Siebenbürgen im südosteuropäischen Raum: Studien zur Siedlungsgeschichte des 9.–14. Jahrhunderts [1 ed.] 9783412527808, 9783412527785

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Siebenbürgen im südosteuropäischen Raum: Studien zur Siedlungsgeschichte des 9.–14. Jahrhunderts [1 ed.]
 9783412527808, 9783412527785

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siebenbürgisches archiv

Paul Niedermaier

Siebenbürgen im südosteuropäischen Raum Studien zur Siedlungsgeschichte des 9. – 14. Jahrhunderts

SIEBENBÜRGISCHES ARCHIV ARCHIV DES VEREINS FÜR SIEBENBÜRGISCHE LANDESKUNDE DRITTE FOLGE – HERAUSGEGEBEN VOM ARBEITSKREIS FÜR SIEBENBÜRGISCHE LANDESKUNDE

BAND 45

Siebenbürgen im südosteuropäischen Raum Studien zur Siedlungsgeschichte des 9.–14. Jahrhunderts

von

Paul Niedermaier

BÖHLAU VERLAG KÖLN WIEN

Das Siebenbürgische Archiv setzt in III. Folge die vier Bände der »Alten Folge« (1843–1850) und die 50 Bände der »Neuen Folge« (1853–1944) des »Archivs des Vereins für siebenbürgische Landeskunde« fort.

Dieser Band erscheint gleichzeitig in rumänischer Sprache im Bukarester Verlag der Rumänischen Akademie.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://www.dnb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Südosteuropäischer Raum. Nach Google Earth; Data SIO, NOAA, U.S. Navy, NGA, GEBCO, Image Landsat/Copernicus © 2023 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich). Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, V&R unipress und Wageningen Academic. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Gestaltung und Satz: Kraus PrePrint, Landsberg am Lech Umschlaggestaltung: Michael Haderer, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52780-8

I N H A LT

Einleitung ..................................................................................................... 9

PERIPHERE  RÄUME Marmatien/Maramureș – inmitten der Wälder ...................................... 16 Naturraum ............................................................................................. 16 Anthropogene Gliederung ................................................................... 22

Moldau und Bessarabien/Moldova – im Bereich der eurasischen Steppe ...................................................................................... 28 Naturraum ............................................................................................. 29 Besiedlungsvorgänge ........................................................................... 34 Gründung des Wojewodates „Moldau“ (Descălecat) ....................... 59 Untere Donau (Paristrion des Byzantinischen Reiches) .................... 63

Walachei/Muntenia und Oltenia – Westende der Steppe ..................... 65 Naturraum ............................................................................................. 65 Geschichtlicher Rahmen ....................................................................... 68 Archäologische Funde und Belege ...................................................... 74

Kreischgebiet/Crișana und Banat – Ostteil  des  Theißbeckens und Große Puszta ........................................................................................ 90 Gliederung des Naturraumes .............................................................. 90 Politische Entwicklung ......................................................................... 94 Verhaue und Warten ............................................................................. 105 Gliederung ............................................................................................. 111

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Inhalt

SIEBENBÜRGEN /ARDEAL Durch Gebirge geschützter Naturraum ................................................... 134 Höhenlage und Geländeformen .......................................................... 134 Klimatische Merkmale .......................................................................... 136 Böden ..................................................................................................... 140 Vegetation .............................................................................................. 142

Wechselnde Machtpotentiale .................................................................... 149 Allgemeiner Rahmen ............................................................................ 149 Gebiete Siebenbürgens ......................................................................... 157

Siedlungskammern ..................................................................................... 173 Rumänen im Norden Siebenbürgens .................................................. 175 Rumänen der Siebenbürgischen Westgebirge .................................... 176 Rumänen der Südkarpaten und der zugehörigen Senken ................ 178 Slawen .................................................................................................... 201 Ungarn ................................................................................................... 204 Szekler .................................................................................................... 207 Andere Hilfsvölker ............................................................................... 214 Erste Siedlungen westlicher Hospites ................................................. 220 Hospitessiedlungen in Südsiebenbürgen ........................................... 221 Hospitessiedlungen in Nordsiebenbürgen ......................................... 234

Begrenzungen und Verhaue ...................................................................... 239 Siebenbürgisches Becken ..................................................................... 239 Verhaue der Karpaten .......................................................................... 263 Zusammenfassung: Gliederung durch Verhaue ................................ 274

Gebietskörperschaften ................................................................................ 280 Politisch-administrative Gliederung ................................................... 280 Kirchliche Gliederung .......................................................................... 296

Inhalt

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Zentrum zwischen Einzelräumen ............................................................ 311 Gesamtraum .......................................................................................... 311 Gliederung ............................................................................................. 312

Anhang Bibliographische Abkürzungen ........................................................... 320 Verzeichnis der Abbildungen .............................................................. 326 Nachweis der Abbildungen ................................................................. 330 Synoptisches Ortsnamenregister ......................................................... 332

1. Gesamtraum (nach Google Earth, Data SIO, NOAA, U.S. Navy, NGA, GEBCO Image Landsat/Copernicus).

EINLEITUNG Trotz der Existenz einer ansässigen Bevölkerung drangen im frühen Mittelalter Nomaden der eurasischen Steppe in den untersuchten Raum ein und wurden in diesem zeitweise ein bestimmendes Element; es waren kriegerische Petschenegen, Magyaren, Kumanen, Oghusen, Mongolen und andere. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung wurden sie in fortschreitendem Maße ortsgebunden und die Vereinheitlichung von Räumen und Menschen, mit Fortschritten und Rückschritten, wurde durch Jahrhunderte ein bedeutendes Charakteristikum des südosteuropäischen Raumes, vornehmlich des heute rumänischen Gebietes. Der fortschreitende Zusammenschluss erfolgte unter dem Einfluss der byzantinischen und mitteleuropäischen Kultur. In gewissem Maße erscheint dadurch Siebenbürgen und dessen Umland als eine Synthese von Gebieten und Kulturen Europas. Da gab es alte Verbindungen mit dem Balkan und dem slawischen Raum, mit der nordpontischen Steppe und vor allem mit Mittel- und Westeuropa. So bildete der südosteuro­ päi­sche Raum durch Jahrhunderte eine Übergangszone und zugleich ein Vorwerk Mitteleuropas. Siebenbürgen befindet sich in der Mitte eines Dreieckes zwischen Wien (620 km weit), Istanbul (650 km weit) und Kiew (680 km weit). Wie das Umschlagbild und Abb. 1 zeigen, bildet das von Gebirgen umschlossene Becken im Karpatenbogen eine grüne Insel zwischen der nordpontischen und der pannonischen Steppe und Waldsteppe. Obwohl alle Einzelräume des Gebietes in der klimatologisch gemäßigten Zone liegen, könnten sie in kultureller Hinsicht kaum unterschiedlicher sein. Dabei gab es mannigfache Interaktionen (Abb. 2), die wesentlich seine Merkmale bestimmten: – Nördlich von Siebenbürgen, durch die breiten Waldkarpaten von den Ebenen Polens getrennt, war Marmatien (A) bis ins Mittelalter weitgehend von Wäldern bedeckt. Das kleine, isolierte Becken an der oberen Theiß widerspiegelt Merkmale einer älteren Zeit, als Europa noch weitgehend bewaldet war. – Östlich der Karpaten geht das Gebiet der mittelalterlichen Moldau (B) in die eurasische Steppe über, ein nach Osten offenes Gebiet (Abb. 193), in das lange Zeit Nomaden Asiens und Osteuropas einströmten; auch im Zusammenhang mit der Kiewer Rus war hier erst im hohen Mittelalter

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Einleitung

die Ausbildung der örtlichen Kultur möglich, die nur noch in geringem Maße von Nomaden geprägt war. – Südlich von Siebenbürgen, in der Walachei (C), setzte sich diese Steppe im Bărăgan fort, änderte aber weiter westlich zunehmend ihren Charakter und bildet gewissermaßen eine Bucht zwischen Karpaten und Balkangebirge. Beeinflusst von Byzanz und dem Bulgarischen Reich mit seinen wlachischen Komponenten, entstand, beginnend im vorkarpatischen Bergland, ein andersartiger Kulturraum, der in steigendem Maße von einer ansässigen Bevölkerung geprägt war. – Westlich von Siebenbürgen, gegen das Karpatenbecken hin (D), gegen das Kreischgebiet und das Banat, war die Waldsteppe der Theißebene ein anderer heftig umkämpfter Raum, der schon vor dem Jahr 900 im Spannungsfeld zwischen „Großmächten“ lag. Die siegreichen nomadischen Magyaren mussten jedoch nach einer verlorenen Schlacht von 955 gegen das Ostfränkische Reich das Nomadentum allmählich aufgeben und wurden dabei in wachsendem Maße von der Kultur Mittel- und Westeuropas geprägt. – Siebenbürgen (E) entwickelte sich zwischen diesen unterschiedlichen Gebieten, die sich sowohl durch die geographischen Gegebenheiten als auch durch die äußeren Einflüsse unterschieden. Auf drei Seiten, nach Norden, Osten und Süden, war es durch hohe Gebirgszüge der Karpaten begrenzt, die eine Verbindung Siebenbürgens mit den umliegenden Räumen einschränkten. Am ausgeprägtesten war

2. Siebenbürgen und dessen Umraum mit vordringenden Kräftepotentialen.

Einleitung

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die ursprüngliche Isolation gegenüber der Moldau. Bei der großen Zahl hinter- und nebeneinanderliegender Gebirgszüge konnten die Pässe der Ostkarpaten zwischen Siebenbürgen und der Moldau, die eine Scheitelhöhe von 1000 m und mehr haben, schwer überwunden werden. Die Übergänge wurden, etwa seit der Jahrtausendwende, von verschiedenen Hilfsvölkern der Magyaren, vor allem von Szeklern und Oghusen kontrolliert, was einen engen Austausch verhinderte. Anders gelagert war die Situation im Falle der Südkarpaten. Obwohl die Kämme dort eine merklich größere Höhe haben, waren die rumänischen Schafhirten die Herren der Berge; dementsprechend sind die Beziehungen zwischen dem immer schon rumänisch geprägten Südstreifen Siebenbürgens und dem Norden der Walachei eng gewesen. Entscheidend für die frühe Geschichte des Beckens im Karpatenbogen war die Westseite. Die Hatzeger Senke erlaubte einen günstigen Zugang für die Bulgaren, und die Siebenbürgischen Westgebirge ermöglichten über das Somescher Hochland und entlang des Mieresch eine Verbindung mit der Theißebene. Auf diesen beiden Routen konnten die Magyaren mit ihren Hilfsvölkern in Siebenbürgen eindringen und zwischen diesem und der Pannonischen Tiefebene eine Verbindung herstellen. Wegen der wertvollen Salzlagerstätten und günstigen Verbindungen westwärts hatten schon im 9. Jahrhundert die frühmittelalterlichen „Großmächte“ ein besonderes Interesse an Siebenbürgen – das Erste Bulgarische Reich und das Großmährische Reich. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung und den steigenden Möglichkeiten der Magyaren nach ihrem Eindringen in das Karpatenbecken, Ende des 9. Jahrhunderts, stieg auch deren Interesse an dem reichen Land Hinter dem Wald, dieses vor allem nach der vernichtenden Niederlage, die sie 955 im Westen, auf dem Lechfeld bei Augsburg erlitten hatten. Im Becken des Karpatenbogens stieg das Gelände von Westen nach Osten leicht an. In großen Zügen bedingte dieses die Bevölkerungsverteilung. In Zeiten, in denen die Bewohnerzahl klein war, befanden sich die dichter besiedelten Gebiete vorzugsweise im Westen, wo es wertvolle Salzvorkommen und klimatische Vorteile gab. Mit wachsender Bevölkerung weiteten sich die intensiver genutzten Siedlungsgebiete nach Osten aus. In Auseinandersetzung mit der ansässigen Bevölkerung drangen vor allem Magyaren aus der Theißebene nach Siebenbürgen vor. Wie Jahresringe an einem Baum, lassen sich Etappen von deren Besitznahme verfolgen, und zwar aus dem Westen bis zur Ostseite des Siebenbürgischen Beckens, wobei sich die Magyaren weitgehend ihrer Hilfsvölker bedienten. Auch durch anschließende Ansiedlungen – vor allem der nachmaligen Siebenbürger Sachsen – und den notwendigen politischen

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Einleitung

und kirchlichen Regelungen kam es in Siebenbürgen zu einer betonten Strukturierung, die den Charakter des Gebietes weitgehend beeinflusste. Nach dem rechtlichen Status und dem Entwicklungsstand der einzelnen Bevölkerungsgruppen mit den ihnen zugehörigen Räumen gab es von Gebiet zu Gebiet unterschiedliche Merkmale. Die vorliegende siedlungsgeschichtliche Arbeit versucht, diesen Elemen­ten nachzugehen und die Entstehung und Eigenart des südosteuropäischen Kulturraums herauszustellen, wobei nach Möglichkeit auf geschichtliche Elemente nicht weiter eingegangen wird. Dabei hält sich die Arbeit an zeitliche Grenzen. Jenseits der archäologischen Zeugnisse beginnen die Untersuchungen mit den konkreten Nachrichten bezüglich dieses Raumes – vor allem im Kontext der Auseinandersetzungen zwischen den örtlichen „Großmächten“ vom Ende des ersten Jahrtausends: Magya­ren und Bulgaren. Bei einer Fokussierung auf siedlungsgeschichtliche Vorgänge – und mithin auf wesentliche Umwälzungen – bildet den Abschluss der Erörterungen das Einpendeln der Situation in den verschiedenen Gebieten, zuletzt mit der Entstehung des Fürstentums Moldau nach der Mitte des 14. Jahrhunderts. Die Geschichte Siebenbürgens und der angrenzenden Gebiete wird in vielen Publikationen behandelt; auch in allgemeinen Geschichtsabhandlungen über Rumänien oder Ungarn bildet sie einen wichtigen Teil der Werke. Im Vergleich zu dem vorliegenden Band handelt es sich dabei vor allem um verschiedene Betrachtungsweisen der Vergangenheit. In den allgemeinen Werken werden vorwiegend politische, soziale und wirtschaftliche Strukturen besprochen, die für die Siedlungsgeschichte nur allgemeine Elemente der Entwicklung darstellen – selbst wenn sie Erklärungen für die verschiedenen Abläufe bieten. Es konnte sehr wohl von verschiedenen Arbeiten ausgegangen werden. In siedlungsgeschichtlicher Sicht sind vor allem die Übersichtskarten des Historisch-Landeskundlichen Atlas von Siebenbürgen wichtig, ebenso die Luftaufnahmen von Google Earth, doch mussten auch zusammenfassende allgemeine Synthesen verwendet werden. Nur in begrenztem Maße konnte auf Primärliteratur und Teilsynthesen zurückgegriffen werden. Für Siebenbürgen sind vor allem die Arbeiten von Otto Mittelstrass und Ștefan Pascu zu erwähnen.1 Im Falle Marmatiens gibt es eine wertvolle Arbeit von Radu Popa;2 im Falle der Moldau mehrere Bände von Victor Spinei und eine Reihe von Aufsätzen der leider viel zu früh verstorbenen Renate 1  O. Mittelstrass, Beiträge zur Siedlungsgeschichte Siebenbürgens im Mittelalter; Șt. Pascu, Voievodatul Transilvaniei, I. 2  R. Popa, Tara Maramureșului în veacul al XIV-lea.

Einleitung

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Möhlenkamp, die ihre Dissertation bilden sollten.3 Schließlich konnte für die Walachei auf die Dissertation von Adrian Ioniță zurückgegriffen werden.4 Dazu kommt die umfangreiche rumänische und ungarische Literatur, etwa mit Arbeiten von Kristó Gyula.5

3. Allgemeine Bevölkerungsentwicklung in Siebenbürgen.6 Das rot umrandete Feld ist im Kontext dieser Arbeit wichtig.

Eine aufwendige Analyse der Bevölkerungsentwicklung, ohne welche die siedlungsgeschichtlichen Entwicklungen nicht verstanden und nachvollzogen werden können, bietet einen wichtigen Ausgangspunkt für die vorliegenden Untersuchungen. Die ausführliche Begründung der darin enthaltenen Feststellungen kann hier nicht wiederholt werden, obwohl deren Resultate ständig berücksichtigt sind. Ähnlich wie im mittel- und westeuropäischen Raum ist im Prinzip für eine Frühzeit von sehr kleinen Werten für die Bevölkerungszahl auszugehen sowie von einem starken Wachstum für die Phase des „Landesausbaus“. Einen wesentlichen Einschnitt in der Entwicklung bildete der Schwarze Tod Mitte des 14. Jahrhunderts und später ein neuer Bevölkerungsverlust Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts (Abb. 3). Innerhalb des untersuchten Raumes gab es jedoch Unterschiede von Gegend zu Gegend; in Siebenbürgen vervielfachte sich die Bevölkerung vor dem Schwarzen Tod, während es in der Moldau und Walachei große Unterschiede von einer Zeitspanne zur andern gab, denn Zuwanderungen von Petschenegen, Kumanen und Mongolen (Tataren) führten zu bedeutenden Umwälzungen, ebenso der Zuzug von Magyaren in der Theißebene. Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich im Grunde genommen um mehrere Einzelstudien. Dadurch erklären sich Unterschiede zwischen den 3  V.

Spinei, Moldova în secolul XI-XIV; R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea. 5  G. Kristó, Ardealul timpuriu. 6  Nach P. Niedermaier, Habitatul medieval, S. 89-148; konkrete Anhaltspunkte für die Eckdaten der Diagramme finden sich auf S. 92-95, 105-108, 116-119, 124-130, 132-147. 4  A.

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Einleitung

einzelnen Kapiteln (z. B. bei der Ausarbeitung der Illustrationen), aber auch kleine Wiederholungen, die nur bei einer etappenweise synchronen Behandlung der verschiedenen Gebiete zu vermeiden gewesen wären – was vorläufig nicht möglich ist. In Anbetracht des gegenwärtigen Forschungsstandes auf siedlungsgeschichtlichem Gebiet hat die vorliegende Arbeit keinen Anspruch auf eine endgültige Beantwortung vieler Fragen. Es musste immer wieder von Hypothesen ausgegangen werden, die zwar wahrscheinlich sind, aber keine völlige Sicherheit bieten. (Der Umstand, dass mitunter in der Geschichtsforschung auch Hypothesen als unumstößliche Tatsachen betrachtet werden, kann keine Rechtfertigung sein.) Das Zurückgreifen auf Hypothesen widerspiegelt den gegenwärtigen Kenntnisstand. In nicht sehr ferner Zukunft wird die Zusammenführung palynologischer und dendrochronologischer Ermittlungen, von DNA-Profilen verschiedener Bevölkerungsgruppen sowie anderer Fachuntersuchungen einen tieferen Einblick auch in siedlungsgeschichtliche Zusammenhänge gewähren. Trotz alledem rechtfertigt das Verhältnis zwischen der vermutlichen Fehlerrate und den zusätzlich erzielten Informationen die Erstellung dieser Studie und die Verwendung von deren Resultaten. Wenn die Arbeit zu neuen Forschungen anregt, so hat sie ihren Zweck erfüllt. Allen, die an der Ausarbeitung dieser Abhandlung beteiligt waren, sei herzlich gedankt. Besonders nützlich war die Verwendung der Arbeiten des Historisch-Landeskundlichen Atlas von Siebenbürgen7 sowie der Luftaufnahmen von Google Earth. Ein Dank gilt Frau Isolde Huber für die Übersetzung des rumänischen Ausgangstextes über Siebenbürgen, Herrn Dr. Andrei Nacu und Frau Mariana Vlad für verschiedene kartographische Arbeiten, Frau Dr. Maria Crîngaci Țiplic für mehrere Hinweise und Frau Irma Walter führte eine orthographische Kontrolle des Textes durch. Hermannstadt, im Januar 2021

P. N.

7  Ch. Hermann, O. Mittelstrass, K. Niedermaier, Historisch-Landeskundlicher Atlas von Siebenbürgen/Übersichtskarten, Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde; O. Mittelstrass, Historischer Atlas von Siebenbürgen, Topographisches Ortsverzeichnis.

P E R I P H E R E    R ÄU M E

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Periphere Räume

M A R M AT I E N /M A R A M U R E Ș I N M I T T E N D E R W ÄL D E R Naturraum Marmatien liegt am Rand der Waldkarpaten. Dementsprechend gibt es nordöstlich davon breite, schützende Wälder und einstmals gab es solche auch südwestlich des Gebietes, so dass Marmatien für den Beginn des zweiten Jahrtausends als weitgehend bewaldet anzusehn ist. Damit handelte es sich um eine Landschaft, die jener in nördlicheren Breiten Europas entspricht (Abb. 4). Die geringe Bevölkerung war durch die Wälder geschützt und bewahrte lange Zeit frühe soziale Organisationsformen. Es handelt sich um einen relativ kleinen Raum am Nordrand Siebenbürgens. Während innerhalb Rumäniens die Fläche Siebenbürgens fast 57.000 km² beträgt, jene des Kreischgebietes rund 25.000 km² und jene des Banates fast 17.000 km², umfasst der heute zu Rumänien gehörige Teil Marmatiens lediglich etwas 4. Lage Marmatiens (nach Google Earth). mehr als 3.000 km² – also rund 5 % der Fläche Siebenbürgens. Fast zwei Drittel Marma­tiens gehören heute zur Ukraine. Während der ukrainische, nördliche Teil jedoch weitgehend gebirgig und dementsprechend schütter bewohnt ist, handelt es sich beim rumänischen Teil um eine Senke mit einer etwas dichteren Bevölkerung (Abb. 5, 6). R. Popa spricht von 43 Siedlungen im südlichen, rumänischen Teil Marmatiens und 57 Siedlungen im nördlichen, heute ukrainischen 5. Marmatien in den Karpaten.

Marmatien

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6. Höhenlage im südlichen Teil Marmatiens (nach: Andrei Nacu). Komitate: I Ugocsa/Ungarn, II Sathmar, III Szolnok; IV Distrikt Bistritz; V Ukraine.

7. Heutige Bewaldung Marmatiens (nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus).

Teil.8 Dort gibt es ganz im Westen Marmatiens, bei Hust/Chust einen ebeneren Teil mit einem dichteren Siedlungsnetz. Ansonsten existieren im Nordosten enge Gebirgstäler und nur wenige Siedlungen. Im rumänischen Teil zweigt bei Sighet die Iza von der Theiß ab und weiter ostwärts das 8  R.

Popa, Țara Maramure­șului, S. 119.

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Periphere Räume

Wassertal (Abb. 12) mit dem Wischauer Bach. Im Bereich der Iza liegen die meisten Siedlungen (Abb. 6). Die Verteilung der Niederlassungen ist weitgehend an die Bodengestalt gebunden. Viele Siedlungen befinden sich in einer Höhe zwischen 300 und 500 m, nur wenige liegen tiefer oder höher. In der Nähe von Dörfern gibt es, oft in Hanglage, Felder auf künstlichen Terrassen, und dazu sind auch Wiesen, Weiden beziehungsweise Hochalmen zu erwähnen. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt in bewohnten Gebieten 6-10°C – ähnlich wie in Siebenbürgen, aber die Zahl der frostfreien Tage ist in Marmatien größer. Merklich größer sind vor allem die Niederschlagsmengen: In den meisten Gegenden betragen sie 1200 mm/Jahr, im Vergleich zu 600700 mm in Siebenbürgen. Diese relativ günstigen Werte sind weitgehend von den großen umliegenden Wäldern bestimmt, die auch eine relativ konstante Wasserführung der Bäche und Flüsse bestimmen. In der Vergangenheit war die Gegend noch stärker bewaldet. Dafür ist eine Urkunde des Jahres 1231 aufschlussreich9 – selbst wenn sich diese nicht unmittelbar auf Marmatien bezieht, sondern auf ein benachbartes

Nistru Somesch

Keykus

Finteus LăpuȘ

8. Beiläufige Grenzen des Keykus- und des Finteus-Waldes (Hintergrund: Google Earth, Image Landsat/ Copernicus).

Gebiet, die Laposcher Senke (ein kleiner Teil davon erscheint auf Abb. 8 und 6 bzw. 7 links unten; dabei spielt es keine Rolle, dass die Ortung der einzelnen Punkte schwierig ist.) Es handelt sich um zwei Wälder, die „Keykus“ (Chechiș) und „Finteus“ (Finteuș) genannt werden. Eine Analyse der Flurnamen ergibt zahlreiche Resultate. Eindeutig spricht zunächst die große Zahl der Flurnamen für eine beträchtliche Größe der beiden Wälder. Einige Namen lassen sich 9  DIR,

C, sec. XI, XII, XIII, I, S. 251-254.

Marmatien

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auch identifizieren und diese stehen für weit auseinanderliegende Orte (Abb. 8). Die Grenze des Keykus-Waldes begann in der Nähe von Neustadt (Frauenbach)/Baia Mare, bei der Mündung des Nistru in den Somesch. Sie überquert den Fluss, verlief in die Codru-Berge, dann zurück und zum Lăpuș-Bach, diesen hinauf bis auf den Kamm des Lăpuș- und GutâiGebirges, dann in Westrichtung zum Ausgangspunkt zurück. Auch die Grenze des Finteuș-Waldes verläuft entlang des Lăpuș-Baches und des Somesch, führt weiter in die Codru-Berge und zurück, dann flussaufwärts und auch auf den Kamm des Gutâi-Gebirges (Abb. 8).10 Das heute wegen des Bergbaus dicht bewohnte Gebiet war einstmals bewaldet und an seinen Grenzen werden in der Urkunde weitere neun Wälder erwähnt. Im Vergleich zur Laposcher Senke dürften auch die Wälder Marmatiens viel ausgedehnter gewesen sein. Die einstige Bewaldung stand in direktem Zusammenhang mit der Bevölkerungszahl und deren Veränderungen. Für das 14. Jahrhundert schätzte Radu Popa die Bevölkerung auf 8.000 - 10.000 Bewohner;11 diese Vermutung hat zwar keine solide Grundlage, aber sie stimmt recht genau mit neueren Berechnungen überein: für die Zeit vor dem Schwarzen Tod, der großen Pestepidemie Mitte des 14. Jahrhunderts, ließ sich eine Bevölkerungszahl von 11.000 Bewohnern ermitteln, für die Zeit nach der Epidemie eine von 7.700; dagegen gab es vor der Mitte des 13. Jahrhunderts, vor dem Mongoleneinfall von 1241/1242, nur etwa 2.200 Bewohner.12 Schwieriger wird eine Beurteilung der Lage für die vorhergegangene Zeit. Dafür kann vorläufig nur die Wachstumsrate in anderen Gegenden Europas zugrunde gelegt werden. Diese war in verschiedenen Ländern unterschiedlich: Zwischen 1000 und 1241 wuchs die Bevölkerung in England um das 2,3fache, in Frankreich um das 2,4fache und weiter östlich, in Deutschland um das 3,5fache. Geht man von 2.200 Bewohnern Marmatiens um 1241 aus, so ergibt sich für das Jahr 1000 nach dem Bevölkerungswachstum in England eine Zahl von 960 Bewohnern, nach dem in Frankreich von 920 Bewohnern und nach jenem in Deutschland von 630.13 Für die Zeit kurz vor dem Jahr 900, als sich die Magyaren in der Theißebene niederließen, sind die Werte sicher kleiner gewesen: Es könnte sich damals um 500 Menschen gehandelt haben14 – diese Zahl 10  An der Grenze zu Marmatien hilft die Identifikation zahlreicher Örtlichkeiten durch R. Popa (Țara Maramureșului, S. 58-121) weiter. Dabei zeigte er Parallelen auf, die einem andern nicht in den Sinn kommen. 11  R. Popa, Țara Maramureșului, S. 120. 12  P. Niedermaier, Habitatul medieval, S. 107, 118, 128. 13  P. Niedermaier, Habitatul medieval, S. 108. 14  P. Niedermaier, Habitatul medieval, S. 93.

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Periphere Räume

entspricht weniger als 100 Familien. Ob sie Nomaden waren oder in etwa zehn Dörfern zusammenwohnten, wissen wir nicht – doch ist ersteres wahrscheinlicher.15 Auch erwähnt Radu Popa keine Funde, die vor das 12. Jahrhundert zurückgehen. In dem Kontext der Theißebene schreibt Anonymus, der Verfasser der Gesta Hungarorum, von einem „Dux Blacorum et Schavorum“, der in der Pannonischen Tiefebene gelebt haben soll.16 Ștefan Pascu weist in seinem Buch Voievodatul Transilva­ niei auf eine ganze Reihe rumäni9. Verbreitung der Siedlungskammern scher Distrikte hin,17 die sich an der Westseite des Semenic und der Siebenbürgischen Westgebirge befanden – für gewöhnlich an relativ geschützten Orten, am Anfang von Tälern (Abb. 9). Diese Reihe setzte sich in Marmatien fort und dazu schreibt Radu Popa, es sei nicht auszuschließen, „dass es im 11./12. Jahrhundert, in der Zeit, als die Ungarn in Transilvanien eindrangen […], gewisse Volksverschiebungen gab, und eine zentrifugale Bewegung der Rumänen in Randgebiete“.18 Die Reihung solcher Gebiete setzt sich in der Slowakei, in Senken der Karpaten, bis an die heutige mährische Grenze fort (Abb. 9); dort, in Roź­ nov pod Radhoštĕm, gibt es auch ein Freilichtmuseum der Wlachischen Architektur (Valašské muzeum v přírodĕ), das wegen seiner Holzbauten berühmt ist. Vor allem die Siedlerhorste der Slowakei werfen Fragen auf. Nach der landläufigen Annahme der Historiker sollen deren Rumänen aus Marmatien eingewandert sein. Zieht man jedoch die geringe, für eine mittelalterliche Besiedlung günstige Fläche Marmatiens in Betracht, so erscheint diese Vermutung unannehmbar. Viel eher liegt der Gedanke nahe, dass die Bewohner dieser Distrikte ursprünglich auch in der Pannonischen Tiefebene lebten, von wo die Hirten beim Vordringen der Magyaren19, Stadtmüler, Geschichte Südosteuropas, S. 51. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 175. 17  Șt. Pascu, Voievodatul Transilvaniei, I, S. 210-217. 18  R. Popa, Țara Maramureșului, S. 52; s. auch S. 128. 19  Șt. Pascu, Voievodatul Transilvaniei, I, S. 47, 48. 15  G. 16  K.

Marmatien

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und den lange währenden Unruhen20 dieser Zeit, an den Fuß der Berge und in die Senken des Gebirges flüchteten.21 Bei der Einwanderung nach Marmatien dürfte die vermutete Überquerungsstelle über die Randgebirge der Huta-Pass (587 m; Abb. 6) gewesen sein. Dieser war durch die Țara Oașului zu erreichen – entweder über Sathmar oder über Seini (30 km aufwärts im Someschtal, unmittelbar am Fuß des Igniș-Gebirges gelegen); da der Theiß-Durchbruch durch das Gebirge bei Hust/Chust 70 km näher an Munkacs/Mukatschewe liegt, wo die Magyaren aus dem Vereczke-Pass in die Theißebene herauskamen und länger dort verblieben (Abb. 65),22 war die Gegend von Hust gefährlicher. Es ist auffällig, dass sich zwischen Hust und dem Huta-Pass kaum Spuren rumänischer Siedlungen finden; alle befinden sich weiter im Osten, in Räumen, die abseits der magyarischen Weidegebiete liegen. Im Osten Marmatiens waren die rumänischen Hirten vor den Magyaren sicherer. Es kann angenommen werden, dass die Hirten einzeln oder in kleineren Gruppen nach Marmatien einwanderten. Weiter ist es gut denkbar, dass von den etwa 77 Dörfern, die Radu Popa für das 14. Jahrhundert erwähnt,23 wenigstens ein kleiner Teil schon damals, rund 500 Jahre früher, Ende des 9., Anfang des 10. Jahrhunderts als Gemeinschaften entstanden sind – auch wenn die ältesten archäologisch erfassten Dorfspuren nicht vor das Ende des 13. Jahrhunderts zurückgehen. In archäologischer Beziehung spricht Popa nur von Zufallsfunden, die auf die Zeit vor dem 14. Jahrhundert weisen und deren Zahl gering ist.24 Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Bevölkerung zwischen dem Ende des 10. und der Mitte des 14. Jahrhunderts etwa auf das 15- bis 20fache anwuchs. Popa weist auch darauf hin, dass es selbst Ende des 13. Jahrhunderts genügend freie Flächen gab, auf denen sich Gemeinschaften von 20-30 Familien niederlassen konnten, ohne andere Gemeinschaften zu stören, dass es aber andererseits in Marmatien nur hörige Gemeinschaften gab.25 Abhängig von der Bevölkerungsentwicklung ist auch die Entwicklung der Landschaft zu beurteilen. Dabei gehen wir wieder zunächst von der Schätzung Popas aus: Er schreibt, dass im 14. Jahrhundert 5-10 % Marmatiens waldfrei waren,26 das heißt, dass 90-95 % bewaldet waren. Dieses Cronica Notarului Anonymus, S. 34-49. dazu auch Șt. Pascu, Voievodatul Transilvaniei, I, S. 33, 34. 22  Cronica Notarului Anonymus, S. 34, 35. 23  R. Popa, Țara Maramureșului, S. 114. 24  R. Popa, Țara Maramureșului, S. 271. 25  R. Popa, Țara Maramureșului, S. 138, 190. 26  R. Popa, Țara Maramureșului, S. 36-37. Popa verweist darauf, dass die meisten Veränderungen der Bewaldung in den letzten 200 Jahren erfolgten, dann aber bedeutungsvoll waren. 20  Dazu 21  Siehe

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stimmt wieder weitgehend mit neueren Berechnungen überein. Nach diesen machten Mitte des 14. Jahrhunderts Wald und Umland etwa 90 % der Gesamtfläche aus; auf Felder entfielen 3-4 % der Gesamtfläche und auf Wiesen und Weiden der Rest. Im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit änderten sich diese Werte nicht wesentlich. Ganz anders schaut allerdings die Bilanz für die Zeit des Mongoleneinfalls, also für Mitte des 13. Jahrhunderts aus. Damals bedeckten Wälder und Umland etwa 97 % der Gesamtfläche, während Felder, Wiesen und Weiden gemeinsam etwa 3 % der Fläche bedeckten.27 Geht man noch weiter zurück, so wird der Anteil des Waldes nicht viel größer gewesen sein, da es, den örtlichen natürlichen Bedingungen entsprechend, immer gewisse waldfreie Flächen gegeben haben wird – vor allem in Höhenlagen.

Anthropogene Gliederung Marmatien wurde nicht von den Magyaren besetzt, und auch andernorts befanden sich die Ränder der Siedlungsgebiete zunächst am Fuß der Berge; erst in einer nächsten Etappe wurden sie zu Grenzen, die auf Wasserscheiden verschoben worden sind. Die unbewohnten oder sehr schütter besiedelten Regionen wurden für gewöhnlich als Königsbesitz beziehungsweise als Königswald bezeichnet.28 Besitze auf diesem Grund wurden stillschweigend anerkannt und später gelegentlich auch urkundlich bestätigt. Das geschah auch bei ganzen Dörfern, in deren Fall es dann im 14. Jahrhundert hieß: „in seinen alten Grenzen“ oder „nach den Gepflogenheiten von Adligen“.29 Schon bei der Einwanderung der Hirten wird es einzelne führende Kräfte gegeben haben und diese werden in der neuen Heimat als „Knesen“ weitergewirkt haben. Da es sich anfangs um Nomaden handelte, gab es zunächst wohl keine geschlossenen Dörfer und Gemarkungen. Begrenzte Einzelgebiete waren gewiss relativ groß und dürften später den Ursprung der Talschaften gebildet haben (cnezate de vale). Anhand von Akten des 14. Jahrhunderts konnte Radu Popa in einzelnen Fällen die Grenzen solcher Gebiete bestimmen (Abb. 10)30. Deren Größe und Form ist jedoch so unterschiedlich und unnatürlich, dass diese nicht sehr viel mit den ursprünglichen Talschaften gemein haben dürften:

Niedermaier, Habitatul medieval, S. 276, 286-292. Popa, Țara Maramureșului, S. 46, 47, 169. 29  R. Popa, Țara Maramureșului, S. 168-177. 30  R. Popa, Țara Maramureșului, S. 152-164. 27  P.

28  R.

Marmatien

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10. Talschaften und Hospitesorte Marmatiens (nach Radu Popa, Hintergrund General­ karte Mitteleuropas).  und ••• Verhaue,  Hospites-Siedlungen.

1. Talschaft der Familie Bogdan (Bogdănești) a. Erbteil des Bogdan 136,1 km² b. Erbteil des Iuga 54,5 km² 2. Talschaft Cosău 15,3 km² 3. Talschaft Mara 25,0 km² 15,0 km² 4. Talschaft Varalia 5. Talschaft der Familie Dragoș (Drăgoșești; symbolisch eingezeichnet) ? 6. Talschaft Talabor (symbolisch eingezeichnet, fraglich) ? Nicht zufällig geht Radu Popa auf die Talschaft der Familie Bogdan näher ein. Diese umfasste 22 Dörfer und war nur deren wichtigster und größter Besitz, neben dem sie noch andere acht Besitze hatte. Bei einem solch großen Vermögen ist es kein Wunder, dass im Hauptort Cuhea zu der befestigten Residenz auch eine gemauerte Kirche gehörte.31 So zeichnet sich ein beachtliches Gut eines Adligen ab. Das Gleiche gilt für die Talschaft der Familie Dragoș (mit dem Ort Bedeu bei Langenfeld/Câmpulung la Tisa). 16-18 Dörfer gehörten dazu 31  R.

Popa, Țara Maramureșului, S. 152-154.

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Periphere Räume

und diese befanden sich in mehreren Tälern und könnten etwa 100 km² umfasst haben. Dabei wird gesagt, dass es sich ursprünglich um einen Besitz des Königs gehandelt habe.32 Dieses weist auf die rechtlichen Grundlagen der Talschaften hin. Es handelte sich dabei um vorstaatliche Institutionen, die nach althergebrachtem Recht funktionierten, aber allmählich ein immer höheres Entwicklungsstadium erreichten und sich bei der zunehmenden Integration in das ungarische Staatsgefüge allmählich auflösten.33 Hinzu kamen königliche Verleihungen für besondere Verdienste; dabei wurde unter Umständen sogar die unterschiedliche Rechtslage verschiedener Besitze erwähnt. Es gab Knesen, deren einzelne Besitze verschiedene Rechtsgrundlagen hatten und die zugleich auch Lokatoren waren („predia populosa et terra Olachorum incolis decorate in districtu Maramorosyensi“).34 Bei der unterschiedlichen Verteilung der Besitze war es natürlich, dass diese sich auch in sozialpolitischen Funktionen widerspiegelte: im Wojewodat. Zuerst wurde der Wojewode – es gab immer nur einen – von den Knesen der Talschaften gewählt, später war die Funktion jedoch erblich, wobei die Machtverhältnisse im Fall der „volahorum et serviencium […] regis“ ausschlaggebend waren.35 Wie im Fall der Talschaften sind auch die Knesate von ziemlich unregelmäßiger Form gewesen. Dafür könnten sich vielleicht örtliche Erklärungen finden, so dass nicht unbedingt Veränderungen dafür vorausgesetzt werden müssen. Sie dürften jünger als die Talschaften sein – und stehen wohl in engem Zusammenhang mit der Begrenzung der Dorfgemarkungen, die einer oder zwei Siedlungen entsprachen. Als solche werden sie zu einer Zeit entstanden sein, als die Bevölkerung sesshaft wurde. Innerhalb dieser Grenzen wurden allerdings die Weichbilder von Dörfern in manchen Fällen versetzt. Zunächst befanden sie sich meist an kleinen Bächen – also in einer versteckteren Lage, im 14. und 15. Jahrhundert aber an bedeutenderen Flüssen und Straßen.36 Dieses zeigt eine allgemeine Beruhigung der Verhältnisse. Bei den Gemarkungen der Knesate gab es auch große Unterschiede, was am ehesten durch bedeutende Veränderungen zu erklären ist. Auch für solche konnte R. Popa, in einzelnen Fällen, anhand von Akten des 14. Jahrhunderts die Grenzen bestimmen (Abb. 11)37: Popa, Țara Maramureșului, S. 163, 164. Popa, Țara Maramureșului, S. 146, 147, 151, 167. 34  R. Popa, Țara Maramureșului, S. 67, 160. 35  R. Popa, Țara Maramureșului, S. 67, 168, 201-205. 36  R. Popa, Țara Maramureșului, S. 43. 37  R. Popa, Țara Maramureșului, S. 152-164. 32  R. 33  R.

Marmatien

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1. Ieud/Cuhea 82,8 km² 2. Bârsana 216,6 km² 3. Giulești/Mestecăniș 25,0 km² 4. Vad/Tursad 72,4 km² 5. Virismort 14,8 km² 6. Sarasău 35,6 km² 7. Câmpulung 70,0 km² Wichtige Gliederungselemente waren in Marmatien die Verhaue. Solche sind vor allem an früheren Grenzen des Königreiches erwähnt – etwa am Rand des Komitates Bereg, wo die politischen 11. Knesate Marmatiens mit BegrenzunStrukturen angeblich um 1250 die alte gen nach Daten von R. Popa (HinterGrenze überschritten haben sollen. grund Generalkarte Mitteleuropas). Ebenso sind im Kontext von Hust und Wisk die „indagines silve Maramarosi“ erwähnt und für Breb 1442 die „in via indagines facientes cum verubus ligneis et alys fortalicys preparatis in eiusdem indaginibus“.38 Ob es bei der Klause des Iza-Tales unterhalb von Strâmtura, beziehungsweise bei jener im Vișeu-Tal unterhalb von Petrova einen Verhau gab, ist ungewiss, doch ist es auffällig, dass es sich auf deren Linie um die Grenze des Gesamtbesitzes der Bogdan-Familie handelte (Talschaft 1), ebenso bei der Klause talabwärts von Unterwischau (Vișeu de Jos), also an der Grenze zwischen den Teilen a und b der genannten Talschaft. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist mit einem Verhau zwischen Langenfeld/ Câmpulung la Tisa und Sarasău zu rechnen, wo der Flurname „Eisernes Tor“39 auf einen solchen hinweist – und zwar auf einen recht massiven. In diesem Kontext ist wohl auch Sarasău selbst zu erwähnen: Dort gab es eine Motte (also eine frühe Burg, bestehend aus einem Bergfried und einem Befestigungsring) und nach Popa könnte das ursprüngliche Weichbild des Dorfes auf das 12. Jahrhundert zurückgehen. Diese Grenze widerspiegelt sich weitgehend in der Ethnie der Bewohner. Oberhalb dieses Verhaues, also östlich davon, gibt es fast ausschließlich Rumänen und nur ausnahmsweise Reußen; unterhalb, also westlich davon, sind hingegen wenige rumänische Dörfer bezeugt (etwa Săpânța oder Bedeu, nahe beim Verhau); die überwiegende Anzahl der Orte gehörte Reußen zu. Diese Verteilung hat wohl ihre Gründe. Im Ostteil Marmatiens werden die rumänischen Hirten besser geschützt gewesen sein. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung entstanden aber auch einige 38  R. 39  R.

Popa, Țara Maramureșului, S. 40, 46-47, 244. Popa, Țara Maramureșului, S. 100.

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rumänische Dörfer westlich des Verhaues. Im Fall des Gutes des Dragoș von Bedeu ist urkundlich festgehalten, dass es sich dort ursprünglich um einen königlichen Besitz handelte, und das heißt: um ein etwas später besiedeltes Gebiet. Die Erwähnung der Reußen in Urkunden des 14. und vor allem des 15. Jahrhunderts ist belangvoll.40 Vor allem Flurnamen weisen die Existenz von Reußendörfern nach. Während jedoch die Feudalherren im 14./15. Jahrhundert fast ausschließlich Rumänen waren, wissen wir von keinem Reußen, der ein Dorf oder einen Teil eines solchen besaß. Eine relativ große Bedeutung hatten schließlich die deutschen und ungarischen Hospites, die hier bald nach 1271 urkundlich belegt sind.41 Ihre Ansiedlung erfolgte zum einen im Kontext von Salzgruben, die ein gesondertes Revier bildeten.42 Zum andern hatten die zugehörigen Orte eine große strategische Bedeutung. Von West nach Ost handelt es sich zunächst um Hust/Chust, das den Theiß-Durchbruch überwachte; dafür gab es dort auch eine Burg. Im Fall von Wisk/Visc/Vyškove ist die strategische Rolle nicht so eindeutig – es könnte sich um eine Kontrolle des nordwärts gelegenen Reußen-Gebietes handeln; später gab es in Wisk jedoch eine königliche Burg, die auf eine strategische Bedeutung des Ortes hinweist. Eindeutig ist die Situation in Deutschenau/Teceu/Tajačiv: Das Dorf liegt genau dort, wo der Weg vom Huta-Pass herunterkommt und wo es auch eine Burg gab43. In Langenfeld/Câmpulung la Tisa, gleich westwärts des zentralen Verhaues, wurde das Salz von Wagen auf Schiffe verladen. Schließlich liefen in Sigeth/Sighetul Marmației, an der Mündung der Iza in die Theiß, alle Wege des östlichen Teils von Marmatien zusammen, was auch hier eine strategische Bedeutung zur Folge hatte. Alle fünf Orte gehörten ursprünglich zum Komitat Ugocea. Zu erwähnen ist noch die Zugehörigkeit der weitaus meisten Rumänen und Reußen zur Orthodoxen Kirche. Die Eparchie „Maramarosiensis“ war ihrerseits, zumindest zeitweise, der Metropolie von Halič unterstellt, dem nächstgelegenen orthodoxen Zentrum. Dabei gab es sowohl Pfarrkirchen als auch Klöster,44 doch war deren Zahl relativ klein, so dass sich in diesem Kontext nicht das Problem einer Gliederung stellte. Versucht man das oben Genannte zusammenzufassen, so kann man von einem kleinen Mikrokosmos sprechen. Dieser hat sich jedoch in verschiePopa, Țara Maramureșului, S. 53, 55. Niedermaier, Städte, Dörfer, Baudenkmäler, S. 327-337. 42  P. Niedermaier, Städte, Dörfer, Baudenkmäler, S. 327. 43  R. Popa, Țara Maramureșului, S. 192. 44  R. Popa, Țara Maramureșului, S. 216, 217. 40  R. 41  P.

Marmatien

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densten Beziehungen weit über die Grenzen Marmatiens ausgewirkt. Politisch war er an der Entstehung des Wojewodats der Moldau beteiligt, wirtschaftlich beeinflusste der Salzexport den Niedergang der siebenbürgischen Salzgruben und kulturell hat er das Selbstverständnis der Rumänen beeinflusst.

12. Im Wassertal/Valea Vaserului.

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Periphere Räume

M O L D A U  U N D  B E S S A R A B I E N / M O L D O VA – IM BEREICH DER EURASISCHEN STEPPE Im Vergleich zu Marmatien rücken im Fall der Moldau und Bessarabiens ganz andere Problemfelder in den Vordergrund. In Marmatien handelte es sich um einen relativ kleinen, abgeschlossenen Raum und dort konnte man in Details gehen; es handelte sich um eine langsame, aber stetige Entwicklung, ohne wesentliche Umbrüche. Dagegen ist der Raum östlich der Karpaten groß und es gibt jenseits der archäologischen Grabungen kaum Anhaltspunkte für die Kenntnis seiner Entwicklung. Er ist zur eurasischen Steppe hin offen und erfuhr gerade aus siedlungsgeschichtlicher Sicht etliche radikale Umwälzungen. Es kamen und gingen verschiedene Völkerschaften, und mitunter blieben sie auch dort. Bei einer relativ kurzen Behandlung der Siedlungslandschaft stehen diese großen Veränderungen im Vordergrund; eine kleinräumige und differenzierte Erfassung ist unmöglich. Nach Hugo Weczerka45 bildet die Moldau siedlungsgeschichtlich einen Knotenpunkt Europas. Dort verläuft „eine bedeutende Landschafts-, Klimaund Kulturgrenze“. [Es hört die weitgehend von Gebirgszügen bedingte Gliederung Mitteleuropas auf,] „die von West nach Ost immer großmaschiger wird, und es beginnt die weite osteuropäische Steppe. […] Bis hierher reicht auch der Einfluss des Atlantiks auf das Klima; weiter östlich herrscht ausgesprochenes Kontinentalklima. [In kultureller Beziehung] berühren sich hier das römischkatholische West- und Mitteleuropa mit dem griechisch-orthodoxen Christentum und den Auswirkungen asiatischer Vorstellungen. Zu dieser West-Ost-Scheide tritt eine nord-südliche Abgrenzung hinzu, an welche die Moldau heranreicht; es ist die Sonderstellung der Balkanhalbinsel mit ihrer mannigfaltigen […] Gliederung […] in kleinste Teillandschaften [gegenüber einer großflächigeren Aufteilung der Hügelbereiche. Dadurch] ergibt sich ein doppelter Charakter der Moldau. [Zum Einen] ist sie geschütztes Vorland der Karpaten, welche ihren natürlichen Rückhalt bildet, […] zum Andern öffnen die Ausläufer der Steppe das Land fremden Einflüssen.“

45  H.

Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 15, 16.

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Über diese Steppe, die für die frühmittelalterliche Moldau eine bestimmende Bedeutung hatte, schreibt Renate Möhlenkamp46 ähnlich: Die „große Räume überspannenden, völkerwanderungszeitlichen Wellen, in deren Verlauf immer wieder aus dem asiatischen Raum abgedrängte Stammesverbände und Völkerschaften nach Westen auswichen, [waren] fast ein Jahrtausend lang eine dauernde Realität: der am Nordrand des Schwarzen Meeres sich erstreckende Steppenkorridor wies den Reitern den Weg zu den reiche Beute versprechenden Besitzungen der Anrainermächte oder auch zu Weideplätzen, wo sie endgültig sesshaft wurden; außerdem lud das Steppenland wegen der für die nomadische Lebensweise günstigen Bedingungen zum Verweilen ein, und es entstanden vorübergehend große Herrschaftsräume, von denen ausgehend man Plünderungszüge bis tief in die Waldsteppenregion durchführte. Zu den Bewohnern der Steppe gehörte eine Zahl von Reiternomaden – z. B. Hunnen, Awaren, Protobulgaren, Ungarn, Cabaren, Oghusen [Usen], [auch Petschenegen und Kumanen. Aber die] Anwesenheit [der Nomaden] im Raum westlich des Dnjestr widerspiegelt sich kaum in den Bodenfunden“ und mithin lässt sich deren Einfluss auch schwer greifen.

Naturraum Zu den Besonderheiten der Moldau gehört das Absteigen des Geländes von den Karpaten zur Steppe – von Höhen über 1800 m zum flachen Land mit Höhenlagen unter 100 m (Abb. 13). Im Ostteil des Gebietes erreichen die Berge im Norden bis zu 300 m Höhe, in der zentralen Jijia-Senke beträgt die Höhe weniger als 200 m, steigt dann im Zentralen Moldauer Hochland wieder auf über 400 m und fällt schließlich im Süden auf weniger als 15 m. Im Westteil der Moldau sind die Höhen weniger differenziert – im Allgemeinen betragen sie über 400 m, in den Gebirgen selbstverständlich mehr. Die wichtigsten Übergänge nach Siebenbürgen sind die Pässe: Ojtus (885 m), Ghimeș (1006 m) und Rotunda (1271 m). Dazu kommen noch Mușa (1100 m), Tihuța (1205), Prislop (1413) und andere. In vielen Fällen sind die Anreisewege bis zu den Pässen recht lang. Im Gegensatz zu diesem West-Ost-Gefälle verlaufen die wichtigen Flussläufe etwa in Nord-Süd-Richtung. Das gilt vor allem für den Pruth und den Dnjestr: sie strömen der Donau und dem Schwarzen Meer zu. Die Nord-Süd-Richtung des Verlaufes gilt aber weitgehend auch für die kleineren Flüsse – etwa für den Ialpug und den Cogâlnic und in gewissem Maße auch für den Bârlad. Selbst südlich des zentralen Hochlandes der Moldau (Podișul Central Moldovenesc), im Gebiet der Berge von Tutova und Fălciu sind die Bäche gleich ausgerichtet, so dass eine starke Gliederung in West-Ost46  R.

Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1995, S. 31.

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13. Hyposometrische Karte der Moldau (nach Andrei Nacu).

14. Moldauer Jijia-Senke (Atlas geografic,1965).

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Richtung entsteht, die ein Vordringen der Nomaden von Ost nach West erschwerte. Nur die Zuflüsse aus dem Bereich der Karpaten (Suceava, Moldau/Moldova, Goldene Bistritz/Bistrița, Trotuș und Putna) fließen von Nordwesten nach Südosten und das Gleiche gilt für die Zuflüsse im oberen Bereich des Pruth (Jijia, Bahlui) und des Dnjestr (Răut, Bâlc, Botna). Gewissermaßen in Verlängerung des zentralen Hochlandes der Moldau, östlich des Pruth, gegen den Dnjestr hin, steigt das Gelände wieder etwas an, vor allem in der Nähe des mittleren Dnjestr, wo es wieder Berge gibt, die eine östliche Begrenzung bilden. Hinzu kommt noch ein zweites Element. Von den Ausläufern der Waldkarpaten im Buchenland (Bucovina), im Norden der Moldau senkt sich das Gelände zur Moldauer Senke (Câmpia Moldovei). Von einem Höhenzug östlich des Siret bis zum Pruth erstreckt sich eine relativ große Senke, die einen günstigen Lebensraum für Nomaden oder Halbnomaden bildete und die ihrerseits aber auch mit der Steppe verbunden war (Abb. 14). Südlich davon stieg das Gelände zum Hochland wieder an, um schließlich zu der nordpontischen Steppe abzufallen, die für die Völkerwanderung und das Leben von Nomaden eine besondere Bedeutung hatte. Die Zergliederung des Geländes bildete einen gewissen Schutz für die ansässige Bevölkerung. Von der Hochfläche nach Norden gab es eine fast ununterbrochene Bergkette östlich des Sereth/ Siret, die bis zu 600 Metern Höhe aufragte und einen Schutz für den Westteil der Moldau bildete (Abb. 15). Auch am Fuß der Karpaten gab es etliche Senken, die gut gegen Nord- und Ostwinde schützten. Gegen die Goldene Horde in ihrer unmittelbaren Nähe boten sie jedoch kaum einen Schutz. Entscheidend für die Merkmale der Siedlungslandschaft waren klimatische Gegebenheiten. Sieht man vom Gebirge ab, so schwankt die mittlere Jahrestemperatur in dem heute zu Rumänien gehörenden Teil der Moldau zwischen 6° und 11°C; im größten Teil des Gebietes beträgt sie zwischen 8° und 11°C. Dabei ist es im Süden und Osten der 15. Bergketten und Senken am Fuß der Ostkarpaten (nach Atlas geografic 1965).

