graeca).112 Der von der Ratio Studiorum vorgeschriebene Philosophiekurs der Kollegien umfasste je ein Jahr Logik, Physik und Metaphysik. Diesen drei Jahren gingen wiederum zwei Jahre Rhetorik voraus. Diese Einteilung entsprach einem Dekret des 5. Laterankonzils vom Januar 1513, wonach die Dauer des Philosophiekurses maximal drei Jahre betragen durfte und spätestens nach fünf Jahren literarischer und philosophischer Studien die Theologie beginnen sollte.113 Gelegentlich wurde die Ethik (Moralphilosophie), immer aber die Mathematik, die parallel zur Physik im zweiten Jahr unterrichtet wurde, einem weiteren Dozenten anvertraut. Christoph Clavius SJ (1538-1612) war zwischen 1564 und 1571 Professor für Mathematik in Rom und legte im Wesentlichen die Modalitäten der mathematischen Ausbildung fest.114 Gerade die Mathematik förderte das Eindringen modernen Denkens in die jesuitische Ausbildung. „Während die philosophischen und theologischen Werke weiterhin den scholastischen Darstellungsweisen folgten, hielten sich die mathematischen Schriften immer an das euklidische Vorbild, und dieser Unterschied hatte wesentliche logische und erkenntnisphilosophische Implikationen.“115 Auf den dreijährigen Philosophiekurs folgte der vierjährige Theologiekurs. Die grundlegenden Gegenstände hierfür waren die Heilige Schrift und die scholastische Theologie. Ein besonderes Problem stellte das Fach Moraltheologie (Theologia Moralis) dar. Für den Cursus minor gab es, wie erwähnt, von Anfang an einen Kasuistikprofessor. Das war für die praktische Ausbildung der Beichtväter unerlässlich. Die Bestimmungen dazu blieben in allen Fassungen der Studienordnung erstaunlich gleichförmig.116 Für den Cursus maior wurde hingegen kontrovers diskutiert, wie das Fach Moraltheologie dort zu lehren sei. Sollte dieser sich inhaltlich vom Kasuistikprofessor absetzen, indem er den Stoff akademischer und weniger praxisorientiert behandelte? Sollte der Stoff, zu dem auch der moraltheologische Teil der STh des Thomas von Aquin (Secunda pars) gehörte, von einem Professor für Scholastische Theo112

1742 schrieb Benedikt XIV. vor, einen eigenen Lehrstuhl für Kirchengeschichte einzurichten. Er wurde mit Peter Lazeri besetzt, der diesen Lehrstuhl bis zur Auflösung des Kollegs 1773 innehatte (STEINHUBER [1906] 158). 113 MANSI (1901) 842f. 114 Wie sein Vorgänger Baldasar Torres (1518-1561), der 1553-1561 in Rom Mathematik lehrte, war Clavius von der mathematischen Tradition der italienischen Renaissance geprägt (vgl. BALDINI [1998] 687; VILLOSLADA [1954] 335). 115 BALDINI (1998) 688. 116 THEINER (1970) 237.

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II. Das Collegio Romano

logie vorgetragen werden oder ein eigener Lehrstuhl hierfür eingerichtet werden? In der letzten Fassung der Studienordnung von 1599 wurde schließlich bestimmt, dass die Moraltheologie im Cursus maior von einem Professor selbständig vorgetragen werden solle. Dies konnte aber auch so ausgelegt werden, dass ein Professor sowohl für den Cursus maior als auch für den Cursus minor zuständig war. Erst die 7. Generalkongregation (1615/16) ergänzte den klärenden Zusatz, dass ein eigener Lehrstuhl für Moraltheologie für den Cursus maior nach Möglichkeit überall dort errichtet werden sollte, wo es die Umstände erlaubten. Das Collegio Romano besaß einen solchen wohl schon im 16. Jahrhundert.117 Vermisst wurde auch ein Lehrstuhl für Kirchenrecht (Ius Canonicum). Seit dem Mittelalter gehörte das Kirchenrecht im Sinne einer Behandlung des Decretum Gratiani in die juristische Fakultät und nicht zur Theologie. Dort wurden rechtsphilosophische Fragen (de iustitia et iure) im Rahmen der Scholastischen Theologie behandelt. Manche Jesuiten schlugen in ihren Gutachten vor, dem Kirchenrecht auch in der Theologie ein Heimatrecht zu verschaffen, da dieses grundlegend für die scholastische Theologie war. Doch sie konnten sich damit nicht durchsetzen. Am Collegio Germanico kam allerdings bei adeligen Studenten früh der Wunsch auf, auch im Kirchenrecht unterrichtet zu werden. Gregor XIII. unterstützte daher 1586 den Vorstoß, dass der Säkularkanoniker aus Pisa, M. Vincenzo Mazzuoli, viermal in der Woche dort für eine Stunde kanonisches Recht las. Da sich der Rektor des Collegio Germanico, Bernardino Castorio SJ (gest. 1643), 1616 dagegen sträubte, wurden diese Vorlesungen auf das Sommersemester beschränkt. Ab 1663 kam dann die Forderung nach mehr Kirchenrecht bei den jungen Adeligen erneut auf. Ein Durchbruch gelang jedoch erst 1692, als mit Francesco Antonio Febei SJ (1652-1706) ein Kanonist aus Orvieto am Collegio Germanico Kirchenrecht lehrte.118 Durch diese Entwicklungen wurde auch der Wunsch nach einem Lehrstuhl am Collegio Romano immer wieder wachgehalten. Doch „erst die 16. Generalkongregation (1730/31) billigte die Errichtung von Lehrstühlen für Kirchenrecht innerhalb der theologischen Fakultät

117

Aus den lückenhaften Angaben bei VILLOSLADA (1954) 325, ist nicht eindeutig zu entnehmen, ab wann man von einer eigenen Professur für Moraltheologie am Collegio Romano ausgehen kann. Zudem fehlen hier alle Angaben zur Professur für Kasuistik für den Cursus minor. Es wäre also denkbar, dass in der Anfangszeit ein Professor für beide Ausbildungsgänge Moraltheologie/ Kasuistik vorgetragen hat. Mit THEINER (1970) ist jedoch festzuhalten, dass es am Collegio Romano wohl zwei Professuren für die beiden Ausbildungsgänge gegeben haben muss (ebd., 235). Ihm zufolge gab es dort „um 1586 zwei Kasuslehrstühle“ (ebd., 181). 118 VILLOSLADA (1954) 244-246.

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an öffentlichen Universitäten.“119 In Rom scheint man sich aber weiterhin mit den Vorlesungen am Collegio Germanico begnügt zu haben.120 Während es also für den Cursus maior erst spät zu einem Lehrstuhl für Kirchenrecht kam – das Naturrecht wurde allerdings in der Scholastischen Theologie behandelt – spielten für den Cursus minor kirchenrechtliche Kenntnisse von Anfang an eine große Rolle. Noch später (1742) kamen das Fach Kirchengeschichte (Historia Ecclesiastica) sowie 1748 die Liturgiewissenschaft (Liturgia) hinzu.121 Beides wurde allerdings von da an auch am Collegio Romano im Cursus maior unterrichtet.122 Nach der Ratio Studiorum galten für Professoren der Heiligen Schrift folgende Regeln: Der Schwerpunkt der Bibelexegese lag auf dem Literalsinn. Dabei sollten unverständliche Phrasen innerhalb der Bibel miteinander verglichen werden. Problematisch für diese Fixierung auf die wörtliche Auslegung war allerdings, dass die kirchlich approbierte Vulgata-Ausgabe als Textgrundlage vorgeschrieben wurde. Dabei handelte es sich um die 1592 überarbeitete Vulgata-Edition, die sogenannte Sixto-Clementino-Editio, auf deren Entstehungsgeschichte im Folgenden einzugehen ist. 2.2.1 Die Authentizität der Vulgata Der Text der lateinischen Vulgata ging vor allem auf den Kirchenvater Hieronymus (347-419) zurück. Seine Bibelübersetzungen lassen sich in drei Etappen einteilen. Die erste Etappe wurde durch den Auftrag des römischen Bischofs Damasus 383 eingeleitet, den lateinischen Text der vier Evangelien aus dem Griechischen zu überarbeiten. Die übrigen Schriften des Neuen Testaments wurden nicht vom Kirchenvater selbst, sondern von anonymen Bearbeitern in besseres Latein gebracht, wobei diese Texte jedoch ebenfalls Hieronymus zugeschrieben wurden. 384 arbeitete er am liturgisch wichtigen Psalter, wobei seine Fassung nicht mit der des Psalterium Romanum identisch ist, das in der Liturgie Roms bis ins 16. Jahrhundert in Gebrauch war. Die zweite Etappe umfasste die Neufassung des lateinischen Alten Testaments nach griechischen Übersetzungen in Bethlehem. Da allerdings nicht alle Bücher des Alten Testaments nach Hieronymus überliefert sind, ist un119

THEINER (1970) 249. In Dillingen wurde vorübergehend ein Lehrstuhl für Kirchenrecht eingerichtet. 120 Zumindest ist bei VILLOSLADA (1954) keine Professur für Kirchenrecht am Collegio Romano aufgeführt. 121 Zur Kirchengeschichte vgl. auch II. 2.4. 122 VILLOSLADA (1954) 326.

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klar, ob er sie überhaupt vollständig übersetzte. In der dritten Etappe ab 390 griff er dann bei der Übersetzung des Alten Testaments direkt auf den hebräischen Text zurück.123 Die Übersetzungslücken des Hieronymus wurden also von anderen Bearbeitern unter seinem Namen gefüllt. Nimmt man noch Abschreibfehler im Laufe der Überlieferungsgeschichte hinzu, ist klar, dass die Vulgata des 16. Jahrhunderts in ihrer Textgestalt vielfach kontaminiert war, so dass bisweilen über die Autorschaft des Hieronymus gestritten wurde. Martin Luther beurteilte Hieronymus und seine Bibelübersetzung ausgesprochen negativ. Er warf ihm vor allem vor, kein Theologe gewesen zu sein. „Seine Erläuterungen zum buchstäblichen Sinn des Alten Testaments seien hilfreich, doch da er die Gnadenlehre des Paulus nicht verstanden habe, habe er über den Glauben und die rechte Lehre nichts zu sagen.“ 124 Diese vernichtende Kritik des ‚Ketzers‘ Luthers legte für eine gegenreformatorische Theologie freilich nahe, sich gerade auf die Vulgata des Hieronymus zu stützen. Aber die Rezeptionsgeschichte verlief nicht einfach entlang der Konfessionalisierungsgrenze. So schätzte zum Beispiel Desiderius Erasmus von Rotterdam (1466/67-1536) Hieronymus als führenden Theologen der lateinischen Kirche außerordentlich.125 Wenn man bedenkt, dass mit dem Römischen Index von 1559 sämtliche Werke des Erasmus verboten wurden – wie übrigens auch alle volkssprachlichen Bibeln und der Talmud126 – so wird deutlich, dass die Vulgata auch ‚gefährliche‘ Freunde hatte. Sie hatte ferner auch einflussreiche katholische Kritiker, wie Claus Arnold am Beispiel von Thomas de Vio OP (1469-1534), genannt nach seiner Vaterstadt Gaeta auch Gaetano bzw. Cajetan, gezeigt hat. Cajetan hatte Luther in Augsburg 1518 verhört und war seither mit der Reformation befasst. Dies führte ihn auf das Gebiet der Exegese. Ab 1527 erschienen von ihm in rascher Folge Auslegungen, die fast das ganze Neue Testament (außer der Apokalypse) sowie den Pentateuch und die folgenden Bücher des Alten Testaments umfassten: Josua, Richter, Samuel, Könige, Chronik, Esra, Ester, Hiob, Psalmen, Sprichwörter, Kohelet, Jesaja 1-3. Bei seiner Schriftauslegung übte er in humanistischer Manier offen Kritik an der Vulgata, ihrem Kanon und ihrem Text, den er mit den hebräischen und griechischen Versionen korrigierte. Zudem konzentrierte er sich auf den Literalsinn der Schrift, wobei er sich auf eine dominikanisch-thomistische Tradition berufen konnte.127 Für seine Traditionskritik wurde Cajetan innerhalb seines Ordens stark angegriffen und in die Nähe der Häresie gerückt. Seine Kritik am bibli123

FÜRST (2003) 83-85. Ebd., 15. 125 Ebd., 16. 126 ARNOLD (2008) 54. 127 Ebd., 60f. 124

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schen Kanon (Cajetan hatte die Kanonizität des Hebräerbriefes bezweifelt) gehört zur Vorgeschichte der Kanondiskussion auf dem Konzil von Trient. Dieses Thema wurde in der vierten Sitzung am 8. Februar 1546 erörtert. Dabei betonte der Legat Marcello Cervini128, „dass das Problem der deuterokanonischen Bücher nicht nur von den Häretikern, sondern auch von den ‚Unseren‘ thematisiert worden sei, und nannte daraufhin in einem Atemzug Hieronymus, Augustinus und Cajetan.“129 Das Konzil distanzierte sich von Cajetans Position ohne diesen namentlich zu verurteilen. „Das zeitweise anvisierte Projekt einer neuen offiziellen lateinischen Bibelübersetzung wurde zugunsten der Vulgata aufgegeben, an deren Authentizität man festhielt.“130 In den Dekreten der vierten Sitzung wurde festlegt, dass der Kanon der lateinischen Vulgata die normative Textgrundlage für den Gebrauch innerhalb der römisch-katholischen Kirche sein sollte.131 Im zweiten Dekret heißt es dazu: „Darum bestimmt und erklärt sie [die Synode; d. Verf.], daß eben diese alte und verbreitete Ausgabe [gemeint ist die Vulgata; d. Verf.], die durch eine lange Verwendung so vieler Jahrhunderte in der Kirche anerkannt ist, bei öffentlichen Vorlesungen, Disputationen, Predigten und Auslegungen als authentisch gilt und daß niemand es wage oder sich herausnehme, die Vulgata unter irgendeinem Vorwand abzulehnen.“132

Die Vulgata war also nicht nur Gegenstand wissenschaftlicher Exegese, sondern vor allem für die Tagesgebete, Lesungen und Predigt vorgesehen. Mit der Festlegung auf die Vulgata blieb Latein auch die Sprache der römischkatholischen Liturgie.133 Allerdings kursierten unterschiedliche lateinische Bibelübersetzungen, so z. B. die Teilübersetzungen der Humanisten Lorenzo Valla (um 1406-1457) und Erasmus von Rotterdam. Dies sorgte für Verunsicherung, zumal wenn sich solche Übersetzungen auf den hebräischen und griechischen Urtext bezogen. Die Spannungen zwischen einem biblischen Humanismus und scholastischer Theologie, die schon vor Trient sichtbar geworden waren, nahmen durch das Konzil zu. Die Erstellung einer 128

Marcello Cervini wurde am 6. Mai 1501in Montefano in der Nähe von Marcerata geboren und 1539 zum Kardinal geweiht. Ab 1543 war Cervini als Legat Teilnehmer an den Sitzungen des Konzils von Trient. 1548 wurde er zum Präfekten der Vatikanischen Bibliothek ernannt und schließlich am 9. April 1555 als Nachfolger Julius’ III. zum Papst gewählt, wobei er seinen Namen nicht änderte und sich fortan Marcellus II. nannte. Er verstarb zweiundzwanzig Tage nach seiner Wahl am 1. Mai 1555 (FICHTINGER [1983] 260f.). 129 ARNOLD (2008) 63f. 130 Ebd., 64. 131 COD Bd. 3 (2002) 663-665. Zur Entstehung des Dekretes: JEDIN Bd. 2 (1957) 42-82. 132 Konzil von Trient, Sessio IV (8. April 1546), Zweites Dekret: Annahme der Vulgata-Bibel und Vorschriften zur Art und Weise der Auslegung der Heiligen Schrift usw., in: COD Bd. 3 (2002) 664. 133 Nach Wolfgang Reinhard ist Latein als Kultsprache wiederum ein Merkmal katholischer Konfessionalisierung (REINHARD [1995] 444).

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verbesserten und einheitlichen lateinischen Bibelübersetzung erschien gerade im Hinblick auf die Herausforderung durch den Protestantismus erforderlich.134 Die ersten Vorarbeiten für eine verbindliche Vulgata-Edition leistete bereits eine Konzilskommission, die allerdings zu keinem abschließenden Ergebnis kommen konnte. Der Dominikaner Jan Henten in Löwen veröffentlichte 1547, im Auftrag Karls V. und dem Wunsch des Konzils nach einer besseren Vulgata entsprechend, die Biblia ad vetustissima exemplaria castigata.135 Der Kardinallegat Marcello Cervini beauftragte in der zweiten Konzilsperiode seinen engsten Berater Guglielmo Sirleto (1514-1585) mit diesem umfangreichen Reformprojekt, wobei dieser auch die Löwener Ausgabe Hentens benutzte. Doch auch unter der Leitung Sirletos kam das Projekt nicht zum Abschluss.136 So wurde unter Pius V. (1566-1572 Papst) eine Vulgata-Kommission mit dieser Edition beauftragt. Zu ihr gehörten auch die beiden Jesuiten Jeronimo Nadal und Emanuel Sa.137 Die Arbeiten an der neuen Vulgata-Ausgabe sind in einen größeren Reformprozess nach dem Trienter Konzil einzuordnen. Das Konzil endete im Dezember 1563 relativ abrupt, nachdem Nachrichten aus Rom jeden Tag den Tod Papst Pius’ IV. befürchten ließen. „Die Kardinallegaten entschlossen sich daher, den für Mitte Dezember vorgesehenen Schluß des Konzils auf den 4. Dezember vorzuverlegen, um möglichen Bestrebungen einer Papstwahl durch das Konzil zuvorzukommen.“138 Dazu kam es jedoch nicht, da Pius IV. noch bis 1565 lebte. Nachdem das Konzil aber so rasch beendet worden war, lag es an den Päpsten der Folgezeit, eine Reihe von Dokumenten weiter auszuarbeiten. Dazu gehörte neben der Vulgata-Edition die Erstellung des Catechismus Romanus von 1566, des Breviarium Romanum von 1568 und des Missale Romanum von 1571.139 Allerdings war die Frage nach der Auslegung des Vulgatadekrets noch längere Zeit offen. Zur wechselhaften Rezeptionsgeschichte gehörte Sixtus von Siena (1520-1569). Der einst aus dem Judentum konvertierte Sixtus war als zum Tode verurteilter Häretiker von Michele Ghislieri (später Pius V.) zur Abschwörung und zum Eintritt in den Dominikanerorden bewogen worden. 1566 erschien seine Pius V. gewidmete Bibliotheca Sancta, die als 134

Zu den divergierenden Bibelausgaben vgl. JEDIN Bd. 2 (1957) 54f. HORST (2000) 334; nach Horst waren Henten aber die eindrucksvollen Versuche mittelalterlicher Dominikaner, einen verbesserten Text herzustellen, unbekannt. 136 HÖPFL (1908) 1-16. Papst Pius IV. erhob ihn 1565 zum Kardinal. Während der folgenden Pontifikate avancierte Sirleto zu einer zentralen Figur in der posttridentinischen Reformphase (zu Guglielmo Sirleto: DENZLER [1995]; DENZLER [1964] Sp. 532-533). 137 AMANN (1912) 23. Zum Leben von Emanuel Sa vgl. Anm. 317, zu seinem Wirken V.2. 138 SCHATZ (1997) 209f. 139 MARON (1995) 112-115. 135

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erstes Werk einer katholischen biblischen Einleitungswissenschaft gilt. Obwohl er darin auch die jüdische Exegese berücksichtigte, trat er doch für die Talmud-Verbrennung ein, was vermutlich in seiner Biographie begründet lag. Sixtus verteidigte die Vulgata als Textgrundlage im Sinne Trients, verschwieg aber auch nicht Übersetzungsfehler, Mehrdeutigkeiten und sprachliche Unzulänglichkeiten. Vor diesem Hintergrund rückte zum Beispiel der Dominikaner Domingo Báñez 1584 in seinem Scholastica commentaria140 von der Absolutsetzung der Vulgata ab, die Melchor Cano noch in seinen gleichnamigen Loci Theologici – erstmals 1563 gedruckt – vertreten hatte.141 Für Cano hatte die Entscheidung Trients eine einfache Ursache: „Wenn die scriptura latina etwas Falsches enthielte, würde die katholische Kirche, in der allein der wahre Glaube fortbesteht, in Glaubensdingen schwer irren.“142 Zur Verbindlichkeit der Vulgata stellte Cano nach Ulrich Horst vier Thesen auf: 1) Die alte Vulgata, die die westliche Kirche nach Hieronymus in ihre Dienste genommen hatte, muss in allem, was Glaube und Sitten betrifft, beibehalten werden. 2) Wenn unter Katholiken in Glaubensdingen Streit entsteht, ist er anhand der Vulgata zu entscheiden. 3) In Disputationen über Glaube und Sitten muss man jetzt weder auf die Originale der Schrift zurückgreifen, noch dienen sie dem Entscheid von Kontroversen. 4) In allen den Glauben betreffenden Dingen darf man die lateinischen Ausgaben nicht durch die hebräische oder griechische korrigieren.143 Eine Revision der Vulgata hielt Cano nicht für notwendig, obwohl er zugab, dass die Vulgata nicht die beste aller möglichen Übersetzungen war.144 Dies sah man in Rom offenbar anders, wo, wie erwähnt, unter Pius V. kurze Zeit nach dem Erscheinen der Loci Theologici Canos wieder eine Kommission mit der Revision der Vulgata beauftragt wurde, die von 1569 bis 1572 arbeitete.145 Allerdings kam auch diese zu keinem Ergebnis. Man war sich unter katholischen Theologen also sehr wohl der Probleme mit der vorliegenden lateinischen Textgrundlage bewusst und stritt über eine Verabsolutierung der Vulgata. Nachdem sich zu Beginn der 1570er Jahre

140

Domingo Báñez, Scholastica commentaria in primam partem angelici doctoris D. Tho. usque ad sexagesimam quartam quaestionem complecentia, Salamanca 1584. Dazu auch HORST (2000) 341. 141 ARNOLD (2008) 121-124; HORST (2000) 346. 142 HORST (2000) 334. 143 Ebd., 334-337. 144 Ebd., 338. 145 Eine erste Kommission hatte in Rom bereits 1561 an der Revision gearbeitet. Doch ihr fehlte eine systematische Sammlung lateinischer Manuskripte. Zudem waren sich ihre Mitglieder nicht einig, inwieweit sie textkritisch vorgehen wollten (vgl. HÖPFL [1913] 60-76). Die zweite Kommission unter Pius V. erhielt 44 lateinische Handschriften aus Benediktinerklöstern (WICKS [2008] 634).

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auch die römische Indexkongregation darauf verständigte, die Vulgata absolut zu setzen, bestand hier dringender Handlungsbedarf.146 Papst Gregor XIII. (1572-1585 Papst) führte die Bibelrevision zum einen weiter, als er eine Kommission mit der Edition der Septuaginta beauftragte, zu der ab 1581 auch der spanische Jesuit Joannes Maldonatus (1533-1583) gehörte, der vorher am Pariser Jesuitenkolleg (Collège de Clermont) gewirkt hatte.147 Zum anderen war Kardinal Guglielmo Sirleto, der die Indexkongregation zwischen 1572 und 1584 maßgeblich prägte, mit der Vulgatarevison betraut.148 Seine Bemühungen scheinen jedoch nicht sehr effektiv gewesen zu sein. Zu dieser Zeit (1584) veröffentlichte auch Báñez seine Loci Theologici, in denen er im Gegensatz zu seinem verehrten Lehrer Cano die Möglichkeit einer Revision der Vulgata vertrat. 1576 hatte zwar die Konzilskongregation in Rom insofern eine Interpretation dieses Konzilsdekrets vorgegeben, als sie jede textliche Abweichung von der Vulgata verbot und damit der rigiden Auslegung des Dominikaners Cano folgte,149 aber für Báñez stand dennoch fest, dass Trient über diese Frage keine Klarheit gebracht habe. Sicher war für ihn nur, dass private Initiativen, die Vulgata zu revidieren, abzulehnen waren, da dann eine babylonische Verwirrung der Lesarten bevorstünde.150 Damit trug Báñez auch den aktuellen Entwicklungen Rechnung. Es mochte in der Tat seltsam erscheinen, jedes Revisionsprojekt zu verbieten, während in Rom eine Kommission gerade an einem solchen Vorhaben arbeitete. Bedenkt man, dass trotz der römischen Initiativen sogar über die Revision der Vulgata innerhalb des Dominikanerordens unterschiedlich gedacht wurde,151 ist es nicht verwunderlich, dass nach Trient auch immer wieder über das Verbot der volkssprachlichen Bibeln diskutiert wurde.152 Dieses wurde 1577 noch einmal ausgedehnt auf „Briefe und Evangelien, die jedes

146

ARNOLD (2008) 336. AMANN (1912) 25-27; ARNOLD (2008) 190. 148 ARNOLD (2008) 159; 214. 149 Ebd., 160. 150 HORST (2000) 350. 151 In diesem Zusammenhang ist auch auf einen Inquisitionsprozess an der Universität von Salamanca hinzuweisen, der 1571 auf Betreiben von Báñez und Bartolomé Medina begonnen wurde. Diese hatten Material gegen den Exegeten Gaspar de Grajal, den Hebraisten Martín Martínez de Cantalapiedra und gegen den Professor und Augustiner Luis de León gesammelt und der Inquisition in Madrid übergeben. Bei diesem Prozess spielte die Vulgatafrage eine bedeutende Rolle (vgl. HORST [2000]). 152 Das Konzil hatte darauf verzichtet, andere Bibelausgaben als die Vulgata, und seien es reformatorische, zu verurteilen. Über Bibelausgaben in der Volkssprache enthält das „Dekret über die Vulgata-Ausgabe der Bibel und die Auslegungsweise der Heiligen Schrift“ kein Wort. Doch die Skepsis gegen volkssprachliche Bibeln zeigte sich in der Rezeption des Dekrets immer wieder (HOLZEM Bd. 1 [2015] 166f.). 147

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Jahr in der Messe gelesen werden“.153 Dieser Trend sorgte für Probleme in der Glaubensvermittlung. Die Verbindlichkeit der Vulgata setzte Lateinkenntnisse voraus, die in der Bevölkerung nicht vorhanden waren. Das war die Stunde derjenigen, die, wie Philipp Neri (1515-1595), Gründer der Oratorianer, versuchten, hier Abhilfe zu schaffen. Die Gebetsvereinigung der Oratorianer wurde 1575 als Kongregation anerkannt. Neris Ziel war eine geistliche Erneuerung sowohl für Laien als auch für Geistliche, für Männer wie Frauen. „Sein besonderer Ansatz besteht, wenn man die Methode des ‚Ur-Oratoriums‘ betrachtet, in der ‚familiaris tractatio verbi divini‘, dem Gespräch über das Wort Gottes in einfacher, familiärer Weise.“154 Schriften wie „Das Leben Jesu“ (Imitatio Christi) des Thomas von Kempen wurden hier wieder entdeckt und als Grundlage für eine spirituelle Christusbeziehung herangezogen. Diese Entwicklung fand den Gefallen des Kardinals Agostino Valier155, der auch in der Indexkongregation tätig war. Er feierte Philipp Neri als „christlichen Sokrates“.156 Das Jesusbild in der Bevölkerung wurde damit allerdings stärker von Andachtsschriften als von den Evangelien geprägt. Das Thema Vulgata tangierte also auch die Seelsorge massiv, ein Feld, auf dem die Jesuiten ebenfalls sehr aktiv waren. Es gab auch ein pastorales Interesse an der Schriftauslegung. Die Jesuiten waren sich einer Hörerschaft bewusst, die neben philologischen Fragen auch die liturgische Schriftlesung zur geistlichen Erbauung kannte. Entsprechend finden sich in ihren Kommentaren Anspielungen auf aktuelle Situationen, für die mit den Bibeltexten Orientierung zu gewinnen war. Die Vorlesungen zur Heiligen Schrift waren zudem öffentlich, was diese Tendenz unterstützt haben dürfte.157 Insofern konnte das Thema Sklaverei in der Schriftauslegung durchaus aktuelle Bezüge zur Praxis aufweisen. Doch kehren wir wieder zur Revision der biblischen Textgrundlage zurück. Nachdem die Vulgatarevision unter Gregor XIII. nicht recht vorankam, forcierte sein Nachfolger Sixtus V. (1585-1590 Papst) das Projekt, indem er eine Kommission einsetzte, der diesmal Kardinal Antonio Carafa (1538-1591) vorstand.158 Die vom Papst übereilt herausgegebene Fassung der sogenannten Editio Sixtina von 1590 wies allerdings derart viele Fehler

153

CIPRIANO (2009) 109. So Kardinal Christoph Schönborn im Geleitwort zu NERI (2011) 9. 155 Agostino Valier (1531-1606), 1565 Bischof von Verona, später Präfekt der Indexkongregation. Er schrieb 1584 eine Biographie über Carlo Borromeo (zu ihm: CIPRIANI [2009]). 156 Ebd., 112f. 157 Ratio atque institutio studiorum Societatis Iesu, Neapel 1603, 37-40. Öffentliche Vorlesungen konnten für Studenten des Cursus minor geöffnet sein, eventuell aber auch für Laien. Das ist nicht klar. 158 AMANN (1912) 28-32; MARON (1995) 113; PASTOR Bd. 10 (1926) 560-573. 154

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auf, dass der Jesuit Roberto Bellarmino159 Papst Clemens VIII. (1592-1605 Papst) dazu riet, die sixtinische Vulgata jenseits der Alpen durch die Jesuiten wieder zurückkaufen zu lassen, da Kritik von protestantischer Seite zu befürchten sei.160 Schließlich beauftragte Clemens VIII. zur Rettung des Projektes eine Kommission, zu der neben den Kardinälen Federigo Borromeo161 und Agostino Valier auch der Jesuit Francisco de Toledo162 gehörte, der als Professor am Collegio Romano selbst Bibelkommentare verfasste und der erste Kardinal aus den Reihen der Gesellschaft Jesu werden sollte.163 In den Jahren 1592, 1593 und 1598 wurden voneinander abweichende VulgataFassungen im päpstlichen Auftrag gedruckt.164 In dem Vorwort der SixtoClementinischen Ausgabe der Vulgata verzichtete Papst Clemens VIII. darauf, diese als Vulgata nach dem Trienter Dekret auszugeben. Dafür erschienen nun immer wieder apologetische Verteidigungsschriften dieser SixtoClementino-Editio, die eine weitere Überprüfung anhand des hebräischen und griechischen Originals überflüssig machen sollte. Dass man dies dennoch immer wieder für notwendig erachtete, zeigt allerdings, wie tief verunsichert die katholische Theologie zwischen humanistischer und scholastischer Gelehrsamkeit blieb.165

2.2.2 Die Autorität der Kirchenväter Das Konzil von Trient hatte am 8. April 1546 nicht nur die Vulgata als Textgrundlage vorgeschrieben, sondern auch an der apostolischen Überlieferung als „Quelle aller heilbringenden Wahrheit und Sittenordnung“166 festgehalten. Damit wandten sich die Konzilsväter gegen das protestantische Prinzip des sola scriptura. Das Konzil hielt fest, es gebe in der Kirche eine einzige 159

Robert Bellarmino (1542-1621) war der Neffe von Kardinal Marcello Cervini, der in der ersten Tagungsperiode des Trienter Konzils Legat war und später Papst Marcellus II. wurde. Bellarmino systematisierte das im Konzil angelegte Bild von der Kirche und setzte damit für die folgenden Jahrhunderte die ekklesiologische Norm (zu ihm einführend: DIETRICH [2003] 35-53). 160 PASTOR Bd. 11 (1927) 474. 161 Federigo Borromeo (1564-1631), seit 1595 Erzbischof von Mailand und Gründer der berühmten Biblioteca Ambrosiana und der ihr angeschlossenen Pinakothek (vgl. BORROMEO [2006] Sp. 601). 162 Zu ihm vgl. Anm. 322 163 PASTOR Bd. 11(1927) 473. 164 Ebd., 475. 165 Dass die Sixto-Clementinische Vulgata letztlich nicht verbindlich blieb, zeigt das Projekt zur Vulgatarevision unter historisch-kritischen Maßstäben im 20. Jahrhundert. Als Frucht dieser Bemühungen erschien die Nova Vulgata, die Papst Johannes Paul II. 1979 promulgierte. 166 Konzil von Trient, Sessio IV (8. April 1546), Erstes Dekret: Annahme der heiligen Bücher und der Übersetzung der Apostel, in: COD Bd. 3 (2002) 663.

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Quelle der Offenbarung, das Evangelium, welches in der Kirche allerdings in zwei Weisen gegenwärtig sei, in Schrift und Traditionen. Doch was war nun unter diesen Traditionen genauer zu verstehen? Im Laufe der Debatte auf dem Konzil wurden die Unterschiede zwischen den Traditionen, die für die kirchliche Lehre relevant seien und den frommen Bräuchen und Riten deutlicher gefasst. Die apostolischen Traditionen wurden von den rein menschlichen abgrenzt.167 So heißt es: „Der Synode ist klar, daß diese Wahrheit und Ordnung enthalten ist in den geschriebenen Büchern und in den ungeschriebenen Überlieferungen, die, von den Aposteln aus dem Munde Christi selbst angenommen oder von ebendiesen Aposteln durch Eingebung des Heiligen Geistes gleichsam von Hand zu Hand überliefert, bis zu uns gelangt sind.“168

Dem sola scriptura der Reformatoren wurde also kein sola traditione entgegengesetzt, sondern es wurde auf die innere Einheit von Schrift und Tradition abgehoben. Was bedeutete dieser Zusammenhang für die Auslegung der Schrift? Hierzu heißt es: „Außerdem beschließt das Konzil zur Zügelung leichtfertiger Geister, daß niemand, auf eigene Klugheit gestützt, es wagen soll, in Sachen des Glaubens und der Sitten, die zum christlichen Lehrgebäude gehören, die Heilige Schrift nach eigenem Verständnis und gegen jeden Sinn zu verdrehen, den die heilige Mutter Kirche – ihr kommt es zu, über den wahren Sinn und über die Auslegung der Heiligen Schriften zu urteilen – festgehalten hat und festhält, oder auch die Schrift gegen den einmütigen Konsens der Väter auszulegen, auch wenn diese Auslegungen zu keinem Zeitpunkt veröffentlicht werden sollen.“169

Damit wird die Vorstellung, die Schrift lege sich selbst aus, zurückgewiesen und vielmehr die verbindliche Auslegungsinstanz der Kirche eingeschärft. Auf diese Weise ging die katholische Theologie nach Trient vom objektiven Lehramt der Schrift und der Traditionen zum autoritativen Lehramt über.170 Ferner verweist das Konzilsdekret bei strittigen Fragen auf den Konsens der Kirchenväter, die damit zur Deutung der Heiligen Schrift herangezogen werden sollten. Was das Konzil jedoch nicht mehr leistete, war eine umfassende Darstellung der Autoritäten, die für eine dogmatische Beweisführung heranzuziehen seien. Dies unternahm der Dominikaner Melchor Cano, der seit 1551 im Auftrag Karls V. als theologischer Berater am Konzil teilnahm. Bereits seit 167

Vgl. dazu KASPER (1992) 344-350; HOLZEM Bd. 1 (2015) 164f. Konzil von Trient, Sessio IV (8. April 1546), Erstes Dekret: Annahme der heiligen Bücher und der Übersetzung der Apostel, in: COD Bd. 3 (2002) 663. 169 Konzil von Trient, Sessio IV (8. April 1546), Zweites Dekret: Annahme der Vulgata-Bibel und Vorschriften zur Art und Weise der Auslegung der Heiligen Schrift usw., in: COD Bd. 3 (2002) 664. 170 KASPER (1992) 347. 168

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den 1540er Jahren schrieb er an seinem Hauptwerk De locis theologicis, das er vor seinem Tod im Jahr 1559 noch bis zum zwölften von ursprünglich 14 geplanten Büchern vorantreiben konnte. Im siebten Buch äußerte er sich auch zur Autorität der Kirchenväter. Um deren Stellenwert zu den übrigen loci theologici herauszustellen, seien diese kurz aufgezählt: Aufbauend auf der rhetorischen Tradition der loci communes und mit Bezug zur aristotelischen Topik erörterte Cano zehn Loci (Orte) als Quellen einer theologischen Erkenntnis: 1. Die Autorität der Heiligen Schrift, 2. die Autorität der mündlichen Überlieferung Christi und der Apostel, 3. die Autorität der katholischen Kirche, 4. die Autorität der Konzilien, 5. die Autorität der Römischen Kirche, 6. die Autorität der Kirchenväter (auctoritas sanctorum veterum) und 7. die Autorität der scholastischen und kanonistischen Theologen. Bei diesen ersten sieben Autoritäten handelt es sich um loci theologici proprii. Es folgen noch drei loci theologici alieni: 8. Die Autorität der natürlichen Vernunft, 9. die Autorität der Philosophen und 10. die Autorität der menschlichen Geschichte (humana historia).171 In welchen Fällen sind für Cano nun die Kirchenväter eine unfehlbare theologische Erkenntnisquelle und in welchen Fällen muss eine Irrtumsfähigkeit der Kirchenväter eingeräumt werden? Hier diskutiert Cano Einwände gegen die Autorität der Kirchenväter, wie sie von der lutherischen Seite vorgebracht wurden. Er verteidigt dabei die Kirchenväter, indem er vier Grenzen aufzeigt. So haben sie erstens keine besondere Autorität im Bereich des natürlichen Wissens. Das heißt, dass die Kirchenväter nur dann beweiskräftig sind, wenn sie der natürlichen Vernunft nicht widersprechen. Man müsse zweitens mehrere Kirchenväter einbeziehen und nicht nur einen oder zwei. Ferner sei drittens zwischen den Kirchenvätern nochmals zu unterscheiden, weil hier einige eine höhere Autorität beanspruchen könnten als andere. Und schließlich bezögen sich die Aussagen, bei denen alle Kirchenväter geirrt hätten wie bei der Lehre der unbefleckten Empfängnis Mariens nur auf Fragen, die peripher zum Glauben gehörten. So gab es randständige Gegenstände, welche dem Geltungsbereich der Väterautorität entzogen werden müssten.172 Neben diesen Einschränkungen führt Cano schließlich zwei Bedingungen an, unter denen Aussagen der Kirchenväter unfehlbar seien: wenn sich erstens alle Kirchenväter übereinstimmend zu einer Bibelstelle äußern und wenn zweitens der Gegenstandsbereich auf die Schriftauslegung beschränkt werde. Sofern diese beiden Bedingungen erfüllt seien, könne man also sicher sein, dass es sich um eine irrtumslose Schriftauslegung und damit verbunden 171 172

Melchor Cano, De locis theologicis, hg. v. Titus M. CUCCHI, Rom 1890. MERKT (2001) 158-161.

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um eine irrtumslose Glaubenslehre auf Basis der Kirchenväter handelt. So stellt Cano am Ende fest: „Alle Väter gemeinsam können in einer Glaubenslehre nicht irren.“173 Die erste Autorität ist bei Cano die Heilige Schrift. Doch wird diese nur in der (katholischen) Kirche richtig verstanden. Die Kirche ist die verbindliche Auslegungsinstanz. Die Autorität der Kirchenväter stellt nun einen Sonderfall dieser kirchlichen Autorität dar. Sie ist bei den Loci unter der Autorität der Römischen Kirche angesiedelt, aber über der Autorität der scholastischen Theologen.174 So spiegelt die Reihenfolge der Loci auch eine Hierarchie der Autoritäten wider und ist nicht zufällig. Die Loci theologici von Melchor Cano galten noch bis ins 18. Jahrhundert als Standardwerk für Fragen der theologischen Prinzipienlehre. So wundert es nicht, dass das theologische Denken der Barockscholastik weiterhin durch eine Präsenz patristischer Autoren geprägt war, wie bereits die mittelalterlich-scholastische Tradition und eine humanistischfrühneuzeitliche Wirkungsgeschichte der ‚Väter‘ vor ihr. Neben die spirituelle Autorität der als ‚Heilige‘ betrachteten ‚Väter‘ und neben die philologische Autorität, welche den Kirchenvätern von Seiten der Humanisten zugesprochen wurde, trat nun auch noch ein kontroverstheologisches Interesse an ihrer Relecture, insofern diese von reformatorischer Seite bisweilen für überflüssig erklärt wurden.175 Vor diesem Hintergrund erscheint das Konzilsdekret von Trient als Gegenmodell, in welchem die Präsenz der ‚Väter‘ zum „unersetzlichen Korrektiv z. B. der platonischen Autoren“176 wurde. Dies führte beim jesuitischen Kontroverstheologen Roberto Bellarmino dazu, die Darstellung der Kirchenväter in einer Linie von den Aposteln her zu sehen sowie ihre Verdienste durch ihr beispielhaftes gottgefälliges Leben herauszustellen. Im Kontrast dazu konstruierte er eine Linie der Häresiarchen, die von Simon Magus, über Marcion und Arius zu Luther führte. Mit der Erfindung dieser Traditionslinie wurde klar, dass sich der patristische Geist unmöglich in den protestantischen Häretikern finden könne.177 Diese Aufwertung der Kirchenväter führte jedoch nicht dazu, dass man in der Barockscholastik die Rezeption der antiken Traditionen aufgegeben hätte. So führt Thomas Leinkauf dazu aus: 173

Cano, De locis theologicis, Rom 1890, VII, 3,36 (227b) (zum Abschnitt vgl. MERKT [2001] 161f.). 174 Ebd., 166. 175 Vgl. LEINKAUF (2006) 191-207. So lehnte man in Wittenberg nach 1521 „die ganze Patristik, ebenso wie Platon und Aristoteles, als im Grunde nicht-christliche, nichttheologische Autoren ab“ (ebd. 196). Die Kirchenväter gelten hier als der platonischen Philosophie verfallen. 176 Ebd., 196. 177 LALLA (2006) 49-63, besonders 50-52.

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II. Das Collegio Romano „Vor dem Hintergrund philosophischer oder theologischer Grunddifferenzen wie sie sich etwa in den verschiedenen Schulen der Scholastik – etwa zwischen dem Ansatz der Dominikaner und dem der Franziskaner – oder in der kritischen Distanzierung des Humanismus von eben dieser scholastischen Tradition im ganzen oder dann schließlich im grundstürzenden Phänomen der Glaubensspaltung gezeigt haben, konnte es bei Autoren verschiedenster Provenienz dazu kommen, daß man zur Absicherung der eigenen Position durch Autoritäten, die anerkannt sind, auf Autoren und auf von diesen vertretene theoretische Ansätze zurückgriff, die sich zu diesen Grunddifferenzen deswegen neutral oder indifferent verhalten, weil sie historisch oder in der Entwicklung vor diesen liegen.“178

Was in diesem Satzungetüm zum Ausdruck gebracht werden soll, ist die schlicht strategische Notwendigkeit, in einer innerkonfessionell durch Ordensschulen zerklüfteten und durch die Glaubensspaltung geteilten theologischen Landschaft eine gemeinsame Verständigungsbasis zu gewinnen. Und diese lag in den antiken Autoren. Gewisse Begrifflichkeiten und Argumentationsfiguren antiker Autoren waren zudem bereits in die patristische Literatur eingegangen, so dass diese ohnehin mittradiert wurden. Die Bezugnahme auf patristische Autoren erfolgte nach Leinkauf aber nicht immer wegen der dort auffindbaren Argumente. Oft zeigte sich hierin lediglich die Grundüberzeugung, dass die historisch älteren Texte näher am Ursprung der Tradition lagen und somit eine erhöhte Würde beanspruchen konnten, „so, wie dies etwa von den Texten des Paulus in herausragender Weise gesagt werden kann.“179 Die Argumentation stand also vorher fest und erfuhr dann mit Rückgriffen auf Väterzitate „die Weihe der Ursprungsnähe“.180 Diese Einschätzung lässt sich allerdings nicht verallgemeinern. So führt Merkt zur Wertschätzung der Kirchenväter bei Cano aus, dass es diesem gerade nicht um einen „verbreiteten Pristinismus, der die Anfänge der Kirche idealisiert und ihre Geschichte als Abfall von der ursprünglichen Höhe deutet“, ging.181 Nicht die Ursprungsnähe war für ihn entscheidend. Die Dignität des Alters war bei ihm vielmehr archäolatrisch. „Das Alte scheint unreflektiert einfach deshalb so hochgeschätzt zu werden, weil es alt ist.“182 Entsprechend basierte diese Wertschätzung des Alters schlicht auf Konservatismus und Traditionalismus. Der Umgang mit der Bibel und mit den Kirchenvätern beschäftigte wie bereits erwähnt auch die römische Indexkongregation.183 Betrachten wir kurz

178

LEINKAUF (2006) 191-207; 192f. Ebd., 191-207; 192. 180 Ebd. 181 MERKT (2001) 165. 182 Ebd. 183 Zur Geschichte der Indexkongregation: GODMAN (2001); WOLF (2006); WOLF (2001). 179

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zum besseren Verständnis die Entstehung dieser Organisation, in der auch Jesuiten zunehmend eine Rolle spielten. 1559 hat Paul IV. (Gian Pietro Carafa, 1555-1559 Papst) den ‚Römischen Index‘ herausgegeben. Dies war im Wesentlichen ein Index der Römischen Inquisition gewesen. Dieser ‚Römische Index‘, der der Zentralisierung der Bücherverbotslisten zur Zurückdrängung der protestantischen Häresie dienen sollte, wurde von verschiedenen Seiten als zu hart empfunden. Der Generalinquisitor Michele Ghislieri OP erließ deshalb 1561 mit der Moderatio Indicis Librorum Prohibitorum, eine gemäßigtere Fassung. Die Erstellung eines neuen Index übertrug Pius IV. (Giovanni Angelo Medici, 1559-1565 Papst) dann aber nicht der Römischen Inquisition, sondern dem wieder einberufenen Konzil. Das Konzil von Trient diskutierte in der dritten Sitzungsperiode über das Thema und setzte seinerseits eine Kommission zur Erstellung eines neuen Index ein. In diesem Kontext wurde auch das Prinzip der Expurgation eingeführt, wonach von Irrtümern gereinigte Bücher erscheinen durften. Die Trienter Indexkommission brachte bereits 1564 einen neuen ‚Tridentinischen Index‘ heraus. Gleichzeitig begann sie mit der Expurgation nützlicher Bücher. 1571 wurde dann von Pius V. (Michele Ghislieri OP, 1566-1572 Papst) eine neue Römische Indexkongregation eingesetzt, die sich in der Nachfolge der Trienter Kommission sah. Diese Indexkongregation musste ihre Tätigkeit unter der Aufsicht der Römischen Inquisition durchführen. Schließlich gab es noch das alte Amt des Magister Sacri Palatii, des päpstlichen Hoftheologen aus dem Dominikanerorden, der ex officio Konsultor beider Kongregationen war. Er genoss weiterhin große Unabhängigkeit. Die Letztverantwortlichkeit für die Zensur lag beim jeweiligen Papst, der somit eigene Akzente setzen konnte.184 In welcher Weise war nun die Indexkongregation mit den Kirchenvätern befasst? Bereits die zehn Trienter Indexregeln, die am 26. Februar 1562 von den Konzilsvätern beschlossen wurden und bis zur großen Reform Leos XIII. im Jahr 1896 gültig blieben, gehen in der dritten Regel auf das Thema „Ausgaben von Kirchenvätern und lateinische Bibelübersetzungen“ ein. Darin heißt es zu den Kirchenvätern: „Die von Autoren, die im Index in der Ersten Klasse stehen, herausgegebenen Übersetzungen von Kirchenvätern und dergleichen sollen erlaubt sein, sofern sie nichts gegen die gesunde Lehre enthalten. Die Lektüre ihrer Übersetzungen des Alten Testaments darf gelehrten und frommen Männern von Bischöfen gestattet werden, aber nur als Kommentare zu einem besseren Verständnis der Heiligen Schrift, nicht als Bibeltext selber.“185

184 185

ARNOLD (2008) 54f. Trienter Indexregeln nach WOLF (2006) 31.

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Bei den Autoren der Ersten Klasse handelt es sich nach der Vorbemerkung des Index um jene, die „mehr als alle übrigen und gleichsam ex professo geirrt haben und darum mit ihren sämtlichen Schriften, worüber auch immer sie handeln mögen, grundsätzlich verboten“186 sind. Darunter fielen zum Beispiel Luther, Melanchthon und Erasmus. Damit wird das generelle Verbot der Schriften solcher Autoren im Hinblick auf Kirchenväterausgaben und -übersetzungen eingeschränkt, sofern sie nichts gegen die „gesunde Lehre“ enthalten, also der katholischen Lehre nicht widersprechen. Dies musste aber für jede dieser Kirchenväterausgaben erst einmal festgestellt werden. Zuständig für eine solche Prüfung war die Trienter Indexkommission, bzw. ab 1571 die Indexkongregation. Obwohl hier nur von Kirchenväterausgaben der Autoren Erster Klasse die Rede ist, wurden auch andere Kirchenväterausgaben der Zensur unterworfen. In einem ‚Memoriale‘, das Arnold auf die Zeit um 1571/72 datiert, wird die Expurgation der Väterausgaben als Ordensprojekt der Dominikaner, welche sowohl die Inquisition als auch die Indexkongregation dominierten, formuliert. Dafür sollten auch weitere Mitarbeiter außerhalb Roms einbezogen werden.187 In der Indexkongregation unter Sirleto hatte man keine Hemmungen, auch antike Autoren wie Clemens von Alexandrien, Tertullian, Cyprian, Laktanz und Euseb zu zensieren. Ein Konsultor warnte bereits um 1581, dass kein einziger Kirchenvater so orthodox sei, dass man bei ihm keine schwierigen Stellen finden könne. Er plädierte für eine bloß klarstellende Marginalkommentierung. Diese Tendenz setzte sich langsam durch. Nach den Expurgationsregeln von 1587 sollte bei der Väterliteratur nicht mehr in den Text selbst eingegriffen werden, sondern Scholien bzw. Marginalien sollten auf nachtridentinische Standards aufmerksam machen.188 Bis 1593, als die Indexkongregation die Expurgationen an Orden und Universitäten delegierten, wurden zahlreiche Werke der Kirchenväter, aber auch antike pagane Klassiker einer Zensur unterzogen. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Kirchenväterliteratur auf dem Index in der Frühen Neuzeit gehört noch zu den Forschungsdesideraten. An Männern wie Agostino Valier (1531-1606) zeigt sich das Dilemma der intellektuellen Elite Roms, die gehorsam und papsttreu agierte. So war Valier, humanistisch gebildet und mit dem antiken paganen Schrifttum bestens vertraut, als Konsultor der Indexkongregation mit der Überprüfung von Kirchenväterschriften befasst, etwa in den 1580er Jahren mit Johannes Chrysostomus, Gregor von Nazianz und Basilius dem Großen.189

186

Zitiert nach ebd., 26. ARNOLD (2008) 127. 188 Ebd., 336. 189 CIPRIANI (2009) 115f. 187

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Doch was sollte man bei einer Literatur überprüfen, die eine so hohe Dignität genoss wie die der Kirchenväter? Nach welchen Kriterien sollte eine Expurgation der Väterausgaben durchgeführt werden? Im Grunde bestand hier ein Autoritätsproblem. Einerseits gehörten die Kirchenväter zum Traditionsbestand der katholischen Kirche, der als solcher nicht verfälscht werden durfte. Andererseits begab man sich mit den Kirchenvätern in eine Auslegungstradition von exegetischen und scholastischen Fragen, die vor dem Hintergrund einer protestantischen Auslegungstradition katholisch rechtgläubig abzusichern war. Insofern war der Weg einer Expurgation über Scholien (Anmerkungen) konsequent, da man nicht in den Text selbst eingreifen musste. In Anbetracht der theologischen Debatten und Fallstricke war dies jedoch ein immens aufwendiges Verfahren, das kaum zu einer perfekten Expurgation führen konnte. Unterdessen brauchte es kirchlich approbierte Kirchenväterausgaben, um damit an den Universitäten und Kollegien arbeiten zu können. Der Venezianer Paolo Manuzio verlegte 1561 auf Einladung von Pius IV. seine Druckerei nach Rom. Sein Vater, Aldo Manuzio, hatte zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Venedig eine Druckerei aufgebaut, die mit ihren lateinischen und griechischen Textausgaben die humanistische Druckkunst auf ein neues Niveau gehoben hatte. In Rom druckte Paolo die kirchlich approbierten Kirchenväterausgaben (Johannes Chrysostomus, Ambrosius, Theodoret, Cyprian) sowie Dekrete des Konzils von Trient samt dem sogenannten ,Trienter Index‘ der verbotenen Bücher.190 Zwar kehrte Paolo Manuzio 1570 wieder nach Venedig zurück, aber er verhandelte noch vor 1574 mit Gregor XIII. darüber, in Rom eine Niederlassung zu gründen, die ausschließlich Klassikerausgaben und expurgierte Ausgaben der vorläufig verbotenen Bücher drucken sollte.191 Insofern gingen Zensur und Buchmarkt hier eine direkte Verbindung ein, was in diesem Fall eher zu einer Liberalisierung der Zensur führte. Paolo hatte seinen Ruf nach Rom den liberaleren Kräften Morone und Girolamo Seripando192 zu verdanken und stand selbst den „Spirituali“ nahe. Doch das änderte nichts an dem hohen kirchlichen Ansehen der Fami-

190

ARNOLD (2008) 223. Pius V. verlieh ihm 1566 ein exklusives Universalprivileg auf fünf Jahre für den Druck des Römischen Katechismus und wenig später für den Druck des reformierten Römischen Breviers. Zu eigenen Druckereien bei den Jesuiten: FRIEDRICH (2016) 316-318. 191 Ebd., 223f. 192 Girolamo Seripando (1493-1563) wurde 1539 zum Oberhaupt der Augustinereremiten gewählt. Er nahm am Konzil von Trient teil. 1561 wurde er zum Kardinal ernannt. Er war päpstlicher Legat der dritten Konzilsperiode (1562/63). Er starb in Trient (zu ihm vgl. JEDIN [1937, ND 1984]).

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lie. Sein Sohn, Aldo Manuzio der Jüngere, war sogar von 1592 bis 1597 als Konsultor der Indexkongregation tätig.193 So ist also einerseits nach dem Konzil von Trient ein gestiegenes Interesse an den Kirchenvätern zu verzeichnen,194 andererseits zeigte sich noch lange Zeit kein historisch-kritischer Umgang mit ihnen oder eine entsprechende Rezeptionsgeschichte. Dies ist stets zu bedenken, wenn man die posttridentinische Rezeption der Kirchenväter betrachtet, wie sie sich auch in den Bibelkommentaren der Professoren des Collegio Romano niederschlug.195 Die Barockscholastik ging anders mit der Theologie der Kirchenväter um als die heutige patristische Forschung. Insofern ist nicht zu erwarten, dass die Deutungen der Kirchenväter zur Sklaverei von den jesuitischen Kommentatoren in dem Sinne rezipiert wurden, dass sie sich um deren historische Einordnung und mögliche Praxisbezüge gekümmert hätten.196 Andererseits konnte an der Rezeptionsgeschichte des Philemonbriefes von den Kirchenvätern bis zur Barockscholastik bereits gezeigt werden, dass etwa der Exeget Cornelius a Lapide SJ (1567-1637) über souveräne Kenntnis der Kirchenväterliteratur verfügte. Auch wenn die Hinweise auf die Autoritäten wie assoziativ hingeworfen wirken, halten die inhaltlichen Bezüge einer Überprüfung stand.197 Insofern ist zunächst mit mehreren Möglichkeiten im Umgang mit den Kirchenvätern zu rechnen: eine verlässliche inhaltliche Rezeption sowie eine rein assoziative oder nur nachträglich legimitierende Rezeption. Mit den Kirchenvätern übernahmen die Kommentatoren aus dem Collegio Romano auch die allegorische Schriftauslegung. Insbesondere seit Johannes Cassianus (ca. 360-435) und seinen monastisch geprägten Werken De institutis coenobiorum und Conlationes patrum verfestigte sich die Lehre vom vierfachen Schriftsinn. Hierbei betrifft die erste Deutungsebene den Literalsinn, der die buchstäbliche und historische Bedeutung einer Schriftstelle klärt. Die zweite Ebene ist die typologische, die die Schriftstelle theoARNOLD (2008) 224. Bei den „Spirituali“ handelt es sich um eine Gruppe von italienischen Dominikanern, welche in ihrer Frömmigkeit einen großen Wert auf Innerlichkeit legten. In ihrem Kreis genoss auch das Werk von P. Girolamo Savonarola OP großes Ansehen (vgl. SIMONCELLI [1979]). 194 Dies zeigt sich in den zahlreichen Editionsprojekten zu den Kirchenvätern im Anschluss an das Konzil von Trient (vgl. CIPRIANI [2009] 114-116). 195 Dies geht allein schon aus den Vorworten und dem Verweissystem dieser Kommentare hervor. So zum Beispiel bei Benito Perera (vgl. dazu: REISER [2007] 153-157). 196 Einen ersten Überblick zu den Positionen der griechischen und lateinischen Kirchenväter zur Sklaverei bietet: KONTOULIS (1993). Zu den Positionen von Ambrosius von Mailand und Augustinus: KLEIN (1988). Zu diesen Themen zukünftig auch die Dissertation von Nadine Breitbarth aus dem Teilprojekt Antike und der Beitrag: Katharina PULTAR, „Sklaven von Natur aus“? Die servitus bei Thomas von Aquin, in: Nicole PRIESCHING/ Heike GRIESER (Hgg.), Theologie und Sklaverei von der Antike bis in die frühe Neuzeit, Paderborn 2016. 197 Vgl. PRIESCHING/ GRIESER (2016). 193

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logisch-dogmatisch auslegt. Die tropologische Deutung zielt als dritte Ebene auf den moralischen Sinn. Die vierte und letzte Ebene geht auf den anagogischen Sinn ein, der die Schriftstelle eschatologisch interpretiert.198 Bereits im 12. Jahrhundert plädierten einige Theologen für eine stärkere Berücksichtigung des sensus litteralis als Grundlage für den sensus spiritualis.199 Dazu gehörte auch Thomas von Aquin, der die Theorie vom vierfachen Schriftsinn in seiner STh weiter entfaltete und systematisierte.200 Die Betonung des Literalsinns bei der Bibelexegese in der Ratio Studiorum kann sich auf Thomas stützen.201 Interessanterweise ist diese Auslegungstradition aber auch beim als Ketzer hingerichteten Fra Girolamo Savonarola OP (1452-1498) fortgeführt worden, der innerhalb des Dominikanerordens äußerst kontrovers beurteilt wurde.202 Und schließlich hatte auch Cajetan auf der strikten Konzentration auf den Literalsinn bestanden, was mit seiner Kritik an der Vulgata Anstoß erregte.203 Insofern ist auch diese Vorgabe keineswegs so unangefochten wie sie zunächst erscheinen mag. Bei alledem war immer von grundlegender Bedeutung, auf welche Autoritäten man sich berufen konnte. Besonderes Gewicht wurde hierbei dem mittelalterlichen Theologen Thomas von Aquin zugesprochen. Dieser scholastische Theologe des 13. Jahrhunderts stieg nahezu in den Rang eines Kirchenvaters auf.

2.2.3 Die thomistische Uniformierung der Theologie und ihre Grenzen Eine Säule im Lehrplan der Jesuiten war die STh des Aquinaten. Damit folgten die Jesuiten der Schule von Salamanca und Thomas de Vio (Cajetan) OP.204 Dies ist kurz zu erläutern. Im 15. Jahrhundert begann die STh im Dominikanerorden die Sentenzen des Petrus Lombardus als maßgebliches Lehrbuch der Theologie zu verdrängen. Dieser Siegeszug setzte zuerst „an der Universität Köln ein, wo Thomas ab etwa 1425 im Gefolge des Sieges der realistischen über die nominalisti198

Zur Allegorese nach Johannes Cassianus: BELLOT Bd. 1 (1996) 267-270; REVENTLOW Bd. 2 (1994) 77-85; SCHUMACHER (2010) 35-39; SPITZ (1972) 8-13. 199 BELLOT Bd. 1 (1996) 467. 200 Ebd., 467-497. 201 TORRELL (1995) 78f. 202 ARNOLD (2008) 73. Auch Pius V. gehörte zu den zahlreichen Verehrern von Fra Girolamo Savonarola im Dominikanerorden. In vielen italienischen Konventen des Ordens wurde am Todestag Savonarolas das Officium für einen Märtyrer gebetet. Die dominikanischen Bestrebungen für eine Seligsprechung scheiterten jedoch Ende des 16. Jahrhunderts. 203 Ebd., 61. 204 BALDINI Bd. 1 (1997) 689.

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sche Richtung zur maßgeblichen Autorität erhoben wurde.“205 Von dort strahlte die Wertschätzung der STh auf andere deutsche Universitäten aus, bis sie am Ende des 15. Jahrhunderts auch außerhalb des deutschen Sprachgebiets ankam. Cajetan hatte 1497 im Ordenshaus in Pavia damit begonnen, Vorlesungen über die STh zu halten. Seine Interpretationen wuchsen schließlich zu einem großen Kommentar an.206 In Paris las Petrus Crokkaert OP (1470-1514) ab etwa 1508 über die STh und leitete hier allmählich die Verdrängung der Sentenzen des Lombardus ein. Über Crockkaert trat die STh schließlich auch ihren Siegeszug in der Schule von Salamanca an, da Francisco de Vitoria207 ein Schüler Crokkaerts war. Mit seinem Kommentar zur Secunda Secundae eröffnete Vitoria dann die Reihe der großen spanischen Kommentare.208 Nicht unproblematisch war im 16. Jahrhundert jedoch die Berufung auf Cajetan, da sein Ruf durch seine Exegese, die, wie erwähnt, Anstoß erregt hatte, gelitten hatte. So kam es auf dem Konzil von Trient zwar nicht zu einer formellen Verurteilung Cajetans, aber die Kritik seiner Feinde, die ihn in die Nähe der Häresie rückten, verstummte erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts.209 Dabei erhob Bartholomeo de Lugo OP 1558 in seiner Zensur zu 205

STÜBEN (2006) 55. Cajetan stellte den ersten Band 1507 (zur STh I) fertig, den zweiten (zur STh I-II) 1511, den dritten (zur STh II-II) 1516, den vierten und letzten (zur STh III) 1522. Die erste Druckausgabe erschien 1540 in Lyon (ebd., 69). 207 Francisco de Vitoria wurde 1483 in Burgos geboren und starb 1546 in Salamanca. Von 1507 bis 1512 studierte er Philosophie und Theologie in Paris. Schließlich lehrte er von 1512 bis 1516 Artes und von 1516 bis 1523 Theologie am OP-Konvent St. Jacques. Ab 1526 hatte Vitoria bis 1546 den ersten Lehrstuhl für Theologie an der Universität von Salamanca inne. Seine großen Leistungen liegen in der Erarbeitung von völkerrechtlichen, ökonomischen und philosophisch-anthropologischen Grundsätzen. Da Vitoria selbst nichts veröffentlichte, gelten vor allem die Mitschriften seiner Studenten als Quelle seiner Lehrtätigkeit. In vierzehn außerordentlichen Vorlesungen nahm Vitoria Stellung zu politischen Themen seiner Zeit. Unter anderem beschäftigte er sich mit der Frage nach der Legitimität der Monarchie (1528), mit dem Widerspruch zwischen universalem Heilswillen Gottes und der Problematik, dass dieser den Bewohnern der Neuen Welt lange nicht zugänglich war (1535) und schließlich in den Vorlesungen De indis und De iure belli (1539) mit der Infragestellung der Rechte der spanischen Krone in der Neuen Welt. Vitoria führte die Summa theologiae des Thomas von Aquin als Lehrbuch in Salamanca ein, womit die Ethik eine stärkere Berücksichtigung erfuhr (BOHN MARTINS [2005] Sp. 1141; DOMÍNGUEZ [2001] Sp. 830f.). 208 STÜBEN (2006) 55. 209 1535 erschienen die Annotationes des Ambrosius Catharinus Politus OP (Lancelotto de’Politi) (1484-1553), der jede Traditionskritik in die Nähe der Häresie verwies. Allerdings war Catharinus innerhalb des Dominikanerordens selbst theologisch ins Abseits geraten. Ein weiterer Gegner Cajetans wurde Alfonso de Castro OFM. Schließlich schrieb Bartholomeo de Lugo OP 1558 die Annotata ex Caietano zu den Werken Cajetans. Er orientierte sich am Vorbild des Catharinus. Er wollte sich bei seiner Zensur auf die Stellen konzentrieren, da Cajetan vom allgemeinen Konsens der Kirche und von der Meinung des Thomas von Aquin abwich (ARNOLD [2008] 60; 62; 98). 206

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Cajetans Schrift-Kommentaren die Theologie des Thomas von Aquin zum Maßstab seiner Kritik. Dies ist in Anbetracht der Thomas-Kenntnis Cajetans durchaus bemerkenswert. Damit folgte er aber einer Tendenz, die bereits bei Paul IV. erkennbar war und unter Pius V. ihren Höhepunkt erreichte, nämlich die STh des Thomas „mehr noch als das Tridentinum zum absoluten Bezugspunkt theologischer Zensur“210 zu machen. Der Dominikanerpapst Pius V. versuchte insgesamt, eine thomistische Uniformierung der Theologie durchzusetzen. Dazu gehörte auch, dass er Thomas mit einer Bulle vom 11. April 1567 zu den klassischen lateinischen Kirchenlehrern Ambrosius, Hieronymus, Augustinus und Gregor den Großen ebenfalls zum Kirchenlehrer erhob. In einer Bulle vom 29. Juli 1570 führte er aus, dass die Lehre des Thomas von der Kirche rezipiert worden und viel sicherer sei als die anderer Theologen. Auch das Konzil von Trient sollte seiner Meinung nach thomistisch interpretiert werden.211 Unter seinem Pontifikat entstand zudem die erste Gesamtausgabe der Thomas-Werke, die 1569 (mit Erscheinungsjahr 1570) gedruckt wurde: die sogenannte Editio Piana. Dies war ein dominikanisches Prestige-Unternehmen ersten Ranges. Wie reagierten nun die anderen Orden auf den Siegeszug des Thomas? Die Franziskaner brachten zum Beispiel zur selben Zeit eine Ausgabe des Sentenzenkommentars des Bonaventura heraus. Doch wurde in dieser Ausgabe, die wie die Editio Piana von Pius V. finanziert worden war, trotz der tatsächlichen Unterschiede ausdrücklich die Übereinstimmung Bonaventuras mit Thomas betont.212 Damit war der Aquinate zum Maßstab auch für die großen Gelehrten anderer Orden geworden. Im Unterschied zu den bestehenden Traditionen der Franziskaner (Skotisten) und Dominikaner (Thomisten) brachte der neue Orden der Jesuiten keine eigene Schultheologie mit. So verfuhr man zunächst pragmatisch, indem bereits die Satzungen der Gesellschaft Jesu vorsahen, dass als Vorlesungstexte für die Theologie die Bibel, die STh des Thomas und das Sentenzenwerk des Lombardus dienen sollten. Falls die Zeitumstände aber etwas anderes fordern sollten, könnte auch ein neues Lehrbuch verwendet werden.213 Damit hielt sich die Gesellschaft Jesu offen, ob sie die STh als scholastisches Lehrbuch behalten würde. Man träumte durchaus von einem eigenen Lehrbuch. Wohl 1553 beauftragte Ignatius deshalb P. Diego Laínez,

210

Ebd., 333. Ebd., 101. 212 Ebd., 208f. 213 Die Konstitutionen bilden die Ordensverfassung der Jesuiten. Sie sind in zehn Teile untergliedert. Der vierte und größte Teil widmet sich den Kollegien und Studien. Ignatius hatte die Konstitutionen verfasst und 1550 den Ordensbrüdern zur Diskussion vorgestellt. Sie wurden 1558 von Paul IV. approbiert (THEINER [1970] 106f.). 211

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eine eigene ‚Summa theologica‘ zu verfassen. Laínez machte sich auch gleich an die Arbeit, ein dogmatisches Lehrbuch in sechs Bänden zu konzipieren, und fing zwei Bände noch im selben Jahr an. Da die Jesuiten im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation jedoch kein ausführliches Werk, sondern ein Kompendium wünschten, machte sich Laínez gleichzeitig auch an diese Arbeit. Am Ende führte der mit Arbeit überhäufte Laínez weder das eine noch das andere zu Ende.214 So blieb es letztlich bei der STh des Aquinaten. Angesichts des bereits erwähnten Aufschwungs des Thomismus in den 1560er Jahren war dies kirchenpolitisch eine kluge Entscheidung. Aber die Ausrichtung auf Thomas von Aquin sollte auch nicht völlig distanzlos erfolgen. So brachten die Kölner Jesuiten 1578 ihre Stellung zu Thomas auf die Formel neque omnia, neque sola, es sei also weder alles zu übernehmen, was er gelehrt habe, noch jede andere Meinung abzulehnen.215 Eine ähnliche Haltung lässt sich auch bei den Jesuiten in Rom beobachten. Auch Roberto Bellarmino lehnte eine starre Rezeption des Thomismus im Jesuitenorden ab.216 Nach Pius V. nahm die thomistische Uniformierungstendenz langsam wieder ab. Unter Gregor XIII. und vollends unter Clemens VIII. war dann auch die personelle Dominanz der Dominikaner und anderer Mendikanten in Inquisition und Index gebrochen.217 So kam es hier zu einer Pluralisierung der theologischen Kulturen in der Zensur. Diese hatte auch Auswirkungen auf die Thomasrezeption der Jesuiten. Der Thomismus, dem der Jesuitenorden folgte, war kein geschlossenes System. Er wurde vielmehr interpretiert, wobei auch Themen und Lehren rezipiert wurden, welche die Jesuiten offiziell ablehnten. So waren die ersten Generationen von Professoren von humanistischen und philologischen Traditionen neben der scholastischen geprägt. Benito Perera verbreitete zum Beispiel ebenso platonische, stoische und athomistische Traditionen.218 Die endgültige Fassung der Ratio Studiorum von 1599 sieht Thomas zwar als Doctor proprius der scholastischen Theologie an, doch sollte man ihm nicht in der Weise folgen wie die Thomisten, sondern im freien und überlegten Anschluss, der auch Abweichungen zulasse, wie ausdrücklich für die Frage der Unbefleckten Empfängnis verordnet wurde. Zudem gäbe es kontroverse 214

Ebd., 107f. LEINSLE (1995) 268. 216 ARNOLD (2008) 162. Bellarmino hatte in seiner Zeit als Professor in Löwen zwischen 1570 und 1576 die Summa theologiae in seinen Vorlesungen kommentiert. Dabei griff er wohl auch auf die Kommentare Cajetans zurück, den er wegen seiner papalen Ekklesiologie sehr schätzte. 217 Ebd., 333. Von nun an spielen hier auch Jesuiten eine große Rolle. 218 BALDINI (1998) 690. Zu Pereras Werk siehe Kap. III. 215

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Fragen, die Thomas entweder nicht entschieden oder gar nicht behandelt hätte. Bei diesen sei freie Parteinahme erlaubt. Die oberste Ausrichtung der jesuitischen Theologie sollte am Glauben der Kirche erfolgen und alles vermieden werden, was echter Frömmigkeit hinderlich sei.219 Dieser zentrale Stellenwert der Frömmigkeit zeigt sich auch in der Jesuitenpädagogik, die im Folgenden näher beleuchtet werden soll.

2.3 Bildungsideale und Ausbildungsziele Das Bildungsideal der Jesuiten war zunächst christlich-humanistisch ausgerichtet. So war zum einen Jesus das große Vorbild, dem es nachzufolgen galt.220 Zum anderen sahen sie in der antiken Kultur zahlreiche Anknüpfungspunkte für den christlichen Glauben. Die klassischen Tugenden behielten ihre Gültigkeit, deren vollendete Personifikation sich in Jesus zeigte. Bei ihm trat zudem noch eine übernatürliche Liebe hinzu, die zu Demut, Gehorsam und Selbstaufopferung führte. „In den täglichen Meditationen (meditationes quotidianae), die Petrus Canisius herausgab, ist die Meditation des ersten Tages der Demut Christi gewidmet (humilitas), die des zweiten seiner Sanftmut (mansuetudo), der dritte Tag seiner Geduld (patientia) und der vierte seinem Gehorsam (obedientia).“221 Dabei betonte Canisius die Notwendigkeit, Christus nachzueifern.222 Zum Ideal der Christusähnlichkeit kam eine Anpassungsfähigkeit an die Verhältnisse der Zeit. Der Jesuit sollte zwar nicht weltlich werden, aber durchaus weltmännisch. Dazu gehörte grundlegend die sichere Beherrschung der lateinischen Sprache. So legte Ignatius als Reihenfolge des Studiums fest: „Sie sollen zunächst ein gutes Fundament an humanistischer Wissenschaft legen, bevor sie zum Kurs der Artes übergehen.“223 In den Jesuiten219

LEINSLE (1995) 268. Hier ist auch auf die Namensgebung des neuen Ordens als „Gesellschaft Jesu“ (Compañía de Jesús) hinzuweisen. Ignatius begründete sie mit einer Vision in La Storta (1537) auf dem Weg nach Rom, in welcher ihm Christus erschienen sei. Ignatius sah sich als durch Gott zu dem das Kreuz tragenden Sohn gestellt, „um mit der gesamten eigenen Persönlichkeit völlig in der Persönlichkeit Jesu aufzugehen“ (HOLZEM Bd. 1 [2015] 200). Er deutete diese Vision ferner so, dass er und seine Gefährten Gott dienen sollten, indem sie zusammen mit Christus zu den Menschen gesandt werden. Christsein bedeutete für ihn, mit Jesus vor Gott zu stehen (HAUB [2007] 30). 221 LUNDBERG (1966) 238. 222 Petrus Canisius, Meditationes quotidianae (im Catechismus Catholicus zusammengestellt), Ingolstadt 1633, 91-103. 223 Ignatius von Loyola, Gründungstexte der Gesellschaft Jesu, übersetzt v. Peter KNAUER, Würzburg 1998, 517. Mit den Artes sind die Artes liberales gemeint, die im dreijährigen Philosophiestudium behandelt wurden. 220

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schulen wurde das klassische Latein eingehend studiert. Zur humanistischen Grundausbildung gehörte es, lateinisch zu sprechen und den Stil in Aufsätzen sorgfältig zu üben.224 Das Studium der klassischen Literatur der Griechen und Römer hielt man für die beste Vorbereitung für das Philosophiestudium. Doch handelte es sich noch um Grundfertigkeiten. Ein vertieftes Studium der Sprachen sollte dann nochmals im Theologiestudium folgen. So setzte Ignatius die Reihenfolge der Studieninhalte folgendermaßen fort: „… und sie sollen sich in den Artes mit großer Sorgfalt üben, bevor sie in die scholastische Theologie eintreten; und in dieser vor der Schrift; und nachdem man diese gelesen hat oder während man sie liest, nach der scholastischen Theologie, könnte man das Studium der Sprachen nehmen, in denen die Heilige Schrift geschrieben und in die sie übersetzt worden ist.“225

Auf die Diskussionen um den Stellenwert der ursprachlichen Bibeltexte im Verhältnis zur Vulgata wurde bereits eingegangen.226 Das Studium der biblischen Sprachen Hebräisch und Griechisch konnte dann gefährlich werden, wenn dies zu Erkenntnissen am Urtext führte, die zu den Lehren der Kirche im Gegensatz standen. Insofern schärfte Ignatius auch in den Satzungen ein: „Und so ermahnen und empfehlen wir in unserem Herrn, daß sie sie [die Sprachen; d. Verf.] nicht studieren, bevor sie nicht graduiert oder zumindest sachgemäß gelehrt in scholastischer Theologie sind und die Entscheidungen der Lehrer und der heiligen Kirche kennen; und dann empfiehlt es sich, sich die Lehre der Sprachen in der Absicht zunutze zu machen, nicht nur den Sinn, sondern auch alle Worte und Silben der von unserer heiligen hierarchischen Mutter Kirche gebilligten und allgemein beobachteten Übersetzung zu verteidigen.“227

Damit wurde der Vorrang der Vulgata in der Bibelexegese eingeschärft, was auch in der Ratio Studiorum festgelegt wurde.228 Insofern lässt sich im jesuitischen Bildungsideal eine Spannung feststellen zwischen einer Schulung der Vernunft sowie der Urteilskraft einerseits und der Unterwerfung unter lehramtliche Vorgaben, die stets Grenzen setzten, andererseits. Diese Grenzen waren im Namen des Gehorsams so zu verinnerlichen, dass die Selbstzensur jeglicher äußeren Zensur idealerweise zuvorkam. In diesem Kontext ist es nicht verwunderlich, dass man große Bedeutung auf die Erziehung des Willens und der Affekte bei den jungen Menschen legte. Freilich sollte dieser Wille durch eine gezielte Pädagogik auch durch den Lehrer gelenkt werden. Am Ende stand im Idealfall eine Übereinstimmung des eigenen Willens mit dem der Ordensoberen, die sich 224

LUNDBERG (1966) 242. Die Jesuiten nahmen hier auch Partei für den sogenannten Ciceronianismus, d.h. die Übung des Lateinischen anhand der Lektüre Ciceros. 225 Ignatius, Gründungstexte, Würzburg 1998, 517. 226 Vgl. II.2.2.1. 227 Ignatius, Gründungstexte, Würzburg 1998, 517f. 228 Zum Vorrang der Vulgata in der Ratio Studiorum siehe Kap. II.2.2.

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wiederum in einem effektiven Engagement für den Orden zeigte. Das setzte ein Verhältnis von Lehrern und Schülern voraus, das von gegenseitigem Vertrauen und Zuneigung geprägt war. Wo dieses nicht gegeben war, erzeugten die hohen Ansprüche an den eigenen Willen und die Affekte nicht selten auch einen hohen Leidensdruck. So sollten diese Ideale nicht zu einer Verklärung der realen Verhältnisse führen. Für welche Einsatzgebiete wurden Jesuiten ausgebildet? Bisher wurde schlicht zwischen den beiden Gruppen im Cursus maior und im Cursus minor unterschieden. Beim Seelsorgeklerus gab es vor dem Hintergrund der reformatorischen Ereignisse eine besondere Untergruppe: die Studenten des Collegio Germanico. In dessen Gründungsbulle von 1552 wurde von Ignatius bereits das Ziel formuliert, dass die Germaniker unerschütterliche Glaubensstreiter werden sollten. Die Jesuiten nördlich der Alpen halfen bei der Suche nach Zöglingen, die, bevor sie nach Rom kamen, einer Prüfung unterzogen wurden und versichern mussten, sich den Regeln und Oberen dort zu unterwerfen. Ignatius setzte voraus, dass die Zöglinge alle Brücken zu ihrer Heimat abbrachen, um sich ganz den Direktiven Roms zu unterstellen. Dies deutet auf eine Konzeption der Weltpriesterbildung aus einer Ordensperspektive hin, denn der frei verfügbare, von seiner Diözese losgelöste Priester entsprach eher einem Ordenspriester. Hier zeigten sich dann auch bald durch die Konkurrenz mit den Ortsbischöfen Hindernisse.229 Mit der Ausbreitung der Jesuitenkollegien in Deutschland veränderte sich die Situation in Rom. Während es am Anfang darum gegangen war, möglichst viele Priester heranzuziehen, die in Deutschland ein Bollwerk des rechten Glaubens werden sollten, kam es in den 1570er Jahren zu einer Spezialisierung des Collegio Germanico auf Alumnen adeliger Herkunft. Damit sollte das Germanicum durch die Ausbildung der Adeligen zur Reform der vom Adel getragenen Reichskirche beitragen. 1582 erging eine Anordnung Gregors XIII. an das Germanicum, „fortan nur noch Adelige aufzunehmen“230. Konkret bedeutete das für nichtadelige Alumnen, dass ihre Chancen, am Kolleg studieren zu dürfen, im Laufe des 17. Jahrhunderts deutlich sanken.231 Neben der Ausbildung von künftigen Weltgeistlichen gab es noch diejenige des eigenen Ordensnachwuchses. Für diesen eröffneten sich bisweilen besondere Einsatzfelder. So erlangten manche Jesuiten die Position eines Hofbeichtvaters. Man hatte in der Gesellschaft Jesu durchaus die Probleme und Gefahren einer solchen Stellung erkannt und darüber diskutiert. Als König Johann III. von Portugal 1552 als Erster um einen Jesuiten als Beichtva229

SCHMIDT (1984) 38-41. Ebd., 47. 231 Ebd., 149. 230

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ter bat, lehnte der Provinzial dies ab. Er begründete die Entscheidung damit, dass nach den Satzungen (Verbot hoher kirchlicher Würden) eine solch herausgehobene Stellung am Hof nicht mit den Idealen der Jesuiten vereinbar sei. Aber Ignatius selbst ordnete dann dennoch an, dass ein Jesuit die Position des königlichen Beichtvaters annehmen sollte. Er schrieb: „Am Wohl des Hauptes nehmen alle Glieder des Leibes teil und am Wohl des Fürsten alle Untertanen, und zwar auf diese Weise, dass man die geistliche Hilfe, die man jenem gewährt, höher schätzen soll, als wenn man sie anderen gewährte.“232

In König Johann III. von Portugal hatte Ignatius freilich einen eifrigen Förderer, den er nicht verlieren wollte. In einem Brief vom 6. Juni 1553 schrieb Ignatius an den König, dass er in ihm „unter den christlichen Fürsten … das erste und hauptsächliche Werkzeug“ göttlicher Vorsehung erkenne.233 Auch in Portugal wurden fleißig Schulen und Kollegien gegründet.234 Die Bedenken gegenüber der Position eines Hofbeichtvaters blieben jedoch im Orden bestehen. 1602 dekretierte Ordensgeneral Aquaviva die Instruktion De Confessariis Principum (Über die Beichtväter der Fürsten), welche 1608 von der 6. Generalkongregation ratifiziert und zur offiziellen Position des Ordens wurde. Um die Vorteile der Position zu nutzen und die Nachteile zu vermeiden, sollten danach die Hofbeichtväter nicht am Hof selbst, sondern in Jesuitengemeinschaften leben.235 So stellten seit Ende des 16. Jahrhunderts Jesuiten zunehmend die Beichtväter für katholische Fürsten.236 Für diesen Einsatz verlangte man nach Lundberg „Anpassungsfähigkeit, Geschmeidigkeit, Urteilsvermögen, Menschenkenntnis, aber auch Gehorsam gegenüber den Wünschen Vorgesetzter. Andere hervorstechende Merkmale sowohl des hohen wie des niederen Adels waren vornehme Zurückgezogenheit und Wachen über die eigene und des Herrschers Ehre als den höchsten Lebenswert, für den man ohneweiteres (sic!) sein Leben opferte.“237

Angesichts der Tragweite einer solchen Position war klar, dass hier keine ‚normalen‘ Beichtväter mit einem Cursus minor in Frage kamen, sondern nur hervorragend geschulte Jesuiten. 232

Zitiert nach HARTMANN (2001) 39. Ignatius an João III. 6. Juni 1553, in: Ignatius von Loyola, Briefe und Unterweisungen, übersetzt von Peter KNAUER, Würzburg 1993, 481-483, hier 482. 234 Im Juni 1540 kamen die ersten beiden Jesuiten auf Einladung von König Johann III. nach Portugal: Franz Xaver und Simão Rodrigues. Während Franz ein Jahr später zur Mission nach Indien aufbrach, blieb Simão in Portugal und wurde dort der Gründer der Jesuitenprovinz. Bereits 1542 richteten die Jesuiten in Lissabon ein Kolleg ein (St. Antonius). Es folgten bald Kollegien in Coimbra und Évora (ALDEN [1996] 26-30). 235 HARTMANN (2001) 40. 236 Vgl. dazu BIRELEY (1990) 386-403; BIRELEY (1975). 237 LUNDBERG (1966) 240. 233

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Ein zweites besonderes Einsatzfeld waren die Missionen. Hierfür war neben Sprachbegabung auch eine solide Allgemeinbildung wichtig. So konnte Matteo Ricci (1552-1610), der 1583 nach China geschickt wurde, mit seinen mathematischen und astronomischen Kenntnissen den dortigen Kaiser beeindrucken, der ihm die Missionserlaubnis erteilte.238 Insofern war auch die Förderung der Naturwissenschaften nützlich für die Seelsorge. Auf die Missionstätigkeit wird hier durch ihre Berührungspunkte zur Sklaverei noch näher einzugehen sein (vgl. VI.). Die jesuitische Pädagogik war ganzheitlich ausgerichtet. Neben dem Unterricht waren auch spirituelle Programme charakteristisch für Jesuitenschulen und -universitäten. Auch wenn Jesuiten kein mönchisches Chorgebet pflegten, war das spirituelle und kultische Programm durchaus zeitaufwendig. „Gewöhnlich gehörte häufiger oder täglicher Messbesuch dazu, tägliche Teilnahme wenigstens an einem Teil des Stundengebetes, tägliche Gewissenserforschung, Beichte und Kommunion in bestimmten, festgelegten Zeitabständen.“239 Auch die Studenten nahmen täglich an der Messe teil und hörten Predigten an Sonn- und Feiertagen. Mit der Einführung der Marianischen Kongregationen intensivierte sich nach 1563 dieses Programm. 240 Das Collegio Germanico in Rom besaß eigene Konstitutionen (Constitutiones Collegii Germanici). Sie waren von ihrem Rektor Gioseffo Cortesono (Rektor 1564-1569) gegen Ende seiner Amtszeit abgefasst worden. Dabei handelt es sich „um eine breitangelegte Reflexion zu erzieherischen Themen“,241 die auf Erfahrungen beruhte. In den Konstitutionen werden Frömmigkeitsübungen beschrieben, die man von den Schülern erwartete. Die Sorge der Jesuiten galt der „effektive[n] Internalisierung von religiösen und sittlichen Werten durch eben diese Praktiken und durch die Anleitung, die die Schüler – zum größten Teil junge italienische Laien – von den Jesuiten erhielten.“242 Der spirituellen Anleitung dienten auch die ‚Geistlichen Übungen‘ des Ignatius.243 Im Collegio Germanico wurde es allerdings erst 1696 zum Gesetz erhoben, die Exerzitien des Hl. Ignatius gemeinsam durchzuführen. Bis 238

Ebd., 244. O’MALLEY (1995) 255. 240 Im Collegio Germanico wurden für verschiedene Altersstufen drei Marianische Kongregationen eingerichtet. Die Aufnahme in eine der Kongregationen galt als Belohnung, die sich der Einzelne verdienen musste. Zudem wurden sogenannte Kammern eingerichtet, in denen zehn bis zwölf Männer zu einer Gemeinschaft zusammengefasst wurden, die sich nach einem Heiligen benannte. Sie hatten einen eigenen Studier- und Schlafsaal. Der Austausch zwischen den Kammern war stark beschränkt (STEINHUBER Bd. 1 [1906] 126f.). 241 O’MALLEY (1995) 256. 242 Ebd. 243 Ignatius, Geistliche Übungen, Würzburg 2008. 239

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dahin absolvierten sie die Studenten nur in einer der beiden Marianischen Kongregationen, zu denen alle gehörten. Die nun verbindlichen gemeinsamen Exerzitien dauerten jedoch nur drei Tage. Ein Teil der Studenten zog sich aber freiwillig einmal im Jahr für acht Tage zu Exerzitien zurück. „Außerdem musste jeder Zögling vor Empfang der drei höheren Weihen insgesamt 15 Tage Exerzitien machen, je sechs Tage vor dem Subdiakonat und Presbyterat und drei Tage vor dem Diakonat.“244 2.4 Das Rotationsprinzip Für die Jesuiten galt das Prinzip der Rotation. „Schon innerhalb eines Kollegs rotierten die Ämter und Aufgaben. An der Universität kam es vor, daß der gleiche Professor in einem Jahr über Rhetorik las, im nächsten über Mathematik, dann vielleicht über Ethik.“245 Es gab keine festen Lehrstühle. Jesuitenprofessoren hatten sich in mehreren Disziplinen zu bewähren und sollten im Idealfall universal einsetzbar sein. Dieses Prinzip zeigte sich auch am Collegio Romano. So lehrte der berühmte Francisco de Toledo, der 1559 an das Collegio Romano gekommen war, anfangs Logik, doch bald auch Physik, Metaphysik, casus conscientiae und Scholastische Theologie. 1561 veröffentlichte er die Introductio in dialectiam Aristotelis.246 Die Jesuiten rotierten auch zwischen verschiedenen Standorten. So wechselten viele im Laufe ihres Lebens das Kolleg. Erleichtert wurden solche Wechsel dadurch, dass alle Jesuitenkollegien denselben Ausbildungsstandards nach der Ratio Studiorum folgten. „Das erklärt Karrieren wie die von Athanasius Kircher, dessen Weg von Fulda über Paderborn nach Köln führte, nach weiteren Zwischenstationen schließlich nach Rom, wo er im kommunizierenden System jesuitischer Bildung eine Schlüsselposition erlangte.“247 Auch die Studenten waren bei ihrer Ausbildung angehalten, verschiedene Kollegien und Universitäten zu besuchen. Das übte die Mobilität ein, die für den Orden so charakteristisch wurde. Dies alles sorgte wiederum für einen Wissens- und Kulturtransfer, in dem sich die Internationalität des sich über die ganze Welt ausbreitenden Ordens ausdrückte. Nicht nur ein dichtes Netzwerk an persönlichen Beziehungen wurde geknüpft. Über Zirkulare und handgeschriebene Zeitungen wie die Annuae wurde ein Informations-

244

STEINHUBER (1906) 164. SÜßMANN (2014) 110. 246 O’MALLEY (1995) 271. 247 SÜßMANN (2014) 112; zu Kircher vgl. LEINKAUF (1993). 245

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austausch möglich, der zu einer weltweiten Verbundenheit innerhalb des Ordens und seiner Förderer führte.248 Angesichts dieses Rotationsprinzips ist es kaum möglich, Professoren nur einem Fach zuzuordnen. So begann zum Beispiel Juan de Mariana249 1561 im Alter von 24 Jahren Heilige Schrift und dann Scholastische Theologie zu lehren. Bis 1565 blieb er am Collegio Romano und veröffentlichte viele Jahre später sein Meisterwerk Historia general de España sowie das Werk De rege et regis institutione. Darin vertrat er seine berühmte These von der Erlaubtheit des Königsmordes.250 Die hier vorgenommene Zuordnung einzelner Professoren zu einer Disziplin ist daher relativ. Sie erfasst nur einen Teil seines Wirkens. Nicht genug betonen kann man auch die Durchlässigkeiten und Überschneidungen zwischen einzelnen Fachbereichen. So wurde bereits zum Fach Moraltheologie erwähnt, dass es Bestandteile aus der Scholastischen Theologie und einer praxisorientierten Kasuistik für Beichtväter enthielt und sich in diesem Schnittfeld als eigene Disziplin etablierte. An dieser Stelle ist auch die Beschäftigung mit Kirchengeschichte zu erwähnen, die bis ins 18. Jahrhundert noch kein eigenes Unterrichtsfach darstellte, sich aber dennoch im Rahmen anderer Fachbereiche bereits im 16. Jahrhundert etabliert hatte und eine Fülle an patristischen Werken hervorbrachte. Die Kirchengeschichtsschreibung der Jesuiten hing eng mit der Rezeption spätantiker Kirchengeschichtswerke und deren Übersetzungen wie Editionen zusammen. Das gattungsbegründende Werk war die Kirchengeschichte des Euseb von Caesarea (gest. um 340), das die Zeit von den Anfängen der Kirche bis zum Jahr 324 beschreibt. Dieses Werk war von Rufin von Aquileia (um 345-411/12) am Ende des 4. Jahrhunderts ins Lateinische übersetzt und bis zur Zeit Rufins noch in zwei weiteren Büchern fortgesetzt worden. In der Mitte des 5. Jahrhunderts entstanden die Kirchengeschichtswerke des Sokrates Scholastikos (um 380-um 440), Sozomenos (gest. um 450) und Theodoret von Kyrrhos (393-um 460), die damit das Eusebische Werk fortsetzten. Außer Rufin von Aquileia schrieben alle diese Autoren griechisch. Umso 248

Zur Kommunikation im Jesuitenorden: FRIEDRICH (2011); FRIEDRICH (2012); FRIEDRICH (2016) 249 Juan de Mariana (1536 bis 1624) wurde in Talavera (Diözese Toledo) geboren. Er studierte an der Universität von Alcalá und trat 1554 in den Jesuitenorden ein. Seit 1561 lehrte er in Rom am Collegio Romano, zunächst 1561-1562 als Professor für Heilige Schrift, 1562-1565 auf dem zweiten Lehrstuhl der Scholastischen Theologie, 1562-1563 für den dritten Lehrstuhl der Scholastische Theologie. Zwischen 1567 und 1569 lehrte er in Loreto und Messina und ab 1569 am Collège de Clermont in Paris. 1574 zog er sich wieder nach Toledo zurück, wo er 1624 starb (GONZALEZ [2001] 2506f.; HERBERS [1993] Sp. 826-827; SOMMERVOGEL Bd. 5 [1960] Sp. 547-567; VILLOSLADA [1954] 323; 324). 250 O’MALLEY (1995) 271.

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wichtiger wurde in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts die lateinische Historia ecclesiastica tripartita (kurz Tripartita), in welcher Cassiodor (gest. um 580) die ins Lateinische übersetzten Werke der Kirchenhistoriker Sokrates Scholastikos, Sozomenos und Theodoret in Auszügen zusammenstellte. Auf Rufin und auf der Tripartita basierten großteils die kirchenhistorischen Kenntnisse des westlichen Mittelalters.251 Im 16. Jahrhundert brachte humanistisches Interesse neue Übersetzungen der genannten Texte hervor, die für die theologische Rezeption wichtig wurden, wobei die lateinische Ausgabe des Beatus Rhenanus (1485-1547) von 1523 den Auftakt machte. Ein Meilenstein der Editionsgeschichte stellte die Ausgabe griechischer Texte durch Robert Estienne von 1544 dar. Hier kam als ganz neuer Text auch die Vita Constantini des Euseb hinzu. Wolfgang Musculus (1497-1563) brachte 1549 in Basel eine lateinische Übersetzung der von Estienne gedruckten Texte heraus.252 Insgesamt entwickelte sich im Zuge der griechischen und lateinischen Ausgaben der humanistische Sinn für Quellenkritik, der ja auch im Hinblick auf die Vulgata eine Rolle spielte. Neben dem Humanismus hatte auch die Reformation Einfluss auf das jesuitische Interesse an der Kirchengeschichte. Der junge Luther hatte bereits früh das Werk Rufins und die Tripartita des Cassiodor kennengelernt. Er entwickelte nun auf dieser Grundlage eine doppelte Geschichtshermeneutik: Zum einen stellte die Kirchengeschichte eine ‚Verfallsgeschichte‘ vom idealen Anfang bis zur Gegenwart dar; zum anderen gab es daneben eine wahre und verborgene Kirche, die in ungebrochener Kontinuität fortbestand.253 Demgegenüber entwickelte sich auf katholischer Seite nach Trient eine Kirchengeschichtsschreibung, die zeigte, dass gerade kein Abfall von unverdorbenen Anfängen stattgefunden hatte. Zudem wurde die Rechtgläubigkeit der spätantiken Kirchengeschichtswerke auf den Prüfstand gestellt, wie die negative Wertung der Kirchengeschichte Eusebs in den Loci theologici des Melchor Cano zeigt.254 So entwickelte sich aus humanistischem Interesse einerseits und kontroverstheologischem Bestreben andererseits in beiden konfessionellen Lagern im 16. Jahrhundert eine rege Kirchengeschichtsschreibung. Zwei monumentale Werke sind dabei besonders einflussreich geworden: die sogenannten 251

WALLRAFF (1998) 223-225. Ebd., 225-233. 253 HEADLEY (1963) 156-161; HÖHNE (1963) 73-82. Dabei ist zu beachten, dass diese Kontinuität nicht historisch verifizierbar ist, sondern eher eine spiritualisierte Vorstellung. 254 Cano krisierte vor allem vier Punkte bei Euseb, die sich auch später bei Baronio wiederfinden: „1. Der bei Euseb berichtete Brief Jesu an den Fürsten Abgar ist Gelasius zufolge nicht echt. 2. Euseb lobt Origenes, der aber von der Kirche verurteilt ist. 3. Bei Euseb zeigt sich immer wieder eine arianische Tendenz. 4. Euseb berichtet falsch von der Taufe Konstantins (nicht durch Papst Silvester in Rom)“ (WALLRAFF [1998] 238f.). 252

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Magdeburger Zenturien auf protestantischer Seite255 und die Annales ecclesiastici des Oratorianers Cesare Baronio (1538-1607).256 Baronio wählte eine chronologische Gliederung und beschränkte sich auf die Angelegenheiten der Kirche. Er las seine spätantiken Quellen gründlich, wobei er sie aber auch argwöhnisch auf ihre Orthodoxie hin überprüfte. Allerdings führte zum Beispiel der Häresievorwurf gegen Euseb nicht zu dessen genereller Verwerfung. Hier zeigt sich eine kontroverstheologische Argumentationslinie, die durchaus mit Augenmaß vorging.257 Das zwölfbändige Werk des Baronio, das in Rom zwischen 1588 und 1593 erschien, war ein Grundlagenwerk für die Jesuiten, die in dem Oratorianer ihren Gewährsmann sahen. Aber damit wäre das kirchengeschichtliche Interesse der Jesuiten längst nicht befriedigt gewesen, wie an ihren eigenen Produktionen deutlich wird. Dominique Bertrand hat nicht weniger als 154 Jesuiten in Europa zwischen den Anfängen des Ordens bis etwa 1650 identifiziert, die patristische Werke schrieben.258 Dabei werden zahlreiche Übersetzungen und Editionsprojekte von Kirchenvätern sichtbar, die auch kirchengeschichtlichen Wert besitzen. Sieht man in die Biographien dieser Gelehrten, dann wird wiederum das Rotationsprinzip deutlich, denn sie alle unterrichteten mehrere Fächer. Die Beschäftigung mit den Kirchenvätern erfolgte dabei meist im Rahmen der Heiligen Schrift. Sehr häufig hatten diese Professoren auch eine Liebe zu Sprachen oder zur Philosophie. So floss ein historisches Interesse im weiteren klassischen Sinne259 als auch im engeren kirchenhistorischen Sinne in die theologische Beschäftigung mit ein und nahm bei einzelnen Vertretern bisweilen sogar den Rang eines Lebenswerkes ein.260 Manche von ihnen lehrten zeitweise auch am Collegio Romano.261 255

SCHEIBLE (1966). JEDIN (1978); Cesare Baronio, Annales ecclesiastici auctore Caesare Baronio Sorano, congregationis oratorii presbytero, 12 Bde., Rom 1588-1593. 257 WALLRAFF (1998) 249-254. 258 BERTRAND (1997). 259 Die klassischen Historiker Herodot und Thukydides waren zum Beispiel schon 1502 in Venedig von Aldo Manuzio in griechischer Ausgabe gedruckt worden (WALLRAFF [1998] 230). 260 Zum Beispiel Francisco Torres (1509-1584 in Rom). Er war Kontroverstheologe, setzte sich mit den Magdeburger Zenturien auseinander und war mit Baronio verbunden. Er gab zahlreiche Konzilsakten und Werke von Kirchenvätern heraus (BERTRAND [1997] 894f.). Ein umfangreiches patristisches Werk stammt auch von Andreas Schott (1552-1587). Er unterrichtete zeitweilig auch Rhetorik in Rom (ebd., 903). 261 Zu nennen sind hier zum Beispiel Alphonso Pisanus (1528-1598), der Philosophie in Rom unterrichtete und Akten zum Konzil von Nizäa herausgab, Jean-Baptiste Ellian oder Romanus (um 1530-1589), der Hebräisch und Arabisch in Rom lehrte. Er übersetzte acht canones des Konzils von Nizäa nach einem Arabischen Codex, den er aus Alexandria mitgebracht hatte, ins Lateinische. Ferner gehören dazu Roberto Bellarmino, der in Rom Kontroverstheologie lehrte und eine Arbeit gegen Flacius Illyricus verfasste und Girolamo Brunelli (1550-1613), der Griechisch und Hebräisch in Rom unterrichtete. Er publizierte u. a. Gedichte von Gregor 256

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Auch wenn also ein eigenes Fach Kirchengeschichte erst im 18. Jahrhundert etabliert wurde, spielte kirchenhistorisches Interesse im Sinn einer humanistisch und kontroverstheologisch ausgerichteten Beschäftigung mit Kirchenvätern oder spätantiken Konzilsakten bei den Jesuiten von Anfang an eine große Rolle. So zeigt sich nicht zuletzt an diesem Beispiel, wie die Gegenstandsbereiche, die sich später zu eigenen Disziplinen ausdifferenzierten, innerhalb des barocken Fächerkanons dennoch präsent waren. Dass die Gelehrten zwischen den Fachbereichen wechselten, basierte auf einem ganzheitlichen Verständnis der Theologie. „Gott in allen Dingen finden“, das galt auch hier. Dennoch setzten einzelne Professoren auch ihre inhaltlichen Schwerpunkte.

3. Theologie und Interessenspolitik Für eine theologiegeschichtliche Untersuchung der Sklaverei wurde hier der Jesuitenorden ausgewählt. Dabei soll jedoch nicht behauptet werden, hier sei ‚die‘ katholische Position nach Trient zu diesem Thema zu finden. Zur besseren theologiegeschichtlichen Einordnung ist es notwendig, sich vor Augen zu führen, dass es keinen tridentinischen Einheitskatholizismus gab. Was die theologischen Schulen und Richtungen vor allem einte, war die Frontstellung gegenüber dem Protestantismus. Aber dieser Abwehrkampf vereinigte die unterschiedlichen Strömungen nicht so weit, dass man sich nicht bisweilen gegenseitig in das Licht protestantischer Häresie gerückt hätte. Ein paar innerkatholische Konfliktlinien sollen im Folgenden anhand des Gnadenstreits vorgestellt werden. Dabei handelte es sich um die wohl größte dogmatische Kontroverse innerhalb der katholischen Theologie, in die vor allem – wenn freilich nicht ausschließlich – die Orden der Dominikaner, Jesuiten und Augustinereremiten verstrickt waren. Auch der Gnadenstreit ging (wie die Diskussion um die Vulgata) einerseits aus der Rezeptionsgeschichte des Konzils von Trient hervor, das sich bei der Vorbereitung der Dekrete über die Erbsünde und über die Rechtfertigung mit dem Verhältnis von Gnade und Freiheit befasst hatte.262 von Nazianz und Cyrill von Alexandrien. Erwähnt sei schließlich Mutio de Angelis (15611597), der Philosophie am Collegio Romano lehrte und Kommentare zu Aristoteles, Thomas, den Evangelien und einzelnen Konzilien hinterließ (zu ihnen und ihren Werken: BERTRAND [1997] 896f.; 899; 900; 911; 912). 262 Das theologische Herzstück der Reformation war die Frage nach der Rechtfertigung des sündigen Menschen und nach der Möglichkeit und den Wegen seiner Annahme zum Heil. Der Anthropologie und Sündenlehre Luthers, „hat das Konzil von Trient eine gleichsam konservativ-apologetische Antwort erteilt, die das Anliegen Luthers nicht im Kern traf“ (HOLZEM Bd. 1 [2015] 167).

3. Theologie und Interessenspolitik

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Andererseits war das Thema selbst älter und beschäftigte schon die Kirchenväter, vor allem Augustinus im Streit gegen die Pelagianer. Die dominierende spätmittelalterliche theologische Schule war die Via moderna in der Tradition des Wilhelm von Ockham (um 1286-1349). Sie hatte im Sentenzen-Kommentar von Gabriel Biel (ca. 1413/14-1495), dem sogenannten Collectorium, ihr einflussreichstes und maßgebliches Schulbuch gefunden. In diesem Schulbuch wurde nun explizit die These vertreten, dass der Mensch aus seiner reinen Natur heraus (ex puris naturalibus) einen Akt der Gottesliebe erreichen könne, und dieser mögliche wie gebotene Akt der Gottesliebe sei die Bedingung dafür, dass Gott dem Menschen entgegenkomme und ihm mit seiner Gnade die Kraft gebe, diese Gottesliebe fortzusetzen und durchzuhalten. Der Akt der Gottesliebe, der durch die Kräfte der menschlichen Natur möglich ist, wurde zudem als ‚Verdienst‘ gewertet, und zwar als ‚Angemessenheitsverdienst‘, denn es sei angemessen, dass Gott den belohne, der das tue, was in seinen Kräften steht.263 Diese Meinung wies nicht nur Martin Luther zurück, sondern auch das Konzil von Trient, hier Luther weit näher als es selbst glaubte.264 „In aller Klarheit distanziert sich das Rechtfertigungsdekret von pelagianischen Selbsterlösungslehren, die vom Menschen erwarten, sich nach der ersten Gnade der Taufe in mühevoller Askese und demütiger Caritas die Liebe Gottes entsagungsvoll zu erarbeiten.“265 Das Konzil hielt jedoch auch gegen Luther an der Willensfreiheit des Menschen fest. In dieser gegenreformatorischen Stoßrichtung betonte es die Freiheit, gab aber keine nähere Verhältnisbestimmung von Freiheit und Gnade an.266 Gerade diese Offenheit ließ mehrere Interpretationen zu und führte somit in den Gnadenstreit.267

263

PESCH (2014) 17. Auf dem Konzil von Trient sah eine Gruppe von Augustinern, an deren Spitze Kardinal Girolamo Seripando stand, die Chance gekommen, „mit Hilfe der Theologie Augustins die ihnen verwerflich erscheinende Theologie der Via moderna auszuschalten.“ So erklärte das Konzil in Zurückweisung der Via moderna Folgendes: „Wer sagt, der Mensch könne durch seine Werke, die durch die Kräfte der menschlichen Natur oder vermittels der Lehre des Gesetzes getan werden, ohne die göttliche Gnade durch Christus Jesus vor Gott gerechtfertigt werden: der sei mit dem Anathem belegt“ (ebd., 33). 265 HOLZEM Bd. 1 (2015) 171. 266 Holzem sieht den gegenreformatorischen Charakter des „Dekrets über die Rechtfertigung“ in seiner Grundstruktur einer cooperatio zum Heil, also im Zusammenwirken von Gnade und Freiheit. „Gleichzeitig aber trägt es im Blick auf die Allein-Ursächlichkeit der Gnade und der Rechtfertigung in der Barmherzigkeit Gottes um Christi willen viele Ansatzpunkte der ökumenischen Verständigung in sich“ (ebd., 173). 267 RUHSTORFER (2014) 64. 264

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3.1 Der Gnadenstreit Durch die Nähe Martin Luthers zum Kirchenvater Augustinus wurde es für die katholischen Theologen zunehmend schwierig, sich selbst auf Augustinus zu berufen. Wohl auch deshalb stieg Thomas von Aquin nun zum wichtigsten Kirchenvater auf. So setzte der Thomist Domingo de Soto OP (1495-1560) in der Folgezeit eine thomistische Interpretation des Konzils durch.268 Thomas von Aquin hatte ein gewisses Mitwirken der Freiheit bei der Rechtfertigung des Menschen postuliert. Doch die Gnadenlehre des Thomas erfuhr nun unterschiedliche Deutungen, um die der Gnadenstreit geführt wurde. In die Auseinandersetzung verstrickt waren vor allem Jesuitenund Dominikanertheologen. Sie nahm 1582 in Salamanca ihren Anfang, wobei sich zunächst die Positionen herausbildeten. Der Jesuit Luis de Molina (1535-1600) veröffentliche 1589 sein Werk der „Übereinstimmung (Concordia) des freien Willens mit den Gaben der Gnade, des göttlichen Vorherwissens, der Vorsehung, der Vorherbestimmung und der Verwerfung“. Darin griff er die Position des Dominikaners Domingo Báñez269 (1528-1604) an. Beide sparten nicht mit Polemik und gegenseitiger Verketzerung. So kam die Sache noch im Jahr der Veröffentlichung vor die portugiesische und danach vor die spanische Inquisition. Dies kann man als erste Phase der Kontroverse (1594-1598) bezeichnen. Schließlich zog Papst Clemens VIII. den Streit an sich, so dass in einer zweiten Phase (1599-1605) in Rom über die Rechtgläubigkeit der Concordia Molinas diskutiert wurde. Dieses Thema wurde in Rom aber nicht in der Inquisitionskongregation behandelt. Der Papst setzte hierfür vielmehr eine eigene Kongregation (Partikularkongregation) ein, die sich Congregatio de auxiliis nannte. Darin hielten die Ordensgeneräle der Dominikaner und Jesuiten, unterstützt von ihren Theologen, Disputationen. Die Kommission kam mehrheitlich zu dem Ergebnis, Molinas Thesen zu verurteilen. Doch der Papst wollte unter dem Einfluss der Jesuiten diesem Vorschlag nicht folgen. Er weigerte sich, eine Entscheidung zu fällen. Mit dem Tod Clemens’ VIII. 1605 musste die Tätigkeit dieser Kongregation unterbrochen werden. Unter seinem Nachfolger Paul V. wurde sie wie268

Vgl. BECKER (1967); PESCH/ PETERS (1981) 169-221. Domingo Báñez wurde am 29. Februar 1528 in Medina del Campo geboren und begann mit 15 Jahren das Studium der Philosophie an der Universität von Salamanca, bis er 1546 in den Dominikanerorden eintrat. Von 1561-1566 wirkte Báñez als Professor am Dominikanerkolleg in Ávila, wo er zudem der Beichtvater der Hl. Theresia von Avila wurde. Von 1567 bis 1573 unterrichtete er an der Universität in Alcalá. Bekannt wurde Báñez durch seine Gnadenlehre, die der des Luis de Molina entgegentrat. Báñez gilt als einer der bedeutendsten thomistischen Neuscholastiker des 16. Jahrhunderts. Er starb am 22. Oktober 1604 in seinem Geburtsort (BAUTZ [1990] Sp. 377). 269

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der aufgenommen. Unter ihm begann die dritte Phase der Kontroverse (1605-1606). Dabei setzte der Papst den Prozess über die Rechtgläubigkeit der Concordia Molinas aus und förderte vielmehr die Fortsetzung der Kontroverse über die Gnade, wobei die Positionen der Jesuiten und Dominikaner gründlich analysiert wurden. Dabei stellten sich die Vertreter der Jesuiten hinter die Lehre des Francisco Suárez, einer Alternative zu ihrem Ordensbruder Molina in bleibender Abgrenzung zum Dominikaner Báñez. Die Mehrheit der Kongregation war zwar am Ende dafür, 42 Sätze Molinas zu verurteilen, aber auch der neue Papst wollte keine Verurteilung vornehmen. Er löste stattdessen 1607 die Kongregation De auxiliis auf und verbot die gegenseitige Zensurierung der Parteien. In der Folgezeit bildeten sich dann zwei unterschiedliche Gnadensysteme heraus, auf die sich die verschiedenen Orden verpflichteten.270 Um welches theologische Problem ging es hier? Da der Gnadenstreit auch einen Streit um die Thomasauslegung darstellte, soll zunächst dessen Position zur Gnade kurz erläutert werden. Thomas entwickelte einen Kerngedanken des Kirchenvaters Augustinus weiter, wonach zuerst die Gnade komme und danach die guten Werke.271 Nach Thomas ist die Gnade zur Erlangung des Heils absolut notwendig. Sie allein ist die Ursache der Rechtfertigung.272 Welche Bedeutung hat dann noch der menschliche Wille? Der Mensch muss sich auf den Empfang der rechtfertigenden Gnade Gottes vorbereiten. Doch damit er diese Vorbereitung auch leisten kann, braucht er bereits die Gnade Gottes, die ihn dazu in seinem Wollen und Tun anregt. Es gibt also zwei Arten von Gnade: Die eine geht dem Wollen des Menschen zur Gottesliebe voraus, die andere rechtfertigt ihn (Rechtfertigungsgnade). Gott hat zwar die Freiheit, einem Menschen, der das Seinige tut, seine Rechtfertigungsgnade zu verweigern. Er wird dies aber nicht tun, weil die Rechtfertigung bereits in der Absicht Gottes lag. Wie steht es nun mit der menschlichen Freiheit, nachdem der Mensch die Rechtfertigungsgnade erlangt hat? Er kann mit ihr weiter an seinem Heil mitwirken, indem er für seine Taten verantwortlich ist. Seine guten Taten oder Tugenden werden ihm von Gott angerechnet, weil dies angemessen ist. Das bedeutet aber nicht, dass sich der Mensch seiner guten Taten aus sich selbst heraus rühmen kann. Denn dass er diese guten Werke tun kann, beruht auch wieder auf der Gnade des Heiligen Geistes. Insofern ist jedes gute Werk auch erstursächlich ein Werk Gottes. Wenn der menschliche Wille also auf etwas Gutes ausgerichtet ist, dann wird er von einem göttlichen Wil270

RUHSTORFER (2014) 57f. „Prima est igitur gratia, secunda opera bona“ (Augustinus, Ad Simplicianum libri duo, 1,2,3). 272 Vgl. STh I-II, 109. 271

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len bewegt. Der göttliche Wille ist die Erstursache, der gute menschliche Wille die Zweitursache. Die menschliche Freiheit ist aber nicht aufgehoben, weil sich der Mensch auch dem Willen Gottes verweigern kann. Hier gibt es also auf der Ebene der Zweitursachen eine Freiheit. Gott will offenbar nicht, dass der Mensch sklavisch das tut, was ER will, sondern freiwillig. Da diese Freiheit aber immer Zweitursache ist, kann sie keine absolute Freiheit sein. Sie besteht nur, weil Gott sie gewährt und bleibt von seiner Gnade als Erstursache abhängig.273 Die beiden Kontrahenten Molina und Báñez entwickelten nun ihre Gnadentheologie im Anschluss an Thomas. Zwei Fragen standen hierbei im Mittelpunkt: 1) Wie verhält sich die für das Heil zureichende Gnade (gratia sufficiens) zur wirksamen Rechtfertigungsgnade (gratia efficax)? 2) Ist es dem Menschen möglich, das von Gott beabsichtigte Heil zu verweigern? Nach Báñez hat nun der Mensch das Vermögen, dem göttlichen Willen zum Heil zu widersprechen, so dass aus der gratia sufficiens nicht unbedingt die gratia efficax folgt. Dies klingt zunächst noch klassisch thomasisch im Sinne von Erst- und Zweitursache. Nach Ruhstorfer wird hier das mittelalterliche harmonische Zusammenspiel von Gnade und Freiheit auf der Ebene der Zweitursache allerdings etwas verschoben, indem Báñez das neue Motiv der ‚natürlichen Vorherbewegung‘ (praemotio physica) in die Diskussion einführt. Was bedeutet das? Die göttliche Rechtfertigungsgnade bewegt den menschlichen Willen durch die ‚natürliche Vorherbewegung‘ zur Zustimmung. Der freie Wille des Menschen gerät damit ins Hintertreffen. Vor diesem Hintergrund kann eine wirkliche Verweigerung gegenüber der Gnade Gottes gar nicht mehr gedacht werden. Obwohl der Mensch eigentlich das Vermögen zur Verweigerung hat, wird er ‚natürlich vorherbewegt‘, den Akt der Zustimmung zu vollziehen. Damit ist der Wille also unfrei. Das läuft letztlich auf einen Determinismus hinaus, den Báñez folgendermaßen auf den Punkt brachte: „So bestimmt [determinat] er [Gott] alles und wird von niemanden bestimmt.“274 Bei Báñez werden also Gnade und Freiheit auf einer Ebene275 miteinander in Beziehung gesetzt und der Gnade hierbei der Vorrang auf Kosten der Freiheit eingeräumt.276 Diesen Determinismus kritisierte Molina, der hier eine Nähe zur Rechtfertigungslehre Luthers sah. Für den Jesuiten wirkten beim Übergang von

273

RUHSTORFER (2014); ausführlich zur Gnadenlehre bei Thomas von Aquin vgl. PESCH/ PETERS (1981) 64-107. 274 Domingo Báñez, Scholastica commentaria in primam partem Thomae, 2 Bde., Douai 1614, zitiert nach RUHSTORFER (2014) 66. 275 Durch die Unterscheidung von Erst- und Zweitursache hatte Thomas auf zwei Ebenen argumentiert. 276 RUHSTORFER (2014) 66.

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gratia sufficiens zu gratia efficax zwei Kräfte gleichermaßen: Zum einen der freie Wille des Menschen, der seine Zustimmung gibt, und zum anderen die Gnade Gottes, welche die Umstände seiner Realisierung begünstigt. Dieses Zusammenspiel ist aber trotz der gnadenhaften Begünstigung noch so offen, dass der Mensch auch noch das Angebot der Gnade ablehnen kann. Auch das ist eine Lesart der Lehre des Thomas von Aquin. Der Unterschied zu Thomas besteht allerdings nach Ruhstorfer darin, dass Molina Freiheit nicht mehr rein zweitursächlich denkt. Er setzt ein absolutes Freiheitsverständnis voraus, das neben der Gnade ebenfalls Erstursache ist. Gnade und Freiheit laufen als zwei Erstursachen beim Heilsgeschehen bereits nebeneinander her (concursus simultaneus). Der Mensch wurde von Gott frei erschaffen und diese menschliche Freiheit ging auch durch die Sünde Adams nicht verloren. Erst die freie Zustimmung des Willens bewirkt, dass aus der „zureichenden Gnade“ eine rechtfertigende „wirksame Gnade“ wird. Damit wird der freie Wille wieder enorm aufgewertet. Gott bindet sich gewissermaßen an diesen freien Willen, indem er demjenigen unverzüglich zur Hilfe kommt, der das Seine tut.277 Im Verlauf der Kontroverse in Rom wurde schließlich für die Jesuitenpartei die Position des Francisco Suárez immer wichtiger, der von 1580 bis 1585 auch Professor am Collegio Romano war. 1594 verfasste er im Auftrag von Papst Clemens VIII. ein Dossier, um die Lehren beider Parteien darzustellen. Dieses Dossier wurde später (1599) im 3. Band der Varia Opuscula Theologica veröffentlicht.278 Zudem befasste er sich im 2. Band des Traktats De gratia mit der wirksamen Gnade. Dieser Band wurde allerdings erst posthum 1651 in Lyon veröffentlicht.279 Schließlich stammt ein Traktat mit dem Titel De vera intelligentia aus seiner Feder, in dem seine endgültige Position zum Gnadenstreit enthalten ist. Auch dieser Traktat erschien erst posthum 1655 in Lyon. Suárez hatte sich bereits in der ersten Phase der Kontroverse in Spanien eingemischt und die Lehre des Báñez von der praedeterminatio physica abgelehnt.280 Für ihn war ein ‚physisch-kausales‘ Verhältnis zwischen Gnade und Freiheit unmöglich. Stattdessen sprach er in seiner vierbändigen Schrift De auxiliis, die 1599 in seinen Varia Opuscula Theologica veröffentlicht wurde, von einem moralischen Einfluss. Diese Schrift, zusammen mit sei277

Ebd., 67f. Francisco Suárez, Doctoris Francisci Suarez Granatensis de Societate Iesu, in celebri Conimbricensi Academia Theologicae facultatis primarii professoris varia opuscula theologica, Madrid 1599. 279 Der 1. und der 3. Band von De gratia erschienen 1619 in Coimbra. Der 2. Band (der wirksamen Gnade gewidmet: De gratia actuali oder De auxiliis) erschien erst 1651 in Lyon (vgl. D’ANIELLO [2014] 73). 280 Ebd. 278

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nem Dossier über die Lehren der beiden Parteien, beeinflusste die Diskussion in der zweiten und dritten Phase in Rom. Beides lag vor, bevor die römische Partikularkommission 1599 ihre Arbeit aufnahm. Die Jesuiten in Rom waren durch die Vorwürfe gegen Molina in einer gewissen Bedrängnis. Anstatt sich ganz hinter ihn zu stellen, nahmen sie nun die Position des Suárez (Suárezismus) als verbindliche jesuitische Grundlage an. Diese wurde freilich in ihren Unterschieden zu den Anschauungen des Báñez (Báñezianismus) scharf konturiert. Was war das Besondere dieser Lehre des Suárez im Gnadenstreit? Er versuchte über sein Modell des Kongruismus die Lehre Molinas von einer scientia media zu retten. Was hatte es damit auf sich? Um das Verhältnis zwischen dem Ratschluss Gottes und der Verwirklichung der Gnade weiter zu klären, hatte Molina die Lehre vom ‚mittleren Wissen‘ (scientia media) entworfen. Gott besitzt demnach drei Arten des Vorherwissens: 1. Gott weiß um die Zukunft, die er vorherbestimmt. 2. Gott sieht voraus, ob ein Mensch der angebotenen Gnade zustimmen wird oder nicht (scientia media). 3. Gott weiß um die rein möglichen Eventualitäten der Zukunft. Dieses zweite bzw. mittlere Wissen entscheidet darüber, wem Gott seine heilswirksame Gnade geben wird. Der freie Wille selbst wird dabei nicht beeinflusst.281 Während seiner Lehrtätigkeit in Rom in der ersten Hälfte der 1580er Jahre hatte Suárez diese Lehre von der scientia media zunächst abgelehnt. Er sah darin einen Determinismus und eine Abwertung der menschlichen Freiheit, obwohl Molina ja gerade das Gegenteil wollte. In der zweiten Hälfte der 1580er Jahre nahm er sich dann der scientia media doch an, deutete sie aber gründlich um, indem er die von Molina behauptete umfassende Erkenntnis Gottes als unmöglich ablehnte. Das Wissen Gottes um die Zustimmung oder Ablehnung seiner Gnade sei ein hypothetisches Wissen. Dieses erweist sich nach Suárez dann entweder als wahr oder falsch. Anders wäre dieses göttliche Vorherwissen nicht mit der Kontingenz und der Freiheit des menschlichen Willens vereinbar. Gott kann also nicht sicher vorhersagen, wer seiner Gnade zustimmen wird und wer nicht, sondern nur, wer ihr wahrscheinlich zustimmen wird. Die Vorsehung Gottes (scientia media) ist ein Wissen Gottes um das Kontingente in der Zukunft. Sie liegt in seinem Wesen. Wenn man die scientia media in dem umfassenden Sinne wie Molina auffassen würde, dann löst sich die Kontingenz auf in einen Determinismus der Umstände. Dagegen wehrte sich Suárez. Um das Verhältnis zwischen der zureichenden Gnade (gratia sufficiens) zur Rechtfertigungsgnade (gratia efficax) näher zu bestimmen, entwickelte er nun anhand einer Auslegung von Röm 9,10-13 seine Lehre vom Kongruismus. 281

RUHSTORFER (2014) 67.

