Siegfried-Sigurd, der Drachenkämpfer: Untersuchungen zur germanisch-deutschen Heldensage. Zugleich ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des alteuropäischen Erzählgutes

Ein Vorwort wendet sich gewöhnlich an die kritischen Leser. Gemeint sind damit zunächst die Archäologen, in deren Forsch

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German Pages 166 [170] Year 1966

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Siegfried-Sigurd, der Drachenkämpfer: Untersuchungen zur germanisch-deutschen Heldensage. Zugleich ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des alteuropäischen Erzählgutes

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Table of contents :
Einleitung 1
Der hürnene Siegfried 6
Hornpanzer in der altfranzösischen Epik und der irischen Heldensage 13
Das Motiv im Lied vom Hürnen Siegfried 16
Das Motiv der Unverwundbarkeit 21
Der heroische Realismus: Schmied, Held und Jäger 29
Drachenblut und sympathetische Kräfte 35
Zur Quellenfrage 43
Spätantike "Drakontologie" 47
Zur Ikonographie und Topographie der Monstren 56
Die Möglichkeiten der Bildentlehnung 66
Der Schatzdrache 71
Zur Topographie des Kampfes 73
Der Beitrag der Bildzeugnisse 79
Die Sigurddarstellungen auf den Kreuzen der Isle of Man 82
Die sagengeschichtliche Bedeutung der Sigurdristningar 99
Das Jagdschema 103
Zusammenfassung 112
Verzeichnis der Bilddenkmäler 118
Register 122
Tafeln

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LANDSCHAFTSVERBAND RHEINISCHES

RHEINLAND

LANDESMUSEUM

BONN

UND VEREIN

VON

AL T E R T U M S F R E U N D E N

IM R H E I N L A N D E

BEIHEFTE DER BONNER JA H RBÜ C H ER B a n d 17

Sigurdstein von Kirk Andreas

EM IL PLO SS

SIEGFRIED - SIGURD, DER DRACHENKÄMPFER

U N T ER SU C H U N G EN ZU R G ERM A N ISCH -D EU TSCH EN HELDENSAGE

Zugleich ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des alteuropäischen Erzählgutes

1966

BÖHLAU VERLAG KÖ LN GRAZ

VORW ORT Ein Vorwort wendet sich gewöhnlich an die kritischen Leser. Gemeint sind damit zu­ nächst die Archäologen, in deren Forschungsgebiet ich hier, hoffentlich mit ihrem Wohl­ wollen, eingedrungen bin. Ich hoffe auf Verständnis und vor allem auf Nachsicht, da die au f gemeinsame Ziele gerichtete Forschung verschiedener Disziplinen wohl die Ü ber­ tretung der Grenzen erlaubt. Ich meine aber auch die Vertreter der germanischen Philo­ logie: Gerade dieser bescheidene und anspruchslose Weg zur Motivgeschichte und zu den Sachgütern kann sich auf alte Wünsche berufen — die freilich schwer zu erfüllen sind. Ein besonderes Anliegen dieses Vorwortes ist der D ank für R at und H ilfe. E r richtet sich vor allem an die Herren Professoren H ugo Kuhn und Joachim Werner, München und H arald von Petrikovits, Bonn. Viel verdanke ich auch den Herren Dr. Erik Moltke, Kopenhagen, Prof. H olger Arbman, Lund, D irektor D r. Vilhelm H olm qvist, Stock­ holm, D r. Erik N ylén, Visby au f Gotland, D r. Per Gjaerder, Bergen, Konservator M artin Blindheim, Oslo, Konservator Mr. Wilson, British Museum London, Prof. A. T. H atto, R adlett H erts., D irektor W. Cubbon, Douglas, Isle o f Man. Dankenswerte kritische Anmerkungen verdanke ich den Herren D r. K u rt Lindner, Bamberg und D r. László V ajda, München. M it H errn Prof. Gerhard Bersu habe ich au f der Isle o f M an mehrere Ausgrabungen besichtigen dürfen. E r hat m ir auch Einblick in seine M anu­ skripte und Karten gewährt. Mein D ank gilt schließlich H errn D r. Leo Weber, Bonn, der das M anuskript aufm erksam betreut und mir einige archäologische Hinweise gegeben hat, ebenso H errn D r. Heinrich Beck, der die Korrekturen mitgelesen hat. Von der Deut­ schen Forschungsgemeinschaft habe ich Reisestipendien erhalten.