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16. Natürliche Vegetationszonen (Atlas 1979).  Wichtige Städte. Die Steppe im Süden ist der Butscheag, die Waldsteppe im Norden die Jijia-Senke.

Moldau bzw. Bessarabiens merklich wärmer als im Rest, im Nordwesten hingegen kälter. Im Vergleich zu Siebenbürgen ist das Moldauer Mittel merklich höher, denn in Siebenbürgen beträgt dieses 8-9°C und in vielen Gebieten weniger. Das Klima der Moldau ist vor allem kontinentaler und das bedeutet: größere Unterschiede zwischen Winter und Sommer. Differenzierter ist die Verteilung der Niederschläge. In deren Fall widerspiegelt sich weitgehend die Höhenlage der verschiedenen Gebiete. In der Nähe des Gebirges gibt es mehr Niederschläge (600 mm pro Jahr und teilweise 700 mm). Weniger Regen fällt in der zentralen Senke und vor allem im Süden der Moldau (400-500 mm). Dabei ist die Verbindung mit der weiten Steppenregion der heutigen Ukraine zu erkennen. Im Vergleich dazu ist in Siebenbürgen mit mehr als 600 mm Niederschlag

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pro Jahr zu rechnen – ein Wert, der in der Moldau nur im Gebirge und in dessen Nähe erreicht wird. Diese klimatischen Bedingungen stimmen weitgehend mit der Verbreitung der Braunerden überein. Westlich des Siret gibt es fast ausschließlich solche Böden, östlich des Flusses nur bei der erwähnten Ost-Bergkette (Abb. 15) und auf der zentralen Hochfläche, rund um den Bârlad-Fluss. Ansonsten herrschen überall Tschernoseme (Schwarzerdeböden) vor. Sicher ist nahezu das gesamte Gebiet westlich des Sereth bewaldet gewesen, aber nur im Norden der Moldau greifen die bewaldeten Flächen ostwärts über den Sereth hinüber (Abb. 16). Ein ähnliches Bild zeichnet sich in der natürlichen Vegetation Bessarabiens ab. Dabei gibt es natürliche Waldgebiete zwischen Jassy/Iași und Kischinew/Chișinău sowie entlang des Dnjestr. Waldsteppengebiete sind in der Jijia-Senke ausgedehnt, und dann im Süden, zwischen dem natürlichen Waldgebiet und der Steppe. In diesem Übergangsraum vom kontinental-gemäßigten zum kontinentalen Klima ist der enge Zusammenhang zwischen klimatischen Faktoren und

17. Nordpontische Steppe und Ostkarpaten, heutige Bewaldung (Google Earth, Data SIO, NOAA, U.S. Navy, NGA, GEBCO. Image Landsat/Copernicus).

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Bewaldung erstaunlich groß. Der Steppenstreifen wird von Osten nach Westen schmaler. In siedlungsgeschichtlicher Sicht war der Unterschied zwischen Steppe und Waldsteppe nicht übermäßig groß, denn auch die Waldsteppe wurde weitgehend von Nomaden und Halbnomaden genutzt; gemieden wurden von diesen nur die Waldgebiete. Unter anthropogenem Einfluss hat sich die Größe der Waldflächen sicher stark reduziert, nicht jedoch deren Verteilung. Dieses gilt nicht nur für die Ostkarpaten, sondern auch für geringere Höhenlagen Bessarabiens. Trotz der Veränderungen gibt auch die heutige Bewaldung wichtige Aufschlüsse. Nennenswert sind vor allem die Waldstreifen östlich und westlich des Sereth/Siret, die den Höhenzügen entsprechen – zumal der östliche Streifen im Wesentlichen auf dem Höhenzug liegt, also geländegebunden ist. Er bot gewiss einen wichtigen Schutz für das Gebiet westlich davon und reichte bis in die Nähe von Tecuci, ja sogar noch weiter südlich. Um den Zugang von Nomaden in dieses Gebiet zu erschweren, könnte es dort Hindernisse – vielleicht Verhaue – gegeben haben. Gleiches gilt auch für den Waldstreifen westlich des Sereth.

Besiedlungsvorgänge Ansässige Bevölkerung Extrem wenige schriftliche Quellen haben sich für das frühe Mittelalter der Moldau erhalten. Dementsprechend kann die Historiographie eher die Resultate der archäologischen Grabungen den Charakteristiken des Naturraumes gegenüberstellen. Einige Fragen sind jedoch von den Untersuchungen nur vage zu beant­worten, so dass in verschiedenen Beziehungen die Meinungen weit auseinandergehn. Für die Migratio­nen der frühmittelalterlichen Menschen waren nicht nur die Karpaten, sondern auch die Hochfläche der Moldau mit den angrenzenden Höhen Bessara­ biens ausschlaggebend. Aus dem Osten kommende Nomaden mieden diese Höhen (Abb. 18). Proto18. Völkerbewegungen (nach Google Earth).

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19. Funde der Dridu-Kultur, 9.-11. Jahrhundert (nach Victor Spinei).

bulgaren, Petschenegen und Kumanen wichen südwärts, in den Budschag aus, Ungarn, Szekler und Oghusen nordwärts, über Lemberg/Lwiw zum Verecke-Pass. Angeblich soll ein Teil der Szekler auch durch die engen, schwer gangbaren Täler der Ostkarpaten gezogen sein, doch ist diesbezüglich wohl nicht das letzte Wort gesprochen. Ein Eindringen in diese Täler ist allerdings im Fall der Oghusen nicht ausgeschlossen, zumal es ostwärts von Szeklerburg/Miercurea Ciuc das Tal „Valea Uzului“ gibt und der Name des Oituzpasses ebenfalls auf diese zurückgeführt werden kann. Nachdem die Ungarn und deren Hilfsvölker durchgezogen waren, zeichnete sich, entsprechend den Ergebnissen der archäologischen Grabungen, ein beiläufiges Bild der Verteilung der Funde ab, das in etwa die Verteilung der Bevölkerung um die Jahrtausendwende, zur Zeit der sogenannten Dridu-Kultur wiedergibt (Abb. 19) – einer Kultur, die auch Karpaten-Donau-Kultur oder Balkan-Donau-Kultur genannt wird,47 die nach 47  V.

Spinei, Marile Migrații, S. 107, 108.

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manchen Historikern mit dem Ersten Bulgarischen Reich in Zusammenhang stehen soll.48 Unabhängig von der Gesamtgliederung dieser Kultur in drei oder vier Phasen handelt es sich bei der Karte von Victor Spinei um die letzte Phase des Zeitabschnittes (9.-11. Jh.), die dem Beginn der hier untersuchten Periode entspricht.49 Nach der Kartierung handelt es sich in überraschend geringem Maße um Fundstellen in der Steppe, hingegen um viele an den Seen entlang der unteren Donau. Bei diesen könnte es sich um Winterquartiere der Nomaden handeln, während die gleichen Nomaden sommers in der Steppe keine klarer kenntlichen Spuren hinterließen; Victor Spinei rechnet sie, mit Einschränkungen, Rumänen zu,50 was mit der Verbreitung der Fundorte in Einklang stehen könnte. Auffallend ist die Verbreitung der Fundorte im Süden der Moldau. In diesem Zusammenhang ist nochmals an die verschiedenen Namen der Dridu-Kultur zu erinnern, die auf die Donau hinweisen und auf einen sehr weitläufigen Raum. Hingegen ist die Wahrscheinlichkeit einer engen Verbindung mit dem ostslawischen Raum nördlich der Moldau gering. Schon in der Jijia-Senke sind die Funde nicht sehr zahlreich. Da es westlich des Sereth ebenfalls relativ wenige Funde gibt, liegt auch eine Verbindung zu Siebenbürgen nicht auf der Hand. Jenseits dieser großflächigen Einfügung in geographische Koordinaten51 kann im Grunde genommen von drei großen Fundortgruppen gesprochen werden, wobei möglicherweise jede Gruppe einer gesonderten Bevölkerung zugeordnet werden kann: 1. Fundorte der Steppe, neben der unteren Donau und dem Donaudelta; 2. Fundorte des Waldsteppengebietes, zwischen Bârlad und Pruth; 3. Die etwas weniger kommassierten Fundorte des Waldgebietes entlang des mittleren Serethlaufes und weiter östlich bis in die Nähe des Pruth. Im Fall von abgesonderten Fundorten kann man selbstverständlich nicht von Gruppierungen sprechen. In historischer Sicht ist die Lage jedoch komplizierter. Nach der Keramik unterscheidet Spinei zwei Varianten der späten Dridu-Kultur, die sich wohl nicht klar gegeneinander abgrenzen lassen:52 48  V. Spinei, Moldova, S. 58, 83; R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1994/2, S. 205-212. 49  V. Spinei, Moldova, S. 83. 50  V. Spinei, Marile migrații, S. 44. 51  Leider konnten die schönen Kartierungen von L. Stratulat (Regiunea Carpato-Nistriană) hier nicht einbezogen werden; sie beziehen sich weitgehend auf eine vorhergehende Zeit und sind in verschiedenen Maßstäben gezeichnet. 52  V. Spinei, Moldova, S. 84.

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1. eine im Süden der Moldau, die mit jener im Osten der Walachei und dem Norden der Dobrudscha zusammenhängt, und 2. eine im Zentrum und Norden der Moldau, die an ältere Überlieferungen der sogenannten Hlincea-Kultur gebunden ist. Zwischen Pruth und Dnjestr werden sogar vier Phasen der Dridu-Kultur unterschieden, die nicht gleichzeitig existierten. „Vergleicht man im Bereich der Wald- und Waldsteppenzone zwischen Pruth und Dnjestr die Siedlungslage im 6./7. Jh. mit derjenigen im 8./9. Jh., so geht aus der Kartie­rung eine Bevölkerungszunahme […] hervor[; sie zeigt,] dass sich schon vorhandene Siedlungsgruppierungen ausweiteten und verdichteten, auch neue hinzukamen.“53 In den Karten sind die Funde der erfassten Phase der Dridu-Kultur für den Zeitraum von etwa zwei Jahrhunderten verzeichnet. Zieht man den großen Bevölkerungszuwachs Siebenbürgens54 als Vergleichsmaßstab heran, und stellt diesem die gleichzeitigen Veränderungen in Polen, in der Kiewer Rus und auch im Rest Europas gegenüber,55 so kann man für diese Phase der Dridu-Kultur in der Moldau von einem mindestens auf das Doppelte geschätzten Wachstum der Bevölkerung ausgehen. Das bedeutet allerdings nicht, dass sich die Zahl der Niederlassungen verdoppelt hat. Vermutlich gab es Zuwanderungen von Nomaden aus östlicheren Gebieten, so von Petschenegen, aber andere Stämme zogen auch weiter – etwa Teile der Ostslawen56 oder der Protobulgaren. Für solche Veränderungen gibt es viele Belege. So schreibt z. B. Renate Möhlenkamp: „Die zwischen Pruth und Dnjestr gelegenen Burgwälle und offenen Siedlungen wurden bis spätestens Anfang des 12. Jh. aufgegeben, als sich die Bevölkerung wegen Nomadeneinfällen aus dem Waldsteppengebiet [in Waldgebiete] zurückzog, und zwar zu verschiedenen Momenten, und sie demnach auch unterschiedlichen Umständen zugeschrieben werden [müssen] – im 11. Jh. den Petschenegen und Ende des gleichen Jh. oder Anfang des 12. Jh. den Kumanen.“57 Auch ein frühes Eindringen der Slawen in diesen Raum vollzog sich nicht friedlich.58 Dem statischen Kartenbild stehen dabei die ständigen Bevölkerungsbewegungen59 entgegen. In Chroniken ist von „Tiwerzen“ und „Ulitschen“ die Rede,60 die anscheinend zusammenfassende Begriffe waren.61 So wird Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1994/2, S. 208. Niedermaier, Habitatul medieval, S. 89-94. 55  J. C. Russel, Die Bevölkerung, S. 21-27; vgl. S. 50, 51. 56  V. Spinei, Moldova, S. 58, 200. 57  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1994/2, S. 210. 58  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1994/2, S. 206. 59  V. Spinei, Moldova, S. 55. 60  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1995, S. 34. 61  In einer Karte betreffend östliche Stämme gibt V. Spinei (Marile migrații, S. 110) konkrete von diesen bewohnte Gebiete an: für Tiwerzen in der Nähe des Dnjestr, für Ulitschen in der 53  R. 54  P.

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die Dridu-Kultur, deren Fundorte in der Karte festgehalten sind, einerseits als synkretistisch eingeschätzt, andererseits jedoch als uneinheitlich.62 Es vermengten sich seit dem Ende des 10. Jahrhunderts rumänische, alanobulgarische, petschenegische und slawische Elemente, wobei allerdings deren Anteil an der Gesamtbevölkerung verschiedenenorts unterschiedlich eingeschätzt wird (so spricht etwa D. C. Giurescu für die folgende Zeit von Slawen bzw. einer slawischen Oberschicht der Gesellschaft). Dazu gab es in der nordpontischen Steppe nomadische Turkvölker. Victor Spinei zählt eine Reihe von Gräbern auf, die diesen Völkerschaften zugehörten – kein einziges jedoch westlich des Sereth.63 Dabei ist auch die Existenz von Christen zu erwähnen (Abb. 25).64 Es ist verständlich, dass die frühe Oberhoheit über das Gebiet der Moldau wechselte. In Karten wird der westliche Teil der Moldau zunächst dem Ersten Bulgarischen Reich65 und den Alanen zugeschrieben, der östliche den Slawen. Ende des 9. Jahrhunderts befand sich dann der nordpontische Raum in der Hand der Petschenegen. Nach der Chronik des Anonymus überquerten letztere um 900 die Ostkarpaten und bedrängten im Westen Siebenbürgens den rumänischen Wojewoden Gelou.66 Im Zuge von Raubüberfällen bedrängten sie ebenso die Kiewer Rus, Byzanz und Ungarn. In Nordsiebenbürgen wurden sie 1068 bei Kyrieleis/Chiraleș geschlagen, als sie auf dem Rückzug zum Tihuța-Pass, also in die Moldau waren. Weiter östlich gehörte das Gebiet zwischen Pruth und Dnjestr vielleicht schon ab Ende des 9. Jahrhunderts zur Kiewer Rus; es musste durchquert werden, um zu der Schwarzmeerflotte zu gelangen, die Kiew noch im 11. Jahrhundert unterhielt, und da die Knesate Halič und Wolhynien zeitweise unter ungarische Oberherrschaft gerieten,67 wird die Moldau auch nicht ganz unbehelligt geblieben sein. Zwischen Pruth und Sereth, im Moldauer Hochland, in der Moldauer Senke und am Unterlauf des Bahlui, also in den Gebieten, in denen auch die Dridu-Kultur mit einer Vielzahl von Funden belegt ist, verbreitete sich nach der Mitte des 11. und im 12. Jahrhundert die Răducăneni-Kultur, die die Dridu-Kultur fortsetzte.68 „Vermutlich war diese Kultur auch westlich des Nähe des Bug. Dagegen lebten die Tiwerzen nach Atlas zur Weltgeschichte (I, München 1964, S. 110) zwischen Sereth und Pruth. Es ist also mit einer gewissen Unsicherheit zu rechnen. 62  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1994/2, S. 207. 63  V. Spinei, Moldova, S. 138; siehe auch S. 122-144. 64  D. Teodor, Creștinismul. 65  Zur Problematik siehe auch V. Spinei, Moldova, S. 85, 86. 66  Cronica Notarului Anonymus, S. 55. Siehe auch V. Spinei, Moldova, S. 122-128. 67  V. Spinei, Moldova, S. 66. 68  V. Spinei, Moldova, 1982, S. 83.

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20. Siedlungen der Răducăneni-Kultur, 11.-13. Jh. (nach V. Spinei, Moldova, Abb. 5).

Sereth und in der Steppenregion verbreitet.69 Im nördlichen Landesteil fehlt sie bislang völlig (nur am Unterlauf des Bahlui fand man Spuren) ebenso östlich des Pruth“70 (Abb. 20). Obwohl sich die örtliche Bevölkerung in bergige Waldgebiete zurückzog, die als Zufluchtsgebiet günstiger waren,71 gab es allem Anschein nach doch auch einen Kontakt zwischen dieser Bevölkerung und den Nomaden.72 Die relativ wenigen Funde der Răducăneni-Kultur wurden zum Großteil im Waldsteppengebiet gemacht; nur ein Fundort befindet sich in der Steppe und ein zweiter an deren Nordrand. Weiter ist auffällig, dass die entdeckten Siedlungsreste sich fast ausschließlich zwischen dem Pruth und dem Bârlad befinden (wo auch schon die Funde der Dridu-Kultur 69  Möglicherweise

gehen gebietsweise Dridu- und Răducăneni-Kultur teils parallel.

70  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1995, S. 36; V. Spinei, Moldova, S. 86, 87.

71  Der Begriff „Răducăneni-Kultur“ stammt aus der archäologischen Forschung, und diese benutzt für das 13./14. Jahrhundert auch den Begriff „Unbenannte Kultur“ (V. Spinei, Moldova, S. 140, 141). 72  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1995, S. 35.

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21. Münzfunde des 11.-13. Jahrhunderts (nach V. Spinei, Moldova, Abb. 32).

besonders zahlreich waren). Allerdings gab es eine Reihe von Siedlungen auch etwas weiter nördlich als früher, vor allem zwischen den Flüssen Crasna und Bârlad. Zu bemerken ist weiter, dass diese Siedlungen der Răducăneni-Kultur nur in sehr geringem Maße in Bereichen von Gräbern der Turkvölker liegen. Dieses beweist, dass man sich im Allgemeinen aus dem Weg ging, aber die geringe Distanz zwischen Gräbern und Siedlungen am Südrand der Moldauer Senke spricht zugleich auch für eine denkbare Koexistenz. Spuren von zwei Siedlungen gibt es westlich des Sereth. Sie deuten eine frühe Verbindung mit Siebenbürgen an. Aus dem 11.-13. Jahrhundert gibt es auch Funde, die nicht der Răducăneni-Kultur zugewiesen werden können und die das Gesamtbild ergänzen; es handelt sich vor allem um Münzen (Abb. 21). Zwischen dem Pruth und den Karpaten sind diese recht gleichmäßig verteilt. Dabei wurden diese Funde östlich des Sereth vor allem in der Waldsteppe gemacht, westlich des Flusses in Waldgebieten. Ihre Dichte ist im Norden etwas größer als im Süden. In einem einzigen Gebiet, etwa im Bereich

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der heutigen Stadt Bârlad, dem Pruth zu, wurden Spuren mehrerer Siedlungen gefunden, besonders häufig Münzen. Weiter südlich, genauer im Südwesten des Steppengebietes, wurden östlich des Pruth ebenfalls ziemlich viele Münzen gefunden, ebenso in der Gegend des Dnjestr (im Gebiet von Orheiu Vechi); doch im restlichen Gebiet zwischen Pruth und Dnjestr gibt es kaum Münzfunde. Bei andersartigen Funden (Abb. 22) ist die Verteilung unterschiedlich. Dabei handelt es sich um zahlreiche Funde am Oberlauf des Dnjestr; höchstwahrscheinlich gab es dort eine Handelsroute, die talwärts ins Răuttal wechselte, doch ist deren Nachweis nach der Mündung dieses Flusses in den Dnjestr nicht mehr möglich. Entsprechend diesem Verlauf ist das Gebiet zwischen Pruth und Dnjestr weitgehend fundleer. Anders ist die Lage westlich des Pruth. Dort sind die Fundstellen relativ gleichmäßig gestreut, nur etwas dichter im oberen Teil des Bârladtales und im Norden der Moldau. Im Gebiet von Dorna Watra und Hotin weisen diese auf Handelsbeziehungen mit Siebenbürgen hin. Solches gilt vor allem für die Funde der Gebirgszone, während Funde bei Vatra Moldoviței für Verbindungen mit Sireth und Czernowitz sprechen, ebenfalls solche entlang der Goldenen Bistritz talwärts. Besonders wichtig erscheint die dichte Besiedlung im 11.-13. Jahrhundert westlich des Pruth: Es gibt solche selbst in Nadelwaldgebieten. Da die Bevölkerung seinerzeit stark anwuchs, ist vor allem im 13. Jahrhundert mit einem Landesausbau zu rechnen. Aus dieser Zeit gibt es vielfältige historische Verweise, die sich am ehesten nach ethnischen Bezügen gliedern lassen. Eine erste Gruppe von Hinweisen bezieht sich auf die „lokale Bevölkerung“, die, wenngleich unausgesprochen, vornehmlich Rumänen betreffen soll. Es ist von „europoiden Merkmalen“ der Menschen die Rede, wobei alle fünf diesbezüglichen Komponenten erwähnt sind (mediterran, nordisch, osteuropoid, dinarisch, alpin), jedoch nur ausnahmsweise mongoloid.73 Es werden verschiedene „Walacheien“ erwähnt: die balkanische, die ostkarpatische sowie eine der Rus näher stehende.74 Der byzantinische Chronist Niketas Choniates erwähnt im Zusammenhang mit Ereignissen des Jahres 1164, dass der Neffe des byzantinischen Kaisers, Andronikos Komnenos, auf der Flucht nach Halič, kurz bevor er dieses Land erreichte, von Walachen gefangen genommen worden sei.75 Es handelte sich dabei wohl nicht um eine einzelne Person, sondern um eine kompakte Gruppe. Es ist eine sehr frühe Erwähnung der Rumänen, nach jener in der Chronik Spinei, Moldova, 1982, S. 194, 195. Spinei, Moldova, 1982, S. 191. 75  H. Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 22. 73  V. 74  V.

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22. Archäologische Funde verschiedener Art aus der Zeit zwischen der Mitte des 11. und der Mitte des 13. Jahrhunderts (nach V. Spinei).

des Anonymus und vor jener im Aufgebot des Hermannstädter Comes Joachim von 1210.76 Auch Zuwanderungen werden in Erwägung gezogen. So spricht Ștefan Ștefănescu von „neolateinischen Elementen, die den bodenständigen romanischen Kern konsolidierten“.77 Zur Kontinuitätsproblematik schreibt Renate Möhlenkamp im Kontext des 11. Jahrhunderts vom Fehlen „jeglicher Anhaltspunkte für massive walachische Wanderungen aus Siebenbürgen in die Moldau“78; eine solche, für die Hugo Weczerka eine Parallele mit der europäischen Ostsiedlung in Erwägung zieht79, ist schwer nachzuvollziehen, da seinerzeit die Bevölkerungsdichte in Siebenbürgen gering war und es viel einfachere Ausweichmöglichkeiten innerhalb Siebenbürgens gab. Gündisch, Siebenbürgen, S. 52 Ștefănescu, Demografia, S. 12, 13. 78  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1996, S. 16. 79  H. Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 22. 76  K.

77  Șt.

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Auch die Zahl der Fundorte der Dridu-Kultur bzw. der RăducăneniKultur ist in Rechnung zu stellen. Bei den Forschungen handelt es sich um gleich lange Zeitspannen, aber die Zahl der Răducăneni-Funde beträgt nur 18 % jener der Dridu-Kultur; selbst wenn man die Funde der Steppe nicht in Rechnung stellt, die auf Răducăneni-geprägte Zuwanderungen zurückgehen könnten, beträgt die Differenz nur 27 % der Zahl von DriduKultur-Fundorten. Weiter oben haben wir den Bevölkerungsanstieg innerhalb der Zeitspanne der Dridu-Kultur auf wenigstens das Doppelte geschätzt und in andern Gebieten war der Bevölkerungsanstieg auch weiterhin sehr groß. Wir müssen also davon ausgehen, dass drei Viertel der Bevölkerung auswanderte. Auch andernorts wird der Bevölkerungsrückgang des 11. bis 13. Jahrhunderts auf das gewaltsame Eindringen der Turkvölker und Mongolen zurückgeführt, zugleich auch auf das Fehlen von Befestigungsanlagen.80 Zieht man auch die Zahl der Gräberfunde von Turkvölkern hinzu (vergleiche dazu Abb. 23), so handelt es sich trotzdem um einen beträchtlichen Bevölkerungsverlust – und dies in einer Zeit des allgemeinen Bevölkerungswachstums. Für eine gewisse Stabilisierung der Verhältnisse spricht die Existenz eines griechisch-orthodoxen Bistums, das Ohrid zugeordnet war – ein Bistum, das sowohl von Spinei als auch von Möhlenkamp erwähnt wird: „Neben dem katholischen Kumanenbistum gab es offensichtlich auch eine orthodoxe kirchliche Hierarchie bei den hier lebenden Walachen.“81 Dabei weisen archäologische Funde schon früh auch christliche Elemente auf. Dan Teodor fasst diese auch auf Karten zusammen (Abb. 25): Bis ins 8. Jahrhundert sind die Fundorte in der Moldau halbwegs gleichmäßig verteilt (in größerer Anzahl im Bereich des Sereth), in Bessarabien sind solche jedoch kaum vorhanden. Zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert fällt deren Anzahl in der Moldau und steigt in Bessarabien, am Dnjestr; schließlich kommt es im 12.-14. Jahrhundert zu einer sprunghaften Konzentration im Norden der Moldau, während die Anzahl der Funde im Süden der Moldau und vor allem in Bessarabien stark zurückgeht.82 Über den Zuzug von Slawen wird schon für das erste Jahrtausend gesprochen, und da die Kiewer Rus sich nahe der Moldau befand und eine Blütezeit erlebte, die gewiss auch an demographische Entwicklungen gebunden war, ist ein Zuzug plausibel. Anfang des 11. Jahrhunderts sollen Ruthenen gekommen sein, später bildeten Slawen zeitweise eine Spinei, Moldova, S. 90, 193. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1996, S. 15. 82  D. Teodor, Creștinismul la est de Carpați, S. 114, 141, 153. 80  V.

81  R.

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Oberschicht der Gesellschaft83 – zumal auch das ostslawische Fürstentum Halič erstarkte.84 Zwischen den Flüssen Pruth und Dnjestr gab es einen bedeutenden Zuzug85 und dabei dürfte auch der Handelsweg entlang des Dnjestr eine Rolle gespielt haben. Dort hat es auch eine ziemlich große Stadt, Vasilev, gegeben, deren Anfänge in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zu erfassen sind. Dieser Ort war ein befestigter Herrschaftsmittelpunkt mit mehreren Kirchen.86 Es gab jedoch auch andere Hauptwege des Warenaustauschs. So ist 1159 in der Halyčer Hypatius-Chronik von Bârlader Fürsten die Rede, die mit Donau-Städten handelten.87 Eindeutig ist die Eingliederung in den osteuropäischen Kulturkreis und die Orthodoxe Kirche. Sie ist etwa durch byzantinische Münzen belegt oder ein doppeltes Reliquiarkreuz Halyčer Provenienz aus der Mitte des 12. Jahrhunderts, das bei Vaslui gefunden worden ist.88

Zuwanderung von Nomaden Diesen relativ sesshaften Völkerschaften stehen verschiedene nomadische oder halbnomadische Stämme von Turkvölkern gegenüber, die seit dem Ende des ersten Jahrtausends nacheinander aus dem Osten abgedrängt wurden und nach Westen auswichen. Ehe sie sesshaft wurden oder weiterzogen, beraubten oder vertrieben sie öfters die ansässige Bevölkerung. Zu diesen anrückenden Völkerschaften gehörten die Chasaren, die einst ein mächtiges Reich besessen hatten. Ein Teil von ihnen zog noch vor den Ungarn westwärts, und stellte sich anscheinend in mährische Dienste.89 Nach einem Aufenthalt in der nordpontischen Steppe zogen die Ungarn mit den verbündeten Szeklern und Chabaren noch gegen Ende des ersten Jahrtausends durch die spätere Moldau, um dann Pannonien einzunehmen. Die Oghusen (Usen), die sich 1055 noch links des Dnjestr befanden und dann weiter westlich zogen, wurden 1060 von einer Koalition russischer Fürsten und danach von Byzantinern in der Dobrudscha besiegt, blieben aber zu einem Teil innerhalb des Byzantinischen Imperiums,90

Spinei, Moldova, S. 200; D. C. Giurescu, Istoria, I, 35ff. Spinei, Moldova, S. 105. 85  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1995, S. 38. 86  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1996, S. 17, 18. 87  H. Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 48. 88  V. Spinei, Moldova, S. 98; R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1995, S.46. 89  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 198-201. 90  V. Spinei, Moldova, S. 131-133. 83  V. 84  V.

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während ein anderer Teil, nach ersten Einfällen in Ungarn, sich dort seit 1060 niederließ.91 In der Moldau jener Zeit waren die türkischen und chasarischen Petsche­ negen von zentraler Bedeutung. Sie siedelten zunächst östlich des Dnjestr und bauten entlang des Flusses auch eine Verteidigungslinie auf.92 Aber nach 1036, im Zuge der Bedrängung durch die Oghusen und nach einer Niederlage gegenüber russischen Knesen, kam es zu einer großräumigen Verschiebung von Nomadenvölkern.93 Dabei ließen sich die Petschenegen am westlichen Ende des eurasischen Steppengürtels nieder94 und überfielen von dort die benachbarten Gebiete – zunächst die Kiewer Rus und die Dobrudscha (die zu Byzanz gehörte). Aber „wie alle in Wassernähe liegenden Grabfunde zeigen, stießen kleinere petschenegische Abteilungen den Prut und den Bârlad aufwärts vor, bis in das Hinterland der südlichen Waldsteppenzone und bis in das nördliche Waldsteppengebiet der Jijia-Senke“ (Abb. 23).95 Die wichtigsten Informationen im Kontext der Auswirkung ihrer Macht betrifft die Flucht der Bewohner in „die bewaldeten Codri und nach Halič“. Seit dem 10. Jahrhundert hatten sie auch Beziehungen zu Ungarn und einige zogen in die Nähe von Donau und Theiß.96 Zeitweise überschritten sie aber auch die Ostkarpaten und fielen z. B. 1068 in Siebenbürgen ein. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts waren die Petschenegen dann in steigendem Maße gezwungen, südlich der Donau und in Siebenbürgen Zuflucht zu suchen97 und schließlich verloren sie 1123 eine entscheidende Schlacht, was ihren militärischen Ambitionen ein Ende setzte. Die Oghusen hatten östlich des Kaspischen Meeres ein mächtiges Reich, das jedoch von den noch mächtigeren Kumanen zerstört wurde.98 So bedrängten sie ihrerseits die Petschenegen, die westwärts ausweichen mussten, aber dann blieben auch die Oghusen an den Karpaten beziehungsweise westlich von diesen hängen. Die Kumanen sind erstmals 1055 östlich des Dnjestr erwähnt; sie bewohnten seit dem Ende des 11. Jahrhunderts vor allem den östlichen Teil des Butscheag/Buceag und wurden in der nordpontischen Steppe eine raumbeherrschende Macht. Seit 1061 fielen sie mehrmals in die Kiewer Rus ein und drangen, vermutlich durch den Verecke-Pass, 1085/1086 in Ungarn Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1995, S. 37. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1995, S. 34. 93  V. Spinei, Moldova, S. 126; R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1995, S. 35-36. 94  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1995, S. 35. 95  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1995, S. 36. 96  V. Spinei, Marile migrații, S. 119, 120. 97  Die Zahl solcher Siedlungskammern in Siebenbürgen ist jedoch begrenzt. 98  V. Spinei, Marile migrații, S. 167, 278. 91  R. 92  R.

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23. Gräber der Turkvölker, 10.-13. Jahrhundert (nach V. Spinei, Marile migrații, Abb. 33).

und 1091/1092 auch in Siebenbürgen ein. Schließlich setzten sich die Kumanen in der Walachei fest, von wo aus sie weiter wirkten – vor allem haben sie den Bulgaren und Wlachen bei deren Auseinandersetzungen mit dem Byzantinischen Reich zur Seite gestanden (so etwa 1185), fielen aber auch in Halič oder Siebenbürgen ein.99 Nach mehreren Niederlagen – vor allem gegen den vom Burzenland aus agierenden Deutschen Orden100 – gingen die Kumanen seit 1234 zu einer „sesshaften Lebensweise über und zum Bau von Dörfern und Städten“; dabei befanden sich entwickeltere Siedlungen vor allem am Nord- und Südrand des Gebietes.101 Die Grenze des Wohngebietes der Turkvölker bildete im Norden der Moldau die Coasta Iașilor, im Süden die Donau und im Westen etwa der Sereth (Abb. 23). Innerhalb dieses Raumes kann man östlich des Sereth von einer relativ gleichmäßigen Verteilung der Münzfunde sprechen; nur Spinei, Moldova, S. 134, 135. Papacostea, Terra Borza, S. 30-39. 101  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1996, S. 11, 23.   99  V. 100  Ș.

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wenige Münzen und ein einziges Grab fand man westlich des Flusses. Von den sonst entdeckten Gräbern der Turkvölker sind einige vielleicht schon ins 11./12. Jahrhundert, andere mit Sicherheit ins 12./13. Jahrhundert zu datieren. Zu erwähnen sind sodann die Alanen (Jassen). Als kriegerische Elite spielten diese schon bei der Entstehung der Kiewer Rus eine wichtige Rolle und wurden wahrscheinlich im 9. Jahrhundert christianisiert. Sie bewohnten den Süden des Kiewer Reiches, flüchteten aber 1237 vor den Mongolen.102 Es ist denkbar, dass sie in der Moldauer Senke eine ältere Petschenegen- oder Kumanenbevölkerung ablösten oder ergänzten. Zwischen der Moldauer Senke, einem Waldsteppengebiet, und einem kompakten Waldgebiet, den Codrii Cosminului, liegt die Stadt Jassy, die ursprünglich ihr Marktort gewesen sein soll, und weiter nördlich sollen sie auch mit Rumänen zusammengelebt haben.103 Außer diesen sesshaft gewordenen oder durchziehenden Völkerschaften, außer Petschenegen und Kumanen, gab es schließlich auch andere Nomadenstämme auf dem Boden der Moldau. So erwähnen Urkunden von 1222 und 1231 die terra Brodnic als Grenze des Ritterordensgebietes, doch hatte deren Bevölkerung keine wesentlichen historischen Auswirkungen; ebenso sind Berindei u. a. zu erwähnen. Von all diesen Nomaden gibt die Verbreitungskarte der Gräber ein recht aufschlussreiches Bild (Abb. 23); dabei ist jedoch einschränkend zu erwähnen, dass die Karte einen relativ langen Zeitraum abbildet. Die Mehrzahl der Gräber wurde in der südlichen Steppenregion gefunden – ähnlich wie schon zur Zeit der Dridu-Kultur –, vor allem in der Nähe des Meeres, an der unteren Donau und an den angrenzenden Seen. Diese Bindung an Wasserflächen ist jedoch nicht mehr so eng wie in der Dridu-Kultur, sondern es gibt auch viele Funde in der Steppe selbst. Das Kartenbild zeigt, dass die Anzahl der Gräber von Osten nach Westen abnimmt: Während sich von den Gräbern der Turk-Völker drei Viertel zwischen Dnjestr und Pruth fanden, ist nur ein Viertel zwischen Pruth und Sereth gefunden worden. Zwei Drittel der Gräber befinden sich in der Steppe (mittendrin oder an deren Rand) und nur ein Drittel in Waldsteppengebieten, ungefähr zu gleichen Teilen nördlich und südlich des Moldauer Hochlandes. Fast alle Funde der Răducăneni-Kultur sind hingegen zwischen Pruth und Sereth gemacht worden.

102  Siehe 103  V.

https://de.wikipedia.org/wiki/Alanen. Spinei, Moldova, S. 200, 203.

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24. Wichtigste archäologische Funde der Moldau Mitte des 13. bis Mitte des 14. Jahrhunderts (nach V. Spinei, Moldova, Abb. 32).

Veränderungen der Siedlungslandschaft im 13. und 14. Jahrhundert Recht aufschlussreich ist die Karte von Victor Spinei mit den wichtigsten archäologischen Funden aus der Zeit zwischen der Mitte des 13. und der Mitte des 14. Jahrhunderts (Abb. 24). Im Gebiet zwischen Dnjestr und Pruth wurden auch aus dieser Zeit viele Funde gemacht  – dieses jedoch in einem eng begrenzten Gebiet in der Nähe von Orheiu Vechi. Im Unterschied zu den vorhergehenden Zeitabschnitten befinden sich aber viele Fundstellen auch zwischen dem Pruth und den Karpaten, vor allem im Gebiet des Sereth und des Suceava-Flusses. Die meisten Funde stammen aus natürlichen Waldgebieten, was auf massive Abholzungen hinweist. Merklich weniger Funde sind für Waldsteppen-Gebiete zu verzeichnen. Aufschlussreich ist auch ein Vergleich dieser Karte mit christlich geprägten Funden, die D. Teodor zusammenstellte (Abb. 25). Im Verzeichnis der letzteren tritt besonders der Nordwesten der Moldau hervor. Jenseits der

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25. Orte mit christlich beeinflussten Funden (nach D. Tudor, Creștinismul la est de Carpați, S. 153).

Funde im Gebiet zwischen dem Oberlauf von Pruth und Sereth sind solche überraschenderweise auch bis zum Trotuș-Fluss festzustellen – auch in klimatisch weniger günstigen Gebieten, sogar in Nadelwald-Regionen. In der Waldsteppe der Jijia-Senke ist vor allem deren Westteil, bis zum Pruth, fundreich. Die Streuung dieser Orte zeigt, dass sich entsprechend den Abholzungen das Landschaftsbild von natürlichen Waldgebieten und Waldsteppen weitgehend aneinander angeglichen haben. Dagegen wird ein Unterschied zwischen dem christlichen Nordwesten und dem mongolischen Osten deutlich. Von den Flüssen im christlichen Gebiet entspringen nur der Trotuș und die Goldene Bistritz im Bereich Siebenbürgens und Marmatiens, der Suceava – Sereth, Pruth und Dnjestr jedoch noch weiter nördlich, also in der Nähe von Halič. In diesem geographischen Kontext unterstreicht ein für Halič charakteristisches Reliquiar die Verbindungen im dortigen Christentum. Wohl sind aber christlich be-

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einflusste Fundstücke aus dem Südosten, aus dem Gebiet Bârlad-Costești, nicht unbedingt an ein orthodoxes Christentum gebunden gewesen. Vergleicht man die archäologischen Daten mit den geographischen Gegebenheiten, so ergibt sich daraus die Nutzung von Pässen und Gebirgsübergängen. Archäologisch sind vor allem die Pässe im Norden gut belegt.104 Nach der Lage von Fundorten stellte der wichtigste Weg, über den Tihuța-Pass, eine Verbindung mit Bistritz her; in der Moldau querte er die Orte Podul Cușnei, Vatra Moldovița, Sucevița, Radautz/Rădăuți, Sereth/Siret und führte weiter nach Dorohoi und Dărbani, wo er den Pruth überquerte und weiter nach Bessarabien verlief. Er verband demnach die wichtigsten damaligen Orte des Gebietes: Bistritz und Sereth, zwischen denen sich in ziemlich regelmäßigen Abständen Stützpunkte bzw. Rastplätze befanden. Dagegen gab es aus Molde/Baia keine wichtigere unmittelbare Verbindung mit Siebenbürgen – es handelte sich dort zunächst um einen Bergwerksort, wie auch der rumänische und ungarische Name bezeugt. Um auf den Weg zum Tihuța-Pass zu gelangen, musste man zunächst das Moldova-Tal entlanggehen und erreichte dort Podul Cușnei; einfacher war hingegen eine Verbindung in den Norden, dort erreichte man Suczawa/ Suceava, Radautz und konnte über Zvoriștea und Lunca nach Dorohoi gelangen (Abb. 27). Zwei anderen Wegen, die archäologisch weniger belegt sind, wird eine geringere Bedeutung zugekommen sein. Einer führte von Gheor­gheni durch den Bicaz-Pass nach Piatra Neamț und einer von Jassy über Iurceni nach Orheiu Vechi. Weniger archäologische Anhaltspunkte gibt es für den wichtigen Handelsweg entlang des Dnjestr (Akkerman/Cetatea Albă–Orheiu Vechi–Hotin–Lemberg/Lwiw). Durch die Aneinanderreihung zahlreicher Orte ist hingegen der Weg zwischen Costești und Orheiu Vechi105 am besten belegt (Abb. 24). Er bezeugt die große wirtschaftliche Bedeutung dieser Orte zur Zeit der Goldenen Horde.

Vielfältige Umschichtungen Bis gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts war die ungarische Krone bestrebt, durch Maßnahmen im Westteil der Moldau Siebenbürgen abzusichern. Vermutlich Ende des 12. Jahrhunderts wurde dafür auf dem Berg „Bâtca Doamnei“ neben Piatra Neamț eine Wehranlage gebaut,106 deren 104  Diesbezüglich erscheinen die am weitesten abgelegenen Pässe nicht auf den Kartenskizzen. 105  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1999, S. 8, 9. 106  V. Spinei, Moldova, S. 88, 89.

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Besatzung Selbstversorger waren.107 Diese Datierung steht im Einklang mit den Ergebnissen der Untersuchungen zur Verschiebung der Verhaue innerhalb Siebenbürgens: In den westlichen Ostkarpaten wurden die Pässe Mitte des 12. Jahrhunderts abgesichert.108 Als nächste Phase der Grenzabsicherung kam es Ende des gleichen Jahrhunderts wahrscheinlich zu Eingriffen in der Moldau selbst. Zwischen Dorna Watra und dem Moldautal gibt es den Ort Prisaca Dornei, der für einen frühen Verhau steht. Er entspricht einer Linie Obcina Mare–Obcina Federeului–StănișoaraGebirge–Goșmanu-Gebirge, die sich nach einer Unterbrechung im Nemira- und im Vrancea-Gebirge fortsetzte (Abb. 13). Ganz nahe der heutigen Grenze Rumäniens befindet sich ihr nördlichster Punkt, das Dorf Straja im Suceava-Tal. Weiter südwärts fehlen für den Ciumârna-Pass (1109 m) bislang Anhaltspunkte; auch für den Stănișoara-Pass (1235 m) fehlen sie. Dann folgt Vama und Prisaca Dornei. Für die beiden nächsten Karpatenübergänge, den Petru-Vodă-Pass (900 m) und den DoamneiPass (1130 m), fehlen wieder Anhaltspunkte – wobei zu bemerken ist, dass möglicherweise einige Passwege im 12./13. Jahrhundert noch nicht existierten. Dann kommt nahe von Bicaz der Ort Straja, und wenn sich ein Verhau auf dieser Linie befunden haben sollte, was zu vermuten ist, war Bâtca Doamnei ein vorgeschobener Beobachtungsposten. Im nächsten Pass (720 m), am Ende des Trotuș-Tales, befindet sich an einer strategisch wichtigen Stelle Palanca. Dann kommt der Uzului-Pass mit dem UzuluiTal. Hier wissen wir nichts von einer Begrenzung, doch weist der Tal­name gewiss auf Oghusen hin, die zu seiner Verteidigung dort angesiedelt worden waren – wissen wir doch von ihrer Ansiedlung in Ungarn um 1060. Auch der Oituz-Pass erhielt seinen Namen wahrscheinlich von diesen (Aito-uz = Uzentor wird zu Oito-uz109 und weiter zu Oit-uz). Viel problematischer war die Situation noch weiter südlich, denn das Brețcu-, Penteleu- und Vrancea-Gebirge, zwischen dem Szeklerland und der Vrancea-Senke, in der das Milcov-Tal beginnt, konnten relativ leicht überquert werden. (Diese Bindung an Siebenbürgen dürfte zum Standort des Kumanenbistums beigetragen haben.) Möglicherweise gab es im Bereich dieses leicht gangbaren Karpatenübergangs auch viele Kumanen, welche die Gegend absichern sollten. Mit diesen dürfte die Entstehung der civitas de Mylko am Milcov-Fluss zusammenhängen, einem Gebiet, das sich „einer frühstaatlichen Formation mit einem Herrschaftsmittelpunkt annäherte“, das nach Zuwanderungen ein politisch-militärisches und kirchliches ZenMöhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1996, S. 21. Niedermaier, Mutarea prisăcilor, S. 35. 109  Das „A“ ist nicht betont, ähnelt also einem „O“. 107  R. 108  P.

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trum bilden konnte110 (ein zusätzliches Motiv für die völlige Zerstörung des Ortes durch die Mongolen111). Es gab sehr verschiedene Vorteile einzelner Orte, etwa die Güte des Trinkwassers, klimatische Bedingungen, das Fehlen einer Überschwemmungsgefahr, strategische Belange, Verbindungen mit andern Orten und vieles andere. Selbst in Siebenbürgen konnten im Fall vieler Städte Spuren von Vorsiedlungen gefunden werden.112 In dem relativ spät dichter besiedelten Gebiet zwischen Sereth und den Ostkarpaten ist die Existenz solcher Vorsiedlungen an der Stelle von später bedeutenderen Orten und vor allem von Städten und Marktflecken sehr wahrscheinlich. Nach den Karten des Städtegeschichteatlas’ Rumäniens sind solche Vorsiedlungen Moldauer Städte z. B. in Sereth im Bereich der Trei-IerarchiKirche (Abb. 28) und in Suczawa/Suceava rund um die Mirăuți-Kirche zu erkennen. Diese Vorsiedlungen werden meist von Rumänen und teilweise vielleicht von Slawen bewohnt gewesen sein. Verschiedenartige Gegebenheiten bestimmten den Standort neuer Siedlungen.113 Im Westen der Moldau sicherte eine Bergkette den gesamten Fuß der Karpaten gegen das Serethtal ab und eine zweite Bergkette, weiter östlich, gegen die Moldauer Senke (Abb. 15). Vom abgesicherten Grenzbereich ausgehend, der gegebenenfalls auch eine Rückzugsmöglichkeit bot, muss die weitere großräumige Entwicklung gesehen werden. Für diese gibt es ganz unterschiedliche Anhaltspunkte. In der vorhandenen Literatur wird von ursprünglich ungarischen Dorfnamen gesprochen – etwa im Fall von Bârgău, Cneja, Hindău oder Hârlău, von ungarischen Dörfern an der Mündung von Goldener Bistritz, Trotuș und Moldau, ebenso gab es Tschangos im Serethtal.114 Auch wertvolle Funde, z. B. von Kettenhemden in Czernowitz, Țibucani, Suczawa oder Dorna Watra, sind möglicherweise in diesen Kontext zu stellen.115 Zu erwähnen ist auch der Deutsche Orden, der östlich und südlich des Karpatenbogens ein bestimmender Faktor war.116 Dank dieser Absicherung durch den Ritterorden und das Kumanenbistum kamen „deutsche“ Siedler, vor allem aus Siebenbürgen und Galizien

Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1996, S. 15; DRH, D, I, nr. 9. auch V. Spinei, Moldova, S. 71. 112  P. Niedermaier, Geneza orașelor, S. 68-73, 100-119, 127-135, 138-145. 113  Es wird hier auf den Unterschied zwischen „Siedlung“ und „Ortschaft“ verwiesen. 114  Vgl. V. Spinei, Moldova, S. 200. 115  V. Spinei, Moldova, S. 196, 200; R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1997/1, S. 142; H. Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 26. 116  V. Spinei, Moldova, S. 67. 110  R.

111  Siehe

Moldau und Bessarabien

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bis in das Gebiet des Sereth.117 Dieses könnte im Rahmen der europäischen Ansiedlungen in weniger bewohnten Gebieten bzw. der deutschen Ostsiedlung geschehen sein.118 Nach dem Schwarzen Tod Mitte des 14. Jahrhunderts setzten solche Zuwanderungen jedoch aus119 und selbst die Gründung neuer Städte nahm entscheidend ab.120 Rumänen. Auch zur Zeit der mongolischen Herrschaft gab es in der Moldau – speziell in deren nordwestlichem Teil – eine ansässige Bevölkerung. Einmal ist von Moldauern und Walachen die Rede,121 ein andermal, 1247, von einem ruthenischen Fürsten Olaha, dann 1276/77 und 1326 von Walachi, die „militärisch tätig [waren, und zwar] bei einer Auseinandersetzung, in welche die [Goldene] Horde selbst nicht verwickelt war. Dieses lässt ebenfalls auf eine herrschaftliche, territoriale Organisation schließen“.122 Schließlich wird um 1300 in einer ägyptischen Chronik für die Moldau der Ausdruck „Land der Walachen“ gebraucht. „Betrachtet man [sie] einzeln [, so sind diese Erwähnungen] jeweils mit einem Fragezeichen zu versehen […,] als Gesamtheit […] bleibt aber immerhin festzuhalten, dass sie alle auf die nördliche Moldau hindeuten.“123 Einige der Einwanderer dürften auch aus Marmatien gekommen sein, doch da dieses Gebiet klein war, kann es sich dabei nicht um eine größere Anzahl von Siedlern gehandelt haben.124 In dem Maße, wie sich in den Komitaten Siebenbürgens feudale Strukturen verfestigten,125 werden wohl einzelne Rumänen von dort über die Ostkarpaten gewandert sein, und mit solchen dürfte westlich des Sereth zu rechnen sein – dieses auch weiter südlich. Es wird allgemein angenommen, dass sich „Talschaften“ unter einem leitenden Knesen herausbildeten. Wie in Marmatien dürften maximal 20 Dörfer zu einem Herrnhof gehört haben.126 Sollte dieses zutreffen, so kann es sich nicht nur um Gruppierungen am Ende von Tälern gehandelt haben, sondern auch um politisch-soziale Formationen im Moldau- oder

Spinei, Moldova, S. 67, 199, 200. Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 7. 119  P. Niedermaier, Habitatul medieval, S. 108-129. 120  H. Stoob, Mittelalterliche Städtebildung.   121  V. Spinei, Moldova, S. 162. 122  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1999, S. 13; vgl. V. Spinei, Moldova, S. 200. 123  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1999, S. 13, 14. 124  V. Spinei, Moldova, S. 318. 125  Die romanische Kirche in Mönchsdorf/Harina steht für das Erstarken solcher Strukturen. 126  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1999, S. 14, 15. 117  V.

118  H.

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Periphere Räume

Serethtal.127 Deren Umfang dürfte andererseits aber auch nicht große Werte erreicht haben, da diese beim Descălecat Mitte des 14. Jahrhunderts schwerer niederzuringen gewesen wären. In Urkunden ist auf dem Gebiet des späteren Fürstentums von terrae die Rede, so etwa in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts von einer terra Sepeniicensis, zu der auch eine Burg gehörte128 (Victor Spinei benutzt auch den Begriff „Land“129). Ein solcher Gebietszusammenschluss größeren Ausmaßes, etwa bei Hotin, dürfte jedoch die Ausnahme gewesen sein. Immerhin fand man im äußersten Norden der Moldau auch Reste von Burgen und gelegentlich Waffen und Kettenhemden.130 (Bei den schwierigen materiellen Verhältnissen, der Unsicherheit des Gebietes und seiner kleinräumigen Gliederung ist es allerdings zu hinterfragen, ob wertvolle Kettenhemden zur Ausrüstung lokaler Krieger gehören konnten.131) Bei den bedeutenden Umwälzungen, die ab Mitte des 13. und im 14. Jahrhundert zwischen Karpaten und Dnjestr stattfanden, gibt es heute keine Anhaltspunkte zur Schätzung der Bevölkerungszahlen. Mongolen spielten dabei eine große Rolle; sie bildeten die letzte bedeutende Zuwanderung von Nomaden. In einem zwei Jahrzehnte langen Prozess drangen sie schrittweise nach Westen vor. Zunächst fügten sie den Kumanen eine entscheidende Niederlage bei, dann den Bulgaren und Alanen, schließlich zwischen 1234 und 1240 verschiedenen russischen Knesaten, einem nach dem andern.132 In den Butscheag kamen sie 1239 und besetzten 1241 große Teile der Moldau, bis zum Sereth.133 Nach der Zerstörung des Vorpostens auf der Bâtca Doamnei drangen sie schließlich durch das Tal der Goldenen Bistritz nach Siebenbürgen vor.134 Dabei war „dieses Gebiet nicht ein Angriffsziel, sondern wurde nur durchmessen, um zum eigentlichen Ziel vorzustoßen“. Der Butscheag diente den Mongolen für die Beobachtung des Balkans und als weiterer Spinei, Moldova, S. 290, 291. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1999, S. 15. 129  V. Spinei, Moldova, S. 229; R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1999, S. 14. 130  V. Spinei, Moldova, S. 227; R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1999, S. 9, 13. 131  Nach https://de.wikipedia.org/wiki/Kettenrüstung wurde an einem Kettenhemd mehrere Monate, ja ein Jahr lang gearbeitet; es kostete etwa den Gegenwert von einem Dutzend Rinder, so dass sich nur wohlhabende Adlige ein solches leisten konnten; dabei war die „Bodenbearbeitung in die von der Natur weniger begünstigten Regionen erst relativ spät vorgedrungen“ (R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1999, S. 4). 132  V. Spinei, Marile migrații, S. 388-395; R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1995, S. 38. 133  V. Spinei, Moldova, S. 69; H. Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 17. 134  V. Spinei, Moldova, S. 161. 127  V.