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In jener Bibelstelle erklärte Paulus den Römern: „10 So war es aber nicht nur bei ihr [Sara], sondern auch bei Rebekka: Sie hatte von einem einzigen Mann empfangen, von unserem Vater Isaak, 11 und ihre Kinder waren noch nicht geboren und hatten weder Gutes noch Böses getan; damit aber Gottes freie Wahl und Vorherbestimmung gültig bleibe,12 nicht abhängig von Werken, sondern von ihm, der beruft, wurde ihr gesagt: ‚Der Ältere muss dem Jüngeren dienen‘; 13 denn es steht in der Schrift: ‚Jakob habe ich geliebt, Esau aber gehasst‘.“282

Diese Bibelstelle war eine Schlüsselstelle für die Gnadenvorstellung des Kirchenvaters Augustinus gewesen. Auch deswegen bezog sich Suárez darauf. Indem er sich auf Augustinus berief, zog er aus der Bibelstelle folgende Schlüsse: Die Werke sind eine Konsequenz für denjenigen, der die Gnade erhalten hat. In diesem Fall ist das Jakob, der hier als erwählt erscheint, noch bevor er irgendetwas getan hat. Die Gnade der Erwählung ist also keine Folge der Werke, sondern die Werke sind eine Folge der Gnade, und sie werden durch die Gnade hervorgebracht. Den Vorzug, den Jakob vor Esau genießt, hängt also nicht an dessen Verdiensten, sondern allein an der Gnade Gottes. Nach welchen Kriterien erwählte Gott dann Jakob und nicht Esau? Das nämlich erscheint ungerecht, da hier offenbar keine Chancengleichheit gegeben ist. Hängt dies vielleicht mit dem Vorherwissen Gottes zusammen, der dann eben doch um die Verdienste der beiden in der Zukunft weiß? Dies wäre dann die scientia media im Sinne Molinas, die hier am Werk wäre. Das bestreitet Suárez. Gott erwählt nicht aufgrund seines Vorherwissens vom künftigen Verhalten des Menschen. Die Erwählung liegt vielmehr in einem ewigen Plan Gottes vor der Erschaffung der Welt begründet. Jakob wurde nicht aufgrund seiner guten Werke (Verdienste) von Gott geliebt, genauso wie Esau nicht aufgrund seiner schlechten Werke gehasst wurde. So liegt neben der Erwählung aus reiner Barmherzigkeit auch die Verwerfung im göttlichen Plan begründet. Hier stellt sich freilich die Frage, warum Esau diese Barmherzigkeit entzogen wurde? Das Problem der Ungerechtigkeit war damit ja noch nicht gelöst. Deshalb führt Suárez den schwachen bzw. bösen Willen des Esau als Grund und damit die Willensthematik ein, wobei nun wieder das Verhältnis von göttlicher Gnade und menschlichem Willen in den Blick rückt. Gott hat in seinem Vorherwissen die congruitas oder Möglichkeit bei Jakob und Esau zur Zustimmung beobachtet. Dabei sieht er die menschlichen Affekte, welche die Möglichkeit einer angemessenen Antwort auf Gottes Barmherzigkeit bzw. einer hartnäckigen Ablehnung in sich tragen. Gott hasste Esau, weil er in diesem die Disposition zur hartnäckigen Ablehnung erkannte. In diesem Sinne liebte er umgekehrt Jakob. Das göttliche Eingreifen durch seine Gnade stimmt dann mit dem individuellen Temperament bzw. der Disposition des Menschen überein. Zwischen der 282

Röm 9,10-13 nach EÜ.

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göttlichen Gnade im Sinne einer Erwählung und dem freien Willen des Menschen besteht so eine Kongruenz (Übereinstimmung). Diese Lehre nennt man entsprechend Kongruismus.283 Die ganze Debatte um den Gnadenstreit hat sowohl theologische als auch interessenspolitische Dimensionen. So hat die Auf- oder Abwertung des freien Willens Konsequenzen für das Menschenbild mit Auswirkungen auf rechtliche und moralische Zusammenhänge, eventuell auch im Zusammenhang mit der Sklaverei. Auf einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen Gnadenstreit und Sklaverei wird deshalb im Laufe dieses Buches immer wieder zu achten sein. Unübersehbar sind ebenso die interessenspolitischen Verortungen theologischer Entwürfe. Hier ging es nicht zuletzt um eine Deutungshoheit über Thomas, der nach dem Konzil von Trient zum grundlegenden Autor der scholastischen Theologie wurde. Zwischen den Dominikanern und den Jesuiten war zudem eine Konkurrenzsituation entstanden, indem der junge Orden der Gesellschaft Jesu sich rasend schnell im Bildungsbereich in Europa ausbreitete und am Ende des 16. Jahrhunderts begann, auch in den römischen Kongregationen der Inquisition und des Index eine wachsende Rolle zu spielen. Dass eine Verurteilung Molinas beim Papst verhindert werden konnte, zeigt bereits den großen Einfluss der Jesuiten. Auch die Autorität des Augustinus als Kirchenvater war von Suárez beim Gnadenstreit eingesetzt worden. Damit verbindet er sich mit den Kämpfen um die Deutungshoheit über Augustinus. Auf diese Seite des Gnadenstreits soll im Folgenden näher eingegangen werden. 3.2 Jesuiten gegen „Jansenisten“284 Die Päpste hatten den Gnadenstreit nicht entschieden. Stattdessen forderten sie beide Parteien auf, sich nicht mehr gegenseitig anzuklagen. Während die Debatte informell weiterging, erließen die Päpste 1611 und dann nochmals 1625 Dekrete, die jedwede Diskussion über diese Problematik untersagten. Doch hielten sich die Parteien nicht daran, wie noch zu sehen sein wird. Noch bevor in Spanien der Gnadenstreit ausgebrochen war, zeigte sich für die Jesuiten ein anderer Konfliktherd in Löwen. Bereits um 1585 hatten Die Darstellung der Gnadenlehre bei Suárez folgt hier D’ANIELLO (2014). Die meisten neueren Historiker gehen davon aus, dass alle Versuche, den Jansenismus als einheitliche Lehre zu beschreiben, zum Scheitern verurteilt sind. Manche französische Schriftsteller wie Françoise HILDESHEIMER (1992) sprechen von Jansenismen im Plural. Es handelte sich vielmehr um bestimmte Netzwerke, die einem Wandel unterworfen waren. Ihre größte Gemeinsamkeit lag in ihrem Feindbild, dem Antijansenismus, zu dem vor allem die Jesuiten gehörten. Deswegen steht der Begriff hier in Anführungszeichen. 283 284

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die Querelen mit der dortigen Universität begonnen, da die Jesuiten sich in Löwen bemühten, „einen öffentlichen Unterricht in der Philosophie und Theologie zu organisieren und die akademischen Grade zu verleihen, während sich die Universität auf ihr Monopol für das höhere Unterrichtswesen in den Spanischen Niederlanden berief.“285 Beide Seiten mobilisierten ihre Sympathisanten am Brüsseler Hof, in Rom und in Madrid. Schließlich reiste der Theologieprofessor Cornelius Jansenius (1585-1638) in den Jahren 1624 und 1626 als Vertreter der Universität Löwen nach Madrid. Dort knüpfte er nicht nur gute Kontakte zum Spanischen Hof, sondern auch zu den Universitäten von Salamanca, Alcalá und Valladolid. „Dies geschah in der Absicht, eine internationale Zusammenarbeit gegen das Unternehmen der Jesuiten zustande zu bringen, die mehr und mehr den Universitätsunterricht in Philosophie und Theologie dominierten, vor allem in den katholischen Teilen des Reiches.“286 Der Säkularkanoniker Jansenius war also für die Jesuiten bereits ein Erzfeind, noch bevor er sein Werk Augustinus geschrieben hatte, das nach seinem Tod die Gemüter erhitzen sollte. Im Machtkampf um die Universitätsrechte in Löwen wurden auch theologische Argumente eingesetzt. So versuchte jede Seite die andere durch den Vorwurf der Heterodoxie zu schwächen. Den Auftakt machte die Löwener Verurteilung der Lehre des Jesuiten Leonhard Lessius (1554-1623) im Jahr 1587. Dieser vertrat in der Debatte um die Gnade – der Gnadenstreit war in Spanien noch gar nicht richtig ausgebrochen – molinistische Thesen.287 Damit hatte sich die Universität Löwen in der folgenden Debatte bereits positioniert. Der damalige Universitätsrektor Michael Bajus (1513-1589) war an der Verurteilung von 34 Sätzen des Lessius als pelagianisch beteiligt. Bajus, der mit seiner Auslegung der augustinischen Gnadenlehre bereits in den 1560er Jahren den Argwohn von Pius V. erregt hatte, wurde 1587/88 von der Universität Löwen in Schutz genommen, die seine augustinische Lehre nochmals explizit erläuterte und als rechtgläubig bestätigte. So war das Thema Gnade und Freiheit bereits früh zum Argument für die Verteidigung universitärer Rechte und Privilegien geworden. Richtig in Schwung kam die Sache mit der posthumen Veröffentlichung des Buches Augustinus von Cornelius Jansenius 1640.288 Am 21. März 1641 285

ROEGIERS (2014) 391. Ebd., 392. 287 Zu ihm: SOMMERVOGEL Bd. 4 (1893) 1726-1751. 288 Jansenius war am 6. Mai 1638 an der Pest gestorben. Kurz vor seinem Tod bat er zwei Freunde aus Löwen, seinen Augustinus zu veröffentlichen, an dem er seit 1627 gearbeitet hatte. Das Werk umfasste drei Bände und wurde 1640 von Zegers gedruckt. Zusammen mit den Approbationen von fünf Doktoren der Sorbonne wurde das Werk Anfang 1641 in Paris nochmals gedruckt. 1643 wurde es in Rouen gedruckt, 1647 erschien eine Teiledition in Belgien. 1652 gab es noch eine zweite Auflage in Rouen (vgl. THANNER [2014] 281, Anm. 2). 286

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veröffentlichten die Jesuiten aus Löwen scharfe Thesen gegen Jansenius. Diese Thesen versandten sie an ihre Mitbrüder in den beiden belgischen Ordensprovinzen sowie in Köln, Paderborn, Wien, Graz, Paris, Madrid und Rom.289 Einen Tag später fand eine Disputation zwischen Johannes Groll, der die These des Jansenius verteidigte und dem Jesuiten Jean de Jonghe (1595-1669), der Professor am Jesuitenkolleg in Löwen war, statt. Als dann die Jesuiten ihre anklagenden Thesen gegen den Augustinus auch noch veröffentlichten, verstießen sie vollends gegen die Bestimmungen von Urban VIII. vom 25. Mai 1625, in dieser Angelegenheit keine Polemik mehr walten zu lassen. Nun schalteten sich die Augustinereremiten in die Debatte ein, indem sie am 29. August 1641 unter dem Vorsitz des Theologen Christian Lupus OESA (1612-1681) eine Thesenverteidigung gegen die Jesuiten unternahmen. Die Jesuiten sorgten wiederum dafür, dass die Thesen der Augustinereremiten über ihren Ordensbruder Franz van der Vecken SJ (1596-1664) dem Nuntius Fabio Chigi (dem späteren Papst Alexander VII.) in die Hände kamen, der Lupus nicht mochte und diesem einen Tadel aussprach.290 Im selben Jahr kam nach Lucien Ceyssens OFM auch erstmals das Adjektiv „iansenianus “ (jansenisch, jansenistisch) als häretische Qualifizierung auf und zwar in einem Brief des Löwener Jesuiten Johannes Bollandus (Jean Bolland SJ, 1596-1665) an Christoph Vidmann in Rom. Nach Bollandus verführe die jansenistische Lehre das rechtgläubige Volk zum Calvinismus.291 Die Löwener Auseinandersetzung um den Augustinus und die darin vertretene Gnadenlehre, in die mittlerweile vor allem Jesuiten und Augustinereremiten verstrickt waren, kam nach Rom. Dort wurde 1651 einmal mehr eine Partikularkongregation erst aus vier, dann fünf Kardinälen gebildet, die als Nachfolgerin jener Congregatio de auxiliis bezeichnet werden kann.292 Die dreizehn Konsultoren dieser Parikularkongregation „entstammten zwar verschiedenen Orden, die in Sachen Gnadenstreit auch durchaus unterschiedliche Positionen vertraten, doch ist nach Maßgabe der während der intensiven Kommissionsarbeit vertretenen Positionen mit 289

ALBERT (2014) 198. WERNICKE (2014) 150f. Zum weiteren Lebenslauf des Lupus ebd. 153f. Der Nuntius Fabio Chigi arbeitete eng mit Pater Franz van der Vecken SJ (1596-1664) zusammen. Dieser zählte zu Chigis engsten Vertrauten. Dieser Jesuit stammte aus Flandern und lebte in Köln. Van der Vecken sah weder die kontroverstheologischen Möglichkeiten, die der augustinischen Gnadentheologie innewohnten, noch glaubte er an die Aufrichtigkeit, mit der sich viele Jansenisten zu Rom bekannten. Chigi verfügte aber über genügend Unabhängigkeit, um seinen Beratern nicht in allen Vorschlägen zu folgen. Auch wenn seine akademische Ausbildung unzulänglich war, besaß er doch Interesse an theologischen Fragen und hatte sich als Student intensiv mit dem Werk des Francisco Suárez auseinander gesetzt. 1649 scheiterte allerdings sein Versuch, eine Vermittlungsschrift verfassen zu lassen (ALBERT [2014] 239). 291 THANNER (2014) 283. 292 BURKARD (2014) 243; REINHARDT (2014) 444. 290

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Sicherheit davon auszugehen, dass von vorneherein für eine antijansenistische Mehrheit gesorgt war.“293 Was hier auf dem verminten Gelände des Gnadenstreits zur Disposition stand, war nicht weniger als die Autorität des Kirchenvaters Augustinus und dessen richtige Auslegung. So hatte Jean Adam SJ (1605-1684), der in Paris lehrte, in seinem neuesten Buch mit dem Titel Calvin défait par soy-mesme et par les armes de S. Augustin (Calvin, durch ihn selbst und die Waffen des Hl. Augustinus besiegt), das 1650 in Paris mit Erlaubnis seines Provinzials und mit der Approbation der Theologen der Gesellschaft Jesu erschien, die Lehre des Kirchenvaters Augustinus angegriffen.294 In dasselbe Horn stieß nun auch sein Pariser Kollege Denis Petau SJ (1583-1652), der damit die Fronten wechselte. Hatte er früher die Lehre des Kirchenvaters Augustinus verteidigt, lehrte er nun, Augustinus habe geirrt. Seine Gnadenlehre sei durch das Konzil von Trient korrigiert und katholisch gemacht worden.295 Die Partikularkongregation in Rom kam schließlich zu dem Ergebnis, fünf Lehrsätze aus dem Augustinus des Jansenius zu verurteilen. Die Verurteilung vollzog Papst Innozenz X. 1653 mit der Bulle Cum occasione.296 Doch das war nur ein vorläufiger Teilsieg für die Jesuiten. Der Jansenismusstreit wurde noch auf zwei weiteren Feldern ausgetragen, auf dem Feld der Moraltheologie und der Politik. Bereits Cornelius Jansenius hatte sich in die Politik eingemischt, indem er 1636 Richelieus Kriegspolitik scharf kritisiert hatte. Hierbei zeigte sich durchaus eine große Übereinstimmung mit der jesuitischen Einschätzung dieser Politik. So hielt auch der Beichtvater des französischen Königs, Nicolas Caussins SJ (1583-1651, seit 1637 im Amt), Frankreichs Eintritt in den Dreißigjährigen Krieg auf der Seite der Protestanten für unvereinbar mit dem christlichen Recht. Beide argumentierten auf der Grundlage des gerechten Krieges.297 Bereits hier kündigten sich jedoch politische Implikationen der Parteibildung an. Nach dem Tod des Jansenius übernahm vor allem der Pariser Theologe Antoine Arnauld (1612-1694) dessen Verteidigung. Seine Schwester, Angélique Arnauld (1591-1661) leitete als Äbtissin das Zisterzienserinnenkloster Port Royal südwestlich von Versailles. Dort fand der Theologe Arnauld genauso Unterstützung wie bei Kollegen an der Sorbonne, bei Parlamentariern und Juristen und bei den Oratorianern.298 Das antijesuitische

293

REINHARDT (2014) 444. BURKARD (2014) 258. 295 Ebd., 259. 296 THANNER (2014) 281. 297 REINHARDT (2014) 360. 298 ROEGIERS (2014) 396. Die Oratorianer wurden von Pierre de Bérulle (1575-1629) gegründet. 294

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Netzwerk weitete sich in Frankreich aus. Aufmerksamkeit hatte Arnauld mit seiner Schrift De la fréquente Communion (1643) erregt, worin er die These vertrat, dass Qualität vor Quantität beim Kommunionempfang gehe. Dieses Werk verlagerte den Streitpunkt vom Gnadenstreit auf Fragen der Pastoraltheologie, der Beichtpraxis und der Moral. Nun begann der moraltheologische Streit, in dessen Verlauf die Jesuiten mit ihrer Lehre des Probabilismus als Laxisten diskreditiert wurden, während die jansenistische Partei einen moralischen Rigorismus vertrat. Um welche moraltheologische Frage ging es hier? Ob eine Handlung moralisch erlaubt oder nicht erlaubt war, hing zunächst einmal von bestimmten Prinzipien (Rechtstiteln) ab. So wurde zum Beispiel diskutiert, wann es erlaubt sei, einen Krieg zu führen, indem man Rechtstitel für einen gerechten Krieg abwog.299 Doch manchmal reichten diese Erörterungen nicht aus, um jeden Zweifel auszuräumen. Mehrere Positionen schienen hinsichtlich eines Falles denkbar zu sein. Diese Zweifelsfälle lösten wiederum Unsicherheit im Gewissen der Menschen aus, denen in der Beichte beizustehen war. War es für einen Soldaten zum Beispiel Sünde, in einem Krieg zu kämpfen, von dem nicht zweifelsfrei feststand, dass es sich um einen gerechten Krieg handelte? Auf solche konkreten Fragen mussten Theologen eine Antwort finden. Setzt man dieses Beispiel mit der Kritik an der Kriegspolitik Kardinal Richelieus und später König Ludwigs XIV. in Beziehung, wird deutlich, dass diese moraltheologische Frage auch politisch relevant werden konnte. Die Jesuiten vertraten nun bei Zweifelsfällen die moraltheologische Lehre des Probabilismus. Wenn auch nur eine Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine Handlung erlaubt ist (dass zum Beispiel ein Krieg „gerecht“ ist), dann ist sie erlaubt. Der besagte Soldat begeht also im Zweifelsfall keine Sünde. Die „Jansenisten“, wie die Gegenpartei genannt wurde, vertraten dagegen einen ethischen Rigorismus. Falls also ein Zweifel an der Erlaubtheit einer Handlung vorliegt, ist sie nicht erlaubt. Der besagte Soldat würde in diesem Fall also eine Sünde begehen, wenn er an einem zweifelhaften Krieg teilnähme. Die moraltheologische Debatte hatte durchaus inhaltliche Beziehungen zum Gnadenstreit. Die Jesuiten, die den freien Willen stärker betonten, vertraten ein positiveres Menschenbild, was sich auch im Probabilismus zeigte. Dagegen schwächten die Rigoristen den menschlichen Willen und waren in ihrem Menschenbild pessimistischer. Dies brachte ihnen gelegentlich den polemischen Vorwurf des Calvinismus ein. Hier ist nicht der Ort, die weitere Entwicklung des Jansenismusstreits mit seinen politischen Verflechtungen und wechselseitigen Verschwörungs299

Vgl. IV.

3. Theologie und Interessenspolitik

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phantasien näher zu beleuchten. Beide Seiten schenkten sich nichts. Hinzuweisen ist nur noch darauf, dass die rigorose Ethik der Jansenisten mit ihrem Hang zu Askese und Bescheidenheit, auch in Anlehnung an die Urkirche, ein ästhetisches Gegenmodell zum barocken Katholizismus in Rom geschaffen hatte. Insofern ist es wenig verwunderlich, dass die Päpste wenig Sympathie für diese Richtung zeigten, die bisweilen auch hierarchiekritische Töne anschlug.300 Da das Thema Sklaverei auch in moraltheologischen Schriften vorkam, spielt der Probabilismus auch zum besseren Verständnis dieses Themas eine Rolle.

3.3 Tridentinischer Reformkatholizismus Die bisherigen Ausführungen über den Rezeptionsprozess des Konzils von Trient im 16. Jahrhundert haben gezeigt, dass die Beschlüsse dieses Konzils nicht einfach die dort diskutierten Probleme lösten. Die Lehr- und Reformdekrete des Konzils mussten in der Folgezeit ausgelegt und an die Verhältnisse angepasst werden, wobei auch Interpretationsspielräume deutlich wurden. Die Festlegung auf die Vulgata verlangte nach einem gesicherten Text, der nach den humanistischen Standards der Zeit nicht vorlag. Die Entscheidung, eine Kommission für eine Vulgata-Revision einzusetzen, führte zu den konkreten Problemen, wie eine solche Revision vorgehen durfte und sollte. Die Wertschätzung der Kirchenväter als Auslegungsautoritäten führte in theologische Endlosdebatten, gegen die auch Purifikationen von Kirchenväterausgaben nicht wirklich ankamen. Auch hier bewegten sich die Theologen zwischen humanistischen und kontroverstheologischen Interessen. Der Siegeszug des Thomas von Aquin als Auslegungsmaßstab für Trient führte wiederum zu Fragen über die Auslegung des Thomas, dessen STh eifrig von Gelehrten innerhalb und außerhalb des Jesuitenordens kommentiert wurde. Selbst der Gnadenstreit kann als Streit um die richtige Thomasauslegung verstanden werden. Eine umfangreiche Aneignung von Wissen war also notwendig, die sich gleichzeitig stets vor einem wankelmütigen Tribunal der Rechtgläubigkeit zu behaupten hatte. Die Wertschätzung der Traditionen transportierte einen Plural, der wiederum auf eine orthodoxe Linie gebracht werden sollte. Der Katholizismus gewann dabei Kontur wie humane Inkonsequenz. Die Theologen verteidigten in diesem Suchprozess nicht zuletzt die Interessen und Privilegien des eigenen Ordens. Es galt, sich nach außen wie nach innen zu behaupten.

300

Vgl. REINHARDT (2014).

72

II. Das Collegio Romano

Der enorme Reformstau war nicht einfach mit ein paar Konzilsdekreten zu beheben. Bei ihrer Umsetzung gab es treibende und hemmende Kräfte. Auf jede rigorose Neigung, wie z. B. den ‚Römischen Index‘ unter Paul IV., folgte eine gemäßigte Gegenbewegung. Man kann es auch als kirchenpolitische Klugheit werten, dass der Papst im Gnadenstreit kein Urteil fällen wollte: Gerade wenn man einen gewissen theologischen Pluralismus zuließ, konnte man nach außen den Eindruck von Einheit vermitteln. Neben den pluralen Weiterentwicklungen theologischer Denkschulen wurden ohnehin spätmittelalterliche und humanistische Einflüsse übernommen, denen sich diese Denkschulen verdankten. Theologisch ließ sich ein tridentinischer Katholizismus trotz klarem Feindbild nicht auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Die strategischen Notwendigkeiten von Abgrenzung und Überbietung führten sowohl zu Polemiken wie zu Denkfortschritten. Allerdings präsentierten sich die Jesuitentheologen – und diese stehen hier auch für andere Theologen ihrer Zeit – als durchaus selbständig denkende Intellektuelle, die zu divergierenden Lösungsansätzen fanden. Manche Autoren gerieten trotz äußerer wie innerer Zensur ins Visier von Inquisitions- oder Indexkongregationen. Ignatius selbst hatte noch in Spanien wiederholt diese Erfahrung gemacht.301 Und waren nicht selbst gegen den großen Thomas von Aquin bis zu seiner Heiligsprechung immer wieder Häresievorwürfe geäußert worden?302 Es gehörte zu den Ambivalenzen dieses Systems, einerseits bedingungslose Unterwerfung einzufordern, um sich andererseits selbst immer wieder zu korrigieren und zu relativieren. Die Jesuiten werden gern als Speerspitze eines tridentinischen Katholizismus dargestellt. Um dessen inhaltliche Füllung und praktische Ausgestaltung mussten sie aber immer wieder ringen – und hier waren sie nur eine Akteursgruppe unter mehreren. Im Folgenden soll nun untersucht werden, wie sich die Gesellschaft Jesu unter diesen Rahmenbedingungen mit dem Thema Sklaverei auseinandersetzte.

„Insgesamt acht Mal stieß der späte Student Ignatius mit der spanischen und dann der Pariser und römischen Inquisition zusammen, weil er gleichzeitig einfache Menschen im Glauben unterrichtete und ein Netzwerk gesellschaftlich höher stehender und an spiritueller Vertiefung interessierter geistlicher Gönnerinnen und Gönner aufbaute, um mit ihnen die Exerzitien zu erproben und weiterzuentwickeln“ (HOLZEM Bd. 1 [2015] 198). 302 „Aber jedesmal stellte das Glaubensgericht keinen Irrtum in der Lehre und Lebensweise des Ignatius und seiner Gruppe fest und gestattete ihnen, weiterhin Christenlehre zu halten und über religiöse Themen zu sprechen“ (HAUB [2007] 12). 301

III. Sklaverei und Bibelexegese Im Zentrum des Theologiestudiums stand bereits im frühen Mittelalter die Heilige Schrift. Daneben gewannen die Sentenzen der Kirchenväter zunehmend an Bedeutung. Schließlich entstanden zur systematischen Durchdringung von Glaubenswahrheiten diverse Summen; die berühmteste unter ihnen war die des Thomas von Aquin. Doch der Ausgangspunkt des mittelalterlichen Theologiestudiums war die Kommentierung der Heiligen Schrift (er wurde zunächst baccalaureus biblicus). Danach kommentierte er die Sentenzen des Petrus Lombardus, um als fertiger Magister wieder die Heilige Schrift auszulegen.303 Diese zentrale Bedeutung der Heiligen Schrift gehörte also zur Tradition, die jedoch zuweilen gefährdet erschien. So beklagte bereits Roger Bacon (gest. nach 1292), dass die Theologen ein geringes Interesse am Bibelstudium zeigten und eine Vorliebe für davon losgelöste Quästionen hegten.304 Auch Humanisten wie Erasmus von Rotterdam wandten sich gegen theologische Spekulationen, wenn sich diese zu Sophistereien auswuchsen, und forderten zum intensiveren Studium der Heiligen Schrift auf.305 Der hohe Stellenwert der Bibel für die Reformatoren stand ganz in dieser Tradition. Obwohl das Konzil von Trient dem sola scriptura eine Absage erteilt hatte, so war doch auf katholischer Seite weiterhin unstrittig, dass eine wichtige Säule, vielleicht sogar das Herzstück des Theologiestudiums, die Beschäftigung mit der Heiligen Schrift war. Auf die Vulgata als verbindliche Textgrundlage nach dem Konzil von Trient und die langwierige Revision der Vulgata bis 1592 wurde bereits eingegangen.306 Ein großes Problem beim Revisionsprozess des lateinischen Textes bestand in der Frage, ob dieser mit Hilfe des hebräischen und griechischen Textes korrigiert werden sollte. In welchem Verhältnis standen also die Urtexte zur Vulgata? Während der biblische Humanismus auf dem Studium der Quellen (ad fontes) bestanden hatte, hatte sich das Konzil von Trient darauf verständigt, dass der lateinische Text genügen müsse, denn wenn dieser etwas Falsches enthielt, dann hätte ja auch die katholische Kirche in Glaubensdingen bei ihrer Auslegung der Heiligen Schrift geirrt. Doch welchen Wert hatten vor diesem Hintergrund dann noch die ursprachlichen Bibelversionen? Auch in dieser Frage herrschte nach Trient keine Einigkeit. Der Dominikaner Melchor Cano vertrat 1563 in 303Zur

mittelalterlichen Theologie vgl. GRABMANN (1961). Vgl. Roger Bacon, Compendium theologiae, hg. v. Hastings RASHDALL, Aberdeen 1911, Neudruck Westmead 1966, 35. 305 THEINER (1970) 62f. 306 Vgl. II.2.2.1. 304

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III. Sklaverei und Bibelexegese

seinen Loci Theologici die Position, dass auch die ursprachlichen Bibelfassungen verbesserungsbedürftig seien, ja im Fall des hebräischen Alten Testaments sogar von jüdischen Rabbinern wissentlich korrumpiert worden wären.307 Betrachtete man also die hebräischen und griechischen Texte selbst als verderbt, erschien ein Vergleich mit der Vulgata überflüssig. Dennoch gab selbst Cano zu, dass Sprachkenntnisse nützlich seien, um mehrere Bedeutungen von Wörtern zu erfassen sowie die Wortwahl und die Deutung von Redensarten besser nachzuvollziehen. Außerdem gab er zu bedenken, dass in der Vulgata hebräische und griechische Worte oft unübersetzt geblieben seien.308 Dies alles sprach weiterhin für ein Studium der biblischen Sprachen. Wie sahen das nun die Jesuiten in Rom? Diese waren durch ihre Mitarbeit an der Revision der Vulgata keineswegs so rigoros gegen eine Textverbesserung wie Cano.309 Ähnlich den Dominikanern fanden auch die Jesuiten zu keiner einheitlichen Meinung. Der Jesuit Gregor von Valencia (15491603) vertrat zum Beispiel „in seinen Commentarii Theologici die bekannte rigorose Position, die auch die Distinktionen vermissen läßt, die selbst Cano vorgeschlagen hatte.“310 Nach Horst lag dies daran, dass Gregor in Ingolstadt Kontroverstheologe war, und somit den ‚sichersten Weg‘ wählte. Ein Zugeständnis, dass eine Revision der Vulgata notwendig sei, hätte den Protestanten in die Hände gespielt. So gab es also auch unter den Jesuiten unterschiedliche Meinungen über die Notwendigkeit einer Vulgatarevision. In den Bibelkommentaren und in den Vorlesungen zur Heiligen Schrift musste der Text der Vulgata ausgelegt werden. Nach der Ratio Studiorum hatte diese Auslegung nach dem Literalsinn zu erfolgen. Hier stellte sich die Frage, inwiefern andere Bibelausgaben oder auch die hebräischen und griechischen Urtexte herangezogen werden durften. Behandelt wurde pro Jahr entweder das Neue Testament oder das Alte Testament. Wenn mit einem der beiden Testamente im Kurs begonnen wurde, sollte nicht mehr zum anderen gewechselt werden. Der hebräische und der griechische Text durften zwar auch konsultiert werden, aber bei einem Widerspruch war die Vulgata vor307

Hier zeigt sich beim Spanier Cano ein deutlicher Antijudaismus (HORST [2000] 338). Der griechischen Überlieferung warf Cano vor, dass sie durch dissensio gekennzeichnet sei. 308 Ebd., 338f. 309 Es wurde bereits erwähnt, dass auch bei den Dominikanern keineswegs alle Theologen der rigorosen Deutung Canos zum Vulgatadekret folgten. So hatte Domingo Báñez 1584 bereits zugestanden, dass eine Revision möglich sei. Darüber hinaus hielt er die hebräischen Ausgaben für nicht so stark verdorben wie Cano. Allerdings wies er darauf hin, dass sich dort ebenfalls Fehler finden würden, so dass die ursprachlichen Texte letztlich keine Richtschnur bieten würden. So hielt er es für möglich, kleine Fehler der Vulgata zuzugestehen, welche die Kirche, falls erforderlich, korrigieren werde (vgl. ebd.). 310 Ebd., 351.

III. Sklaverei und Bibelexegese

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zuziehen. Die Urtexte sollten nur zur Bestätigung der lateinischen Übersetzung dienen. Hier wandelte die katholische Exegese insgesamt auf einem schmalen Grad. Die Bevorzugung der Vulgata war dem Konzil von Trient geschuldet und vorgegeben. Aber die Unsicherheiten im Gefolge dieser Vorgabe blieben weiter bestehen und selbst die größten Verteidiger der Vulgata wollten das Studium der biblischen Sprachen nicht aufgeben, um sich über den Schrifttext zu vergewissern. Anschuldigungen wie die Canos, dass jüdische Rabbiner den hebräischen Urtext vorsätzlich verdorben hätten, bewogen seinen Schüler Báñez dazu, acht Jahre intensiv Hebräisch zu studieren, um nicht von Rabbinern über die Heilige Schrift getäuscht zu werden. Er hatte für sein Schriftstudium am Urtext zwar zweifelhafte Beweggründe, kam darüber aber immerhin zur Einsicht, dass der hebräische Text nur an wenigen Stellen verdorbensei, und das nicht aus jüdischer Böswilligkeit, sondern aus Nachlässigkeit.311 Dieses Beispiel zeigt die Ambivalenz des Verbotenen. Auch die Notwendigkeit zur Apologetik trieb Gelehrte bisweilen zum Studium der ‚unnötigen‘ Texte. Das Studium der Sprachen war bei den Jesuiten von Anfang an vorgesehen. Auch die Verwendung von weiteren hebräischen oder rabbinischen Schriften war nach der Ratio Studiorum erlaubt, allerdings nur, wenn sie zum Verständnis der lateinischen Vulgata-Ausgabe nützlich waren. Immerhin setzte auch diese apologetische Benutzung weiterer Quellen deren Kenntnis voraus. Und so wurden trotz der herausragenden Bedeutung des Lateinischen von Anfang an Lehrstühle für Hebräisch und Griechisch als hilfswissenschaftliche Fächer eingerichtet. Man wollte sich keineswegs nachsagen lassen, zur Heranziehung hebräischer wie griechischer Schriften nicht in der Lage zu sein. Wie konnten nun das Hebräische und das Griechische zum Verständnis der Vulgata nützlich sein, wenn diese nicht am Urtext zu korrigieren war? Hier sind einige Aufgaben denkbar: Wenn ein Wort mehrere Bedeutungen hatte, konnte der Übersetzer dies nicht zum Ausdruck bringen. Hier war das Original heranzuziehen. Wenn bestimmte Ausdrücke oder Redewendungen im Text unklar waren, konnte dies mit Hilfe der Urtexte erhellt werden. Wenn im lateinischen Text selbst hebräische oder griechische Wörter unübersetzt geblieben waren, waren Sprachkenntnisse erforderlich. Wenn im gedruckten Exemplar der Vulgata Druck- oder Schreibfehler vorkamen, konnte der Urtext bei der Klärung helfen. Zudem hatte jede Sprache ihre Eigentümlichkeiten, die vom Übersetzer nicht ganz treffend wiedergegeben

311

Ebd., 350.

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III. Sklaverei und Bibelexegese

werden konnten. So erhellte das Original die Übersetzung, ohne ihr deswegen gleich zu widersprechen. Schließlich gab es auch im Lateinischen Mehrdeutigkeiten, die zu Fehlinterpretationen führen konnten. Auch dies galt es zu erkennen. Angesichts dieser Bandbreite an Möglichkeiten, die bisweilen am Verbotenen rütteln konnten, ohne die Grenze überschreiten zu müssen, wundert es nicht, dass die Bibelexegeten des Collegio Romano durchaus andere Bibelausgaben, sogar offiziell verbotene, zur Stützung ihrer Argumentation heranzogen. Zudem waren selbstverständlich auch die Bibelkommentare der Kirchenväter Autoritäten, die konsultiert wurden. Nicht zuletzt über diese blieb ein gewisser biblischer Humanismus im Rahmen erhalten. Diese Prämissen und methodischen Voraussetzungen sind im Hinterkopf zu behalten, wenn nun im Folgenden das Thema Sklaverei in der Bibelexegese der Barockscholastik näher beleuchtet werden soll. 1. Das Wortfeld „Sklaverei“ in der revidierten Vulgata Der Begriff servus, der je nach Kontext als Sklave oder Knecht übersetzt werden kann, kommt zusammen mit seinen flektierten Formen in der Vulgata insgesamt an 887 Stellen vor. 312 Das Femininum serva wird nur zweimal verwendet; an dessen Stelle tritt häufig der Begriff ancilla, der im Deutschen sowohl als Magd wie auch als Sklavin übersetzt werden kann. Dieser Terminus findet sich in der Vulgata 131-mal. Der Begriff Sklaverei/ Knechtschaft (lat. servitus) kommt insgesamt an 55 Stellen vor.313 Der Begriff vernaculus meint sowohl den von einer Sklavin im Haus eines Herrn geborenen Sklaven als auch den Haussklaven. Die Maskulinformen stehen in der Vulgata lediglich an acht Stellen und ausschließlich im Alten Testament.314 Noch seltener wird der Begriff mancipium (pl. mancipia) verwendet, die den durch Kauf

312 Die folgende Auflistung wurde anhand der Vulgata-Konkordanz im Programm BibleWorks 9, Software for Biblical Exegesis and Research. Windows Vista/7 Release. Version 9.0.12.736; BibleWorks, LLC, 2013 erstellt. Das Nomen servus kommt im Nominativ Singular allein an 180 Stellen vor. Der Nominativ Plural servi wird an 225 Stellen verwendet. 116 Stellen entfallen auf den Akkusativ Singular servum(que), 100 auf den Akkusativ Plural servos, 66 auf den Genitiv Plural servorum, 81 auf den Dativ/ Ablativ Singular servo (meist in Verbindung mit einem Possessivpronomen, wie servo tuo oder servo suo), der Ablativ Plural servis meist in Kombination mit den Possessivpronomina suis/ tuis kommt auf 107 Stellen. 313 Der Nominativ Singular servitus kommt an 3, der Genitiv Singular servitutis an 21, der Dativ Singular servituti an 9, der Akkusativ Singular servitutem an 12 und schließlich der Ablativ servitute an 11 Stellen vor. 314 Dazu folgende Stellen: Gen 14,14; Gen 15,3; Gen 17,12; Gen 17,23; Gen 17,27; Lev 22,11; Jer 2,14; Esra 3,1. Zwar ist in der Vulgata der Deminutiv vernaculus belegt. Aber weder verna noch das Femininum vernacula sind dort zu finden.

2. Unterschiedliche Arten von Bibelkommentaren

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erworbenen Sklaven bezeichnen. Sie kommen jeweils nur in zwei Belegstellen vor.315 Insgesamt zeigt dieser statistische Befund, dass die Terminologie zur Sklaverei in der Vulgata sehr präsent ist. Es ist klar, dass die zahlreichen Bibelstellen der Vulgata zur Sklaverei vielfältige Anknüpfungspunkte für Deutungen boten, die in ihrem gesamten Umfang in dieser Studie nicht berücksichtigt werden können. Deshalb ist eine Auswahl und exemplarische Vorgehensweise geboten. Dabei richtet sich die Auswahl nach einschlägigen Stellen für die Deutung der realen Sklaverei, ohne Vollständigkeit beanspruchen zu wollen. Bevor diese besprochen werden, sollen jedoch noch die unterschiedlichen Gattungen barockscholastischer Bibelkommentare vorgestellt werden.

2. Unterschiedliche Arten von Bibelkommentaren Am Collegio Romano bildeten sich unterschiedliche Arten von Bibelkommentaren heraus. Die erste Gruppe zielte auf eine Kommentierung der gesamten Heiligen Schrift auf der Textgrundlage der Vulgata. Dazu gehörten die Scholia von Giovanni Stephano Menochio316 und Emanuel Sa317 sowie die Annotationes von Juan de Mariana.318 Sie geben zunächst in Kapitel unterteilt den Text der Vulgata wieder. Anschließend werden ausgewählte Versabschnitte in Form von Anmerkungen hinsichtlich ihres Literalsinnes 315

Zu mancipium: 2 Makk 8,11; Offb 18,13. Zu mancipia: Ez 27,13; 2 Makk 8,11. Giovanni Stephano Menochio (1575-1655) wurde in Padua als Sohn eines Kaufmanns geboren. 1594 trat er in den Jesuitenorden ein. Zwischen 1596 und 1599 studierte er Philosophie in Arona und von 1602 bis 1606 Theologie in Mailand. Dort wurde er 1605 auch zum Priester geweiht. Seit 1605 lehrte er Griechisch, Hebräisch, Moraltheologie und Heilige Schrift in Mailand und Cremona. Von 1611 bis 1614 war er Rektor des Jesuitenkollegs in Cremona, von 1617 bis 1621 Provinzial der Jesuitenprovinz von Mailand. Am Collegio Romano war er von 1623 bis 1625 und nochmals von 1640 bis 1642 Rektor. Von 1642 bis 1645 bekleidete er das Amt eines Provinzials für die römische Provinz. Er starb 1655 in Rom (SOMMERVOGEL Bd. 5 [1960] Sp. 948-955). 317 Emanuel Sa (1530-1596) wurde in Villa de Condé (bei Braga, Portugal) geboren. 1545 trat er in den Jesuitenorden ein. Er studierte aristotelische Philosophie und Theologie an der Universität von Coimbra. Nachdem die Jesuiten das Collegio Romano eröffnet hatten, übernahm Sa 1557 dort den Lehrstuhl für Heilige Schrift. Aus gesundheitlichen Gründen zog er sich zwischen 1564 und 1569 in die Toskana zurück, bevor er seine Lehrtätigkeit in Rom erneut bis 1570 aufnahm. Er war jedoch nicht nur Professor für Heilige Schrift, sondern lehrte 1556 bis 1558, sowie 1560 bis 1561 auch scholastische Theologie (zweiter Lehrstuhl) und in den Jahren 1558 und 1570 auch Moraltheologie. Zudem machte er sich als Prediger und Seelsorger einen Namen. Mit dem Generaloberen der Jesuiten, Francisco de Borja, war er befreundet. 1596 starb er in Arona (FATOUROS [1994] Sp. 1125; SOMMERVOGEL Bd. 7 [1960] Sp. 349354; VILLOSLADA [1954] 36; 41; 50f.; 59; 222; 322f.; 325). 318 Zu Juan de Mariana vgl. Anm. 249. 316

78

III. Sklaverei und Bibelexegese

kommentiert. Die Anmerkungen kommen materialiter über eine sporadische Glossierung von einzelnen Bibelstellen nicht hinaus. Zwar nutzte auch Cornelius a Lapide319 dieses System, aber seine Kommentare zu ausgewählten Versen fallen wesentlich ausführlicher aus und berücksichtigen auch die Deutungen aus der Kirchenvätertradition. Zur zweiten Gruppe gehörten Kommentare zu einzelnen Büchern der Heiligen Schrift. Dazu zählen z. B. der Genesiskommentar von Benito Perera,320 die Kommentare zu Levitikus und Deuteronomium von Jean de Lorin321 und die Kommentare zu den neutestamentlichen Schriften von Francisco de Toledo.322 Diese stellen die Kapitel in einer Zusammenfassung kurz vor (synopsis capitis/ argumentum capitis), geben den Text der Vulgata zu einem Kapitel wieder, vergleichen teilweise Übersetzungsvarianten auf Grundlage des hebräischen und griechischen Bibeltextes und kommentieren

319

Cornelius a Lapide (1567-1637) stammte aus Bocholt im heutigen Belgien (Flandern). Sein ursprünglich niederländischer Name war Cornelis Cornelissen van den Steen, welchen er als a Lapide (vom Stein) latinisierte. Er begann sein Studium an den Jesuitenkollegien in Maastricht und Köln, bevor er sein Theologiestudium in Douai und Löwen absolvierte. 1592 trat er in den Jesuitenorden ein. Zwischen 1616 und 1623 lehrte er als Professor für Heilige Schrift am Collegio Romano in Rom. Er kommentierte im Laufe seiner Gelehrtentätigkeit einmal die gesamte Bibel mit Ausnahme des Buches Hiob und der Psalmen. Zu seinen Lebzeiten sind bereits zahlreiche Kommentare erschienen. Nach seinem Tod wurden noch weitere herausgegeben. Im Rahmen dieser Studie wurden vor allem sein Pentateuchkommentar sowie sein Kommentar zu den Paulusbriefen herangezogen (SOMMERVOGEL Bd. 4 [1960] Sp. 1511-1526; VILLOSLADA [1954] 324). 320 Zum Leben von Benito Perera vgl. Kap. I.2. 321 Jean de Lorin (1559-1634) wurde in Avignon geboren und trat 1575 in den Jesuitenorden ein. Im Jahr 1600 besetzte der Franzose den Lehrstuhl für Heilige Schrift am Collegio Romano, den er bis 1606 innehatte. Im Vergleich zu vielen seiner jesuitischen Kollegen war er recht einseitig mit der Kommentierung der Heiligen Schrift beschäftigt, vor allem mit der des Alten Testaments. Zu nennen sind hier die Kommentare zum Buch Jesus Sirach (Ecclesiasticus) von 1606, zum Buch der Weisheit 1607, zum Buch Levitikus 1619, zum Buch Numeri 1622, zu den Psalmen in drei Bänden 1612-1616 und zum Buch Deuteronomium in zwei Bänden 1625-1629 (DONNELLY [2001] 2422; SOMMERVOGEL Bd. 5 [1960] Sp. 2-6; VILLOSLADA [1954] 323). 322 Francisco de Toledo (1534-1596) trat nach einem Studium der Philosophie in Saragossa und dem der Theologie in Salamanca 1558 dort in den Jesuitenorden ein. Bereits 1559 holte ihn der jesuitische Ordensgeneral Lainez nach Rom, wo er von 1559 bis 1563 am Collegio Romano Philosophie lehrte. Er verfasste Aristoteleskommentare, die als Lehrbücher geschätzt wurden und hielt von 1562 bis 1569 Vorlesungen über die STh des Thomas von Aquin und hatte den zweiten Lehrstuhl für Scholastische Theologie inne. Insofern war Toledo nicht in erster Linie Exeget, auch wenn er Kommentare zum Neuen Testament verfasste. Dies hing vor allem mit seiner Tätigkeit für die Vulgataedition zusammen, da er zu den Theologen gehörte, die Sixtus V. dafür konsultiert hatte. Der erste Kommentar war 1588 der zum Johannesevangelium, der zweite 1602 der zum Römerbrief, dem noch ein unvollendet gebliebener Kommentar zum Lukasevangelium folgen sollte. Außerdem verfasste Toledo auch moraltheologische Schriften (REINHARDT [1997] Sp. 288-291).

2. Unterschiedliche Arten von Bibelkommentaren

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durchgängig jeden Vers und einzelne Versabschnitte hinsichtlich des Literalsinns (sensus loci) und seiner geistlichen Bedeutung (mysticus sensus). Zu einigen Versen sind die Kommentare und Exkurse so umfassend, dass sie wie in einer scholastischen Disputation als Quaestio verfasst sind. Dabei rezipieren die Kommentatoren ausgiebig die griechischen und lateinischen Kirchenväter, aber auch pagan-antike Autoren wie Aristoteles und Seneca, scholastische Autoritäten wie Thomas von Aquin sowie zeitgenössische Autoren wie Francisco de Vitoria. Die dritte Gruppe stellte die bereits seit dem 5. Jahrhundert bekannte Gattung der Katene dar. Sie war eine Zusammenstellung der wichtigsten Kirchenväterzitate zu bestimmten Bibelversen (Lemmata), die wie in einer ‚Kette‘ nacheinander angeordnet wurden.323 Auch Autoren des Collegio Romano verwendeten diese bereits als anachronistisch geltende Form, so z. B. Pierre Poussines324 mit seiner zweisprachigen Catena graecorum patrum in evangelium secundum Marcum (1673). Diese Gattung ist für den Sklavereidiskurs unergiebig, zeigt aber noch einmal die Bedeutung der griechischen Kirchenväter für die Auslegung der Heiligen Schrift am Collegio Romano. Die vierte Gruppe bildeten Traktate, die auf Grundlage der Heiligen Schrift ex sensu litterali zu einem bestimmten Thema verfasst worden sind. Dazu gehört die Institutionis oeconomicae ex Sacris litteris depromptae aus dem Jahr 1640, die der Jesuit und bereits erwähnte Bibelkommentator Giovanni Stephano Menochio anfertigte. Dieser Traktat ist dem ehemaligen Kardinalnepoten von Papst Gregor XV. (1621-1623 Papst) und Vizekanzler der Kirche Ludovico Ludovisi (1595/1621-1632) gewidmet, der im kurzen Pontifikat seines Onkels die Gesellschaft Jesu maßgeblich förderte, u. a. mit der Kanonisation ihres Ordensgründers Ignatius von Loyola und des Missionars Franz Xaver im Jahr 1622.325 Er beschäftigt sich mit der Haushaltsführung kirchlicher Würdenträger als Grundlage der christlichen Ökonomie und Gesellschaftsordnung. Bemerkenswerterweise behandelte Menochio auch den Umgang mit Sklaven im Haushalt eines Kirchenfürsten, wobei er einschlägige Passagen zur Sklaverei aus dem Alten und Neuen Testament anführte.

323

REVENTLOW Bd. 2 (1994) 146f. Pierre Poussines wurde 1609 in Laure (Frankreich) geboren. 1624 trat er in den Jesuitenorden ein. Bevor er vom Jesuitengeneral nach Rom gerufen wurde (1654), setzte er die „Geschichte der Jesuiten“ fort, welche durch den Tod P. Francesco Sacchinis (1570-1625) unterbrochen worden war. Am Collegio Romano unterrichtete er Heilige Schrift und Hebräisch. 1682 kehrte der Franzose nach Toulouse zurück, wo er 1686 starb (BOTTEREAU/ ESCALERA [2001] 3207; SOMMERVOGEL Bd. 6 [1960] Sp. 1123-1134; VILLOSLADA [1954] 323). 325 Zum Pontifikat von Papst Gregor XV.: JAITNER (1997); WASSILOWSKY (2010); WASSILOWSKY/ WOLF (2007). 324

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III. Sklaverei und Bibelexegese

3. Sklaverei im Alten Testament Die Existenz von Sklaverei wird im Alten Testament vorausgesetzt. Gen 39,1-23 erzählt zum Beispiel die Geschichte von Joseph, der von seinen Brüdern in die Sklaverei nach Ägypten verkauft wurde. Die in Ex 21,1-11 genannten Bestimmungen enthalten Rechtsvorschriften über Sklaverei und Leibeigenschaft. Die mit dieser Rechtsvorschrift beginnende Gesetzessammlung des Bundesbuches ist Teil des Buches Exodus, das an die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten und den damit verbundenen Eintritt in den Dienst für Gott erinnert. Der Besitz von Sklaven wiederum war nach dem jüdischen Gesetz nicht verboten. Die Versklavung von Nachbarvölkern Israels wurde in Lev 25,44-46 legitimiert. Diese Bestimmung wurde dann auf alle Nicht-Juden ausgedehnt. Eine große Konfliktlinie verläuft zwischen Sklaverei und Israelitentum. Beides scheint theologisch unvereinbar. Gott hat die Israeliten aus Ägypten befreit. Sie dürfen keinem anderen Herrn dienen. Insofern kann man mit Catherine Heszer die biblischen Regelungen bezüglich der israelitischen Schuldsklaven als Kompromiss zwischen dem theologischen Ideal der uneingeschränkten Gottesdienerschaft und der realen Armut und Versklavung im eigenen Land sehen.326 Diese wenigen Bemerkungen zeigen, dass im Alten Testament häufig von Sklaverei die Rede ist. Dabei wird Sklaverei sowohl als gesellschaftliches Phänomen in den Blick genommen als auch als theologisch relevante Metapher verwendet. Wie legten nun die römischen Bibelexegeten entsprechende Stellen aus? Welches Urteil über Sklaverei lässt sich anhand frühneuzeitlicher exegetischer Kommentare ausmachen? Aus der Fülle an biblischen Anknüpfungspunkten, die sich bereits im wortstatistischen Befund zeigten (II.1), werden im Folgenden einige Beispiele herausgegriffen, die für die Debatte über Sklaverei wichtig erscheinen: So soll zunächst das Augenmerk auf Gen 1,26-27 gelegt werden. Diese Stelle bildet den Ausgangspunkt für die Idee der Gottebenbildlichkeit. Damit verbunden ist die Vorstellung einer unaufhebbaren Würde des Menschen, was notwendigerweise Auswirkungen auf Ethik und Politik haben muss. Aus diesem Grund verurteilten einzelne Kirchenväter die Sklaverei.327 Wie deuteten die Jesuiten am Collegio Romano diese Gottebenbildlichkeit aus dem Schöpfungsbericht? Wurden hier überhaupt Beziehungen zur Praxis der Sklaverei hergestellt? Danach soll ein Schlüsseltext für den frühneuzeitlichen Sklavereidiskurs befragt werden. Die erste Bibelstelle, welche die Versklavung unter den HESZER (2014) 4. „Im antiken Vorderen Orient war es üblich, dass der Gläubiger bei einem Schuldner, der seine Kredite nicht mehr bedienen konnte, zunächst dessen Familie und dann den Schuldner selbst als Sklaven gepfändet hat“ (HIEKE [2014] 1023). 327 ANGENENDT (2012) 111. 326

3. Sklaverei im Alten Testament

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Menschen thematisiert, ist die sogenannte Verfluchung Hams, genauer gesagt, seines Sohnes Kanaan in Gen 9,18-29. Dieser Text ist zudem in religionsgeschichtlicher Perspektive interessant, da bei Juden, Christen und Muslimen eine gemeinsame Auslegungstradition zu beobachten ist, nach der die ‚Verfluchung Hams‘ als Legitimation für die ewige Knechtschaft der Schwarzen diente, selbst wenn dies in allen drei Religionen freilich nicht die einzige Lesart war. Während der bisherige Forschungsstand darauf hindeutet, dass in der christlichen Exegese von Gen 9 im 16. Jahrhundert das Motiv der Verfluchung Hams noch keine Rolle spielte, änderte sich das spätestens im 18. Jahrhundert, als Thomas Newton (1704-1782), Bischof von Bristol, 1754 den ersten Band seiner Dissertations on the Prophecies herausgab. Er verglich alte Textvorlagen und argumentierte dafür, Gen 9 so zu lesen, dass Noah direkt Ham und seine Nachfahren zur Sklaverei verflucht habe.328 Gerade also im Hinblick auf eine rassistische Legitimation von Sklaverei, besonders unter den Vorzeichen des Atlantischen Sklavenhandels und der Sklaverei der Schwarzen in Amerika, hatte diese Bibelstelle besondere Bedeutung. Insofern lohnt sich der Blick auf diese Stelle in den Auslegungen der römischen Jesuitentheologen. Im Anschluss daran ist auch Gen 27 interessant. Hier geht es um den Konflikt der Brüder Jakob und Esau um das Erstgeburtsrecht und den damit einhergehenden Segen. Als Folge davon sagt Isaak schließlich zu seinem Sohn Esau: „Fern vom Fett der Erde mußt du wohnen, fern vom Tau des Himmels droben. Von deinem Schwert wirst du leben. Deinem Bruder wirst du dienen. Doch hältst du durch, so streifst du ab sein Joch von deinem Nacken“ (Gen 27,39b-40 nach EÜ).329 Dieser Halbvers wurde bei einigen Kirchenvätern so interpretiert, als sei damit die Versklavung Esaus durch seinen Bruder Jakob gemeint, was sich auch auf die Nachkommen Esaus übertragen habe.330 Hier ist zu überprüfen, ob die jesuitischen Exegeten diese Lesart, die sich durch den Bibeltext selbst nicht unbedingt aufdrängt, von den Kirchenvätern übernahmen. Zu bedenken ist ebenfalls, dass Paulus diese Geschichte im Römerbrief nochmals aufnahm (Röm 9,10-13), was zu einer Schlüsselstelle für den frühneuzeitlichen Gnadenstreit wurde. Eventuell spielte also auch dieses Thema für die Auslegung eine Rolle.

328

PRIESCHING (2014) 104-106. Zur Verfluchung Hams in interreligiöser Perspektive vgl. GOLDENBERG (2005); HAYNES (2002); WHITFORD (2009). 329 Motus Isaac dixit ad eum in pinguedine terrae et in rore caeli desuper. Erit benedictio tua vives gladio et fratri tuo servies tempusque veniet cum excutias et solvas iugum eius de cervicibus tuis (Gen 27, 39-40VUL). 330 So wurde die Esau-Geschichte zum Beispiel bei Ambrosius und Augustinus in Bezug auf die Sklaverei ausgelegt (vgl. KLEIN [1988] 51 [zu Ambrosius], 74 [zu Augustinus]).

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III. Sklaverei und Bibelexegese

Schließlich soll auf die Sklavengesetze in Ex 21,2-6, Lev 25,39-55 und Dtn 15,12-18 eingegangen werden. Dabei fällt ein Licht auf das große Thema des Sklavenloskaufs, denn das Recht des Loskaufs von Sklaven israelitischer Herkunft wird im Zusammenhang mit dem Jubeljahr in Lev 25,48f. erwähnt. Catherine Heszer führt dazu aus: „Israeliten, die sich aus Armutsgründen an sogenannte gerim, das heißt ansässige nicht-israelitische Herren verkauft haben, haben das Recht, sich von Verwandten freikaufen zu lassen oder sich selbst zu erlösen. … Was in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wird, ist der Loskauf eines Sklaven, der einem israelitischen Herrn dient, sowie der Loskauf durch Individuen, die nicht Familienangehörige sind.“331

Wie der Sammelband „Gefangenenloskauf im Mittelmeerraum“332 jüngst herausgestellt hat, waren alle drei abrahamitischen Religionen in die Geschichte der Sklaverei und des Loskaufs involviert: Juden, Christen und Muslime kauften auch in der Frühen Neuzeit jeweils ihre Glaubensbrüder und -schwestern aus der Hand andersgläubiger Sklavenhalter frei. Diese Praxis und ihre theologischen Begründungen gehörten also zum Wissenshorizont der römischen Bibelexegeten. Finden sich hier zeitgenössische Bezüge? Zudem wird in den Rechtsammlungen deutlich, dass im Alten Testament verschiedene Formen von Sklaverei unterschieden werden. So wurde im erwähnten Passus von Lev 25 die Schuldknechtschaft thematisiert. Daneben werden Formen von Sklaverei als Folge von Kriegsgefangenschaft,333 Sklaverei von Geburt334 und Sklaverei als Strafmaßnahme335 behandelt. Hier finden sich also auch biblische Grundlagen für eine theologische Debatte der Frühen Neuzeit, welche Formen von Sklaverei als legitim betrachtet werden können.336 Ferner ist zu fragen, ob Humanisierungspotenziale (Kritik an Missständen bis hin zu abolitionistischen Tendenzen) aus dem Alten Testament entdeckt wurden oder ob die zeitgenössische Bibelexegese an einer solchen Perspektive kein Interesse zeigte.

331

HESZER (2014) 3-23; 3f. GRIESER/ PRIESCHING (2015). 333 Zur Kriegsgefangenschaft: Dtn 21,10-14, Num 21,16ff., Ri 5,30, 1 Sam 4,9 und Joel 3,3f. (vgl. COHN [2007] 667-670). 334 Zu Sklaven durch Geburt neben Gen 17,12 auch indirekt Ex 21,4 (vgl. DIETRICH [2000] 367-375; KEßLER [2004] Sp. 1383f.). 335 Die Sklaverei als Strafe in: Ex 22,2 (vgl. COHN [2007] 667-670). 336 Vgl. dazu IV. 332

3. Sklaverei im Alten Testament

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3.1 Der Mensch als Ebenbild Gottes (Gen 1,26-27) „Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ (Gen 1,26-27)337

Im Rahmen des Schöpfungsberichts wird die Würde des Menschen damit begründet, ein Ebenbild Gottes zu sein. Obgleich man meinen könnte, hier eine zentrale Bibelstelle vor sich zu haben, zeigen die frühneuzeitlichen Kommentatoren kein großes Interesse. So überspringt Perera in seinem Genesiskommentar diese beiden Verse338 und die Anmerkungen von Sa/ Mariana339 und Menochio340 sind ganz dürftig. Nach dem exegetischen Kommentar von Seebass von 1996 erscheint dies sachlich berechtigt, denn hier heißt es zum Motiv der Gottebenbildlichkeit: „Die außergewöhnliche Bedeutung, die man ihm [diesem Motiv; d. Verf.] über Jahrhunderte beigemessen hat, ist aus der exegetischen Situation kaum erklärbar.“341 Von einer außergewöhnlichen Bedeutung kann freilich bei den jesuitischen Barockscholastikern keine Rede sein. Nur der Kommentar von Cornelius a Lapide geht genauer auf die Gottebenbildlichkeit und ihre Bedeutung ein, so dass sein Kommentar hier im Mittelpunkt der Darstellung stehen soll.342 Lapide deutete die Ebenbildlichkeit zunächst mit Rupert von Deutz (um 1070-1129) als Abbild der Trinität.343 Damit trug er der Besonderheit 337

Et ait: Faciamus hominem ad imaginem et similitudinem nostram: et praesit piscibus maris, et volatilibus caeli, et bestiis, universaeque terrae, omnique reptili, quod movetur in terra. Et creavit Deus hominem ad imaginem suam: ad imaginem Dei creavit illum, masculum et feminam creavit eos (Gen 1,26-27VUL). 338 Benito Perera, Historiae Mosis, quae hoc primo commentariorum volumine explanantur, in: Ders., Commentariorum et disputationum in Genesim. Continens historiam Mosis ab exordio mundi usque ad Noeticum diluvium, septem libris explanatam. Adiecti sunt quattuor Indices, unus quaestionum, alter eorum quaepertinent ad doctrinam moralem, et usum concionantium, tertius locorum sacrae Scripturae, quartus generalis et alphabeticus, Bd. 1, Lyon 1594, 20f. 339 Emanuel Sa/ Juan de Mariana, Biblia Sacra. Vulgatae Editionis. Sixti u. Pont. Max. Iussu recognita atque edita. Cum Scholijs plurimum auctis et emendatis Ioannis Marianae, et Notationibus Emanuelis Sa, Societatis Iesu Sacerdotum, Bd. 1, Antwerpen 1624, 1. 340 Stefano Menochio, Brevis explicatio sensus literalis totius s. Scripturae ex optimis quibusque auctoribus per epitomen collecta, Köln 1630. 341 SEEBASS (1996) 79. 342 Cornelius a Lapide, R. P. Cornelii Cornelii a Lapide e Soc. Iesu in Academia Lovaneniensi Sacrae Scripturae professoris in Pentateuchum Mosis commentaria. Editio ultima, aucta et recognita, Paris 1626, 47-50. 343 [FACIAMUS HOMINEM AD IMAGINEM ET SIMILITUDINEM NOSTRAM] Nota hic SS. Trinitatis mysterium, hisce enim verbis alloquitur deus pater, non angelos, quasi iis iubeat, ut ipsi fabricent corpus humanum, et animam sentitivam, sibique solum reservet fabricam ani-

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des Wortes ‚Lasst uns Menschen machen!‘ Rechnung, da hier Gott mit sich selbst im Plural spricht.344 Inwiefern sind nun die Menschen Ebenbilder Gottes? Zu den zwölf herausragenden Eigenschaften des Menschen, die seine Würde ausmachen, gehören nach Lapide, dass er von Gott zum König aller Lebewesen und der ganzen Welt gemacht worden sei.345 Insofern ein König auf das Gemeinwohl bedacht sein sollte, entspricht diese Vorstellung auch noch einer heutigen Deutung.346 Stellt sich nun die Frage, wie diese Königsherrschaft aussehen sollte? Zur Verdeutlichung des hier gemeinten Herrschaftsverhältnisses gibt Lapide an, der Mensch im Paradies sei von Gott so geschaffen worden, dass er Gott mit seinem Herzen unterworfen gewesen sei und alle Lebewesen wiederum dem Befehl des Menschen untertan gewesen

mae rationalis, uti voluit Plato in Timaeo, et Philo l. de opificio sex dierum, ac Iudaei:… [Glosse: Hominis excellentiae duodecim] Nota Secundo, excellentiam hominis: Deus enim de hominis, tamquam rei magnae, creatione deliberat et consultat, dicens, Faciamus hominem, ita Rupertus. Est enim homo prima mundi increati, id est SS. Trinitatis imago, et eius infinitae artis, et sapientiae testimonium, et opus perfectissimum: creati vero mundi homo est finis, compendium, vinculum et nexus. [Glosse: Hominis excellentiae duodecim] Est enim homo prima mundi increati, id est SS. Trinitatis imago, et eius infinitae artis, et sapientiae testimonium et opus perfectissimum, creati vero mundi homo est finis, compendium, vinculum et nexus (ebd., 47). [Lasst uns den Menschen nach unserem Abbild und (uns) ähnlich machen.] Man bemerke hier das Mysterium der Hl. Dreifaltigkeit, denn Gottvater spricht mit diesen Worten nicht die Engel an, denen er gleichsam befehlen würde, dass sie selbst den menschlichen Körper und einen fühlenden Geist erschaffen; und sich allein behält er die Herstellung des rationalen Verstandes vor, wie Platon, im Timaeus, und Philo, im Buch De Opificio Sex Dierum, und die Juden meinten: … [Die zwölf Vorzüge des Menschen] Man bemerke zum Zweiten, den Vorzug des Menschen: Denn die Erschaffung des Menschen, gleich einem großen Werk, durchdenkt und überlegt Gott gründlich, indem er sagt: Lasst uns den Menschen machen; so Rupertus. Der Mensch ist nämlich die erste (Schöpfung) einer ungeschaffenen Welt, das heißt ein Abbild der Hl. Dreifaltigkeit, sowohl deren unbegrenzter Kunstfertigkeit als auch Zeugnis (ihrer) Weisheit und (ihr) vollkommenstes Werk. Der Mensch aber ist das Ende der erschaffenen Welt [d.h. des Schöpfungsprozesses], das Ergebnis, das (verbindende) Band und die Verknüpfung. (Übersetzung T.M.). 344 In der historisch-kritischen Exegese wird eine trinitarische Deutung als anachronistisch gar nicht erst in Erwägung gezogen. Seebass referiert hier drei Vorschläge, diesen „polytheistischen Plural“ zu deuten und bevorzugt die Auflösung als Pluralis Majestatis (SEEBASS [1996] 79). 345 Sexto, homo factus est a Deo rector et princeps omnium animalium, etiam maximorum totiusque mundi quasi rex (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 47). Zum Sechsten, der Mensch ist geschaffen von Gott als Lenker und Fürst aller Tiere, auch der größten, und er ist gleichsam König der ganzen Welt. (Übersetzung T.M.) 346 Nach Seebass sind die Menschen „nicht dazu da, die Erde zu unterwerfen und die Tiere zu beherrschen, um Götter zu versorgen, sondern zur Wohlordnung, zum Leben, zu Schöpfungen im Rahmen der Schöpfung, u. a. zur Bildung von Gemeinwesen“ (SEEBASS [1996] 81). Lapide setzte mit dem Bild des Königs den Akzent auf die Leitung des Gemeinwesens. Zur weiteren Füllung des Begriffs wären zeitgenössische Auslegungen einer gerechten und legitimen Herrschaft zu betrachten, wie sie in der Scholastik vorkamen. Dem legitimen König stand dabei der despotische Tyrann gegenüber.

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seien.347 Das ursprüngliche Verhältnis zwischen Gott und Mensch beschreibt er mit der Metapher des Sklaven (lat. mancipium), der seinen Herrn fürchten und ehren muss.348 Er bezog sich explizit dabei auf eine moraltheologische Schrift Pereras, übernahm damit aber im Grunde ein scholastisches Deutungsmuster, das sich z. B. in der STh des Thomas findet: die Metapher des Sklaven zur Diskussion von Herrschaftsverhältnissen.349 In diesem Kontext erscheint der Begriff ‚Sklaverei‘ positiv besetzt zu sein. Er charakterisiert ein unverdorbenes paradiesisches Verhältnis zwischen Gott und Mensch und analog dazu zwischen den Menschen und den übrigen Lebewesen. Diesen sklavischen Gehorsam der Lebewesen gegenüber den Menschen nennt Lapide „gleichsam politisch.“350 Warum? Ging es hier nur um die Herrschaft von Menschen über andere Lebewesen, also Tiere und Pflanzen, oder auch um die Herrschaft von Menschen über Menschen? Nach Lapide war es bereits im Paradies möglich, dass ein Mensch über einen anderen Menschen herrschte. Dabei habe es sich allerdings nicht um eine Herrschaft eines Herrn über einen Sklaven gehandelt, sondern um ein gesellschaftliches Über- bzw. Unterordnungsverhältnis, wie es zwischen Eltern und Kindern, Ehemann und Ehefrau sowie Fürst und Untertanen vorkomme.351 Bei diesem Gedanken verwies Lapide auf Augustinus, De Civitate 347

Octavo, creavit Deus hominem tanta integritate animi et innocentia praeditum, ut et mens subiecta esset Deo et senus rationi et corpus animo et omnes animantes hominis imperio subderentur, hinc factum est, ut nudus non erubesceret (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 48). 348 Warum der Mensch das Abbild Gottes ist, wird von Lapide moralisch hergeleitet. Gott habe gewollt, dass alles am Menschen moralisch sei. Das bedeute wiederum, dass er auch Eigentum Gottes sei. Indem der Mensch sich selbst anschaue, erkenne er gleichsam in seinem Spiegelbild Gott, seinen Schöpfer, und wisse, wie er bei jenem verschuldet sei. Weiter führt Lapide aus, was es bedeute, dass der Mensch das Antlitz Gottes trägt: Homo enim gestat Dei imaginem: Primo, ut filius sui patris, cui debet amorem et pietatem. Secundo, ut mancipium domini sui, quem timere ac revereri debet: Tertio, ut miles sui ducis; et imperatoris, cui fidem et obedientiam praestare oportet Quarto denique, ut minister et dispensator bonorum heri et domini sui, cui rectum usum creaturarum, quae dispensationi eius commissae sunt, exhibere debet, ad perennem Domini Deique sui laudem et gloriam. ita Pererius, qui septem causas morales, cur homo conditus sit ad imaginem Dei, adfert hic l. 4. in digressione morali pag. 501. edit. in octavo (ebd., 49f., Hervorhebung d. Verf.). Dabei wurden also folgende Analogien von Beziehungen hergestellt: Zwischen Vater und Sohn (erstens), zwischen Herrn und Sklaven (zweitens), zwischen dem Befehlshaber und dem Soldaten (drittens) und zwischen dem Verwalter der Güter und dem Diener (viertens). 349 Vgl. PULTAR (2016). 350 Adverte. In statu innocentiae, obedientia animalium fuisset quasi politica, debuissent enim ipsa imperium hominis sensu aliquo percipere, ut ei obedirent (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 50). Hierbei handelt es sich um die Auslegung eines vorangestellten AmbrosiusZitats (Hexameron). 351 Denique tunc homo homini quoque dominatus fuisset, dominatione non servili, sed civili, qualis est inter angelos. Sic enim parentes filios, mariti uxores, principes subditos rexissent. Ita S. Augustinus l. 19. de Civit, cap. 14 (ebd., 50).

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Dei (Buch 19, Kap. 4). Mit Verweis auf Gen 9 und unter Einbeziehung der Politik des Aristoteles führte Lapide weiter aus, dass dieser Urzustand von natürlicher Herrschaft auch nach dem Sündenfall erhalten geblieben, wenngleich geschwächt worden sei.352 Damit ging Lapide weit über den Literalsinn des Textes hinaus und stützte sich bedenkenlos auf die Kirchenväter und die scholastische Überlieferung sowie auf Aristoteles. Die Frage, ob es dem Menschen so, wie ihn Gott geschaffen hat, zukomme, über andere Menschen zu herrschen beziehungsweise von anderen Menschen beherrscht zu werden, behandelte Thomas im zweiten Buch seines Sentenzenkommentars im Zusammenhang mit der Abhandlung über die Sünde.353 Im Bibelkommentar Lapides überschneiden sich demnach ohne Probleme exegetische Beoachtungen zum Bibeltext mit einer Thomasrezeption. Dass diese Interpretation keineswegs selbstverständlich war, zeigt ein Blick auf Augustinus, der im Paradies „jede Herrschaft eines Menschen über einen anderen mit Nachdruck ablehnt.“354 Hier sieht man also, wie sehr es darauf ankam, welche Autorität man für welchen Aspekt heranzog. Lapide positionierte sich folglich in dieser bereits bei Thomas diskutierten Frage und gab an, dass es legitime Formen von Über- und Unterordnung zwischen Menschen gibt, die seiner Ansicht nach der Würde des Menschen als Ebenbild Gottes nicht widersprechen.355 Diese im Paradies bereits vor352 Nota Secundo. Mansit in homine hoc dominium post peccatum, ut patet Genes. 9. v. 1. hinc iure naturae, ut docet Aristot. in l. 1. politic. cuique homini licita est sylvestrium animalium venatio, aeque ac piscium piscatio. Verum per peccatum multum imminutum est hoc dominium; idque, ut notat Hugo, maxime circa animalia extrema, scilicet maxima, ut leones, et minima ac vilissima, uti culices, pulices, etc. illud tamen recuperarunt quidam viri sanctissimi, qui ad innocentiam primaevam quam proxime accesserunt; ut Noe in omnia animalia arcae, Elisaeus in ursos, Daniel in leones, Paulus in viperam, S. Franciscus in pisces et aves, quibus concionabatur, imperium obtinuit (ebd., 50). Man bemerke zum Zweiten: Es ist diese Herrschaft dem Menschen geblieben (auch) nach dem Sündenfall, wie offenbar ist in Gen 9,1, daher nach dem Naturrecht, wie Aristoteles lehrt, im ersten Buch der „Politeia“: Jedem Menschen ist die Jagd auf die Tiere des Waldes ebenso wie der Fischfang erlaubt. Allerdings ist diese Herrschaft nach dem Sündenfall stark geschwächt worden; und dies, wie Hugo anmerkt, am meisten gegenüber den schlimmsten Tieren, das heißt den größten, wie den Löwen, und den kleinsten und geringsten, wie den Mücken, Flöhen usw. Sie (die Herrschaft, d. Verf.) zurückerlangt aber haben einige besonders heilige Männer, die der Unschuld der ersten Tage am nächsten gekommen sind: Wie Noah über alle Tiere der Arche, Elischa über die Bären, Daniel über die Löwen, Paulus über die Schlange (und) der hl. Franziskus über Fische und Vögel, die er versammelte, Befehl übernahm. (Übersetzung T.M.) 353 „Es ist dies sozusagen der locus classicus, wo seit Bonaventura der Ursprung der Herrschaft erörtert wird“ (FLÜELER [2003] 74f.). 354 KLEIN (1988) 89, mit Hinweis auf Augustinus, De civitate Dei 19,15. 355 Im Sentenzenkommentar des Thomas wird diese Frage freilich zunächst einmal diskutiert: Ist eine solche Herrschaft (praelatio, sive dominium) von Gott zur Ordnung (in ordinationem) der geschaffenen Natur eingesetzt worden, oder ist sie dessen Strafe für die durch die Sünde verdorbene Natur des Menschen (in punitionem naturae corruptae)? Im ersten Fall wäre eine Herrschaft von Menschen über Menschen im Urzustand gottgewollt und gut, im zweiten Fall

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kommende und damit natürliche Herrschaftsform ist allerdings ausdrücklich kein Sklavereiverhältnis. Insofern war Sklaverei nicht im Schöpfungsplan vorgesehen. Daraus werden letztlich aber keine sklavereikritischen Konsequenzen gezogen. Hier zeigt sich ein Widerspruch durch die Verwendung der Sklavereimetapher. Einerseits wird die Gottebenbildlichkeit als sklavisches Verhältnis (Gott – Mensch analog zu Mensch – Lebewesen) positiv beschrieben, andererseits erstreckt sich diese Analogie nicht auf das ursprüngliche Herrschaftsverhältnis von Menschen über andere Menschen. Diese natürliche Über- und Unterordnung sei ja gerade noch kein richtiges Sklavereiverhältnis gewesen. Spätestens hier müsste der Scholastiker übernehmen. Auch in exegetischer Hinsicht stellt sich jedoch die Frage, wann die Sklaverei dann in die Welt gekommen ist: Mit dem Sündenfall? Oder tritt Sklaverei erst mit der Verfluchung Kanaans in die Geschichte ein? Auf diese Erzählung ist im Folgenden einzugehen.

3.2 Die Verfluchung Kanaans (Gen 9,18-29) „Er [Noah] sagte: Verflucht sei Kanaan. Der niedrigste Knecht sei er seinen Brüdern. Und weiter sagte er: Gepriesen sei der Herr, der Gott Sems, Kanaan aber sei sein Knecht“ (Gen 9,25-26). In der Vulgata liest sich V. 25 folgendermaßen: Maledictus Chanaan, servus servorum erit fratribus suis. Hier klingt der Begriff Sklave (servus) an, den die deutsche Einheitsübersetzung mit der Formulierung „niedrigster Knecht“ abmildert. Unabhängig von der Frage, ob servus hier besser als Sklave oder Knecht übersetzt werden sollte – beides scheint möglich –, stellt sich bei der Rezeptionsgeschichte die Frage, wie dies in den zeitgenössischen Bibelkommentaren verstanden wurde. Kaum eine andere Bibelstelle wurde häufiger im Zusammenhang mit Sklaverei untersucht. Noch am 10. Juni 1964 hielt Senator Robert C. Byrd eine Rede vor dem Senat der Vereinigten Staaten, in welcher er sich auch auf ‚die Verfluchung Hams‘ berief. Ham sei der Urvater Afrikas. Mit ihm sei Afrika von Gott zur Sklaverei verurteilt worden. Obwohl im Bibeltext steht, dass nicht Ham, sondern sein Sohn Kanaan verflucht wurde, und obwohl nicht von Rasse oder Hautfarbe die Rede ist, wurden diese Verse von Gen 9 zur Basis einer festen Ideologie und einer theologischen Verteidigung der af-

hätte es eine solche Herrschaft im Urzustand nicht geben können (Super Sent. 2, d. 44 q. 1 pr). Die Herrschaft des Menschen über die nichtmenschliche Natur wird hier nur beiläufig thematisiert; im Gegensatz zur Summa theologiae (STh. I, q. 96 a. 1 und 2) wird ihr in Super Sent. 2, d. 44 keine eigene Untersuchung gewidmet (vgl. PULTAR [2016]).

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rikanischen Sklaverei, der Apartheit und Diskriminierung.356 Wie ist es dazu gekommen? Wie wurde der Text im Laufe der Jahrhunderte ausgelegt? Diese Entwicklungsgeschichte zeichnet David M. Whitford vom Mittelalter bis ins frühe 19. Jahrhundert nach, wobei ein deutlicher Schwerpunkt seiner Darstellung auf der Frühen Neuzeit liegt.357 Danach war die Verbindung von Ham und Sklaverei keineswegs einheitlich. So führte fast jede königliche Genealogie im 16. Jahrhundert Ham als Vorfahren. Ham war also nicht nur Sklave, sondern auch König und Gott.358 Auch die protestantischen Prediger und Bibelkommentatoren des 16. Jahrhunderts ignorierten den Aspekt der Sklaverei weitgehend. Immerhin bereiteten sie unabsichtlich den Boden für die Auslegung einer Verfluchung Hams, indem Kanaan weitgehend marginalisiert und die Verfluchung auf Ham bezogen wurde.359 Noch in Bibelkommentaren des 17. Jahrhunderts war die Verbindung von Afrika, Hams Verfluchung und Sklaverei relativ selten.360 Wegweisend für diese Verbindung wurde die Abhandlung von George Best (1555-1584) über Martin Frobishers Reisen nach Nordamerika im Jahr 1578. Für seine positive Beschreibung der Eskimos dienten die Afrikaner als dunkle Negativfolie. Als Werber für Entdeckungsreisen im elisabethanischen England schrieb er gegen die Ängste der Art an, man könne im heißen Klima eine schwarze Haut bekommen. Dass die Afrikaner schwarz seien, komme nicht vom Klima, sondern vom Fluch Noahs.361 Vom verfluchten Ham zu den schwarzen afrikanischen Sklaven war es nur ein kleiner Schritt, doch erst im 18. Jahrhundert war die ‚Fluchmatrix‘ fertig. Im 19. Jahrhundert funktionierte die Geschichte Hams als Mythos in den Südstaaten vor dem Bürgerkrieg. Sie rahmte das Ethos eines Lebens auf der Plantage mit einer heiligen Geschichte.362 Vor diesem Hintergrund soll nun die Deutung dieser Geschichte in den Jesuitenkommentaren des Collegio Romano näher betrachtet werden. Gen 9,25 ist die erste Bibelstelle der Vulgata, in welcher der Begriff Sklave (lat. servus) vorkommt. Wir haben zwar gesehen, dass für die Interpretation einer Bibelstelle wie Gen 1,26-27 das Thema Sklaverei anklingen konnte (vgl. III. 3.1), aber nun findet sich dieser Begriff auch explizit im Text. Wie gingen die Bibelkommentatoren am Collegio Romano mit dieser Stelle um? Die Kommentare von Emanuel Sa, Juan Mariana und Giovanni Stephano Menochio bieten lediglich kurze Erläuterungen zum Literalsinn einzelner 356 Nach GOLDENBERG (2005) wurde die ‚Verfluchung Hams‘ in Amerika bis vor kurzem gelehrt und als gültig angesehen (ebd., 143). 357 WHITFORD (2009). 358 Ebd., 43-76. 359 Ebd., 77-104. 360 Ebd., 85. 361 Ebd., 111. 362 Vgl. ebd., 171-176.

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Wörter des Vulgatatextes. Da diese keine Hinweise auf ein Verständnis von Sklaverei liefern, sind sie hier nur insofern relevant, als festzuhalten ist, dass diese Bibelstelle nicht im Hinblick auf Sklaverei ausgedeutet wurde.363 Der Genesiskommentar von Benito Perera364 und der Bibelkommentar von Cornelius a Lapide365 gehen hingegen ausführlicher auf Gen 9, 18-29 ein. Betrachten wir diese beiden im Folgenden näher. Nach Perera, dessen Genesiskommentar 1593 erschien, besteht der Fluch Noahs über Hams Sohn Kanaan (zu dessen Nachkommen das Volk der Kanaaniter wird) darin, dass Kanaan und seine Nachkommen für immer Sklaven der Nachkommen Sems und Japhets sein sollen. Soweit der Literalsinn. Im Kontext einer allegorischen Auslegung stellt sich nun die Frage: Wofür stehen Kanaan, Sem und Japhet beziehungsweise ihre Nachfahren? Sem ist nach Perera der Stammvater der Hebräer, während aus der Linie Japhets die Griechen und Römer, später die Europäer hervorgehen.366 Bei der Auslegung Japhets stützte er sich auf den Genesiskommentar des Rupert von Deutz. Eine religiös-ethnische Genealogie kündigt sich an. Doch verfolgt Perera diese Interpretationslinie nicht weiter. Er eröffnet vielmehr einen anderen Deutungshorizont, indem er nun auf die Kanaaniter eingeht. Nach der allegorischen Auslegung von Perera präfiguriert Kanaan nicht die afrikanischen Sklaven, sondern die Häretiker, die Christus verleugnet, die Ehre des Vaters im Himmel (Gott) und auf der Erde (Papst) verletzt haben: „Und freilich war Ham beschaffen wie die Häretiker, denn ‚Cham‘ wird als ‚feurig‘ übersetzt367, das heißt (er war) ungeduldig und stets zu Raufereien bereit, dazu streitsüchtig, (einer) der über die Nacktheit des Vaters spottet und sich öffentlich darüber verbreitet. So sind die Häretiker, die aufgrund der Demut und Schwäche Christi verneinen, dass er der wahre Gott sei, indem sie aller Welt mitteilen und vorbringen, was 363

Vgl. Emanuel Sa/ Juan de Mariana/ Petrus Lansselius, Biblia Sacra vulgatae editionis Sixti V. Pont. Max. iussu recognita atque edita. Cum scholiis plurimum auctis et emendatis Ioannis Marianae et notationibus Emanuelis Sa, Societatis Iesu sacerdotum. Quae singulis sacri textus capitibus subiunguntur et perpetui commentarii vicem supplent, additio Petri Lansselii eiusdem Soc. Supplemento, 2 Bde., Antwerpen 1624, 17f.; Giovanni Stephano Menochio, Brevis explicatio sensus litteralis totius S. Scripturae ex optimis quibusque auctoribus per epitomen collecta, a R. P. Stephano Menochio Soc.tis Iesu theol. doct., Köln 1630, 33-35. 364 Benito Perera, Benedicti Pererii Valentini e Societate Iesu commentariorum et disputationum in Genesim, Bd. 2, Lyon 1593, 57-391. 365 Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 107-115. 366 Altera sententia est, posteros Iaphet habitaturos in tabernaculis posterorum Sem, inde ipsis eiectis. Posteri enim Sem, ut non semel diximus, fuerunt Hebraei: per eorum tabernacula intelligere oportet veri Dei fidem, et cultum, et sacrarum literarum eloquia, denique promissa bona per Messiam ipsis praestanda. (Perera, In Genesim [Bd. 2], Lyon 1593, 388). Zur Deutung Sems: Posteri enim Sem, ut non semel diximus, fuerunt Hebraei. (ebd., 388) Zur Deutung Japhets: De Iaphet nati sunt Graeci et Latini. … Iaphet, a quibus Europa possessa est, … (ebd., 389). 367 Es handelt sich um eine Referenz auf Hieronymus, Liber de nominibus Hebraicis (PL XXIV), Sp. 887–891.

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III. Sklaverei und Bibelexegese (diese) Ohnmacht Christi angeht, dagegen verschweigen, was zum Beweis seiner göttlichen Majestät geschehen ist, oder es durch verdrehte Deutung entstellen. Diese (Häretiker) sind streitsüchtig, zänkisch, sie dienen dem Lästern und Verfolgen. Aber ob sie wollen oder nicht, sind sie Sklaven der Sklaven Gottes: deren Ruhm zu mehren und zu vervollkommnen und sie zu schmücken und ihnen Kronen zu flechten, (dazu) dienen sie. Und gewiss trifft auf sie auch zu, dass Ham nicht selbst, sondern sein Sohn Kanaan verflucht wurde, denn indem einmal die Bestrafung der Häretiker dem zukünftigen Jahrhundert vorbehalten ist, werden sie gleichsam nicht an sich selbst, sondern an ihren Nachkommen gestraft. Denn jede häretische Sekte, selbst wenn sie zunächst mächtig und ruhmvoll und unter günstigen Umständen zu gedeihen scheint, gerät binnen Kurzem in der nachfolgenden Generation ins Wanken und geht unter. Und mit Schande und Fluch der Menschen verschwindet sie.“ 368 (Übersetzung T.M.)

Im Unterschied zu Kanaan werden nun Sem und Japhet nochmals neu interpretiert. Sem wird mit den Prälaten und Japhet mit den Untertanen (subditi) innerhalb der Kirche gleichgesetzt. Beide Gruppen sind von Christus zum Heil berufen.369 Lapide trägt damit dem Literalsinn des Textes Rechnung, dass ja nicht Ham, sondern sein Sohn Kanaan verflucht worden sei. Die Häretiker waren entsprechend nicht von Anfang an solche, sondern wurden es erst im Laufe der Geschichte. Sie sind nun Sklaven ihrer fortwährenden Lästerungen. Den aktuellen Deutungsrahmen bildet also die kontroverstheologische Auseinandersetzung zwischen Katholiken einerseits und Protestanten und Calvinisten andererseits, wie dies Perera im Vorwort seines Genesiskom368

Et quidem Cham figura fuit Haereticorum, nam Cham interpretatur calidus, id est, impatiens semperque servens ad rixas, atque contentiosus, qui patris nuditatem irridet et evulgat: tales funt Haeretici, qui propter humilitatem et infirmitatem Christi negant eum esse verum Deum, publicantes et iactantes quae ad humilitatem Christi pertinent, multa vero quae ad declarandam divinitatis eius maiestatem faciunt, tacentes, aut perversa interpretatione depravantes. Isti sunt contentiosi, litigiosi, serventes in maledicendo et persequendo; sed velint nolint, servi sunt servorum Dei: illorum enim augendae et consummandae gloriae serviunt, et exornandis ac perficiendis coronis famulantur. Nec in eos non apte quadrat quod Cham non in se ipso sed in filio suo Chanaan maledictus est, nam dum aliquando Haereticorum poena in futurum saeculum reservatur, quasi non in semetipsis sed in posteris suis puniuntur: quaelibet enim secta Haereticorum, quamvis a primo visa sit potens et gloriosa, et ad tempus prosperos habens processus, paulatim tamen in posteris suis labascit, et deficit, et cum dedecore atque execratione hominum evanescit. [Glosse: 1. Corinth. I.] (Perera, In Genesim [Bd. 2], Lyon 1593, 389). 369 E contrario autem Sem et Iaphet, id est electi infirmitates Christi, ut quas ille nulla necessitate sed summa voluntate atque charitate nostrae salutis causa susceperat, summa pietate venerantur, scientes quod infirmum et stultum est Dei, sapientius et fortius esse omnibus hominibus. Adversos autem nuditatem Noë proprio pallio tegere, est, in Christi nece aversari quidem immane facinus Iudaeorum, sed ipsas Domini passiones venerando sacramentorum ordine operire, grate recolentes, pie venerantes, studiose imitantes. Et Sem quidem significans nominatum et inclytum, figura est Praelatorum in Ecclesia Christi: Iaphet autem significans latitudinem, figuram habet subditorum, quorum maximus est in Ecclesia Christi numerus. Verum satis fuerit hoc attigisse, cetera meditationi lectoris relinquentes (ebd., 390).

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mentars auch bereits ankündigte.370 Allerdings stellt, wie wir später sehen werden, für Perera auch der Islam eine Häresie des Christentums dar. Er könnte somit auch Muslime gemeint haben, mit deren Herrschaften (Osmanisches Reich, nordafrikanische Staaten) sich die europäische christliche Welt in der Zeit Pereras in kriegerischen Auseinandersetzungen befand.371 Die Skaverei der Häretiker bezieht sich demnach zunächst nicht auf ein soziales Herrschaftsverhältnis, sondern auf eine innere Unfreiheit, die durch die Sünde der Häresie entstanden ist. Aber die Häretiker werden in künftigen Jahrhunderten bestraft, poena in futurum saeculum reservatur.372 Damit ist wohl eine Strafe im Jenseits gemeint. Auch Cornelius a Lapide bot über dreißig Jahre später (1626) eine allegorische Deutung, wobei er sich hierbei sachlich nicht ganz angemessen auf Augustinus bezog. Demnach stehe Ham für die Juden und Häretiker. Beide hätten damit in Ham Noah verhöhnt und damit auch Christus und die Christen.373 Darüber hinaus führte Lapide zur Verfluchung Kanaans aus, was es bedeute, dass dieser zum Sklaven der Sklaven (servus servorum) seiner Brüder wurde.374 Mit dieser Bezeichnung seien die untersten und niedrigsten Sklaven gemeint. Er schrieb: “Sklave der Sklaven – das heißt niedrigster und wertlosester Sklave. Man bemerke, dass die Sklaverei eine Bestrafung der Sünde ist. Daher sind die Sklaven dazu bestimmt und danach benannt, (einerseits) bewahrt zu werden – da Kriegsgefangene, nachdem sie wie Feinde und Übeltäter angetroffen wurden, aus einer gewissen Milde heraus als Sklaven am Leben erhalten werden – oder (andererseits) zu dienen. Dagegen, wer kein ehrerbietiger Sohn sein will, wird gestraft wie es einem Sklaven geschieht: Gerecht ist nämlich, dass zu sklavischer Unterwerfung herabgedrückt werde, der die den Nachkommen gebührende, (ihnen) angenehme und natürliche Unterwerfung – oder Sklaverei – zu verletzen sich nicht schämt.” (Übersetzung T.M.)375

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Vgl. dazu: REISER (2007) 153-157. Vgl. III.4.3. 372 Perera, In Genesim (Bd. 2), Lyon 1593, 390. 373 So die abschließende Bemerkung zu Vers 22 von Lapide: Allegorice, S. August. lib. 16 de Civit. c.2. et 7. Cham sunt Iudaei et Haeretici. Hi irrident Noë, id est Christum et Christianos (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 114). Lapide gibt hier an, dass Augustinus in Buch 16 von De civitate Dei, Kapitel 2 und 7 Cham (= Ham) als Juden und Häretiker deutet. Diese verlachen Noah, das heißt Christus und die Christen. Tatsächlich steht bei Augustinus, dass Ham für die Häretiker steht und Sem für die Juden (Augustinus, De civitate Dei 16,2). In De civitate Dei 16, 7 steht nichts zu diesem Thema. Zu Augustinus über die Juden als servi legis per timorem vgl. KLEIN (1988) 72-78 und zu Augustinus über die Ketzer als servi mali et fugitivi vgl. ebd., 78-82. 374 So zu V. 25: Maledictus Chanaan, servus servorum erit fratribus suis (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 107) (= Zitat der Bibelstelle nach der Vulgata). 375 [SERVUS SERVORUM] id est servus infimus et vilissimus. Nota, poenam peccati esse servitutem. Hinc et servi facti et dicti sunt a servando, quod bello capti, cum possent accidi quasi hostes et nocentes, ex quadam indulgentia in vita servarentur servi, sive ad serviendum. Rursum, qui noluit esse filius reverens, punitur ut fiat servus: iustum enim est, ut servili subi371

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III. Sklaverei und Bibelexegese

Neben einer Hierarchisierung innerhalb des Sklavenstandes in höhere und niedrigere Sklaven, wird hier die Ursache der Sklaverei als Strafe für die Sünde genannt. Recht und Moral verschmelzen somit. Es wird sowohl das Motiv der Bewahrung des Kriegsgefangenen vor der Todesstrafe durch Sklaverei angesprochen als auch eine Analogie zum Verhältnis von Vater und Sohn als natürliches Abhängigkeitsverhältnis hergestellt. Die letzte Deutung haben wir bereits in seinem Kommentar zu Gen 1,26-27 gesehen. Der Hinweis auf Sklaverei als legitime Folge von Kriegsgefangenschaft war wiederum Bestandteil scholastischer Behandlung des Naturrechts. Entscheidend ist hier, dass zu einer vorher bereits bestehenden gemäßigten Form von Sklaverei nun die Sklaverei in ihren grausamsten Formen in die Welt kam. Schließlich verteidigte Lapide an dieser Stelle das Papsttum in kontroverstheologischer Absicht. So habe Johannes Calvin den Papst verunglimpft, indem er die Bezeichnung des Papstes als servus servorum aus dem Fluch über Kanaan abgeleitet habe. Dagegen wandte Lapide ein, dass die korrekte und positiv konnotierte Bezeichnung servus servorum Dei lauten müsse, was bereits Rupert von Deutz festgestellt hätte, und sich folglich nicht von dieser Bibelstelle herleiten lasse.376 Insgesamt lässt sich festhalten, dass Perera und Lapide die Sklaverei allgemein als Folge von Strafe und Sünde ansahen, aber keine ethnozentrische oder rassistische Begründung von Sklaverei damit verbanden. Der aktuelle Deutungsrahmen bestand im historischen Kontext der Konfessionalisierung, in dessen kontroverstheologische Betrachtung auch Muslime, die als Häretiker gedeutet wurden, gehören konnten. Lapide betrachtete sogar die Juden als Häretiker. Die Sklaverei als Strafe für die Häretiker bezog sich aber nicht auf reale Herrschaftsverhältnisse, sondern auf eine spirituelle Sklaverei (Sklaverei der Sünde). Insofern spielte die reale Sklaverei für die Exegeten an dieser Stelle keine Rolle. Der Befund ist auch für die Deutung dieser Bibelstelle bis zum Ende des 18. Jahrhunderts bedeutsam, da beide Kommentare große Autorität erlangten und über mehrere Jahrhunderte hinweg als Handbücher für die Predigt katholischer Geistlicher genutzt wurden.377 ectione prematur is, qui filialem, suavemque ac naturalem subiectionem, seu servitutem, violare non erubuit (ebd., 114). 376 Ridet Calvinus hic Papam, quod ex maledictione hac Chami, sumpserit sibi titulum, servus servorum. Sed errat: non enim Papa absolute se vocat servuum servorum, sed, ut recte notat Rupert. cum addito servus servorum Dei; idque facit ex pia animi submissione. Non ergo ex impio Chamo hoc nomen sibi sumpsit Pontifex (ebd.). Das Wesen der staatlichen und kirchlichen Gewalt war ebenfalls ein breit diskutiertes Thema im 16. u. 17. Jahrhundert (vgl. ARNOLD [1934]; HORST [2003]). Beim Hinweis auf Rupert [von Deutz] fehlt bei Lapide eine konkrete Stellenangabe. 377 Die Bibelkommentare waren für die Vorbereitung von Predigten für katholische Geistliche bestimmt. Am deutlichsten geht dies aus dem Index materiarum pro Concionibus hervor, der am Ende eines jeden Bibelkommentars von Cornelius a Lapide eine Auswahl passender

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Man könnte meinen, dass bereits die Betonung des Literalsinns in der Exegese einer ‚Verfluchungsmatrix‘ vorbeugen müsste. Hier ist aber Vorsicht geboten, da die allegorische Auslegung größere Spielräume zuließ. Immerhin steht in der Bibel auch nichts von Häretikern. Auf abenteuerliche Herleitungen des Namens ‚Ham‘ etwa mit ‚dunkel‘, ‚schwarz‘ oder ‚heiß‘ ließen sich die Jesuiten kaum ein.378 Nur einmal begegnete eine Herleitung mit ‚heiß‘ nach Hieronymus. Dass der früheste Hinweis auf eine Schreibung Hams als ‚schwarz‘ im Talmud des 4. Jahrhunderts zu finden ist,379 dürfte von katholischer Seite kaum wahrgenommen worden sein, stand der Talmud im 16. Jahrhundert doch auf dem Index. Die erste Verbindung zwischen Sklaverei und schwarzer Hautfarbe findet sich nach Goldenberg wiederum in nahöstlichen Quellen zu Beginn des 7. Jahrhunderts und spielte bei der islamischen Eroberung Afrikas eine Rolle.380 So könnte man eventuell in der afrikanischen Sklaverei aufgrund arabischer Eroberungen erste rassistische Sklavereibegründungen ausmachen, die dann mit der afrikanischen Sklaverei auch nach Amerika in einen christlichen Kontext gelangten. Doch ist ein solcher Zusammenhang leichter zu behaupten als zu beweisen. Am Collegio Romano ließ sich bisher keinerlei Bezug dazu feststellen. Dieser Befund passt besser zu den Beobachtungen Whitfords, der, wie erwähnt, herausgestellt hat, dass die Bibelkommentare des 16. Jahrhunderts die Sklaverei weitgehend ignorierten. Dies ließe sich mit Lapide ins 17. Jahrhundert fortführen und nunmehr sowohl für protestantische als auch für katholische Kommentare bestätigen. Eine ältere Auslegungstradition dieses Bibeltextes sah hier jedoch den Ursprung der Sklaverei. So führte zum Beispiel Lorin in seinem Levitikuskommentar 1620 in Anlehnung an Chrysostomus und Augustinus zur Verfluchung Kanaans aus: „Den Ursprung der Sklaverei erkennen Chrysostomus und Augustinus nach dem anstelle seines Vaters von Noah verfluchten Kanaan; vor dieser Verfluchung ist die Bezeichnung ‚Sklaven‘ nicht gehört worden.“381 (Übersetzung T.M.)

Themen für die Sonntage und kirchlichen Festtage vorschlägt (vgl. Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, unpaginiert). 378 Zu den unhaltbaren etymologischen Theorien des Namens ‚Ham‘: GOLDENBERG (2005) 146-149. 379 Nach Goldenberg ist der früheste Hinweis darauf, dass Ham als schwarz beschrieben wurde, sicher im vierten Jahrhundert zu finden (Redaktion des palästinensischen Talmud), wahrscheinlich sogar schon im 3.-4. Jahrhundert (Marqe) und möglicherweise im 2. oder 3. Jahrhundert (tannaitische Ätiologie) (ebd., 157). 380 Ebd., 170. Die Verbindung bei Origenes scheint zufällig und ist hier nicht von Bedeutung (ebd., 169). 381 Originem servitutis agnoscunt Chrysostomus, et Augustinus, post maledictum Chanaan a Noe patre suo, ante quam maledictionem inauditum fuit servi nomen (Jean de Lorin, Ioannis Lorini Societatis Iesu commentarii in Leviticum, in quibus praeter exactam sensus litteralis

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Diese Rezeption hatte gute Gründe, wie am Beispiel des Augustinus kurz gezeigt werden soll. Jenseits der Frage, ob es überhaupt so etwas wie Überund Unterordnungsverhältnisse zwischen Menschen im Paradies gegeben habe, waren sich bereits die Kirchenväter einig gewesen, dass hier noch keine richtige Sklaverei vorgelegen habe. Diese musste also später in die Welt gekommen sein. Nach Augustinus lag die entscheidende Zäsur in der Sünde Adams. Damit sei die menschliche Natur verdorben worden, was sich in der Veränderung der Herrschaftsverhältnisse zeigte: Gehorsam in Liebe und Eintracht verwandelte sich in permanente Abhängigkeit. Damit wäre die Sklaverei der Sünde in die Welt gekommen, die eine Vorform zur gesellschaftlichen Institution darstellte. Diese äußere Sklaverei trat dann nach Augustinus mit der Sünde Hams in die Welt. Nach De civitate Dei war die Unterordnung (Versklavung) Hams unter die Brüder die Strafe für sein moralisches Vergehen.382 Diese Vorstellung scheint zum unstrittigen Wissenshorizont der römischen Exegeten gehört zu haben. 3.3 Jakob und Esau (Gen 27) Nach der Erzählung über die Verfluchung Kanaans in Gen 9 ist der Konflikt zwischen Jakob und Esau um das Erstgeburtsrecht und den Erstgeburtssegen in Gen 27 der zweite alttestamentliche Bruderzwist, der die Versklavung eines Bruders und seiner Nachfahren zur Folge hat. Die moderne Exegese hebt diese Folge für Esau und seine Nachkommen, die aus Jakobs Betrug um den Erstgeburtssegen resultiert, nicht mehr hervor.383 Der vierte Band des Genesiskommentars von Benito Perera ging hingegen anhand patristischer Autoritäten auf diesen Aspekt noch ausführlicher ein.384 Dabei bezog er sich auf V. 40: „Du wirst vom Schwert leben und Deinem Bruder dienen.“385 Perera identifizierte die Nachkommen Esaus mit den Idumäern (oder Edomitern) und charakterisiert sie als ein kriegerisches und blutdurstiges Volk, das sich an Krieg und Raub erfreute.386 Diese Deutung übernahm Perera vom jüdiexplanationem, variarum tum editionum, tum lectionum collactionem cum vulgata, phraseon etiam Scripturae atque vocabulorum disquisitionem, mystici omnis generis sensus ex patribus, praecipue Graecis Latinisque traduntur, Douai 1620, 894). 382 KLEIN (1988) 87-97. 383 SEEBASS (1999) 292-310. 384 Benito Perera, Benedicti Pererii Valentini e Societate Iesu tomus quartus commentatorium et disputatorium in librum Genesim. A capite vigesimo quinto usque ad quinquagesimum et finem libri, Lyon 1600, 167-169. 385 Zu V. 40: Vives in gladio et fratri suo servies (ebd.). 386 Illud vives in gladio denotat non solum personam Esau, sed multo magis posteros eius, gentem dico Idumaeorum perpetuo accintos fore gladiis et arma versantes et bellicosos, saevos, sanguinarios, bellicis turbis ac tumultibus, rapinisque, ac caedibus gaudentes (ebd.,

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schen Geschichtsschreiber Flavius Josephus (37/38-ca.100) und seiner Geschichte über den Jüdischen Krieg. In Anlehnung an Josephus bestand für Perera die ungezügelte Grausamkeit dieses Volkes auch darin, dass sie als Hilfstruppe der Zeloten ihre Gefangenen im Krieg töteten und entgegen den religiösen Vorschriften nicht bestatteten.387 Für Perera handelte es sich bei der Versklavung Esaus jedoch um eine mildere Form der Sklaverei, da er nicht Barbaren oder Fremden, sondern seinem eigenen Bruder als Sklave dienen sollte. Außerdem sollte nach der Weissagung Isaaks diese Sklaverei nicht für immer, sondern nur für eine begrenzte Zeit bestehen.388 Perera stellte sich also eine Art Schuldknechtschaft vor, wie sie auch zwischen Israeliten bestehen konnte und von beschränkter Dauer sein sollte (vgl. III. 3.4). Und die Prophezeiung Isaaks bezog sich nicht nur auf Esau und Jakob, sondern auch auf deren Nachkommen. Perera sah diese Versklavung als gerechtfertigt an, da sie zur Erziehung und Verbesserung des Brudervolkes, d.h. der Edomiter als Nachfahren Esaus, beitragen sollte. So habe König David die Edomiter unter die Herrschaft der Hebräer gebracht (2 Kön 8; 1 Chr 18,13), damit die Nachkommen

167). Hier wird das Volk der Idumäer genannt. Durch den Bezug auf Flavius Josephus, der die Idumäer mit den Edomitern identifizierte, sind hier wohl die Edomiter gemeint. Quelle dafür ist Flavius Josephus, De bello Iudaico, Buch 4. Ganz klar ist dies allerdings nicht. 387 Tales porro fuisse Idumaeos, satis ad cognoscendum furit vel unius Iosephi testimonium. Is enim lib. 4. de bello Iudaico narrat, in tempore obsidionis Hierosolymitanae Zelotas in auxilium suum accersisse Idumaeos; gentem, inquit Iosephus, turbulentam et mutationibus rerum studentem, atque gaudentem; et quae vel parvis supplicantium adulationibus, et blandimentis arma moveret, et in aciem tanquam ad festum pergeret. Et paulo post: Idumaei, ait, nulli parcebant, cum sint natura sua crudelissimi ad occidendum: atque indifferenter tam supplicantes sibi, quam repugnantes; etiam communem sanguinem, et communis templi reverentiam commemorantes, gladiis transverberabant, aedes diripiebant, obvios quoslibet occidebant; contemptaque plebe, Sacerdotes vestigabant, captosque statim occidebant. In tantum praeterea impietatis processerunt, ut occisos abiicerent insepultos, cum tamen tanta semper Iudaeis sepulturae cura fuerit, ut etiam cruce damnatos, ante solis occas[io]n[e]m tollendi, et sepeliendi praeceptum divinum habuerint. Sic Iosephus. Ex quo liquet, posteros Esau fuisse armigeros, et feroces, et sanguinarios, ut bene in illos, sub persona Esau parentis eius gentis, praedictum sit ab Isaac, Vives in gladio (Perera, In Genesim [Bd. 4], Lyon 1600, 167f.). Perera bezieht sich dabei auf das vierte und fünfte Kapitel des vierten Buches in der Geschichte des Jüdischen Krieges von Flavius Josephus (vgl. dazu: BERENDTS/ GRASS [1979] 450-464; CLEMENTZ [ND 2005] 321-334; CLEMENTZ [1900] 418-424, NIESE Bd. 6 [1955] 376-393 und THACKERAY Bd. 3 [1979] 66-103. Zum Geschichtsbild des Josephus: LINDNER [1972]). 388 Et fratri tuo servies. Servire aliis, naturaliter durum, asperum et odiosum est. Verum servitus Esau dupliciter mitigatur ab Isaac, tum quod non erat serviturus Esau alienigenis, aut barbaris, aut inimicis, sed fratri et consanguineis suis, tum quod futura non erat ea servitus perpetua, sed aliquando excutienda, eratque posteris Esau, non libertas modo, sed etiam regnum comparandum. Nec istud vaticinium Isaac completum est in duobus illis fratribus Iacob et Esau, sed in eorum posteris (Perera, In Genesim [Bd. 4], Lyon 1600, 168).

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Esaus den Nachkommen Jakobs als Sklaven dienen und sie auf diese Weise gut und nützlich gemacht werden sollten.389 Perera behauptet weiter, dass es ein hohes Gut sei, wenn die Schlechten und Törichten von den Weisen und Guten regiert werden.390 Dabei verweist er zunächst auf Philo von Alexandrien (gest. um 40 n. Chr.) und dessen Werke Über die Tüchtigkeit des Freien und Über die Tugenden, in denen Philo die Herrschaft des moralisch überlegenen Zweitgeborenen Jakob über den moralisch unterlegenen Erstgeborenen Esau als Mittel zur Besserung verteidigte.391 Diese Sichtweise fand Perera aber auch in der Homilie Über Jakob und das selige Leben des Ambrosius von Mailand (339-397) bestätigt. Seiner Meinung nach habe Ambrosius dieses Thema noch klarer und vollständiger behandelt als Philo, aber er überlasse dieses Urteil dem Leser, dem er hier beide Vorlagen präsentiere.392 In der erwähnten Homilie habe der lateinische Kirchenvater Ambrosius am Beispiel Esaus und Jakobs jedenfalls gezeigt, dass die Herrschaft des Klügeren zum Wohle des zur Herrschaft Unfähigen sinnvoll sei.393 Die Rezeption des Kirchenvaters erweist sich bei näherer Be389

Regnante enim Davide, Idumaei subiecti sunt Imperio Hebraeorum. Sic enim scriptum est libro 2. Regum cap. 8. Posuit in Idumaea custodes, statuitque praesidium: et facta est universa Idumaea serviens David. Hoc itaque vaticinium Isaac de subiectione Idumaeorum sub imperium Hebraeorum completum est, 70 annis, et eo amplius, postquam ab eo enunciatum fuerat. Ac licet pro magno malo duceret Esau, posteros suos servituros esse posteris Iacob, fuisset tamen ipsis, si eo uti, ut par erat, voluissent, bonum et utile (ebd., 168). Die Angabe 2 Kön 8 scheint irrig, tatsächlich handelt es sich um 2 Sam 8,14. 390 Improbos namque et insipientes, prudentum ac bonorum imperio teneri et regi, magno illis bono est. Audiat lector elegantem super ea re Philonis sententiam (ebd.). 391 Haec Philo in eo libro quem praenotavit: Quod omnis probus liber. Et in libro, quem scripsit de nobilitate, in eadem sententiam haec addit: Ex Isaac nati sunt gemelli, diversis admodum corporibus, atque animis. Minor utriusque parentis benevolentiam demerebat obsequiis, laudatus ob id Dei testimonio: maior, ventri et libidini addictus, iure primogeniti cessit minori. Sed mox cessisse poenitens, fratri molitus est necem: amarus etiam, atque odiosus parentibus: quocirca illi vota pro minore fecere amplissima, quae Deus rata esse voluit: Alterum vero filium miserati, affecere beneficio, ut fratri eum subiicerent; rati fore perutile, si homo nequam, suae potestati et arbitrio minime relinqueretur. Qui si eam servitutem libenter tulisset, potuisset mereri secunda virtutis praemia. Sed quia iugum excussit contumax, sibi et posteris suis magnam lucratus est ignominiam. Sic Philo (ebd.). Zum Werk Über die Tugenden bzw. dem Kapitel Über den Adel vgl.: COHN (ND 1964) 315-377, hier: 372f. 392 Vgl. dazu Ambrosius, De Iacob et vita beata = Sancti Amrosii de Iacob et vita beata, recensuit C. SCHENKL, in: Sancti Ambrosii opera II (CSEL 32/2), Prag u. a. 1897 (ND New York/ London 1962), 3-70. Auf diese Schrift des Ambrosius bezog sich Perera. 393 Hanc Philonis sententiam aemulatus Ambrosius, disertius eam et luculentius tractasse mihi quidem visus est. Verum eius rei arbitrium et iudicium permitto lectori, utrisque orationem inter se componenti, atque comparanti. Sic autem scribit Ambrosius libro secundo de Iacob et Vita Beata, capite tertio: Esau, ut benediceretur a patre, cogendo elicuit, et impetravit. Sed eam tamen benedictionem accepit, quae cum superiore congrueret, et convenire, ut serviret fratri suo. Etenim qui imperare non poterat et alterum regere, servire debebat, ut a prudenti-

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trachtung als durchaus zutreffend. So arbeitete Klein zum Menschenbild des Ambrosius anhand dessen Bienenvergleichs heraus, dass nach dem Kirchenvater nur derjenige zur Herrschaft bestimmt sei, „dem sich alle aufgrund seiner körperlichen und geistigen Vorzüge unterwerfen“.394 Die Unfähigen sind also die Törichten, die einen geringeren Grad an Weisheit und Tugend besitzen.395 Schließlich zitierte Perera nochmals Ambrosius, wobei er sich auch auf die Aussage im Johannesevangelium zur Sklaverei der Sünde (Joh 8,34) bezog: Qui facit peccatum, servus est peccati. (Wer eine Sünde begeht, ist Sklave der Sünde). Zu dieser inneren Sklaverei führte er aus: „Denn die Frömmigkeit ist Herrin der Grausamkeit; und die Sanftmut regiert die derben Sitten. Jeder dient (als Sklave), der nicht die Autorität eines reinen Gewissens besitzt: Es dient ein jeder, der von Furcht geschwächt, in Genüsse verstrickt, von Begierde getrieben, von Unanständigkeit erregt oder von Trauer niedergedrückt ist. Sklavisch nämlich ist jede Leidenschaft, wie der Herr gesagt hat Joh 8: ,Wer eine Sünde begeht, ist Sklave der Sünde.‘ Und was schlimmer ist: Ein Sklave vieler (Sünden) ist, wer vielen Lastern unterworfen ist und daher vielen Herren anhängt, so dass er sich diesem Sklavendienst kaum zu entziehen vermag. Soweit Ambrosius.“ (Übersetzung T.M.)396

Auf den griechischen Kirchenvater Basilius von Caesarea (330-379) stützte sich Perera mit der Auffassung, dass es keine Sklaven von Natur gäbe.397 Das war auch berechtigt, denn Basilius bekannte sich „wie andere Kirchenväter zu dem stoischen Satz, daß es keine Sklaven von Natur aus gebe, da ore regeretur. Neque enim fuit sancti Patriarchae, ut filium suum degeneri conditioni servitutis addiceret, sed ut bonus pater, cum duos haberet filios, unum intemperantem; sobrium et prudentem alterum, utrique consuluit. Intemperanti praefecit sobrium, et prudenti insipientem statuit obedire, quia insipiens non potest voluntarius esse virtutis discipulus, nec perseverare in studio, quoniam stultus sicut luna mutatur. [Meritoque ei libertatem proprii negavit arbitrii, ne velut navis in fluctibus sine gubernatore fluitaret, sed subdidit eum fratri, sicut scriptum est;]... Servit imprudens prudenti; ut sic regentis imperio suum melioraret affectum; et ideo ait: Super gladium tuum vives, et servies fratri tuo (Perera, In Genesim [Bd. 4], Lyon 1600, 168f). 394 KLEIN (1988) 12. Dementsprechend lehnte Ambrosius für einen törichten Menschen jede Art von Herrschaftsteilhabe ab. 395 Ambrosius übernahm das Bild des Weisen vor allem aus der Tugend-Lehre der Stoa (ebd., 11). 396 Domina enim est pietas crudelitatis; et mansuetudo duris moribus praestat. Servit omnis, qui auctoritatem purae non habet conscientiae: Servit quicumque vel metu frangitur, vel delectatione irretitur, vel trahitur cupiditatibus, vel indignatione exasperatur, vel moerore deiicitur. Servilis enim est omnis passio, siquidem Dominus dixit Ioan. cap 8. Qui facit peccatum, servus est peccati. Et quod peius est, multorum servus est, qui subiectus est vitiis, et ita se multis dominis addixit, ut servitio ei exire vix liceat. Hactenus ex Ambrosio (Perera, In Genesim [Bd. 4], Lyon 1600, 169; Hervorhebung d. Verf.). 397 Vgl. dazu Basilius von Caesarea, De spiritu sancto (Über den Heiligen Geist), übersetzt und eingeleitet von Hermann Josef SIEBEN SJ, Freiburg u. a. 1993. Auf diesen Text des Basilius bezog sich Perera.

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sowohl die Herren wie die Sklaven im Hinblick auf die gleiche Menschenwürde wie auch als Ergebnis der Schöpfung Gottes ‚Mitsklaven‘ seien.“398 Basilius unterschied zwischen Sklaven, die durch Krieg oder Armut unrechtmäßig in Sklaverei geraten waren, und solchen, die dies mit Einwilligung ihrer Väter geworden waren. Dabei handelte es sich offenbar um Menschen mit intellektuellen oder moralischen Defiziten.399 Genau diese Unterscheidung referierte Perera.400 Schließlich richtete er mit Basilius den Blick wieder auf Jakob und Esau, aber auch auf die Verfluchung Kanaans in Gen 9,25-27: „Oder es werden weniger taugliche Kinder nach einem weisen und verborgenen Plan auf väterlichen Befehl hin dazu bestimmt, ihren klügeren und besseren Brüdern zu dienen. Für einen vernünftigen Betrachter handelt es sich hier nicht um eine Strafe, sondern um eine Wohltat. Wer nämlich infolge mangelnder Einsicht nicht in sich selbst von Natur aus eine Leitung hat, für den ist es besser, einem anderen zu gehören, damit er durch den Verstand seines Besitzers gelenkt wird, so wie ein Gespann einen Lenker bekommt oder ein Schiff einen Steuermann hat, der am Ruder sitzt. Daher wurde Jakob durch den Segen des Vaters Esaus Herr …, damit der Unvernünftige auch gegen seinen Willen vom Vernünftigen Wohltaten empfing, er, dem der eigene Sinn fehlte, für sich zu sorgen. ‚Kanaan soll Knecht sein im Hause seiner Brüder‘ …; denn er hatte keine Tugend gelernt, weil er den unverständigen Ham zum Vater hatte.“401

Perera lieferte keine eigenständige Interpretation zur Versklavung Esaus in Gen 27, sondern stützte seine Ansichten ganz auf die von ihm zusammengestellten Autoritäten (Philo, Ambrosius, Basilius).402 Dies ist insofern bemer-

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KLEIN (1988) 42. Ebd., 43. 400 Ad hunc locum spectat illa Basilii egregia disputatio in libro de Spiritu Sancto, capite vigesimo diserte ab eo tractata. Apud homines, inquit, nullus est natura servus. Aut enim, qui viribus pressi sunt, sub iugum servitutis missi sunt, ut in bello capti, aut ob paupertatem in servitutem redacti sunt velut Aegypti ob fame[m] servitio Pharaonis obstricti sunt. Aut iuxta sapientiam quandam, et arcanam dispensationem, qui inter filios deterrimi sunt, velut Aegyptii ob fame[m] sub iugum servitutis missi sunt, ut in bello capti, aut ob paupertatem in servitutem redacti sunt parentum voce; et sententia, sapientioribus et melioribus in servitutem addicti sunt: id autem non in supplicium, sed in beneficium potius duxerit aequus rerum aestimator. Nam qui ob sensus inopiam non habet in sese id quod natura imperat, huic expedit in alterius esse potestate; ut dum potentioris prudentia gubernatur, similis sit currui qui aurigam recepit, aut navi quae nauclerum habet clavo assidentem. Hanc ob causam Iacob dominus fratris sui Esau ex benedictione patris factus est, ut stultus a sapiente, vel invitus beneficio afficeretur, quippe non habens proprium creatorem, videlicet mentem: Et Chanaam servituti adiudicatus est fratrum suorum, quoniam indocilis erat ad virtutem, et patrem habebat Cham hominem insipientem. Sic Basilius (Perera, In Genesim [Bd. 4], Lyon 1600, 169). 401 Basilius von Caesarea, De spiritu sancto (Über den Heiligen Geist), übersetzt und eingeleitet von Hermann Josef SIEBEN SJ, Freiburg u. a. 1993, 227. Eben jene Stelle hatte Perera zitiert. Zu Basilius und Sklaverei: TEJA (1981) 393-403. 402 Ambrosius stützte sich bei „seiner Methode, die Sklaverei einmal als berechtigt hinzunehmen und zum anderen sie in stoisch-christlichem Sinn weitestgehend zu relativieren“ (KLEIN 399

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kenswert, da er im ersten Band seines Genesiskommentars, in welchem er die Schöpfungsgeschichte behandelt, gar nicht auf die Gottebenbildlichkeit des Menschen eingeht (vgl. III.3.1). Hier hätte er sich ebenso gut auf Basilius berufen können. Doch hatte ihn das Thema Sklaverei nicht in diesem Zusammenhang interessiert. Nun kam es im Zuge seiner Autoritäten zum Vorschein. Demnach konnte Sklaverei als pädagogisches Mittel zur moralischen Verbesserung gedeutet werden. Sie war einerseits Strafe, ordnete sich andererseits in eine heilsgeschichtliche Perspektive ein. Der aristotelischen Vorstellung einer Sklaverei von Natur wird zwar eine Absage erteilt, aber dennoch auf Grundlage einer antiken Tugendlehre, wie sie bei Ambrosius durchscheint, eine Herrschaft des Klügeren über den Törichten als sinnvoll erachtet. Sklaverei erscheint als legitime Einrichtung, die für manche geradezu als Wohltat zu betrachten sei. Allerdings ist dabei zu betonen, dass hier nur eine mildere Form von Sklaverei gemeint war, die Schuldknechtschaft. Zeitgenössische Kontexte wurden von Perera nicht angesprochen.

3.4 Die Sklavengesetze nach Ex 21,2-6 Die Sklavengesetze in Ex 21,2-6, Lev 25,39-55 und Dtn 15,12-18 boten als alttestamentliche Normen vielfältige Möglichkeiten zur Deutung von Sklaverei. Dies lässt sich anhand der Bibelkommentare von Cornelius a Lapide, Jean de Lorin, Emanuel Sa, Juan Mariana und Giovanni Stephano Menochio zeigen. Die Rechtsvorschriften über hebräische Sklaven aus dem Bundesbuch (Ex 21,2-6) kommentierte am ausführlichsten Cornelius a Lapide, indem er nach einer kurzen Zusammenfassung und der Wiedergabe des Vulgatatextes zu Ex 21,1-36 dieses Kapitel Vers für Vers durchging.403 Zunächst wies er auf die grundlegende Bedeutung dieser Rechtsvorschriften hin. Nach Lapide habe Gott diese Rechtsvorschriften erlassen, um das Volk gerecht und friedlich zu regieren und die Streitereien unter den Hebräern einzudämmen. Zu unterscheiden seien davon die zeremoniellen Vorschriften, die von Gott verordnet worden seien, um ihn in gebührender Weise zu verehren.404 Für die [1988] 42) wohl auf Basilius von Caesarea, dem er freundschaftlich verbunden war. Perera sammelt die Väterstellen, ohne sie miteinander in Beziehung zu setzen. 403 Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 460-464. Lediglich zum Literalsinn Sa/ Mariana, Biblia (Bd. 1), Antwerpen 1624, 95f.; Menochio, Explicatio, Köln 1630, 104f. 404 Zu V. 1: Iudicia vocat praecepta iudicialia, quae Deus hisce tribus capp. puta 21, 22, 23 praescribit ad populum iuste et pacifice gubernandum, atque ad lites inter Hebraeos dirimendas; sicut caeremonialia praecepta vocantur ea, quae populo ad Deum rite colendum per sacrificia aliosque sacros ritus et caeremonias, a Deo praescripta sunt (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 461).