München, im Dezember 1965

Em il Ernst Ploss

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Einleitung

ohne weiteres, daß sie einer ganz spezifischen Forschungsrichtung, dem Ritualism us3), verpflichtet ist. Die große T at des Heros und sein Tod seien in Spielen dargestellt w or­ den, im Drachenkampfspiel und einem Verfolgungsspiel4) in Tiergestalt oder Tiermaske. D as wiederholbare Spiel als kultische Größe wird der erzählerischen Gestaltung vorge­ ordnet, das D ram a v o r das Epos auch zeitlich gestellt. D a solche Spiele selbstverständ­ lich nur in ganz bestimmten und soziologisch auch bestimmbaren Personengruppen auf­ geführt wurden, kommen auch wesentliche Gesichtspunkte der Soziologie zur Geltung. Daß in den Spielen nach der Höflerschen Gleichung „H eldensage ist Heldenverehrung“ im Bilde des Vorzeitheros auch eine Aussage über die eigene geschichtliche Existenz ge­ macht wurde, ergibt sich als grundsätzliche Forderung aus dem Ritualism us. Wenn wir Stichworte wie Kultsoziologie, mythisches Geschichtsbewußtsein, Geschichtstheologie nennen, so mögen diese vorerst genügen, um die Forschungstendenzen zu markieren. An Höflers Arbeit zeigt sich übrigens auch eine deutliche methodische Parallele zu jenem Verfahren, nach dem einst Andreas Heusler5*) seinen Grundriß der germanischen Heldensage geschaffen hatte. H atte Heusler aus den im 12./13. Jahrhundert au f das Pergament gelangten Denkmälern die Heldenlieder des 5./6. Jahrhunderts erschlossen, so kommt Höfler auf einem recht ähnlich erscheinenden Weg zu einer Grundschicht wesentlich älterer kultischer Spiele. Den an Heusler und seine Schule gerichteten V or­ wurf, bestimmte hochmittelalterliche Denkm äler der Heldendichtung künstlerisch ent­ wertet zu haben, um sie dann wie einen Steinbruch abzubauen, kann man auch H öfler nicht ersparen. Wie denn überhaupt viele Arbeiten, in denen ein entschiedener Gegen­ satz zu Heusler angemeldet wird, „heuslerischer“ sind, als zugegeben w ird! M an könnte es auch verbindlicher ausdrücken, daß alle Versuche, die Heldendichtung und -sage au f ihren konkreten Ursprung zurückzuverfolgen, schließlich den Charakter kanonischer Modelle annehmen®). Mögen diese Modelle, mit denen die Schichtenfolge der Helden­ sage aufgelöst wird, kunstgesetzlich sein nach dem V orbild von Heusler oder kultsozio­ logisch usf., so beinhalten sie doch stets zahlreiche unhistorische Kriterien, die au f dem Wege der Interpretation in die erhaltenen Denkmäler, in das historische M aterial also hineingetragen werden. Charakteristisch ist für viele Untersuchungen zur Heldensage, daß sie nach dem Denk­ schema des Stammbaumes vorgehen, der au f einen durchaus erforschbaren Ursprung abzielt und davor eine T abula rasa setzt. Ich bezweifle es, ob es sinnvoll, ja möglich ist, für die Vor- und Frühgeschichte der europäischen Literatur geschlossene Systeme mit genetischer Linie aufzustellen. Dieser Zweifel muß auch dort angemeldet werden, wo mit geschichtslosen Kriterien, wie den nach C. G. Jungs V orbild au f allen möglichen 3) Zu der allg. Fragestellung vgl. M. Eliade, Die Religionen u. das Heilige (Salzburg 1954) bes. S. 463 ff. ( = Übersetzung von: Traité d’histoire des religions). 4) Zu den ält. Versuchen, inwiefern ein (möglicherweise sogar indogermanisches) Drachen­ kampfspiel erschlossen werden kann, vgl. die unübersichtliche Stoffkompilation s. v. Drache im Hdwb. d. dt. Aberglaubens. 5) A. Heusler, Nibelungensage u. Nibelungenlied (Neudr. d. 5. Aufl., Dortmund 1955) vgl. auch das dortige Nachwort von Helga Reuschel, S. 157 ff. ®) Für die methodisch entgegengesetzte Richtung der Phänomenologie liegt jetzt als Gesamt­ darstellung vor: C. M. Bowra, Heldendichtung. Eine vergleichende Phänomenologie der heroi­ schen Poesie aller Völker und Zeiten (Stuttgart 1964 = überarb. Übersetzung von Heroic Poetry 2nd Ed. London, Reprints of 1961, 64).