128  R.

Moldau und Bessarabien

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Ausgangspunkt – so gegen Ende des 13. Jahrhunderts für einen Einfall jenseits der Karpaten.135 Gewiss ist mit einem Bevölkerungsrückgang in gewissen Gebieten zu rechnen. Die „unmittelbar verwüstende Kraft des Krieges ist jedoch erheblich zurückhaltender einzuschätzen“136 (dieses gilt selbst für Städte Siebenbürgens137), aber durch den ständigen Druck und die drohende Gefahr kam es zu tiefgreifenden Veränderungen in der regionalen Verteilung der Siedlungen: Das für Mongolen günstige Steppengebiet wurde von der ansässigen Bevölkerung verlassen und von zuwandernden Nomaden besetzt – und zwar bis zum Unterlauf des Bahlui und des Răut. Inwieweit zugleich die Siedlungsdichte im Waldgebiet westlich des Sereth und im Hochland von Suceava stieg, lässt sich nicht beurteilen. Bei der geringen Verbreitung von Funden der Răducăneni-Kultur (Abb. 20) ist auch mit einer allmählichen Neuansiedlung zu rechnen, die sich zum Teil in Abb. 24 widerspiegeln dürfte; dabei entstanden „zunehmend Niederlassungen nicht nur an geschützten kleinen Wasserläufen, sondern auch in bedeutenden Tälern“.138 Mit dem Ansteigen der Bevölkerungsdichte differenzierte sich offenbar die Verwaltungsstruktur. Von einer unmittelbaren Herrschaft der Reiternomaden ist anfangs nur im Steppenbereich zu sprechen, und dort kann eine territoriale Gliederung aus dem Kontext städtisch geprägter Räume abgeleitet werden. Jenseits dieses Gebietes – etwa im nördlichen Waldsteppengebiet der Moldau – wuchs deren Einfluss nur allmählich an. Im westlichen und nördlichen Waldgebiet ließen die Mongolen/Tataren allem Anschein nach die gewachsenen örtlichen Stukturen weniger angetastet und beschränkten sich auf die Erhebung von Tributen. Dafür sind weitgehend einheimische Vertrauenspersonen, Knesen betraut worden, wobei auch politische Konjunkturen eine Rolle spielten. Die Sitze der Knesen konnten allmählich zu Ausgangspunkten für die Entstehung kleinräumiger regionaler Herrschaftsbildungen werden.139 Es ergaben sich großräumige Unterschiede: Im Raum zwischen dem Dnjestr und den Karpaten war der Nordwesten von örtlichen Traditionen 135  V. Spinei, Moldova, S. 229, 230; R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1999, S. 10. 136  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1997/1, S. 139; V. Spinei, Moldova, S. 161. 137  K. Gündisch, Siebenbürgen, S. 44; P. Niedermaier, Siebenbürgische Städte, S. 45-47, 57; P. Niedermaier, Der mittelalterliche Städtebau, S. 47-58; P. Niedermaier, Städtebau im Mittelalter, S. 13-19. 138  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1997/1, S. 139, 140; V. Spinei, Moldova, S. 164, 197, 229, 232. 139  V. Spinei, Moldova, S. 162, 165, 170; R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1997/1, S. 132, 133; 1999, S. 11, 12.

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Periphere Räume

geprägt, der Südosten vom kulturellen Zuschnitt der Goldenen Horde. Diese Unterschiede widerspiegeln sich auch in den Münzfunden: In den Handelsemporien des Südens fanden sich aus einer etwas früheren Zeit byzantinische Kleinmünzen, Goldmünzen und tatarische Silber-Dirhems; im Nordwesten der Moldau aus einer etwas späteren Zeit Prager Groschen, die auf eine enge Verbindung mit Galizien und Siebenbürgen hin­weisen.140 Während die Wirtschaft sich im Nordwesten in geringerem Maß entwickeln konnte, passten sich die Mongolen zwischen Dnjestr und Pruth, zwischen Wald und Steppe den kleinräumigeren natürlichen Bedingungen an. Dort kam es zu bedeutenden Veränderungen der wirtschaftlichen Gewichtungen: Die nomadische Lebensweise ging zurück und die handwerkliche Produktion und der Handel nahmen zu.141 In dem von der Goldenen Horde unmittelbar beherrschten Raum kam es zu einer Vielfalt von Erzeugnissen und zu einem fortgeschrittenen Entwicklungsstadium – dies auch infolge des Zuzuges von Kaufleuten und hochqualifizierten Handwerkern aus dem Osten.142 Hier entstanden städtische Zonen, in denen wahre Spitzenleistungen vollbracht wurden. Die beiden Orte, über die wir am besten Bescheid wissen, sind Orheiu Vechi, am unteren Răut in einer Waldzone nahe der Steppe, und Costești, am Bârlad-Fluss in der südlichen Waldsteppe. Inmitten verhältnismäßig stark bevölkerter Gebiete waren die beiden Orte echte Handwerks- und Handelszentren mit städtischem Charakter. In deren Fall weisen zahlreiche Kleinmünzen des Umlandes „auf einen Binnenhandel schon in der entwickelten Form von Stadt-Land-Beziehungen“ hin.143 Städtischen Charakter trugen auch die Handelsemporien am Nord­ufer des Schwarzen Meeres und an der unteren Donau mit ihrem bunten Völkergemisch; in Akkerman/Cetatea Albă oder Vicina rivalisierten Genuesen, Venezianer u. a. miteinander. Zugleich ist innerhalb des Gebietes auch von religiöser Toleranz die Rede, von Dominikanern und Franziskanern sowie von einem orthodoxen Bistum.144 Die wirtschaftliche und die soziale Entwicklung gingen mit Selbständigkeitsbestrebungen der Städte einher, mit einer Zersplitterung der politischen und militärischen Kräfte. 1323, 1327, 1345, 1346 stießen vor allem Szekler in mongolische Gebiete vor und legten neue GrenzsiedlunMöhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1999, S. 8. Spinei, Moldova, S. 141. 142  V. Spinei, Moldova, S. 174. Die Hauptstadt befand sich an der unteren Wolga. 143  R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1997/1, S. 134-135; 1999, S. 4-11. 144  V. Spinei, Moldova, S. 233-238; R. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1997/1, S. 144. 140  R. 141  V.

Moldau und Bessarabien

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gen am Sereth an. 1346 galt dann die Moldau als befreit und 1356 war die tatarische Gefahr endgültig beseitigt. 1368 sind sogar Handelsabsprachen mit König Ludwig I. erwähnt.145 Sachsen waren eine relativ spät im Nordwesten der Moldau hinzugekommene Bevölkerungsgruppe. Es waren deutsche Siedler, deren Bedeutung nicht in numerischer Hinsicht bestand, sondern wegen ihrer Verbindung mit dem Westen Europas und den dort bekannten Techniken. Hugo Weczerka stellt die Einwanderung in den Kontext der Ostsiedlung,146 die aber Mitte des 14. Jahrhunderts aussetzte, so dass ein Grundstock dieser Bevölkerung vor diesem Datum eingewandert sein dürfte, am ehesten zwischen den Jahren 1300 und 1350, als es in Siebenbürgen noch eine bedeutende Bevölkerungszunahme gegeben hat. Davor waren die Mongolen wohl zu sehr gefürchtet, danach dürften Leute nur noch in geringem Maße und in werdende Städte gekommen sein, und zwar nicht weiter als bis zum Sereth-Fluss.147 Als Herkunftsgebiet kann vor allem Siebenbürgen angenommen werden, doch ist auch Halič nicht auszuschließen.148 Eine besondere Rolle spielten werdende Städte, von denen vor allem nach 1300 gesprochen werden kann, wobei das Stadtrecht von diesen sächsischen Siedlern ausging.149 Eine Vorreiterrolle kam dabei Molde/Baia und Sereth/Siret zu (wo sogar ein katholisches Bistum gegründet wurde), dann auch Suczawa/Suceava,150 Radautz/Rădăuți, Hârlău und Piatra Neamț. Im 15. Jahrhundert ist Stadtrecht zusätzlich in Roman, Bacău, Vaslui und Trotuș bezeugt, später auch in andern Orten (Abb. 26)151. 1334 ist erstmals ein Deutscher aus Molde erwähnt, dann, 1382-1389, weitere aus Molde, aus Sereth und Suczeawa.152 Um die Veränderungen innerhalb der untersuchten vier bis fünf Jahrhunderte zu erfassen, kann man die Charakteristiken der Karten vergleichen. Tabelle 1 gibt einen Überblick bezüglich der Siedlungsgebiete und deren Bevölkerung: – Zwischen den Karpaten und dem Sereth-Fluss in den nördlichen Waldgebieten ist die Häufung der Funde des 13./14. Jahrhunderts am

Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1999, S. 11-13. Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 7. 147  H. Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 17. 148  V. Spinei, Moldova, S. 199, 200. 149  V. Spinei, Moldova, S. 199, 219, 220. 150  H. Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 80; V. Spinei, Moldova, S. 266. 151  H. Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 113. 152  V. Spinei, Moldova, S. 199; H. Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 100. 145  R.

146  H.

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Periphere Räume

26. Erste urkundliche Belege für mitteleuropäisches Stadtrecht in Moldauer Städten und Marktflecken. 1 :3.000.000 (nach H. Weczerka).

weitaus größten; diese Lage entspricht der Verfallszeit der Goldenen Horde in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. – zwischen dem Sereth und dem Pruth stammen die meisten Funde des 9.-11. Jahrhunderts aus dem Gebiet der südlichen Waldsteppe und vom Meeresufer. Für die folgende Zeit (11.-13. Jahrhundert) ist die Streuung der Fundstätten ausgeglichener; die meisten archäologischen Funde wurden für diese Zeit am Rand der Waldsteppen gemacht; dort konzentrieren sich auch viele der Funde des 13./14. Jahrhunderts. – zwischen dem Pruth und dem Dnjestr gibt es die meisten Funde nahe der Mündungen, am Rand der angrenzenden Seen und an der unteren Donau. Auch hier sind die Funde des 13./14. Jahrhunderts gleichmäßiger verteilt. Eine größere Konzentration gibt es in der südlichen Waldsteppe bzw. an deren Rand gegen die Steppe hin. Entsprechend den bedeutenden Veränderungen, die im Laufe der Zeit stattgefunden haben, vor allem nach der Mitte des 13. und während des

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Moldau und Bessarabien

Tab. 1: Prozentualer Anteil archäologischer Funde der verschiedenen Gebiete an der Gesamtzahl der Funde als Kennwert der Bevölkerungsdichte (Werte über 15 % gelb, über 30 % rot hervorgehoben).

11. - 13. Jh.

13. - 14. Jh.

17,9

1,4

17,9

6,8

3,0

0,7

4,2

7,5 8,5

20,6

4,9

4,8

38,2

0,7

8,8

2,7

3,0

1,5

  Rand der Steppe

0,7

Waldsteppe Süd

0,7

1,4 5,0

25,5

  Waldrand Waldsteppe Nord

0,4

5,7

  Waldrand Waldgebiete

8,7

12,3

13. - 14. Jh.

9. - 11. Jh.

Steppe

Pruth – Dnjestr

11. - 13. Jh.

Meer und Seen

Sereth – Pruth 9. - 11. Jh.

13. - 14. Jh.

11. - 13. Jh.

Karpaten – Sereth 9. - 11. Jh.

Raum

95,0

6,8

11,6

7,1

10,3

32,1

4,1

14,3

10,3

32,1

2,7

14,3

0,4 5,7

1,4

8,8

12,3

17,6

14. Jahrhunderts, gibt es heute keine genaueren Anhaltspunkte für eine Einschätzung der Bevölkerungszahl im Gebiet zwischen den Ostkarpaten und dem Dnjestr.

Gründung des Wojewodates „Moldau“ (Descălecat) Im Allgemeinen betrachtet man die Entstehung des Molder Wojewodates als einen Versuch der ungarischen Krone, dort eine Grenzmark zu gründen. Eine genauere Analyse der geographischen Gegebenheiten spricht jedoch dagegen. Das Tal der Goldenen Bistritz wird eine Mark gebildet haben: Es war im Norden durch einen Verhau bei Prisaca Dornei geschützt, ostwärts durch das Stănișoara-Gebirge und im Süden gab es, wenigstens vor dem Mongoleneinfall, eine Befestigung auf dem Berg Bâtca Doamnei bei Piatra Neamț. Hingegen ist der Ausgangspunkt des „Descălecats“, der Ort Molde/ Baia, nur im Westen durch das Stănișoara-Gebirge geschützt, sonst relativ freistehend am Westrand des Moldauer Hochlandes. Es gab aber einen günstigen Übergang ins Sereth-Tal. Nur eine Reihe von Sümpfen bilden für den Ort einen Schutz (Abb. 27). Der ursprüngliche Bergwerksort Molde/Baia befand sich auf halbem Weg zwischen Târgu-Neamț und Suczawa und war gewissermaßen auf die Moldau ausgerichtet; er bot eher für eine Offensive denn für die

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Defensive Vorteile. Zugleich war seine Bevölkerung recht isoliert und dank der Sachsen in bedeutenderem Maße an Siebenbürgen gebunden. Im Hinblick auf die herrschenden Mongolen hatte der versteckte Ort Vorteile, denn er bot Bedingungen für wenig beachtete Handlungen. Da der Einfluss der Mongolen bis weit in den Norden gereicht haben wird, war eine gewisse Vorsicht geboten. Die nächste wichtige mongolische Stadt, Costești, befand sich zwar ziemlich weit im Bârlad-Tal, südlich des Bârlader Hochlandes, aber sie verfügte über eine gute Verbindung nach Orheiu Vechi, einem mongolischen Zentrum. Als Wegbereiter der Ausbreitung seines Einflusses auf die Moldau wählte König Ludwig I. einen Adligen Marmatiens, den orthodoxen Rumänen Dragoș aus Bedeu. Dieser kam Ende der 1350er Jahre wohl mit einem kleinen Aufgebot und auf kaum begangenen Wegen über das Căliman-, Bistrița- und Stânișoara-Gebirge. In der Notsituation der Goldenen Horde versuchte er die ansässige rumänische Bevölkerung der Moldau zu gewinnen. Die Zeit in Molde dürfte er genutzt haben, um mit Moldauer Knesen diesbezüglich zu verhandeln. Die Knesen haben sich wohl mit den Mongolen arrangiert und waren Gewinner der hergebrachten Situation; unter einer andern Oberherrschaft hätten sie ihre privilegierte Lage vielleicht eingebüßt. Ähnliche Gesichtspunkte dürften auch für die Orthodoxe Kirche gegolten haben: Selbst wenn diese noch nicht sehr gut organisiert war, wird sie doch einen wachsenden katholischen Einfluss gefürchtet haben. Trotzdem gelang es Dragoș – wohl mit Versprechungen – die Knesen weitgehend für sich einzunehmen. Vor der Mitte des 14. Jahrhunderts, vor dem Beginn der großen Pestepidemie, hatte die Bevölkerungszahl ein Maximum erreicht. Erst kurz

27. Molde/Baia (Generalkarte Mitteleuropas, um 1900).

Moldau und Bessarabien

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vorher dürften Sachsen aus Siebenbürgen, ostwärts gewandert sein und sich in der Gegend von Molde, Radautz und Sereth niedergelassen haben. Während Radautz und Sereth an einem wichtigen Verkehrsweg lagen und mithin aus dem Handel Vorteile ziehen konnten. Nachdem er die Knesen gewonnen hatte, konnte Dragoș oder dessen Sohn Sas ihr Quartier relativ bald von Molde nach Sereth verlegen, einem Ort, der sowohl von Rumänen als auch von Sachsen bewohnt war. Im Städtegeschichteatlas Rumäniens/Sereth153 heißt es: „Die Anfänge der Stadt […] knüpfen im vorliegenden Fall an die Legende über den Wojewoden Dragoș, den Begründer der Moldau an. Die mit der Stadt Sereth verbundenen Flurnamen erwähnen Orte, die mit der Geschichte der Stadt verknüpft sind.“ Danach soll das Gefolge von Dragoș „auf Wunsch des Fürsten Sas“ dort eine Burg errichtet haben. Nach den Merkmalen des Stadtgrundrisses hat es zwei Siedlungskerne gegeben (Abb. 28): einen im Bereich der orthodoxen Kirche der Heiligen Dreieinigkeit (dem ersten Bau der Moldau, bei dessen Errichtung byzantinische/griechisch-orthodoxe Traditionen zum Tragen kamen) und einen Kern im Bereich der katholischen Kirche Johannes’ des Täufers. Dieses weist auf die Bedeutung des Ortes hin, die später sogar Bischofsstadt wurde und in der es zumindest ein Dominikanerkloster gab. Eindeutig bot dieser Ort viel größere Möglichkeiten als Molde, vor allem eine strategisch überaus wichtige Lage an der Straße, die von Bistritz nach Cernowitz führte. Nach Süden war das Sereth-Tal offen und es gab auch eine Straße, die über Dorohoi nach Dărăbani an den Pruth führte. Nun konnten die Verhandlungen mit den Knesen Früchte tragen. Inwieweit diese in die von Ludwig I. gewünschte Richtung liefen, ist ungewiss. Jedenfalls wurde das Gebiet von Ludwig 1360 als „Terra nostra Moldauana“ bezeichnet.154 Dann kam es aber zu Veränderungen durch einen Wechsel der Akteure. Dazu schreibt Victor Spinei: „der Aufbruch Bogdans [aus Marma­tien] in das Gebiet östlich der Karpaten geht möglicherweise auf den Erfolg der Anhänger von Dragoș zurück“,155 aber deren Ursachen lagen anscheinend tiefer. Zwischen Bogdan und König Ludwig I. soll es schon früher ein Zerwürfnis gegeben haben, dessentwegen möglicherweise Dragoș und nicht Bogdan den Auftrag zum Übergang in die Moldau erhielt. Spinei unterstreicht auch, dass es schon vorher ganz natürliche Verbindungen zwischen Marmatien und der Moldau gegeben haben könnte.156 istoric al orașelor din România. Siret/Städtegeschichteatlas Rumäniens. Sereth, S. 3, 4. Möhlenkamp, Die Entstehung und Entwicklung, 1999, S. 12, 13, 16, 19. 155  V. Spinei, Moldova, S. 313. 156  V. Spinei, Moldova, S. 242-246. 153  Atlas 154  R.

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28. Parzellierung des Stadtzentrums von Sereth/Siret. 1 Orthodoxe Kirche der Heiligen Dreieinigkeit; 2 katholische Kirche Johannes des Täufers; a Begrenzung des Siedlungskerns um die orthodoxe Kirche; b Begrenzung des Siedlungskerns neben der katholischen Kirche; c vermuteter Verlauf der einstigen Front im Bereich des Stadtangers; d eingeschobener Baublock auf dem einstigen Stadtanger.

Diese Verbindungen nutzte Bogdan aus: 1363 verdrängte er seinen Vorgänger Balc und erklärte die Moldau als selbständig, d. h. von Ungarn unabhängig. Das damalige Wojewodat kann man allerdings nicht mit der späteren Moldau vergleichen. Nur in dem Maße, in dem sich zusätzliche Knesen dem neuen Machtgefüge anschließen wollten oder mussten, wuchs dessen Ausdehnung und Macht. Mit starker zeitlicher Verzögerung widerspiegelt sich das in der nur allmählichen Verbreitung des mitteleuropäischen/deutschen Stadtrechtes (Abb. 26).157 Nach Molde und Sereth geschah dieses zunächst nur im Becken des Sereth- und BârladTales, dann in der Mitte der Moldau zwischen Cotnari und Orheiu Vechi, und erst zuletzt im Nordosten und Süden. Der Versuch, das ungarische Königreich auf dem Territorium der Moldau zu erweitern, aufgrund eines durchdachten Plans, vollzog sich wohl mit dem Einverständnis von Halič, dem nördlichen Nachbarn des Gebietes. Das Vorhaben vereitelte jedoch letztlich der große Bevölkerungsrückgang nach der Mitte des 14. Jahrhunderts (Abb. 3), was an Zuwanderungen gebundene Erweiterungen unmöglich machte. Die einzige Ausnahme hierzu bildete eine Bevölkerungsverdichtung infolge der Vertreibung der Juden aus Mittel- und Westeuropa und deren Ansiedlung in einem neuen „Galizien“.

157  H.

Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 113.

Moldau und Bessarabien

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Untere Donau (Paristrion des Byzantinischen Reiches) An das Schwarze Meer grenzte im Norden der nordpontische Teil der eurasischen Steppe, die dem Gebiet der Goldenen Horde zugehörte und später an die Moldau fiel. Westlich des Meeres gehörte Paristrion (die Dobrudscha/Dobrogea) zu Byzanz (später zum Osmanischen Reich bzw. zur Walachei). Wegen Petschenegen, Kumanen und Mongolen war es ein unruhiges Gebiet. Diese Turkvölker fielen immer wieder aus der Steppe in den byzantinischen Raum ein und zeitweilig beherrschten sie diesen auch. Das führte mitunter zu einer Flucht der alten Bewohner, die durch eine Genehmigung für Einwanderungen – etwa von Petschenegen und Kumanen – kompensiert wurde. Die beiden Gebiete unterschiedlicher Zugehörigkeit wurden durch die Donau getrennt. Diese war als Nordgrenze des Byzantinischen Reiches durch einige Burgen geschützt. Da die Donau ein sehr wichtiger Wasserweg war, gab es auch mehrere Häfen und Furten.158 Die bedeutendsten waren Brăila (zu Kumanien, später zur Walachei gehörig) und Izmail/ Ismajil (im Bereich der Goldenen Horde); dazu kamen Silistra, Giurgiu, Nikopol und Vidin.159 Diese waren nicht nur für die angrenzenden Gebiete wichtig, sondern auch für weiter abliegende Gegenden – eben auch für Siebenbürgen. Dabei spielt die Länge des Weges durch die Walachei beziehungsweise durch die Moldau eine große Rolle, aber auch die Distanz zwischen den einzelnen Häfen und dem Meer. Hermannstadt lag von der Mündung der Donau ins Meer relativ weit entfernt. Der Handelsweg von dieser Stadt an die Donau, nach Nikopolis, führte am Alt-Fluss entlang hinunter (mit einem kleinen Umweg östlich des Cozia-Massives), und von Nikopolis war es noch relativ weit bis zum Meer. Kronstadt lag diesbezüglich viel günstiger: Die Kaufleute konnten über den Oituzpass „zur Lemberger Straße [ziehen], die von Suceava zu den genuesischen Handelsplätzen am Schwarzen Meer“ führte.160 Aber es gab auch einen zweiten Weg. „Im Süden [war] vor allem der ‚Kronstädter Weg’ wichtig geworden, [der über die Törzburger Hochfläche] nach Rucăr [und weiter] nach Brăila [an] der Donau führte.“161 Daneben gab es jedoch auch andere Wege – alle mit Zollstellen, am Kronstädter Weg etwa bei Rucăr, Târgoviște, Târgușoru Vechi. Die Bedeutung dieser Verbindung ist aus der frühen Erwähnung der „via Braylan“ zu ersehen, in einer Urkunde, die 1368 vom Wojewoden der Walachei, Ladislaus, românilor, III, S. 546, 547. Mittelstrass, Beiträge zur Siedlungsgeschichte, S. 51. 160  O. Mittelstrass, Beiträge zur Siedlungsgeschichte, S. 18, Kartenanhang, Karte V. 161  O. Mittelstrass, Beiträge zur Siedlungsgeschichte, S. 50. 158  Istoria 159  O.

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für die Kaufleute des Kronstädter Distriktes ausgestellt wurde, in der die Dreißigststellen für den Durchfuhrhandel und anderes geregelt wurde.162 Die Entwicklung von Paristrion war mit der Bedeutung der Donau für den südosteuropäischen Raum eng verknüpft.

29. Tal der Goldenen Bistritz, einst Waldgebiet.

30. Steppenlandschaft bei Isaccea, Dobrudscha.

162  F.

Zimmermann, C. Werner, G. Müller, Urkundenbuch, II, S. 307.

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Walachei

WA L A C H E I /M U N T E N I A  U N D  O LT E N I A – WESTENDE DER STEPPE Naturraum Wie auch im Fall anderer Gebiete ist die frühe Geschichte aus den geographischen Merkmalen des Gebietes zu verstehen (Abb. 31). Die Donautiefebene wird auf drei Seiten durch Gebirgszüge begrenzt – im Norden und Westen durch die Karpaten, im Süden durch das Balkangebirge. So bildeten die spätere Walachei und der Norden Bulgariens gewissermaßen eine große Bucht, in welche die Nomaden von Nordosten, aus der nordpontischen Steppe, leicht einwandern konnten. Von den nächsten nachziehenden Nomadenvölkern bedrängt, hatten sie mit ihren großen Herden nicht die Möglichkeit, weiter nach Westen zu wandern. Am ehesten konnten sie mit Bewilligung der Behörden über die Donau in den Norden des Byzantinischen Reiches einwandern, wo es nach dem Bevölkerungsrückgang im ersten Jahrtausend anscheinend genügend Freiraum gab.



Bukarest

31. Donautiefebene (nach Google Earth. Data SIO, Noaa, U.S. Navy. NGA, GEBCO).

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Periphere Räume 32. Natürliche Vegetation der Großen Walachei (Atlas geografic 1965).

Hingegen konnten die hohen und breiten Karpaten nur von kleineren Gruppen überwunden werden – am ehesten mit der Bewilligung Ungarns. Die Donau war mit Herden nur im Winter zu überqueren, und der südliche Teil der Donautiefebene war von dem Balkangebirge begrenzt, das allerdings nicht so hoch und so breit wie die Karpaten war. Die nördliche Hälfte der Tiefebene stand zu Beginn des zweiten Jahrtausends unter wechselnder Vorherrschaft von Nomadenvölkern. Sie besteht aus der Kleinen Walachei im Westen (rum. Oltenia) und der Großen Walachei im Osten (rum. Muntenia). Die Ostgrenze der Walachei bilden zwei Donauarme. Zwischen diesen und dem Schwarzen Meer befindet sich die Dobrudscha, das einstige Paristrion, ein Teil des Byzantinischen Reiches. Die Donautiefebene wird im Osten vom Schwarzen Meer begrenzt und ihr südlicher Teil gehörte im Mittelalter zum Byzantinischen Reich oder zum Ersten bzw. Zweiten Bulgarischen Reich; heute bildet es einen Teil Bulgariens. Entsprechend den Höhenschichten befindet sich eine beträchtliche Fläche der Großen Walachei auf einer Höhe unter 200 m und bildet dort ein breites Band. Erst am Alt-Fluss gibt es einen Berg-Riegel, der eine Begrenzung darstellt. Westlich vom Alt setzt sich das erwähnte Band aber nicht mit der gleichen Breite fort, sondern wird gegen Westen hin schmaler (Abb. 35, 36). Im Allgemeinen kann man von einem weniger kontinentalen Klima als in der Moldau sprechen. Während dort die mittlere Jahrestemperatur 6-10°C beträgt, handelt es sich in der Walachei (abgesehen vom Karpatenvorland) um 10-11°C. Auch die Niederschlagsmenge im Ostteil der Moldau und vor allem in Bessarabien ist geringer: Sie beträgt weitgehend 400-500 mm pro Jahr, in der Walachei dagegen vor allem 500-600 mm – vor allem westlich der Ialomitza (die das Steppengebiet des Bărăgan durchfließt) bis zum Alt ist sie relativ groß, ebenso in beträchtlichen Teilen der Kleinen Walachei.

Walachei

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Die klimatischen Bedingungen und mithin die natürliche Vegetation der Walachei sind in verschiedenen Teilen unterschiedlich (Abb. 32). Im Osten, neben der Donau, gibt es den erwähnten Steppenbereich, der die nordpontische Steppe fortsetzt. An diese Steppe (Bărăgan genannt) grenzt im Westen ein Streifen der Waldsteppe. In der Nähe der heutigen Hauptstadt Bukarest beginnt das natürliche Waldgebiet (früher bekannt als Codrii Vlăsiei). Jenseits der Codrii bzw. des Argeș-Flusses weitet sich der Waldsteppengürtel wieder aus und setzt sich, mit etwas geringerer Breite, auch im Süden der Kleinen Walachei bis in die Nähe von Turnu Severin fort. Die Wälder im Norden der Walachei haben sich teilweise bis heute erhalten (Abb. 33). Einst schützten sie die wichtigsten Orte vor Feinden, heute bilden sie eine klimatische Barriere. Von großer siedlungsgeschichtlicher Bedeutung war das Gebiet am Fuß der Südkarpaten. Dort gab es zunächst eine Reihe von Senken und südlich davon bewaldete Höhenzüge (Abb. 34). Diese bildeten in unruhigen Zeiten einen guten Schutz zur Ebene hin. Es handelt sich jedoch nicht um eine durchgehende Geländeformation, sondern die Senken waren in Abschnitte gegliedert. Zunächst liegt im Westen, an der Donau, noch im Bereich der Karpaten, die Siedlungskammer von Turnu Severin, deren Bedeutung strategisch und ökonomisch bedingt war. Weiter östlich, in der Kleinen Walachei, gab es Senken rund um Târgu Jiu und parallel dazu, näher am Gebirge, einen zweiten Senkengürtel. Dieser setzt sich von Novaci bis Călimănești mit etwas größerer Breite fort. In der Großen Walachei gibt es eine solche Kammer rund um Curtea de Argeș, die vom Alt bis in die Nähe von Langenau/Câmpulung reicht. Von Câmpulung bergwärts erstreckt sich eine Kammer bis zur Törzburger Hochfläche. Im Osten, beim Karpatenbogen, sind die Senken nicht mehr so ausgeprägt, aber rund um

33. Bewaldung des südlichen Piedmonts (nach Google Earth. Data SIO, NOAA, U.S. Navy, NGA, GEBCO). Dunkelgrüne Flächen zeigen Wälder an, etwas hellere Flächen Obstgärten, helle Flächen Weiden und Felder. Orientierungspunkte: A: Kleine Walachei,   Städte: 1 Turnu Severin, 2 Baia de Aramă, 3 Târgu Jiu, 4 Petroșani, 5 Horezu, 6 Brezoi, 7 Râmnicu Vâlcea; B: Westlicher Teil der Großen Walachei,   Städte: 8 Curtea de Argeș, 9 Pitești, 10 Câmpulung, 11 Târgoviște, 12 Sinaia.

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34. Große Reliefformen des Piedmonts (Atlas geografic 1965).

Vălenii de Munte und oberhalb von Buzău gibt es eine ähnliche Fläche, aus der man gut in die Vrancea-Senke überwechseln kann. Die Vrancea-Senke wiederum war in historischer Sicht besonders bedeutend, da sie wohl eng mit dem Milcover Bistum verbunden war. Sie bildete gewissermaßen die Verbindung zwischen der Walachei und der Moldau. Mehr noch: man konnte von dort auch relativ leicht nach Siebenbürgen, ins Szeklerland überwechseln.

Geschichtlicher Rahmen In der Walachei stoßen drei Welten zusammen: – die althergebrachte byzantinische, slawisch-byzantinische und wlachische des Balkans, die vor allem in der Kleinen Walachei Bedeutung bekam; – die Welt der Turkvölker und Mongolen der Steppe, die vor allem die frühe Geschichte der Großen Walachei prägte; – die mitteleuropäische in magyarischer Prägung, die das Leben in den Senken am Fuß der Karpaten beeinflusste. Die Synthese dieser Auswirkungen bewirkte einen „balkanischen“ Charakter des mittelalterlichen Staates, der sich nicht nur auf kultureller, sondern auch auf politischer Ebene äußerte und das Gebiet in die große orthodoxe Welt Südosteuropas einfügte.163 Dabei muss aber von bedeutenden Umwälzungen gesprochen werden, von der heidnischen Welt der Nomaden zu der christlichen einer sesshaften Bevölkerung.164 Neben den Ergebnissen linguistischer und archäologischer Untersuchungen165 lassen sich aus siedlungsgeschichtlicher Sicht zusätzliche Einsichten in die frühe Geschichte dieses Raumes gewinnen. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 113, 114. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 111. 165  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 170-192. 163  A. 164  A.

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Von Kumanien zur Walachei Während sich nördlich der Südkarpaten die Lage allmählich festigte, waren die Lebensbedingungen in der Donautiefebene, zwischen dem großen Strom und den Karpaten, noch schwierig. Spätestens seit dem 13. Jahrhundert wissen wir über dieses Gebiet besser Bescheid. In westlichen Quellen ist von der Walachei und deren bewohnten Gebirgen die Rede166 und im Kontext der Weidewirtschaft wird es zunächst eine große Beweglichkeit der Bevölkerung gegeben haben. Diese verringerte sich jedoch mit steigender Bevölkerungsdichte. In gewissen Siedlungskammern dürfte dabei eine Konzentration von Menschen existiert haben und dazwischen eine sehr lockere Besiedlung. Zu rechnen ist auch mit einem bunten Bild von Mitbewohnern, die von Rumänen assimiliert wurden.167 Konkret ist zunächst im Gebiet von Drobeta, dem späteren Turnu Severin, eine gewisse Kontinuität des Lebens festzustellen: Der wichtige Ort gehörte zu Byzanz, dann zu Bulgarien und schließlich zu Ungarn. Bis 1233 ist im Einzugsbereich der Stadt das Severiner Banat als Teil des Arpadenreiches entstanden, 1237/1238 sollte dort auch ein Bistum gegründet werden und 1247 wurde das Gebiet an den Johanniterorden vergabt, der bis 1260/1261 dort verblieb.168 Im Kontext der magyarischen Implikationen gibt es die ersten konkreten geographischen Angaben über die Walachei. König Béla IV. verlieh den Hospitalitern das gesamte Gebiet Zeurino mit den zugehörigen Gebirgen und Bewohnern, auch mit den Knesaten des Joannis und des Farcasii bis zum Alt-Fluss, ausgenommen das Knesat des Wojewoden Lynoiy, das den Walachen blieb, ebenso Fischteiche von Cheley an der Donau, aber auch das Gebiet Lytua ohne das Land Harszoc mit Zubehör, dazu Einnahmen aus ganz Kumanien, mit Ausnahme des Gebietes des rumänischen Wojewoden Szeneslau, so wie er es bis dahin genutzt hatte.169 1288 wurde dann festgehalten, dass Lynoiy die Abgaben nicht gezahlt habe, die dem König gebührten.170 Radu Negru (auch Radu Vodă oder Negru Vodă), der „Großherzog der Mărginimea Sibiului und des Fogarascher Landes von jenseits der Karpaten“ (V. Spinei erwähnt einen Herzog171), soll zunächst, 1290, im abgelegenen Langenau/Câmpulung und dann im alten Zentrum, in Curtea de Argeș, Popescu-Spineni, România, S. 104. auch K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 172-175. 168  A. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 32-37, 112. 169  F. Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 73-76. 170  S. Iosipescu, Românii din Carpații Meridionali, S. 50-62. 171  V. Spinei, Moldova, S. 192. 166  M.

167  Vgl.

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die Grundlage für die Entstehung der Walachei gelegt haben. Nach Funden von Goldmünzen sollen diese Orte die ersten wichtigen Städte südlich der Karpaten gewesen sein. Ihm dürfte zunächst auch der sagenhafte Basarab, „unser Wojewode jenseits der Gebirge“, unterstanden haben. Von ihm heißt es, er habe die Knesate und Wojewodate vereinigt – auch die der Großen und Kleinen Walachei – und in einer sagenumwobenen Chronik einige Jahrhunderte später: „Dann haben die Basaraber alle Bojaren, die vorher jenseits des Alt waren, zusammengeführt, so dass sie zu Radu Vodă kamen, ihm Gefolgschaft leisteten, und er nun über allen sein sollte.“ Es gab schon früh halbwegs annehmbare Beziehungen zwischen Rumänen und Kumanen und auch Basarab soll ein Kumane gewesen sein – wohl ein zum Christentum bekehrter.172 Dieser Vereinigung ging schon im 13. Jahrhundert eine demographische und wirtschaftliche Verbindung voraus, zu der auch die Bevölkerung nörd­lich der Karpaten und südlich der Donau beitrug.173 Der ursprüngliche Kern des Staates aus dem bergigen Gebiet wuchs allmählich „bis zur Donau und dem Sereth-Fluss an, wo Dörfer und Städte gegründet wurden“174. Von Seiten der Dominikaner gab es Versuche, die Bevölkerung zum Katholizismus zu bekehren, doch waren diese letztendlich nicht erfolgreich.175

Byzantiner, Bulgaren und Wlachen Bei allen Umwälzungen spielten die ständigen Spannungen rund um Kumanien beziehungsweise um die Walachei eine Rolle, etwa zwischen dem Byzantinischen Reich und dem Ersten bzw. Zweiten Bulgarischen Reich, Spannungen, die immer wieder in Kriege ausarteten. Das Erste Bulgarische Reich (679-1018) entwickelte sich noch unter oströmischer Oberhoheit, machte aber Beutezüge bis in die Theißebene und an den Dnjestr. Konflikte mit dem Byzantinischen Reich waren gewissermaßen vorprogrammiert – solche gab es in den Jahren 934, 967 und 976-979.176 Das Reich war ökonomisch so gefestigt, dass es eine Blütezeit unter Simeon dem Großen (892-927) erlebte, und auch Schwierigkeiten seit der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts wegen des Salzexports nach Großmähren gefährdeten seine Existenz nicht. Dabei konnte 989 ein eigenes bulgarisches Patriarchat gegründet werden und dessen kultureller Einfluss auf weite Gebiete wird in der eng verwandten Dridu-Kultur fassbar. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 39, 114. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 110, 115. 174  DIR, C, II, S. 369. 175  A. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 36. 176  A. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 21, 23. 172  A. 173  A.

Walachei

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Nach Aufständen von 1040, 1073 und 1186 gegen Byzanz entstand das Zweite Bulgarische Zarat (1186-1396). Unter der Führung der Brüder Assen und Peter schlossen sich die Bulgaren mit Wlachen und Kumanen gegen Byzanz zusammen und erzielten den gewünschten Erfolg. Auch später blieb das Zweite Bulgarische Reich eine bedeutende Macht, die militärische Erfolge erringen konnte – so 1197-1207 unter der Führung von Kalojan Assen und 1218-1241 unter Iwan Assen II., als sich das Reich bis zu den Karpaten erstreckte.177 Allerdings wurde seine Struktur 1241 von den Mongolen zerstört und erreichte danach nicht mehr seine einstige Bedeutung, doch beeinflusste es die Entwicklung von Serbien, der Walachei und der Moldau sowie der Kiewer Rus. Sehr früh werden die Wlachen des Balkans erwähnt – so von Constantinus Profirogenetus, nach dessen Aussage die Gebiete südlich der Donau zum großen Teil von romanischer Bevölkerung bewohnt seien.178 Johannes Kinnamos erwähnt die militärische Organisation der Wlachen des 10. Jahrhunderts und Quellen des 11./12. Jahrhunderts sprechen von „wandernden Wlachen (Kedrenos)“ und Ana Comnena schreibt von deren Transhumanz. Sie waren vor allem gute Kenner der Gebirge, so dass sie die Kumanen durch die Schluchten des Balkans führen konnten.179 Wie erwähnt, standen die Wlachen beim Aufstand von Peter und Assen an der Seite der Bulgaren und waren so in das Zweite Bulgarische Reich eingegliedert. Man kann jedoch mit Hirtengruppen auch in andern Gebieten rechnen. In der Nestor-Chronik sind Rumänen nördlich der Donau erwähnt. Es heißt, dass die Ungarn 896, nach dem Durchqueren des Verecke-Passes, ins Karpatenbecken eindrangen und mit den dort lebenden Volohii und den Slawen zu kämpfen begannen.180 Für das Ende des 9. Jahrhunderts erwähnt Anonymus die „Wlachen, also die Hirten der Römer“, die in der Theißebene lebten: „man sagt wahrhaftig, dass das Gebiet Pannoniens die Weide der Römer sei, weil die Römer auch jetzt auf den Gütern der Ungarn leben“.181 Wie schon im Kontext Marmatiens erwähnt, zogen sich jedoch walachische Hirten höchstwahrscheinlich auch in die umliegenden Gebirgstäler zurück (Abb. 9).182 Es ist anzunehmen, dass von diesen die Wlachen der Slowakei abstammen, die Rumänen Marmatiens und die Motzen der Westgebirge. Trifft dieses zu, so dürfte ein ähnlicher Vorgang auch für die Donautiefebene angenommen werden. Als etwa Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 22, 23, 26, 30. românilor, III, S. 9. 179  M. Popescu-Spineni, România, S. 93, 96, 100, 104. 180  Istoria românilor, III, S. 10. 181  Istoria românilor, III, S. 11. 182  Siehe dazu auch den Text und die Abbildung bezüglich des Kreischgebietes.

177  A.

178  Istoria

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um die gleiche Zeit die Petschenegen in die Weidegründe der späteren Walachei eindrangen, werden sich auch hier die Walachen in die geschützteren Senken am Fuß der Südkarpaten (Abb. 34) zurückgezogen haben.

Turkvölker Ständige Konflikte gab es mit den verschiedenen Turkvölkern, die aus dem Raum nördlich der Donau von Zeit zu Zeit in jenen südlich der Donau, in das Byzantinische bzw. Bulgarische Reich einfielen. Mitunter erhielten sie auch die Erlaubnis für eine Ansiedlung innerhalb des Byzantinischen Reiches – vor allem in Paristrion, in der späteren Dobrudscha. Zwei Jahrhunderte hindurch gab es immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen – zunächst mit den Petschenegen. Schon im Jahre 944 überfielen diese aus der Walachei Bulgarien, dann wieder 968 und 971, nun auch zusammen mit Knesen der Kiewer Rus. Auch der Norden des Byzantinischen Reiches hatte immer wieder unter ihren Raubzügen zu leiden, so 1034-1036. 1086 wurden die Petschenegen von den Kumanen geschlagen und wenig später, 1091, erlitten sie bei Lebunion, im europäischen Teil der heutigen Türkei, eine vernichtende Niederlage.183 Nun mussten sie nach verschiedenen Richtungen fliehen. Ein Teil konnte im Byzantinischen Reich unterkommen und in der heutigen Dobrudscha gibt es an einem Arm der Donau einen Ort Peceneaga und nahe der Schwarz-Meer-Küste, bei Mangalia, Pecineaga. Andere siedelten sich neben den Rumänen in den Senken am Fuß der Südkarpaten an – von wo sie leicht ins Gebirge fliehen konnten; auch der Name „Argeș“ soll auf diese zurückgehen.184 Manche kamen auch über die Karpaten nach Siebenbürgen, wo sie als Grenzwächter eine bedeutende Rolle spielen sollten. Schon vorher erlangten die Oghusen Bedeutung. Diese wurden von den Kumanen nach Westen abgedrängt,185 überfielen ihrerseits 1064 und 1065 den Balkan und ließen sich zum Teil auch im Byzantinischen Reich nieder.186 Ein Teil kam jedoch nach Ungarn, in die Gegend des SajóFlusses, und ein Teil nach Siebenbürgen. Ähnliches wiederholte sich mit den Kumanen, die 1091 an der Niederringung der Petschenegen beteiligt waren. Wenig später besetzten sie die Ebene der Großen Walachei und Paristrion (1094). Gelegentlich drangen sie auch in die Kleine Walachei ein und 1114 in das Gebiet südlich der Donau. 1223 verloren sie, zusammen mit Fürsten der Rus, eine Schlacht gegen die Mongolen bei Kalka, Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 23, 24, 26. Göckenjahn, Hilfsvölker, S. 106, 107; A. Madgearu, Români și Pecenegi, S. 114-119. 185  A. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 26. 186  A. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 25, 27. 183  A.

184  H.

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am Asowschen Meer, und unterlagen etwa um die gleiche Zeit auch dem Deutschen Orden. Damit war die Geschichte der Kumanen als militärische Macht Südosteuropas beendet.187 Ein bedeutender Teil von ihnen bekehrte sich zum Christentum und nun wurde auch das Milkover oder Kumanen-Bistum gegründet; im Zusammenhang damit wird 1227 auch ein päpstlicher Legat Kumaniens erwähnt.188 Dem Namen nach dürfte sich die Diözese im Bereich des Milcov-Flusses befunden haben – nach A. Ioniță „in der bergigen Vrancea-Region, vielleicht bei Odobești“.189 Aus Furcht vor den Mongolen flüchtete allerdings ein Teil der Kumanen 1239 „mit dem Führer Kuthen (Kötöny) unter ungarischen Schutz, […] eine zweite Gruppe zog nach Süden auf den Balkan; viele verblieben jedoch in der Moldau und Walachei und vermischten sich mit den Rumänen. Ihre Spuren sind heute z. B. in den Ortsnamen Comănești oder Comana erhalten.“190 In „Kumanien“ sollten sie immerhin noch eine politische Rolle spielen. Nach dem großen Mongoleneinfall von 1241/1242 und einem weiteren 1284/1285 gehörte das Gebiet Kumaniens zwar 1292, zur Zeit des Han Nohai, bis zum Eisernen Tor zur Goldenen Horde, doch dieses nur nominell.191

Magyaren Seit dem Ende des ersten Jahrtausends spielten neben Byzantinern, Bulgaren und Turkvölkern auch die Magyaren eine wachsende Rolle. Nach ihrer verlorenen Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg 955 richteten sich die ungarischen Expansionsbestrebungen vor allem ost- und südwärts. Dabei kam es selbstverständlich zu Auseinandersetzungen mit der dort lebenden Bevölkerung. Auf Konflikte zwischen Ungarn und Mongolen wurde schon im Zusammenhang mit der Moldau hingewiesen. Es gab aber auch mehrere Kriege mit den Byzantinern, von denen einige hier anzuführen sind: 934 griffen die Ungarn, zusammen mit Bulgaren und Petschenegen, die Byzantiner an und 967 kam es wieder zu Konflikten, ebenso 1128. Über einen Einfall der südlichen Nachbarn in Siebenbürgen schreibt A. Ioniță: 1166 durchquerte Leon Vatatzes Kumanien und einen Pass des Karpatenbogens und drang in Siebenbürgen ein. Ein anderes Heer unter der Führung des Knesen Iohannes Ducas erhielt den Befehl, die Ungarn von Norden her Papacostea, Terra Borza, S. 31-37. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 31. 189  A. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 32. 190  H. Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 27. 191  A. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 39. 187  Ș.

188  A.

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anzugreifen, wobei die Streitmacht große Entfernungen, auch durch völlig unbewohnte Gebiete zurücklegen musste.192 Konflikte der Magyaren mit dem Ersten Bulgarischen Zarat ergaben sich schon aus beidseitigen Ansprüchen auf Gebiete nördlich der Donau und auf Siebenbürgen. Sie führten zu zahlreichen Kriegen der Ungarn mit dem Zweiten Bulgarischen Reich und den dabei implizierten Wlachen des Balkans. Selbst wenn dieses Reich weniger weitgehende Ansprüche geltend machte, war die Walachei immer mittendrin. Vor allem ging es um das südliche Banat und das Severiner Banat, so 1059, 1208, 1211-1213, 1231-1233 und 1260/1261, wobei zeitweise auch Widin und Plevna unter ungarische Herrschaft gelangten.193

Archäologische Funde und Belege Die siedlungsgeschichtliche Entwicklung der Walachei war weitgehend von den geographischen Gegebenheiten des Gebietes und vor allem von dessen natürlicher Vegetation (Abb. 32) abhängig, die sich in verschiedenen Zeitläufen unterschiedlich auswirken konnten. Die Funde, die von A. Ioniță zusammenfassend dargestellt wurden,194 belegen eindeutig die Verbreitung der Turkvölker. Wenn man sich nur auf die Reitergräber bezieht, die ziemlich eindeutig mit den Kumanen in Verbindung zu bringen sind (Abb. 35), so ist zu ersehen, dass alle Funde aus Höhenlagen unter 100 m stammen. Im Verhältnis zu den Waldsteppengebieten ist weiter festzustellen, dass die meisten Funde aus der Nähe der natürlichen Waldgebiete stammen: Dort gab es genügend Feuerholz und auch das Wasser wird von besserer Qualität gewesen sein. Die Fundstellen befinden sich meist an Flüssen. Das Gleiche gilt sowohl für einzelne Reitergräber als auch für Gräberfelder und Siedlungen. Funde dieser Art stammen alle aus der Großen Walachei. Denn nahe der Mündung des Altflusses in die Donau reichte ein kleiner Höhenzug von etwas über 100 m Höhe weit in die Ebene und bildete gewissermaßen einen Riegel. Westlich davon, in der Kleinen Walachei (Oltenia), sind keine Reitergräber gefunden worden. Es ist jedoch zu vermuten, dass die Kumanen trotzdem auch die Kleine Walachei unsicher gemacht haben. Darauf lässt sich aus der Verbreitung der Funde von Waffen und Rüstungsteilen schließen (Abb. 36). Abgesehen von Waffen im Bereich von Reitergräbern gibt es andere am Fuß des Fogarascher Gebirges sowie im westlichen Teil der Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 21-29. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea, S. 21-37, 110. 194  A. Ioniță, Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunăre. 192  A. 193  A.

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35. Reitergräber der Großen Walachei (Kartie­rung A. Ioniță, Hintergrund A. Nacu). Grenze des natürlichen Waldgebietes;  Reitergräber,   fragliche Reitergräber,  Siedlungen.   

Kleinen Walachei, im Bereich von Turnu Severin. Beide Bereiche sind im Zusammenhang mit benachbarten Gebieten zu sehen: Jene am Fuß des Fogarascher Gebirges sind wohl an Siebenbürgen gebunden, jene im Bereich von Turnu Severin an die Gebiete südlich der Donau. Nur zwei Funde sind anscheinend von diesen benachbarten Gebieten unabhängig (die in Poiana/Gorj und Vârtop/Dolj). Die Zeitabschnitte der Kartierungsperioden sind aber relativ lang. Dadurch ergibt sich eine gewisse Ungenauigkeit, so dass es sich nicht um synchron zu datierende Funde handeln dürfte. Auch hat es schon aus kumanischer Zeit bescheidene Siedlungsreste gegeben (etwa an der Stelle von Curtea de Argeș). Mit diesem Vorbehalt sind auch die Kartierungen anderer archäologischer Funde aus dem 11.-13. Jahrhundert zu betrachten. – Einzelne Münzen (Abb. 37). Aus kumanischer Zeit stammen Funde von EdelmetallMünzen (Gold, Silber), vor allem aus der Ebene, mit einer Konzentration in der Bukarester Gegend. Dazu kommen einige Funde aus Randzonen der Ebene. Aus nachkumanischer Zeit sind die Funde stärker gestreut, in größerem Maße auch am 36. Waffenfunde in der Kleinen Walachei Rand der Ebene und im Hü- (Hintergrund A. Ioniță und A. Nacu). Grenze des Waldgebietes. gelland.   

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Kartierungen archäologischer Funde der Walachei, nach A. Ioniță (Hintergrund Höhenschichten nach A. Nacu).

37. Münzfunde aus kumanischer Zeit.  Einzelmünzen (Edelmetall),

 Münzhorde (normales Metall),  Edelmetall (nach A. Ioniță).

38. Münzfunde aus nachkumanischer Zeit.  Einzelmünzen (Edelmetall),  Münzhorde (normales Metall),  Münzhorde (Edelmetall) (nach A. Ioniță).

39. Kleidungs- und Schmuckstücke.  Kleidungsstücke,  Schmuckstücke (nach A. Ioniță).

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40. Siedlungen, Kirchen und Befestigungen.  Siedlungen mit Kirchen,

 Befestigungen,  Siedlungen.

– Ein etwas anderes Bild bieten die Münzhorde (Abb. 38). Aus kumanischer Zeit fanden sich solche ebenfalls fast ausschließlich im Gebiet der Waldsteppe und Steppe. Erst aus nachkumanischer Zeit gibt es solche häufiger auch im natürlichen Waldgebiet. Auffällig ist ihr völliges Fehlen am Fuß der Karpaten (vgl. Abb. 40). – Im Fall von schwerer zuzuordnenden Kleidungs- und Schmuckstücken ist das Gesamtbild weniger aussagekräftig; solche Funde überwiegen am Fuß der Karpaten und an der Donau; ansonsten nur bei Dridu (Abb. 39). – Befestigungen und Siedlungen mit Kirchen (Abb. 40) fanden sich vor allem am Fuß der Karpaten und zeigen, dass es sich dort um ruhigere Gebiete handelte, vor allem in der Gegend von Turnu Severin und zwischen Curtea de Argeș und Cetățeni (bei Langenau). Dridu (11.-13. Jahrhundert) liegt in der Ebene, doch vermutet Ioniță dort Petschenegen. Dementsprechend ergibt sich für die erste Zeit ein Schwerpunkt der Besiedlung in der Waldsteppe und für die spätere Zeit ein solcher in geschützteren Gebieten, am Rande der Karpaten. Diese Verteilung hängt vor allem mit der Sicherheit der Gebiete zusammen. Gut zu ersehen ist dieses am Schicksal eines archäologisch erschöpfend untersuchten einstigen Dorfes bei Coconi (Kreis Ilfov, bei Bukarest). Es war ein Haufendorf mittlerer Größe in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Dazu gehörten auch Befestigungen: ein Wall und Graben. Trotzdem konnte aber das Dorf die Zeit nicht überdauern.195 1222 schenkte König Andreas II. das Gebiet bis zur Donau dem Deutschen Orden. „Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte die kumanische Macht die 195  N.

Constantinescu, Coconi. Un sat din Câmpia Română, S. 66-74.

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41. Reliefformen der Kleinen Walachei (nach Atlas geografic 1965).

Auseinandersetzung mit dem Deutschen Orden verloren und damit bedeutende Gebiete, die man als das ‚Schwarze Kumanien‘ bezeichnete (die westlichen Gebiete des kumanischen ‚Reiches‘) eingebüßt. 1223, ein Jahr später, zerfiel die kumanische Macht auch im sogenannten ‚Weißen Kumanien‘ (den östlichen Gebieten der Kumanen) – zerschmettert von der ersten Welle des Mongoleneinfalls. Unter diesem Doppelschlag verschwand die kumanische Variante des Steppenreiches unwiederbringlich.“196 In Folge des Vordringens des Deutschen Ordens südlich der Karpaten änderte sich die Lage in der Walachei. Statt Steppen und Waldsteppen der Ebene bekam der höher gelegene Siedlungsraum am Fuß der Karpaten Bedeutung – eine Tatsache, auf die archäologische Funde, Urkunden und die heutige Bewaldung hinweisen (Abb. 32, 40). Nach der Vertreibung des Deutschen Ordens kam es zu einer Neuorganisation. Der König vergabte rund 20 Jahre später, 1247, einen großen Teil des Gebietes an den Johanniterorden, wobei die Schenkungsurkunde eine wichtige Quelle für die frühe Geschichte der Walachei ist; sie muss auch im siedlungsgeschichtlichen Kontext gesehen werden. Im Allgemeinen gab es innerhalb des Piedmonts zunächst eine langgezogene zweigeteilte Senke (depresiunea Gorjului, depresiunea Vâlcii; Abb. 34, 41), die in der heutigen Bewaldung gut erkennbar ist (Abb. 33). Auf der Südseite, zur Ebene hin, ist die Senke von einem bewaldeten Höhenzug begrenzt, an den eine Fläche anschließt, die zur Donau hin abfällt. Die bewaldeten Höhenzüge südlich der Senken bildeten in unruhigen Zeiten einen guten Schutz zur Ebene hin. Es handelt sich jedoch nicht um eine durchgehende Geländeform, sondern die Senken waren in Abschnitte gegliedert (Abb. 41). Zunächst liegt im Westen, an der Donau, 196  Ș.