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III. Sklaverei und Bibelexegese

weitere Auslegung dieser Vorschriften solle Thomas von Aquin herangezogen werden, der sich auch mit der Ordnung unter den Menschen befasst hatte. Danach verstärkte sich ihr verpflichtender Charakter, weil sie nicht nur der Vernunft entsprächen, sondern auch durch Gott eingesetzt worden seien.405 Lapide verwies hier auf die Behandlungen der Rechtssatzungen in der STh des Thomas (Quaestio 104). Wie schon in seinem Genesiskommentar zeigt sich hier der Scholastiker und Thomaskenner Lapide. Den Sklaven definierte Lapide als Menschen, der gekauft und verkauft wird. Das unterschied ihn von einem Tagelöhner, der gemietet werde.406 Ein hebräischer Sklave müsse im siebten Jahr freigelassen werden.407 Lapide präzisiert diese Angabe dahingehend, dass dieses siebte Jahr nicht vom Kaufdatum des Sklaven abhing, sondern in ein und demselben Jahr für alle zutraf, wie das Jubeljahr.408 Die Freilassung der Sklaven wird mit der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten durch Gott und seinem Besitzanspruch als Herr seines Volkes begründet.409

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In duobus ergo proprie consistit ratio iudicialium praeceptorum, inquit S. Thomas 1.2. q. 104. a. 1. [gemeint ist: STh I-II, q. 104 zu den Rechtssatzungen; d. Verf.] Primo, ut pertineant ad ordinationem hominum ad invicem. Secundo, ut non habeant vim obligandi ex sola ratione, sed ex institutione Dei (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 461). Mit den „Ordnungen“ sind wohl die rechtlichen Regelungen und ihre vernünftige Begründung gemeint. „Das Prinzip der rechtlichen Vorschriften also ist eigentlich zweierlei, sagt der hl. Thomas (in der Summa) 1,2, Quaestio 104, Artikel 1: Erstens, da sie die Ordnung der Menschen untereinander betreffen. Zweitens, da sie nicht allein aus Vernunftgründen, sondern aus (ihrer) Einrichtung durch Gott bindende Kraft haben.“ (Übersetzung T.M.) 406 Zu V. 2: Servum vocat, non mercenarium, sed mancipium: ille enim conduci, hoc emi et vendi solet (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 461). Ein Sklave heißt er, nicht als Tagelöhner, sondern als Eigentum: jener nämlich wird gemietet, dieses wird gewöhnlich gekauft und verkauft. (Übersetzung T.M.) 407 [Q]uasi dicat: Si emeris Hebraeum, ut sit tibi quasi mancipium, hic sex tantum annis tibi serviet, nec ultra servire poterit, nam septimo anno (ita me volente, et dicente hic) liber dimittendus est (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 461). (Gott) will gleichsam sagen: Wenn Du einen Hebräer kaufst, damit er gleichsam dein Eigentum sei, soll dieser dir sechs Jahre lang (als Sklave) dienen, aber er darf nicht länger (dein) Sklave sein, denn im siebten Jahr (so nach meinem Willen und Spruch hiernach) ist er freizulassen. (Übersetzung T.M.) 408 Nota, hunc septimum annum non esse numerandum ab emptione servi, sed unum atque eundem omnibus fuisse annum remissionis, sicut unus et idem dies erat sabbatum omnibus Hebraeis; ergo statum fuit septennium libertatis, continuo unum alteri succedens (sicut unus iubilaeus continuo succedebat alteri) ita ut septimo quolibet anno hoc recurrente, omnes servi Hebraeorum manumittendi essent. Quapropter Hebraeus, qui primo anno septennii huius vendebatur, ille sequenti anno, utpote septimo, exibat liber: simile erat in iubilaeo, uti dicam Levit. 25. Mysteria septenarii recensebo Deuter. 5 v. 12 ille sequenti anno, utpote septimo, exibat liber, simile erat in iubilaeo, uti dicam Levit. 25. Mysteria septenarii recensebo Deuter. 5 v. 12 (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 461). 409 … ut scias eum non tam servum esse, quam liberum, utpote liberatum a me e servitute Aegyptia, meaeque servituti addictum, vide Levit. 25, 39 (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 461). … damit man weiß, dass jener nicht Sklave, sondern vielmehr frei ist, gleich wie von

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Nach V. 4 konnte der Herr seinem Sklaven eine Sklavin zur Frau geben. Bei der Freilassung des Sklaven blieben dessen Frau und ihre Kinder weiterhin im Besitz des Herrn. Dies zeigt nach Lapide, dass es auch Sklaverei durch Geburt gab. Dabei berief er sich auf den Rechtsgrundsatz, dass die Mutter den Status des Kindes bestimmt.410 Die anscheinend unproblematische Scheidung einer Sklavenehe durch die Freilassung eines hebräischen Sklaven wertete Lapide als Defizit des alten Gesetzes gegenüber dem neuen Gesetz. Er hielt an der Unauflöslichkeit, wie sie Christus vorgeschrieben habe, und dem sakramentalen Charakter der Ehe fest, indem er ausführte: „Es hat hier den Anschein, dass der Eheschluss zwischen Sklave und Sklavin gelöst werden (konnte), weil ferner der Sklave eine Trennung von (seiner) Ehefrau und den Kindern bewirkte, (indem) er nämlich in Freiheit kam, die Sklavin aber zusammen mit den Kindern Sklavin ihres Herrn blieb; … Daraus erhellt, dass nach dem Alten Gesetz die Eheschließungen recht unvollkommen waren, da die Eheleute so leicht getrennt wurden, indem der Ehemann frei, ab- und ausgelöst von der Sorge um Frau und Kinder fortgehen (konnte), während die Frau dagegen Sklavin desselben Herrn blieb. Daher oblag dem Herrn die Erziehung und Fürsorge für die Sklavin ebenso wie die für seine Nachkommen. Und es wundert nicht, dass die Ehe damals nicht als Sakrament verstanden wurde, weshalb sie gerade nach dem Neuen Gesetz ausdrücklich unauflöslich ist, laut Verordnung Christi, (siehe) Mt 19,5 und 9.“ (Übersetzung T.M.) 411

Kritisiert wurde somit der mangelnde Schutz der Sklavenehe auch nach der Freilassung eines Ehepartners.412 Nach V. 6 konnte der hebräische Sklave auch auf seine Freilassung verzichten und durch ein bestimmtes Ritual zum Sklaven auf unbegrenzte Zeit werden, um bei seiner Frau und seinen Kindern zu bleiben, „dann soll ihn sein Herr vor Gott bringen, er soll ihn an die Tür oder an den Torpfosten mir aus der ägyptischen Sklaverei befreit und meinem Sklavendienst zugehörig, siehe Lev 25,39. (Übersetzung T.M.) 410 Zu V .4: Uxor manebit serva hero, a quo uxor data fuerat servo: consequenter hero manebunt et proles eius; partus enim sequitur ventrem, uti habet axioma Iuristarum in hac materia. Ita Oleaster, Caietan, Lipoman (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 461). Die Ehefrau wird Sklavin des Herrn bleiben, der sie (seinem) Sklaven zur Frau gegeben hat. Folglich verbleiben sie bei (ihrem) Herrn und dessen Nachkommenschaft; denn was der Bauch hervorbringt, folgt ihm, so der Grundsatz der Juristen in dieser Sache. So Oleaster, Cajetan, Lipoman (Übersetzung T.M.). Bei Lipoman handelt es sich um Luigi Lippomano (1496-1559), u. a. Autor der Kommentare In Genesim, Paris 1546 und In Exodum, Paris 1550. 411 Videtur hic inter servum et servam dissolutum fuisse matrimonium; tum quia servus faciebat divortium ab uxore et prolibus: servus enim exibat liber, serva vero cum prolibus manebat serva domini sui; … Hinc patet, in lege veteri valde imperfecta fuisse matrimonia, quando coniuges tam facile separabantur, marito exeunte libero, soluto et expedito a cura uxoris et liberorum; uxore vero manente serva eiusdem domini: cui domino proinde tam servae, quam prolium eius educatio et cura incumbebat. Nec id mirum, tum enim matrimonium non habebat rationem Sacramenti, ob quam maxime iam in lege nova est plane indissolubile, ex sanctione Christi, Matt. 19, v. 5 et 9 (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 461). 412 Vgl. hierzu auch V.3. Die Sklavenehe war auch ein Thema der Moraltheologie und der Kasuistik.

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III. Sklaverei und Bibelexegese

bringen und ihm das Ohr mit einem Pfriem durchbohren, dann bleibt er für immer sein Sklave“ (Ex 21,6).413 Lapide erläutert zum Ort, an dem dieser Ritus vollzogen werden sollte, dass es sich nicht um die Tore der Stadt handelte, an dem die Richter saßen, sondern um das Tor des Hauses, zu dem der Sklave gehörte. Dabei stützte er sich auf Theodoret,414 nach dem das Tor des Hauses die Grenze markierte, die der Sklave nicht mehr ohne Erlaubnis des Herrn überschreiten durfte. Lapide verweist hier auf Cajetan, der in seinem Thomaskommentar415 den Ritus als Strafe für die Aufgabe der eigenen Freiheit gedeutet habe,416 während Theodoret das durchstochene Ohr als Symbol dafür gesehen habe, dass der Sklave seinem Herrn nun ständig und wesentlich strenger gehorchen musste.417 Mit diesem Ritual wurde, wie erwähnt, die zeitlich begrenzte Schuldsklaverei in eine dauerhafte Sklaverei überführt. Allerdings präzisiert Lapide, dass unter dieser andauernden Sklaverei keine ‚ewige‘ Sklaverei zu verstehen sei, denn der hebräische Sklave habe immer noch die Chance, im Jubeljahr, das alle 50 Jahre geboten war, wieder frei zu kommen.418 Eine tropologische Deutung zu diesem Ritual übernahm Lapide

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Offeret eum dominus diis et adplicabitur ad ostium et postes perforabitque aurem eius subula et erit ei servus in saeculum (Ex 21,6VUL). 414 Zu Theodoret von Kyrrhos (393-ca 460): Seine Wirkung entfaltete er in der Zeit zwischen den Konzilien in Ephesus (431) und Chalcedon (451). 423 wurde er Bischof von Kyrrhos, wahrscheinlich im Alter von 30 Jahren; er starb um 460. Er gehörte zu den Bischöfen, die unter Johannes von Antiochien die ‚orientalische‘ Synode bildeten. Er war damit beauftragt worden, die zwölf Kapitel des Cyrill von Alexandrien zu widerlegen. 449 wurde er in sein Kloster verbannt (BERGIAN [2005] Sp. 243-244). 415 Gemeint ist: Thomas de Vio, Opuscula omnia Thomae de Vio Caietani cardinalis tit. S. Xisti, in tres distincta tomos, quorum seriem, et quae in eis continentur, sequens index indicabit, Rom 1570. 416 Zu V. 6: … scilicet domus heri: ibi enim, non autem in portarum urbis ostio, ubi considere solent iudices, id fieri debere, patet Deut. 15.12. Per hanc applicationem servi ad ostium et postes heri significabatur, servum hunc domui heri quasi iugiter et fixe mancipari: ut numquam domo illa exire posset sine venia heri. ita Theodoret. Addunt D. Thom. et Caietan. hanc applicationem aurisque perforationem statutam esse servo huic in poenam et ignominiam neglectae libertatis, ideoque eum perpetuae servituti addici (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 461). 417 … ut hoc symbolo admoneatur servus perpetuae obedientiae, qua heri mandata excipere et exequi debet. ita Theodor. Rursum hoc symbolo monebatur servus, se multa dura, gravia et molesta heri imperia teneri audire et obire, quae non secus ac subula terebrarent aures eius. Idem de ancilla statutum est Deut. 15.12 (ebd., 461). 418 Saeculum non tantum aeternitatem, sed etiam spatium longissimum significat, quod Hebraeis erat 50. annorum. Erit ergo servus in saeculum, id est, erit servus usque ad annum 50. iubilaei: in iubilaeo enim omnes servi Hebraei manumittebantur, ut patet Levit. 25.40. ita S. Hieron. in c. 1. ad Galat. ubi addit ‫ עלם‬olam, id est saeculum, hic sine vau scribi, ut significetur saeculum iubilaei: nam quando cum vau scribitur, saepe significat aeternitatem (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 461f., mit fast identischem Wortlaut: Sa/ Mariana, Biblia [Bd. 10], Antwerpen 1624, 95f. und Menochio, Explicatio, Köln 1630, 104f.).

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aus einer Homilie von Papst Gregor I. zum Buch Ezechiel.419 Demnach ist derjenige ein Sklave, der ganz in der vita activa verhaftet sei und sich dem diesseitigen Leben verschrieben habe.420 Bei der moralischen Deutungsebene wird also nur auf die innere Sklaverei abgehoben. In Ex 21,7 wird als selbstverständlich vorausgesetzt, dass Israeliten ihre Töchter als Sklavinnen verkaufen konnten. Dies sollte nach Lapide jedoch nur unter der Bedingung bzw. mit dem Versprechen geschehen, dass sie zu Ehefrauen (wenigstens im Rang einer Nebenfrau) gemacht werden würden.421 Die nicht-israelitischen Frauen blieben jedoch für immer Sklavinnen, da sie nicht im Jubeljahr freigelassen wurden. Sie konnten entweder durch Loskauf (vgl. Lev 25,26) oder bei Körperverletzung durch den Herrn (vgl. Ex 21,26) die Freiheit erlangen.422 Eine hebräische Tochter, die als Sklavin verkauft, aber vom Herrn oder dessen Sohn nicht geheiratet wurde, musste gratis freigelassen werden oder durfte von einem anderen Hebräer losgekauft werden. Gott habe dies, so Lapide, zum Erhalt des Glaubens und des Volkes der Hebräer vorgeschrieben.423 Schließlich müsse der Herr für den ehelichen Verkehr, Kleidung und Unterhalt sorgen, wie es in Ex 21,10 heißt. Wenn er nur eine dieser drei Bedingungen nicht erfülle, dann müsse sie entschädigungslos freigelassen werden.424 In V. 20 heißt es: „Wenn einer seinen Sklaven oder seine Sklavin mit dem Stock so schlägt, daß er unter seiner Hand stirbt, dann muss der Sklave

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Zur Homilie von Papst Gregor I. über das Buch Ezechiel: Homiliae in Hiezechihelem prophetam, hg. v. Marcus ADRIAEN (CCSL 142), Turnhout 1971. 420 Tropol. servus hic est, qui in activa vita manere vult in hac vita, ut liber fiat in anno septimo, et in iubilaeo caelesti: huius auris subula perforatur, dum mens illius timoris Dei subtilitate a praedicatore percutitur. qua de re vide plura [a]pud S. Gregorium hom. 3. in Ezech. (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 462). 421 Zu V. 7: … scilicet cum promissione desponsationis, qua herus filiam Hebraeam emens in famulam, promisit se eam ducturum in uxorem, saltem secundariam (ebd.). 422 … puta, sicut servae ex Gentilibus, v.g. Moabitis, vel Idumaeis natae. hae enim semper manebant servae, nec servitute liberabantur in iubilaeo, nisi pretio redimerentur; ut patet Levit. 25.46) (ebd.). 423 Hebraea vero filia, licet empta esset in servam, tamen nisi ab hero, vel heri filio duceretur in uxorem, dimitti debebat libera: hoc enim hic sancit Deus in favorem fidei et gentis Hebraeorum, ut ita filiabus Hebraeis pauperculis de nuptiis et statu provideret. Sensus ergo est, quasi dicat: Si dominus qui emit filiam Hebraeam, eam sibi desponderit, sed postea ei displicuerit; tunc dominus dimittere eam debet gratis, vel ut habent hebraea et Septuag. debet eam redimere, id est servitute eximere, si quidem ea usus sit quasi coniuge: sin autem, redimi faciet eam, id est vendet, vel tradet eam alteri Hebraeo, ea tamen lege ut ipse eam ducat: nec enim populo alieno, id est Gentibus, eam vendere poterit, uti sequitur. ita Abulens. (ebd.). 424 Dazu: Coniunctim haec tria accipe. Itaque si filius alimoniam et vestitum praeberet filiae Hebraeae servae, negaret tamen eidem tertium, libera dimitti debebat filia … (ebd.).

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III. Sklaverei und Bibelexegese

gerächt werden“ (Ex 21,20).425 Lapide deutet dies als Todesstrafe für den Herrn und sieht darin einen Beitrag zur Humanisierung von Sklaverei. Er beklagt ferner das Elend der Sklaven und Sklavinnen, vor allem bei strengen Herren, denn bei versuchtem Totschlag ohne sofortige Todesfolge würden diese nicht bestraft. Diese Straffreiheit sieht Lapide darin begründet, dass der Herr zwar nicht über das Leben, aber über den Körper des Sklaven frei verfügen könne, wie bei seinen Tieren.426 Damit wird der Sklave nicht als Person, sondern als Besitz und Sache betrachtet. Insgesamt behandelt Lapide die Rechtsvorschriften des Alten Testaments im Licht des scholastischen Naturrechts nach Thomas auch unter Einbeziehung des Thomaskommentars von Cajetan. Unter seinen exegetischen Kollegen im Orden fällt dieser thomistische Zug besonders auf. Selten hebt er hier auf Kirchenväter (etwa Gregor I.) ab, wobei dieser Hinweis auch Thomas entnommen sein könnte. Der Hinweis auf Theordoret von Kyrrhus, den Lapide in seinem Philemonbriefkommentar sehr häufig nennt,427 könnte darin begründet sein, dass dessen Werke im 16. Jahrhundert auf Griechisch wie Latein in gedruckten Ausgaben vorlagen.428 Inhaltlich zeigt Lapide eine Tendenz zu einer humaneren Behandlung der Sklaven und Sklavinnen. Das alte Gesetz erscheint defizitärer als das neue. Dem lag eine auf Jesus Christus ausgerichtete Lesart des Alten Testaments zugrunde, die für Zeitgenossen keiner Begründung bedurfte. 3.5 Die Sklavengesetze nach Lev 25,39-55 Die Sklavengesetze von Lev 25,39-55 gehören zum Heiligkeitsgesetz (Lev 17-26).429 Sie befassen sich mit der Behandlung und der Freilassung hebräischer Schuldsklaven (Lev 25,39-43), dem Umgang mit Sklaven aus fremden Völkern (Lev 25,44-46) und dem Loskaufrecht für hebräische Skla-

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Qui percusserit servum suum, vel ancillam virga, et mortui fuerint in manibus eius, criminis reus erit (Ex 21,20VUL). 426 Zu V. 21: Quia possidetur ab hero percuriente, tamquam servus pecunia emptus. Misera erat servorum et servarum conditio, praesertim apud duros heros: unde lex percussionis poenam hic moderatur, ut, si herus non tam enormiter percusserit servum, ut certa statim sequatur mors, poenae non subiaceat, quia occidit suum mancipium, quod ipse possidet sicut bovem, vel equum. Hinc et modo Iura civilia corpus servi, perinde ut corpus animalis, dicunt esse pretio aestimabile: corpus autem liberum nullam recipere aestimationem, ut patet 1. ult. ff. de his qui effud. vel deiec. (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 463). 427 Vgl. PRIESCHING/ GRIESER (2016), 231-279. 428 Vgl. WALLRAFF (1998). Theodoret macht sogar den Anfang bei der Edition griechischer Originaltexte. 429 Vgl. hierzu HIEKE (2014) 1023-1046.

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ven (Lev 25,47-54). Die Gesetzgebung schließt mit der Erinnerung an den Exodus (Lev 25,55). Der Levitikuskommentar von Jean de Lorin befasst sich ausführlich mit Lev 25, 39-55.430 Neben dem Zinsverbot zählte er den Loskauf von hebräischen Schuldsklaven aus der Hand von wohlhabenden Fremden zu den zentralen Vorschriften in Lev 25.431 Die Schuldsklaverei unter Hebräern galt ihm als mildere Form der Sklaverei, weil die hebräischen Schuldsklaven wie Tagelöhner zu behandeln seien und im Jubeljahr die Freiheit erlangen konnten.432 Lorin stellte eine biblisch-humanistische Deutungstradition zusammen, die für eine humanere Behandlung von Sklaven plädierte. Dazu gehörten der neutestamentliche Philemonbrief433 und eine Reihe von Positionen der Kirchenväter sowie der antiken Schriftsteller und Philosophen.434 Damit ist er gar nicht weit von heutigen Exegeten entfernt, die in Levitikus – im Unterschied zu den Exodus- und Deuteronomium-Stellen – im Sinne einer

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Lorin, In Leviticum, Douai 1620, 890-903. Folgende Kommentare können ergänzend hinzugezogen werden: Sa/ Mariana, Biblia, Antwerpen 1624, 147-149; Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 944-947; Menochio, Explicatio, Köln 1630, 164f. 431 So aus der Kurzzusammenfassung (argumentum) zu Lev 25: Capta autem occasione inseritur praeceptum de non sumenda a fratribus usura; et ut perpetua servitute non opprimantur, sed potius redimantur ab advenis potentioribus (Lorin, In Leviticum, Douai 1620, 851). 432 So Lorin: Praecipit, ut si quis gente, ac origine Hebraeus alteri Hebraeo vendidisset seipsum, paupertate compulsus (quod plerumque sit, licet lex intelligi debeat quamcumque ob causam sese quis vendidisset) non tractaretur durius, more illorum, qui mere ac simpliciter servi essent: sed perinde ac si tantum esset mercenarius, aut colonus, quod nimirum attinet ad modum mitius tractandi, et non torquendi, vel immodicis, et generis cuiusvis laboribus onerandi. Alioqui perseverabat etiam apud Hebraeos discrimen inter servos a colonis, mercenariisque; quoniam duo posteriora hominum genera melioris ac liberioris erant conditionis, quemadmodum universe apud omnes alias gentes (ebd., 891). Es folgen diverse Belege aus dem Alten Testament (Ex 21, Dtn 15, etc.) und den Kirchenvätern, wie Hieronymus, Augustinus und Theodoret, die sich dieser Deutung anschließen. 433 Laut Lorin: … de Onesimo quodam servo Philemonis, ad Philemonem ipsum scripsit Paulus: ne iam ille ut servus haberetur, sed pro servo frater charissimus: qui tamen Apostolus monet etiam simul, ut servi ex fidelib. dominos suos omni honore dignos arbitrentur; et si fideles illi sint, non contemnant, quia fratres sunt; sed magis serviant, quia fideles sunt et dilecti, qui beneficii participes sunt (Lorin, In Leviticum, Douai 1620, 851, 892). 434 So leitet er z. B. den Ursprung der Sklaverei in Anlehnung an Chrysostomus und Augustinus aus dem Fluch über Kanaan her, wenn er schreibt: Originem servitutes agnoscunt Chrysostomus, et Augustinus, post maledictum Chanaan a Noë patre suo, ante quam maledictionem inauditum fuit servi nomen (ebd., 894). Etymologisch leitet er den lateinischen Begriff servus von servare, also vom Kriegsrecht des Siegers, den Besiegten vor dem Tod zu bewahren, ab: Quamquam Latini vocabuli derivatio sit, quod hi, qui iure belli possent occidi a victoribus, cum servabantur, servi fiebant (ebd.). Außerdem nennt er antike Autoren, die für einen milderen Umgang mit Sklaven plädierten. So Lorin: Pro servis contra saevitiam dominorum legantur Seneca, Macrobius, Plutarchus, Clemens Alexandrinus (ebd.).

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gewünschten Humanisierung deuten.435 Allerdings wird der Levitikustext heute auch so gelesen, dass er „die Abschaffung der Schuldsklaverei zunächst nur für Isrealiten intern als Ziel formuliert“ habe.436 So weit ging Lorin nicht. Schließlich wendete Lorin seinen Befund in die Gegenwart, indem er den Loskauf von christlichen Sklaven durch die Fürsten und den Papst als zeitgenössischen Beitrag zur Humanisierung darstellte.437 Die Loskaufpraxis des Kirchenstaates, die 1581 von Papst Gregor XIII. der Erzbruderschaft der Gonfalone übertragen worden war, stand Lorin vor Augen.438 Diese subtile Werbung für die Loskaufbemühungen des Papstes ist duchaus bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass 1620, als der Bibelkommentar erschien, seit Längerem keine größere Loskaufaktion des Kirchenstaates stattgefunden hatte. Seitdem die Gonfalone 1585 und 1587 ca. 300 Sklaven aus Algier losgekauft hatten, lagen diese Aktivitäten danach zunächst auf Eis. Als Lorin 1600 bis 1606 am Collegio Romano unterrichtete, war die große Zeit der Loskaufbemühungen im Kirchenstaat also schon wieder vorüber.439 Der Loskauf von israelitischen Schuldsklaven aus der Hand wohlhabender Fremder und Halbbürger (Lev 25,47-49) wird von Lorin spirituell gedeutet, denn damit werde auf die Erlösung durch Christus von der inneren Sklaverei hingewiesen.440 Im Hinblick auf die eigene Zeit greift Lorin die Vorstellung von der inhumanen Gefangenschaft und Sklaverei von Katholiken bei den sogenannten Sarazenen, Türken und Barbaren auf, die auf den Loskauf warten würden.441 Dieser sei gefordert. Angesichts des Vorhandenseins „Ex 21,6 und Dtn 15,17 sehen Möglichkeiten vor, dass der ‚Sklave‘ für immer im Haushalt seines Hern bleiben will und sich dazu dauerhaft markieren lässt. Lev 19,28b verbietet derartige Körpermanipulationen; das könnte ein Hinweis darauf sein, dass der Levitikustext im Unterschied zu den Ex- und Dtn-Stellen auf keinen Fall eine dauerhafte ‚Versklavung‘ zulassen will. Das Ideal steht gegen die Wirklichkeit – und diese Spannung, so sei nur angedeutet, zieht sich bin in die heutige Zeit“ (HIEKE [2014] 1024). 436 Ebd., 1032. 437 Attamen iustis de causis Ecclesia per principes, et Pontifices suos exemit Christianos a servitute Iudaei, Pagani, haeretici (Lorin, In Leviticum, Douai 1620, 892). 438 Zur den Loskauforganisationen im Kirchenstaat, insbesondere zur Ineffizienz der römischen Erzbruderschaft der Gonfalone: PRIESCHING (2012) 235-390. 439 Vgl. ebd., 370. Erst ab 1631 finden sich wieder erste Nachrichten eines Loskaufs der Gonfalone. 440 So bereits die Deutungen zum mysticus sensus nach Prokop, wenn Lorin schreibt: Idem vero Procopius, praeter allegoriam illam de Levitis, totius praesentis sententiae mysticum hunc tradit sensum: iure redemptionis gaudere illos, qui sua iustitia, et familiaritate, quae ipsis est cum peccatore, possunt illius dissolvere debita, quemadmodum illi, qui apportabant ad Christum paralyticum, propter fidem suam impetraverunt infirmo sanitatem: fortiorem esse, ac validiorem spiritualem coniunctionem, quam amicitiam illam, quae oritur ex beneficentia erga beneficos (Lorin, In Leviticum, Douai 1620, 898). 441 Rickelius deplorat Christianos, qui propter sua vitia merentur opprimi, et servire iniquis, et dimissis perfidis hostibus, contra se invicem praeliantur, imo scientes quam dire, et inhu435

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der christlichen Loskauforganisationen wie die Orden der Trinitarier und Mercedarier sowie die römische Erzbruderschaft der Gonfalone sei zudem deutlich, dass die Katholiken wesentlich humaner mit ihren Glaubensgenossen umgehen würden als die genannten Muslime.442 Die biblische Begründung für die eingeforderte bessere Behandlung (V. 39-43) und den Loskauf von hebräischen Sklaven (V. 47-54) lag nach Lorin in der Erinnerung an den Exodus, wie es in V. 42 heißt: „Denn sie sind meine Knechte; ich habe sie aus Ägypten herausgeführt, sie sollen nicht verkauft werden, wie ein Sklave verkauft wird“, und in V. 55: „Denn mir gehören die Israeliten als Knechte, meine Knechte sind sie; ich habe sie aus Ägypten herausgeführt, ich, der Herr, euer Gott“ (Lev 25,42 und 55).443 Lorin deutete Gott zum einen als Loskäufer, der gemäß dem Kriegsrecht die Hebräer aus der Gefangenschaft in Ägypten herausgeführt habe,444 und zum anderen als Eigentümer, der sein Besitzrecht gegenüber den Menschen eingefordert habe, denn die Israeliten seien nun Sklaven Gottes.445 Im Gegensatz dazu traf die nicht israelitischen Sklaven aus den fremden Völkern ein härteres Los (Lev 25,44-46). Hieke erklärt dazu: „Betrachtet man die religiöse Begründung für das faktische Vebot, dass ein Israelit den anderen im Fall von Verschuldung zum Sklaven macht, so wird deutlich, dass dies nicht für Sklaven aus anderen Völkern gelten kann: Angehörige aus anderen Völkern hat JHWH nicht aus Ägypten befreit, sie gehören nicht als Sklaven zu JHWH und können daher durchaus als Sklaven verkauft werden.“446

Das härtere Los für Sklaven aus fremden Völkern zeigte sich nach Lorin daran, dass sie schwere Arbeit übernehmen mussten, für immer Sklaven blie-

mane fratres eorum fideles Catholici ab impiis Saracenis, Turcis, et Barbaris redigantur in servitutem, in captivitatem, et in mortem, non redimunt, nec succurrunt (ebd., 899). 442 In hoc tam pium opus redemptionis captivorum ex proprii ratione instituti ordo religiosus incumbit, cui ab ea ipsa re cognomen est, simulque a Trinitate, et alius B. Mariae de Mercede, et sodalitas, sive congregatio, vel Archicon fraternitas B. Mariae Virginis Confalonis de urbe, quibus Gregorius XIII. et Sixtus V. post alios multos Pontifices, multa, et magna privilegia merito concesserunt, et maiorem in modum tanti operis executionem commendaverunt (ebd.). 443 Mei enim servi sunt, et ego eduxi eos de terra Aegypti: non veneant conditione servorum (Lev 25,42VUL). Mei sunt enim servi filii Israël, quos eduxi de terra Aegypti (Lev 25,55VUL). 444 So in Bezug auf V. 42: Mei enim servi sunt] … Omnia serviunt Deo, servitus tamen magis proprie conveniebat Hebraeis respectu Dei; quia Deus redemerat illos de captivitate Aegyptiaca, deletis Aegyptiis in mari rubro; et iure veluti belli, ac potentia adversus eosdem Aegytios, et alias nationes. … Et ego eduxi eos de terra Aegypti] … Ratio quidem certe est ac titulus servitutis Hebraeorum respectu Dei, et dominii Dei erga Hebraeos; quia veluti redempti sunt a Deo, ut ante dixi, iure bellico (Lorin, In Leviticum, Douai 1620, 895). 445 So zu Vers 55: Mei enim sunt servi, filii Israel, quos eduxi de terra Aegypti] … Sensus est cum energia, quod filii Israel, qui sunt servi, sunt servi Dei: nec quia servi hominum sunt, Dei servi esse desinunt: et Deus peculiare ius retinet dominii in illos (ebd., 903). 446 HIEKE (2014) 1030.

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ben und an die Nachkommen des Herrn weitervererbt werden konnten.447 Eine Ursache für diese ungleiche Behandlung zwischen israelitischen und nichtisraelitischen Sklaven lag nach Lorin einmal darin, dass letztere nicht etwa durch Verschuldung, sondern in Folge von Krieg mit den verfeindeten Nachbarvölkern versklavt wurden.448 Zum anderen war der Unterschied in der Religionszugehörigkeit begründet, wobei Lorin hier die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Konversion und Sklaverei aufgriff. Dabei stellte er heraus, dass eine Konversion zum jüdischen Glauben keine Auswirkung auf den Sklavenstatus hatte. Konversion machte also nicht frei. Auch der proselytische Sklave aus den fremden Völkern komme im Jubeljahr nicht frei.449 Insofern hängt die ungleiche Behandlung am ethnischen Charakter der Religion. Nur die Israeliten gehören JHWH, und zwar als Sklaven, so dass sie niemand anderem als Sklaven dienen können. Vor dem zeitgenössischen Hintergrund des 16. Jahrhunderts ist es erstaunlich, dass Lorin überhaupt das Thema Konversion zum Judentum anspricht. Dies war im christlichen Kontext streng verboten. Gerade die Möglichkeit, dass Christen als Sklaven Juden dienten, wurde bereits seit dem Mittelalter immer wieder gesetzlich untersagt. Warum also diese völlig abwegige Konstruktion? Im Levitikustext selbst steht davon auch nichts. Möglicherweise diente hier der Hinweis auf eine jüdische Praxis zur Rechtfertigung der christlichen Praxis in der Frühen Neuzeit, wonach muslimische

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Ne tolli videretur Hebraeis facultas, opportunitasque servorum, sive famulorum, quam caeterae gentes habebant, qui nempe perpetui possent esse, et quorum opera uti liceret ad opera graviora, et viliora, quoniam ad haec negabatur usus Hebraeorum, nec perpetua servitute astringi poterant, idcirco sit nunc Hebraeis potestas utendi servis ex nationibus, quae in circuitu ipsorum erant, et ex iis, qui converterentur ad legem eorum. Tales ex talibus nati apud Hebraeos perpetui servi esse poterant, et ad haeredes transmitti: nullus autem ex Hebraeis, quos nec ad tempus quidem fas erst more famulorum tractare, sicut ante dictum est (Lorin, In Leviticum, Douai 1620, 896). 448 Ex locis aliarum regionum, quae non erant de numero promissarum, si bello Hebraei ea occupassent, et habitatores conditionem pacis admitterent, in servitutem redigi poterant, alioqui omnes occidebantur, exceptis faeminis[!], et parvulis: et hi utrique servitutem subire cogebantur, sub eodem onere ritus Hebraei, aut aliis gentibus vendebantur (ebd.). 449 Hic proprie agitur de Gentilibus, qui sponte convertebantur, quibus fas erat seipsos vendere in servos: verum non gaudebant privilegio anni septimi, vel iubilei, ut scilicet a servitute liberarentur: … (ebd.). Ebenso Lapide zu V. 44, wie folgt: Accipite servos et servas ex Gentilibus, et ab iis eos emite; quia nolo ut Iudaeos, qui servi mei sunt, in servos perpetuos ematis aut habeatis. Gentiles ergo, etiamsi conversi essent ad Iudaismum, in aeternum manebant servi. sic et eorum filii, dicitur v.45. Nam non volebat Deus Gentiles proselytos, in privilegiis hisce iubilei, aequari Iudaeis ex genere et origine, ne oriretur inter eos invidia et seditio. id ita esse patet: nam alioqui omnes servi Iudaeorum in iubileo exissent liberi; quod tamen hic negatur. nam ut dixi Exod. 12.44 omnis servus Iudaeorum, etsi Gentilis esset, tenebatur circumcidi, et fieri proselytus (Lapide, In Pentateuchum, Paris 1626, 724).

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oder jüdische Sklaven, die zum Christentum konvertierten, kein Recht auf Freilassung hatten.450 3.6 Die Sklavengesetze nach Dtn 15,12-18 Die deuteronomischen Sklavengesetze (Dtn 15,12-18) betreffen ausschließlich hebräische Sklaven und Sklavinnen und beschäftigen sich mit der Art und Weise ihrer Freilassung im Jubeljahr sowie der freiwilligen Überführung in die lebenslange Sklaverei.451 So heißt es in V. 12: „Wenn dein Bruder, ein Hebräer – oder auch eine Hebräerin –, sich dir verkauft, soll er dir sechs Jahre als Sklave dienen. Im siebten Jahr sollst du ihn als freien Mann entlassen.“ Wie behandelte Lorin diese Verse? Er ging in seinem Kommentar dazu insbesondere der Frage nach, zu welchem Zeitpunkt die hebräischen Sklaven beiderlei Geschlechts freigelassen werden sollten, ob also nach sechs oder nach sieben Dienstjahren. So hätte Rabanus Maurus452 im Anschluss an den Kirchenvater Augustinus die Ansicht vertreten, dass die Sklaven noch das ganze siebte Jahr ihren Dienst leisten mussten, bevor sie am Ende des Jahres freigelassen wurden. Dies stehe im Widerspruch zur allgemeinen Meinung, wonach der Sklave bereits zu Beginn des siebten Jahres zu entlassen war.453 450

Vgl. PRIESCHING (2013). Im modernen Bibelkommentar von Udo Rüterswörden heißt es: „Mit diesem Passus des Heiligkeitsgesetzes wird der Status des Sklaven für Israeliten ausgeschlossen und durch den des Lohnarbeiters ersetzt; eher nachteilig für die Betroffenen ist das Ende der Abhängigkeit erst im Jobeljahr, also nach maximal 49/50 Jahren. Dtn 15,12-18 kennt die Sklaverei, beendet sie aber nach 6/7 Jahren. … Von der Leitidee, die das Heiligkeitsgesetz explizit nennt, waren auch sie [die Verfasser des Deuteronomium; d. Verf.] erfüllt: Es soll keine hebräischen Sklaven geben“ (RÜTERSWÖRDEN [2006] 100-103). Gleich lautend die einleitende Paraphrase bei Lorin, in der er ausdrücklich die Proselyten von den Regelungen ausschließt: Haec est secunda praecipua pars capitis de libertate concedenda servis utriusvis sexus ex Hebraeis originariis in septimo anno, si ea uti vellent: proselytis namque istius legis privilegium non competebat, ut praecipitur in Levitici c. 25. ubi est: … (Lorin, In Deuteronomium [Bd. 1], Lyon 1625, 571). 452 Rabanus Maurus (um 780 in Mainz bis 856 in Winkel), Mönch und Lehrer und 822-842 Abt, ab 847 Erzbischof von Mainz. Für kurze Zeit war er am Hof von Karl d. Großen. Er verfasste Erklärungen zu fast allen biblischen Büchern, die wahrscheinlich als geistliche Unterweisung für seine Mönche fungieren sollten (KOTTJE [2006] Sp. 292-293). 453 So laut Lorin: Communi opinioni de septimo anno remissionis (qui apud Hebraeos numerandi modus per septenarios usitatus erat, sicut apud alios olympiadum, lustrorum, indictionum) contrarius est Augustinus et Rabanus [Glosse: q. 22], docentes quod hos emptos non anno remissionis remitti voluit, quem septimum quemque observari oportebat ab omnibus, sed anno septimo emptionis eius, quotocumque anno illorum septimus iste annus occurreret. Immo opposita ratio ei quae movit Augustinum, traditur ab aliis, quia remissionis annus status erat et communis omnibus. Inde praeterea sequeretur servitutem esse debuisse sex annorum (Lorin, In Deuteronomium [Bd. 1], Lyon 1625, 571). 451

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Lorin hielt beide Deutungen für möglich, da er in seinen detaillierten Erklärungen (explanatio) zu einzelnen Versabschnitten beide Positionen wiedergibt, aber zu keinem eindeutigen Urteil kommt.454 Die Relevanz der alttestamentlichen Sklavengesetze (mit explizitem Hinweis auf Ex 21) für den christlichen Leser hebt Lorin anhand allegorischer Deutungen hervor. So hätten Isidor von Sevilla (560-636),455 Beda Venerabilis (672/673-735)456 und Rabanus Maurus, gestützt auf Hieronymus457, diese Bestimmungen spiritualisiert als Sklaverei der Sünde gedeutet und somit auf alle Menschen bezogen.458 Erst mit dem Kommen des Erlösers Jesus

454 Et sex annis servierit tibi] Secundum editionem Graecam absque coniunctione δουλεύσει, serviet: ut etiam legit Ambrosius. Utrovis modo legas, negative interpretare cum Abulense, ut ultra sex annos non teneretur servire; cum posset aliquando tempore minore, ut si venderetur uno anno ante annum remissionis. Negari tamen non potest, quin ipsa phrasis prae se ferat servitutem sex annorum, quae placuit Augustino, et Rabano, indicaturque ab Ambrosio, eiusque obiter meminit Lipomanus in Exodo. Rickelius triplicem refert sententiam; si Hebraeus emerit seu redimeret Hebraeum iam venditum gentili in servum, serviret usque ad initium septimi anni, id est, iubilaei, quia nolebat Deus vendi Hebraeos in servos perpetuos: vel si emeret Hebraeum qui ante servus non fuisset, ad hoc ut esset servus, serviret sex annis, seu servire teneretur, si viveret per tot annos, nisi interveniret Iubilaeus; non quidem magnus quinquagesimi anni, sed septimi remissionis: vel si emeret servum Hebraeum ab Hebraeo; sive quaecumque emptio foret, fieret ab ipsis iudicibus Hebraeis, qui Hebraeum de furto convictum, nec habentem unde restitueret, vendi iussissent, ad faciendam restitutionem; sine ob nimiam paupertatem vendidisset ipsemet se Hebraeus; sive dominus Hebraeus, servo suo Hebraeo non amplius indigens, venderet eum alteri Hebraeo, quantum ad tempus restans usque ad septimum annum remissionis (ebd., 572). 455 Isidor von Sevilla (560-636) war 599-601 Erzbischof von Sevilla. Er gründete bischöfliche Schulen mit Bibliotheken in Sevilla, Toledo und Saragossa. Zudem leitete er die Synoden von Sevilla 619 und Toledo 633 (RIEGER [2005] Sp. 247-248). 456 Beda Venerabilis wurde 670 in Northumbrien geboren und starb 735 in seiner Zelle im Kloster Jarrow. Venerabilis verbrachte seit seinem siebten Lebensjahr seine Zeit in den Klöstern Wearmouth und Jarrow. Im Alter von 30 Jahren wurde er zum Priester geweiht. Er war ein sehr begabter Schrifsteller. Noch auf dem Sterbebett beschäftigt er sich mit einer Übersetzung des Johannesevangeliums und mit Auszügen aus den Schriften des Isidors von Sevilla (LOYN [1980] 397-402). 457 Der Kirchenlehrer Hieronymus wurde um 347 in Dalmatien geboren und starb 419 oder 420. In Aquileia schloss er sich dem asketischen Kreis um Chromatius an. 373 reiste er nach Antiochien, wo er Griechisch lernte und einige Zeit später in die nordsyrische Wüste ging, um dort in strenger Askese zu leben. Als er nach Antiochien zurückkehrte, ließ er sich um 379 zum Presbyter weihen. 382 reiste er nach Rom, wo er zum geistigen Führer asketisch interessierter adliger Damen wurde. 385 verließ er Rom und ließ sich 386 in Bethlehem nieder. (DURST [2006] Sp. 91-93; vgl. ferner: KLEIN [2001] 401-425). 458 Mystice Isidorus, Beda, Rabanus in Exodi cap. 21. docent in sex aetatibus huius saeculi servientes in septimo die aeterno sabbato liberari: si tamen velimus esse liberi, dum adhuc in saeculo servimus peccato: si autem nolimus, perforari auriculam in signum inobedientiae: et cum uxore ac filiis nostris, quos praetulimus libertati, id est, cum carne et operibus eius, iugiter peccati servos futuros in aeternum. Sumpta sunt ista ex Hieronymo [Glosse: 2. [libro] contra Iovin[ianum]]. Addit Beda per hunc servum designari posse universum genus humanum,

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Christus sei die Menschheit von der Sklaverei des Gesetzes, dem Israel unterworfen war, befreit worden.459 Auch in Dtn wird die Freilassung hebräischer Sklaven im siebenten Jahr mit der Erinnerung an den Exodus begründet. So heißt es in V. 15: „Denk daran: Als du in Ägypten Sklave warst, hat der Herr, dein Gott, dich freigekauft“ (Dtn 15,15).460 Lorin führte dem Leser hier eine Problematik der Vulgataübersetzung vor Augen, in der es heißt: Memento quod et ipse servieris in Terra Aegypti et liberavit te Dominus Deus tuus et idcirco ego nunc praecipio tibi.461 So wies er darauf hin, dass die lateinische im Gegensatz zur griechischen Bibelübersetzung mit liberavit nicht genau zwischen befreien, herausführen und loskaufen unterschied.462 Dabei wäre eigentlich zu differenzieren, ob hier vom Loskauf für einen bestimmten Preis oder einer unentgeltlichen Freilassung im siebenten Jahr gesprochen wird.463 Die revidierte Vulgataausgabe galt zwar als einzig authentischer Text, doch konnten bei mehreren Übersetzungsmöglichkeiten durchaus andere, hier die griechische Septuaginta, herangezogen werden. Lorin fügte noch eine spiritualisierte Deutung hinzu, indem er den christlichen Leser daran erinnerte, dass er von Christus um den Preis seines Blutes vom Teufel (diabolus) und der ewigen Verdammnis losgekauft worden sei.464 quod in septimo anno, id est, in requie novi Testamenti, liberatum est (Lorin, In Deuteronomium (Bd. 1), Lyon 1625, 571). 459 Hier übernimmt Lorin die Deutung von Prokop von Gaza (465-528) und Cyrills von Alexandrien, wenn er schreibt: Procopius hoc loco ait quod ante Salvatoris adventum legi servitutis Israël astrictus, atque sub disciplina erat: postremis temporibus, cum humanitatem ascivisset, servitutis spiritus est sublatus, sponteque et gratis in filios sunt adoptati: et fidei viatico accepto victimam nostri gratia mactatam: frumentum item et vinum carnis et sanguinis data, et per ipsa libertatem aeternam, quae anno septimo, id est, in consummatione mundi perficietur, nimirum, ut interpretor, quantum ad corporis immortalitatem. Videntur haec petita ex Cyrillo Alexandrino; quod saepe deprehendi factum a Procopio (ebd.). 460 Memento quod et ipse servieris in terra Aegypti, et liberaverit te Dominus Deus tuus, et idcirco ego nunc praecipiam tibi (Dtn 15,15VUL). 461 Lorin bezieht sich auf Vers 15 (Lorin, In Deuteronomium [Bd. 1], Lyon 1625, 574). Dabei kommentiert er den Versabschnitt Et liberavit te Dominus Deus tuus gesondert (ebd., 575). 462 Latinitateque donato nomine, lytrum vocatur. Etsi vero quandoque verbis his indifferenter utantur Scripturae liberandi, educendi, redimendi ad istud idem significandum quod hic exprimitur: tamen tot edita prodigia, per quae populus ex Aegyto liberatus ac eductus est, redemptionis cuiusdam ac soluti pretii vice possunt videri (ebd.). 463 Nec absque propria quadam vi nunc ponitur verbum redimendi, cum agitur de servis, qui pretio empti sunt; etsi anno septimo libere dimittendi; qui appellabatur annus remissionis, gratisque … (ebd.). 464 Spiritualiter id verum est, quoniam licet diabolo tradas teipsum pro externis bonis quae proponit, tamen nec ipsius ea sunt, et nullius veri pretii sunt, comparata praesertim ad aeterna tum damna, tum bona. Et quamvis pretio sanguinis Christi sis redemptus; non tamen praetio quod tu solveris (ebd.).

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III. Sklaverei und Bibelexegese

In seinen Kommentierungen der Verse 16-17 griff Lorin die Diskussion um die Bedeutung des Ohrdurchstechens und der freiwilligen Überführung in die zeitlich unbegrenzte Sklaverei wieder auf, wie sie bereits Lapide in seinem Kommentar zu Ex 21,2-6 geführt hatte.465 Allerdings hob Lorin hervor, dass von diesem Ritus die Sklavinnen ausgenommen waren. Zwar heißt es in V. 17: „Bei einer Sklavin sollst du das gleiche tun“ (Dtn 15,17).466 Aber in der Vulgata steht: Ancillae quoque similiter facies,467 was eine nur ähnliche Art bedeuten kann. Mit Verweis u. a. auf seine jesuitischen Kollegen Sa und Mariana deutet er dies so, dass der Sklavin, wenn sie in dauerhafte Sklaverei geriet, die Ohren nicht durchstochen wurden.

4. Sklaverei im Neuen Testament Sklaverei war in der gesamten Antike ein weit verbreitetes Phänomen. Wie bereits in den Schriften des Alten Testaments wird sie auch im Neuen Testament als Gegebenheit vorausgesetzt. Zu den ersten Christusgläubigen gehörten zudem nicht zuletzt Sklaven.468 Auch im Neuen Testament wird metaphorisch von Sklaverei im Sinne eines absoluten Abhängigkeitsverhältnisses gesprochen. So spiegelt der Anspruch Christi, als Sklave unter den Menschen zu dienen, den metaphorischen Gebrauch wider (Joh 13,16; Phil 2,7).469 Christen können Sklaven Gottes oder Sklaven Christi genannt werden, wobei die erste Wendung allerdings meist nur für Christus selbst und nicht für die Christen verwendet wird.470 Die Bezeichnung der Christen als Sklaven Jesu Christi zeigt an, dass sie gewissermaßen Eigentum Jesu sind und ihr Leben im Sinne einer spirituellen Sklaverei für den „Auferstandenen und Erhöhten“ einsetzen.471 Damit wird das Verhältnis zwischen Christen und Christus näher beschrieben. Zugleich wird diese Form der Sklaverei heilsgeschichtlich positiv bewertet. Dies findet sich z. B. in der Selbstbezeichnung des Paulus, der sich ‚Sklave Jesu Christi‘ nannte und mit dieser Formel einige Briefe einleitete, um seine 465

Zu V. 16-17: Ebd., 575-578. Vgl. in diesem Kapitel die Ausführungen zu Ex 21,2-6 zu Lapide. 466 Adsumes subulam et perforabis aurem eius in ianua domus tuae et serviet tibi usque in aeternum ancillae quoque similiter facies (Dtn 15,17VUL). 467 Ancillae quoque similiter facies.] Omisit Interpres (tuae) Abulsensis cum R. Abenezra, et R. Salomone, ut ante dixi, et Marzilla, Cornelius, Vatablus, Sa, Mariana, explanant non de auris perforatione; sed de dando viatico ancillae, quae libera dimitteretur, quemadmodum de servo antea praeceptum est (Lorin, In Deuteronomium [Bd. 1], Lyon 1625, 578). 468 Zum Verhältnis von Frühem Christentum und Sklaverei: GÜLZOW (1999); LAUB (1982). 469 PRIESCHING (2012) 93; RENGSTORF (1935) 280-282. 470 PRIESCHING (2012) 93; RENGSTORF (1935) 276f. 471 RENGSTORF (1935) 277.

4. Sklaverei im Neuen Testament

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besondere Beziehung zu Christus zu demonstrieren. Eine weitere metaphorische Verwendung des Begriffs wäre der Bezug zu Affekten. So konnte man Sklave aller möglichen Begierden und Leidenschaften sein (vgl. Tit 3,3). Darüber hinaus setzen sich einige Stellen mit der Sklaverei als Sozialform auseinander. Auch darin wird Sklaverei nicht grundsätzlich kritisiert, sondern vielmehr vorausgesetzt. Allerdings wird das christliche Zusammenleben gerade in der Umkehrung der äußeren Herrschaftsverhältnisse bestimmt, wenn es in Mk 10,44 heißt: „… und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.“ Die Gesinnung (dienen, gehorsam sein) findet ihr Vorbild in der untersten sozialen Schicht der Sklaven, was diese indirekt aufwertet. Doch zielte diese Erhöhung nicht auf eine revolutionäre Veränderung der sozialen Ordnung ab. So heißt es in 1 Kor 7,20-21: „Jeder soll in dem Stand bleiben, in dem ihn der Ruf Gottes getroffen hat. Wenn du als Sklave berufen wurdest, soll dich das nicht weiter bedrücken; auch wenn du frei werden kannst, lebe lieber als Sklave weiter.“ Aber nicht nur der Sklave sollte seinem Herrn ein guter Sklave sein, sondern ebenso sollte auch umgekehrt der Herr seinem eigenen Sklaven ein guter Herr sein (vgl. Eph 6,5-9).472 Wie die Sklaverei wurde auch der Begriff des Loskaufs im Neuen Testament sowohl metaphorisch für die Rede von der Erlösung durch Christus als auch im Sinne einer realen Sklavenbefreiung473 verwendet. Diese Bedeutungsebenen sind zu unterscheiden. So lässt der Evangelist Johannes Christus erklären, dass er die Gläubigen nicht aus einer realen, sondern aus der Sklaverei der Sünde erlöse (vgl. Joh 8,35f).474 Der Preis für die Erlösung besteht nach Mk 10, 45 in der Hingabe des Lebens Christi als Lösegeld.475 Das Loskaufmotiv ist insbesondere im Corpus Paulinum verbreitet.476 Dies geht aus der Studie von Haubeck hervor, in der er die neutestamentlichen

472

Dazu auch GÜLZOW (1999) 91-96; LAUB (1982) 63-66; PRIESCHING (2012) 92; PRIESCHING (2014) 86; RENGSTORF (1935) 272-275. Allerdings war und ist die Übersetzung von 1 Kor 7,21b umstritten. Vgl. dazu: III.4.1. 473 Zur interreligiösen Praxis des Loskaufs aus einer Langzeitperspektive: GRIESER/ PRIESCHING (2015). 474 RENGSTORF (1935) 279; Vgl. auch: III.4.2. 475 „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“ (Mk 10,45; EÜ). Nach Marcus Joel ist das Wort ‚Lösegeld‘ (redemptio) der Praxis des Sklavenloskaufs entnommen. In der Exegese herrsche jedoch Uneinigkeit darüber, ob dieses Lösegeld an Gott oder an den Teufel zu zahlen sei (vgl. JOEL [2002] 746-757). 476 HAUBECK (1985) 136-225. Haubeck unterteilt drei Gruppen nach ihrer Terminologie. So verwenden 1 Kor 6,20 und 1 Kor 7,23 das Verb ἀγοράζω, Gal 3,13 und Gal 4,5 das Verb ἐξαγοράζω, Röm 3,24, Röm 8,23 1 Kor 1,30, Kol 1,14 Eph 1,7.14 und Eph 4,30 das Nomen ἀπολύτρωσις, Tit 2,14 das Verb λυτρόω und 1 Tim 2,6 das Nomen ἀντίλυτρον.

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III. Sklaverei und Bibelexegese

Loskaufmetaphern und ihren alttestamentlichen Bedeutungshorizont eingehend analysiert.477 Hier soll nun zuerst die Loskaufmetapher anhand des Kommentars von Cornelius a Lapide zu den paulinischen Briefen beleutet werden. Danach soll das Verhältnis zwischen einer spiritualisierten inneren Sklaverei und einer sozialen äußeren Sklaverei in den Kommentaren von Francisco de Toledo zum Johannesevangelium und von Benito Perera zum Anfang des Römerbriefes analysiert werden.478 Schließlich finden sich im Neuen Testament ethische Weisungen im Hinblick auf das richtige Verhalten von Sklaven gegenüber ihren Herren und umgekehrt, was zur Frage führt, ob dies in der Bibelauslegung auch auf damals aktuelle Beispiele bezogen wurde. Die Institutionis oeconomicae von Giovanni Stephano Menochio bieten hier auf Grundlage einschlägiger Stellen aus den paulinischen Briefen einen Einblick in die Normvorstellungen zum Verhältnis zwischen Sklaven und Herren im christlichen Haushalt der Frühen Neuzeit.479 Einen Konfliktfall hinsichtlich des normgerechten Verhaltens wurde im Philemonbrief mit dem Fall des entlaufenen oder sich herumtreibenden Sklaven Onesimus beschrieben, für den sich der Apostel Paulus in einem Begleitschreiben an den christlichen Herren Philemon einsetzte. Der Kommentar zum Philemonbrief von Cornelius a Lapide verband seine Auslegung mit einem Plädoyer für die von der Gesellschaft Jesu praktizierte Sklavenseelsorge.480 Auch hier findet sich demnach ein Bezug zur zeitgenössischen Praxis der Sklaverei. Abschließend soll das in der Frühen Neuzeit weitverbreitete Feindbild vom ‚Türken‘ aufgegriffen werden, das Benito Perera in seiner spezifischen Auslegung zum apokalytpischen Motiv des Antichrist verwendete. Darin beschrieb er die Herrschaft der Türken als Tyrannei, die eine vollständige Versklavung der Untertanen bedeute.481 4.1 Redemptio – Erlösung als Loskauf im Corpus Paulinum Anhand des Kommentars von Cornelius a Lapide zu den paulinischen Briefen482 soll nun im Folgenden das Verständnis der Loskaufmetapher näher be477

HAUBECK (1985). Vgl. auch: PRIESCHING (2012) 95-97. Vgl. III.4.2. 479 Vgl. III.4.3. 480 Vgl. III.4.4 und VI.; Vgl. GRIESER/ PRIESCHING (2016) 231-302. 481 Vgl. III.4.5. 482 Auf die Diskussionen um die Authentizität der Vulgata und die Kanonfrage wurde bereits in II.2.1 eingegangen. Dabei wurde auch erwähnt, dass Thomas Cajetan die Kanonizität des Hebräerbriefes bezweifelt hatte, weil er ihn für nicht paulinisch hielt. Mit dem Kanondekret 478

4. Sklaverei im Neuen Testament

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leuchtet werden. Die enge Verbindung zwischen der Erlösungsvorstellung und dem Sklavenloskauf zeigte sich auch beim lateinischen Begriff redemptio, der beides bedeuten konnte. Betrachten wir zunächst das Loskaufmotiv in 1 Kor 6,20: „…denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!“483 Einige Christen aus Korinth hatten die Rede des Paulus von der durch Christus gewonnenen Freiheit falsch verstanden. So hielten sie zum Beispiel den Gang zu einer Prostituierten für erlaubt. In Kor 6,1-20 ermahnte Paulus deshalb die Korinther, keine Unzucht mehr zu treiben. Nicht an die Dirne solle man sich binden, und damit ein Leib mit ihr werden, sondern an den Herrn. Denn dieser habe die Korinther losgekauft.484 Dieser Loskauf wird somit als Metapher gebraucht und ist als Befreiung von der Sklaverei der Sünde zu deuten. Die Befreiungstat Christi bezieht sich dabei nicht auf einzelne sündige Taten, sondern auf eine dauerhafte Existenzweise.485 Hartmut Merklein fasst die Textaussage folgendermaßen zusammen: „Die konkrete Gemeinde ist – bis in die somatische Existenz des Einzelnen hinein – der heilige Bezirk Gottes, in dem durch das Opfer und den Loskauf Christi ermöglicht (5,7; 6,20) die ehedem Unreinen rein, die ehemals Unheiligen heilig und die ehemaligen Sünder Gerechte geworden sind (vgl. 6,11), durch die Nähe Gottes von der Knechtschaft der Sünde und des Sündigens befreit sind.“

Wie wurde diese Stelle bei dem Barockscholastiker Lapide gedeutet? Er ermunterte den christlichen Leser dazu, den Leib hoch zu schätzen und nicht den fleischlichen Gelüsten zu folgen, weil die Christen von der Sünde und aus dem Heidentum um den Preis des Blutes Christi losgekauft (redemptus) worden seien.486 Allerdings beließ er es nicht bei dieser am Literalsinn orientierten Deutung des Loskaufs, sondern erzählte noch folgende Geschichte:

des Konzils von Trient wurden solche Diskussionen erst einmal unterdrückt. Heute gelten nur sieben Briefe des Paulus als authentisch, 1 Thess, Gal, 1 Kor, 2 Kor, Phil, Phlm, Röm, hingegen Eph, Kol, 2 Thess, 1 Tim, 2 Tim, Tit und Hebr mehrheitlich als deuteropaulinisch. Diese historisch-kritische Unterscheidung spielte für die Barockscholastiker noch keine Rolle, so dass hier nicht näher darauf eingegangen wird. Lapide behandelte alle genannten Briefe als Paulusbriefe. 483 1 Kor 6,20 (EÜ). 484 Vgl. HAUBECK (1985) 137-142; ZELLER (2010) 220-229. 485 MERKLEIN (2000) 81. 486 Magni aestimate, magni facite vestra corpora, cum ea licetur daemon turpi et brevi corporis voluptate. Ne corpus tuum vilipendas, ne gratis vendas, immo maximi ducas: haec est enim gloria Dei, si magni fiant illa corpora, quae Deus tanto sibi pretio comparavit, scilicet sanguine suo. Hinc nomen gloriosum Christiani est Emptus, et Redemptus, scilicet a peccato et gentilismo, idque, pretio sanguinis Christi (Cornelius a Lapide, Commentaria in omnes divi Pauli epistolas auctore R. P. Cornelio Cornelii a Lapide e Societate Iesu, olim in Lovaniensi, post in Romano Collegio Sacrarum Litterarum professore. Ultima editio, aucta et recognita, Antwerpen 1692, 237).

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III. Sklaverei und Bibelexegese

„So wurden einst die Söhne der Christen von den Türken gekauft und vom Christentum zum Türkentum überführt, sie wurden mamluchi genannt, das heißt, die Gekauften. Nachdem nämlich die Tartaren Armenien unterworfen hatten, verkauften sie die Knaben der Christen. Diese kaufte in großer Zahl Melech Sala, der Sultan Ägyptens, und er sorgte dafür, dass selbige zu Soldaten erzogen wurden, und er nannte sie mamluchos, das heißt, die Gekauften.‫ מכר‬malac bezeichnet nämlich auf Arabisch kaufen oder erwerben. Nach dem Tod des Sultans Melech Sala begannen die Mamluken aus ihrer Gemeinschaft, welche nur aus christlichen Apostaten bestand, im Jahre Christi 1252 den König zu stellen. Wie die Mamluken unter Kaiser Friedrich II. begannen, so wurden sie von Selymo, als er Ägypten besetzte, im Jahr 1516 ausgerottet. Damals hörten die Mamluken nämlich auf zu regieren und zu sein.“487 (Übersetzung D.K.)

Lapide fügte also einen Rückblick auf die Geschichte der ,Mamluken‘ ein. Diese Militärsklaven waren in der Mitte des 13. Jahrhunderts in Ägypten zur Herrscherelite aufgestiegen. 1516/17 war das ,Mamlukenreich‘ dann allerdings durch Sultan Selim I. (1470/reg. 1512-1520) vernichtet worden.488 Seltsam an diesem Einschub erscheint, dass Lapide hier den spirituellen Loskauf der Christen aus der Sklaverei der Sünde mit der Erzählung von der Versklavung und Konversion christlicher Kinder zum Islam verband. Diese Kinder verloren ja als Apostaten nach zeitgenössischer katholischer Aufassung ihr Seelenheil, so dass sich die Geschichte eigentlich nicht für die Veranschaulichung des christlichen Erlösungsideals eignete. Allerdings nutzte Lapide diese Stelle, um seine offensichtlich aus dem Hebräischen abgeleiteten rudimentären Arabischkenntnisse vorzuführen. Dabei sah er zumindest eine sprachliche Entsprechung zwischen der metaphorischen Rede vom Loskauf der Christen (redemptus/ emptus) aus der Sklaverei der Sünde und dem realen Kauf (‫ ;מכר‬malac) von christlichen Kindersklaven durch den ägyptischen Sultan. Obwohl dieser Zusammenhang letztlich unklar bleibt, zeigt der Kommentar, wie die Erlösungstat Christi mit historischen und zeitgenössischen Formen der Sklaverei assoziiert wurde. Dennoch wirkt dieser Perspektivwechsel hier willkürlich. Eine weitere Stelle zum Loskauf ist 1 Kor 7. Hier geht Paulus auf das Thema Ehe und Verheiratung ein. Dabei thematisiert er sowohl die Beschneidung (V. 18-20) als auch die Sklaverei (V. 21-24). Nach Haubeck

487

Sic olim filii Christianorum empti a Turcis, et a christianismo ad turcismum traducti, vocabantur mamluchi, id est, empti. Cum enim Tartari subegissent Armeniam, vendiderunt pueros Christianorum: hos Melech Sala Aegypti Sultanus emit magno numero, ipsosque in militia exerceri curavit et vocavit mamluchos, id est, emptos. ‫ מכר‬malac enim arabice significat emere, et acquirere. Post mortem Sultani Melech Sala coeperunt Mamluchi ex suo collegio, quod solis Christianis apostatis constabat, regem constituere anno Christi 1252. Ut autem coeperunt Mamluchi sub Frederico II. Imp. ita extirpati sunt a Selymo Aeqyptum occupante, anno Christi 1516. Tunc enim Mamluchi regnare et esse desierunt (ebd.). 488 Lapide gibt seine Quellen leider nicht an. Zur Geschichte der ,Mamluken‘: BRANDES (2007); HAARMANN (2004); KEßLER (2004); NORTHRUP (2007) 115-131. Jüngst zu den Loskaufaktionen der ,Mamluken‘ im ägyptischen Sultanat: FRENKEL (2014) 143-157.

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wollte Paulus herausstellen, dass die sozialen Unterschiede vor Gott nicht heilsrelevant sind, sondern jeder dazu aufgerufen ist, seinem Stand entsprechend seine Berufung als Christ zu verwirklichen.489 So heißt es in Vers 21: „Wenn du als Sklave berufen wurdest, soll dich das nicht bedrücken, auch wenn du frei werden kannst, lebe lieber als Sklave weiter“ (1 Kor 7,21).490 Der Sinn dieses Verses ist allerdings nicht ganz klar. Sollte der Sklave die Gelegenheit zur Freilassung gar nicht erst ergreifen, oder sollte er sie ergreifen und dann wie ein Sklave weiterhin seiner Berufung folgen? 491 Sowohl für Freie als auch für Sklaven gilt jedenfalls, dass sie durch Christus losgekauft wurden und nun Befreite bzw. Sklaven im Herrn sind. Auf die innere Freiheit kommt es an, wie die folgenden Verse zeigen: „Denn wer im Herrn als Sklave berufen wurde, ist Freigelassener des Herrn. Ebenso ist einer, der als Freier berufen wurde, Sklave Christi. Um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Macht euch nicht zu Sklaven von Menschen“ (1 Kor 7,2223).492 Auch diese Stelle ist somit aussagekräftig für die Verwendung der Loskaufmetapher im Hinblick auf das Erlösungswerk Christi. Wie wurde diese Stelle nun von Lapide gedeutet? Zunächst interpretierte er V. 21 als konsolatorischen Zuspruch für den christlichen Sklaven. Er solle sich nicht ängstigen, dass er ein Sklave sei, sondern sich damit trösten, dass Christus ihn bereits aus der Sklaverei der Sünde und des Todes befreit habe.493 Dann ging Lapide auf eine bestehende Übersetzungstradition des zweiten Versteils ein, die, ausgehend vom Kirchenvater Johannes Chrysostomus494 über Theophylaktus495 bis Thomas von Aquin, den Rat des Paulus so auslegte, dass der christliche Sklave auch bei einer Freilassungsmöglichkeit 489

HAUBECK (1985) 142. Servus vocatus es non sit tibi curae sed et si potes liber fieri magis utere (1 Kor 7,21VUL). 491 Vgl. HAUBECK (1985) 142; 145. 492 Qui enim in Domino vocatus est servus libertus est Domini similiter qui liber vocatus est servus est Christi. Pretio empti estis nolite fieri servi hominum (1 Kor 7,22-23VUL). 493 Zu V. 21a: Servus vocatus es? Non sit tibi curae] ac de eo sis anxie sollicitus, quod servus sis, quasi servitus sit conditio Christianis hominibus indigna: sed de eo potius te consolare, quod a misera servitute peccati ac mortis; sis per Christum manumissus, … (Lapide, Commentaria, Antwerpen 1692, 248). 494 Johannes Chrysostomus (349/50 bis 407) war Patriarch von Konstantinopel. Er schloss sich der Asketenschule von Flavian und Diodoros an, die seine theologischen und geistlichen Lehrer wurden. Nachdem er als Anachoret gelebt hatte, wurde er 397 Bischof von Konstantinopel und drängte auf innere Reformen. Er war ein Mann des Wortes und bekannt für seine Gelegenheitsrede (MADEY [2006] Sp. 889-892). 495 Gemeint ist wahrscheinlich Theophylactus von Ohrid (um 1055-nach 1107). Er wurde 1087 Bischof von Ohrid im Bulgarischen Reich, dass die Byzantiner kurz vorher erobert hatten. Er hat zahlreiche exegetische Kommentare geschrieben, u. a. zu den Evangelien, der Apostelgeschichte und zu den Paulusbriefen. Thomas von Aquin hatte Teile seiner Schriften in seine Catena aurea aufgenommen. 1542 wurden die Kommentare Theophylakts auf Griechisch in Rom veröffentlicht. Aber auch lateinische Übersetzungen seiner exegetischen Werke lagen im 16. Jahrhundert vor (vgl. MULLETT [1997]). 490

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im Sklavenstand bleiben sollte.496 Hier verwies Lapide beim Versabschnitt „lebe vielmehr als Sklave weiter“, was in der Vulgata mit magis utere (nutze sie besser) angegeben ist, auf die Freiheit. Der Rat des Paulus bestand demnach also darin, dass ein christlicher Sklave, der freikommen konnte, diese Möglichkeit unter bestimmten Umständen ergreifen sollte. Lapide dachte hier an christliche Sklaven, die nichtchristlichen Herren dienen mussten und so Gefahr liefen, ihre Religion nicht ausüben zu können.497 Unter den nichtchristlichen Herren verstand Lapide zunächst einmal die Heiden zur Zeit des Paulus, doch dann ebenso die Türken und Mauren seiner eigenen Zeit.498 Darin zeigt sich ein sehr eigenständiger Umgang mit seinen Autoritäten, wobei man Verbindungen zu zeitgenössischen scholastischen Debatten über die Sklavenflucht sehen könnte (vgl. IV.). Ein christlicher Sklave sollte sich nach Lapide zwar mit seinem Stand zufrieden geben und ihn geduldig ertragen, aber nur solange, bis die göttliche Vorsehung (providentia) ihn aus der Sklaverei befreite.499 Damit kommt ein

496 Zu V. 21b: Sed et si potes fieri liber, magis utere] scilicet ipsa servitute, ad Domini gloriam, humilitatis causa. Unde Theodor. sic exponit: Gratia, inquit, non novit differentiam servitutis et dominii. Ne fugias ergo servitutem tamquam fide indignam. Quod si fieri possit, ut libertatem assequare, perge servire, et expecta remunerationem. Sic quoque explicant S. Chrys. Theophyl. et D. Thomas. Huic expositioni apte cohaeret id quod sequitur Qui enim in Domino vocatus est servus, libertus est Domini (Lapide, Commentaria, Antwerpen 1692, 248). Nach Harrill folgte Chrysostomus in seiner Übersetzung von μᾶλλον χρῆσαι nicht der Grammatik, sondern der paulinischen Theologie, wonach jeder in seinem Stand verbleiben sollte. Daher schloss er die Option auf Loskauf bzw. Freilassung von christlichen Sklaven an dieser Stelle aus. Allerdings haben nicht nur die Reformatoren Luther und Calvin, sondern auch der Jesuit Lapide hier anders übersetzt (vgl. HARRILL [1995] 77-80); Johannes Chrysostomus, Homilie 19 in epist. 1 ad Cor 5 (PG 61, 164), Sp. 156. 497 Secundo, aptius et planius: Si potes fieri liber, si potes a servitute liberari, magis utere, hac scilicet potestate et commoditate, ac servitutem excute. q.d. Si potes fieri liber, libertatem amplectere, eaque fruere, hoc enim plane significat τό magis utere: hocque prae alio suadendum, aeque ac optandum est. Quis enim non malit fieri liber, quam manere servus? praesertim si infideli serviat, ita ut libere Christo servire non possit, hoc etiam mox clare suadet Paulus dicens: Pretio empti estis; nolite fieri servi hominum (Lapide, Commentaria, Antwerpen 1692, 248). 498 Nota servos hic intelligit Apostolus, non mercenarios, quales iam sunt apud Christianos, sed mancipia qualia habebant Gentiles, etiam conversi ad Christum, et etiamnum ex Turcis et Mauris habent Christiani. Opponit enim servos liberis (ebd.). 499V. 22: Qui enim in Domino vocatus est servus [in der Vorlage fälschlich als Vers 27 angegeben, tatsächlich Vers 22; d. Verf.] Haec verba non ad proxime praecedentia; Sed et si potes fieri liber, magis utere; sed ad praecedentia more Hebraeo referenda sunt, scilicet ad illa; Servus vocatus es? non sit tibi curae, hoc enim praecipue intendit hic Apostolus, scilicet, ut servos doceat sua servili conditione esse contentos, eamque patienter ferre, donec Dei providentia aliud statuat, eosque servitute liberet. Iam in Domino, id est, a Domino, et ad fidem gratiamque Domini Jesu. Vide can. 25. Libertus est Domini] a Domino, scilicet Christo, est manumissus, et in libertatem Christianam assertus. q.d. Servi heriles si fiant Christiani, non ambiant fieri liberi a servitute herili, sed glorientur, quod a servitute peccati asserti sint in

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weiteres theologisches Motiv ins Spiel, das entfernt an den Gnadenstreit erinnert: die göttliche Vorsehung, die im Zusammenspiel von Gnade und Freiheit einzuordnen war.500 Allerdings wird nicht weiter spekulativ auf die Rolle der göttlichen Vorsehung eingegangen. Für den Sklaven bedeutete sie schlicht, er dürfe nicht nur auf spirituelle Befreiung (Erlösung), sondern auch auf reale, diesseitige Befreiung hoffen. In dieser Hinsicht wurde Sklaverei also heilsgeschichtlich interpretiert und zugleich legitimiert. In letzter Konsequenz war es dann der Heilsplan Gottes gewesen, in dem dieses Schicksal begründet war. Nach Lapide bedeutete der Loskauf des Menschen durch das Blut Christi von der Sklaverei der Sünde auch, dass sich Christen nach Möglichkeit nicht selbst in die Sklaverei verkaufen, sondern sich ihrer Freiheit erfreuen sollten. Ebenso warnte er davor, Sklave bei einem Herrn aus fremden Völkern zu werden, womit der Passus „Macht euch nicht zu Sklaven von Menschen“ eine zeitgenössische Sinnzuschreibung, etwa im Hinblick auf den Korsarenkrieg, erfuhr.501 Bemerkenswert ist aber die Wertschätzung der ‚äußeren Freiheit‘, die hier nicht hinter die ‚innere Freiheit‘ zurücktritt. Das lag vor allem daran, dass die ‚äußere Sklaverei‘ unter einem nichtchristlichen Herrn eine Gefahr für die ‚innere Freiheit‘ oder das Seelenheil darstellen konnte. Zwar galt es, das Seelenheil als höchstes Gut zu schützen, doch hatte dies eben auch Konsequenzen für die soziale Sklavereipraxis. Zur Konkretisierung führte Lapide noch ein historisches Beispiel an: Bereits Kaiser Konstantin und seine Nachfolger hätten bestimmt, dass kein Jude oder Heide unter christlicher Herrschaft einen Christen als Sklaven besitzen dürfte.502 Dies spiegelt auch die Judengesetzgebung des Kirchenstaates ab dem 16. Jahrhundert wider. Paul IV. hatte 1555 in der Bulle Cum nimis libertatem gratiae et adoptionis filiorum Dei. Vide Chrysost. hic et in morali hom. 19. quam servitus libertati Christianae non obsit (ebd.). 500 Vgl. II.3.1. 501 Zu V. 23: Pretio empti estis: puta sanguine Christi, qui antonomastice dicitur pretium, utpote ingens et immensum. ita Ambros. q.d. Christus vos pretio maximo e servitute peccati emit et redemit, fecitque sibi liberos: ergo nolite fieri servi hominum] ne vos in servos vendatis, aut servituti mancipetis, si possitis libertate gaudere: haec enim civilis libertas decet Christi libertum, ut eo melius toti Christo serviatis, quo minus ulli hero Ethnico praesertim, servitis (Lapide, Commentaria, Antwerpen 1692, 249). 502 Hinc postea Constantinus Magnus, sub annum Christi 330. in honorem Christi, et favorem Christianae religionis sanxit, ne ullo modo Iudaeus Christianum servum haberet, aut possideret: Iudaeum autem qui secus faceret, iussit capite plecti, et servam talem libertate donari; ut patet l. unica libr. 1. Codicis, tit. Ne Christianum mancipium haereticus, vel Iudaeus, vel Paganus habeat: neque enim fas esse censebat, Christi Redemptoris occisoribus, Christianos Christi morte redemptos, servitutis iugo subiici. Quam legem tres Constantini filii deinde confirmarunt, teste Sozomeno l. 3. c. 17. Sic S. Greg. sanxit, ut servus Iudaei volens converti ad christianismum hoc ipso fieret liber, ut patet lib. 3. epist. 9 Similia habet Concilium Toletanum IV. c. 64 (ebd.).

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absurdum bestimmt, dass keine Christen als Diener oder Mägde in jüdische Dienste treten dürften. Diese Maßnahme gehörte zu einem ganzen Bündel an Gesetzen, die auf konsequente Trennung zwischen Juden und Christen im Kirchenstaat ausgerichtet waren. Gleichzeitig wurde das jüdische Ghetto in Rom errichtet.503 Auch wenn solche Maßnahmen aus päpstlicher Sicht im Zeichen einer doppelten Schutzherrschaft standen – Schutz der Juden vor den Christen und Schutz der Christen vor den Juden504 –, so darf die Asymmetrie dieses Verhältnisses unter katholischen Vorzeichen nicht außer Acht gelassen werden. Dies ist letztlich für den Auslegungskontext bei Lapide entscheidend: Die christlichen Sklaven – oder auch Diener und Mädge entscheidend ist das äußere Abhängigkeitsverhältnis – sollten vor dem Einfluss nichtchristlicher Herren geschützt werden. Es ging schließlich darum, das Seelenheil durch eine ungehinderte Religionsausübung zu bewahren und eine Gefährdung des eigenen Glaubens durch nichtchristliche Einflüsse zu vermeiden. Ein solches Recht galt freilich nur für die eigene ‚wahre Religion‘ und nicht für andere Religionen. Deshalb führte Lapide ferner in seinem Kommentar aus, dass nichtchristliche Sklaven, die zum Christentum konvertieren wollten, legal von ihren Herren zur Kirche fliehen dürften und folglich frei würden.505 Das lässt an die stadtrömische Praxis im Umgang mit jüdischen Konvertiten denken, die in einer Casa dei Catecumeni in der Zeit der Taufvorbereitung untergebracht wurden.506 Wenn jüdische Sklaven und Sklavinnen aus dem Ghetto in die Casa geflohen waren, wurden sie frei. Dies galt allerdings nicht für muslimische und jüdische Galeerensklaven, die im Dienst der päpstlichen Flotte standen und als solche konvertierten.507 Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass Lapide eine solche Praxis verallgemeinert wissen wollte. Inwiefern hier ein kritisches Potenzial gegenüber 503

Vgl. BERLINER Bd. 2 (1987) 37-42. Vgl. BRECHENMACHER (2005). 505 Haec intellige de Iudaeis et Paganis, qui iurisdictioni alicuius principis Christiani subiecti sunt: talium enim servi Christiani hoc ipso fiunt liberi, ac proinde possunt dominum deserere imo, si sint infideles, possunt fugere ad Ecclesiam, ut fiant Christiani et consequenter liberi. De his enim leges loquuntur: In illis vero infidelibus, qui temporaliter Ecclesiae, vel eius membris non subiacent, praedictum ius Ecclesia non statuit, licet posset instituere de iure. Habet enim auctoritatem Dei; et infideles merito sua infidelitatis merentur potestatem amittere super fideles, qui transferuntur in filios Dei. Verum hoc non facit Ecclesia ad scandalum vitandum, inquit S. Thomas 2.2. q. 10. art. 10 (Lapide, Commentaria, Antwerpen 1692, 249). 506 Vgl. Wipertus H. Rudt de Collenberg, Le baptême des Juifs à Rome de 1614 à 1798 selon les Registres de la „Casa dei Catecumeni“. Prèmière Partie: 1614-1676, in: AHP 24 (1986), 91-231; Wipertus H. Rudt de Collenberg, Le baptême des Juifs à Rome de 1614 à 1798 selon les Registres de la „Casa dei Catecumeni“. Deuxième Partie: 1676-1730, in: AHP 25 (1987), 105-261; Wipertus H. Rudt de Collenberg, Le baptême des Juifs à Rome de 1614 à 1798 selon les Registres de la „Casa dei Catecumeni“. Troisième Partie: 1730-1798, in: AHP 26 (1988), 119-294; CAFFIERO (2007) 24-41; CAFFIERO (2004). 507 MATHEUS/ OY-MARRA/ PIETSCHMANN (2013) 45-62. 504

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der zeitgenössischen Praxis vorlag, bleibt somit unklar, denn eine explizite Auseinandersetzung damit unterbleibt. Vielleicht wurden aber Assoziationen im erwähnten Sinne beim Leser geweckt. Auch die Kommentare Lapides zu Gal 4,5, Röm 3,24, Kol 1,14 und Eph 1,7.14 enthalten Deutungen zum Loskauf.508 Auf diese Stellen soll im Folgenden eingegangen werden. Gal 4,1-7 schließt den dritten Teil des Galaterbriefes ab und behandelt das Thema Gabe und Empfang des versprochenen Geistes. Danach sandte Gott seinen Sohn, „damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen.“509 Mit Christus beginnt nach Paulus eine neue Zeit, die im Kontrast zur Versklavung unter dem Gesetz vor ihm steht. Nach de Boer ist dieser Freikauf oder Loskauf als Befreiung vom Gesetz zu verstehen, die bereits wirksam ist.510 Nach Lapide beschreibt Gal 4,5 die Erlösung bzw. den Loskauf von der Sklaverei des alten Gesetzes durch Christus.511 Im Hintergrund stand eine Substitutionstheologie, nach der der Alte Bund Gottes mit den Juden durch den Neuen Bund ersetzt worden sei.512 In Röm 3,24 heißt es: „Ohne es verdient zu haben, werden sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus.“513 Als ‚Erlösung‘ wird wiederum das lateinische redemptio übersetzt, was auch Loskauf meinen kann.514 Von diesem Loskauf sind alle betroffen, die an Jesus Christus glauben. Nach den Erläuterungen Lapides zu Röm 3,24 bedeutete redemptio durch Christus den Loskauf aus der Sklaverei der dämonischen Mächte.515 508

Der Kommentar von Lapide zu Gal 3,13.28 geht leider weder auf Erlösung noch auf Loskauf und Sklaverei ein (Lapide, Commentaria, Antwerpen 1692, 434-436; 440). 509 Gal 4,5 (EÜ) 510 DE BOER (2011) 264. 511 Ut eos qui sub lege erant redimeret] ἐξαγοράζω id est mercaretur, inquit Erasmus, emendo eximeret, ac dato pretio in Christianam vindicaret libertatem, et, ut Noster vertit, redimeret, non a peccato, sed a servitute legis veteris, de qua praecessit (Lapide, Commentaria, Antwerpen 1692, 442). 512 Mit dieser Theologie bricht das Zweite Vatikanische Konzil endgültig in der Erklärung Nostra Aetate. 513 Röm 3,24 (EÜ). Nach Jewett muss diese Stelle mit „gerecht gemacht werden“ übersetzt werden (JEWETT [2007] 280). Eine aktuelle Auslegung ebd. 514 Iustificati gratis per gratiam ipsius per redemptionem quae est in Christo Iesu (Röm 3,24VUL). 515 Zu Röm 3,24: Per gratiam ipsius (quam nanciscemur) per redemptionem quae (facta) est in Christo Jesu] id est, per Christum Iesum. Hebraeum enim ‫ב‬, id est, in, significat per, vel propter, vide can. 25. Nota. τό per redemptionem, hinc enim inferebat Marcion, ergo homo non est creatura Dei, sed diaboli. Nemo enim emit quod suum est, Deus autem emit et redemit hominem, ita refert Epiphan. haeresi 42. Respondet Origines hom. 6. in Exod. Omnes, ait, creatione eramus Dei, sed pretio peccatorum vendidimus et tradidimus nos daemoni, ideo pretio sanguinis Christi liberati a potestate daemonis, dicimur non tam empti, quam redempti (Lapide, Commentaria, Antwerpen 1692, 58).

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Anstatt von Sklaverei der Sünde ist hier also von dämonischen Mächten die Rede, obwohl diese nicht im Bibelvers erwähnt werden. Auf den Literalsinn des Versanfangs „ohne es verdient zu haben“, den man in einer evangelischen Lesart als sola gratia interpretieren könnte, ging Lapide nicht ein. Er verzichtete damit auf eine kontroverstheologische Auslegung der Stelle. Stattdessen betonte er den Antagonismus zwischen Christus und dem Teufel. Der Loskauf blieb Metapher für die Befreiung aus der ‚inneren Sklaverei‘, deren Ursache nun in dämonischem Wirken gesehen wurde. Kol 1,14 („Durch ihn haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden“) interpretierte Lapide so, dass Christus uns aus der Sklaverei der Sünden losgekauft habe, was Sündenvergebung bedeute. Er wies darauf hin, dass für Eph 1,7 dasselbe gelte.516 Ergänzend dazu führte er bei der Kommentierung von Eph 1,7 an, dass Erlösung bedeute, dass den Christen die Sünden vergeben und sie gerecht gemacht werden: Haec ergo redemptio est remissio peccatorum et iustificatio nostra.517 Der Mensch erhalte damit die vollkommene Freiheit von allem Bösen, gehöre aber geichzeitig zum Besitz Gottes.518 Den Tag der Erlösung, von dem in Eph 4,30 die Rede ist, deutete Lapide als den Tag der Taufe. Durch die Taufe hätten die Christen Anteil an der Erlösung durch Christus und würden aus der Sklaverei der Sünde und des Teufels befreit.519 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Lapide den Loskauf in Gal 4,5, Röm 3,24, Kol 1,14 und Eph 1,7.14 rein metaphorisch verwendet. Die Institution der Sklaverei wurde damit nicht angesprochen. Anders sieht es bei der Auslegung von 1 Tim 2,6 aus, obwohl dies für heutige Exegeten ebenso wenig naheliegt. Nach Haubeck steht das Lösegeldwort in 1 Tim 2,6 („der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“) im Zusammenhang mit einem Aufruf zum Gemeindegebet für alle und insbesondere für die politisch Verantwortlichen. Darin zeige sich der universale Heilswille Gottes, wie er durch Christus bezeugt und von Paulus verkündet wurde. Christus trete als Mittler an die Stelle des Mose (Ex 32,32). Die bild516 … Redemptio enim nostra a servitute peccati reipsa non est aliud quam remissio peccatorum, ut dixi ad Ephes. 1.7 (ebd., 612). 517 In quo habemus redemptionem] non tam activam (hanc enim non habemus nos, sed Christus, quam passivam, qua scilicet Christi sanguine quasi pretio redempti sumus a servitute peccati, mortis et inferni. Unde per epexegesin explicans subdit: Remissionem peccatorum] Haec ergo redemptio est remissio peccatorum, et iustificatio nostra (ebd., 474). 518 Zu Eph 1,14: In redemptionem acquisitionis] id est, ut perfecte redimatur, et in perfectam libertatem vindicetur ipsa acquisitio, scilicet ut cum haereditatem iam dictam cernemus et adibimus, liberemur ab omni malo, tentatione, morbo, morte, aerumna nos, qui sumus acquisitio, id est, acquisita possessio Dei et Christi (ebd., 478). 519 In die redemptionis] Id est, in die quo baptizati estis. baptismo enim facti estis participes redemptionis Christi, illoque die redempti estis a servitute peccati et diaboli. ita Oecum. et Adamus (ebd., 520).

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liche Rede vom Lösegeld stehe für die Lebenshingabe Christi, der damit in besonderer Weise zum Mittler und Versöhner zwischen Gott und Mensch wurde.520 Wie sah nun die Interpretation Lapides aus? Dieser ging in seinem Kommentar zu 1 Tim 2,6 zunächst auf die semantische Äquivalenz zwischen dem Preis der Erlösung (lat. pretium redemptionis) und dem Lösegeld (griech. λύτρον) ein. Für Lapide war klar, dass λύτρον das Lösegeld für den Gefangenenloskauf meint.521 Um nicht den Eindruck zu erwecken, dass die Erlösung durch Geld bewerkstelligt worden sei, habe der Apostel Paulus nicht den Begriff λύτρον, sondern ἀντίλυτρον gewählt. Das bezeichnete nach Lapide ein Lösegeld in Form eines Stellvertreters, der mit seinem Leben für das eines anderen eintrat. Hier dürfte er eine zeitgenössische Praxis vor Augen gehabt haben, von der er offenbar annahm, dass bereits Paulus sie kannte.522 So konnten Kriegsgefangene zum Beispiel Geiseln stellen, die dafür bürgten, dass der Gefangene in seiner Heimat das Geld für seinen eigenen Loskauf aufbringen und damit zurückkehren werde. Die Geisel bzw. der Bürge übernahm währenddessen die Position eines Stellvertreters. Wenn der Gefangene sein Wort brach, wurde der Bürge schließlich sogar zum Sklaven des Herrn, der auf sein Loskaufgeld vergeblich gewartet hatte.523 Auch konnte es vorkommen, dass jemand freigelassen wurde, wenn für ihn ein anderer als Sklave diente. Insofern konnte auch ein Stellvertreter eine Befreiung ermöglichen. Dieser bot kein Geld für den Loskauf, sondern seine eigene Arbeitskraft als Preis an. Lapide führte hier keine konkreten Beispiele an, setzte eine solche Praxis aber als Wissenshorizont voraus. Doch damit war sein Kommentar zu 1 Tim 2,6 noch nicht erschöpft. Nachdem geklärt wurde, wie man sich die Erlösungstat Jesu Christi vorstellen könne, wird auf ihren Charakter hingewiesen. In ihr zeigte sich die gött-

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HAUBECK (1985) 214-223. Qui dedit redemptionem semetipsum pro omnibus, testimonium temporibus suis] Redemptionem, id est, pretium redemptionis, quod Graeci vocant λύτρον, quo captivi ab hostibus redimuntur (Lapide, Commentaria, Antwerpen 1692, 711). 522 Verum Apostolus, ut efficacius significaret hanc redemptionem non esse factam pecunia, sed corpore et vita Christi, non simpliciter eam vocat λύτρον, sed ἀντίλυτρον , quod significat pretium vicarium, quo res cum re simili, puta vita unius cum vita alterius, caput unius cum capite alterius commutatur: sic enim Christus pro nostra vita, suam tradidit quasi ἀντίλυτρον nostrum. ita Theophyl. (ebd.). 523 Solche Praktiken schildert zum Beispiel sehr anschaulich Osman Ağa (um 1671-nach 1725) in seiner Autobiographie. Eine Übersetzung bietet: Osman Ağa, Der Gefangene der Giauren. Die abenteuerlichen Schicksale des Dolmetschers Osman Ağa aus Temeschwar, von ihm selbst erzählt, übersetzt, eingeleitet und erklärt von Richard Franz KREUTEL und Otto SPIES, Graz u. a. 1962. 521

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III. Sklaverei und Bibelexegese

liche Liebe, Treue und Menschenfreundlichkeit.524 Schließlich fügte er noch eine tropologische Deutung hinzu, wonach die Erlösung und Liebe Christi die Liebe und Barmherzigkeit gegenüber dem Nächsten nach sich ziehen müsse.525 Dabei ging er zwar nicht explizit auf den Loskauf von Gefangenen und Sklaven ein, aber dies gehörte freilich auch zur zeitgenössischen Praxis der Werke der Barmherigkeit.526 Insofern schwingt hier eine Humanisierungstendenz mit. Am deutlichsten wird ein solches Humanisierungsanliegen in Lapides Kommentar zum Philemonbrief. Da dieser bereits an anderer Stelle ausführlich behandelt wurde, mag hier ein knapper Hinweis genügen. 527 Während Lapide sehr umfangreich die einzelnen Verse nach ihrem Literalsinn interpretiert, hälter an einer Stelle ein Plädoyer für die Sklaven- und Armenfürsorge, indem er herausstellt: „Lernt hier ihr Christen, lernt, ihr Hirten, die armen Sklaven und Sklavinnen nicht zu verachten, sondern euch ihnen besonders zu widmen: Sie sind nämlich eure Schafe und sie besitzen ebenso vornehme Seelen wie die Reichen, und sie sind ebenso um den Preis des Blutes Christi losgekauft worden. Daher wird sie Gott von euch am Tag des Gerichts zurückfordern, denn ihretwegen steigt Christus vom Himmel herab, dessen Ausspruch von Jesaia vorhergesagt und verbreitet wurde: ‚Den Armen wird das Evangelium verkündet werden‘. Solche Menschen erwählt Gott: Sie sind nämlich demütiger, gelehriger, gefügiger und der Gnade und des Heils würdiger als die Reichen.“528 (Übersetzung T.M.)

Damit identifiziert Lapide die Sklaven als ‚Arme‘, um die man sich kümmern muss. Er fasst die Sklavenseelsorge offenbar nicht als Randgebiet der Seelsorge auf. Damit legt er den Brief moralisch aus. Da die Jesuiten im 16. Jahrhundert tatsächlich in der Sklavenseelsorge tätig waren, entpuppt sich diese Deutung als zeitgenössisch aktuell.529 Sie stellt einen deutlichen Bezug zwischen dem ‚Loskauf‘ der Menschen durch Christus und konkreter Sklavenfürsorge her.

524

Christus seipsum dedit pro omnibus in pretium redemptionis eo fine, ut scilicet haec ipsa Christi redemptio suis temporibus esset testimonium tum divinae charitatis, fidelitatis … et philanthropiae in hac vita (Lapide, Commentaria, Antwerpen 1692, 711). 525 Moraliter S. Chrysostom. hom. 7. in morali docet magnae ingratitudinis esse, si Christi redemptioni et amori non respondeamus in amore et misericordia erga proximos (ebd.). 526 Vgl. VI. zur Beteiligung der Jesuiten an Loskaufaktionen im Mittelmeerraum. 527 Eine ausführliche Darstellung der Deutungen des Philemonbriefes von den Vätern bis zur Barockscholastik (bis Cornelius a Lapide) sowie eine lateinisch-deutsche Edition dieses Kommentars befinden sich in GRIESER/ PRIESCHING (2016). 528 Cornelius a Lapide, Commentarius in epistolam ad Philemonem. Argumentum (DERS., Commentaria, Antwerpen 1692, 826-830, 826). 529 Vgl. VI.1.

4. Sklaverei im Neuen Testament

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4.2 Die drei Arten von Sklaverei bei Francesco de Toledo und Benito Perera Es ist bereits deutlich geworden, dass zwischen innerer Freiheit infolge des Erlösungswerkes Christi und äußerer Freiheit als Gegenteil äußerer Sklaverei unterschieden wurde. Allerdings bedeutete der Loskauf durch Jesus Christus noch nicht, dass damit eine grundsätzliche Forderung nach äußerer Freiheit verbunden gewesen wäre. Nur bei christlichen Sklaven unter nichtchristlichen Herren wurde dies von Lapide als erstrebenswert gewertet, da hier die äußere Unfreiheit tatsächlich Auswirkungen auf die innere Unfreiheit durch den Einfluss der fremden Religion hatte. Im Folgenden soll das Augenmerk auf eine Verhältnisbestimmung von äußerer und innerer Sklaverei gerichtet werden. Als Quellengrundlage dienen der Kommentar zum Johannesevangelium des Francesco de Toledo und der Kommentar zum Römerbrief530 des Benito Perera. In beiden Werken wird zwischen drei Arten von Sklaverei unterschieden, die dann jeweils miteinander in Beziehung gesetzt werden. Während Toledo allerdings nur auf der Ebene der inneren Sklaverei differenzierte, bezog Perera auch die äußere Sklaverei in seine Überlegungen ein. Ausgangspunkt für Toledos Ausführungen ist Joh 8,30-38. Der johanneische Dialog zwischen Jesus und einigen Judenchristen drehte sich um die Frage, wer zu den wahren Nachkommen Abrahams gehöre.531 In V. 33 sagen in diesem Zusammenhang einige Judenchristen zu Jesus: „Wir sind Nachkommen Abrahams und sind noch nie Sklaven gewesen. Wie kannst du sagen: Ihr werdet frei werden?“ (Joh 8,33).532 So erläuterte Jesus in V. 34, dass die Befreiung, die er ihnen verheißen hatte (V. 32) sich auf die Freiheit von der Sklaverei der Sünde beziehe. Die Stelle zeigt also deutlich, dass im Johannesevangelium einerseits zwischen innerer und äußerer Sklaverei bzw. innerer und äußerer Freiheit als Pendant unterschieden wurde. Wie sah nach Toledo die Beziehung dieser beiden Ebenen aus? Zunächst unterschied er, ausgehend von dieser Stelle, drei Arten von Sklaverei, bzw. er sprach von

530 Francisco de Toledo, Doctoris Francisci Toleti Cordubensis e Societate Iesu, in sacrosanctum Ioannis Evangelium commentarii, Rom 1588, Sp. 772-775; Benito Perera, R. P. Benedicti Pererii Valentini e Societate Iesu opera theologica quotquot extant omnia. Nunc primum in Germania ornatius et emendatius coniunctim in lucem edita, Köln 1620, 511-512. In der zitierten Ausgabe von Toledos Werk erscheinen die Kommentare (commentarii) im Blocksatz, während die zugehörigen Anmerkungen (annotationes) zweispaltig gesetzt sind; die originale Zählung bezieht sich auf diese Spalten und wird hier übernommen. 531 Vgl. dazu aus moderner exegetischer Perspektive: BEUTLER (2013) 272-279. Zur Problematik des Antijudaismus/ Antisemitismus im Johannesevangelium: BIERINGER/ POLLEFEYT/ VANDECASTEELE-VANNEUVILLE (2001). 532 Responderunt ei semen Abrahae sumus et nemini servivimus umquam quomodo tu dicis liberi eritis (Joh 8,33VUL).

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III. Sklaverei und Bibelexegese

einer „dreifachen Sklaverei“:533 1. die Sklaverei des Gesetzes (servitus legis), 2. die Sklaverei der Sünde (servitus peccati) und 3. die Sklaverei in Folge der Ursünde (servitus corruptionis). Was war jeweils damit gemeint? Bei der ersten Art geht es nach Toledo um die Sklaverei des Gesetzes, das dem Volk Gottes am Sinai auferlegt wurde.534 Bei der zweiten Art handelt es sich um die Sklaverei der Sünde, die den Sünder daran hindere, etwas Gutes zu tun oder überhaupt Gutes tun zu wollen. Der Sünder wäre dem Gesetz der Sünde verfallen, hätte ihn nicht Jesus Christus in seiner Gnade befreit.535 Die dritte Art von innerer Sklaverei zielt schließlich auf eine grundlegende Verdorbenheit, die den Menschen als Geschöpf korrumpiert.536 Sie sei eine Folge der Ursünde Adams.537 Weil sich diese Ursünde von Adam auf alle Menschen übertragen hatte, sprach man auch von Erbsünde. Dadurch waren die Menschen bleibend aus dem Paradies verbannt worden. In der Auslegung Toledos befreite Christus alle, die an ihn glauben, von dieser dreifachen Sklaverei.538 Dass die Befreiung von der Sklaverei des Gesetzes bereits erfolgt war, begründete Toledo mit Gal 4,31: „Daraus folgt also, meine Brüder, dass wir nicht Kinder der Sklavin sind, sondern Kinder der Freien“ (Gal 4,31).539 Die angesprochene Sklavin ist Hagar, die für die Juden und das irdische Jerusalem steht, während sich die Freie auf das himmlische Jerusalem bezieht. Paulus plädierte nach Toledo dafür, sich nicht dem Gesetz, d.h. der Tora, zu unterstellen, sondern sich vielmehr zu denen zu zählen, denen das himmlische Jerusalem verheißen worden sei. Auch die Erlösung von der Sklaverei der Sünde war bereits eingetreten, wobei Toledo auf Röm 6,18 verwies: „Ihr wurdet aus der Macht der Sünde befreit und seid zu Sklaven der Gerechtigkeit geworden“ (Röm 6,18).540 Die 533

At quae sit ista servitus, non eodem modo exponitur; in scriptura enim multiplicis servitutis fit mentio, et quantum ad praesens spectat, triplex est (Toledo, Ioannis Evangelium [Bd. 1], Rom 1588, Sp. 772). 534 Prima est servitus illa legis, ut enim ad Gala. 4. Paulus docet, qui sub lege erant, in statu servorum vivebant. Duo, inquit, sunt testamenta; Unum in monte Sinai, in servitutem generans (ebd., Sp. 773.). 535 Altera est servitus peccati; qui enim in peccato est, servus est daemonis, servus est peccati; ut non possit quidquid boni vult facere, sed necesse est eum lege peccati teneri, nisi per gratiam liberetur. de hac dicitur ad Rom. 6 [17] Gratias autem Christo, quod servi fuistis peccati (ebd.). 536 Tertia est corruptionis, qua in hoc saeculo miseriis, et laboribus, et poenis ratione corporis sunt etiam iusti subiecti; de qua dicitur. Rom. 8. [21] Creatura liberabitur a servitute corruptionis in libertatem gloriae filiorum Dei (ebd.). 537 Vgl. III.3.2. 538 Ab hac triplici servitute Christus, qui veritas est, suos liberat credentes (Toledo, Ioannis Evangelium [Bd. 1], Rom 1588, Sp. 773). 539 Itaque fratres non sumus ancillae filii sed liberae qua libertate nos Christus liberavit (Gal 4,31VUL). 540 Liberati autem a peccato servi facti estis iustitiae (Röm 6,18VUL).

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Befreiung aus der Sklaverei in Folge der Ursünde541 begründete Toledo mit Röm 8, wobei er mit liberabitur a servitute corruptionis wohl auf V. 2 anspielte: „Denn das Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus hat dich frei gemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes“ (Röm 8,2).542 Dass es nach Toledo in Röm 8 insgesamt nicht nur um die Sklaverei der Sünde geht, sondern um etwas, das noch nicht vollendet ist, könnte seinen Grund in Röm 8,21 haben: „Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21).543 Inhaltlich ist hier zumindest ein Zusammenhang zwischen der Konzeption einer Sklaverei in Folge der Ursünde und der noch ausstehenden Erlösung der Schöpfung wahrscheinlich. Jesus Christus erlöste also nach Toledo (mit Verweis auf Chrysostomus und Euthymius) von drei Arten der Sklaverei, doch die äußere Sklaverei gehörte nicht dazu. In diesen Kontext passt auch sein Kommentar zu Joh 8,33, wonach er den Judenchristen beipflichtete, dass zwar ihre Vorfahren in Ägypten und Babylon, aber weder Abraham noch die Judenchristen zur Zeit Jesu Sklaven gewesen wären.544 Allerdings hätten sie mit ihrem Einwand („Wir sind Nachkommen Abrahams und sind noch nie Sklaven gewesen.“545) Christus gründlich missverstanden, da er eben nicht von menschlicher bzw. ziviler Sklaverei gesprochen habe.546 Jesus habe seine Gesprächspartner mit seinem Vergleich zu diesem Missverständnis provoziert. Das sei notwendig gewesen, um sie von ihrer inneren Sklaverei zu überzeugen.547

541

[D]e prima liberatione dicitur Gala. 4. Non sumus ancillae filii, sed liberae, qua libertate Christus nos liberavit; de statu enim servorum, in adoptionem filiorum liberantur iusti per Evangelium. de secunda ad Ro. 6. Liberati a peccato, servi facti estis iustitiae. de tertia Rom. 8. Liberabitur a servitute corruptionis. Duae in hoc saeculo, tertia in altero tantum fit (Toledo, Ioannis Evangelium [Bd. 1], Rom 1588, Sp. 773f.). 542 Lex enim Spiritus vitae in Christo Iesu liberavit me a lege peccati et mortis (Röm 8,2VUL). 543 Quia et ipsa creatura liberabitur a servitute corruptionis in libertatem gloriae filiorum Dei (Röm 8,21VUL). 544 Abraham allegant primum progenitorem, qui liber fuit, non servus, et magnus vir ac propheta, plurimique suis habitus temporibus. haec autem verba, Nemini servivimus unquam, non ad eorum patres, sed ad proprias referunt personas: nam et Christus cum illismet loquebatur, non cum patribus: sciebat enim, et erat omnibus notum et in confesso, patres in Aegypto servivisse: similiter et in Babylone; at ipsi nemini tunc serviebant; quamvis enim sub Romanis essent, tamen non erant illorum servi, nec in hoc mentiti sunt ut Chrysosto. hom. 53. et Eutyhmius affirmant (Toledo, Ioannis Evangelium [Bd. 1], Rom 1588, Sp. 773f.). 545 Intellexerunt Iudaei servos se a Christos appellari, et de libertate a servitute loqui: propterea respondent se esse liberos, quia filii Abrahae sunt, neque ulli unquam servierunt (ebd.). 546 Et quamvis non sint mentiti, tamen non intellexerunt Christum: existimabant enim de humana, et civili servitute eum loqui: quam servitutem Christus suo adventu non abstulit ut docuit Paulus 1. Corinth. 7 (ebd.). 547 Ut igitur eos servitutis convincat, generalem statuit assertionem, Omnis, qui facit peccatum, servus est peccati (ebd.).

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III. Sklaverei und Bibelexegese

In welchem Verhältnis stand dann die gesellschaftliche Sklaverei zu den drei Arten spiritueller Sklaverei? Zunächst einmal stellte Toledo folgende Gewichtung heraus:548 „Er [Christus; D.K.] sagt, es nützt Euch nichts, der Samen Abrahams zu sein, nämlich alle, wer und von welcher Art auch immer, sei er vornehm oder reich, Fürst oder Untertan, der eine Sünde begeht, ist ein Sklave, nicht des Menschen, aber der Sünde, was schlechter ist; und wie sehr der Mensch alle anderen in der Sünde überragt, so sehr ist diese menschliche Sklaverei, welche ihr [die Judenchristen; D.K.] euch nicht eingesteht, kleiner als die Sklaverei der Sünde, denn demütigender und niedriger ist es, ein Sklave der Sünde zu sein.“549

Der soziale Status, ein Sklave des Menschen zu sein, ist damit weniger bedeutsam als die Sklaverei der Sünde. Als Hauptthema klingt allerdings nicht die Institution der Sklaverei an, sondern die Frage, ob sich der Mensch selbst, kraft seines freien Willens aus der Sklaverei der Sünde lösen kann.550 Toledo betonte die entscheidende Bedeutung der göttlichen Gnade, ohne deren Beistand der Mensch in die Sünde verstrickt bleibe.551 Diese Gnade und die Befreiung von Sünde und dem alten Gesetz könne wiederum nur durch den Glauben an Christus erlangt werden.552 Die Institution der Sklaverei diente lediglich als Analogie. In diesem Sinne legte Toledo auch alttestamentliche Stellen aus, die von realer Sklaverei und Loskauf berichteten. So verwies er zum Beispiel auf die Regeln zur Freilassung hebräischer Schuldsklaven und den Erwerb von Sklaven aus den fremden Völkern im Rahmen der alttestamentlichen Sklavengesetze (Ex 21, Dtn 15). Allerdings, so Toledo, behielt man die eigenen Söhne im Haus und verkaufte sie nicht als Sklaven, weil sie das Erbe ihres Vaters antreten soll-

548

Poterat Dominus opponere, et servitutem legis, et servitutem corruptionis; tamen omnium pessimam obiecit, nempe servitutem peccati (ebd.). 549 … dicat; nihil vos iuvat esse semen Abrahae; omnes enim, quicunque, et qualiscunque, sive nobilis, sive dives, sive princeps, sive subditus, qui peccatum facit, servus est, non hominis, sed peccati quod peius est; et quanto homo superior est peccato, tanto servitus humana haec, quam vos non admittitis, est minor servitute peccati: nam humilius est, et vilius servum esse peccati (ebd., Sp. 773-776). 550 Vgl. II.3.1. 551 Attende per peccatum, arbitrium hominis servum manere peccati, et Daemonis; quia non habet potestatem, nec vires, ut resistat peccato, et Daemoni; nisi enim divinum gratiae adsit auxilium, in eo est statu, ut nequeat a peccato commisso sua se purgare virtute; nec valeat omne in posterum cavere peccatum; nec omnem daemonis vincere tentationem, sed succumbere necesse est novis peccatis (Toledo, Ioannis Evangelium [Bd. 1], Rom 1588, Sp. 775f.). 552 Adverte Christum his verbis significasse legem illam neminem liberasse a peccato: qui enim libertatem a peccato tunc consequebantur, eam virtute fidei venturi Christi obtinebant: eo igitur iam adveniente non credentes in eum, non hoc privilegio fidei gaudent, sed sunt sub sola lege, qua cessante, et abolita, necesse est eos esse omnes sub peccato (ebd.).

4. Sklaverei im Neuen Testament

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ten. So verhalte es sich nun auch mit dem Erbe Gottes,553 das der Sohn Gottes angetreten habe. Der Sohn als Erbe des Herrn könne folglich seine Sklaven freilassen. Nun folgt die Analogie: So wie die eigenen Söhne nicht als Sklaven verkauft bzw. nach einer bestimmten Zeit freigelassen wurden, befreite der Sohn Gottes554 von der Sklaverei der Sünde.555 Außerdem habe Jesus, der Sohn Gottes, die Menschen von der Sklaverei des Gesetzes befreit, indem er sie zu Adoptivsöhnen Gottes erhoben habe.556 Mit der Formulierung ‚Adoptivsöhne‘ stellt Toledo den Wesensunterschied zwischen dem einen Sohn Gottes und denjenigen heraus, die an und durch ihn glauben. Insgesamt behandelte Toledo die Sklaverei in seinem Kommentar zum Johannesevangelium als Thema der Erlösung. Er ging von einem dreifachen Erlösungsgeschehen im Sinne einer Befreiung aus und betonte die göttliche Gnade in diesem Zusammenhang. Auch wenn das Verhältnis von Freiheit und Gnade anklingt, ging er nicht näher auf den Gnadenstreit ein. Eine spekulative Durchdringung diesbezüglich blieb aus. Die Institution der Sklaverei diente lediglich als Metapher. Anders verhält es sich bei Benito Perera, der in seinem Kommentar zum Römerbrief die folgenden drei Formen von Sklaverei unterschied: 1. Die Sklaverei der Sünde,557 2. die soziale Sklaverei und 3. Sklave Gottes zu sein.558 553

Ergo, qui peccatum facit, servus est. Totius huius discursus primam partem exprimit Dominus, in qua totum reliquum concluditur, et ex quadam analogia, et proportione ad servos civiles sumitur argumentum, et maxime apud Iudaeos, apud quos post septem annos, et anno etiam Iubilaei, omnes servi liberabantur; et a domibus dominorum mittebantur, ut habetur Exo. 21. Deutero. 15. apud nationes autem alias servi venduntur, et de domo in domum transeunt; et quamvis non vendantur, saltem vendi, et domo a dominis privari possunt, at filii proprias retinent semper domos; nam hereditas eorum est, non autem servorum, ita et iustorum haereditas Dei est (ebd.). 554 Concludit, quod superius dixerat, nempe liberandos esse, qui credunt in eum. Cum igitur, inquit, servi sitis, tunc profecto liberamini, et in libertatem vindicamini, quando filius vos liberaverit; filius enim Dominus est, et Domini est liberos facere servos. ac si dicat, ne vos miremini, si dixi vos liberandos, quia servi estis: nec si dixi, veritas liberabit vos, quia veritas haec, filius et Dominus est, cuius est libertatem dare (ebd.). 555 … qui potens est a servitute etiam peccati liberare (ebd.). 556 [E]xprimit autem servitutem peccati propter illos, ut eos deprimat, et convincat, tacite vero etiam insinuat a servitute legis liberandos, in libertatem adoptionis filiorum, quam dat verus et naturalis filius Dei. Et hoc est, quod dicit, vere liberi eritis, si vos filius liberaverit. id est, Eritis filii adoptionis Dei, facti per me, qui sum filius verus, et naturalis (ebd.). 557 Hoc ipsum etiam nos, paulo distinctius et copiosius explicantes dicimus, triplicem esse servitutem: Unam esse diaboli, et peccati, nam qui facit peccatum, servus est peccati, et a quo quis superatus est, eius servus est. [Glosse: Ioan. 8] Haec est servitus culpae, sane quam ignominiosa, et foeda, reddens animum hominis ignobilem, abiectum, et turpem coram Deo: a qua servitute nos Christus gratia liberavit; sicut ipse dixit: Si vos Filius liberaverit, vere liberi eritis [Glosse: Gal. 4] (Perera, Ad Romanos, Köln 1620, 512). Das sagen auch wir [im Anschluss an Hieronymus; T.M.], indem wir ein wenig deutlicher und ausführlicher erklären, dass es sich um eine dreifache Sklaverei handelt: Dass die eine des Teufels und der Sünde ist, denn „wer eine Sünde begeht, ist ein Sklave der Sünde“, und „wer von ihm (dem Teufel) be-

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Zur sozialen Sklaverei führte Perera aus: „Die andere ist die menschliche Sklaverei, durch die der Mensch dem Menschen dient, welche niedrig und hässlich macht, mühselig und schimpflich, zumal sie aus der ersten Sünde geboren ist, von der die Gnade Christi den Menschen im gegenwärtigen Leben nicht befreit.“559 Diese Stelle gibt eine aufschlussreiche Erklärung, wie die Sklaverei in die Welt gekommen ist, nämlich als Folge der ersten Sünde Adams. Eine solche Herleitung hatte Konsequenzen für das moralische Verhalten des Sklaven. Da die Ursünde vor allem im Ungehorsam gegenüber Gott bestanden hatte, durfte man nach Perera nicht gegen die Folgen dieser Ursünde rebellieren, andernfalls würde man sie fortsetzen. „Daher ermahnen Petrus und Paulus in ihren Briefen die zu Christus bekehrten Sklaven, dass sie nicht das Joch des Sklavendienstes abschütteln, sondern dass sie ihrem Herrn, wie Christus, aus dem Geist heraus treu und aufrichtig gehorchen und dienen.“560 Der Sklavendienst am Mitmenschen wird somit als eine Art Sühneleistung interpretiert. Diese Sühneleistung sollte wiederum – etwas paradox formuliert – zur dritten Form von Sklaverei führen: Indem man nämlich Gott wieder gehorchte, wurde man ein Sklave Gottes. Perera: „Die dritte Art der Sklaverei ist jene, durch die man Gott dient, dem alles dient, was sich über dem Himmel befindet, so wie David gesagt hat: Alles dient dir (Ps 118), auch die Dämonen dienen ihm.“561 Der Mensch konnte nach Perera in zweifacher Hinsicht als ‚Sklave Gottes‘ betrachtet werden: Zum einen war er so geschaffen worden. Der Mensch war also im positiven Sinne ‚Sklave Gottes‘ vor dem Sündenfall gewesen. Und zum anderen könne man ihn nach der Erlösung durch Christus, der den Menschen mit seinem Blut aus der Sklaverei des Teufels und der Sünde lossiegt wird, ist sein Sklave“. Dies ist die Sünde der Schuld, in der Tat äußerst schändlich und scheußlich, da sie die Seele des Menschen erniedrigt, verworfen und geschändet vor Gott bringt. Von dieser Sklaverei hat uns Christus durch Gnade befreit, so wie er selbst sagt: „Wenn euch der Sohn befreit haben wird, werdet ihr wahrlich frei sein. (Übersetzung T.M.) 558 Die Ausführungen dazu setzen ab der Glosse De triplici servitute, diabolica, humana et divina ein (ebd.). 559 Altera est servitus humana, qua homo servit homini, quae vilem et abiectam facit, et laboriosam, atque ignominiosam conditionem hominis, ex primo utique peccato nata, a quo Christi gratia hominem in praesenti vita non liberat (ebd.). 560 Quocirca Petrus et Paulus in suis epistolis hortantur servos ad Christum conversos, non ut excutiant iugum servitutis, sed ut Dominis suis, quasi Christo, ex animo fideliter, et sinceriter obsequantur, atque famulentur (ebd.). 561 Tertium genus servitutis est, qua Deo servitur, cui serviunt omnia quae in coelo, et infra coelum, et supra coelum sunt, sicut David dixit: Omnia serviunt tibi [Glosse: Psal. 118.], etiam Daemones ei serviunt (ebd.). Für die Vulgata stimmt die Versangabe Ps 118, in der EÜ handelt es sich allerdings um Ps 119,91.

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gekauft hat, so bezeichnen. Aus diesem Grund gebühre Christus nach Paulus die Bezeichnung als ‚Herr‘ (dominus).562 Darüber hinaus benannte Perera drei Motive des Menschen, ein ‚Sklave Gottes‘ zu sein, wobei diese immer edler werden: nämlich erstens aus Furcht, zweitens aus Berechnung beziehungsweise Hoffnung auf Lohn und schließlich, um Gott um seiner selbst willen zu dienen.563 Das letzte Motiv, ein Dienen aus Liebe zu Gott, also ex caritate, zeichne die Söhne Gottes aus. Dies mache sie zu wahren Freien, Freunden und Söhnen Gottes sowie Miterben Christi.564 Bezogen auf Paulus deutete Perera die Metapher vom Sklave-Gottes-Sein als völlige Selbstaufgabe für Christus. Dieser Einsatz als Sklave Gottes habe sich auch in äußerlich-körperlichen Wundmalen bei Paulus gezeigt, die zu Siegeszeichen umgedeutet wurden.565 Damit erklärte er Paulus zum ersten stigmatisierten Christen und verknüpfte so das Bild des ‚Sklaven Gottes‘ mit dem Bild des stigmatisierten Mystikers (bzw. der Mystikerin), was wiederum in der Frühen Neuzeit in der katholischen Frömmigkeit ein bekanntes Phänomen war. Insgesamt ist festzuhalten, dass Perera im Unterschied zu Toledo auch die soziale Sklaverei thematisierte. Doch auch er kritisierte die Institution der Sklaverei an sich nicht. Perera legitimierte sie sogar, indem er ihre Ursache auf den Sündenfall zurückführte. Entsprechend sollten die Sklaven nicht gegen die äußere Sklaverei rebellieren. Im ‚Sklaven Gottes‘ wurde der Begriff dann sogar positiv gebraucht. Insofern konnte sich ein christlicher Sklave damit trösten, dass er letztlich zum ‚Sklaven Gottes‘ werden könne, 562

Duplici porro servitutis titulo obnoxii sumus Deo; tum creationis, et gubernationis, et conservationis: tum magis proprie ipsius redemptionis, qua sumus ex servitute diaboli, et peccati, magno pretio sanguinis Christi ab eo redempti: quamobrem praecipue in epistolis Pauli, nomen Domini tribuitur Christo (ebd.). 563 Servientium autem Deo tres sunt gradus: insimus, eorum, qui metu poenae serviunt Deo: medius, eorum, qui mercedis cupiditate, et spe praemii ei serviunt: summus, et perfectissimus, eorum, qui Deo propter ipsum Deum serviunt. [Glosse: 1. Ioan 4] (ebd.). 564 Haec est servitus filiorum Dei, ex charitate, quae foras pellit timorem, et ex divinae Maiestatis reverentia proficiscens, cuius servitutis inenarrabilis, et inaestimabilis est dignitas, atque utilitas. Haec facit nos vere liberos et amicos, et filios Dei, et cohaeredes Christi. [Glosse: ad Rom. 8] (ebd.). Anschließend werden zwei alttestamentliche Stellen (3 Kön 10, Jes 65) in Bezug auf das Sklave-Gottes-Sein metaphorisch umgedeutet. 565 Nec est illud non dignum animadversione, Paulum non appellasse se ministrum Christi, vel militem, vel operarium, nec alio nomine quam servum, ut profiteretur videlicet, quidquid esset, se totum esse Christi, ei penitus addictum et mancipatum, non solum, sed illius solius negotium agere, illi laborare, spirare, vivere, sicut ipse quodam loco dixit. Vivo ego, iam non ego, vivit vero in me Christus. [Glosse: ad Gal 2. Infra 6] Et de tali conditione servitutis gloriabundus, dixit alio in loco: De caetero, fratres nemo mihi molestus sit: ego enim stigmata Domini Iesu in corpore meo porto. Sunt autem stigmata, servis impressae notae, quibus cognosci, et discerni queant. Et dixit emphaticos, in corpore meo porto, tanquam de trophaeo aliquo, vel signo regali glorians (ebd.).