oral poetry

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Gebieten entwickelten Archetypen7), geschichtliche Stammbäume gezeichnet wurden. Um ein Bild aus einem anderen wissenschaftlichen Bereich zu gebrauchen: Eine frischgemut aufgestellte Theorie der Erdentstehung hat es heute sehr schwer, wissenschaftlich rang­ gleich zu sein mit einer hochspezialisierten Einzelarbeit über irgendeine Erscheinungs­ form der Materie. — Auch für den hier angeschnittenen Forschungsbereich müßten wie­ der Einzeluntersuchungen in ganzer Breite einsetzen von der Handschriftenkritik zur Strukturinterpretation, zu der eingehenden Erklärung der Sachgüter usw. Wenn ich in meiner Untersuchung von anderen Ansätzen ausgehen will, so möchte ich das zu einem guten Teil der Homerforschung nachmachen. D er eine Ansatz zielt auf die bewunderungswürdige Leistung des amerikanischen Gräzisten Milman P arry8): E r ging der Vorgeschichte der Ilias nach, indem er zunächst die Typologie der noch lebenden (südslawischen, afrikanischen, indonesischen) Heldendichtung studierte und den Begriff der oral poetry mit vielen Merkmalen formulierte. O ral poetry heißt nicht, daß Parry die alte Frage, ob es überhaupt möglich war, eine so umfangreiche Dichtung wie die Ilias ohne die Stütze der Schriftlichkeit zu schaffen und darauf im V ortrag zu reprodu­ zieren, habe negativ entscheiden wollen. Die oral poetry ragte vielmehr nach P arry mit so vielen Zweigen aus der völlig schriftlosen Zeit in die Zeit der Schriftkultur hinein, daß sie auf der Frühstufe des Buchepos bis in Vers und W ortlaut hinein verfolgt werden muß. Dieser Begriff der oral poetry darf auch nicht mit der Liedgestalt der germanischen Heldendichtung gleichgesetzt werden. D as Lied, nach A. Heusler und H . Schneider epische Leistung eines Dichters, wird von P arry und seiner Schule gewissermaßen „ergänzt“ , oral poetry einer Frühzeit müßte auch als Leistung und Leistungsmöglichkeit eines künstlerischen Kollektivs begriffen werden. Ihre völlige Anonymität in allen Kulturen beweise das ohnehin. D a es P arry nicht vergönnt w ar, ein Gesam tbild dieser Studien zu H om er zu geben, haben sein Schüler A. B. Lord und der englische G räzist C. M. Bow ra9) dies versucht. D as Ergebnis w ar kein Modell im herkömmlichen Sinn, sondern eher eine Reihe von Vorschlägen, wie man oral poetry, im engeren Sinne ihren epischen Anteil, exakt beschreiben könne. D ie wichtigsten, übereinstimmenden Merkmale wurden vorweg­ 7) Weitgehend eingeleitet durch die Züricher Eranos-Tagungen, auf denen das ArchetypusModell für so gut wie alle Kulturgebiete durchdiskutiert wurde. 8) Die wichtigsten Arbeiten von M. Parry: Studies in the Epic Technique of Oral Verse-Ma­ king, I: Homer and Homeric Style, II: The Homeric Language as the Language of an Oral Poetry, Harvard Studies in Classical Philology 41, 1943; ders., The Traditional Metapher in Homer, Classical Philology 28, 1933, 30 ff.; ders., Whole Formulaic Verses in Greek and Southslavic Song, Transact. Americ. Philol. Ass. 64, 1933, 179 ff.; ders., About Winged Words, Classical Philology 31, 1936, 357 ff. Da Parry früh verstorben ist, muß sein Gesamtwerk auch mit Hilfe der Schriften seiner Schüler und Mitarbeiter studiert werden. Ich nenne: A. B. Lord, Homer, Parry and Suso, Americ. Journal of Archeology 52 (1948), S. 34 ff.; ders., The Singer of the Tales (Cambridge/Mass. 1960), Harvard Studies in Comparative Literature 24; Rhys Carpenter, Folktale, Fiction and Saga in the Homeric Epics, Berkeley 1946 (Sather Classical Lectures 20). ®) C. M. Bowra hat eine bewunderungswürdige Leistung vollbracht. Sein Buch (s. Anm. 6) übernimmt zwar Gedanken von Parry (ebenso von Η. M. and N. K. Chadwick, The Growth of Literature, I-III, Cambridge 1932, 1940 und dems., The Heroic Age, Cambridge 1912, N. K. Chadwick, Russian Heroic Poetry, Cambridge 1932), ist jedoch eine sehr anregende Darstel­ lung, die ihre eigenwilligen Wege geht.