Papacostea, Terra Borza, S. 32.

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42. Gegend von Turnu Severin (nach Atlas geografic 1965 bzw. Google Earth, Image Landsat/Copernicus).

noch im Bereich der Karpaten, die Siedlungskammer von Turnu Severin, deren Lage strategisch und ökonomisch bedingt war. Der Ort ist 1247 urkundlich belegt, als er, mit der Kleinen Walachei u. a., den Johannitern vergabt wurde.197 Seine besondere Bedeutung ist auch aus dem Standort des späteren orthodoxen Klosters Vodița zu ersehen, das zwar erst 1377 gebaut wurde, aber auf den ersten serbisch-orthodoxen Mönch der Walachei, Nicodim, zurückgehen soll, der 1359 in die Walachei kam. Das Jahr bildet einen Bezugspunkt der rumänischen Kultur. Laut der Urkunde von 1247, in der von der Wiederbevölkerung nach dem Mongolensturm die Rede ist, gab es dort Rumänen mit einem eigenen Aufgebot. Gebietsmäßig wurden dem Orden die Severiner Gegend samt Gebirge, die gesamte Kleine Walachei, die Hatzeger Senke und bedeutende Teile der Großen Walachei (Kumanien) übergeben, ebenso auch Gebiete jenseits der Donau. Die wichtigste Verbindung mit Siebenbürgen bildete, vor allem für den Salztransport, der Korridor durch das Cerna- und Bistratal. In den heutigen Karten ist die eigentliche Siedlungskammer von Turnu Severin eine relativ kleine Senke. Das Gebiet war teilweise bewaldet (Abb. 42), vor allem nördlich und östlich der Stadt, und die Waldgebiete waren im 13. Jahrhundert gewiss viel ausgedehnter, auch jenseits der Donau. Nach A. Ioniță wurden bei Turnu Severin reiche archäologische Funde gemacht (in Grădeț, Gura Văii und Hinova), und zwar Gräberfelder, Siedlungen, Schmuck und Schätze. Die weiter südlich gelegenen Funde (im Kreis Mehedinți in Ostrovu Mare, Izvoarele, Goanța, Zimcea und Salcia, im Kreis Dolj in Basarabi, Cetate, Maglavit, Desa und Piscu Vechi) gehören 197  DIR,

C, sec. XI, XI, XIII, S. 329-333.

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in engerem Sinn nicht mehr zu dieser Siedlungskammer, sondern sind der Donau zuzuordnen und dem Gebiet südlich davon. Das Gleiche gilt auch für den weit abgelegenen Ort Celeiu bei Calafat, wobei der dortige Fischteich in der Urkunde von 1247 namentlich genannt ist. Die Stadt Turnu Severin bestand aus zwei Teilen: aus einer mittelalterlichen Burg und einer anliegenden Siedlung. Diese Teile reihten sich entlang der Donau aneinander. Dagegen hatte die Straße in Richtung Kleine Walachei eine untergeordnete Bedeutung; sie fügte sich ins Gelände ein, hatte aber einen unregelmäßigen Verlauf. Die Siedlungskammern, die unmittelbar an die Südkarpaten und Siebenbürgen gebunden sind, befinden sich weiter nordöstlich. Den Ausgangspunkt für deren nähere Bestimmung bildet die Urkunde von 1247 für den Johanniterorden.198 Darin heißt es: „conferimus sibi […] terram de Zeurino […] cum kenazatibus Joannis et Farcasii usque ad fluvium Olth, excepta terra kenazatibus Lynioy199 vaivoadae, quam Olatis relinquimus […]“. Es sind also drei Knesate erwähnt, die sich auf dem Gebiet westlich des Altes befanden; zwei davon mit gleicher und eines mit unterschiedlicher Rechtslage. Weiter unten heißt es in der Urkunde: „Concedimus etiam […] Olatis terram Lytua habitantibus excepta terra Harszog200 cum pertinentibus suis […]“. Daraus geht Folgendes hervor: 1. Das Knesat des Wojewoden Lynioy war mit dem Hatzeger Land verbunden.201 2. Das Knesat des Lynioy bestand aus wenigstens zwei Teilen. 3. Der Wojewode Lynioy war 1247 nur noch im Besitz eines Knesats, nicht mehr eines Wojewodats. Auf Grund dieser Angaben wurde angenommen, dass ein Teil des Besitzes von Lynioy zwar die Hatzeger Senke bildete, ein anderer Teil sich jedoch südlich der Karpaten, in der Kleinen Walachei befand. Dieser Annahme steht entgegen, dass die Distanz zwischen den zwei Gebieten über 60 km betrug; ein direkter Verbindungsweg musste zwei Pässe überqueren – der eine über das VâlcanGebirge auf einer Passhöhe von 1621 m (dagegen betrug die Scheitelhöhe von Pässen in den Zentralalpen, zwischen Tirol und Südtirol am Brennerpass, 1400 m und am Reschenpass 1500 m!)202; der Vâlcan-Pass dürfte mehrere Monate im Jahr kaum benutzbar gewesen sein. Oben am Vâlcan-Pass gab es höchstwahrscheinlich einen Verhau mit einem Tor, denn die Spitze 4 km westlich davon heißt Straja („Wache“; 1868 m). Der andere Weg durch das BisZimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 73-76. Rumänischen „Litovoi“ übersetzt. 200  Infolge eines Fehlers steht „Harszog“ für „Hatzeg“ (Erdély története, S. 306, 307). 201  DIR, sec. XI, XII, XIII, I, S. 329-333. 202  Höher sind die schweren Übergänge zwischen Tessin bzw. Wallis und Italien. 198  W. 199  Im

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tra- und Cernatal war etwa 140 km länger, aber gut befahrbar, sicherer und durch mindestens ein Tor gesperrt.203 Vermutlich wurde dieser für den Salztransport genutzt. Unter diesen Umständen dürften die beiden Gebiete kaum einem Herrscher zugehört haben. Da es sich in der Gegend 43. Turnu Severin, 13.-16. Jh. (nach von Hatzeg eindeutig um zwei Gebiete ge- T. O. Gheorghiu). 1 Befestigung handelt hat – um die Strell- und die Hatze- im SW des Castrums; 2 mittelalterliche Burg; 3 katholische Kirche ger Senke, die durch eine Burg und einen des 14. Jh.; 4 Kirche des 13./14. Jh.; Verhau getrennt waren, werden sich die Straßenrichtungen: A Banat und Hinweise von 1247 eher auf diese beiden Siebenbürgen, B Kleine Walachei. Bereiche bezogen haben.204 Die Verbindung zwischen der Hatzeger Senke und Turnu Severin wird noch auf die bulgarische Zeit zurückgehen, in der diese Senke im Kontext der Behinderung des Salztransportes auf dem Mieresch eine große Rolle spielte. In der Kleinen Walachei handelte es sich demnach um zwei Knesate – jenes des Joannis und jenes des Farcas. Für deren Bestimmung sind die geographischen Verhältnisse aufschlussreich. Am Fuß der Karpaten gibt es zunächst eine langgezogene Senke und südlich davon Erhebungen (Abb. 41), die, wie erwähnt, bis heute weitgehend bewaldet sind (Abb. 33)205. Diese boten einen Schutzwall zur Ebene hin, hinter dem sich vor allem nach 1220 das Leben störungsärmer entwickeln konnte. Diese langgezogene Senke war jedoch durch ein bergiges Gebiet gegliedert, so dass die Geographen von der größeren, zweiteiligen depresiunea Gorjului und der kleineren depresiunea Vâlcii sprechen. Die durch Wälder geschützten Senken waren geradezu ideal für frühe Staatsgebilde. Der Name Farcas dürfte eher in einem Gebiet verwendet worden sein, das eine engere Verbindung zu Siebenbürgen hatte bzw. zur ungarischen Sprache, denn Farkasch bedeutet Wolf. Möglicherweise ist auch der Name Vâlcea damit in Verbindung zu bringen, denn vlk bedeutet im Slawonischen ebenfalls Wolf. Dementsprechend ist es wahrscheinlich, dass sich das Knesat des Farcas am Alt im Gebiet von Râmnicu Vâlcea befand und jenes des Joannis in der Senke von Târgu Jiu. Es ist diese eine besonders große Senke und története, S. 307. soll jedoch nicht übersehen werden, dass es auch im Gebiet von Târgu Jiu zwei Senken gibt. 205  T. O. Gheorghiu, Drobeta-Turnu Severin. Ipoteză de evoluție urbanistică, in: Historia Urbana, IX, 2001, S. 151. 203  Erdély 204  Es

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44. Târgu Jiu im 18. Jahrhundert.

45, 46. Curtea de Argeș (nach Atlas geografic 1965 bzw. Google Earth, Landsat/Copernicus).

206  Erdély 207  Erdély

története, S. 306, 307. története, S. 306, 307.

nach Quellen von 1256 und 1262 sollen sich deren Bewohner vornehmlich mit Vieh- und vor allem Schafzucht beschäftigt haben, die im 13. Jahrhundert urkundlich belegt ist.206 Jede dieser beiden Senken verfügte über einen „zentralen“ Ort, der an einer Fernstraße lag. In deren Grundriss hat sich jedoch nicht das alte Gefüge erhalten, geschweige denn Spuren einer regelmäßig angelegten Hospitessiedlung. (Nach andern Ortschaften zu schließen, wird es sich bei einer Siedlung der rumänischen Bevölkerung um eine lockere, haufendorfartige Anlage gehandelt haben, bei einer Hospitessiedlung um ein zeilenmäßiges Gebilde.) Sicher behielten diese drei Gebiete rund um Turnu Severin, Târgu Jiu und Râmnicu Vâlcea lange Zeit eine besondere Bedeutung, denn in ihrer Nähe – und nur dort – wurden rund 100 Jahre später die bedeutenden alten orthodoxen Klöster der Kleinen Walachei errichtet: Vodița, Tismana und Cozia. Nach der Verleihungsurkunde von 1247 erhielt der Johanniterorden auch „ganz Kumanien [also die Große Walachei] vom Alt-Fluss bis zum Gebirge Siebenbürgens, außer der ‚terra Szeneslai woiavode Olacorum‘, die den Rumänen verbleibt“. Der Besitz des Seneslau wurde mit der Gegend von Curtea de Argeș gleichgestellt und dieses wird wohl stimmen, denn die näher bei Turnu Severin gelegene Țara Loviștei gehörte zu Siebenbürgen und wurde angeblich schon 1233 vom König dem Comes Corolardus verliehen.207 Wie die Verteilung der archäologischen Funde zeigt (Abb. 37-40), war hingegen die

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47. Altes Zentrum von Curtea de Argeș. 1 Herrschaftskirche Sf. Nicolae Domnesc (2. Hälfte 14. Jh.), ein viel kleinerer Vorgänger­bau wird um 1200 datiert; 2 Kirche Sân Nicoară (kath.?, angeblich 15. Jh.): 3 Kirche der Töpfer (Biserica Olari); 4 erster Herrschaftssitz (um 1200); 5 zweiter Herrschaftssitz (14. Jh.); 6 mögliche Hospitessiedlung (es fehlt eine nennenswerte Erweiterung).

Ebene weiterhin ein relativ unruhiges Gebiet.208 Auch in der Großen Walachei gab es am Fuß der Karpaten ähnliche Senken wie in der Kleinen Walachei (Abb. 34) und auch diese waren gegen Süden durch bewaldete Hochflächen weitgehend geschützt (Abb. 33). In der Gegend um Curtea de Argeș ist diese Bewaldung besonders ausgeprägt (Abb. 45, 46), doch wenn man den unruhigen Verhältnissen in Kumanien Rechnung trägt, so dürfte es sich bei der Entstehungszeit der Ortschaft um den Beginn des 13. Jahrhunderts gehandelt haben.209 Archäologisch erforscht wurden zwei Sitze des Wojewoden (Abb. 47), ein älterer und ein neuerer. Daneben gab es auch eine Kirche des 14. Jahrhunderts (Sf. Nicolae Domnesc, 1), die anstelle einer älteren, viel kleineren Kirche errichtet wurde.210 Zwischen dem ersten Herrschersitz (4) und der ersten, dem Grundriss nach orthodoxen Kirche lässt sich keine unmittelbare Zuordnung erfassen: Während sich der alte Herrschaftssitz (4) auf einer bescheidenen Anhöhe befand, hatte die Kirche einen eigenen, kleinen, geschützten Bereich (1). Der neuere Herrschaftssitz (5) lehnt sich an diesen Kirchenbereich an, wobei die Verbindung zwischen Herrschaft und Orthodoxie auffällt. Zum Wojewodensitz gehörte sicher auch eine benachbarte Siedlung der ansässigen Bevölkerung, die heute jedoch nicht erfasst werden kann; sie könnte in der Nähe der späteren Töpferkirche (3) gelegen haben. Eine zweite Kirche (Sân Nicoară, 2) ist von den andern Ortsteilen gesondert auf einer Anhöhe gebaut worden.211 Etwa gegenüber der Woje­ 208  W. Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 58. Zur Echtheit der Urkunde gibt es Zweifel. 209  N. Constantinescu, Curtea de Argeș 1200-1400, S. 144, spricht von ältesten, spärlichen Funden aus dem 12. Jahrhundert. 210  N. Constantinescu, Curtea de Argeș 1200-1400, S. 24, 25, 34-45. 211  Angeblich soll diese Kirche erst aus dem 15. Jh. stammen (N. Constantinescu, Curtea de Argeș 1200-1400, S. 33) – aus einer Zeit, in welcher in der Walachei ganz wenig gebaut

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wodenresidenz und Sân Nicoară erinnert ein halbovaler Baublock (6) in etwas geschützterer Lage stark an den Kern einer Hospitessiedlung, doch fehlen Anzeichen einer Erweiterung dieser Siedlung; anscheinend ist deren Bevölkerung abgewandert oder vertrieben worden. Dafür dürfte auch die Kirche der Töpfer (3) sprechen. Diese steht am Ende des Kernes, gegenüber von diesem und wird von bodenständigen Handwerkern in etwas neuerer Zeit errichtet worden sein. Eine Erklärung für die Verflechtung dieser Elemente wäre die Bindung des Wojewoden an die Ostkirche, die in der Zeit vor der Tätigkeit des Missionars Nicodim aus Serbien, vor 1359, westliche, katholische Einflüsse zunächst nicht ausschloss, die aber um 1300 verschwanden. Die Gegend des zweiten zentralen Ortes der Großen Walachei, die Senke von Langenau/Câmpulung (Abb. 48, 49), war etwas weniger bewaldet als das Gebiet rund um Curtea de Argeș. In diesem Fall lässt sich der Schutz gegen die Ebene hin viel besser feststellen als im Argeștal, denn am Südostrand der Senke, in der Valea Cetățuia sind erhebliche, sogar gemauerte Reste von Wehranlagen erhalten. Langenau (Abb. 50) bestand aus einem Herrschaftssitz (A) und zwei gesonderten Niederlassungen – eine der örtlichen Bevölkerung (C) und eine zweite von Hospites (B). Der Herrschaftssitz wird der älteste Teil des Ortes sein, und dieses Câmpulung/Langenau dürfte dazu beigetragen haben, dass die Kaufmannssiedlung etwas abgelegen von der Fernstraße Kronstadt–Brăila entstand; neben dem Herrschaftssitz war sie von diesem irgendwie geschützt. 48, 49. Langenau/CâmpuIm Falle der Hospitessiedlung sind zahlreiche lung (oben nach Atlas Erweiterungsetappen und sogar der Bau eines geografic, unten nach Klosters festzustellen. Google Earth). wurde – dieses sowohl als Folge wirtschaftlicher Umschichtungen (P. Niedermaier, Habitatul medieval în Transilvania, S. 149-168) als auch der wachsenden osmanischen Bedrängung; sie soll also jüngeren Datums als Sf. Nicolae Domnesc sein. Nicht ganz eindeutig ist die Zugehörigkeit des Bauwerkes – katholisch oder orthodox? Es gab ein oder zwei mächtige Türme an der Westseite des Baues und an der Ostseite eine große und zwei kleine Absiden nebeneinander (wobei letztere kaum als proscomidie und diaconicon interpretiert werden können). Die Mauern hatten keine Stützpfeiler und waren aus unverputzten und verputzten Ziegelstreifen aufgebaut. Die Merkmale sprechen einerseits für eine katholische Kirche, andererseits für eine orthodoxe Kirche. Der allmähliche Verfall des Baues spricht gegen eine Zugehörigkeit zur Orthodoxen Kirche.

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Im Grundriss ist eindeutig der Herrschaftssitz zu erkennen, der wohl dem Lokator zuzurechnen ist.212 Er befindet sich neben einem Fernweg. Der Baublock, der an einer Seite von einem Wall und Graben begrenzt war, ist später auch der Standort eines orthodoxen Klosters gewesen (Mănăstirea Radu Negru), und ebendort gab es zunächst wohl auch eine haufendorfartige Siedlung der Familien, die dem Lokator zugehörten. Später gab es dort auch einen Marktbereich und ein Hospital. Neben dem einstigen Fernweg (str. Negru Vodă) befindet sich der leicht abgerundete Kern der Hospitessiedlung. An diesen schließt der frühere Friedhof mit der katholischen Kirche (Bărăția) an und jenseits davon die erste Siedlungser- 50. Langenau, Teilbereiche und Standorte weiterung. In der Kirche gibt es eine der Kirchen (Grundriss: Städtegeschichte Atlas Rumäniens, B-Serie, 2. Faszikel LanGrabplatte des Comes Laurencius genau, Karte VII „Parzellierung der Stadt, von 1300, die ein ganz wesentliches 1974“). Grafik: Mariana Vlad. Element für die Datierung der Stadt darstellt. Angeblich soll Radu Negru 1290 in die Walachei gekommen sein; dass es dort zehn Jahre danach schon seit einiger Zeit einen Komes aus Siebenbürgen gegeben hat, legt den Gedanken einer politischen Verständigung zwischen einer siebenbürgischen Institution und Radu Negru nahe, die zur Befriedung Kumaniens und Siebenbürgens beitragen sollte – ja vielleicht auch an eine Eingliederung der Walachei in das ungarische Königreich. In einer Quelle wird Radu Negru als „Großherzog der Mărginimea Sibiului und des Fogarascher Landes“ bezeichnet (auch V. Spinei erwähnt 1308 einen Herzog)213, was an den Adligen Dragoș von Bedeu aus Marmatien erinnert und mithin eine Parallele zwischen der Gründung der Walachei und der Moldau suggeriert.

212  P.

213  V.

Niedermaier, Nucleele, S. 235-244. Siehe auch Atlas istoric al orașelor/Câmpulung. Spinei, Moldova, S. 192.

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Die nächste Erweiterung in Langenau befindet sich gegenüber der ersten Zeile, jenseits des Fernweges und hinter dieser Parzellenreihe wurde eine dritte, neuere Parzellenreihe angelegt. Auf der Seite zum Herrschaftssitz hin, gegenüber vom Kern, steht das Schwurkreuz (Crucea Jurământului), ein Ort, dem gewiss symbolische Bedeutung zukam. Erst nachher wurden neue Erweiterungen in Richtung Herrschaftssitz durchgeführt und das katholische Kloster in dessen Bereich aufgebaut. Jenseits des Herrschaftssitzes (wir können diesen gewiss „Residenz“ nennen) und des Klosters entstand ein Stadtviertel bodenständiger Handwerker mit einem recht unregelmäßigen Grundrissgefüge und drei orthodoxen Kirchen des 15. und 16. Jahrhunderts, von denen wenigstens zwei Handwerkern zugehörten; es sind die „Töpferkirche“, die „Kürschnerkirche“ und dazu kommt noch die „Hintere Kirche“ (Fundeni), welche die Ausdehnung der Siedlung örtlicher Handwerker begrenzt. Im Vergleich zu Curtea de Argeș ist in Langenau das Verhältnis zwischen den Einzelteilen der Siedlung anders. Die gotische katholische Kirche vom Ende des 13. Jahrhunderts ist gegenüber der Herrschaftsresidenz zwischen den Baublöcken der Hospitessiedlung versteckt, aber als solche erhalten. Das neuere orthodoxe Kloster ist dagegen unmittelbar neben der Residenz angeordnet. Mit der Herrschaftskirche (Biserica Domnească), die Mitte des 14. Jahrhunderts erbaut worden ist, wurde die Ortschaft in größerem Maße zusammengeschlossen – eine Entwicklung, die es in Curtea de Argeș nicht gegeben hat. Dort waren die Verhältnisse für einen Bestand der Siedlung, vermutlich siebenbürgischer Siedler, nicht gegeben. Auch eine katholische Kirche ist nur noch eine Ruine. Östlich von Langenau gibt es weitere Senken am Fuß der Südkarpaten – etwa bei Vălenii de Munte, und dort gab es neben Slon zuerst eine HolzErde-Burg und später eine aus Stein (8.-10. Jahrhundert, aus der Zeit des Ersten Bulgarischen Reiches). Urkundlich belegt ist nicht weit davon das ursprüngliche Milkover Bistum. Dieses wurde von den Tataren zerstört, und erst 1332 stellte sich das Problem seiner Neugründung.214 Nach dem Namen des Grenzflusses zwischen der Großen Walachei und der Moldau benannt, lag dessen Zentrum wohl in der großen Vrancea-Senke (depresiu­ nea Vrancei), die sich in die Reihe der vorkarpatischen Senken eingliedert. Es ist eine typische Situation für den Ostteil der Südkarpaten und vor allem für die Ostkarpaten, die sich näher an der nordpontischen Steppe befinden. Eindeutig ist das Gebiet südlich der Senken lange Zeit recht unruhig gewesen; nur an der Donau gab es Burgen der Byzantiner oder Bulgaren. Das Schicksal des Dorfes Coconi (Kreis Ilfov) ist paradigmatisch. 214  W.

Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 455, 456.

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51. Kirchen des 14. und 15. Jahrhunderts (nach N. Ghica-Budești und M. Crîngaci Țiplic).  Kirchen

52. Kirchen im 16. Jahrhundert (nach N. GhicaBudești und M. Crîngaci Țiplic).  Ältere Kirchen  neue Kirchen

53. Kirchen im 17. Jahrhundert (nach N. GhicaBudești und M. Crîngaci Țiplic).  Ältere Kirchen  neue Kirchen

54. Kirchen im 18. Jahrhundert (nach N. GhicaBudești und M. Crîngaci Țiplic).  Ältere Kirchen neue Kirchen  

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Auch die Hauptstadt der Walachei entstand erst in vierter Etappe auf ihrem heutigen, südlichen Standort – nachdem sie vorher von Langenau nach Curtea de Argeș und von dort nach Târgoviște verlegt worden war. Als Parallele zur Verlegung der Hauptstadt vom Fuße der Karpaten immer weiter in die Ebene kann das Alter der Kirchen angeführt werden. Dieses lässt sich nach den Angaben von N. Ghica-Budești215 verfolgen. Selbst wenn dieses mehrbändige Werk zum Teil unvollständig und etwas überholt ist, so kann man das danach von M. Crîngaci Țiplic216 erstellte Bild doch als konkludent bezeichnen. Den Zeitläuften entsprechend ergibt sich dabei folgende Entwicklung: – 15. Jahrhundert (Abb. 51): Kirchen in Senken am Fuß der Gebirge, wobei die Verteilung auf die Große und die Kleine Walachei recht ausgeglichen ist. Der Osten der Großen Walachei und die Donautiefebene blieben jedoch ausgenommen – anders vermutlich in Brăila.217 – 16. Jahrhundert (Abb. 52): Bauten in der Großen Walachei, im einstigen Waldgebiet bei Bukarest. Der Osten der Großen Walachei bleibt jedoch weiterhin ausgenommen und ebenso die Donautiefebene. – 17. Jahrhundert (Abb. 53): im Zentralen Gebiet der Walachei gibt es auch in der Nähe der Donautiefebene einige Kirchen. Dagegen haben sich im Osten der Großen Walachei auch aus dieser Zeit keine Kirchen erhalten und in der Nähe der Donau eine einzige. – 18. Jahrhundert (Abb. 54): vor allem in der Großen Walachei sind viele Kirchen erfasst. Einige davon befinden sich nun auch in der Nähe der Donau und die ersten, wenigen, in der östlichen Steppe. Versucht man das oben Gesagte zusammenzufassen, so ist die Verbindung mit der Balkanhalbinsel hervorzuheben. Mit dem Zusammenbruch des Ersten Bulgarischen Reiches veränderten sich aber die Gewichtungen. Während petschenegische und kumanische Nomaden die Ebene beherrschten, zog sich die sesshafte Bevölkerung in die Senken am Fuß der Karpaten zurück. Diese boten mehr Sicherheit und waren wenigstens bei Cetățeni durch eine Mauer und vorher möglicherweise durch einen Verhau gesichert. Dabei waren auch die Karpatenpässe mit Burgen und Türmen befestigt,218 und die Senken an der Südseite der Karpaten bildeten möglicherweise Grenzmarken.219 Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Ghica-Budești, Evoluția arhitecturii, I-IV. danken M. Crîngaci Țiplic für die Mühe des Zusammenstellens. 217  Städtegeschichteatlas Rumänien, Serie B, Faszikel 3, Brăila. 218  I. A. Pop, Elita românească din Transilvania, S. 43. 219  I. M. Țiplic, Die Grenzverteidigung, S. 208-229. 215  N.

216  Wir

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Gründung der Walachei anstelle Kumaniens mit politischen Bestrebungen aus Siebenbürgen zusammenhängt, die eine Befriedung der Donautiefebene verfolgten.

55. Boișoara in der Țara Loviștei.

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KREISCHGEBIET /CRIȘANA  UND  BANAT O S T T E I L  D E S  T H E I S S B E C K E N S G R O S S E  P U S Z TA Gliederung des Naturraumes Zu den Siedlungsgebieten rund um Siebenbürgen gehört das Banat und das Kreischgebiet. Diese sind auf der Ostseite der Theißebene gelegen und bilden einen Übergangsraum zwischen den Sümpfen der Tiefebene und den Gebirgszügen östlich davon. Dementsprechend handelt es sich um einen ziemlich langen, nicht sehr breiten Raum (Bewaldung Abb. 57). Von diesem gehört heute je ein Teil zu Rumänien, Ungarn und Serbien.

56. Höhenlage östlich der Theiß (nach A. Nacu).

57. Ostteil des Theißbeckens (nach Google Earth, Data SIO, NOAA, U.S. NAVY, NGA, GEBCO).

Kreischgebiet und Banat

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Die allgemeinen Reliefformen sind dabei deutlich erkennbar. Im rumänischen Teil des Kreischgebietes wird eine bedeutende Fläche von Gebirge und Bergland eingenommen, während der ungarische Teil der Theiß­ebene keine großen Höhenunterschiede aufweist und dementsprechend sumpfig war. Im rumänischen Teil 58. Felder im Wald, nordöstlich von Debrecen (nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus). des Banates ist die Lage ähnlich. Ein großes Gebiet wird von Bergland eingenommen (der sogenannten Hecke), aber auch von Gebirge, und ein beträchtlicher Teil der Heide ist ebenfalls sumpfig. Die Gebirgszüge der Osthälfte des Kreischgebietes gehören zum Siebenbürgischen Westgebirge, jene des Banates vor allem zum Poiana-Ruscaund zum Semenic-Massiv. Im Allgemeinen sind sie nicht sehr hoch, doch steigen sie aus der Tiefebene südlich des Mieresch, im Țarcu-Massiv, bis auf 2190 m und nördlich des Mieresch, im Bihormassiv, bis auf 1836 m an. In siedlungsgeschichtlicher Sicht sind der Königssteig (Pădurea Craiu­ lui) und das Plopiș-Gebirge (auch Muntele Sec) Gliederungselemente von besonderer Bedeutung, da sie sich relativ weit westwärts befinden und die zu Rumänien gehörigen Teile der Tiefebene in die Somesch- und die Kreisch­ebene gliedern. Zugleich setzen sich diese Gebirgszüge in nördlicher Richtung im Somesch-Hochland fort, das weitgehend das Kreischgebiet von Siebenbürgen trennt. Der bergige Teil des Gebietes ist stark bewaldet (Abb. 57), doch sind immer wieder auch größere unbewaldete Flächen anzutreffen. Dieses hängt weitgehend mit den reliefbedingten Verwendungsmöglichkeiten der jeweiligen Gegend zusammen. Im höher gelegenen Teil der Ebene, nordöstlich von Debrezin, sind im kompakten Wald einzelne Felder gerodet (ursprünglich waren dort Sümpfe; Abb. 58). Im rumänischen Teil der Ebene, im Kreischgebiet, nördlich des BarcăuFlusses, etwa bei Șimleul Silvaniei sowie im Gebiet der Banater Hecke, nördlich von Reschitza/Reșița haben die Rodungen schon früh ein größeres Ausmaß erreicht. Hinzu kommt, dass zwischen einzelnen Gebirgsmassiven moderat bewaldete Senken lagen (so jene von Zărand, Beiuș und Vad). Im nördlichen Teil des Gebietes gibt es auch an den Flüssen Crasna und Somesch sowie bei Neustadt/Baia Mare weitere Senken.

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SATHMAR

GROSSWARDEIN

ARAD

TEMESWAR

Kreischgebiet und Banat

Bezüglich der natürlichen Vegeta­ tion des Gebietes handelt es sich in der Tiefebene um eine Waldsteppe. Dieses ist aus den pedologischen und klimatischen Daten zu ersehen. Das Gebiet war und ist relativ warm: Während die mittlere Jahrestemperatur Siebenbürgens im Allgemeinen 6-9°C beträgt und 10°C nicht übersteigt, handelt es sich westlich des Siebenbürgischen Westgebirges um 10-11°C. Die mittleren jährlichen Niederschlagswerte sind nicht sehr hoch. Nur südlich von Sathmar und westlich von Arad und Temeswar übersteigen die Minimalwerte 600 mm pro Jahr und steigen weiter östlich schnell viel höher; im Vergleich dazu sind die Werte im Westen Siebenbürgens ähnlich, doch ist die Fläche mit etwa 700 mm Niederschlag pro Jahr merklich größer. Wenn die Theiß­ ebene trotzdem merklich feuchter, ja sumpfig war (Abb. 59), so ist dieses wohl dem Umstand zu verdanken, dass oberhalb der natürlichen Staustufe des Eisernen-Tor-Passes/Cazane in prähistorischer Zeit Ablagerungen den Wasserabfluss erschwerten. Dabei spielten in Europa menschliche Einwirkung und Klimaschwankungen eine große Rolle.220

60-62. Temeswar, 1716, 1718, 1735 (nach M. Opriș).

59. Überschwemmungsgebiete der Theiß sowie von deren Nebenflüssen

(nach Königl. Ungarisches Landwirtschaftsministerium, Budapest 1938); https://www.mapmania.org/map/67961/hydrography_of_the_pannonian_basin_ before_the_river_and_lake_regulations_in_the_19th_century (Aufruf 5.6.2023).  Flüsse und Seen;  regelmäßig überschwemmte Gebiete;  gelegentlich überschwemmte Gebiete;   : Trennlinie zwischen natürlichen Waldgebieten und Waldsteppengebieten der Theißebene (nach Atlas 1979);   heutige Landes­grenzen als Orientierungshilfe. 220  Nach

H. H. Lamb, Klima und Kulturgeschichte, S. 98, 99, 156, 157, 176-178.

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Periphere Räume

Im Mittelalter ist mit starker Versumpfung und Feuchtwiesen zu rechnen. Ein Vergleich mit der nächsten Umgebung von Temeswar (Abb. 6062), die häufig in Karten vom Beginn des 18. Jahrhunderts dargestellt wurde, zeigt, dass die Sumpfflächen überraschend groß waren. Nur ein begrenzter Teil des Gebietes war für die Weidewirtschaft ständig nutzbar. Trotzdem waren Nomaden aus der nordpontischen Steppe eingewandert. Dazu bildeten einzelne Gebiete der Tiefebene relativ abgeschlossene Räume, zwischen denen eine Verbindung nicht immer einfach war. Den Durchgängen zwischen den Sümpfen kam also eine erhebliche Bedeutung zu – so im Kontext des Salztransportes aus Siebenbürgen westwärts.

Politische Entwicklung Politische Rahmenbedingungen beeinflussten vor und nach dem Jahr 1000 die Siedlungslandschaft, denn die Besiedlungsabläufe vollzogen sich im Kontext eines gewissen Kräfteverhältnisses zwischen den damaligen „Großmächten“. Dabei war für diese nicht die Bevölkerungsanzahl ausschlaggebend, sondern die gute Ausbildung und Bewaffnung der berittenen Krieger (etwa die Art der verwendeten Bögen), wie der Erfolg der Magyaren (bis 955) bei Raubüberfällen in Mittel- und Westeuropa beweist. Kurt Horedt schreibt zusammenfassend: „Das fränkische Reich gelangte im 9. Jahrhundert bis an die mittlere Donau [und schloss auch] abhängige Fürstentümer ein. Die Bulgaren [mit den „Wlachen“ der Balkanhalbinsel] drangen in der Theißebene bis an die Süd- und Waldkarpaten vor. Als dritte Kraft entstand im nördlichen Teil des Karpatenbogens das Großmährische Reich, das den Machtanspruch der beiden andern Staaten beeinträchtigte. […] Um dem Druck der Petschenegen zu entgehen, ließen sich 896 die Magyaren im Karpatenbecken nieder, das sie bereits von den Kriegszügen gegen das Großmährische Reich kannten. Nach Jahrhunderten traten sie die Erbfolge der Awaren an. Durch ihre Raubzüge stellten sie in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts [bis zur Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg, 955] eine bedrohliche Macht in Europa dar, der eine zunehmende Schwächung des Ersten Bulgarischen Reiches entsprach, dem schließlich 1018 Byzanz ein Ende bereitete.“221 Die Kräfteverhältnisse zwischen den Großmächten beeinflussten selbstverständlich das Geschehen im Kreischgebiet und dem Banat, den Siedlungsraum und das Leben der Bevölkerung. Dazu kam eine spezifische Dynamik der Beziehungen zwischen den verschiedenen hier lebenden Völkerschaften, die sich zum Beispiel darin äußerte, dass Slawen, Petsche­ 221  K.

Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 183.

Kreischgebiet und Banat

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negen und Kumanen allmählich durch die rumänische Bevölkerung assimiliert wurden, Szekler und Tschango jedoch durch Ungarn. Bulgaren. In einer frühen Zeit scheint zunächst noch das Grundgerüst der administrativ-militärischen Provinzen der awarischen Zeit eine gewisse Rolle für die nachfolgende Gliederung des Gebietes gespielt zu haben.222 Vermutlich war auch damals schon der trockenere Raum in der Nähe der Berge dichter besiedelt, während die feuchte, teilweise geradezu sumpfige Theißebene vornehmlich Weideland blieb.223 Nach der Chronik des Anonymus, der „Gesta Hungarorum“, haben Ioan-Aurel Pop und Thomas Nägler die bekannten Gelände- und Bevölkerungsnamen zusammengefasst (Abb. 63, 64).224 Diese zeigen, dass es vor dem Ende des ersten Jahrtausends an vielen Orten eine Besiedlung gab,225 doch war diese sicher nicht gleichmäßig verteilt. Dabei spielten Rumänen und anscheinend auch Kelten226 eine Rolle. Nach K. Horedt „besaßen [die Protorumänen] noch unmittelbaren Kontakt zu den Dakoslawen, die im 10. Jahrhundert und spätestens vor der Mitte des 12. Jahrhunderts assimiliert wurden […] Deswegen ist mit der Überlieferung bei Anonymus bezüglich der Anwesenheit der Rumänen im 10. Jahrhundert zu rechnen.“227 Anonymus kannte „zu jener Zeit auch einen ‚Dux Blacorum et Sclavorum‘“.228 Schon früher sind jedoch Rumänen („Vlachen“) etliche Male auf dem Balkan erwähnt, vor allem als Hirten der Gebirgsgegenden. Dazu spielten sie auch im Rahmen des bedeutenden bulgarischen Zarats eine große Rolle. Denn in slawischer Zeit, im 7.-10. Jahrhundert, fand ein umfassender Gliederungsprozess des Siedlungsraumes statt.229 Entsprechend den bekannten Quellen zum Stammesführer Gelou befand sich das gesamte Crișan, Rețeaua așezărilor, S. 30. Geschichte Siebenbürgens, Karte 4 und 6. 224  Die für die Zusammenstellung benutzte Chronik des Anonymus wird von manchen Historikern angezweifelt, doch ist dazu auch die in Deutschland veröffentlichte Stellungnahme von K. Horedt zu berücksichtigen: „Eine übertrieben kritische Einstellung zu seiner Erzählung ist unbegründet, da voneinander unabhängige Beweisketten, […] sowie archäologische und andere schriftliche Quellen sich gegenseitig ergänzen und [die Überlieferung bei Anonymus] stützen. […] Man kann also nicht nur die jeweils für den eigenen Standpunkt günstigen Mitteilungen des Anonymus gelten lassen und die gegen- und nachteiligen Überlieferungen verneinen“ (K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 103, 104). 225  Istoria Transilvaniei, Hg. I.-A. Pop, Th. Nägler, Abb. VIII, IX. 226  Nach G. Șișeștean, Români care s-au stins, wurde bei DNA-Analysen von Vlachen der Slowakei vor allem keltisches Erbgut gefunden. 227  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 172, 175. 228  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 175. 229  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 59. 222  I.

223  Kurze

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Gebiet damals im Spannungsfeld zwischen Westslawen und Südslawen bzw. zwischen dem Großmährischen und dem Ersten Bulgarischen Reich.230 Archäologische Funde südslawischen Typs befinden sich in ganz Westrumänien. Im Süden sind diese etwas älter, denn das Gebiet war dem Zentrum des Bulgarischen Reiches südlich der Donau am nächsten, und durch dieses Gebiet führten auch die Verbindungen ins Kreischgebiet. Anscheinend war jedoch das Banat 63. Banat, Ende des 1. Jahrtausends recht schütter bewohnt – obwohl (nach I.-A. Pop und Th. Nägler). es verschiedene Zuwanderungen und Ansiedlungen gegeben hatte. Infolge der Erweiterung des Großmährischen Reiches in der Pannonischen Tiefebene zogen sich zunächst die Überreste der Awaren an den Unterlauf der Theiß zurück, wurden jedoch um das Jahr 810 durch den bulgarischen Khan besiegt und ins Banat umgesiedelt.231 Obwohl es dort auch vorher eine ältere Bevölkerung gegeben haben wird,232 dürfte dieser Teil des Banates jedoch selbst nach den Ansiedlungen nicht dicht bewohnt gewesen sein. Höchstwahrscheinlich wurden auch die Banater Gebiete Glads zur Zeit Simeons in das Erste Bulgarische Reich eingegliedert233 und in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts geriet auch das Kreischgebiet unter dessen Einfluss. Damals, in der Zeit der größten Ausdehnung des Ersten Reiches wurden dort vermutlich auch Bulgaren angesiedelt,234 aber die ältesten bisher gemachten südslawischen Funde werden erst später, nach 830 datiert. Selbst im Fall von Menumorut erwähnt Anonymus dessen bulgarisches Herz; und diese Aussage dürfte für einen Einfluss des Bulgarischen Reiches auch außerhalb seiner Grenzen sprechen.235 Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 76. Bedeus v. Scharberg, Historisch-genealogisch-geographischer Atlas, Blatt II. 232  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 59, 183. 233  Istoria românilor, III, S. 145. 234  I. Crișan, Rețeaua așezărilor, S. 32. 235  Kurze Geschichte Siebenbürgens, S. 105, 106. 230  K. 231  J.

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Großmähren, die zweite damalige Großmacht des Raumes, war vor allem am Zugang zum siebenbürgischen Salz interessiert. Dieses wird durch die Bedingungen nach dem Frieden von 892 deutlich, die dem Bulgarenreich die Salzausfuhr nach Mähren untersagten. Es war also für dieses Reich nötig, sich einen unmittelbaren Zugang zu den siebenbürgischen Salzvorkommen zu sichern. Dieser führte durch die teilweise sumpfige Waldsteppe und stand am Ende des 9. Jahrhunderts unter der Herrschaft eines gewissen Morut (dessen Name sich im Altungarischen aus dem Namen der Mährer ableiten lässt236) und sich später, Anfang des 10. Jahrhunderts, unter der Herrschaft von dessen Enkel Menumorut befand.237 Es gab eine Salzstraße, wohl aus der Zeit der mährischen Herrschaft238 (vgl. Abb. 102), und auf diese dürfte die ursprüngliche, stark in die Länge gezogene Form des „Szolnoker Komitates“ zurückgehen. Dieses erstreckte sich vom Somesch in Siebenbürgen bis jenseits der Theiß. Beide Enden der Salzstraße sind im Zusammenhang mit sogenannten „Hilfsvölkern“ zu sehen. An dem einen Ende des Transportkorridors, bei Deesch, befand sich die chasarische Burg von Cuzdioara (Kozárvár) und damit im Zusammenhang ist an die von Anonymus erwähnte Abhängigkeit der Chasaren von Menumorut zu erinnern.239 Am anderen Ende des Transportkorridors, im Theißgebiet, wurden zu einer unbekannten Zeit Kumanen angesiedelt, deren Existenz durch den Namen Kunság für das betreffende Gebiet belegt ist. Archäologische Funde, die Westslawen zugehören, sind zunächst auch weit gestreut. Eine Konzentration (die allerdings auch durch das Ausmaß 64. Kreischgebiet, Ende des 1. Jahrtausends der Grabungen bedingt (nach I.-A. Pop und Th. Nägler). 236  Istoria 237  Istoria

românilor, III, S. 144. românilor, III, S. 140. Anonymus spricht vom „bulgarischen Herzen des Me-

numorut“. 238  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 198. 239  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 124, 125; siehe auch S. 196, 197 und P. Engel, Regatul Sfântului Ștefan, S. 49, 50.

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sein könnte) ist nach M. Rusu eigentlich nur bei Valea lui Mihai festzustellen (Abb. 67). Das Zentrum des Kreischgebietes in großmährischer Zeit befand sich jedoch weiter südlich, in Bihar/Biharea (Bihor), in einer Region mit zahlreichen archäologischen Funden aus dem 10./11. Jahrhundert, und auch mit vielen frühen urkundlichen Belegen von Ortschaften;240 westslawische Einflüsse sind sogar am Mittellauf des Mieresch, bei Ciumbrud, Broos/Orăștie und Straßburg/Aiud auszumachen.241 Magyaren. Mit der Einwanderung der Magyaren in diesen Raum änderten sich die Machtverhältnisse. Sie erfolgte im Zuge von Migrationen in den östlichen Steppengebieten Europas: Die Magyaren wurden aus ihrem Stammesgebiet, Etelköz, verdrängt und erhielten 896 die Einwilligung der Mährer, sich im Karpatenbecken niederzulassen – dieses zusammen mit den ihnen angeschlossenen Hilfsvölkern (Szeklern, Chabaren und Oghusen). Sie kamen aus der Kiewer Rus über Lemberg/Lviv durch den Verecke-Pass nach Munkács/Mukačevo. Schon wenig später, im Jahre 907, schlugen sie die Mährer und damit verlor auch Menumorut seine militärische Unterstützung. Die nomadischen Magyarenstämme trachteten nach dem für Viehzüchter geeigneten Waldsteppengebiet, das trotz Menumoruts Widerstand242 von ihnen besetzt wurde243 (Abb. 65244). Im Karpatenbecken teilten sich die ungarischen Stämme: Ein Teil blieb im Theißbecken, in der Nähe des Verecke-Passes (wo bis um das Jahr 2000 rund 35 archäologische Fundorte jener Zeit festgestellt wurden), und ein Teil der Nomaden wanderte in den Bereich der Donauniederung um Waitzen/Vác (bis um das Jahr 2000 rund 25 Fundorte). Die Teilung entspricht in etwa jener der Machtsphären von Gyula und Géza. Im Kontext der wachsenden Macht der Magyaren spielte die Beseitigung von Gelou in Siebenbürgen auch für das Kreischgebiet eine große Rolle, denn dadurch hatten die Ungarn einen uneingeschränkten Zugang zu den Salzvorkommen Nordsiebenbürgens; dazu T. Sălăgean: es war „ein Versuch der Ungarn, sich schon früh einen Weg zu den nordsiebenbürgischen Salzvorkommen zu bah­nen“.245 Dabei könnte die Salzstraße zunächst an Großfürst Géza aus dem westlichen Teil Pannoniens gekommen sein.246 Borcea, Bihorul medieval. românilor, III, S. 140, 144, 145. 242  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 60. 243  I. Crișan, Așezări rurale. 244  V Spinei, Marile migrații, S. 56. 245  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 72. 246  Die Begrenzung des Salzförderreviers aus der Zeit Menumoruts könnte sich bis spät in der Grenzlinie zwischen dem Innerszolnoker und dem Dobokaer Komitat erhalten haben (T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 198). 240  L.

241  Istoria

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Mit dem Anwachsen der Bevölkerung erweiterte sich der Siedlungsraum der Magyaren südwärts – dieses gemäß den vorhandenen Weideflächen. Das geschah aber nur allmählich, zunächst bis zur Wasserscheide zwischen Weißer Kreisch und Mieresch, nach der Niederringung von Glad auch weiter, bis in die Gegend von Temeswar, wo ein Sumpfgürtel ihr weiteres Vordringen längere Zeit aufhielt und zugleich das schon von ihnen besetzte Territorium schützte; dafür spricht auch ein 65. Älteste Funde, die Magyaren zugewiesen Verhau zwischen Lugosch und werden (nach V. Spinei; Hintergrund Google Karansebesch: Er befindet sich Earth, Image Landsat/Copernicus). auf der gleichen Linie wie das Sumpfband (Abb. 76). Eindeutig gibt es aber einen merklichen Unterschied zwischen dem Kreischgebiet und dem Banat. Dieser Unterschied war wohl eine Folge der Machtverhältnisse zwischen Magyaren und Bulgaren. Rumänen. Mit dem Vordringen der Magyaren mussten die alten Bewohner der Waldsteppe weichen. Einen Hinweis darauf bilden die späteren Siedlungshorste der Rumänen bzw. Wlachen. Wie gezeigt (Abb. 9) ist zu vermuten, dass sich diese in Senken zwischen den einzelnen Gebirgszügen der Tatra, in Marmatien und an der Westseite der Siebenbürgischen Westgebirge und des Semenic niederließen – für gewöhnlich an relativ geschützten Orten, am Anfang von Tälern. In der Slowakei, an der Grenze zu Mähren, in Rosenau/Roźnov pod Radhoštĕm gibt es sogar ein Freilichtmuseum der „vlachischen“ Architektur (Valašské muzeum v přírodĕ), die wegen ihrer Holzbauten berühmt ist (in Gebirgsgegenden spielte Holz eine größere Rolle als Stein). Stellt man die potentiellen Siedlungshorste den späteren rumänischen Distrikten gegenüber, so ergibt sich eine weitgehende Übereinstimmung der Standorte. Ștefan Pascu weist in seinem Buch Voievodatul Transilvaniei auf diese Distrikte hin (Abb. 66).247 Ethnologen unterscheiden einzelne Gebirgsgegenden, die wirtschaftlich besondere Eigenarten aufweisen – in denen vornehmlich die Zucht von Großvieh dominierte und nicht 247  Șt.

Pascu, Voievodatul Transilvaniei, I, S. 210-217.

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Schafzucht; auch handwerkliche Tätigkeiten spielten eine größere Rolle; solche gab es in der Țara Moților (Abb. 107) oder im Pădureni-Gebiet. Mit Ausnahme der Strell-Senke und deren Fortsetzung nördlich des Mie­ resch, in den Munții Metaliferi, fehlen sie nach Ștefan Pascu jedoch weitgehend im restlichen Gebiet Siebenbürgens. Manche dieser Distrikte mögen chasarischen Ursprungs sein (etwa am Oberlauf der Schnellen Kreisch), manche vielleicht neueren Datums, aber es ist nicht zu übersehen, dass sich die Siedlerhorste fast ausschließlich am Fuß der Gebirge auf der Seite zur Pannonischen Tiefebene hin befinden. Die Siedlerhorste der Slowakei werfen ebenfalls Fragen auf. Nach der landläufigen Annahme sollen deren Rumänen aus Marmatien eingewandert sein. Zieht man jedoch die geringe, für eine mittelalterliche Besiedlung günstige Fläche dieser Senke in Betracht sowie eine spätere Auswanderung von dort in die Moldau, so ist diese Vermutung unannehmbar. Dementsprechend liegt der Gedanke nahe, dass die Bewohner dieser Distrikte ursprünglich in der Theißebene lebten, von wo die Hirten beim Vordringen der Magyaren248 an den Fuß der Berge gedrängt worden sind249 und in der Folge vermutlich als Hilfsvölker eingesetzt wurden. Für eine spätere Zeit bilden die archäologischen Fundstellen einen Hinweis auf die Besiedlung (Abb. 67) – vielleicht weniger auf die zeitweiligen Niederlassungen von Nomaden, von Ungarn und deren Hilfsvölkern und eher auf ansässige Bevölkerung. Auffällig ist die Konzentration der Fundstellen in der Gegend von Arad und später auf gelegentlich überschwemmtem Gebiet bei Tschanad/Cenad. Dieses dürfte durch die Bedeutung des Flusses als Salztransportweg zu erklären sein. Nördlich davon, in dem nur manchmal überschwemmten Gebiet, etwa zwischen Gyula und Salonta, fanden sich wenige Funde. Auch bei Großwardein/ Oradea gibt es nicht übermäßig viele Funde, solche fanden sich jedoch bei Valea lui Mihai, in einem größeren, trockenen Gebiet. In dem häufig überschwemmten Gebiet bei Sathmar sind es dann wieder weniger. Auffällig schütter sind die Funde im Banat, was auch auf politische Ursachen zurückgehen dürfte – auch war ein großer Teil des heute zu Rumänien gehörigen Gebietes sumpfig oder bergig. Während die archäologischen Funde immerhin halbwegs gleichmäßig gestreut sind, betreffen die etwas neueren, zahlreicheren urkundlichen Belege in überwiegendem Maß das Kreischgebiet (Abb. 68). Ortschaften, die bis 1200 belegt sind, fehlen nicht nur im Bergland, sondern auch in manchen trockenen Teilen der Ebene. Hingegen befinden sich zahlreiche 248  Șt.

Pascu, Voievodatul Transilvaniei, I, S. 47, 48. dazu auch Șt. Pascu, Voievodatul Transilvaniei, I, S. 33, 34.

249  Siehe

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Orte, die bis 1241 urkundlich erwähnt sind, nach der Kartierung von 1938 in Feuchtgebieten und auf dem Somesch-Hochland; dieses ist weitgehend durch ein Anwachsen der Bevölkerung zu erklären. Viele Orte sind auch etwas weiter südlich bei Săcuieni belegt und diese Konzentration reicht weiter bis jenseits von Großwardein: Dort gibt es sehr viele urkundliche Belege. Dabei ist zu vermerken, dass das Gebiet von Bihar/Biharea und Großwardein die bedeutendste Bevölkerungskonzen­ tration aufwies, mit einer Bevölkerung und Dimension von europäischem Maßstab. Es gab hier verschiedene Klöster und andere Institutionen. Weiter ist dann die Gegend südlich von Salonta zu erwähnen. Jenseits der Weißen Kreisch bis in die Nähe des Mieresch gibt es viele archäologische Funde, jedoch wenige urkundliche Belege. Dieses zeugt von gewissen Veränderungen, die mit dem variierenden Machtpotential von Magyaren und Bulgaren zusammenhingen. Gemäß der Streuung archäologischer Funde aus dem 10./11. Jahrhundert (Abb. 67) befand sich ein Kerngebiet der bewohnten Regionen am Unterlauf des Mieresch, wo die beiden Flussufer ein organisch zusammenhängendes Territorium bilden. Dieses wird in der Kartierung von Ortschaften, die urkundlich vor 1200 belegt sind, besonders deutlich. Dort, an der Stelle von Ruinen eines römischen Castrums oder Castellums, in Urbs Morisena – dem späteren Tschanad/Cenad, befand sich vor der Jahrtausendwende die Residenz des Wojewoden Glad und nachher die eines Nachfolgers Ahtum. Daran gebunden waren auch die etwas 66. Lage rumänischer Distrikte des 14. Jahrhunderts Grenze Siebenbürgens. Die neueren zentralen Orte: (nach Șt. Pascu). Karte gibt eine spätere Lage wieder; ursprünglich Tschanad, die Bischofsresi- waren manche Gebiete z. B. von Chasaren bewohnt denz der Diözese, verschie- (etwa Kővár/Chioar und Kalota/Călățele).   

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dene Klöster sowie die wichtige Propstei in Arad. Sieht man von strategischen Gesichtspunkten ab, so gab es im heutigen Westrumänien aber keinen hohen Bevölkerungsüberschuss (es dürfte also selbst für Nomaden kein besonderes Interesse gegeben haben, in weit entfernte Gebiete Siebenbürgens abzuwandern – sie benutzten diese höchstens zeitweilig als Weideland). Um die Mitte des 10. Jahrhunderts besaß dann der ältere Gyula im östlichen Teil Panno­niens die Vorherrschaft. Er wurde um das Jahr 950 in Konstantinopel getauft und hatte enge Beziehungen zur eingesessenen Bevölkerung und zu den 67. Archäologische Funde des 10. und 11. Jahrhunderts in Petsche­negen250 bzw. Westrumänien (Kartierung von M. Rusu). zu den Herrscherfa Siedlungen, Gräberfelder, Burgen. milien Siebenbürgens. Vielleicht auch wegen allmählich größerer Spannungen zwischen Ungarn und Petschenegen verfolgte Gyula engere, auch eheliche Verbindungen zu diesen – selbst seine Töchter trugen Namen turksprachiger Herkunft.251 Unter diesen Umständen ist es erklärlich, dass sich Gyula am Rande des Kreischgebietes, in einer von Siebenbürgen und dem Petschenegenzen­ trum weiter abgelegenen Gegend niederließ – eben in Gyula, einer sumpfumgebenen Halbinsel.252 Die Verbreitung der archäologischen Funde und Kristó, Ardealul timpuriu, S. 102, 104. românilor, III, S. 154. 252  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 99-101. 250  G.