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was zur ultimativen Freiheit gewendet wurde. Wenn der Sklave seinen Status als Sühneleistung begriff, könnte ihm dieser sogar noch nützlich sein. Nach Perera war es das Ziel aller Glaubenden, ‚Sklave Gottes‘ zu sein, gleich ob Sklave oder Freier. Auch bei Perera klingt das Zusammenspiel zwischen Gnade und Freiheit im Erlösungsgeschehen an. Während er mit dem Hinweis auf die Selbstaufgabe des Menschen für Christus ein menschliches Mittun im gnadenhaften Erlösungsprozess hervorhob, betonte Toledo die Gnade Christi stärker. Allerdings positionieren sich beide hier weder in der Debatte des Gnadenstreits noch weisen sie darauf hin.566 4.3 Das Verhältnis zwischen Herr und Sklave (Giovanni Stephano Menochio) Giovanni Stephano Menochio verfasste nicht nur einen Bibelkommentar, sondern auch politische Schriften auf Grundlage der Heiligen Schrift. So erschienen im Jahr 1624 seine Hieropoliticon sive institutionis politicae ex sacris scripturis depromptae libri tres, eine Art Fürstenspiegel. Dem folgten im Jahr 1627 die Institutionis oeconomicae ex Sacris litteris depromptae libri duo. Dieses Werk war einem ehemaligen Studenten des Collegio Romano gewidmet, nämlich Kardinal Ludovico Ludovisi.567 Der frühere Kardinalnepot von Papst Gregor XV. unterstützte die Gesellschaft Jesu großzügig. 568 566

Vgl. II. 3.1. Ludovico Ludovisi (1595-1632) war der Sohn von Orazio und Lavinia Ludovisi und Neffe des späteren Papstes Gregor XV. Er studierte am Collegio Romano und erwarb 1615 den Doktor beider Rechte in Bologna. 1616 wurde er Erzpriester von Sankt Peter. Ab 1617 lebte er bei seinem Onkel Kardinal Alessandro Ludovisi. 1619 wurde er Referendar beider Signaturen und 1620 Mitglied der Kongregation De Bono Regimine. Am 15. Februar 1621 erhob ihn Papst Gregor XV. zum Kardinal. Als Kardinalnepot erhielt er am 21. Februar 1621 das Amt des Sopraintendente des Kirchenstaates. Am 17. März 1621 wurde er Camerlengo und am 29. März 1621 Erzbischof von Bologna. Am 7. Juni 1623 erhielt er das lukrative Amt des Vizekanzlers der Cancellaria Apostolica. Er nahm im Juli 1623 am Konklave teil. Bereits 1624 brach er von Rom nach Bologna auf, um sein pastorales Amt als Erzbischof auszuüben. Im Mai 1624 hielt er seine erste Synode in Bologna ab. 1626 legte er den Grundstein für die neue Jesuitenkirche Sant’Ignazio in Rom. In Folge der Borgia-Krise musste er auf Befehl von Papst Urban VIII. Rom am 27. März 1632 verlassen und wieder seine Residenzpflicht als Erzbischof in Bologna wahrnehmen (BÜCHEL [2003] 389-412; WASSILOWSKY/ WOLF [2007] 440). 568 Zum Verdienst und zum Dank an die Ludovisi: Collegii nostri Romani moderatore, tu, qua religiosa illa tua ad benefaciendum effusa liberalitate, qua in Ignatium Societatis nostrae parentem pietate, quem in Sanctorum album cum Francisco Xaverio Gregorius XV. te in primis suasore retulerat, … hac saltem exigua grati animi significatione omnibus testatum facerem … (aus dem Widmungsschreiben von 1626 in: Giovanni Stephano Menochio, Institutionis Oeconomicae. Ex Sacris Litteris depromptӕ. Libri duo, Lyon 1627, fol. ✝ 3r-✝ 3v). Zum 567

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Die Schrift Menochios war eine Form des Dankes an den einflussreichen Gönner. Menochios Werk gehört zur Gattung der Hausväterliteratur.569 Die Haushaltsführung und Lebensweise, gerade auch von kirchlichen Würdenträgern, war nach Menochio Ausdruck einer christlichen Gesellschaftsordnung. Als Vorbild dafür benannte er den Apostel Paulus, der darauf geachtet habe, dass nur diejenigen als Bischöfe eingesetzt wurden, die ihr privates Haus vorbildlich führten. Dies sei eine Voraussetzung gewesen, um Leitungsaufgaben in der Kirche zu übernehmen.570 Methodisch ging Menochio so vor, dass er thematisch einschlägige Bibelzitate zusammenstellte,571 die er anschließend dem Literalsinn nach deutete.572 So handelt es sich bei der Institutio oeconomica um eine praxisorientierte Schriftauslegung, die für die Vorbereitung von Ansprachen, Reden und Predigten zur christlichen Haushaltsführung nützlich sein sollte. Daran ist bemerkenswert, dass Menochio selbstverständlich davon ausging, dass Kardinal Ludovico Ludovisi als Erzbischof von Bologna auch vor Herren, Dienern und Sklaven sprechen bzw. predigen würde.573 Die Institutio oeconomica gliedert sich in zwei Bücher. Das zweite Buch behandelt dezidiert die Rechte und Pflichten zwischen dem Hausvater (pater familias) und seinen Familienangehörigen. Im zwölften Kapitel De officiis dominorum erga servos, famulos ac mercenarios et horum erga dominos ging Menochio auch auf das Verhältnis zwischen Herren und Dienern bzw. Pontifikat von Papst Gregor XV.: JAITNER (1997); WASSILOWSKY (2010); WASSILOWSKY/ WOLF (2007). 569 Bereits das antike oikonomische Schrifttum beschäftigte sich mit Sklaverei: LAUB (1982) 20-23. Zur homiletischen Verwendung der Hausväterliteratur in der Frühen Neuzeit: HOFFMANN (1959). 570 Vgl. das Widmungsschreiben von 1626, in: Menochio, Institutionis Oeconomicae, Lyon 1627, fol. ✝ 2r-✝ 3v). 571 ... e fontibus sacrum literarum non derivatas modo, sed ex ipsarum etiam verbis, ... (ebd., fol. ✝ 2r). 572 … ex sacris Scripturis, iuxta litteralem sensum explicatis, plerunque verba facimus (Ad Lectorem, in: Ebd., fol. ✝ 4v). 573 Menochio verweist explizit auf die seelsorgliche Aufgabe Ludovisis, als Bischof von Bologna für den Glauben der Hausbediensteten zu sorgen: ... petitam praesertim ex sacris literis, quarum tu studium isto gradu dignissimum, habitis etiam ad domesticos fidei, quorum tibi cum Bononiensi Ecclesia cura credita est, gravibus, sapientibusque concionibus profiteris (aus dem Widmungsschreiben von 1626, in: Ebd., fol. ✝ 3r). Der Brief an die Leser vom Ordensgeneral Mutius Vitelleschi erweitert den Adressatenkreis: At vero Oeconomica nullum non genus hominum attingunt, privatos, ac magistratus; pauperes ac locupletes; aetate grandaevos, ac iuvenes; viros ac mulieres; servos ac dominos, quorum omnium officia perserquuntur, et domesticis, hoc est, quotidianis virtutibus instituunt. Ex quo etiam sequitur ut cum argumentum latius pateat, plura hinc quam ex Hieropoliticis peti possint a sacris Concionatoribus (nam hanc plerique utilitatem spectant in huiusmodi libris) quae pro concione populo proponantur (Ad Lectorem, in: Ebd., fol. ✝ 4v).

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Sklaven ein, wobei er einschlägige Passagen zur Sklaverei aus dem Alten und Neuen Testament anführte. Zunächst hielt er fest, dass zu einer großen Familie auch eine vielfältige Dienerschaft gehöre.574 Sie könne für Aufgaben auf dem Land oder in der Stadt eingesetzt werden.575 Er unterschied innerhalb der Dienerschaft nach Art ihres Einstellungsverhältnisses zwischen Tagelöhnern, Sklaven, die entweder gekauft oder durch Krieg gefangen worden waren, und Haussklaven oder im Haus geborenen Sklaven.576 An erster Stelle stand für ihn der Haussklave, der eine besondere Vertrauensstellung genieße, da sein Herr ihm die Verwaltung seines Hauses überlassen könne. Als alttestamentliche Vorbilder nannte Menochio den Haussklaven Abrahams, der nach Gen 15,2 als ‚Eliëser aus Damaskus‘ bezeichnet wird,577 und Josef, der nach Gen 39 der Haussklave und Hausverwalter des Ägypters Potifar gewesen war.578 Beide hätten sich durch die Tugenden der Treue (lat. fidelitas) und Gewissenhaftigkeit ausgezeichnet,579 deren große Bedeutung er auch anhand des Gleichnisses vom guten und schlechten Sklaven (Mt 24, 45) und der Rede vom Gottesknecht Moses (Num 12,7) herausstellte.580 An zweiter Stelle standen die Tagelöhner (mercenarii) bzw. Lohndiener, zu denen Menochio eine Auswahl von weiteren Bibelzitaten mit kürzeren Kommentaren bietet.581 Sie sind jedoch keine Sklaven. An dritter und letzter Stelle ging er auf die Sklaven ein, die entweder als Kriegsgefangene oder als Kaufsklaven zu Dienern geworden sind. Für Menochio waren sie zwar schon im Alten Testament belegt, aber die alttestamentlichen Sklavengesetze (Ex 21, Lev 25, Dtn 15) klammerte er zunächst 574

In magna familia multiplex est genus famulantium (ebd., 478). … in administratione rerum urbanarum, aut rusticarum … (ebd.). 576 Alii sunt famuli mercede conducti: alii tandem omnium vilissimi servi sunt emptitii, aut bello capti, aut vernae domi nati (ebd.). 577 Menochio kommentiert Gen 15,2, also jene Passage, in der der Begriff vernaculus das zweite Mal in der Vulgata erwähnt wird. Er führt dazu aus: Primi generis servus fuisse videtur Damascus ille Eliezer, de quo Abraham Dominum alloquens dicebat …, is nimirum, cui curam administrationis domus meae reliqui, cui credidi gubernationem rei familiaris, in cuius fide, et prudentia ita acquiesco, ut omnia mea illi moderanda tradiderim (ebd.). 578 Hanc de qua agimus praefecturam in domo Putipharis exercuit Ioseph cum adhuc serviret servitutem, nam legimus in Genesi … (ebd., 479). 579 Mit Bezug auf Joseph in Gen 39,4: … in argumentum versebat eius fidelitatis, quam debebat domino suo (ebd., 480). 580 Das Bibelzitat von Mt 24,45 kommentiert er wie folgt: Itaque illi procuratores, administratores, ac servi laudantur, qui a fidelitate commendationem habent, hos heri amant, fovent, promovent, ac munerantur (ebd). Zu Num 12,7 führt er aus: Rursus Moses a fidelitate laudatur ab ipso Domino in Numerorum libro, cum dicitur: Servus meus Moyses, qui omni domo mea fidelissimus est (ebd., 480f.). 581 Ebd., 481-484. 575

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aus, da sie für das Verhalten der Sklaven keine Rolle spielten.582 Stattdessen folgt eine Zusammenstellung von Zitaten aus den paulinischen Briefen, die den Sklaven zu Geduld und Gehorsam ermahnten. So deutete Menochio 1 Kor 7,20 im Hinblick auf das Verhältnis von innerer Freiheit und äußerer Sklaverei. Demnach solle die innere Freiheit, die dem Sklaven von Gott zugesagt worden sei und die ihn von der Sklaverei der Sünde befreit habe, helfen, das harte Los der äußeren Sklaverei geduldiger und sogar fröhlich zu ertragen.583 Unter bestimmten Umständen sei allerdings die Flucht eines Sklaven von seinem Herrn erlaubt, nämlich wenn es sich um einen christlichen Sklaven handele, dessen ungläubiger Herr ihn an der Ausübung seiner christlichen Religion hindere.584 Hier begegnet also wieder dasselbe Motiv wie bei Lapide in seinem Kommentar zu den Paulusbriefen. Man kann nicht davon ausgehen, dass Menochio auch einem muslimischen Sklaven unter christlicher Herrschaft die Flucht zugestanden hätte, da es hier um das Seelenheil ging, welches in der damaligen Vorstellung nur in der einen wahren Religion erlangt werden konnte. Mit den Worten des Paulus aus 1 Tim 6,1 („Alle, die das Joch der Sklaverei zu tragen haben, sollen ihren Herren alle Ehre erweisen, damit der Name Gottes und die Lehre nicht in Verruf kommen.“ 585) warnte Menochio die christlichen Sklaven eindringlich davor, gegen ihre Herren zu rebellieren, um die christliche Religion nicht in Verruf zu bringen. Die Brüderlichkeit unter Christen bedeute gerade keine soziale Gleichheit zwischen Sklave und Herrn, sondern solle zu einem religiös verinnerlichten und gesteigerten Dienst und Gehorsam gegenüber dem christlichen Herrn führen.586 582

Tertium famulantium genus sunt mancipia aut bello capta, aut pretio coempta, de quibus multa in veteri lege praecepta erant, quae qui volet, ex libris Exodi, Levitici, ac Deuteronomii cognoscere poterit. Nos quae ad Oeconomicen spectant, paucis attigisse contenti erimus (ebd., 484). 583 Sententia est: Ne te nimium excrucies quod servitutem servias, nec conditionem hanc tuam, quam divino nutu nactus es, quamvis vilem et abiectam, pudendam tamen existimes, nam licet hominibus traditus sis in famulatum, a Domino tamen manumissus es, et in libertatem filiorum Dei vocatus, quam libertatem qui consequuntur, nec vitiis serviunt, nec daemoni, et adversa, quibus premuntur, patienter ferunt, aut etiam hilariter, dum excelsi animi praestantia eminent super omnia haec aspectabilia quae infra se habent (ebd., 485). 584 Non tamen veto, quin te in libertatem, si possis, afferas: quis enim cum sui iuris esse possit, in alterius malit esse potestate, praesertim si servire compellatur infideli, a quo prohibeatur ea libere praestare, quae religio Christiana praescribit? (ebd.). 585 1 Tim 6,1 (EÜ). 586 Zu 1 Tim 6,1: Apostoli ergo documentum est huiusmodi. Quicunque conditione servi sunt, ita se cum dominis suis gerant obsequium praestando, et morigeros ac dicto obedientes se praebendo, ut nullus obloquendi ansam contra fideles arripere possit, quasi Christiana institutio servos dominis contumaces faciat, et rebelles. Nec vero quia domini se demittunt, et eos, qui conditione servi sunt, communione religionis fratres appellant, contra illos erigantur, aut tantum spiritus assumant, ut aliquid de debito reverentiae cultu detrahere non vereantur, sed

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Mit Tit 2,9f. nahm Menochio bereits das beidseitige Verhältnis zwischen Herren und Sklaven in den Blick. Die Sklaven sollten schriftgemäß ihren Herren untertänig und in allem gefällig sein, nicht widersprechen und nicht betrügen und in allem Treue zeigen, damit sie durch ihren Lebenswandel zu einer Zierde der christlichen Lehre würden.587 Die Herren hingegen sollten ihren Hochmut zügeln und mit Maß Befehle erteilen.588 Die Sklaven sollten sich mit ihrem Stand, in den sie Gott berufen hatte, zufrieden geben und die Herren sollten im Gegenzug dafür sorgen, dass kein Anlass zu Unruhe unter den Sklaven entstünde. Insbesondere die Ausübung der christlichen Religion sollte nicht beeinträchtigt werden.589 Die besondere Stellung der Haussklaven wird mit der Warnung vor Veruntreuung und Unterschlagung von anvertrauten Geldern durch den Herrn deutlich.590 Die Gehorsamsforderung gegenüber den Herren wurde mit den Ausführungen zu Eph 6, 5-8 gesteigert, indem die Sklaven ihren Herren so gehorchen, als würden sie Gott gehorchen.591 Dies sei insbesondere dann geboten, impensius et amantius sua ministeria exerceant, quandoquidem qui Christianam legem amplexi sunt, hoc etiam nomine digni sunt, quibus accuratius et diligentius serviatur, et sane accommodatum est praeceptum hoc Apostoli omnibus illis conventibus, qui ex disparibus hominum generibus conflantur, doctis ac simplicibus, nobilibus ac plebeis, senibus, ac iunioribus, in quibus qui aevum agunt cavere debent ne maiorum, doctiorum, nobiliorum, demissione, et facilitate abutantur, eamque in arrogantiae occasionem convertant, seque iis pares facere audeant, quibus, si eam personem detrahas, quam Christi humilitatem sequentes voluntarie susceperunt, vix famulari in abiectioribus ministeriis potuissent (Menochio, Institutionis Oeconomicae, Lyon 1627 485f.). 587 Tit 2,9f.: „Die Sklaven sollen ihren Herren gehorchen, ihnen in allem gefällig sein, nicht widersprechen, nichts veruntreuen; sie sollen zuverlässig und treu sein, damit sie in allem der Lehre Gottes, unseres Retters, Ehre machen“ (EÜ). Porro ad Titum scribens, eum monet ut hortetur servos dominis subditos esse, in omnibus placentes, non contradicentes, non fraudantes, sed in omnibus fidem bonam ostendentes, ut doctrinam salvatoris nostri Dei ornent in omnibus. Et ipsa quidem mores nostros ornat, sed ex moribus quoque nostris redundat in eam ornatus (ebd., 486). 588 Vis autem eo maior eius elucet in servis, quod ipsi sunt quasi materia rudior: ex altera parte elucet in dominis magis, dum eorum temperat imperia, et fastum (ebd.). 589 Quod dicitur in omnibus placentes, Graecus textus habet εὐαρέστους, quam vocem D. Hieronymus ita interpretatur ut existimet ad servos ipsos referri, qui sibi nimirum placeant sua vocatione contenti, et divinae voluntati acquiescentes, cuius nutu in eo statu, quem tenent, locati sunt. Alii ad dominos referunt, quibus servi placent, cum se suosque mores illis probant, et ita se gerunt, ut nullus sit querelae locus, imo Christiana religio propterea probetur, quod tam bene suos alumnos instituat, et servitutem servientes erudiat ad fidelitatem, et obsequium (ebd., 486f.). 590 Quod autem dicit S. Paulus, non fraudantes, Graece est, μή νοσφιζομένους id est, non clanculum aliquid quod domini sit in suum usum convertentes, quod famulis familiare est, qui modo e pecunia, quae illis creditor aliquid detrahunt, modo alia minutis, sed frequentibus furtis intervertunt (ebd., 487). 591 Tandem ad Ephesios partim eadem monita repetit, partim novis documentis instituit Apostolus cum ait: … Domini carnales, οἱ κύριοι κατά σάρκα, saeculares ac temporales qui vocantur, domini sunt, hisce obediendum servis est cum ea, qua par est reverentia, sincere et

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wenn sie einmal nicht direkt unter der Aufsicht der Herren ihren Dienst verrichteten, sondern unter sich seien. Gerade dann sollten sie nicht die Zeit mit Erzählen und Müßiggang verstreichen lassen.592 Es ging also um die Verlagerung des Gehorsams vom äußeren Zwang zu einer internalisierten Grundhaltung. Dabei sollten sich die Sklaven nach 1 Petr 2,18 am ungerechten Leiden Jesu Christi ein Beispiel nehmen und Beschwernisse geduldig ertragen. Außerdem hätten sie den guten wie den launischen Herren zu dienen.593 Dass dies schwierig sei, räumte auch Menochio für seine Zeit ein.594 Anschließend nahm er nochmals das Verhalten der christlichen Herren gegenüber ihren Sklaven in den Blick.595 Allerdings richtete sich dieses nach der Einstellung des Sklaven gegenüber seiner Arbeit und seinem Herrn. So gebe es einerseits Sklaven, die von ihrer natürlichen Art her sanft, zum Gehorchen bereit und gegenüber dem Herrn wohlwollend seien. Diese seien human zu behandeln und durch die Güte des Herrn zum Dienen anzuspornen.596 Für sie stellte Menochio wegen ihrer guten Führung sogar die Freilassung in Aussicht.597 Ihnen stehe ein humaner Umgang zu, weil sie nach Eph 6,9, Brüder im Herrn seien. Diese Humanität zeige sich wiederum in einem Recht auf körperliche Unversehrtheit (nach Ex 21,26) und auf Ruhetage (nach Ex 23,12).598 Doch es gebe andererseits auch widerspenstige Skla-

candide, benevole etiam, amice et prorapte, quasi Deo obsequium praestarent, cui famulari se existimare debent, dum hominibus famulantur (ebd.). 592 Quod autem dicitur, non ad oculum servientes, egregie quorundam servorum ac famulorum ingenium ponit ob oculos, qui interim dum in conspectu sunt dominorum suorum, alacritatem quandam prae se ferunt, strenue operi manum admovent, se ad omnia promptos et expeditos exhibent: ubi vero alio concessit herus, iam languide operantur, cessant, et fabulando, et otiando tempus perdunt (ebd., 487f.). 593 Hactenus D. Pauli praecepta servis relicta: quibus consentanae docet S. Petrus cum ait: … pergitque Christi exemplo, qui iniuste passus est eos hortari, ut molestias, quae ab heris exhibentur, patienti animo ferre velint. Porro dominorum duae adversae conditiones opponuntur inter se ab Apostolo, alios enim modestos vocat, alios dyscolos … (ebd., 488). 594 Cum huiusmodi dominis agere mirum quam difficile est iis, qui famuli sunt, aut servi … (ebd.). 595 So ab Glosse 4. Quomodo se domini cum mancipiis ac famulis gerere debeant (ebd., 489491). 596 Menochio formuliert konditional, wie folgt: Nam si miti sint ingenio, ac facili, si ad parendum prompti, si domino benevoli, humaniter tractandi sunt, et eorum alacritas ad famulandum benignitatis argumentis incitanda. Certe a minis temperandum, ac verberibus, quae non servis omnibus, sed iis, qui animo servili sunt, ingenio pravo, moribus insidis deberi non inficior (ebd., 489). 597 Menochio führt zur Freilassung unkommentiert Jesus Sirach 7,21 als Zitat und Ex 21,2 und Deut 15,12 als Paraphrase an (vgl. ebd., 489f.). Zwar beziehen sich diese Bibelstellen explizit auf die Freilassung hebräischer Schuldsklaven im siebenten Jahr, aber anscheinend thematisiert er damit generell die Freilassung für christliche Sklaven, auch wenn sie nicht den Regelungen zum Sabbatjahr entsprechen brauchen. 598 Ebd., 491.

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ven,599 die nicht durch Güte, sondern nur durch Furcht vor der Peitsche zur Arbeit bewegt werden könnten.600 Der Herr dürfe solche Sklaven nach Sir 33,25 mit Schlägen zur Arbeit zwingen. Allerdings solle er nach Sir 33,30 seine Macht nicht willkürlich missbrauchen, sondern bedacht und mit Maß vorgehen.601 Schließlich ging er auch auf das Ritual für Sklaven aus Dtn 15,16 ein.602 Das Durchstechen des Ohrs beim Sklaven markierte den Übergang von der zeitlich begrenzten Schuldsklaverei in die dauerhafte Sklaverei.603 Doch diskutierte Menochio hier nicht die Folgen des Rituals, nämlich dass der nun freiwillig in dauerhafter Sklaverei Verbliebene nicht ohne die Erlaubnis seines Herrn das Haus verlassen dürfe. Auch die abschreckende Wirkung dieses Rituals auf die übrigen zeitlich befristeten Schuldsklaven spielte bei ihm keine Rolle.604 Ganz im Gegenteil hielt er ein Lob auf den Sklaven, der dieses Ritual auf sich nahm. Mit dem durchstochenen Ohr drückte sich nach Menochio sinnfällig eine Verdopplung des Gehorsams aus. Zum natürlichen Gehorsam, symbolisiert in der anatomischen Ohröffnung, trat noch der freiwillige Gehorsam, bekundet in der künstlich beigefügten Durchstechung des Ohres, hinzu. Der Sklave werde damit für seine freiwillige Gehorsamsbekundung ausgezeichnet. So erkenne jeder, dass es sich um einen besonders treuen und folgsamen Sklaven handle.605 Doch damit war der Überhöhung 599

Dazu ab Glosse 5. Servos qui ingenio sunt servili, et contumaci severe tractandos esse (ebd., 491-493). 600 Quod si servus contumax sit, si cessator, et fugitans laboris, si parum domino fidelis, uno verbo, si ingenio sit servili, quia nimirum amore ac benignitate non capitur, sed flagri tantum timore movetur … (ebd., 491). 601 So die Paraphrase von Menochio zu Sir 33,25 und 30: … .quamvis dixerim iugo, flagro, tortura, compedibus comprimendam, frangendamque cervicosi mancipii contumaciam, memineris tamen omnia iuxta rectae rationis praescriptum administranda, cavendumque ne ultra moderationis fines progressus potentia herili, et carne servi aeque ac iumenti alicuius abutaris, omnia enim, sed praesertim gravia, considerate et cum consilio prudentes et cordatos homines facere decet (ebd., 492). 602 Dazu ab Glosse 6. Duplex ritus ad servos pertinens explicatur (ebd., 493-496). 603 Vgl. III.3.4. 604 Ohne Angabe von Referenzautoren gibt Menochio folgende Deutungen an: Si primo modo ceremonia haec perficiebatur, videtur illa significari servum illum iam domui illi voluntaria servitute addictum, et quodammodo affixum esse, ut ne pedem quidem effere, et domo progredi posset, nisi facta a domino potestate. Alii notant ceremoniam hanc institutam ut servi a servitute, quam possent excutere, absterrerentur, pudendum enim erat coram iudicibus perpetuam servitutem profiteri, et animi deiecti indicium in libertatem cum potestas illius offertur, se non asserere (Menochio, Institutionis Oeconomicae, Lyon 1627, 494). 605 Quamquam etiam contrarium probabile videtur, et auris perforatio ad servi laudem pertinere. Auris enim obedientiae signum est, auris nimirum aperta, quae celeriter et prompte mandata excipit. Quod si adhuc perforetur, iam duplex habet signum, quasi geminatae obedientiae, naturalis scilicet, et voluntariae. Itaque eo signo designari videtur maxime fidelis servus, et obediens, eratque signum servitutis nunquam desiturae (ebd.). Obgleich auch das Gegenteil wahrscheinlich scheint, mag die Durchbohrung des Ohrs auch zum Lob des Sklaven

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dieses gewaltsamen Rituals noch nicht genug. Menochio ging sogar so weit, das durchstochene Ohr mit den als Siegeszeichen interpretierten Stigmata des Apostels Paulus zu vergleichen, die ihm laut Gal 6,17606 und 2 Kor 11,23607 bei seinem Einsatz für den Glauben durch seine Gegner zugefügt worden waren. Sie veranschaulichten die Aufopferung und den Gehorsam des Paulus gegenüber Gott608 und waren in ihrer spirituellen Beziehung zu den Leiden Christi letztlich ein Ausweis von Gnade. Die Zusammenstellung von Bibelstellen aus dem Alten und Neuen Testament und die elementaren Deutungen Menochios zeigen, dass die Auslegung der Heiligen Schrift zur Sklaverei nicht ausschließlich eine akademische Beschäftigung ohne Bezug zur sozialen Wirklichkeit war, sondern ihren Sitz im Leben in der pastoral-homiletischen Unterweisung von Herren und Sklaven hatte.609 Auch kirchliche Würdenträger wie Kardinal Ludovico Ludovisi besaßen noch im 17. Jahrhundert ganz selbstverständlich Sklaven. Sie gehörten zur Dienerschaft des adeligen Haushalts.610 Der vornehme Adressat der Schrift war dann auch Ludovisi, der seine eigene Praxis kritisch reflektieren, aber auch legitimieren konnte. Das Verhältnis von Herren und Sklaven war nach Menochio in jeder Hinsicht asymmetrisch. So wird das tugendhafte Verhalten des Sklaven (Geduld, Treue, Gehorsam) unabhängig von der Verhaltensweise des Herrn eingefordert, während der Herr je nach Verhalten des Sklaven unterschiedlich reagieren darf, mit Güte oder mit Härte. Hier wurde also gerade keine grundsätzliche Humanität eingefordert. Auf diese Weise konnte sich der frühneuzeitliche christliche Sklavenhalter im Einklang mit der Heiligen Schrift seiner selbst vergewissern. dienen. Das Ohr ist nämlich Zeichen des Gehorsams, freilich das offene Ohr, das Befehle rasch und bereitwillig aufnimmt. Diese Zeichenhaftigkeit eignet ihm, noch mehr da es durchbohrt wird, bereits zweifach, (ein Zeichen) gleichsam des doppelten Gehorsams, nämlich des natürlichen und des freiwilligen. Daher scheint durch dieses Zeichen am ehesten der treue und gehorsame Sklave bezeichnet, und es Zeichen der niemals endenden Sklaverei. (Übersetzung T.M.) 606 Gal 6,12: „In Zukunft soll mir [Paulus] niemand mehr solche Schwierigkeiten bereiten. Denn ich trage die Zeichen Jesu an meinem Leib“ (EÜ). Bei Menochio werden die „Zeichen Jesu“ als Stigmata gedeutet. 607 2 Kor 11,23: „Sie sind Diener Christi – jetzt rede ich [Paulus] ganz unvernünftig – ich noch mehr: Ich ertrug mehr Mühsal, war häufiger im Gefängnis, wurde mehr geschlagen, war oft in Todesgefahr“ (EÜ). Bei Menochio wird das Geschlagensein im Hinblick auf eine Stigmatisation gedeutet. Das real zugefügte Leid wird als Siegeszeichen interpretiert. 608 Unter Angabe der biblischen Bezüge (Gal 6,17; 2 Kor 11,23) schreibt Menochio: Tandem D. Paulus se stigmatibus in corpore victuris notatum gloriatur, quae quamvis a Domino inflicta non essent, sed a Christianae religionis hostibus, ipse tamen in eius servitutis, qua Domino famulabatur, gloriosum argumentum contebat (ebd., 495f.). 609 Einen weiterer Praxisbezug eröffnete sich durch die Sklavenseelsorge und Mission. Vgl. VI. 610 Zu Haussklaven und Haussklavinnen: PRIESCHING (2014) 38-40.

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III. Sklaverei und Bibelexegese

5. Zusammenfassung Das Thema Sklaverei kam bei den Exegeten immer wieder vor, was schon daran lag, dass der Begriff Sklaverei in der Bibel sehr präsent ist, in der Vulgata sogar noch wesentlich häufiger als in heutigen deutschen Ausgaben, die servus an vielen Stellen mit ‚Knecht‘ übersetzen. Einige Bibeltexte erlangten für das Thema der Institution Sklaverei, wie sie im 16. und 17. Jahrhundert noch ganz selbstverständlich existierte, eine zentrale Bedeutung. So stellte sich die Frage nach legitimen oder illegitimen Herrschaftsverhältnissen, die auch im Rückgriff auf Bibelstellen diskutiert wurden. Die Heilige Schrift war nicht die einzige Autorität, die im zeitgenössischen Sklavereidiskurs herangezogen wurde, aber sie war vorrangige Ausgangsbasis jeder Argumentation. Wie bei einem Baumstamm die Jahresringe lagerten sich Auslegungen zu bestimmten Stellen im Laufe der Jahrhunderte an: die Kirchenväter, die scholastischen Theologen – aus diesem gewaltigen Vorrat an Deutungsmöglichkeiten konnten die Barockscholastiker schöpfen. Dabei suchten sie sich ihren Weg zwischen rechtgläubiger Vulgataexegese und humanistischer Auslegungstradition. Innerhalb dieser Bandbreite wurden sehr unterschiedliche Kommentarwerke geschaffen, wie der Überblick in III.2 gezeigt hat. Manche Kommentare begnügten sich mit knappen Anmerkungen zum Literalsinn. Manche kommentierten ausführlich und bezogen sich dabei auf eine Fülle an Autoritäten. Manche zeigten großes philologisches Interesse mit Blick auf die Urtexte. Manche waren stärker am scholastischen Diskurs orientiert. Bereits die unterschiedlichen Arbeitsweisen prägten die Behandlung des Themas Sklaverei, das je nachdem mehr oder weniger Aufmerksamkeit erfuhr. Ein erster Schlüsseltext zum Thema Sklaverei stellte nach der Kirchenvätertradition Gen 1,26-27 dar, in dem die Würde des Menschen durch seine Gottebenbildlichkeit begründet wird. Umso erstaunlicher ist, dass die Bibelexegeten diesem zentralen Punkt wenig Beachtung schenken. Nur bei Cornelius a Lapide wird die Gottebenbildlichkeit genauer beleuchtet. Da sich dieser Kommentar als derjenige entpuppt hat, der am meisten an der STh des Thomas ausgerichtet war, ist dieser Befund nicht überraschend. Hier wird die scholastische Diskussion um die Herrschaftsverhältnisse zwischen Gott und Mensch, Mensch und Tier sowie Mensch und Mensch aufgegriffen und anhand des Textes erhellt. Damit ging er weit über den Literalsinn hinaus und zeigte Interesse an aktuellen Fragestellungen hinsichtlich der Legitimation von Sklaverei. Etwas verwirrend ist allerdings die Verwendung des Begriffs ‚Sklaverei‘ sowohl für eine ‚innere Sklaverei‘ (der Sünde) als auch für ‚äußere Sklaverei‘. Diese Unterscheidung, die sich schon in der Bibel selbst findet, sorgt bei der Auslegung von Gen 1,26-27 bei Lapide für einen Widerspruch. Denn einerseits wird das Verhältnis Gott – Mensch als ‚sklavi-

5. Zusammenfassung

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sches Verhältnis‘ beschrieben, was hier aber positiv gemeint ist. Andererseits war ein äußeres Sklavereiverhältnis zwischen den Menschen im Schöpfungsplan noch nicht vorgesehen gewesen. So stehen sich ein positiver und ein negativer Sklavereibegriff gegenüber, was bisweilen zu einer fragwürdigen Bildsprache führt, die jedoch nicht vom Autor problematisiert wurde. Wenn die Institution der Sklaverei noch nicht im Schöpfungsplan begründet lag, wann hatte sie sich dann entwickelt und warum? Nach dem Kirchenvater Augustinus war mit dem Sündenfall Adams und Evas die menschliche Natur verdorben worden. Infolgedessen hätte sich ein zwischenmenschliches Abhängigkeitsverhältnis entwickelt, das eine Vorform der Sklaverei dargestellt habe. Diese sei dann mit der Sünde Hams in die Welt gekommen. So wurde die Verfluchung Kanaans (Gen 9-18-29) zu einer weiteren Schlüsselstelle für die Ursprünge der Sklaverei. Bei dieser Bibelstelle ging Perera in einer allegorischen Auslegung über den Literalsinn hinaus. Er deutete Kanaan, den Sohn Hams, der mit seinen Nachkommen von Noah verflucht worden war, als Häretiker. Dies war eine kontroverstheologische Spitze. Auch Lapide setzte die Nachfahren Hams mit Juden und Häretikern gleich, womit er eine augustinische Perspektive fortführte. Ein aktueller Bezug erscheint bei ihm mit der Verteidigung der Bezeichnung servus servorum Dei für den Papst gegen eine calvinistische Deutung. Mit dieser allegorischen Deutung werden wiederum die Ebenen zwischen ‚innerer‘ und ‚äußerer Sklaverei‘ vertauscht, denn die Häretiker waren ja im 16./17. Jahrhundert keineswegs richtige Sklaven, was so zu rechtfertigen wäre. Deren Sklaverei kann sich nur auf ihre Sünde beziehen, die wahre Lehre verleugnet zu haben. So spielte diese Stelle bei den Barockscholastikern offenbar keine große Rolle für die Institution der Sklaverei, auch wenn sich dies aus der Tradition angeboten hätte. Was unterschwellig mittransportiert wird, ist ein grundsätzliches Verständnis von Sklaverei als Folge von Sünde. Wie nun Moral und Recht in dieser Frage zusammenhängen, war allerdings nicht mehr der Gegenstand der Exegeten. Hier übernahmen die scholastischen Thomaskommentatoren. Festzuhalten bleibt zudem, dass sich kein Hinweis auf eine rassistische Deutung von Sklaverei bzw. auf eine Identifizierung Hams mit Afrika gefunden hat. Auch wenn dafür jüdische und muslimische Deutungsangebote möglich gewesen wären, kannte man diese nicht oder sie interessierten schlicht nicht. Ein aktueller Bezug zum Transatlantischen Sklavenhandel wurde in keinem Kommentar gefunden. Dabei hätten sich über die Missionare vielfache Bezugspunkte ergeben können. Doch für die Exegeten lagen hier die europäischen Verhältnisse des konfessionellen Gegensatzes offenbar näher. Dieser Befund stützt die These Whitfords, wonach die Bibelkommentare des 16. Jahrhunderts die Sklaverei bei der Auslegung von Gen 9 weitgehend ignoriert hatten.

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III. Sklaverei und Bibelexegese

Sklaverei als Folge von Sünde lässt sich auch in der Geschichte von Jakob und Esau (Gen 27) feststellen. Nach Perera ging es bei der Versklavung Esaus um eine mildere Form von Sklaverei, eine Art Schuldknechtschaft von beschränkter Dauer, wobei er sie mit den Nachkommen Esaus (den Edomitern) auch auf ein Kollektiv bezog. Insofern kommen hier Herrschaftsverhältnisse zwischen Völkern ins Spiel. Dies führt ihn schließlich zu einer Reflexion über die Legitimation von Herrschaft, wobei er über Philo, Ambrosius und Basilius zur Aussage kommt, dass es sinnvoll sei, wenn der Klügere über den Törichten herrsche. Er ordnete sich einerseits der stoischen Tradition zu, wonach es keinen Sklaven von Natur gebe, rechtfertigt aber andererseits eine Sklaverei von Menschen mit intellektuellen oder moralischen Defiziten. Sklaverei sei hier ein pädagogisches Mittel. Die Strafe Esaus verbindet damit die moralische Seite der Sünde mit der rechtlichen Seite seiner äußeren Versklavung, wobei dies durch den Hinweis auf eine mildere Form von Sklaverei human eingehegt wird. Schließlich wurden die Auslegungen der Sklavengesetze nach Ex 21,2-6, Lev 25,39-55 und Dtn 15, 12-18 behandelt. Blieben die Kommentatoren hier auf der Textebene und bei einer Beleuchtung der altestamentlichen Sklavereipraxis oder nahmen sie auch Deutungen für die gegenwärtigen Verhältnisse auf? Ausführlich kommentierte Lapide Ex 21,2-6. Er unternahm dabei eine sich auf Thomas stützende spekulative Durchdringung von Rechtssatzungen. Bei der Behandlung der einzelnen Verse blieb er zunächst bei der Praxis der Israeliten und hob Humanisierungstendenzen aus der Schrift hervor. Dies scheint ihm auch ein aktuelles Anliegen gewesen zu sein, obwohl er hierzu nichts Näheres ausführte.611 In einer moralischen Deutung wird wieder die ‚innere Sklaverei‘ ins Spiel gebracht, obwohl sich dies nicht zwingend aus dem Bibeltext ergibt. Mit der Homilie Gregors I. geriet dann ein pastoraler Gedanke in die Auslegung, der von der ‚äußeren Sklaverei‘ wegführte. Jean de Lorin befasste sich eingehender mit den parallelen Stellen aus Lev. und Dtn. Im Unterschied zu Lapide arbeitete Lorin stärker biblischhumanistisch. Bei Levitikus betonte er die Tendenz zu einer humaneren Behandlung von Sklaven. Dabei ging er auf gegenwärtige Verhältnisse ein, indem er auf den Sklavenloskauf durch Fürsten und Papst verwies. Offenbar zeigte sich für ihn darin ein christliches (katholisches) Engagement für Sklaven. Auch hier fällt bei der Aktualisierung der Bruch zum Literalsinn auf. Ging es dort noch um Schuldsklaven, lenkt das Thema Loskauf den Betrachter zu anderen Formen von Sklaverei, nämlich Sklaven als Folge von Kriegsgefangenschaft (etwa im Kontext des Korsarenkriegs). Sobald ein pas611

Deutlicher wird das bei Lapides Auslegung des Philemonbriefs (vgl. GRIESER/ PRIESCHING [2016]).

5. Zusammenfassung

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torales Interesse in den Kommentaren sichtbar wird, tritt der Literalsinn völlig zurück. Diese Beobachtung wurde nun schon häufiger gemacht. Eine implizit rechtfertigende Aussage für den zeitgenössischen Umgang mit Sklaven, die zum Christentum konvertierten, lässt sich vermutlich in seiner ausführlichen Behandlung von nichtisraelitischen Sklaven, die zum Judentum konvertierten, sehen. Konversion bedeutete noch nicht Freiheit. Bei seiner Deutung der alttestamentlichen Sklavengesetze hob Lorin im allegorischen Sinne wieder die ‚innere Sklaverei‘ hervor, wie sie schon bei Hieronymus, Isidor von Sevilla und Beda Venerabilis vorkomme. Damit stellte er diese Rechtsbestimmungen in einen Zusammenhang mit der Erlösung durch Jesus Christus, der die Menschheit von der Sklaverei des Gesetzes befreit habe. Diese Überbietung des Alten Testaments durch Jesus Christus und das neue Gesetz findet sich auch bei Lapide. Eine Substitutionstheologie stand wohl im Hintergrund, wobei es hier nicht um das Verhältnis zwischen Juden und Christen ging. Die grundsätzliche Unterscheidungsmöglichkeit zwischen ‚innerer‘ und ‚äußerer Sklaverei‘ führte zu merkwürdigen Verknüpfungen: So konnte die äußere Sklaverei als gerechte Strafe für die innere Sklaverei der Sünde gedeutet werden. Zudem konnte das äußere Gesetz der Israeliten und das innere Gesetz des Evangeliums mit diesem Sklavereiverständnis parallelisiert werden. Die innere Freiheit ermöglichte erst Jesus Christus. Der Vorgang des Sündenfalls wurde mit ihm heilsgeschichtlich umgekehrt. Fragt sich nur, warum bei dieser Umkehrung dann nicht auch die äußere Freiheit als Folge erscheinen muss? Eine Antwort auf diese Frage führt zu einer Spurensuche im Neuen Testament. Hier wurde zum Beispiel in 1 Kor 7,20-21 erklärt: „Jeder soll in dem Stand bleiben, in dem ihn der Ruf Gottes getroffen hat. Wenn du als Sklave berufen wurdest, soll dich das nicht weiter bedrücken; auch wenn du frei werden kannst, lebe lieber als Sklave weiter.“ Die Erlösung durch Jesus Christus, der immer wieder mit dem Bild des Loskaufs umschrieben wird, führte nicht zu einer Beendigung der äußeren Sklaverei. Nur eine Situation wird grundsätzlich als Ärgernis betrachtet: wenn christliche Sklaven unter einem nichtchristlichen Herrn dienen, birgt dies Gefahren für ihr Seelenheil. Da dies jedoch nicht im Macht- und Entscheidungsbereich der Christen lag, wurde hier lediglich die Perspektive des christlichen Sklaven angesprochen, der unter diesen Umständen fliehen durfte. Dann sollte der Sklave also nicht lieber als Sklave weiterleben, sofern sich ihm eine Möglichkeit zur Flucht bot. Im Übrigen wurde die Institution der Sklaverei vorausgesetzt und nicht grundsätzlich kritisiert. Statt einer Abschaffung des Systems zu erwägen, argumentierten die Jesuiten auf der biblischen Grundlage für ein vages Humanisierungsethos. Der Sklave sollte seinem Herrn ein guter Sklave sein und der Herr seinem Sklaven ein guter Herr (vgl. Eph 6,5-9).

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III. Sklaverei und Bibelexegese

Am deutlichsten formulierte Lapide ein Humanisierungsanliegen in seinem Kommentar zum Philemonbrief. Hier sprach er die Christen und ‚Hirten‘ (also Bischöfe) an, sich den armen Sklaven und Sklavinnen besonders zu widmen. Dieser Appell war einerseits an Verantwortliche der Sklavenseelsorge gerichtet, andererseits aber auch an Sklavenbesitzer. Hier wurde eine konkrete Verbindung zwischen dem ‚Loskauf‘ durch Christus und einer humanen Behandlung von Sklaven gezogen, denn auch die Sklaven und Sklavinnen waren mit seinem Blut losgekauft worden. Darin zeigt sich eine Gleichheit, wie sie ansonsten nur im Schöpfungsbericht vorgegeben war. Eine solche Verbindung war jedoch eher die Ausnahme, wenn es um den ‚Loskauf‘ durch Christus und damit um das Thema Erlösung ging. So hatte Christus nach Toledo den Menschen zwar aus einer dreifachen Sklaverei befreit (Sklaverei des Gesetzes, Sklaverei der Sünde, Sklaverei der Erbsünde), doch wurden daraus keine Konsequenzen für die äußere Sklaverei gezogen, die hier im Vergleich zur inneren Sklaverei unwichtig erscheint. Bei Perera kam im Römerbriefkommentar zwar die soziale Sklaverei wieder in den Blick, doch nicht in einem kritischen Sinn. Hier zeigen sich drei konsekutive Formen von Sklaverei: zunächst die Sklaverei der Sünde, dann die soziale Sklaverei und schließlich der Sklave Gottes. Mit der Herleitung der Sklaverei aus der Sünde Adams, bekam diese den Charakter einer Sühneleistung. Eine Rebellion von Sklaven war demnach ebenfalls moralisch verwerflich. Nahm dagegen der Sklave sein Schicksal in der rechten Gesinnung an, konnte er ‚Sklave Gottes‘ werden. Die soziale Sklaverei war also nur ein Übergangsstadium zur himmlischen Erlösung, in der die paradiesische Ordnung für die Gläubigen wiederhergestellt wurde. Insgesamt fällt im exegetischen Umgang mit dem Thema Sklaverei der heilsgeschichtlich gegenläufige Gedankengang zwischen Altem und Neuem Testament auf. Die Gleichheit und Freiheit des Menschen steht am Anfang der Schöpfung und am Ende als Resultat der Erlösungstat Christi. Die Begriffe ‚Sklaverei‘ und ‚Loskauf‘ werden als Bilder für die Erlösungsbedürftigkeit sowie den Erlösungsvorgang der Menschen verwendet. Trotz der Assoziationen mit der realen Praxis der Sklaverei erscheint dieser Begriff kaum negativ als bedrückendes System. Zum einen wird zwischen härteren und milderen Formen der Sklaverei differenziert. Zum anderen wird auch das wünschenswerte Verhältnis zwischen Gott und Mensch mit dem Begriff der Sklaverei beschrieben (vgl. ‚Sklave Gottes‘). Sklaverei war selbst im realen Leben nicht allein negativ zu bewerten, sondern vielmehr als Chance, göttliche Pädagogik oder Etappe göttlicher Vorsehung. Während die Kommentare zu einzelnen Büchern der Bibel relativ wenige Bezüge zur aktuellen Praxis der Sklaverei enthielten, wurde in der sogenannten Hausväterliteratur wesentlich umfassender auf den Umgang mit Sklaven und Sklavinnen eingegangen, die zur Dienerschaft adeliger Haushalte gehör-

5. Zusammenfassung

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ten. Wie Menochio mit seiner Schrift gezeigt hat, wurden hier zahlreiche Bibelstellen aus dem Alten und Neuen Testament in pastoraler Absicht in Beziehung gesetzt. Dabei bestätigte sich in der ethischen Grundlinie der Befund aus den Kommentaren: Der Sklave solle sich tugendhaft gegenüber seinem Herrn verhalten, dann solle der Herr entsprechend mit Güte reagieren. Im wechselseitigen Gnadenethos eines gegenseitigen Sich-Schuldens stimmten Kommentare wie der Lapides zum Corpus Paulinum und die Hausväterliteratur Menochios letztlich überein. Dabei konnten sich beide bereits auf Auslegungen durch Kirchenväter und Thomas von Aquin stützen. Insofern lag hier wenig Originalität bzw. eine lange Tradition vor. Dass die hier behandelten Autoren ihre angeführten Autoritäten inhaltlich ganz trefflich erfasst haben, wurde an einzelnen Beispielen gezeigt. Gleichzeitig ist ein souveräner Umgang mit der Tradition festzustellen. Man hielt sich keineswegs ängstlich an wörtlichen Auslegungstraditionen fest, weder was die biblischen Texte angeht, noch was die Kirchenväter oder Thomas betrifft. Insgesamt bot der Spielraum zwischen humanistischem Interesse und scholastisch geformter Rechtgläubigkeit Platz für eine Fülle unterschiedlicher Auslegungsstile.

IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie Die scholastische Theologie war neben dem Studienfach der Heiligen Schrift die zweite Hauptsäule von Studium und Lehre am Collegio Romano. Nach der Ratio Studiorum von 1599 bestand das Geschäft der scholastischen Theologie vor allem in der Kommentierung des Thomas. „Die Methode folgt den Sentenzenkommentaren des 13. Jahrhunderts: Texterklärung mit Angabe der ratio und nach jedem Artikel, falls erforderlich, genauere Erläuterung der Sache durch Quästionen. Keinesfalls soll man nur verschiedene Sentenzen anführen, sondern, wo es angeht, die Lehre des Aquinaten verteidigen.“612 Mit diesen Vorgaben war den Jesuiten eine gewisse Meinungsfreiheit erlaubt, die innerhalb des Ordens zu unterschiedlichen Strömungen führte. Das grundlegende Lehrbuch für Scholastische Theologie war also am Collegio Romano die STh des Thomas von Aquin.613 Die Thematik des ganzen Werkes ist die Vermittlung der Gotteserkenntnis. Der erste Teil (prima pars) behandelt die Rede von Gott, der zweite Teil (secunda pars) die Bewegung der vernünftigen Geschöpfe hin zu Gott und der dritte Teil (tertia pars) schließlich Christus als Weg zu Gott.614 Die drei genannten Teile (partes) sind wiederum in Traktate untergliedert. Die Traktate sind jedoch nur durch Prologe voneinander abgegrenzt, die jeden Traktat einleiten. Die nächste erkennbare äußere Einheit sind die Quästionen, aus denen ein Traktat zusammengesetzt ist.615 Die Quästionen sind wiederum in Artikel unterteilt. Die Artikel sind der kleinste Baustein der STh.616 Der scholastische Artikel ist laut Metz die „verschriftliche determinatio magistralis“, also die abschließende Antwort eines Magisters nach einer öffentlichen Disputation.617 Idealerweise enthält der 612

LEINSLE (1995) 269. Vgl. I.2.2.3. 614 Quia igitur principalis intentio huius sacra doctrinae est Dei cognitionem tradere, et non solum secundum quod in se est, sed etiam secundum quod est principium rerum et finis earum, et specialiter rationalis creaturae ... ad huius doctrinae expositionem intendentes, primo tractabimus de Deo; secundo de motu rationalis creaturae in Deum; tertio de Christo qui secundum quod homo via est nobis tendendi in Deum (STh I, 2 Prol.; TORRELL [1995] 166). Seit dem Beitrag von Chenu wird darüber diskutiert, ob der STh ein bestimmter Plan zugrunde liegt. Chenu schlug das neuplatonische Modell vom Ausgang des Menschen von Gott und seiner Rückkehr zu Gott vor. Allerdings erwies sich u. a. die Integration des dritten Teils in dieses exitus-reditus-Modell als problematisch (CHENU [1939/1973] 173-195; TORRELL [1995] 168f.). 615 METZ (1998) 109. Zum thematischen Aufbau der STh siehe TORRELL (1995) 166f. 616 Die STh enthält insgesamt 2669 Artikel (METZ [1998] 114). 617 Ebd., 109. 613

IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

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Artikel die pro-Argumente, die contra-Argumente, das corpus articuli, also die Einzelantworten auf die pro-Argumente und die abschließende Beantwortung der contra-Argumente.618 In der STh sind die Artikel jedoch auf das Wesentliche gekürzt. So enthalten die pro-Argumente nur die essentiellen Eingangsargumente. Die contra-Argumente (eingeleitet mit sed contra) sind nicht argumentativ, sondern präsentieren lediglich die unkommentierten Aussagen von Lehrautoritäten, weshalb eine abschließende Antwort auf sie meist entfällt. Das corpus articuli beschränkt sich in der STh auf ein Argument bzw. eine kohärente Zusammenstellung von Argumenten.619 Es ist somit für die Rezeption der STh durch die jesuitischen Kommentatoren zu beachten, auf welchen Bestandteil eines Artikels Bezug genommen wurde. Angesichts des gewaltigen Umfangs der STh war eine vollständige Kommentierung im Lehrbetrieb unmöglich. Dies war aber auch kein Ideal. So werden bereits in den Entwürfen und Vorlagen zur Ratio Studiorum von 1599 und in dieser selbst lange Verzeichnisse erstellt, die Aufschluss darüber geben, welche Sentenzen des Thomas verpflichtend zu lesen sind und welche nicht.620 Für die Scholastik gab es in Rom nur zwei Professoren.621 Dies führte immer wieder zu der Frage, wie der gewaltige Lehrstoff der STh in vier Jahren zu bewältigen war. Deshalb wurde von einigen Professoren wie den Patres Pedro de Parra und Francisco Suárez eine dritte Professur für Scholastische Theologie gefordert, wobei dann auch die Moraltheologie der STh ungekürzt vorgetragen werden sollte.622 Statt einer dritten Professur für Scho-

618

Ebd. Ebd., 110. Metz beschreibt das Zusammenwirken der Artikelbestandteile wie folgt: „I. Die Eingangsargumente führen durch ihre Dichte und Stoßkraft, in der sie u.U. einen in sich gestaffelten Gesamt-Einwand bilden, in die anstehende Frage tief ein und machen aufgrund ihrer Stärke eine gründliche Antwort notwendig. II. Das sed contra unterbricht, weil es ein andersgearteter Teil des Artikels ist, den Gedankenfluß nicht, den es selber einteilt. III. Das corpus articuli muß eine erschöpfende Antwort geben, aus der sich, ggf. mit Hilfe weiterer Unterscheidungen, die abschließenden Einzelantworten einsichtig entwickeln lassen“ (METZ [1998] 111). 620 Vgl. PACHTLER Bd. 2 (1887) 204-217. 621 Bei Villoslada sind diese beiden Lehrstühle folgendermaßen bezeichnet: Theologia Scolastica (due cath.) und Theologia Scolastica (Tertia lectio) (vgl. VILLOSLADA [1954] 323f.). Diese Bezeichnungen führen leicht zu der irrigen Annahme, dass dort drei Professoren für Scholastische Theologie vorgesehen waren. 622 THEINER (1970) 182. Pedro de Parra SJ (1531 in Sevilla bis nach 1588) lehrte 1560-1561 Logik, 1561-1562 Physik, 1563-1564 Scholastische Theologie (Tertia Lectio), 1573-1575 Moraltheologie am Collegio Romano (vgl. VILLOSLADA [1954]). Parra nahm von 1582 bis 1584 an den Beratungen über die Ratio Studiorum teil, ebenso Suárez. 619

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

lastische Theologie wurde allerdings ein eigener Lehrstuhl für Moraltheologie eingerichtet.623 Der erste Professor hatte im ersten Studienjahr die Quästionen 1-43 aus der Prima pars der STh, im zweiten Jahr die Quästionen 1-21 aus der Prima pars secundae, im dritten Jahr die Quästionen ab 55 oder 71 bis zum Ende der Prima pars secundae zu lehren und im vierten Jahr über Glaube, Hoffnung und Liebe zusammen mit den Kontroversen über Schriften, Traditionen, Konzilien, Kirche und Papst. Der zweite Professor für Scholastische Theologie musste im ersten Jahr die einzelnen Quästionen De Iustitia, De Iure und De Religione sowie jene über das Gelöbnis, den Eid und die Simonie aus dem zweiten Teil der STh behandeln. Im zweiten Jahr wurden aus dem dritten Teil der STh die Themen De Incarnatione und, sofern noch möglich, die Sakramentenlehre (Firmung, Weihe, Krankensalbung) behandelt. Letzteres wird also als Option formuliert. Für das dritte Jahr wird explizit festgelegt, dass die Sakramente Taufe und Eucharistie zu unterrichten seien, im vierten Jahr Buße und Ehe (außer den Ehehindernissen und kirchlicher Zensur, die wiederum vom Moraltheologen zu behandeln seien).624 Man sieht bereits an dieser Aufstellung, dass manche Teile der STh ausgelassen wurden. Es ging weder um Vollständigkeit noch darum, Thomas sklavisch zu folgen.625 Die Auswahl lässt zudem darauf schließen, dass vor allem kontroverstheologisch interessante Gegenstände vorkamen sowie ein Interesse an der Frömmgkeitspraxis leitend war. In unserem Zusammenhang ist bedeutsam, dass das Thema des Rechts in der Scholastischen Theologie behandelt wurde. Vorlesungen für kanonisches Recht wurden lediglich am Collegio Germanico gehalten.626 Das Thema Sklaverei wird bei den Scholastikern in der Frühen Neuzeit vor allem im Kontext der Themen De Iustitia und De Iure behandelt, also im Rahmen des Naturrechts. Hier flossen Bestimmungen des Kirchenrechts nach dem Decretum Gratiani in die Kommentierung ein, jedoch wurde das Decretum Gratiani nicht selbst zum Lehrbuch wie im Kirchenrecht. Entsprechende Kenntnisse dazu waren außerhalb der scholastischen Vorlesungen zu erwerben. 623 Die Gegner eines eigenen Lehrstuhls für Moraltheologie wollten hingegen die Erklärung aller theologischen Fragen anhand der STh für die Scholastische Theologie zur Pflicht machen und die Kasuistik rein auf den Cursus minor beschränkt sehen. In der Studienordnung von 1599 wurde schließlich erklärt, dass die STh von zwei bis drei Professoren ausgelegt werden solle, ausgenommen weiterhin die Behandlung der Gewissensfälle (Kasuistik) (vgl. THEINER [1970]). 624 Zum Lehrplan für die beiden Professoren für Scholastische Theologie PACHTLER Bd. 2 (1887) 79f. 625 Vgl. I.2.2.3; LEINSLE (1995) 278. 626 VILLOSLADA (1954) 244-246.

1. Grundlagen

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Dagegen war ein Überblick über das Werk des Aristoteles in einem dreijährigen propädeutischen Philosophiestudium zu erwerben.627 Das Programm des Philosophiekurses sah nach der Ratio Studiorum folgende Themen und Schriften des Aristoteles vor:628 1) Logik: Summulae, Praedicamenta (Kategorien), De Interpretatione (‚liber II‘, gemeint sind wahrscheinlich Kap. 9-14), Analytica priora (Zusammenfassung), De scientia (Fragen aus den Analytica posteriora und Allgemeines über die aristotelische Epistemologie). 2) Naturphilosophie: Physica, De generatione et corruptione (liber I), De caelo, Meterologica (Zusammenfassung), De anima. 3) Ethik: Ethica Nicomachea. Das bedeutet, dass die Politik des Aristoteles, die für das Thema Sklaverei maßgeblich ist, hier nicht behandelt wurde. Auffälligerweise fehlt in dieser Aufzählung auch die Metaphysik des Aristoteles, obwohl die Metaphysik in der Ratio Studiorum für die Scholastische Theologie vorgeschrieben war, allerdings nur „die Bücher I, VII und XII, die wesentlich waren für den theologischen Gebrauch der aristotelischen Substanztheorie“629. Die Politik scheint im Lehrbetrieb nicht eigens behandelt worden zu sein. Sie geriet erst mit der Behandlung des Naturrechts in der Scholastik in den Blick. Hierfür war Aristoteles bereits durch Thomas rezipiert worden, so dass man auch über ihn auf aristotelisches Gedankengut aus der Politik zu sprechen kommen konnte. Die Nikomachische Ethik, die ebenfalls für das Sklavereiverständnis bei Aristoteles herangezogen wird, stand immerhin schon im philosophischen Grundstudium auf dem Plan. Für das Thema der Sklaverei wurde im scholastisch-naturrechtlichen Kontext eine Auseinandersetzung mit Aristoteles wichtig, so dass hier zunächst auf dessen Vorstellung zur Sklaverei kurz eingegangen werden soll. Weitere Voraussetzungen finden sich bei Thomas selbst und später in der Indiodebatte, in welche die Schule von Salamanca stark involviert war. Diese Grundlagen sollen im Folgenden beleuchtet werden.

1. Grundlagen 1.1 Aristoteles und der „Sklave von Natur“ Von großer Wirkmächtigkeit in der Frühen Neuzeit war die Theorie des Aristoteles über den „Sklaven von Natur“, den Physei Doulos. „Mit der Lehrmeinung, dass es von Natur aus Sklaven gibt, wurden die Gelehrten im 627

LEINSLE (1995) 269. BALDINI (1998) 639. 629 Ebd. 628

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

lateinischen Westen durch entsprechende Darlegungen des Stagiriten im ersten Buch der Politik bekannt. Dieses Werk lag ab 1260 in einer vorläufigen und fragmentarischen Übersetzung (translatio imperfecta) durch Wilhelm von Moerbeke und ab 1265 in der von eben demselben erstellten definitiven und vollständigen Wiedergabe aus dem Griechischen (translatio perfecta) vor.“630 Nicht nur die mittelalterlichen, sondern auch die Barockscholastiker des 16. und 17. Jahrhunderts rezipierten dieses Buch und entwickelten einzelne Ideen weiter. Wie sah die aristotelische Lehrmeinung aus? Im Kern umfasst die Konzeption vom „Sklaven von Natur“ bei Aristoteles drei typisierende Elemente: 1. Körperlich sind Sklaven von Natur von starkem, grobem Wuchs.631 2. Geistig sind sie mit mangelnder Vernunft ausgestattet.632 3. Aus diesen beiden Dispositionen ergibt sich eine Abhängigkeit von anderen, denn ein solcher Mensch bedarf steter Anleitung.633 Neben dem Physei Doulos kennt Aristoteles auch noch eine zweite Art der Sklaverei, nämlich die nach Gesetz (kata nomon). Nach dem Kriegsrecht gilt demnach, „dass die im Krieg Überwundenen Eigentum der Sieger seien.“634 Dieses Gesetz rechtfertigt Aristoteles, indem er davon ausgeht, dass die Sieger, die Griechen, den Besiegten, den „Barbaren“, immer auf irgendeine Weise an Tugend überlegen seien. Letztere als Kriegsgefangene zu versklaven sei also durchaus legitim. „Er zitiert hierzu Verse des Euripides (Iph. Aul. 1400f.), der die Herrschaft der Griechen über Barbaren rechtfertigt. Aristoteles’ Kommentar lautet, daß ein ‚Barbar‘ von Natur aus ein Sklave sei.“635 Ein Problem ergibt sich allerdings bei Kriegen zwischen Griechen. „Mit Kriegsgefangenen, die keine wahren Sklaven sind, sondern Griechen ihrer Herkunft nach, die infolge von Kriegen – gemäß dem Völkergemeinrecht – versklavt wurden, kann der Herr Freundschaft haben, weil sie Menschen sind.“636 Doch Aristoteles wusste nicht nur Verachtendes über „Barbaren“ zu sagen. So bemerkt er in der Nikomachischen Ethik, „dass jeder, den es in das sogenannte Barbarenland verschlagen hat, erfahren kann, wie jeder Mensch dem anderen verwandt und freundlich gesinnt ist.“637 Nach Welwei „trennt für ihn offenbar weniger ein anthropologisch begründeter Gegensatz die Barbaren von den Griechen, sondern eher ein Defizit der Barbaren an politi630

KÖHLER (2007) 48. Aristoteles, Politica I, 5 (1254b27-29). 632 Ebd., I, 5 (1254b22f). 633 Ebd., I, 4 (1253b32f; 1254a8); 5 (1254b21f); 8 (1256a2f); Aristoteles, Nikomachische Ethik (1161a35-b6). 634 Aristoteles, Politica I, 6 (1255a, 1.a.). 635 WELWEI (2005) 87. 636 HERMANN-OTTO (2015) 44. 637 WELWEI (2005) 87 mit Verweis auf Aristoteles, Nikomachische Ethik (1155a21-22). 631

1. Grundlagen

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scher Gestaltungskraft.“638 Allerdings lasen bereits die mittelalterlichen Autoren Aristoteles so, dass eben jenes Defizit, ein politisches Gemeinwesen zu gestalten, eine Folge der mangelnden Vernunftbegabung sei. Dieser Aspekt sollte in der Frühen Neuzeit in der Indiodebatte wieder aufgegriffen werden.639 Ob sich Aristoteles in der Frage nach der Berechtigung einer natürlichen Sklaverei selbst nicht ganz sicher war,640 gehört zu einer aktuellen Forschungsdiskussion, die hier nicht weiter verfolgt wird. Betrachten wir im Folgenden, wie diese beiden Arten von Sklaverei – der Sklave von Natur und der Sklave nach dem Gesetz – bei Thomas von Aquin rezipiert wurden.

1.2 Die Summa Theologiae des Thomas von Aquin Bereits mittelalterliche Autoren griffen die oben genannten Überlegungen des Aristoteles auf und konkretisierten sie. Von weitreichender Bedeutung waren hierbei vor allem Aussagen der Magister über die geistige Verfassung der Sklaven von Natur. „Nach Thomas von Aquin stellt sich der Sachverhalt so dar, dass der Sklave von Natur zwar den Vernunftsinn (sensum rationis) (passiv) zu erfassen in der Lage ist, ihn aber nicht durch sich selbst (aktiv) besitzt.“641 Im Anschluss daran kennzeichnet er in der Prima secundae den Sklaven als einen, der „nicht handelt“ (non agit), sondern der „betätigt wird“ (agitur).642 Auf der anderen Seite beharrt Thomas auf der schöpfungstheologischen Aussage, wonach der Mensch (nach Gen 1,26f.) als Ebenbild Gottes erschaffen worden sei. Erst mit der Ursünde Adams und Evas wurde diese ‚Natur‘ so korrumpiert, dass Sklaverei unter den Menschen entstand.643 Was die Magister an der natura servus-Konzeption interessierte, waren nicht die realen gesellschaftlichen Verhältnisse, sondern das theoretische Wesen von Herrschaft und Sklaverei. Am Typus des natürlichen Sklaven ließen sich „die Grenzen des spezifisch Menschlichen theoretisch ausloten.“644 Die Institution der Sklaverei stand nicht in Frage, so dass vor diesem Hintergrund das Vorteilhafte jenes Herrschaftsverhältnisses für den Sklaven wie für das Gemeinwohl herausgestellt werden konnte.

638

WELWEI (2005) 88. Vgl. II.1.3. 640 WELWEI (2005) 88. 641 KÖHLER (2007) 51. „Petrus de Alverna und andere greifen diese Überlegung auf und führen sie weiter aus“ (ebd.). 642 STh I-II, q. 74, a2, ad 3. 643 Vgl. PULTAR (2016) 91-144. 644 KÖHLER (2007) 61. 639

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

Flüeler stellte in Bezug auf Sklaverei fest: „Thomas von Aquino schuf keine einheitliche Servitustheorie.“645 So vertrat er in seinem Kommentar zu den Sentenzen des Petrus Lombardus, einem frühen Werk aus dessen Pariser Studienzeit (1252-1256), auf Grundlage der Heiligen Schrift die Auffassung, dass Sklaverei nicht aus einer gerechten Herrschaftsform, sondern nur aus einer Tyrannenherrschaft hervorgehen könne. Den Ursprung der Sklaverei erkannte er, im Anschluss an Augustinus, in der Erbsünde. Dies führt allerdings zur Aporie, da eben nicht alle Menschen, die grundsätzlich der Sünde verfallen waren, auch Sklaven waren.646 Im Unterschied zum Sentenzenkommentar erweiterte Thomas seine Argumentation in der STh, da ihm nun die Politica des Aristoteles zur Verfügung stand.647 Allerdings bedeutete dies keine Systematisierung der Begründungsversuche in Bezug auf Sklaverei, sondern führte lediglich zu ergänzenden Erklärungsansätzen. So behandelt Thomas von Aquin die Sklaverei zunächst im Rahmen seiner Anthropologie. Er stellt in der Quaestio Utrum homo in statu innocentiae homini dominabatur (STh I 96, 4) die Frage, ob es eine gerechte Herrschaft im Urzustand (vor dem Sündenfall) gegeben habe. Die Antwort darauf lautet, dass es zwar keine servitus im Sinne einer Unterwerfung eines Sklaven durch einen Herrn im Urzustand geben könne, aber durchaus im Sinne einer eher funktionalen Ausdifferenzierung von Diensten, Ämtern und Aufgaben unter den Menschen. Im Anschluss an Aristoteles geht Thomas davon aus, dass der Mensch seiner Natur nach ein soziales Lebewesen ist, dass aber die Vergesellschaftung des Menschen zu einer sozialen Ordnung bzw. zur Ausbildung einer natürlichen Hierarchie als gerechter Herrschaft führt, die auf das Gemeinwohl und den Nutzen aller ausgerichtet ist. Innerhalb dieser Hierarchie gibt es eine natürliche Unterordnung, die als servitus bezeichnet werden kann.648 Die servitus ist daher nicht nur Resultat 645

FLÜELER (1991) 285. Ebd., 286-295. 647 Vgl. STh II, 1.1.; FLÜELER (1991) 295. Zu Thomas als Aristoteleskommentator: TORRELL (1995) 239-260. 648 Dazu aus dem corpus articuli von Thomas: Respondeo dicendum quod dominium accipitur dupliciter. Uno modo, secundum quod opponitur servituti, et sic dominus dicitur cui aliquis subditur ut servus. Alio modo accipitur dominium, secundum quod communiter refertur ad subiectum qualitercumque, et sic etiam ille qui habet officium gubernandi et dirigendi liberos, dominus dici potest. Primo ergo modo accepto dominio, in statu innocentiae homo homini non dominaretur, sed secundo modo accepto dominio, in statu innocentiae homo homini dominari potuisset. … Tunc vero dominatur aliquis alteri ut libero, quando dirigit ipsum ad proprium bonum eius qui dirigitur, vel ad bonum commune. Et tale dominium hominis, ad hominem in statu innocentiae fuisset, propter duo. Primo quidem, quia homo naturaliter est animal sociale, unde homines in statu innocentiae socialiter vixissent. Socialis autem vita multorum esse non posset, nisi aliquis praesideret, qui ad bonum commune intenderet, multi enim per se intendunt ad multa, unus vero ad unum. Et ideo philosophus dicit, in principio Politic., quod quandocumque multa ordinantur ad unum, semper invenitur unum ut principale 646

1. Grundlagen

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einer ungerechten und sündhaften Herrschaft wie der Tyrannis, sondern im Urzustand Folge einer natürlichen Ordnung als servitus naturalis. Bedeutsam ist allerdings, dass sich Thomas in Quaestio 57 „Über das Recht“ (De Iure) gegen die aristotelische Auffassung, dass es Sklaven von Natur gebe, wendet (STh II-II, 57,3). Hier wird im 3. Artikel (Ist das Völkerrecht dasselbe wie das Naturrecht?) zunächst unter 2. die aristotelische Lehre als Argument angeführt: „Knechtschaft [servitus] unter Menschen ist etwas Naturgegebenes; denn manche sind von Natur Knechte [servi], wie der Philosoph [gemeint ist Aristoteles; d. Verf.] zeigt. Sklaverei aber gehört zum Völkerrecht. Also ist das Völkerrecht Naturrecht.“649 Hier wird das Thema Sklaverei demnach angesprochen, um das Verhältnis zwischen Völkerrecht und Naturrecht zu klären. In seiner Anmerkung zu 2. schreibt Thomas: „Daß dieser Mensch eher Sklave ist als ein anderer, hat in sich betrachtet keinen natürlichen Grund, sondern besteht nur auf Grund einer sich ergebenden Nützlichkeit, insoweit es diesem zukommt, von einem weiseren gelenkt zu werden, und jenem, daß ihm von einem solchen geholfen werde (Aristoteles). So ist die Knechtschaft [servitus], die zu dem Völkerrecht gehört, naturgegeben in der zweiten Weise, nicht in der ersten.“650 Damit ist Sklaverei zwar für Thomas legitim aufgrund der Nützlichkeit, aber nicht von Natur aus. Diese Interpretation weicht erheblich von der ursprünglichen Position des Aristoteles ab. Auf die Haussklaven geht Thomas im Rahmen seiner Reflexionen über die Herrschaft Gottes mittels Zweitursache ein (hier: STh I-II 105,4). Dabei setzt er sich auch mit den alttestamentlichen Sklavengesetzen (Ex 21; Lev 25; Dtn 15) und den Sonderrechten für die hebräischen Schuldsklaven auseinander.651 Er räumt ein, dass der Mensch ein Recht auf Nahrung, Wohnung, Kleidung und Ehe habe,652 und attestiert den alttestamentlichen Bestimmunet dirigens. Secundo quia, si unus homo habuisset super alium supereminentiam scientiae et iustitiae, inconveniens fuisset nisi hoc exequeretur in utilitatem aliorum; secundum quod dicitur I Petr. IV, unusquisque gratiam quam accepit, in alterutrum illam administrantes. Unde Augustinus dicit, XIX de Civ. Dei, quod iusti non dominandi cupiditate imperant, sed officio consulendi, hoc naturalis ordo praescribit, ita Deus hominem condidit (STh I, 96, 4. Zur Deutung: FLÜELER [1991] 295f.). 649 STh II-II, 57, 3. (Übersetzung nach der deutschen Thomasausgabe, Bd. 18, 11. Zum Eingangsargument: Praeterea, servitus inter homines est naturalis, quidam enim sunt naturaliter servi, ut philosophus probat, in I Polit. [ebd., 57,3. arg. 2]). 650 Ebd., 13. Die Antwort des Thomas im corpus articuli lautet: Ad secundum dicendum quod hunc hominem esse servum, absolute considerando, magis quam alium, non habet rationem naturalem, sed solum secundum aliquam utilitatem consequentem, inquantum utile est huic quod regatur a sapientiori, et illi quod ab hoc iuvetur, ut dicitur in I Polit. (ebd., 57, 3 ad 2). 651 Vgl. III. 3.4. 652Respondeo dicendum quod communio domesticarum personarum ad invicem, ut philosophus dicit, in I Polit., est secundum quotidianos actus qui ordinantur ad necessitatem vitae. Vita autem hominis conservatur dupliciter. Uno modo, quantum ad individuum, prout

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

gen zu den Sklaven eine Humanisierungstendenz. So waren die Sklaven nach dem alten Gesetz maßvoll zu behandeln. Sie sollten zum Beispiel am Schabbat von der Arbeit ruhen und freigelassen werden, wenn sie ihr Herr verstümmelt hatte. Hebräische Schuldsklaven erhielten die Freiheit im siebenten Jahr (Ex 21) und ein Reisegeld (Dtn 15).653 Überhaupt sollten die hebräischen Schuldsklaven nicht wie Sklaven, sondern wie Lohnarbeiter behandelt werden.654 Zu beachten ist, dass Thomas sich nur auf die Sklaverei nach den alttestamentlichen Vorschriften bezog und diese nicht für den Umgang mit Sklaven bei den Christen adaptierte. Schließlich stellt sich die Frage, ob Thomas auch zur Versklavung durch Kriegsgefangenschaft zu sprechen kam, da er sich mit dem Krieg auseinandersetzte.655 Von besonderer Bedeutung sind seine Ausführungen zu den gerechten Kriegsgründen, die in den Reflexionen über die profanen Kardinaltugenden erscheinen (STh II-II, 40). Obwohl in den biblisch fundierten Eingangsargumenten der Quaestio 40 die Sündhaftigkeit des Krieges herausgestellt wird, führt er im corpus articuli drei Kriterien an, nach denen ein Krieg gerecht genannt werden kann: 1) Der Krieg muss von einer legitimen Autorität erklärt werden. 2) Der Grund (causa), der eine Kriegserklärung erlaubt, muss gerecht sein. 3) Die Absicht, mit der der Krieg erklärt wird, muss die rechte sein (recta intentio), was heißt, dass sie immer auch das Gemeinwohl der res publica im Blick haben muss (STh II-II q. 40 a. 1 c.).

scilicet homo idem numero vivit, et ad talem vitae conservationem opitulantur homini exteriora bona, ex quibus homo habet victum et vestitum et alia huiusmodi necessaria vitae; in quibus administrandis indiget homo servis. Alio modo conservatur vita hominis secundum speciem per generationem, ad quam indiget homo uxore, ut ex ea generet filium (STh I-II, 105, 4 co). 653 Et quantum ad omnia ista lex vetus convenientia praecepta tradidit. Nam quantum ad servos, instituit ut modeste tractarentur et quantum ad labores, ne scilicet immoderatis laboribus affligerentur, unde Deut. V, dominus mandavit ut in die sabbati requiesceret servus et ancilla tua sicut et tu, et iterum quantum ad poenas infligendas, imposuit enim poenam mutilatoribus servorum ut dimitterent eos liberos, sicut habetur Exod. XXI. Et simile etiam statuit in ancilla quam in uxorem aliquis duxerit. Statuit etiam specialiter circa servos qui erant ex populo, ut septimo anno liberi egrederentur cum omnibus quae apportaverant, etiam vestimentis, ut habetur Exod. XXI. Mandatur etiam insuper Deut. XV, ut ei detur viaticum (ebd., 105, 4 co). 654 Ad primum ergo dicendum quod, quia filii Israel erant a domino de servitute liberati, et per hoc divinae servituti addicti, noluit dominus ut in perpetuum servi essent. Unde dicitur Lev. XXV, si paupertate compulsus vendiderit se tibi frater tuus, non eum opprimes servitute famulorum, sed quasi mercenarius et colonus erit. Mei enim sunt servi, et ego eduxi eos de terra Aegypti, non veneant conditione servorum. Et ideo, quia simpliciter servi non erant, sed secundum quid, finito tempore, dimittebantur liberi (ebd., 105, 4 ad 1). 655 Vgl. dazu: BEESTERMÖLLER (1990).

1. Grundlagen

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Fest steht, dass alle drei Bedingungen zugleich erfüllt sein mussten, um einen Krieg für gerecht zu erklären.656 Die Frage, die Thomas an dieser Stelle beschäftigte, war, ob Kleriker an einem Krieg teilnehmen durften. Seine Antwort lautete: Wenn der Krieg gerecht ist, sollte es Klerikern erlaubt sein, im Krieg als Seelsorger und Berater teilzunehmen, nicht aber selbst zur Waffe zu greifen.657 Kriegsgefangene oder Sklaven werden in der gesamten Quaestio 40 allerdings nicht erwähnt. Das änderte sich erst in der frühneuzeitlichen Thomasrezeption, wie noch zu sehen sein wird.

1.3 Die Schule von Salamanca und die Indiodebatte Unter der ‚Schule von Salamanca‘ versteht man in der Regel drei Generationen von theologischen Gelehrten, die in Methode658, Sprache und Themenschwerpunkten659 eine in sich geschlossene Denkströmung repräsentieren.660 Ihre Anfänge nahm sie mit Francisco de Vitoria (um 1482-1546) und Domingo de Soto zu Beginn des 16. Jahrhunderts und reichte über Melchor Cano und Bartolomé de Las Casas bis zu Francisco Suárez an der Schwelle zum 17. Jahrhundert. Nach Justenhoven gehörten die Dominikaner Vitoria, Soto, Cano und der Jesuit Luis de Molina „zweifelsohne zu den wirkmächtigsten Theologen des Goldenen Zeitalters Spaniens in der Epoche vor Francisco Suárez. Auf der Grundlage der STh II-II, q. 40 (De bello) des Thomas von Aquin setzen sie sich mit den friedensethischen Herausforderungen ihrer 656

Respondeo dicendum quod ad hoc quod aliquod bellum sit iustum, tria requiruntur. Primo quidem, auctoritas principis, cuius mandato bellum est gerendum. ... Secundo, requiritur causa iusta, ut scilicet illi qui impugnantur propter aliquam culpam impugnationem mereantur. … Tertio, requiritur ut sit intentio bellantium recta, qua scilicet intenditur vel ut bonum promoveatur, vel ut malum vitetur. … Potest autem contingere quod etiam si sit legitima auctoritas indicentis bellum et causa iusta, nihilominus propter pravam intentionem bellum reddatur illicitum (STh II-II, 40, 1 co). 657 Ebd., 40, 2. 658 Die Schule von Salamanca ging nach scholastischer Methode vor. Zu den Autoritäten, auf die sie sich berief, vgl. JUSTENHOVEN/ STÜBEN (2006) 18-20. 659 Nach Köck zeichnen die Schule von Salamanca vier Merkmale in der Theologie aus: 1) Sie versuchte, nicht zuletzt unter Berufung auf Thomas von Aquin, fides und ratio (wie im Spätmittelalter) zu versöhnen und zugleich jegliche Spitzfindigkeit abzulegen. 2) Sie untersuchte die Methode des theologischen Beweises. 3) Sie setzte sich mit kontrovers-theologischen Problemen auseinander, die die Glaubensspaltung aufwarf. Zudem widmete sie sich auch ethischen und völkerrechtlichen Fragen, die durch die spanische Expansion aufgeworfen worden waren. 4) Sie stützte sich auf das Konzil von Trient, welches die Ausrichtung auf die Seelsorge vorgab. Religiöse Volksunterweisung und Predigt wurden wichtig. Die Bedeutung der Schule in der Jurisprudenz liegt in den Anfängen des Natur- und Völkerrechts (vgl. KÖCK [1987] 20). 660 Zur Berechtigung, von einer ‚Schule von Salamanca‘ zu sprechen, vgl. JUSTENHOVEN/ STÜBEN (2006) 14f.

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

Zeit auseinander, der Eroberung Amerikas und den Türkenkriegen.“661 Auch der Kanonist Diego de Covarrubias zählt zur ‚Schule von Salamanca‘.662 Mit Juan Belda Plans können zudem folgende Kriterien angesetzt werden, um die Schule näher zu definieren: A) Ausgangspunkt ist Francisco de Vitoria, auf den sich nachfolgende Generationen direkt oder indirekt beziehen. B) Es handelt sich um eine Gruppe mit dem gemeinsamen Vorhaben, die Theologie in den Jahrzehnten vor und nach dem Konzil von Trient (1545-1563) zu erneuern. C) Die Gruppe teilt ein gemeinsames Traditionsbewusstsein, das sich in erster Linie auf Thomas von Aquin, aber nicht zuletzt auch auf Johannes Duns Scotus beruft.663 Die Theorieentwicklung der spanischen Scholastik, zu der die Schule von Salamanca gehört, fand vor dem Hintergrund spezifischer historischer Herausforderungen statt, welche die Eroberungen der ‚Neuen Welt‘ mit sich brachte. Der in vielerlei Hinsicht neuartige Eroberungsprozess der Konquista warf ethische und rechtliche Probleme in neuer Dimension auf. Dies wurde zum Beispiel für die Staatslehre Francisco de Vitorias 1991 von Daniel Deckers betont, der als politischen Hintergrund den Aufstand der Comuñeros ausmachte.664 Während sich manche Forscher stärker den historischen Bezügen der spanischen Spätscholastiker zuwenden, also auf welche konkreten Probleme sie antworteten, fragen andere, welcher Methoden sie sich bedienten, um diese Probleme zu lösen. So stellte Robert Schnepf fest, es reiche zur Erklärung der unterschiedlichen Theoriebildungen nicht, „lediglich die Situation und die praktischen Probleme in den Blick zu nehmen, für die Lösungen gesucht und legitimiert werden mussten. Mindestens ebenso wichtig ist es, die theoretischen Grundlagen zu rekonstruieren, auf deren Grundlage gegebene Situationen interpretiert und Lösungsvorschläge formuliert werden.“665 Danach sei es für das Verständnis der Staatslehre666 von Vitoria notwendig, seine Theorie über göttliche Gnade und menschliche Willensfreiheit vorauszusetzen. Diese soll im Folgenden kurz erläutert werden. Vitoria setzte, laut Schnepf, in der Frage nach der Legitimation weltlicher Gewalt bei der Frage nach deren Ursachen an. Seine gesamte Relectio de po-

661

Ebd., 9. Vgl. zu Thomas: BEESTERMÖLLER (1990); EGGENSPERGER (2001).

662 JUSTENHOVEN/ STÜBEN (2006) 9. 663 BELDA PLANS (2000) 155-169. 664

Vgl. DECKERS (1991). SCHNEPF (2007) 23-42; 23. 666 Der Begriff „Staatslehre“ ist zwar weit verbreitet, aber problematisch. Es geht um die Ausübung von Macht (potestas), die von einer Obrigkeit ausgeht, sei dies ein Fürst oder ein kommunales Gemeinwesen. Zu unterscheiden ist grundsätzlich zwischen geistlicher und weltlicher Macht. 665

1. Grundlagen

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testate civili sei aber eine Auslegung von Röm 13,1667 sowie ein Kommentar zu deren Interpretationen durch Petrus Lombardus (Sentenzen) und Thomas von Aquin (STh). Weil die weltliche Gewalt Gott zum Urheber habe, dürfe der menschliche Wille bei ihrer Legitimation keine Rolle spielen. Ziel dieser weltlichen Gewalt sei die Sicherung des Überlebens und nicht das diesseitige oder jenseitige Heil des Menschen. Dem Menschen sei wiederum von Gott eine solche Natur gegeben worden, dass ihm eine inclinatio zur Selbsterhaltung innewohne. Zu deren Realisierung sei wiederum die Errichtung herrschaftlicher Gewalt notwendig, so dass es aufgrund der Natur des Menschen notwendigerweise zur Bildung von sozialen Zusammenschlüssen unter obrigkeitlicher Herrschaft (in diesem Sinne ‚Staatsbildung‘) komme. 668 Diese Überlegungen sind für eine Beurteilung der Sklaverei insofern relevant, als der Ansatzpunkt für die Legitimation von Sklaverei in der angenommenen Ungleichheit der Menschen untereinander besteht. Einerseits hat Gott alle Menschen gleich geschaffen, andererseits gibt es offensichtlich Ungleichheit unter den Menschen. Diese Ungleichheit führt zu Über- und Unterordnungsverhältnissen und daher auch zur Unterscheidung von Freien und Unfreien. Divergenz durchdringt nicht nur die Beziehung von Herr und Sklave, sondern auch das Verhältnis zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern und ihren Kindern sowie zwischen Herrschern und Untertanen. In dieser Hinsicht setzen die Überlegungen der spanischen Scholastiker, im Gefolge von Thomas von Aquin, tiefer an, da sie auf die natürliche, gottgegebene Beschaffenheit des Menschen eingehen. Nach Schnepf zeigt sich bei Vitoria, dass dieser von einer natürlichen Ungleichheit sprechen konnte, indem er den Hang des Menschen zur Selbsterhaltung verbunden mit seinem gemeinschaftlichen Zusammenleben als natürliche Anlage betrachtete. Die ‚Staatsbildung‘ ist bereits in der Natur des Menschen angelegt und wird nicht erst nach der Ursünde notwendig. Dies bedeutet aber keineswegs vorbehaltlos, dass der aristotelischen Konzeption einer Sklaverei von Natur aus zugestimmt wird. Der Frage, ob analog zu Thomas, der zwischen einer legitimen Königsherrschaft und einer nicht legitimen Tyrannenherrschaft unterschied (vgl. IV, 1.1), auch die frühneuzeitlichen Spätscholastiker die Sklaverei als besondere Herrschaft bewerteten, ist im Folgenden nachzugehen. Berühmt geworden sind Vitorias Vorlesungen (relectiones) über die öffentliche Gewalt und über die Indios.669 Der Dominikanerkonvent San EsteRöm 13,1: „Jeder leiste den Trägern der staatlichen Gewalt den schuldigen Gehorsam. Denn es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt.“ (EÜ). Der Begriff „staatlich“ ist für die Frühe Neuzeit allerdings missverständlich. Es geht um die weltliche Obrigkeit, die noch keinen „Staat“ im modernen Sinne kennt. 668 SCHNEPF (2007) 23-42. 669 Vgl. HORST/ JUSTENHOVEN/ STÜBEN (1995/1997); SCHÄTZEL (1952); SCHNEPF (1992). 667

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

ban in Salamanca, in dem Vitoria lebte, war „die wichtigste Schnittstelle für Nachrichten aus den amerikanischen Missionen.“670 Nicht nur der Dominikaner Bartolomé de las Casas prangerte seit 1514 die Missstände in den Kolonien an, sondern auch Vitoria griff, gegen starke Widerstände, dieses Thema auf. „Als Rechtfertigungsgründe für die Unterwerfung der Indios wurden unter anderen angeführt: 1. Sie sind nur menschenähnliche Tiere, wie unter anderem ihre Anfälligkeit für sexuelle Perversionen zeigt. 2. Ohne Eroberung gäbe es keine Mission. 3. Der Papst darf Teile seiner universalen Gewalt auf den König übertragen.“671 Die Universität von Salamanca wandte sich bereits seit 1512 gegen den ersten Rechtfertigungsgrund. Nach Specht war es nicht zuletzt ihrer Beharrlichkeit zu verdanken, dass Paul III. 1537 die Bulle Sublimis Deus erließ, in welcher die Indios zu Menschen erklärt wurden.672 Für Vitoria waren die Indios vernunftbegabte Menschen und keine Tiere. Die Spanier hätten zwar das Recht, den Indios das Evangelium zu verkünden. Aber diese mussten es nicht annehmen. Sie dürften weder durch List noch mit Gewalt zur Taufe gezwungen werden. Nur gegen Ritualmorde und Kannibalismus sollte man mit Waffengewalt vorgehen, doch sei damit kein Recht auf Landnahme verbunden.673 Vitoria widerlegte dabei alle bisherigen Versuche, den Eroberungskrieg in der Neuen Welt zu legitimieren. Maßstab hierfür war die Lehre vom gerechten Krieg. Die barockscholastischen Abhandlungen von Francisco de Vitoria, Domingo de Soto, Melchor Cano und Luis de Molina über die Lehre von Krieg und Frieden bezogen sich ausdrücklich auf die Quaestio XL De bello des hl. Thomas.674 Nur trat die Lehre vom bellum iustum aus ihrem mittelalterlichen Kontext heraus. Während Thomas noch „die Bekämpfung der Häretiker, das gewaltsame Vorgehen gegen Juden, die Kreuzzüge gegen die Heiden, die kriegerische Auseinandersetzung zwischen dem Papsttum und Kaiser Friedrich II., dem die Päpste Abfall vom Glauben vorhielten, und der Kampf der Westkirche gegen Byzanz, dem man schismatisches, kirchenspaltendes Verhalten vorwarf“675, problematisierte, zeigen sich bei Autoren wie Vitoria ebenso tagesaktuelle Bezüge zu den Ansprüchen Karls V. auf Burgund, Neapel und Mailand gegen Franz I. von Frankreich oder um 1550 zur Debatte um die Legitimierung der Konquista, in deren Kontext auch die

670

SPECHT (2001) 12. Ebd. 672 Ebd. Zu den päpstlichen Verlautbarungen über Sklaverei: PRIESCHING (2008); PRIESCHING (2012) 142-150. 673 SPECHT (2001) 13. 674 Diese Abhandlungen sind lateinisch/ deutsch ediert in JUSTENHOVEN/ STÜBEN (2006). 675 BEESTERMÖLLER (1990) 15f. 671

1. Grundlagen

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Indios versklavt wurden.676 Die Frage nach den spanischen Souveränitätsrechten in der Neuen Welt, die mit Rückgriff auf die Lehre vom gerechten Krieg erörtert wurde, betraf ebenso die Menschenrechte der Indios. Sobald ihre Versklavung als Unrecht gewertet wurde, konnte eine Erörterung über den gerechten Krieg diesen Aspekt nicht mehr ignorieren. So taucht bei Vitoria das Thema Kriegsgefangenschaft nun als Unterpunkt zum Artikel „Ist es in jedem Fall Sünde, Krieg zu führen?“ auf: „Es wird gefragt, ob es erlaubt sei, Menschen in einem Krieg zu fangen, gefangenzunehmen. – Ich bejahe dies. Das erhellt aus dem Völkerrecht [ex iure gentium]: Keiner verdammt es oder verurteilt zur Herausgabe, vielmehr kann man die Gefangenen so lange behalten, bis sie freigekauft werden.“677

Unter den Bedingungen des gerechten Krieges ist es also erlaubt, Kriegsgefangene zu machen, die aber später freigekauft werden dürfen. Doch handelte es sich bei diesen Kriegsgefangenen um Sklaven? Auch diese Frage greift Vitoria auf und bejaht sie für Heiden und Mauren rechtsgeschichtlich. So geht er davon aus, dass Kriegsgefangene zur Zeit der Römer nach dem Völkerrecht Sklaven gewesen seien. Allerdings sei im Mittelalter678 eine Unterscheidung zwischen Christen und Ungläubigen eingeführt worden, wonach Christen von Christen nicht mehr versklavt werden dürften, auch nicht in einem gerechten Krieg. Vitoria hält fest: „Drittens sage ich, dass Kriegsgefangene bei anderen, etwa (in einem Krieg) mit Heiden und Mauren, Sklaven sind.“679 Vor diesem Hintergrund konnte eine Versklavung der Indios legitim erscheinen, sofern gegen sie ein gerechter Krieg geführt wurde, da die Indios ebenso wie Heiden und Mauren Nichtchristen waren. Diese Argumentation stand im Kontrast zu einer Position, welche die Indios als ‚Sklaven von Natur‘ ansah und so die spanische Praxis legitimierte. Die Debatte verlagerte sich in der berühmten Disputation von Valladolid (1550-1551) zwischen den Kontrahenten Bartholomé de las Casas und Juan Ginés de Sepúlveda680 676

SCATTOLA (2006) 11-53; 14f.

677 JUSTENHOVEN/ STÜBEN (2006) 95. 678 Vitoria verwendet nicht den Begriff

„Mittelalter“. Er spricht von „nunc“ und bezieht sich auf Petrus de Palude (gest. 1342) (vgl. ebd.). 679 Ebd. 680 Juan Ginés de Sepúlveda OP wurde 1490 in Pozoblanco geboren. Er studierte Philosophie in Alcalá de Henares sowie Theologie in Sigüenza und am Kolleg in Bologna. 1511 zum Priester geweiht, trat er 1515 in den Dominikanerorden ein und stand ab 1523 im Dienst der römischen Kurie. So übersetzte er im Auftrag von Kardinal Giulio de Medici, dem späteren Papst Klemens VII., die Schriften des Aristoteles. Die Verteidigung der Sklaverei in dessen ‚Politik‘ wird für Sepúlvedas Haltung zur Sklaverei prägend. Ab 1528 arbeitete er als Gräzist für die Bibelübersetzung bei Kardinal Cajetan. Nach dem Tod Klemens VII. wechselte er in den Dienst Karl V. Er rechtfertigte das gewaltsame Vorgehen durch die spanische Krone in mehreren seiner Schriften und riet von Reformen, die den Kolonien mehr Verwaltungsfreiheit

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

dann zunehmend von dem Problem der Rechtfertigung der Konquista als gerechtem Krieg hin zur Frage, ob es Sklaven von Natur aus gebe und die Indios in diesem Sinne „Barbaren“ seien. Hier kommt in der Indiodebatte eine Aristotelesrezeption zum Zug, die zunächst unabhängig von der Thomasrezeption zu sehen ist. An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass bei Thomas keine einheitliche servitus-Theorie vorliegt. An keiner Stelle seines Gesamtwerkes wird die Sklaverei an sich systematisch behandelt. Der Position des Aristoteles, dass es ‚Sklaven von Natur‘ gebe, konnte Thomas kaum vorbehaltlos zustimmen, nämlich nur insofern, als der Mensch von Natur aus ein soziales Lebewesen ist, ein animal sociale. Wenn ein Herrschaftsverhältnis sowohl dem Herrschenden als auch dem Beherrschten Nutzen bringt, dann ist dieses ‚natürlich‘ in dem Sinne, dass es vernünftig aus der sozialen Natur des Menschen ableitbar ist.681 Nach diesem Befund konnten sich die Vertreter der Spätscholastik, welche die Indios als ‚Sklaven von Natur‘ betrachteten, eigentlich nicht auf Thomas berufen. Wie enstand aber diese Aristotelesrezeption? Nach Zavala scheint der Schotte Johannes Major682, ein Nominalist aus Paris, der erste Scholastiker gewesen zu sein, „der das Konzept des Aristoteles von der natürlichen Sklaverei auf das Problem der Regierung durch die Entdeckungen des Kolumbus übertrug. In seinem Werk von 1510 schieb er über die Indios: ‚Diese Menschen leben wie wilde Tiere‘.“683 Kurze Zeit später berief die spanische Krone das Konzil von Burgos ein (1512), auf dem Theologen und Juristen über die Regierungspraxis in Amerika stritten. Zu diesem Zweck

bringen sollten, ab. 1573 starb er auf seinem Landgut in Pozoblanco. Zu seinen bekanntesten Werken zählen neben seiner Schrift Democrates Alter sive de iustis belli causis apud Indos von 1547 etwa Aristotelis parvi naturales, Bologna 1522 und Dialogus de convenientia militaris disciplinae cum christiana religione, qui inscribitur Democrates, Rom 1535 (BORDAT [2007] Sp. 1343-1345). 681 PULTAR (2016) 91-144. 682Johannes Major (bzw. Mair) wurde 1467 im südschottischen Gleghornie bei Heddington geboren. 1492 ging er zum Studium der Artes nach Paris. Am Collège de Montaigu war er ab 1495 als Philosophielehrer tätig. Parallel dazu began er das Studium der Theologie am Collège de Navarre, das er mit dem Magister theologiae 1506 abschloss. Nach seiner Rückkehr nach Schottland wurde er 1517 zum Rektor der Universität Glasgow ernannt, ab 1523 war er als Schatzmeister an der Universität St. Andrews tätig. Von 1526 bis 1531 war Johannes Major wieder in Paris, wobei er sich sogar 1528 in Frankreich einbürgern ließ. 1531 kehrte er aber endgültig nach Schottland zurück und wirkte bis zu seinem Tod 1550 an der Universität St. Andrews. Zu seinen bekanntesten Werken zählen die Ethica Aristotelis Peripateticorum principis, Cum Ioannis Maioris Theologi Parisiensis Commentariis, Paris 1530 und die Historia maioris Britanniae tam Angliae quam Scotiae, per Ioannem Maiorem, nomine quidem Scotum, professione autem Theologum, e veterum monumentis concinnata, Paris 1521 (BROADIE [1985] 1-6). 683 ZAVALA (1964) 27.

1. Grundlagen

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schrieb Palacios Rubios684 einen Traktat, in dem er zwischen legaler und natürlicher Sklaverei unterschied. Bei der Erschaffung der Welt sei Sklaverei noch unbekannt gewesen. Von Natur aus seien alle Menschen frei und gleich. Erst mit den Kriegen sei die Sklaverei entstanden. Es gebe grundsätzlich drei Klassen von Menschen: Freie, Sklaven und Befreite. Herrschen und Dienen seien nützlich. Schließlich spricht er sich dafür aus, dass auch Menschen, welche die christliche Herrschaft anerkannt haben, legale Sklaven auf der Grundlage von Aristoteles sein könnten, weil sie Barbaren von Natur aus seien. Das System der encomiendas zeige dies praktisch: Die Indios sind Freie, aber im weiteren Sinne (wegen ihrer barbarischen Herkunft) Sklaven.685 Von Palacios Rubios führt eine Linie zu Juan Ginés de Sepúlveda, der in seinem Hauptwerk Democrates alter von 1547, einem Dialog über den Krieg gegen die Indios, ein Konzept der natürlichen Sklaverei vertrat. Darin betonte er den zivilisatorischen Einfluss der Spanier auf die Indios.686 Gegen solche Positionen schrieben Professoren aus der Schule von Salamanca an. So verwarf Vitoria die Ansicht, dass die Spanier die Indios unterwerfen dürften, um ihnen die Zivilisation zu bringen.687 Las Casas ging in seinem Traktat De imperatoria vel regia potestate auf die Bedeutung menschlicher Freiheit in Abgrenzung zur Sklaverei ein. „Der Mensch ist – so Las Casas – von Natur aus frei, wohingegen die Sklaverei akzidentiell ist, denn der Sklave steht außerhalb der Absicht der Natur.“688 Die Schule von Salamanca wirkte in ihren Positionen weit über Spanien hinaus. Neben den großen Kanonisten Covarrubias und Vázquez sorgten vor allem die Jesuiten aus Vitorias Umfeld für eine große Ausstrahlung. „Pedro de Fonseca organisiert in Coimbra den großen Aristoteleskommentar der Conimbricenses, eines der erfolgreichsten europäischen Handbücher, das auch Descartes zu konsultieren pflegt.“689 In Salamanca wurde neben 684

Juan López de Vivero, genannt Palacios Rubios, wurde 1450 in Palaciosrubios geboren und verstarb im Jahr 1524 in Salamanca. Er war der spanische Kronjurist und Verfasser des Requerimiento (Aufforderung), mit dem er 1513 versuchte, die Indios zur Unterwerfung unter die spanische Krone und der Führung des Papstes zu bewegen. Die juristische Schrift enthielt Erläuterungen über die Erschaffung der Welt sowie des Menschen, eine Klärung und Rechtfertigung der Besitzansprüche der katholischen Könige, durch eine Schenkung des Papstes, an den westindischen Inseln und eine Aufforderung an die Ureinwohner, sich bekehren und taufen zu lassen. Sollten sich die Indios nach Verlesung des Requerimiento nicht unterwerfen, so galt die Versklavung oder der Völkermord an diesen als gerechtfertigt (ENGL [1987] 471-474; REINHARD [1985] 58). 685 ZAVALA (1964) 28f. 686 Ebd., 30. 687 SPECHT (2001) 13. 688 EGGENSPERGER (2001) 150. 689 SPECHT (2001) 15f. Von Fonseca stammt der vierbändige Kommentar zur aristotelischen Metaphysik, dessen Kölner Ausgabe von 1615 (Bd. 1-3) und 1629 (Bd. 4) 1964 bei Olms in Hildesheim nachgedruckt wurde.

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

Thomas auch Aristoteles intensiv studiert. Doch gerade mit Blick auf die Sklavereidebatte folgten die Vertreter der Schule von Salamanca nicht der aristotelischen Vorstellung eines „Sklaven von Natur“.

2. Francisco Suárez (1548-1617) Kaum ein Gelehrter entfaltete am Collegio Romano eine so große Wirkung wie der spanische Jesuit Francisco Suárez (1548-1617)690, der zwischen 1581 und 1585 in Rom Scholastik lehrte. „Obwohl er nie zum offiziellen Lehrer seines Ordens ernannt wurde, begründete er in ihm das, was unter dem Titel ‚Suarezianismus‘ als Schule bezeichnet werden kann.“691 Francisco Suárez wurde am 5. Januar 1548 als Sohn eines Rechtsanwalts in Granada geboren. Er entstammte einer altkastilischen Adelsfamilie. 1561 immatrikulierte er sich an der juristischen Fakultät in Salamanca. Nach fünf Semestern beschloss er, in den neugegründeten Jesuitenorden einzutreten. 1564 wurde er als Novize in Medina del Campo angenommen. 1571 kam er als Dozent der Philosophie an das Jesuitenkolleg in Segovia. Als Ende 1579 ein Lehrstuhl für Theologie am Collegio Romano frei wurde, erging der Ruf an ihn. Er lehrte dort von 1581 bis 1585.692 Selbst Papst Gregor XIII. soll sich unter den Zuhörern seiner Vorlesungen befunden haben.693 Gesundheitlich angeschlagen kehrte Suárez schließlich in seine Heimat zurück und übernahm einen Lehrstuhl am Kolleg von Alcalá. 1592 ließ er sich von sämtlichen Lehrverpflichtungen entbinden und ging nach Salamanca, um sich ganz seiner wissenschaftlichen Arbeit zu widmen. Auf Wunsch von Philipp II. übernahm er jedoch 1597 einen Lehrstuhl in Coimbra. Er starb 1617. Suárez kann als Bindeglied zwischen der Schule von Salamanca und dem Collegio Romano gelten. Seine Schriften können in vier Gruppen eingeteilt werden: in theologische, philosophische, juristisch-kanonistische Werke und seine Briefe. Für diese Untersuchung interessieren vor allem seine juristisch-kanonistischen Schriften und hier an erster Stelle sein großes Werk „Über die Gesetze“ (De legibus ac Deo legislatore, künftig: De legibus). Es war aus Vorlesun-

690

Vgl. FRANKE (2009) 12-14; SODER (1965) 1-19, hier: 1-6. RIVERA DE VENTOSA (1998) 388-392; 390. 692 Danach übernahm der Spanier Gabriel Vázquez seine Stelle in Rom. Beide waren Neuscholastiker und kommentierten Thomas von Aquin (VILLOSLADA [1954] 73f.). Nach Villoslada lassen sich in der Theologie des Römischen Kollegs Einflüsse aus Paris und Salamanca feststellen. Wichtige Vermittler waren u. a. die Professoren Olave, Ledesma, Toledo, Bellarmino, Suárez (vgl. ebd., 113). 693 FRANKE (2009) 13. 691

2. Francisco Suárez (1548-1617)

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gen in Coimbra im akademischen Jahr 1601/02 hervorgegangen und wurde 1612 ebendort veröffentlicht.694 Bei De legibus handelt es sich um eine methodische Enzyklopädie der Grundbegriffe des Rechts. Es behandelt „das Wesen des Gesetzes (Buch I), das ewige Gesetz, das natürliche Gesetz und das Jus gentium (Buch II), das positive menschliche oder bürgerliche Gesetz (Buch III), das positive kanonische Gesetz (Buch IV), die positiven menschlichen Gesetze, besonders die Strafgesetze (Buch V), die Gesetzesauslegung oder Gesetzesabänderung (Buch VI), die Gewohnheit (Buch VII), das Privileg (Buch VIII), das positive alttestamentliche Gesetz (Buch IX), das positive neutestamentliche Gesetz (Buch X).“695 Im Folgenden soll nun das Sklavereiverständnis bei Suárez skizziert werden. Dabei soll nochmals unterstrichen werden, wie die aristotelische Idee eines ‚Sklaven von Natur‘ ,vermittelt über Thomas von Aquin, transformiert wurde. 2.1 Sklaven von Natur? – Der Mensch als Gottes Ebenbild Nach Franke lebt die Rechtsphilosophie des Suárez „von der scholastischen Idee, Gott habe die Welt und damit dem gesamten Universum einen bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Schöpfungsplan zugrunde gelegt.“696 Die von Gott vorgegebene Ordnung sei wiederum normativ geprägt. Ihr liegt ein ewiges Gesetz (lex aeterna) zugrunde, aus dem sich alle übrigen Gesetze ableiten lassen. Ausgangspunkt der Betrachtung ist die Schöpfung. Wurde der Mensch frei und gleich erschaffen? Nach Gen 1,26f. war der Mensch als Ebenbild Gottes erschaffen worden, so dass auch Thomas von Aquin von einer natürlichen Gleicheit aller Menschen ausging.697 Suárez lehnte wie Thomas die Annahme einer Sklaverei von Natur in dem Sinne kategorisch ab, dass Gott die Menschen als Ungleiche, Freie und Unfreie, geschaffen habe. Auf der anderen Seite hat Franke auch festgehalten, dass Suárez die Unfreiheit nicht als naturrechtswidrig ablehnte.698 Wie passt das zusammen? Die Antwort liegt in der Unterscheidung zweier Arten von Herrschaft (dominium): „Auf 694

SODER (1965) 8. Ebd., 9. 696 FRANKE (2009) 44. 697 So in STh I, q. 109 a. 2 ad 3: … Daemones non sunt aequales secundum naturam: unde in eis est naturalis praelatio. Quod in hominibus non contingit, qui natura sunt pares. …; STh II-II, q. 104 a. 5 co: In quibus tamen etiam, secundum ea quae ad naturam corporis pertinent, homo homini obedire non tenetur, sed solum Deo, quia omnes homines natura sunt pares … 698 FRANKE (2009) 3. 695

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

der einen Seite das Verhältnis eines Herrn (dominus) gegenüber jemandem, der ihm als servus untergeben ist. Dieses aber kann es im Urzustand nicht gegeben haben. Auf der anderen Seite kann ganz allgemein jemand als Herr (dominus) bezeichnet werden in Bezug auf einen anderen Menschen, der ihm in irgendeiner Weise (qualitercumque) untergeordnet ist. Diese Art von Herrschaftsverhältnis ist nach Thomas im Urzustand nicht ausgeschlossen.“699 Legitim ist demnach ein Herrschaftsverhältnis, das sich am Gemeinwohl ausrichtet. Dies entspricht dem Unterschied zwischen einer legitimen Königsherrschaft und einer nicht legitimen tyrannischen Herrschaft. Die Sklaverei „bleibt vom grundsätzlichen Standpunkt aus gesehen eine naturrechtlich völlig legitime Einrichtung, sofern nur bestimmte Kriterien erfüllt werden.“700 Sie müsse entweder unter freiwilliger Zustimmung (Schuldknechtschaft) erfolgt sein oder auf einem gerechten Rechtstitel beruhen. Letzteres betrifft die Frage, welche Kriterien (Rechtstitel) gegeben sein müssen, um von einem gerechten Krieg zu sprechen, in dessen Folge Kriegsgefangene versklavt werden dürfen. Auf diese Frage soll im Folgenden näher eingegangen werden. 2.2 Sklaverei durch Kriegsgefangenschaft Suárez erörterte den Aspekt der Kriegsgefangenschaft im 20. Kapitel seines Werkes De legibus. Ferner behandelte er das Thema im Traktat De bello, der auf Vorlesungen beruhte, die er 1583/84 in Rom zu diesem Thema gehalten hatte.701 Darin kommentierte er die Lehre vom gerechten Krieg des Thomas von Aquin (STh II-II, 40). Nur hatte Thomas in diesem Zusammenhang die Kriegsgefangenen gar nicht erwähnt. Erst mit der Entwicklung der Indiodebatte im 16. Jahrhundert wurde der Zusammenhang zwischen der thomasischen Lehre vom gerechten Krieg mit der Sklaverei expliziert. Sehen wir uns diesen Rezeptionsvorgang etwas näher an. Für Thomas mussten drei Kriterien erfüllt sein, um einen Krieg für gerecht zu erklären (vgl. IV, 1.2). Vitoria zeigt in der Rezeption des Thomas bereits eine weg699

So PULTAR (2015) 91-144, mit Verweis auf den Sentenzenkommentar und die STh des Thomas. Dass Thomas den Menschen in der STh als ein soziales Lebewesen von Natur aus (naturaliter animal sociale) bezeichnet, kann auf die Politik des Aristoteles zurückgeführt werden, die Thomas zur Zeit der Abfassung des Sentenzenkommentars noch nicht kannte: Nach FLÜELER (2003) 76 hat Thomas Super Sent. 2, d. 44 q. 1 a. 3 um 1253 geschrieben. STh I, q. 96 a. 4 entstand vermutlich um 1268 (vgl. ebd., 74). 700 FRANKE (2009) 63. 701 Veröffentlicht wurde dieser Traktat als Teil (13. Disputation) eines Werkes De triplici virtute theologica, fide, spe et charitate, das posthum 1621 im Druck erschien (PRIESCHING [2012] 135).

2. Francisco Suárez (1548-1617)

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weisende Abweichung. Er verfasste hier keinen Kommentar zur STh im Literalsinn, sondern ging in seinem rechtsphilosophischen Ansatz über Thomas hinaus. So verschob sich bei ihm der Akzent von einer moralischen Bewertung der Kriegsgründe zu einer rechtsphilosophischen. Die letzte Bedingung des Thomas, die recta intentio, hat Vitoria in diesem Kontext nicht mehr weiter beachtet.702 Während Vitoria die Rolle der Zivilbevölkerung in einem gerechten Krieg im Kommentar zur Secunda Secundae sehr ausführlich behandelte, widmete er der Versklavung von Kriegsgefangenen nur einen kurzen Abschnitt. Wie Tellkamp festgehalten hat, erstaunt diese Knappheit, „schließlich wird die Versklavung als Folge der Kriegsgefangenschaft durchgehend – nicht nur von Vitoria und Soto – als einer der Hauptrechtfertigungsgründe der Sklaverei angesehen.“703 Um welche Begründungen handelt es sich? Zunächst fragt sich Vitoria, ob alle Kriegsbeute dem Sieger gehört. Nachdem er Kriterien für die Behandlung beweglicher und unbeweglicher Dinge aufgestellt hat, wendet er sich den Menschen zu, die im Krieg gefangen genommen werden. Die Kriegsgefangenschaft wird „unter dem Vorbehalt bejaht, dass die Gefangenen nicht getötet werden dürfen, da derartiges keine Funktion in Hinblick auf das eigentliche Kriegsziel, d.h. den Sieg, hätte.“704 Tellkamp verweist hier auf einen Unterschied zwischen Vitoria und seinem Schüler und Nachfolger am Lehrstuhl für Theologie in Salamanca, Domingo de Soto (1495-1560). Soto sieht, anders als Vitoria, in der Sklaverei eine Alternative zum sicheren Tod. Sie bewahrt also das Leben, was einen höheren Stellenwert hat als die Freiheit. In diesem Sinne dürfe dann auch ein Herr seine Sklaven nicht nach Belieben töten, sondern habe lediglich ein Nutzungs- und Verfügungsrecht.705 Insgesamt finden sich, nach Tellkamp, aber weder bei Vitoria noch bei Soto detaillierte Überlegungen zum Zusammenhang von Kriegsgefangennahme und Sklaverei, also zu der Frage, warum gerade der Krieg als Grund/ Anlass für Versklavung gelten soll. Wie begründet Suárez die Versklavung von Kriegsgefangenen? Wie in IV.2.2 deutlich wurde, lassen sich zwar Herrschaftsverhältnisse grundsätzlich naturrechtlich verankern, aber nicht in jeder Ausprägung. Sklaverei ist damit noch nicht gerechtfertigt. So sieht das auch Soto, dem zufolge die freie Geburt des Menschen durch das Naturrecht vorgegeben ist.706 Wenn Sklaverei aber nicht naturrechtlich verankert werden kann, bleibt immer noch die 702

TELLKAMP (2007) 155-175; 168. Ebd., 169. 704 Ebd. 705 Ebd., 169f. 706 Vgl. ebd., 162. 703

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Möglichkeit, sie in den Bereich der positiven Rechtssprechung zu stellen. Diesen Weg geht ebenso Suárez, der Sklaverei dem ius gentium (Völkerrecht) und die Versklavung der Kriegsgefangenen darin dem Gewohnheitsrecht zuordnet.707 Während das Naturrecht nicht geändert werden könne, entwickelt sich das Völkerrecht durchaus weiter, wie Suárez in De legibus angibt.708 Im 20. Kapitel von De legibus heißt es zu den Kriegsgefangenen: „So sind die völkerrechtlichen Bestimmungen über die Sklaverei der Gefangenen in einem gerechten Krieg in der Kirche geändert worden, so dass sie unter Christen nicht mehr gelten, und zwar aus alter Gewohnheit der Kirche, die gleichsam ein besonderes christliches Völkerrecht ausmacht; und dieses Recht muss auch durchaus gewahrt werden…“709

Diese Änderung betrifft das Recht, Kriegsgefangene zu versklaven. Suárez geht davon aus, dass dies durch Gewohnheitsrecht bei Kriegen unter Christen abgeschafft worden sei. Das bedeutet nicht, dass dieses Recht gar nicht mehr existiert. Bei Kriegen mit Ungläubigen ließe sich davon immer noch Gebrauch machen. Doch dazu äußert sich Suárez nicht. Ihm geht es vielmehr um die Möglichkeit zur Veränderung des Völkerrechts. Impliziert wird damit, dass Sklaverei kein ewiges Gesetz oder gottgewollt ist. Im siebten Abschnitt von De bello behandelt Suárez die Gerechtigkeit in der Kriegsführung. Nach dem Völkerecht fallen alle Güter der Feinde, bewegliche wie unbewegliche, an den Sieger.710 Damit soll das im Krieg erlittene Unrecht sowie das Unrecht, das zum Krieg geführt hat, wiedergutgemacht werden. Allerdings: „Wenn zur Wiedergutmachung und Genugtuung Maßnahmen gegen die Schuldigen genügen, dann dürfen sie gerechterweise nicht auf die Schuldlosen ausgedehnt werden.“711 Umgekehrt gilt: „Wenn es zur vollen Wiedergutmachung notwendig ist, ist es erlaubt, Schuldlosen ihre Güter und sogar ihre Freiheit zu nehmen.“712 Zur Bestätigung dieser Auffassung führt Suárez zwei Beispiele aus der Praxis an: Erstens, 707 FRANKE (2009) 54. Dass Suárez die Versklavung der Kriegsgefangenen dennoch naturrechtlich legitimiert sehe, wenn einige Grundvoraussetzungen erfüllt seien, wie Franke weiter schreibt, ist jedoch nicht nachvollziehbar. 708 Von völkerrechtlicher Bedeutung ist neben De legibus auch der Traktat De bello, der das Kriegsrecht behandelt. Suárez hatte 1583/84 Vorlesungen zu diesem Thema gehalten. Der Text wurde allerdings erst nach seinem Tod, 1621, unter dem Titel De triplici virtute theologica, fide, spe et charitate veröffentlicht. Der Traktat De bello findet sich in der 13. Disputation dieses Werkes. Beide Werke sind in der Edition und Übersetzung von Josef de Vries zugänglich. 709 Francisco Suárez, De legibus II, in: Josef de VRIES (Hg.), Francisco Suárez, Ausgewählte Texte zum Völkerrecht, Tübingen 1965, 77. 710 Ebd., 183. 711 Ebd., 187. 712 Ebd.

2. Francisco Suárez (1548-1617)

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„dass auf diesen Rechtstitel hin die Kinder der Sarazenen von den Christen zu Sklaven gemacht werden. Zweitens dadurch, dass zuweilen der Sohn wegen eines Vergehens seines Vaters bestraft wird, wie wir in der Abhandlung über den Glauben bei Behandlung der Häresie gezeigt haben“.713

Nicht nur die Väter, sondern auch die unschuldigen Kinder der Sarazenen werden also für die Vergehen ihrer Obrigkeit bestraft. Vermutlich ließe sich diese Behandlung auch für die Frauen der Sarazenen ergänzen. Zu unterscheiden ist hier in rechtlicher Hinsicht jedoch zwischen den christlichen und den nichtchristlichen Feinden, wie dies nicht zuletzt in De legibus bereits angeklungen war: „Hierbei ist unter Christen allerdings noch einiges mehr zu beachten. Zuerst ist unter ihnen durch das Völkerrecht eingeführt, dass Kriegsgefangene nicht zu Sklaven gemacht werden, obwohl sie mit Recht zurückbehalten werden können, bis sie bestraft oder durch gerechtes Lösegeld freigekauft sind. … Weil aber dieses Vorrecht zugunsten der Gläubigen eingeführt ist, wird es nicht immer auch auf die Abgefallenen angewandt. Wenn deshalb der Krieg gegen solche Getaufte geführt wird, die völlig vom Glauben abgefallen sind, zum Beispiel gegen solche, die zum Heidentum übergetreten sind, dann können sie zu Sklaven gemacht werden; und so entspricht es der Gewohnheit. Wenn sie nämlich Christus gänzlich verleugnen, dann liegt kein Grund vor, weshalb sie sich eines Vorrechtes der Christen erfreuen sollten. Bezüglich der Häretiker aber ist es Gewohnheitsrecht, dass sie dieses Vorrecht genießen, weil sie wenigstens irgendwie Christus bekennen.“714

Hier wird zum einen zwischen Christen und Abgefallenen (Apostaten) unterschieden. Wenn getaufte Christen wieder zu Heiden werden, dürfen sie im gerechten Krieg versklavt werden. Es stellt sich die Frage, für welche Menschen dies gilt? Wäre zum Beispiel der getaufte Indio, der wieder vom Glauben abfällt, darunter zu verstehen? Interessant ist, dass hier Abgefallene wie Ungläubige und Häretiker wie Gläubige behandelt werden. So wird zum anderen im Grunde zwischen Religion und Konfession unterschieden. Dies lässt nach dem Status einzelner Glaubensgemeinschaften fragen. Gab es hier auch strittige Zugehörigkeiten? Leider fehlen nähere Ausführungen zur praktischen Anwendung. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Versklavung von Kriegsgefangenen laut Suárez rechtmäßig ist, sofern es sich um einen gerechten Kieg handelt und mit der Einschränkung, dass nur die gerecht führende Kriegspartei die Gefangenen versklaven darf. Da sich unter den christlichen Völkern das Gewohnheitsrecht herausgebildet hat, keine Glaubensbrüder zu versklaven, bezieht sich diese Praxis nur noch auf nichtchristliche Kriegsgefangene. Häretiker sind damit bereits ausgenommen. Angesichts dieser Praxis stellt sich freilich die Frage, ob man Kriegsgefangene versklaven darf, eben weil sie keine Christen sind. Begründet also 713 714

Ebd. Ebd.

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

der richtige Glaube für die Christen ein Recht auf Versklavung der Nichtchristen? In einem gewohnheitsrechtlichen Sinne gewiss, naturrechtlich jedoch nicht. Und gerade jenes Gewohnheitsrecht erscheint veränderbar. Insofern ist das eine äußerst schwache Grundlage. So zeigt sich hier auch, was Tellkamp für Vitoria und Soto festgestellt hat, nämlich das Fehlen ausgereifter Überlegungen zum Zusammenhang von Gefangennahme im Krieg und Sklaverei, also zu der Frage, warum gerade der Krieg als Versklavungsgrund gelten soll.

3. Gabriel Vázquez (1549-1604): Über die Flucht Wie sein Kollege Suárez stammte auch Gabriel Vázquez aus Spanien. 1569 trat er in Alcalá in die Gesellschaft Jesu ein, wo er nach einem zweijährigen Noviziat mit dem Theologiestudium begann. Er gehört ebenfalls zu den Universalgelehrten unter den Jesuiten, die sich in vielen Fachbereichen einen Namen machten. Noch während seines Studiums erklärte er Studenten in der Philosophie den aristotelischen Traktat De anima, erstellte gefragte Ausarbeitungen in Moraltheologie und lernte ab 1575 Hebräisch. Im Kolleg Ocaña lehrte er zwischen 1575 und 1577 Moraltheologie bzw. Kasuistik. Nach weiteren zwei Jahren Lehrtätigkeit in Madrid (1577-1579) und fünf in Alcalá (1580-1585) wurde er an das Collegio Romano berufen, um dort anstelle des erkrankten Suárez Scholastische Theologie zu unterrichten. Bei seinen Studenten in Rom war er offenbar sehr beliebt. Hohes Ansehen erwarb er sich ferner als Konsultor der römischen Indexkongregation. Zudem war er der Beichtvater des jungen Jesuiten Aloisius von Gonzaga (1568-1591), der sich besonders um Arme und Kranke kümmerte, 1591 an der Pest starb und bereits 1605 von Paul V. seliggesprochen wurde. In eben diesem Jahr verließ Vázquez Rom, wofür er dem Generaloberen Aquaviva als Begründung angab, er sei als Spanier von gewissen Kreisen angefeindet worden.715 Vázquez ging wieder nach Alcalá zurück, wo er sich ohne Lehrauftrag bis 1593 aufhielt, denn Suárez hielt dort den Lehrstuhl für Moraltheologie besetzt. Zwischen den beiden kam es zu Rivalitäten, bald auch in theologischer Hinsicht. Erst mit Suárez’ Versetzung 1593 nach Salamanca wurde der Weg für Vázquez frei. Nun wurde auch die Kontroverse zwischen den beiden jesuitischen Kontrahenten publik. Suárez veröffentlichte eine Liste mit 15 Sätzen von Vázquez, die er für häretisch hielt. Im Gegenzug 715

SCHUSTER (2012) 368. Danach lehrte Vázqzez in Rom Moraltheologie. Er taucht allerdings im Verzeichnis bei VILLOSLADA (1954) unter den Professoren für Scholastische Theologie (wie Suárez) auf. Zu den Überschneidungen zwischen Scholastischer Theologie und Moraltheologie vgl. Kapitel V. Zu Aloisius Gonzaga: BAUTZ (21990) Sp. 123-124.