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Einleitung

genommen: Die Verserzählung wird fast stets um ihrer selbst willen vorgetragen. K om ­ positionseinheit ist der Einzelvers. Die starke Form elhaftigkeit der Sprache dient nicht nur zur Erleichterung der Versgestalt, sie ist überhaupt das hervorstechende Kennzei­ chen der oral poetry (und dauert im Buchepos fort). Die Form elhaftigkeit erstreckt sich nach Parry nicht nur auf die gleichbleibenden Attribute und die wiederkehrenden Verse, sondern auch auf M otive und Motivketten. Im Zentrum steht der H eld der T at, nicht des Zaubers, von ihm wird in der 3. Person gesprochen. In direkten, eingelegten Reden nehmen die Helden die M otivation der Plandlung vorweg. Es wird Wirklichkeitsnähe bis ins Detail angestrebt, besonders in Bewaffnung und Bekleidung. Alles Geschehen wird in einem Heldenzeitalter vereinigt, und die Tradition wird direkt darauf zurück­ geführt. D am it ergibt sich auch der unbedingte Wahrheitsanspruch10). Aufschlußreich ist, wie der epische V ortrag beschrieben w ird: D er Sänger (z. B. der südslawische Guslar) hat ein Repertoire von Heldenliedern, aber er kennt keines völlig „ausw endig“ , so wie wir ein Gedicht nach einem schriftlichen V orbild auswendig lernen können. E r kennt das Handlungsgerüst und verfügt über einen großen Schatz von For­ meln und vorgefertigten Versen, besonders jedoch von Dialogteilen. D as Publikum erwartet, daß der Schluß gleichbleibt und der an einem H öhepunkt der H andlung stehende D ialog. Die K inder als Publikum erwarten auch, wenn sie das Märchen vom Rotkäppchen hören, ganz analog die wörtlich genaue Frage und Antw ort: „E i Groß­ mutter, was hast du für große A ugen!“ — „daß ich dich besser sehen kann“ . U nd zuletzt muß der W olf mit den Wackersteinen sterben. Dagegen hat der Erzähler Freiheit, sich z. B. über den Inhalt des Korbes zu ergehen, den Rotkäppchen zur Großmutter bringt. — Der Erzähler, der Sänger tut mehr als nur vortragen, jeder V ortrag ist auch eine N euge­ staltung, der einer ständigen Im provisation eine Chance läßt. D er H aupteinwand, daß ja jede Num m er eines solchen Sängerrepertoires einmal au f eine Urschöpfung zurück­ gehen müsse, sollte nicht als Einwand gegen die Methode P arry ’s im ganzen gebraucht werden. P arry hat der Forschung den Zugang zu einer Mittelschicht geöffnet, zur For­ melhaftigkeit der epischen Sprache und ihrer zeitlichen Schichtung11). Diese Formel­ haftigkeit hat ja sehr oft in den sachlichen D etails an archaischen, an älteren und o ft­ mals genau datierbaren Zuständen, Sachgütern usw. festgehalten. D am it w ird es mög­ lich, im Feld der Überlieferung Punkte der Datierung und Lokalisierung anzubringen. Seit der M itte der 30er Jahre werden auch immer mehr Untersuchungen mit ähnlichen Zielen in der Homerforschung vor genommen. Es sei nur an so m arkante Werke erinnert wie Μ. P. Nilsson, H om er and Mycenae (London 1933); T. B. L. Webster, From Mycenae to H om er (London 1958). Wer sich auf einem solchen Wege den erhaltenen Denkmälern der germanischen Heldendichtung und -sage nähert, kann nicht hoffen, daß am Ende ein geschlossenes System steht. D as gilt auch für meine Arbeit: Ich möchte eine Reihe kleinerer Einzel­ untersuchungen zu einer A rt Kom m entar verbinden. Dieser Kom m entar folgt aber nicht 10) In dieser Zusammenfassung der Ergebnisse folge ich A. Lesky, Die Homerforschung in der Gegenwart (Wien 1952). u ) Unter Parry’s Leitung wurde im Rahmen der Widener-Library ein Band- und Schall­ plattenarchiv aufgebaut, in dem auch südslawische Guslaren an der Transskription der Vari­ anten teilnahmen.