251  Istoria

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vor allem die Dichte der etwas jüngeren urkundlichen Belege dürften jedenfalls die besondere Bedeutung des Raumes am unteren Mieresch und dem unmittelbar nördlich davon gelegenen Gebiet widerspiegeln. Die Grenzen seines Territoriums waren an geographische Bedingungen gebunden, doch soll das Gebiet östlich der Theiß verhältnismäßig dicht besiedelt gewesen sein.253 Die nördliche Begrenzung befand sich jenseits von Sath­ mar, einer Burg, die im Zusammenhang mit deren Eroberung durch die Ungarn erwähnt wird. Im Westen wurde das Gebiet wohl vom Sumpfland der Theiß gesäumt. Die 68. Urkundlich früh belegte Orte in Westrumänien (Kartie­ rung nach Daten von C. Suciu). vor 1200,  1200-1241, südliche Begrenzung • 1200-1241. war anfangs die Nordgrenze des Territoriums von Glad. Zieht man aber die schüttere Besiedlung des Banates in Betracht, so wird die Burg Temesch (Temeswar) an der Grenze gelegen haben;254 seitlich davon gibt es große Sumpfgebiete, die eine natürliche Grenze bildeten (Abb. 60, 61, 62). Gemäß der Chronik von Anonymus befand sich die Ostgrenze gegen Ende des 9. Jahrhunderts bei der Mesescher Pforte (Abb. 64), die auch Anfang des 14. Jahrhunderts als Geschichte Siebenbürgens, Karte 6. Bezeichnung „Burg“ kommt in Westrumänien kaum vor; es ist ursprünglich wohl eine bulgarische Burg gewesen – und dementsprechend dürfte der Ort Temeschgrad geheißen haben. 253  Kurze 254  Die

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symbolische Grenze Siebenbürgens galt;255 die chasarischen Gebiete des Kalotaer Stuhles gehörten zum Kreischgebiet. Nachdem das Kreischgebiet und ein Teil des Banates von den Magyaren beherrscht wurde, bedrohten diese selbstverständlich auch den südlichen Rest des Banates. Im zweiten Viertel des 10. Jahrhunderts, wahrscheinlich im Jahr 934, nach Simeons Tod (927), zu einer Zeit, als Großmähren zusammengebrochen war und auch das Bulgarenreich an Macht über die Gebiete nördlich der Donau verlor, wurden auch Feldzüge gegen Glad unternommen, die eine Aufteilung von dessen Gebiet unter den ungarischen Stämmen zur Folge hatte.256 Damit kontrollierten die Ungarn bzw. Szekler den unteren Miereschabschnitt und dementsprechend konnte der bulgarische Salztransport aus Siebenbürgen hinfort nur durch die Hatzeger Senke erfolgen. Dann ist auch Ahtum, der Nachfolger von Glad, um 1030 von Csanád, einem Heerführer Stephans I., besiegt worden. Nach diesem Sieg wurde die Stadt umbenannt, doch kam ihr auch weiterhin besondere Bedeutung zu. Wie erwähnt, weitete sich der Banater Siedlungsraum nur langsam aus – erst auf trockeneren Stellen, später auch auf feuchteren, ursprünglich von Sümpfen bedeckten Arealen – dieses trotz des Rückzugs der Awaren in dieses Gebiet und Ansiedlungen von der Balkanhalbinsel durch den bulgarischen Khan. Als Nomaden werden sie wieder weitergezogen sein, so dass auch die Zahl der bei Anonymus erwähnten Namen viel kleiner ist (Abb. 63) als für das Kreischgebiet. Dabei werden die Veränderungen der Machtverhältnisse eine Rolle gespielt haben. Zugleich übernahm Temeswar, zunächst als Grenzburg, die Rolle Tschanads, und selbst König Karl I. Robert hatte Anfang des 14. Jahrhunderts dort seine Residenz. Sprechend ist auch eine Gegenüberstellung dieser Angaben mit dem Bevölkerungswachstum. Die Erfassung der zur Verfügung stehenden Daten erlaubt Berechnungen für die Bevölkerungszahl um 1241 und die Zeit danach.257 Dabei ergibt sich für das Kreischgebiet und die Gegend am Unterlauf des Mieresch eine Zahl von rund 280.000 Bewohnern im Jahr 1241 und 580.000 im Jahr 1347. Für das Banat betragen die entsprechenden Werte 41.000 beziehungsweise 162.000. Für die Zeit davor konnten bislang keine Werte für unseren Raum ermittelt werden. Eine Schätzung ist nur vergleichsweise möglich, anhand von etwas kleineren Wachstumsraten in England und etwas größeren in Deutschland (Abb. 69 und 70).258 Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 156, 158. Crișan, Rețeaua așezărilor, S. 34; T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 69. 257  P. Niedermaier, Habitatul medieval, S. 108, 118 usw. 258  In den beiden Diagrammen sind die Werte nach den englischen Zahlen durch die oberen Punkte angedeutet, die Werte nach den deutschen Zahlen durch die unteren. 255  T. 256  I.

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69. Bevölkerungswachstum im Kreisch­ gebiet und am Unterlauf des Mieresch.

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70. Bevölkerungswachstum am unteren Mieresch im rumänischen Teil des Banates.

Für das Kreischgebiet und die Gegend des unteren Mieresch sind die Werte viel größer als jene für das Banat. Obwohl es sich hier wie dort um ein prozentuell ähnliches Wachstum in einer früheren und einer späteren Zeit handeln dürfte, veränderten sich die Werte für eine frühe Zeit relativ wenig. Erst für die Zeit nach 1200, mit den größeren Werten, wird das Wachstum auch im graphischen Bild deutlich. Diese Veränderungen bilden einen Schlüssel für das Verständnis verschiedener Vorgänge: Sie verdeutlichen die Erweiterung des Siedlungsraumes in einer frühen Zeit.

Verhaue und Warten Die Abhängigkeit der Gebiete von wechselnden politischen Machtpotentialen sowie die unterschiedliche Bevölkerungsdichte in den verschiedenen Regionen führten zu einer verschiedenartigen Gliederung des Raumes durch Verteidigungslinien (deren Problematik im Kontext Siebenbürgens ausgeführt wird). Nach F. Fodor verliefen die Verhaue normalerweise entlang von Wasserläufen. Eine genauere Untersuchung zeigt jedoch eine komplexere Situation. Der von Fodor angedeutete Verlauf setzt ein Vordringen der Magyaren von Westen her voraus. Doch die Magyaren kamen durch den Verecke-Pass in die Theißebene (Abb. 65) und breiteten sich in deren Ostteil von Norden nach Süden aus. Dementsprechend muss die Problematik für die Theißebene überdacht werden. Zuerst müssen möglichst eindeutige Anhaltspunkte für den Verlauf der Verhaue klargestellt werden. Dafür gibt es schon für den Norden der Ebene mehrere Anhaltspunkte. Das zur Verfügung stehende Kartenmaterial zeigt einen relativ breiten Waldstreifen, der Ende des 18. Jahrhunderts – und selbst heute – noch existiert (Abb. 71). Durch diesen schlängelt sich

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der stark mäandernde LatoricaBach (heute Slowakei), um den es wohl ein Sumpfgebiet gab. Der Wachtpunkt Leles gehörte wohl zu dieser Linie. Ein weiter südlich gelegener Ör-Wachtpunkt dürfte mit dem Zugang vom VereckePass bei Munkács/Mukačevo zusammenhängen und nicht weit 71. Gebiet im Nordteil der Theißebene (nach davon befand sich ein SzeklerGoogle Earth, Image Landsat/Copernicus). dorf, Szekely, das wohl schon früh Grenzwächtern zugehört haben wird. Dazu kommt der Ausgang des Sajó-Tales im Nordwesten, mit dem von Oghusen bewohnten Ort Ozd; der den oberen breiten Teil der Theiß­ ebene kontrollierte. Zwischen der Theißebene und Siebenbürgen waren Schutzmaßnahmen auf dem Somesch-Hochland besonders wichtig, denn dort gab es schon sehr früh, auch außer der Salzstraße, Wege und Straßen, die strategische Bedeutung hatten. Gut erhalten haben sich eine Reihe von Wäldern, die Höhenzüge krönten. Im Norden beginnt deren Kette mit dem Oaș- und dem Igniș-Gebirge. Südwärts, entlang des Somesch lokalisierte Ioan-Aurel Pop den von Anonymus erwähnten Igfon-Wald (Abb. 64) und ostwärts von diesem befanden sich die Großen Wälder „Keykus“ und „Fenteus“ (Abb. 71). Der Igfon-Wald wird vom Mesesch-Gebirge südwärts fortgesetzt, auf dessen Kamm sich das „Mesescher Tor“ befand, das die eindeutige Trennung zwischen Theißebene und Siebenbürgen anzeigt. Das Gebirge reichte bis zur Schnellen Kreisch und diese Linie wird auf der Westseite durch weitere Höhenzüge ergänzt: die Codru-Berge und andere bewaldete Kuppen. Dagegen häufen sich auf der siebenbürgischen Seite Warten und Wehranlagen. Weiter südwärts wird die Kalota-Senke, um Huedin, von einem Verhau umrundet, denn auf der Wasserscheide zwischen Kreisch und Somesch gibt es zwei Tore und eine Warte. Die Verhaue in der Gegend von Klausenburg weisen also auf eine Grenze aus vormagyarischer Zeit hin – ein Tatbestand, für den auch die spätere kirchliche Gliederung spricht: Diese Begrenzung trennte das Archidiakonat Kalota der Diözese Bihar vom Archidiakonat Klausenburg der Siebenbürger Diözese. Zum Verhau, der die Senke umschließt (Abb. 73, 74), gehörten die Tore Căpușu Mare (Nagykapus) und Căpușu Mic (Magyarkiskapus). Weiter südlich schließen das Vlădeasa- und das Bihor-Gebirge an. Aber auf der Seite des Kreischgebietes, am Ende von Tälern, die aus den Sieben-

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72. Frühe Wehranlagen im Somesch-Hochland (nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus).   Tore oder Verhaue,   Warten.

73, 74. Gebiet am Oberlauf der Schnellen Kreisch, Teil des einstigen Kalotaer Stuhles. Mitte: Waldgebiete (nach Google Earth). Unten: Besiedlung   Burgen,   Warte; ••• Verlauf des Verhaues (nach Verwaltungsgliederung 1810, Atlas Siebenbürgen).

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bürgischen Westgebirgen heraustreten, gab es offenbar auch Verhaue – so zwischen Großwardein und Beiuș. Dort ist ein solcher bei den Dörfern Prisaca und Urviș de Beiuș/Belényesörvényes zu vermuten (Abb. 74), der vom Codru-Moma-Gebirge bis zum Königssteig (Pădurea 75. Senke von Beiuș (nach Google Earth, Landsat/Copernicus). Craiului) reichte und das Tal der Schwarzen Kreisch sperrte. Eine Reihe von Waldflecken, die wohl zu diesem Verhau gehörten (sowohl beim Verhau selbst als auch bei Beiuș) durchqueren das Tal. Auch das nächste südwärts gelegene Tal, zwischen dem Codru-MomaGebirge und dem Zarand-Gebirge ist gesperrt. Ein Erdwall mit Palisade, nahe von Sebiș, Bâlhard genannt259, durchzieht das Tal. „Dieser Wall ist mit der Frontseite nach Westen gerichtet, was der Graben auf dieser Seite beweist.“ Nach M. Țiplic ist „der Wall in den 1. Teil des 10. Jahrhunderts zu datieren“.260 Dieser Umstand spricht für eine Bevölkerung, die sich beim Vordringen der Ungarn aus der Theißebene in die Siebenbürgischen Westgebirge zurückzog. Vermutlich waren die Talsperren für reitende Nomaden oder Halbnomaden der Ebene ein großes Hindernis. Ob es am unteren Ende des Miereschdurchbruchs bei Șoimoș (Lippa/ Lipova) schon früh eine Sperre gegeben hat, ist fraglich. Das Tal konnte keinen Rückzugsort bilden: Dort war der Salztransport auf Schiffen wichtig. Aufschlussreich ist eine Begrenzung am oberen Ende des Mieresch­ durchbruchs: bei Brănișca (nach Radu Popa bedeutet der Name: Tor, Durchgang), unterhalb von Diemrich/Deva war das Tal wohl gesperrt (Abb. 76). Bei dieser Anordnung sollte nicht der Mieresch-Durchbruch unterhalb, sondern die Stell-Senke oberhalb geschützt werden. Daraus ist zu folgern, dass die Sperre aus einer Zeit stammte, als die Magyaren nach der Niederringung von Glad ihren Machtbereich von der Wasserscheide zwischen Kreisch und Mieresch nach Süden erweiterten. Damit beherrschten sie den unteren Mieresch und die Bulgaren konnten das Thorenburger Salz nur noch auf dem Landweg und durch das Siebenbürgische Eiserne Tor nach Süden transportieren. Im heutigen Westrumänien sind die Nomaden wahrscheinlich vor allem entlang der Karpaten in Nord-Süd-Richtung und umgekehrt gewandert. 259  P.

Imbor, Așezări fortificate, S. 107; I. M. Țiplic, Die Grenzverteidigung, S. 138. Die Grenzverteidigung, S. 139.

260  I. M. Țiplic,

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76. Bezugspunkte des Banater Abwehrsystems im 11. Jahrhundert (nach Königl. Ungarisches Landwirtschaftsministerium, Budapest 1938).  Burgen,   Verhaue;   Warten;   Salzstraße, ••• Verhaue.

Dort hat sich teilweise auch der Machtkampf zwischen Magyaren und Bulgaren abgespielt, während Siebenbürgen und die Siebenbürgischen Westgebirge zunächst noch seitlich liegen blieben. Im Banat gab es jedoch auch Begrenzungen (Abb. 76). M. Țiplic weist auf einen nicht näher lokalisierten Hügel hin, der „Presaca“ heißt.261 Es ist aber vor allem auf ein Dorf „Prisaca“ etwas nördlich von Karansebesch/ Caransebeș zu verweisen; dort befand sich gewiss ein Verhau. Die genaue Lage zeigt, dass der südlichste Teil des Temesch-Tales, zusammen mit dem Bistra-Tal, von Süden her zugänglich war, nicht aber der nördliche Teil des Temeschtales. Es handelt sich offensichtlich um eine Grenzlinie zwischen dem Ersten Bulgarischen Reich und dem von Magya­ren besetzten Gebiet, aus einer Zeit, als die Bulgaren noch die Hatzeger Senke beherrschten und das Thorenburger Salz durch das Siebenbürgische Eiserne Tor, das Bistra- und das Cernatal nach Süden transportierten. Nach Westen hin wird der Verhau des Temeschtales, der nördlich von Karansebesch verlief, die Vorberge des Dognecea-Gebirges gequert haben. Daran schloss sich ein Sumpfgebiet an, das bis zur Theiß reichte. Durch dieses bildete Temeschburg einen Durchgang262 (Abb. 76). Da der Verhau bei Karansebesch sicher von den Bulgaren angelegt worden war und in seiner Lage in etwa Temeswar/Temeschburg entsprach, kann auch für dieDie Grenzverteidigung, S. 139. Opriș, Utilitatea cercetărilor, S. 65.

261  I. M. Țiplic, 262  M.

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Periphere Räume

se Stadt ein bulgarischer Ursprung vermutet werden. Dementsprechend könnte diese Temesch- oder Timischgrad geheißen haben. Mehrere wichtige Orte, die auf Wachposten hinweisen, ergänzen das Bild des südlichen Banates. Zwischen Werschetz/Vršac und Weißkirchen/ Bela Crkva gibt es am Caraș-Fluss ein Dorf namens Straža (ung. Temesőr), das – wie auch der ungarische Name sagt – den Zugang von der Donau durch die kleine Senke zwischen Weißkirchen und Orawitza in den südlichen Teil der Theißebene sichern sollte: Das Dorf liegt an einem schmalen Waldstreifen zwischen den Dünen bei Grebenac und den bewaldeten Bergen bei Werschetz. An der Krümmung des Neratales, am Zugang nach Bozovitsch, liegt die Spitze Strajița (512 m). Diese sollte wohl den Zugang von Sichevița in das Semenic-Gebirge überwachen. Einen dritten Wachposten gab es auf einer Spitze nördlich von Anina, neben dem Weg nach Carașova (Straja, 716 m). Diese drei Warten haben höchstwahrscheinlich zusammen mit der Burg Carașova den Zugang über das Anina- und Semenic-Gebirge zum Verhau nördlich von Karansebesch abgesichert und seine Umgehung verhindert. Ob es auch zwischen diesen Warten einen Verhau gab, der mit jenem bei Karansebesch verbunden war, lässt sich heute noch nicht festlegen; denkbar ist es. Östlich von Prisaca stieg die vermutete Grenze auf die Wasserscheide zwischen Bistra und Bega, die sie am Teiul Ursului (989 m) erreichte. Ob es dort einen Verhau gab, ist nicht bekannt. Im Weiteren kommen zwei Grenzverläufe in Frage. Ein älterer könnte das Poiana-Rusca-Gebirge in Nordostrichtung überquert haben und zum Tor bei Brănișca in der Nähe der Burg von Diemrich am Mieresch verlaufen sein. Er dürfte einer Zeit entsprechen, als die Ungarn noch nicht in Südsiebenbürgen vordringen konnten. Sicher gab es eine neuere Grenze im Poiana-Rusca-Massiv zwischen dem Cerna- und dem Densuș-Bach. Sie verlief zur Burg Hatzeg. Dort wird es zumindest streckenweise einen Verhau vom Beginn des 11. Jahrhunderts gegeben haben. Fasst man die Daten zusammen, so ergibt sich, dass es streckenweise Grenzabsicherungen zwischen dem Mieresch und dem Șes-Gebirge am Fuß der Gebirgszüge gab. Durch diese sollten die magyarischen Nomaden von den Gebirgstälern ferngehalten werden, in die sich die einstigen Nutznießer der Pannonischen Tiefebene zurückgezogen hatten. Nördlich davon bildeten die Kalota-Senke, das Mesesch-Gebirge und andere Wälder und Bergketten eine frühe Grenze, die noch aus vormagyarischer Zeit stammte. Südlich des Mieresch, im Banat, sind die wichtigsten Begrenzungen in Ost-West-Richtung verlaufen. Sie sind im Kontext des Machtkampfes zwischen dem magyarischen Gebiet und dem Ersten Bulgarischen Reich zu sehen.

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Gliederung Frühe Einteilung Wie aus der Verteilung archäologischer Funde des 10./11. Jahrhunderts (Abb. 67) und jener der bis 1200 bzw. 1241 urkundlich belegten Orte hervorgeht (Abb. 68), waren zunächst mährische Gebiete um Sathmar und Großwardein dichter bewohnt; ihren Schwerpunkt bildete die starke Erdburg bei Bihar/Biharia neben Großwardein. Gemäß der Anzahl der Belege erweiterte sich dieser Siedlungsraum im Tal der Krasna, in weniger dicht bewaldeten Teilen der Gegend von Zillenmarkt/Zalău sowie westlich des Mesesch-Gebirges, im Bereich der Salzstraße Deesch-Szolnok.263 Mit dem Anwachsen der Bevölkerung wuchs die Anzahl und Konzentration einzelner Siedlungskammern in günstigeren Gebieten, auch außerhalb des erwähnten Raumes. Daraus ergab sich eine Raumgliederung, die zum Ausgangspunkt der Entstehung erster mittelalterlicher, vorstaatlicher Gebilde wurde. Diese „Ballungsräume“ befanden sich in siedlungsfreundlichen Gebieten. Deren Standort berücksichtigte einerseits die Lage von Sümpfen, häufiger überschwemmten Gebieten und Wasserläufen, andererseits jene der dicht bewaldeten Berge. Die Distanz zwischen diesen Siedlungskammern war von Ort zu Ort verschieden und mitunter gab es auch dazwischen halbwegs trockene Areale unterschiedlicher Größe. Die Geländestreifen, die diese verbanden, waren schon vor dem Ende des 9. Jahrhunderts für die ansässige Bevölkerung wichtig. Innerhalb des Territoriums gab es mehrere ordnende Elemente: im Kreischgebiet die von Anonymus erwähnten Burgen in Bihar/Biharea und Sathmar/Satu Mare sowie den Bereich der Salzstraße. Dazu gehörte auch jeweils ein gewisses Territorium mit der nötigen Infrastruktur für die Versorgung der Menschen und Tiere mit allem Nötigen. Südlich davon befand sich das Gebiet des Herzogs Glad. Es deckte sich weitgehend mit dem späteren Banat. Wichtig war dabei der Miereschlauf, auf dem das Thorenburger Salz zunächst von den Bulgaren nach Segedin/ Szeged verfrachtet wurde – gewiss eine Haupteinnahmequelle des Ersten Bulgarischen Reiches. Siebenbürgen gehörte nur in sehr geringem Maße zum mährischen Herrschaftsbereich und zunächst auch nicht zu dem der Arpaden. Nach P. Engel gab es dort, zum Unterschied von Pannonien, auch keine Ortsnamen, die auf ungarische oder chabarische Stämme hinweisen.264 263  Reste des Korridors sind in den Komitaten Mittelszolnok, Krasna und Chioar erhalten. 264  P.

Engel, Regatul, S. 49.

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Periphere Räume

Gebiete der Burgen Zunächst wirkte wohl die elementare Gliederung aus der mährischbulgarischen Zeit weiter. Dabei spielte auch weiterhin der Weg von den Salzgruben nach Szolnok mit der zugehörigen Infrastruktur eine besondere Rolle,265 denn das Salz wurde weiterhin nach Westen befördert. Selbstredend wurden die zwei bedeutenden Burgen Bihar/Biharea und Sathmar/Satu Mare beibehalten. Dazu sollen noch einige andere Burgen gekommen sein: Borsua (Borsod westlich der Theiß?), Thosu (?), Zyloc (Zillenmarkt/Zalău an der Salzstraße) und Zarand (Zărand);266 diese Namen erscheinen jedoch nicht unter den Burgen, die Tonciules­cu aus der Chronik des Anonymus exzerpiert hat267 – möglicherweise weil sie kleiner waren. Auch am Mieresch wurden die alten Burgen beibehalten: in Morisena, dem späteren Tschanad/Cenad (eine Befestigung römischen Ursprungs), und in Glogowatz/Vladimirescu (die zum Teil durch Arad ersetzt wurde268). Und auch am Temesch hat es schon damals eine Burg gegeben, die als Grenzburg gegen das Ungarische Reich eine besondere Bedeutung erhalten sollte. Die meisten Burgen bzw. späteren Städte lagen an bedeutenden Flüssen – im Kreischgebiet Sathmar am Somesch, Szolnok und Segedin/Szeged am Westufer der Theiß, Keve (Kubin/Kovin/Kevevára), Horom und Urscia oder Ursoua/Orschowa (nach Ioan-Aurel Pop) an der Donau; diese gehören jedoch letztlich zum Strom und nicht zu dessen Hinterland. Da zu jeder Burg ein gewisses Territorium gehörte, ergibt sich daraus eine Gliederung des Territoriums in mehrere Teile. Dieses gilt für Sathmar, Zillenmarkt, Bihar (später Großwardein), Zarand, Morisena/Tschanad und Temeswar. Bei den Begrenzungen der zugehörigen Territorien spielte im Westen vermutlich die Theiß eine gewisse Rolle, im Osten das Gebirge und als Querbegrenzungen das Szolnoker „Komitat“, die Wasserscheide zwischen Weißer Kreisch und Mieresch, und das Gebiet der Temeswarer Sümpfe (Abb. 75). Sehr wichtig für die Ausgestaltung der politischen Gliederung war die Lage der Sumpfgebiete sowie der häufig überschwemmten Flächen (Abb. 59). Nach einer Kartierung aus dem Jahr 1938 handelte es sich vor allem um ein nahezu ununterbrochenes Sumpfband entlang der Theiß.

265  Die Richtung Dej–Szolnok ist durch die Komitatsnamen „Innen“–„Außen“ angedeutet.

Transilvaniei, Hg. I. A. Pop, Th. Nägler, Abb. VIII, IX. Notarului Anonymus, Hg. P. L. Tonciulescu, S. 111, 112. 268  P. Niedermaier, Geneza orașelor, S. 145-147. 266  Istoria

267  Cronica

Kreischgebiet und Banat

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Dann gab es aber zusätzlich relativ kompakte Überschwemmungsflächen. Im Nordosten war es zunächst eine lange Fläche zwischen dem Latorica-Bach (heute in der Slowakei) und Sathmar, weiter westlich eine viel größere versumpfte Fläche zwischen dem Latorica-Bach und Debrecen. Südlich davon befand sich das weitaus größte Gebiet dieser Art, und zwar zwischen Tokaj–Großwardein–Gyula–Szolnok, das von etwas seltener überschwemmten Gegenden ergänzt wurde. Schließlich ist östlich der Theiß im Banat eine große Fläche, etwa zwischen Hatzfeld/Jimbolia– Lugosch/Lugoș und Werschetz/Vršac sumpfig oder überschwemmungsgefährdet gewesen (Abb. 59-62).

Gebietsstreifen Es gab damals drei Bevölkerungskategorien: Die meisten waren Arme, die Zahl der Krieger war gering und noch geringer die der Adligen.269 Wichtig war der Unterschied zwischen einer sesshaften, eher mit Ackerbau beschäftigten Bevölkerung mit den zugehörigen kleinteiligen Gebieten, und einer nomadischen Bevölkerung von Viehzüchtern. Anders als die sesshafte Gruppe brauchten die in Stämmen oder Großfamilien organisierten nomadischen Völkerschaften der Waldsteppe großflächige Gebiete.270 Mit der steigenden Bevölkerungsdichte und der allmählichen Aufgabe der nomadischen Lebensweise waren die Ackerbauern auf immer klarere Begrenzungen angewiesen. Der Prozess wird weitgehend mit dem Anwachsen der unteren Bevölkerungsschichten in Verbindung gestanden haben, und dabei dürfte auch die katastrophale Niederlage der Krieger in der Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg (955) eine Rolle gespielt haben, durch den für die Kriegerschicht der Gewinn materieller Werte aus den Raubzügen weitgehend versiegte. Im 11. Jahrhundert bildete sich auch die kirchliche Gliederung heraus, nicht nur die Zusammenfassung von je zehn Dörfern in einer Pfarrei, sondern auch die frühe Gründung der Biharer Diözese auf dem Gebiet der Erlauer Diözese. Die politische Gliederung, die zum Teil noch auf die vorungarische Zeit zurückgeht, ist kleinmaschiger. Das erste Komitat auf dem heutigen Boden Rumäniens, Bihar, ist für das Jahr 1111 urkundlich belegt271 und für jene Zeit ist mit einer weitgehend ausgeformten politischadminis­trativen Gliederung zu rechnen.272

Engel, Regatul, S. 45. Pascu, Voievodatul Transilvaniei, I, S. 100. 271  Istoria românilor, III, S. 164. 272  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 157. 269  P.

270  Șt.

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Periphere Räume

Im Zusammenspiel von Siedlungs- und Feuchtgebieten und der daran gebundenen Entstehung von Komitaten sind drei Streifen zwischen der Theiß und den Gebirgszügen zu beachten (Abb. 77): – Die großen alten Siedlungsgebiete, die zu Komitaten wurden, befanden sich am teilweise trockenen Fuß der Berge. Im Speziellen gehören dazu: Mittelszolnok/Solnocul de Mijloc, Bihar/Bihor, Zarand, Arad, Temesch/ Timiș und Karasch/Caraș. – Zur Theiß hin gab es etliche große Komitate, zu denen auch beträchtliche Feuchtflächen gehörten. Einige davon waren von langher besiedelt (Bereg, Ugocsa und Sathmar), in andern dürfte die Siedlungsdichte zum Teil etwas später angewachsen sein. – Entlang des Wasserlaufes gibt es einen gesonderten, sehr feuchten Gebietsstreifen. Dort dürfte nur das spätere Außenszolnoker Komitat (Külső-Szolnok) älter sein, die andern jedoch neuer (Abb. 77). Sie waren lang und schmal, teils auch von Hilfsvölkern besiedelt. In der Folge wurden einige Komitate weiter unterteilt, doch ist dabei eine angebliche Übereinstimmung zwischen der Gliederung in Diözesen bzw. Archidiakonate und jener in Komitate zu hinterfragen. Nach G. Kristó273 deckte sich das Kreischgebiet ungefähr mit dem Komitat Bihar (und umfasste, ähnlich wie die Diözese Bihar, auch das spätere Komitat Békes), während das Banat mit der Diözese Tschanad (einschließlich des Gebietes bis zur Theiß) übereingestimmt haben soll. Die Strukturen entsprachen weitgehend alten vorstaatlichen Gebilden und dem Standort der Burgen – etwa jenen von Bihar und Tschanad. Dazu kam das Gebiet der Salzstraße mit dem nördlich davon gelegenen Bereich hinzu,274 wobei die Burg Sathmar für eine frühe Phase dem Salzrevier Szolnok zuzurechnen ist.

Gliederung in Komitate Jenseits dieser allgemeinen Betrachtungen müssen im Kontext der Entstehung einzelner Komitate besondere Elemente berücksichtigt werden. Besonders vielschichtig sind diese im Norden, wo es schon seit dem 9. Jahrhundert eine recht große Bevölkerungsdichte gab. Dort kam auch die Geländebeschaffenheit hinzu: Gebirge, Feuchtgebiete und verkehrstaugliche Gebietsstreifen. Auch von der mittelalterlichen Gliederung in drei Diözesen (Erlau/Eger, Bihar/Bihor und Siebenbürgen/Ardeal) kann nicht abgesehen werden. 273  G.

Kristó, Despre formarea comitatelor, S. 11, 25. Kurze Geschichte Siebenbürgens, S. 143, gab es die Salzstraße „mit Gewissheit“

274  Nach

vor 1067.

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77. Komitate des Kreischgebietes und des Banates im 15. Jahrhundert (nach P. Engel, Hintergrund: Feuchtgebiete 1938). Zur Orien­tierung zeigen die roten Linien die heutigen Staatsgrenzen an.

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Periphere Räume 78. Komitate des nördlichen Kreischgebietes (nach Feucht­ gebiete 1938, Bewaldung nach Atlas geografic, 1966).   Komitatsgrenzen im 15. Jahrhundert. Komitate: I Bereg, II Ugocsa, III Sathmar, IV Mittel­szolnok, V Krasna;  oben: Munkács,  Mitte: Sathmar/Satu Mare.

Als Ergänzung zu Abb. 77, die die Feuchtgebiete zeigt, gibt es ein sehr komplexes Netz fließender Gewässer; in den Gebirgen erscheint eine große Anzahl von Flüssen und Bächen, in der Ebene gibt es nur ganz wenige Flüsse: Theiß, Somesch, Kreisch, Mieresch, Aranca, Bega und Temesch. Bei dem geringen Gefälle oberhalb des EisernenTor-Passes/Cazane kam es zu Ablagerungen, das Wasser konnte nicht normal abfließen und staute sich. Die verschiedenen Gebiete weisen unterschiedliche Merkmale auf. In Abb. 78 sind zunächst rechts oben die Wälder der Karpaten zu sehen: Auch wenn sie von einigen teilweise unbewaldeten Tälern durchzogen werden (wie etwa jenem, das vom Verecke-Pass herunterkommt), sind sie doch als großes zusammenhängendes Waldgebiet zu erkennen. Sie setzen sich im Oaș- und Gutâi-Gebirge fort, die das Kreischgebiet von Marmatien trennen (das aber in Abb. 78 nicht mehr erscheint). Das gesamte Territorium rund um Sathmar umfasst viele kleinere Waldflecken, die das Gepräge einer Waldsteppe suggerieren. Größere Waldflächen dieses Bereiches sind dem Silvaner Bergland zuzurechnen (vgl. Abb. 72). Wesentliche Teile des Gebietes westlich von Munkács und Sathmar wurden von Sümpfen eingenommen (dunkelblau dargestellt); es handelt sich bei den hier dargestellten Flächen nur um den östlichen Teil eines viel größeren Sumpfgebietes westlich davon. Noch größer sind die häufig überschwemmten, aber nicht sumpfigen Flächen (hellblau). Dabei muss davon ausgegangen werden, dass die Feuchtflächen im Mittelalter größer gewesen sind. Seltener überschwemmbare Gebiete dürften ansonsten trocken gewesen sein. Das Mittelszolnoker Komitat zwischen dem riesigen Feuchtgebiet und dem Bergland ist der Salzstraße zuzurechnen und man erkennt deutlich, dass die Straße am Ostrand des Kreischgebietes noch weitgehend trockene Gebiete durchquerte, ebenso im westlich anschließenden Biharer Komitat, in dessen nördlichem Teil sich ursprünglich die Salzstraße fortsetzte – ein Teil, der also wohl zum frühen Gesamt-Szolnoker Komitat gehörte.

Kreischgebiet und Banat

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Zwischen den Sümpfen und den weitgehend bewaldeten Bergen gab es kleinere trockene Flächen, die eine Verbindung zwischen dem Norden und Süden bildeten. Westlich von Munkács teilt ein Waldstreifen entlang des Latorica-Baches zwei verschiedenartige Gebiete. Nördlich davon im Komitat Ung und südlich davon in den Komitaten Bereg und Ugocsa gab es am Fuß der Berge ein breites Weideland, das sich weit nach Süden fortsetzte; es war für Nomaden geeignet, die hier ein weites Gebiet durchstreifen konnten und hatte wohl auch strategische Bedeutung. Bezüglich der Entstehung dieser Komitate gab es wohl schon vor der Landnahme der Ungarn gegen Siebenbürgen eine feste Grenze, die nach Anonymus auch später beibehalten wurde: das Mesescher Tor. Nördlich des Mesesch-Gebirges scheint sich diese Grenze sinngerecht entlang des Somesch, des Gutâi- und des Oaș-Gebirges fortgesetzt zu haben; südlich verlief sie entlang der Wasserscheide zwischen dem Kreischund Someschbecken. In der kirchlichen Gliederung dürfte sie seit dem Aufkommen des katholischen Christentums kurze Zeit auch als Grenze der Diözese Erlau/Eger gegolten haben. Dann kam jedoch die Sathmarer Gegend an das Bistum Siebenbürgen und das Gebiet südlich des KrasnaFlusses an die Biharer Diözese. Die Komitatsentstehung war ungleich komplizierter. Zunächst soll es nördlich der Salzstraße zwei Komitate gegeben haben: Sathmar und Borsova;275 als Zentren kommen die Burgen Borsova und Sathmar in Frage. Die beiden Gebietskörperschaften sollen anfangs bis jenseits Marmatiens gereicht haben, was schon im Hinblick auf die geringe Bevölkerungszahl nur nominell der Fall gewesen sein kann. Einen Anhaltspunkt für die Kenntnis der Komitatsentstehung bietet auch die Gliederung in Archidiakonate. Da ist zunächst Ugocsa zu erwähnen (das Gebiet um die heutige Stadt Wynohradiw in der Ukraine): Dazu gehörte das Territorium nördlich des Somesch, bis zur Diözese Erlau, bis Marmatien – dieses mit Ausnahme von zwei kleinen Exklaven des Erlauer Bistums sowie von Burg und Ort Sathmar. Diese Verquickung und vor allem die Lage der Burg Sathmar zeigt, dass es sich ursprünglich um ein einziges größeres Gebiet handelte, in dessen Mitte sich die Burg befand. Das ursprünglich große Sathmarer Komitat wurde zunächst geteilt; später, bei der Gründung des Komitates Bereg (Abb. 77, 78) fiel ein Teil des größeren Komitates Ugocsa an Bereg, ein anderer, nördlich des Somesch an Sathmar. Nur ein kleiner Teil blieb als eigenständiges Komitat übrig.276 Die Burg Sathmar lag nun ziemlich zentral und war von Sümp275  Kurze 276  Kurze

Geschichte Siebenbürgens, S. 141. Geschichte Siebenbürgens, Karte 8 und 12.

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fen umgeben.277 Im Fall von Bereg bildeten Sümpfe die Südwestgrenze und das Oaș-Gebirge die Nordostgrenze. Das Sathmarer Gebiet reichte im Westen über die erste Reihe von Sümpfen hinaus und im Osten wohl bis zum großen Knie des Somesch. Dazwischen ist das kleine Komitat Ugocsa eher eine Erinnerung an ältere Zeiten. Südlich des Sathmarer Komitates befand sich das stark in die Länge gezogene Szolnoker „Komitat“ (Abb. 102),278 das zur alten Salzstraße gehörte. Außer den drei Teilen – die späteren Komitate Innerszolnok, Mittel­szolnok (einschließlich des Distriktes Chioar/Kővár) und Außenszolnok – gehörten zum alten Komitat wahrscheinlich auch ein nördlicher Teil des späteren Komitats Bihar (zwischen Marghita, Săcueni und Debrecen), dann auch ein südlicher Teil des Komitats Szabolcs (in Verlängerung des Streifens, der dem Biharer Komitat eingegliedert wurde) sowie das Gebiet Kunság (zwischen Szoboszló und Balaszentmiklós). Im Süden des Nyírség ist das Terrain im Vergleich zur übrigen Theiß­ ebene etwas höher gelegen und war dementsprechend trockener und ver­ kehrs­geeigneter. Es ist offensichtlich, dass der stark in die Länge gezogene Gebietsstreifen der Salzstraße kein „Zentrum“ besitzen konnte, sondern bloß eine für die Entstehung der Verwaltungseinheit entscheidende Burg. Wie es der Name sagt, wird dieses die Burg Szolnok an der Theiß, am äußersten Westrand des Gebietes gewesen sein. Da es sich jedoch um ein besonderes Gebiet handelte, kann man für eine frühe Etappe auch an dessen östlichem Ende, in Siebenbürgen, eine Befestigung voraussetzen – d. h. eine der Burgen bei Deesch.279 Dass der Name Szolnok beibehalten wurde, spricht für das Vorhandensein des Komitates in der Zeit von König Stephan I. Doch als der Salzkorridor allmählich an Bedeutung verlor (möglicherweise nach dem Sieg über Ahtum), wurde das nun nicht mehr so wichtige Komitat aufgeteilt. Auch der siebenbürgische Teil wurde seinerseits geteilt: Innerszolnok mit seiner geschlossenen Form kam an Siebenbürgen, Mittelszolnok zur Theißebene. In der Kirchenverwaltung wurde jedoch das Mittelszolnoker Komitat in zwei Archidiakonate mit unterschiedlicher Zugehörigkeit aufgeteilt: Das Archidiakonat Szolnok gehörte zum Bistum Siebenbürgen, das Archidiakonat Krasna zum Bistum Bihar. Das zeigt, wie komplex der Gliederungsprozess des alten Szolnoker Komitats war. Dabei gab es im Komitat Krasna eine Exklave des Szolnoker Komitats und im Komitat Mittelszolnok eine Exklave des Komitates Krasna. Niedermaier, Der mittelalterliche Städtebau, S. 38, 39. Geschichte Siebenbürgens, S. 141. 279  P. Niedermaier, Geneza orașelor, S. 112, 113. 277  P.

278  Kurze

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79. Komitate Bihar/Bihor und Békés (Hintergrund aus Feuchtgebiete 1938, Bewaldung aus Atlas geografic 1965).  Komitatsgrenzen im 15. Jh.;  Großwardein/Oradea; Komitate: I Bihar/Bihor, II Békés, III Bászszék, IV Krasna/Crasna.

Eine bedeutende Größe und eine geschlossenere Form besaß das Komitat Bihar/Bihor (Abb. 79), das schon seit großmährischer Zeit der Mittelpunkt des Gebiets war. Der Hauptort war zunächst Bihar/Biharea und später Großwardein/Oradea.280 Beide waren einerseits durch Hügelland, andererseits durch einen Kranz von Sümpfen geschützt. Das Komitat erstreckte sich in west-östlicher Richtung aus der Theißebene bis zu den dicht bewaldeten Kämmen der Siebenbürgischen Westgebirge. Gemäß der großen Bedeutung der Mesesch-Pforte verlief die Grenzlinie im Osten zunächst entlang der Wasserscheide zwischen dem Kreischbecken und dem Someschbecken, d. h. auf den Kämmen des Mesesch- und des Vlădeasa-Gebirges. Bihar umfasste dementsprechend auch Kalota/Călata, das Quellgebiet der Schnellen Kreisch, das durch zwei Tore ostwärts abgesichert war. Obwohl die Wasserscheide dort kaum wahrgenommen wird und das eigentliche Trennelement zwischen dem Kreischgebiet und Siebenbürgen der Königssteig/Pădurea Craiului oberhalb von Bucea ist, gehörte dieses Gebiet noch in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zum Biharer Bistum und schob sich wie ein Keil in das Klausenburger Territo­ rium. Nur etwa 25 km trennen es von Klausenburg und dadurch wird verständlich, warum die Kalota-Senke später an Siebenbürgen kam – auch wenn sie ursprünglich nicht dazugehörte.281 Viel komplizierter ist die Beurteilung von Begrenzungen in der Ebene, die früh in größerem Maße besiedelt war. Am Westrand und vor allem im Südwesten des Komitates Bihar gab es große Sümpfe und Überschwemmungsgebiete, die in einer frühen Etappe eine wichtige Rolle spielten. Diese Sümpfe bildeten das eigentliche Gliederungselement des Territoriums. Wie diese ausgedehnten Sümpfe und Überschwemmungsgebiete zeigen, war das Gelände so flach, dass man kaum von Wasserscheiden 280  Șt.

Pascu, Voievodatul Transilvaniei, I, S. 101. auch G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 101.

281  Siehe

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sprechen kann. Mangels fester Anhaltspunkte werden auch die Begrenzungen relativ stark gewechselt haben. Aufschlussreicher ist die Kartierung früher Niederlassungen. Nach der Streuung der archäologischen Funde des 10./11. Jahrhunderts (Abb. 67) hat das damalige Siedlungsgebiet nicht nur die Sümpfe an der Westseite und am Südwestende des Biharer Gebietes gemieden, sondern auch die überschwemmungsgefährdeten Flächen. Entsprechend den urkundlichen Belegen (Abb. 68) drangen die Siedlungen erst im 12. Jahrhundert in Überschwemmungsgebiete vor. Dieser Prozess verstärkte sich im 13. Jahrhundert, wobei eigentliche Sümpfe weiterhin gemieden wurden. Dementsprechend ist zu hinterfragen, ob das Békés-Komitat vom Biharer Komitat abgetrennt wurde – selbst wenn die beiden Gebietskörperschaften in der kirchlichen Gliederung zusammengehörten, denn dazwischen befindet sich ein Feuchtgebiet, das eine normale Verbindung sehr einschränkte (Abb. 79). Das trockene Békéser Gebiet ist vielmehr mit jenem von Tschanad/Cenad und Zarand verbunden. Wenn auch in der kirchlichen Gliederung die Diözese Bihar in ihrem ebenen Abschnitt einen Teil des ebenen Territoriums jenseits der erwähnten Sümpfe umfasste, so kann diese Gliederung schwerlich auf die Zeit von Stephan I. zurückgeführt werden, sondern dürfte das Resultat von Veränderungen des 13. Jahrhunderts sein. Dazu kommt noch ein anderer Hinweis. Im Osten des Komitates Békés, nahe des Komitatsrandes befand sich die Burg Gyula, die wohl auf den älteren Gyula zurückgeht. Diese dürfte ursprünglich eher in das Komitat Zarand eingegliedert gewesen sein, in einen Bereich, der von der Mitte des Kreischgebietes klar getrennt war. Auch wenn in der kirchlichen Gliederung Békés zu Bihar gehörte, trifft das für die politisch-administrative Gliederung schwerlich zu. Auch bezüglich der Dichte von archäologischen Funden des 10./11. Jahrhunderts ist das Gebiet am unteren Mieresch eine Ausnahme – in keiner andern Zone sind diese so gehäuft –, etwas schütterer im Gebiet nördlich des Flusses, doch ungewöhnlich dicht südlich davon. Das änderte sich im 12./13. Jahrhundert, als die einstigen Feuchtgebiete in viel größerem Maß besiedelt wurden und das trockenere Weideland schütter bewohnt war. Nach der Beschaffenheit des Terrains wird das trockene Gebiet der Komitate Tschanad, Békés, Zarand und Arad zunächst zusammengehört haben: Es war gutes Weideland und Nomaden hatten die Möglichkeit, sich dort entsprechend der Witterung näher an der Theiß oder näher am Gebirge aufzuhalten; erst später, möglicherweise nach dem Fall Ahtums, kam es zu einer Gliederung. Dabei dürfte eine Begrenzung entlang des Kammes des Zarander Gebirges erfolgt sein – also zwischen den Komi-

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taten Zarand und Arad. Die Grenzlinie verläuft offensichtlich entlang des Kamms des Siebenbürgischen Erzgebirges und des Zarand-Gebirges, auf der Wasserscheide zwischen dem Mieresch und dem Kreischbecken. (Unsicher ist, wann der obere Teil des Tales zum Kreischgebiet und wann er zu Siebenbürgen gehörte, schließlich zu den Partes.282) Stellt man den Friedensvertrag des 9. Jahrhunderts zwischen Bulgarien und Arnulf von Kärnten in Rechnung, so kann vorausgesetzt werden, dass damals der Mieresch und dessen Unterlauf zu Bulgarien gehörten; wie schon gezeigt, dehnte sich die bulgarische Herrschaft zeitweise auch viel weiter nördlich aus. Starken Veränderungen unterworfen war vor allem das Gebiet der Weißen Kreisch, somit könnte es als Grenzregion betrachtet werden. Nach der Kartierung von archäologischen Funden war das Gebiet südlich des Flusses im 10. und 11. Jahrhundert relativ dicht bewohnt (Abb. 67), nördlich davon gab es jedoch Sümpfe. Für die folgende Zeit des 12. und 13. Jahrhunderts gibt es in urkundlichen Belegen nur wenige Hinweise auf dieses Gebiet, hingegen viele auf das frühere Sumpfgebiet nördlich der Weißen Kreisch (Abb. 68), das allem Anschein nach mittlerweile weitgehend trockengelegt worden war. Dementsprechend wird sich die Siedlungskammer in der bulgarischen und zu Beginn der ungarischen Zeit am Unterlauf des Mieresch bis zur Weißen Kreisch erstreckt haben. Zu jener Zeit dürfte die spätere politische Einteilung noch nicht existiert haben, wenngleich die alten römischen Befestigungen von Urbs Morisena wohl schon ein Zentrum des gesamten Gebietes darstellten – also der späteren Komitate Tschanad, Arad und Zarand, die eine geschlossene Fläche bildeten, zu der auch der nördliche Teil des Temescher Komitates hinzukam. Entsprechend der weiteren Entwicklung dürfte sich zunächst das Schwergewicht zugunsten des Zarander Komitates verschoben haben, zu dem auch ausgedehnte unbewaldete Gebiete gehörten. Bisher ist jedoch dort für diese Zeit keine wichtige Burg bekannt, aber eine solche dürfte es trotzdem gegeben haben. So liegt es nahe, diese auf der Stelle von Gyula zu vermuten: Der Ort befand sich auf einer „Halbinsel“ und war von umliegenden Seen und Sümpfen gut geschützt und eignete sich zur Verteidigung. Name und Lage legen eine Verbindung mit der Person des älteren Gyula nahe, was auch an und für sich die Entstehung dieses Komitates erklären würde. Es gehörte ursprünglich zur Diözese Erlau/ Eger, die zu Beginn des 11. Jahrhunderts gegründet worden war. Aus dieser Diözese wurde gegen die Mitte des gleichen Jahrhunderts die Diözese Bihar ausgesondert, doch verblieb das Gebiet südlich der Weißen Kreisch 282  Kurze

Geschichte Siebenbürgens, S. 141.

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80. Komitate Tschanad/Cenad, Zarand und Arad (nach Feuchtgebiete 1938, Bewaldung Atlas geografic 1965).  Komitatsgrenzen 15. Jahrhundert;  links: Tschanad/Cenad,  oben: Gyula;  Mitte: Arad; Komitate: I Tschanad/Cenad, II Békés, III Zarand, IV Arad.

weiter beim Erlauer Bistum. Unklar ist die Begründung des unregelmäßigen Grenzverlaufes an der Nordseite des Komitates. In einer frühen Etappe wird das damals bulgarische Banat eine große politisch-administrative Einheit gebildet und zu Morisena (dem späteren Tschanad) gehört haben283; dabei waren die Gegebenheiten aus der Zeit um das Jahr 1000 die Grundlage. Doch wie die geringe Zahl archäologischer Funde aus dem 10./11. Jahrhundert zeigt (Abb. 67),284 ebenso die spärlichen Belege für bestimmte Ortschaften in der Zeitspanne vor den Jahren 1200 und 1241 (Abb. 68), war der Norden des Banates schütter besiedelt. Eine Ausnahme bildete das Gebiet am Unterlauf des Mieresch, wo sich archäologische Funde, alte Baudenkmale und frühe Belege häufen. Im Gebiet zwischen Tschanad/Cenad und Lippa/Lipova gibt es einige archäologische Funde aus dem 9./10. Jahrhundert, andere, viel zahlreichere, aus dem 10./11. Jahrhundert, sowie eine bedeutende Anzahl von Siedlungsbelegen von vor den Jahren 1200 bzw. 1241; 40 Prozent der bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts belegten Banater Siedlungen befinden sich im ziemlich engen Mie­resch­becken, d. h. innerhalb natürlicher Grenzen, doch bot nur ein Teil des Gebietes günstige Bedingungen für frühe Siedlungen. Westwärts, bei Tschanad, war das Gebiet sumpfig, östlich von Arad großteils uneben. Trotzdem gab es in siedlungsfreundlichen Teilen des Raumes zwei Komitate: Tschanad und Arad (Abb. 80). Ihre Gestalt wird von der Form des Miereschbeckens bestimmt. Das Arader Komitat war schmal und langgestreckt, weitgehend bewaldet und zog sich in östlicher Richtung 283  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 147. Eine andere Meinung, die in größerem Maße der Einteilung in Komitate Rechnung trägt, siehe in: Virágkor és pusztulás, S. 21. 284  Siehe auch Kurze Geschichte Siebenbürgens, Karte 6 und 7.

Kreischgebiet und Banat

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entlang des Miereschkorridors hin. Das Komitat Tschanad hingegen war etwas breiter – doch dabei muss man bedenken, dass das Gebiet an der Theiß sumpfig war. Die Hauptorte Tschanad und Glogowatz bzw. Arad berücksichtigten die im frühen Siedlungsraum effektiv nutzbaren Flächen und lagen ziemlich zentral, relativ nahe beieinander. Diese Anordnung ist durch die besondere Funktion des Arader Komitates zu erklären: Es diente höchstwahrscheinlich der Überwachung des Salztransportes im Miereschdurchbruch. Im Süden gehört der dichter bewohnte Raum des rumänischen Banates einer verhältnismäßig späten Besiedlungsetappe an: Mit Ausnahme der Region entlang der Donau konzentrieren sich die wenigen archäologischen Funde auf Gebiete an der Bersau, im Tiefland bei Gătaia, und an der Karasch, wo wahrscheinlich noch die Überreste der Römerstraße von Viminacium nach Tibiscum existierten. Relativ spärlich sind archäologische Spuren im Temesch-Tscherna-Korridor. Im Vergleich dazu weisen die dokumentarischen Belege von vor 1241 nur für die Gegend zwischen Mieresch und Alter Bega (nahe bei Vinga) ein einigermaßen gehäuftes Vorkommen von Siedlungen aus (Abb. 68). Im Banat wird die allmähliche Erweiterung des Siedlungsraumes auf vorher bulgarischem Territorium deutlich: Südlich der Komitate Tschanad und Arad bildet der älteste Teil des Temescher Komitates einen relativ langen, schmalen Streifen, der auf der Südseite von einem langen Sumpfgebiet begrenzt wurde: Er reichte aus der Nähe des Flusses bis zum Wald bei Lugosch. Weiter südlich gab es eine zweite Begrenzung, die von einem Verhau nördlich von Karansebesch bei Prisaca angedeutet ist. Bis zu diesem war das Temescher Komitat breiter und konnte als selbständige Verwaltungseinheit existieren. Zentrum des Gebietes war die Burg Temeswar, die einen trockenen Durchgang durch das große Sumpfgebiet absicherte.285 Südlich dieses Streifens war das Gebiet bulgarisch geblieben, was durch die Zugehörigkeit des Bistratales bei Karansebesch als Zugang nach Siebenbürgen deutlich wird. An dieser für die Bulgaren strategisch wichtigen Verbindung zu Siebenbürgen gab es anfangs vermutlich auch die Reste einer römischen Stadt, Tibiscum, nahe bei Karansebesch, an deren Stelle noch Anfang des zweiten Jahrtausends eine Siedlung existiert haben soll. In Ermangelung eines nennenswerten wirtschaftlichen Hinterlandes ist anzunehmen, dass sich die Existenzgrundlage für dieses frühe Zentrum allmählich verschlechterte – dieses in dem Maße, als die Beziehungen nach Widin im Süden an Bedeutung verloren. 285  M.

Opriș, Utilitatea cercetărilor, S. 65; P. Niedermaier, Geneza orașelor, S. 71.

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Dann erweiterten die Ungarn ihr Gebiet bis zur Donau und schnitten damit den Bulgaren die Verbindung nach Siebenbürgen ab. Auf diesem letzten Gebietsstreifen wurde vor allem das Temescher Komitat südwärts verlängert, so dass dort der TemeschTscherna-Korridor entstand (Abb. 81), der für den Zugang zur Donau – wo es 81. Komitate: I Temesch/Timiș, II Karasch/Caraș, mindestens eine Burg gab – III Kuvin/Cuvin (nach Feuchtgebiete 1938, Bewaldung Atlas geografic 1965).  Temeswar weiterhin eine entscheidenKomitatsgrenzen im 15. Jahrhundert de Bedeutung hatte. ••• Verhau im Temeschtal Im Süden entstand das Karascher Komitat, zu dem relativ viel ebenes, trockenes Gelände gehörte, das trotzdem schütter besiedelt gewesen zu sein scheint. Die zugehörige Burg lag relativ schwer zugänglich im bergigen Teil des Komitates und eine Stadt konnte sich hier nicht entwickeln. Möglicherweise entstand eine Siedlungskammer in der Almaj-Senke, wofür der Flurname „Strajița“ spricht. Auffällig ist die relativ große Zahl von Warten zur Ebene hin (Abb. 76), die eine gleichzeitige Entstehung des Kuviner Komitates in Frage stellen, doch sind diesbezüglich noch weitere Untersuchungen nötig. Aus Obigem wird ersichtlich, dass, anders als im Kreischgebiet, wo es früh eine an den Salzexport gebundene Gliederung gab, das Banat zunächst schütter bewohnt gewesen ist. Eine Begrenzung ist nicht siedlungsbestimmend gewesen und die Einteilung in Komitate widerspiegelt größtenteils die natürlich Gegebenheiten.  