3. Gabriel Vázquez (1549-1604): Über die Flucht

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veröffentlichte dieser 32 Sätze aus Werken nicht näher benannter Autoren, was allerdings vor allem auf Suárez zielte. Inhaltlich ging es um die Gnadenlehre, die Lehre von der Prädestination, von der Eucharistie und den Gesetzen. In späteren Auflagen ihrer Werke ließ Aquaviva die scharfen gegenseitigen Angriffe tilgen.716 Das gedruckte Gesamtwerk von Vázquez umfasste zehn Bände, die erstmals zwischen 1598 und 1617 in Alcalá erschienen. Der Schwerpunkt liegt auf den Disputationen zur STh des Thomas von Aquin. Die Kommentierung der Summa fiel in die Zeit noch vor seinem Aufenthalt am Collegio Romano. Die Kommentare fassen in der Regel lediglich die STh zusammen und beschränken sich auf Anmerkungen zum Wortlaut. In den Disputationen dagegen behandelte Vázquez Fragen, die über die STh hinausgingen.717 Er kommentierte nur die Teile, die seinem Interesse am menschlichen und ethischen Handeln entsprachen. Aus diesem Grunde berücksichtigte er auch nicht die Secunda Secundae mit ihren politischen und rechtlichen Themen, einschließlich der Quaestio 40 De bello. Dennoch spielte die Lehre vom Krieg als Prüfstein seiner Moraltheologie eine große Rolle. Vor dem Hintergrund des Probabilismus und der diskutierten Gewissensfälle „kommt dem Krieg die Bedeutung des extremen Falles, des Ausnahmefalles an sich zu.“718 Es bleibt festzuhalten, dass sich Vázquez nicht wie Suárez auf die rechtsphilosophischen Argumente des Thomas berief, sondern das Thema in moraltheologischer Perspektive aufarbeitete. Dabei konnte auch das Thema Sklaverei vorkommen, wie am folgenden Bespiel gezeigt werden soll. In seinen Kommentaren und Disputationen zur Prima Secundae der STh, die 1605 in Alcalá erschienen, widmete sich Vázquez unter anderem der Frage, wann es erlaubt sei, durch Flucht ein ergangenes Urteil abzuwenden.719 Da in diesem Rahmen auch die Sklavenflucht thematisiert wird, soll dieses Kapitel hier näher vorgestellt werden. Schließlich wird deutlich, wie die Sklaverei als Unterpunkt eines naturrechtlichen sowie moraltheologischen Themas erscheint, in welchem Heuhaufen also diese Stecknadel bisweilen zu suchen ist. Zudem eröffnen sich darüber Vergleichsperspektiven, denn auch Suárez, Molina und Lugo behandeln die Sklavenflucht. Zunächst stellt Vázquez mit Berufung auf Thomas fest, dass es dem zum Tode Verurteilten, der im Kerker oder außerhalb des Kerkers festgehalten

716

SCHUSTER (2012) 369. Ebd., 369f. 718 SCATTOLA (2003) 120. 719 Gabriel Vázquez, Commentariorum, ac disputationum in Primam Secundae S. Thomae, Bd. 2, Alcalá 1606. Daraus: Caput I: Quo pacto liceat fuga declinare sententiam latam, 279-281. 717

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

wird, nicht zustehe, sich gegen die Vollstrecker der Justiz zu verteidigen.720 Um dies zu begründen, hätte sich Thomas auf die Lehre vom gerechten Krieg bezogen, indem er feststellte, dass ein Krieg nicht auf beiden Seiten (der kriegführenden Parteien) gerecht sein könne.721 Was hat aber nun die Haltung des zum Tode Verurteilten mit der Frage zu tun, ob ein Krieg auf beiden Seiten gerecht sein könne oder nicht? Vázquez geht offenbar von einer Analogie zwischen Kriegsrecht und Prozessrecht aus. Im Kriegsrecht fällt der Richter das Urteil auf der Rechtsgrundlage, dass seine Seite einen gerechten Krieg führe. Der hier erwähnte zum Tode Verurteilte wird analog zum Kriegsgefangenen gedacht. Wenn der Krieg gerecht ist, dann ist auch das Urteil gerecht und vom Verurteilten zu akzeptieren.722 So soll auch der zum Tode Verurteilte sich nicht gegen die Vollstrecker der Justiz verteidigen. Nachdem dieser Punkt als unstrittig (citra controversiam) erwiesen ist, zitiert Vázquez Domingo de Soto (De iustitia, lib. 1, qu. 6, art. 6), um zu ergänzen, dass ein Unschuldiger, der allein auf Verdacht verurteilt worden sei, sich mit Waffen verteidigen dürfe. Dabei dürfe er den Richter und seine Diener einschüchtern und sogar unabsichtlich (!) töten. Ein Unschuldiger, der auf diese Weise der Todesgefahr entgehen könne, begehe keine schwere Sünde.723 „In Entsprechung zu dem überlieferten Prinzip, es sei besser Unrecht zu erleiden als Unrecht zu tun“724, war eine absichtliche Tötung zur Rettung des eigenen Lebens allerdings nicht erlaubt. Hierbei wird deutlich, dass es in erster Linie um ein moraltheologisches Problem geht, zu dessen Klärung aber auch rechtliche Erörterungen notwendig sind. Wie ist dieses Verhältnis von Recht und Moral näher zu bestim720

Primum igitur certum est non licere damnato ad mortem, qui detinetur in carcere, aut extra carcerem, ministris iustitiae cum eorum offensione se defendere, etiam si ex sola praesumptione iuxta allegata et probata condemnatus sit; ita docuit S. Thom. 2.2. q. 69. artic. 4 (ebd., 279). 721 [P]robat vero hac ratione: quia ex parte ministrorum, et iudicis, qui sententiam tulit, est iustum bellum; ergo ex parte damnati esse non potest iustum: existimat namque S. Thom. esse non posse iustum bellum ex utraque parte, et quidem merito, nisi ignorantia excusante; tunc enim posset esse: at vero in re ipsa, aut iuris praesumptione nequit ex utraque parte iustum bellum esse (ebd.). 722 Ille enim, qui iustum infert alteri bellum, ea solum de causa iuste infert; ut de iniuria illata vindictam sumat, aut iniuriam, quam timet sibi inferendam, propulset: cum igitur iudex secundum allegata, et probata iuste sententiam ferat, nec aliter facere possit, idque non ex erronea conscientia, et ministri iudicis hanc velint exequi sententiam, nulla ratione de illis queri potest reus, ac proinde nullam illis irrogare potest iniuriam (ebd.). 723 Addit Sotus lib. 1. de iustitia q. 6. art. illo 6. posse quidem innocentem, qui sola praesumptione damnatus est, armis se ita defendere, ut iudicem, et ministros aliquo modo terreat sine animo, aut periculo ipsis nocendi: et quidem non videtur hoc grave peccatum, si hac ratione innocens posset periculum mortis evadere (ebd.). 724 SCHUSTER (2012) 375.

3. Gabriel Vázquez (1549-1604): Über die Flucht

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men? Hier sei auf die Entwicklung der katholischen Morallehre hingewiesen, die sich in der Barockscholastik theoretisch und praktisch vor gewissermaßen tagesaktuelle Probleme gestellt sah. So forderten Gläubige in Spanien von ihren Beichtvätern Antworten auf die Frage nach dem richtigen Verhalten gegenüber den Indios. Diese Fragen wie auch die Antworten von Francisco de Vitoria bildeten den Ausgangspunkt für moralische Überlegungen zum Naturrecht. Die Kasuistik verlangte nach Lösungen und viele meinten, dass man diese im Probabilismus finden könne, so auch Vázquez.725 Seit dem 16. Jahrhundert stützte sich die Kasuistik auf das Moralsystem des Probabilismus. Dass dies auch den Hintergrund der hier behandelten Disputation von Vázquez bildet, wird noch zu zeigen sein. Nach Scattola interessierte sich Vázquez, im Unterschied zu Francisco de Vitoria oder Domingo de Soto, nicht sonderlich für das kollektive Handeln von Völkern, Gemeinwesen oder Königreichen, sondern konzentrierte sich vielmehr auf den einzelnen Menschen und die Schwierigkeiten seines Handelns.726 Ein besonders schwerer Gewissensfall stellte ihm zufolge die Frage des gerechten Krieges dar. „Als casus conscientiae stellt er einen echten Prüfstein für die Moraltheologie dar, denn König wie Soldat müssen ähnlich wie Richter und Arzt über Leben und Tod von Menschen, der Beichtvater gar über das Seelenheil entscheiden. Wird man diesen ‚Gewissensfall‘ lösen, dann auch vergleichbar andere schwierige Fälle.“727 In diesem Gewissensfall geht es also um einen zu Unrecht zum Tode Verurteilten und die Frage, ob er sich gegen seinen Richter und dessen Diener zur Wehr setzen darf. Angesichts der Gefahr, dass ein Mensch nach einem ungerechtfertigten Urteil zu Tode kommt, scheint die Selbstbefreiung mit Waffengewalt – selbst wenn jemand dabei zu Tode kommt – erlaubt. Allerdings müsse ein anderer Ausweg als Waffengewalt ausgeschlossen sein, denn sonst sei dieser vorzuziehen.728 Eine andere Möglichkeit könnte die Flucht sein, auf die Vázquez nun zu sprechen kommt. Hier ist klar: Wenn das Urteil ungerecht ist, darf jeder aus dem Gefängnis fliehen.729 Komplizierter gestaltet es sich hingegen, wenn das Urteil gerecht ist. Mit Cajetan sei zu unterscheiden, ob das Urteil für den Angeklagten im Gefängnis noch ausstehe oder bereits gesprochen sei. Ferner 725

VENTOSA (1998) 476-486; 479. SCATTOLA (2003) 119-153; 119. 727 SCHUSTER (2012) 375. 728 Eadem etiam ratione cum liceat occidere aggressorem propter defensionem rei familiaris notabilis valoris, posset quis iudicem iniquum interficere, si timeret iniustam sententiam in bonis suis, nec videret aliqua alia via se ipsum tueri posse: nam si alia via se posset defendere ab iniqua sententia, quaecunque illa esset, etiamsi esset sententia mortis, non liceret occidere iudicem, et ministros iniquos (Vázquez, Commentariorum (Bd. 2), Alcalá 1606, 280). 729 Nam si iniusta esset sententia, manifestum est, quemlibet posse fugere ex carcere (ebd.). 726

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

spiele die Art der verhängten Strafe eine Rolle für die Beurteilung des Falls.730 Angesichts drohender Geldstrafe oder Verbannung dürfe der Verurteilte nach Cajetan nicht fliehen. Sei die Geldstrafe aber bereits eingelöst, sei die Flucht erlaubt. Bei einem Verbannungsurteil müsse der Verurteilte sich an den ihm bestimmten Ort begeben und dürfe sich dem nicht entziehen. Und Vázquez ergänzt, dass seiner Meinung nach erst recht derjenige nicht fliehen dürfe, der zum Galeerendienst oder zur Arbeit im Bergwerk oder in den Goldminen verurteilt worden sei. Als Begründung gibt er an, dass das Urteil nach dem Recht der Sklaverei (iure servitutis) gefällt sei. Eine Flucht träfe den Herrscher, auf dessen Galeeren oder in dessen Bergwerken der Verurteilte Dienst tun müsse. Deshalb gelte: Wie ein Sklave, der in einem gerechten Krieg gefangen wurde, nicht fliehen darf, darf auch derjenige nicht fliehen, der von einem Richter zum Bergwerks- oder Galeerendienst verurteilt wurde. Auch dieser Fall bezieht sich auf einen Rechtstitel der Sklaverei. Vázquez spricht von einem Recht der Sklaverei, wie es „unter der Herrschaft eines anderen festgelegt worden ist“.731 Damit ist klar, dass es um ein positives (festgelegtes) Recht geht, das mit einer völkerrechtlichen Vereinbarung zu tun hat. Sklaverei in Folge von Kriegsgefangenschaft gehört hier zu den legitimen Formen von Sklaverei, ist also ein Rechtstitel. Die Gleichsetzung von Kriegsgefangenen und den zu Galeeren- und Bergwerksdiensten Verurteilten entspringt dem Sklavereirecht. Danach werden der Sklave in Folge von Kriegsgefangenschaft und der Sklave in Folge von Verurteilung (Strafsklave, forzato) nach demselben Grundsatz behandelt. Vorauszusetzen ist freilich stets, dass das Urteil gerecht ist. Insofern wird nur die Flucht des Sklaven verboten, der in einem gerechten Krieg gefangengenommen wurde. Eine andere Meinung vertritt Diego de Covarrubias y Leyva, den Vázquez im Anschluss zitiert: Ein im gerechten Krieg gefangener Sklave darf fliehen, allerdings nur, um in seine Heimat zurückzukehren. Erst wenn er seine Heimat erreicht hat, erlischt das Besitzrecht an ihm. Auf keinen Fall dürften

730

[S]i vero sit iusta, distinguendum in primis est cum Caietano 2.2. q. 69. art. 4. ad 2. dubium. Aut enim sermo est de reo detento in carcere ante sententiam latam, ant[!] post sententiam; si hoc posteriori modo loquamur, distinctione iterum opus est: aut enim reus condemnatus est ad sententiam, et poenam, quam in se ipsum exequi non debet, et huius erit eadem ratio, atque illius, qui nondum passus est sententiam, de quo postea dicetur (ebd.). 731 Fortiori ratione, me iudice, fugere non potest qui damnatus est ad triremes, aut ad metalla, et aurifodinas, quia per sententiam hoc modo damnatus iure servitutis ad principem, ad cuius triremes, et metalla damnatus est, pertinet: quare sicut servus captus in bello iusto, quod habet vim iustae cuiusdam sententiae, fugere non potest, eodem modo qui a iudice ad metalla, et triremes damnatus est, fugere non poterit, quia iure quodam servitutis sub alterius potestate constitutus est (ebd.).

3. Gabriel Vázquez (1549-1604): Über die Flucht

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geflohene Sklaven in den Grenzen der Herrschaft ihres Besitzers umherschweifen.732 Damit stehen also zwei konträre Positionen zur Sklavenflucht zur Auswahl. Doch Vázquez geht zunächst auf den Aspekt ein, dass mit Erreichen der Heimat das Besitzrecht über den Sklaven erlischt. Für ihn scheint das eine Interpretation des Naturrechts zu sein. Auf Grundlage der natürlichen Gleichheit (aequitas naturalis) sei es gesetztlich bestimmt worden, dass ein Kriegsgefangener nur solange Sklave bleibt, wie er sich unter den Feinden befindet. Dieses Gesetz beziehe sich auf das „Heimkehrrecht“ (ius postliminii), wonach der Gefangene wieder in frühere Rechte und früheren Besitz eingesetzt wurde.733 Was nach dem ius postliminii für kriegsgefangene Sklaven gilt, das wendet Vázquez nun auch auf die zu Galeeren- oder Bergwerksdienst Verurteilten an. Solange sie sich innerhalb des Territoriums des Fürsten aufhalten, der sie verurteilt hat, müssen sie gehorchen. Wenn es ihnen gelingt, in einen anderen Herrschaftsbereich zu fliehen, so erlischt das Besitzrecht über sie.734 Schließlich geht Vázquez noch auf diejenigen ein, die im Kerker bleiben müssen, bevor das Todesurteil an ihnen vollstreckt wird. Hier referiert er ei732

Caeterum Covarruvias in lib. 1. variarum c. 2. n. 10. post medium, et in regula peccatum 2. p. §. 11. n. 6. existimat servum captum in bello iusto posse quidem fugere, et se ipsum subripere domino suo, Ita tamen ut ad patriam suam redeat; namsi maneret intra hostium confinia, et vagaretur, peccaret mortaliter subtrahens se a servitute, quam domino suo debet, probat autem ex lege nihil interest, ff. de captivis, etc. Idemque expresse definitur in nostro regno in l. 23. tit. 14. par. 7. ubi decernitur, Sarracenum captum in bello a Christianis iure fieri, et esse servum capientis, atque hoc dominium in illum nunquam amitti, quandiu servus ille intra limites regni capientis divagatur: si tamen confugiat ad regna Sarracenorum, inquit iam deinceps amitti dominium, ita ut si iterum redeat in terram nostram, non possit dominus ipsum recuperare. Quae sane lex non tam videtur libera legislatoris dispositio, quam interpretatio ipsius iuris naturali (ebd., 280f.). 733 Ego quidem existimo decisionem nostrae legis esse veram [Glosse: 9 Ius civile in ea re aequitatem solum naturalem proponit.] interpretationem aequitatis naturalis, ea ratione, quia sicut iure gentium receptum est, ut essent bella, et capti in bello fierent servi, eodem modo communi gentium sensu introductum est, ut eo solum tempore captivus maneat servus quousque fuerit apud inimicos, reversus autem ad suos iam liberetur a servitute: sicut etiam liberatur a captivitate. Lex autem illa nihil interest, huic sententiae non favet, ibidem enim solum agitur de iure postliminii, et definitur quod attinet ad ius postliminii, quod in testamentis, et alijs rebus locum habet, perinde esse aliquem liberari a captivitate vi, aut fallacia, atque dismissum esse a domino: ex hoc tamen nihil sequitur contra id, quod dicebamus de damnato ad metalla, aut ad triremes (ebd., 281). 734 Nam sicut captus in bello, quandiu fuerit in terris inimicorum, adhuc pertinet iure servitutis ad eum, qui ipsum cepit in bello, et debet ei parere, et ad ipsum reverti, sic etiam qui damnatur ad triremes, vel ad metalla saltem quandiu manet intra territorium principis, qui ipsum condemnavit, ad eum pertinet, et manens intra territorium ei parere debet iuste praecipienti. Satis igitur est si concedamus damnatum ad metalla, et ad triremes, si iam sit extra regnum principis ferentis sententiam, non debere parere illi, nec redire a metalla, quia iam videtur solutus a praecepto, et sententia qui est solutus a legibus, quisque autem solvitur à lege hoc ipso, quod extra regnum ferentis legem constituitur (ebd.).

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

ne Kontroverse. Während Cajetan in einer Flucht eine Schuld (culpa) sah, plädierte Soto dafür, dass niemand, der zum Tode verurteilt sei, der Gnade der Kerkerflucht beraubt werden dürfe und niemand durch das Urteil gleichzeitig verurteilt sei, nicht zu fliehen.735 Vázquez ergreift Partei für Soto. Etwas anders liegt für Vázquez der Fall, wenn der Gefangene zu lebenslanger Kerkerhaft verurteilt worden ist, also nicht zum Tod. Dann muss sich der Verurteilte dem Urteil beugen. Im Ergebnis kehrt Vázquez wieder zum Ausgangspunkt der Disputation zurück: Sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Urteils angebracht, darf sich ihm der Verurteilte reinen Gewissens durch Flucht entziehen. Vázquez behandelte damit einen Gewissensfall, der in Zusammenhang mit der Frage nach dem gerechten Krieg steht, wobei vorausgesetzt wird, dass in diesem Fall geklärt wurde, ob der Krieg gerecht ist oder nicht. Was in einem Zweifelsfall gilt, wird eher indirekt über den Zweifel an einem gerechten Urteil zum Ausdruck gebracht. Besteht über den gerechten Krieg Zweifel, dann auch an einer Verurteilung auf dieser Rechtsgrundlage. Wann steht zweifelsfrei fest, dass jemand zu Unrecht zum Tod verurteilt worden ist? Vázquez führt hierfür drei Kriterien an: Erstens, wenn sicher ist, dass er einem ungerechten Urteil unterliegt, wenn zweitens das Strafmaß die Schuld überschreitet und insofern unverhältnismäßig ist und wenn drittens das Vergehen nicht hinreichend bewiesen wurde.736 Dies lässt einigen Spielraum für Zweifelsfälle, in denen dann offenbar zugunsten des Angeklagten zu entscheiden sei. Nicht zuletzt geht es darum, ob ein Mensch seinem Gewissen auch gegen die Rechtsprechung folgen darf. Diese Perspektive führt nun direkt zu probabilistischen Erwägungen, wie sie Vázquez in seiner Kriegslehre anstellte.737 Darin heißt es: 735

An vero ille, qui condemnatus est ad manendum in carcere, fugere possit in controversia est. Caietanus 2.2. q. 69. art. 4. censet damnari aliquem posse per sententiam ad mortem, et simul ut maneat in carcere, nec inde fugiat, et tunc ita damnatum non posse absque culpa fugere. Mihi tamen placet sententia Soti 5. lib. de iustitia. q. 6. art. 4. in solutionibus argumentorum, qui affirmat, neminem damnatum ad mortem per sententiam spoliari posse beneficio fugiendi e carcere, et per sententiam simul condemnari ad non fugiendum: esset enim insolens, et nunquam usitata sententia. Idem videtur sentire Sylvester in summa verbo fugere. Addit tamen Sotus, posse aliquem condemnari ob aliquod genus delicti, ut maneat perpetuo in carcere, et tunc fatetur ipse, et ego etiam ita sentio, reum damnatum hoc modo parere debere iustae sententiae, id quod limito, nisi ex falsa praesumptione ille sit condemnatus: tunc enim cum sit innocens in conscientia, spoliari non debet in foro conscientiae beneficio fugiendi (ebd.). 736 Deinde certum est iniuste damnatum ad mortem, si ei constet de iniusta sententia, aut quia poena inflicta per sententiam culpam excedit, aut quia non fuit sufficienter probata … (ebd., 279). 737 Gabriel Vázquez, Commentariorum, ac disputationum in Primam Secundae S. Thomae Bd. 2, Alcalá 1606, diputatio 62, cap. 1: Quam debeat quisque amplecti opinionem de rebus agendis, ut rectum habeat iudicium conscientiae: Opinio Caietani et Henrici. Eine Überset-

3. Gabriel Vázquez (1549-1604): Über die Flucht

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„Wenn aber die Meinungen über die auszuführenden Handlungen entgegengesetzt sind, wenn eine Meinung sagt, dass diese oder jene Handlung sündhaft ist, während die andere Meinung behauptet, sie sei keine Sünde, dann ist es schwierig zu wissen, wie man sich benehmen soll, damit man ein fallbezogenes Urteil fällen kann, das man ohne Sünde wählen kann.“738

Auch bei der oben behandelten Frage, ob ein Sklave, der in einem gerechten Krieg gefangengenommen wurde, fliehen dürfe, hatte Vázquez zwei gegensätzliche Meinungen referiert. Was war in einem solchen Fall also methodisch zu tun? Dazu weiter Vázquez: „Vorweg sollen wir aber bemerken, dass eine der Meinungen sicherer ist, während die andere weniger sicher ist. Der Grund aber, warum jene als sicherer bezeichnet wird, ist nicht, dass sie wahrscheinlicher ist, sondern sie ist sicherer, weil wir keine Sünde begehen, wenn wir ihr gehorchen.“739

Für den obigen Fall müsste das bedeuten, dass die Meinung sicherer ist, die eine Flucht bei einem im gerechten Krieg Versklavten verbietet, da keine Sünde bei einem solchen Verbot begangen wird. Doch ist nicht nur entscheidend, welche Meinung sicherer, sondern auch wahrscheinlicher ist. Hierzu Vázquez: „Außerdem, von zwei verschiedenen Meinungen ist die eine wahrscheinlicher, die andere weniger wahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist diejenige, die stärkere Gründe hat; weniger wahrscheinlich ist diejenige, die schwächere Gründe hat, obwohl diese nicht aller Wahrscheinlichkeit entzogen sind. … Es kann sich also ergeben, dass eine unsichere Meinung mitunter wahrscheinlicher ist, und in diesem Fall wäre jene Entscheidung, die auch eine Sünde nach sich ziehen könnte, die wahrscheinlichere.“740

Wenn es also wahrscheinlicher ist, dass der Sklave in einem ungerechten Krieg gefangengenommen oder ein Strafurteil ungerechterweise gefällt wurde, dann darf der Sklave/ Gefangene fliehen, selbst wenn dies unabsichtlich eine Sünde nach sich zieht, wie etwa die Tötung des Richters. Eine solche Handlung ist demnach moralisch gerechtfertigt, obwohl sie hätte vermieden werden können, hätte der Gefangene die Flucht unter Einsatz von Waffengewalt unterlassen. Damit dürfte deutlich geworden sein, dass Vázquez auch in seiner Disputation über die Flucht probabilistische Erwägungen voraussetzt und anwendet. Er steht mit seiner Disputation über die Prima Secundae der STh genau auf dem Schnittpunkt von Scholastischer Theologie und Kasuistik. Indem er seine Fälle auch spekulativ und methodisch durchdrang, leistete er einen

zung dazu findet sich bei SCATTOLA (2003) 122f. Im Folgenden wird diese Übersetzung zu Grunde gelegt. 738 Ebd., 122. 739 Ebd. 740 Ebd., 122f.

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

Beitrag zur Moraltheologie, die sich gerade als eigenständiges Fach etablierte.741

4. Exkurs: Luis de Molina (1535-1600) Zur „Schule von Salamanca“ zählen nicht nur Dominikaner und Säkularkanoniker, sondern auch Jesuiten. Ihr wichtigster Vertreter war Luis de Molina SJ (1535-1600), der in Salamanca studiert hatte.742 Seine Position zur Sklaverei soll hier behandelt werden, da er auch für die römischen Jesuiten einflussreich wurde, wie sich an Juan de Lugo noch zeigen wird. Molina war dreizehn Jahre älter als Suárez und gilt als erster Jesuit, der die STh des Thomas kommentierte.743 Er knüpfte hier an den Dominikaner Francisco de Vitoria an, der die STh als Lehrbuch in Salamanca eingeführt hatte.744 Theologisch bedeutsam wurde Molina vor allem duch seine beiden Hauptwerke: Das erste waren die 1589 erschienenen Liberi arbitrii cum gratiae donis, divina praescientia, providentia, praedestinatione et reprobatione concordia – meist zitiert als Concordia. Darin unternahm er den Versuch, „den freien Willen des Menschen mit Gottes Gnade, Vorherwissen, Vorsehung und Vorherbestimmung zu versöhnen.“745 Das führte zu einer erbitterten Kontroverse erstens zwischen Dominikanern und Jesuiten und zweitens innerhalb des Jesuitenordens, dem Gnadenstreit, in dessen Verlauf Molina der pelagianischen Häresie bezichtigt wurde. Das zweite Hauptwerk war eine Staats- und Rechtslehre in seinem insgesamt sechs Bände umfassenden Werk De iustitia et iure (1593-1609). Bereits der Titel zeigt die dominikanisch dominierte Traditionslinie an, in der Molina steht. Aufbauend auf Thomas hatte bereits Domingo de Soto OP mit seinem gleichnamigen Buch De iustitia et iure einen Meilenstein der systematischen Rechtslehre vorgelegt. Von diesem machte Molina ausgiebig Gebrauch.746 Sowohl Soto als auch Molina kommentierten beide die STh, so dass nicht zuletzt eine metho741

Vgl. dazu V. Luis de Molina, um 1535 in Cuenca (Neukastilien) geboren, absolvierte ein philosophischjuristisches Studium in Salamanca und Alcalá. 1553 trat er der Gesellschaft Jesu bei. Nach weiteren Studien, u.a. der Theologie, übernahm er 1563 den Lehrstuhl für Philosophie in Coimbra. 1568-1588 wirkte er als Theologieprofessor in Évora und als Berater der portugiesischen Krone. 1590 kehrte er in seine Geburtsstadt zurück und verstarb 1600 kurz nach seiner Berufung an das madrilener Jesuitenkolleg. Sein Denken prägte maßgeblich ein vom Römischen Recht beeinflusster Nominalismus; im Gandenstreit trat er als Gegner des Domingo Báñez (1528-1604) auf (STÜBEN [2006] 66f.). 743 KAUFMANN (2007) 205-226; 205. 744 STÜBEN (2006) 56. 745 KAUFMANN (2007) 205. 746 STÜBEN (2006) 58. 742

4. Exkurs: Luis de Molina (1535-1600)

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dische Übereinstimmung gegeben war. Während Molina also im Gnadenstreit mit der dominikanischen Theologie im Gefolge von Domingo Báñez OP (1528-1604), der seit 1577 in Salamanca lehrte, in einen Konflikt geriet, zeigte er sich in seiner Rechtslehre gegenüber dominikanischer Theologie wertschätzend und anschlussfähig. Er folgte „insgesamt den Grundsätzen des Kriegsrechts und der Kriegsethik, wie sie die Salmantiner Dominikaner auf der Basis der biblischen, patristischen, kanonistischen und thomistischen Tradition ausgearbeitet haben.“747 In De iustitia et iure äußerte sich Molina zudem umfassend zur rechtlichen Stellung der Sklaverei. Die Ausführungen zur Sklaverei finden sich im ersten Band, den er bereits 1593 publizierte, dort insbesondere in den Erörterungen (disputationes) 32-39 im Rahmen der zweiten Abhandlung (tractatus secundus). Darin ging er zum Beispiel auf die aristotelische Vorstellung eines Sklaven von Natur ein, auf den naturrechtlichen Status von Sklaverei, die vier Rechtstitel von Sklaverei und deren Rechtspraxis im Einflussbereich der portugiesischen Krone, die Schutzrechte von Sklaven, Sklavenflucht sowie die Sklavenfreilassung. Ferner von Bedeutung sind die disputationes 98123, in denen er die Lehre über den Krieg anhand der STh II-II, q. 40 kommentierte.748 Diese beiden Textabschnitte sollen im Folgenden behandelt werden. In der disputatio 32 beschäftigte Molina sich mit der Frage, ob und wie ein Mensch einen anderen als Eigentum erwerben kann.749 Dabei lehnte er die aristotelische Vorstellung ab, dass Menschen aufgrund ihrer durch die Natur vorgegebenen Eigenschaften für die Sklaverei bestimmt sind.750 Nach Tosi übernimmt er hier weitgehend die Position des Domingo de Soto.751 Andererseits teilte er aber auch die Ansichten des Aristoteles zur Kriegsgefangenschaft als legalem Weg in die Sklaverei, da sie das Leben der Krieg-

747

Ebd., 67. Ebd. 749 De Mancipiis, et primo, utrum unus homo in alium comparare possit dominium proprietatis (Luis de Molina, R. P. Lodovici Molinae primarii quondam in Eborensi Academia S. Theologiae professoris, e Societate Iesu, de iustitia et iure tomus primus, complectens tractatum primum et ex secundo disputationes CCLI usque ad ultimas voluntates inclusive, Mainz 1614, Tract. II, Disp. 32, Sp. 157-159). 750 COSTELLO (1974) 165; KAUFMANN (2007) 218. Dazu Molina: Quaedam est quam vocat naturalem, qua scilicet hebetiores et rudiores, corporeque robustiores; suapte nature aptiores sunt ad parendum et ut ab liis in ipsorum bonum gubernentur, quam ad imperandum et gubernandum. Haec autem aptitudo improprie appellatur servitus, neque cuiquam alteri tribuit ius in huiusmodi homines, sed solum ex quadam aequitate, et non ex iustitia, natura ipsa rei postulat … (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Tract. II, Disp. 32, Abs. 1, Sp. 158). 751 TOSI (2002) 69. 748

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

gefangenen schütze.752 Nach dem Philosophen führt er als weitere Autorität die Heilige Schrift an, in der Molina die Erlaubnis der Sklaverei bestätigt sieht.753 Dabei nennt er eine Auswahl von einschlägigen Bibelstellen, wie Lev 25, 1 Tim 6, 1 Kor 7, Eph 6, Kol 3, Phlm und 1 Petr 2.754 Als einzigen Beleg aus der Tradition der Konzilien verweist er auf einen Beschluss der Synode von Gangra (340/341), der für die Erlaubtheit von Sklaverei sprechen sollte.755 Schließlich stellt er fest, dass die Sklaverei zwar der naturrechtlichen Bestimmung des Menschen zur Freiheit widerspricht, aber unter bestimmten Bedingungen aufgrund des Völkerrechts, abgeleitet aus römischen Rechtsgrundsätzen, gerechtfertigt eintreten kann.756 Unter diesen Bedingungen verstand Molina die vier legitimen Rechtstitel von Sklaverei, die er in der disputatio 33 erklärt.757 Der erste Rechtstitel war die Versklavung durch Gefangennahme in einem gerechten Krieg. Das Kriegsrecht erlaubte es, die Besiegten nicht zu töten, sondern in ständige Sklaverei zu überführen und ihr Leben so zu verschonen.758 Dies betraf auch die Kinder der Besiegten, die als Unschuldige zwar nicht getötet, aber als Feinde versklavt werden durften.759 Es gab jedoch eine Ausnahme: Führten Christen gegen Christen einen gerechten Krieg, so galt für sie die gewohn752

Dicti etiam sunt mancipia, quasi ab hostibus manu capta, ut ibidem subiungitur. Quo sit, ut haec etiam servitus in bonum ipsorum servorum introducta sit, quatenus perpetua servitus minus malum illis est, quam privari vita. (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Tract. II, Disp. 32, Abs. 1, Sp. 158); vgl. COSTELLO (1974) 165f.; KAUFMANN (2007) 218. 753 Neben der Heiligen Schrift verweist er bereits vorausschauend auf die Meinung der Rechtsgelehrten zu den Rechtstiteln von Sklaverei, ohne sie jedoch konkret zu benennen. So Molina: Eiusmodi aut servitutem licitam et iustam esse, dummodo legitimi adsint tituli, satis est manifestum, non solum ex communi Doctorum, sententia ex iure civili et canonicum, … sed etiam ex scripturis sacris (ebd.). 754 Ebd., vgl. zu den Bibelstellen auch III.3 und III.4. 755 Idem definitum est in Concilio Gengrensi cap. si quis servum 17 q. 4. his verbis. Si quis servus alienum … (ebd.). 756 Dicendum est, verbis illis solum intendi servitutem, si sola prima rerum constitutio absque circumstantiis, quibus commerita sit, spectetur, contra naturam, eo quod stando in sola prima rerum constitutione omnes a natura sola essemus liberi; at vero supervenientibus circumstantiis quibus commerita est, licite ac iuste fuisse de iure gentium introductam, … (ebd., Disp. 32, Abs. 7, Sp. 159); KAUFMANN (2007) 219. 757 Tituli quibus dominium in servos iuste comparatur et an infantes eorum qui in Granatensi Regno rebellarunt iuste in servitutem redigi potuerint (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Disp. 33, Sp. 157-165.). 758 Primus est, iure belli. Videlicet quando aliquis iusto bello capitur, iure namque getium mancipium fit capientium, morte in perpetuam servitutem commutata (ebd., Disp. 33, Abs. 1, Sp. 160). COSTELLO (1974) 166f.; KAUFMANN (2007) 219. 759 Huic titulo annectere possumus, quando innocentes, qui partes sunt Reipublicae, adversus quam iustum bellum geritur, quales sunt infantes et alii, capiuntur, licet enim licite interfici non possunt, iure tamen belli ac gentium, fiunt mancipia capientium (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614., Disp. 33. Abs. 3, Sp. 160). COSTELLO (1974) 167; KAUFMANN (2007) 219.

4. Exkurs: Luis de Molina (1535-1600)

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heitsrechtliche Regelung, dass sie sich nicht gegenseitig versklaven sollten.760 Auch hier zeigt sich eine Übereinstimmung mit Soto wie mit Suárez. Der zweite Rechtstitel ist die Versklavung als gerechte Strafe für schwere Vergehen (Strafsklaverei).761 Auch durch eine Straftat, nicht nur in einem Krieg, konnte man sein Leben verwirken. Die Strafe der Sklaverei bewahrte wiederum vor dem Tod und man verlor stattdessen Glücksgüter des Lebens (bona fortunae), zu denen auch die Freiheit zählte.762 Nach einigen Beispielen über Urteile zur kirchlichen Disziplin äußert er sich schließlich zur Rechtspraxis König Philipps II. nach dem Aufstand der Morisken 1568-1570 in Granada. Für Molina ist gewiss, dass der Glaubensabfall der Neuchristen maurischer Abstammung mit einer Rebellion gegen die Krone gleichzusetzen und folglich ihre Versklavung als Strafe gerecht war. Strittig ist dagegen, ob deren Kinder, da sie getauft und unschuldig waren, versklavt werden durften.763 Entgegen der Entscheidung des Königs, der den Kindern die Freiheit schenkte, hält Molina es jedoch für legitim, auch die Kinder ihrer Freiheit zu berauben.764 Der dritte Rechtstitel ist der legale Verkauf in die Sklaverei (Schuldsklaverei). Dabei gilt für Molina, dass der Mensch aufgrund des Naturrechts über seine Freiheit verfügen könne wie über ein äußeres Gut.765 Außerdem führt er die Bestimmungen zur Freilassung und zur Überführung in die permante760

Excipitur, quando Christiani a Christianis belli iusto capiuntur, ut ibidem dicemus, consuetudo quippe praescripta, atque adeo ius est inter Christianos, ut servituti non subiiciantur (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Disp. 33. Abs. 2, Sp. 160). COSTELLO (1974) 167; KAUFMANN (2007) 219. 761 Secundus est, quando aliquis propter delictum, quod prudentis arbitrio tanta poena sit dignum, ab habente ad id postestatem, servitutis poena damanatur, neque enim propter culpam prius aliquis servitutem incurret, quam feratur sentential (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Disp. 33, Abs. 4, Sp. 160). COSTELLO (1974) 168. 762 KAUFMANN (2007) 219. 763 Superioribus annis cum in Granatensi Regno illi, qui a Saracenis originem trahebant, a fide apostando, seu potius internam apostasiam, quam semper in corde habuerunt, aperte manifestando rebellassent, merito in apostasiae et rebellionis poenam servitutis perpetuae, nihil baptismo, quod antea suscepreant, impediente, damnati sunt. Philippus tamen secundus Hispaniarum Catholicus Rex, timoratam quandam legem tuli christianissimo suo pectore dignissimam, qua statuit, ut rebellantium filii, qui rebellionis, capturaeve eorum tempore, ad annos pubertatis non pervenissent, tanquam innocentes libertate donarentur, ut re ipsa donati sunt (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Disp. 33, Abs. 6, Sp. 161). COSTELLO (1974) 168. 764 So die Schlussfolgerung von Molina: … ostensum est, parentum peccata fuisse satis ut innocentes filii iuste in servitutem redigerentur (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Disp. 33, Abs. 13, Sp. 162); vgl. COSTELLO (1974) 168. 765 Tertius titulus est Emptio et venditio. Ponendumque in primis est, hominem, sicut non solum externorum suorum bonorum, sed etiam proprii honoris et famae est dominus, … sic etiam dominium esse suae libertatis, atque adeo stando in solo iure naturali, posse eam alienare, seque in servitutem redigere (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Disp. 33, Abs. 14, Sp. 162). COSTELLO (1974) 168; KAUFMANN (2007) 219.

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

ne Sklaverei aus den alttestamentlichen Sklavengesetzen nach Ex 21 und Dtn 25 an, um den Selbstverkauf zu rechtfertigen.766 Allerdings schärft Molina Beschränkungen ein, die den leichtfertigen Verkauf der Freiheit verhindern sollten. So sei der Selbstverkauf nach dem Kaiserrecht (ius Caesareum) nur gültig, wenn der Betroffene mindestens 21 Jahre alt ist, um seine Freiheit weiß, in den Verkauf einwilligt, einen Anteil vom Verkaufspreis erhält und ihm diese Bedingungen bekannt sind.767 Der Verkauf gelte als ungültig, wenn nur ein Kriterium nicht erfüllt ist.768 Außerdem sei der Verkauf der eigenen Kinder nur in Notsituationen legitim.769 Wo das kaiserliche Recht keine Geltung besitzt, so zum Beispiel in Äthiopien und Brasilien, greift die naturrechtliche Bestimmung, dass jeder Mensch über seine Freiheit verfügen kann.770 Schließlich führt Molina als vierten und letzten Rechtstitel die Sklaverei durch Geburt an, wonach das Kind dem Rechtsstatus der Sklavenmutter folgt und zwar ungeachtet des väterlichen Status und unabhängig von den Umständen der Zeugung.771 Methodisch innovativ ging Molina in seiner disputatio 34 vor, in der er eine empirisch-historische Untersuchung zum portugiesischen Sklavenhandel von den Kapverden bis nach China vorlegte.772 Dafür studierte er amtliche Schriftstücke und betrieb Umfragen unter Sklavenhändlern und seinen

… sed etiam ex illo Exod. 21 et Deut. 15 de servo Hebreo qui septimo anno iuxta legem erat dimittendus liber. Subiungitur namque: Sin autem dixeris, nolo egredi, eo quod deligat te et domum tuam et bene sibi apud te esse sentiat, assumes subulam et perforabis aurem eius in ianua domus tua et serviet tibi usque in aeternum (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Disp. 33, Abs. 14, Sp. 162f.). Vgl. zu den alttestamentlichen Sklavengesetzen: III.3.4. 767 Hoc ita constituto, ius Caesareum … solam eam emptionem et venditionem liberae personae ratam et firmam habent, in qua interveniunt sex sequentes conditiones (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Disp. 33, Abs. 15, Sp. 163). Zu den Bedingungen im einzelnen: COSTELLO (1974) 168; KAUFMANN (2007) 220. 768 Quacunque autem illarum sex conditionem deficiente venditio est nulla (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Disp. 33, Abs. 19, Sp. 163). COSTELLO (1974) 168; KAUFMANN (2007) 220. 769 Sciendum est item, iure naturae fas esse parentibus in gravi sua necessitate filios vendere (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Disp. 33, Abs. 21, Sp. 163). COSTELLO (1974) 169; KAUFMANN (2007) 220. 770 Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Disp. 33, Abs. 20, Sp. 163. KAUFMANN (2007) 220. 771 Quartus titulus est nativitatis conditio. Qui namque nascitur ex matre ancilla, sive pater liber sit, sive non, sive nascatur ex matrimonio legitimo, sive ex copula fornicaria, est servus, quia partus sequitur ventrem. … estque communi usu in Hispaniis comprobatum (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Disp. 33, Abs. 32, Sp. 166). COSTELLO (1974) 170; KAUFMANN (2007) 220. 772 Ex quibus locis mancipia Lusitanis asportentur et qua eorum iure belli Lusitanorum iuste videantur in servitutem redacta. (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Disp. 34, Sp. 167-178). 766

4. Exkurs: Luis de Molina (1535-1600)

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jesuitischen Mitbrüdern, die in der Mission tätig waren.773 Mit Hilfe dieser Kenntnisse wandte sich Molina gegen die illegitime Versklavung durch portugiesische Sklavenhändler, die mit afrikanischen Sklavenjägern und Häuptlingen kooperierten und ihnen Sklaven meist für wertlosen Tand abkauften. Schließlich zeigte er am Beispiel Chinas, dass die Portugiesen am illegitimen Sklavenraub beteiligt waren, da das Reich der Mitte als friedliches Land galt und der Krieg als legitimer Grund zur Versklavung ausfiel.774 Die besondere Berücksichtigung Portugals ist verständlich, wenn man bedenkt, dass Molina zwischen 1568 und 1588 auch als Berater der portugiesischen Krone tätig war.775 Im Anschluss an diese Erhebung stellt er in den disputationes 35 und 36 Richtlinien auf, die sich gegen eine Unterwanderung der legitimen Rechtstitel zur Versklavung richten.776 So sollten sich die Händler über die Umstände der Versklavung informieren und allen Verdachtsmomenten nachgehen. Stellte sich heraus, dass der Sklave unrechtmäßig versklavt worden war, sollte er umgehend freigelassen werden. Blieben die Nachforschungen erfolglos, durfte man den Sklaven behalten.777 Aus den genannten Erörterungen 32-36 geht hervor, dass Molina die Sklaverei als Institution grundsätzlich akzeptierte. Jedoch wandte er sich konkret gegen Missbräuche durch Sklavenjäger, -händler und -besitzer. So setzte er sich auch mit der Praxis des Sklavenhandels im portugiesischen Kolonialreich auseinander. Dabei versuchte er den Zugriff der Herren auf die Sklaven durch rechtliche Bestimmungen und moralische Erwägungen stark einzuschränken. Dazu gehörte auch, dass der Herr den Sklaven weder verstümmeln noch töten durfte.778 Außerdem durfte der Herr nicht den ehelichen Verkehr des Sklaven unterbinden, andernfalls beging er Unrecht, gegen das sich der Sklaven mit Hilfe der Kirche zum Schutz seiner Ehe wehren konnte.779 773

Vgl. KAUFMANN (2007) 221. COSTELLO (1974) 174-187; HÖFFNER (1972) 372-378; KAUFMANN (2007) 221. 775 STÜBEN (2006) 66. 776 De Mancipiis et commercio Lusitano quid censendum (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Tract. II, Disp. 35, Sp. 179-193) und Utrum qui in hoc regno et aliis possident mancipia, de quibus conclusione quarta praecedentia disputationis dictum est, licite illa retinent et an licite emi possint (ebd., Disp. 36, Sp. 194-196). 777 Vgl. dazu die Zusammenfassung in: COSTELLO (1974) 188-198; HÖFFNER (1972) 378-382; KAUFMANN (2007) 222. 778 Dazu Disputation 38: Quosque ius dominorum in servos se extendat. Et an mancipia habere possint rei alicuius dominium. Zu den beiden Beschränkungen: Dominium in servos non tam amplum ius tribuit dominis, quam dominium in pecora, quae pro iure nostro mutilare etiam, ac interficere licite possumus (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Tract. II, Disp. 38, Sp. 201). 779 Zur Sklavenehe: Sicut ius dominorum in servos ad ea, quae hactenus dicta sunt, non se extendit, ita neque ut illis coniugium matrimoniique usum prohibeant, tum ad naturam propa774

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

Molina schränkte aber nicht nur die Zugriffsrechte der Herren, sondern auch die Bewegungsfreiheit von Sklaven ein, indem er die Sklavenflucht mit dem legitimen Rechtstitel von Sklaverei verknüpfte. Hier wechselte er also die Perspektive vom Herrn zum Sklaven. Die Flucht von Sklaven behandelt er in der disputatio 37.780 Für unstrittig hält Molina, dass ein Sklave, der aus ungerechtem Grund versklavt wurde, fliehen dürfe. Dabei stellt er fest, dass christliche Sklaven bzw. Kriegsgefangene sich muslimischen Herren entziehen dürfen, da – so seine einseitige Perspektive – die sogenannten Türken und Mauren einen in jedem Fall ungerechten Krieg gegen die Christen führen. Dabei dürfen sie jede Hilfe in Anspruch nehmen. Die Fluchthilfe war in diesem Fall ebenfalls zulässig.781 Erwiesen ist für Molina auch, dass die Flucht allen verboten sei, die aufgrund legaler Rechtstitel, wie gerechter Strafe, Schuldsklaverei und Geburt, in Sklaverei gerieten.782 Allerdings war die Flucht der Gefangenen und ihrer Nachkommen nach dem Kriegsrecht umstritten.783 Molina kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Flucht eines Sklaven, der in einem gerechten Krieg gefangen wurde, nicht erlaubt und eine Todsünde sei. Außerdem schulden der Sklave und seine Fluchthelfer dem Herrn Schadensersatz.784 Damit wurde wieder die Perspektive des Sklavenhalters eingenommen. Ausgenommen von dieser Regelung waren allergandam, tum etiam in subsidium salutis eorum spiritualis et remedium contra concupiscentiam, quod cuique iure naturali licet, neque gentium iure, quo servitus fuit introducta, tolli aut impediri potuit. … Quod si eos prohibeant iniurium illis faciunt, dominisque invitis contrahere possunt et ab Ecclesia protegentur, ac defendentur adversus eos (ebd., Disp. 38, Sp. 203). 780 Utrum mancipiis legtimo titulo in servitutem redactis, fas sit fugere ad suos (Molina, De iustitia et iure [Bd. 1], Mainz 1614, Tract. II, Disp. 37, Sp. 197-201). 781 Dubium non est, eos homines, qui sine titulo iusto captivi detinentur, fugere posse ad suos, aut quovis alio voluerint. Quare cum Turcarum et Maurorum bellum adversum nos ex eorum parte sit iniustum, dubium non est, nostros, qui apud illos captivi detinentur, licite posse fugere quo velint accure et palam ac vi etiam adhibita, posseque quoscunque alios licite eorum fugam adiuvare (ebd., Disp. 37, Sp. 197). 782 Omnes namque conveniunt, eos, qui vel seipsos vendiderunt, vel a parentibus legitime venditi sunt, vel ex matre, aliquo horum duorum titulorum in servitutem redacta, nati sunt, fugere licite non posse. … De iis vero captivis, qui in poenam delicti iuste in communem perpetuam servitutem sunt redacti, licet Doctores non loquantur, credo tamen idem prorsus fuisse dicturos. Etenim sicut iusto exilio domnati fugere inde non possunt, sed per seipsos tenentur eam poenam exequiac implere, sic etiam ob delictum servitute communi sunt iuste mulctati, fugere de servitute non possunt (ebd., Disp. 37, Sp. 197f.). 783 Solum ergo est controversia inter Doctores de mancipiis iure belli in servitutem redactis, nec non de filiis natis ex matre iure belli servituti subiectae, an fas eis sit ad suos fugere (ebd., Disp. 37, Sp. 198). 784 Captus bello ita iusto, ut de iustitia capientium et iniustitia adversariorum constet, lethaliter peccat, si fugiat dominum suum, teneturque seipsum restituere, esto ad suos perveniat (ebd., Disp. 37, Sp. 198f.). Zu den Fluchthelfern: Ex his constat suadentem fugam homini bello iusto capto, aut ad eam illum adiuvantem, teneri restituere domino valorem mancipii et si quae alia damna illi ulterius inde sequantur (ebd., Sp. 200).

4. Exkurs: Luis de Molina (1535-1600)

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dings christliche Sklaven, die von ihren ungläubigen Herren fliehen durften, sofern ihr Glaube auf dem Spiel stand.785 Schließlich geht Molina in der disputatio 39 auf die Freilassung von Sklaven ein. Er nennt neun Gründe, wodurch ein Sklave bzw. eine Sklavin die Freiheit erlangen konnte. Dazu gehören: (1) die Freilassung durch den Herren gratis oder gegen Bezahlung,786 (2) die Aussetzung von Kindersklaven und kranken Sklaven durch den Herrn,787 (3) die Zwangsprostituierung einer Sklavin durch den Herrn,788 (4) wenn der Herr Jude, Heide oder Häretiker unter christlicher Herrschaft ist und der Sklave bereits Christ ist oder werden möchte,789 (5) wenn ein jüdischer Herr seinen ungläubigen Sklaven beschneidet,790 (6) wenn der Herr stirbt und zuvor mit einer Sklavin ein lebenslanges eheähnliches Verhältnis gepflegt hat,791 (7) wenn eine Sklavin bzw. ein Sklave einen Freien bzw. eine Freie heiratet, ungeachtet ihres Sklavenstandes,792 (8) wenn der Herr den Sklaven als Erben oder Tutor seines erbberechtigten Sohnes einsetzt793 und (9) im Fall der Adoption des Sklaven durch seinen Herrn.794 Betrachten wir noch kurz die disputationes 98-123 aus der zweiten Abhandlung von De iustitia et iure, in denen Molina die Lehre vom gerechten Krieg kommentiert, die allerdings in der vorliegenden Textausgabe aus vier Artikeln bestehen, wobei der erste Artikel in vier disputationes (Erörterun785

Ab hac conclusione excipitur, quando fidelis aliquis iuste esset captivus apud infideles, indeque fugisset, neque sine notabili detrimento spirituali apud illos posset commorari, tunc enim satis esset, si illis debitam recompensationem in pecunia, aut alia ratione exhiberet, neque cum tanto suo spirituali pericolu teneretur redire (ebd.). 786 Primus vulgatissimusque est, per manumissionem sive ea mere gratis fiat, sive aliquo interveniente pretio … (ebd., Disp. 38, Sp. 205). 787 Secundus, si dominus, aut alius, eo sciente nec contradicente, infantem exponat, aut expositionem … . Item si servum aegrotum exponat, aut illi deneget alimenta necessaria, ... (ebd., Disp. 38, Sp. 204). 788 Tertius, si dominus necessitatem fornicandi ancillae imponat … (ebd., Disp. 38, Sp. 205). 789 Quartus est, si Iudaeus, vel paganus, vel haereticus, servuum iam Christianum quocunque titulo possideat, eo enim ipso servus ille libertatem consequitur, nullo persoluto pretio, quod si possideat servum nondum Christianum et servus illi baptismum suscipere voluerit, eo ipso, quod Christianus fuerit effectus, consequitur similiter libertatem (ebd.). 790 Quintus est, si Iudaeus mancipium suum infidele circumcideret, eo enim ipso in delicti poenam manet liberum (ebd.). 791 Sextus est, si vir solutus suam ancillam habuerit concubinam et cum ea eo pacto perseveraverit usque ad mortem, … (ebd., Disp. 38, Sp. 206). 792 Septimus est, si persona libera contrahat cum serva, ignorans servitutem et dominus vel illam ei tradat in matrimonium, non detegendo illi servitutem, vel sciens illos ita contrahere, servitutem non detegat, eo ipso persona illa serva, sive masculus sit sive foemina, consequitur libertatem (ebd., Disp. 38, Sp. 207). 793 Octavus, siquis suum servum haeredem instituat, vel tutorum eum filio suo relinquat … (ebd.). 794 Nonus est, siquis suum proprium mancipium adoptet in filium, eo enim ipso liber efficitur, … (ebd.).

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gen) untergliedert ist.795 In der ersten Disputation des ersten Artikels erörtert Molina die Frage, ob es Christen erlaubt sei, Krieg zu führen. Dabei geht er in Punkt 22 auch explizit auf Aristoteles (Politik) ein. Dezidiert weist er dessen Meinung zurück, dass es barbarische Völker gebe, die von Natur Sklaven seien. Als gerechten Kriegsgrund lässt er die Vorstellung von barbarischen Völkern, die sich nicht selbst regieren könnten, nicht gelten. Nachdem er die Lehre vorstellt, wonach gewisse Menschen Sklaven von Natur seien, stellt er nochmals fest: „Diese Meinung ist jedoch völlig zu missbilligen, wie man bei Vitoria in der Vorlesung Über die Indianer [De Indis] Teil 1, Nr. 4, bei Soto Über die Gerechtigkeit [De iustitia] 4, q.2, a.2, sowie bei anderen stehen hat.“796 Mit dem Konzept eines Sklaven von Natur lässt sich folglich kein Recht auf Unterwerfung begründen. Als aktuellen Kontext gibt Molina die Debatten über die Versklavung der Indios sowie der Äthiopier an.797 Er interpretiert Aristoteles dann so, dass dieser Menschen mit minderer Geisteskraft lediglich als Sklaven von Natur sein lassen wollte, was aber nicht gleichbedeutend mit einer gesetzlichen oder bürgerlichen Sklaverei sei. Eine solche Sklaverei liege „bei gekauften Sklaven vor, die man zu den Gütern des Herrn rechnet.“798 Der Sklave von Natur sei also ein Mensch, der „von seiner Natur her besser zum Gehorchen als zum Befehlen veranlagt“799 sei. Doch erscheint Molina diese Interpretation des Aristoteles eigenwillig, so dass er abschließend dazu bemerkt: „Und falls Aristoteles an der angeführten Stelle anderes beabsichtigt haben sollte, darf man sich seiner Auffassung keinesfalls anschließen.“800 In der vierten Erörterung des ersten Artikels zum Thema „Wie viel in einem Krieg erlaubt ist“ (Quantum liceat in bello iusto) geht Molina in Punkt 6 auf das Recht der Versklavung von Kriegsgefangenen ein. Wie Suárez hält er fest, dass Menschen nach dem Völkerrecht in einem gerechten Krieg versklavt werden dürfen, dass dies jedoch nach dem Gewohnheitsrecht nicht für Christen gelte.801 Dieser Punkt scheint relativ unstrittig gewesen zu sein. 795 Textgrundlage ist hierfür die lateinisch-deutsche Ausgabe von JUSTENHOVEN/ STÜBEN (2006). Allerdings liegt dieser nicht der Text zugrunde, der 1593 erstmals veröffentlicht wurde, sondern sie fußt auf einer handschriftlichen Überlieferung, die bereits der akademischen Tätigkeit Molinas der Jahre 1574/75 in Évora entsprungen war (STÜBEN [2006] 67). 796 Zitiert nach JUSTENHOVEN/ STÜBEN (2006) 245. Est vero omnino improbabilis opimio, ut habes apud Vitoriam in relectione De Indis p. 1, n. 4, apud Sotum, 4 De iustitia, q.2, art.2, et apud alios (ebd., 244). 797 Ebd. 798 JUSTENHOVEN/ STÜBEN (2006) 244. Während bei JUSTENHOVEN/ STÜBEN servus allerdings in den meisten Fällen mit Knecht übersetzt wird, wird dies hier immer mit Sklave wiedergegeben. 799 Ebd., 244. 800 Ebd. (Et si aliud voluerit Aristoteles loco citato, certe standum non est illius) sententiae. 801 Ebd., 295; PRIESCHING (2012) 133.

5. Juan de Lugo (Joannes de Lugo; 1583-1660)

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Im Vergleich zu den vereinzelten Stellungnahmen bei Suárez liegt mit Molinas De iustitia et iure eine mehr oder weniger systematische Erörterung zur Sklavereithematik vor. Sie ist Anzeichen einer zunehmenden Verrechtlichung der Debatte, in der Molina anschaulich die rechtlich-moralische Argumentation auf die zeitgenössische Rechtspraxis bezog.802 Molinas Argumentation überzeugte anscheinend auch seinen Ordensbruder und Professor am Collegio Romano Juan de Lugo, der jene Positionen in seinem Traktat De iustitia et iure aufgriff.

5. Juan de Lugo (Joannes de Lugo; 1583-1660) Juan de Lugo wurde am 25. November 1583 in Sevilla geboren.803 Nach dem Tod seiner Mutter trat er in Salamanca am 6. Juli 1603 in die Gesellschaft Jesu ein.804 Im Anschluss an sein Studium des weltlichen und kirchlichen Rechts wurde er sehr schnell Professor für Philosophie und Theologie an unterschiedlichen Jesuitenkollegien in Spanien.805 Experte war er vor allem für das Eherecht.806 Dies steht im Zusammenhang mit der Neubewertung der Ehe im Katholizismus nach dem Konzil von Trient, was auch den Zuständigkeitsbereich kirchlicher Jurisdiktion bei Ehefragen maßgeblich erweitern sollte.807 Aufgrund seiner Reputation wurde er durch den Ordensgeneral Muzio Vitelleschi an das Collegio Romano berufen.808 In Rom war er von 1620 bis 1624 Professor für Scholastische Theologie.809 Seine Vorlesungen führten zur Publikation seines einflussreichen Werkes De iustitia et iure im Jahr 1642.810 Es verwundert nicht, dass sich der kanonistisch hervorragend geschulte Lugo in der Scholastik vor allem für die Rechtslehre interessierte. Hier setzte er die jesuitische Beschäftigung mit diesem Thema nach Suárez und Molina fort. Schließlich ernannte ihn Papst Urban VIII. 1643 zum Kardinal.811 Sein großes Ansehen zeigt sich auch daran, dass er Mitglied der rö802

KAUFMANN (2007) 225. OLIVARES (1984) 9. 804 Ebd. 805 Ebd., 18-22. 806 Ebd., 12-15. 807 Zum Ehedekret: COD Bd. 3 (2002) 753-759. Zur posttridentinischen Rezeption des Ehedekretes: ALBANI (2008). 808 OLIVARES (1984) 20. 809 VILLOSLADA (1954) 324. 810 OLIVARES (1984) 26. Juan de Lugo, R. P. Ioannis de Lugo Hispalensis Societatis Iesu in Romano Collegio S. Theologiae professoris disputationum, de iustitia et iure, tomus primus, Bd. 1, Lyon 1642. 811 OLIVARES (1984) 46-52. 803

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mischen Inquisition war.812 Damit war er ein enger Berater des Papstes. Möglicherweise war er bereits am Entstehungsprozess der päpstlichen Bulle gegen Missbräuche in der Praxis der Sklaverei in der Neuen Welt beteiligt gewesen.813 Lugo war im 17. Jahrhundert einer der politisch wohl einflussreichsten Lehrer innerhalb der jesuitisch geprägten Theologie. Mit seinem Beitrag zum Gnadenstreit positionierte er sich auch in der wohl bedeutendsten theologischen Kontroverse des konfessionellen Zeitalters.814 Nicht wenige Jesuitengelehrte verband, sich einerseits zur Rechtsphilosophie und andererseits zum Gnadenstreit geäußert zu haben. Auf Suárez und Molina traf dies jedenfalls zu. Im Kontext seiner Naturrechtslehre äußerte sich auch Lugo zur Sklaverei. Er widmete diesem Thema mehr Raum als seine Vorgänger, indem er zum einen die reale bzw. äußere Sklaverei ausführlich in seinem Werk De iustitia et iure aus naturrechtlich-vertragstheoretischer Perspektive beschrieb815, zum anderen in seiner Christologie auf die innere Sklaverei einging. Dazu verfasste er während seiner Lehrtätigkeit in Rom den Traktat De incarnatione, der im Jahr 1632 erschien. In diesem bewegen sich gerade die christologischen Aussagen im Spannungsfeld zwischen einem realen und spirituellen Verständnis von Sklaverei. Wenden wir uns zunächst der naturrechtlichen Behandlung der Sklaverei zu.

5.1 Der Sklave als Person Die rechtliche Stellung von Sklaven behandelt Juan de Lugo eingehend in seinem Werk De iustitia et iure.816 Er hält die Sklaverei in Übereinstimmung mit der christlichen Glaubensüberlieferung sowie im Anschluss an seinen hauptsächlichen Referenzautor, Luis de Molina, grundsätzlich für legitim. So schreibt er: „Es ist dem Menschen erlaubt, dass ein Herr einen anderen Menschen als echten Sklaven (hat). Dies steht fest nach der Schrift, den Vätern, den Konzilien und den Gründen, wie sie ausführlich Molina in seiner dispu812

Ebd., 49. Zur Bulle Commissum nobis von Papst Urban VIII. vom 22. April 1639: PRIESCHING (2008) 150. 814 Vgl. dazu: HELLIN (1936) 321-353. 815 Die darin enthaltenen Positionen zur Sklaverei waren Teil des regulären Lehrbetriebs am Collegio Romano (vgl. ebd., 192-201; OLIVARES [1984] 22-25). 816 Dazu: Juan de Lugo, Disp. III Apud quos et quarum rerum possit esse dominium, in: Ders., Disputationes scholasticae et morales, hg. v. Jean-Baptiste FOURNIALS, Bd. 5, Paris 1868, 497-523 sowie Disp. VI De modo acquirendi rerum dominia (Ders., Disputationes [Bd. 6], Paris 1869, 631-644). 813

5. Juan de Lugo (Joannes de Lugo; 1583-1660)

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tatio 32 billigt.“817 Er versucht, diese Position in Einklang mit naturrechtlichen Bestimmungen zu bringen, indem er fortfährt: „Es steht auch nicht dagegen, was die Gesetze … sagen, dass Sklaverei gegen die Natur ist, die die Menschen zu Freien macht. Der Sinn ist nämlich, dass [die Sklaverei; D.K.] zwar nicht gegen ein Verbot, aber gegen die Absicht der Natur ist, welche aus sich heraus die Freiheit und den Stand als Freigeborene für alle intendiert, jedoch wegen ungerechten Kriegen und Sünden sowie anderer Nöte, wurde die Sklaverei eingeführt, um Schlimmeres abzuwenden.“818 (Übersetzung D.K.)

Er geht hier also auf den Widerspruch zwischen der theologischen Vorstellung, dass der Mensch von Natur aus frei geschaffen ist, und der gesellschaftlich existierenden Sklaverei ein. Diese Praxis gilt es mit der Vernunft zu begründen, um einen Anspruch auf Legitimität erheben zu können. Doch wird für eine solche Begründung gerade nicht Aristoteles bemüht. Dessen Vorstellung eines Sklaven von Natur widerspricht er nicht nur implizit, indem er an der grundsätzlichen Freiheitsbestimmung aller Menschen festhält, sondern auch, indem er als Ursache für die Sklaverei nicht die Natur benennt und stattdessen angibt, sie sei eine Folge von Krieg, Sünde und Schuld. Dies würde die Freiheit des Menschen selbst- oder fremdverschuldet einschränken. In diesem Kontext weist er der Sklaverei sogar einen positiven moralischen Wert zu, da sie seiner Ansicht nach dazu diene, in bestimmten Fällen ein größeres Übel zu verhüten. Diese These führt er in seinen Erörterungen der vier gängigen Rechtstitel der Sklaverei näher aus. Damit schließt er sich der Argumentation Molinas an, bei dem sich bereits der Akzent von den Rechtstiteln für einen gerechten Krieg auf Rechtstitel, also legitime Gründe, für die Sklaverei verschoben hatte, die damit nicht länger nur ein Unterpunkt zum bellum iustum war. Der erste Rechtstitel der Sklaverei ist nach Lugo folgender: „Der erste besteht durch das Recht des Krieges. Die Sieger dürfen diese [die Besiegten; D.K.] nämlich erlaubterweise töten oder sie können sie auch, indem der Tod in Sklaverei umgewandelt wurde, bewahren und vom Bewahren (her) werden sie Sklaven genannt, sowie man auch von ihnen als mancipia spricht, weil sie durch die Hand genommen wurden …“819 (Übersetzung D.K.)

817

Licitum esse homini dominium in alium hominem tanquam in verum servum, constat ex Scriptura, ex Patribus, Conciliis, et rationibus, ut probat late Molin. disp. XXXII. (ebd., 635). 818 Nec obstat quod insinuatur in leg. libertas ff. de statu hominum, et in §. servitus, Instit. de jure personarum, servitutem esse contra naturam quae homines liberos fecit; sensus enim est, esse quidem non contra prohibitionem, sed praeter intentionem naturae, quae ex se intendebat omnium libertatem et ingenuitatem, propter bella tamen injusta et peccata aliasque miserias introductam fuisse servitutem ad majora mala avertenda (ebd.). 819 Quatuor tituli assignari solent ad servitutem inducendam: Primus est iure belli, nam quos victores possent licite occidere, possunt etiam, morte in servitutem commutata, servare, et a servando servi dicti sunt, sicut et dicuntur mancipia, quia manu capiuntur; … (ebd.).

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

Nach dem Kriegsrecht ist es erlaubt, dass der Sieger den besiegten Feind entweder tötet oder ihn als Kriegsgefangenen in Sklaverei überführt. Dies wird hier unabhängig davon postuliert, ob es sich um einen gerechten Krieg handelt oder nicht. Dies scheint für Lugo auch die Herkunft des Wortes servus zu erklären, da dieser vor dem Tod bewahrt (lat. servare) blieb bzw. als Sklave (lat. mancipium) mit der Hand (manus) des Siegers in Besitz genommen wurde. Das etymologische Wortspiel vom Sklaven als vor dem Tode Bewahrten, das ins Deutsche nicht übertragbar ist, findet sich bereits bei Augustinus.820 Schon bei diesem wurde dabei auf das Kriegsrecht hingewiesen. Die eigentliche Ursache der Sklaverei sah Augustinus in De civitate Dei jedoch in der Sünde, welche mit dem Sohn Noahs in die Geschichte eingetreten sei.821 Die Versklavung als Alternative zur Tötung der Besiegten erscheint bei Lugo als ein Akt der Barmherzigkeit. Dies sei auch dann vorzuziehen, wenn es sich um einen ungerechten Krieg handelt. Einen Unterschied macht er jedoch wieder zwischen Christen und Nichtchristen. Wenn die Besiegten keine Christen sind, dürfen bzw. sollen sie versklavt werden. Für christliche Kriegsgefangene hingegen gilt die gewohnheitsrechtliche Regelung unter christlichen Herrschern, dass Christen keine Christen versklaven. Dann sollen die Besiegten als Kriegsgefangene zu einem bestimmten Preis festgehalten werden, bis sie sich loskaufen.822 Hier wird also ein Unterschied zwischen christlichen Kriegsgefangenen und nichtchristlichen kriegsgefangenen Sklaven gemacht, wobei die erste Kategorie offenbar ein Recht darauf hatte, sich selbst loskaufen zu dürfen oder loskaufen zu lassen. In der Praxis kauften sich freilich auch Menschen aus der zweiten Kategorie wieder los, und es konnte vorkommen, dass sich Menschen aus der ersten Kategorie aus Geldmangel nicht loskaufen konnten. Insofern handelt es sich hier um eine sehr theoretische Unterscheidung, die vor allem dem Gewohnheitsrecht geschuldet war. In der Praxis dürften die Grenzen fließend gewesen sein. 820 Augustinus, De civitate Dei, Buch 19, Kap. 15: „Man nimmt jedoch an, dass das Wort Knecht [Sklave; d. Verf.] in der lateinischen Sprache daher stammt, daß die, welche nach Kriegsrecht getötet werden konnten, von den Siegern, die sie aufbewahrten, Knechte genannt wurden (‚servi‘ von ‚servare‘); aber auch das ist eine Folge der Sünde.“ (Augustinus, Vom Gottesstaat [De civitate Dei]. Vollständige Ausgabe in einem Band. Aus dem Lateinischen übertragen von Wilhelm Thimme, eingeleitet und kommentiert von Carl Andresen, München 2007, 558). 821 Ebd., 557f. Vgl. auch zur Verfluchung Hams, 80-94. 822 Unde ex misericordia magis erga victos servitus videtur introducta, ne victi occiderentur. Ad hoc autem in primis requiritur Justitia belli ex parte dominorum, ubi enim bellum injustum est, servitus non contrahitur, nisi apparens, requiritur etiam quod victi non sint Christiani, hi enim ex antiquissima consuetudine ab omnibus Christianis principibus observata, quando ab aliis Christianis capiuntur, non fiunt servi, sed captivi ad summum tenentur, donec se redimant (Lugo, Disputationes [Bd. 6], Paris 1869, 635).

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Wie Molina diskutiert auch Lugo, ob sich diese Regelung nur auf die Männer (Soldaten) bezieht oder auch auf unschuldige Kinder und Frauen. Er bemerkt dazu: „Dieser Titel wird erweitert auf die Kinder als Gefangene im Krieg, die nicht rechtmäßig getötet, aber Sklaven werden können.“823 Kinder – aber auch Frauen – konnten nicht rechtmäßig getötet werden, da sie im Krieg als unschuldig betrachtet wurden. Das heißt aber nicht, dass sie nicht vom Krieg betroffen waren. Sie konnten zu Sklaven werden. Aber warum konnte ein unschuldiges Kind für die Taten des Vaters zur Verantwortung gezogen werden? Lugo begründet dies folgendermaßen: „ … so nämlich erdulden die Kinder von Häretikern und derer, die ein Verbrechen der Majestätsbeleidung begehen, die Schande wegen des elterlichen Vergehens. Der Sieger kann also den besiegten Staatsfeind bestrafen, indem er ihn zum Sklaven macht und ihn bestraft an seinen Kindern, die zu ihm gehören. So also können sie mit der Macht von Siegern die Kinder rauben, weil sie ein Teil des Staatsfeindes sind. So können sie der Freiheit beraubt werden.“ 824 (Übersetzung D.K.)

Folglich konnte der Kriegszustand auch im Innern eines Staatswesens bestehen. Die Kinder hafteten für ihre Eltern, wenn sich diese der Häresie und Majestätsbeleidigung schuldig gemacht hatten. Dann zählten auch deren Kinder zu den Staatsfeinden und konnten ihrer Freiheit beraubt werden. Diese Passage deutet die Vorstellung einer generationenübergreifenden Kollektivschuld an. Aber streng genommen galt nicht das Kind selbst als schuldig, denn der Staatsfeind sollte durch die Kinder bestraft und nachhaltig geschädigt werden. Die Versklavung der Kinder war dabei gegenüber ihrer Tötung das geringere Übel. So wollte Lugo letztlich die Kindstötung im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen eindämmen, indem er deren Versklavung legitimierte. Der zweite Rechtstitel für die Sklaverei besteht nach Lugo „aufgrund der gerechten Strafe, weil jemand wegen Vergehen seines Lebens oder seiner Freiheit beraubt werden kann.“825 Die Sklaverei als legitime Strafe für kriminelle Vergehen hat Lugo als menschlichen Gnadenakt gegenüber der Todesstrafe angesehen. So konnte z. B. die Rebellion mit der Todesstrafe oder analog zum Kriegsrecht mit ständiger Sklaverei als milderer Form der Be-

823

Extenditur hic titulus etiam ad infantes captos in bello, qui licet iuste occidi non possint, possunt fieri servi (ebd.). 824 … sic enim filii haereticorum, aut eorum qui committunt crimen laesae majestatis, patiuntur infamiam propter delictum parentum. Potest ergo victor punire rempublicam hostilem victam, reddendo eam servam, et puniendo eam etiam in infantibus, qui ad eam pertinent. Sicut ergo possunt infantes spoliare opibus a victoribus, quia sunt pars reipublicae hostilis; sic possunt libertate privari (ebd.). 825 Secundus ergo titulus est justae condemnationis, quando propter delicta potest aliquis sicut vita, sic etiam libertate privari … (ebd.).

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

strafung geahndet werden.826 Welche Delinquenten durften noch mit Sklaverei bestraft werden? Lugo nennt zum Ersten Frauen, die an ihrem Konkubinat mit einem Prälaten hartnäckig festhielten, zum Zweiten christliche Seefahrer, die zwar gegen Sarazenen in See stechen, aber hierbei das Piratenhandwerk ausüben, und zum Dritten die Apostaten. Über diesen zweiten Rechtstitel konnten dann Christen doch wieder zu Sklaven werden. Anhand eines Fallbeispiels, das er von Molina übernahm, zeigte Lugo nun, wie sich diese beiden Rechtstitel in der Rechtssprechung auswirken konnten. So hätten die Spanier getaufte Sarazenen (Moriskos) erlaubterweise versklavt, weil sie nach ihrer Taufe vom Glauben wieder abgefallen seien und gegen den spanischen König rebelliert hätten. (Bezug ist wieder der Aufstand in Granada). Aufgrund des Kriegsrechts sollten deren Kinder ebenfalls versklavt werden, weil sie zum Staatsfeind gehörten und das Vergehen der Eltern an ihnen bestraft werden sollte. Dies habe der spanische König Philipp II. jedoch nicht erlaubt, weil die Kinder getauft waren und daher nach dem Kriegsrecht nicht Sklaven von Christen werden konnten, obwohl sie zu den Staatsfeinden gehörten. Außerdem bestand die Möglichkeit, dass einige Kinder vaterlos waren und daher gerechterweise nicht für die Vergehen ihre Vormünder bestraft werden konnten. Daher sei es vom König weiser gewesen, dass er die Versklavung der Kinder verboten habe, damit nicht Unschuldige belangt würden.827 Der dritte Rechtstitel für Sklaverei wird von Lugo folgendermaßen eingeführt: „Der dritte Titel besteht aufgrund des Kaufens und Verkaufens: Ein freier Mann nämlich, der, wie er Herr ist nach Ruf, Ehre und Reichtümern, so auch Herr seiner eigenen Freiheit ist, kann sie verkaufen.“828 Die Freiheit 826

Caeterum sicut possent propter alia priora delicta juste ad mortem postea damnari, ut propter rebellionem, aut patriae traditionem prius commissam, non video, cur non possent etiam ad servitutem perpetuam condemnari quae tunc contraheretur iure belli, sed per modum poenae, et justae condemnationis propter priora delicta (ebd.). 827 Unde probat Molina disp. XXXI. potuisse licite Hispanos redigere in servitutem non solum Mauros, seu Saracenos illos, qui cum baptizati essent, ut a fide apostatarent, rebellarunt contra Hispaniae regem, sed etiam eorum parvulos, si voluissent (quod tamen Philippus II. rex non permisit) tum, quia pars erant reipublicae illius, quam rebelles electo sibi rege statim fecerunt: tum etiam, quia apostasiae et rebellionis delictum dignum erat, ut puniretur servitute etiam ad filios extensa propter delicti atrocitatem. Ex quibus rationibus, prima quidem non videtur efficax, cum illi parvuli baptizati essent, atque adeo jure belli non poterant servi fieri Christianorum, licet essent pars reipublicae hostilis, imo licet fuissent adulti et hostes. Secunda vero ratio melior est, sed non probat de omnibus pueris: erant enim fortasse aliqui sine patribus, qui non poterant juste poenam illam pati propter delictum suorum tutorum vel curatorum, sub quorum cura erant. Quare sapienter illa impuberum servitus prohibita fuit a rege, ne innocentes forte aliqui eam incurrerent, quibus de iure imponi non posset (ebd., 635f.). 828 Tertius titulus est emptionis et venditionis, potest enim homo liber, qui sicut dominus est famae et honoris ac divitiarum, sic etiam dominus est propriae libertatis, eam vendere, … (ebd., 636).

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als disponibles Rechtsgut dient im Weiteren zur Begründung der Schuldsklaverei, die für Lugo immer vertraglich geregelt und zeitlich begrenzt war. Als vierten und letzten Rechtstitel führt Lugo an: „Der vierte Titel ist die Geburt: jeder, der nämlich von einer Sklavenmutter geboren wurde, ist ein Sklave, auch wenn der Vater frei und die Verbindung erlaubt oder unerlaubt ist.“829 Bei der Sklaverei von Geburt folgte das Kind dem Rechtsstatus der Mutter. Der Rechtsstatus des Vaters und der Verbindung zwischen Vater und Mutter, ob erlaubt oder unerlaubt, war irrelevant. War die Mutter zum Zeitpunkt der Empfängnis bzw. der Geburt oder dazwischen frei gewesen, war das Kind ebenfalls frei, unbeschadet, ob die Mutter später wieder in Sklaverei geriet.830 Einerseits sollte mit diesen Bestimmungen die Verbindung zwischen Kind und Mutter bewahrt werden. Andererseits hatte dies den Preis, dass das Kind, solange die Mutter unter der Herrschaft des Sklavenhalters stand, selbst im Sklavenstatus blieb. So zeigen sich inhaltlich große Übereinstimmungen zwischen Molina und Lugo bei den vier Rechtstiteln der Sklaverei. Diese konnte eine Folge des Krieges, eine Bestrafung für bestimmte Vergehen und eine freiwillig eingegangene Schuldknechtschaft sein oder durch Geburt bestehen. Nun stellte sich die Frage nach dem Geltungsbereich dieser vier Rechtstitel. Nach Lugo waren sie nur dort gültig, wo auch das Römische Recht beachtet wurde. War dies nicht der Fall, galt das lokale Recht, sofern es nicht gegen das Naturrecht verstieß.831 Nach dem Römischen Recht hätte man aber meinen können, dass der Sklave eine Sache sei. Diese Auffassung teilte Lugo jedoch nicht. Für ihn war der Sklave eine Person und keine Sache, über die man willkürlich verfügen konnte. Deshalb billigte er dem Sklaven als Menschen personale Schutzrechte zu, die sein Herr zu beachten hatte.832 Dazu gehörten das Recht auf Leben (ius ad vitam), das Recht auf körperliche Unversehrtheit (ius ad membra) und das Recht auf den guten Ruf (ius ad famam),833 welches seinen Status als soziale und juristische Person verteidigen 829

Quartus titulus servitutis est nativitas, quicumque enim ex matre ancilla nascitur, servus est, etiam si pater liber sit, et sive ex copula licita nascatur, sive ex illicita ... (ebd.). 830 Notandum tamen, quod si tempore conceptus vel partus, vel aliquo intermedio mater fuit libera, filius liber erit, nec nocebit ei praecedens vel subsequens matris servitus, ut libertatem, quam semel habuit ... (ebd.). 831 Quae omnia de jure Romano sunt, et ideo ubi illud jus non observatur, standum etiam erit legibus illius loci, dum Juri naturae non adversentur (ebd.). 832 Disp. III, Sectio II Utrum servus habere possit dominium aliquarum rerum et in primis circa bona corporis (Lugo, Disputationes [Bd. 5], Paris 1868, 504-512). 833 Supponenda sunt aliqua faciliora, de quibus non est controversia. Certum ergo est, servum retinere ius ad vitam, ad membra, ad famam item suam et alia similia, atque ideo in iis pati psse veram et propriam iniuriam, non solum ab aliis sed etiam a domino, quia in iis non consideratur ut servus, sed ut homo ... (ebd. 504).

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sollte. Generell wollte Lugo eine humanere Behandlung von Sklaven gegenüber bestimmten Missbräuchen durch die Sklavenhalter durchsetzen. Diese drei Rechte waren aber nicht die einzigen, welche die Verfügungsgewalt über den Körper betrafen. Darüber hinaus sollte der Sklave ein Recht auf Ehe und ehelichen Verkehr haben. Lugo betrachtete die Ehe als Präventivmaßnahme gegen die Sünde.834 In Anlehnung an den Traktat De sancto Matrimonii sacramento des spanischen Jesuiten Tomás Sánchez (15501610)835 verteidigte Lugo auch die Ehe von Sklaven, insbesondere von christlichen Schuldsklaven. Ehe und Schuldsklaverei basierten für Lugo auf einem Vertrag. Wenn ein Sklave vor seiner Versklavung geheiratet hatte, so hatte er immer noch seine älteren Vertragspflichten gegenüber seiner Ehefrau zu erfüllen. Dies sei auch dann der Fall, wenn er als Sklave mit Zustimmung seines Herrn heiratete. Der Herr als neuer Vertragspartner hätte dafür zu sorgen, dass der Sklave seinen ehelichen Pflichten nachkommen könne. So dürfe er ihn nicht von seiner Frau zu weit entfernen oder an Dritte in der Ferne verkaufen.836 Wenn der Sklavenhalter dieser Bestimmung zuwiderhandelte, er den Sklaven also von seiner Frau entfernte und keiner ihn vom Gegenteil überzeugen konnte, sollte nach Lugo die lokale Kirche den Sklaven zwangsweise kaufen können, um die Ehe des Sklaven zu schützen.837 Bei diesem Kauf handelte es sich aber nicht um einen Loskauf des Sklaven. Dieser ging vielmehr in den Besitz der Kirche über. Lugo hatte demnach kein Problem damit, dass die Kirche selbst Sklaven kaufte und besaß.838 834

Infertur quarto, nec posse servos a dominis prohiberi ne matrimonium ineant, quia hoc inter bona corporis numeratur, et necessarium est tum ad naturae propagationem, tam ad subsidium spiritualem et remedium contra concupiscentiam, ut constat cum S. Th. infra qu. CIV, art.5 tradunt communiter omnes theologei, de quo late agit Th. Sanchez lib. VII de Matrim. disp. 21 (ebd., 505). 835 Bei der Schrift „De matrimonio“ von Tomás Sánchez handelt es sich um ein einflussreiches Werk zur katholischen Ehe- und Sexuallehre. Darin vertrat er einen radikalen, besitzrechtlich formulierten Probabilismus (vgl. SCHÜßLER [2007] 257-284; 269f.). 836 Denique, quando aliquis fieret servus vendendo seipsum ante matrimonium, et postea absque consensu domini uxorem ducit, non videtar dominus teneri ex iustitia ad non vendendum, vel mittendum illum ad loca remota. … Ratio autem sumitur ex supradictis, quia per contractus sequentes non potest aliquis praejudicare illi, cui eadem res iam prius obligata erat, cum ergo servus prius se domino obligaverit titulo servitutis legitimae ad debita … (Lugo, Disputationes [Bd. 5], Paris 1868, 508). 837 Secundo potest praelatus absolute cogere dominum etiam ex alio fine imponentem obsequia, vel ad remotum locum mittere volentem servum cum praejudicio usus conjugalis, potest, inquam, cogere, ut eum vendat alteri apud quem liberius possit conjugo uti, ut docent multi, quos congerit ide, Sanch. disp. XXII num 2 … et postea num. 16 qui addunt, nullo invento emptore, ecclesiam ipsam debere servum illum emere, et alii rursus addunt, cogi posse aliquem ab Ecclesia, ut propter bonum matrimonii servum illum emat, et facultatem illi praebeat utendi matrimonio (ebd., 512). 838 Zur Sklavenehe: Ebd., 505-512.

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Sollte diese Regelung nur für christliche Sklaven gelten oder auch für muslimische? Diese Frage war vor dem Hintergrund der Sklavereipraxis im Mittelmeerraum von großer Relvanz. Bei ihrer Beantwortung war auch zu bedenken, dass das Naturrecht im Grunde für alle Menschen gelten musste. Wenn die Bestimmungen zur Sklavenehe sich also naturrechtlich begründen ließen, dann war diese Frage nicht einfach von der Hand zu weisen. Trefflich stellte Lugo das Problem der gegenwärtigen Praxis dar: „Aus der allgemeinen Praxis wird es bestätigt: Täglich werden nämlich Gefangene und Sklaven unter den Türken, Sarazenen und anderen Ungläubigen gemacht, die rechtmäßige Frauen in ihrem Heimatland haben, welche zu diesen nicht kommen können, und dennoch werden die Herren nicht dazu angehalten, diese in das Heimatland zurückzuschicken, damit sie mit ihren Frauen zusammenwohnen. Auch werden sie nicht nur nicht zurückgeschickt, sondern werden auch in weit entfernte Gegenden zerstreut.“839 (Übersetzung D.K.)

Die Präsenz von muslimischen Sklaven und Gefangenen unter christlichen Herren gehörte ganz selbstverständlich zu Lugos Erfahrungshorizont. Die Versklavung von Muslimen beruhte nicht auf einem Vertrag, war also keine Schuldknechtschaft, sondern eine Folge der Kriegsgefangenschaft (erster Rechtstitel). Seine Ausführungen zum Schutz der Sklavenehe hatten sich aber auf christliche Schuldsklaven bezogen (dritter Rechtstitel). An diesem Beispiel zeigt sich nun, dass die unterschiedlichen Rechtstitel auch unterschiedliche praktische Konsequenzen nach sich zogen. So kamen der erste wie der zweite Rechtstitel einer Bestrafung gleich (einmal für die Schuld im Krieg, einmal für ein Verbrechen). Daher waren diese beiden Rechtstitel auch mit mehr Einschränkungen der persönlichen Freiheit, wie zum Beispiel dem Vollzug der Ehe, verbunden. Schließlich gab es noch ein ganz praktisches Problem: die große Entfernung zwischen muslimischen Sklaven und ihren Ehefrauen in der Heimat. Sie machte ein Zusammenleben von vornherein unmöglich. 840 Dabei stand die Gültigkeit der muslimischen Ehe für Lugo außer Zweifel. Die Anerkennung der muslimischen Ehe erfolgte aufgrund des Vertragrechts und war somit unabhängig vom sakramentalen Charakter einer Ehe, der nur für christliche Ehen galt. Unter den Bedingungen des Krieges war es also legitim, wenn zum einen muslimische Ehemänner als Kriegsgefangene versklavt wurden und wenn 839

Confirmatur ex praxi communi: quotidie enim captivi, ac servi fiunt Turcae et Sarraceni ac alii infideles, qui uxores legitimas in patria habent, quae ad ipsos venire non possunt: et tamen domini non tenentur eos ad patriam remittere, ut cum uxoribus habitent, nec solum non remittuntur, sed distrahuntur etiam ad loca magis remota (ebd., 506f.). 840 Dices, servos illos Turcas, et similes potuisse iure belli occidi: quare potuit etiam mortis poena commutari in talem servitutem, quae exilium etiam contineat a patria, licet per accidens impediatur usus coniugii: sicut iudicis etiam sententia cogitur reus exulare, licet uxor eum fortasse comitari non possit (ebd., 507).

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zum anderen Ehefrauen im mediterranen Kaperkrieg gefangengenommen, verschleppt und so von ihren Ehemännern getrennt wurden. Allerdings durften die Frauen, weil sie nach dem Kriegsrecht nicht waffenführend waren und somit als Einzelpersonen für unschuldig galten, nicht getötet werden.841 Dasselbe galt auch für deren Kinder, die unter dem Rechtstitel der Kriegsgefangenschaft ebenso verschleppt und versklavt werden konnten.842 Die Sklavenflucht ist ein weiteres Thema, mit dem sich Lugo in diesem Zusammenhang auseinandersetzte.843 Er setzte dabei voraus, dass ein Sklave immer versuchen würde zu fliehen gemäß seiner menschlichen Natur, die auf die Freiheit ausgerichtet sei. Die Flucht war damit durch das Naturrecht legitimiert. Es gab jedoch eine Ausnahme: Ein christlicher Schuldsklave, der seinen Vertrag zu erfüllen hatte, um seine Schulden zu tilgen, durfte nicht fliehen. Hier bestand eine Vertragsbindung. In diese Kategorie fielen all diejenigen, die sich legitimerweise selbst an andere, wenn auch nur für ein Jahr, verkauft hatten, und Kinder, die von ihren Eltern verkauft worden waren. Sie hatten sich vertraglich zu Gehorsam verpflichtet und durften daher nicht fliehen. Anders verhielt es sich freilich mit denjenigen, die auf ungerechte Weise versklavt worden waren. Sie durften nach Lugo fliehen.844 841 Sed contra, quia non solum licitum est viros captivos facere, et ab uxoribus longius separare, quos occidere licebat, sed etiam feminas, quae in mari vel alibi caperentur, licitum est apud nos retinere, et longius a viris separare in locis magis remotis; quas tamen non licebat regulariter occidere, ut cum aliis docet P. Molina I. tom. Tr. II. disp. 120. Quod si dicas, illas etiam feminas, licet occidi non possint, posse tamen puniri in bonis fortunae et libertate tanquam partes reipublicae inimeae et nocentis (ebd.). 842 Lugo unterscheidet hier im Anschluss an Molina zwischen den Frauen und Kindern als Einzelpersonen, die im Krieg als unschuldig galten, und als Teil des Staatsfeindes, der die Folgen kollektiver Bestrafung zu tragen hatte: Contra hoc etiam est, quia hoc titulo filii etiam earum ancillarum puniuntur ut eorum parentes, et respublica puniatur in filiis, ut concedit Molina I. c. atque adeo eodem titulo, hi etiam filii servi, qui apud nos nascuntur, poterunt per modum poenae mitti ad loca remota etiam cum dispendio coniugii (ebd.). Im Folgenden weist er darauf hin, dass die meisten muslimischen Sklaven durch Kriegsgefangenschaft und nicht mehr durch Kauf versklavt wurden, weshalb der eheliche Verkehr gerechterweise unterbunden wird. So Lugo: Qui ergo sunt illi servi quos dominus distrahere non poterit in loca remota absque eorum iniuria; nam omnes fere servi, qui apud nos sunt, capti sunt a republica inimica, vel ipsi vel eorum parentes aut progenitores? Nemo autem vel vix unquam unus reperietur hodie, qui ex venditione, qua seipsum vendidit, servus factus fuerit. Loquendo ergo de servis hodiernis, fatendum erit, non esse contra iustitiam si ad loca remota distrahantur etiam cum impedimento debiti coniugalis (ebd.). 843 Disp. VI, Sectio III Utrum et quomodo liceat servis fugere a suis dominis (Lugo, Disputationes [Bd. 6], Paris 1869, 638-641). 844 Certum est apud omnes non licere fugam iis servis qui se vendiderunt, vel qui a parentibus legitime venditi sunt; ii enim eo ipso quod se vendiderunt, sese obligarunt ad exhibenda obsequia, sicut famulus qui suas operas per annum locat, et obligat se ad serviendum eo anno, non potest eo anno fugere, quia jam negaret quod ex legitimo contractu domino debet. Secundo certum est, illum qui injuste servus factus est, fugere posse, imo et resarcire sibi damnum ab injusto possessore illatum (ebd., 638).

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Umstritten war die Frage, ob die Gefangenen, die in einem gerechten Krieg versklavt worden waren, fliehen durften.845 Die Gegner der Sklavenflucht, wie zum Beispiel Luis de Molina, gingen von der Rechtsfiktion eines Vertragsabschlusses in einem gerechten Krieg aus. Auch bei Molina hatten die Kriegsgefangenen ihr Leben um den Preis ihrer Versklavung behalten. Mit diesem Tausch wären sie dann aber auch eine passive Verpflichtung eingegangen, die ihnen nicht zu fliehen gestattete. Bei einer solchen Argumentation wird die Versklavung durch Gefangenschaft im gerechten Krieg als Sonderform der freiwilligen und vertraglich geregelten Schuldsklaverei dargestellt.846 Dieser Position widersprach Lugo, wie wir bereits gesehen haben. Der Versklavung lag ihm zufolge keine freiwillige vertragliche Vereinbarung zugrunde, sondern der Sieger zwang den Besiegten die ständige Sklaverei faktisch auf. Folglich durfte der Besiegte fliehen.847 Zur Begründung zog Lugo auch das antike Römische Recht heran, und zwar das privilegium postliminii.848 Aufgrund dieses Privilegs stand es den Rückkehrern aus der Kriegsgefangenschaft nämlich zu, dass sie ihren früheren Rechtsstatus wieder erhielten. Es wurde nach erfolgreicher Flucht sowohl den Römern als auch den Feinden Roms gewährt. Strittig war unter Lugos Zeitgenossen nun, ob aus diesem Vorrecht die Flucht aus einer legitimen Versklavung (für alle Rechtstitel der Sklaverei) abgeleitet werden konnte.849 845

Dubium est inprimis de iis qui in bello iusto servi facti sunt. Prima sententia dicit, non posse eos licite fugere: hanc tenent Antonin, Hugo, Silv. Nav. Et alii, quos referet Sanch. Loco supra citato, dub. VI. Num. 4. Eamdem tenet et late probat Mol. disput. XXXVII. Secunda sententia dicit, licitam eis esse fugam, hanc tenent Covarr., Soto, Angles, Salonius, Ludov. Lopez, Navarra, Bannes, quos refert et sequitur Sanch. dub. VI. eamdem tenet Lessius lib. II. Cap. V. dub. 5. Rebellus dicto libr. I. qu. 2. Turrianus in praesenti disp. XXXII (ebd.). 846 Dub. 2. Et alii recentiores communiter. Loquendo de possibilitate, utroque modo haec servitus introduce potuit; nam potuisset mors in talem obligationem commutari, ut sese obligarent ad non fugiendum ob acceptam vitam, sicut sese obligat qui sponte se vendit (ebd.). 847 Potuit etiam non peti tale pactum, sed a victore imponi servitus perpetua victo, ad quam sustinendam ipse victus passive solum concurreret. Probabilius autem videtur, de facto rem ita se habere, atque adeo eiusmodi servum posse licite ad suos redire (ebd.). 848 Zum privilegium postliminii: WELWEI (2006). 849 Probatur primo a Rebello quia iure Caesareo concessum est privilegium postliminii, quo captive redeuntes ex captivitate in pristinum statum reducuntur, perinde ac si capti nunquam fuissent. Sed confunduntur immerito haec duae facultates: alia enim est facultas fugiendi ex iusta servitute; alia facultas, seu privilegium postliminii. Prima respicebat non tam subditos, quam hostes Romanorum, quibus concedebatur, ut post fugam et reditum ad suos, liberi essent a priori servitute, qua apud Romanos tenebantur. Secunda vero respiciebat subditos Romani imperii, quibus concedebat, ut redeuntes a capitivitate haberent ius postliminii, hoc est, omnia pristine recuperarent, quare hoc privilegium magis erat pro illis iniustam servitutem passi fuerant, qualem Romanae leges praesumebant eam, qua Romani apud eorum

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Lugo vertrat hier, wie erwähnt, gegen andere die Auffassung, dass ein Sklave aus der Gefangenschaft, auch wenn es sich um einen gerechten Krieg handelte, fliehen durfte und nach seiner Rückkehr seinen früheren Status zurückerhalten sollte. Die Flucht aus der Kriegsgefangenschaft sei keine Sünde. Stattdessen begehe der Gesetzgeber eine Sünde, wenn er dem Rückkehrer seinen ursprünglichen Rechtsstatus verweigere.850 Diese Auffassung sah er auch dadurch bestätigt, dass im Krieg viele Unschuldige und Kinder in Gefangenschaft gerieten, obwohl sie keine so schwere Strafe verdient hätten.851 Die Existenz der unschuldig versklavten Kinder wendete er gegen das vertragstheoretisch begründete Fluchtverbot anderer Autoren. Unschuldige bzw. Kinder dürften in einem Krieg nicht gerechterweise getötet werden. Wenn sie in Gefangenschaft gerieten, entfiel daher der fiktive Vertragsgrund. Also selbst wenn man hier einen Vertragsgrund (passive Verpflichtung durch Bewahung ihres Lebens) annahm, was Lugo selbst nicht tat, müsste man einsehen, dass wenigstens Kinder und Unschuldige (hier sind wohl Frauen, Alte und Kranke gemeint) erlaubterweise fliehen dürften.852 Die Flucht hielt er ebenfalls für erlaubt, wenn der Sklave vom Sieger weiterverkauft wurde, denn die Käufer bzw. Besitzer zweiten und dritten Grades hätten nicht mehr Rechte erworben als der Sieger.853 Auch die Kinder einer Sklavin, die in einem gerechten Krieg gefangengenommen worden war, durften fliehen, weil aus ihrer Geburt (vierter Rechtstitel) keine weite-

hostes tenerentur. Ex hoc ergo iure postliminii non arguitur facultas fugiendi a servitute iusta, de qua est praesens controversia (Lugo, Disputationes [Bd. 6], Paris 1869, 638). 850 [22 Rationes pro hac sententia] Melius ergo probatur secundo ex aliis legibus, quibus conceditur, ut diximus, quod servus in bello captus. Ubi primum ad suos rediit, liber fiat: prout habetur in §. item ea Instit. de rerum divisione, ubi expresse sermo est de servis captis a Romanis in bello justo; ,Liberi, inquit, homines capti in bello justo in servitutem nostrum reducantur, qui tamen si evaserint, ad suosque reverse fuerint, pristinum statum recipient.‘ Unde arguitur, eos fugiendo non peccasse; alioquin daretur eis libertas in praemium iniquitatis, et quidem tanto proposito praemio legislator eos ad peccandum alliceret, a quo potius suppliciis deterrere debuisset (ebd.). 851 Confirmatur, quia inter eos qui bello capiuntur multi sunt innocentes, ut constat de parvulis, quibus durissimum esset, quod absque ullo delicto tam gravis poena imponeretur cum obligatione eam exequendi (ebd., 638f.). 852 Aliunde vero non potuit cum illis pactum implicitum intervenire, quo ob concessam vitam illam obligationem acceparent; hi enim non poterant licite occidi; ergo hi saltem licite possunt fugere, ac per consequens etiam caeteri, cum doctores universaliter loquantur de omnibus servis bello captis; concedentes, vel negantes posse licite fugere (ebd., 639). 853 [23 Quid, si iam ad alios emptores devenerint, et de iis, qui ab eis nascuntur] Ex hac conclusione infertur primo idem esse dicendum, licet servus ille sit penes alium, qui titulo emptionis a victore illum possidet: nam emptor non acquisivit plus iuris in eum quam habuisset venditor. Ergo si a primo poterat fugere, poterit etiam a secundo, et a tertio possessore (ebd.).

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ren rechtlichen Verpflichtungen entstanden seien.854 Entsprechend sündigten auch diejenigen nicht, die dem Sklaven zur Flucht rieten, denn wenn die Flucht erlaubt sei, dann auch der Rat dazu.855 Allerdings dürften die Fluchthelfer nicht alles unterstützen, was ein fliehender Sklave zur Erlangung seiner Freiheit unternahm, so z. B. die Sachbeschädigung am Besitz des Herrn.856 Insgesamt nahm Lugo also im Vergleich zu anderen Gelehrten beim Thema Sklavenflucht eine äußerst großzügige Haltung gegenüber den Sklaven ein. Die Perspektive ist hier stärker am Wohl des Sklaven bzw. der Sklavin orientiert als an den Eigentumsrechten der Besitzer. Dies trifft auch für das Thema Bestrafung nach einer missglückten Flucht zu. Lugo plädierte für eine humanere Bestrafung von wieder eingefangenen flüchtigen Sklaven, indem er z. B. drastische Strafen, die eine erneute Flucht endgültig verhindern sollten, wie die Verstümmelung oder die Arbeit in den Bergwerken, verurteilte.857 Da die Flucht für ihn weder eine Sünde noch ein 854

Infertur secundo idem dicendum esse de vernaculis, hoc est, iis qui ex matribus bello captis postea apud nos nascuntur: quibus fugam licitam negarunt Anglus et Ludovicus Lopez apud Sanch. dub. VIII. Ubi affert etiam P. Henriquez, qui de hoc consultus, ita respondit. Ipse tamen cum Navarra et aliis merito dicit, non esse differentiam: quia filius cum totam suam servitutem contrahat ex servitute suae matris, non potest maiorem obligationem habere, quam habeat ipsa mater manendi apud dominum. Ergo sicut ipsa poterat, sic et filius poterit fugere (ebd.). 855 [24 An liceat eis fugam consulere] Infertur tertio, neque etiam peccare eos, qui ejusmodi servis fugam consulunt, est enim consilium de re licita quidquid contrarium dixerint Salonius, et Ludov. Lopez apud eumdem Sanch. dub. VI. nu. 7. Nostrum tamen sententiam tenent Lessius loco cit. nu. 25. Bannes, Soto, et Navarrus, quos refert et sequitur Sanch. ubi supra (ebd.). 856 An vero, et quomodo liceat illos ad fugam iuvare, pendet ex iis quae dicemus infra de iis qui reum adiuvant ad fugiendum e[x] carcere: eadem enim est ratio de utrisque. Nec omnia quae servus potest facere ad fugiendum, poterit alius tertius facere ad eum liberandum, rumpendo, v.g. et violando portas et parietes adversus ius domini, qui licite et pacifice et servum et domum suam possidet (ebd.). 857 [26 An fugientes puniri possint] Arguit secundo, ex leg. III. C. de servis fugitivis, in qua statuitur quod servus in eiusmodi fuga deprehensus puniatur, vel amputatione unius pedis, vel deputatione ad metalla, quae poenae gravitas arguit fugam non fuisse sine gravi culpa. Hac vero in re magis standum est legibus codicis, quam digestorum, non solum quia posteriores sunt, sed etiam quia sunt principum Christianorum, et supponunt iustitiam quae in Christianorum bellis esse debet. ... Respondetur imprimis falsum supponi, quod lex illa codicis sit posterior; illa enim est imperatoris Constantini, et fortasse nondum Christiani cum tamen Justinianus imperator multis post annis fugam illam permittat in d. §. item ea. Deinde illa lex. III. non loquitur de servis redeuntibus ad suos, sed de transfugis ad hostes et barbaros, qui non solum eo supplicio, sed morte etiam damnantur in I. si quis XXXVIII. §. transfuga, ff. de poenis. Addit Lessius num. 27. servos illos, dum in bello capti sunt, potuisse occidi, quare potuit hoc pacto mors in servitutem commutari, ut si fugerent, possit prior poenae condonatio ex parte revocari, irrogato gravi suplicio. Hoc tamen non potest omnibus servis in bello captis applicari, cum plures, quia innocentes erant, occidi non possent. Melius ergo respondeo, vel legas illas non loqui de servis ad suos fugientibus: vel quoad eam poenam mutilationis esse iniustas, sicut et illas quae fugientibus e carcere imponunt capitis, vel mutila-

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schweres Vergehen darstellte, waren härtere Strafen nicht gerechtfertigt. Er versetzte sich so weit in die Perspektive des Sklaven hinein, dass er sogar Fluchtwege für Sklaven erwog. Musste ein Sklave in seine Heimat fliehen, um seine Freiheit zu erlangen? Für Lugo war dies nicht zwingend notwendig. Bereits die Flucht zu einem Verbündeten des Heimatlandes müsste genügen, um freizukommen.858 Dass eine solche Meinung die Motivation zur Flucht eher erhöhte, muss dem Kardinal bewusst gewesen sein. Er ging sogar so weit, eine sichere Passage für muslimische Sklaven zu empfehlen. Es genügte nicht für den sarazenischen Sklaven, dass er von der Toskana nach Mailand floh, da beide mit seinem Heimatland verfeindet waren. Er musste an einen neutralen Ort gelangen. Gelang einem Türken die Flucht von Spanien in eine afrikanische Provinz, die mit dem Osmanischen Reich in einer Union oder Konföderation verbunden war, dann wäre er dort so frei und sicher wie in seiner Heimat.859

tionis poenam; vel legislatores amplexos tunc fuisse sententiam probabilem contrariam. Denique fatemur poenam aliquam et punitionem moderatam posse a dominis imponi, quae non tam est ad poenam quam ad custodiam: sicut enim potest dominus arctiori custodia, et vinculis tenere servum fugitivum, ne iterum fugiat; sic potest aliud aequivalens malum inferre, ut ejus metu iterum non fugiat, de quo dicemus agendo de reo, an possit puniri ob fugam e carcere (ebd., 640). 858 [27 An solum ad suos fugere possint] Tertio arguit Molina, quod ex nostra sententia sequitur, quod servus ille statim ac egredietur fines illius regni in quo detinetur, fiat liber, atque ideo si servus ex Lusitania transiret ad Castellam, quando diversi erant reges, liberum fieri; quod idem sequeretur, si in Italia fugeret ex Hetruria Parmam, vel ex Parma ad ducatum Mediolanensem, imo si in utroque statu bellum esset adversus nationem et patriam illius servi, posset secundo capi a Mediolanensibus, et non reddi domino priori Parmenensi: quae omnia absurda sunt. Hac occasione dubitari potest, an liceat servo solum fugere ad suos, vel ad patriam, an ad alia etiam loca? Et quidem conveniunt auctores nostrae senteniae quod non liceat servo fugere ut maneat, et vagetur intra confinia eiusdem provinciae, et in potestate ejusdem principis: per hanc enim non recuperat libertatem, dum autem servus est, tenetur ad obsequia praestanda. Aliqui tamen significant, solum ad patriam posse fugere: quia hoc indicant verba Justiniani in illo §. item ea, dum dicitur fieri liberum, si ad suos reversus fuerit: quare hoc indicant Gregor. Lopez et Covar. apud Sanch. Dub. VII. num. 2. Turrian. etiam. Num. 18. solum id concedit quando revertitur ad suos. Navarra vero lib. III. de restitut. c. I. num. 200. dicit, tam posse fugere in patriam, quam in alia regna distincta a loco captivitatis. Melius tamen, et clarius Lessius num. 24. dixit, posse fugere ad suos, vel ad amicam civitatem, ubi publico nomine tuti sint: in hoc enim sensu explicatur reditus ad suos, quando de postliminii jure agitur in I. Postliminio, ff. De captivis, et postliminio reversis: tunc enim dicitur ad suos formaliter, vel aequivalenter reversus, quando ita tutus est, et liber ab omni perturbatione et molestia, ac si in sua patria esset (ebd., 640f.). 859 Non ergo sufficit servo Saraceno, si ab Hetruria Mediolanum se conferat: quia utrobique est apud hostes suae patriae, et in neutro loco primam securitatem recuperavit. Sufficeret tamen Turcae, si ex Hispania confugiens rediret ad aliquam Africae provinciam, quae cum Turca unionem et confoederationem haberet, ratione cujus posset ibi securus esse sicut in propria patria (ebd., 641).

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Im Zusammenhang mit der Darstellung des ersten Rechtstitels hatte Lugo einen Unterschied zwischen christlichen Kriegsgefangenen und nichtchristlichen kriegsgefangenen Sklaven gemacht. Während die ersten aus gewohnheitsrechtlichen Gründen nicht versklavt werden durften, war dies bei der zweiten Gruppe legitim. Im Hinblick auf das Thema Sklavenflucht stellte sich nun die Frage, ob zwischen diesen beiden Gruppen differenziert werden musste. Durfte eine Gruppe fliehen und die andere nicht? Hier ging es also wieder um ein moralisches Problem, das jedoch auch Konsequenzen für die Praxis, zum Beispiel bei einer missglückten Flucht oder bei der Bestrafung von Fluchthelfern haben konnte. Interessanterweise wird dieses Problem am Beispiel der Galeerensklaven diskutiert. Die Sklaverei auf den Galeeren, wie sie im 17. Jahrhundert im Mittelmeerraum auf christlicher wie auf muslimischer Seite praktiziert wurde, galt für Lugo als sehr harte und inhumane Form der Sklaverei. Gerade aufgrund der unzumutbaren Zustände hielt er die Flucht von Kriegs- und Strafgefangenen, die als Rudersklaven auf den Galeeren dienten, für legitim.860 Damit bezog er auch die Gruppe der forzati (Strafgefangene) ausdrücklich als eine Form von Sklaverei in die Diskussion mit ein.861

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[28 An damnati ad servitutem possint fugere] Quarto arguit, quia eiusmodi servus in bello iusto captus, eo ipso censetur damnatus autem ob delicta ad poenam servitutis non potest licite fugere, sed tenetur eam exequi, sicut poenam exilii, et alias similes, ergo nec servus ex bello factus potest licite fugere. Hoc argumentum petit decisionem illius dubii, quod deesse videbatur ad completam resolutionem quaestionis in titulo propositiae, nempe, an servi ex sententia in poenam delicti facti possint licite fugere, de quibus auctores nostrae sententiae nihil dicunt: nam Sanchez solum dixit, eos, qui a se, vel a patre venditi sunt, non posse; servum vero bello captum posse licite fugere. Turrianus etiam illud membrum servitutis omisit. Rebellus vero d. q. XII. num. 2. dixit, convenire omnes, quod servis ratione delicti per iustam sententiam ad servitutem damnatis fugere non licet. Melius tamen Lessius d. dub. num. 22. dixit, doctrinam illam intelligi debere de servitute, quae non sit valde calamitosa: ab hac enim probabile est, fugere posse, oblata commoda occasione: contrarium enim esset nimis durum et superans humanam conditionem, praesertim talium hominum. Et quidem cum ipse Lessius, Corduba, Bannes, Ledesma, et alii, quos affert et sequitus Sanch. lib. VI. in Decalog. c. VIII. num. 16. dicant, posse licite fugere a triremibus eum qui iuste ad eam poenam damnatus est; consequenter idem debent dicere de eo, qui ad talem servitutem damnatus esset, quae a praedicta triremium poena parum distant. Hoc ergo supposito, ad argumentum respondetur hanc non esse proprie servitutem ex condemnatione et praecepto, sed aliam multo nobilliorem per quamdam aequitatem, et quasi applicationem factam iure gentium a republica ut sit hic servus in bonis victoris: quam tamen translationem et applicationem noluit lex, vel respublica facere omnino absolutam, sed cum limitatione dicta, quamdiu servus non redierit ad suos; quia noluit deterioris conditionis in hoc esse, et differre homines captos a feris et volucribus captis, quae semper retinent ius redeundi ad propria per fugam, et recuperandi pristinam libertatem: esset enim durissimum hoc captivis auferre, et supra communem hominum conditionem (ebd.). 861 Zu den Galeerensklaven und forzati der päpstlichen Flotte vgl. PRIESCHING (2012).

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Abschließend kann zur Sklavenflucht gesagt werden, dass Lugo im Gegensatz zu Molina die Flucht sowohl christlicher als auch muslimischer Sklaven für legitim hielt. Allerdings traf er grundsätzlich die vertragstheoretisch begründete Einschränkung, dass christliche Schuldsklaven ihren christlichen Herren nicht entfliehen durften. Der Weg in die Freiheit führte für Lugo freilich nicht nur über die Sklavenflucht, sondern auch über die reguläre Freilassung von Sklaven.862 Der Loskauf spielte dabei allerdings nur eine untergeordnete Rolle. Der Kardinal zählte folgende Wege für eine Freilassung auf: (1) Wenn der Herr den Sklaven gratis oder für einen bestimmten Preis die Freiheit schenkte.863 (2) Wenn der Herr Sklavenkinder aussetzte und kranke Sklaven sich selbst überließ, waren sie frei.864 (3) Wenn der Sklavenhalter seine Sklavinnen zur Unzucht und Sklaven zu Schandtaten zwang, konnte der Bischof ihnen die Freiheit schenken.865 (4) Die Beschneidung eines ungläubigen bzw. nichtchristlichen Sklaven durch einen jüdischen oder muslimischen Herrn in einem christlichen Herrschaftsgebiet hatte die Freilassung zur Folge.866 Dabei ist zu beachten, dass der jüdische Sklavenhalter unter christlicher Herrschaft keine Christen, sondern nur Juden, Häretiker oder Heiden als Sklaven besitzen durfte.867 (5) Setzte der Herr seinen Sklaven als 862 Dazu: [29 Servus fit liber manumissione, vel si a domino exponantur, vel aegretans derelinquatur] Praeter fugam et reditum ad suos, de quo dictum est sectione praecedenti, sunt alii modi acquirendi libertatem (Lugo, Disputationes [Bd. 6], Paris 1869, 641). 863 Der folgende Passus bezieht sich vermutlich auch auf den Loskauf: Primus est per domini manumissionem, sive dominus gratis, sive ex pretio et conventione servum manumittat (ebd., 641). 864 Secundus est, si dominus vel alius eo sciente, nec contradicente, vel post factum approbante, infantum servum exponat, quod idem est, si aegrotem servum derelinquat, eique alimenta non praebeat: in quibus casibus non incidit servus in dominimum illius, qui eius derelicti vel expositi curam suscipit, Vide cap. unicum, de infantibus, et languidis expositis, 1. II. Et III. C. eod. tit. 1. ult. ff. pro derelict, et 1. Un. §. Sed scimus, C. de latina libertate tollenda (ebd., 641f.). 865 [30 Item si a domino ad turpia compellatur] Tertius modus est si dominus ancillam ad fornicationem compellat, ut colligitur ex 1. si lenones, C. de episcopali audientia: tunc enim recurrentem ancillam ad episcopum potest ipse libertate donare: quod quidem ex aequitate et paritate rationis videtur extendendum ad masculum etiam servum, quem dominus ad turpia compelleret (ebd., 642). 866 [31 Si a domino Judeo, vel infideli circumcidatur.] Quartus modus est, si Judaeus Ecclesiae quoad temporalia subjectus, suum servum infidelem circumcideret, ex l. unic. C. ne Christianum mancipium, et in concil. Tolet. III. c. 14. relato in c. multa LIV. dist. et in concil. Tolet. IV. c. 57. relato in c. plerique, de consecrat. dist. 4. quod locum etiam habere in Mahumetano pariter Ecclesiae subjecto, qui servum infidelem circumcideret, docet Molina disp. XXXLX. § quintus est… (ebd.). 867 … et probat [Molina, d. Verf.] bene extensionem illam argumento dictae legis unicae adjuncta lege, Deo nobis, § his ita, C de episcopis, et clericis ubi quod in priori lege dictum fuerat de Judaeis, intelligi debere de haereticis et paganis ob rationis paritatem declarat Imperator. Quare immerito Turrianus disp. XXXII. N. 25. Illud ad solos Judaeos restringit. Cur

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seinen Erben oder als Berater für seinen erbberechtigten Sohn ein, dann erhielt er die Freiheit.868 (6) Falls der Herr seine Sklavin einem Freien zur Frau gab, ohne dass er deren unfreien Status bekannt gemacht hatte, so war sie frei.869 (7) Wenn der Herr eine Sklavin als lebenslange Konkubine hielt und mit ihr eine eheähnliche Verbindung einging, galten sie und die Kinder, die aus dieser Beziehung entstanden sind, nach dem Tod des Herrn als frei, sofern der Herr nichts anderes verfügt hatte.870 (8) Wenn der Herr die Sklavin als seine Ehefrau anerkannte, erhielt sie nach kastillischem und portugiesischem Recht die Freiheit.871 (9) Wenn der Herr seinen Sklaven als erbberechtigten Adoptivsohn annahm, galt er als Freier.872 (10) Wenn ein Jude oder Heide als Untertan der weltlichen Gerichtsbarkeit der Kirche (also des autem de servo solum infideli circumcisione leges loquantur, ratio fuit, quia Judaeus non potest servum christianum possidere, ut statim dicemus (ebd.). 868 [32 Si instituantur haeres a domino, vel filiorum tutor] Quintus modus, si servum suum aliquis haeredem instituat, vel tutorum filio suo relinquat: nam eo ipso censetur concedere ei libertatem, ut constat ex lege penult. in princ. C. de necessariis servis haeredibus instituendis, §. idem quoque juris, Instit. quibus ex causis manumittere non liceat, et ex princ. Instit. qui testamento (ebd.). 869 [33 Si dominus det, vel consentiat in matrimonium servi, persona libera ignorante] Sextus modus est, si persona libera matrimonium contrahat cum serva, ignorans servitutem, domino vel tradente, vel certe sciente et non detegente servitutem, eo ipso serva persona fit libera, ex Authent. de nuptiis, §. si vero ab initio, et est communis doctorum, quos affert Molina loco cit. §. Septimum est. Idem est, si dominus ancillam in uxorem tradat homini libero servitutis nonignaro, sed tamen dominus dotis instrumentum ancillae conficiat, ex 1. unica, §. sed, et si quis homini, juncta Auctent. ad hoc, C. de Latina libertate tollenda. Rebel. tamen q. XIII. nu. 6. Dicit, quod in foro interno dominus non teneretur ad dandam libertatem, quando per ignorantiam invicibilem, et sine animo decipiendi in praedictis casibus ita se gereret, ut non intenderet ullo modo ancillae libertatem dare (ebd.). 870 [34 Item, si solutus habeat ancillam solvam concubinam usque ad mortem] Septimus est, si vir solutes et nullo alio impedimento ligatus ancillam etiam solutam, quam posset in uxorem accipere, habuit ut concubinam usque ad mortem, tunc enim, si nihil de ancilla, et filiis ex ipsa habitis dixit, liberi manent ex 1. Ult. C. communa de manumissionibus. Ad quod privilegium duo requiruntur, nempe, quod non dimiserit ancillae turpem usum ante mortem, et quod filii nati non sint ex concubitu damnato, sed ex solute et solute (ebd.). 871 [35 Item, si eam in uxorem accipiat] Octavus est saltem attento jure regni Castellae et Lusitano, teste Rebello, si dominus ancillam suam in uxorem accipiat, quod ex natura rei consequi, et apud omnes debere observari, docet Turrian. D. disp. XXXII. N. 23 (ebd.). 872 [36 Item, si dominus servum in filium adoptet] Nonus modus est, quando servus adoptatur in filium, nam, eo ipso fit liber, ut constat ex §. ult. Inst. de adoptionibus, circa quod merito dubitari potest, cum filiatio naturalis fortiori multo sit quam filiatio adoptive; quomodo servus per adoptionem eo ipso fiat liber: cum tamen ipsi filii naturales ex propria ancilla suscepti non fiant iure ipso liberi, sed possunt manere et de facto maneant servi, nisi pater eos expresse, vel tacite libertate donaverit. … Ad hoc responderi potest, filiationem naturalem perfectam et legitimam afferentem secum ius ad haereditatem paternam, et ad patris honores, majorem quidem vim habere et magis intrinsecam, quam adoptionem quae minus intrinsece filio adoptive competit, filiationem tamen naturalem illegitimam; seu quae non tale ius ad haereditatem et alia emolumenta afferat, non habere tantem vim (ebd., 642f.).

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Kirchenstaats) einen christlichen Sklaven besaß, kam dieser gratis frei. Dasselbe traf auf einen ungläubigen Sklaven von Juden oder Heiden zu, der zum Christentum konvertierte.873 Das bedeutete, dass es Juden und Heiden, sofern sie Untertanen des Kirchenstaates waren, nicht erlaubt war, Christen als Sklaven zu besitzen. Der christliche Sklave wurde unmittelbar frei, aber das bedeutet nicht, dass ein Jude keinen Nichtchristen als Sklaven besitzen durfte, zumindest solange er sich nicht taufen lassen wollte. Allerdings kannte Lugo hier eine Sonderregelung. Einem Juden, der einen Muslim als Sklaven kaufte, stand eine Auslösesumme von 12 Solidi zu, wenn der Muslim Christ werden wollte. Konnte der Muslim den Preis nicht bezahlen, dann musste ihn der Jude innerhalb von drei Monaten zum Verkauf anbieten, sonst kam er gratis frei. Wenn ihn kein Christ freikaufte, durfte er entweder von Tür zu Tür gehen und um Geld betteln oder dem Herrn bzw. einem anderen christlichen Herrn solange dienen, bis der Preis abbezahlt war.874 Diesem christlichen Herrn gegenüber war er dann wie ein temporärer Schuldsklave verpflichtet. Das Verhältnis von Taufe und Freiheit stellt sich in diesem Fall komplex dar. Einerseits machte die Taufe nicht automatisch frei. Andererseits konnte bei der Taufe dem muslimischen Sklaven eines jüdischen Besitzers ein Loskauf in Aussicht gestellt werden. Formaljuristisch änderte sich dann der Rechtstitel von Sklaverei durch Kriegsgefangenschaft zur Schuldsklaverei. Handelte es sich bei dem muslimischen Sklaven jedoch um einen im Haus seines Besitzers geborenen Sklaven (vierter Rechtstitel), dann kam er nach seiner Konversion gratis frei.875 Der nächste Abschnitt ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass Lugo in Rom auch Berater des Sanctum Officium war. Der Kardinal erörtert hier die 873

[37 Item, si infidelis servum Christianum possideat] Decimo comparatur libertas, si Judaeus, vel Paganus (intellige, si subditus sit Ecclesiae quoad jurisdictionem temporalem, ut diximus) servum iam Christianum possideat: eo enim ipso servus absque ulla pretii solutione liber fit. Imo licet possideat servum infidelem, et hic Christianus fiat, eo ipso liber manet, nec dominus eum recuperate, licet dominus ipse postea Christianus fiat, ex d. l. Deo nobis, § his ita, C de episcopis et clericis. (ebd., 643). 874 Postea vero Gregorius IX. in c. ult. ab Judaeis, et Saracenis, addidit ut si Judaeus mercimonii causa mancipium infidel emisset, quod postea baptismum suscipere vellet, posset solutis domino 12. Solidis (de quorum valore agit Molina II. tomo disp. 278.) consequi libertatem; si autem non habeat ad solvendum, debet Judaeus intra tres menses exponere illud venale, alioquin manebit liberum absque ullo pretio; si autem venale expositum non emerit aliquis Christianus, petet ostiatim ad solvendum, vel serviette infideli, quantum temporis sufficit ad compensandum illud pretium, vel dimittetur, ut serviendo alteri lucretur ad ei solvendum (ebd.). 875 Christianus vero qui illud intra dictos tres menses emerit, non fit eius dominus perpetuus; sed ad tempus sufficiens ad compensandum pro pecunia, quam ipse Judaeo debebat solvere. Haec ibi de servo mercimonii causa empto; nam si vernaculus esset, vel emptus ad proprium usum, liber fieret absque ullo pretio, ut dictum est (ebd.).

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Frage, ob Sklaven von jemandem, den das Tribunal der Inquisition aufgrund von Häresie und Glaubensabfall verurteilt hat, mit dessen Gütern dem Fiskus zu übergeben sind oder ob sie freizulassen sind. Lugo stützt sich auf Molina mit der Einschätzung, dass solche Sklaven freizulassen sind. Diese Praxis entspreche dem allgemeinen Recht in Kastillien und anderen Provinzen Spaniens.876 Nach diesem kleinen Exkurs setzte Lugo seine Aufzählung der Wege in die Freiheit mit einem letzten Punkt fort: (11) In einigen Provinzen hatten die Sklaven das Recht, ihre Freiheit einzuklagen. In Rom waren dafür die conservatori auf dem Kapitol, also die römische Stadtregierung, zuständig. Jeder Sklave, der sich zu ihnen flüchten konnte und der aus dem Territorium des Kirchenstaates stammte, konnte seine Freiheit einklagen.877 Abschließend lässt sich sagen, dass Lugo den Aufbau seiner Erörterungen und seine Argumentation maßgeblich von Molina übernommen hat. Die Übereinstimmungen betreffen insbesondere die Erläuterungen zu den Rechtstiteln und die Freilassungsmodalitäten. Im Unterschied zu Molina lässt sich jedoch feststellen, dass Lugo wesentlich mehr Verständnis für die Sklavenflucht zeigte, die er in den meisten Fällen als legitim ansah. Bemerkenswert ist dabei besonders seine wohlwollende Haltung zur Flucht von muslimischen Sklaven. Außerdem setzte Lugo im Gegensatz zu Molina nicht nur Grenzen im Hinblick auf die dominalen Zugriffsrechte, sondern formulierte explizit personale Schutzrechte, die dem Sklaven in seiner natur876 [38 Servi hominis damnati in S. Officio, an fiant liberi] Ex his oritur dubium, de quo late tractat Molina disp. XL. an servi Christiani eorum qui in tribunale sanctae Inquisitionis damnantur de haeresi, vel apostasia a fide Christiana, maneant ipso facto liberi, an vero debeant fisco applicari cum reliquis bonis illius qui damnatur? Ipse autem Molina late probat, debere esse liberos, quia applicatione bonorum ad fiscum locum habet in bonis illius, servi autem illi cum de jure fiant liberi, jam sunt extra ejus bona. Et quidem de jure communi id verum omnino videtur, et ita in regno Castellae, et aliis Hispaniae provinciis observatur; extra Lusitaniam, in qua fortasse derogatum est jure communi per legem, aut consuetudinem legitime praescriptam, qua deficiente, deberet etiam ibi jus commune observari, ut late probat idem Molino l. c. (ebd.). 877 [39 In aliquibus etiam provinciis servi omnes possunt pro libertate proclamare] Undecimo comparator libertas per leges aliquorum locorum prout teste Rebello, in Gallia servi omnes liberi fiunt, ne pauperes indigenae fame premantur non invenientes dominos, quibus inserviant, si aliunde servi et ancillae exterae asportarentur. Similiter extat bulla Pii V. quae incipit, Dignum, et rationi congruum, et est XVII. inter ejus bullas in tomo II. Bullarii, et alia bulla Pauli III., quae a Pio V. ibi citatur, in quibus conceditur et renovator facultas conservatoribus urbis Romae, ut quoscumque sclavos Christianos iam factos, ad dictos conservatores pro libertate confugientes, et libertatem proclamantes liberare possint, eosque sic liberos factos pro liberis hominibus et Romanis civibus ubique terrarium habendos esse decernitur. Quod privilegium in usu est hodie in Urbe; suspicor tamen, quod extra territorium et dominum temporale Pontificis, non habeatur de facto rata illa libertas, sed domini, ubi primum inveniunt servos suos extra illud territorium, eos sibi in pristinam servitutem revocant: ita enim a fide dignis accepi, qui diu in hac curia versati sunt (ebd., 643f.).