Gang der Untersuchung

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Zeile für Zeile den dichterischen Zeugnissen über den Drachenkampf, sondern er faßt größere Motiveinheiten zusammen. Es muß bei einer Auswahl bleiben, und zw ar soldier Motive, die in archäologischer und soziologischer Hinsicht als besonders aussagekräftig erschienen. Die erste Untersuchung bezieht sich au f den hürnenen Siegfried der deutschen Nibelungendichtung. Eine andere Untersuchung befaßt sich mit der Vogelweissagung und so mit dem nordischen SigurSr Fáfnisbani. Sie wird als M otivkette mit dem antiken M aterial konfrontiert, das hier sehr interes­ sant ist, weil eine hellenistische Aretalogie des frühen dritten Jahrhunderts von einem Drachenkämpfer berichtet, der H erz und Leber des Ungeheuers verzehrte, um die Sprache der Vögel zu verstehen. Des weiteren soll die eigentümliche Tatsache behandelt werden, daß es für den Schauplatz des K am pfes eine stets sich wiederholende T opo­ graphie gibt. In die soziologischen Fragen führen die Bildzeugnisse am besten ein. Ich werde jene der Isle o f M an Abb. 1— 4 in die M itte stellen, um zu zeigen, warum Sigurd der Fafnirtöter zu einer Leitgestalt der Wikinger wurde. Es wird sich dartun lassen, daß gerade die bildlichen Darstellungen von Sigurds Drachenkam pf wichtige Angaben über das Alter der eddischen Liedgruppe vom Drachenhort machen.