Kirchliche Gliederung Orthodoxe Kirche. Wegen des byzantinischen Einflusses in der Region und der Verflechtung des geschichtlichen Werdegangs Siebenbürgens und Westrumäniens mit dem Ersten und Zweiten Bulgarischen Reich wird angenommen, dass das byzantinische Christentum schon früh in das Gebiet des heutigen Westrumänien vordrang. Für die Anfänge ist die Abhängigkeit der Kirche in Dibiscos/Tibiscum vom Bistum Braničevo bekannt, doch bereitet die Lokalisierung der Stadt gewisse Schwierigkei-

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ten286. Manche vermuteten diese an der Stelle des heutigen Dorfes Jupa, bei Karansebesch, andere sie an der Stelle von Cuvin oder Temeswar.287 Die Bekehrung von Zar Boris Michael zum Christentum nach der Mitte des 9. Jahrhunderts288 wird ebenfalls zur Verbreitung dieses Ritus in den Reihen der Bevölkerung nördlich der Donau beigetragen haben. Vermutlich ging jedoch der damals noch zaghafte Ansatz mit der Ankunft der heidnischen ungarischen Stämme zurück. Einen erneuten Nährboden fand das byzantinische Christentum nach der Taufe des älteren Gyula in Konstantinopel um die Mitte des 10. Jahrhunderts, die wohl auf die damalige Relevanz des Byzantinischen Reiches zurückzuführen war.289 Bekannt ist, dass Gyula nach seiner Rückkehr aus Konstantinopel an den Unterlauf des Mieresch, vielleicht in die Gegend der heutigen Stadt Gyula bzw. an den Ort des Zusammenflusses von Mieresch und Theiß,290 den Priestermönch Hiero­theos mitbrachte, der vom Patriarchen Konstantinopels zum Bischof von Türkia – das heißt des ungarisch beherrschten Gebietes – geweiht worden war.291 Die Epar­chie ist wahrscheinlich dem Heiligen Michael geweiht gewesen und hatte Missionscharakter, wie aus dem Fehlen eines ständigen Bischofssitzes hervorgeht.292 Es ist anzunehmen, dass der Bischof neben seiner missionarischen Tätigkeit auch eine Reihe von Klöstern gründete, doch gewann das Christentum nur langsam an Boden: laut Marian Țiplic gibt es in der Gegend zwischen Karlsburg/Alba Iulia und Diemrich/Deva Friedhöfe mit heidnischem Grabinventar aus dem 10. und vom Beginn des 11. Jahrhunderts. Als Zeuge des Christianisierungs-Prozesses hat sich die Kirche von Densuș erhalten, deren stilistische oder archäologische Eingliederung zwar schwierig ist, deren alte Teile jedoch, den geschichtlichen Umständen entsprechend, schon aus dem 10. Jahrhundert stammen dürften: In der Gestaltung ist eine gewisse Tendenz zu einem Zentralbau festzustellen, die in dieser Form in der späteren rumänischen Architekturtradition nicht anzutreffen ist. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die abgeschrägten Ecken im Inneren des Naos, aber auch auf die Abrundungen des Tambur- oder Kuppeluntersatzes auf dessen Westseite – die den

Theodorescu, Bizanț, S. 77; siehe auch I. D. Suciu, Contribuții, S. 1051-1058. Crișan, Rețeaua așezărilor, S. 47, 96. 288  Istoria românilor, III, S. 139. 289  M. Păcurariu, Istoria bisericii, S. 47. 290  A. Maghearu, Misiunea episcopului Hierotheos, S. 154. 291  M. Păcurariu, Istoria bisericii, S. 48; G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 98. 292  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 118, 119. 286  R. 287  I.

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heutigen Turm als eine spätere Veränderung ausweisen, die dennoch der Romanik zuzurechnen ist.293 Byzantiner waren auch im 11. Jahrhundert im Gebiet anwesend; Antonius und Theophylactos sind als Bischöfe von Türkia genannt, und im Jahr 1028 Ioannes ebenda als Metropolit.294 Laut der Legende des Hl. Gerhard hatte Ahtum nach seiner Taufe entsprechend dem byzantinischen Ritus einen griechischen Priester und Mönche im Gefolge, die das Kloster zum Hl. Johannes dem Täufer in Morisena (dem späteren Tschanad) gründeten.295 Das Bistum selbst gehörte zum Erzbistum Kalocsa und dieses soll angeblich zunächst auch zu der Byzantinischen, also Orthodoxen Kirche gehört haben. Im Hinblick auf die Verbindung mit Siebenbürgen ist es außerdem erwähnenswert, dass auch die älteste, sehr kleine, kapellenartige Kirche in Doboka um die Mitte des 11. Jahrhunderts diesem Ritus angehörte, und Spuren von ähnlichen Sakralbauten fanden sich auch in Karlsburg, westlich der katholischen Kathedrale.296 Trotz der für die Byzantinische Kirche ungünstigen Umstände zur Zeit von König Stephan I. werden für diese Gegend um die Mitte des 13. Jahrhunderts mindestens 13 Klöster des orientalischen Ritus erwähnt.297 Für die Byzantinische Kirche in Südsiebenbürgen fehlen weitere Angaben. Die verhältnismäßig große Bevölkerungszahl in der Zeit bulgarischer Oberhoheit spricht für eine solche. Tatsächlich wird in einer späteren Etappe, im 14./15. Jahrhundert die Abhängigkeit der Altsenke vom Metro­politensitz in Târgoviște vorausgesetzt,298 und im 15. Jahrhundert wird dann ein Metropolit in Weißenburg und je ein Bischof in Hunyad/ Hunedoara und in Feleac erwähnt.299 Katholische Kirche. Angesichts der Rivalitäten zwischen den Ungarn im Westen des Karpatenbeckens, unter Géza und dann unter Stephan I., und jenen im Becken des Karpatenbogens, unter Ahtum bzw. dem älteren und dem jüngeren Gyula, wurde erwartungsgemäß auch die Konfession als Mittel im Machtkampf eingesetzt. So gewann die Katholische Kirche mit 293  Der „neue“ Turm dürfte auf die Johanniter zurückgehen, die nach 1247 in Thorenburg eine Niederlassung hatten (P. Niedermaier, Städtebau im Mittelalter, S. 106, 143), also durch die Hatzeger Senke ihr Salz nach Turnu Severin transportierten. 294  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 118. 295  Kurze Geschichte Siebenbürgens, S. 125. 296  Șt. Pascu, Voievodatul Transilvaniei, S. 169, 170; D. Marcu Istrate, Architectural Interferences, S. 94-106. 297  Istoria românilor, III, S. 153. 298  D. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 27. 299  M. Păcurariu, Istoria bisericii, S. 68, 69.

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der Unterwerfung der Anführer im Ostteil des Königreichs und mit der Zentralisierung des Staates nach westlichem Vorbild eine Vorrangstellung, sodass auch östlich der Theiß eine neue kirchliche Struktur entstand. Ausschlaggebend war die Aufteilung Siebenbürgens und Westrumä­ niens in Diözesen (Abb. 82),300 doch auch die innere Gliederung derselben in Archidiakonate verdient Beachtung. Außerdem bilden die allgemeine Einteilung, der Standort der Bischofssitze sowie gewisse Unregelmäßigkeiten der Gebietsgliederung Anhaltspunkte für die Erweiterung und Gestaltung des Siedlungsraumes. Die Ermittlungen zeigen, dass die Gliederung größtenteils das Ergebnis eines geschichtlichen Entwicklungsprozesses ist – auch wenn diese Entwicklung während eines relativ kurzen Zeitraumes stattgefunden hat. Zu erwähnen sind drei Diözesen, die ungefähr den drei Regionen Kreischgebiet (Bihar), Banat (Tschanad) und Siebenbürgen (Weißenburg) entsprechen. Der Norden des Kreischgebiets gehörte zunächst zur Diözese Erlau (Abb. 82), die ihrerseits unterschiedliche Entwicklungsetappen erfahren hat. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts erhielt sie vom Bistum Siebenbürgen das Archidiakonat Ugocsa (Abb. 78), das ein Jahrhundert später mit Ausnahme von zwei kleinen Exklaven wieder der Diözese Siebenbürgen angegliedert wurde. Um das Jahr 1300, als im Kontext der Salzförderung im Westen Marmatiens Hospites angesiedelt wurden, erstreckte sich die Amtsgewalt der Diözese Erlau auch auf dieses Gebiet;301 es handelt sich hier um eine Verschiebung der Grenzlinie des Bistums. Hingegen besitzen wir keine Angaben, wie das Gebiet südlich der Weißen Kreisch an das Bistum Erlau gelangt ist. Man weiß aber, dass jenes Bistum etwas älter ist als das Bistum Bihar, und es wird vorausgesetzt, dass nach der Gründung der ersten Bistümer durch König Stephan  I. (Gran, Veszprém, Raab, Siebenbürgen) auch die Bistümer Fünfkirchen/ Pécs, Kalocsa und Erlau ins Leben gerufen wurden.302 Etwas neuer ist die Diözese Bihar. Unter diesen Umständen ist es nicht ausgeschlossen, dass das Bistum Bihar auf einem Teil des Gebietes des ursprünglichen Bistums Erlau eingerichtet wurde, wobei Erlau allerdings auch weiterhin eine große Exklave im Süden zukam; möglicherweise wurde das Gebiet wegen der Goldvorkommen von Erlau zurückbehalten. Da Mitte des 11. Jahrhun-

300  In Abb. 88 ist die Ausdehnung der katholischen Diözesen auch über typisch rumänische Territorien dargestellt, dieses im Hinblick auf die Gesamtaufteilung und eine mögliche Diaspora. 301  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 127. 302  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 118, 119.

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derts der erste Bischof von Bihar erwähnt wird,303 müssen diese Veränderungen vorher stattgefunden haben. Die Biharer Diözese bildet den Kern des Kreischgebietes. Im Nordwesten und im Nordosten sollen seine Grenzen in etwa mit jenen des Komitates übereingestimmt haben. Im Osten folgt die Grenze der Wasserscheide, d. h. Siebenbürgens. Das Archidiakonat Kalota/Călata im Quellgebiet der Schnellen Kreisch gehörte 82. Gliederung in Diözesen (nach Atlas geografic zum Bistum Bihar, obwohl es 1965). sich, wie erwähnt, nahe bei Klausenburg befand und von dort viel einfacher zu erreichen war. Entsprechend dem Verlauf der Wasserscheide springt auch die südöstliche Begrenzung der Biharer Diözese und der Exklave des Bistums Erlau gewissermaßen in das abgerundete Gebiet Siebenbürgens vor. Im Süden folgte die Grenzlinie der Biharer Diözese dem Verlauf der Weißen Kreisch bzw. weiter im Westen der Wasserscheide zwischen der Weißen Kreisch und dem Mieresch. In der Biharer Diözese waren mehrere Archidiakonate gruppiert (Abb. 83). Nach dem Zehnten des Zehnten, der pästlichen Sondersteuer aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zu urteilen, waren es sechs Archidiakonate: Bihar, Homorog, Kalota, Kölesér, Békés und Zeghalm, denen sehr unterschiedliche Anzahlen von Pfarreien zugehörten.304 Der Bischofssitz befand sich zuerst in Bihar/Biharea, dann verlegte ihn Ladislaus I. nach Großwardein.305 Das Archidiakonat Bihar lag jedoch nicht in der Mitte der Diözese, sondern in deren nördlichem Teil. Es handelte sich zu einem großen Teil um Ortschaften, die eng beieinander lagen. Allerdings befanden sich einige Ortschaften auch weiter weg – im Norden bei Valea lui Mihai, im Osten bei Șimleul Silvaniei und im Süden zwischen der Schwarzen und der Weißen Kreisch. Das Archidiakonat Homorog lag ebenfalls zentral und war sehr ausgedehnt; hier gab es im Osten Pfarreien bis in die Gegend von Beiuș und Kristó, Ardealul timpuriu, S. 129. Vaticana, I/1, S. 42-90. 305  M. Păcurariu, Istoria bisericii, S. 49. 303  G.

304  Monumenta

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im Westen bis in die Gegend von Salonta; ein Ort befand sich sogar neben Biharea. Am Rand der beiden erwähnten Archidiakonate gab es eine Verflechtung der Pfarreien. Diese Durchdringung könnte durch ihre etwa gleichzeitige Entstehung erklärt werden, aber sowohl die Namen der Archidiakonate als auch der Standort von zwei weit im Süden abliegenden Orten des Archidiako- 83. Archidiakonate der Bistümer Bihar und Erlau (nach F. Mărgi­nean, Hintergrund Atlas geografic 1965). Im Bisnats Bihar sprechen für tum Bihar:  Bihar,  Homorog,  Kalota,  Kölesér, ein etwas größeres Alter  Zeghalm; im Bistum Erlau:  Pankota. eines Teiles dieser Gebietskörperschaften. Im Süden, gegen das Archidiakonat Kölesér, war die Grenze viel klarer; offenbar entstand das südliche Archidiakonat etwas später und ein einziger Ort dieses Archidiakonates liegt sogar noch weiter weg, südlich der Schwarzen Kreisch, etwa bei Mișca. Das Archidia­ konat gehörte auch zu der dichteren Ballung von Pfarreien. Angesichts der siedlungsfreundlichen Lage in der Berührungszone zwischen Ebene und Hügelland kann der Siedlungsraum dieses Archidiakonats auch als sehr alt eingestuft werden – ähnlich jenem der Archidiakonate Bihar und Homorog. Auf der Südseite der Kölesér-Gruppe gab es kaum eine Durchdringung der Pfarreien mit jenen des Archidiakonats Pankota, das zu der Exklave des Erlauer Bistums gehörte. Eine Konzentration der Pfarreien gab es bei Pankota und dessen östlichste Pfarrei wird Gurahonț gewesen sein. Die Archidiakonate Kalota und Zeghalm lagen ost- bzw. westwärts der zentralen Gruppe. Östlich von Großwardein, im Tal der Schnellen Kreisch, befand sich also das Archidiakonat Kalota, dessen Entstehung ganz offensichtlich der Oberflächengestalt zu verdanken ist: Eine Siedlungsgruppe erstreckte sich etwa bis Aleșd, eine zweite Gruppe befand sich jenseits des Kreischdurchbruches und des Königssteigs in der Kalota-Senke, bei Izvorul Crișului. Das Archidiakonat Zeghalm befand sich westlich von Großwardein und umfasste eine verhältnismäßig kleine Anzahl von Orten und diese waren in dem teilweise versumpften Gebiet bis zum CosmoBach schütter gesät; höchstwahrscheinlich handelt es sich hier um ein

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Erweiterungsgebiet des zentralen Kerns. Der Bischofssitz der Tschanader Diözese befand sich in Tschanad, sehr exzentrisch, aber in einem schon früh dicht besiedelten Gebiet, das wegen des Unterlaufs des Mieresch strategische Bedeutung hatte. Es war dem Erzbistum Kalocsa unterstellt und soll zunächst zur Byzantinischen Kirche gehört ha84. Archidiakonate der Tschanader Diözese (nach ben, die möglicherweise F. Măr­gi­nean, Hintergrund Atlas geografic 1965); Orte im ihr lokales Zentrum hier Archidiakonat:  Temesch,  Tschanad,  Arad  Jenseits des Mieresch,  Sebesch,  Karasch  Zwischen hatte. Im Machtkampf Temesch und Bersava,  Zwischen den beiden Temesch, am Anfang des 11. Jahr Torontal. hunderts, der auch auf konfessioneller Ebene ausgetragen worden war, wurde nach der Niederringung Ahtums hier ein katholisches Bistum eingerichtet. Zu dieser Diözese gehörte vor allem das Banat, aber auch der südliche Teil des Kreischgebietes. Das Territorium ist mit der Fläche mehrerer Komitate gleichzusetzen und besitzt natürliche Grenzen: im Westen die Theiß, im Süden die Donau, im Osten der Höhenzug, der das Temeschbecken vom Becken des Strell trennt, und im Norden die Wasserscheide zwischen Mieresch und Weißer Kreisch. Auffallend ist diese nördliche Grenzlinie, die wohl der einstigen Grenzlinie zwischen bulgarischem und mährischem Einflussgebiet einer früheren Zeit folgt. Auch wenn diese Grenzlinie nach der Besetzung durch die ungarischen Nomadenstämme, zur Zeit des älteren Gyula, an Bedeutung verloren hatte, wurde sie sowohl während Ahtums Herrschaft als auch danach beibehalten. Der Grund dafür war zweifellos die Unteilbarkeit des Siedlungsraums beiderseits des Unterlaufs des Mieresch – gut kenntlich an den Grenzlinien des Archidiakonats Arad (Abb. 84). Der Nordteil der Diözese wird im 14. Jahrhundert „jenseits des Mie­ resch“ genannt (Abb. 84). Dessen Pfarreien befanden sich entlang des Mieresch, nördlich davon. Die Pfarreien südlich des Flusses sind etwas weiter gestreut und einige befinden sich auch entlang der Theiß, bis auf die Höhe von Kikinda.

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Kreischgebiet und Banat

Im Unterschied zu diesen Orten in der Nähe von Tschanad erstreckt sich das Archidiakonat Arad zu beiden Seiten des Mieresch. Es beginnt bei Semlak und reicht flussaufwärts bis Lippa/Lipova. Die Pfarreien liegen näher beieinander, sodass sie eine relativ kompakte Gruppe bilden. Südlich davon liegen ebenso kompakt massiert, bis zum Temesch, die Pfarreien des Archidiakonates Temesch. Für das Gebiet zwischen Temesch und Bersau war ein anderes Archidiakonat zuständig, das unter dem Namen „Zwischen den beiden Temesch“-Flüssen erscheint; dort liegen die Orte ganz besonders dicht beieinander. Gewissermaßen um dieses herum befinden sich Pfarreien, die zum Archidiakonat „Zwischen Temesch und Bersau“ gehörten. Dessen Hauptgruppe befindet sich, auch relativ kompakt angeordnet, südlich der Bersau, aber zum Teil auch weit verstreut nördlich dieses Flusses. Es wird hier deutlich, wie der Siedlungsraum in Südrichtung erweitert wurde. Im Verhältnis zu den kompakten Siedlungsgruppen bis ins Kreischgebiet hinauf, wird hier der Unterschied zwischen zwei Arten von Orten deutlich: solche, die schon vor der Christianisierung bestanden, und solche, die erst danach gegründet wurden. Auch die drei weiteren Archidiakonate, deren Pfarreien viel weiter gestreut sind, gehören wohl zur zweiten Gruppe: Karasch, Sebesch (inklusive zwei Senken im SemenicGebirge) und schließlich Torontal. Die aussagekräftige Anzahl der Pfarreien um 1335 ergibt folgendes Bild der Tschanader Diözese: – Archidiakonat Jenseits des Mieresch – Archidiakonat Tschanad – Archidiakonat Arad – Archidiakonat Temesch – Archidiakonat Zwischen den zwei Temeschflüssen – Archidiakonat Zwischen dem Temesch und der Bersau – Archidiakonat Sebesch – Archidiakonat Karasch – Archidiakonat Torontal

12 23 37 45 20 19 10 11 27

Wie in der Tschanader war auch in der Biharer Diözese die Anzahl der Pfarreien innerhalb der Archidiakonate ganz unterschiedlich: – Archidiakonat Bihar – Archidiakonat Homorog – Archidiakonat Kalota – Archidiakonat Kölesér – Archidiakonat Békés – Archidiakonat Zeghalm

85 40 15 35 40 10

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Das Archidiakonat Pankota gehörte zur Erlauer Diözese und bildete damit ein gesondertes Gebiet: – Archidiakonat Pankota

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Versucht man die Feststellungen bezüglich der Gliederung des Territoriums zusammenzufassen, so kann unterstrichen werden, dass deren Gestaltung einerseits in vorstaatlicher Zeit wurzelt, andererseits von den Merkmalen des Raumes bestimmt wurde. Dabei widerspiegeln sie eine komplexe geschichtliche Entwicklung, deren Gipfelpunkt die Entstehung einer Stadt mitteleuropäischer Bedeutung war: Großwardein.

85. Topleț bei Orschowa/Orșova.

S I E B E N B ÜR G E N /A R D E A L

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Siebenbürgen

D U R C H  G E B I R G E  G E S C H ÜT Z T E R N AT U R R A U M Höhenlage und Geländeformen Siebenbürgen ist ein organischer Teil des europäischen Kontinents. Bemerkenswert sind vor allem die zusammenhängenden Gebirgszüge, beginnend mit den Alpen und Westkarpaten über die Tatra, die Ostkarpaten und Südkarpaten bis zu den Gebirgsketten der Balkanhalbinsel (Abb. 1). Als Bindeglied prägt auch die Donau mit ihren Niederungen den mitteleuropäischen Raum. Die Ausformung des Geländes ist für die Gesamtgliederung ausschlaggebend, so dass diese, obwohl bekannt, doch erwähnt werden soll – zumal sie direkt oder indirekt alle andern Belange menschlicher Besiedlung beeinflusste. Im Vergleich zu andern Gebieten ist das Relief Siebenbürgens relativ vielgestaltig.306 Es umfasst zahlreiche Gebirgszüge, Hochflächen, Senken und Auen. Doch auch in Regionen, die landläufig als „Ebenen“ bezeichnet werden, gibt es bemerkenswerte Höhendifferenzen. Großlandschaften treten ziemlich klar hervor.307 Verhältnismäßig hohe Gebirgsmassive begrenzen den hier behandelten Raum rundum, so dass dieser Raum zwischen Steppen und Waldsteppen wie eine Insel wirkt. Nur nach Nordwesten erscheint die Abgrenzung weniger deutlich. In der Gegend des Someschhochlandes ist die Entfernung zwischen den Siebenbürgischen Westgebirgen und dem Gutâi- und Țibleș-Gebirge groß. Sie beträgt etwa 60 km, doch gibt es auch hier das Mesesch-Gebirge im Westen und die Klausenburger und Deescher Berge im Osten. Die Abgrenzung, wird vor allem durch eine starke Bewaldung augenscheinlich (Abb. 73, 95). Im Becken des Karpatenbogens ist die Siebenbürgische Senke leicht von Nordosten nach Südwesten geneigt. Das Someschhochland hat im Norden eine durchschnittliche Höhe von etwa 500 m und gegen den Mieresch fällt die Siebenbürgische Heide auf etwa 400 m ab. Südlich davon ändert 306  Die hier gebrauchten Namen stimmen weitgehend mit jenen der Übersichtskarten des Historisch-Landeskundlichen Atlas von Siebenbürgen überein. 307  Im Folgenden dient uns das Werk Atlas 1979, Karten I-5, als Grundlage. Parallel dazu wird der Atlas geografic 1965, koord. von V. Tufescu, S. 6-7 benutzt, ebenso Ch. Herrmann, O. Mittelstrass, K. Niedermaier, Historisch-Landeskundlicher Atlas von Siebenbürgen, Übersichtskarten, Heidelberg 1993.

Durch Gebirge geschützter Naturraum

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sich die allgemeine Bodengestalt, denn das Kokel- und Harbachhochland haben im Durchschnitt 500-600 m Höhe. Dabei gibt es auch dort eine betonte Neigung von Osten nach Westen – von 600-700 m im Südosten Siebenbürgens auf 300-400 m im Südwesten. Weiter ist für die Bodengestalt Siebenbürgens der Korridor BroosThorenburg und Klausenburg–Deesch wichtig: Es handelt sich um zwei siedlungsfreundliche Talsenken. Auch der vom ursprünglichen Lauf des Alts zur Kokel hin bestehende Korridor, zwischen Hermannstadt und Kleinkopisch, ist in diesem Zusammenhang erwähnenswert. Andere Senken, wie die Strell- und Fogarascher Senke, liegen im unmittelbaren Einflussbereich der benachbarten Gebirge. Ähnliche Merkmale prägen in noch viel stärkerem Maße die größten Senken Ostsiebenbürgens (Burzenland, Ciuc, Giurgeu) sowie kleinere Senken (Cașin u. a.). Siebenbürgen und Westrumänien sind über den Miereschdurchbruch miteinander verbunden; im Unterschied zum Zugang von Nordwesten her, der das Someschhochland überquert, verengt sich das Miereschtal von Diemrich/Deva flussabwärts. Verbindungswege zu umliegenden

86. Höhengliederung Siebenbürgens (nach Atlas von Siebenbürgen).

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Siebenbürgen

Landstrichen sind über Gebirgspässe (Tihuța, Pângărați, Mușat) oder enge Taleinschnitte (Roter-Turm-Pass, Siebenbürgisches Eisernes Tor) schwerer zu überwinden. Von besonderer Bedeutung für die frühe Siedlungsgeschichte Siebenbürgens war auch der Verlauf der Wasserscheiden (Abb. 87). Zusammen mit Abschnitten gewisser Wasserläufe bestimmten sie in großem Maße die 87. Wasserscheiden innerhalb Siebenbürgens: A Somesch-, B Mieresch-, C Alt-Becken. Linien: Begrenzung einzelner Hauptwasserscheiden; –– sekundäre WasserscheiGebiete. Dabei handelt den; ^^^^ wichtige Wasserläufe. es sich nicht nur um die Außengrenzen Siebenbürgens, sondern auch um die innere Gliederung. Vor allem die Wasserscheiden zwischen den drei großen Flussbecken (Somesch, Mieresch, Alt) erklären den Verlauf einiger Begrenzungen.

 

Klimatische Merkmale Temperatur. Die Gebiete bieten, vor allem höhenabhängig, ein unterschiedliches Bild (Abb. 88)308. Zwischen Banat und Kreischgebiet einerseits und Siebenbürgen bzw. Marmatien andererseits bestehen beträchtliche Temperaturunterschiede. Innerhalb Siebenbürgens ist die höchste durchschnittliche Temperatur von über 9°C im Südwesten zu verzeichnen (entlang des Mieresch, bis in die Gegend von Neumarkt/Târgu Mureș, ebenso entlang des Unterlaufes der Großen und Kleinen Kokel sowie im Korridor Kleinkopisch/Copșa Mică–Hermannstadt/Sibiu bis zum Roten-Turm-Pass). In Nordwesten bis gegen das Someschhochland hin beträgt die mittlere Jahrestemperatur 8-9°C. Etwa gleich ist die durchschnittliche Temperatur in Teilen des Someschhochlandes, in der Siebenbürgischen Heide, aber auch im Zekeschhochland und entlang des Mittellaufs der südsiebenbürgischen Flüsse Strell, Alt, Harbach und der beiden Kokeln. In einem letzten Gebiet, 308  Atlas

1979, Karte IV-2.

Durch Gebirge geschützter Naturraum

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das in dem Kontext des Siedlungsraumes wichtig ist, beträgt die mittlere Jahrestemperatur 6-8°C. Dazu gehören der südöstliche Teil Siebenbürgens (einschließlich der Kronstädter, Csíker und Giurgeuer Senke), doch auch Randgebiete der Siebenbürgischen Heide, Teile des Somesch­ hochlandes und tiefer liegende Gebiete der Senke Marmatiens. Die Vegetation und da- 88. Mittlere Jahrestemperatur (nach Atlas 1979). mit auch die menschliche Besiedlung werden stark durch die Dauer des jährlich frostfreien Zeitintervalls geprägt (Abb. 89).309 In den höheren Gebirgsregionen ist die Vegetationsperiode kurz: Sie beträgt nur 120 Tage. In den weniger hohen Berggebieten (einschließlich der ostsiebenbürgischen Senken), aber auch im Harbachhochland und in kleineren, östlichen Abschnitten des Kokel89. Dauer der Vegetationsperiode: Anzahl frostfreier hochlands, dauert der Tage (nach Atlas 1979). Vegetationszyklus etwas länger (weniger als 160 Tage). Im restlichen Siebenbürgischen Becken und dem Someschhochland beträgt die Vegetationsperiode 160-170 Tage und im Miereschtal, von Neumarkt/Târgu Mureș bis Diemrich/Deva, sowie im unteren Teil

309  Atlas

1979, Karte IV-4.

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der Kokeltäler (etwa bis Kleinkopisch) ist der Zyklus mit 170-180 Tagen noch etwas länger. Diese Parameter können als schlüssiger Anhaltspunkt für die Gliederung des hier untersuchten Gebiets gelten. Lässt man die Gebirgsmassive außer Acht, so ist die Karlsburger Gegend auch bezüglich der Dauer der frostfreien Periode begünstigt. Merklich ungünstiger sind die übrigen Teile des Siebenbürgischen Beckens, vor allem das Harbachhochland und die Senken der Ostkarpaten (inklusive Burzenland). Niederschläge. Das Bild der jährlichen Niederschläge deckt sich im Großen und Ganzen mit dem der Temperaturen, weist jedoch auch einige Unterschiede auf (Abb. 90). Niederschlagsarme Gegenden sind der Südwesten der Siebenbürgischen Heide, der westliche Teil des Kokel- und des Zekeschhochlandes, bis oberhalb von Karlsburg, sowie relativ kleine Senken im Osten Siebenbürgens; dort fallen weniger als 600 mm Niederschläge pro Jahr. Etwas mehr Niederschläge gibt es in einem Großteil des Siebenbürgischen Beckens (einschließlich des Harbachhochlandes). Eine größere Niederschlagsmenge, 700-800 mm, kennzeichnet das Someschhochland und den Osten des Kokelhochlands. In den übrigen Gebieten und vor allem im Gebirge überschreitet die Niederschlagsmenge 800 mm pro Jahr. Die reicheren Niederschläge im Nordwesten des untersuchten Gebietes, im Someschhochland, sind ein zusätzliches Merkmal für die Unterschiede zwischen Someschebene und Siebenbürgischer Heide und damit auch für die klare Trennung des Siebenbürgischen Beckens vom Kreischgebiet. Die Oberflächengewässer sind ebenfalls ein bestimmendes Merkmal des geographischen Erscheinungsbildes. Innerhalb Siebenbürgens neigen Niederungen der Siebenbürgischen Heide zur Versumpfung, aber auch Gebiete entlang von Wasserläufen, vor allem an den Ufern einiger Flüsse, etwa des Mie­ 90. Niederschlagsmenge in mm/Jahr (nach Atlas geografic 1965). resch, bis in die Gegend

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von Diemrich/Deva (Abb. 90). Auch das Burzenland zählt zu den Feuchtgebieten einer Frühzeit; nach der Josephinischen Landesaufnahme waren noch im 18. Jahrhundert etwa 40 % von dessen Fläche von Sümpfen und Feuchtwiesen bedeckt (Abb. 91) und ähnlich dürfte es in den Senken der Csík/Ciuc gewesen sein. Klimatische Schwankungen. Im Unterschied zu Höhenlage, Oberflächengestalt und Bodenbeschaffenheit, die sich nur sehr langsam veränderten, war das Klima häufigerem Wandel unterworfen. Solche Schwankungen hatten unmittelbaren Einfluss auf den Siedlungsraum. Für Rumänien ist dieser Themenkomplex relativ wenig erforscht, doch scheinen die Unterschiede zwischen den verschiedenen mittel- und westeuropäischen Räumen nicht besonders groß gewesen zu sein. Deshalb folgen wir den Erkenntnissen von Hubert Horace Lamb.310 Für die zweite Hälfte des ersten Jahrtausends stellt er eine Austrocknung des zentralasiatischen Weidelandes fest, was er als Auslöser für die Abwanderung einiger Völker betrachtet.311 Hingegen war in der Zeitspanne vor dem Jahr 1000 das Klima in England dem heutigen ähnlich, mit leicht im Ansteigen begriffenen Temperaturen. In Mitteleuropa war jedoch eine Abkühlung zu verzeichnen.312 Zwischen den Jahren 1000 und 1241, also bis zum Vorabend des ersten Mongolensturms, war vor allem in Mitteleuropa ein Ansteigen von Temperatur und Feuchtigkeit zu verzeichnen, was wiederum den Baumwuchs förderte, die obere Baumgrenze in den Alpen nach oben hin versetzte, und in Italien zu häufigeren Überschwemmungen führte.313 In der folgenden Zeitspanne kehrte sich dieser Prozess jedoch um: In England sanken Temperatur und Feuchtigkeit, der Baumwuchs verlangsamte sich, und in den Alpen verschob sich die obere Baumgrenze wieder nach unten. Zugleich sanken bis etwa 1320 in einigen Gegenden die Weizenerträge, was zu Teuerungen führte.314 Nach 1348 fielen in England sowohl die Temperaturwerte als auch die Niederschlagsmengen kontinuierlich, der Baumwuchs verlangsamte sich weiterhin und erreichte um 1440 einen Tiefpunkt; zugleich verschob sich in den Alpen die obere Baumgrenze deutlich nach unten.315 Erst um 1510, 1530 war vorübergehend wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Die allgemeine Abkühlung hielt 310  H. H. Lamb, Klima und Kulturgeschichte. Der Einfluss des Wetters auf den Gang der Geschichte.

Klima und Kulturgeschichte, S. 176, 177. Klima und Kulturgeschichte, S. 98, 99, 178. 313  H. H. Lamb, Klima und Kulturgeschichte, S. 98, 99, 156, 157, 178. 314  H. H. Lamb, Klima und Kulturgeschichte, S. 98, 99, 102, 157, 158. 315  H. H. Lamb, Klima und Kulturgeschichte, S. 98, 99, 102, 157, 158. 311  H. H. Lamb, 312  H. H. Lamb,

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91. Entwässerungsgräben im östlichen Burzenland: 1 natürliche Wasserläufe; 2 heutige Sümpfe; 3 Seen und Sümpfe um 1770; 4 Feuchtwiesen um 1770; 5 vor 1770 trockengelegte Gebiete.

hingegen bis gegen Ende des 17. Jahrhunderts an. Ihr Hauptmerkmal ist das Absinken der Temperaturen, in England vor allem nach 1530. Nach einem Tiefstwert um 1660 begannen sie etwas zu steigen, doch war das Jahr 1690 außergewöhnlich kalt. Bis um 1680 ist auch ein starker Rückgang der Niederschläge zu verzeichnen gewesen. Diese Entwicklung beschränkte sich nicht auf bestimmte Gebiete, denn gleichzeitig verschob sich in den Alpen die obere Baumgrenze nach unten und erreichte um 1700 einen Tiefstpunkt. Bis 1640 waren beim Getreide Höchstpreise zu verzeichnen, was sich selbstverständlich im Lebensniveau widerspiegelte. Nachher, bis um das Jahr 1690 sanken jedoch die Preise wieder.316 Da diese Angaben weitgehend der „Kleinen Eiszeit“ in Europa entsprechen, ist es sehr wahrscheinlich, dass diese auch für unser Gebiet gelten. Sie spielten für das gesamte Siedlungswesen eine entscheidende Rolle, zumal sie, wie erwähnt, das Preisgefälle bestimmten. Dieses hatte dann Auswirkungen auf die Verteilung der Bevölkerung und die daran gebundenen Migrationen – etwa aus kälteren Gebieten ins Weinland.

Böden Das Wesen der verschiedenen Gebiete des mittelalterlichen Siedlungsraums ist nur unter Berücksichtigung der Bodenarten (Abb. 92)317 entsprechend nachzuvollziehen. Klima und Kulturgeschichte, S. 92, 98, 99, 102, 157, 158. 1979, Karte VI-1 (stark vereinfacht).

316  H. H. Lamb, 317  Atlas

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– Schwarzerdeböden sind unter trockenem Grasland entstanden, weswegen sie als Hinweis für ein potentielles Fehlen hochwüchsiger Vegetation gelten können, d. h. für unbewaldete Gebiete. Dementsprechend bilden solche Böden einen wichtigen Anhaltspunkt zur Bestimmung des natürlichen Pflanzenwuchses bestimmter Regionen. Nach Kurt Horedt boten trockenere, weniger bewaldete Gebiete in den frühen Besiedlungszeiten, mit spärlicher Bevölkerung, eine Reihe von Vorteilen. In Siebenbürgen beispielsweise kommen Schwarzerdeböden vor allem in den verhältnismäßig warmen und trockenen Gegenden der Siebenbürgischen Heide vor. In geringerem Maße finden sie sich in dem warmen Gebiet um Karlsburg, bis gegen Diemrich und Hermannstadt hin, sowie in dem niederschlagsarmen Gebiet zwischen Kronstadt und den Drei Stühlen. – Bei feuchtem Klima beziehungsweise unter feuchten Wiesen entstanden Gley- und Pseudogleyböden sowie Pseudorendzine/Pararendzine. Solche gibt es in geringerem Maße im Harbachhochland, in dem Kokelhochland und dem Zeckeschhochland. – Schließlich entstanden Braunerden unter hochwüchsigem Waldbestand. Diese Böden sind in fast ganz Siebenbürgen vorherrschend. Neben den wenigen bis heute durchgeführten Pollenanalysen bilden die Bodenmerkmale einen wichtigen Anhaltspunkt zum Veranschaulichen des mittelalterlichen Charakters der einzelnen Gebiete in seinen verschiedenen Entwicklungsetappen.

92. Verbreitung verschiedener Bodenarten (Atlas, 1979):  Schwarzerde  Gleyböden  Pararendzine  Braunerde­

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Vegetation Natürliche Vegetation. Eine Karte der natürlichen Pflanzenwelt der verschiedenen Gebiete Rumäniens wurde 1979 im damals erschienenen Atlas veröffentlicht318 (Abb. 93). Sie berücksichtigt die Bodentypen bzw. die Art der Vegetation, unter der diese Böden entstanden sind, zugleich auch die klimatischen Merkmale der betreffenden Gebiete. Zunächst: In Siebenbürgen und Westrumänien fehlen Steppen gänzlich. Auch Waldsteppengebiete (die durch einen Wechsel von Wald und waldfreien Arealen gekennzeichnet sind) können wir im Fall Siebenbürgens nicht als großflächig bezeichnen. Zur Diskussion steht diesbezüglich ein Großteil der Siebenbürgischen Heide und das Miereschtal bis in die Gegend von Karlsburg: hier finden sich überall Schwarzerdeböden, d. h. Böden, die unter trockenem Grasland, bei verhältnismäßig trockenem und warmem Klima entstanden sind: einige Facharbeiten rechnen dieses Gebiet ebenfalls der Waldsteppe zu, wobei sich dessen genaue Ausdehnung jedoch von Autor zu Autor unterscheidet. Auch wenn die Einteilung in streng definierte Kategorien eine Zuordnung zur Waldsteppe nicht unbedingt rechtfertigt, weist die Siebenbürgische Heide dennoch eine Reihe von Merkmalen auf, die für Waldsteppengebiete typisch sind. Das veranlasst uns, auch für die Siebenbürgische Heide eine gewisse Tendenz zum Fehlen zusammenhängender Wälder vorauszusetzen (Abb. 94); tatsächlich ist in den betreffenden Gegenden die Bewaldung auch heute ausgesprochen spärlich, fast abwesend (Abb. 145). Die weitaus größten Flächen Siebenbürgens sind natürliche Waldgebiete, doch gab es darin auch Lichtungen verschiedener Größe. Der Waldbestand und die Art der Wälder war zunächst von der Höhenlage und mithin von den klimatischen Bedingungen abhängig. Gleichzeitig spielte die Bevölkerungsdichte und deren langfristige Veränderungen eine entscheidende Rolle. Mit steigender Bewohnerzahl waren für die intensive landwirtschaftliche Nutzung zusätzliche Flächen notwendig. Sank die Bevölkerung, so breitete sich der Wald wieder aus. Je nach dem Preis des Holzes wendete man beim Roden neuer Nutzflächen entweder Brandrodung 93. Natürliche Vegetation (nach Atlas 1979). oder Schlagrodung an; manchmal 318  Atlas

1979, Karte VI-2, verso.

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94. Potentielle Waldsteppe in Siebenbürgen (nach verschiedenen Autoren, zusammengefasst von K. Niedermaier, Zur Problematik, S. 245, 251, 252, 256).

wurden auch das Wurzelwerk und die Baumstubben entfernt. Der Wiederbewaldungsprozess, der ziemlich träge verlief, ist ebenfalls bekannt: Im Falle verlassener Dörfer wurden deren Fluren zunächst verpachtet und weiterhin als Weideland genutzt. Nachdem sich Wildschweine und Wölfe vermehrten, gab man auch die Beweidung auf, und das Land wurde erst von Buschwerk besiedelt, bis es nach einigen Jahrzehnten wieder mit Hochwäldern bedeckt war319. Diese Veränderungen verliefen automatisch. Es gab aber Spielformen dieses Ablaufes, je nach lokalen Besonderheiten, vor allem klimatischer und entwässerungsspezifischer Natur. Aus dem oben Gesagten geht zunächst auch im Fall Siebenbürgens der Zusammenhang zwischen Vegetation und hypsometrischen beziehungsweise klimatischen Merkmalen der Gebiete hervor, wofür die Ver319  W.

Abel, Geschichte, S. 115-121.

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teilung der Wälder im 18. Jahrhundert sprechend ist. Auch relativ kleine Unterschiede in Temperatur und Niederschlägen zwischen den westlichen und den östlichen Regionen Siebenbürgens widerspiegeln sich im Waldbestand. Die Karpaten sind zusammenhängend bewachsen, aber in vegetationsfreundlichen Gebieten sind spezifische Unterschiede von Ort zu Ort festzustellen. Auf der Karte des Waldbestandes (Abb. 95) ist der Unterschied zwischen dem Siebenbürgischen Becken und der Theißebene klar zu erkennen: Das bis heute reich bewaldete Someschhochland hebt diesen Unterschied hervor. Ebenfalls reiche Waldbestände befinden sich im östlichen Teil des Kokelhochlandes sowie im Harbachhochland – einem Piedmont-Gebiet. Dieser ziemlich hohe Prozentsatz an Waldflächen weist auf weniger günstige Siedlungsbedingungen hin. In Abhängigkeit von der wachsenden Bevölkerungsdichte können wir allgemein auf einen bedeutenden Rückgang der Waldungen schließen.320 In einer früheren Zeit des Landesausbaus waren die Veränderungen besonders groß. Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts stellen dieses unter Beweis: Die kompakten Wälder zwischen Marmatien und Siebenbürgen reichten bis zum Großen Somesch321; dort gab es z. B. im 14. Jahrhundert urkundlich bezeugte Bedingungen für die Gründung eines neuen Dor­ fes zwischen Frauenbach (Baia Mare) und Mittelberg (Baia Sprie): Tăuții de Sus. In einer Frühzeit, in Gebieten mit wenigen Siedlungen, deren Zahl jedoch allmählich anwuchs, war immer mehr Kulturland nötig. So wurden große Wälder schrittweise abgeholzt. Vor allem entlang von breiteren Tälern schoben sich waldfreie Flächen immer weiter in die Wälder vor und lösten diese allmählich in einzelne kleinere Waldflächen auf, zwischen denen sich nun Kulturland befand. Später, als die Bevölkerung kaum noch wuchs, wurde weniger abgeholzt. Ein Vergleich zwischen dem heutigen Waldbewuchs und der Bewaldung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (wie sie die Josephinische Landesaufnahme verzeichnet), zeigt im Allgemeinen eine bemerkenswerte Übereinstimmung.322 Es gab jedoch auch andere Faktoren, welche die Veränderung der Bewaldung bedingten. Dazu gehörten zunächst die wirtschaftlichen Faktoren. Kennzeichnend ist der Rückgang der Waldflächen in den Gebieten mit intensiver Schafzucht: in der Törzburger „Mocănime“ und in der 1979, Karte XI-1. Niedermaier, Städte, Dörfer, Baudenkmäler, S. 377. 322  Aufschlussreich sind hierzu Karten, die von Frau M. Vlad vom Forschungsinstitut für Geisteswissenschaften Hermannstadt zusammengestellt wurden. 320  Atlas 321  P.

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95. Heutiger Waldbestand Siebenbürgens (Google Earth, Image Landsat/Copernicus).

Hermannstädter „Mărginime“, wo es bis zur Hatzeger Senke relativ große Bergweiden gab. Erwähnenswert ist auch die Rückwirkung des Bergbaus auf die Bewaldung: Auf der Ostseite der Siebenbürgischen Westgebirge, im Erzgebirge, wo bedeutende Mengen Holz für den Bergbau benötigt wurden, verringerten sich die Waldflächen – vor allem in höheren Lagen, ebenso in den Bergrevieren von Neustadt (Frauenbach)/Baia Mare und Lăpuș. Auch soziale Gründe dürften zu einem gewissen Rückgang von Wäldern in grundherrlichen Gebieten der Komitate geführt haben: Geriet ein Adliger in Geldnot, so war der Holzverkauf für ihn eine naheliegende Lösung. In siedlungsgeschichtlichem Kontext sind die Auswirkungen von strategischen Erwägungen vom Anfang des zweiten Jahrtausends von überragender Bedeutung. Damals wurden an verschiedenen Orten Siebenbürgens Verhaue angelegt, die nach Möglichkeit mit Waldgürteln verbunden waren und dann als Bannwälder galten. Reste solcher Gürtel sind bis heute erhalten. So ist auf alten Karten bei Kelling, an der Grenze

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96. Waldstreifen im Zekeschgebiet (nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus). Wehrbusch beim Thor; Thorstadt/Doștat: Dirstet (sächs.); Presacă: rumän. für Verhau.

zwischen dem Mühlbacher und Reußmarkter Stuhl, der Name „Wehrbusch beim Tor“323 belegt. Reste dieses relativ schmalen Waldgürtels ziehen sich vom Mühlbacher Gebirge bis in die Nähe des Zekesch-Baches hin und nach einer Unterbrechung weiter bis Presaca (Abb. 96). Waldstreifen dieser Art, die mit Orts- oder Flurnamen gepaart sind, könnten sehr wohl auf Verteidigungsanlagen und Wachposten hinweisen, etwa „Verhau“, „prisacă“, „gyepű“; „Burg“, „cetate“, „vár“ bzw. „földvár“; „Warte“, „strajă“, „őr“, „lesses“). Solche Waldflächen wurden dann, wenn überhaupt, nur spät abgeholzt. In Deutsch-Weißkirch hat sich beispielsweise der Name „verbotener Busch“ bis heute erhalten:324 dort durfte kein Holz geschlagen werden. Besonders auffallend ist der Waldstreifen nördlich des Alt-Flusses: er fällt mit einer Wehrlinie zusammen, die bei Halmagen und Galt urkundlich belegt ist. 323  Z.-K. Pinter, C. Urduzia, … custodes confiniorum, vulgo ewrii …, S. 15f. Im Siebenbürgisch-Sächsischen ist „Busch“ das gebräuchliche Wort für Wald. 324  Weißkirch. Ein siebenbürgisches Dorf im Griff der Zeit, S. 71, 77.

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Auf den Luftaufnahmen von Google Earth sind Waldstreifen besonders deutlich zu sehen, so z. B. zwei Waldstreifen westlich von Oderhellen (Abb. 97), die zwischen Mujna/ Mătișeni und Telek/Teleag die Gemarkungen 97. Waldstreifen bei Oderhellen (nach Google Earth, Image mehrerer Siedlungen Landsat/Copernicus). durchziehen, ein zweiter nördlich davon. Es gibt aber auch Waldflächen, deren einstige Rolle heute nicht mehr erklärt werden kann – etwa solche neben Schönberg, in Richtung Agnetheln, wo Kurt Horedt auf den Flurnamen „Lesses“ hinwies – also auf einen Wachposten,325 möglicherweise vor einer Verhaulinie aus vorsächsischer Zeit. Waldstreifen müssen aber nicht unbedingt auf Verhaue hinweisen. Sie sind vermutlich auch an Grenzen zwischen einzelnen Gebieten oder Nutzungsflächen erhalten geblieben und als solche gepflegt worden. Interessant sind in dieser Beziehung die Waldstreifen zwischen einzelnen sächsischen Stühlen. Wurde ein Gebiet intensiv genutzt, also künstlich von Bewuchs freigehalten, so haben sich Hecken trotzdem durch Jahrhunderte erhalten.

98. Hecken rund um Deutsch-Weißkirch (Archiv Siebenbürgen-Institut Gundelsheim). 325  K.

Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 161.

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In Deutsch-Weißkirch (Viscri) gibt es neben den Resten der Hecke, die einst das Dorf samt Krautgärten umzog, auch Hecken, die verschieden bewirtschaftete Flächen begrenzten (Abb. 98); heute kennt niemand mehr die Funktion mancher Hecken. Dabei zeigt ein Versuch, dass eine solche Hecke kaum zu durchdringen ist; mit entsprechendem Werkzeug dauert es tagelang. Abschließend soll erwähnt werden, dass es eine frappierende Übereinstimmung zwischen verschiedenen klimatischen Elementen gibt, aber auch zwischen diesen und der Verteilung von archäologischen Fundorten sowie früh urkundlich belegten Orten.

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W E C H S E L N D E  M A C H T P O T E N T I A L E Allgemeiner Rahmen Es gab gravierende Unterschiede zwischen friedfertigen Völkerschaften, die vor allem Schafe züchteten oder Ackerbau betrieben, und andern, weniger friedfertigen Völkerschaften, die vor allem Pferde züchteten. Letztere sind in erzählenden Quellen häufiger erwähnt – etwa die Magyaren mit ihren Raubzügen nach Mittel- und Westeuropa. In dem Maß, in dem es sich um Nomaden handelte, sind auch archäologische Zeugnisse etwas seltener – etwa im Fall der Nomaden Bessarabiens. Im Kontext des Zusammenlebens und der Migrationen verschiedener Bevölkerungsgruppen ist auch das Verhältnis zwischen diesen Bevölkerungsgruppen zu erwähnen. So lebten Kelten vor allem im Bereich der Donau, doch wanderten sie in bedeutendem Maße auch nordwärts. Untersuchungen des Erbgutes der Wlachen im Gebiet der Tatra-Gebirge zeigen z. B. einen erheblichen Anteil keltischer DNA, ohne dass deren Präsenz in den weiten Ebenen nördlich der Donau schriftlich erwähnt ist. Tatbestände dieser Art waren weit verbreitet. So wurden z. B. Slawen, Petschenegen, Kumanen, Chasaren und Oghusen von der rumänischen Bevölkerung assimiliert, Szekler, Tschangos und Chabaren von den Magyaren. Bei Assimilationsvorgängen hatte das numerische Verhältnis zwischen der Zugehörigkeit von Bevölkerungsgruppen – etwa in siebenbürgischen Städten – Bedeutung, wobei jedoch auch die Machtpotentiale mit hineinspielten. Im Sinne unterschiedlicher Kräfte waren im Mittelalter Reiter gegenüber einer friedfertigen Bevölkerung im Vorteil. Sie konnten sich in unserem Raum zu „Großmächten“ entwickeln und auf diese beziehen sich verständlicherweise die meisten schriftlichen Vermerke. Dabei vollzogen sich die Besiedlungsabläufe im Kontext eines gewissen Kräfteverhältnisses zwischen den Großmächten des Raumes. Dieses beeinflusste die politischen Rahmenbedingungen vor und nach dem Jahr 1000 und die Entwicklung der Siedlungslandschaft. Die Beziehungen zwischen diesen Großmächten bestimmten dementsprechend auch das Leben der Bevölkerung auf dem Gebiet Siebenbürgens, wobei die Verwertung der

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hiesigen Bodenschätze – vor allem des Salzes – eine ausschlaggebende Rolle spielte. Im Wesentlichen handelte es sich nach der Völkerwanderungszeit im Süden um die Macht von Byzanz sowie des Ersten und Zweiten Bulgarischen Reiches (679-1018 bzw. 1186-1393), wobei auch die Wlachen des Balkans impliziert waren. Von Westen her wurde unser Raum von Ostfranken und Großmähren beeinflusst und später besetzten ihn von Norden her die Ungarn mit deren Hilfsvölkern. Im Osten spielten die Petschenegen eine überragende Rolle, die zunächst die Ungaren aus ihrem angestammten Wohnsitz, Etelköz, verdrängt hatten, dann Raubzüge auch nach Siebenbürgen machten  – dieses teilweise auch im Übereinkommen mit dem Byzantinischen Reich. Aus dem Osten und Süden wirkten später die Kumanen auf unseren Raum ein, die sich in der Moldau und dann in der Großen Walachei breit gemacht hatten, doch wurden diese ihrerseits vom Deutschen Ritterorden und den Mongolen besiegt. Schließlich spielte aus dem Nordosten auch die Kiewer Rus eine Rolle, vor allem im Kontext von Slawen und durchziehenden anderen Völker wie Chasaren, Petschenegen und Kumanen. Nach den vielfältigen Assimilationsprozessen kann dabei nicht von den gegenwärtigen Bevölkerungsverhältnissen ausgegangen werden. Zum Verständnis des allgemeinen Rahmens gehört auch die weiter zurückliegende Vergangenheit. Der Archäologe Kurt Horedt stellte die Entwicklungsphasen vor Ort anhand von drei wichtigen Grabtypen dar,326 die er den jeweils dominanten Volksgruppen zuordnete. Für die Zeit nach dem Entstehen der spätrömischen Nekropolen spricht er von einer – germanischen Zeit, die er in vier Perioden gliedert; sie dauerte bis in die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts, dann von einer – slawischen Zeit, die er wiederum in vier Perioden teilte: zunächst jene der Verbreitung von Siedlungen der Mediasch-Gruppe (600-900) und einer westslawischen Nușfalău-Gruppe (750-800); dieser folgt eine ebenfalls westslawisch/mährische Ciumbrud-Gruppe (850-950) und eine südslawische Blandiana-Gruppe (850-1000); und schließlich spricht Horedt von einer – ungarischen Zeit, die schon im 10. Jahrhundert mit altmagyarischen Ghimbaș-Gräbern beginnt (900-1000), sich in der Bijelo-Brdo-Kultur des 10./11. Jahrhunderts fortsetzt und ihren Herrschaftsbereich im 11. Jahrhundert ausweitet.327 326  K.

Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 7-58, 59-110, 111-169. erinnern hier an die Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg von 955.