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

rechtlichen Stellung als Mensch zukommen. Dazu gehörte auch der Schutz der Sklavenehe, den er verstärkt einforderte. Bemerkenswert ist wiederum, dass er die Gültigkeit der muslimischen Ehe auf der Grundlage des Naturrechts anerkannte. Allerdings konnte er aus pragmatischen und rechtlichen Erwägungen den Schutz der Ehe nur auf christliche Schuldsklaven beziehen. Insgesamt plädierte Lugo somit nicht für eine Aufhebung der Sklaverei, aber für eine Humanisierung im Umgang mit christlichen und muslimischen Sklaven. Ob diese Tendenz auch bei seinen Nachfolgern am Collegio Romano weiterverfolgt wurde, wird später am Beispiel von Antonio Pérez zu überprüfen sein. Zunächst ist jedoch darauf einzugehen, dass Lugo nicht nur mit der Debatte um die rechtliche Stellung von Sklaven vertraut war. Die metaphorische Rede von Sklaverei gehörte zudem zu seiner Christologie.

5.2 Christus als Sklave Gottes? Sklaverei konnte ebenfalls ein Thema frühneuzeitlicher Christologie werden. So versuchte der spanische Jesuitenkardinal Juan de Lugo innerhalb seiner Abhandlung De mysterio incarnationis im Rahmen der disputatio XXVIII De subjectione et servitute Christi zu klären, was genau darunter zu verstehen sei, wenn Christus in der Bibel als Sklave Gottes (servus Dei) bezeichnet wird. Die Einleitung (expositio) lautet: „Die Hauptschwierigkeit liegt in der Behauptung, dass er (Christus) Sklave ist, worüber ein großer Streit zwischen den neueren Theologen besteht. Von den einen gebilligt, von den anderen abgelehnt und schließlich von wieder anderen durch einen mittleren Weg verneint, nämlich dass Christus als Mensch bzw. seiner Menschheit nach ein Sklave ist. Diese Art zu reden wird von Suárez hoch geschätzt.“878 (Übersetzung D.K.)

Lugo positionierte sich somit innerhalb einer theologischen Kontroverse seiner Zeit, wobei er sich vornehmlich mit der Position seines berühmten Amtsvorgängers Francisco Suárez auseinandersetzte. Dabei schreckte er nicht davor zurück, Suárez posthum und dessen Anhänger in den Ruf der Häresie zu bringen. Hier sieht man, dass die von den Jesuitenprofessoren betriebene Theologie am Collegio Romano nicht als monolithischer Block betrachtet werden kann.

878 Difficultas principalis est de tertio praedicato, quod est servus, de quo est magna controversia inter recentiores theologos; aliis concedentibus, aliis negantibus, aliis denique media via negantibus illud sine addito, concedentibus vero cum addito, vel limitatione apposita, scilicet, Christus in quantum homo, vel secundum humanitatem est servus, quem modum dicendi amplecitur tantem Suarez disp. XLIV, sect. II. (Lugo, Disputationes [Bd. 3], Paris 1869, 54).

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Was warf Lugo nun Suárez vor? – Dieser habe Christus als Sklaven bezeichnet und mit dieser Aussage die göttliche Natur in Jesus Christus geschmälert. Dabei gebühre Christus doch dieselbe Ehre wie Gott. Der theologiegeschichtliche Hintergrund für Lugo ist die Zwei-Naturen-Lehre und die Verurteilung des Adoptianismus. Hierzu reklamierte er eine Reihe von Autoritätsargumenten für sich, so einen Brief Papst Hadrians I. an die spanischen Bischöfe, die Beschlüsse des Konzils von Frankfurt, Belege aus der Heilige Schrift und den Kirchenvätern.879 Lugo stellte gegen Suárez heraus, dass Christus nur im übertragenen bzw. allegorischen Sinn als Sklave bezeichnet werden könne.880 Der Ausdruck Herr und Sklave sei eine analoge Beschreibung zu Vater und Sohn oder Schöpfer und Geschöpf und beziehe sich auf das Verhältnis zwischen Gott (Vater) und Christus. Er räumte ein, dass die Behauptung, Christus sei Sklave seiner menschlichen Natur nach, zwar zulässig, aber wenig sinnvoll sei. Über den christologischen Zusatz in quantum homo machte sich Lugo sogar lustig. Die Pointe lautet sinngemäß: „Christus ist so sehr Sklave seiner menschlichen Natur nach, wie ein Äthiopier weiß ist aufgrund seiner Zähne!“881 Damit wies er also eine Position zurück, welche die Aussage, 879

Hujus tamen argumenti inefficacitatem omnes debemus fateri, nisi velimus aperte repugnare Adriano Papae, qui in Epistola ad Episcopos Hispaniae, quae habetur in concilio Francofordiensi, expresse dicit: haec et similia testimonia, quae in veteri Testamento inveniuntur, non esse intelligenda in sensu proprio, sed figurato, et allegorico. Addit vero, in novo Testamento eam appellationem non inveniri. „Postquam autem, inquit, cessavit umbra veritas, quae sub allegorica silva latebat, nunquam eum a Patre servum vocatum legimus, sed filium, et dilectum suum.“ Ad quod ponderat verba Christi in horto orantis: Pater, si fieri potest, transeat a me calix iste; neque enim in ipso instantis mortis articulo, ubi infirmitas conditionis humanae maxime monstrabatur, voluit Dominum appellare, sed Patrem; quare hoc argumentum videtur potius retorqueri posse contra eam sententiam, cum ex interpretatione summi Pontificis habeamus, illa loca Scripturae sacrae in sensu allegorico intelligenda esse (ebd., 54f.). 880 Dazu insgesamt: Disp. XXVIII, Sectio III Christum non esse proprie, et stricte servum, verior sententia affirmat (Lugo, Disputationes [Bd. 3], Paris 1869, 56-60). Hier: Si autem dicas secundum, jam fateris id quod intendimus, scilicet proprie et in rigore loquendo, Christum non debere dici servum; nam licet habeat illam servitutem naturalem, illa tamen per te non est proprie et in rigore servitus, sed impropria et figurate (ebd., 57). 881 Aethiops secundum dentes est albus. Nam homo simpliciter, et absolute non est immortalis, nec Aethiops simpliciter potest dici albus, sed immortalitas convenit soli animae; et albedo solis dentibus. … At vero Pater Suarez, et alii recentiores faciunt reduplicationem in secundo sensu; fatentur enim hoc praedictam non posse Christo tribui simpliciter, et sine addito; quare debent fateri, Christo tribui solum secundum quid, ut de Aethiope dicitur esse album, scilicet secundum quid, et cum illo addito, secundum dentes, sic etiam posse dici: Christus est servus secundum humanitatem, designando humanitatem cui soli competat illud praedictam, a qua tamen non derivetur in Christum simpliciter, sicut nec immortalitas animae derivatur in totum hominem, ita ut sicut possumus dicere: homo est immortalis quoad animam, sic possimus dicere, homo est immortalis. Hic autem sensus non est reprobatus, aut damnatus ab Adriano et synodo, nec contra ipsum quidquam probant argumenta Patris Vasquez, quae affert contra sensum reduplicativum, quae omnia, si quid probant, solum probant contra redu-

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

Christus sei ein Sklave Gottes, im Sinne der Zwei-Naturen-Lehre auf die menschliche Natur Christi bezog, während die göttliche Natur davon unberührt blieb. Diese Redeweise wollte er als metaphorische Verhältnisbestimmung zwischen Vater und Sohn im Sinne einer Über- und Unterordnung verstanden wissen. Doch warum war die Zuschreibung der Sklaverei zur menschlichen Natur Christi für Lugo überhaupt problematisch? Immerhin war Jesus Christus ja kein Sklave im rechtlichen Sinne gewesen. Als Metapher verstanden, verweist die Sklaverei Christi dagegen auf einen anderen Aspekt, nämlich Schuld und Sünde. Das Verhältnis zwischen Sklaverei und Sünde wurde in zweifacher Weise bestimmt: Erstens war die reale Sklaverei als Folge von Sünde in die Welt gekommen, und zweitens konnte Sklaverei als gerechte Strafe für begangenes Unrecht begriffen werden. Hält man sich nochmals alle vier Rechtstitel für Sklaverei nach Lugo vor Augen, dann wird der enge Zusammenhang zwischen rechtlichen Formen von Sklaverei und ihrer moralischen Begründung in der Sünde bzw. Schuld deutlich. Für Sklaverei als Folge von Kriegsgefangenschaft, für Sklaverei als Strafe, für Schuldsklaverei und für Sklaverei von Geburt an galt: Immer wird Sklaverei als Folge von Schuld bzw. Sünde gesehen. Da Christus aber als Erlöser selbst ohne Schuld und Sünde ist, konnte seine Bezeichnung als ‚Sklave Gottes‘ leicht missverstanden werden, so als hätte seine menschliche Natur auch gesündigt. Hier sah sich Lugo genötigt, nachdrücklich zu widersprechen.

6. Antonio Pérez (1599-1649): Der Sklave als Sache Antonio Pérez war von 1642 bis 1648 einer der Nachfolger Juan de Lugos auf dem Lehrstuhl für Scholastische Theologie am Collegio Romano.882 Außerdem war er sein Schüler. Gebürtig aus Puenta la Reina war er 1613 in den Jesuitenorden eingetreten und hatte von 1618 bis 1624 in Salamanca Theologie studiert.883 Ebenso wie Lugo verfasste er einen Traktat De iustitia et iure, der allerdings zusammen mit zwei weiteren Traktaten erst posthum 1668 im Druck erschien.

plicationes prioris generis, contra quas etiam loquitur Jodocus Clictovaeus in cap. illud XXI Damasceni, quem pro se citat Vasquez n. 36 (ebd., 66f.). 882 Juan de Lugo hatte diesen Lehrstuhl von 1620 bis 1624 inne (VILLOSLADA [1954] 324). 883 ESCALERA Bd. 3 (2001) Sp. 3089-3090; SOMMERVOGEL Bd. 6 (1896) Sp. 514-515. Gestorben ist er in Corral de Almaguer.

6. Antonio Pérez (1599-1649): Der Sklave als Sache

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Die Vorrede an den Leser stammt von seinem Nachfolger Martinus de Esparza Artieda SJ (1606-1689).884 Daraus geht hervor, dass Pérez diesen Traktat noch in Rom verfasst hatte. Die Manuskripte befanden sich jedoch in seiner kastillischen Heimatprovinz in der Stadt Corral de Almaguer, die er kurz vor seinem Tod noch aufgesucht hatte.885 Sie mussten nach Rom geschickt werden. Nach Esparza Artieda richtete sich das Werk konfessionsübergreifend an Leser in ganz Europa.886 Er bezeichnet es auch als moraltheologische Antwort auf die augustinisch geprägte englische Theologie.887 Aufschlussreich für das zeitgenössische Verständnis von Theologie ist die Einleitung zum Traktat De iustitia et iure. Darin wendet sich Pérez gegen das reformatorische Prinzip des sola scriptura sowie gegen eine theologiefreie Moralphilosophie und ein lediglich sektorielles Verständnis von kanonischem und zivilem Recht. Letzteres ist insofern von Belang, da es am Collegio Romano bis 1695 keinen eigenständigen Lehrstuhl für kanonisches und ziviles Recht gab, wie es an anderen römischen Universitäten, z. B. an der Sapienza, üblich war. Pérez verteidigte das Naturrecht als Teildisziplin der Scholastischen Theologie und stellte deren Nutzen für die Praxis heraus.888 Er begründete dies folgendermaßen: Erstens: Das Naturrecht wird in der Heiligen Schrift zum übernatürlichen Zweck erhoben; zudem ist die Beobachtung des natürlichen Rechts nicht nur nützlich, sondern notwendig!889 Zweitens: Der überwiegende Teil des Naturrechts ist ausdrücklich in der Heiligen Schrift geoffenbart worden.890 Pérez geht also davon aus, dass sich das Naturrecht und die Heilige Schrift komplementär zueinander erschließen lassen. 884

Von Martinus de Esparza Artieda erschienen 1655 die Quaestiones de virtute iustitiae, die sich ebenfalls mit Rechtsphilosophie beschäftigten. Er war von 1648 bis 1658 Professor für Scholastische Theologie am Collegio Romano und damit der Nachfolger von Antonio Pérez (VILLOSLADA [1954] 324). 885 … Auctorem hinc reducem ad patriam, et Provinciam Castellanam, et omnes suos codices secum deferentem, obiisse in itinere in oppido Almaguerii … (Antonio Pérez, Mirabilis theologi Antonii Perez Pontireginensis e Societate Iesu tractatus de iustitia et iure, de restitutione et de poentitentia. Opus posthumum, Rom 1668, Vorrede, ✝ 2r). 886 … opus exceptum ubique est, atque per totam Europa. (ebd., ✝ 2v). 887 Expediebat porro adiicere doctrinae speculativae auctarium hoc doctrinae moralis… (ebd., ✝ 2v). 888 Disputationes Theologicae de Iustitia, et Iure, Theologis, et Iuris utriusque peritis non solum sunt utilissimae, sed penitus necessariae. Theologis quidem et propter speculationem, et propter praxim (ebd., 1). 889 Prima ratio est, quia totum ius naturale in Sacra Scriptura est elevatum ad finem supernaturalem, ad quem observatio legis naturalis non solum facta est utilis, sed necessaria (ebd.). 890 Secunda ratio est, quia praecipua, et maxima pars iuris naturalis est expresse in sacra Scriptura revelata (ebd.).

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

Drittens: Es besteht die theologische Notwendigkeit, Schlussfolgerungen sowohl aus den Glaubensprinzipien als auch aus der Moralphilosophie zu ziehen, weil die nichtchristlichen Philosophen (gemeint ist hier insbesondere Aristoteles) nicht vollkommen sind.891 Viertens: Bei moralischen Dingen benötigt das natürliche Licht der Vernunft die Inspiration durch das göttliche Licht und den Glauben, wie aus Erfahrung feststeht. Jede philosophische Lehre – außer der christlichen Religion – unterliegt großen sittlichen Irrtümern.892 Pérez argumentierte also mit der für ihn selbstverständlichen moralischen und erkenntnistheoretischen Überlegenheit christlichen Glaubens und katholischer Theologie gegenüber der Philosophie der Antike und anderen Offenbarungsreligionen. Außerdem kam er zu dem Schluss, dass sowohl die Quellen des kanonischen als auch des zivilen Rechts gleichermaßen hinzugezogen werden mussten.893 Wie zeigte sich dieser hohe theologische Anspruch beim Thema Sklaverei? Pérez kommentierte die Quaestio 57 Über das Recht (II, II, q. 57) aus der STh des Thomas von Aquin. Hier geht es vor allem um die formale Verhältnisbestimmung zwischen positivem Recht, Natur- und Völkerrecht, wobei das Thema Sklaverei nur zur Veranschaulichung dieser Wechselbeziehungen Erwähnung findet.894 Außer Aristoteles, den Pérez vermutlich nicht im Original, sondern nur über die STh rezipiert hat, und dem Thomaskommentar des Cajetan werden keine weiteren Autoritäten genannt.

891

Tertia, quia Theologi occasione, et necessitate deducendi conclusiones Theologicas ex principiis fidei, et Philosophiae moralis, quam cum valde imperfectam apud Ethnicos Philosophos reperissent, coacti sunt eam promovere, notantes in singulis materiis distinctionem peccati mortalis a veniali: quam rem, cum summi esset momenti, vix ullus Ethnicorum attigit (ebd.). 892 Quarta, quia pravitas humana mentem excaecare solet in rebus moralibus, ad quarum iudicium clarum non solent vires naturales ingenii sufficere, nisi lux divinae inspirationis et fidei affulgeat, ut experientia constat; qua videmus, nullam esse sectam praeter Christianam religionem, in qua magni de moribus errores non contineantur. Quapropter necesse fuit, ut doctrina morum Theologica fieret, idest, illustraretur luce fidei, et ad eam tanquam ad lydium lapidem examinaretur (ebd.). 893 Ex his iam constat, artem pulcherrimam iuris prudentiae in summo pretio apud antiquos habitam his disputationibus Theologicis contineri: illi enim Iuris periti apud omnes summo pretio habiti sunt, qui non contenti memoria legum, profundius illarum vim examinarunt ad naturalem aequitatem respicientes, corrigendo saepe verborum sonum. Quapropter Theologus disputans de Iure et Iustitia Theologice non debet hanc doctrinam tractare tanquam iuris Canonici, aut Civilis interpres, sed tanquam tradens regulam utriusque iuris prudentiae, nam non de ipso iure Canonico, et Civili nobis differendum est, sed de fonte utriusque (ebd., 1f.). 894 Vgl. IV.1.2.

6. Antonio Pérez (1599-1649): Der Sklave als Sache

209

Das Thema Sklaverei behandelte Pérez wie Thomas und Lugo im Rahmen des Völkerrechts. Abweichend von diesen beiden ging Pérez jedoch nicht von einem Verständnis des Sklaven als Person, sondern als Sache aus. Dem Sklaven als Sache standen nach Pérez keine bürgerlichen Rechte mehr zu. Er bezeichnete ihn in Anlehnung an Aristoteles als beseeltes Werkzeug, über das der Besitzer frei verfügen könne, wie über seinen Fuß oder seine Hand.895 Deshalb werden auch personale Schutzrechte, die zu einer humaneren Behandlung des Sklaven führen könnten, nicht thematisiert. Nach dieser formalrechtlichen Einordnung nimmt die Deutung von Pérez eine überraschende Wendung, denn der Sklave als Sache schuldete seinem Herrn auch keinen inneren Gehorsam. Dieser beruhte nur auf äußerem Zwang. So dürfe der Herr seinen Sklaven zwar schlagen wie ein Pferd, aber der Sklave dürfe aufgrund der Liebe zu sich selbst seinem Herrn entfliehen.896 Dieses Argument nutzte Pérez allerdings ganz einseitig, um einen christlichen Sklaven von seinen Verpflichtungen gegenüber seinem türkischen Herrn zu entbinden. Er solle nach Möglichkeit fliehen.897 Außerdem hätte ein Türke nicht das Recht, im Krieg gefangene Christen zu bestrafen oder zu zwingen, nicht einmal in einem gerechten Krieg. Hier bestehe ein Unterschied zwischen einem türkischen und einem rechtmäßigen (gemeint ist christlichen) Herrn. Das ist eine erklärungsbedürftige Position. Wenn man Türken schon zubilligt, dass auch sie gerechte Kriege führen konnten, warum sollten sie dann nicht dieselben Rechte haben wie Christen in einem solchen? Dieser Widerspruch wird hier nicht aufgelöst. Außerdem stellt sich die Frage, ob dann auch türkisch-muslimische Sklaven unter christlicher Herrschaft ihren Herren keinen inneren Gehorsam schulden und fliehen dürfen sollten. Auch das wird von Pérez nicht thematisiert. Er scheint jedoch grundsätzlich zwischen Muslimen und Christen zu unterscheiden, 895 … servum non esse personam, sed esse rem possessam, et instrumentum domini animatum sicut est manus, et pes (Pérez, De iustitia et iure, Rom 1668, 39). Nach Thomas von Aquin kann dieser aristotelische Gedanke vom Sklaven als einem beseelten Werkzeug erst vor dem Hintergrund der Sünde des Menschen verstanden werden: Durch die Sünde kann ein Mensch auf einen anderen Menschen hin ausgerichtet sein wie ein Werkzeug auf einen Handwerker oder ein Pferd oder Ochse auf seinen Besitzer (PULTAR [2016] 101). 896 Denique respondeo, … servus non obediens Domino non faciat iniuriam domino: potest enim aliquis fieri servus alterius, non obligando in conscientia ipsum servum ad obediendum domino, sed solum tribuendo domino ius, et facultatem cogendi servum ad praestandum obsequium, et obedientiam per timorem, ea ratione, qua habet ius compellendi equum per timorem et flagella … (Pérez, De iustitia et iure, Rom 1668, 40). 897 Sicut Christianus serviens Turcae saepe tenetur illi obedire, non quia Turca ius habet praecipiendi; sed quia nisi Christianus obediat incidet in poenam, quam tenetur effugere. Sed est differentia inter Turcam, et dominum; quod Turca non potest licite compellere per poenam Christianum captivum in bello iusto; at Dominus potest compellere servum sine ullo peccato; quia ius habet compellendi (ebd.).

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IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

was vermutlich mit einem Recht der Wahrheit oder der sittlichen Vollkommenheit zu tun hat, die er nur in der katholischen Kirche manifestiert sieht. 7. Zusammenfassung Das Thema Sklaverei kam in der scholastischen Theologie vor allem im Rahmen der Behandlung des Naturrechts vor. Die Auslegungen der Quästionen De Iustitia und De Iure aus dem zweiten Teil der STh des Thomas von Aquin, welches das grundlegende Lehrbuch für die Vorlesungen darstellte, gehörten zum Pflichtkanon im Theologiestudium. Zudem verfassten die Professoren für Scholastische Theologie umfangreiche Kommentarwerke, die teilweise aus Vorlesungen hervorgegangen waren, und oft in ihrem Umfang weit über diese hinausgingen. Behandelt wurden folgende rechtsphilosophische Werke zum Thema Sklaverei: De legibus ac Deo legislatore von Francisco Suárez, der von 1581 bis 1585 am Collegio Romano wirkte; De iustitia et iure von Luis de Molina, der zwar selbst nicht in Rom lehrte, dort aber Einfluss gewann, wie man am Werk De iustitia et iure von Juan de Lugo sieht, der von 1620 bis 1624 Professor am Collegio Romano war; schließlich der Traktat De iustitia et iure von Antonio Pérez, der von 1642 bis 1648 am Collegio Romano tätig war. Bei Juan de Lugo wurde ferner noch die christologische Abhandlung De mysterio incarnationis zum Thema Sklaverei in den Blick genommen. Welche Aussagen über Sklaverei lassen sich nun den naturrechtlichen Abhandlungen der Jesuiten entnehmen? Bereits Thomas von Aquin hatte den Widerspruch zwischen dem aristotelischen Konzept eines Sklaven von Natur und dem biblischen Schöpfungsbericht gesehen, nach dem der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen worden war. Insofern konnte schon bei Thomas Sklaverei nicht in dem Sinne als Naturrecht gelten, dass Menschen als Sklaven oder Freie geschaffen worden waren. Vielmehr waren die Menschen ursprünglich gleich und frei. Alle hier behandelten Jesuitenautoren folgten darin Thomas und widersprachen zugleich einer Aristotelesrezeption, wie sie von Johannes Maior über Palacios Rubios bis zu Juan Ginés de Sepúlveda in der Indiodebatte vertreten wurde. Dort wurde diskutiert, ob die Indios als Barbaren und damit als Sklaven von Natur gelten könnten. Die Schule von Salamanca, zu der bedeutende Dominikaner (Vitoria, Soto, Cano) wie Jesuiten (Molina, Suárez) gehörten, verneinte dies auf der genannten Grundlage. Zwischen dem Collegio Romano und der Schule von Salamanca gab es zahlreiche personelle Verflechtungen. Alle hier vorgestellten Autoren waren Spanier und hatten entweder in Sala-

7. Zusammenfassung

211

manca gelehrt (Suárez) oder dort studiert (Lugo, Pérez). Dieser Kontext schwingt bei einigen in ihren Abhandlungen mit. Das Thema wird im Rahmen naturrechtlicher Klärungen prinzipiell behandelt. Bei Molina, der als Berater der portugiesischen Krone am stärksten mit den Entwicklungen in der Neuen Welt befasst war, finden sich die meisten Bezüge zur Indiodebatte. Doch steht auch bei ihm neben den Indios stets die Sklavereipraxis im Mittelmeerraum zwischen Christen und Muslimen als Beispiel bestimmter Rechtsentwicklungen. Dies gehörte für alle zum Wissenshorizont. Thomas von Aquin hatte in der STh II-II 57,3 die Sklaverei nicht dem Naturrecht, sondern dem Völkerrecht zugeordnet. Dass die servitus zum Völkerrecht gehört, war für ihn durch die römische Rechtstradition vorgegeben. Doch hatte sie gar keinen Bezug mehr zum Naturrecht? Wenn dem so wäre, dann „wäre die Sklaverei … eine widernatürliche Einrichtung menschlicher Herrschaft [und es] wäre ihre Abschaffung zu fordern“.898 So weit ging Thomas jedoch nicht. Vielmehr zeigte er, dass die Sklaverei zwar nicht zum Naturrecht gehörte, diesem aber auch nicht widersprach. Dabei nahm er das aristotelische Gedankengut konstruktiv auf, indem er die Sklaverei aus Gründen der Nützlichkeit gelten ließ und darin das aristotelische Diktum von der „Sozialnatur“ des Menschen integrierte, dem Philosophen ein Zugeständnis machte. So wundert es nicht, dass auch Suárez die Einrichtung der Sklaverei dem Völkerrecht zuordnete, wie bereits Bernd Franke herausgestellt hat.899 Ein Teil des Völkerrechts ist das Kriegsrecht, dessen rechtsphilosophische Grundlage die Bellum-Iustum-Lehre des Thomas bildete. In der Frühen Neuzeit wurde sie weitergedacht und so nicht zuletzt auf die Versklavung von Kriegsgefangenen ausgedehnt. Dafür wurde die rechtliche Entwicklung des Kriegsrechts aufgegriffen. Einerseits wurde grundsätzlich das Recht des Siegers, in einem gerechten Krieg Gefangene versklaven zu dürfen, bestätigt, andererseits dieser Grundsatz, unter Berufung auf das Gewohnheitsrecht, auf Kriege zwischen Christen und Nichtchristen beschränkt. Mit dem Hinweis auf die Veränderungen in der Rechtspraxis unterstrich Suárez die Veränderbarkeit des Völkerrechts, was bereits Thomas voraussetzte. Suárez standen in seinen Beispielen vor allem die „Sarazenen“, also Muslime vor Augen. Diese Überlegungen zielten freilich eher darauf ab, die Praxis der Sklaverei rechtlich einzuhegen, statt sie generell in Frage zu stellen oder gar für ihre Abschaffung zu plädieren. Suárez galten Sklaverei aus freiwiliger Zustimmung (Schuldsklaverei) und Sklaverei als Folge von Kriegsgefangenschaft in einem gerechten Krieg 898 899

STÄDTLER (2003) 171. FRANKE (2009) 47.

212

IV. Sklaverei als Thema der scholastischen Theologie

als legitim. Da Letzteres von der Bedingung eines gerechten Krieges abhing, musste vor allem diskutiert werden, ob es sich in bestimmten Fällen (zum Beispiel bei der Eroberung der Neuen Welt) um einen gerechten Krieg handelte. Die Rechtstitel des gerechten Krieges wirkten sich also auf die Rechtmäßigkeit der Sklaverei aus. Bei Molina finden sich hingegen vier Rechtstitel der Sklaverei, die in den disputationes 32-39 seines Werkes De iustitia et iure (1593) in den Fokus rückten. Sollte Suárez seine Gedanken zum Kriegsrecht in den römischen Vorlesungen der 1580er Jahre entwickelt haben, beschäftigte er sich etwa zur selben Zeit wie Molina mit diesem Thema. Eine wechselseitige Beeinflussung kann freilich nur vermutet werden. Molina erörterte die Sklaverei systematisch. Seine vier Rechtstitel der Sklaverei waren Sklaverei durch Kriegsgefangenschaft, Sklaverei durch Strafe für ein Verbrechen, Schuldsklaverei und Sklaverei durch Geburt. Alle diese Formen konnten unter bestimmten Bedingungen legitim sein. Deutlicher Bezug auf Molina nahm Juan de Lugo, der ebenfalls von den genannten vier Rechtstiteln der Sklaverei ausging. Er ergänzt eine schon in der Antike eingeführte und namentlich von Augustinus (De civitate Dei, Buch 19, Kap. 15) rezipierte Etymologie, wonach der Begriff Sklave (servus) vom Bewahrtwerden (servare) vor dem Tod abgeleitet sei.900 Ein großer Unterschied zwischen Molina und Lugo zeigt sich beim Thema Sklavenflucht. Dies war eine moralphilosophische Debatte, da hier vor allem die Frage nach sündhaftem Verhalten gestellt wurde, das freilich rechtliche Konsequenzen nach sich zog. Während bei Molina nur diejenigen fliehen durften, die unrechtmäßig versklavt worden waren, sah Lugo die Flucht von Sklaven – mit Ausnahme von Schuldsklaven – grundsätzlich als erlaubt. Während für Molina der Sklave auch im Falle eines gerechten Krieges eine Vertragsbindung (passive Verpflichtung) eingegangen war, galt sie nach Lugo nur für Schuldsklaven. Die von Molina vertretene Annahme, dass ein christlicher Sklave seinem muslimischen Herrn entfliehen dürfe, wenn sein Glaube auf dem Spiel stand, war für Lugo schließlich überflüssig. Außerdem setzte sich Lugo für den größtmöglichen Schutz der Sklavenehe ein sowie für eine humanere Bestrafung bei missglückter Flucht. Letzteres erscheint angesichts seiner Ausführungen zur Sklavenflucht nur konsequent. Insgesamt fällt seine humane Einstellung gegenüber Sklaven auf. Allerdings unterschied auch er in bestimmten Fällen nach Religionszugehörigkeit, wie seine Ausführungen zu Sklaven von jüdischen Besitzern zeigen. Insgesamt 900

Diese Etymologie geht nicht erst auf Augustinus zurück, sondern wurde dem Römischen Recht entlehnt (vgl. die spätere Sammlung der Digesten 1.5.4.2 [nach Florentinus] und 50.16.239.1 [nach Pomponius]). Eine textkritische Edition bietet: Theodor MOMMSEN, Digesta Iustiniani Augusti. Bd. 1, Berlin 1870, 15 (für 1,5,4,2) und Bd. 2, Berlin 1870, 955 (für 50,16,239,1).

7. Zusammenfassung

213

wird der Sklave als Person in den Mittelpunkt rechtsphilosophischer und ethischer Betrachtungen gestellt. Vázquez thematisierte die Flucht der Sklaven in seinen Disputationen, indem hier die Art der Bestrafung nach einem gerechten Urteil für die Frage relevant wurde, ob ein Verurteilter fliehen dürfe oder nicht. Seine Antwort lautete, der Sklave, der in einem gerechten Krieg gefangengenommen worden war, dürfe ebenso wenig fliehen wie derjenige, der zum Galeeren- oder Bergwerksdienst verurteilt war. Hier scheinen zwei Rechtstitel für Sklaverei auf – was nicht heißt, dass Vázquez nicht noch weitere kannte –, nämlich Kriegsgefangenschaft und Sklaverei durch Strafe. Bei der Sklavenflucht vertrat er eine ebenso strenge Haltung wie Molina. Im deutlichen Kontrast zur humanen Position Lugos betonte sein Nachfolger Antonio Pérez den Sklaven wieder als Sache im rechtlichen Sinn. Eine Humanisierung der Verhältnisse lag nicht in seinem Interesse. Beim Thema Sklavenflucht kam auch nur noch einseitig der christliche Sklave, der sich seinem türkischen Herrn nach Möglichkeit durch Flucht entziehen sollte, in den Blick. Molinas Ausnahmeregelung für in ihrem Glauben bedrohte Sklaven, denen die Flucht gestattet war, scheint dabei vorausgesetzt. Bei den naturrechtlichen Ausführungen über Sklaverei ging es stets um die reale Sklaverei und nicht um Sklaverei im übertragenen Sinn. Als Metapher konnte Sklaverei jedoch auch in anderen Zusammenhängen in der Scholastischen Theologie erscheinen, wie am Beispiel der Abhandlung De mysterio incarnationis von Juan de Lugo gezeigt wurde. Im Unterschied zu Suárez ging Lugo auf die Rede von Jesus Christus als Sklaven Gottes ein. Hier zeigt sich eine Denkfigur, die sowohl bei der rechtlichen als auch bei der soteriologischen Thematisierung der Sklaverei eine Rolle spielte: Sklaverei als Folge von Schuld bzw. Sünde. Letztlich klang das Wort ‚Sklave‘ (servus) auch insofern negativ, als es mit der Sünde assoziiert wurde. Im rechtlichen Sinn folgte aus der Sünde eine gerechte Bestrafung. Dagegen durfte im soteriologischen Kontext Christus nicht als Sünder erscheinen, weshalb Lugo die Wendung „Sklave Gottes“ ablehnte. Die Grenzen zwischen Rechtsphilosophie und Moraltheologie waren in der Scholastischen Theologie fließend. Betrachten wir im Folgenden, wie sich Professoren der Moraltheologie in Rom mit diesem Thema auseinandersetzten.

V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei In der Studienordnung der Jesuiten wird zwischen spekulativer (= scholastischer) Theologie und positiver Theologie unterschieden. Die Moraltheologie stand in einem Schnittfeld beider Bereiche. Entsprechend kam sie sowohl im Cursus maior (academicus) als auch im Cursus minor (seminaristicus) vor. Der Cursus minor diente der praktischen Ausbildung der künftigen Seelsorger. Hier verzichtete man auf die scholastische Theologie und begnügte sich mit einer Kasuistik, die sich um Lösung von Gewissensfällen für die Beichtpraxis bemühte. Im Cursus maior wurde die Moraltheologie hingegen spekulativ nach der Secunda pars der STh des Thomas entfaltet.901 Nach einem Dekret von Clemens VIII. von 1592 wurden im Collegio Germanico zum Studium der scholastischen Theologie nur die besseren Studenten zugelassen, während sich die übrigen auf das Studium der positiven Theologie (Cursus minor) beschränken sollten, was sämtliche Nebenfächer und als Hauptfach Moraltheologie im Sinne von Kasuistik umfasste.902 Durch diese Regelung konnte leicht der Eindruck entstehen, dass die Seelsorge etwas für minder begabte Studenten sei. Als in der Studienordnung von 1599 festgelegt wurde, dass die Moraltheologie im Cursus maior von einem Professor selbständig vorzutragen sei, war noch offen, wie dieser sich zwischen der Scholastischen Theologie und der Kasuistik profilieren sollte. Es gab Stimmen, welche die Moraltheologie entweder komplett der einen oder der anderen Seite zuschlagen wollten. Doch in Rom gab es bereits in den 1580er Jahren zwei Lehrstühle, wobei der eine für den Cursus minor als Kasuistik (Casus) und der andere für den Cursus maior in Absetzung davon als Moraltheologie (Theologia Moralis) bezeichnet wurde. Um nun den Eindruck zu vermeiden, die Scholastischen Theologen brächten zu wenig praktisches Rüstzeug mit, wurden auch hier Fallbeispiele behandelt. Bereits Thomas von Aquin hatte zwischen dem Sachbereich der Allgemeinen Moral und dem der Speziellen Moral unterschieden. Bei der Allgemeinen Moral ging er davon aus, dass der Mensch als Gottesebenbild geschaffen wurde. Diese Gottesebenbildlichkeit wurde durch die Sünde entstellt, durch die Gnade dann objektiv wiederhergestellt, musste nun aber 901

LEINSLE (1995) 270f. Zum Cursus minor gehörten ferner Kontroverstheologie und Hl. Schrift. Zudem wird an manchen Tagen der Catechismus Romanus erklärt. Zum Fach Moraltheologie am Collegio Romano vgl. auch II.2.2. 902 STEINHUBER (1906) 156f. 1663 wurde diese Bestimmung geändert. Nun sollten keine Zöglinge mehr ins Germanikum aufgenommen werden, die für ein Studium der scholastischen Theologie nicht geeignet waren.

V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei

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auch noch subjektiv im Vollkommenheitsstreben des Menschen wieder erreicht werden. Den gesamten moraltheologischen Stoff führte er auf die Tugenden zurück. Die Spezielle Moral, die Thomas in der Secunda Pars ausführlich behandelte, teilte er folgerichtig nach der Tugend und dem sittlich guten Akt ein.903 Beide Sachbereiche wurden auch in Rom gelehrt. Mit der Einführung der STh als Lehrbuch sowohl für die scholastische Theologie als auch für die Moraltheologie zeichnete sich im 16. Jahrhundert eine Verrechtlichung der Moraltheologie ab. Die Kommentare der Barockscholastiker erneuerten den Zusammenhang zwischen Dogmatik und Moral. So überschnitten sich in Abhandlungen De iustitia et iure von Autoren wie Suárez, Vázquez, Molina, Lessius, Lugo naturrechtliche, staatsphilosophische und moraltheologische Perspektiven. Das Juridische wurde damit in der Sittenlehre aufgewertet.904 Dieser Trend lässt sich auch für die vielbenutzten kasuistischen Handbücher für Beichtväter feststellen, wie der siebenbändigen Summa casuum conscientiae, sive de instructione sacerdotum von Francisco de Toledo SJ, die dieser 1568 zur Unterweisung des Seelsorgeklerus vollendet hatte. Darin wurde zum Beispiel die Ehe vorwiegend unter rechtlichen Aspekten erörtert.905 Neben die Tendenz, Recht und Moral zu verbinden, trat die gemeinsame Behandlung von Dogmatik und Moral. Um der Kasussammlung eine spekulative Begründung voranzustellen, gab der Spanier Juan Azor SJ (1536-1603)906 in seinen Institutiones Morales (1600) eine eigene Einleitung, die er wie Thomas ‚Allgemeine Moral‘ nannte. Trotz dieser spekulativen Belebung der Moraltheologie blieb die kasuistische Behandlung weiterhin dominant. Dies war unter anderem eine Folge des Konzils von Trient und des dort verabschiedeten Beichtdekret.907 Es verpflichtete die Gläubigen, alle Todsünden nach Art, Anzahl und Umständen zu beichten. „Dies führte dazu, dass die Kasuistik die Unterstützung des Probabilismus suchte.“908 Zudem verlangte die wachsende Bedeutung der 903

KLEBER (2005) 66. Ebd., 72. 905 Ebd., 73. Hier wird das Geburtsjahr von Toledo mit 1534 angegeben, ebenso bei THEINER (1970) 89. Kleber meint, Toledo hätte dieses Handbuch 1558 herausgebracht. Das dürfte ein Abschreibfehler von Theiner sein, der angibt, dass das Werk 1568 vollendet war. Im Druck erscheint es als Summae de instructione sacerdotum libri septem, de peccatis liber unus cum Bullae Coenae Domini dilucidatione, Lyon 1599 sowie in verbesserter Fassung als Summa casuum conscientiae sive de instructione sacerdotum libri septem, item de peccatis liber unus cum Bullae Coenae Domini dilucidatione, Köln 1600. 906 Juan Azor war 1579 sowie zwischen 1592 und 1595 Professor für Scholastische Theologie am Collegio Romano (VILLOSLADA [1954] 324). Er war zudem an der Kommission zur Erstellung der Ratio Studiorum unter General Aquaviva beteiligt. 907 DH 1679-1683. 908 RIVERA DE VENTOSA (1998) 478. 904

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V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei

Seelenführung, gerade auch durch die Jesuiten, die ja nicht selten als Beichtväter (nicht zuletzt an Fürstenhöfen) tätig waren, eine genaue Kenntnis der einzelnen sittlichen Vorschriften und kirchlichen Gesetze. Bei einer solchen Behandlung der Moral dominierte die Frage, ob in einem bestimmten Fall eine schwere Sünde vorlag oder nicht. War der Pönitent überhaupt noch zur Kirche zu zählen? Galt ein bestimmtes Gebot für den betreffenden Pönitenten? Eine wichtige Rolle spielte hierbei eben der Probabilismus. Als Begründer dieser Lehre gilt der Dominikaner Bartolomé de Medina (1527-1581). Er war wie Báñez, Soto und Cano ein Schüler von Francisco Vitoria in Salamanca, wo er schließlich selbst Professor wurde. In seiner Schrift Expositio in primam secundae angelici doctoris d. Thomae Aquinatis (1580) vertrat er die Ansicht: „[M]ihi videtur, quod si est opinio probabilis licentium est, eam sequi, licet opposita probilior (sic!) est.“ (ad quaest. 19, art. 7, 179). Im Hintergrund steht die Frage, welche sittliche Norm zu befolgen ist, wenn das Bestehen eines Moralgesetzes einem ernsthaften Zweifel unterliegt, der nicht direkt behoben werden kann. Wenn das Bestehen des Moralgesetzes wahrscheinlich (probabilis) ist, dann sieht Medina die Handlung als erlaubt an, selbst wenn die gegenteilige Auffassung wahrscheinlicher (probabilior) ist. Angesichts des Umstands, dass der Probabilismus auch im Kontext des Gnadenstreits mit den ‚Jansenisten‘ eine große Rolle spielte, ist es bemerkenswert, dass dieser Ansatz offenbar von einem Dominikaner und Freund ,Báñez‘ übernommen wurde.909 Spanien ist überhaupt als „das auserwählte Land des Probabilismus“910 bezeichnet worden, was Theologen unterschiedlicher Ordenszugehörigkeit einschloss. Von dort ausgehend, wurde der Probabilismus zum Moralsystem, auf das sich die Kasuistik seit dem 16. Jahrhundert stützen konnte. Die Kasuistik lässt sich ganz allgemein bestimmen als Methode, die konkrete Fälle (casus) unter allgemeine Normen und Prinzipien fasst, sie abgrenzt und beurteilt. Für die Entwicklungsgeschichte des Probabilismus besteht also die Gefahr, den antiprobabilistischen Kampf der ‚Jansenisten‘ einerseits zu unterschätzen, ihn andererseits übermäßig zu betonen.911 Zunächst einmal verlangte die Kasuistik Antworten, die sehr viele, nicht nur die Jesuiten, im Probabilismus gefunden zu haben glaubten. In der Polemik der frühneuzeitlichen Moralstreitgkeiten wurde dem Probabilismus schließlich vorgeworfen, im Grunde ein Laxismus zu sein (alles 909

Domingo Báñez und Bartolomé de Medina hatten in den 1570er Jahren gemeinsam Material gesammelt, um Missbräuche gegen das Vulgatadekret an der Universität von Salamanca beim Inquisitionsrat in Madrid anzuzeigen (HORST [2000] 340). 910 RIVERA DE VENTOSA (1998) 477. 911 Ebd., 478.

1. Francisco de Toledo (1532-1596): Sklaverei als Weihehindernis

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ist erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten ist), während die Gegner als Rigoristen erschienen (alles ist verboten, was nicht ausdrücklich erlaubt ist). Hier ist freilich zwischen Zuspitzungen in polemischer Absicht und dem wissenschaftlichen Geschäft der Differenzierung auf beiden Seiten zu unterscheiden. Die Krise des Probabilismus begann erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts. So hatte das Generalkapitel der Dominkaner 1656 die Professoren auf den Wortlaut des Aquinaten verpflichtet und vor neuen, laxen und ungewissen Auffassungen gewarnt.913 Der Jansenistenstreit hat diese Kritik weiter verschärft. Im Folgenden sollen nun drei Themenfelder vorgestellt werden, in denen sich die Moraltheologie mit der Sklaverei beschäftigte: Weihe, Krieg und Ehe. Dabei gehen alle Autoren hier kasuistisch vor und zeigen eine Tendenz zur Verechtlichung.

1. Francisco de Toledo (1532-1596): Sklaverei als Weihehindernis Anhand der Karriere von Francisco de Toledo,914 dem ersten Kardinal, der aus den Reihen der Gesellschaft Jesu hervorging, lässt sich das Rotationsprinzip der Jesuiten auf diversen Lehrstühlen nachvollziehen: Von 1559 bis 1560 lehrte er in Rom Logik, von 1560 bis 1561 Physik, von 1561 bis 1562 Metaphysik, von 1562 bis 1568 Scholastische Theologie. Ausgerechnet die Fächer Heilige Schrift und Moraltheologie unterrichtete er nie, obwohl er für diese Fächer bedeutende Kommentare verfasst hat. Besonders einflussreich war sein bereits erwähntes Handbuch für Beichtväter mit dem Titel Summa casuum conscientiae sive instructio sacerdotum in libros VIII distincta (im Folgenden: Instructio sacerdotum). Die zunächst aus sieben (später acht) Bänden bestehende Instructio sacerdotum erschien erstmals im Jahr 1599 und bis zum Jahr 1716 in etwa 34 revidierten und erweiterten Auflagen.915 Hinzu kamen noch zwei Traktate: Tractatus de septem peccatis mortalibus und Explicatio casuum in bulla Coenae Domini reservatorum.916 In der Instructio sacerdotum versuchte er, die Fälle und Fragen des Gewissens, die im Zuge einer Sakramentenpastoral auftreten konnten, für den Seelsorger umfassend zusammenzustellen. Zuerst ging er auf die Rolle und

913

Ebd., 483. Zu ihm: THEINER (1970) 89; VILLOSLADA (1954) 324f. 915 SOMMERVOGEL Bd. 8 (1898) 70-76. Das Werk erschien auch als komprimierte Kurzform zwischen 1603 und 1612 in etwa acht Ausgaben mit Titeln wie Compendium Summae Card. Toleti oder auch Summae casuum conscientiae compendium (ebd., 76f. Nach THEINER [1970]) war das Werk jedoch bereits 1568 im Wesentlichen vollendet. 916 Ebd., 89. 914

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V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei

Bestimmungen für den Priester ein. Im zweiten Kapitel erklärte er die Messfeier, die Sakramente im Allgemeinen sowie Taufe, Firmung und Eucharistie im Besonderen. Im dritten Kapitel behandelte er das Sakrament der Beichte mit seinen einzelnen Bestandteilen der Sünde, Reue, Genugtuung, die Pflichten des Beichtvaters und des Beichtenden sowie die Wirkungen des Bußsakraments. Im vierten Kapitel ging es um die drei göttlichen Tugenden und die drei ersten Gebote des Dekalogs, im fünften Kapitel um das vierte und neunte Gebot sowie die Benefizien und die Simonie. Im sechsten Kapitel erläuterte er die Gebote der Kirche. Das siebte Kapitel behandelte das Ehesakrament mit den Ehehindernissen und Sünden gegen die Ehe. Im achten Kapitel erklärte er schließlich die sieben Hauptsünden und lieferte eine Erklärung der in der Bulle Coena Domini vorbehaltenen Fälle.917 Dieses kasuistisch angelegte Werk war ganz im Sinne des Konzils von Trient zur Ausbildung des römisch-katholischen Klerus gedacht und sollte die Priester bei ihren seelsorglichen Aufgaben unterstützen. Was haben die Sakramente nun mit dem Thema Sklaverei zu tun? Man könnte an die Diskussionen über die Sklavenehe denken. Dazu werden wir noch bei beim Moraltheologen Vincenzo Figliucci kommen. 918 Toledo ging lediglich beim Weihesakrament auf die Sklaverei ein.919 Dabei stützte sich Toledo auf die geltenden kirchenrechtlichen Bestimmungen sowie auf einige Positionen vorhergegangener Rechtsgelehrter, wie Juan de Torquemada (1388-1468) oder Hugo von Sankt Viktor (um 1097-1141). Im Mittelpunkt seiner Ausführungen stand hierbei nicht der Sklave, sondern das moralische Verhalten des weihenden Bischofs. Die Zielgruppe seines Buches waren schließlich katholische Geistliche. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist der Grundsatz, dass Sklaverei ein Weihehindernis darstelle, also dass ein Sklave nicht zu kirchlichen Weihen zugelassen werden dürfe. Da Frauen ohnehin von der Weihe ausgeschlossen waren, ging es in diesem Kontext nur um männliche Sklaven. Als Begründung gibt Toledo einen „Defekt der Herkunft“ an.920 Damit ist klar gestellt, dass der entscheidende Mangel nicht im persönlichen Verhalten, sondern allein im gesellschaftlichen und rechtlichen Status des Sklaven lag, der ihn zum Eigentum eines Herrn machte.

917

Zur Gliederung des Werks: ebd., 90. Vgl. V.3. 919 Francisco de Toledo, Instructio sacerdotum, Köln 1610, De irregularitate ex defectu originis, 190-192. 920 Irregularitas ex defectu originis provenit ex servitute; servi enim ordinari non debent … Haec autem materia sequentibis dictis explicatur (ebd., 190). 918

1. Francisco de Toledo (1532-1596): Sklaverei als Weihehindernis

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Von dieser Regelung auszunehmen waren sowohl Kinder eines Sklaven und einer freien Mutter, da diese wie die Mutter frei waren921 als auch ehemalige Sklaven, die über Manumission vollständig ihre Freiheit erlangt hatte.922 Eigentlich waren das keine richtigen Ausnahmen, da diese Personen ja im Grunde keine Sklaven (mehr) waren. Aber Toledo kannte auch Fälle, in denen Sklaven geweiht worden waren, oder er nahm zumindest solche Fälle hypothetisch an. Anhand solcher, in der Kasuistik üblichen Beispiele sollten die späteren Beichtväter auf alle Eventualitäten vorbereitet werden. Was passierte also, wenn nun doch ein Sklave eine Weihe, z. B. zum Diakon oder Priester, empfangen hatte? Obwohl dies rechtlich nicht erlaubt war, blieb die Weihe sakramental gültig. Dann hatte aber der Besitzer des Sklaven ein Problem, da dieser nun gegenüber der Kirche zu Gehorsam verpflichtet war. Insofern ging Toledo davon aus, dass ein solcher Sklave nach seiner Weihe freigelassen werden musste. Der Bischof, der eine solche Weihe vorgenommen hat, hat damit eine Sünde begangen, weil er mit dieser Weihe gegen die kirchlichen Gesetze verstoßen hat.923 Daran schließt Toledo weitere Überlegungen an. So konnte der Herr von der Priesterweihe seines Sklaven gewusst haben oder nicht. Wenn er davon gewusst hat, konnte er damit einverstanden gewesen sein oder Widerspruch dagegen eingelegt haben. Wie sich dies auch immer verhielt, der Bischof hatte mit dieser Weihe grundsätzlich eine Sünde begangen.924 Wenn ein Herr noch vor der Weihe Einspruch dagegen eingelegt hatte, musste der Sklave zu seinem Herrn zurückgeschickt werden. Wenn der Einspruch jedoch zu spät kam, der Sklave also bereits geweiht worden war, dann war die Weihe gültig und der Sklave musste, weil er nun Priester war, frei gelassen werden. Damit war dem Besitzer jedoch der Wert des Sklaven zu erstatten. Wer sollte für eine solche Freilassung aufkommen? Da die Schuld für diese unerlaubte Handlung925 beim Bischof lag, sollten er und der Präsentator, also derjenige, der den Weihekandidaten vorgestellt hatte, und nicht der Sklave selbst dafür aufkommen. Wußten beide auch noch vom Sklavenstatus des Kandidaten, dann hatten sie gemeinsam den doppelten 921

Primo, qui nascitur ex matre libera, etiamsi pater servus sit, non est irregularis, nec repellitur a promotione, quia servus non est … (ebd.). 922 Secundo, servus factus prius liber, et a servitute omnino liberatus, promoveri potest … Tertio, ante obtentam libertatem, et plenam manumissionen non debet ordinari … (ebd.). 923 Quarto, si servus ante libertatem obtentam, sciente domino, et non contradicente, ordinatur, efficitur statim liber … [P]eccat tamen, tam Episcopus, qui promovet, quam servus, qui promovetur, quia contra Canones agit, cum prius libertas esset obtinenda (ebd.). 924 Quinto, si sciente domino, et contradicente, sive etiam ipso domino ignorante promovetur in sacerdotem, statim fit liber … (ebd.). 925 [I]dem de testimonio dicitur, qui falsum testificatus est, peccat enim mortaliter, qui sciens ordinavit secundum Hugo[nem] relatum Turrecr[ematam]. can. si servus, citato (ebd., 191).

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V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei

Wert des Sklaven an den Herrn zu zahlen.926 Wenn der Bischof und die übrigen an der Weihe Beteiligten jedoch nicht über den Sklavenstatus des Anwärters informiert gewesen waren, musste der zum Priester geweihte Sklave den Schaden selbst ersetzen. Wenn der Sklave dies nicht aus eigenen Mitteln bestreiten konnte, blieb er zwar frei, sollte aber seinem Herrn als Priester durch sein geistliches Amt dienen.927 Dasselbe Verfahren sollte nach Ansicht von Toledo bei niederen Weihen und der Weihe zum Diakon zum Tragen kommen. 928 Allerdings gab es auch Unterschiede angesichts des Weihegrads. So konnte ein Sklave mit niederen Weihen (gemeint sind Ostiarier, Lektor, Exorzist, Akolyth) umgehend in den Sklavenstatus zurückversetzt werden, wenn sein Herr der Weihe rechtzeitig widersprochen hatte. Der zum Subdiakon oder Diakon geweihte Sklave konnte immerhin einen anderen Sklaven als Ersatz zu seinem Herrn schicken. Ein Priester hingegen galt immer als frei, auch wenn er seine Schulden nicht begleichen konnte und dem Herrn weiter als Kaplan oder in einer ähnlichen Rolle dienen musste.929 Nach Toledo konnte der Herr binnen Jahres926

Quinto, si sciente domino, et contradicente, sive etiam ipso domino ignorante promovetur in sacerdotem, statim fit liber, cap. per venerabilem, qui fil. sint legit. Aliqui affirmarunt, si contradicente domino sit sacerdos; revocari debere in servitutem, et deponi, … tamen verius est, sacerdotem ordinatum fieri semper liberum, ut ex dicto cap. per venerabilem, constat, ut tenet Hugo citatus a Gloss. et Turrecr. can. frequens d. 54. est tamen distinctio facienda: domino contradicente, vel ignorante, aut Episcopus, sive praesentator sciebat esse servum, aut non, si sciebat, tunc duplum restituet domino, nempe duos servos, aut pretium; si solus Episcopus sciebat, solus ipse duplum restituet; si vero uterque nempe Episcopus, et Praesentator, tunc uterque simul restituet duplum, ita ut partem unus, partem alter reddat, servus vero manebit liber, … (ebd., 190f.). 927 [N]on tamen committit furtum secundum eosdem [Hugo und Torquemada; T.M.], quia non fecit commodo proprio, ut sibi servum retineret, quod si etiam Episcopus, et caeteri ignorarunt, tunc autem non habent unde restituant domino duplum, tunc servus ordinatus presbyter reddet domino peculium, et manebit liber, … quod si adhuc non habet peculium, manebit liber, et serviet domino in divinis et spiritualibus officiis, aut honestis convenientibus, sacerdoti, … quod si in hoc contumax fuerit, degradabitur, et serviet domino … Haec de servo promoto in sacerdotem (ebd., 191). 928 Zu den niederen Weihen: Sexto, si domino ignorante, aut sciente, et contradicente servus ordinatus fuerit in minoribus, tunc, si Episcopus, praesentator, aut testis sciunt, reddent domino duplum, et servus manebit liber, et ministrabit sicut et sacerdos, … quod si ipsis ignorantibus, tunc servus ordinatus deponetur, et revocatus in servitutem reddetur domino … (ebd.). Zur Diakonenweihe: Septimo, si sciente domino, et contradicente, aut si ignorante ordinatus fuerit in diaconum, tunc si Episcopus, praesentator, aut testis sciebant, reddent duplum domino, ut dictum est in aliis, et manebit liber servus; quod si ignoraverint omnes, qui ordinatus est in Diaconum, reddet domino vicarium, id est alterum servum loco sui, can. ex antiquis d. 54. et manebit liber, Gloss. ibi, sive vicarium, sive pretium reddat; quod si non habet, revocatur in servitutem, et reddetur domino (ebd.). 929 Est ergo differentia; nam ordinatus in minoribus, statim in servitutem revocatur: Diacono vero conceditur, ut reddat vicarium, aliter revocatur in servitutem, et deponitur: at promotus in sacerdotium semper manet liber, et ministrat in ordine, debito tamen peculio, vel exiguo, at

1. Francisco de Toledo (1532-1596): Sklaverei als Weihehindernis

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frist seine Ansprüche auf Schadensersatz stellen. Bei einem Sklaven, der einfacher Mönch wurde, verlängerte sich die Frist auf drei Jahre.930 Was passierte nun mit einem Sklaven, der niedere Weihen empfangen hatte, aber nach Einspruch seines Herrn wieder zu diesem zurückkehren musste? Er durfte dann weder Habit noch Tonsur tragen, da der Sklavenstand unvereinbar mit der kirchlichen Würde sei, es sei denn, dass dem Herrn daraus kein Skandal entstehe und er dem Sklaven dies erlaube.931 Insofern war der Wille des Besitzers, wie er mit diesem Umstand nach außen hin umgehen wollte, zu respektieren. Dennoch war eine ambivalente Situation entstanden. Denn einerseits stellte Toledo noch einmal am Ende fest, dass der Sklave die Privilegien eines Klerikers genieße, auch wenn er unerlaubt geweiht worden sei, andererseits sollten die Rechte des Herrn weitestgehend gewahrt bleiben. Diesen Verhaltensnormen entsprechen auch die Regelungen zu den Entschädigungsleistungen bei einer notwendigen Freilassung bei der Priesterweihe. Die Strafe sollte hier den Bischof treffen, der einen Sklaven rechtswidrig geweiht hatte.932

si non habet serviat in honestis, nempe fiat Capellanus domini, aut alia faciat, quae decent sacerdotem. Quod de Diacono decretum est, idem de Subdiacono faciendum declaratum est … (ebd., 191f.). 930 Octavo, quando ignorante Domino servus ordinatur Dominus intra annum potest repetetere[!], quo transacto efficitur liber; loquor in casibus, in quibus servus non liberatur per promotionem: nam presbyter factus, statim liber efficitur; in caeteris omnibus, quando non fit liber, aut quando tenetur reddere Vicarium si presbyter est peculium; aut si Episcopus scit, tenetur reddere duplum. Denique in omni casu, in quo Dominus potest aliquid repetere pro servo, datur tempus anni unius ad repetitionem, quo peracto servus fit omnino liber. Si vero fiat Monachus sine ordine, datur triennium ad repetendum, quo perfecto liber est. Haec habentur ca. si servus, 2. d. 54 (ebd., 192). 931 Decimo, restitutus et revocatus in servitutem non portabit habitum, nec tonsuram, quia in statu servi est, nec dignitati Ecclesiasticae id convenit, quamvis Turrecr. can. nulli citato dicat, quod arbitrio domini portabit habitum, tonsuram etiam, si sine scandalo domini id fieri potuerit. Ego credo, quod neutrum portare debet, etiam volente domino, nisi librum eum faciat propter causam dictam (ebd.). 932 Postremo, in eo casu, quo servus efficitur, secundum Gl. can. nulli, d. 54. et Anton. loco citato, non perdit privilegium clericale, can. si quis suadente 17. q. 4. At Turrecr. eod. can. nulli. distinguit; respectu enim domini sui dicit carere privilegio illo; non enim factum est ullum praeiudicium domino, sed licet illi percutere ut ante: respectu vero aliorum gaudet privilegio, et hoc tenet Host. in c. 2. de serv. non ordin. et hoc est verum, secundum etiam Turrecr. eodem can. perdit privilegium fori, quod maxime confirmatur ex Concil Trid. sess. 23, capit. 6. quia tonsuram et habitum non habet. In hac irregularitate servitutis non dispensat Episcopus, sed Papa; imo punitur Episcopus ordinans servum, ut ex supra iam dictis factis constat (ebd.).

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V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei

2. Emanuel Sa (1530-1596): Das Gewissen der Soldaten Im Unterschied zu Francisco de Toledo lehrte der Portugiese Emanuel Sa Moraltheologie am Collegio Romano, und zwar 1558 und 1570.933 Von 1557 bis 1564 hatte er allerdings den Lehrstuhl für Heilige Schrift inne, so dass er offenbar immer wieder zusätzlich das Fach Moraltheologie unterrichtete. Schließlich ist zu erwähnen, dass Sa zwischen 1560 und 1561 darüber hinaus Professor für Scholastische Theologie (zweiter Lehrstuhl) war. Auch hier zeigt sich das Rotationsprinzip und das Ideal möglichst umfassender Bildung. Bisher haben wir Sa im Bereich der Bibelexegese kennengelernt. Nun soll seine Anleitung zur persönlichen Gewissenserforschung im Mittelpunkt stehen. Er verfasste hierfür die Aphorismi Confessariorum.934 Diese Aphorismen sollten ein Hilfsmittel für diejenigen sein, die ihre Sünden er- und bekennen wollten. Sie sind somit auch Ausdruck jesuitischer Spiritualität, da die Gewissenserforschung zu den ‚Geistlichen Übungen‘ des Ordensgründers Ignatius von Loyola gehörte.935 Angelegt sind die Aphorismi Confessariorum als Kompilation von Gelehrtenmeinungen. So werden z. B. Sas Ordensbruder Luis de Molina, aber auch dessen Kontrahent im Gnadenstreit, der Dominikaner Domingo Báñez936 häufiger angeführt. Für unseren Zusammenhang interessieren vor allem die beiden Rubriken zum Krieg (bellum) und zum Sklaven (servus). In der Rubrik Bellum, die insgesamt 15 Sentenzen umfasst, heißt es gleich zu Anfang: „Der Soldat, der als Untergebener an einem Krieg teilnimmt, an dessen Gerechtigkeit gezweifelt wird, sündigt nicht, wenn er in diesem kämpft, er sündigt aber, wenn er weiß, dass es ein ungerechter Krieg ist.“937 Dies führt bereits zur Erörterung über den gerechten Krieg: Es geht um das Gewissen der Soldaten. Dies konnte durchaus ein wichtiger Aspekt einer Seelsorge werden, wenn Solda933

VILLOSLADA (1954) 325. Hier werden immer nur die Anfangsjahre 1558 und 1570 angegeben und die Dauer offengehalten. Da von 1562 bis 1570 Acosta Didachus SJ und ab 1573 Petrus Parra SJ das Fach Moraltheologie unterrichteten, könnte es auch sein, dass Emanuel Sa nicht nur 1558 und 1570, sondern auch in den jeweils folgenden Jahren Moraltheologie lehrte. 934 Erschienen sind die Aphorismi Confessariorum in vielen Ausgaben, z. B. in Venedig 1592, Antwerpen 1599, Paris 1600. Madrid 1600, Köln 1600. Bis 1604 sollen über 50 Auflagen erschienen sein. Hier wird folgende Ausgabe zugrunde gelegt: Emanuel Sa, Aphorismi confessariorum, ex doctorum sententiis collecti, Lyon 1617. 935 Zur Gewissenserforschung und Buße in den Geistlichen Übungen: FELD (2006) 43-50; Ignatius von Loyola, Geistliche Übungen, übersetzt. v. Peter KNAUER, Würzburg 2008 (Einleitung). 936 Zur Person Domingo Báñez siehe Anm. 269. Sa gibt nur den Verfasser ohne den Verweis auf sein Werk an. Er bezieht sich vermutlich auf dessen Kommentar zur STh des Thomas von Aquin mit dem Titel Scholastica Commentariam in D. Thomam aus dem Jahr 1586. 937 Miles bellum de cuius iustitia dubitatur, gerenti subditus, si in eo praelietur, non peccat, peccat autem, si sciat esse iniustum (Sa, Aphorismi, Lyon 1617, 29).

2. Emanuel Sa (1530-1596): Das Gewissen der Soldaten

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ten zur Beichte gingen. Nun konnte man sich zwar darauf berufen, dass das Töten in einem gerechten Krieg keine Sünde sei. Aber galt das auch noch dann, wenn nicht sicher war, ob es sich um einen gerechten Krieg handelte? Dieser erste Punkt setzt bereits voraus, dass hier Zweifel bestehen konnten. Im Zweifelsfall lag dann nach Sa keine Sünde vor, nur wenn es gewiss ist, dass es sich um einen ungerechten Krieg handelte. Emanuel Sa war als scholastischer Theologe bestens mit der Lehre vom gerechten Krieg (bellum iustum) und den theologischen Abhandlungen dazu vertraut. Auch in der Schule von Salamanca wurden immer wieder legitime Rechtstitel für Kriege diskutiert und Zweifelsfälle verhandelt. Insofern war das Gewissensproblem der Soldaten nicht einfach mit einem Hinweis auf die drei Kriterien für einen gerechten Krieg nach Thomas zu erledigen. In Zweifelsfällen war hier eine grundlegende Richtung vorzugeben, die im Hinblick auf die moralische Haltung des Soldaten entweder rigoros (im Zweifelsfall eine Sünde) oder liberal (im Zweifelsfall keine Sünde) war. Sa plädierte für Letzteres. Ein weiteres moralisches Problem war mit der Versklavung von Kriegsgefangenen gegeben. Das Recht dazu setzte einen gerechten Krieg voraus. Zu diskutieren blieb hier allerdings die Frage, ob nur gefangene Soldaten versklavt werden dürften oder auch Unschuldige wie Frauen und Kinder. Vorausgesetzt, es bestand kein Zweifel an der Legitimität des Krieges, dann hielt Sa auch die Gefangennahme von Unschuldigen für erlaubt: „In einem gerechten Krieg ist es erlaubt, auch Unschuldige zu berauben und gefangen zu nehmen, um die Kräfte der Feinde zu schwächen. Wenn nun der Krieg ein ständiger ist, wie gegen die Türken, ist es ebenfalls erlaubt, auch Unschuldige gefangen zu nehmen. So sie also in Geiselhaft gegeben wurden und die Feinde die gelobte Treue verletzen, ist es nicht erlaubt, jene zu töten, aber es ist erlaubt, wenn sie von der Zahl her schädlich sind.“938 (Übersetzung D.K.)

Bemerkenswert ist, dass sich Sa hier ausdrücklich auf den Krieg gegen die „Türken“ bezog, womit pauschal Muslime bezeichnet wurden. Im Hintergrund konnten sowohl der Korsarenkrieg im Mittelmeerraum zwischen Christen und Muslimen als auch die Türkenkriege auf dem Balkan stehen. Dieser Krieg wird als ständiger Krieg bezeichnet, womit festgehalten wurde, dass dieser Krieg auf christlicher Seite unstrittig ein gerechter Krieg war. In seinem nächsten Punkt geht Sa auf das Erbeutete in einem gerechten Krieg ein:

938

In bello iusto etiam innocentes licet spoliare, et capere, ad debilitandas hostium vires. Quod si bellum est perpetuum, ut contra Turcas, licet etiam innocentes captivare. Quod si dati sunt in obsides, et violent hostes fidem datam, non licet illos occidere, licet autem, si sint de nocentum numero (ebd., 30).

224

V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei

„Das in einem gerechten Krieg Erbeutete muss nicht zurückgegeben werden, außer es handelt sich um Besitz von Pilgern, Klerikern, Ordensleuten oder Bauern, obwohl nicht einmal solcher (Besitz) aus Zwang, wie einige behaupten, zu erstatten ist, denn er wurde gerecht erbeutet, wie oben gesagt, doch irrtümlich, insbesondere wenn es Kleriker und Ordensleute betrifft.“939 (Übersetzung T.M.)

Dieser Passus ist zunächst etwas überraschend, da hier ein gerechter Krieg gegen Christen vorausgesetzt wird, zumindest wenn es um Kleriker und Ordensleute geht, deren Besitz erbeutet worden ist. Hier wird also unvermittelt die Perspektive gewechselt. Sa zählte hier Personengruppen auf, die nicht unmittelbar an militärischen Handlungen beteiligt waren. Da sie keine Waffen zum Angriff im Krieg führten, galten sie nach dem Kriegsrecht, wie Kinder und Frauen auch, für unschuldig. Sie standen lediglich auf der Seite der feindlichen Soldaten und konnten so zu Besiegten werden. Interessant ist, dass Sa nochmals zwischen Pilgern und Bauern einerseits sowie Klerikern und Ordensleuten andererseits unterschied. Man könnte dies so deuten, dass ein Unterschied zwischen Laien und Geistlichen gesehen und die Erbeutung des Besitzes von Geistlichen moralisch verurteilt wurde. Ferner betrachtete Sa es als gerecht, wenn ein Fürst um größeren Schaden zu vermeiden, dem Feind eine einzelne Stadt überlassen darf. So werde ein Teil der Gefahr ausgesetzt, während das Ganze bewahrt werde.940 Im Mittelpunkt der Betrachtungen stand bei Sa das moralische Handeln des Soldaten im Krieg. Ein Kriterium hierfür war der Gehorsam gegenüber der rechtmäßigen Obrigkeit, welche den gerechten Krieg erklärt hat. Wenn die Soldaten ohne Befehl ihres Fürsten handelten, sollten sie den Schaden, den sie an den Feinden angerichtet hatten, selbst ersetzen.941 Daran anschließend führte er aus, dass es den Soldaten erlaubt wäre, aus der Kriegsgefangenschaft bei den Türken zu fliehen sowie für die Flucht ihre und andere Herren zu berauben.942 Damit wird das Thema Sklavenflucht angesprochen, das auch in der Scholastischen Theologie immer wieder Beachtung fand. Die Grenzen zwischen den naturrechtlichen und den moraltheologischen Behandlungen eines Themas waren fließend. Für Sa war die Flucht

939

Capta in bello iusto non sunt restituenda nisi essent res peregrinorum, clericorum, religiosorum, aut rusticorum: quamquam quidam nec talia, aiunt ex necessitate restituenda, quia iuste capta, ut dictum est supra: sed falso, maxime quoad clericos, et religiosos (ebd.). Dabei bezieht sich Sa auch auf Thomas von Aquin, l. c. [=loco citato] quaest. 66 art. 8 ad 1; Molina, d. 121, concl. 3; (ebd.). 940 Potest princeps, ad vitandum Reip. maius damnum, tradere hostibus aliquam urbem, est enim id exponere periculo partem pro totius salute (ebd., 31). 941 Milites sine voluntate saltem praesumpta principis damnum hostibus dantes, tenentur restituere: praesumitur autem velle etiam, ut capti a Turcis, cum fugiunt, dominos suos, aliosque spolient (ebd.). 942 Ebd.

2. Emanuel Sa (1530-1596): Das Gewissen der Soldaten

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des Sklaven von den Türken nicht nur erlaubt, sondern zudem, wenn er hierfür seinen Herrn oder Dritte bestehlen musste, gerechtfertigt. Der Zweck heiligte hier die Mittel. Ferner schrieb Sa zur Flucht aus der Kriegsgefangenschaft: „Auch die in einem gerechten Krieg Gefangenen dürfen fliehen, zumindest wenn sie außerhalb der Gewalt der Herren sind.“943 Sa schließt sich damit Molina und Lugo an, die ausführlich erörtert hatten, ab wann sich ein flüchtiger Sklave bzw. Kriegsgefangener in Freiheit wähnen konnte, nämlich wenn er die Grenzen des Herrschaftsgebietes der Feinde verlassen hatte und in sein Heimatland zurückkehren oder zu Verbündeten fliehen konnte.944 Die Ausführungen zur Flucht von Sklaven aus Kriegsgefangenschaft beziehen sich alle auf einen gerechten Krieg. Gerade für die Beichtpraxis war es entscheidend, dies zu betonen, ohne Zweifelsfälle und die dadurch ausgelösten Gewissenskonflikte auszublenden. So erklärte Sa: Wenn der rechtliche Status des Krieges in Zweifel stehe, sei ein Angriff zwar verboten, aber der eigene Besitz dürfe verteidigt werden.945 Diese Auslegung bezog sich auf die gerechten Kriegsgründe (ein Angriffskrieg sei nicht erlaubt, nur ein Verteidigungskrieg), war in ihrer Strenge aber keineswegs allgemeingültig, wie etwa Molinas Rechtfertigung eines präventiven Angriffskrieges zeigt.946 Schließlich musste nach Sa eine Kriegserklärung vorliegen, ansonsten dürfe kein Krieg begonnen werden.947 Hatte bisher der Soldat im Mittelpunkt des Interesses gestanden, wechselte Sa nun zur Perspektive auf den Kleriker im Krieg. Für diesen galt, dass es ihm im Krieg zwar erlaubt sei, zum Siegen und zum Kämpfen anzufeuern, nicht aber selbst zu kämpfen, es sei denn, um sich zu verteidigen.948 Generell hielt Sa die Selbstverteidigung in einem Krieg, an dessen gerechten Gründen Zweifel bestanden, für erlaubt.949 Sa beleuchtete auch den Aspekt der Kriegsfinanzierung. Hatten die Untertanen die Pflicht, die Kriegskosten zu übernehmen? Nein, sagt Sa, außer dies sei durch einen Vertrag und Gewohnheitsrecht so geregelt worden.950 943

Capti etiam iusto bello fugere possunt saltem si sint extra ditionem Dominorum (ebd.). Vgl. IV.3 und IV.4. 945 In dubio non licet aliena invadere: licet autem defendere, quae possides, melior enim est in dubio conditio possidentis (Sa, Aphorismi, Lyon 1617, 31). 946 STÜBEN (2006) 68. 947 Offerenti ante conflictum satisfactionem, non licet bellum inferre: quidam tamen dicunt licere, nisi offerat ante belli publicationem (Sa, Aphorismi, Lyon 1617, 32). 948 In bello licet quidem clerico hortari ad victoriam, adeoque ad pugnam, non autem pugnare, nisi se defendendo (ebd.). 949 In bello dubio pugnare licet pro se defendendo (ebd.). 950 Subditi non tenentur ad bellum propriis expensis gerendum, nisi forte ex pacto et consuetudine praescripta (ebd.). 944

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V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei

Außerdem stehe erkrankten Soldaten ein Sold zu.951 Ferner führte er an: Wenn die Soldaten sich in der Kampfkunst übten, sollten sie dabei niemandem schaden und in Todesgefahr bringen.952 An dieser unsystematischen Aufzählung wird deutlich, dass es sich hier nicht um einen Traktat oder eine Disputation handelt, sondern nur um eine Sammlung von Aphorismen. Im Hintergrund dieser Ausführungen steht die zeitgenössische Praxis, einen Krieg mit Söldnern zu führen. So könnte man auch verstehen, dass Sa einem christgläubigen Soldaten den Kriegsdienst bei einem ungläubigen Fürsten, sofern der Krieg gerecht sei, erlaubte.953 Ob Sa dabei Christen vor Augen standen, die in muslimischen Diensten standen, oder ob er auch an Söldner dachte, die sich von Protestanten anwerben ließen, bleibt offen. Entscheidend war vielmehr, dass der Krieg – wohlgemerkt, unabhängig vom Glauben der Kriegführenden – gerecht sei. Es folgt eine Gegenüberstellung von Erlaubtem und nicht Erlaubtem. So sei es zwar nicht erlaubt zu lügen, aber in einem Krieg dürfe man hinterhältig sein und Pläne verschleiern, um den Feind zu täuschen. Auch dürfe man zwar nicht am Glauben des Feindes rühren, aber an einem Feiertag kämpfen, wenn es die Sache verlange.954 Schließlich wird ganz allgemein gesagt, dass die Siegerpartei keine Unschuldigen erschlagen dürfe.955 Die größte Verantwortung lag beim kriegführenden Fürsten. Dieser hatte nach der gültigen Definition einen gerechten Krieg mit der rechten Absicht zu führen. Nach Sa beging der Fürst eine Todsünde, wenn er den Krieg nicht zum Wohl des Gemeinwesens, zur Verteidigung des Glaubens oder zur Bekehrung der Gegner führte, insbesondere wenn Aussicht auf den Sieg bestand.956 Hatte sich Sa in der Rubrik Bellum mit dem Gewissen der Soldaten, Fürsten und Kleriker im Krieg beschäftigt, ging er in der Rubrik Servus dezidiert auf die Sklaven und Kriegsgefangenen ein. Die erste Sentenz lautet hier:

951

Militi etiam aegrotanti debetur stipendium (ebd.). Miles ad discendam pugnandi artem in bellicis ludis nulli nocentibus, et a periculo mortis alienis iuste se exercet (ebd., 33). 953 Miles fidelis infideli principi in bello iusto servire potest (ebd.). 954 Mentiri non licet, in bello tamen insidiis uti licet, et consilia tegere; ad hostes decipiendos, non licet hosti fidem frangere: licet autem die festo pugnare, ita re postulante. Mol. dist. 111 (ebd.). 955 Parta victoria non licet Innocentes occidere, Mol. d. 122 (ebd.). 956 Mortifere peccat princeps si bellum ad reip. salutem, ad fidem conservandam, ad inimicorum spiritale bonum necessarium non gerat, praecipue si effulgeat victoriae spes … Mol. d. 99 (ebd.). 952

2. Emanuel Sa (1530-1596): Das Gewissen der Soldaten

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„Der in einem Krieg, selbst wenn es ein gerechter Krieg sei, gefangene Sklave darf fliehen, auch von demjenigen, der ihn in der Gefangenschaft für sich selbst kauft, außer er [der Sklave] hat versprochen, nicht zu fliehen.“957 (Übersetzung D.K.)

Das heißt, eine moralische Pflicht, in Kriegsgefangenschaft zu bleiben, bestand nur, wenn dadurch ein Versprechen gebrochen, also gelogen wurde. Dies erscheint merkwürdig. So war zuvor Diebstahl bei einer Flucht entschuldigt worden, während eine Lüge dem Sklaven die Flucht verbieten sollte. Immerhin war Sa mit dieser Position noch liberaler gegenüber dem Sklaven als Molina, der die Flucht eines im gerechten Krieg Gefangenen zur Todsünde deklariert hatte.958 Ausdrücklich schloss Sa allerdings die Flucht für diejenigen aus, die sich selbst verkauft hatten oder von ihren Eltern auf legitime Weise verkauft worden waren oder die aufgrund einer gerechten Strafe zur Sklaverei verurteilt worden waren.959 Im Hinblick auf die Schuldsklaverei besteht hier eine Übereinstimmung zwischen Sa und Lugo, allerdings nicht bei der Strafsklaverei, die Lugo nicht anders als die Sklaverei durch Kriegsgefangenschaft bewertete. Sas Referenzautor ist hier eindeutig Molina. Bei Molina gab es bereits eine Ausnahme, wann die Flucht eines Gefangenen doch keine Sünde sei, nämlich wenn sein Glaube bedroht sei. Insofern verwundert es nicht, dass auch Sa mit Nachdruck zu fliehen empfahl, wenn man auf ungerechte Weise bei den Türken festgehalten werde. Dabei dürfe jeder mit der stillschweigenden Zustimmung seines Fürsten rechnen und heimlich davonschleichen, solange dadurch kein Aufsehen erregt werde.960 Die Bedrohung des Glaubens ist hier nicht erwähnt. Entweder setzte Sa dies als selbstverständlich voraus oder die Einschränkung spielte für ihn keine Rolle. Er sprach stattdessen von der ungerechten Weise (iniuste) der Gefangenschaft, ohne dies allerdings näher zu erklären. Konkreter scheint der Hinweis, dass der christliche Sklave bei seiner Flucht von den Türken kein Aufsehen erregen solle. Wenn die Heimlichkeit der Flucht mit der schweigenden Zustimmung des Fürsten in Zusammenhang steht, handelte es sich um ein politisches Verhalten. Man könnte diesen Hinweis vielleicht auch so deuten, dass ein Skandal für die zurückgebliebenen christlichen Sklaven zu

957

Servus captus in bello etiam iusto, potest fugere, etiam ab eo qui se emit a captivitate, nisi promisisset non fugere (ebd., 662). 958 Sed Mol. d. 37. iusto bello captum laethaliter peccare fugiendo ait, tenerique se Domino restituere … (ebd.). Zu Molina: IV.3. 959 Qui se ipsos vendidere aut a parentibus legitime venditi fuere, vel servitutis poena iuste damnati, non possunt licite fugere (ebd.). 960 At qui iniuste apud Turcas detinentur non solum possunt fugere, sed etiam iure belli possunt a Turcis surripere quaecunque potuerint, ex tacito principum consensu, dum tamen scandalum absit (ebd., 662f.).

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V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei

einer Verchlechterung ihrer Lage führen konnte. Auch auf anstehende Loskaufverhandlungen konnte sich dies nachteilig auswirken. In diesem Zusammenhang verwies Sa auf das Gewohnheitsrecht, wonach ein im gerechten Krieg gefangener Christ von Glaubensbrüdern zwar bis zu seinem Loskauf vorübergehend festgehalten, aber nicht versklavt werden durfte.961 Er unterschied also zwischen einem kriegsgefangenen Sklaven und einem Kriegsgefangenen, der kein Sklave war. Bisher waren Sklaven als Kriegsgefangene, Strafgefangene, Schuldsklaven oder Sklaven von Geburt in den Blick genommen worden. Nun führte Sa noch eine weitere legitime Möglichkeit für eine Versklavung an: die Versklavung als Strafe für Menschen, die erst zum Christentum konvertiert waren und dann wieder vom Glauben abgefallen sind. Dabei griff er zunächst die Meinungen zweier Zeitgenossen auf: Dominigo Báñez OP sage, dass erwachsene Apostaten (zu denen die im Krieg besiegten ‚Sarazenen‘ von Granada gehörten962), nicht jedoch deren Kinder zu Sklaven gemacht werden können. Gregor von Valencia SJ (1549-1603) sei dagegen der Meinung, dass auch die Kinder von Apostaten zu versklaven seien, wenn die Eltern unter Androhung von Strafe für ihre Kinder Beständigkeit im Glauben versprochen hätten. Schließlich verwies Sa auf den spanischen König Philipp II., der den Kindern der Apostaten von Granada die Freiheit geschenkt hatte.963 Für Sa war dies ein Gnadenakt, und er schloss sich damit der Position seines Ordensbruders an. Als nächstes ging Sa auf den Loskauf aus der Kriegsgefangenschaft ein. Jedoch legte er nur fest, dass der Loskauf entweder durch Bezahlung eines Lösegeldes oder durch das Ableisten fünfjährigen Sklavendienstes finanziert werden sollte.964 Hier zeigt sich, dass die Übergänge zwischen einzelnen Formen der Sklaverei fließend waren. Aus der Sklaverei durch Kriegsgefangenschaft konnte Schuldsklaverei werden. Bei der Schuldsklaverei erläuterte Sa noch auf einen weiteren, besonderen Fall. Er hielt es für erlaubt, dass ein Christ sich an einen Ungläubigen als Christianus in bello iusto captus a Christianis consuetudine, et iure non fit servus …, sed potest detineri, donec redimatur (ebd., 663). 962 Der Hintergrund scheint der bereits erwähnte Moriskenaufstand von 1568 zu sein. 963 Apostatas a fide (quales sunt Saraceni Granatensi bello devicti) adultos (non autem infantes) redigi posse in servitutem, ait Bannes l. c. Val. vero l. c. filios etiam Apostatarum iugo servitutis subdi posse ait, si parentes constantiam in fide polliciti sint, sub poena servitutis filiorum. Philippus II. Hyspaniarum Rex concessit impuberibus Apostatarum filiis in Granatensi regno, ut tanquam innocentes libertate donarentur, qui quidem poterant secundum probabiliorem sententiam, redigi in servitutem (ebd.). Sa bezog sich dabei u. a. auf die 33. Disputation bei Luis de Molina. Vgl.: IV.3. 964 Redimens aliquem ab hostibus, accipiet pretium, vel quinquennii servitutem (Sa, Aphorismi, Lyon 1617, 663). 961

2. Emanuel Sa (1530-1596): Das Gewissen der Soldaten

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Sklave verkaufte, allerdings unter der Bedingung, seinen Glauben behalten zu dürfen und sich keiner Gefahr für das Seelenheil auszusetzen.965 Beim Sklaven von Geburt wies Sa auf einen interessanten Unterschied zwischen Norm und Praxis hin. Eigentlich galt der Grundsatz, dass das Kind dem Stand seiner Mutter, in Freiheit oder Sklaverei, folgte. Doch laut Sa behaupteten einige, dass diese Norm in der Praxis nicht beachtet werde. Vielmehr verhalte es sich so, dass das Kind eines freien Vaters ebenfalls frei sei.966 Die Freilassung von Sklaven behandelte Sa nur kurz. Als Gründe für eine Freilassung führte er die Aussetzung von Kindersklaven und kranken Sklaven an, denen der Herr die Nahrung verweigerte. Ebenso verhalte es sich, wenn ein Sklave von einem häretischen oder ungläubigen Herrn zur Kirche fliehe oder eine Sklavin vor einer Vergewaltigung. Lebte die Sklavin in einem lebenslangen Konkubinat mit ihrem Herrn, konnte sie nach dessen Tod die Freiheit erlangen. Abweichend von den Positionen aus der Scholastischen Theologie, vertrat Sa jedoch die Ansicht, dass sie unter diesen Umständen sogar ohne eine schriftliche Verfügung frei werden konnte.967 Am Ende ging Sa noch auf den persönlichen Besitz von Sklaven ein. Sklaven waren für ihn nicht generell besitzlos. Sie konnten zum Beispiel über Güter aus Glücksspiel, durch Geschenke und als Erben verfügen. Diese Güter gehörten nicht dem Herrn, unabhängig davon, ob es sich um im Krieg gefangene oder gekaufte Sklaven handelte.968 Sa unterschied zwischen zwei Fällen: Wer nur sich und seine eigene Arbeitskraft verkauft hatte, blieb im Besitz von geschenktem oder ererbten Eigentum. Wer jedoch zusätzlich seine Rechte veräußert hatte, erwarb alles allein zu Gunsten seines Herrn.969

965

Potest se quisque in servum ex causa vendere etiam infideli, sed cum pacto non deserendi fidem; et modo absit periculum probabile animae (ebd., 664). Hier verweist Sa wiederum auf Molinas disputatio 33. 966 Ex libera natus, liber est, ex ancilla servus secundum ius:, quod quidam aiunt non servari, ex libero enim patre natum, esse liberum (ebd.). 967 Servus sit liber simul ac habetur pro derelicto; ut si exponatur infans, Domino sciente, et non contradicente, aut a Domino aeger deseratur, aut ei negentur alimenta, aut ordinetur Domino sciente, et non contradicente, aut si Dominus sit haereticus aut infidelis, et fugiat servus ad Ecclesiam, aut si ancillam velit Dominus violare, et illa fugiat, aut si illam habuit concubinam usque ad mortem, cum posset ducere, et de ea nihil disposuit moriens (ebd.). 968 Servi bona ludo, aut dono, aut haereditare acquisita, non sunt Domini: quod de captis in bello tradit. Sot. l. 4. de Iust. quaest. 1. ar. 2 idque alii extendunt etiam ad emptitios (ebd., 664f.). Sa präzisiert, dass es sich um einen im gerechten Krieg gefangenen Sklaven handelt, wie folgt: Servus captus bello iusto est Dominus eorum, quae lucratus post praestita debita servitia et quae dono, vel haereditate acquirit (ebd., 665). 969 Emptitius vero, si se, suasque operas tantum vendidit, ex donatione et haereditate sibi acquirit, sed si se, operas et iura vendidit, Domino acquirit (ebd.).

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V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei

Die Rubriken zum Krieg und zum Sklaven behandeln einzelne Fälle der Gewissenserforschung im Hinblick auf das Thema Sklaverei. Den Aphorismen fehlt eine systematische Gliederung. Sie setzen vielmehr scholastisches Wissen und gelehrte Reflexionen über dieses Thema voraus und beschränken sich auf einige spezielle Fälle und Einsichten. Die Ausführungen zu den Zweifelsfällen zeigen einen moraltheologischen Probabilismus, der zugunsten der menschlichen Freiheit in den Handlungen votiert. Die kleinen Seitenhiebe gegen Báñez und die breite Rezeption von Molina weisen auf seine Parteilichkeit im Gnadenstreit hin.970

3. Vincenzo Figliucci (1566-1622): Sklaverei als Ehehindernis? Der italienische Jesuit Vincenzo Figliucci lehrte von 1600 bis 1604 und von 1607 bis 1613 Moraltheologie am Collegio Romano, von 1610 bis 1611 auch Mathematik.971 Er war darüber hinaus als Pönitentiar in St. Peter tätig.972 Am Ende seines Lebens, im Jahr 1622, erschien sein zweibändiges Werk Morales quaestiones de christianis officiis et casibus conscientiae, in dem er sich eingehend zu Fragen der Moral und des Gewissens äußerte, die insbesondere für den Empfang der Sakramente von Bedeutung waren. Im Jahr 1625 kam noch posthum ein Anhang mit dem Titel De statu clericorum hinzu und 1626 erschien ein Kurzfassung unter dem Titel Compendium quaestionum moralium seu universae theologiae moralis zusammen mit einer Anleitung für die Beichtväter.973 Das Werk beförderte maßgeblich die Vereinheitlichung der jesuitischen Moraltheologie. Darin verband Figliucci nämlich die scholastisch geprägte spekulative Moraltheologie mit der an 970

Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch, dass ein Satz aus den Aphorismen des Emanuel Sa Aufnahme in die Verurteilten Sätze der „Laxisten“ von Innozenz XI. in einem Dekret vom 2. März 1679 fand. Es handelt sich um den Satz: „Und so ist kaum einer zu einem Almosen verpflichtet, wenn er nur aufgrund des für seinen Stand Überflüssigen verpflichtet ist.“ (DH 2112). In dieser Verurteilung von Innozenz XI., der dem Rigorismus zuneigte, fielen vor allem Sätze aus den Werken der Jesuiten Tamburini, Sirmond, Figliucci, Vásquez und Suárez. Dies war ein Sieg der theologischen Fakultät in Löwen gegen die jesuitische Morallehre. 971 VILLOSLADA (1954) 325; 335. 972 THEINER (1970) 280. Vincenzo Figliucci wurde 1566 in Siena geboren. Bevor er 1584 in den Jesuitenorden eintrat, hatte er Philosophie studiert. Zwei Jahre später ging er nach Neapel, um vier Jahre Theologie zu studieren. Von 1594 bis 1595, als Roberto Bellarmino nach Neapel kam, unterrichtete er dort Mathematik. 1596 wurde er zum Rektor des Jesuitenkollegs von Siena ernannt, wo er bis 1599 blieb. Danach ging er nach Rom, wo er Professor für Moraltheologie und Mathematik am Collegio Romano wurde. Von 1606 bis 1607 war er auch Rektor des Kollegs in Florenz. Er starb in Rom am 5. April 1622 (zu ihm SOMMERVOGEL Bd. 3 [1894] Sp. 735-738). 973 THEINER (1970) 280f.

3. Vincenzo Figliucci (1566-1622): Sklaverei als Ehehindernis?

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Einzelfällen orientierten Kasuistik.973 In der Diskussion um die Studienordnung war wiederholt die Frage aufgekommen, ob Cursus maior und Cursus minor gemeinsame Kasusprofessoren bekommen sollten. Diese Frage wurde für den Orden nicht einheitlich gelöst. Figliucci leistete mit seinem Werk einen Beitrag für eine mögliche Zusammenführung der beiden Ausbildungskurse.974 Zugleich war es als Handbuch für die Seelsorger und Beichtväter konzipiert, wobei die Sakramente der Beichte und der Ehe am ausführlichsten behandelt wurden.975 Was den Umfang und die Anordnung seines Lehrstoffes betrifft, so geht noch aus dem Frontispiz der Ausgabe von 1634 hervor, dass die Sammlung von Figliuccis Erfahrungen als päpstlicher Beichtväter am Petersdom beeinflusst war. Dabei folgte deren thematischer Aufbau offensichtlich einer Vorlesung am Collegio Romano, in der die sieben Sakramente, die kirchlichen Zensuren sowie Hindernisse, der Dekalog, die Verträge und die Stände behandelt wurden.976 Im Proömium erklärte Figliucci, dass die Moraltheologie über Mittel und Wege reflektierte, um den menschlichen Willen auf Gott auszurichten.977 Hier klingt also eine Betonung des freien Willens an, wie er im Gnadenstreit von der jesuitischen Seite verteidigt worden war. Figliucci gliederte seine Sammlung in drei Teile. Der erste Teil behandelte die äußeren Mittel (media externa) wie Sakramente und Zensur. Besonders die Beichte sollte hier geklärt werden. Der zweite Teil ging auf inneren Mittel (interna media) ein.978 Der dritte Teil widmete sich den Vorschriften 973

Ebd., 281. Ebd., 282f. Ob die beiden Lehrstühle für Kasuistik/ Moraltheologie am Collegio Romano de facto verschmolzen sind, wie Theiner dies annimmt, ist unklar. 975 Ebd., 287. 976 Vincentii Filliucii Senensis, Societatis Iesu Theologi, olim professoris in Romano Collegio, Responsoris Quaestionum conscientiae, et Poenitentiarii S.D.N. Papae ad Sanctum Petrum, Quaestionum Moralium de Christianis Officiis in casibus Conscientiae, ad formam cursus qui praelegi solet in Collegio Romano eiusdem Societatis, Tomi Duo, quorum Prior continet Sacramenta septem, Censuras omnes tam in communi, quam in particulari, et Irregularitates. Posterior, Decalogi praecepta singula, una cum Contractibus. His demum adiuncta est Appendix posthuma, qua prius desiderebatur, de statu Clericorum: magna ex parte ex ipsius adversariis collecta a Ioanne Hieronymo Sopranis eiusdemmet Societatis Theologo (Vincenzo Figliucci, Quaestionum Moralium de Christianis Officiis in casibus Conscientiae, Lyon 1634, Frontispiz). 977 Theologiae partem moralem aggredimur, quae tota posita est in dirigendis actionibus voluntatis nostrae, quibus beatum finem assequimur. Hunc esse Deum clare visum, tanquam rem satis cognitam et certam hoc loco supponimus; proinde de mediis, quae ad illum ducunt, instituimus agere (ebd., 1). 978 Ac primo loco de Sacramentis, quae praecipua quaedam (inter externa) media sunt a Christo Domino instituta; tum de Censuris Ecclesiasticis, quae ad clavium potestatem, et iurisdictionem in foro externo pertinent, veluti Tractatio haec ad completam de Sacramento Poenitentiae declarationem requisita sit (ebd.). THEINER (1970) 284. 974

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V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei

der Zehn Gebote, welche die Normen für das menschliche Handeln boten.979 Im vierten Teil berücksichtigte Figliucci schließlich auch die unterschiedlichen Stände (nach Geschlecht und Alter), sofern sie für die Fragen der Moral von Belang waren.980 Insgesamt bot Figliucci in zehn Abhandlungen einen allgemeinen Überblick zu den Sakramenten der Taufe, Firmung und Krankensalbung, zur Eucharistie hinsichtlich ihres Charakters als Sakrament sowie als Opfer, zur Reue in der Beichte, zum Sündenbekenntnis in der Beichte sowie zur Genugtuung durch die Beichte, der kirchlichen Weihe und schließlich der Ehe.981 Die Autoritäten, auf die er sich berief, waren die Bestimmungen der Konzilien von Ferrara und Trient, der Kirchenvater Ambrosius, der Augustinerchorherr Hugo von Sankt Viktor (1097-1141),982 die STh des Thomas von Aquin und dessen Kommentatoren Cajetan und Suárez. Hinzu kamen die Kanonisten und Summisten zu den Sakramenten, wie Francisco de Toledo mit der bereits erwähnten Instructio sacerdotum.983 In den Abhandlungen folgte Figliucci einem simplen Darstellungsschema, indem er zuerst eine 979

Secundo loco de mediis internis agemus, actionibus nimirum bonis in Decalogo praescriptis, quibus duobus omnes fere de Christiano officio quaestiones continentur, quae biennii spatio in nostro hoc Romano Collegio pertractari solent (Vincenzo Figliucci, Vincentii Filliucii Senensis, Societatis Iesu theologi, olim professoris in Romano Collegio, responsoris Quaestionum conscientiae et poentitentiarii S. D. N. Papae ad Sanctum Petrum, Quaestionum moralium de Christianis officiis in casibus conscientiae, ad formam cursus qui praelegi solet in Collegio Romano eiusdem Societatis, 2 Bde., Lyon 1634, 1). THEINER (1970) 285. 980 Addemus tertio loco Tractationem de variis hominum statibus ac generibus, quibus permulta, quae ad rerum moralium materiam spectant, et praedictis Tractationibus ex industria omissa sunt, complectemur, ut hoc triplici quaestionum moralium Tomo, integra atque perfecta moralis Theologiae doctrina, quam in tam magna huius aevi Scriptorum copia non nemo desiderat, comprehendi possit (Figliucci, Quaestionum moralium [Bd. 1], Lyon 1634, 1). 981 Porro de Sacramentis novae legis instituimus Tractationes omnino decem. Prima erit de Sacramentis novae legis in communi. Secunda de Baptismo. Tertia de Confirmatione, et sacra Unctione extrema. Quarta de Eucharistia, ut Sacramentum est. Quinta de eadem, quatenus est sacrificium. Sexta de Poenitentiae prima parte, hoc est, de Contritione. Septima de secunda parte, videlicet Confessione. Octava de tertia, quae est Satisfactio. Nona de Ordine. Decima, et ultima de Matrimonio (ebd.). 982 Ebd. Die neueste Ausgabe von De sacramentis ist die kritische Edition von: Rainer BERNDT, Hugonis de Sancto Victore De sacramentis Christianae fidei, Münster 2008. 983 Auctores, qui de Sacramentis scripserunt, permulti sunt. Ac praeter Concilio duo, Florentinum in decreto Eugenii IV. §. 5. et seqq. et Tridentinum sess. 7. ex quibus praecipuae probationes desumendae erunt in hac materia; legendi sunt Patres, ut Ambrosius, et Hugo libris de Sacramentis, aliique, ex quorum unanimi doctrina, quae perpetuam arguit Ecclesiae traditionem, secundae probationes petuntur. Deinde Scholastici cum Magistro in 4. dist.1. et seq. S. Thom. 3. par. a quaest. 60. ubi Caietanus, Valentia, et Suarez. Canonistae de Poenitentia, dist. 1. et de Consecratione, per nonullas distinctiones. Summistae v. Sacramentum, Victor. et Ledesma tit. de Sacramentis. Navarr. cap. 22 Manual. Toletus lib. 2. suae instructionis, cap. 15. ex quorum communi sententia confirmantur tertio loco veritates Sacramentorum. Plures legendi apud Henriquez initio suae Summae Theologiae moralis. Hos enim utpote celebriores indicasse satis sit (Figliucci, Quaestionum moralium [Bd. 1], Lyon 1634, 1).

3. Vincenzo Figliucci (1566-1622): Sklaverei als Ehehindernis?

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Frage stellte (quaero), sie beantwortete (respondeo et dico) und schließlich begründete (ratio enim est). Innerhalb dieser sakramental- und moraltheologischen Darstellung ging Figliucci auf die Sklaverei nur am Rande ein und zwar im zweiten Kapitel des zweiten Traktats über die Ehehindernisse.984 Dabei behandelte er die Frage, inwiefern der Status als Sklave bzw. Sklavin die Ehe beeinflusste. Zunächst ist jedoch festzuhalten, dass er die Ehe als Vertrag betrachtete, der auch zwischen Gläubigen und Ungläubigen rechtsgültig geschlossen werden konnte. Einschränkend gestand er einem ungläubigen Fürst als Gesetzgeber zu, seinen Untertanen Ehehindernisse aufzuerlegen.985 Diese allgemeingültige, vertragstheoretische Begründung der Ehe ist somit auch für die interreligiöse Perspektive auf die Sklaverei im Mittelmeerraum zu berücksichtigen. Sie findet sich nicht zuletzt in der Position zur interreligiösen Sklavenehe, wie sie später Juan de Lugo vertrat.986 Nach Figliucci stellte der Sklavenstand an sich kein Ehehindernis von christlicher Seite dar. Diese Feststellung stand für ihn im Einklang mit dem Naturrecht, wonach eine Eheschließung zwischen Sklaven untereinander und mit Freien gültig geschlossen werden konnte, sofern der Stand des unfreien Ehepartners im Voraus bekannt war.987 Vor diesem Hintergrund diskutierte der Jesuit weitere Umstände, die eine Sklavenehe zu verhindern vermochten. Ein erster Aspekt war, ob ein Irrtum bzw. eine Täuschung über die zu ehelichende Person ein Ehehindernis darstellte. Denkbar war etwa der Fall, dass sich ein Ehepartner für eine andere Person ausgab. Figliucci vertrat die Auffassung, dass jeder Irrtum in der Person, der die Eheschließung zu einem unfreiwilligen Akt werden ließ, die Ehe ungültig machte.988 Damit verteidigte er das Konsensprinzip der Ehe. Lag 984 Secunda pars Tractationis de Sacramento Matrimonii. De impedimentis eiusdem. Cap. II De impedimento erroris et conditionis, Quaestio 1-10, in: ebd., 261-264. 985 Dazu ausführlich: Cap. I De potestate statuendi impedimenta in Ecclesia (ebd., 258-260). Laut Figliucci: Quia Matrimonium est contractus communis fidelibus, et infidelibus, agemus Primo loco de potestate inducendi impedimenta apud infideles… Primo ergo quaero, An princeps infidelium possit suis subditis impedimenta statuere. Respondeo et dico primo, Posse (ebd., 258). 986 Vgl. IV.4.1. 987 Quarto quaero, Quo iure servitutis error dirimat matrimonium, et qualis error requiratur. Respondeo et dico primo, Servitutem non esse impedimentum sua natura matrimonio ineundo, quia si cognoscatur servitus, validum est, tam inter servos, quam inter liberum et ancillam … (Figliucci, Quaestionum moralium [Bd. 1], Lyon 1634, 262). 988 Primo ergo quero, De errore circa personam. … Personae, ut cum unus supponitur matrimonio pro alio. … Respondeo et dico primo, Error quicunque circa personam, sive antecendente non est dubium, quia, ut dictum est, is dat causam contractui et efficit actum matrimonii involuntarium, atque adeo defectu voluntarii tale matrimonium est invalidum (ebd., 261).

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V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei

der Irrtum jedoch nur in den körperlichen Eigenschaften oder in den Lebensverhältnissen, also ob jemand reich oder arm war, hielt er dies nicht für einen hinreichenden Grund zur Auflösung der Ehe. Allerdings sei bei bestimmten Fällen ein päpstlicher Dispens möglich.989 Anschließend ging er der Frage nach, ob es ein Ehehindernis darstellte, wenn der freie Partner glaubte, mit einer freien Partnerin verheiratet zu werden, sich dann aber herausstellte, dass sie eine Sklavin war.990 Zur Beantwortung dieser Frage unterschied Figliucci zunächst grundsätzlich zwischen drei Arten von Sklaven.991 Das waren erstens die regulär durch Kauf erworbenen Sklaven,992 zweitens die adscriptitii, die einem bestimmten Grundbesitz „zugeschrieben“ waren und mit diesem weiterverkauft werden konnten,993 und drittens die originarii, womit Sklaven von Geburt gemeint waren. Zu dieser dritten Kategorie zählte Figliucci auch die Juden unter christlicher Herrschaft, also einschließlich der Kammerknechtschaft, unter die Sklaverei. Bei der zweiten Kategorie könnte man an Leibeigene denken, die an die Scholle gebunden waren. Insgesamt arbeitete der Jesuit also mit einem sehr weiten Begriff von Sklaverei. Zwischen diesen Kategorien gab es aber sehr wohl rechtliche Unterschiede. So engte Figliucci den Sklavereibegriff gleich wieder ein, indem er adscriptitii und originarii nur nominell als Sklaven bezeichnete, faktisch jedoch als Freie betrachtete.994 Diese Unterscheidung war insofern relevant, da die Täuschung über die rein nominelle Sklaverei für die Kirche noch kein Ehehindernis darstellte.995 Bei einem „richtigen“ Sklaven oder einer „richtigen“ Sklavin konnte die Täuschung über ihren Status dagegen zum Ehehindernis werden.996 Laut 989

Secundo quaero, De errore circa qualitatem corporis et fortunae. Respondeo, et dico primo, Error qualitatis corporis vel fortunae non vitiat matrimonium. Ratio, quia non contingit circa subiectum, sed circa accidentia … Posset tamen Papa iustis de causis statuere, ut talis error, nempe qualitatis corporis, vel fortunae, matrimonium dirimat. ... Denique si error qualitatis redundaret in errorem personae, tunc secundum omnes dirimeret matrimonium (ebd.). 990 Secundo supponendum, errorem esse triplicem. … Et conditionis servilis, ut cum quis liber putat se contrahere cum libera, quae re vera sit ancilla. … Tertio Quaero, De errore circa conditionem servilem (ebd.). 991 Pro responsione notandum, servos esse in triplici differentia (ebd.). 992 Primo, quidam sunt vere servi, ita ut dominus possit eos vendere (ebd.). 993 Secundo, alii sunt adscriptitii, qui sunt addicti praedio colendo, reddituri domino omnes redditus praeter sumptus et victum (ebd.). 994 Tertio, originarii, qui scilicet sunt orti ex his adscriptitiis, et hi duo postremi vere sunt liberi. … Iudaeis enim interdicuntur mancipia Christiana, non adscriptitii, vel originarii. Hoc adnotato (ebd.). 995 Dico secundo, Error servitutis non verae, ut adscriptitiae, et originariae non dirimit matrimonium. Ratio, quia Ecclesia non irritavit matrimonium ex errore cuiuscunque conditionis, sed tantum servilis: at adscriptitii, et originarii sunt vere liberi, ut dictum est (ebd., 262). 996 Respondeo et dico primo, Error conditionis servilis in contractu liberi cum ancilla, vel liberae cum servo, irritat matrimonium (ebd., 261).

3. Vincenzo Figliucci (1566-1622): Sklaverei als Ehehindernis?

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Figliucci stark beeinträchtigt würden die drei Güter der Ehe, nämlich das Zusammenwohnen, da der Sklave beim Herren leben müsse,997 die Treue, weil der Sklave seinen ehelichen Pflichten nicht nachkommen könne und allein den Herrn zufrieden stellen müsse,998 und die Nachkommenschaft, weil der Sklave sie nicht ernähren könne.999 Allerdings räumte Figliucci ein, dass es nach dem kanonischen Recht, im Gegensatz zum zivilen Recht, für die Ehe genüge, wenn die Güter der Ehe im Hinblick auf Sakramentatlität bzw. das gemeinsame Zusammenleben und die Treue gegeben seien. Nachkommschaft war hingegen nicht zwingend notwendig.1000 Ein weiteres Problem war die Täuschung über die Dauer der Sklaverei. Wenn zum Beispiel die Sklavin nach zwei Jahren nicht frei kam, war dies ein eindeutiges Ehehindernis.1001 Eine Unkenntnisklausel für den freien Ehepartner war aber nur gültig, insofern der Status des versklavten Partners nicht allgemein bekannt war.1002 Eine zentrale Frage war, ob unter bestimmten Umständen die Ehe ein Weg in die Freiheit sein konnte.1003 Dazu führte Figliucci eine Reihe von möglichen Fällen an. So konnte die Freiheit daraus folgen, dass der Herr einen Sklaven bzw. eine Sklavin einer Freien bzw. einem Freien in die Ehe gab, aber den freien Partner in Unkenntnis über den Sklavenstand ließ.1004 Der Grund bestehe darin, dass der Herr mit der Zustimmung zur Ehe, sofern er die näheren Umstände verschwieg, auch seine Zustimmung zur Freiheit

997

Ratio, quia adversatur triplici bono matrimonii. Primo, bono Sacramenti, et individuae cohabitationis, nam servus debet habitare in domo domini, a quo potest mitti in varias regiones, et longinquas, consequenter non poterit habitare cum coniuge (ebd.). 998 Secundo, bono fidei, quia non potest reddere debitum ad libitum coniugis, sed cum domino in eius obsequiis satisfecerit (ebd., 261f.). 999 Tertio, bono prolis, quia nequibit eam alere, cum omnia quae servus acquirit, domini sint (ebd., 262). 1000 Respondendum est, satis esse bonum Sacramenti, et fidei. Et licet leges civiles forte id matrimonium non permittant, Auth. ad hoc. cit. tamen in eo non sunt a iure Canonico approbatae, quod sequi debemus in re matrimoniali (ebd.). 1001 Secundo, ad servum, vel ancillam statu liberam, ut quia post biennium libera erit, nam tale etiam matrimonium irritum erit, quia medio tempore vere est ancilla ..., sed si tempus magnum sit, ut est biennium: recte dicunt esse irritum; si modicum, ut infra menses sex, probabile est valere, ut ex viris doctis consultis docet Sanch. n. 4 (ebd.). 1002 Dices, cui incumbat onus probandi ignorantiam servitutis, liberone petenti solutionem, an servo? Respondeo servo, quia praesumitur in libero ignorantia, dum contrarium non probatur, … nisi tempore, quo factum est matrimonium, conditio servitutis fuisset communiter nota in eo loco, tunc enim libero incumberet onus (ebd.). 1003 Quinto quaero, Ouandonam servus vel ancilla libertatem consequantur ex matrimonio facto permissu domini (ebd.). 1004 Respondeo, et dico primo, Hoc ipso quod dominus personam conditionis servilis tradit liberae nescienti servitutem, fit libera (ebd.).

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V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei

als Gütigkeitsbedingung der Ehe gebe.1005 Bei Standesgleichheit, also wenn Sklaven untereinander verheiratet wurden, traf diese Regelung jedoch nicht zu.1006Außerdem sollte der versklavte Ehepartner die Freiheit erhalten, falls der Herr seine Sklaven zwar nicht selbst in Ehe gab, aber von der Ehe wusste und dem freien Ehepartner den Umstand der Sklaverei verschwieg.1007 Denn mit dem Verschweigen beging der Herr gegenüber dem Freien ein Unrecht, wodurch die Freilassung seiner Sklaven als Strafe für den Herrn und zu Gunsten der Ehe erfolgte.1008 Schließlich konnte ein Weg in die Freiheit darin bestehen, dass der freie Partner eine Mitgift an den Herrn zahlte. Allerdings galt dies nur unter den Bedingungen, dass der Herr seine Sklavin (hier wird der männliche Sklave nicht erwähnt) in die Ehe gab und der Freie von ihrem Sklavenstatus zuvor wusste. Die Mitgift stellte in diesem Fall anscheinend eine Art Lösegeld dar.1009 Lediglich für wahrscheinlich hielt es Figliucci hingegen, dass eine Sklavin die Freiheit erhielt, wenn sie der Herr selbst zur Frau nahm. 1010 Dies war also keine notwendige Konsequenz, in der Praxis aber durchaus üblich. Eine weitere Frage war, inwiefern der Sklave oder die Sklavin in Eheangelegenheiten dem Herrn unterworfen war.1011 Zur Disposition stand, ob der Sklave eine Ehe gegen den Willen des Herrn eingehen konnte und ob der Sklave nach der Eheschließung eher seine Frau oder den Herrn zufriedenzustellen hatte.1012 Für Figliucci stand fest, dass der Sklave auch gegen den Willen seines Herrn eine Ehe eingehen konnte. Er begründete dies mit dem natürlichen und göttlichen Recht, wonach die Ehe zur Fortpflanzung der menschlichen Natur und als Heilmittel gegen die Folgen der Erbsünde eingeführt worden sei. Dieses Rechtsgut bewertete er höher als die Sklaverei, die 1005

Ratio est: quia consentiens in aliquid, consentit etiam in id, sine quo illud perfici non potest. At dominus consentit in id matrimonium, ergo etiam in libertatem, sine qua illud est invalidum (ebd.). 1006 Dixi, tradit liberae, quia si traderet eodem modo personae conditionis servilis, non fieret libera, quia cessat ratio favoris matrimonii, nam aeque enim valebit matrimonium, etiamsi remaneat in conditione servili (ebd.). 1007 Sed quid si dominus non tradit, sed tantum conscius matrimonii tacet servitutem? Respondeo adhuc fieri liberam, si persona libera cum qua contrahit, nescit conditionem servilem. Colligitur expresse ex d. Auth. et alia de nuptiis, coll. 4. §. si vero (ebd.). 1008 Ratio est, quia dominus sciens matrimonium, et non aperiens conditionem servilem sui servi, est in gravi dolo ob iniuriam, quae fit libero contrahenti, ideoque in poenam illius, ac favore matrimonii consequitur libertatem (ebd.). 1009 Dico secundo, Si dominus tradat ancillam in matrimonium libero conscio servitutis, sed simul conficiat instrumentum dotis ancillae, eo ipso ancilla fit libera (ebd.). 1010 Quod si dominus ducat ancillam in uxorem, probabile est fieri liberam ... (ebd.). 1011 Sexto quaero, De subiectione servorum suis dominis in ordine ad matrimonium (ebd.). 1012 Notandum eiusmodi subiectionem praebere occasionem dubitandi primo, an possit servus contrahere matrimonium invito domino. Secundo, post contractum utri debeat magis satisfacere, uxori an domino (ebd., 263).

3. Vincenzo Figliucci (1566-1622): Sklaverei als Ehehindernis?

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sich lediglich aus dem Völkerrecht und dem positiven Recht ableiten lasse.1013 Der Herr beging folglich eine Todsünde, wenn er den Sklaven oder die Sklavin an der Ehe hinderte.1014 Außerdem folgte daraus die Straffreiheit für den Sklaven, wenn er eine Ehe gegen den Willen des Herrn einging. 1015 Hier zeigt sich bei Figlucci eine deutliche Humanisierungstendenz zugunsten der Sklaven, die von ihm als Personen mit freiem Willen angesehen werden. Was den Umgang zwischen dem Herrn, seinem Sklaven und dessen Ehepartnerin anging, plädierte Figliucci für den Schutz der Ehe, denn im Entscheidungsfall hatte der Sklave eine größere Verpflichtung gegenüber seiner Frau als gegenüber seinem Herrn.1016 Diesen Anspruch leitete er wiederum aus dem naturrechtlichen Status der Ehe ab, den er höher als den völkerrechtlichen Status der Sklaverei wertete.1017 Der verheiratete Sklave hatte somit ein Recht auf den ehelichen Umgang. Der Herr verstoße gegen die Gerechtigkeit, wenn er das Eheleben seiner Sklaven verhindere.1018 Damit wurden einer im Grunde rechtlosen Person im Schutz der Kirche eigene Rechte zugesprochen. Weiter ging Figliucci auf die Frage ein, ob sich Partner nach der Eheschließung selbst in die Sklaverei verkaufen konnten.1019 Hier unterschied er 1013

Respondeo, et dico primo, Posse servum contrahere invito domino. Communis ex S. Thom. d. 36. q. unic. art. 2 ab omnibus recepto, ut testatur Sanch. disp. 21. num. 3. Ratio, quia ius naturale, et divinum concessit eam potestatem ad propagationem humanae naturae, et in remedium concupiscentiae. Ius autem gentium, quo inducta est servitus, non potest illud auferre, utpote inductum ob bonum publicum, et in remedium concupiscentiae, ideoque nulli iuri positivo datum est, ut possit illud interdicere (ebd.). 1014 Hinc sequitur primo, non licere domino matrimonium impedire sui servi sub peccato mortali, quia iniuste id faceret cum gravi praeiudicio servi … (ebd.). 1015 Sequitur secundo, nec posse eum punire, quod matrimonium se invito contraxerit, usus enim est iure suo, et in nihilo deliquit. Quomodo autem debeat se gerere dominus, quando sciret servum tractare de matrimonio, et an possit eum tunc venundare vel alio mittere, dic non posse si servus fidem suam iam obligasset initis sponsalibus, secus si non obligasset, … (ebd.). 1016 Dico secundo, Ad discernendum in eventibus particularibus utri potius teneatur servus satsifacere, domino an coniugi, attendendae sunt circumstantiae occurrentes, et illi potius obsequendum cuius necessitas magis urget. Ubi autem caetera paria essent, potius debet satisfacere coniugi reddendo debitum, quam domino (ebd.). 1017 Ratio est, quia ius coniugis etsi posterius sit quoad possessionem actu apprehensam in corpus alterius ratione matrimonii, iure domini in servum; attamen quoad vinculum, et primam originem est prius, quia oritur ex iure naturali, quod praefertur iuri gentium, quo servitutes et dominia introducta sunt … (ebd.). 1018 Septimo quaero, de potestate dominorum in servos coniugatos. Respondeo, et dico primo, Eo ipso, quod servi habent ius matrimonium contrahendi invitis dominis, ut dictum est, habent etiam consequenter ius illo utendi, ideoque sicut contra iustitiam esset, si domini matrimonia servorum impedirent, ita erit, si impediant eorum usum. Confirmatur, quia ius coniugum fortius est ac vetustius iure dominorum: non ergo ius dominorum potest quicquam agere, quo illi praeiudicet (ebd.). 1019 Octavo quaero, Quid iuris de servitute superveniente matrimonio iam contracto (ebd.).

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V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei

zwischen Mann und Frau. Dem Mann stand es zu, sich nach der Eheschließung selbst gegen den Widerstand der Ehefrau in die Sklaverei zu verkaufen, weil er nur daran gebunden sei, den ehelichen Verpflichtungen gegenüber seiner Frau nachzukommen.1020 Die Ehefrau hingegen konnte sich nicht selbst ohne die Zustimmung des Mannes verkaufen, weil sie dem Mann zwar gleichgestellt hinsichtlich der ehelichen Verpflichtungen war, aber zugleich dem Mann als Familienoberhaupt untertan war und der eigenmächtige Selbstverkauf der Frau dem Recht des Hausvaters (pater familias) widersprach.1021 Schließlich ging Figliucci auf die legitime Form der Sklaverei durch Geburt ein, die er anhand unterschiedlicher Konstellationen erläuterte.1022 Auch für ihn folgten die Kinder dem Rechtsstatus der Mutter.1023 Die matrilineare Weitergabe von Freiheit oder Sklaverei an die Kinder, unabhängig vom Status des Vaters begründete er mit dem Prinzip der materiellen Ursache, wonach die Kinder den Körper durch die Geburt aus dem Körper der Mutter erhalten hatten und die Sklaverei sich auch auf den Körper bezog. Entscheidend war aber auch der Zeitpunkt der Empfängnis, der Geburt und ob die Mutter zwischenzeitlich frei gekommen war.1024 Damit boten sich einige Auswege an, die Kinder einer Sklavin eventuell doch zu Freien zu erklären. Es gab aber noch weitere Ausnahmen. So verwies Figliucci auf die gewohnheitsrechtliche Regelung, dass der dritte, legitim vom Herrn mit seiner Sklavin gezeugte Sohn die Freiheit erhalten sollte.1025 Außerdem konnte un1020

Respondeo, et dico primo, Virum inito matrimonio posse se vendere etiam renitente uxore. Ratio est, quia vir uxori subditur solum in iis, quae spectant ad redditionem debiti: huiusmodi autem venditio non praeiudicat redditioni, nam etsi vir in fraudem se venderet, adhuc tamen uxori tenetur ad omnia, quae lex matrimonii obligat, idque praecepto domini … (ebd.). 1021 Dico secundo, Uxorem non posse se ipsam vendere absque consensu viri. Ratio est, quia ultra obligationem reddendi debitum, in quo sunt pares vir et uxor, haec praeterea subditur viro, tanquam capiti, in reliquis, quae pertinent ad regimen domus et familiae. Ideoque talis venditio esset contra iustitiam, esset enim contra rationem capitis, quae ex sua natura oritur ex matrimonio in viro, et pertinet ad quandam iursidictionem … (ebd.). 1022 Nono quaero, De conditione filiorum ex parente servo, an scilicet sequantur conditionem parentis quoad servitutem, et honores (ebd.). 1023 Respondeo, et dico primo, Quoad servitutem filios sequi conditionem matris, ideoque si sint orti ex ancilla, etiam filii servi erunt illius, cuius est mater. Contra si mater libera sit, filii quoque liberi erunt, cuiuscunque conditionis sit pater (ebd.). 1024 Ratio autem ea est, quia sive spectetur causa materialis, proles recipit corpus a matre, servitus autem ad corpus pertinet; sive causa finalis, plus favet partui, cui potest libertas matris prodesse triplici tempore, conceptionis, partus, et medio, in quovis enim horum mater fuerit libera, etiam filius liber erit, cum pater tantum possit iuvare tempore conceptionis; sive denique causa efficiens, partus potius est fructus matris, quam patris, sicut arbores non dicuntur fructus feminis terrae mandati, sed ipsius terrae (ebd.). 1025 Hinc sequitur primo filium ex ancilla foecundata a domino etiam esse servum domini … Secundo, filios illegitimos eodem modo sequi conditionem matris, quoad libertatem et servitu-

4. Zusammenfassung

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ter bestimmten Umständen der Sohn einer Sklavin, wenn der Vater von Adel war, dem Rechtsstatus des Vaters folgen und die Freiheit erlangen.1026 Ob das Kind einer Sklavin frei oder unfrei war, hing, wie erwähnt, nicht zuletzt von bestimmten Zeitpunkten ab.1027 Wenn die Frau zum Zeitpunkt der Empfängnis frei war, sollte dies auch für ihr Kind gelten.1028 Diskutiert wurde schließlich der Fall einer Sklavenmutter, die mehreren Herren zugleich gehörte. Wurde sie nur von einem Herrn freigelassen, galten die Kinder weiterhin als Sklaven, bis die Mutter vollständig von den anderen Herren ausgelöst worden war1029

4. Zusammenfassung Sklaverei wurde in kasuistischen Werken wiederholt thematisiert. So spielte sie als mögliches Weihehindernis eine Rolle, wie anhand der Instructio sacerdotum des Francisco de Toledo erläutert wurde. Grundsätzlich war ein Sklave von kirchlichen Weihen ausgeschlossen, Ausnahmen jedoch eigens geregelt. Die rechtliche Erlaubnis wurde dabei von der sakramentalen Gültigkeit einer vollzogenen Weihe unterschieden. Für den rechtlichen Aspekt war wiederum die Zustimmung des Besitzers elementar. Entsprechend breiten Raum nahm die Diskussion über Fälle von Täuschung oder Einspruchsrechten ein. Unterschieden wurde auch zwischen den niederen und höheren Weihen (Weihegraden). Insgesamt sollte vor allem das Gewissen des weihenden Bischofs und das ihrer Beichtväter und Berater geschult werden, da tem … Tertio, filios legitimos eodem modo sequi conditionem matris, ubi tamen esset consuetudo legitime praescripta, ut filius sequatur conditionem patris, quoad servitutem, vel utriusque parentis, sibi servanda esset, potest enim praevalere consuetudo contra ius humanum … (ebd.). 1026 Dicendo secundo, Quoad honores et nobilitatem, filius sequitur conditionem patris … Ratio, quia filius recipit esse a patre, tanquam a causa efficiente, ea autem quae pertinent ad esse, ut sunt honores, et dignitates, sequuntur patrem. Ideoque filius naturalis habitus ex ancilla a viro nobili, quamvis non sit nobilis dum est subiectus servituti, probabile tamen est comparare nobilitatem, quando manumittitur, nam iura sanguinis nullo iure civili possunt dirimi … (ebd.). 1027 Dazu: Decimo quaero, De quibusdam aliis dubiis pertinentibus ad servitutem, vel libertatem filiorum (ebd.). 1028 Primo, An filius conceptus post servitutem matris servus sit. Respondeo Affirmative … Ratio, quia conceptus est ex matre vere ancilla facta per venditionem legitimam. Secundo, An si mater praegnans esset tempore, quo serva effecta est, filius sit servus. Respondeo, Filium esse liberum, quia tempore conceptionis mater fuit libera. Non potuit autem a matre vendi, quia nondum erat in eius potestate, utpote non natus (ebd.). 1029 Tertio, An proles nata ex ancilla duorum, vel plurium dominorum, si ab aliquo manumittatur, sit libera. Respondeo, Si pretium non est solutum alteri domino partis, quam habebat in ancilla, proles nata erit serva, donec id pretium solvatur … Si vero ante partum solvatur pretium, proles erit libera, quia mater tunc erit libera ante nativitatem (ebd., 263f.).