DER H Ü R N EN E SIEGFRIED Wir treffen hier auf ein M otiv, das uns helfen kann, die Chronologie der Motive zu präzisieren: Siegfried w ar hürnen, das wußte man in Deutschland vom 12. Jahrh. bis über das Ja h r 1726 hinaus, in dem das „Volksbuch von dem gehörnten Siegfried“ erstmals erschien. Die Hornhaut ist nicht nur im Nibelungenlied (N L ), sondern auch in verschiedenen Zweigen der Dietrichsepik ein wesentliches Attribut Siegfrieds. Innerhalb der nordischen Ü ber­ lieferung wissen nur die Thidrekssaga12) davon und die Hvenische Chronik; die letztere erzählt, daß zu Wornitz ( ~ Worms) ein K äm pe Sigfred H orn gelebt habe. Sigfred habe in einem Brunnen gebadet, den ihm die W aldfrau Melusine gezeigt hatte13). Thidreks­ saga und Hvenische Chronik gehören ins 13. Jahrh. bzw. ins späte M ittelalter, sie schließen sich hier ganz an die deutsche Nibelungenüberlieferung an. Dagegen finden wir in den eddischen Zeugnissen keine Spur davon, daß Sigurd unver­ wundbar gewesen sei. D araus hatte man bisher den Schluß gezogen, daß das M otiv „deutsch“ sei, in die letzte Entwicklungsstufe des Nibelungenstoffes vor 1200 gehöre; erst einer der letzten Gestalter habe die Unverwundbarkeit Siegfrieds erfunden, und so sei dieses Charakteristikum als ein fortan wichtiges Movens der H andlung in das Nibelungenlied gekommen. Und doch zeigt sich hier einmal mehr, daß es längst notwen­ dig gewesen wäre, einen Realienkommentar zur Nibelungensage vorzubereiten. Zuvor jedoch ein Erklärungsvorschlag Heuslers! Ein dünner Faden schien von Siegfrieds D ra­ chenkampf zu Sigmunds K am p f mit dem Ungeheuer im altenglischen Beowulf-Gedicht (um 800) hinaufzuführen: Der Drache zerschmolz dort, nachdem ihn Sigmund mit dem Schwert durchstoßen hatte: wyrm hát gemealt (V. 897). Heusler hielt „die geschmolzene H ornhaut des D ra­ chens, die schon der Beow ulf bezeugt, für die ältere Quelle der Unverwundbarkeit und das Baden im Blut mit dem mehr zierlichen als überzeugenden Lindenblatt für eine Veredlung durch den Nibelungendichter“ . Eine noch genauere Bestimmung glaubte, wie schon oben erwähnt, H . Schneider geben zu können: „D as deutsche Drachenlied öffnet sich dann auch dem Märchenzauber: D as Bad im Drachenblut macht unverwundbar. D as frühere Hürnenwerden w ar minder zauberisch, vielleicht ganz realistisch gedacht: 12) Ausg. V . H. Bertelsen (Kopenhagen 1905—11) Bd. I S. 312 Z. 12— S. 313 Z. 1 er teptir sem horn se (Fingerprobe), oc nu feR han af sinum klœdum oc riSr a sic allan bloðinu. Par sem han ma til taka. 13) Danmarks gamle folkeviser, udg. af S. Grundtvig, I (Kopenhagen 1853) 38: . . . at til Wornitz war en kiempe wed nafn Sigfred Horn, . . ., thi saadan en horne-haardhed war udi alle hans lemmer, huilched er hannem wederfahrn af en brynd . . . Melusina wiste hannem.

Beowulf, Alexanderdiditung

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das zerschmolzene H orn mußte wieder hart werden14).“ Welche Vorstellung aber Vers 897 zugrunde liegt, zeigt vielleicht eine andere Stelle deutlicher, ebenfalls aus dem Beowulf (1557 ff.). Als der H eld mit Grendels Mutter käm pfte, versagte sein schlachterprobtes Schwert H runting — da gewahrte er in seiner N ot ein Riesenschwert an der Wand der Moorhöhle. D am it bezwang er Grendels Mutter, und mit ihm trennte er Grendel selbst, der reglos au f seinem Bett lag, den K o p f vom Rum pf. Aber das Schwert zerschmolz, „weil das Blut Grendels zu heiß, der Geist zu giftig w ar“ (Genzmer). Ein Vergleich der beiden Textstellen zeigt, daß sie einander sogar wörtlich gleichen: wyrm hat gemealt (897) — sweord