327  Wir

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Gewiss ist auch für die Geschichte des frühen Mittelalters die Gliederung in unterschiedliche geographische Räume von Bedeutung gewesen,328 doch kam es nur allmählich zu einer territorialen Gliederung. Völkerwanderungszeit. Für das 4.-7. Jahrhundert beschränken sich unsere siedlungsgeschichtlichen Kenntnisse auf das sukzessive Überwiegen verschiedener Bevölkerungsgruppen in bestimmten Gebieten, so jene von Römern, Goten, Hunnen bzw. romanisierten Dakern.329 Einzelne Völkerschaften drückten nacheinander der materiellen Kultur einzelner Gegenden ihren Stempel auf – etwa germanische Stämme, Awaren und andere. Für Krisenzeiten weiß man auch vom Rückzug mancher Stämme in unwegsame Gebiete, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass Teile von diesen auch später dort verblieben. Archäologische Funde des 5.-7. Jahrhunderts häufen sich in Siebenbürgen vor allem rund um die Siebenbürgische Heide, in einem relativ siedlungsfreundlichen Raum, der sich als Weide für Großvieh besonders eignete.330 Dagegen war die Heide selbst wohl zu schütter bewaldet, denn dort mangelte es an Brennholz und frischem Wasser; andererseits war der östliche Raum Südsiebenbürgens klimatisch ungünstiger und zu waldreich.331 Es handelte sich jedoch nicht um das vollständige Fehlen archäologischer Zeugnisse. So sei hier an den Münzschatz von Firtănușu/Firtosch im späteren Szeklerland erinnert, der aus der Zeit nach 565 stammt und spätgermanischen, gepidischen oder kurtigurischen Ursprungs ist.332 Eine bedeutende Rolle spielten schon damals gewisse Wege innerhalb des Raumes. Vor allem für die Hunnen war das Tal des Großen Somesch – als Bindeglied zwischen ihrem Zentrum in der Moldau und der Theißebene – sehr wichtig.333 Dies beweist auch die Rolle, die der Nordverbindung zwischen dem Kreischgebiet und Siebenbürgen schon im 5. Jahrhundert zukam, eine Tatsache, die später vor allem für die Verfrachtung des Salzes aus der Gegend von Deesch ausschlaggebend werden sollte. Es kam ihr eine ähnliche Bedeutung zu wie dem Miereschtal als Südzugang zu

Niedermaier, Der mittelalterliche Städtebau, S. 20. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 174. 330  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 178. 331  R. Harhoiu, Quellenlage, S. 98; K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, Abb. 16, 24; Kurze Geschichte Siebenbürgens, Karte 4. Wir lassen die Abb. 2 von G. Rustoiu, Habitatul, außer Acht, die ein einseitiges Bild der geographischen Verteilung der Siedlungen im Nordosten Siebenbürgens bietet und die geographischen Bezeichnungen willkürlich angibt. 332  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 182. 333  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 22, 179. 328  P.

329  K.

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andern Salzlagerstätten Siebenbürgens, welche die Germanen und dann die Awaren nutzten334. Mit dem Vorherrschen der Slawen änderte sich die allgemeine Lage im 7.-9. Jahrhundert; K. Horedt spricht von einer völligen Slawisierung Siebenbürgens seit dem 7. Jahrhundert335 und, als „wichtigstes Ereignis im 9. Jahrhundert“ vom Ausgreifen der Bulgaren nördlich der Donau, wobei „die bulgarische Einflussspäre nicht an der Grenze Siebenbürgens aufhörte, sondern zumindest auch die Salzgruben im Westen Siebenbürgens und die Goldvorkommen der Westkarpaten einschloss“.336 Es gab nicht nur eine Gliederung in west- und südslawische Gebiete, sondern es wurde auch das Machtpotential der Großmächte jener Zeit deutlich: „Das fränkische Reich gelangte im 9. Jahrhundert bis an die mittlere Donau und errichtete die Ostmark, die slawische Fürstentümer einschloss. Die Bulgaren drangen in der Donau- und in der Theißtiefebene bis an die […] Waldkarpaten vor.“ Dabei einte „der Machtanspruch des Großmährischen Reiches jenen der […] andern Staaten [wie der Kiewer Rus im 9./10. Jahrhundert] in der Abwehr des gemeinsamen Gegners“.337 Nach den Auseinandersetzungen zwischen Bulgaren und Arnulf von Kärnten, als Folge derer die Friedensbedingungen von 892 dem Bulgarenreich die Salzausfuhr nach Mähren untersagten, sah sich Großmähren wohl gezwungen, im Norden Siebenbürgens einen unmittelbaren Zugang zu den dortigen Salzvorkommen auszubauen. Dafür spricht die einstige Herrschaft eines gewissen Morut (dessen Name sich im Altungarischen aus der Bezeichnung für die Mährer ableiten lässt)338 sowie die seines Enkels, Menumorut. Für den Anfang des 10. Jahrhunderts dürfte jedoch die Aussage des Anonymus Bedeutung haben, der von dem „bulgarischen Herzen“ Menumoruts schreibt, was eine politisch nicht ganz eindeutige Stellung des Gebietes anzudeuten scheint.339 Der Prozess war komplex. Infolge der Erweiterung des Großmährischen Reiches in der Pannonischen Tiefebene, die durch archäologische Funde aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts deutlich wird,340 zogen sich zunächst die Überreste der Awaren in die Waldsteppengebiete am Unterlauf der Theiß zurück, wurden jedoch um das Jahr 810 durch den bulgarischen Khan besiegt, der sie unter seine Herrschaft brachte. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 184. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 174, s. auch S. 185. 336  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 185. 337  V. Spinei, Marile Migrații, S. 54-61; K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 183. 338  Istoria Românilor, III, S. 144. 339  Kurze Geschichte Siebenbürgens, S. 105, 106. 340  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 78. 334  K. 335  K.

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Das Zentrum des hiesigen Großmährischen Bereiches befand sich in Bihar/Biharea, in einer Region mit ausgesprochen zahlreichen archäologischen Funden aus dem 10./11. Jahrhundert (Abb. 67) und auch mit vielen frühen urkundlichen Belegen von Ortschaften (Abb. 68).341 Die am weitesten nach Norden vorgeschobenen Siedlungen befanden sich jenseits von Sathmar (einer Burg, die im Zusammenhang mit deren Eroberung durch die Ungarn erwähnt wird). Im Süden dehnte sich das Gebiet etwa bis in die Gegend der Weißen Kreisch aus, bis zur Nordgrenze des von Glad beherrschten Territoriums; es sind jedoch westslawische Einflüsse sogar östlich beziehungsweise südlich des Mieresch-Mittellaufes, bei Tărtăria, Broos und Ciumbrud auszumachen.342 Wichtig ist die östliche Grenzlinie der mährisch dominierten Region gegen Nordsiebenbürgen hin. Wie erwähnt gab es Ende des 9. Jahrhunderts die Mesescher Pforte343 und Moigrad und Ortelec bei Zalău gehörten zum Land des Menumorut, ebenso die chasarischen Gebiete des Kalotaer Stuhles (einer hydrographisch zum Kreischgebiet gehörigen Region)344, die bis auf 25 km westlich von Klausenburg in die geschlossene Fläche Siebenbürgens hineinragte. Östlich der Mesescher Pforte scheinen Chasaren von den Mährern für die Absicherung des Deescher Gebietes verwendet worden zu sein. Der Südteil des Kreischgebietes geriet in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts unter den Einfluss des Bulgarenreichs, wobei dortige archäologische Funde südslawischen Typs aus der Zeit nach 830 stammen, d. h. aus einer Zeit, nachdem hier und bis zur oberen Theiß Bulgaren angesiedelt worden waren.345 Zu den Siedlern gehörten auch Kumanen,346 die später den bulgarischen Herrscher Simeon in seinen Auseinandersetzungen mit den Ungarn unterstützten.347 Rumänen (Walachen, Wlachen) spielten in das Kräfteverhältnis mit hinein – vor allem innerhalb des Bulgarischen Zarats. Nach K. Horedt „besaßen sie noch unmittelbaren Kontakt zu den Dakoslawen, die im 10. Jahrhundert und spätestens vor der Mitte des 12. Jahrhunderts assimiliert wurden. […] Deswegen ist mit der Überlieferung bei Anonymus bezüglich der Anwesenheit der Rumänen im 10. Jahrhundert zu rechnen.348 Dort kennt er 341  L.

Borcea, Bihorul medieval.

342  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 185. Istoria Românilor, III, S. 140, 144, 145.

Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 156, 158. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 198-201. 345  I. Crișan, Așezările rurale, S. 32. 346  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 59, 183. 347  Istoria Românilor, III, S. 145. 348  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 172, 175. 343  T. 344  T.

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[Anonymus] zu Beginn des 10. Jahrhunderts auch einen ‚Dux Blacorum et Schavorum‘.“349 Im zweiten Viertel des 10. Jahrhunderts, nach Simeons Tod (927), kam es wahrscheinlich im Jahr 934, zu einer Zeit, als das Bulgarenreich stark an Macht über die Gebiete nördlich der Donau verlor und im Süden Johannes Tzimiskas 968 und 971 Feldzüge gegen die Bulgaren machte, auch zu ungarischen Feldzügen gegen Glad.350 Nach frühesten urkundlichen Belegen (Abb. 68) sowie der Verteilung der archäologischen Funde aus dem 10./11. Jahrhundert (Abb. 67) befand sich das Kerngebiet der bewohnten Regionen am Unterlauf des Mieresch, wo die beiden Flussufer ein einheitlich zusammenhängendes Territorium bildeten, das den Zugang zu den siebenbürgischen Salzvorkommen ermöglichte und absicherte – es handelt sich um die Gegend von Tschanad/ Cenad und Arad. Da jedoch der Zugang zu dem siebenbürgischen Salz entscheidend war, wurde auch der östliche Teil des Karpatenbeckens „in das politische Spannungsfeld des [Raumes] einbezogen“.351 Vordringen der Magyaren. Die Mährer gaben den Ungarn 896 die Einwilligung, sich in der Theißebene niederzulassen. Elf Jahre später, 907, schlugen die Ungarn jedoch die Mährer in vernichtender Art, was zu entscheidenden Veränderungen in der Kräftegewichtung des Raumes führte: Nicht nur der großmährische Einfluss in dem Gebiet wurde beseitigt, sondern es wurden in der Folge auch Feldzüge gegen Glad unternommen,352 welche die Eingliederung von dessen Gebieten in die von Magyaren beherrschten Territorien zur Folge hatten.353 Wohl nach dem Jahr 955, als die Einfälle der Ungarn in Mitteleuropa mit der Schlacht auf dem Lechfeld beendet wurden, richtete sich ihr Interesse verstärkt auf Siebenbürgen, wo sie wohl Auseinandersetzungen, aber keine ähnliche Niederlage zu erwarten hatten. Dabei spielten ihre Hilfsvölker, vor allem Szekler und Chabaren354 eine entscheidende Rolle. Sie hatten sich seit dem frühen 10. Jahrhundert den Ungarn angeschlossen und wurden von diesen als Stoßtrupp und dann als Grenzwächter Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 175. Românilor, III, S. 150, 151. 351  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 185. 352  Istoria Românilor, III, S. 150, 151. 353  I. Crișan, Rețeaua așezărilor, S. 34; T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 69. 354  Bei den Chabaren handelt es sich um drei Stämme der Chasaren; diese müssen wohl von andern Chasarenstämmen unterschieden werden, die sich erst etwas später den Ungaren angeschlossen haben, jedoch – im Unterschied zu den Chabaren – für die Toponymie Siebenbürgens von Bedeutung wurden. 349  K.

350  Istoria

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eingesetzt. Andere Hilfsvölker der Ungarn kamen hinzu – vor allem Oghusen. In der Folge brauchte die ständig wachsende nomadische magyarische Bevölkerung der Pannonischen Tiefebene allmählich mehr Weideland und zugleich entwickelten sich auch zugehörige Siedlungszentren – vor allem auf älteren Brennpunkten des Siedlungsraumes: Sathmar/Satu Mare sicherte das Someschtal ab, Sălacea den Zugang zur Mesescher Pforte und weiter in Richtung Doboka und Deesch; Bihar und Großwardein mit dem Kalotaer Gebiet sicherten den Raum in Richtung Klausenburg ab. Südlich davon hatten schon in bulgarischer Zeit die Zentren am Mie­ resch eine bedeutende Rolle gespielt – „urbs Morisena“ und Glogowatz/ Vladimirescu bei Arad, dieses gerade im Kontext des Salztransportes. Morisena entstand an der Stelle eines vormaligen römischen Militärlagers. Dieses Zentrum wurde auch mit dem örtlichen Herrscher Ahtum in Verbindung gebracht, der 1030 von Csanád besiegt wurde, einem Heerführer Stephans I. Nach diesem Sieg wurde die Stadt in Tschanad umbenannt, und dabei kam ihr auch weiterhin Bedeutung zu. Anscheinend kam auch ein neues Zentrum hinzu. Um die Mitte des 10. Jahrhunderts war der ältere Gyula die bedeutendste Herrscherpersönlichkeit in der östlichen Hälfte der Pannonischen Tiefebene. Vermutlich ließ sich dieser in der Gegend des Ortes Gyula nieder355 – etwa auf halber Strecke zwischen Großwardein und Arad. In dem Gebiet konzentrieren sich auch frühe archäologische Funde und viele etwas jüngere urkundliche Belege von Ortschaften. Auch in diesem Fall ist die strategische Bedeutung des Ortes nicht zu unterschätzen. Das Becken der Weißen Kreisch reicht nicht nur jenseits der allgemeinen geschlossenen Begrenzung von Siebenbürgen in dessen Gebiet hinein, sondern das Tal bildete auch einen Zugang zu Goldvorkommen der Siebenbürgischen Westgebirge – in Richtung Tannenhof/Brad. Zusätzlich konnte man durch dieses Tal die Salzbeförderungsroute auf dem Mieresch erreichen, und zwar in Diemrich, also oberhalb des Miereschdurchbruchs. Nicht unerwähnt sei, dass der ältere Gyula enge Beziehungen zur eingesessenen Bevölkerung hatte356 – vielleicht auch wegen ehelichen Verbindungen mit den petschenegischen Herrscherfamilien in Ost- oder Südsiebenbürgen; auch seine Töchter trugen Namen turksprachiger Herkunft357; Gyula selbst ließ sich um das Jahr 950 in Konstantinopel taufen. Außer dem Alt mit seinem sehr engen Roten-Turm-Pass und dem Bistratal mit dem Siebenbürgischen Eisernen-Tor-Pass fließen die beiden Kristó, Ardealul timpuriu, S. 99-101. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 102, 104. 357  Istoria României, S. 154. 355  G. 356  G.

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99. Siebenbürgische Flussauen in einer Höhenlage zwischen 150 und 300 m.

wichtigen Flüsse Siebenbürgens nach Westen – sowohl der Mieresch, als auch der Somesch –, beide mit großen Einzugsgebieten (Abb. 99). Die Gebirgszüge gegen die Walachei, die Moldau und Marmatien waren höher und schwerer zu überwinden. Dieses dürfte erklären, warum die starken Kräfte von jenseits der Ost- und Südkarpaten, vor allem Petschenegen und Kumanen, später auch Mongolen und Oghusen bzw. andere Steppenbewohner nur zeitweise auf das Geschehen in Siebenbürgen einwirkten.

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Entlang dieser westwärts ausgerichteten Täler, aber auch über die etwas niedrigeren Hochflächen und Gebirgsübergänge, vor allem über das Somescher Hochland gab es leichter gangbare Verbindungen zur Pannonischen Tiefebene. Dort spielten sich eine Reihe von militärischen und politischen Ereignissen ab, die sich ganz unmittelbar auf Siebenbürgen auswirkten, dessen frühe Entwicklungen nicht ohne jene der Theißebene verstanden werden können. Trotz Menumoruts Widerstand358 wurden die für Viehzüchter geeigneten Waldsteppengebiete früh von Magyaren besetzt.359 Dann gab es über das Silvaner Bergland hinweg auch einen Migrationsprozess in die nordwestlichen Regionen Siebenbürgens, in die „Terra Ultrasilvana“. Etwas anders war die Sachlage im Süden Siebenbürgens, in einem Gebiet, das vor allem durch das enge Miereschtal mit der Theißebene verbunden war.360 Laut ungarischen Forschungsergebnissen sollen sich in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts in den weitläufigen Auen der siebenbürgischen Flüsse (Abb. 99) Fernweiden der Ungarn befunden haben. Ob der bulgarische Einfluss innerhalb des Gebietes jedoch so gering war und die von der ansässigen rumänischen, slawischen und petschenegischen Bevölkerung waldfrei gehaltenen Flächen groß genug waren, um ständige Auseinandersetzungen zu vermeiden, muss hinterfragt werden. Gab es im Karpatenbecken zunächst ein Spannungsfeld zwischen Süd- und Westslawen, danach ein solches zwischen Magyaren und Südslawen, so rückten schließlich die Spannungen zwischen Magyaren und der ansässigen Bevölkerung in den Vordergrund.

Gebiete Siebenbürgens Wie gezeigt, gab es in Siebenbürgen gewisse Höhenunterschiede von West nach Ost. Diesem entsprachen klimatische Unterschiede: der Westteil Siebenbürgens war etwas wärmer und trockener, der Ostteil kälter und bis zum westlichen Gebirgszug der Ostkarpaten auch feuchter. Entsprechend diesen Naturgegebenheiten war in einer frühen Zeit im Allgemeinen die Besiedlung im Westteil Siebenbürgens dichter, im Ostteil schütterer. Sowohl die Dichte von archäologischen Funden (Abb. 100) als auch jene von urkundlichen Belegen der Orte (Abb. 101) sprechen dafür. In diesem allgemeinen Rahmen müssen die siedlungsgeschichtlichen Veränderungen gesehen werden. Zu solchen Tatsachen kamen weitere Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 60. Crișan, Așezări rurale. 360  Vergleiche auch I. M. Țiplic, Organizarea defensivă, S. 64. 358  T. 359  I.

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Unterschiede zwischen den Gebieten hinzu. Entsprechend der Existenz von zwei Verbindungen zwischen der Pannonischen Tiefebene und Siebenbürgen – der Nord- und der Südverbindung – war von Anbeginn auch eine Zweiteilung des Beckens im Karpatenbogen gegeben. 100. Archäologische Funde des 10./11. Jh. (nach M. Rusu). Der Nordzugang hing ursprünglich weitgehend mit der Salzförderung zusammen, doch haben die Chasaren des Gebietes gewiss auch Viehzucht betrieben. Im Fall des Südzuganges durch den Miereschdurchbruch kamen andere Elemente hinzu. Außer der besonderen Bedeutung des Salztransportes auf dem 101. Vor 1241 urkundlich belegte Ortschaften (nach Daten Mieresch und dem Zuvon C. Suciu).   Belegt vor 1200; • belegt 1200-1241. gang zu den Edelmetallvorkommen der Westgebirge wurden die Flussauen im Südwesten Siebenbürgens vielleicht anfangs als Sommerweiden genutzt, und dort gab es auch eine Konzentration von Slawen, die Ackerbau betrieben (Abb. 104). Spätestens seit der slawischen Zeit wird demnach in Siebenbürgen ein effektiver Gliederungsprozess deutlich. Im Norden Siebenbürgens, in der Gegend von Deesch ist mit dem Erbe der westslawischen Zeit zu rechnen, das in der Salzförderung und der Absicherung des Beförderungsweges durch Chasaren zum Ausdruck kam. Anonymus erwähnt die Abhängigkeit der Chasaren von Menumorut361 und am Ostende des Transportkorridors, bei Deesch befand sich die chasarische Burg von Cuzdioara (Kosarvár). 361  T.

Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 124, 125; siehe auch S. 196, 197.

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102. Gebiet der Salzstraße nach Szolnok.

„Ein Versuch der Ungarn […], sich schon früh einen Weg zu den nordsiebenbürgischen Salzvorkommen zu bahnen, ist gut nachvollziehbar“362 und möglicherweise könnte der Transportkorridor zeitweise von Herzog Geza abhängig gewesen sein, der den westlichen Teil Pannoniens beherrschte. Es ist jedoch ungewiss, ob der Verlauf der Salzstraße aus mährischer Zeit mit jenem der magyarischen Zeit übereinstimmte. Letzterer endete im Westen an der Theiß bei Szolnok. Er wurde vermutlich als Szolnoker Weg bezeichnet, was die ursprüngliche, stark in die Länge gezogene Form des „Szolnoker Komitates“ erklärt (Abb. 102). Entsprechend den Chasaren am Ostende des Weges wurde an dessen Westende, im Theißgebiet, ein anders Hilfsvolk angesiedelt, auf dessen Existenz der Name „Kunság“ hinweist. Die Gebietsbegrenzung des Szolnoker Weges dürfte sich vor allem in deren Ostteil in der Grenzlinie zwischen dem Innerszolnoker und dem Dobokaer Komitat erhalten haben; das Innerszolnoker Komitat gehörte damals vermutlich nicht zur „Terra Ultrasilvana“.363 Nicht von wirtschaftlicher, aber von strategischer Bedeutung dürfte der Kalotaer Stuhl gewesen sein, der mit seiner chasarischen Bevölkerung zunächst wohl auch Menumorut zugehörte. Er reichte bis in die Nähe von Klausenburg und bildete einen Zugang aus der Pannonischen Tiefebene in das Tal des Kleinen Somesch und damit zur Siebenbürgischen Heide. Wie die Gegend um Deesch, wird auch der Kalotaer Stuhl mit seinen Chasaren von den Ungarn übernommen worden sein. 362  T. 363  T.

Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 72. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 114, 198.

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Nordwesten Siebenbürgens. Bei Anonymus ist im Nordwesten Siebenbürgens ein vorstaatliches Gebilde unter Führung des Herzogs Gelou erwähnt364 (Abb. 103). Hinsichtlich der Beziehungen zwischen diesem Gebiet und dem Großmährischen Reich fehlen Belege, doch angesichts des relativ geringen Machtpotentials365 des Herzogtums und dessen Begrenzung – sowohl im Norden als auch im Süden – durch mährisches Gebiet könnte es eine Beziehung zwischen diesem und der westslawischen Großmacht gegeben haben. Zu dem Herzogtum gehörten hauptsächlich die Täler der Flüsse Almasch und Agrij, doch auch das Becken des Kleinen Somesch366 – Gebiete, die stark bewaldet waren. Teile der Siebenbürgischen Heide mit gewissen Merkmalen einer Waldsteppe (Abb. 103) bildeten dazu eine Ergänzung. Es war jedenfalls „von verhältnismäßig geringer Ausdehnung“,367 kleiner als die Herzogtümer des Menumorut und des Glad, die Anonymus ebenfalls erwähnt.368 103. Herzogtum des Gelou nach der Chronik des Im Unterschied zu andern Anonymus (nach I.-A. Pop und Th. Nägler). Territorien soll es sich hier angeblich um eine „verbandähnliche Struktur der drei Täler oder Talgruppen“ gehandelt haben. Die Grenzlinien folgten zum Teil den Wasserscheiden und sind teilweise auch in der späteren Begrenzung von Komitaten und Archidiakonaten zu erkennen.369 Die westliche Grenzlinie verlief bei der Mesesch-Pforte – was dem hydrographischen Becken der Kreisch-Flüsse entspricht. Für eine ähnliche Linie spricht das Vorhandensein von „Toren“, etwa auf halbem Weg zwischen Klausenburg und Huedin. Dort hat es ein Großes und ein Kleines Tor gegeben, und zwar bei den Dörfern Căpușu Mare und Căpușu Mic („Nagy“ und „Kis Capus“; Abb. 73, 74). Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 91ff. Notarului Anonymus, S. 54, 55. 366  Istoria României, S. 146. 367  Istoria României, S. 146. 368  T. Sălăgean, Dextram Dantes, S. 122-124. 369  T. Sălăgean, Dextram Dantes, S. 123. 364  T.

365  Cronica

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Die südliche Grenzlinie kann auf der Wasserscheide zwischen Somesch und Mieresch vermutet werden370, wo es nur eine geringe Zahl späterer urkundlicher Belege gibt und ebenso spärliche archäologische Funde; es geht ungefähr um die spätere Grenze zwischen dem Klausenburger und dem Thorenburger Komitat, auf die noch zurückzukommen ist. Der Verlauf der östlichen Randlinie des Herzogtums änderte sich vermutlich mit der ständig wachsenden Bevölkerungszahl und den damit im Zusammenhang stehenden Migrationen.371 In einer frühen Etappe verlief sie dicht am Kleinen Somesch,372 doch ist anzunehmen, dass Viehzüchter gelegentlich auch einen Teil der Siebenbürgischen Heide nutzten. Die nördliche Begrenzung ist ungefähr entlang der Trennlinie zwischen dem späteren Innerszolnoker beziehungsweise Dobokaer Komitat zu suchen (Abb. 181, vgl. Abb. 184). Wo sich das Zentrum dieses vorstaatlichen Gebildes befand, ist bis heute nicht definitiv geklärt. Es heißt: „Innerhalb der befestigten Siedlungen von Appesdorf/Mănăștur (Klausenburg) und Doboka […] konnte in archäologischer Hinsicht eine frühe, ins 9. Jh. zu datierende Etappe nicht eindeutig ausgemacht werden“,373 weshalb man einen Herrschaftssitz in der Nähe von Gilău vermutete.374 Da sich aber diese Ortschaft unmittelbar neben dem großen Tor des Chasarengebietes befindet, ist Gilău von vornherein auszuschließen und Ähnliches gilt auch für Appesdorf; zentral liegt nur Doboka/Dăbâca – etwa in der Mitte zwischen Deesch und Klausenburg. Für die frühere Bedeutung des Ortes spricht auch dessen etwas spätere Rolle als einer der zwei großen anfänglichen Komitatssitze. Nach dem Untergang des großmährischen Reiches fehlte vermutlich dem Herzogtum Gelous der Rückhalt jener Großmacht; dass es von Seiten der Petschenegen eine Unterstützung erfuhr, ist unwahrscheinlich, heißt es doch, dass die Bewohner des Gebietes von Gelou „viel Unbill durch die Kumanen und Petschenegen erfahren mussten“.375 Die Einnahme des Herzogtums bildete unter diesen Umständen für eine „Großmacht“ ein relativ unproblematisches militärisch-strategisches Ziel. Die Besetzung des Gebiets wurde von Tuhutum allein durchgeführt, „einem einzigen Oberhaupt des von Árpád geführten Stammesverbandes, [und Sălăgean, Dextram Dantes, S. 123. solchen Migrationen s. Migration und Mythen. Geschichte und Gegenwart – Lokal und global, S. 7-17. 372  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 118. 373  Siehe auch K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 132. 374  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 94, 135, 178; I.-A. Pop, Românii și maghiarii, S. 127-184; Istoria Românilor, III, S. 146; siehe auch A. Magearu, Românii în opera Notarului Anonim, S. 159ff. 375  Istoria Românilor, III, S. 145. 370  T.

371  Zu

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zwar] in einem einzigen militärischen Schlag“;376 die ältesten ungarischen Gräber in dieser Region sind Kriegergräber;377 solche wurden in Klausenburg gefunden. In der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts wurde dann die Gegend vom älteren, später vom jüngeren Gyula verwaltet.378 Bei dieser Erweiterung des magyarischen Herrschaftsgebietes kam der ungarischen Elite offenbar eine bedeutende Rolle zu, denn diese beherrschte weitgehend den Nordteil Siebenbürgens.379 Das von den Magyaren eroberte Gebiet „stellte den Kern der ungarischen Herrschaft in [Nord-]Siebenbürgen dar“.380 Es ist demnach zu vermuten, dass die ansässige Bevölkerung von dort weichen musste – vermutlich ostwärts. Für einen siebenbürgischen Herrschersitz des Gyula in Doboka (Dăbâca) sprechen mehrere Fakten. Die Ortschaft wurde 1068 „urbs“ genannt und hatte dementsprechend einen besonderen Status;381 sie war auch namengebender Vorort des späteren gleichnamigen Komitats.382 Um diesen Ort häufen sich die archäologischen Funde des 10./11. Jahrhunderts sowie der Großteil der urkundlichen Belege des 11.-13. Jahrhunderts. Zusätzlich dürfte Doboka auch der Sitz des einstigen Wojewoden gewesen sein.383 Zwar wird für den Ortsnamen Doboka von einigen Forschern eine slawische Etymologie angenommen, doch scheint eine andere Deutung wahrscheinlicher – nämlich, dass der Ort kurz nach dem Jahr 1000 seinen Namen von dem eines Heerführers König Stephans I., Doboka, dem Vater Csanáds, erhalten hat384. Ein älterer Name des Ortes ist nicht belegt, doch dürfte, wie im Falle von Tschanad (Morisena), dasselbe Verfahren der Umbenennung angewendet worden sein; auch bei Weißenburg ging man ähnlich vor, indem man die Bezeichnung Fehérvár (d. h. Weißenburg, Bălgrad), mit Gyula ergänzte (Alba Iulia). Entsprechend der großen Wertschätzung der recht schütteren Bevölkerung jener Zeit waren die Beziehungen der Herrscherfamilien zur ansässigen Bevölkerung im Allgemeinen annehmbar; laut P. Iambor war Gyula ohnehin petschenegischer Herkunft und wurde von den PetscheRomânilor, III, S. 146; T. Sălăgean, Dextram Dantes, S. 121. Organizarea defensivă, S. 63, 64. 378  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 75; G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 102. 379  O. Mittelstrass, Beiträge zur Siedlungsgeschichte, S. 95-110, Anhang, Karte X. 380  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 103. 381  Șt. Pascu und andere, Cetatea Dăbîca, S. 154-156. 382  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 126, 188; G. Kristó, Despre formarea comitatelor, S. 13; T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 132. 383  Siehe auch K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 188; T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 149, 204. 384  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 148. 376  Istoria

377  I. M. Țiplic,

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negen „Pokuj“ genannt.385 Es ist denkbar, dass er aber auch die typische Bezeichnung „Wojewode“ trug386: „Voivuoda“ hießen selbst Anfang des 13. Jahrhunderts Mitglieder der lokalen Elite.387 Nordosten Siebenbürgens. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung wurde das magyarisch beherrschte, etwas dichter besiedelte Gebiet nach Osten hin erweitert. Wie erwähnt, scheint bei dieser Erweiterung dem Hochadel eine besondere Rolle zugekommen zu sein, denn er dominierte später die nördlichen Komitate.388 So verstärkte sich wohl das Spannungsfeld zwischen den Ungarn und den Pe­tschenegen. Dank der intensiven Unterstützung aus dem Osten, aus Gebieten außerhalb Siebenbürgens, machten die Petschenegen im Laufe des 11. Jahrhunderts zahlreiche Einfälle.389 Verhältnismäßig gut ist ihr Rückzug in Ostrichtung belegt, der nach dem Einfall von 1068 und der Entscheidungsschlacht von König Solomon bei Kyrieleis/Chiraleș bei Bistritz stattfand.390 Zu diesem Zeitpunkt besaßen die Petschenegen noch beträchtlichen Einfluss in Siebenbürgen, vor allem natürlich in den östlichen Gebieten,391 doch war dieser im Schwinden begriffen.392 Gegen Ende des 11. Jahrhunderts geriet auch der Nordosten Siebenbürgens allmählich immer mehr unter magyarische Herrschaft,393 und die Petschenegen blieben nur in geringerer Zahl als Grenzwächter zurück.394 Immerhin waren sie bei der Ansiedlung der Sachsen zumindest teilweise noch Heiden, eine Tatsache, die durch den Namen „Heidendorf“ (Bessenyő) bei Bistritz belegt ist. Reste petschenegischer Bevölkerung gab es später weiter nordöstlich, denn beim Grădinița-Pass, neben Poiana Ilvei gibt es einen „Dealul Bejeneului“. Weiter südwärts, beim Tuhuța-Pass bei Mureșenii Bârgăului, gibt es eine hohe, steile „Casarul“-Spitze und in nächster Nähe einen wohl zugehörigen Wachtposten („Straja“) – dieses für die Überwachung des Borgo-Tales durch Chasaren. Noch weiter südlich von diesen beiden Übergängen bildete das Mie­ reschtal eine gefährliche Verbindung ostwärts und auch das GurghiuluiTal reichte bis tief ins Gebirge hinein. Diese Täler befanden sich im späteren Kristó, Ardealul timpuriu, S. 104. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 174, 175. 387  T. Sălăgean, Dextram Dante, S. 125. 388  O. Mittelstrass, Beiträge zur Siedlungsgeschichte, S. 95-110, Anhang, Karte X. 389  D. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 261, 262. 390  K. Gündisch, Siebenbürgen und die Siebenbürger Sachsen, München 1998, S. 25. 391  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 156. 392  D. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 265. 393  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 119. 394  D. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 202, 203. 385  G. 386  T.

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Ozder Archidiakonat und fielen höchstwahrscheinlich in die militärische Zuständigkeit von Oghusen. Im Allgemeinen weiß man aber recht wenig über den dünner besiedelten nordöstlichen Teil Siebenbürgens. Man spricht von einer slawischen Toponymie,395 und in diesem Kontext ist zu erwähnen, dass sich auch im Fall von Bistritz ein Namen slawischen Ursprungs gegen das deutsche Nösen durchgesetzt hat; es ist der einzige Fall dieser Art in Siebenbürgen. Eine Reihe alter Ortsnamen belegen anscheinend eine frühe petschenegische Besiedlung, allerdings sind solche geographischen Bezeichnungen „relativ gleichmäßig im Zentrum sowie in den südlichen und östlichen Randgebieten Siebenbürgens verstreut; sie fehlen jedoch im Westen, der seit der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts ungarisch kontrolliert wurde“.396 Im Nordosten Siebenbürgens kann ein verstärkter Einfluss der Krone angenommen werden. Dort blieben auch etwas größere, weniger bewaldete Flächen als Königsboden erhalten, auf denen dann eine Ansiedlung von Sachsen möglich war. Nach der Streuung von Siedlungen und deren gotischen Bauten397 ist mit dieser im Nösnerland jedoch nicht vor der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zu rechnen, eher um 1200. Grenzgebiet zwischen Nord- und Südsiebenbürgen. Auf der Wasserscheide zwischen Somesch und Mieresch (Abb. 86) gibt es bei Thorenburg (Turda) den Flurnamen „Eisernes Tor“ und in der Nähe reihen sich mehrere Warten aneinander; diese lassen auf das Vorhandensein einer Grenzlinie auf der genannten Wasserscheide schließen. Zugleich befindet sich „die wichtigste Dialektgrenze der in Siebenbürgen gesprochenen ungarischen Sprache“398 auf der gleichen Wasserscheide zwischen Somesch und Mieresch, was sich am ehesten durch ein Vordringen der Ungarn aus zwei verschiedenen Richtungen erklären lässt; südlich der Wasserscheide sind immer wieder Szekler belegt, nördlich neben Magyaren dagegen Chasaren, möglicherweise Chabaren. Die Wasserscheide bildet dementsprechend auch eine Grenze innerhalb Siebenbürgens.399 (Im südlichen, anfangs noch bulgarischen Einflussbereich befanden sich die bedeutenden Salzvorkommen von Thorenburg.400) Stärker befestigt ist jedoch nur der Csallner, Alt Nösen; I. Crișan, Rețeaua așezărilor, S. 56. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 263, 265. 397  Im Unterschied zu Südsiebenbürgen fehlen sächsische romanische Kirchen oder Details von solchen nahezu vollständig (Mönchsdorf/Harina war nicht sächsisch!). 398  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 214. 399  Siehe auch K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 89, der schon für die slawische Zeit eine Grenze anzeigte – allerdings etwas weiter südlich, im Miereschtal (Abb. 42). 400  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 208; s. auch G. Kristó, Despre formarea comitatelor, S. 13, 18; K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 89. 395  K.

396  D.

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104. Etymologie von Ortsnamen des mittleren Teiles Südsiebenbürgens (nach W. Scheiner, Die Ortsnamen, Karte. Siehe dazu auch K. K. Klein, Transsylvanica, S. 159-166). Vermutlich ursprüngliche Namen:  Keltisch,  Kumanisch,  Slawisch,  Rumänisch,  Ungarisch,  Deutsch,  unbekannt; Zweitnamen:  Ungarisch,  Deutsch.

Westabschnitt der Wasserscheide – wo das Gebiet schon früher dichter bewohnt war. Erst später konnte der Machtbereich des nördlichen Teiles Siebenbürgens nach Süden hin erweitert werden, so dass in einer zweiten Etappe das Gebiet um die Salzbergwerke von Thorenburg der „Terra Ultrasilvana“ angegliedert wurde, was einem Anstieg des Machtpotenzials des Nordens gleichkam. Die Verschiebung der Begrenzung dürfte auch eine Reihe von außergewöhnlichen Ortsnamen zwischen dem Arieschtal und der Miereschau erklären,401 die auch am Mieresch auf eine alte, befestigte Grenze hindeuten.402 Zu erwähnen ist, dass die spätere Grenze zwischen dem Thorenburger und dem Weißenburger Komitat auf weite Strecken den Mieresch entlang verlief. Relativ gut wissen wir über die südwestlichen Landstriche Siebenbürgens Bescheid. Die Gegend um Weißenburg bot günstige klimatische Bedingungen, und auch während der Zeitspanne mit der geringsten Bevölkerungsdichte gab es dort höchstwahrscheinlich unbewaldete Areale. Für das 7.-10. Jahrhundert wurden zwar in vielen Gebieten Siebenbürgens Siedlungsspuren gefunden,403 doch ist eine fortschreitende Ballung des

Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 205, 206. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 205, 206. 403  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, Abb. 43; und Kurze Geschichte Siebenbürgens, Karte 6. 401  T. 402  T.

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Siedlungsraums vor allem im Westen festzustellen,404 um Weißenburg.405 Die archäologischen Funde slawischer Herkunft aus dem 7.-11. Jahrhundert weisen hier schon sehr früh auf einen gewissen Zusammenhang mit der westslawischen, mährischen Kultur hin,406 die eine Zeitlang parallel mit Auswirkungen der bulgarischen Kultur in Erscheinung trat,407 die vor dem Ende des 9. Jahrhunderts vorherrschend war.408 Während der Zeit der größten Ausdehnung des bulgarischen Einflusses in Siebenbürgen befanden sich Salzbergwerke im Westen Siebenbürgens unter bulgarischer Oberhoheit. Die relativ weite Verbreitung der Slawen in gewissen Teilen Siebenbürgens wird nicht nur durch die archäologischen Funde des 10./11. Jahrhunderts belegt, sondern auch durch die Etymologie der Ortsnamen. Orte mit Namen slawischer Herkunft sind östlich von Weißenburg relativ zahlreich, auch im Weißbachtal und in der Zibinsebene, also in relativ warmen, für den Ackerbau günstigeren Gebieten, sonst jedoch nur vereinzelt anzutreffen. Geht man von der Karte von Walter Scheiner aus (Abb. 104),409 so bildete Reußmarkt das Zentrum eines Ortschaftsnetzwerkes – eine Tatsache, die M. Major untermauerte. Der Marktflecken hat einen sehr ungewöhnlichen Grundriss (Abb. 150),410 und da in der Gegend Orbó-Szekler und dann Siebenbürger Sachsen lebten, muss der Markt der Reußen mit der slawischen Bevölkerung der Gegend schon vor der Umsiedlung der Orbó-Szekler aus der Gegend von Straßburg am Mieresch/Aiud in den Süden Siebenbürgens existiert haben. Auch bei archäologischen Grabungen in der Gegend von Salzburg/Ocna Sibiului wurden slawische Funde gemacht und in der Nähe gibt es den Ort Reußdörfchen/Ruscior; die Größe und Form von dessen Gemarkung weist auf eine ursprüngliche Zugehörigkeit zu einer größeren, geschlossenen Fläche hin, die bei der Ansiedlung der deutschen Hospites in die drei Gemarkungen der Dörfer Kleinscheuern/Șura Mică, Reußdörfchen/Ruscior und Großau/Cristian geteilt wurde (Abb. 105). Das Machtzentrum im Süden Siebenbürgens, der Sitz eines Wür­ denträgers,411 war Weißenburg (Bălgrad/Alba Iulia).412 Es befand sich an Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, Abb. 25. Dragotă, Aspecte de multiculturalitate, S. 212. 406  K. Horedt, Voievodatul de la Bălgrad – Alba Iulia, S. 494, 502, 504; A. Dragotă, Alba Iulia, S. 161. 407  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 80, 185. 408  Istoria Românilor, III, S. 147. Vgl. Kurze Geschichte Siebenbürgens, Karte 6. 409  W. Scheiner, Die Ortsnamen. 410  P. Niedermaier, Städte, Dörfer, Baudenkmäler, S. 101. 411  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 114. 412  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 210. 404  K.

405  A.

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105. Gemarkungsgrenzen im Hermannstädter Gebiet um 1810.  vermutlich ältere Grenze organisch geschlossene Parzellengruppen      ältere Orte ––––  Gemarkungen nach den Verdichtungen: Gruppe I: 1 Reußdörfchen, 2 Kleinscheuern, 3 Großau; Gruppe II: 4 Salzburg; Gruppe III: 5 Neppendorf, 6 Hermannstadt.  

einem strategisch wichtigen Ort, an einer Gabelung von Wegen. In NordRichtung erfolgte der Zugang zu den Salzgruben von Thorenburg,413 nach Westen sicherte das Miereschtal den Salztransport in die Pannonische Tiefebene und nach Osten in weite Teile Siebenbürgens. Nicht ausgeschlossen ist, dass dabei der Salztransport aus Salzburg/Ocna Sibiului nach Westen oder Osten – je nach den politischen Gegebenheiten – von Bedeutung war (nach Osten über den Tataren-Pass/Pasul Boncuța nach Kumanien, zur Burg Slon)414. Auch in südlicher Richtung gab es gewiss eine Verbindungen zur Donau – vermutlich durch das Mühlbachtal, das auch später weitgehend vom Weißenburger Komitat überwacht wurde (Abb. 135, 136). Solange das Bulgarische Reich stark war, dehnten die ungarischen Nomaden ihren Einflussbereich nicht auf dessen Gebiete aus. Gleichwohl unternahmen sie aber Beutezüge, und ungarische Kriegergräber aus verschiedenen Zeitabschnitten415 sprechen dafür, dass solche Vorstöße wiederholt stattfanden. Spätestens im zweiten Jahrzehnt des 10. Jahrhunderts,416 zur Zeit, als Tuhutum nach Siebenbürgen vordrang,417 wurde Weißenburg gebrandschatzt, ohne jedoch endgültig besetzt zu werden. Später, als das politische Zentrum des Ersten Bulgarischen Reiches zusammenbrach – dieses infolge der byzantinischen Feldzüge von Johannes Tzimiskes (968-971) –, war Südwestsiebenbürgen vermutlich militärischen Angriffen ausgesetzt. Nach 970 wurde das Gebiet dann von dem älteren Gyula erobert,418 und Weißenburg trug hinfort den Namen „die Weiße Burg des Gyula“ (Gyulafehérvár/Alba Iulia). Aber auch zur Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 75. Românilor, III, S. 147. 415  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 82, 87, 105, 106, 183; T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 73. 416  A. Dragotă, Alba Iulia, S. 163. 417  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 84, 105, 106, 116. 418  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 91, 186; T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 72. 413  K.

414  Istoria

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Zeit des jüngeren Gyula wurde anscheinend die bulgarische Verwaltung noch beibehalten, sodass wir eine gewisse Beziehung mit dem bulgarischen Oberhaupt voraussetzen können.419 Der Beginn des 11. Jahrhunderts brachte weitere Veränderungen mit sich.420 Der Sieg König Stephans I.421 über den jüngeren Gyula führte zu einer engeren Verbindung zwischen der Theißebene und den westlichen, wichtigen Gebieten Siebenbürgens – eine Verbindung, die es davor in diesem Maße nicht gegeben hatte.422 Ganz anders als im Norden Siebenbürgens verlief die magyarische Landnahme im Süden. Hier kam der Elite beziehungsweise den Adligen keine besondere Rolle zu, sondern es handelte sich um strategische Konzepte, die von Hilfsvölkern, vor allem von Szeklern und Oghusen ausgeführt wurden. Diese sind etappenweise ostwärts verschoben worden, während die dahinter frei werdenden Gebiete Königsboden blieben. Auf diesen konnten dann später Sachsen angesiedelt werden. Die sesshafte Bevölkerung des westsiebenbürgischen Gebirges und der Südkarpaten blieb anscheinend unbehelligt; schon die besonderen Namen Motzen und Mocani sprechen für eine alte Tradition. Wesentlich größere Einschränkungen haben die Slawen ostwärts von Weißenburg erfahren. Südosten Siebenbürgens. Die Erinnerung an die einstige bulgarische Ober­herrschaft lebte in weiter östlich gelegenen Gebieten bis ins 13. Jahr­ hundert fort.423 Hier ist die Anzahl archäologischer Funde aus dem 8./9. Jahr­hundert relativ gering,424 was für eine weniger dichte Besiedlung Anfang des zweiten Jahrtausends spricht – in einer Zeit, als das Gebiet auch einer ständigen kumanischen Bedrohung ausgesetzt war. Nach Walter Scheiner (Abb. 104) gibt es südlich des Altflusses bei Fo­ garasch eine starke Häufung von Ortschaften mit rumänischen Etymologien der Ortsnamen. Außerdem könnte es, nach Ștefan Pascu, auch eine Zuwanderung von Rumänen aus dem siebenbürgischen Hochland in die Fogarascher Gegend gegeben haben,425 ein Ausweichen vor den Szekler

Kristó, Ardealul timpuriu, S. 115. Crișan, Rețeaua așezărilor, S. 35; K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 183. 421  Siehe auch K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 84. 422  I. M. Țiplic, Organizarea defensivă, S. 64. 423  Siehe dazu die gefälschte Urkunde zur „terra Boje“, Urkundenbuch, Bd. I, S. 55. 424  D. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 230, 231. 425  D. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 274; s. auch S. 21, 246, 267. 419  G. 420  I.

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Kriegern. Dazu nimmt man an, dass möglicherweise schon im 10. Jahrhundert die ersten Bevölkerungsgruppen „bestehend aus den Angehörigen aufgelöster Stämme in die Altebene“ eindrangen.426 Allmählich entstand dort ein „Bevölkerungskonglomerat“,427 zu dem auch Orte gehörten, deren Bezeichnungen für das Vorhandensein von Petschenegen („Beșimbac“, heute Olteț) und Kumanen („Comana“) sprechen.428 Dabei wuchs auch das wirtschaftliche und politische Potenzial. Besonders wichtig waren die Petschenegen, zumal nach der Zerstörung ihres Reiches viele nach Siebenbürgen flüchteten. Wenn man ihre Ortschaften429 mit den geographischen Gegebenheiten vergleicht, so wird deutlich, dass diese an strategisch wichtigen Verkehrspunkten angesiedelt wurden; es ist sogar von petschenegischen Burgen in Südsiebenbürgen die Rede, die militärische Stützpunkte darstellten.430 Im Osten des Gebietes gab es anscheinend auch einen Einfluss durch Steppenvölker. So ist die Rede von Flurnamen oghusischer Herkunft im Szeklerland.431 Nach Gebirgs- und Passnamen waren diese von überragender Bedeutung und dürften aus einer Zeit vor der Ankunft der Szekler stammen, so die „Valea Uzului“, ein langes Tal, das sich in der Nähe von Szeklerburg/Miercurea Ciuc im Ciucer Gebirge befindet. Für den Südosten Siebenbürgens, für die Csík/Ciuc und das Gebiet der Drei Stühle vermutet L. Rásonyi die Existenz eines Einflussbereiches von Oghusen432 und schließlich gibt es am Fuße des Karpatenbogens bis heute Tschango, die wohl erst etwas später hinkamen – etwa gleichzeitig mit den meisten Szeklern.433 „Die Unterbrechung des Vordringens des arpadischen Königreichs in den ersten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts am nördlichen Ufer des Alts […] kann nur mit dem Vorhandensein auch von militärischen Strukturen im Fogarascher Land und in den benachbarten Randgebieten erklärt werden“,434 die wohl den rumänischen Gemeinschaften zugehörten. Selbst wenn die petschenegische und kumanische Bevölkerung auch eine Gefahr darstellte,435 gab es andererseits auch stabilisierende Entwicklungen – vor Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 27, 275. Românilor, III, S. 139. 428  I. M. Țiplic, Die Grenzverteidigung, S. 85, 98, 137. 429  A. Madgearu, Români și pecenegi, S. 111-120. 430  D. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 262. 431  Rásonyi L., Bulaqs and Oguz, S. 143-151. 432  Rásonyi L., Bulaqs and Oguz, S. 143-151. 433  Für diese siehe I. M. Țiplic, Grenzverteidigung, S. 135. 434  D. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 265. 435  D. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 267.

426  D.

427  Istoria

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allem jenseits der Südkarpaten. Die Senken der Walachei, am Fuße des Gebirges, die von der Tiefebene durch einen Berg- und Waldgürtel getrennt waren, boten einen gewissen Schutz gegen die Kumanen. Nach dem Zurückdrängen von diesen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts436 konnten sich hier rumänische staatliche Strukturen herausbilden, die wohl auch mit den Gebieten am Südfuß der Karpaten zusammenhingen. Dieser Rückhalt aus der Walachei bzw. vom Bulgarischen Reich stärkte wohl das Machtpotential der rumänischen Gebiete in den Senken am Nordfuß der Südkarpaten – vor allem in der Fograscher Gegend. Hier könnte auch das Zentrum des Wirkungsbreiches eines „Kean“437 gewesen sein (nach einer Karte von Șt. Pascu befand sich ein solcher im Süden des Banates). Mit der wachsenden Macht der Magyaren im Südwesten Siebenbürgens scheint sich ein gewisses Machtpotential von Weißenburg nach Osten verlagert zu haben. Anfang des 13. Jahrhunderts wurde das Gebiet um das Kerzer Kloster vom „Land der Rumänen“ abgetrennt438, einem Gebiet, das schütter bewohnt war und wo es wenige archäologische Funde gibt.439 Südlich des Altflusses zeichneten sich damals „beunruhigende Umstände“ ab, weswegen die Schätze von Streza-Cârțișoara und Fogarasch vergraben wurden440 – vielleicht von einem „Feudalherrn petschenegischer oder kumanischer Herkunft“.441 Auch wenn der ungarische Staat mit seinen Machtstrukturen versuchte, deren Gebiet möglichst einzugrenzen und zu verkleinern, so gelang dieses nur allmählich. Die ersten Siedler, die im Zuge der ungarischen Expansion in den Süden Siebenbürgens kamen, mussten vielerorts einen Weg des Zusammenlebens mit den benachbarten Rumänen, Petschenegen, und Kumanen finden.442 Auch Tschangos spielten eine Rolle.443 Eine Berücksichtigung der rumänischen und andern Siedler am Nordfuß der Südkarpaten war für die politischen Strukturen der Ungarn angebracht. So wurde auch die Törzburger Hochfläche bei der Verleihung des Burzenlandes an den Deutschen Ritterorden diesem nicht mit übergeben, sondern behielt seine Selbständigkeit. Ebenso kam es in der Hermannstädter

Papacostea, Terra Borza, p. 30-40. G. Schwandtner, Scriptores, I, S. 315, 316. 438  M. Crângaci-Țiplic, Oaspeți germani, S. 10. 439  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 150. 440  D. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 249-251; Istoria României, S. 165. 441  D. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 251. 442  I. M. Țiplic, Die Grenzverteidigung, S. 85, 137, 98. 443  I. M. Țiplic, Die Grenzverteidigung, S. 135. 436  Ș. 437  I.

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Gegend, in der „Mărginimea Sibiului“ vermutlich zu einer Verständigung, das heißt zu einer Anerkennung bestehender Siedlungsstrukturen; ähnlich dürfte die Lage im Mühlbacher Gebirge, in der Hatzeger Gegend gewesen sein. Byzanz. Die bulgarische Einflussnahme in Siebenbürgen brachte auch Auswirkungen der Konflikte auf der Balkanhalbinsel mit sich. Dazu hatte Byzanz einen bedeutenden Einfluss auf kultureller und religiöser Ebene. Im Banat gefundene Gegenstände byzantinischer Produktion oder byzantinischen Typs weisen für das 10. Jahrhundert auf Beziehungen zwischen der Bevölkerung an den beiden Donauufern hin.444 Dazu wissen wir, vor allem in Südsiebenbürgen, von vielen Funden, besonders Münzen byzantinischer Herkunft, was auf „die Einfuhr solcher Gegenstände hinweist, und möglicherweise auch Beziehungen anderer Art mit einschloss“.445 Die Taufe des älteren Gyula in Konstantinopel ist ein Hinweis auf die Beziehungen mit östlichen und südlichen Gebieten und damit auch mit Byzanz.446 Allmählich ging aber die Tendenz des Byzantinischen Reichs zurück, eine Kontrolle über den Balkan auszuüben.447 Trotzdem war diese noch Mitte des 12. Jahrhunderts von Bedeutung, als Byzanz Strafexpeditionen nach Siebenbürgen unternahm.448 Zusammenfassend lässt sich sagen: Es hat offenbar einen entscheidenden Unterschied zwischen der magyarischen Landnahme im Norden beziehungsweise Süden Siebenbürgens gegeben: oben spielte die Elite, der spätere Hochadel eine entscheidende Rolle, unten der König mit den Hilfsvölkern. Dabei war König Stephan I. von ausschlaggebender Bedeutung: er hat „das weite und reiche Land des Gyula seinem eigenen Land angegliedert“.449 Dieser Prozess war jedoch erst viel später endgültig abgeschlossen. Die Grenze an den Ostkarpaten war durch verschiedene Hilfsvölker abgesichert und der Einflussbereich Ungarns wirkte zeitweise auch weiter nach Osten in die Moldau hinüber. Im Süden Siebenbürgens gab es im Laufe der Zeit auch Veränderungen, wobei die rumänische Bevölkerung eine wichtige Rolle spielte – vor allem im Gebirge und in dessen Oța, Banat, S. 208. Transilvaniei, S. 207. 446  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 101. 447  Istoria Românilor, III, S. 157. 448  Istoria Transilvaniei, S. 217, 218. 449  G. Kristó, Despre formarea comitatelor, S. 12. 444  S.

445  Istoria

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Siebenbürgen

Randgebieten. Die Magyaren konnten zwar zeitweise ihre Macht jenseits der Karpaten ausdehnen, aber die gewachsenen Strukturen der Gebirgsbewohner wurden dabei kaum berührt.