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V. Jesuitische Moraltheologie und Kasuistik zur Sklaverei

dieser bei einer unerlaubten Weihe eine rechtliche wie eine moralische Verfehlung beging. Rechtliche und moralische Zusammenhänge spielten auch bei der Behandlung der Sklaverei in Folge eines Krieges eine Rolle. Dieses Thema, das bereits ausführlich in der Scholastischen Theologie begegnet ist, konnte in einer kasuisischen Moraltheologie aufgegriffen werden, wie die Aphorismi Confessariorum von Emanuel Sa zeigen. An diesem Beispiel offenbart sich die Relevanz des Probabilismus, denn die Gewissensnöte entstanden aus dem Zweifel darüber, ob der konkrete Krieg gerecht sei. Darüber war freilich, selbst unter Zuhilfenahme der Kriterien eines gerechten Krieges nach Thomas, keine letzte Gewissheit zu erlangen. Dann ist im Sinne des Probabilismus für eine größere menschliche Handlungsfreiheit in ethischer Hinsicht zu votieren. Dabei zeigen sich sowohl Entlastungen für das Gewissen des Soldaten (der dem Fürsten gehorsam ist) als auch Humanisierungstendenzen in der Praxis der Kriegssklaverei, denn Sa machte, wie später Lugo, dem Sklaven weitreichende Zugeständnisse für eine Flucht. Insgesamt zeigen sich darin Defizite einer kasuistischen Behandlung des Themas, da ihr die rechtsphilosopischen Grundlagen und Zusammenhänge fehlen. Schließlich wurde mit Vincenzo Figliucci die Sklaverei als mögliches Ehehindernis behandelt. Hier wird ebenfalls (wie oben beim Thema der Weihe) zwischen dem rechtlichen und dem sakramentalen Aspekt der Ehe unterschieden. Da die Ehe ein rechtlicher Vertrag war, konnte diese zum Beispiel zwischen Gläubigen und Ungläubigen rechtsgültig geschlossen werden. Sie war demnach ein Gegenstand des zivilen wie des kanonischen Rechts. Diskutiert wurden Fragen der Eheschließung zwischen Sklaven sowie zwischen Sklaven und Freien. Im Unterschied zur Erörterung der Weihe bei Toledo, dem Sklaverei als prinzipielles Weihehindernis galt, das allerdings unter Umständen zu umgehen oder zu sanieren war, ging Figliucci nicht davon aus, dass Sklaverei ein Ehehindernis an sich darstellte. Entscheidend für das Zustandekommen einer sakramental gültigen Ehe war der Konsens der beiden Partner – und das traute er Sklaven, die er wie Personen behandelte, offenbar zu. Daraus waren eher Rechte für die verheirateten Sklaven gegenüber ihrem Herrn abzuleiten, was eine deutliche Humanisierung der Verhältnisse intendiert. Da die Ehe als göttliches Recht betrachtet wurde, stand dieses sogar noch über dem Besitzrecht des Herrn. Letztlich plädierte Figliucci für ein Recht von Sklaven zur Ehe. Größeren Raum nahm vor diesem Hintergrund die Frage nach dem Verhältnis von Ehen zwischen Sklaven und Freien und der Freilassung des Ehepartners aus dem Sklavenstand ein. Auch hier scheint Figliucci im Rahmen rechtlicher Möglichkeiten für eine großzügige Haltung gegenüber dem Sklaven bzw. der Sklavin zu plädieren.

VI. Mission und Sklaverei Der letzte Teil dieser Untersuchung geht über das Collegio Romano hinaus und beschäftigt sich mit einem praktischen Einsatzfeld jesuitischer Theologen und Seelsorger: der Mission. „Entgegen den traditionellen monastischen Lebensformen standen die Jesuiten für die Missionsziele des Ordens frei: kein gemeinsames Chorgebet, keine feierliche Liturgie, kein eigenes Ordenskleid. Ein hohes Maß an Individualismus, vielleicht auch geistlichem Einzelkämpfertum, wenn auch stets kommunikativ rückgebunden, war bereits in der frühen Lebensweise der Jesuiten festgeschrieben.“1030 Im Mittelpunkt stand, „den Seelen zu helfen“ und das bedeutete „Glaubensvertiefung, Glaubensverteidigung und Glaubensausbreitung“. Auf diese drei Ziele verpflichteten sich die Jesuiten durch das Gehorsamsgelübde, das so zugleich Missionsgelübde war. Jeder einzelne verpflichtete sich, auf den Befehl des Papstes und der Ordensoberen auch zu den Andersgläubigen zu gehen. Die Gesellschaft Jesu entwickelte sich rasch nach ihrer Gründung zum größten Missionsorden. Zu Beginn leitete Ignatius von Loyola die Aussendung der Jesuiten bis in die entlegendsten Länder noch selbst.1031 Auf einige bedeutsame Missionare der Anfangszeit wird noch näher einzugehen sein. Sehen wir uns zunächst kurz die Ausbreitung der Mission in die fernen Kontinente an. Den Jesuiten gelang es, von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis ins frühe 17. Jahrhundert zahlreiche Einrichtungen entlang der Küste Indiens aufzubauen. 1549 wurde die Provinz Goa gegründet, Ceylon (das heutige Sri Lanka) sollte kurz darauf folgen. Die Jesuiten drangen, trotz muslimischen Widerstands, nach Indonesien vor, größte Erfolge konnten sie in Japan vorweisen.1032 Sie gehörten zu den wenigen, die in China Fuß fassen konnten.1033 Neben Asien wurde Lateinamerika ein wichtiges Einsatzfeld. So unterstützen die Jesuiten seit Mitte des 16. Jahrhunderts die Mission des portugiesischen Königs in Brasilien. Die Provinz Brasilien wurde 1553 gegründet. Im Unterschied zu Indien oder Ceylon standen die Jesuiten hier mit den portugiesischen Plantagen in Verbindung; zudem hatten sie bis in die 1750er Jahre keine kirchlichen Rivalen. Eine besondere Rolle spielten sie in Paraguay, wo sie unter spanischer Oberherrschaft, doch faktisch autonom, ab 1609 ein größeres Gebiet leiteten. Nur in Afrika waren sie relativ erfolglos. So gab es 1030

HOLZEM Bd. 1 (2015) 201 HAUB (2007) 72. 1032 1583 wurde die Vizeprovinz Japan gegründet, die 1611 zur vollen Provinz erhoben wurde. ALDEN (1996) 235. 1033 1623 erfolgte die Gründung der Vizeprovinz China (ebd., 235). 1031

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VI. Mission und Sklaverei

einige Bemühungen im Königreich Kongo und in Angola, die jedoch zu Beginn des 17. Jahrhunderts wieder aufgegeben wurden. Im Gegenzug weiteten die Jesuiten ihre Missionstätigkeit zu dieser Zeit, von Indien kommend, auf Äthiopien aus. Gemeinsam war den frühen überseeischen Missionen die enge Verflechtung mit der portugiesischen Krone. Neben ihrer Tätigkeit als Hofbeichtväter in Europa gab auch dieses Zusammenwirken Anlass für Argwohn und Spekulationen über den großen jesuitischen Einfluss auf die Politik.1034 Der politische Hintergrund der Mission änderte sich in den Jahren zwischen 1580 und 1640, als Portugal von Madrid aus regiert wurde. Unter König Philipp II.1035 brachen Rivalitäten zwischen spanischen und portugiesischen Jesuiten aus, was 1585 zu einer Anordnung des Ordensgenerals Aquaviva führte, sich bei Strafe aus allen politischen Kontroversen herauszuhalten. Ein weiteres Problem war, dass die Feinde Spaniens in Übersee nun auch zu den Feinden Portugals wurden. Das löste zusätzlich Angriffe auf portugiesische Missionsgebiete aus.1036 Zu Beginn des 17. Jahrhunderts erschienen zudem die Niederländer und die Engländer in Asien und machten den Portugiesen im Handel Konkurrenz. 1607 kontrollierten die Holländer einen Großteil der Molukken. Die Feindseligkeiten zwischen Portugal und den Mächten Holland und England belasteten auch die Mission. So verloren die Jesuiten in Asien zunehmend an Einfluss.1037 Doch die Holländer interessierten sich auch für die lukrativen Küstenlandschaften Brasiliens, wo Zucker produziert wurde. 1624 eroberten sie die Hauptstadt Brasiliens (Saõ Salvador da Bahia) und zerstörten die beiden dortigen Jesuitenkollegien. Das war der Auftakt zu einer ganzen Reihe von kriegerischen Auseinandersetzungen. Dabei gerieten immer wieder auch Jesuiten in holländische Kriegsgefangenschaft. Die Gefahr konnte erst 1654 mit der Kapitulation der Holländer von Taborda gebannt werden.1038 Ein politischer Wechsel fand in Portugal 1640 mit der Dezemberrevolution statt. Es wurde wieder von Spanien unabhängig, und König Johann IV. kam an die Macht. Da die Jesuiten in Predigten für ihn eingetreten waren, betraute er sie im Gegenzug mit diplomatischen Verhandlungen in Brasilien. Diese Ereignisse vertieften zugleich den Gegensatz zu den spanischen JesuiALDEN (1996) 41-90. Ein Überblick über die „globale Ausbreitung“ der Jesuiten, untergliedert in „die portugiesische Welt“, „die spanischen Welt“ und „die französische Welt“, findet sich in: FRIEDRICH (2016) 395-434. 1035 Philipp II. (1527-1598) war seit 1556 König von Spanien und der zugehörigen Kolonien. 1580 wurde er zudem König von Portugal. Unter seinen Nachfolgern Philipp III. und Philipp IV. bestand die Personalunion bis 1640. 1036 ALDEN (1996) 91-100. 1037 Ebd., 159-180. 1038 Ebd., 206-226. 1034

VI. Mission und Sklaverei

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ten.1039 Philipp IV. von Spanien verfolgte derweil seine Interessen im afrikanischen Sklavenhandel, wobei er von den Kapuzinern unterstützt wurde.1040 Die Jesuiten setzten ihre Hoffnungen stärker auf Brasilien als auf Afrika. Eine wichtige Rolle spielte für die Jesuiten in Brasilien Antonio Vieira (vgl. 4.4), der Ratgeber Johanns IV. Nach dem Tod des Königs verlor Vieira allerdings seine Privilegien, was die instabile Lage kennzeichnet, die sich auch unter den nächsten Herrschern fortsetzte.1041 Ignatius war es von Anfang an ein Anliegen gewesen, dass die Brüder, „die in der Nähe blieben, jede Woche nach Rom zu schreiben hatten, diejenigen, die weiter weg weilten, einmal im Monat. Die in Rom verbliebenen Brüder hatten diese Post dann zu beantworten.“1042 Die eingehenden Briefe und Berichte aus Indien, Japan, Äthiopien, Paraguay und anderen Missionsgebieten wurden gesammelt und gedruckt. Auf diese Weise verbreiteten sich die Nachrichten über die Missionstätigkeiten in den fremden Ländern in ganz Europa. Sie dienten der geistlichen Erbauung und vermittelten Kenntnisse über die bis dahin unbekannten Länder und ihre Bewohner.1043 Die Geschichte der Mission wurde vor allem als Erfolgsgeschichte der siegreich streitenden Kirche in außereuropäischen Regionen, wie Asien und Lateinamerika, dargestellt, um die Anfechtung durch den Protestantismus in Europa zu kompensieren.1044 Die Missionare leisteten einen aufopferungsvollen und gefährlichen Dienst, der zur Verehrung Anlass gab. Diese konnte hagiographische Züge annehmen, was sich noch in aktuellen biographischen Darstellungen niederschlägt. Schließlich wurde auf diese Weise der personelle Nachschub sichergestellt, da sich viele so stark von den Berichten angezogen fühlten, dass sie darauf brannten, eines Tages selbst in die fernen Länder aufzubrechen. So schrieb Friedrich Spee 1617 seinem Ordensgeneral, Mutio Vitelleschi: „Schon lange, hochwürdiger Vater, währt es (und wenn ich sagen soll, wann es seinen Anfang nahm: fast als ich noch in der Wiege lag), dass eine verzehrende Leidenschaft in mir brennt, wie glühende Kohlen. Bis zum heutigen Tage habe ich sie zu unterdrücken und, aus mancherlei Gründen, zu verheimlichen gesucht. … Nun kann ich nicht mehr dagegen ankämpfen. Ich will mein Herz entblößen, will mein Innerstes offenbaren; was soll ich denn noch verbergen? Indien, mein Vater, und jene fernen Länder haben mir das Herz verwundet! … Als ich älter wurde, konnte es nicht ausbleiben,

1039

ALDEN (1996) 101-129. Ebd., 215. 1041 Ebd., 218-225. 1042 HAUB (2002) 31. 1043 Vgl. dazu: OSWALD (2001). 1044 BROGGIO (2002) 113; REINHARD (1995) 446. 1040

244

VI. Mission und Sklaverei

dass die nur schlecht verheilte Wunde von neuem aufbrach: Nur sie, und kaum etwas anderes, hat mich getrieben, in diesen heiligen Orden einzutreten.“1045

In die Mission gehen zu dürfen, war zudem eine Ehre, zumal sich nach Franz Xaver (vgl. 4.1) die Auffassung durchsetzte, dass hierfür die besten Kräfte notwendig seien. Vielfältige Sprachkenntnisse (und Lernbereitschaft) waren erforderlich sowie ein untadeliger Lebenswandel und nicht zuletzt der Mut, sich den zahlreichen Unwägbarkeiten auszusetzen. Das Aufgabenfeld der Mission hatte also enge Beziehungen zur römischen Ordenszentrale.1046 Auch das Collegio Romano war in diesen Austauschprozess eingebunden: 1) Viele Jesuiten, die als Missionare in die Welt ausgesandt wurden, hatten dort ihre praktische und theologische Ausbildung erhalten. 2) Die Rhetorikprofessoren waren als Dolmetscher für die Korrespondenzen aus den Missionsgebieten tätig. 3) Einige Professoren und ehemalige Schüler verfassten historiographisch-ethnologische Schriften, in denen Erfahrungen aus der Mission verarbeitet wurden. Sie beeinflussten damit wesentlich die europäische Wahrnehmung fremder Kulturen im Vorderen Orient, Asien, Afrika und Lateinamerika.1047 In diesem Kontext wurde auch immer wieder über Sklaven berichtet. Obwohl nicht mehr festgestellt werden kann, wer welchen Bericht las und wie aufnahm, so kann man doch davon ausgehen, dass hier bewusste wie unbewusste Rezeptionsprozesse stattfanden. Die Berichte aus der Mission waren, wie erwähnt, durch bestimmte Interessen überformt, spiegeln aber doch auch Erfahrungen mit realer Sklaverei und die damit zusammenhängenden Deutungen wider. In ihrem Verhältnis zur realen Sklaverei kann man die Jesuitenmissionare in folgende Gruppen einteilen: 1) Jesuitenmissionare, die in der Sklavenseelsorge tätig waren. 2) Jesuitenmissionare, die christliche Sklaven loskauften. 3) Jesuitenmissionare, die selbst Sklavenhalter waren oder von der Sklaverei profitierten. 4) Jesuitenmissionare, die Sklaverei nicht als unmittelbar Betroffene beschrieben und deuteten. 5) Jesuitenmissionare, die selbst in Gefangenschaft gerieten und versklavt wurden. Diese Gruppen sollen im Folgenden als Gliederungsprinzip dienen, um das Verhältnis zwischen Jesuitenmissionaren und Sklaverei näher zu beschreiben. 1045

RITTER (1977) 13. Seiner Bitte um Entsendung in die Indienmission wurde allerdings nicht entsprochen. Für viele Jesuiten scheint die Indienmission ein lebenslanger Traum geblieben zu sein. 1046 FRIEDRICH (2011) passim; HAUB (2007) 72. 1047 BROGGIO (2002) 109-111.

1. Jesuitische Sklavenseelsorge in Italien

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1. Jesuitische Sklavenseelsorge in Italien Sklavenseelsorge war nicht nur ein Einsatzfeld für Missionare in Übersee, sondern auch im Mittelmeerraum.1050 Wie Jennifer Selwyn am Beispiel Neapels herausgestellt hat, wollten in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zahlreiche Novizen dem großen Vorbild Franz Xaver nacheifern und zur Mission nach Indien aufbrechen. Die meisten von ihnen seien jedoch in Europa geblieben und hätten sich in der Mission engagiert. Gerade die Missionierung muslimischer Sklaven und Sklavinnen sei für viele zu einem Ersatz für die ersehnte Indienmission geworden.1051 Hier soll für die italienische Assistenz, also den Zusammenschluss von venezianischer, turinischer, römischer, neapolitanischer und sizilianischer Ordensprovinz, gezeigt werden, wie sich die Jesuiten in der Sklavenseelsorge engagierten. 1052 In der römischen Ordensprovinz, zu der auch das Collegio Romano gehörte, waren die Jesuiten in der Hafenstadt Civitavecchia, wo die päpstlichen Galeeren vor Anker lagen, als Beichtväter für Soldaten, Galeerensklaven und forzati (Strafgefangene) im Einsatz. Dies zeigen sowohl Anweisungen als auch Berichte über die Mission in Civitavecchia aus der Mitte des 17. Jahrhunderts und zu Beginn des 18. Jahrhunderts.1053 Aus einem Bericht von 1716 geht hervor, dass die Gesellschaft Jesu auch auf den Galeeren Genuas und somit in der Turiner Ordensprovinz Sklavenseelsorge betrieb.1054

1050

Bereits Scaduto spricht von jesuitischer Präsenz auf christlichen Schiffen im Mittelmeerraum (SCADUTO [1992] Bd. 5, 375-385). Darüber hinaus gibt es Anweisungen für das Verhalten von Jesuiten an Bord christlicher Kriegsschiffe. Diese sind z. B. in einem Konvolut, den Ordinationes et Instructiones Generales (1565-1647), enthalten. Es handelt sich um die Instruttione per quelli della Comp. che vanno sopra le galee dell’armata; acchiche facendo loro quello che dal canto suo si ricerca, si degni Nostro Signore cavare di questa missione il frutto et edificatione qual si desidera (ARSI, Instit. 117 II, fol. 510r-511r). 1051 SELWYN (2004). 1052 Vgl. Abb. Nr. 1 zur Assistentia Italia, in: CARREZ (1900). 1053 Die Breve instruttione per quelli che vanno alla Missione delle galere (ARSI, Fondo Gesuitico, Ms. 10, fol. 1r-12r) sind bereits von Vincenzo Paglia publiziert worden (PAGLIA [1980] 239-265). Die Anweisungen sind undatiert, aber das Original scheint aus der Mitte des 17. Jahrhunderts zu stammen. Darüber hinaus gibt es eine weitere, aber nicht identische Anweisung aus dem Jahr 1634 mit dem Titel Breve Informatione o Instruttione per quei che vanno a Cività Vecchia alle Galere (ARSI, Instit. 50, fol. 157r-169v). Zudem existieren Berichte über erfolgte Missionen auf den Galeeren, so z. B. die Breve relatione della Missione fatta alle Galere Pontificie in Civitavecchia da quattro PP. della Comp.a di Giesu l’anno 1649 (ARSI, Rom 132, I, fol. 248r-249v) und die Breve relazione d.e Missioni fatte in Cività Vecchia il 1716 per ordine di Nostro Sig.re Papa Clemente XI. (ARSI, Rom 138, fol. 61r-73r). 1054 Die Breve relazione von 1716 enthalten einen zweiten Bericht unter dem Titel Seconda Missione alle Galere di Genova e a 4. Vascelli (ebd., fol. 63r-64r).

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VI. Mission und Sklaverei

Im Landesinnern, z. B. in Città di Castello (Umbrien), waren Jesuiten des dort ansässigen Kollegs in der Gefängnisseelsorge tätig. Hier nahmen sie jeweils den zum Tode oder zu den päpstlichen Galeeren Verurteilten die Beichte ab.1055 Anfangs waren die Jesuiten auf die Unterstützung von bereits vor Ort existierenden Bruderschaften angewiesen. So verdankte sich die Gründung des Kollegs im Jahr 1609 der Mithilfe durch die Confraternità di San Antonio, die den Jesuiten ihr Haus und ihre Kirche zur Verfügung stellte. Anschließend konnten die Jesuiten in Città di Castello ihre umfassenden Missions- und Bildungsaktivitäten entfalten.1056 Ob das Kolleg mit weiteren Bruderschaften kooperierte, ist unklar.1057 Über die Hafenstadt Livorno erfolgte die Einfuhr von Sklaven für Florenz und die Toskana.1058 Bereits im 16. Jahrhundert bestanden Kontakte zwischen Livorno und der Gesellschaft Jesu.1059 Ein Kolleg der Jesuiten wurde dort jedoch erst 1708/1709 mit Unterstützung des Großherzogs Cosimo III. gegründet.1060 Der Jesuit Michele Jari (1696-1724) war hier anscheinend aufgrund seiner arabischen Sprachkenntnisse erfolgreich als Beichtvater und Prediger für Katholiken arabischer Provenienz tätig, die sich vehement für den Verbleib ihres Seelsorgers einsetzten.1061 Ob Jari nur unter Händlern oder auch Sklaven missionierte, lässt sich nicht eindeutig aus dem Petitionsbrief von 1722 erschließen. Zumindest ist es wahrscheinlich, dass Jari ein Zeuge des Sklavenhandels in Livorno wurde. 1055 Das Archivum Romanum Socitatis Iesu bewahrt u. a. eine Liste von einerseits zum Tode und andererseits zu den Galeeren Verurteilten, denen die Beichte von Jesuitenpatres abgenommen wurde. Sie bezieht sich auf Urteile gegen bewaffneten Aufruhr am Ende des 17. Jahrhunderts (Carcerati e condannati a morte o alla galera per insorgimento armato ecc., in: ARSI, Fondo Gesuitica Collegia, Busta, N. 28/1387, Nr. 52). Zu den Sklaven in der päpstlichen Flotte siehe PRIESCHING (2012). 1056 ROSINI (1975) 5-12. 1057 Bekannt sind z. B. die Bruderschaften „San Giovanni decolato“, die sich spätestens seit 1539 mit der Seelsorge zum Tode Verurteilter befasste, die „Compagnia della Madonna delle Grazie“, die sich in der Armenfürsorge engagierte und erst ab 1772 auf Anfrage der römischen „Arciconfraternità di Gonfalone“ auch Spenden für den Loskauf christlicher Sklaven einsammelte, aber unter dem Einfluss der Serviten stand, und schließlich die „Compagnia della Beata Vergine del Buon Consiglio e della Morte“, die sich um angemessene Bestattungsformen auch für Arme kümmerte (vgl. ROSINI [1972]; ROSINI [1973]; ROSINI [1974]). 1058 PRIESCHING (2012) 52-55; 70; 183; PRIESCHING (2014) 26; 32-44. 1059 PECCHIAI (1938) 324-326. 1060 Dies geht u. a. aus der Erectio Collegii Liburnensis, 24 ianuarii 1708, cum dotatione a Cosimo Tertio, Magno Etruriae Duce, 24 ianuarii 1709 hervor (ARSI, Fondo Gesuitico 101 [Instrumenta 27], fol. 64r-66v). 1061 Dies geht aus einem Brief vom 22. Dezember 1722 hervor. Darin bitten drei Vertreter der arabischsprachigen Katholiken von Livorno den Rektor des Kollegs, den Jesuiten Michele Jari nicht abzuziehen. Der Brief trägt im Original die arabischen Unterschriften mit italienischer Übertragung (ARSI, Rom 138, fol. 266r-266v).

1. Jesuitische Sklavenseelsorge in Italien

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Die neapolitanische Ordensprovinz lag im Territorium des spanischen Vizekönigreichs Neapel.1062 Bereits 1552 schickte Ignatius eine Gruppe von zwölf Männern nach Neapel, um dort ein Kolleg zu gründen. Bald wurden sie auch karitativ und missionarisch in der Stadt tätig. Dabei kristallisierten sich drei Schwerpunkte heraus: die ‚Bekehrung‘ von Prostituierten, die Verbesserung der Zustände in den Gefängnissen und die Mission unter den muslimischen Sklaven.1063 In diesem Zusammenhang wird über erfolgreiche Konversionen muslimischer Sklaven zum Christentum berichtet.1064 Zur sizilianischen Ordensprovinz gehörte die Insel Malta.1065 Dort lag auf christlicher Seite einer der größten Umschlagsplätze für den mediterranen Sklavenhandel. Die Erträge daraus waren eine der wichtigsten Einnahmequellen für den Malteserorden.1066 Dieser pflegte intensive diplomatische Kontakte zum päpstlichen Hof. Viele der Malteserritter hatten zudem am Collegio Romano studiert. Die Jesuiten auf Malta wirkten als Seelsorger für die Ordensritter, die maltesische Bevölkerung und für die Sklaven auf den Galeeren und in den Gefängnissen. So beschreibt ein handschriftlich überlieferter Jahresbericht (litterae annuae) von 1612 eingehend Versuche, muslimische Sklaven in den maltesischen Gefängnissen zu missionieren. Zudem wird über die Katechese für Sklaven in den Gefängnissen, über die Konversion und feierliche Taufe eines Sklaven und zum Schluss auch über die Beichte eines zum Tode Verurteilten kurz vor seiner Hinrichtung berichtet.1067 Ein weiterer handschriftlich überlieferter Jahresbericht für die Jahre 1718 und 1719 geht auf die Mission auf den maltesischen Galeeren ein.1068 Demnach hielten mehrere Patres nach einer Fastenpredigt eine Bußprozession im 1062

Vgl. Abb. Nr. 1 Assistentia Italia, in: CARREZ (1900). SELWYN (2004) 56. Die christlichen Gefangenen aus dem Adel gehörten zur marianischen Bruderschaft „Dell’Annuntiatione della Santissima Vergine“. Für sie wurden einmal im Jahr auch die geistlichen Übungen des Ignatius von Loyola angeboten („Una volta l’Anno tutti unitamente per sei giorni continui fanno l’esercitii spirituali“), vgl. ARSI, Neap. 78, fol. 2v. Zur Bruderschaft für die Angehörigen des Tribunals der Vikarie Neapel siehe ARSI, Neap. 78, fol. 2v-3v. Zur Sklavenseelsorge der Jesuiten in Neapel vgl. VI.2, 248-255. 1064 NARDI (1967) 294-313; NARDI (1967a) 34-54; SCADUTO (1968) 393-412; SELWYN (2004), 88-94. 1065 Vgl. Abb. Nr. 1 Assistentia Italia, in: CARREZ (1900). 1066 Zur Geschichte des Malteserordens: SIRE (1994). 1067 Der Bericht befindet sich in: ARSI, Sic. 183, II, fol 335r-335v: Lettera annua del Col.o di Malta del 1612. Konvolut: Sicula Historia 1611-1627. Zu den Sklavengefängnissen (bagnos) auf Malta vgl. WETTINGER (2002). 1068 ARSI, Sic. 185, II, fol. 503v-508v: Relazione delle Missioni del Collegio di Malta del 1718 e 1719. Konvolut: Sicula Historia 1705-1727; diverse Handschriften und Gedrucktes; Dokumente, Berichte auch litterae annuae aus der Ordensprovinz Sizilien (Sicula, inkl. Malta); anonymer Missionsbericht über 1718 und 1719 auf Malta; 1718 Missione del Zeituni, Missione del Gozzo; 1719 Missione delle Galere, zurrico, Esercizio del Gozzo. 1063

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VI. Mission und Sklaverei

Beisein vom General und den Soldaten der Galeere ab. Den feierlichen Höhepunkt bildeten die Bekanntgaben erfolgreicher Konversionen von Muslimen und Protestanten.1069 Sklavenseelsorge firmierte insgesamt als ‚Mission‘. Sie umfasste die Sorge um das seelische und leibliche Wohl der Menschen, war also ganzheitlich ausgerichtet. Eine Seelsorge für Andersgläubige, die nicht die Hoffnung auf Bekehrung gegeben hätte, wäre in der Frühen Neuzeit widersinnig erschienen.

2. Jesuiten als Sklavenloskäufer Den Loskauf von christlichen Gefangenen im Mittelmeerraum hat die Gesellschaft Jesu zwar gelegentlich spirituell und materiell unterstützt, aber anscheinend nicht eigens institutionalisiert. Dafür sprechen verschiedene Indizien: Juan Alonso de Polanco verfasste als Sekretär für den ersten Generaloberen Ignatius von Loyola ein acht Punkte umfassendes Konzept zur Gründung und Finanzierung von Bruderschaften, die sich um die christlichen Sklaven, die sich in den Händen der sogenannten Ungläubigen befanden, kümmern sollten. Aufgrund des fragmentarischen Zustands dieses Dokumentes bleibt jedoch unklar, ob diese Initiative neben dem Gebet für auch den Loskauf von christlichen Sklaven zum Ziel hatte.1070 Von manchen Jesuiten aus der Anfangszeit wissen wir, dass sie an Loskaufaktionen beteiligt waren. So zum Beispiel Diego Laínez (1512-1565). Er gehörte zu den sieben Gefährten um Ignatius von Loyola und nahm als Seelsorger an militärischen Expeditionen zur See nach Nordafrika und an einer Loskaufaktion in Algier teil. Als Nachfolger des Ignatius wurde er 1558 Ordensgeneral. In seiner Amtszeit unterstützte er maßgeblich die Entwicklung der Gesellschaft Jesu von einem Seelsorge- hin zu einem Bildungs- und Erziehungsorden.1071 Ob der Loskauf christlicher Sklaven den Satzungen der Gesellschaft Jesu entsprach, scheint ordensintern umstritten gewesen zu sein. So sprach sich Ordensgeneral Claudio Aquaviva (1581-1615) in den Jahren 1589 und 1594 gegen den Loskauf durch die Gesellschaft Jesu aus. Die Einwände des Ordensgenerals kennen wir aus zwei Briefregistern im ARSI. Der moderne schedario luoghi, erstellt von Edmondo Lamalle SJ, verweist zunächst auf 1069

ARSI, Sic. 185, II, fol. 505v-506r. Das Konvolut Instructiones 1546-1582 enthält neben diversen im Original erhaltenen Instruktionen von Polanco, Lainez, Salmeron und Nadal auch das folgende Dokument: Del monte della redentione (ARSI, Instit. 187, fol. 338r). 1071 Zu ihm VERCRUYSSE (1990) 399-404. 1070

2. Jesuiten als Sklavenloskäufer

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einen Eintrag innerhalb eines Konvolutes, das vermutlich aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stammt. Das Konvolut enthält eine Sammlung von handschriftlich kopierten Briefen und Dokumenten sowie einen Index mit Regesten zu wichtigen Briefen und Beschlüssen. Darunter findet sich folgender Eintrag vom 6. Mai 1589: „Redemptione captivorum praeterquam non est conforme Institutio Societatis, numquam invenio Nostros fuisse occupatos. Neap. Gubernatori Redemptionis, 6. maii 1589.“1072 Danach hielt Aquaviva also den Gefangenenloskauf mit den Satzungen oder Zielen der Gesellschaft Jesu für unvereinbar. Lamalle verweist auf eine ähnliche Antwort des Ordensgenerals Claudio Aquaviva vom 2. April 1594 an die neapolitanische Ordensprovinz, indem er im schedario luoghi notiert: „Item Neap. Prov. 2 apr. 1594 inter responsa data a P. Generalis (1594-1609).“1073 Augenscheinlich lagen vor allem aus Neapel Anfragen an den Orden vor, sich am Loskauf der Gefangenen zu beteiligen. Dort war 1548 die Bruderschaft Real Casa Santa della Redenzioni dei Cattivi für den Sklavenloskauf gegründet worden. Sie war bis Mitte des 17. Jahrhunderts vor allem in den Barbareskenstaaten aktiv.1074 Auch andere Loskauforganisationen versuchten, dort Fuß zu fassen. Doch wurden zum Beispiel die Mercedarier immer wieder ausgebremst, nachdem Gregor XIII. ihnen in einer Bulle vom 20. Dezember 1581 verboten hatte, in Neapel Almosen für den Loskauf zu sammeln.1075 Warum sollten also die Jesuiten hier einsteigen? Die erste Jesuitenniederlassung in Neapel wurde, wie erwähnt, 1552 gegründet.1076 Zum Förderer der Jesuiten in Neapel wurde Kardinal Alfonso Carafa, der Erzbischof von Neapel. Noch in den 1550er Jahren kaufte man 1072

ARSI, Opp. NN. 68, fol. 160. Ebd. Zur Provincia Neapolitana lässt sich im Inventarium des ARSI, Manuscripta Antiquae Societatis Pars I Assistentiae et Provinciae, Rom 1992, 19-24 der folgende Regestband finden: ARSI, Neap. 70: Epist. Gen. 1588-1598 [Excerpta] et Epp. Secretae 1587-1595 [Excerpta]. Darin sind die Regesten zu den beiden widerstreitenden Briefen von 1589 und 1594, wie folgt, notiert: „Nap. [alli] Gobernatori della Redentione de cattivi 6. Maggio [1589] Di molto pronta volontà vorrei poter cooptare a qu[esta] S[an]ta op[er]a della redentione de[i] Cattivi, che le SS.NN. con tanto zelo, e carità essercitano, et mi[vi/ni?] p[er]pongono nella l[itte]ra loro delli 20. del passo che q[es]ta Sett.na ho ricevuto; Ma facendovi consider[ar]e hò trovato che l’opera de n[ost]ri, oltre che non è conforme all’Istituto della Comp.a che mai [fu] è occupata in simili neg[ot]ii.“ … „Nap. P. LisioBrle[?] 2.d [2. April 1594] Non è stata fatta finque istanza p[er]madar n[ost]ri P[ad]ri a far il riscatto, ma feci sarà fatta, nedremo di scusario, p[er]che ancor noi vediamo il per frutto sp[irit]uale che si può far, et come a noi n[ost]ri[?] conviene tal impresa“ (ebd. fol. 28v). Die entsprechenden vollständigen Briefe zu diesen Regesten konnten jedoch nicht gefunden werden. Diesbezüglich wurden konsultiert: ARSI, Neap. 70a, Epp. Secr. Gen. 1590-1600 und ARSI, Neap. 71, Secretae etc. 1585-1593 et excerpta ex Registris ex Registris 1587-1600. In Ermangelung des exakten Wortlautes des Briefes kann über die Begründung dieser Feststellungen nur spekuliert werden. 1074 BONO (1999) 284. 1075 Ebd., 283f. 1076 SELWYN (2004), 57. 1073

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VI. Mission und Sklaverei

einen Palast und mehrere Häuser, in denen ein Kolleg (Collegio Massimo napoletano) eingerichtet wurde, das die Jesuiten bis 1767 leiteten.1077 Offenbar hatten die Jesuiten einen guten Ruf als Seelsorger und Missionare, so dass 1589 und 1594 (vielleicht auch häufiger) die Bitte an sie herangetragen wurde, sich auch im Gefangenenloskauf zu engagieren. Das wurde vom Ordensgeneral Aquaviva, wie gezeigt, jedoch abgelehnt. Zwischen 1594 und 1598 aber muss die Ordensleitung ihre Meinung zum Thema Gefangenenloskauf geändert haben. Von 1598 an existieren nämlich offizielle Anweisungen für den Sklavenloskauf durch die Gesellschaft Jesu an P. Mariano Manera SJ (auch Manieri).1078 Darin werden neun Verhaltensregeln beim Sklavenloskauf empfohlen: 1. Zunächst wird die Wichtigkeit des Loskaufs als großes barmherziges Werk betont. Dieses soll mit großer Sorgfalt und Eifer betrieben werden.1079 2. Darüber hinaus erfordere die mitunter gefährlichen Verhandlungen mit den Türken umfangreiche praktische Erfahrung nach Vorbild der Signori della Redenzione.1080 Auf welche Loskäufer hier angespielt wird, ist allerdings unklar. Zumindest solle man Rat bei erfahrenen Leuten einholen. 3. Bei allen pragmatischen Erwägungen solle aber auch die Sorge um die eigene Spiritualität mit Hilfe von Gebeten und geistlichen Übungen nicht zu kurz kommen.1081

1077

NARDI (1967a) 41. Im Konvolut Varia de Instituto Instructiones 1536-1596, eine Sammlung von unterschiedlichen Handschriften in Kopie oder Original, befindet sich das Liber Instructionem ad varias missiones (ARSI, Instit. 188, fol. 238-342). Darin ist die besagte Instruttione per i Nostri quando sono mandati a far il riscatto de schiavi cristiani che sono tra infedeli, mandata al P. Mariano Manera a 29 di agosto 1598, sottoscritta per commessione dal P. Segretario enthalten (ARSI, Instit. 188, fol. 283v-284r). 1079 „1. Essendo quest’opera di molti importanza, e di gran carità, conviene abbracciarle con molto fervore emetterci ogni studio, fatiga, e diliganza, e principalm.te s’hanno da fidare in Dio n[ostro] S[igno]re continuamente forte sp[irit]uali, e corporali per ottener’ il fine che di questa Missione si pretende“ (ebd., fol. 283v). 1080 „2. E, perche nel maneggiar’questo neg[ozi]o vi bisogno molta pratt[ic]a le varie cose, pericoli e maneggi necessarii, però mistiero che se non havessero isperien[z]a s’informino da quelli che altre volte son stati mand.ti per quest’effetto, quali facilm[en]te saperanno da quelli SS.ri [Signori] della Redent[io]ne, che si mandano: verbi gra[tia/ nde] quel che sara nevessario per la preparat.e dell’imbarcat[io]ne, le mercantie che vi bisogna portare; i varii modi di riscattare, de Ministri, ordine, e modo che s’hà da tenere nel riscattare del salvo condotto, e suoi Capitoli che s’hà d’havere da i Turchi, e del modo di trattar’ con essi, mentre si fà il riscatto, e cose simili“ (ebd., fol. 283v). 1081 „3. Habbiano seco le Reg[ul]e Communi delle Missioni, e procurino d’osservarle intt.o quello che non fosse contrario al fine di questa Missione, e cosi come han’ da procurare ancora d’asservar tutte l’altre Reg[ul]e della Comp[agni]a massime nel far le sue orat[io]ni, essami, et altri essercitii spirituali“ (ebd.). 1078

2. Jesuiten als Sklavenloskäufer

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4. Vor einem Gespräch mit Türken und Mauren über den katholischen Glauben wird gewarnt, weil dies das Ziel der Loskaufmission gefährden könne.1082 5. Privater Umgang mit Türken, Fragen über Politik und militärisch relevante Einrichtungen, wie Stadtmauern und Festungsanlagen, und der Besuch von Moscheen sollten vermieden werden.1083 6. Vor einem zu vertraulichen Umgang mit Juden unter türkischer Herrschaft wird gewarnt, da sie für die Türken spionieren könnten.1084 7. Derselbe Verdacht scheint auch Renegaten getroffen zu haben, da ihnen nicht leichtfertig Glauben geschenkt werden solle, wenn sie vorgeben, wieder Christen werden zu wollen. Deshalb solle mit ihnen nicht über den muslimischen Glauben oder über Fluchtmöglichkeiten gesprochen werden.1085 8. Das Gespräch mit christlichen Sklaven sei in Anwesenheit der Wache mit Klugheit zu führen, besonders mit jenen, die noch nicht losgekauft werden können. Vermutlich sollten keine falschen Hoffnungen bei den christlichen Sklaven geweckt werden. Die Patres hatten sich zumindest streng an die von den Signori della Redenzione vorgegebene Ordnung zu halten. Die Signori gaben vor, wer, wie und zu welchem Preis losgekauft werde.1086 Damit ist klar, dass die Jesuiten hier andere Loskäufer aktiv unterstützten. 9. Neben dem Loskauf gehörte auch das Beichthören zu den Vollmachten von P. Mariano Manera und seinem Mitbruder.1087 „4. Siano molto avvertiti speccialm.te quelli, che sapranno la lingue Turchescha di non mettersi à disputare, insegnare, ò trattar cose della S[an]ta Fede Catt[oli]ca con Turchi, e mori, perche facilm.te impedire bbono il fine della loro missione“ (ebd.). 1083 „5. Avertiscano che come non conviene mostrar timore col trattar con Turchi, cosi non conviene domesticarsi, ne riceverli in Casa, ò mangier’ o’beve, ne andar alle loro case, se non per necessità dell’ off[ici]o loro; ne esser curiosi in domandar cose del Gran Turco, e suo governo, ne andar’ avedere le lor Moschee, ne fermasse a contemplar’le muraglie di Città, ò fortezze, ò sepolchra fuor’delle Mura, ne anco per quanto si puo, passar’ per essi. Trattino anco con tutti i Turchi in modo che non si venghi a contrasto con loro, dissimulando qualche ingiuria, ò parola che occoresse“ (ebd., fol. 283v -284r). 1084 „6. Con i giudei an quali bisognara’ trattare si proceda molto cautam.te stando bene con loro, ma non domesticandosi, perche sogliono essere spie di Turchi, e perche son inimici de Xni [Christiani; d. Verf.] più che i Turchi, e per guadagnar’anco fan’ professione, e suscitar’ vanie“ (ebd., fol. 284r). 1085 „7. Convien’ anco esser’molto cauto nel conversar con i Rinegati, ne crederli facilmente anchor che dicono di voler tornare efarsi Christiani: e siano anco cauti nel parlar’ delle legge di Mahometto, ne concorrano alla lor fuga quando con essi ne bastassero“ (ebd.). 1086 „8. Trattino anco con gl’altri schiavi con prudenza mass.e in presenza della Guardia, e con quelli particolarm.te che non si possono per allora riscattare, perche quanto agl’altri è necessario che S’osservi l’ordine che si sara dato delli SS.ri della Redent[io]ne, cioè di chi, come, e per quanto prezzo“ (ebd.). 1087 „9. Il sup.re di questa Missione sarà il Pre Mariano Manera ch’haverà per compag.o un altro sacerdote, e se gli daranno quella facolta che sono necessarie per quest’effetto, potrà 1082

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VI. Mission und Sklaverei

Insgesamt lässt sich aus dieser Anweisung schließen, dass die beiden Jesuiten mit erfahrenen Loskaufakteuren, die schlicht als Signori della Redenzione (Loskäufer) bezeichnet werden, zusammen arbeiteten. Diese Form der Arbeitsteilung war durchaus üblich. So kooperierte die Erzbruderschaft der Gonfalone beim Loskauf Ende des 16. Jahrhunderts mit den Kapuzinern, die Missionare als Loskäufer nach Algier schickten. Einzelne Kapuziner blieben angesichts des dort gesehenen Elends freiwillig dort, um den christlichen Sklaven beizustehen.1088 Es verwundert also nicht, dass auch die Jesuiten hier gefragt waren. Eine eigene Loskauforganisation unterhielten sie indes nicht. Die Patres sollten sich nicht nur karitativ für die äußere Freiheit und die körperliche Unversehrtheit, sondern auch spirituell für die innere Freiheit einsetzen. Allerdings sollte die Loskaufaktion nicht durch Missionsversuche bei der Gegenseite oder durch Gespräche über die eigene Religion, die in dieser Art ausgelegt werden konnten, gefährdet werden. P. Manera wurde dreizehn Mal vom Vizekönig Neapels nach Nordafrika, vor allem nach Algier, geschickt, um dort christliche Sklaven loszukaufen. Durch seine Reisen war er bald ein Kenner der nordafrikanischen Sprachen, welche er dann im Kolleg unterrichtete, um die Mitglieder der Kongregation der Sklaven für ihre katechetischen Einsätze in Neapel auszubilden.1089 Während die Mission im Rahmen von Loskaufaktionen zu unterbleiben hatte, um diese nicht zu gefährden, war dies bei den Galeerensklaven der neapolitanischen Flotte etwas anderes. Zwar musste man auch hier behutsam vorgehen, weil Nachrichten von einem Konversionsdruck auf muslimische Soldaten in den Barbareskenstaaten ebenfalls für Schwierigkeiten in der Diplomatie und beim Loskauf sorgen konnten.1090 Doch in einem gewissen Rahmen fanden Bemühungen um die Bekehrung nichtchristlicher Sklaven statt. So wurde 1601 eine Kongregation der Sklaven (Congregazione degli Schiavi) beim Jesuitenkolleg in Neapel eingerichtet, welche sich um die Bekehrung (conversione) der Sklaven kümmern sollte. Kein Geringerer als Roberto Bellarmino erhielt von Papst Paul V. Ablässe für die Mitglieder dieser Kongregation.1091 Der Jesuit Pierantonio Spinelli (1555-1615) versprach den Sklaven, die konvertierten, dass sie besser behandelt würden und, in manchen Fällen, dass sie so ihre Freiheit gewinnen könnten. Es ist allerdings

servirsi di confessione et ammonitore del suo Compag.o, e daranno nuova di loro quando potranno, secondo l’occorente“ (ebd.). 1088 PRIESCHING (2012). 1089 NARDI (1967a) 46; PRIESCHING (2016) 268. 1090 Vgl. BONO (1999); RHEINHEIMER (1999). 1091 NARDI (1967a) 44. Die Kongregation der Sklaven war nur eine von vielen frommen Vereinigungen, welche die Jesuiten in Neapel gründeten. Die meisten waren marianisch geprägt.

2. Jesuiten als Sklavenloskäufer

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unklar, wie weit verbreitet dieses Vorgehen war und wie konsequent es umgesetzt wurde.1092 Spinelli setzte sich besonders gegen die Missbräuche im Umgang mit Sklaven und Sklavinnen, seien es Galeeren- oder Haussklaven, ein. So geißelte er die Besitzer, die ihre Haussklaven nicht für Christus gewinnen wollten und beklagte deren sexuelle Ausbeutung. Manche Sklavenbesitzer würden es ablehnen, ihren Sklaven spirituelle Anleitungen zu bieten, also die Mission der Jesuiten zuzulassen.1093 Um eine effektive Seelsorge unter den muslimischen Galeeren- und Haussklaven in Neapel betreiben zu können, wurden am Kolleg entsprechende Sprachstudien eingeführt und sogar der Koran gelesen, freilich um dessen Irrtümer aufzuzeigen.1094 Diese Kenntnisse wurden auch für angehende Missionare, die in den Orient bis hin nach Indien gehen wollten, als notwendig erachtet. Bereits 1617 wurden ein arabisches Wörterbuch und eine Grammatik gedruckt, die vor allem für die Kongregation der Sklaven als Hilfsmittel gedacht waren.1095 Provinzial Spinelli ordnete darüber hinaus an, dass Missionare die Muttersprachen der Sklaven lernen sollten, so dass den Novizen bald Einführungen in Sprachen wie „Türkisch“ geboten werden konnten.1096 Wie erwähnt, engagierten sich Jesuiten auch in Civitavecchia in der Sklavenseelsorge. Allerdings sind für den Kirchenstaat bisher keine Loskaufaktivitäten der Jesuiten bekannt. Dort war zwar die Erzbruderschaft der Gonfalone 1581 von Papst Gregor XIII. exklusiv mit dem Loskauf der Gefangenen aus dem Kirchenstaat beauftragt worden, aber diese Erzbruderschaft war hier nach einem starken Anfang in den 1580er Jahren in Algier späterhin nur noch wenig aktiv.1097 Insofern wäre es durchaus denkbar, dass Jesuiten zumindest in Einzelfällen ausgeholfen haben. In diese Richtung weisen die Patente, welche die Gesellschaft Jesu gelegentlich für Loskäufe und Reisen ausstellte.1098 So führt eine Liste 27 Patente aus den Jahren 15971092 SERWYN (2004) 91. „The reforming Archbishop Burali d’Arezzo, for example, advocated just such a ‚deal‘ for converted slaves.“ (ebd., Anm. 102). 1093 Ebd., 91. Pierantonio Spinelli hatte zunächst in die Mission nach Indien gehen wollen, verbrachte sein Leben aber in den Jesuitenkollegien von Neapel und Rom. Er baute im frühen 17. Jahrhundert Strukturen für die städtische Mission als Provinzial von Neapel auf. (ebd., 70). 1094 NARDI (1967a) 45. So beschrieb Ordensgeneral Claudio Aquaviva 1603, als er in Neapel war, dass dort der „Text des Muhammad“ (testo di Maometto) gelesen werde, um Argumente gegen dessen zahlreiche Fehler zu finden. Damit kann nur der Koran gemeint sein. 1095 Ebd., 46. 1096 SELWYN (2004) 91. 1097 PRIESCHING (2012). 1098 Es wird unterschieden zwischen Patenten, die die Übertragung eines Amtes bescheinigen (patentes nominationis), und Reisedokumenten (patentes itinerariae) (vgl. GRAMATOWSKI [2013] 21).

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VI. Mission und Sklaverei

1601 auf, in denen Einzelpersonen durch die Gesellschaft Jesu die Erlaubnis erteilt wurde, ihre Familienangehörigen aus türkischer Gefangenschaft loszukaufen. Bemerkenswert ist, dass es sich dabei auch um Maroniten und Chaldäer handelte, also Christen, die teilweise in Kirchenunion mit Rom standen. 1099 Eine Zusammenarbeit zwischen den Gonfalone und den Jesuiten ist jedoch nicht belegt. (Für die Unterweisung von muslimischen Haussklaven und Haussklavinnen in Rom war wiederum eine eigene Bruderschaft in der Casa dei Catecumeni zuständig, so dass hier Jesuiten nicht benötigt wurden.1100) Dass Aquaviva bis 1594 grundsätzliche Einwände gegen ein jesuitisches Engagement im Sklavenloskauf erhob, zeigt zumindest, dass dieses nicht vom Orden selbst ausging, sondern an ihn herangetragen wurde. Dass Mission und Gefangenenloskauf immer wieder eng beieinander lagen, zeigt die Biographie von Giulio Mancinelli SJ (1537-1618)1101, der an mehreren Loskaufaktionen beteiligt war. 1558 war er in Loreto in die Gesellschaft Jesu eingetreten. Von dort wechselte er in das Noviziat nach Rom. Er studierte am Collegio Romano. 1563 wurde er Beichtvater am Collegio Germanico. 1568 ernannte ihn der Ordensgeneral Francesco Borgia zum ersten Novizenmeister an der casa di probazione bei S. Andrea al Quirinale. Zwischen 1570 und 1575 leitete er die Kollegien in Amelia, Perugia und Florenz. In Florenz wandte er sich der Mystik zu, was sich in Visionen zum Sieg der katholischen Liga gegen die Osmanen in der Seeschlacht von Lepanto im Jahr 1571 manifestierte. Nach seiner Zeit in Florenz widmete er sich verstärkt der Mission in Rom, Italien und Europa sowie in Nordafrika und dem Osmanischen Reich. 1575 bis 1576 sandte Papst Gregor XIII. ihn als Prediger nach Dalmatien, Ragusa und Cattaro in Montenegro. Papst Gregor XIII. und der Ordensgeneral Claudio Aquaviva entsandten ihn 1584 nach Konstantinopel, da die Comunità di Galata den Papst um die Gründung einer Mission in ihrer Stadt bat. Dieses Anliegen vermittelten der französische Botschafter und die Seerepublik Venedig. Die 45-tägige Anreise führte ihn über Albanien, Bulgarien und Griechenland nach Konstantinopel. Er blieb bis 1585 im Osmanischen Reich. Seine Rückreise verlief über Danubien, die Walachai, Moldavien, Lemberg in der Ukraine, Krakau in Polen, Wien und schließlich zurück nach Italien. Seine Reiseerinnerungen ließ er 1586/87 niederschreiben. Schließlich trat die Regierung von Neapel im Jahr 1592 an die Gesellschaft Jesu heran und bat um Unterstützung beim Loskauf von christlichen Sklaven in Algier. Dies wäre ein konkreter Hinweis auf eine solche Anfrage. Wenn das negative Votum von Aquaviva von 1594 etwas 1099 Das Konvolut Liber Patentium 1573-1601 enthält die Patentes in commendatione captivorum (ARSI, Hist. Soc. 61, fol. 1r-1v). 1100 Zur römischen Casa die Catecumeni PRIESCHING (2013). 1101 Zu ihm: CAPOCCIA (2001) Sp. 2492.

2. Jesuiten als Sklavenloskäufer

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damit zu tun hatte, dann setzte es sich offenbar nicht durch, denn Mancinelli wurde, wahrscheinlich aufgrund seiner praktischen Erfahrung im Umgang mit christlichen Sklaven in Konstantinopel, tatsächlich nach Algier entsandt. Er verfasste darüber den Reisebericht Del viaggio fatto ad Algeri nella Morea.1102 Der Bericht schildert neben den spirituellen Erfahrungen in der Seelsorge auch Loskaufaktivitäten. Außerdem verfasste er eine kleinere Abhandlung unter dem Titel Osservationi intorno allo riscattare delli schiavi christiani dalla servitù delli infedeli mit praktischen Anweisungen zum Sklavenloskauf.1103 Die Verdienste Mancinellis als Missionar in partibus infidelium und Loskäufer christlicher Sklaven brachten ihn in den Ruf eines Seligen. Der Erzbischof von Neapel, Kardinal Decio Carafa (1556-1626), initiierte einen Seligsprechungsprozess. Für diesen Zweck wurde eine Vita angefertigt und im Jahr 1627 publiziert. Darin wird explizit auf Mancinellis Mission in Konstantinopel und seine Loskaufaktivitäten Bezug genommen.1104 Allerdings verhinderte die Revision des Beatifikations- und Kanonisationsverfahrens unter Papst Urban VIII. die Seligsprechung. Den Bestimmungen zufolge sollte erst 50 Jahren nach dem Tod einer im Ruf der Seligkeit stehenden Person ein Beatifikationsverfahren eingeleitet werden können. Jegliche Verehrung im Vorfeld sollte unterbunden werden.1105 Damit war das Verfahren ausgebremst worden, und Mancinelli geriet bald in Vergessenheit. Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Werk des Sklavenloskaufs innerhalb des Ordens umstritten war, ganz im Unterschied zur Seelsorge an Sklaven und Gefangenen. Der Orden verstand sich selbst vor allem als Seelsorge- und Bildungsorden, nicht als Loskauforden, also im Unterschied zu Trinitariern und Mercedariern. Doch im Zuge der missionarischen Tätigkeiten und aufgrund ihrer Bildungsvoraussetzungen (Sprachkenntnisse etc.) kamen sie mit dem Sklavenloskauf in Berührung. Sie gehören damit in das bunte Bild christlicher Loskäufer in der Frühen Neuzeit. Auch diese Tätigkeiten gehörten zum Wissenshorizont der Jesuiten über Sklaverei. 1102

ARSI, Vitae 46, fol. 68-83. ARSI, Vitae 51, fol. 43r-45r. 1104 Der achte Absatz in der Vita über Giulio Mancinelli von 1627 lautet: Item ponunt, et quatenus opus est probare volunt, et intendunt, quod dictus Dei servus Iulius Mancinellus praeter Insulas Baleares, Sardiniam, multasque Italiae provintias, Poloniam etiam Rusiam, Bosnam, Moldaviam, Vallachiam, Thraciam, Graeciam in Constantinipolitana praecipue urbe degens, Austriam, Silesiam, Boemiam, et Ungariam aliasque dissitas Asiae, et Europae regiones ad fructificandum in vinea Domini iuxta morem Societatis Iesu per plures annos non sine manifesta divini numinis protectione peragravit. Algeriumque in maritima Aphricae ora situm, senio pene confectus ad Christianos captivos redimendos omnique spirituali ope adiuvandos perrexit, & hoc fuit, & est verum, publicum, notorium, & manifestum, & publica vox, & fama, & communis opinio, & reputatio, et c. (ARSI, Vitae 51, fol. 77r). 1105 Zur Geschichte der Kanonisationsverfahren: SAMERSKI (2002). 1103

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VI. Mission und Sklaverei

3. Jesuiten als Sklavenhalter Der Historiker Dauril Alden untersuchte in seiner quellengesättigten und umfassenden, wirtschafts- und sozialgeschichtlich ausgerichteten Studie zur Jesuitenmission unter portugiesischem Patronat unter anderem eingehend die Rolle der Gesellschaft Jesu als Sklavenhalter. Ausgehend von den Ordenskonstitutionen, stellt er fest, dass die Ordensgeistlichen von jeglicher schwerer physischer und handwerklicher Arbeit befreit sein sollten. Dies war an sich nicht ungewöhnlich. So folgten Orden wie die Benediktiner zwar dem Grundsatz des ora et labora, doch schwere körperliche Arbeiten, z. B. in der Landwirtschaft, wurden an Laienbrüder oder auch an Sklaven delegiert. Ignatius von Loyola und die Mitbegründer sahen für diese Aufgaben jedoch von Anfang an Laienbrüder (coadjutores temporales) als angestelltes und zunehmend spezialisiertes Personal vor.1106 Gegen Sklaven sprach vor allem, dass ihr Besitz als Verstoß gegen das Armutsgelübde ausgelegt werden konnte. Hier orientierte sich Ignatius an den Bettelorden. Dennoch griff die Gesellschaft Jesu für zahlreiche Aufgaben ebenfalls auf eine große Zahl von Sklaven unterschiedlichster Herkunft zurück. Afrikanische Sklaven kamen besonders in den überseeischen Missionen zum Einsatz, so bereits auf den Kapverden, aber vor allem auf den Zuckerrohrplantagen in Brasilien (vgl. 3.1),1107 in den sogenannten Jesuitenreduktionen von Paraguay (vgl. 3.2),1108 auf den haziendas in Peru,1109 an den Kollegien von Luanda und Mozambique sowie in Indien, Japan und China.1110 Der Einsatz afrikanischer Sklaven bei der Errichtung und Versorgung der Kollegien in Coimbra und Évora (Portugal) zeigt, dass Europa keine prinzipielle Ausnahme von dieser Praxis darstellte.1111 Der Einsatz von Sklaven in den überseeischen Missionen führte durchaus zu Kontroversen mit der Ordensleitung in Rom. So schrieb der Ordensgeneral Francisco Borgia 1569 an den Provinzial von Portugal, dass kein Haus im Königreich Sklaven halten sollte. Wer Sklaven besitze, solle diese freilassen. Diese Anordnung wurde auch von seinen Nachfolgern Mercurian 1576 und Aquaviva 1584 bestätigt. Allerdings wurden diese Anordnungen der Jesui1106

ALDEN (1996) 502-504. Zum Wachstum der Mission in Brasilien bis 1600 siehe ALDEN (1996) 71-75. Zur Beteiligung der Jesuiten an der Produktion von Zuckerrohr seit Beginn des 17. Jahrhunderts: ebd. 517-525. 1108 Ebd., 525. Der Schutz der indigenen Bevölkerung in den lateinamerikanischen Jesuitenstaaten vor Versklavung hatte keine Auswirkungen auf die weiterhin praktizierte Versklavung von Afrikanern (vgl. ebd., 505). 1109 Dazu: NEGRO/ MARZAL (2005). 1110 ALDEN (1996) 505-509; 514-516. 1111 Ebd., 504; 507. 1107

3. Jesuiten als Sklavenhalter

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tengeneräle im Königreich Portugal nie in letzter Konsequenz umgesetzt, in Übersee sogar gänzlich ignoriert. Dort argumentierten die Befürworter der Sklaverei damit, dass aufgrund des Mangels an qualifizierten Laien die Sklaven zum Unterhalt der Missionen unverzichtbar seien. Die erste Provinzialversammlung in Brasilien beschloss 1568, dass die jesuitischen Häuser Sklaven besitzen durften, bis es eine Alternative dazu gäbe. Die Jesuiten in Indien teilten diese Überzeugung. Bei einem Treffen im Jahre 1576 wurde erklärt, dass Sklavenarbeit in der sich ausbreitenden Provinz unausweichlich sei. Ordensgeneral Aquaviva stimmte widerwillig zu, bestand aber darauf, dass Ordensmitglieder Sklaven in den Fällen, in denen die Legitimität ihrer Versklavung unsicher war, nicht kaufen oder verkaufen durften. Vereinzelte ordensinterne Gegner der Sklaverei wie die beiden Jesuitenbrüder Fra Miguel Garcia und Fra Goncalo Leite, welche die desaströsen Auswirkungen des transatlantischen Sklaventransports miterlebt hatten und auf eine humanere Behandlung drängten, blieben ungehört. Nachdem diese beiden Brüder mundtot gemacht wurden – dies wird nicht näher ausgeführt –, wagten es nur noch wenige Jesuiten, die Stimme in der Sklavenfrage zu erheben.1112 Die Gesellschaft Jesu spielte offenbar keine aktive Rolle im transatlantischen bzw. weltweiten Sklavenhandel, obwohl es Belege gibt, dass sie Interesse an einer Teilhabe am Sklavenhandel hatte.1113 1604 sah sich Ordensgeneral Aquaviva genötigt, die Teilhabe der Jesuiten am Sklavenhandel strikt zu verbieten. Dennoch gibt es einige Hinweise, dass der Orden ab und zu Sklaven aus Afrika (portugiesischen Besitzungen) nach Brasilien verschiffen ließ. Trotz dieser gelegentlichen Sklaventransporte scheint es so, dass die Jesuiten den Großteil ihrer Sklaven auf dem Sklavenmarkt erworben hatten.1114 Nach der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 verfügte die Gesellschaft Jesu noch über eine erhebliche Anzahl von Sklaven in Lateinamerika. Insgesamt ist festzuhalten, dass das anfängliche Bestreben des Ordens, nur auf bezahlte Arbeiter zurückzugreifen, höchstens in Europa und auch hier nicht ausnahmslos, wie das Beispiel Portugal zeigt, verfing. In Afrika, Asien und Lateinamerika (vor allem in Brasilien) akzeptierten die Jesuiten die Sklavenarbeit und waren auf sie angewiesen. Nach Alden besaß kein anderer Orden so viele Sklaven wie die Gesellschaft Jesu. Es gab zwar auch immer wieder einzelne Gegner der Sklaverei innerhalb des Ordens, doch konnten diese mit der Forderung ihrer Abschaffung nicht durchdringen.1115

1112

Ebd., 508f. Francisco Rodrigues fasst diese Belege in seiner Geschichte der Jesuiten in der Portugiesischen Assistenz zusammen: RODRIGUES (1931-1950). 1114 ALDEN (1996) 545. 1115 Ebd., 525f.; FRIEDRICH (2016) 440-447. 1113

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VI. Mission und Sklaverei

3.1 Die Zuckerrohrplantagen in Brasilien Rohrzucker wurde vermutlich ab 1526 in Brasilien eingeführt. Nach 1549 war er das Haupterzeugnis der portugiesischen Kolonie. In dieser Zeit begann auch die Jesuitenmission in Brasilien. Von Anfang an erhielten sie Zucker als Geschenk von ihren Förderern. Selbst die königlichen Stipendien an die Kollegien in Bahia, Olinda und Rio de Janeiro wurden in Zucker ausbezahlt. Schließlich stiegen die Jesuiten selbst in die Produktion ein. Bereits 1590 gestattete Ordensgeneral Aquaviva, nach dem Verbot seines Vorgängers Borgia, dem Kolleg von Bahia den Anbau von Rohrzucker. Dies löste innerhalb des Ordens eine Debatte aus. Allerdings ging es den Gegnern weder um die großen Investitionen noch um den hohen Bedarf an Sklaven, sondern um rechtliche Aspekte. So fügte Aquaviva 1594 erklärend hinzu, dass der Anbau von Rohrzucker den Satzungen des Ordens nicht entgegenstehe. Auf dieser Grundlage begannen zuerst die spanischen Jesuiten mit dem Zuckeranbau, bevor die portugiesischen 1601 in Brasilien nachzogen. Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurden fünf Zuckerrohrplantagen in der Region von Bahia erworben. Im 18. Jahrhundert vergrößerte sich die Zuckerindustrie der Jesuiten weiter. Um die Plantagen zu bewirtschaften und die Kollegien zu versorgen, wurden bereits Ende des 16. Jahhunderts zahlreiche Sklaven eingekauft, darunter auch viele Indios. Im Verhältnis dazu stieg der Anteil an afrikanischen Sklaven nur langsam.1116 Der ständige Landgewinn der Jesuiten sowohl in Indien als auch in Brasilien war der portugiesischen Krone ein Dorn im Auge. Philipp II. versuchte zum Beispiel, Beschränkungen durchzusetzen. Als die Jesuiten mit der Dezemberrevolution von 1640 für die wiedereingesetzte portugiesische Krone an Bedeutung gewannen, war man zu größeren Zugeständnissen bereit. Insgesamt gaben die Ländereien und Besitztümer der Jesuiten jedoch wiederholt Anlass zu Kritik am Orden. Manchmal wurden sie auch zu Sündenböcken für miserable Zustände gemacht. (Erste Enteignungen jesuitischer Ländereien erfolgten aber erst auf Betreiben der britischen Ostindien-Kompanie ab den 1660er Jahren.) Doch trotz der Kritik fuhren die Jesuiten fort, durch Erbschaften oder Ankauf immer neue Ländereien zu erwerben. Konflikte ergaben sich zudem, weil die Jesuiten auf der Grundlage von päpstlichen Erlassen darauf bestanden, von Zehntabgaben befreit zu sein. So stritt man beharrlich um die Abgabe von Steuern.1117 1116

Ebd., 416-421. Hier war die päpstliche Politik freilich nicht einheitlich. Paul V. entschied 1613, dass die portugiesischen Jesuiten den Zehnt leisten sollten; Gregor XV. bescheinigte ihnen 1622 die komplette Immunität gegenüber Zehntabgaben. Trotz heftigen Protests blieb dieser Beschluss unter seinen Nachfolgern zunächst erhalten (ebd., 463). 1117

3. Jesuiten als Sklavenhalter

259

Ein moralisches Problem blieb die Beschäftigung von Sklaven. Die Jesuiten standen in den Debatten, die Mitte des 16. Jahrhunderts in Spanien um die Versklavung der Indios geführt wurden, auf der Seite von Las Casas.1118 Auch sie betrachteten die Versklavung der Indios als Übel. Allerdings teilten sie mit den portugiesischen Siedlern die Ansicht, dass den Indios wesentliche Elemente einer Zivilisation fehlten. Ihre Christianisierung war darum auch mit einem Zivilisierungsauftrag verbunden. Geeignet schienen hierfür Missionszentren, die sogenannten Aldeias: Hier sammelte man Hunderte, manchmal Tausende von Indios und verband ihre Unterweisung im christlichen Glauben mit der Ausmerzung traditioneller Praktiken wie Polygamie, Magie oder exzessivem Alkoholismus. Die ersten Aldeias entstanden in Bahia in den frühen 1550er Jahren. Zumindest sorgte die jesuitische Administration dafür, dass die dort lebenden Indios nicht versklavt wurden. Die Siedler zeigten zwar großes Interesse an der Arbeitskraft der Indios, doch wachten die Jesuiten darüber, die Indios keiner Ausbeutung auszusetzen. 1597 ordnete Aquaviva an, dass die Jesuiten nur noch für die Seelsorge der Indios zuständig waren. Die Verwaltung der Aldeias übernahmen königliche Funktionäre.1119 Im Jahr 1570 verbot der portugiesische König Sebastian1120 die Versklavung der Indios, sofern diese nicht in einem ‚gerechten Krieg‘ gefangen genommen seien. Doch gegen die Interessen der Siedler war nur schwer anzukommen. In den 1580er Jahren wurde den Jesuiten vorgeworfen, einen Aufruhr der Indios in Bahia angezettelt zu haben. Der Sprecher der Zuckerrohrplantagen von Bahia beschuldigte sie, in politische Intrigen und Sklavenaufstände verwickelt zu sein, wobei sie nur daran interessiert seien, die Sklaven für den eigenen Bedarf zu verwenden. Die Jesuiten reagierten auf diese Anschuldigungen und sandten 1592 eine Antwort nach Madrid. Dennoch hatten sie sich in eine schwierige Lage gebracht. Einerseits wollten sie die Versklavung der Indios einschränken, und ihre Kritik daran spielte Sklavenaufständen in die Hände, andererseits hatten sie begonnen, Zuckerrohrplantagen zu errichten, für die sie Sklaven brauchten. Die portugiesischen Gesetze 1118

Vgl. Anm. 1130. ALDEN (1996) 475-478. 1120 Sebastian I. von Portugal wurde am 20. Januar 1554 als Sohn von Johann von Portugal und Johanna von Spanien in Lissabon geboren. Schon mit drei Jahren wurde er als Nachfolger von Johann III. (seinem Großvater) gekrönt. Für seine Erziehung waren hauptsächlich Jesuiten verantwortlich, in den ersten Jahren übernahm der Schwager seiner Großmutter, KardinalInfant Heinrich, Erzbischof von Lissabon, die Regierungsgeschäfte. Die unter der Regentschaft von seinem Großvater verloren gegangenen portugiesischen Ländereien in Marokko wollte Sebastian I. wieder zurückzuerobern. In der Schlacht bei Alcazarquivir 1578 unterlag schließlich das portugiesische Heer der Streitmacht von Sultan Muley Abd-el Melik. Hierbei kam der portugiesische König am 4. August 1578 ums Leben (FERDINANDY [1996]; TAMUSSINO [1998]). 1119

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VI. Mission und Sklaverei

schränkten die Versklavung der Indios zunehmend ein, ließen aber auch Ausnahmen im Rahmen der Bellum-Iustum-Lehre zu. Hier machte man sich zunutze, dass die Indios untereinander in kriegerische Auseinandersetzungen verstrickt waren, oder führte Fälle von Kannibalismus zur Rechtfertigung an.1121 Seit den 1590er Jahren drängten verstärkt privat finanzierte Expeditionen, die aus Europäern, Indios und ,Mamluken‘1122 gebildet wurden, von São Paulo aus nach Westen und Süden vor. Es handelte sich um Expeditionskorps, die im 17. Jahrhundert auf der Suche nach Gold, Diamanten und Sklaven durch Südamerika streiften. Die Portugiesen nutzten sie für ihre Expansion in Brasilien. Die Teilnehmer dieser Expeditionen (Bandeirantes) überfielen immer wieder jesuitische Missionen und verschleppten Tausende der getauften Indios in die Sklaverei. Dieses Problem betraf auch die Jesuiten in Paraguay (vgl. 3.2), von wo 1638 zwei spanische Jesuiten, Francisco Diaz Taño und Ruiz de Montoya nach Madrid und Rom aufbrachen, um Hilfe für die bedrohten Missionen zu erbitten.1123 Noch im selben Jahr erhielten die Jesuiten von Papst Urban VIII. die Erlaubnis, Indios zu bewaffnen und im Kampf auszubilden. Tatsächlich konnten sie 1641 die Bandeirantes erfolgreich zurückschlagen. Bereits zuvor betonte Urban VIII. in seiner Bulle Commissum Nobis vom 22. April 1639, dass die Indios nicht versklavt werden dürften. In §2 der Bulle heißt es hierzu: „Da nun, wie Wir [Urban VIII.; d. Verf.] hören, die Gründe, derentwegen das Schreiben Unseres genannten Vorgängers Paul1124 entstanden ist, auch gegenwärtig noch bestehen und da Wir, an der Stelle dieses Unseres Vorgängers Paul stehend, der Dreistigkeit jener ruchlosen Menschen Einhalt gebieten wollen, die die genannten Indianer, die eigentlich durch alle erdenklichen Werke christlicher Liebe und Güte zur Annahme des Glaubens an Christus bewegt werden sollten, durch unmenschliche Handlungen davon abschrecken, deshalb beauftragen Wir Dich 1125 und befehlen Dir mit diesem Schreiben, dass durch Dich oder einen oder mehrere andere, allen Indianern, die sowohl in den Provinzen von Paraguay und Brasilien und am La PlataFluß als auch in irgendwelchen anderen Provinzen und Orten West- und Südindiens leben, gegebenenfalls durch wirkungsvolle Verteidigung beigestanden werde und dass Du allen und jeder einzelnen Person, sei sie Laie oder Kleriker, jedweden Standes, Geschlechtes, Ranges, jedweder Stellung oder Würde, auch Personen mit besonderer Auszeichnung, Personen jedweden Ordens, jedweder Kongregation, Gesellschaft, religiösen Gemeinschaft und Institution, von Mendikanten oder Nicht-Mendikanten, von Mönchen oder Regularen, bei ipso facto zu inkurrierender Strafe der 1121

ALDEN (1996) 479-482. Als mamelucos wurden Abkömmlinge aus Verbindungen von Indios mit Europäern im Allgemeinen und afrikanischen „Sklaven im Besonderen“ bezeichnet. Gerade in der jesuitischen Wahrnehmung galten sie als Ungläubige oder Apostaten (FECHNER [2010] 163-178; METCALF [2005]). 1123 ALDEN (1996) 483. 1124 Gemeint ist ein Breve von Paul III. vom 29. Mai 1537. 1125 Adressiert ist die Bulle an den Kollektor für Portugal. 1122

3. Jesuiten als Sklavenhalter

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Exkommunikation, von der sie, außer in Todesgefahr, nur durch Uns oder den jeweils regierenden Papst befreit und nach vorausgegangener Wiedergutmachung absolviert werden können, auf das strengste verbietest, in Zukunft die genannten Indianer zu versklaven, zu kaufen, zu verkaufen, zu tauschen oder zu verschenken, von ihren Frauen und Kindern zu trennen, ihrer Sachen und Güter zu berauben, an andere Orte umzusiedeln oder zu verbringen oder in irgendeiner Weise ihrer Freiheit zu berauben und als Sklaven zu halten, denen, die solches tun, Rat, Hilfe, Gunst und irgendeinen Dienst unter welchem Vorwand und welcher Beschönigung auch immer zu gewähren oder zu erklären und zu lehren, dass dies erlaubt sei, oder zu wagen oder sich zu erdreisten, sonstwie hierbei mitzuwirken; dass Du diejenigen, die dem widersprechen oder sich widersetzen und die Dir hierin nicht gehorchen, der Strafe der Exkommunikation hierdurch für verfallen erklärst und durch andere Zensuren und Kirchenstrafen und andere angemessene rechtlich zu verhängende und ipso facta zu inkurrierende Strafen unter Zurückstellung der Berufung in die Schranken weist, wobei Du unter Beachtung der hierfür vorgesehenen rechtlichen Verfahren die Zensuren und Strafen, auch mehrere Male, verschärfst und, wenn es nötig sein sollte, dazu sogar die Unterstützung der weltlichen Gewalt anrufst. Wir aber geben Dir hierzu volle, umfassende und freie Verfügungsgewalt und Vollmacht.“1126

Hier ging es nicht um eine Verurteilung der Sklaverei als Institution, sondern darum, das Verbot der Versklavung der Indios zu bekräftigen und ihre Missionierung voranzutreiben. Deren Missionierung sollte unterstützt werden. Dies umfasste den Schutz der Missionare, die ebenfalls von Sklavenjägern bedroht wurden. Die Bulle drohte zum einen all jenen mit Exkommunikation, die sich an der Versklavung der Indios beteiligten, ermutigte zum anderen die Geistlichen, dieser Praxis zu widerstehen. Einen Monat später unterzeichneten die Jesuiten eine Vereinbarung mit den Siedlern, in der sie sich unter anderem dazu bereit erklärten, das Breve nicht zu forcieren und keine Sklaven befreien zu wollen sowie geflohene Sklaven zu den Besitzern zurückzubringen. Im Gegenzug versprachen die Siedler, die Jesuiten nicht zu vertreiben. Es kam dann allerdings doch noch zu einer Vertreibung aus dem Kapitanat São Paulo, in das sie erst wieder nach 1653 zurückkehren konnten. Tatsächlich besaßen die Jesuiten in Brasilien selbst auch weiterhin indianische Arbeitskräfte. So waren unter den 30 Sklaven im Kolleg von Olinda und den 150 Sklaven im Kolleg von Bahia auch indianische Sklaven. Ob sie besser behandelt wurden als die Sklaven der Siedler, ist eine offene Frage.1127 Wie lange unter den Sklaven der Jesuiten auch noch Indios waren, ist unklar. Sie scheinen zunehmend durch afrikanische Sklaven ersetzt worden zu sein.

1126

Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, hg. v. Arthur UTZ u. Brigitta Gräfin von GALEN, Aachen 1976, Bd. 1, 3, 2-5; 382-387. 1127 ALDEN (1996) 479-487.

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VI. Mission und Sklaverei

3.2 Der „Jesuitenstaat“ in Paraguay (1609-1768) Ein besonderes Kapitel für die Jesuiten als Sklavenhalter stellt der sogenannte ‚Jesuitenstaat‘ dar, der neben dem heutigen Paraguay auch noch Uruguay, Teile Argentiniens und Brasiliens umfasste. Diese Region unterstand direkt dem spanischen König und dem Vizekönig von Peru. Sie war weitgehend autonom. Die Jesuiten durften dieses relativ autonome Gebiet betreuen und versuchten dabei im Umgang mit den Indios ein Experiment, eine Art christlicher Indianerstaat.1128 Ein wichtiger Vordenker dieses Experiments war der spanische Jesuit José de Acosta (1540-1600), der 1572 in die Mission nach Lima ging und in Peru vertiefte Kenntnisse über Land und Leute sammelte. 1576 wurde er Provinzial der 1568 gegründeten peruanischen Ordensprovinz. Er entwickelte eine Methode der Evangelisierung, die auf Mentalität und Umwelt der Indios Rücksicht nehmen wollte. Die Zwangsmaßnahmen und Gewalt der Konquistadoren gegen die Indios begriff er als eigentliches Missionshindernis an. Vielmehr müsse man die Indios ‚verstehend‘ missionieren.1129 Diese Idee sollte in den Indianerreduktionen, die nun im „Jesuitenstaat von Paraguay“ entstanden, praktisch umgesetzt werden.1130 In der Forschung wird dieses Experiment höchst unterschiedlich bewertet. Die Urteile „reichen von einer überschwänglichen Verherrlichung eines Wirklichkeit gewordenen Idealstaats (…) bis zur völligen Verurteilung als ‚kapitalistischer Staat‘ mit ‚Zwangsarbeit‘ und Rechtlosigkeit der indianischen Bevölkerung“1131. Immerhin bestand hier die Chance auf eine Alternative zum Kolonialismus, der vor allem auf Unterdrückung und Ausbeutung basierte. Manche Autoren malen ein geradezu idyllisches Bild von den Zuständen, wie Rita Haub: „Die Indios lernten unter Leitung der Patres Lesen und Schreiben, und mit größter Begeisterung zu musizieren und die faszinierenden Choräle zu singen. Immer mehr sammelten sie sich um die Niederlassungen der Jesuiten, die es verstanden, während

1128 Auch wenn die Reduktionen als territoriale Einheit weitgehend autonom waren, blieben sie politisch und administrativ eine besondere Verwaltungseinheit unter spanischer Oberherrschaft. Der Begriff ‚Staat‘ ist auch insofern nur im eingeschränkten Maße zu verwenden. CARAMAN (1979) 111; HARTMANN (2001) 49. 1129 1588 veröffentlichte Acosta sein Werk De Natura Novi Orbis libri duo, et de promulgatione Evangelii, apud barbaros, sive De procuranda Indiorum salute, 1590 das ethnologisch vergleichende Werk Historia natural y moral de las Indias. 1130 Caraman verweist zudem auf den Vorbildcharakter der indianischen Siedlung in Vera Paz in Guatemala, die der Dominikaner Bartolomé de las Casas geleitet hatte und die unmittelbar der spanischen Krone unterstand. Solche und ähnliche Experimente hätten zur Idee der „Reduktionen“ erheblich beigetragen (CARAMAN [1979] 113). 1131 HARTMANN (2001) 49.

3. Jesuiten als Sklavenhalter

263

langer Jahrzehnte mit Hilfe von Musik, Tanz, prachtvoller Liturgie und prächtigen Kirchenbauten die Indios zu Christen zu bekehren.“1132

Hier besteht freilich Gefahr, die Zustände zu verklären. Es gelang wohl, die Indios durch die Ansiedelung in eigenen Missionsdörfern vor der Unterdrückung in den Encomiendas zu bewahren. Dort waren sie von den spanischen Siedlern meist versklavt worden. Da die Jesuiten durchaus sahen, dass eine wirksame Seelsorge nicht ohne das leibliche und materielle Wohl auskam, führten sie eine neue Wirtschafts- und Sozialstruktur ein, in der eine weitgehende Gleichheit aller herrschen sollte. Das Rechtssystem war im Vergleich mit europäischen Verhältnissen milde. So gab es weder Todesstrafe, Folter noch Hexenverbrennungen.1133 Man darf sich das Leben in den Reduktionen aber nicht allzu friedlich vorstellen. Die ersten Jahrzehnte kam es zu zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf ganze Dörfer vernichtet, Kirchen in Brand gesteckt und Überlebende in die Sklaverei verschleppt wurden. So fielen zwischen 1632 und 1642 immer wieder ,Mamluken‘ über die Reduktionen her. Von den zahlreichen getauften Indios überlebte zum Beispiel bei einem solchen Angriff 1637 nicht einmal ein Drittel.1134 Die ,Mamluken‘ gehörten zumeist zu den bereits erwähnten Bandeirantes, die wiederholt über die Grenzen Brasiliens hinaus auch auf die jesuitischen Reduktionen übergriffen. Die Jesuiten setzten sich daher beim spanischen König für die Bewaffnung ihrer Indianer ein, um sich gegen Angriffe verteidigen zu können. Insofern wurden hier auch kriegerische Auseinandersetzungen zwischen Portugal und Spanien geführt. Indem die Jesuiten ihre Grenzen mit Indianertruppen militärisch aufrüsteten, kämpften sie zugleich für den spanischen König.1135 Die Frage, ob hier ein ‚gerechter Krieg‘ gegeben war, musste auch für diesen Fall diskutiert werden. Ordensgeneral Aquaviva fasste die Missionsmethoden in einer Instruktion vom 1. Mai 1609 zusammen und sandte diese an Pater Romero, der als erster Gesandter der Jesuiten Paraguays nach Rom geschickt worden war. In das Dokument flossen Erfahrungen ein, die Jesuiten auf den Philippinen gemacht hatten. Es wurde darin zum Beispiel festgelegt, dass die Reduktionen nicht in der Nähe spanischer Städte zu gründen seien, eine Schule zum Studium der Landessprache notwendig sei, in jeder Reduktion zwei Patres leben 1132

HAUB (2007) 80. HARTMANN (2007) 53. 1134 CARAMAN (1979) 66-82. „Im Laufe von sieben Jahren hatten die Jesuiten in San Carolo 4337 und in San Pedro y Pablo 5845 Indianer getauft. Kaum ein Drittel dieser Zahl wurde gerettet“ (ebd., 74). 1135 Zur Armee der Jesuiten-Missionen ebd., 103-120. „Diese indianischen Soldaten wurden auf Kosten der Reduktionen ausgebildet und ausgerüstet; dafür erhielten sie ihrerseits einen Steuernachlaß“ (ebd., 104). 1133

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VI. Mission und Sklaverei

sollten, Indianer niemals zu betrügen seien, die begabteren Indianerkinder in Lesen, Schreiben und Singen zu unterrichten sowie Kirchen und Krankenhäuser zu bauen seien. Darüber hinaus wurden Vorschriften zur militärischen Ausrüstung und dem System des Landbesitzes im Hinblick auf die besonderen Gegebenheiten in Paraguay erlassen.1136 Die heftige Debatte darüber, ob die Indios vernunftbegabte Menschen seien oder wilde Barbaren, beeinflusste die europäischen Gesetzgebungen für die eroberten Gebiete Lateinamerikas. In jenen erschienen die Indios in der Regel wie Minderjährige, die vom Gesetz beschützt werden müssten. Paul III. hatte in dem Breve Veritas Ipsa 1537 zwar mit Nachdruck betont, dass die Indianer vollwertige Menschen seien, die nicht versklavt werden dürften. An der rechtlichen Behandlung der Indios änderte das grundsätzlich nichts.1137 Noch 1638 wurde die Frage kontrovers diskutiert, so dass Urban VIII. mit der oben zitierten Bulle Commissum Nobis vom 22. April 1639 die Versklavung der Indios nochmals verbot.1138 Auch die Jesuiten waren gegen eine Versklavung der Indios. Daher wäre zu vermuten, dass die Sklaverei in den Reduktionen gänzlich verschwand. Doch dem war nicht so, wie u. a. Ignacio Telesca herausgearbeitet hat.1139 Viemehr hielten auch die Jesuiten in Paraguay bis zum Ende des „Staates“ noch Sklaven. Allein das Jesuitenkolleg soll dort etwa 345 Sklaven besessen haben.1140 Insgesamt lässt sich aber festhalten, dass der ‚Jesuitenstaat‘ durchaus stimmig die Haltung der Jesuiten zur Sklaverei abbildet: Gegenüber dem Anliegen der Abschaffung überwog die humane Behandlung und das Seelenheil.

4. Jesuitenmissionare berichten über Sklaverei Ziel der Gesellschaft Jesu war die Ausbreitung und Festigung des katholischen Glaubens, sei es durch Unterricht und Erziehung, Seelsorge, Beratertätigkeit an Höfen oder in der Mission. Auf ihren Missionsreisen kamen die Jesuiten in Asien, Afrika und Lateinamerika mit der Sklaverei in unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Kontexten in Berührung. 1136

Ebd., 115. Auf den Philippinen waren 1604 Instruktionen erlassen worden, die hier einflossen. 1137 Ebd., 117. Auf dieses Breve bezog sich die Bulle Commissum Nobis von Urban VIII. von 1639. Vgl. 260f. 1138 Vgl. 260f. 1139 TELESCEA (2008) 191-211; hier wäre eine Statistik interessant, wie sich die Anteile zwischen den Indiosklaven und den afrikanischen Sklaven verschoben. Leider gibt hier auch Alden keine Zahlen an. ALDEN (1996). 1140 TELESCEA (2008) 193.

4. Jesuitenmissionare berichten über Sklaverei

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Dabei wurden sie auch Zeugen einer Sklavereipraxis, in die sie selbst nicht involviert waren, die Sklaverei der Anderen. Im Folgenden soll nun anhand einiger Beispiele in chronologischer Reihenfolge ein Einblick in die Berichterstattung der jesuitischen Missionare über die Sklaverei gegeben werden.

4.1 Franz Xaver SJ (1506-1552) in Indien und Japan Francisco de Xavier (künftig Franz Xaver) gehört zu den Mitbegründern des Jesuitenordens.1141 Mit ihm setzte die jesuitische Mission in Asien ein.1142 Zusammen mit seinem Mitbruder Simão Rodrigues1143 verließ Franz Xaver 1540 Rom, um über Portugal nach Indien aufzubrechen.1144 Am 6. Mai 1542 landete er in Goa, einer Inselstadt an der Westküste Indiens.1145 Bis kurz vor seinem Tod verfasste er zahlreiche Briefe, in denen er über seine Erfahrungen, Erfolge und Niederlagen, berichtete. „Ab 1545 wurden alle seine Briefe

1141 Zu ihm: COLLANI (1998). Zur Beziehung zwischen Ignatius und Franz Xaver: OSWALD (2002). Francisco entstammte einem baskischen Adelsgeschlecht und wurde 1506 auf Schloss Xavier im Königreich Navarra geboren, daher sein Name Franscisco de Xavier. In Deutschland ist er allgemein als Franz Xaver bekannt, so dass hier diese Schreibweise verwendet wird. 1142 Bevor die Portugiesen Ende des 15. Jahrhunderts Indien über den Seeweg erreichten, war der Subkontinent zwischen Muslimen und Hindus aufgeteilt gewesen. 1510 eroberten die Portugiesen die Stadt Goa, die sie 1530 zur Hauptstadt ihres „Staates“ (Estado) Indien machten. (ALDEN [1996] 41f). „Bis in die dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts lag die Christianisierung Indiens in den Händen der Dominikaner, Franziskaner und Weltpriester. Jetzt beschloss König Johann III. von Portugal, den Papst um die Entsendung einiger Männer aus der eben in Gründung begriffenen Gesellschaft Jesu zu bitten, da er sich von ihnen eine größere Einsatzfreude erwartete“ (HAUB [2002]16). 1143 Simão Rodrigues (1510-1579) war in Portugal geboren, kam 1527 nach Paris und schloss sich 1532 als dritter (nach Peter Faber und Franz Xaver) Ignatius an. Später wurde er Gründer, Superior (1540-1546) und Provinzial (1546-1552) der portugiesischen Provinz. 1553 rief ihn Ignatius nach Italien zurück, wo er bis 1564 blieb. Danach wirkte er in verschiedenen Jesuitenhäusern in Spanien und kehrte 1573 nach Portugal zurück, wo er 1579 starb. SIEVENICH/ KNAUER (2006) 59, Anm. 5. 1144 Ursprünglich war neben Rodrigues der Jesuit Nicolás Bobadilla für die Indienmission ausersehen worden. Doch da Bobadilla zu krank für die Aufgabe war, sprang Francisco de Xavier, welcher der erste Sekretär des Ignatius gewesen war, kurzfristig ein. Auch Rodrigues hatte eine Krankheit auszukurieren, und so wurden die beiden Missionare zunächst auf einen Landsitz nach Portugal geschickt. Nachdem sie in Lissabon seelsorgerisch tätig geworden waren, wollte König Johann III. sie nicht mehr gehen lassen. Ignatius konnte den König schließlich zu dem Kompromiss bewegen, Rodrigues in Portugal zu behalten und Franz Xaver nach Indien fahren zu lassen (OSWALD [2002] 50). 1145 Dort übernahmen die Jesuiten 1551 das Paulskolleg (São Paulo). ALDEN (1996) 44. Zur weiteren Ausbreitung der Jesuitenmission in Asien von 1549 bis 1601 siehe Tabelle, in: Ebd., 46.

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gedruckt und im gesamten Abendland verbreitet.“1146 Er löste damit eine regelrechte Missionsbegeisterung aus. In seinen Briefen, die vor allem die Missionstätigkeit thematisieren, erwähnte er mehrfach Gefangene und Sklaven. So suchte er in den Städten üblicherweise zuerst die Spitäler und Kerker auf, um die Insassen im Glauben zu unterweisen und ihnen beizustehen. Sein erstes Anliegen bestand darin, die Unwissenheit in religiösen Dingen zu beseitigen. Nachmittags ging er häufig „mit einem Glöcklein durch die Straßen und über die Plätze Goas, machte an gewissen Stellen, wie den Straßenecken, halt und rief mit lauter Stimme: ‚Gläubige Christen, Freunde Jesu Christi, schickt eure Söhne und Töchter, Sklaven und Sklavinnen zur Christenlehre aus Liebe zu Gott!‘ Das ungewohnte Schauspiel hatte Erfolg. Kinder, Sklaven und Sklavinnen und andere versammelten sich um ihn.“ 1147

Franz Xaver zog mit dieser Schar (es sollen oft über 300 Menschen gewesen sein) in eine Kirche, wo er sie etwa zwei Stunden im Katechismus unterwies. Damit seine Zuhörer ihn besser verstehen konnten, ahmte er das KreolPortugiesisch der Sklaven und Sklavinnen nach.1148 Dabei handelte es sich nach Schurmacher um ein „vereinfachtes, mit eingeborenen Worten durchsetztes Portugiesisch, wie es die portugiesischen Mischlinge in den einstigen portugiesischen Besitzungen noch heute sprechen, das Cristão.“1149 Wenn er Portugiesen das Wort Gottes verkündete, sprach er anders als mit den Einheimischen. Verstanden zu werden, war entscheidend. Die Sklaven und Sklavinnen scheinen neben den Kindern besonders empfänglich für seine Katechismusstunden gewesen zu sein. Francisco ermahnte sie auch, das Gehörte zuhause jenen zu wiederholen, die nicht dabei gewesen waren. Auf diese Weise hörte man abends häufig aus den Häusern, wie Kinder, Sklaven und Sklavinnen die frommen Melodien der Christenlehre sangen.1150 Der Missionar pflegte den Katechismus singend vorzutragen, damit sich die Zuhörer das Gesagte leichter merken konnten. Schon vor Franz Xaver hatten Missionare aus Indien davon berichtet, dass die meisten Neubekehrten Sklaven und Sklavinnen seien, so zum Beispiel der Weltpriester Affonso Martins 1532 in einem Bericht an den portu1146

HAUB (2002) 33. Nahezu 1500 seiner Briefe sind noch erhalten. Monumenta Historica Societatis Iesu (MHSI) 67/68 (1944/45); Documenta Indica Bd. 1 und 2 (MHSI 70 [1948] und 72 [1950]); Documenta Malucensis Bd. 1 (MHSI 109 [1974]); Monumenta Japonica Bd. 2 (MHSI 137 [1990]); Die Briefe des Francisco de Xavier 1542-1552, ausgewählt, übertragen und kommentiert von Elisabeth Gräfin VITZTHUM, München 31950; Franz Xaver. Briefe und Dokumente 1535-1552, hg. v. Michael SIEVENICH unter Mitarbeit v. Wolfgang FRITZEN, übersetzt von Peter KNAUER, Regensburg 2006. 1147 SCHURHAMMER (1963) 214. 1148 Ebd., 218. 1149 Ebd., 219, Anm. 175. 1150 Ebd., 219.

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giesischen König. Um diese Neubekehrten gut unterrichten zu können, schlug er die Errichtung eines Katechumenenhauses vor. Dass er dabei nicht daran dachte, die getauften Sklaven und Sklavinnen freizulassen, zeigt sein Vorschlag, einen Teil der Kosten für dieses Haus aus den Einnahmen zu begleichen, die man beim Verkauf der betreffenden Sklaven und Sklavinnen wieder erzielen würde. Da die erbetenen Lehrer aber nicht kamen, wurde der Plan fallengelassen. Franz Xaver kam 1546 nach Malakka1151, wo er den bereits 70jährigen Martins traf und in der Seelsorge unterstütze.1152 Nach ersten Erfolgen in Goa suchte Franz Xaver auch die anderen Gegenden des portugiesischen Kolonialreichs in Indien auf. Dieses bestand aus Festungen und Häfen entlang des Indischen Ozeans. „Überall ließ er die wichtigen Gebete in der Landessprache schriftlich zurück mit der Weisung, sie auswendig zu lernen und jeden Tag zu wiederholen.“1153 1546 berichtete Franz Xaver an seine Ordensbrüder in Europa, dass er nach Macaçar (Makassar) aufgebrochen war und sich auf der Reise vom Kap Komorin1154 nach Malakka, dem Zentrum der europäischen Handelsflotten im Fernen Osten, und Maluco (Molukken)1155 vielen Gefahren ausgesetzt hatte. Bei der Bekehrung der Einheimischen traten die christlichen Missionare in Konkurrenz zu den Muslimen, die sich dort angesiedelt hatten. Franz Xaver charakterisierte die Lage auf den Molukken-Inseln (Indonesien) folgendermaßen: „Die Heiden in diesen Gebieten von Maluco sind mehr als die Mauren. Die Heiden und die Mauren mögen sich nicht. Die Mauren wollen, dass die Heiden entweder Mauren werden oder ihre Gefangenen seien; und die Heiden wollen weder Mauren sein und noch weniger ihre Gefangenen. Wenn es jemanden gäbe, der ihnen die Wahrheit predigte, würden alle Christen werden, weil die Heiden lieber Christen als Mauren sein wollen.“1156

„Malakka war der bedeutendste Südseehafen des portugiesischen Kolonialreiches, die letzte Grenzfeste, die Portugals Macht vor den Toren des verschlossenen Chinas und vor den eben erst entdeckten japanischen Inselreich sicherte“ (HAUB [2002] 42). 1152 SURHAMMER (1963) 615-617. 1153 HAUB (2002) 19. 1154 An dieser sog. „Fischerküste“ lebten die Paraver, die ihren Unterhalt durch Perlenfischerei bestritten. Nachdem sie 1530 von einem muslimischen Stamm überfallen worden waren, traten die Paraver in Scharen zum Christentum über, wohl in der Hoffnung auf besseren Schutz. Allerdings waren seit der Massentaufe von 20000 Paravern die Priester ausgeblieben, um diese im Christentum zu unterweisen. So ging es Franz Xaver hier darum, die Neuchristen zu unterrichten. HAUB (2002) 18f. 1155 Die Molukken sind eine indonesische Inselgruppe. Sie sind auch als „Gewürzinseln“ bekannt. 1156 Franz Xaver an die Gefährten in Europa, Amboina, 10. Mai 1546, in: SIEVERNICH/ KNAUER (2006) 175-180, 179. 1151

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Als geeignete Maßnahme zur Verdrängung der als „böse Sekte von Mahoma [Mohammed]“1157 bezeichneten islamischen Religion empfahl er lediglich die regelmäßige Entsendung von einfachen christlichen Missionaren, die nicht geeignet seien, um in den Jesuitenorden aufgenommen zu werden, aber bereit sein müssten, um in diesen Gebieten „zu leben und zu sterben“.1158 Allerdings war Franz Xaver keineswegs grundsätzlich pazifistisch eingestellt. So drängte er zweimal seinen Mitbruder Simão Rodrigues, der von 1546 bis 1552 Provinzial der portugiesischen Ordensprovinz war, den portugiesischen König dazu zu bewegen, die muslimisch dominierte Insel Sokotra (Çocotora) kurz vor der Bucht von Aden militärisch zu erobern.1159 Dies legitimierte Franz Xaver so: „Auf dieser Insel ist ein bestimmter Sarazene durch Gewalt mächtig und herrscht gegen alles Recht und Gesetz. Er unterdrückt und quält grausam die christlichen Einwohner. Die ihnen entrissenen Kinder lässt er in die mahometanische Religion einweihen.“1160

Damit bediente er das Bild muslimischer Tyrannenherrschaften, das auch in Europa bekannt war: Der Tyrann herrscht despotisch und bedroht Christen an Leib und Seele. Sklaverei gehörte zum selbstverständlichen Repertoire dieser Fremdzuschreibung. Mit dem Vorwurf der Tyrannenherrschaft auf Sokotra argumentierte Franz Xaver ferner auf der Grundlage der Bellum-Iustum-Lehre. Als gerechter Kriegsgrund erschien das Unrecht gegenüber den Christen, das sich durch Enteignung und Zwangskonversion ihrer Kinder offenbarte. Zudem behinderte der Tyrann die Missionstätigkeit der Christen massiv. Die christliche Bevölkerung wurde als völlig wehrlos dargestellt. So galt es, die Christen aus der „Knechtschaft“ der Muslime zu befreien.1161 Außerdem stellte er einen angeblich leicht zu erringenden militärischen Erfolg des portugiesischen Königs in Aussicht.1162 Die Portugiesen gaben ihm allerdings auch immer wieder Anlass zu mahnenden Bußpredigten. Als einige Portugiesen Frauen von Perlenfischern geraubt und als Sklavinnen genommen hatten, sorgte sich Franz Xaver 1544 um den Fortbestand der Missionserfolge im christlich gewordenen Pun1157

Ebd, 179. Ebd. 1159 Franz Xaver an Simão Rodriques in Portugal, Cochin an der Westküste Südindiens, 20. Januar 1549, in: SIEVERNICH/ KNAUER (2006) 253-256; und Franz Xaver an Simão Rodriques in Portugal, Cochin, 2. Februar 1549, in: Ebd., 265-272. 1160 Franz Xaver an Simão Rodriques in Portugal, Cochin, 2. Februar 1549, in: Ebd., 265-272, 267f. 1161 „Denn die Einwohner, denen alle Waffen genommen sind und die durch ein hartes Joch der Knechtschaft unterdrückt sind, verabscheuen den Sarazenennamen“ (ebd., 268). 1162 Ebd. 1158

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naikâyal, einem Ort an der Ostküste Südindiens. Um die Schuldigen unter den Portugiesen zu überführen, drohte er mit der Verhängung der großen Exkommunikation gegen alle ansässigen Portugiesen.1163 Außerdem warnte der Jesuit vor dem Raub von Christen durch die Badagas (auch Badegás), den Verbündeten des Königs Inikitriberim (eigentlich Unnikê Tiruvadi) von Quilon am Kap Komorin und Süd-Tinnevelly, dessen Herrschaftsbereich bis nach Punnaikâyal reichte.1164 In Malakka sah er, wie der Klerus mit Wucherverträgen und dem Handel verbotener Waren ein schlechtes Beispiel abgab. Die Wohnungen der Portugiesen, die in der Minderheit waren, unterschieden sich nicht von denen der Hindus oder der Muslime: Überall hielten sich verheiratete Männer Sklavinnen als Konkubinen. „Von einem Portugiesen war sogar bekannt, daß er deren 24 verschiedener Rassen hatte und alle gebrauchte.“1165 Franz Xaver ließ sich gern als Armer Christi von den portugiesischen Herren zum Essen einladen. Dabei überredete er die Unverheirateten, Konkubinen zu heiraten, und die Verheirateten, ihre Konkubinen zu entlassen. Auch dieses Vorgehen gegen sexuelle Ausbeutung der Sklavinnen (vielleicht auch der Sklaven) brachte ihm deren Sympathien ein. „Die Sklaven und Sklavinnen freuten sich, wenn er bei ihrem Herrn zu Besuch kam, denn für alle von ihnen hatte er ein gutes Wort, und sie wussten, dass er sie liebte.“1166 Bei aller katechetischhomiletischen Zuwendung zog Franz Xaver jedoch auch eine deutliche Grenze. Mit dem Einschärfen der Ordenskonstitutionen in den Missionsgebieten blieb Sklaven die Aufnahme in den Jesuitenorden verwehrt: „Achtet darauf, niemals Personen in die Gesellschaft aufzunehmen, die von geringem Alter sind, noch andere, bei denen P. Ignatius verbietet, sie aufzunehmen.“1167 1163

Franz Xaver an Francisco Mansilhas in Punnaikâyal, Manapare (Südindien), 27. März 1544, in: Ebd., 121. 1164 Siehe dazu die Briefe des Franz Xaver an Francisco Mansilhas in Punnaikâyal, Manapare (Südindien), 3. August 1544, in: Ebd., 130-131; Franz Xaver an Francisco Mansilhas in Punnaikâyal, Manapare, 19. August 1544, in: Ebd., 131-132; Franz Xaver an Francisco Mansilhas in Punnaikâyal, Manapare, 20. August 1544, in: Ebd., 132-133; Franz Xaver an Francisco Mansilhas in Tutucurín, Punnaikâyal, 29. August 1544, in: Ebd., 133-134; Franz Xaver an Francisco Mansilhas in Punnaikâyal, Alendale, 5. September 1544, in: Ebd., 135; Franz Xaver an Francisco Mansilhas in Punnaikâyal, Alendale, 5. September 1544 (zweiter Brief desselben Tages), in: Ebd., 136; Franz Xaver an Francisco Mansilhas in Punnaikâyal, Trichandure, 7. September 1544. In: Ebd., 137-138; Franz Xaver an Francisco Mansilhas in Punnaikâyal, Manapare, 10. September 1544,, in: Ebd., 139; Franz Xaver an Francisco Mansilhas in Punnaikâyal, Manapare, 11. September 1544, in: Ebd., 140-141. 1165 SCHURHAMMER (1963) 618. 1166 Ebd., 624. 1167 So die vierte Unterweisung für Gaspar Barzeus von Franz Xaver aus Goa zwischen dem 6. und 14. April 1552, in: SIEVERNICH/ KNAUER (2006) 418-426, 421. Insgesamt wurden von Ignatius sieben Hindernisse für die Aufnahme in die Gesellschaft Jesu festgelegt. „Nicht auf-

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Während der Regenzeit des Jahres 1548 hielt sich Franz Xaver in Goa auf. Dort kümmerte er sich vor allem um das Jesuitenkolleg, das eigentlich ‚Kolleg vom heiligen Glauben‘ hieß, allgemein aber als ‚Paulskolleg‘ bekannt war, da es zuerst in der Paulskapelle der Kirche Nossa Senhora da Luz gegründet worden war. Dieses Kolleg hatte 1546 eine Ordnung erhalten, in welcher auch ein Abschnitt über Sklaven enthalten ist: „Im Haus sollten nur jene Diener sein, die nötig wären für die unentbehrlichen Hausdienste; denn was darüber wäre, verursache nur unnütze Auslagen; dafür dürften sechs Sklaven für den Garten und das Begräbnis der Armen des Spitals, für das Fegen und Holzspaten genügen, und für die Küche zwei bis drei.“1168

Daraus geht hervor, dass auch die Jesuiten in Goa Sklaven in ihren Diensten hatten. Bezahlte Diener in größerer Anzahl erschienen offenbar zu teuer. Die erwähnte Passage zeigt ebenso, wie selbstverständlich die Sklavenarbeit war. Aus dieser Ordnung geht außerdem hervor, dass der Unterricht der Knaben im Kolleg nach Eingeborenen und Portugiesen getrennt stattfinden sollte, um keinen „Anlass zu großer Unordnung zu geben“.1169 Wie aus einem Schreiben des Jesuiten António Criminali1170 aus dem Jahr 1545 erhellt, waren in diesem Jahr 60 Schüler des Kollegs zwischen 7 und 21 Jahre alt. „Einige träten freiwillig ein, um Schreiben Lesen und Latein zu lernen. Andere seien geschenkt von ihren Herren, die sie als Sklaven hielten. Andere hätten Mestre Diogo und Misser Paulo mit Almosen gekauft.“1171 Insofern gab es also nicht nur Sklaven, die im Kolleg arbeiteten, sondern auch Sklaven, die auf Wunsch ihres Besitzers dort unterrichtet wurden. Zudem befanden sich von Jesuiten freigekaufte Sklaven unter den Schülern. Diese Zusammensetzung bereitete der Hausleitung nicht selten Sorgen, da manche freiwillig und andere aus Zwang dort waren, was man ihnen offenbar anmerkte. Als Franz Xaver 1548 in Goa weilte, befanden sich bereits über 80 Schüler im Kolleg, die dreizehn verschiedene Sprachen mitbrachten. In seinem Bericht bezeichnete Criminali die verschiedenen Sprachgruppen als „Nationen“, die er obendrein „barbarisch“ nannte.1172 Die Jesuiten hatten in ihren Missionen zudem einen Zivilisierungsauftrag. genommen werden sollten: 1. Mörder, 2. Abtrünnige (Rennegaten), 3. Häretiker, 4. Ehrlose (Infamie), 5. Exkommunizierte, 6. Ehemalige Ordensleute, 7. Ehemalige Eremiten mit Mönchsgewand, 8. Ehemals Verheiratete (bei bestehendem Eheband), 9. Leibeigene, 10. Geistige Kranke (vgl. Satzungen der Gesellschaft Jesu, Nr. 164-176)“ (ebd., 421, Anm. 3). Das Verbot der Aufnahme von Leibeigenen galt auch für Sklaven. 1168 Dies war eine von 27 Bestimmungen der Kollegsordnung vom 27, Juni 1546, zitiert nach: SCHURHAMMER (1971) 254-258, 255. 1169 Ebd., 257. Die „Mischlinge“ wurden mit den Söhnen der Portugiesen unterrichtet. 1170 António Criminali (gest. 1547) war einer der ersten Märytrer der Jesuiten in Indien. Zu ihm: ALDEN (1996) 50. 1171 Schreiben des Jesuiten Criminali von 1545 nach SCHURHAMMER (1971) 260. 1172 Ebd.

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Am 10. Oktober 1549 wurde Franz Xaver zum ersten Provinzial der neuen Ordensprovinz Goa ernannt. Damit war er nicht länger dem Provinzial der portugiesischen Provinz unterstellt und konnte eigenständig Ämter besetzen und in die Kollegien eingreifen.1173 In Malakka traf er zu dieser Zeit die ersten drei Japaner, die dort Zuflucht gesucht hatten. Nachdem er sie in Goa getauft hatte, wollte er mit ihnen zusammen das ferne Japan missionieren.11741549 reiste Franz Xaver mit ihnen und zwei weiteren Gefährten von Goa über Malakka nach Japan. Sie kamen am 15. August in Kagoshima an. Allerdings war die politische Situation für die Mission alles andere als günstig. Die daimyô hatten auf Kosten der Zentralmacht des Kaisers weitgehende Souveränität erlangt. Die buddhistischen Mönche verkehrten in ihren Kreisen dieser Oberschicht. Zudem wich die japanische Kultur von dem ab, was Franz Xaver bisher kennengelernt hatte, so dass er sich zunächst schwer zurechtfand. Hier sah er sich einem Volk mit hochstehender Kultur gegenüber, das er nicht mit den „barbarischen“ Ureinwohnern Indiens vergleichen konnte. „Im Gegenteil: Nun waren es die Portugiesen und Spanier, die sich von der japanischen Bevölkerung als ‚Südbarbaren‘ (nanbanjin) bezeichnen lassen mussten.“1175 Selbstbewusst suchte Franz Xaver den Disput mit dem buddhistischen Priesterstand, deren Mitglieder bonzen genannt wurden und in Klöstern beiderlei Geschlechts organisiert waren. Deren Praxis der Homosexualität stach ihm als besonders sündhaft ins Auge, und er wurde nicht müde, die „widernatürliche Sünden“ öffentlich anzuprangern.1176 Die Priester ließen sich von den kuriosen Fremdlingen jedoch wenig beeindrucken. Bald wurde den Missionaren klar, dass Bekehrungserfolge nicht ohne Anpassung an die japanische Kultur möglich waren. Während die Mönche in Europa hoch angesehen waren, wenn sie einfach-ärmlich gekleidet waren, sorgte dieses Auftreten hier für Spott. Also relativierten die Missionare ihr strenges Armutsgelübde und traten nun in der Art des einheimischen Klerus prunk- und würdevoll auf. Die Erfahrungen führten die Missionare zu neuen Missionsmethoden, die zukunftsweisend waren. Die Achtung der lokalen

1173

HAUB (2002) 21. Unter diesen stach besonders der Japaner Anjirô hervor, der vor der japanischen Justiz auf einem portugiesischen Handelsschiff geflohen war. Er scheint das Interesse des Franz Xaver auf Japan gelenkt zu haben, das angeblich für eine Missionierung geradezu prädestiniert sei. FISCHER-BRUNKOW (2002) 81. 1175 Ebd., 89. 1176 So z. B. der erste Japan-Brief an die Gefährten in Goa von Franz Xaver aus Kagoshima vom 5. November 1549, in: SIEVERNICH/ KNAUER (2006) 312-332. Dazu auch FISCHERBRUNKOW (2002) 91. 1174

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kulturellen Gegebenheiten sowie eine pragmatische Anpassungsfähigkeit waren die Voraussetzungen dafür.1177 Nachdem Franz Xaver eingesehen hatte, dass er Japan nicht über den Kaiser missionieren konnte, da dieser völlig entmachtet schien, konzentrierte er sich auf einzelne daimyô und begann wieder, auf der Straße zu predigen. Hier erhielt er regen Zulauf aus der Bevölkerung. Ob Sklaven oder Sklavinnen darunter waren, ist allerdings unklar.1178 Die japanischen Mönche konfrontierten Franz Xaver immer wieder mit der Feststellung, dass der christliche Gott schon deshalb nicht der richtige sein könne, weil die Chinesen nichts von ihm wüssten. So entschloss er sich, den Glauben zuerst in China zu verkünden, weil er hoffte, dass Japan danach rasch nachziehen würde.1179 Er kam allerdings nur bis zur Insel Sancian (Shangchuan Dao) vor Kanton, wo er niemanden fand, der mit ihm die Überfahrt nach China wagte. Schwer erkrankt, verstarb er am 3. Dezember 1552 einsam auf der Insel Sancian, ohne das chinesische Festland jemals betreten zu haben. Dieses Ziel erreichte erst Matteo Ricci, der im Todesjahr von Franz Xaver geboren wurde.

4.2 Matteo Ricci SJ (1552-1610) in China Matteo Ricci studierte nach seinem Eintritt in den Jesuitenorden zwischen 1572 und 1577 am Collegio Romano.1180 Er gilt als Begründer und zugleich bedeutendster Vertreter der frühneuzeitlichen Chinamission.1181 Er legte den jesuitischen Standpunkt im Ritenstreit fest, der im Laufe der Zeit wenig verändert bekräftigt wurde.1182 Allerdings blieb dieser Ritenstreit zwischen jesuitischen Missionaren einerseits und franziskanischen sowie dominikanischen Chinamissionaren andererseits bis Ende des 17. Jahrhunderts eine missions1177

Ebd., 93-96. Ebd., 99. 1179 HAUB (2002) 22. 1180 Zur Biographie: Matteo Ricci, Descrizione della Cina. Mit einem Vorwort von Bernardo Valli und einem Essay von Filippo Mignini, Macerata 2011, 17-19; eine Zusammenstellung der biographischen Stationen und Werke Riccis in: Philosophie und Spiritualität bei Matteo Ricci, hg. v. Herbert BUTZ u. Renato CRISTIN, Berlin 2007, 73-78 (von Filippo Mignini). Zu den Lehrern, die Ricci am Collegio Romano hatte, und den Studieninhalten: BALDINI (2013). Besonders wichtig ist dies im Hinblick auf die mathematischen Studien Riccis. Sein Theologiestudium hatte Ricci nicht in Rom, sondern in Coimbra und Goa absolviert. 1181 Die ersten Jesuiten erreichten das chinesische Macau in den frühen 1560er Jahren und richteten dort eine Schule ein. Von hier aus wurden jesuitische Unternehmungen in ganz Ostasien koordiniert. 1578 segelte eine Gruppe Jesuiten nach Indien (darunter Matteo Ricci), von denen sich einige für die Mission in China vorbereiten sollten. ALDEN (1996) 67f. 1182 Zum Standpunkt Riccis im Ritenstreit: LI (2000) 331. 1178

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interne Diskussion ohne direkte Auswirkungen auf die Missionspraxis. Erst mit dem allmählichen Machtverlust der Jesuiten im Kontext des Jansenistenstreits begann eine politisch funktionalisierte und theologisch zweckentfremdete Phase des Ritenstreits, die zu seiner Eskalation führte.1183 Die theologische Rechtfertigung der jesuitischen Bewertung der chinesischen Kultur und ihrer Missionsstrategie lag in der Universalität der Schöpfungsgeschichte. „Dies bedeutet konkret, daß jedes Volk mehr oder weniger Gott gekannt hat, sofern alle Völker Gottes Geschöpfe sind. Der Begriff ‚Heidentum‘ sei eben nur ein relativer Begriff und beziehe sich auf Menschen oder Völker, die erst im nachhinein in Idolatrie verfallen seien. Sie würden auch nur so lange Heiden bleiben, bis Gottes Heilsökonomie realisiert würde.“1184

Die Schriften Riccis beeinflussten maßgeblich die europäische Wahrnehmung des chinesischen Kaiserreiches. Dazu gehörte etwa ein umfangreicher Bericht über die Chinamission mit dem Titel Della Entrata della Compagnia di Giesu e Christianita nella Cina, den Ricci in seinen beiden letzten Lebensjahren verfasste.1185 Im neunten Kapitel Delle Superstitioni et d’alcuni abusi della Cina des ersten Buches führte er eine Reihe von religiösen und moralischen Missständen auf.1186 Dazu gehörten Formen sexueller Ausbeutung, wie Polygamie, Prostitution und Päderastie.1187 Im Anschluss daran be1183

Ebd., 311-348. Zum Jansenistenstreit vgl. II.3.2, 66-71. Ebd., 332. 1185 Der ursprünglich auf Italienisch verfasste Bericht von Matteo Ricci erschien erstmals in lateinischer Übersetzung durch Nicolas Trigault im Jahr 1615 in Augsburg unter dem Titel Matteo Ricci, De Christiana expeditione apud Sinas suscepta ab Societate Iesu, ex P. Matthaei Riccii eiusdem Societatis commentariis libri V. Ad S. D. N. Paulum V., in quibus Sinensis regni mores, leges atque instituta et novae illius ecclesiae difficillima primordia accurate et summa fide describuntur. Auctore P. Nicolao Trigautio Belga ex eadem Societate, Augsburg 1615. Seitdem kursierten im 17. Jahrhundert hauptsächlich lateinische Übersetzungen in Europa, aber auch eine deutsche Ausgabe: Matteo Ricci, Historia von Einfüehrung der Christlichen Religion in daß grosse Königreich China durch die Societet Jesu. Sambt wolgegründten bericht von beschaffenhaitt deß Landts vnd volcks, auch desselbigen gesatze, Sitten, vnnd gewonhaitten. Auß dem Lateinischen R. P. Nicolai Trigautii gemelter Societet Iesu, Augsburg 1617. Folgende moderne Edition sind zu nennen: Pietro Tacchi Venturi, Opere storiche del P. Matteo Ricci, S.I., edite a cura del Comitato per le Onoranze Nazionale con prolegomeni note e tavole del P. Pietro Tacchi Venturi S.I., vol I, F. Giorgetti, Macerata 1911; Pasquale M. d’Elia, Fonti Ricciane. Documenti originali concernenti Matteo Ricci e la storia delle prime relazione tra l’Europa e la Cina (1579-1615), 3 Bde., Rom 1942-1949; Matteo Ricci, Della entrata della Compagnia di Giesù e Christianità nella Cina, hg. v. Maddalena DEL GATTO, Macerata 2000; Matteo Ricci, Descrizione della Cina, mit einem Vorwort von Bernardo VALLI und einem Essay von Filippo MIGNINI, Macerata 2011. 1186 Ricci, Descrizione della Cina, Macerata 2011, 110-123. „Die Behauptung, daß die Jesuiten mehr auf die Chinesen zu- und ihre Gegner mehr von den Dogmen ausgegangen seien, ist nur zum Teil wahr.“ Auch die meisten Jesuiten leugneten nicht, dass China sehr abergläubisch sei (LI [2000] 333). 1187 Ricci, Descrizione della Cina, Macerata 2011, 114. 1184

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VI. Mission und Sklaverei

schrieb er weitere Missbräuche, die jedoch auf eine gemeinsame Ursache zurückzuführen seien, nämlich: „Viele [Männer; D.K.] können einfach nicht ohne Frauen leben. Wenn sie jedoch nicht genügend Geld haben, um sich Frauen zu kaufen, verkaufen sie sich selbst als Sklaven an einen Reichen, der ihnen dann von seinen Sklavinnen einige zur Frau gibt. Er und seine Kinder bleiben für immer Sklaven.“1188 (Übersetzung D.K.)

Die mangelnde sexuelle Enthaltsamkeit bei Männern als Ursache für Sklaverei war für den Ordensmann Ricci rechtlich wie moralisch anstößig. Hier stieß materielle Armut auf den Wunsch, Frauen zu kaufen, womit Prostitution gemeint sein dürfte. Die Männer, die Ricci hier im Blick hatte, lebten also über ihre Verhältnisse und betrieben Unzucht. Sie waren damit zuerst ‚Sklaven der Sünde‘, aus der dann die äußere Sklaverei folgte, da sich diese Männer freiwillig in Schuldsklaverei begaben. Daraus ergab sich jedoch für Ricci ein rechtliches Problem. Nach europäischer Rechtsvorstellung, wie sie auch am Collegio Romano gelehrt wurde, war Schuldsklaverei von begrenzter Dauer, die vertraglich festgelegt werden konnte. Jene chinesische Schuldsklaverei war jedoch nicht befristet, sondern überführte den Schuldner in lebenslange Sklaverei. Außerdem waren die Kinder, die aus diesen Verbindungen entstanden, Sklaven von Geburt. Matteo Ricci hatte also einiges an der Sklavereipraxis in China zu beanstanden. Doch war er deshalb grundsätzlich gegen Sklaverei? Seine weiteren Ausführungen weisen in eine andere Richtung: „Es gibt andere, die zwar genug haben, um sich eine Frau zu kaufen, die aber dann nicht genügend Geld zum Unterhalt ihrer Söhne und Töchter haben. Sie verkaufen sie zu einem sehr geringen Preis. Von dem Geld können sie höchstens ein Schwein oder ein klappriges Pferd kaufen. Der Betrag liegt zwischen 2 oder 3 scudi. Dies geschieht auch ohne besondere Hungersnot. Väter und Mütter überlassen die Kinder den Käufern ohne sie jemals wiederzusehen. Der Käufer kann mit ihnen tun, was er will. So werden sie zu Sklaven in diesem großen Reich ohne Gefangennahme im Krieg mit anderen Königreichen, sondern aufgrund ihrer eigenen Natur. Von diesen kommen auch einige in fremde Königreiche und bleiben in ständiger Gefangenschaft, was gut ist, wenn Gott dieses Mittel benutzt, um viele Chinesen zum christlichen Glauben zu führen, indem sie von Spaniern und anderen Christen gekauft werden. So kommt es dazu, dass sie aus der Gefangenschaft der Idole und falschen Sekten herauskommen und zu guten Christen gemacht werden. Aber den Kauf der Kinder entschuldigt leicht

„Ma, lasciando già questo per non offender più le orecchie de’piatosi lettori, vi è dopo un altro abuso nato dall’istesso principio, et è che non potendo molti vivere senza mogli, e non avendo danari per comprarle, vendono se stessi per schiavi ad alcun ricco, accioché gli dia per moglie alcuna delle sue schiave, Prestando egli e suoi figliuoli schiavi per sempre mai“ (ebd.).

1188

4. Jesuitenmissionare berichten über Sklaverei

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die Vielzahl der Menschen, die Armut und die Mühe beim Aufziehen sowie die vielen Freiheiten, die die Sklaven unter ihnen haben.“1189 (Übersetzung D.K.)

Was hier als sozialkritische Bemerkung zum Verkauf von Kindersklaven in China anhebt, entpuppt sich schließlich als Legitimation des Ankaufs von Kindersklaven durch Spanier und Christen. Unter Berücksichtigung der Rezeption des Berichtes in Europa handelt es sich sogar um Werbung für größere Nachfrage von Christen bei einem so günstig erscheinenden Überangebot. Ricci deklarierte den Kinderankauf als frommes Werk und gewissermaßen als spirituellen Loskauf aus der Gefangenschaft der sogenannten Idolatrie und Irrlehre. Unerwähnt bleibt, ob die so bekehrten Kindersklaven auch in sozialer Hinsicht durch die Taufe frei werden sollten. Schließlich mündet seine Beschreibung in eine Verharmlosung des Schicksals von Kindersklaven in christlichen Händen. Insgesamt wird deutlich, dass Matteo Ricci als nicht unmittelbar Betroffener die Institution der Sklaverei grundsätzlich akzeptierte, auch wenn er Missstände kritisierte. Er nahm die soziale Wirklichkeit von Kindersklaverei in Kauf, sofern dies die Missionsziele unterstützte. Im selben Licht erscheint die Argumentation zur Kindstötung, insbesondere von Mädchen.1190 Diese, so Ricci, sei Ergebnis von Verarmung, dem daraus resultierenden Ehrverlust und der für Christen abwegigen Vorstellung einer Seelenwanderung.1191 Der Kauf von Kindersklaven durch Christen kann so als Beitrag zur „Altri sono che, avendo tanto che gli basti per comprare una moglie, la comprano; e di poi, non potendo sostenare il figliuoli e figliuole, li vendono per manco prezzo di che si rende un porco o un tristo cavallo, che serà doi o tre scuti al più, e questo senza esser nessun tempo di caristia; con che si spartono i padri et madri da’ figliuoli senza più mai vedersi, lasciando ai Compratori che usino di essi in quello che vogliono. E di qui viene che sta tutto questo regno pieno di schiavi non presi in guerra di altri regni ma de’ suoi proprii naturali, de’ quali anco sono portati molti ad altri regni strani in perpetua cattività, se bene Iddio di questo mezzo usò per moltissimi Cinesi venire alla fede Christina, per esser comprati da spagnuoli et altri Christiani, con i quali vengono a uscire dalla Cattività degli Idoli e false sette e farsi buoni Christiani. Ma il vendere figliuoli facilmente scusa la moltitudine della gente, povertà e travaglio de allevarli e la molta libertà che tra loro hanno questi schiavi“ (ebd.). 1190 Zur Kindstötung aus europäisch-christlicher Perspektive der kurze Überblick von der Antike bis zur Renaissance: ARNOLD (1980) 43-58. Zum Verhältnis von Norm und Praxis nach dem Alten Testament im Kontext altorientalischer und -israelitischer Kultur: CRÜSEMANN (2002) 183-197. Zu frühmittelalterlichen Bußleistungen und Rechtsordnungen diesbezüglich: LUTTERBACH (2003) 7-13; 16-18; LUTTERBACH (2003a) 174-181. Daran anknüpfend die These vom humanisierenden Einfluss auf die soziale Wirklichkeit von Kindern durch das Christentum: ANGENENDT (2009) 291f. Zur Kindstötung im weltlichen Strafrecht vom Beginn des 13. Jahrhunderts anhand des Sachsen- und Schwabenspiegels bis zum Beginn der Frühen Neuzeit anhand der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karls V., der Constitutio Criminalis Carolina, aus dem Jahr 1532: LOFFL-HAAG (1991) 153-160. 1191 „Un altro vitio vi è in molte provincie, che è amazzare i loro figliuoli, specialmente se sono femine, et affocarle nell’acqua per non poterli sostenare, e questo anco tra persone gravi e nobili per paura di esser forzati a dare i suoi figliuoli in poter di altri. A questa crudeltà apre 1189

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VI. Mission und Sklaverei

Humanisierung im Umgang mit Kindern, d.h. moralisch gerechtfertigt werden, nach dem Grundsatz ‚um schlimmeres Übel zu verhüten‘.

4.3 Alonso de Sandoval SJ (1576-1652) und Petrus Claver SJ (1580-1654) in Kolumbien Die spanischen Besitzungen in Las Indias versorgten sich bereits im 16. Jahrhundert mit afrikanischen Sklaven. Da die kastilische Krone in den Teilungsverträgen von Alcáçovas (1479) und Tordesillas (1494) mit Portugal auf einen Zugang zur afrikanischen Westküste verzichtet hatte, blieb der direkte Zugriff auf den afrikanischen Sklavenhandel bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts Portugal vorbehalten. Portugiesische Händler schlossen deshalb mit der spanischen Krone entsprechende Lieferverträge ab. Spanien besaß nicht viele Häfen in Las Indias, so dass der Handel ausschließlich über Veracruz (für Neu-Spanien) und Cartagena de Indias (für den südamerikanischen Raum) abgewickelt wurde. Über die katastrophalen Zustände in Cartagena berichteten zwei Jesuiten: Petrus Claver und Alonso de Sandoval.1192 Der Jesuit Petrus Claver war von 1615 bis 1654 als Missionar für die Sklaven in der Hafenstadt Cartagena (Kolumbien) tätig. Claver war somit Augenzeuge des transatlantischen Sklavenhandels. In der Zeit seines missionarischen Wirkens erreichten über 50000 Sklaven von der ostafrikanischen Küste aus die kolumbianische Hafenstadt.1193 Claver verfügte selbst über Dolmetscher-Sklaven. molto il camino l’oppinione che qua seguono della trasmigratione delle anime di un corpo in altro corpo, pensando che fanno bene ai loro figliuoli in ammazzargli, percioché gli fanno ire a nascer presto in qualche casa ricca e non patir tante fatiche nella sue povere; e così non fanno questo nascostamente, ma è saputo da tutti“ (Ricci, Descrizione della Cina, 115). 1192 PACHECO (1954) 80-89; SWEET (1978) 87-113; SCHMITT/ BECK (2003) 428-430. 1193 Auf den 300 dokumentierten Überfahrten überlebten von insgesamt 70583 ausgeschifften Sklaven nur 50327 die Atlantiküberquerung. Die Mortalitätsrate auf den Schiffsreisen betrug durchschnittlich 24,9%. Portugiesische Händler schifften insgesamt 28285 Sklaven im Zeitraum von 1617-1641 in Cartagena ein, gefolgt von 13104 eingeschiffte Sklaven unter spanischer Flagge, die sich auf Transporte in den Jahren 1615, 1616, 1617, 1619, 1620, 1621, 1622 und 1652 verteilen. Mit 6229 eingeschifften Sklaven stellte das Jahr 1621 einen Höchststand dar. Davon wurden allein 4034 Sklaven unter spanischer Flagge eingeschifft. Erst in den Jahren 1652 und 1654 kommen 466 eingeschiffte Sklaven unter niederländischer Flagge hinzu. Die Ausschiffung erfolgte von den Küsten Senegambias, den vorgelagerten atlantischen Inseln, der Bucht von Benin, der Bucht von Biafra, den Inseln im Golf von Guinea, Westzentralafrika und St. Helena. Herkunft, Religionszugehörigkeit, Alter und Geschlecht der eingeschifften Sklaven lassen sich kaum ermitteln. Alle statistischen Angaben entstammen der digitalen Datenbank zum transatlantischen Sklavenhandel (www.slavevoyages.org: zuletzt eingesehen am: 21.09.2016).

4. Jesuitenmissionare berichten über Sklaverei

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Papst Pius IX. sprach Petrus Claver im Jahr 1852 selig und Papst Leo XIII. dann 1888 heilig. Die Heiligsprechung fiel zusammen mit der formalen Abschaffung der Sklaverei in Brasilien am 13. Mai 1888. Die hagiographische Literatur des 19. Jahrhunderts gesteht Claver lediglich missionarisches und karitatives Wirken unter den Sklaven zu, jedoch keine grundlegende Opposition gegen die Sklaverei als Institution. Im Jahr 1896 wurde der Heilige Petrus Claver zum Patron der ‚Mission unter Negern‘ und 1985 ‚Patron der Menschenrechte‘ ernannt. Er wird auch als Schutzheiliger Kolumbiens verehrt. In historischer Perspektive aufschlussreich ist jedoch, dass Claver bei seiner Tätigkeit als Missionar unter den Sklaven den spanischsprachigen Traktat Naturaleza policia sagrada y profana, costumbres y ritos, disciplina i cathecismo evangélico de todos Etiopes seines Ordensbruders Alonso de Sandoval aus dem Jahr 1627 intensiv nutzte, dessen Schüler er war.1194 Dieser Traktat wurde wahrscheinlich zwischen 1617 und 1619 in Lima verfasst, nachdem Sandoval selbst jahrelang Erfahrungen in Cartagena gesammelt hatte. Er hatte sich mit 29 Jahren freiwillig dorthin für die Sklavenseelsorge gemeldet.1195 Deutlich prangerte Sandoval die Missstände im Umgang der christlichen Herren mit ihren afrikanischen Sklaven in Cartagena an. So schrieb er: „Folgende Begebenheit hat sich da einmal zugetragen. Einem dieser Sklavenhalter drohte eine Schwarze an einer Art Grippe mit Schüttelfrost zu sterben. Da erschien es dem Besitzer eine preiswerte Medizin zu sein, ihr mit Peitschenhieben Hitze einzuflößen. Und er schlug sie so sehr, daß berechtigter Zweifel aufkam, ob die Schwarze nun wegen der Züchtigung oder wegen der Krankheit umgekommen ist. Diese Unmenschlichkeit nimmt in manchen Haushalten ein solches Ausmaß an, daß es so gesehen gnädiger sein dürfte, in jenen Häusern als Tier zu leben.“1196

Und dabei handelte es sich hier noch um die Haussklaven und Haussklavinnen, die nach Sandoval ein besseres Los hatten als die Arbeiter in den Minen, die Holzsäger oder die Perlentaucher. Allerdings forderte Sandoval keine Abschaffung der Institution der Sklaverei selbst. Sein Ziel war eine humanere Behandlung der schwarzen Sklaven. Zudem ging es dem Missionar um die Rettung der Seelen der Sklaven, 1194

Die spanische Erstausgabe lautet: Alonso de Sandoval, Naturaleza policia sagrada y profana, costumbres y ritos, disciplina i cathecismo evangélico de todos Etiopes, Sevilla 1627. Später folgte die lateinische Übersetzung: Alonso de Sandoval, De instauranda Aethiopum Salute, Madrid 1647. Eine kommentierte Edition des altspanischen Textes liegt vor: Alonso de Sandoval, Un tratado sobre la esclavitud (Alianza universidad 508) Enriqueta VILA VILAR (Hg.), Madrid 1987. Eine englischsprachige kommentierte Teilübersetzung leistet: Alonso de Sandoval, Treatise on slavery. Selections from De instauranda Aethiopum salute, Nicole von GERMETEN (Hg.), Indianapolis 2008. Einen kurzen Auszug in deutscher Übersetzung mit einer knapper Hinführung bietet: SCHMITT/ BECK (2003) 428-434. 1195 Ebd., 430. 1196 Alonso de Sandoval, zitiert nach ebd., 433.

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VI. Mission und Sklaverei

so dass er präzise Anleitungen für ihre pastorale Betreuung vorlegte. Unter der Vermittlung seines Schülers Petrus Claver wurde Sandovals Werk zu einem Handbuch für die Sklavenmission.1197 Einer rassistischen Begründung der schwarzen Sklaverei erteilte Sandoval eine Absage. In seinem berühmten Traktat De instauranda Aethiopum salute von 1647 versuchte er seinen Lesern zu erklären, wie die Hautfarbe der afrikanischen Sklaven zustande kam. Er sprach sich gegen eine Deutung von Gen 9,18-29 aus, welche die Afrikaner aufgrund ihrer Hautfarbe für den Sklavenstand prädestinierte.1198

4.4 Antonio Vieira SJ (1608-1697) in Brasilien Vieira kam bereits als Kind mit seinen Eltern nach Brasilien. Er besuchte das Jesuitenkolleg in Bahia und trat 1623 in den Orden ein. Bald war er als einflussreicher Prediger bekannt. Er lernte zahlreiche Dialekte der Indios und der afrikanischen Sklaven, um deren Seelenheil er besorgt war. 1641 reiste er nach Portugal, wo ihn König Johann IV. zum Hofprediger und Mitglied des königlichen Rats ernannte. Zwischen 1646 und 1650 war er auf diplomatischen Reisen in Holland, Frankreich und Italien unterwegs. Bemerkenswert ist sein Engagement für Toleranz gegenüber den Conversos (jüdischen Konvertiten), um die Unterschiede zwischen Neu-Christen und Alt-Christen in Portugal zu überwinden.1199 Er machte sich mit seinen zahlreichen Reformideen jedoch auch Feinde, und so verließ er 1652 Portugal, um nach Brasilien zurückzukehren. Dort kämpfte er als Missionar für die Rechte und Verbesserung der Lebensverhältnisse der Indios wie der afrikanischen Sklaven.1200 Berühmt wurden seine Stellungnahmen zur Sklaverei, meist in Pre-

1197

Ebd., 430. Alonso de Sandoval, Treatise on slavery. Selections from De instauranda Aethiopum salute, hg. v. Nicole von GERMETEN, Indianapolis 2008, 16-21; vgl. ALDEN (1996) 511. 1199 In den Anfängen des Jesuitenordens nahmen einige Conversos wichtige Positionen im Orden ein, so zum Beispiel Diego Laínez, der zweite Ordensgeneral. Es gab aber auch Stimmen, wie die von Simão Rodriguez, Franz Xaver und Alessadro Valignano, die gegen eine Aufnahme jener Neuchristen in den Orden waren. Diese Richtung konnte sich durchsetzen, so dass Everad Mercurian den Provinzial in Brasilien anwies, keine Neuchristen mehr in den Orden aufzunehmen. In der Fünften Generalversammlung von 1608 wurde schließlich erklärt, dass Neuchristen nur mit besonderer Genehmigung aufgenommen werden dürften. Das führte de facto zu wenigen Aufnahmen. ALDEN (1996) 257f. 1200 Zur Biographie von Vieira: http://www.britannica.com/biography/Antonio-Vieira (zuletzt eingesehen am 09.10.2016) 1198

4. Jesuitenmissionare berichten über Sklaverei

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digten enthalten1201, deren Argumentation im Folgenden kurz skizziert werden soll. Die gelegentlich anzutreffende Ansicht, Vieira habe die Sklaverei grundsätzlich verurteilt, ist nicht haltbar. Tatsächlich verteidigte er „die Versklavung der schwarzen Bevölkerung aus theologischer wie politischer Perspektive“1202. So seien die afrikanischen Sklaven bereits versklavt worden, bevor sie nach Brasilien kamen. Ihre Sklaverei rechtfertige sich über „Kriege“ zwischen den Stämmen Westafrikas. Zudem legitimierte Vieira ihre Versklavung, indem er zwischen äußerer und innerer Sklaverei unterschied. Wills Santiago Guerra Filho führt zu Vieira aus: „Er verspricht den versklavten Schwarzen, dass ihre furchtbare irdische Situation gerechtfertigt ist im Vergleich mit einer ‚schlimmeren Versklavung‘, bewirkt durch die Sünde und die Werke des Teufels, die jedes Individuum auf unabänderliche Weise unterwerfen, ein Sklavendasein, das nur durch die Hingabe an die heilige Jungfrau von Rosario zu beenden ist, der einzigen Fürsprecherin, welche die ‚Freilassungsurkunde‘ ausstellen und die Befreiung von dieser Art der Sklaverei gewähren kann.“1203 (Übersetzung D.K.)

Vieira versuchte die schwarzen Sklaven in seinen Predigten zu trösten, dass ihre Sklaverei im Diesseits durch das Erbarmen des Herrn zu einer Freiheit im Jenseits werde. Rassistischen Betrachtungen erteilte er jedoch eine Absage. Für ihn waren auch die schwarzen Afrikaner, unabhängig von ihrer Hautfarbe, Ebenbilder Gottes.1204 Anders als die Lage der afrikanischen Sklaven betrachtete Vieira die rechtliche Situation der Indios. Ihre Versklavung sei eigentlich durch eine Reihe von normativen Regulierungen und Mandaten, die freilich in den brasilianischen Territorien ständig missachtet würden, verboten und deshalb abzuschaffen. Während sich die Jesuiten im Süden Brasiliens gezwungen sahen, eine defensive Haltung in der Sklavenfrage einzunehmen, ging man im Norden unter der Führung Vieiras in die Offensive. Zwischen 1653 und 1662 leitete er eine Gruppe von etwa 50 Missionaren in Maranhão und kämpfte gegen die Versklavung der Indios.1205 Gern hätte er grundsätzlich die Legitimität der Sklaverei in Brasilien in einer Disputation am portugiesischen Hofe klären lassen, wie er 1662 in einer Predigt in Lissabon vor der portugiesischen Herrscherin und ihrem minderjährigen Sohn ausführte: „Es ist nicht meine Absicht, dass es keine Sklaven geben soll; eher erbat ich an diesem Hofe, wie allgemein bekannt und aus meinem Vorschlag erkennbar, dass ein 1201

Antonio Vieira, Sermões Bd. 1 u. 2, hg. und eingeleitet von Alcir PÉCORA, São Paulo 2000. Seine Predigten sind noch immer nicht vollständig veröffentlicht. 1202 FILHO (2007) 431. 1203 Ebd., 433f. 1204 Ebd. 1205 ALDEN (1996) 487.

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VI. Mission und Sklaverei

Treffen der größten Gelehrten über dieses Thema abgehalten werden sollte, wie es früher geschah, die, wie sie es gleichfalls früher taten, die Gründe erlaubter Gefangenschaft zum Gesetz erklärten.“1206 (Übersetzung D.K.)

Hier dachte Vieira wohl an die berühmte Disputation von Valladolid, in der sich der Dominikaner Bartolomé de las Casas für die Rechte der Indios eingesetzt hatte. Denn auch argumentativ knüpfte Vieira daran an. Vieira war überzeugter Idealist, der sich unermüdlich für die Befreiung der Indios aus der Sklaverei einsetzte. Nachdem mit Johann IV. 1656 sein Beschützer gestorben war, geriet er zunehmend in Schwierigkeiten. Die brasilianischen Siedler verlangten, von den ,Mamluken‘ angestachelt, seine Verhaftung. Als 1660 eine Fieber- und Pockenepidemie viele Indios dahinraffte, sah er sich dem Vorwurf ausgesetzt, der Mangel an Arbeitskräften sei auf die restriktive Politik der Jesuiten zurückzuführen. Vieira bestritt dies und brachte eine eigene Lösung des Problems vor: Es sollten Sklaven aus Angola geholt werden, die robuster gegen Krankheiten seien und härter arbeiten könnten. Doch die Siedler waren nicht überzeugt. Sie gingen dazu über, die Jesuiten ab 1662 aus den Missionen von Maranhão zu vertreiben und nach Portugal zurückzuschicken. Auch Vieira kam auf diese Weise nach Portugal zurück, wobei er bei Hof gut aufgenommen wurde. Königin Luísa war von seiner Missionspredigt vom 6. Januar 1662 so bewegt, dass sie sich zur Beschützerin der Mission in Maranhão erklärte. Doch sechs Monate später gelangte Alfonso VI. durch einen Putsch an die Macht und Luísa wurde verbannt. Damit hatte Vieira erneut seine Förderung verloren. Der neue König ließ die Jesuiten zwar wieder in den Norden Brasiliens zurückkehren, entzog ihnen aber die Kontrolle über die Mission.1207 Vieira wurde unter Hausarrest, erst in Oporto dann in Coimbra, gestellt. Sein Werk Quinto Imperio do Mundo wurde von der Inquisition in Coimbra verurteilt, nicht jedoch vom Jesuitenorden, der weiterhin zu ihm hielt. Nach zwei Jahren im Gefängnis (1665-1667) wurde er von Alexander VII. (1655-1667 Papst) freigesprochen. Sein Besuch in Rom 1669 glich einem Triumphzug. Die Jesuiten zogen ihm feierlich entgegen, und er erhielt eine Audienz bei Papst Clemens IX.. Durch diesen Rückhalt gestärkt, kehrte er 1681 wieder nach Brasilien zurück.1208 Kurz zuvor, 1680, war ein weiteres Gesetz verabschiedet worden, das die Versklavung der Indios verbot und die Jesuiten zu Aufsehern der Aldeias ernannte. Dies führte 1684 zu einer Revolte der Siedler von São Luís. Die 27 Jesuiten von Maranhão wurden erneut vertrieben. Nun 1206

Vieira, Sermões, zitiert nach FILHO (2007) 437. ALDEN (1996) 489-490. 1208 CARAMAN (1979) 114. In seiner Schrift Quinto Imperio do Mundo stellte Vieira die Vision eines tausendjährigen Reiches vor, in dem die Welt gemeinsam von Portugal und der Kirche regiert werde. Zu den ,Mamluken‘ in Brasilien vgl. Anm. 1122. 1207

5. Jesuiten als Sklaven

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griff der neue portugiesische König Pedro II. energisch zugunsten der Jesuiten ein und ließ die Rebellion niederschlagen. Sie wurden wieder die Aufseher der Aldeias. Außerdem beauftragte sie der König, Anwälte für die Indios einzusetzen. Vieira starb 1697 in Brasilien. Dort hatte er einen Pakt des Jesuitenprovinzials Alexandre de Gusmão mit den Siedlern im Süden Brasiliens bekämpft. Der Vertrag sah vor, Indios als Freie zu behandeln, sie nicht zu jagen und zu versklaven. Auf der anderen Seite sollten getaufte Indios nicht mehr in ihre Heimat zurückgeschickt werden, da sie dort nur wieder in ihre alten Gebräuche zurückfallen würden, sondern in den Aldeias bleiben und für die Plantagenbesitzer arbeiten. Damit waren sie zwar offiziell keine Sklaven mehr, doch auch nicht wirklich frei. Im Unterschied zum kampfbereiten Vieira willigten die meisten Jesuiten in Brasilien in diesen Pakt ein. Noch im 18. Jahrhundert kam es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen den Befürwortern und den Gegnern der Sklaverei der Indios in Maranhão.1209

5. Jesuiten als Sklaven Missionare lebten gefährlich. Bereits auf den Reisen zum Missionsziel konnten sie Opfer von Kaperern werden und auf diese Weise selbst in Sklaverei geraten. Ein Beispiel hierfür ist der Jesuit Pedro Páez (1564-1622), dessen Lebensgeschichte kurz skizziert werden soll.1210 Der Kastilier Pedro Páez trat 1582 in den Jesuitenorden ein und nahm sein Studium in Coimbra (Portugal) auf. Wie so viele andere junge Jesuiten träumte er davon, in die Mission nach Indien gehen zu dürfen. 1587 richtete er ein entsprechendes Gesuch an den Ordensgeneral Aquaviva, das positiv beschieden wurde. Im September 1588 erreichte er als Missionar die indische Hafenstadt Goa, die seit 1510 unter portugiesischem Patronat stand. Dort schrieb er sich in den Theologiekurs ein. Doch noch vor dem Abschluss seines Studiums wurde er ein Jahr später ausgewählt, seinen Ordensbruder Antonio de Montserrat1211 auf eine Missionsreise nach Äthiopien zu begleiten. Am 5. Februar 1589 brachen die beiden Jesuiten auf. Montserrat war 52 Jahre alt, Páez erst 25. Doch ihr Boot sank kurz vor Dhofar an der Südküste der arabischen Halbinsel. Sie wurden zwar von einem Schiff mit osmanischer Flagge gerettet, aber dabei auch gefangengenommen. Man brachte sie 1209

ALDEN (1996) 492-493. Zu den Entwicklungen nach Vieira ebd., 494-499. Zu dessen Biographie: BOAVIDA/ PENNEC/ RAMOS (2011) 4-11. 1211 Der Katalane Antonio de Montserrat war schon einmal am Hof des Moguls Akbar dem Großen (regierte 1556-1605) gewesen und sprach die nötigen Sprachen für diesen Missionsauftrag. Zu seiner Biographie: Ebd., 5. 1210

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VI. Mission und Sklaverei

nach Sanaa in den Jemen, wo sie zwei Jahre als Sklaven blieben. Schließlich kamen sie als Rudersklaven auf eine türkische Galeere, die das Rote Meer befuhr. Erst sieben Jahre später konnten sie über portgugiesische Autoritäten aus Goa für ein hohes Lösegeld freigekauft werden. Im Dezember 1596 erreichten die Losgekauften den portugiesischen Teil Indiens.1212 Es erstaunt, dass Páez trotz dieser Erfahrung das Risiko nicht scheute, ein weiteres Mal nach Äthiopien zu reisen. 1598 war ein indischer Weltpriester namens Melchior da Silva von Goa nach Äthiopien geschickt worden, der nach seiner Ankunft in Fremona von den desolaten Zuständen der katholischen Gemeinde berichtete, die im Begriff sei, wieder zur äthiopischen Orthodoxie zu konvertieren. Diese Nachricht alarmierte die Jesuiten in Goa. Páez machte sich 1601 zunächst zur portugiesischen Festung von Diu auf. Diesmal kam ihm zugute, dass er während seiner Zeit in der Sklaverei die arabische Sprache gelernt hatte. Er verkleidete sich als armenischer Kaufmann und stach auf einem osmanischen Schiff Richtung Äthiopien in See. Im Mai 1603 erreichte er die Jesuitenniederlassung von Fremona. Damit begann die zweite Phase der jesuitischen Mission Äthiopiens. Die Mission in Äthiopien war durch die Konkurrenz mit orthodoxen Theologen gekennzeichnet, welche die Jesuitenmissionare zu theologischen Disputen herausforderten. Besonders wichtig waren daher sowohl solider theologischer Sachverstand, über den Páez bei seiner ersten Ankunft in Afrika noch gar nicht verfügt hatte, als auch umfangreiche Sprachkenntnisse. Für die theologischen Dispute und die Seelsorge wurde es unerlässlich, eigene liturgische Texte sowie Katechismen in die gesprochenen Landessprachen zu übersetzen. Páez nahm ferner diplomatische Kontakte zum äthiopischen Hof auf. Er bot dem äthiopischen Kaiser Za Dengel1213 eine Allianz mit der portugiesischen Krone an, wenn er zum Katholizismus konvertierte. Tatsächlich wandte der Kaiser sich dem Katholizismus zu. Als 1607 Sissinios1214 den Thron übernahm, machte er Páez zu seinem Berater und willigte schließlich 1621 ein, ebenfalls die Konfession zu wechseln. Der erfolgreiche Páez starb im Mai 1622 an einem Fieber und erlebte nicht mehr, wie die Jesuitenmission in Äthiopien nach dem Tode Sissinios (1632) ein abruptes Ende fand. Bereits 1613 oder 1614 hatte Páez im Auftrag der jesuitischen Ordensleitung in Rom damit begonnen, eine Geschichte Äthiopiens zu schreiben.1215

1212

Ebd., 6. 1603 bis 1604 Kaiser von Äthiopien (Thronname: Asnaf Sagad II.). 1214 1607 bis 1632 Kaiser von Äthiopien (Thronname: Malak Sagad III.). 1215 Eine neue portugiesische kritische Edition ist: Pedro Páez, História da Etiópia, hg. v. Isabel BOAVIDA, Hervé PENNEC u. Manuel J. RAMOS, Lissabon 2008. Englische Übersetzung dieser Edition: Pedro Páez’s History of Ethiopia, hg. v. Isabel BOAVIDA, Hervé PENNEC u. Manuel J. RAMOS, übersetzt v. Christopher J. TRIBE, Farnham 2011. 1213

5. Jesuiten als Sklaven

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Damit sollte eine Antwort auf die zweibändige Geschichte des christlichen Königreichs Äthiopien des dominikanischen Gelehrten Luis de Urretas (1570-1636) aus Valencia gegeben werden, die 1610/1611 erschienen war und Andeutungen über die Niedertracht der Jesuiten enthielt.1216 Urreta behauptete, dass Äthiopien einst unter dominikanischen Missionaren ein katholisches Königreich geworden sei und die Jesuiten einen negativen Einfluss darauf ausgeübt hätten. Der Anlass für die História da Ethiópia des Páez lag demnach in einer europäischen Kontroverse zwischen den beiden Missionsorden, wobei es auch um Einflussnahmen auf die spanische Krone ging. In der Einleitung zur kritischen Ausgabe von 2011 wird diese Kontroverse als ‚Stellvertreterkrieg‘ des päpstlich unterdrückten Gnadenstreits zwischen den beiden Orden gedeutet.1217 Páez ging als erfolgreicher Äthiopienmissionar in die Geschichte ein. Gemeinsam mit seinem Ordensbruder Antonio Montserrat ist er aber auch ein Beispiel dafür, dass Missionare selbst von Versklavung bedroht sein konnten. Äthiopien gehörte zu den Gebieten, die von den wechselseitigen Versklavungen zwischen Muslimen und Christen betroffen waren. Nachdem sich der Islam bereits seit dem 7. Jahrhundert in Afrika ausgebreitet hatte, war das christliche Äthiopien bald vom christlichen Europa isoliert worden. Es kam immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den christlichen Kaisern Äthiopiens und muslimischen Herrschern im Umland. Zudem beteiligten sich im 16. Jahrhundert die Portugiesen und das Osmanische Reich an den Konflikten. So war gerade die Route zwischen Europa und Indien über das Rote Meer und den Indischen Ozean entlang der arabi1216

Luis de Urreta, Historia eclesiastica, politica, natural y moral de los grandes y romotos Reynos de la Etiopia, monarchia del emperador, llamado Preste Juan de las Indias. Muy util y provechosa para todos estados, principalmente para predicadores, Valencia 1610; Ders., Historia de la sagrada orden de Predicadores, en los remotos Reynos de la Etiopia. Trata de los prodigios santos, martyres y confessores, inquisidores apostolicos, de los conventos de Plurimanos, donde viven nueve mil frayles: del Alleluya con siete mil: y del Bedenagli, de cinco mil monjas: con otras grandezas de la religion del Padre santo Domingo, Valencia 1611. 1217 PÁEZ, History of Ethiopia, Farnham 2011, 11-15. Zum Gnadenstreit siehe II.3.1., 60-66. Die religiöse Sonderstellung Äthiopiens und die Isolation des Landes von Europa sorgte immer wieder für Schwierigkeiten in der Einschätzung ihrer Kirche von Seiten katholischer Theologen. Nach dem Konzil von Chalecedon 451 n. Chr. hatte sich das äthiopische Christentum nach christologischen Streitigkeiten als miaphysitisch abgespalten. Insofern ging es bei der Jesuitenmission der Äthiopier darum, diese von ihrer äthiopisch-orthodoxen Lehre zum römisch-katholischen Glauben zu bekehren. Der Dominikaner Urreta argumentierte 1610, dass die Äthiopier bereits von dominikanischen Pionieren der Mission vor über zweihundert Jahren von ihrer Häresie befreit worden seien. Sie seien also im Grunde Katholiken. Allerdings seien dann über vertriebene portugiesische Juden wieder Häresien dorthin gelangt, auffälligerweise gerade zu der Zeit, als auch die ersten Jesuitenmissionare dort angekommen seien. Damit deutete er eine Verbindung an, welche die Jesuitenmission in ein schiefes Licht rücken sollte (vgl. ebd., 13).

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VI. Mission und Sklaverei

schen Halbinsel von muslimischen Korsaren und Piraten bedroht, die Schiffe kaperten oder Schiffbrüchige versklavten. George Daniel Bishop (1922-2001) setzte mit seinem Buch über die Reisen und Abenteuer des Pedro Páez 1998 diesem ein Denkmal. Es beginnt mit der romanhaften Schilderung von Páez und Montserrat als Galeerensklaven (A Common Slave): „The rowers were slouched over their oars, weak with pain, tired, thirsty, sick, with no hope of ever escaping their endless treadmill of misery (…).“1218 Es handelt sich hier um eine atmosphärisch dichte Ausschmückung des Schicksals von Galeerensklaven, für das allerdings die Quellen fehlen.

6. Zusammenfassung Jesuitenmissionare waren in vielfältiger Weise mit Sklaverei konfrontiert. Freilich konnten sich diese Bereiche in der Praxis auch immer wieder überschneiden. Folgendes ist festzuhalten: Es gab erstens Sklavenseelsorge innerhalb und außerhalb Europas. Der Begriff der ‚Mission‘ darf grundsätzlich nicht nur auf ferne Länder beschränkt werden. Mission bedeutete zunächst schlicht ‚Sendung‘ zu den Menschen, um das Evangelium zu verkünden und den Seelen zu helfen. Dieser Auftrag war umfassend. Jesuiten konnten zweitens im Kontext des Korsarenkrieges im Mittelmeerraum als Loskäufer tätig werden, aber unter bestimmten Umständen auch in Asien oder Lateinamerika. Zudem konnten Loskäufer gleichzeitig in der Sklavenseelsorge tätig sein. Die Tätigkeit des Sklavenloskaufs war innerhalb der Ordensleitung umstritten und etablierte sich nicht als Schwerpunkt. Wichtiger war die Seelsorge für die Galeerensklaven. Jesuiten konnten drittens selbst zu Sklavenhaltern werden. Dies war vor allem in den größeren Missionsgebieten Lateinamerikas der Fall. Selbst im sogenannten „Jesuitenstaat“ von Paraguay gab es trotz deutlicher Humanisierungstendenzen und Reformen weiterhin Sklaven. Aber auch in den Kollegien in Indien wurden Sklaven gehalten. Es scheint sich um ein globales Phänomen gehandelt zu haben, das sich je nach politischem und wirtschaftlichem Kontext unterschiedlich ausgestaltete. Jesuitenmissionare wurden viertens Augenzeugen brutaler Sklavereipraxis und berichteten darüber. Dabei überwiegen die Darstellungen aus den 1218

BISHOP (1998) 1. George Daniel Bishop wurde 1922 in Indien geboren und hegte eine lebenslange Verehrung für den Jesuitenorden. Er diente während des Zweiten Weltkriegs in der britischen und indischen Armee im Nahen Osten. Später unterrichtete er u. a. in Rom (Pius XII. Kolleg) und Jamaika. 1965 wurde er in die UNESCO berufen.

6. Zusammenfassung

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fernen Ländern, während Berichte über europäische Sklavereipraktiken kaum bekannt sind. Ob es solche gab, ist in Zukunft zu überprüfen. Jesuitenmissionare lebten fünftens grundsätzlich gefährlich. Eine der vielen Gefahren bestand darin, selbst in Sklaverei zu geraten. So konnten Missionare auf Reisen oder in kriegerischen Auseinandersetzungen gefangen und versklavt werden. Zu denken ist an die kriegerischen ,Mamlukenzüge‘ in Brasilien und Paraguay. Welche Deutungskategorien zeigen sich nun an den genannten Beispielen? Zunächst einmal wurde Sklaverei nicht grundsätzlich in Frage gestellt, jedoch einzelne Formen von Sklaverei, wenn diese als nicht rechtmäßig erschienen, kritisiert. In Lateinamerika zeigt sich eine Unterscheidung zwischen der Versklavung der Indios, die viele Jesuiten für Unrecht hielten, und der Einfuhr afrikanischer Sklaven, die man als rechtmäßig versklavt betrachtete. Man kann also von zwei Sklavereidiskursen in Lateinamerika sprechen. Doch selbst wenn ein Großteil der Jesuiten gegen eine Versklavung der Indios war, so bedeutete dies nicht, dass sie konsequent abgeschafft worden wäre. Die Debatten zeigen vielmehr Spielräume. Zudem ließ der Pragmatismus, mit dem sich die jesuitischen Missionare an die jeweiligen Gegebenheiten anzupassen vermochten auch stets Ausnahmeregelungen zu, wenn es erforderlich schien. Die Legitimation der Sklaverei erfolgte auf der Basis von Rechtstiteln, wie sie im Rahmen des Naturrechts behandelt wurden. Eine besondere Bedeutung spielte hier die Lehre vom ‚gerechten Krieg‘ und der Versklavung von Kriegsgefangenen. Aristotelische Vorstellungen eines ‚Sklaven von Natur‘ spielten auch bei den Missionaren keine Rolle. Eher betonten sie dagegen die Menschenwürde der Sklaven. Die Vorstellung von Mission beruhte bereits auf der Voraussetzung, dass man es mit Menschen zu tun habe. Tiere oder Halb-Menschen kann man nicht missionieren. Rassistischen Vorstellungen erteilten Jesuiten wie Sandoval, Claver und Vieira in ihren Werken eine Absage. Aristotelische Vorstellungen kamen dort unterschwellig ins Spiel, wo es um ‚Barbaren‘ und ‚Tyrannen‘ ging. So berichtete Franz Xaver von der Tyrannenherrschaft eines ‚Sarazenen‘ auf einer fernöstlichen Insel, die es zu beseitigen gelte. Dies war ein casus belli. Zudem konnte eine in den Augen der Missionare ungerechtfertigte Sklavenhaltung bestimmter Machthaber als ‚barbarisch‘ stigmatisiert werden. Doch wurde hier ebenfalls fein unterschieden. Mag es vereinzelt in Lateinamerika zu barbarischen Akten unter den Indios (z. B. Idolatrie) gekommen sein, wurden sie nicht pauschal als Barbaren in dem Sinne betrachtet, dass man sie unterwerfen dürfe und sie nicht über sich selbst herrschen könnten. Gerade die Reduktionen im ‚Jesui-

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VI. Mission und Sklaverei

tenstaat‘ zeigten ein Bestreben, den Gedanken einer grundsätzlichen Gleichheit aller Menschen auch politisch, sozial und wirtschaftlich umzusetzen, wenngleich dies nicht vollkommen gelang. Obwohl die Rede von den ‚Barbaren‘ keine Versklavung rechtfertigte, solange sich diese friedlich verhielten, war sie doch Anzeichen von Diskriminierung. Die Jesuiten verbanden mit ihrer Mission einen Zivilisierungsauftrag. Es galt, die ‚Barbaren‘ über eine entsprechende Erziehung zu einer ‚höheren Kulturstufe‘ zu führen. Die Diskriminierung griff dann, wenn die Einheimischen zum Beispiel von der Möglichkeit ausgeschlossen wurden, in die Gesellschaft Jesu einzutreten. Eine wichtige Rolle spielte in der Sklavenseelsorge und der Mission die Unterscheidung zwischen ‚innerer Sklaverei‘ und ‚äußerer Sklaverei‘. Einerseits wurden zwar Leib und Seele ganzheitlich in den Blick genommen, andererseits aber die Höherwertigkeit von Seele und jenseitigem Leben betont. Dies wurde zu einer Bewältigungsstrategie, indem zum Beispiel Vieira afrikanische Sklaven in ihrem Elend auf die Freiheit im Jenseits vertröstete. Auch wenn die Jesuiten nicht als Vorläufer des Abolitionismus gelten können, so wird doch ein Grundzug in der Praxis der Mission sehr deutlich: Der enorme persönliche Einsatz vieler Patres für eine Humanisierung der Verhältnisse. Dabei zeigten sie eine erstaunliche Anpassungsfähigkeit, die ihnen einerseits bei der Erschließung neuer Kulturen half und Bewunderung hervorrief, sie andererseits immer wieder in Verruf brachte. Eine rein legalistische Debatte über Sklaverei hätte angesichts der komplexen Verhältnisse nicht ausgereicht. Es waren stets neue Gewissensfälle zu entscheiden. Die Sklaverei stand im Spannungsfeld von vielfältigen Normen- und Interessenskonflikten.

VII. Schluss Wie deuteten die Jesuiten am Collegio Romano die Sklaverei? Die Spurensuche nach relevanten Texten führte zunächst zu der Frage, in welchen theologischen Kontexten die Sklaverei überhaupt thematisiert wurde. Hier war zuerst der Aufbau des Studiums, die Fächer und ihrer Inhalte in den Blick zu nehmen. Das Theologiestudium an einer Jesuitenuniversität setzte ein zweibis dreijähriges Studium der Artes voraus. Dabei umfasste der nach der Ratio Studiorum vorgeschriebene Philosophiekurs der Kollegien jeweils ein Jahr Logik, Physik und Metaphysik. Dieser Dreiteilung des aristotelischen Korpus wurde die Ethik untergeordnet. Auf diese Weise konnte die Nikomachische Ethik des Aristoteles, in welcher auch von Sklaverei die Rede ist, bereits im Grundstudium vorkommen. Die hierfür ebenfalls grundlegende Politik des Aristoteles wurde jedoch nicht eigens behandelt. Eine rechtsphilosophische Behandlung dieses Stoffes sowie der politischen Theorie erfolgte erst im Rahmen des Theologiestudiums innerhalb der Scholastischen Theologie. Beim Theologiestudium gab es zwei Ausbildungswege, den Cursus minor für angehende Seelsorger und den Cursus maior für zukünftige Professoren oder Jesuiten in einflussreichen Positionen. Die grundlegenden Fächer des vierjährigen Theologiestudiums waren die Heilige Schrift und die scholastische Theologie. Hinzu kam das Fach Moraltheologie, welches sich von der Kasuistik aus dem Cursus minor durch eine akademischere Ausrichtung abhob. Das Fach Kirchenrecht gab es in der Theologie noch nicht. Rechtsphilosophische Themen waren Bestandteil der Scholastischen Theologie. Auch die Fächer Kirchengeschichte und Liturgiewissenschaft existierten in unserem Untersuchungszeitraum noch nicht. Im Hinblick auf das Studium der Volltheologie (Cursus maior) wurden deshalb die Fächer der Heiligen Schrift, der Scholastischen Theologie und der Moraltheologie sowie Kasuistik und ihre Thematisierung der Sklaverei in den Blick genommen. Weitere Untersuchungen könnten ergänzend danach fragen, ob und inwieweit das Thema Sklaverei bei der Behandlung der Nikomachischen Ethik im philosophischen Grundstudium bereits eine Rolle spielte. Seit dem 13. Jahrhundert war die Philosophie des Aristoteles in den theologischen Universitätsbetrieb eingedrungen und für diesen bestimmend geworden. Dies ist für die Beurteilung der Sklaverei von großer Bedeutung, da Aristoteles mit seiner Theorie des ‚Sklaven von Natur‘ eine Herausforderung für das christliche Menschenbild darstellte. Bereits Thomas von Aquin, auf dessen STh sich die scholastische Theologie und die Moraltheologie im Untersuchungszeitraum maßgeblich bezogen, hatte sich mit dem aristotelischen Sklavereiverständnis auseinandergesetzt. Insofern fand hier ein vermittelter

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VII. Schluss

Rezeptionsprozess statt, der vor allem durch die Indiodebatte weiter entwickelt wurde. Aber auch unterschiedliche moraltheologische Grundannahmen in der Welt des Probabilismus wirkten sich auf Interpretationsspielräume aus. Weder war Thomas in allem Aristoteles gefolgt, noch waren sich seine barockscholastischen Kommentatoren über die Position des Aquinaten einig. Darauf wird noch zurückzukommen sein. Zunächst sollen aber die Vorstellungen und Urteile der jesuitischen Barockscholastiker über Sklaverei der Reihe nach zusammenfassend festgehalten werden. Den Auftakt machte hier deren Auslegung der Heiligen Schrift. Das Thema der Sklaverei kam bei den Bibelexegeten zwangläufig immer wieder in den Blick, da bereits die Begriffe servus und ancilla in ihren deklinierten Formen in der Vulgata über 1000-mal vorkommen. Sowohl im Alten wie im Neuen Testament wird in vielfältigen Kontexten von Sklaverei gesprochen. Insofern verwundert es nicht, dass sowohl in den Kommentaren, in denen biblische Texte Vers für Vers ausgelegt wurden, als auch in Kommentaren, die scholastische Disputationen im Anschluss einzelner Bibeltexte boten, Sklaverei thematisiert wurde. Die Bibelkommentare der Barockscholastiker wiesen in ihrem Aufbau, der Auswahl und Verwendung ihrer Autoritäten sehr große Unterschiede auf. Vier Gruppen ließen sich ausmachen, wobei jeder einzelne Autor zudem noch einen individuellen Stil zeigte. Die Barockscholastik war auch methodisch nicht so einheitlich, wie man vielleicht meinen könnte. Die primäre Bedeutung der Behandlung der Sklaverei in den biblischen Texten ergab sich vor allem aus dem Umstand, dass die Heilige Schrift die Basis der Scholastischen Theologie darstellte. Diese durfte in ihren Überlegungen nicht im Widerspruch zur Heiligen Schrift stehen. Insofern kamen Debatten über die legitimen oder illegitimen Herrschaftsverhältnisse nicht ohne Rückbezug auf die Heilige Schrift aus. Hierfür wurden dann wiederum exegetische Kommentare herangezogen, die den Theologen zu einem vertieften Verständnis der Schrift, vor allem ihres Literalsinns, führen sollte. Insofern verwundert es nicht, dass die Debatten über Sklaverei selbst nicht in den Bibelkommentaren stattfanden, sondern nur Munition für diese lieferten. Allerdings waren die Bibelexegeten in der Scholastischen Theologie gut ausgebildet. Insofern finden sich manche Handreichungen, die eine Kenntnis scholastischer Fragestellungen voraussetzen. Die fächerübergreifende Zusammenschau ist also lohnenswert. So zeigte sich überraschenderweise, dass der Aspekt der Gottebenbildlichkeit in den Auslegungen zu Gen 1,26-27 bei den meisten Bibelexegeten keine Rolle spielte. Beachtung fand dieser nach der Vätertradition durchaus zentrale Punkt nur bei Cornelius a Lapide, der bei der Rezeption seiner Autoritäten die größte Nähe zur STh des Thomas aufwies und somit dessen scholastische Diskussion um die Herrschaftsverhältnisse zwischen Gott und

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Mensch, Mensch und Tier sowie Mensch und Mensch in seinem Genesiskommentar aufgriff. Dies lässt vermuten, dass das Interesse am Thema Sklaverei mit dem Interesse an den entsprechenden Fragestellungen aus der Scholastischen Theologie zunahm. Trotz der allgemeinen Vernachlässigung des Themas Gottesebenbildlichkeit war nach der biblischen Schöpfungsvorstellung klar, dass die Sklaverei nicht bereits im Schöpfungsplan enthalten war. Dies musste nicht eigens erwähnt werden. Der Widerspruch zur aristotelischen Vorstellung eines ‚Sklaven von Natur‘ war den Bibelexegeten ebenfalls keine Erwähnung wert. Wie dies zu vereinbaren war, fragte sich die Scholastische Theologie im Anschluss an Thomas und andere. Die Frage nach den Ursachen der Sklaverei kam erst mit den alttestamentlichen Geschichten in den Blick, die hierfür konkrete Anhaltspunkte lieferten, wie etwa die Verfluchung Kanaans (Gen 9, 18-29) und die Erzählung von Jakob und Esau (Gen 27). Dabei fand sich keine Auslegung, welche die Nachfahren Hams mit schwarzen Sklaven identifiziert hätte. Perera bot stattdessen eine kontroverstheologische Deutung der verfluchten Nachkommen Kanaans als Häretiker. Die reale Sklaverei wurde bei der Auslegung von Gen 9 weitgehend ignoriert. Sie kam dagegen als ‚Sklaverei der Sünde‘ ins Spiel. In diesem Sinne waren auch Häretiker Sklaven. In der Geschichte von Jakob und Esau wurde von Benito Perera immerhin der Übergang von einer ‚Sklaverei der Sünde‘ hin zu einer milderen Form von Sklaverei (Schuldknechtschaft) zur Deutungslinie. Insofern lässt sich ein kausaler Zusammenhang zwischen ‚innerer Sklaverei‘ und ‚äußerer Sklaverei‘ erkennen, eine Vorstellung, die man unter anderem von den Kirchenvätern übernahm. Diffus, aber trotzdem ganz selbstverständlich erscheint die Verbindung von Recht und Moral, deren Behandlung wiederum vor allem zur Scholastischen Theologie sowie teilweise zur Moraltheologie gehörte, wenn diese nicht zu kasuistisch aufgefasst wurde. Denn die ‚Sklaverei der Sünde‘ war im Grunde eine moralische Kategorie, die mit der Folge Schuldsklaverei in ein rechtliches Herrschaftsverhältnis überging. Von Bedeutung für die Auslegung der Heiligen Schrift war neben dem Literalsinn auch der sensus moralis. Bei den Kommentaren zu den Sklavengesetzen nach Ex 21,2-6, Lev 25,39-55 und Dtn 15,12-18 fallen Hervorhebungen von Humanisierungstendenzen auf, die einer moralischen Auslegung entsprechen. So wurde zum Beispiel von Jean Lorin die humanere Tendenz zur Behandlung der Sklaven in Lev im Vergleich zu Dtn hervorgehoben, was er mit einem pastoralen Interesse verband. Verbreitet war die Vorstellung einer Überbietung des Alten Testaments (altes Gesetz) durch Jesus Christus und das neue Gesetz, was eine Steigerung der ethisch fundierten Humanisierungstendenz, die schon im Alten Testament angelegt gewesen sei, implizierte. Allerdings führte diese Tendenz im Neuen Testament nicht zu einer Forderung nach einer grundsätzlichen Abschaffung der Sklaverei,

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VII. Schluss

sondern nur zu einer humanen Behandlung des Sklaven als Gegenleistung für Gehorsam. Der Sklavendienst von Christen unter nichtchristlichen Herren wurde jedoch grundsätzlich als Ärgernis betrachtet, da er das Seelenheil gefährdete. Schon deshalb finden sich zudem in Bibelkommentaren Auslegungen zur erlaubten Sklavenflucht. Das Thema beschäftigte darüber hinaus die scholastische Theologie und die Moraltheologie, die ein Licht auf solche Auslegungen (zum Beispiel von 1 Kor 7,20-21 bei Cornelius a Lapide) werfen. In den Bibelkommentaren der Barockscholastik klingt immer wieder eine reale Sklavereipraxis an, die zum Wissenshorizont der Autoren gehörte. Eine Unterscheidung zwischen legitimen Formen von Sklaverei wird implizit vorausgesetzt, auch zwischen milderen und härteren Formen von Sklaverei. Sklaverei als Folge von Kriegsgefangenschaft ist aus dem Mittelmeerraum bekannt, genauso die Seelsorge der Jesuiten bei Galeerensklaven und die Praxis des Loskaufs. Solche Informationen werden eher beiläufig eingestreut oder mitgedacht, nicht jedoch anhand der biblischen Texte eingehender diskutiert. Ein stärkeres Gewicht liegt auf der ‚inneren Sklaverei‘, die insgesamt wichtiger erscheint als die ‚äußere Sklaverei‘. So wird dem Loskauf als Metapher für die Erlösungstat Jesu Christi von der ‚Sklaverei der Sünde‘ breiter Raum gegeben. Dies passt zur grundsätzlichen Ausrichtung des Ordens, Gott zu dienen und den Seelen zu helfen, also als Seelsorgeorden zu fungieren. In der Scholastischen Theologie wurden, wie erwähnt, Themen diskutiert, die auch zu einer Beurteilung der Sklaverei führten. Die Grundfrage bestand im Widerspruch, dass Gott alle Menschen gleich geschaffen hatte, es jedoch Ungleichheit, Über- und Unterordnungsverhältnisse zwischen den Menschen gab. Dazu gehörte ebenfalls das Verhältnis von Herren und Sklaven. Die Behandlung dieser Grundfrage verband Fragen nach der Natur des Menschen (Anthropologie), nach einer politischen Theorie (legitime Herrschaftsformen), nach rechtlich zulässigen Begründungen (Naturrecht) und ethischen Bewertungsmaßstäben (Moral). Dies spiegelt die Fächersituation der Barockscholastik wider, in der noch wenig fachliche Ausdifferenzierung stattgefunden hatte. Zunächst einmal gehörte alles zur Scholastischen Theologie, und einzelne Autoren legten hier unterschiedliche Schwerpunkte. Die Grenzen zwischen einer rechtlichen, moralischen und politischen Diskussion waren fließend. Durch die Indiodebatte war die Sklaverei besonders in Spanien, namentlich in Salamanca, zum Thema geworden. Der dort lehrende Jesuit Luis de Molina äußerte sich entsprechend ausführlich in De iustitia et iure zur rechtlichen Stellung der Sklaverei. Er zog Aristoteles nur insoweit als Autorität heran, als seine Position nicht der Heiligen Schrift widersprach. Hier wurden also biblische Belegstellen in den Sklavereidiskurs eingeführt. Molina lehnte

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die aristotelische Vorstellung einer Versklavung von Menschen aufgrund ihrer naturgegebenen Eigenschaften ab, teilte jedoch die Ansicht, wonach Kriegsgefangenschaft ein legaler Weg in die Sklaverei sei. Für ihn gab es vier legitime Rechtstitel der Sklaverei: Versklavung durch Gefangenschaft in einem gerechten Krieg, Versklavung als gerechte Strafe für schwere Vergehen (Strafsklaverei), der legale (Selbst-)Verkauf in die Sklaverei (Schuldsklaverei) und Sklaverei von Geburt an. Bei allen legitimen Formen von Sklaverei stand jedoch zur Diskussion, inwiefern sie in bestimmten Fällen einzuschränken waren. Zur ersten Form war eine breite Diskussion über die Frage nach einem gerechten Krieg entstanden, der mit Blick auf die spanische Conquista aktuelle Relevanz besaß. Schon bei dieser grundsätzlichen Frage wurden seit der Gegenüberstellung von legitimen und illegitimen Rechtstiteln für einen gerechten Krieg durch Vitoria wiederholt Zweifel hinsichtlich der Situation in der Neuen Welt geäußert. Zudem konnten gewohnheitsrechtliche Ausnahmen gelten (Christen versklavten auch in einem gerechten Krieg keine Christen), und die Behandlung unschuldiger Frauen und Kinder war ebenfalls ein Diskussionspunkt, der Auswirkungen auf die Legalität ihrer Versklavung hatte. Bei der zweiten Form stand freilich zur Debatte, in welchen Fällen jemand zur Sklaverei verurteilt werden durfte und wann nicht. Außerdem war auch hier wiederum zu erörtern, ob Kinder unter diese Strafe fallen konnten. Bei der Schuldknechtschaft wurde vor allem mit den alttestamentlichen Sklavengesetzen argumentiert, um Beschränkungen zu begründen. Ein besonders neuralgischer Punkt betraf den Verkauf der eigenen Kinder in Notsituationen. Bei der Sklaverei von Geburt galt der Grundsatz, dass ein Kind dem Rechtsstatus der Sklavenmutter folgte. Allerdings konnten ebenfalls Ausnahmen bestehen, ja sogar regional unterschiedliche rechtliche Regelungen gelten, die Handlungsspielräume sichtbar machten. Die naturrechtliche Debatte über die Begründung der Sklaverei allein reichte also bei Weitem nicht aus, um der Komplexität des Themas gerecht zu werden. Die Entwicklung des positiven Rechts und deren Auslegungsmöglichkeiten musste stets in die Betrachtung einbezogen werden. Hier wurden ganz unterschiedliche rechtliche Bereiche tangiert. Jeder Einzelfall konnte zu einer juristischen Herausforderung werden, wenn man alle Handlungsspielräume auslotete. Letztlich konnte immer auch Gnade vor Recht ergehen. Es ging des Weiteren um das Gewissen der Fürsten, Richter, Beamten und Sklavenhalter. Molina war einer der berühmtesten Jesuitentheologen seiner Zeit. Er kommentierte die STh des Thomas und knüpfte dabei an den Dominikaner Francisco de Vitoria an. Während seine Staats- und Rechtslehre in der sechsbändigen De iustitia et iure (1593-1609) in einer dominikanisch domi-

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nierten Traditionslinie stand, hatte sein erstes Hauptwerk, die Concordia, im Rahmen des Gnadenstreits zu einer erbitterten Kontroverse geführt, in deren Verlauf Molina in Rom unter Häresieverdacht geriet, jedoch nie explizit verurteilt wurde. Der um wenige Jahre jüngere Fancisco Suárez ging weniger ausführlich auf die Rechtstitel der Sklaverei ein als Molina und interessierte sich vielmehr für die Rechtstitel des gerechten Krieges – hier ebenfalls als Kommentator der STh des Thomas. In der Aristotelesrezeption gab es zwischen den beiden Thomaskommentatoren durchaus Gemeinsamkeiten. Suárez lehnte Aristoteles in den Punkten ab, die bereits Thomas verworfen hatte (‚Sklaverei von Natur‘ ist somit auch bei ihm kein legitimer Rechtstitel), kannte aber wie Molina legitime Rechtstitel für die Sklaverei. Da er aber primär am Völkerrecht interessiert war, beschäftigte er sich in De legibus mit der Sklaverei in Folge einer Gefangenschaft im gerechten Krieg. Dabei wog er die Bedingungen für einen gerechten Krieg ab und bezog auch das Gewohnheitsrecht in seine Überlegungen ein. Wenn ein gerechter Krieg gegeben sei, dann dürften die Kriegsgefangenen – auch die unschuldigen Kinder – rechtmäßig versklavt werden, außer es handelte sich um Christen. Im Unterschied zu Suárez interessierte sich sein Kollege und Nachfolger in Rom Gabriel Vázquez in seinem ausführlichen Kommentar zur STh des Thomas gerade nicht für das Völkerrecht. Nicht das kollektive Handeln stand im Fokus seiner Überlegungen, sondern das Individuum. Er setzte in seinem Werk die vier Rechtstitel der Sklaverei nach Molina voraus, was an seinen Beispielen deutlich wird. Doch ihm dienten Rechtstitel grundsätzlich vor allem zur Klärung von individuellen Gewissensentscheidungen. Dabei reichten die Rechtstitel allein freilich nicht aus. Was passierte nämlich, wenn Zweifel an der Frage nach einem gerechten Krieg nicht letztgültig ausgeräumt werden konnten oder ein Strafurteil zum Gewissensfall des Richters und seiner Diener wurde? In beiden Fällen diskutierte Vázquez zum Beispiel, ob ein Sklave fliehen dürfe. Damit überführte er das Thema Sklaverei von einem naturrechtlich-juristischen Diskurs in die Welt des moraltheologischen Probabilismus. Auch diese basiert auf naturrechtlichen Erwägungen, tritt aber allmählich über diese hinaus. Im Zweifelsfall entschied bei Vázquez die wahrscheinlichere Meinung. Juan de Lugo knüpfte im 17. Jahrhundert wieder an die naturrechtliche Tradition des Suárez an, was bereits der Titel seines Werks De iustitua et iure ankündigte. Auch er interessierte sich wieder für eine vertragsrechtliche Argumentation, die Völker und Kollektive im Blick hatte. Sein wichtigster Referenzautor war wiederum Molina, auf dessen Rechtstitel zur Sklaverei er sich stützte. Damit kam er eingehender auf die verschiedenen Formen der Sklaverei zu sprechen und blieb diesbezüglich nicht bei der Diskussion über den gerechten Krieg stehen. Im Unterschied zu Molina beschränkte Lugo die

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Geltungsbereiche der vier Rechtstitel stärker. Ihm zufolge müssten auch Sklaven als Menschen mit personalen Schutzrechten ausgestattet werden. Dazu gehörten das Recht auf Leben (ius ad vitam), das Recht auf körperliche Unversehrtheit (ius ad membra) und das Recht auf den guten Ruf (ius ad famam). Damit wird zudem deutlich, dass der Sklave für Lugo im Unterschied zu Aristoteles ein Mensch im Vollsinn war. Seine ganze Argumentation zielte auf eine Einschränkung von Verstößen durch Sklavenhalter gegen diese Schutzrechte. Deswegen spielte bei ihm, ebenso wie für Vázquez, die Moral und hier das Gewissen eine zentrale Rolle. Allerdings argumentierte er eben vertragsrechtlich, wie Suárez. Im Zweifelsfall plädierte er für die humanere Lösung. Bei der Sklavenflucht wog das Wohl des Sklaven schwerer als die Eigentumsrechte des Besitzers. Hier fällt gegenüber Vázquez eine Verschiebung der Perspektive auf. Während sich dieser vor allem mit rechtlichen Entscheidungsträgern beschäftigte, konzentrierte Lugo sich auf die Sklaven. Beide vertraten aber auf ihre Weise das Ethos einer Humanisierung zugunsten des Schwächeren. Im Unterschied dazu betonte Antonio Pérez, der Lugo auf dem Lehrstuhl für Scholastische Theologie am Collegio Romano 1642 nachfolgte, wieder den Sklaven als Sache. Er verfasste einen Traktat De iustitia et de iure, in dem er den praktischen Nutzen des Naturrechts herausstellte. Er sah den Sklaven als beseeltes Werkzeug, wobei auch er nicht vorbehaltlos Aristoteles rezipierte. Wichtig war ihm die Überlegenheit des christlichen Glaubens gegenüber antiker Philosophie. Persönliche Schutzrechte oder eine humane Behandlung des Sklaven führte er nicht an. Er blieb bei einer recht starren Kommentierung der STh, die argumentativ nichts mehr zu den naturrechtlichen Abhandlungen seiner großen Vorgänger hinzuzufügen hatte. Hier zeigte sich ein theologischer Niedergang am Collegio Romano. Das Fach Moraltheologie fand allmählich zur Selbständigkeit. Die Grenzen zu einer praxisorientierten Kasuistik einerseits und zur Scholastischen Theologie andererseits waren fließend. So hätte man Vázquez mit seinem Kommentar zur STh auch in der Moraltheologie einordnen können. Ihm am Nächsten kommt die kasuistische Moraltheologie von Emmanuel Sa in seinen Aphorismi Confessariorum. So ging es Sa um das Handeln und die Gewissensnöte von Individuen. Er diskutierte zum Beispiel die Handlungsspielräume eines Soldaten, der sich im Zweifel darüber befand, ob er in einem gerechten Krieg kämpfte. Sa löste seine Fallbeispiele ebenfalls mit Hilfe des Probabilismus. Insgesamt zeigten sich eine praxisnahe Tendenz zur Entlastung des Gewissens der Soldaten und eine Humanisierung in der Praxis der Sklaverei durch Kriegsgefangenschaft. Wie Lugo machte er weitreichende Zugeständnisse beim Thema Sklavenflucht. Im Unterschied zu Vázquez fehlten jedoch die rechtsphilosophischen Grundlagen. Es ging hier vor allem darum, für Beichtväter konkrete Handreichungen zu entwerfen.

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In der ethischen Kasuistik spielte zudem die Behandlung der Sakramente eine wichtige Rolle. So hatte Francisco de Toledo mit seiner Instructio sacerdotium ein rein kasuistisches Werk abgefasst, in dem Sklaverei als Weihehindernis zur Sprache kam. Es ging ihm um eine Schulung des Gewissens des weihenden Bischofs oder seines Beraters. Ein Sklave war grundsätzlich von kirchlichen Weihen zwar ausgeschlossen, doch konnte Toledo zufolge unter bestimmten Umständen, vor allem mit Einverständnis des Besitzers, die Weihe erlaubt sein. Vincenzo Figliucci behandelte die Sklaverei in seinem Werk Quaestionum Moralium de Christianis Officiis in casibus Conscientiae hingegen ausführlich als mögliches Ehehindernis. Die Sakramente befanden sich im Schnittfeld von kirchenrechtlichen Bestimmungen und Pastoral. Dass Sklaven und Sklavinnen unter Umständen in den Genuss von Sakramenten kommen konnten, setzte ein Menschenbild voraus, nach dem auch Sklaven wie alle Menschen vor Gott gleich und frei waren. Die Gesellschaft Jesu war 1540 mit der Zielsetzung gegründet worden, „sich nicht nur mit der göttlichen Gnade der Rettung und Vervollkommnung der eigenen Seelen zu widmen, sondern sich mit derselben Gnade inständig zu bemühen, zur Rettung und Vervollkommnung der Seelen der Nächsten zu helfen“.1219 In den Blick der Seelsorgebemühungen gerieten sowohl Sklaven und Sklavinnen einerseits wie Sklavenhalter andererseits. Jesuiten konnten als Beichtväter oder Berater von Fürsten mit dem Thema in Berührung kommen, wie die drei Beispiele aus der Kasuistik zeigten. Sie konnten als Missionare in Italien, Europa oder in fernen Ländern mit Formen von Sklaverei konkret konfrontiert werden. Und sie konnten im Hinblick auf mögliche Praxisrelevanz auch als Gelehrte und Theologen mit Sklaverei beschäftigt sein. Einerseits war die Sklaverei nur in Ausnahmefällen (vor allem bei der Indiodebatte oder beim transatlantischen Sklavenhandel) ein dominantes Thema, andererseits lagen dem Thema weit verbreitete theologische Überzeugungen vom Natur- und Völkerrecht, dem Erlösungsgeschehen durch Jesus Christus, von Schöpfung und Heilsgeschichte zugrunde. Der Sklave war als der „Arme“ oder der sozial und rechtlich am stärksten bedrückte Mensch ein Testfall für das humane Ethos christlicher Nächstenliebe. Er stellte das Extrem eines zwischenmenschlichen, asymmetrischen Herrschaftsverhältnisses dar, dessen Legalität zwar einerseits in vier Fällen (Rechtstiteln) festgehalten wurde, andererseits Zweifelsfälle kannte und schließlich vor allem human gestaltet werden sollte. Auch Sklaven, zumal christliche, waren Brüder und Schwestern im Herrn. Hier war die christliche Moral, gestützt vor allem auf das Neue Testament, im Ideal vereint.

1219

Satzungen der Gesellschaft Jesu (Text B), in: Ignatius von Loyola, Gründungstexte der Gesellschaft Jesu, übersetzt von Peter KNAUER, Würzburg 1998, 592.

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Doch gerade die Religionszugehörigkeit sorgte für empfindliche Grenzziehungen beim humanen Ethos. So wird immer wieder der christliche Sklave unter nichtchristlicher Herrschaft (in den Beispielen dominieren muslimische Herren) als Ärgernis vorgestellt, dessen Flucht im Allgemeinen als erlaubt angesehen wurde. Umgekehrt erschien die Flucht eines muslimischen Sklaven unter christlicher Herrschaft keineswegs legitim, denn ganz im Gegenteil war seinem Seelenheil nur eine Konversion zum (katholischen) Christentum zuträglich. Zudem wurde die Praxis gerechtfertigt, dass eine Konversion muslimischer oder jüdischer Sklaven zum Christentum nicht automatisch die äußere Freiheit nach sich zog. Dennoch scheint zum Beispiel Cornelius a Lapide eine Freilassung in einem solchen Fall moralisch befürwortet zu haben. Hier ergaben sich also Handlungsspielräume für den Besitzer, die wiederum einen engen Zusammenhang zwischen Recht und Moral aufzeigen. Die Situation des zwischen christlichen und muslimischen Mächten aufgeteilten Mittelmeerraumes und die damit zusammenhängende Konfliktgeschichte spiegeln sich deutlich in der theologischen Behandlung des Themas Sklaverei. Der Korsarenkrieg, die institutionalisierte Praxis des Sklavenloskaufs und die Realität der Galeerensklaven gehörten zum Wissenshorizont, der bei Bedarf zur Veranschaulichung eines Gedankens angeführt wurde. Muslimische Herrschaften konnten als Beispiele für eine Tyrannenherrschaft nach Aristoteles herangezogen werden, wie zum Beispiel Franz Xaver im Fall der Insel Sokotra behauptete, die von einem Sarazenen despotisch beherrscht werde. Aber muslimische Herrschaften galten nicht pauschal als despotisch. Es gab auch muslimische Herrschaftsgebiete wie zum Beispiel das Osmanische Reich, das völkerrechtlich von den jesuitischen Theologen anerkannt wurde. So hat Schmidt-Biggemann herausgearbeitet, dass Suárez und Bellarmin im Prinzip „die Legitimität aller Fürsten – d. h. auch der heidnischen und fremdkonfessionellen Fürsten – an[erkannten].“1220 In der politischen Theologie beriefen sich jesuitische Theologen auf das Naturrecht. Dies war auch der entscheidende Maßstab im Umgang mit Nichtchristen. Eine legitime Herrschaft basierte auf einem Herrschaftsvertrag zwischen Volk und Obrigkeit, der sich an die Maxime des Naturrechts orientieren müsse. Im Fall von Tyrannei sei daher auch Widerstandsrecht einzuräumen, weil der Herrscher den Vertrag gebrochen habe. Entscheidend für eine legitime Regierung war also nicht, ob der Herrscher Muslim, Häretiker (zum Beispiel Protestant) oder Heide (zum Beispiel Indio) war, sondern ob die Herrschaftsausübung Züge einer Tyrannei aufwies. Die Jesuiten standen damit sowohl in Opposition zur Idee des Gottesgnadentums als auch zu einem vollständigen Unterwerfungsvertrag unter den Souverän wie ihn etwa 1220

SCHMIDT-BIGGEMANN (2007) 163-178; 170.

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Thomas Hobbes formulierte. „Weil sich die absolutistischen Rechtstheorien im 17. und 18. Jahrhundert durchsetzten, geriet die politische Theorie der Jesuiten in die Defensive.“1221 Für unseren Untersuchungszeitraum war sie jedoch noch sehr einflussreich. Die Jesuiten gehörten zu den führenden Intellektuellen im frühneuzeitlichen Europa und wirkten vor dem Hintergrund der europäischen Vielfalt einerseits und der Rechte der nicht-europäischen Völker in der Neuen Welt andererseits daran mit, das Staats- und Völkerrecht neu zu ordnen. Zwar spielte bei den behandelten Texten zur Sklaverei die politische Theorie keine Rolle. Dennoch ist davon auszugehen, dass sie zum impliziten Deutungshorizont gehörte. Wenn die muslimischen Herrschaften also naturrechtlich bewertet werden konnten, war die religiöse Bewertung des Islam unklar. Benito Perera fand zum Beispiel einige Argumente, was Gott an den Muslimen gefalle, so dass er es zugelassen habe, dass der osmanische Herrschaftsbereich dem christlichen solange überlegen sein konnte. Freilich hatte Perera die Hoffnung, dass sich dieses Kräfteverhältnis wieder ändern möge. Bemerkenswert bleibt jedoch ein gewisses Interesse am Koran und dem Propheten Muhammad, wodurch der Islam bei Perera als christliche Sekte erschien. Auch der Missionar Franz Xaver sprach vom Islam als Sekte Muhammads. Offenbar war die Einschätzung des Islam zwischen christlicher Häresie und eigenständiger Religion im 16./17. Jahrhundert unter Theologen nicht geklärt. Dieser Aspekt wäre durch weitere Untersuchungen zu vertiefen. Für die Sklaverei scheint dieser Unterschied jedoch keine Bedeutung gehabt zu haben. Hier zählten die Muslime zu den „Ungläubigen“, für die das Naturrecht galt. Im Hinblick auf die ‚innere Freiheit‘ kam im kontroverstheologischen Klima ohnehin nur das Heil innerhalb der römisch-katholischen Kirche in Frage. Da hatte auch der Häretiker keinen Vorteil. Während die Bibelkommentare starke Bezüge zur Situation im Mittelmeerraum aufwiesen, fanden sich darin keine Hinweise auf den transatlantischen Sklavenhandel, die Indiodebatte oder gar auf rassistische Denkmuster – auch nicht in Abgrenzung dazu. Hier war der europäische Kontext dominant, der wiederum vom konfessionellen Gegensatz geprägt war. Selbst die Verfluchung Hams bzw. Kanaans wurde, wie erwähnt, mit Blick auf die ‚Sklaverei der Sünde‘ der Häretiker gedeutet. Bei der omnipräsenten Frage nach dem gerechten Krieg in der Scholastischen Theologie spielten die Kriege zwischen Christen und Muslimen sowie die Kriege gegen die Indios eine Rolle, wobei die Indiodebatte wie ein schweres aktuelles Problem im Vergleich zur klaren Situation im Krieg gegen die Türken erschien. Die Versklavung der Indios beschäftigte allerdings Jesuitenmissionare, die Zeugen der Einfuhr und Behandlung schwarzer 1221

Ebd., 177.

VII. Schluss

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Sklaven in Amerika wurden. Die spanischen Besitzungen in Las Indias versorgten sich bereits im 16. Jahrhundert mit afrikanischen Sklaven. Alonso de Sandoval schrieb nach seinen Erfahrungen in Cartagena (Kolumbien) 1627 einen Traktat Naturaleza policia sagrada y profana, costumbres y ritos, disciplina i cathecismo evangélico de todos Etiopes, in dem er die Missstände im Umgang der christlichen Herren gegenüber ihren afrikanischen Sklaven in Cartagena anprangerte. Eine rassistische Begründung der Sklaverei lehnte er ab. Hier wurde ebenfalls auf Gen 9 Bezug genommen, was zeigt, dass die Verfluchung Hams in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Lateinamerika bereits Eingang in die Debatte gefunden hatte. Der Missionar Petrus Claver folgte seinem Lehrer Sandoval in dessen Positionen. Beide forderten keine Abschaffung der Sklaverei, sondern setzten sich für eine humanere Behandlung der schwarzen Sklaven ein. In dieser Grundhaltung folgten sie der jesuitischen Theologie, wie sie auch in Rom vertreten wurde. Der portugiesische Jesuitenmissionar Antonio Vieira sammelte in Brasilien Erfahrungen mit dem transatlantischen Sklavenhandel. Auch er kämpfte für die Rechte und Verbesserung der Lebensverhältnisse der Sklaven, seien diese Indios oder Afrikaner. Die naturrechtliche Beurteilung der Sklaverei veranlasste ihn allerdings ferner, zwischen den Indios und den afrikanischen Sklaven zu unterscheiden. Während die Indios zu Unrecht versklavt wurden, da der Krieg gegen sie nicht gerecht sei – hier wieder eine jesuitische Mehrheitsmeinung –, seien die Afrikaner bereits als Sklaven nach Amerika gebracht worden. Ihre Versklavung rechtfertigte sich über Kriege zwischen den Stämmen Westafrikas. Hier scheint eine Legitimierungsstrategie auf, die in den behandelten Texten keine Rolle spielte, deren europäische Rezeption jedoch weiterverfolgt werden könnte. Da Vieira in Portugal wirkte, wäre die dortige theologische Debatte in den Blick zu nehmen. Jesuiten konnten auf ihren abenteuerlichen Reisen selbst versklavt werden. Sie konnten aber auch selbst Sklavenhalter sein. Im ersten Fall waren religiöse Bewältigungsstrategien gefragt, diese Situation anzunehmen und durchzuhalten, freilich mit der Hoffnung verbunden, wieder losgekauft zu werden. Eine heilsgeschichtliche Betrachtungsweise nach dem Vorbild der alttestamentlichen Josefsgeschichte bot gewissen Trost. Aus der frühneuzeitlichen Loskaufpropaganda ist bekannt, dass das Schicksal des christlichen Sklaven märtyrerähnliche Züge annehmen konnte.1222 Das Leiden der Sklaven in der Nachfolge Jesu konnte als imitatio Christi gedeutet werden. Ob versklavte Jesuiten ebenfalls ihre eigene Geschichte in diesem Licht deuteten, bliebe ein Forschungsdesiderat. Für die Sklavenhalterperspektive bietet der „Jesuitenstaat“ in Paraguay interessante Einblicke. Immerhin wurde hier das Experiment einer prakti1222

Vgl. PRIESCHING (2014).

298

VII. Schluss

schen Umsetzung jesuitischer Ideale unternommen. In der Literatur wird mehrheitlich der humane Grundton in der Behandlung der Sklaven hervorgehoben. Das missionarische Hauptanliegen einer wirksamen Seelsorge führte zu einer ganzheitlichen Sorge um das Wohl der Sklaven. Insofern konnte der Vorrang der ‚inneren Freiheit‘ vor der ‚äußeren Freiheit‘ auch etwas Gutes haben. Im Gegenzug kamen selbst die Jesuiten nicht ohne Sklaven aus. Darüber hinaus ist eine Unterscheidung zwischen den Indios und den schwarzen Sklaven sichtbar, die vielleicht ähnlich begründet wurde, wie dies Vieira getan hatte. Dies näher zu bestimmen bleibt ebenfalls weiteren Untersuchungen vorbehalten. Das Urteil der Jesuiten über Sklaverei wirft sowohl ein Licht auf die Geschichte des Ordens als auch auf die Geschichte der Sklaverei. Die Gesellschaft Jesu gilt als Speerspitze des tridentinischen Katholizismus. Das Eintauchen in die Theologiegeschichte der ersten hundert Jahre dieses Ordens hat deutlich gemacht, vor welchen Schwierigkeiten eine Theologie im Lichte des Trienter Konzils stand. Sie war einerseits auf Abgrenzung nach außen bedacht, andererseits auf Formierung nach innen. Aber diese doppelte Bewegung führte nicht selten in Aporien. So pochte das Konzil auf die Authentizität der Vulgata, die zur normativen biblischen Textgrundlage erklärt wurde. Die daran anschließenden Arbeiten an einer einheitlichen und verbesserten Vulgata-Edition zogen sich jedoch unter jesuitischer Mitwirkung bis zum Ende des 16. Jahrhunderts und der Sixto-Clementino-Editio hin, die keineswegs alle Unsicherheiten beseitigte. Die Jesuiten waren sowohl einer humanistischen als auch einer scholastischen Bildungstradition verpflichtet, was sie für dieses Projekt, im Gegensatz zu manchem Dominikanertheologen, aufgeschlossen machte. Gleichzeitig waren diese teilweise widersprüchlichen Bildungstraditionen nicht leicht auf einen Nenner zu bringen. Ein weiteres Problem war die Autorität der Kirchenväter. Bereits Melchor Cano hatte im Zusammenhang mit seinen Loci theologici von 1559 überlegt, in welchen Fällen die Autorität der Kirchenväter unfehlbar sei. Sein Ergebnis lautete, dass erstens alle Kirchenväter in ihren Äußerungen zu einer Bibelstelle übereinstimmen mussten und zweitens der Gegenstandsbereich auf die Schriftauslegung beschränkt sei. Nun ist es aber schlichtweg nicht praktikabel, zu einer Bibelstelle stets alle Kirchenväter zu konsultieren. Auffällig ist in manchen Bibelkommentaren daher das namedropping zur Unterstützung einer Position. Zudem folgten die Exegeten ihrer jeweiligen Auswahl an Autoritäten. Selbst Widersprüche zwischen Kirchenväterpositionen zu einem bestimmten Literalsinn wurden festgestellt und diskutiert. Die barockscholastischen Bibelexegeten verfügten über eine große Bandbreite an Möglichkeiten, auf welche Autoritäten sie sich in welcher Weise stützen wollten. Um Vollständigkeit ging es keineswegs. Autoren wie Cornelius a Lapide besaßen sogar keine Hemmungen, auch andere,

VII. Schluss

299

teilweise verbotene Bibelausgaben (zum Beispiel des Erasmus) vergleichend heranzuziehen. Problematisch war darüber hinaus die Benutzung von Kirchenväterausgaben, die gerade von der Indexkongregation überprüft und ggf. expurgiert wurden. Dieser Vorgang stellte die römische Behörde jedoch selbst vor die zuvor beschriebenen Aporien. Bis eine hinreichende Zahl expurgierter Ausgaben von vorläufig verbotenen Büchern in Rom erhältlich war, befand sich vieles in einer Grauzone. Die Jesuiten gewannen zudem seit Gregor XIII. zunehmend Einfluss in den Index- und Inquisitionskongregationen. Sie waren mit den Problemen also bestens vertraut und ließen bei ihren Theologen offenbar breitgefächerte Arbeitsweisen zu. So zeigt sich, dass die Bibelkommentare keineswegs in Methode und Aufbau normiert und einheitlich waren. Schließlich gehört zum Trend einer einheitlichen Formierung eine thomistische Uniformierung der Theologie. Die Jesuiten verfügten als neuer Orden nicht über eine eigene Schultheologie und erkoren Thomas von Aquin zu ihrer scholastischen Referenz. Allerdings sollte man Thomas aber nicht so unbedingt folgen wie die radikalen Thomisten, sondern abweichende Meinungen zulassen. Von einem jesuitischen Neu-Thomismus im Gewand des ultramontanen antimodernen 19. Jahrhunderts war man hier noch weit entfernt. Im Gegenteil, nur weil sich zum Beispiel die jesuitische Völkerrechtslehre gegen absolutistische Gnadentumstheorien nicht durchsetzen konnte, kann diese Idee nicht als antimodern bezeichnet werden. Zwischen Alternativen wie modernem Absolutismus und antimoderner Mußepräferenz wären die Jesuiten als Speerspitze moderner Alternativkonzepte ins Gespräch zu bringen. Gerade in den ersten hundert Jahren kamen aus dieser Richtung einige interessante Impulse, die politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich wegweisende Reformansätze bargen, wie das Beispiel Paraguay zeigt. Zu fragen wäre, ob diese innere Innovationskraft des Ordens im 17. Jahrhundert erlahmte und/ oder der innerkatholische Gegenwind zu stark wurde. Eine entscheidende Wende scheint mit dem Jansenistenstreit seit den 1640er Jahren eingeleitet. Dieser Streit berührte theologisch die Autorität und Lehre des Kirchenvaters Augustinus (Fortsetzung des Gnadenstreits), die Moraltheologie (der jesuitische Probabilismus wurde als Laxismus diffamiert) und die politische Theologie (Jesuiten als Gegner des französischen Absolutismus). Es entbrannte ein Machtkampf, den die Jesuiten letztlich verloren und mit der Auflösung ihres Ordens 1773 bezahlten. Eine Erweiterung des Untersuchungszeitraums in das Zeitalter der Absolutismus und der Aufklärung hinein müsste diesen Kontext im Blick behalten. Für die Anfangszeit des Jesuitenordens war der Gnadenstreit die größte theologische Kontroverse. Sie band Kräfte im Jesuitenorden, da in Rom zwischen 1599 und 1605 über die Rechtgläubigkeit der Concordia Molinas gestritten wurde. Wie beim Thema Sklaverei zeigte sich hier die große Bedeu-

300

VII. Schluss

tung der Frage nach der Erlangung des Seelenheils. Es scheint, als sei mit Martin Luthers Rechtfertigungslehre und dessen Streit mit Erasmus über den freien Willen das alte Thema ‚Gnade und Freiheit‘ auf der theologischen Agenda wieder ganz nach oben gerückt. Auch hier genügte die schlichte Abgrenzung zur protestantischen Theologie nicht. Selbst das tridentinische Rechtfertigungsdekret verhinderte die folgende Debatte ebenfalls nicht, sondern regte sie eher an. Das Verhältnis zwischen Gnade und Willensfreiheit des Menschen wurde neu, spekulativ durchdrungen, um schließlich in einen großen Streit zwischen den Positionen des Dominikaners Báñez und des Jesuiten Molina zu münden, der letzteren zwar in Häresieverdacht brachte, aber letztlich offen blieb. Dieses Streitthema bewegte sich argumentativ freilich auf einer ganz anderen Ebene als das Thema Sklaverei. Stand beim Gnadenstreit die Willensfreiheit im Mittelpunkt, ging es bei Sklaven um Freiheitsrechte im Sinne einer äußeren Freiheit. Die vielfach angesprochene ‚innere Freiheit‘ des Sklaven hat zwar etwas mit dem Erlösungsgeschehen und somit mit Gnade zu tun, ist aber eine Metapher für dieses Erlösungsgeschehen und keine analytische Kategorie zu dessen näherer Bestimmung. Immerhin scheint in beiden Fällen das Brüderpaar Jakob und Esau herangezogen worden zu sein. So spielte Röm 9,10-13 eine zentrale Rolle in der Auseinandersetzung um die scientia media, wobei diskutiert wurde, warum Gott Jakob liebte und Esau hasste, noch bevor beide etwas getan hatten. Die Gnade geht in diesem Fall den Werken voraus. Dies ist ein theologisches Problem, weil nicht klar ist, nach welchen Kriterien der eine erwählt und der andere verworfen wurde. Unkompliziert erscheint im Vergleich dazu die Auslegung von Gen 27, wonach Esau und seine Nachkommen zur Sklaverei verurteilt wurden, weil dieser sich moralisch schuldig gemacht hatte. Die Verwerfung Esaus erscheint als Strafe für eine begangene Tat, einzig über die Angemessenheit des Strafmaßes und die Art der Strafe ließe sich diskutieren. Dies konnte zwar auch zu zweifelhaften Überlegungen von Sklaverei als pädagogischem Mittel und zur moralischen Besserung führen. Doch scheinen selbst solche Erklärungsversuche noch eher dem Gerechtigkeitsempfinden zu entsprechen als eine Vorherbestimmung des Menschen zu Heil oder Unheil vor dessen Geburt. Der Gnadenstreit war theologisch deutlich anspruchsvoller als das Thema Sklaverei. Dafür war letzteres praxisrelevant. Letztlich wurden beide Debatten getrennt voneinander geführt. Dies zeigt sich nochmals sehr deutlich an den beiden Hauptwerken Molinas, der Concordia und De iustitia et de iure. Im ersten Werk entfaltete er seine Gnadentheologie, im zweiten finden sich seine Ausführungen über die Sklaverei. Für die Sklavereigeschichte ergeben sich vor allem folgende Einsichten und weitere Desiderate: Zunächst liegt hier erstmals eine theologiegeschichtliche Untersuchung zur Sklaverei in der Frühen Neuzeit vor, in welcher ein-

VII. Schluss

301

zelne Autoren und Texte in ein theologisches Koordinatensystem eingeordnet werden. Mit der Schwerpunktsetzung auf das Collegio Romano rückte zudem neben der bekannteren Schule aus Salamanca ein neuer, für die katholische Kirche zentraler Standort in den Blick, der stark mit den spanischen Universitäten vernetzt war. Überhaupt ist die Vernetzung von Autoren, die sich über Sklaverei äußerten, intensiver als bislang zu berücksichtigen. Während man in der Sklavereiforschung häufig äußerst eklektisch einzelne Aussagen zur Sklaverei findet, bleiben die strukturellen Hintergründe von Wissensvermittlung und Gelehrtenaustausch meist ausgeblendet. Das Rotationsprinzip der Jesuiten bringt nicht nur den intensiven Wissenstransfer zwischen den Fächern, sondern auch die Mobilität und Internationalität einzelner Theologen zwischen Universitätsstandorten zum Vorschein. Auch wenn hier kein vollständiges Bild dieses Netzwerkes oder gar von Rezeptionsprozessen gezeichnet werden konnte, so ergibt sich bereits aus den genannten Beispielen ein Entwurf, der in Zukunft weiter ergänzt und verfeinert werden kann. Gleichzeitig wird deutlich, wie mühsam es ist, sich ein umfassendes Bild von der Beurteilung der Sklaverei in der Frühen Neuzeit zu machen. Vergleichbares wäre noch für andere Orden, Universitätsstandorte, Konfessionen und Religionen zu leisten, um argumentative Grundmuster, Formierungs- und Abgrenzungsprozesse in ihrer Gesamtheit sichtbar zu machen. Immerhin war die Sklaverei auch in der Praxis eine konfessionsübergreifende und interreligiöse Angelegenheit. Doch wo wurde dieses Thema bei evangelischen oder gar jüdischen und muslimischen Gelehrten behandelt? Dies zu erörtern, bildet nach wie vor ein Forschungsdesiderat. Der gleiche Auftrag gilt für Aspekte des Römischen Rechts, die hier nur angedeutet werden konnten, das scholastische Denken bis hin zur Schule von Salamanca aber maßgeblich prägten. So hatte Molina, Berater der portugiesischen Krone, Römisches Recht studiert, bevor er Theologe wurde. Seine vier bekannten Rechtstitel zur Sklaverei gingen auf Römisches Recht zurück. Dieser Rezeptionsprozess Molinas, der einerseits Römisches Recht aufnahm und dieses andererseits im christlichen Sinne weiterentwickelte, wäre näher zu untersuchen. Ein fundamentales Problem der Sklavereiforschung ist die Frage, was ein Sklave eigentlich sei. Allgemeingültige Definitionen sind schwierig, die Formen von Sklaverei im Laufe der Geschichte und in diversen Kulturen vielfältig. Für unsere Autoren war es dagegen relativ einfach, Sklaverei zu bestimmen. Die vier unstrittigen Rechtstitel der Sklaverei umfassen vier gültige Formen, die auch in der Praxis vorkamen. Dabei fällt auf, dass die Strafgefangenen ganz selbstverständlich zur Sklaverei gezählt wurden. Bei Molina, Vázquez und Lugo wurde dies sichtbar. Das unterstützt die Forschungsposition, wonach auch Strafgefangene (ital. forzati) als Sklaven zu betrachten sind und Gegenstand einer Sklavereigeschichte sein müssten. Im

302

VII. Schluss

zeitgenössischen naturrechtlich-theologischen Diskurs war dies offenbar üblich. Dass Strafgefangene in der Regel Kriminelle waren, die sich etwas zuschulden hatten kommen lassen, veränderte nicht den Blick auf ihren Status als Sklaven. Das kann kaum verwundern, denn Sklaverei war ohnehin mit der Vorstellung verbunden, ihre tiefste Ursache in einer ‚Sklaverei der Sünde‘ zu haben. Dem Sklaven haftete deshalb per se ein moralischer Makel an. Selbst bei unschuldigen Kindern funktionierte diese Denkfigur, da hier schlicht mit der Möglichkeit einer vererbten Schuld argumentiert wurde. Vorstellungen von Kollektivschuld – zum Beispiel im Antijudaismus oder der Lehre von der Erbsünde – existierten in zahlreichen theologischen Zusammenhängen und waren insofern kein spezifisches Thema der Sklaverei. Zu unterscheiden sind solche Kollektivschuldthesen allerdings von rassistischen Denkmustern. Äußere Merkmale wie Hautfarbe spielten für das Thema Sklaverei bei keinem der hier behandelten Autoren vom Collegio Romano eine Rolle. Dies kam jedoch bei den Missionaren wie Sandoval, Claver und Vieira zur Sprache, die keine Bezüge zum Collegio Romano aufwiesen. Insofern wäre weiter zu forschen, wo und von wem die Debatte um die afrikanischen Sklaven geführt wurde und wie sich diese im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts entwickelte. Ein Wort noch zu den Päpsten, die seit Gregror XIII. dem Collegio Romano sehr nahe standen. In der Sklavereiforschung werden gern päpstliche Verlautbarungen mit Haltungen der katholischen Kirche gleichgesetzt. Diese Gleichsetzung basiert vermutlich auf einer unbewussten Rückprojektion des Papsttums, wie es sich im 19. Jahrhundert entwickelt hat, in die Frühe Neuzeit. Die Fixierung auf päpstliche Äußerungen erscheint noch merkwürdiger, wenn man bedenkt, dass sich die Päpste der Frühen Neuzeit nur sehr selten und stets kontextbezogen zum Thema der Sklaverei äußerten. In unseren Untersuchungszeitraum fällt nur lediglich die Bulle Commissum Nobis von Urban VIII. vom 22. April 1639, in welcher der Papst, ohne Bezug auf eine europäische Praxis, das Verbot der Versklavung der Indios verkündete. Dabei berief er sich auf ein Verbot Pauls III. von 1537, Indianer zu versklaven, um diese nicht daran zu hindern, den Glauben an Christus anzunehmen.1223 Im Zusammenhang unserer Studie überraschen solche Verlautbarungen keineswegs. Sie fügen sich ein in die theologische Argumentationslinie, wonach die Versklavung der Indios/ Indianer nicht rechtmäßig sei. Auch Jesuitentheologen vertraten neben den Dominikanern in Salamanca diese Position. Eine solche Bulle zu einem Beleg dafür machen zu wollen, dass die Päpste oder gar die katholische Kirche Gegner der Sklaverei gewesen seien, greift entschieden zu kurz. Sie sind vielmehr sowohl politikgeschichtlich

1223

PRIESCHING (2012) 148.

VII. Schluss

303

(Anlass) als auch theologiegeschichtlich (Unterstützung einer theologischen Position) einzuordnen. So kann am Ende festgehalten werden, dass eine schlichte Gegenüberstellung in Gegner oder Befürworter der Sklaverei an den zeitgenössischen Realitäten vorbeigeht. In der Frühen Neuzeit gehörte Sklaverei noch ganz selbstverständlich zur gesellschaftlichen Realität. Sie war rechtlich fest verankert. Mit der Entdeckung und Eroberung neuer Kontinente nahm sie sogar wieder stark zu. Nicht die Frage „ob überhaupt?“ bestimmte die Debatte, sondern die Frage „wie?“. Es ging um Interessenausgleich und Schadensbegrenzung. In diesem Kontext scheinen die jesuitischen Theologen überwiegend für Einschränkungen, milde Umstände und eine humane Behandlung eingetreten zu sein. Allerdings kannte dieses Plädoyer Grenzen, sowohl in der Theorie als auch in der praktischen Umsetzung. Und gerade die Aufforderungen im Predigtstil, Sklaven und Sklavinnen gut zu behandeln, wie dies zum Beispiel Cornelius a Lapide in seinem Kommentar zum Philemonbrief tat, ist freilich ein Indiz dafür, dass die Wirklichkeit grausam war und die christliche Nächstenliebe nur allzu oft vermissen ließ.

Abkürzungsverzeichnis a.

articulus

Abb.

Abbildung

Abs.

Abschnitt

AHP

Archivum Historiae Pontificiae

AHSI

Archivum Historicum Societatis Jesu

Anm.

Anmerkung

arg.

argumentum

ARSI

Archivum Romanum Societatis Iesu

Art.

Artikel

Aufl.

Auflage

BBKL

Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon

Bd./ Bde.

Band/ Bände

BKV

Bibliothek der Kirchenväter

bzw.

beziehungsweise

c.

canon

ca.

circa

cap.

capitulum

CCSG

Corpus Christianorum. Series Graeca

CCSL

Corpus Christianorum. Series Latina

co.

corpus articuli

CO

Congregatio Oratorii Sancti Philippi Nerii (Oratorium)

COD

Conciliorum oecomenicorum decreta

Comp.

(ital.) Compagnia

concl.

conclusio

Abkürzungsverzeichnis

CRSA

305

Canonici Regulares Sancti Augustini (Augustiner-Chorherren)

CSEL

Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum

d.

distinctio

DBI

Dizionario Biografico degli Italiani

ders./ dies.

derselbe/ dieselbe

d. h.

das heißt

DH

Denzinger-Hünermann

DHCJ

Diccionario histórico de la Compañía de Jesús

Disp.

Disputation

DThA

Die deutsche Thomas Ausgabe

Dtn

das Buch Deuteronomium

d. Verf.

die Verfasserin

ebd.

ebenda

ed.

ediert

Eph

der Brief an die Epheser

Epist./ Epp.

epistula

erg.

ergänzt

etc.

et cetera



Einheitsübersetzung

Ex

das Buch Exodus

fol.

folio

Gal

der Brief an die Galater

D.K.

Gabriel-David Krebes

Gen

das Buch Genesis

HAS

Handwörterbuch der antiken Sklaverei

306

Abkürzungsverzeichnis

Hg. (Hgg.)

Herausgeber/ -in (mehrere)

hg. v.

herausgegeben von

HistAnthr

Historische Anthropologie

Hl.

Heilige/ -r

hom.

Homilie

HThKAT

Herders Theologischer Kommentar zum Alten Testament

HZ

Historische Zeitschrift

IHSI

Institutum historicum Societatis Iesu

JBTh

Jahrbuch für Biblische Theologie

Jh.

Jahrhundert

Joh

das Evangelium nach Johannes

Kap.

Kapitel

Kol

der Brief an die Kolosser

1 Kor

der erste Brief an die Korinther

l.

lectio

Lev

das Buch Leviticus

lib./ libr.

liber

LThK

Lexikon für Theologie und Kirche

MGP

Monumenta Germaniae Paedagogica

MHSI

Monumenta Historica Societatis Iesu

Mk

das Evangelium nach Markus

Ms.

Manuskript

Mt

das Evangelium nach Matthäus

NA

Nostra Aetate

ND

Neudruck

Nr.

Nummer

OCD

Ordo Fratrum Carmelitarum Discalcea-

Abkürzungsverzeichnis

307

torum (Unbeschuhte Karmeliten) OCist

Ordo Cisterciensis (Zisterzienserorden)

OESA

Ordo Fratrum Eremitarum S. Augustini (Augustiner-Eremiten)

OFM

Ordo fratrum minorum (Franzskanerorden)

OP

Ordo fratrum Praedicatorum (Dominikanerorden)

OSA

Ordo Sancti Augustini (Augustinerorden)

OSB

Ordo Sancti Benedicti (BenediktinerOrden)

1 Petr

der erste Brief des Petrus

PG

Patrologiae Cursus Completus. Series Graeca

Phil

der Brief an die Philipper

Phlm

der Brief an Philemon

PL

Patrologia Latina

q.

quaestio

r

recto

reg.

regiert

RGG

Lexikon für Religion in Geschichte und Gegenwart

Röm

der Brief an die Römer

Sect.

sectio

sess.

sessio

Sig.re/ SS.ri

(ital.) Signore/ Signori

SJ

Societas Jesu

sog.

sogenannte/ -r

308

Abkürzungsverzeichnis

Sp.

Spalte

STh

Summa Theologiae

Super Sent.

Sentenzenkommentar

1 Tim

der erste Brief an Timotheus

Tit

der Brief an Titus

T.M.

Tilman Moritz

tom.

tomus

Tract.

Traktat

TRE

Theologische Realenzyklopädie

u. a.

unter anderem

usw.

und so weiter

v

verso

V.

Vers

v. a.

vor allem

verb.

verbessert

vgl.

vergleiche

vol.

volume

Vul

Vulgata

z. B.

zum Beispiel

ZHF

Zeitschrift für Historische Forschung

ZKG

Zeitschrift für Kirchengeschichte

Quellen- und Literaturverzeichnis Quellenverzeichnis Ungedruckte Quellen ACOSTA, José de, De Natura Novi Orbis libri duo, et de promulgatione Evangelii, apud barbaros, sive De procuranda Indiorum salute, Köln 1588. ACOSTA, José de, Historia natural y moral de las Indias, Sevilla 1590. ADAM, Jean, Calvin défait par soy-mesme et par les armes de S. Augustin qu’il avoit iniustement usurpe’es sur les matieres de la grace, de la liberté et de la predestination, Paris 1650. ARNAULD, Antoine, De la fréquente communion ou les sentimens des peres, de papes, et de conciles, touchant l’usage des Sacraments de Penitence et d’Eucharistie, sont fidelement exposez: Pour servir d’addresse aux personnes qui pensent serieusement à se convertir à Dieu; et aux pasteurs et confesseurs zelez pour le bien des armes, Paris 1643. AZOR, Juan, Instiutionum Moralium, in quibus universae quaestiones ad conscientiam recte, aut prave factorum pertinentes, breviter tractantur, Bd. 1, Rom 1600. BÁÑEZ, Domingo, Scholastica commentaria in primam partem angelici doctoris D. Tho. usque ad sexagesimam quartam quaestionem complecentia, Salamanca 1584. [Báñez, Scholastica commentaria, Salamanca 1584] BÁÑEZ, Domingo, Scholastica commentaria in primam partem angelici doctoris D. Thomae usque ad sexagesimam quartam Quaestionem complectentia. Auctore Fratre Dominico Bañes Mondragonensi, Ordinis Praedicatorum in florentissima Salamanticensi Academia Sacrae Theologiae primario professore, Rom 1586. BÁÑEZ, Domingo Scholastica commentaria in primam partem angelici doctoris S. Thomae. Usque ad LXIII Quaestionem. Auctore F. Dominico Bañes Mondragonensi, Ordinis Praedic. in florentissima Salamanticensi Academia Sacrae Theologiae primario professore. Nunc postremo post omnes omnium editiones millibus aliquot mendarum sublatis, summa theologorum Duacensium fide ac diligentia recogniti et illustrati, Douai 1614. [Báñez, Scholastica commentaria 1, Douai 1614] BÁÑEZ, Domingo, Scholastica commentaria in primam partem angelici doctoris S. Thomae. A Quaestione LXV usque ad CXIX et ultimam. F. Dominico Bañes Mondragonensi, Ordinis Praedic. in florentissima Salamanticensi Academia Sacrae Theologiae primario professore, auctore. Nunc postremo post omnes omnium editiones millibus aliquot mendarum sublatis, summa theologorum Duacensium fide ac diligentia recogniti et illustrati, Douai 1614. [Báñez, Scholastica commentaria, 2 Bde., Douai 1614] BARONIO, Cesare, Annales ecclesiastici auctore Caesare Baronio Sorano, congregationis oratorii presbytero, 12 Bde., Rom 1588-1593. [Baronio, Annales, Rom 1588-1593.] CARDIM, Antonio Francesco, Relatione Della Provincia del Giappone scritta dal Padre Antonio Francesco Cardim Della Compagnia di Giesu, Procuratore di quella Provincia. Alla Santità di Nostro Signore Papa Innocentio X., Rom 1645. [Cardim, Relatione, Rom 1645]

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A

A LAPIDE,

Cornelius, Commentaria in omnes divi Pauli epistolas auctore R. P. Cornelio Cornelii a Lapide e Societate Iesu, olim in Lovaniensi, post in Romano Collegio Sacrarum Litterarum professore. Ultima editio, aucta et recognita, Antwerpen 1692. [Lapide, Commentaria, Antwerpen 1692] LAS CASAS, Bartolomé de, D. Bartholomaei de las Casas, episcopi Chiapensis, viri in omni doctrinarum genere exercitatissimi, erudita et elegans explicatio Quaestionis: Utrum Reges vel Principes iure aliquo vel titulo, et salva conscientia, cives ac subditos a regia corona alienare et alterius domini particularis ditioni subiicere possint? Antehac nunquam ullo doctorum ita luculenter tractata, Frankfurt a. M. 1571. LIPPOMANO, Luigi, Catena in Genesim ex authoribus ecclesiasticis plus minus sexaginta iisque partim Graecis, partim Latinis, connexa, authore Aloisio Lippomano Metonensi episcopo coadiutorque Veronensi, Paris 1546. [Lippomano, In Genesim, Paris 1546] LIPPOMANO, Luigi, Catena in Exodum ex authoribus ecclesiasticis plus minus sexaginta iisque partim Graecis, partim Latinis, connexa, Paris 1550. [Lippomano, In Exodum, Paris 1550]

Quellenverzeichnis

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Personenregister Abd-el Melik I., Muley (reg. 1576-1578): 259 Abgar V. (gest. ca. 50 n. Chr.): 56 Acosta, José de (1540-1600): 262 Adam, Jean SJ (1605-1684): 69 Ağa,Osman (um 1671-nach 1725): 123 Akbar der Groß (regierte 15561605): 281 Alexander VII. (1655-1667 Papst): 68; 280 Alfonso VI. (1643-1683), König von Portugal: 280 Alverna, Petrus de (ca. 12401304): 151 Ambrosius von Mailand (um 340397): 43f.; 47; 81; 85; 96-99; 142; 232 Anjirô (geb. um 1512), jap. Konvertit und Gefährte Franz Xavers: 271 Angelis, Mutio de (1561-1597): 58 Aquaviva, Claudio SJ (15431615): 26; 52; 168f.; 215; 242; 248-250; 253f.; 256-259; 263; 281 Aristoteles (384 v. Chr.-322 v. Chr.): 15; 39; 58; 78f.; 86; 149153; 159-162; 164; 177; 184; 187; 208-210; 287f.; 290; 292f.; 295 Arius (ca. 260-336): 39 Arnauld, Angélique OCist (15911661): 69 Arnauld, Antoine (1612-1694): 69f. Asnaf Sagad II. siehe: Za Dengel

Augustinus (354-430): 31; 44; 47; 59-61; 65-69; 81; 85f.; 91; 93f.; 105; 109; 141; 152; 188; 212; 299 Avila, Theresa von OCD (1515-1582): 60 Azevedo, Simão Rodriques de SJ (1510-1579): 52; 265; 268; 278 Azor, Juan SJ (1536-1603): 215 Bacon, Roger (gest. nach 1292): 73 Bajus, Michael (1513-1589): 67 Báñez, Domingo OP (1528-1604): 33f.; 60-64; 74f.; 176f.; 216; 222; 228; 230; 300 Baronio, Cesare CO (1538-1607): 56f. Barzeus, Gaspar SJ (1515-1553): 269 Basilius der Große (330-379) auch Basilius von Caesarea: 42; 97-99; 142 Battista Tolomei, Giovanni SJ (1653-1725): 7 Beda Venerabilis OSB (672/673735): 110; 143 Bellarmino, Roberto SJ (1542-1621): 3; 7; 36; 39; 48; 57; 162; 230; 252; 295 Benedikt XIV. (1740-1758 Papst): 27 Bérulle, Pierre de CO: (15751629): 69 Best, George (1555-1584): 88 Biel, Gabriel (ca. 1413/14-1495): 59 Bishop, George-David (1922-

Personenregister

2001): 284 Bobadilla, Nicolás SJ (ca. 15091590): 265 Bollandus, Johannes SJ (15961665) auch Jean Bolland: 68 Bonaventura OFM (ca. 12171274): 47; 86 Borja, Francisco de SJ (15101572) auch Francesco Borgia: 18f.; 26; 77; 254; 256; 258 Borromeo, Carlo (1538-1584): 35 Borromeo, Federigo (1564-1631): 36 Brunelli, Girolamo (1550-1613): 57 Byrd, Robert C. (1917-2010): 87 Cajetan, Thomas OP (1469-1534) auch Gaetano: 11; 30f.; 4548; 101f.; 104; 114; 159; 171f.; 174; 208; 232 Calvin, Johannes (1509-1564): 92; 118 Canisius, Petrus SJ (1521-1597): 49 Cano, Melchor OP (1509-1560): 32-34; 37-40; 56; 73-75; 155; 158; 210; 216; 298 Carafa, Alfonso (1540-1565): 249f. Carafa, Antonio (1538-1591): 35 Carafa, Decio (1556-1626): 255 Carafa, Gian Pietro siehe: Paul IV. Cassianus, Johannes (ca. 360435): 44f. Cassiodor, Flavius Magnus Aurelius (485/490-ca. 580): 56 Castorio, Bernardino SJ (gest. 1643): 28 Castro, Alfonso de OFM (1495-1558): 46

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Caussins, Nicolas SJ (1583-1651): 69 Cervini, Marcello siehe: Marcellus II. Ceyssens, Lucianus OFM (19022001): 68 Chenu, Marie-Dominique: 12-14 Chigi, Fabio siehe: Alexander VII. Chromatius (ca. 345-406/407): 110 Cicero, Marcus Tullius (106 v. Chr.-43 v. Chr.): 50 Claver, Petrus SJ (1580-1654): 276-278; 285; 297; 302 Clavius, Christoph SJ (15381612): 27 Clemens VII. (1523-1534 Papst): 159 Clemens VIII. (1592-1605 Papst): 36; 48; 60; 63; 214 Clemens IX. (1667-1669 Papst): 280 Clemens von Alexandrien (ca. 150-215): 42 Congar, Yves OP (1904-1995): 12-14 Contarini, Gasparo (1483-1542): 11 Cortesono, Gioseffo (1564-1569): 53 Cosimo III. (1642-1723): 246 Covarrubias y Leyva, Diego de (1512-1577): 156; 161; 172 Criminali, António SJ (gest. 1547): 270 Crokkaert, Petrus OP (14701514): 46 Cyprian von Karthago (ca. 200258): 42f. Cyrill von Alexandrien (um 380-

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Personenregister

444): 58; 102; 111 Damasus (366-384 Papst): 29 Daniélou, Jean SJ (1905-1974): 12-14 Descartes, René (1596-1650): 161 Deutz, Rupert von (ca. 10701129): 83f.; 89; 92 Didachus, Acosta SJ (geb. 1562): 222 Diodoros von Tarsos (gest. ca. 390): 117 Duns Scotus, Johannes OFM (ca. 1266-1308): 156 Ellian, Jean-Baptiste (um 15301589) auch Romanus: 57 Erasmus von Rotterdam, Desiderius (1466/67-1536): 30f.; 42; 73; 299f. Esparza Artieda, Martinus de SJ (1606-1689): 206f. Estienne, Robert (1503-1559): 56 Euripides (ca. 480 v. Chr-406 v. Chr.): 150 Euseb von Caesarea (260/265-ca. 340): 42; 55-57 Euthymius von Melitene (377473): 127 Faber, Peter SJ (1506-1546): 265 Febei, Francesco Antonio SJ (1652-1706): 28 Figliucci, Vincenzo (1566-1622) auch Vincenzo Fillucci: 218; 230-238; 240; 294 Flavian I. von Antiochien (320404): 117 Florentinus (1.-2. Jh. n. Chr.), röm. Jurist: 212 Fonseca, Pedro de SJ (1528-

1599): 161 Franz I. (1494-1547), König von Frankreich: 158 Franz von Assisi (1181/82-1226): 86 Friedrich II. (1194-1250), Kaiser: 116; 158 Frobisher, Martin (ca. 15351594): 88 Garcia, Miguel SJ (1548-1614): 257 Gelasius (von Caesarea) (ca. 335395): 56 Ghislieri, Michele siehe: Pius V. Gonzaga, Aloisius von SJ (15681591): 6; 168 Grajal, Gaspar de (1530-1575): 34 Gregor I. (590-604 Papst): 47; 103f.; 142 Gregor XIII. (1572-1585 Papst): 19-21; 26; 28; 34f.; 43; 48; 51; 106; 162; 249; 253f.; 299; 302 Gregor XV. (1621-1623 Papst): 79; 132f.; 258 Gregor der Große siehe: Gregor I. Gregor von Nazianz (ca. 330390): 42; 57f. Groll, Johannes SJ (17. Jh.): 68 Grotius, Hugo (1583-1645): 2 Hadrian I. (772-795 Papst): 205 Heinrich I. (1512-1580), König von Portugal: 259 Henten, Jan OP (1500-1566): 32 Herodot (484 v.Chr.-424 v.Chr.): 57 Hieronymus (329/342-420): 2931; 33; 47; 89; 93; 105; 110; 129; 143 Hobbes, Thomas (1588-1679): 2

Personenregister

Ignatius von Loyola SJ (14911556): 17-20; 22f.; 47; 49-53; 72; 79; 105-112; 222; 241; 247f.; 256; 265; 269; 294 Illyricus, Flacius (1520-1575): 57 Innozenz X. (1644-1655 Papst): 69 Innozenz XI. (1676-1689 Papst): 230 Jansenius, Cornelius (1585-1638): 67-69 Jari, Michele SJ (1696-1724): 246 Jesus von Nazareth: 49; 56; 59; 89-91; 101; 104; 106; 110-113; 115-117; 119; 121-132; 137; 139; 143; 146; 167; 204-206; 213; 253; 284; 290; 297 Johann III. (1502-1557), König von Portugal, auch João III.: 51f.; 259; 265 Johann IV. (1604-1656), König von Portugal : 242f.; 278; 280 Johann Manuel von Portugal (1537- 1554): 259 Johanna von Spanien (15351573): 259 Johannes Chrysostomus (354407): 42f.; 93; 105; 117f.; 127 Johannes Paul II. (1978-2005 Papst): 36 Johannes von Antiochien (gest. 441): 102 Jonghe, Jean de SJ (1595-1669): 68 Josephus (37/38- ca.100): 95 Julius III. (1550-1555 Papst): 20; 31 Karl V. (1500-1558), Kaiser: 32; 37; 158f.; 275 Karl der Große (747/8-814), Kai-

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ser: 109 Kempen, Thomas von CRSA (ca. 1380-1471): 35 Kircher, Athanasius SJ (1601/ 1602-1680): 54 Kolumbus, Christoph (14511506): 160 Konstantin (270/288-337), röm. Kaiser: 56; 119 Laínez, Diego SJ (1512-1565) auch Jakob Laínez: 18; 47f.; 78; 248; 278 Laktanz (ca. 250-325): 42 Lamalle, Edmondo SJ (geb. 1957): 248f. Lansselius, Petrus SJ (gest. 1632): 89 a Lapide, Cornelius SJ (15671637): 44; 78; 83-86; 89-93; 99-105; 108; 112; 114-125; 135; 140-145; 288; 290; 295; 298; 303 Las Casas, Bartolomé de OP (1474-1566): 155; 158f.; 161; 259; 262; 280 Lazeri, Peter SJ (1710-1789): 27 Ledesma, Diego de SJ (15191575): 25; 162 Leite, Goncalo SJ (1546-1603): 257 Leo XIII. (1878-1903 Papst): 41; 277 León, Luis de OESA (1527-1591): 34 Lessius, Leonhard SJ (15541623): 67; 215 Lippomano, Luigi (1496-1559): 101 Locke, John (1632-1704): 2 Lombardus, Petrus (ca. 1095/

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Personenregister

1100-1160): 19; 45-47; 73; 152; 157 López de Vivero, Juan (14501524) auch Juan de Palacios Rubios: 161; 210 Lorin, Jean de SJ (1559-1634): 78; 93; 99; 142f.; 289 Lubac, Henri de SJ (1896-1991): 12-14 Ludovisi, Alessandro siehe: Gregor XV. Ludovisi, Lavinia (1659-1682): 132 Ludovisi, Ludovico (1595/16211632): 79; 132f.; 139 Ludovisi, Orazio (1561-1640): 132 Ludwig XIV. (1638-1715), König von Frankreich: 70 Lugo, Bartholomeo de OP (16. Jh.): 46 Lugo, Juan de SJ (1583-1660) auch Johannes de Lugo: 3; 7; 15; 169; 176; 185-200; 202206; 208; 210; 212f.; 215; 225; 227; 233; 240; 292f.; 301 Luisa de Guzmán (1613-1666), Königin von Portugal: 280 Lupus, Christian OESA (16121681): 68 Luther, Martin (1483-1546): 30; 39; 42; 56; 58-60; 62; 68; 118; 300 Magus, Simon (gest. 65 n. Chr.): 39 Major, Johannes (1467-1550): auch Johannes Maior/ Mair 160; 210 Malak Sagad III. siehe: Sissinios Maldonatus, Joannes SJ (1533-

1583): 34 Mancinelli, Giulio SJ (15371618): 254f. Manera, Mariano SJ auch Mariano Manieri: 250-252 Mansilhas, Francisco SJ (16. Jh.), Missionar in Südindien: 269 Manuzio der Ältere, Aldo (14491515): 43; 57 Manuzio der Jüngere, Aldo (15471597): 44 Manuzio, Paolo (1512-1574): 43 Marcellus II. (1555 Papst): 31f.; 36 Marcion (ca. 85-ca. 160): 39 Mariana, Juan de SJ (1536-1624): 55; 77; 83; 88f.; 99; 102; 105; 112 Martin, Affonso: 266 Martínez de Cantalapiedra, Martín (1515-1579): 34 Mauro, Silvestro SJ (1619-1687): 7 Maurus, Rabanus OSB (780-856): 109f. Mazzuoli, M. Vincenzo SJ (um 1600): 28 Medici, Giovanni Angelo de’ siehe: Pius IV. Medici, Giulio de’ siehe: Clemens VII. Medina, Bartolomé de OP (15271581): 34; 216 Melanchthon, Philipp (14971560): 42 Melech Sala (gest. ca. 1250), Sultan von Ägypten: 116 Menochio, Giovanni Stephano SJ (1575-1655): 77; 79; 83; 88; 99; 102; 105; 114; 132-139; 145

Personenregister

Mercurian, Everard SJ (15141580): 26; 256; 278 Moerbeke, Wilhelm von OP (1215-1286): 150 Molina, Luis de SJ (1535/15361600): 6f.; 15; 60-66; 155; 158; 169; 176-187; 189-191; 194f.; 200; 203; 210-213; 215; 222; 224f.; 227-230; 290-292; 299301 Montoya, Ruiz de SJ (1585-1652): 260 Montserrat, Antonio de SJ (15361600): 281; 283f. Morone, Giovanni (1509-1580): 20; 43 Muhammad (Prophet) (ca. 570632): 296 Musculus, Wolfgang (1497-1563): 56 Nadal, Jeronimo SJ (1507-1580): 19; 23; 32; 248 Neri, Philipp CO (1515-1595): 35 Newton, Thomas (1704-1782): 81 Ockham, Wilhelm von (ca. 12861349): 59 Olave, Martin SJ (1507/8-1556): 162 Oleaster (gest. 1563) auch Hieronymus de Azambuja: 101 Origenes (ca. 185-253/254): 56; 93 Paèz, Pedro SJ (1564-1622): 281284 Palude, Petrus von (gest. 1342): 159 Parra, Pedro de SJ (1531-nach 1588) auch Petrus Parra: 147;

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222 Paul III. (1534-1549 Papst): 17; 158; 260; 264; 302 Paul IV. (1555-1559 Papst): 32; 41; 47; 72; 119 Paul V. (1605-1621 Papst): 60; 168; 252; 258 Paulus von Tarsus (vor 10-nach 60): 30; 40; 65; 81; 114-118; 121-123; 126; 130f.; 133; 135; 139 Pedro II. (1648-1706), König von Portugal: 281 Perera, Benito SJ (1535-1610) auch Benito Pereira: 6f.; 44; 48; 78; 83; 89-92; 94-99; 112; 114; 125; 129-132; 141f.; 144; 284; 296 Pérez, Antonio SJ (1599-1649): 3; 15; 204; 206-210; 213; 293 Petau, Denis SJ (1583-1652): 69 Philipp II. (1527-1598), König von Spanien: 3; 162; 179; 190; 228; 242; 258 Philipp III. (1578-1621), König von Spanien: 242 Philipp IV. (1605-1665), König von Spanien: 242f. Philo von Alexandrien (15/10 n. Chr.-ca. 40 n. Chr.): 84; 96; 98; 142 Pisanus, Alphonso (1528-1598): 57 Pius IV. (1559-1565 Papst): 32; 41; 43 Pius V. (1566-1572 Papst): 32f.; 40f.; 43; 45; 47f.; 67 Pius IX. (1846-1878 Papst): 277 Pius XII. (1939-1958 Papst): 284 Platon (428/427 v.Chr.-348/347 v. Chr.): 39; 84

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Personenregister

Polanco, Juan Alonso de SJ (1517-1576): 17f.; 24; 248 Politi, Lancelotto de siehe: Ambrosius Catharinus Politus OP Politus, Ambrosius Catharinus, OP (1484-1553) auch Lancelotto de’Politi: 46 Poussines, Pierre SJ (1609-1686): 79 Prokop von Gaza (465-528): 106; 111 Pufendorf, Samuel von (16321694): 2 Rhenanus, Beatus (1485-1547): 56 Ricci, Matteo SJ (1552-1610): 53; 272-275 Richelieu (1585-1642) ArmandJean du Plessis, Premier Duc de Richelieu: 70 Rodriguez, Simão (1510-1579): 278 Romero SJ (um 1600), Missionar in Paraguay: 263 Rufin von Aquileia (ca. 345411/412): 55f. Sa, Emanuel SJ (1530-1596): 32; 77; 83; 88-99; 102; 105; 112; 222-230; 240; 293 Sacchini, Francesco (1570-1625): 79 Salmeron, Alfonso SJ (15151585): 248 Sánchez, Tomás SJ (1550-1610): 192 Sandoval, Alonso de SJ (15761651): 276-278; 285; 297; 302 Sankt Viktor, Hugo von CRSA (um 1097-1141): 86; 218; 232 Savonarola, P. Girolamo OP

(1452-1498): 44f. Sebastian I. (1554-1578), König von Portugal: 259 Selim I. (1470/ reg. Sultan 15121520): 116 Seneca (4 v.Chr.-65 n. Chr.): 79 Sepúlveda, Juan Ginés de OP (1490-1573): 159; 161; 210 Seripando, Girolamo OESA (1493-1563): 43; 59 Sevilla, Isidor von (560-636): 110; 143 Sextus Pomponius (2. Jh. n. Chr.), röm. Jurist: 212 Siena, Sixtus von OP (15201569): 32f. Silva, Melchior da (um 1600), Missionar in Äthiopien: 282 Silvester (314-335 Papst): 56 Sirleto, Guglielmo (1514-1585): 32; 34; 42 Sirmond, Antoine SJ (1591-1643): 230 Sissinios (reg. 1607-1632), Kaiser von Äthiopien: 282 Sixtus IV. (1471-1484 Papst): 35 Sixtus V. (1585-1590 Papst): 35; 78 Sokrates (469 v.Chr.-399 v.Chr.): 35 Sokrates Scholastikos (ca. 380-ca. 440): 55f. Soto, Domingo de OP (14951560): 60; 155; 158; 165; 168; 170f.; 174; 176f.; 179; 184; 210; 216 Sozomenos (ca. 380-ca. 440) 55f. Spee, Friedrich SJ (1591-1635): 243 Spinelli, Pierantonio (1555-1615):

Personenregister

252f. Schott, Andreas (1552-1587): 57 Suárez, Francisco SJ (1548-1617): 2f.; 6f.; 15; 61; 63-66; 68; 147; 155; 162-169; 176; 179; 184186; 204f.; 210-213; 215; 230; 232; 292f.; 295 Tamburini, Michelangelo SJ (1648-1730): 230 Taño, Francisco Diaz SJ (15931677): 260 Tertullian (ca. 160-ca. 220): 42 Theodoret von Kyrrhos (ca. 393ca. 460): 43; 55f.; 102; 104f. Theophylactus von Ohrid (ca. 1055-nach 1107): 117 Thomas von Aquin OP (1224/1225-1274): 6; 12f.; 15f.; 19; 27; 44-49; 58; 60-63; 66; 71-73; 78f.; 85f.; 100; 104; 117; 140; 142; 145-149; 151158; 160; 162-165; 169f.; 176; 208-211; 214f.; 222-224; 232; 240; 287-289; 291f.; 299 Thukydides (ca. 460 v.Chr.-ca. 400 v.Chr.): 57 Tiruvadi, Unnikê (16. Jh.) König von Quilon und SüdTinnevelly auch Inikitriberim: 269 Toledo, Francisco de SJ (15321596) 36; 54; 78; 114; 125129; 131f.; 144; 162; 215; 217222; 232; 239f.; 294 Torquemada, Juan de OP (13881468): 218 Torres, Baldasar SJ (1518-1561): 27 Torres, Francisco SJ (1509-1584): 57

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Trigault, Nicolas SJ (1577-1628): 273 Ulloa, Juan de SJ (1639-ca. 1725): 7 Urban VIII. (1623-1644 Papst): 3; 68; 132; 185f.; 255; 260; 264; 302 Urreta, Luis de OP (1570-1636): 283 Valencia, Gregor von SJ (15491603): 228 Valier, Agostino (1531-1606): 35f.; 42; 74 Valignano, Alessadro SJ (15391606): 278 Valla, Lorenzo (um 1406-1457): 31 van der Vecken, Franz SJ (15961664): 68 Vázquez, Gabriel (1549-1604): 6f.; 15; 161f.; 168-175; 212f.; 215; 230; 292f.; 301 Vidmann, Christoph SJ (17. Jh.): 68 Vieira, António Vieira SJ (16081697): 243; 278-281; 285f.; 297f.; 302 Vio, Thomas de OP (1469-1534) siehe: Cajetan Vitelleschi, Mutius SJ (15631645) auch Muzio oder Mutio Vitelleschi: 133; 185; 243 Vitoria, Francisco de OP (ca. 1483-1546): 46; 79; 155-159; 161; 164f.; 168; 171; 176; 184; 210; 216; 291 Xaver, Franz SJ (1506-1552) auch Francisco de Xavier: 18; 52;

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Personenregister

79; 244f.; 265-272; 278; 285; 295f. Za Dengel (reg. 1603-1604), Kaiser von Äthiopien: 282