106. Der Karpatenkamm, gesehen aus dem Harbacher Hochland.

Siedlungskammern

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SIEDLUNGSKAMMERN Bei der geringen Bevölkerung um die Jahrtausendwende kann man im Südosten Mitteleuropas nicht mit einer gleichmäßigen Verteilung der Bewohner rechnen. Unter den schwierigen seinerzeitigen Bedingungen war der Zusammenhalt von Gemeinschaften eine Grundbedingung, um Existenzkämpfe zu überstehen. Dementsprechend bildeten sich Siedlungshorste heraus. Diese konnten sich Schutzmächten anschließen und in besonderen Fällen – vor allem in schwer zugänglichem Gelände – auch eine gewisse Unabhängigkeit bewahren. Seit es Anhaltspunkte für den Verbleib dieser gelände- und klimabedingten Horste gibt, haben sie im Südosten Mitteleuropas nur zum Teil einen festen Standort bewahrt. Die jeweiligen Bevölkerungsgruppen konnten von der Herrschaft in andere Gebiete beordert bzw. zwangsumgesiedelt werden oder den Umständen entsprechend zwischen zugänglichen Niederlassungen in der Ebene und unzugänglichen Orten in verschiedenen Gebirgen pendeln. Es gab auch Fluchtbewegungen, zumal das Bevölkerungswachstum in der Zeit des „Landausbaus“ zur Vergrößerung mancher Siedlungsgebiete führte – dies sowohl in europäischem Maßstab als auch innerhalb Siebenbürgens. Dementsprechend waren Migrationen weit verbreitet. „Migration bildet seit jeher ein zentrales Element der Anpassung des Menschen an die Umweltbedingungen. Bewegungen von Menschen im Raum veränderten in den vergangenen Jahrhunderten die Welt. Unzählige Beispiele […] belegen das Ausmaß der […] Siedlungswanderungen, Flucht, Vertreibung oder Deportation [und] die Bevölkerungszusammensetzung [beeinflussten] die Entwicklung von […] kulturell-religiösen Orientierungen, global wie lokal.“450 Migrationen sind gerade auch in Siebenbürgen mit der Veränderung von Machtstrukturen im Verschieben von Verhauen augenscheinlich. Dabei wurden letztendlich schütter besiedelte Gebiete dichter besiedelt und Grenzen abgesichert. In manchen Fällen wurden auch Bevölkerungsgruppen durch konkrete Privilegien an gewisse Orte gelockt oder gebunden. Die Veränderungen dauerten über Jahrhunderte fort, so dass eher aus indirekten Hinweisen auf die einstige Situation geschlossen werden kann. Hinweise dafür sind häufig Ortsnamen (nicht aber die Bezeichnung von 450  J.

Oltmer, Migration als historischer Normalfall, S. 127.

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Siebenbürgen

Orten als „rumänisch“, „ungarisch“ oder „sächsisch“, die oft jüngeren Datums ist). Ebenso kann die neuzeitliche Selbstidentifikation von kleineren Bevölkerungsgruppen nicht als aufschlussreich gelten: gerade einstige Hilfsvölker der Ungarn sind im Laufe der Zeit entweder magyarisiert oder rumänisiert worden. Dieses hatte im Kontext der Siedlungshorste eine gewisse Bedeutung. Trotz der Gliederung in einzelne Horste gibt es in größeren Regionen Siebenbürgens zum Teil Gemeinsamkeiten. Im Siebenbürgischen Hochland, auf dem „Komitatsboden“ war die Mehrzahl der Bevölkerung hörig und bei der betonten sozialen Schichtung und dem Wohlstandsgefälle hatte sie keine Möglichkeiten, ihre Eigenart zu entfalten. Viel vorteilhafter war die Lage der vor allem rumänischen Siedlungshorste in den Siebenbürgischen Westgebirgen und in den Südkarpaten. Dort bestand die Möglichkeit, sich entsprechend den jeweiligen Umständen in unzugängliche Gebirge zurückzuziehen oder in die Ebene abzusteigen. Durch ihre Kenntnis der lokalen Gegebenheiten waren sie auch für den Staat wichtig und dieses erlaubte den Bewohnern, eine kulturelle Prägung zu erlangen. Ähnlich war auch die Lage verschiedener Hilfsvölker – vor allem der Szekler, die ihren Rechten und Pflichten entsprechend bis zu einem gewissen Maß bevorteilt waren. Die privilegierten sächsischen „Hospites“ (Gäste), die nicht nur „ad retinendam coronam“ bedeutend waren, sondern auf lange Sicht eine überragende wirtschaftliche Rolle innehatten, konnten dank eines gewissen Wohlstandes allgemein kulturell bestimmend wirken. Hingegen hatte der punktuell sich auswirkende Einfluss der Adligen – damals mit „Ungarn“ gleichgesetzt – keine entsprechende Breitenwirkung. Diese Gliederung muss auch im Zusammenhang mit den sich herausbildenden mittelalterlichen „Ständen“ gesehen werden, die verschiedene Aufgaben und Rechte hatten.451 Dieser Tatsache entsprechend, werden im Folgenden die Horste nicht nur gebietsmäßig, sondern auch im Kontext von deren Bewohnern behandelt, wobei sich die Gruppierungen nach juridischen, sozialen und wirtschaftlichen Kriterien unterschieden.

451  K.

Gündisch, Siebenbürgen, S. 24-59.

Siedlungskammern

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Rumänen im Norden Siebenbürgens Gelous Rumänen In der Chronik des Anonymus ist der Siedlungshorst von Gelou erwähnt. Dieser dürfte unter der Schutzhoheit der Großmährer gestanden haben, doch als diese von den Magyaren besiegt wurden, brach im 9. Jahrhundert auch für den Siedlungshorst im Nordwesten Siebenbürgens eine neue Zeit an. Gelou wurde vom Heerführer Tuhutum besiegt und die Bevölkerung schwor in der Folge bei Așchileu Mare („Esculeu“) dem Sieger Gefolgschaft. Der Horst befindet sich zwischen dem Kleinen Somesch und dem Gebiet der Kreischflüsse (aus dem Tuhutum kam). So ist zu vermuten, dass Gelou seinen Sitz wohl in der „urbs Dobuka“ hatte.452 Dort, zwischen dem Quellgebiet der Schnellen Kreisch und der Salzstraße, war das frühmittelalterliche Zentrum der Nordhälfte Siebenbürgens, das auch später große Bedeutung behielt. Nach dem Treue-Eid bei „Esceleu“ (Așchileu) wurden die Rumänen gewiss geschont, auch wenn sie nun als Hilfsvolk eingestuft wurden und die Herren nun ungarische Adlige waren.

Rumänen des Nassoder Gebietes Diese waren daran interessiert, sie als Arbeitskräfte auf ihren Besitzungen einsetzen zu können. Dementsprechend wanderte wohl ein Teil der Bevölkerung weiter ostwärts. Einige werden im günstigen Tal des Großen Somesch geblieben sein, weniger in der Siebenbürgischen Heide. Rezente Forschungen haben für das 11.-13. Jahrhundert zwischen dem Kleinen Somesch und dem Sajo/Șieu und südlich davon, in der Siebenbürgischen Heide keine Hinweise auf frühe katholische Pfarreien und Friedhöfe ergeben.453 Das könnte eventuell bedeuten, dass es im Tal des Großen Somesch einen größeren Anteil rumänischer Bevölkerung gegeben hat; in der Heide könnte dagegen auch das Nomadentum eine Rolle gespielt haben. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung wird sich diese Ostwanderung verstärkt haben. Jedenfalls gab es Rumänen bis in die Rodenauer/ Rodnaer Gegend. Es handelte sich um Gebiete des späteren Innerszolnoker und Dobokaer Komitats und um die Besiedelung des späteren Rodnaer Distriktes, die wohl auch mit dem erblühenden Bergbau zu Beginn des 12. Jahrhunderts einherging.

452  Nach Anonymus befand sich der Herrschersitz von Gelou am „Somesch“; er erwähnt den Luna-Bach nicht. 453  M. Crîngaci Țiplic, The Rise of the Parish System, S. 85-87.

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Rumänen der Siebenbürgischen Westgebirge Motzenland/Țara Moților Im Zusammenhang mit der Besetzung der Pannonischen Tiefebene erscheint ein Rückzug von Hirten aus der Theißebene nach Osten und Norden in Karpatentäler Rumäniens und der Slowakei als denkbar; nach Anonymus handelte es sich bei den Hirten um „Blachi ac pastores Romanorum“, „Sclavi“ und „Bulgari“. Der Westteil der Siebenbürgischen Westgebirge könnte von diesem Rückzug betroffen worden sein, und es ist durchaus denkbar, dass sich Hirten in unruhigen Zeit auch jenseits des Kammes zurückgezogen haben.454 Heute leben dort weitge107. Rumänen in den Siebenbürgischen Westgebir­ hend Motzen (Abb. 107)455 – gen (nach Alex Imreh, http://bedeleu.wordpres. com/2017//12/19). Grenzen der Siedlungshorste; eine Volksgruppe mit einem ••• Grenzen der Komitate; I Klausenburg, II Thorenausgeprägten Selbstverburg, III Arie­scher Stuhl, IV Weißenburg, V Hunyad, ständnis, die sich als „Freie“ VI Zarand, VII Bihor. bezeichneten. Bei Wikipedia heißt es: „nach dem blonden Haar und den blauen Augen, die bei ihnen viel öfter als in andern rumänischen Gegenden vorkommen, wurden die Motzen als Nachkommen von Kelten, Slawen, Ala­nen oder eines germanischen Stammes angesehen“.456 Dagegen stellt der Romanist E. Gamillscheg anhand des Rumänischen Sprachatlas’ ein sprachliches Kerngebiet im Siebenbürgischen Erzgebirge fest: „Hier sprechen die Motzen einen Dialekt mit lateinischem Lautsystem, der vom slawischen Lautsystem in anderen rumänischen Dörfern deutlich absticht.“ Er „glaubt hier altes, bodenständiges Romanentum vor sich zu haben“.457 Dagegen heißt es: im Fall der „Wlachen“ der Slowakei, die wie die Motzen ebenfalls Nachkommen der Hirten des Anonymus sein dürften,  

auch R. Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 265-266. Alex weist auf eine sprachliche Verwandtschaft mit Istro-Rumänen hin. 456  Siehe https://ro.wikipedia.org/wiki/Țara_Moților. 457  O. Mittelstrass, Beiträge zur Siedlungsgeschichte, S. 24. 454  Siehe 455  I.

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dass man in Amerika genetische Untersuchungen gemacht hat und dabei ein Vorherrschen von keltischem Erbgut feststellte.458

Mocani der Siebenbürgischen Westgebirge Auf eine weitere rumänische Bevölkerungsinsel, der Mocani (Abb. 107), lässt sich nur indirekt schließen: es ist auffällig, dass zu Beginn der ungarischen Zeit eine Absicherung des Salztransportes auf dem Mieresch zunächst auf dessen rechtem, westlichem Ufer angestrebt wurde. Dort wurden die Kézdi- und Orbo-Szekler angesiedelt, ebenso entstanden dort zwei der drei Siedlungen der „primi hospites regni“ und schließlich ist auch auf den Verhau im Ampoital, bei Prisaca Ampoiului zu verweisen. Dieses zeigt eine potentielle Bedrohung aus den Siebenbürgischen Westgebirgen, wo später die Mocani belegt sind. In Siebenbürgen gab es zu Beginn des 13. Jahrhunderts einen anderen Teil der Mocani auf der Törzburger Hochfläche. Die Trennung dieser beiden Teile dürfte relativ früh erfolgt sein, bevor Szekler und Hospites den Wasserweg auf dem Mieresch absicherten. In geographischer Sicht ist es wahrscheinlicher, dass von diesen Mocani und nicht von den Motzen die Bedrohung der Salzbeförderung ausging.459 Dementsprechend dürfte die Wanderung der Mocani früh eingesetzt haben – sicher nicht erst zur Zeit des Niederganges des Bergbaus im 16.-18. Jahrhundert. Sie waren vor allem Hirten und es werden auch Verbindungen zwischen diesen und Aromunen angenommen.

Goldwäscher bei Tannenhof/Brad In Bezug auf den Westen Siebenbürgens erwähnt Anonymus, dass dort Gold aus dem Sand der Flüsse gewaschen würde und nach einer späteren Urkunde sollten Bergleute Vorrechte gegenüber den Goldwäschern haben460. Nun gibt es zwischen Großschlatten/Abrud und Hălmagiu gleich fünf rumänische Distrikte (66).461 Der Gedanken liegt nahe, dass einstige Hirten hier eine Ersatzbeschäftigung gefunden haben. 458  G. Șișeștean, Români care s-au stins, S. 28-33. Nach der Lebensweise bildeten die Hirten der Slowakei einen geschlossenen Verband, der sich kaum mit den benachbarten Gemeinden mischte. In Texas wurde das Erbgut von 383 Personen der Bevölkerungsgruppe untersucht, und dabei ergaben sich folgende Prozentsätze des Erbgutes: keltisch 28,4 %, slawisch 13,0 %, germanisch 7,7 %, nordkaukasisch 7,2 %, zentral-östlich 4,8 %, ostafrikanisch-mediterran 4,3 %, balkanisch 2,4 %, finnisch-estnisch 1,7 %, zentralasia­tisch u. a. 1,4 %. Dazu der Autor auf S. 29: „Fără să fiu specialist în genetică, am rămas surprins de importanța componentei celtice din structura genetică a populației valahe originară din zona Moraviei Valahe.“ 459  Siehe https://ro.wikipedia.org/wiki/Mocani. 460  P. Niedermaier, Städte, Dörfer, Baudenkmäler, S. 375. 461  Șt. Pascu, Voievodatul Transilvaniei, S. 47, 48.

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Rumänen der Südkarpaten und der zugehörigen Senken Rumänen der Hatzeger Senke/Țara Hațegului Im Gebiet des Strell-Flusses gibt es zwei Senken: die Strell-Senke nahe des Mieresch und die Hatzeger Senke südlich davon. Sie liegen zwischen dem Mühlbacher Gebirge, dem Retezat und dem Poiana-Rusca-Massiv. In diesem Gebiet wird das wechselnde Machtpotential der wichtigsten Kräfte besonders deutlich. Nach Marian Țiplic hatte die lokale Gesellschaft zunächst eine slawisch-byzantinische Prägung,462 wurde dann vom Bulgarischen Reich beherrscht, geriet ins Spannungsfeld zwischen diesem und dem ungarischen Königreich, und schließlich in den Machtbereich der Magyaren. Diesem Machtpotential war die ansässige rumänische und slawische Bevölkerung unterworfen. Dafür sprechen mehrere Elemente: 1. Wichtigste Wege. „Da auf dem Mieresch ein Großteil des siebenbür­ gischen Salzes transportiert wurde und von den Bulgaren überwacht war, müssen die westsiebenbürgischen Salzvorkommen [zunächst] in deren Machtbereich gelegen haben“,463 später in jenem der Ungarn. Das gilt speziell für Thorenburg/Turda, wo man eine bairische Münze aus der Zeit von 938-947 und eine ungarische von 1060-1063 fand.464 Die Beför­derung des Salzes erfolgte zunächst weitgehend auf dem Mie­ resch, und als dieser bei Morisena nicht mehr ungehindert genutzt werden konnte, sicherten die Bulgaren das obere Ende des Miereschdurchbruchs bei der Ortschaft Brănișca ab.465 Auch der Zugang über Widin nach Süden war von Bedeutung. Dieser erfolgte „ad usum dictae terrae [Zeurino …] versus Bulgariam, Greciam et Cumaniam“,466 aus der Strell- und Hatzeger Senke, durch das Bistratal (Pass: Siebenbürgisches Eisernes Tor/Poarta de Fier a Transilvaniei, 699 m) und weiter durchs Cernatal (Pass: Poar­ta Orientală, 535 m). Aus der Strell-Senke nach Thoren­burg begann der Weg bei Streisângeor­ giu, und verlief an Broos/Orăștie und Rumes/Romos vorbei. Ein Saumpfad aus der Hatzeger Senke in die Kleine Walachei begann bei Bănița, wo er durch eine Motte abgesichert war. Er führte über den Meri­șor-Pass (759 m) oder direkter über den Dealul Babi (934 m) und verlief im südlichen Abschnitt über den Vâlcan-Pass (Passhöhe 1681 m; die Die Grenzverteidigung, S. 115. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 103. 464  H. Czoppelt, Eine bairische Münze, S. 78ff.; Șt. Pascu, Voievodatul Transilvaniei, I, S. 133; G. Entz, Die Baukunst, S. 3, 5. 465  R. Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 60. 466  O. Mittelstrass, Beiträge zur Siedlungsgeschichte, S. 51. 462  I. M. Țiplic, 463  K.

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nebenliegende Warte Vârful Straja hat sogar eine Höhe von 1868 m).467 Bei dieser Scheitelhöhe war der Pass nur in der wärmeren Jahreszeit unter normalen Bedingungen zu benutzen und nicht fahrtauglich. 2. Begrenzung. Der westliche Teil der Südkarpaten wird zumindest vom Mühlbachtal bis zur Theiß von einer Begrenzung durchzogen gewesen sein (Abb. 76). Diese Begrenzung teilte auch die beiden erwähnten Senken voneinander. An der Trennlinie befand sich die Hatze­ger Burg, von welcher der Übergang gut überwacht werden konnte. 3. Bevölkerung. Für die Zeit um 1241 konnte eine Gesamtbevölke­rung der beiden Senken von etwa 12.000 Menschen bestimmt werden,468 und für die Zeit um 1350 etwa 27.000. Nach dem Bevölkerungswachstum in Eng­land und Deutschland entspre­chen diesen Werten Bevölkerungszahlen von 3.500 bzw. 5.300 für das Jahr 1000, 6.000 und 7.000 für das Jahr 1100 sowie etwa 10.000 für das Jahr 1200.469 In der Zeit nach 1350 dürfte die Bevöl­ke­rungszahl um etwa 27 % gefallen sein,470 also auf knapp 20.000 Menschen. 4. Erste urkundliche Erwähnung der Siedlungen. Sie ist in den beiden Senken verschieden: in der Strell-Senke ist ein Großteil der Sied­lungen erstmals vor 1350 belegt, in der Hatzeger Senke bis 1450 (Abb. 109). Das Datum der ersten Erwähnung betont den Unterschied in der Einbeziehung der Gebiete in das Netzwerk der feudalen ungarischen Beziehungen, eine Differenz, die am ehesten durch die zeitweilig unterschiedliche politische Zugehörigkeit erklärt werden kann. 5. Bauten. Die Burgen der Hatzeger Senke sind Motten, also mit einem Wall oder einer Mauer umzogene Bergfriede. Diese sind gewiss vor 1350 entstanden und zeugen von einem bedeutenden Wohlstand, der vermutlich dem bulgarischen Salzhandel zu verdanken ist. Der romanische Kirchturm in Strei, in der Strell-Senke, gehörte ursprünglich wohl auch zu einer Motte.471 Außer diesen Motten gibt es in der Strell-Senke zwei größere Burgen, in Hunyad/Hune­doara und Diemrich/Deva. 467  Zum Vergleich: die Verbindung zwischen Österreich und Italien über den Brennerpass/ Passo del Brennero hat eine Scheitelhöhe von 1370 m, jene über den Reschenpass/Passo di Resia eine Scheitelhöhe von 1504 m. 468  Diese Schätzungen stimmen weitgehend mit jenen von R. Popa überein, der für das 14. Jahrhundert von 15.000-20.000 Bewohnern spricht (R. Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 135). 469  Berechnungsbasis: P. Niedermaier, Habitatul medieval în Transilvania, S. 106-108, 118. 470  Den Anteil untergegangener Dörfer des 14./15. Jh. schätzt R. Popa auf 20-25 %. 471  Für diese Vermutung gibt es mehrere Hinweise: es ist der einzige große Kirchturm der Senken; er hat durch seine leicht nach innen geneigten Steinmauern einen Charakter, der von den anliegenden, sorgsam in der Lotrechten gebauten Kirchenmauern verschieden ist. Die Wand zwischen Turm und Kirche hat eine besonders große Stärke, die zwei Mauern

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Die meisten Kirchen der Senken sind klein. Da sie auch einen quadratischen Grundriss haben, bezeichnete R. Popa sie deshalb als Knesenkirchen.472 Die Erklärung für die kleinen Ausmaße könnte jedoch auch in der Tatsache zu finden sein, dass es sich um Beträume und nicht um Versammlungsräume handelte. Für eine orthodoxe Ausprägung spricht vor allem eine Kirche der Hatzeger Senke, in Den­suș. Innen sind die Ecken des Naos abgeschrägt; eine Abrundung hat sich auf der Westseite der Kirche auch am untersten, alten Geschoss der einstigen zentralen Kuppel erhalten. Durch die abgeschrägten Ecken ist der Raum auf eine Kuppel ausgerichtet; diese könnte auf einem niedrigen Tambur mit Fenstern gestanden sein; der heutige Turm ist sicher neuer, aber auch romanisch. Dass alle Gewölbe um die vier zentralen Pfeiler und die mit Steinplatten abgedeckten Dächer jeweils an den Untersatz der Kuppel angelehnt sind, spricht für sein hohes Alter.473 6. Abdeckung. Der einstige Bergfried in Strei und mehrere Bauten der Hatzeger Senke sind mit horizontal verlegten Steinplatten abgedeckt, so die Kirchen in Densuș und Nucșoara474 sowie der Bergfried in Suseni. Diese Abdeckung verleiht den Bauten ein besonders archaisches Gepräge. Zieht man auch andere Feststellungen heran (Bodenarten und Erzvorkommen), so ergeben sich die Phasen des siedlungsgeschichtlichen Werdeganges beider Senken: – Das frühe Erscheinungsbild der Strell-Senke dürfte durch potentiell unbewaldete Tschernosem-Böden geprägt worden sein, die vor allem in einer Zeit sehr geringer Bevölkerungsdichte für eine frühe landwirtschaftliche Nutzung geeignet waren, also vorteilhafte Siedlungsbedingungen boten; dazu gibt es jedoch keine weiteren Daten.475 Zugleich verfügen wir über keine Hinweise auf Hirten und Schafzucht. Im oberen Schieltal war eine solche am ehesten möglich. In dem westwärts liegenden Poiana-Rusca-Massiv lebten wohl Slawen, die Brooser Berge waren stark bewaldet, im Retezat gab es kaum Gebirgsweiden. Das Vâlcan-Gebirge wurde – zumindest später – von Hirten der Mühlbacher Gegend genutzt. entspricht; dazu ist die untere Öffnung des Turmes auf dieser Seite nicht gut auf die Höhe des Kirchensaales abgestimmt; er dürfte der ursprüngliche Eingang in den Turm gewesen sein. 472  R. Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 255. 473   Dass diese Abdeckung nicht aus einer späteren Zeit stammt, beweist der erhaltene Ansatz des Daches der Südkapelle. 474  R. Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 240. 475  R. Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 76.

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– Zur Zeit der bulgarischen Oberherrschaft über das Miereschtal wird es keine Probleme mit dem Salztransport gegeben haben, denn es gab ein gewisses Zusammenwirken zwischen Bulgaren und Rumänen (in der rumänischen Geschichtsschreibung wird das spätere, Zweite Bulgarische Reich auch als wlachisch-bulgarisches Reich bezeichnet). Ein Teil des Salzes wurde vermutlich jedoch schon früh durch die Strellund Hatzeger Senke nach Süden transportiert, vor allem nach einem Friedensvertrag des Jahres 892. – Als die Magyaren das Gebiet am unteren Mieresch besetzten und Ahtum 1030 beseitigten, war eine bulgarische Salzbeförderung auf dem Mie­ resch nicht mehr möglich. Vermutlich damals wurde der Ost­eingang in den Miereschdurchbruch von den Bulgaren durch ein Tor bei Brănișca

108. Strell- und Hatzeger Senke (nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus). ••• Verhaue;  wichtige Orte;   Burgen;  wichtigste Kirchen.

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gesperrt und das Salz auf der Straße südwärts befördert. Durch Fuhrdienste und Zölle wird das den wirtschaftlichen Aufschwung, den die Strell- und die Hatzeger Senke nach 892 (seit der Behinderung des bulgarischen Salzexportes nach Großmähren) weiter erhöht haben: Die Entwicklung dürfte auch durch die Verhüttung von Eisenerz bei Răchitova gefördert worden sein. In der Hatzeger Senke kam es zu einem engmaschigen Ortschaftsnetz und in mehreren Dörfern am Fuß des Retezat-Gebirges bauten die jeweiligen Knesen Motten; in keinem andern Gebiet Siebenbürgens haben sich solche auf kleinem Raum erhalten. Nicht weit von Răchitova befinden sich zwei besondere Bauten: die schon erwähnte Kirche von Densuș, die (vom zentralen Turm

109. Erste urkundliche Erwähnung der Orte in der Hatzeger Gegend (nach E. Wagner).  Vor 1350,  1351-1400,  1401-1450.

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abgesehen) sehr alt sein dürfte und möglicherweise schon im 10. Jahrhundert errichtet wurde; in der wirtschaftlichen Blütezeit des Hatzeger Landes, zwischen dem Ende des 9. und der Mitte des 11. Jahrhunderts dürfte hier ein orthodoxes spirituelles Zentrum entstanden sein. Dafür spricht auch das orthodoxe Kloster in Prislop – auch wenn letzteres erst aus der Zeit um 1400 stammt.476 Relativ zahlreiche Kirchen dieses Gebietes und die Erwähnung von Geistlichen in verschiedenen Orten im 14./15. Jahrhundert sprechen auch dafür.477 – Dann drangen die Magyaren im Miereschtal in Siebenbürgen ein. Bei Diemrich/Deva gibt es ein Gräberfeld von berittenen Kriegern aus dem 10. Jahrhundert, und auch König Stephan I. durchzog das Miereschtal, bevor er Weißenburg besetzte. Bezüglich der Existenz von Diemrich, Simeria, Hunyad und Streisângeorgiu weisen archäologische Funde auf das 11. Jahrhundert hin. – Die Magyaren waren vornehmlich am Thorenburger Salz interessiert und begnügten sich zunächst mit der Verdrängung der Bulgaren. Im Lichte der unterschiedlichen Ersterwähnung von Ortschaften gelangten die Strell-Senke und vielleicht Randgebiete des Poiana-Rusca-Massivs (wo, wenigstens später, bis in eine Höhe von 800-1000 m Landwirtschaft betrieben wurde)478 in den Herrschaftsbereich der Magyaren. Der Übergang in die Hatzeger Senke wurde durch die Hatzeger Burg kontrolliert, der Nordwesten der Strell-Senke durch die Burg in Diemrich. Diese ist zwar erst 1264 urkundlich erwähnt, war aber im dritten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts auch der Sitz des Hunyader Komitates und zeitweise sogar die Residenz des siebenbürgischen Wojewoden.479 Weiters wurde der Zugang in das Poiana-Rusca-Massiv durch die Holz-Erde-Burg auf dem Petersberg bei Hunyad (dealul Sânpetru) abgesichert. Die romanische Motte von Strei mit ihrem durch horizontale Steinplatten abgedeckten Bergfried könnte teilweise vielleicht noch aus der bulgarischen Zeit stammen, zumal es in dessen Umkreis Gräber des 10. Jahrhunderts gibt. Vermutlich residierte nachher dort ein Szekler Befehlshaber und der ungarische Name des Dorfes Zeikfalva soll vom Namen einer Adelsfamilie abgeleitet sein. – Die Strellsenke wurde nur kurzzeitig von Szeklern besetzt, die nach R. Popa zwei, drei Generationen lang dort blieben.480 Wenn der von Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 244. Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 247. 478  R. Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 22. 479  R. Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 216, 255. 480  R. Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 266, 267. 476  R. 477  R.

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D. Marcu Istrate veröffentlichte Plan der Kirche in Streisângeorgiu481 stimmt, d. h. wenn es am Westende des Naos zwei Pfeiler gab, so gehörten diese zu einer Herrschaftsempore, die über einem heute zugemauerten Mitteljoch das erhaltene Türmchen trugen, so war das ein für Szekler typischer Bau. – Dann wurde auch die Hatzeger Senke in das Machtgefüge der Magya­ ren einbezogen und die Grenzbefestigungen bei Bănița und beim Siebenbürgischen Eisernen Tor erstellt. Die Szekler zogen ab, weil sie andernorts für die Besetzung Siebenbürgens benutzt wurden, und die Rumänen übernahmen wieder die Strell-Senke. Auch der Marktflecken Hatzeg entstand. Er dürfte vornehmlich auf die Ansiedlung von Hospites zurückgehen. Die Trennung der Hatzeger Senke von Siebenbürgen war mit einer engeren Verbindung zur Kleinen Walachei einhergegangen. Die Ansiedlung von Hospites in Hatzeg und vor allem die Vergabe des Severiner Banates 1247 an den Johanniterorden stellte diese Verbindung in neue Zusammenhänge.482 In den Jahren 1275/1276 ist dann ein Hatzeger Komitat bezeugt. Obwohl die Rumänen zeitweise als Stand akzeptiert waren, ein Wojewode Hatzegs erwähnt wird und sich das Gebiet in mehrere Distrikte gliederte – 1371 ist von den „universi knezii et olachi de quator sedibus districtus castri Deva“ die Rede483 –, hatte es als selbständige Verwaltungseinheit jedoch keinen Bestand.484 Vor allem im Kerngebiet der Hatzeger Senke, am Fuß des Retezat-Gebirges, wo sich auch die meisten Motten befanden – aber nicht nur dort – waren mehrere Dörfer in Talschaften zusammengeschlossen (Abb. 110), wobei R. Popa zwischen Dorfknesen und Talknesen unterscheidet, ebenso zwischen geduldeten, amtlich bestätigten und in den Adelsstand erhobenen Knesen, wobei es auch mehrere Knesen oder kleine Adlige in einem Dorf gegeben haben könnte.485 Mit dem betonten Bevölkerungswachstum um 1350 wurden auch die ebenen, überschwemmbaren Gebiete der Hatzeger Senke besiedelt und ebenso die weniger fruchtbare Osthälfte der Senke, die in der Josephinischen Landesaufnahme weitgehend verbuscht erscheint. Dazu kamen auch Niederlassungen in abgelegenen Randgebieten: in den Senken entlang der beiden Arme des oberen Schiel/Jiu und vor allem im Ostteil des Poiana-Rusca-Massivs. Es entstanden auch erste Siedlungen außerhalb der Marcu Istrate, Architectural Interferences, S. 96-98. dazu auch R. Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 232. 483  R. Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 257, 263. 484  Dazu O. Mittelstrass. Beiträge zur Siedlungsgeschichte, S. 60. 485  R. Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 78. 481  D.

482  Siehe

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110. Zugehörigkeit von Ortschaften zu Knesaten (nach R. Popa; Hintergrund: Atlas von Siebenbürgen, Verwaltungsgliederung um 1810).  Vermutete alte Grenze Siebenbürgens; entspricht weitgehend der späteren inneren Gliederung des Hunyader Komitates.

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Grenzen Siebenbürgens – vor allem im oberen Bistratal. R. Popa schließt auch eine Abwanderung in die Kleine Walachei (descălecat) nicht aus, die nach ihm schon im 12. Jahrhundert stattgefunden haben könnte,486 doch können wir für eine frühe Zeit eher Wanderungen aus einer Senke in die andere vermuten. Im Lichte des Bevölkerungswachstums ist eine Auswanderung in die Kleine Walachei erst um 1300 anzunehmen. Eine neue Entwicklung „bahnte sich gegen Ende des 13. Jahrhunderts langsam an, denn damals lebten [Rumänen, mit besonderer Erlaubnis, auch] außerhalb der königlichen Gebiete, auf Besitzungen der Kirche und des Adels“.487 Aber nach Mircea Păcurariu haben sich doch ungewöhnlich viele alte orthodoxe Kirchen in der Hatzeger Senke und in deren Umkreis erhalten.488 Dies ist im Zusammenhang mit einer vorteilhafteren Rechtslage und günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen der Hatzeger Bevölkerung zu sehen.

Hirten zwischen Strell und Mühlbach/râul Sebeș Geschützt von den Weiten des Paring-Massives und Verhauen des Mühlbacher Gebirges lebten dort rumänische Hirten. Diese waren wohl mit Vertretern der Szekler der Terra Sebus bei der Landnahme zu einem Ein­ vernehmen gelangt, übernahmen dementsprechend dort die Grenzver­ teidigung und erhielten dafür wohl Vergünstigungen im Kontext der Schafzucht beziehungsweise des Weiderechtes. Wie Radu Virgil Totoianu in seiner Dissertation nachgewiesen hat, erstreckten sich ihre Weidegebiete bis tief ins Mühlbacher Gebirge und später sogar bis ins Vâlcan-Gebirge, dieses auf Flächen, die im Gelände auf Höhen zwischen 600 m und 1300 m verstreut sind. Im Mühlbacher Gebirge befinden sie sich westlich des Mühlbachtales, etwa zwischen Loman und Tău Bistra. Dabei tragen die Weiler Dorfnamen. Zusammen mit den Weiden sind sie heute verschiedenen Gemeinden zugeordnet, und zwar Rumänisch-Pien, Săsciori, und Șugag. Ihre ursprüngliche Zugehörigkeit muss dahingestellt werden. Immerhin zeigt die allgemeine Anordnung der Weiden eine betont längliche Form, die vom Dorf zig Kilometer weit ins Gebirge reicht.489 Nicht zufällig befanden sich hier, in etwas wärmeren Gebieten, bei Grădiștea Muncelului, schon die wichtigsten dakischen Sanktuare und Burgen. Bei den gewaltigen Umschichtungen nach der römischen Besetzung werden im frühen Mittelalter diese Almen in tieferen Lagen zwar zugewachsen sein, obwohl sich wohl mancher Daker im Gebirge versteckt Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 251, 252, 263. Mittelstrass, Beiträge zur Siedlungsgeschichte, S. 60, 61. 488  M. Păcurariu, Istoria bisericii, Karten im Anhang. 489  R. V. Totoianu, Civilizația agrară în Mărginimea Sebeșului. Studiu de caz: Păstoritul, Dissertation, Ms, Alba Iulia 2017, Karte 5. 486  R.

487  O.

Siedlungskammern 111. Mühlbacher Gebirge. Zugehörigkeit der Almen zu Dörfern und Weilern (nach Radu Virgil Totoianu).

 

Dörfer und Weiler: Pianu de Sus (RumänischPien), Strugari, Plaiuri, Purcăreți; Almen: Măgura Pianului, Titiana, Gruișor, Gropșoara, Canciu;

 

Dörfer und Weiler: Săsciori, Cacova, Sebeșel, Răchita, Laz, Loman, Căpâlna, Tonea, Pleși; Almen: Fața Bradului, Dosu Bradului, Șinca, Fata, Cârpa, Aușel, Clăbucet, Măgura Hațegană, Canciu, Puru;

 

Dörfer und Weiler: Șugag, Mărtinie, Dobra, Bârsana, Arți, Jidoș-Tina, Tău Bistra; Almen: Sălane,Comanu, Smida Mică, Smida Mare, Stănișoara, Diudiu, Fetița, Luncile Prigoanei, Presaca, Balele, Pârva, Slimoiu, Gura Potecului, Poarta Raiului, Tărtărău.

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haben dürfte und erst viele Jahre später wieder hervorgekommen ist. Mit dem neuen Anwachsen der Bevölkerung wird die Größe der Weiden auch wieder gewachsen sein, denn bis heute hat ein Hirte immer die Axt in der Hand, und im Vorbeigehen muss hier und da eine kleinere Tanne dran glauben.

Rumänische Hirten zwischen Mühlbach/râul Sebeș und Alt/Olt Das Gebiet zwischen dem Mühlbach/Sebeș und dem Altdurchbruch umfasst mehrere Gebirgsmassive: das Zibinsgebirge (heute Munții Cindrel), das Lotru-Gebirge (Munții Lotrului und Munții Latoriței) und das Căpățâna-Gebirge (Munții Căpățânei). Es ist ein weitgehend bewaldetes Gebiet, auf dessen sanften Kämmen sich Almen befinden. Im Mittelalter konnten sich die Hirten mit ihren Herden auf Gebirgspfaden und Schaftrieben, die nur sie kannten, in schwer zugängliche, ja unbekannte Gegenden zurückziehen, um später aus diesen Rückzugsgebieten wieder in Erscheinung treten. In einer unruhigen Zeit bot ihre große Mobilität merkliche Vorteile. Dazu waren sie die idealen, mitunter einzig möglichen Grenzwächter, denn ihre Aufenthaltsorte sicherten eine gute Übersicht über Berge und Täler. So war der Staat auf sie angewiesen und musste ihnen auch in juridischer Beziehung entgegenkommen.490 Anders als die Bevölkerung der Ebene, die leicht in eine Abhängigkeit und später in die Hörigkeit absank, bestand diese Gefahr für die Gebirgsbewohner nicht. Sommers waren die Hirten auf den Hochalmen und winters meist in submontanen Gebieten, wo sich ihre Siedlungen und auch Felder befanden; sie mussten im Allgemeinen kaum in die Senken herunterkommen, so dass ein Vordringen der Magyaren und ihrer Hilfsvölker sie nur in geringem Maße betraf. Die Zahl der rumänischen Hirten war bedeutend und dementsprechend wurden sie zusammen mit Sachsen, Szeklern und Petschenegen im Aufgebot des Comes Joachim von 1210 genannt.491 Später gab es sogar einen hohen Geistlichen der „Schaftriebe“ („exarh492 […] al plaiurilor“).493 Erst als die Bevölkerungszahl eine gewisse Grenze überstieg, sahen sich Hirten genötigt abzuwandern, obwohl das Gelände unter dem Gebirge in Gemarkungen aufgeteilt war.494 Entsprechend den geographischen Gegebenheiten gibt es eine Dreiteilung des Gebietes. Die Grenzverteidigung, S. 120. Nägler, Die Ansiedlung, S. 111, mit Bezug auf DIR, C, sec. XI, XII, XIII, I, S. 338. 492  Als exarh gilt ein Geistlicher im Rang zwischen Metropolit und Patriarch. 493  M. Păcurariu, Istoria bisericii, S. 68. 494  G. Müller, Die ursprüngliche Rechtslage, S. 110-155, 188, 190, 210. 490  I. M. Țiplic,

491  Th.

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Dabei kam der Mărgi­nimea Sibiului eine besondere Bedeutung zu. Zwischen dieser und der späteren Kleinen Walachei gab es nämlich einen Saumpfad; fast auf seiner ganzen Länge verlief er auf einem sanften Kamm, dessen Almen sich als Schafweiden eigneten. Östlich und westlich davon verliefen drei tief eingeschnittene Quertäler, die eine Überwindung des Gebirges abseits des Kammes wesentlich erschwerten (Abb. 112). Auf siebenbürgischer Seite begann der Saumpfad ursprünglich wohl in Săliște/Großdorf (Magna Villa Valachicalis). Es war der Plaiul Săliștei, also ursprünglich ein Schaftrieb, in den später auch die Saumpfade der andern Mărginime-Dörfer mündeten. Ein Vergleich der Flächen, die zur eigentlichen Mărginime gehörten, mit seinen Geländegegebenheiten lässt erkennen, dass der Plaiul Săliștei dem „Plaiul mare“ zugerechnet wurde, der seinerseits in den „Drumul mayre all munteluy“ mündete, der von dem Durchgang bei der Prigoana unter dem Piscul Vulturului auf dem Kamm zwischen Dobra-Tal und Zibinstal (Linie  1) durch den Cindrel-Șteflești-Sattel (Linie 2) über die Piatra Albă zur Obârșia Lotrului (Kontroll-Linie 3) und von dort in die Walachei führte.495 Nach der lokalen Über- 112. Barrieren des Zibinsgebirges (nach Historischlieferung soll es sich im Landeskundlicher Atlas von Siebenbürgen).  1 Dobra­tal – Zibinstal (Râul Mic), 2 Frumoa­satal – Fall von Săliște ursprüng- Zoodtal, 3 Tal des Jiul Unguresc – Lotrutal; denkbare Begrenzungen (Verhaue). lich um eine Streusied 

495  Nicht weit oberhalb des Sattels, den wir als „Durchgang“ bezeichnen, gab es am Duș bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ein „Finanzwachthaus“ Österreich-Ungarns. Im Stuhlsbuch von Seliște heißt es 1630, „Fußsteig […], so ausgehet von Kakova […] zum Ibergang ins Hohe Gebürg […] genand Poticul, zis Padossul Sibieluluy“ [K. Niedermaier, In der Silva Blaccorum et Bissenorum, S. 116, 122]. Andere Finanzwachhäuser gab es unterhalb der Piatra Albă in der Nähe des Cindrel-Șteflești-Sattels.

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lung gehandelt haben, die „Colibari“ hieß.496 Erst später übersiedelte die Bevölkerung der Mărginime-Dörfer (Cacova/heute Fântânele, Sibiel, Vale, Foltești/Săliște und später auch Galeș und Tilișca) an den Fuß der Berge, in die heutigen Weichbilder der Dörfer.497 Oben werden die Dör113. Zugehörigkeit von Wäldern und Almen in fer aus Einzelhöfen bestanden verschiedenen Höhenlagen (nach G. E. Müller, haben, die in einer Höhenlage Siebenbürgens Stühle). von 600-1300 m verstreut lagen. In deren Nähe wurde auch Ackerbau getrieben, und zwar nach einem ganz andern Kalender als unten im Flachland.498 Die Almen befanden sich in Gemengelage (Abb. 113), jedoch zum Teil weitab des Dorfes499 – bis in über 2000 m Höhe (auf Abb. 112 zwischen Linie 2 und 3). Wie die Gehöfte über die Hochfläche weit verstreut lagen (Abb. 111), so waren auch die späteren Dörfer am Fuße der Berge zunächst Streusiedlungen. Sowohl oben als auch unten betrieben die Bewohner Landwirtschaft und ihre Gemarkungen breiteten sich auch in die Ebene aus. Sie schieben sich zwischen den Reußmarkter Stuhl des Unterwaldes und den Hermannstädter Stuhl hinein. Dies spricht nicht nur für eine frühe Anwesenheit der Rumänen „über dem Wald“ (als Ortsbestimmung im Vergleich zu den Dörfern „unter dem Wald“), sondern auch für deren konkrete Einplanung als Grenzwächter in das ungarische Verteidigungssystem Südsiebenbürgens.500 Dieses sicherte ihnen gewisse Privilegien, die sie lange Zeit behielten und auch eine gewisse Autonomie der Verwaltung.501 Es entstand ein Geflecht von Interessen, das u. a. 1224 den Sachsen die Mitbenutzung der „Silva Blacorum et Bissenorum“ zusicherte.502 Entsprechend ist zu vermuten, dass deren Besitzer beim Vordringen der Ungarn beziehungsweise zwischen Szeklern in Südsiebenbürgen mit

Lupaș, Săliște, S. 3. Lupaș, Câteva pagini, S. 3; I. Moga, Marginea, S. 4. 498  K. Niedermaier, In der Silva Blacorum et Bissenorum, S. 119. 499  R. V. Totoianu, Civilizația agrară în Mărginimea Sebeșului. Studiu de caz: Păstoritul, Dis­ sertation, Ms., Alba Iulia 2017, Karte 5. 500  I. M. Țiplic, Die Grenzverteidigung, S. 120-123. 501  I. M. Țiplic, Die Grenzverteidigung, S. 124. 502  F. Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 35. 496  I. 497  I.

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114. Kritischer Bereich: Mărginimea Sibiului (nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus).  leicht zu verteidigende Begrenzung;  Landstraße, Schaftrieb. Es ist zu beachten, dass das Gebiet zwischen Jina, Poiana Sibiului, Tilișca, Săliște und dem Dobraund Zibinstal nur in geringem Maße bewaldet ist; dort gab es Hirtengehöfte, die auch ganzjährig bewohnt waren.

diesen ein Übereinkommen getroffen haben, das nicht nur die Gebirge betraf, sondern auch die Gemarkungsteile in der Ebene.503 Nach K. Horedt handelte es sich im Fall der Mărginimea Sibiului um ein frühes Lehen der ungarischen Krone,504 das den Wojewoden der Walachei erteilt wurde – was für eine alte Zusammengehörigkeit mit südlichen Gebieten sprechen dürfte. Eine besondere Bedeutung kommt dem Vermerk einer Chronik zu: Otto von Bayern, ein Anwärter auf den ungarischen Königsthron nach dem Aussterben der Arpaden, soll 1307/1308 bei seiner Ankunft in Siebenbürgen von dem Wojewoden Ladislaus Kán gefangen genommen und einem „Herzeg“ der Walachen zugeschickt worden sein, der im „Über wald“ herrschte.505 Dieser soll Herr über das „Walachenland“ 503  Die Erstreckung der Gemarkungen in der Ebene ist ein Anzeichen für das Alter der Dörfer. 504  K. Horedt, Siebenbürgen im frühen Mittelalter, S. 152. 505  In der rumänischen Historiographie wurde immer wieder über den Begriff „über wald“ und seine Lokalisierung gerätselt; um dem Namen einen Sinn zu geben, wurde dabei „über“ mit „jenseits“ übersetzt; was nicht hingenommen werden kann. Der Name „Unterwald“ des westlich an die Mărginime grenzenden Gebietes, des Reußmarkter Stuhls, ist kaum bekannt

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gewesen sein, wobei die Beziehungen zum Wojewoden Ladislaus Kán das Ansehen der Walachen bezeugen.506 Die Verwahrung Ottos von Bayern setzte einen festen Sitz dieses Wojewoden der Mărginime voraus. Ein solcher ist jedoch unbekannt; möglicherweise war es die Burg „Salgo“, die sich auf der Gemarkung von Sibiel, also in der Mărginime befand. Talmescher Bereich. Offenbar gab es außer der relativ klar geregelten Lage der „Mărginimea Sibiului“, die unmittelbar zum strategischen System der Grenzverteidigung gehörte, auch andere Gebiete, für die Regelungen nicht bekannt sind. Wichtig ist eine solche vor allem für das Gebiet von Gura Râului bis Boița. Aus einer etwas späteren Zeit, um 1383, wissen wir, dass die Bewohner dieser Gegend Wachdienst auf den Gebirgen bei Talmesch zu leisten hatten.507 Dabei haben zwei Orte eine besondere Bedeutung. Der eine ist Rășinari, ein Dorf, das sich am Ende eines wichtigen Verhaues Hermannstadt – Schäßburg befindet (Abb. 155-157). Hier beginnt der „plaiul Rășinărenilor“, der über den „Plaiului“-Berg und den „Beșineu“ (etwa 1950 m) zum Cindrel verläuft. Da der „Petschenegenberg“ nur schwer von anderswo zu erreichen ist, stellt sich die Frage, ob diese Petschenegen (als typische Grenzwächter) nicht aus Rășinari stammten – einem Ort von übermäßiger strategischer Bedeutung? Möglicherweise gab es andere aber auch in Zood/Sadu, die den Bergrücken beim „Voinagul Cătănești“ zu verteidigen hatten. Der zweite wichtige Ort war Talmesch. Nach neueren Forschungen soll er petschenegischen oder kumanischen Ursprungs sein. Da er nahe des Nordendes des Roten-Turm-Passes lag, hatte er gewiss wichtige Funktionen im Rahmen der Grenzwacht. Die sächsische Ansiedlung fand zu Beginn des 13. Jahrhunderts statt.508 Noch näher am Passausgang befindet sich Boița, dessen Name slawischen Ursprungs sein dürfte. Das gesamte Gebiet bis zur Mărginime, in dem die Rumänen die Grenzwacht sicherzustellen hatten,509 unterstand einem „comes alpinum

und mithin auch die genaue Entsprechung „Unterwald“ – „Überwald“. Zwischen beiden gibt es bis heute teilweise einen Waldstreifen und eine nennenswerte Höhendifferenz. Siehe dazu V. Spinei, Moldova, S. 192. 506  Von den vielen Werken zitieren wir hier Istoria Românilor, III, S. 570, 571. 507  F. Zimmermann, C. Werner, G. Müller, Urkundenbuch, II, S. 565, 566. 508  Hinweise darauf verdanke ich A. Thudt † (vom Siebenbürgisch-sächsischen Wörterbuch), die auf mundartliche Verbindungen mit dem sächsischen Dialekt des Burzenlandes hinwies. 509  G. Müller, Die ursprüngliche Rechtslage, S. 119.

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nostrarum“.510 Ob diese Funktion zeitweise dem „comes Corlardus de Tolmach“ zukam, ist ungewiss. Sicher hatte dieser aber schon vor 1265 die „terra Loysta“ (țara Loviștei) inne,511 die eine Grenzmark bildete, und zwar „ab aqua Lothur […], quae fluit ad aquam Olth“, oberhalb der Alt-Engstelle „Masa lui Traian“. Da der Bereich zwischen Mühlbach und Alt feste Grenzen hatte, ergaben sich durch das Bevölkerungswachstum gewisse Proble­me. Im Gefolge der Privilegien für die Nutzung der „silva Blacorum et Bissenorum“ erwiesen sich, nach Unruhen 1383, genauere Regelungen für den Hermannstädter Stuhl als nötig, wobei Hermannstadt, Heltau und Großau eine besondere Rolle zukam – also den Orten, deren Gemarkung bis ins Gebirge reichte; die Verhandlungen betrafen vor allem die Nutzung von Weiden und den Wachdienst auf den Gebirgen bei Talmesch.512 Im Falle einiger Orte war eine Vergrößerung des Dorfes möglich, was im Fall von Săliște beispielhaft gezeigt wurde.513 Es mussten aber auch neue Orte gegründet werden und das war nur auf den Gemarkungen älterer Dörfer möglich. G. Müller spricht von Kreis- und Gemeindezubehören, wobei auch von „Schutzverhältnissen“ die Rede ist.514 So entstanden vor allem Orte, in denen neue Bewohner unterkamen: Tab. 2: Siedlungen auf älteren Gemarkungen. Ältere Gemeinde

Siedlung abgestiegener Bergbewohner

Dobring/Dobârca

Poiana Sibiului

Großau/Cristian*

Gura Râului*

Großpold/Apoldu de Sus

Rod

Heltau/Cisnădie

Zood/Sadu

Kelling/Câlnic

Deal

Neppendorf/Turnișor

Poplaca

Rumes/Romos

Woiwodeni, Romoșel

Urwegen/Gârbova

Cărpiniș

* Gura Râului („Insula minor“) ist als erstes Dorf des Gebietes urkundlich erwähnt; das benachbarte Dorf Großau erscheint unter dem Namen „Insula maior“.

510  I. Lupaș, Săliște, S. 4, 5; I. Moga, Marginea, S. 10, 11; F. Michaelis, Aurel Decei, Cetatea Salgo de la Sibiel, S. 366. 511  F. Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 94, 95; siehe auch ebenda, S. 58. 512  F. Zimmermann, C. Werner, G. Müller, Urkundenbuch, II, S. 565, 566. 513  P. Niedermaier, Geneza orașelor medievale, S. 85, 92, 93, 253. 514  G. Müller, Die ursprüngliche Rechtslage, S. 155.

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Rumänen der Altsenke/Țara Oltului In einer Urkunde von 1231 heißt es: „terra Blaccorum terra Bulgarorum exis­ titisse fertur, ad ipsam terram Fugros tenta fuerit“.515 Daraus ist zu schließen, dass die Fogarascher Senke zu Beginn des Jahrtausends dem Ersten Bulgarischen Reich zugehörte, was auch die spätere Bindung an die Walachei erklärt. Über das Gebirge gab es zwei Saumpfade: einen gut gangbaren von Recea oder Breaza in Richtung Langenau/Câmpulung und einen Weg (einen Karrenweg oder Saumpfad) aus der gleichen Gegend über die Törzburger Hochfläche nach jenseits der Karpaten. Dazu kam noch ein schlechterer Saumpfad von Ucea de Sus nach Curtea de Argeș. Das Gebiet war größtenteils von Rumänen bewohnt, wobei sich der Etymologie der Ortsnamen entsprechend eine kompakte Siedlungsgruppe zwischen Sâmbăta und Mândra abzeichnet. Dort ist die Senke besonders breit und die Siedlungsdichte ungewöhnlich groß, d. h. der Abstand zwischen den Ortschaften klein (Abb. 116-118). Östlich von Râușor-Hârseni ist die Anordnung der Siedlungen viel schütterer und Ähnliches gilt auch für das Gebiet westlich von Sâmbăta. Dadurch ist das Gepräge des Altlandes uneinheitlich. Bedingt durch die Nähe des Gebirges und das dort zur Verfügung stehende Holz war die Fogarascher Senke kaum bewaldet. Das war nicht immer so. Zwar war das Șinca-Tal schon im 18. Jahrhundert waldfrei, doch werden dort die Rodungen schon früh erfolgt sein. Westlich des großen Wald­ gebie­tes bei Schirkanyen begann das waldfreie Gebiet und dort gab es schon zur Zeit der Josephinischen Landesaufnahme zwischen den Ortschaften keine Wälder, sondern nur Felder und Weiden. Noch weiter westlich erscheint die Landschaft im 18. Jahrhundert ganz anders: von Drăguș bis zum Roten-Turm-Pass bedeckten Wälder und verbuschte Bereiche große Flächen (Abb. 115). Dazu schrieb Horedt 1986: „Ungewöhnlich ist der Schatzfund von 1882 bei Streza-Cârțișoa­ra […]. Er kam in einer im allgemeinen fundarmen oder fundleeren Gegend auf der Fogarascher Hochebene […] zum Vorschein.“516 Der Fund stammt aus der zweite Hälfte des 12. oder aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und steht dementsprechend mit der Erweiterung des ungarischen Gebietes in Südsiebenbürgen bzw. mit der Ansiedlung der Sachsen in Verbindung. Zusätzlich ist festzustellen, dass dort der Kamm des Fogarascher Gebirges, zwischen 515  F. Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 55. Nach J. Karácsoni, A hamis hibás­ keltű, S. 14, soll es sich bei der Urkunde um eine Fälschung handeln, doch waren auch Fälscher daran interessiert, Dinge in ihre Schriftstücke zu schreiben, die damals plausibel und nicht abwegig waren. In der Urkundensammlung DIR (C, I, S. 350) wird die Urkunde als „fraglich“ bezeichnet. 516  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 150.

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dem Frecker See und dem Sâmbătatal, besonders felsig und nur schwer zu überqueren ist. Versucht man die obigen Angaben zusammenzufassen, so ergibt sich eindeutig ein Kern der Siedlungskammer südlich von Fogarasch (wo sich vielleicht auch ein Keans-Sitz befunden haben könnte; auf einer Karte lokalisiert Șt. Pascu einen solchen im Süden des Banates). Nach der Etymologie 115. Westteil der Fogarascher Senke (Josephinische der Ortsnamen von Walter Landesaufnahme). Untere Ortschafts­reihe: Scheiner (Abb. 104) sind die 1 Sâmbăta de Jos, 2 Olteț (Beșimbac), 3 Viștea de Jos, Namen rumänischen Ur- 4 Ucea de Jos, 5 Arpașul de Jos; 6 Corbi; obere Reihe: 7 Sâm­băta de Sus, 8 Drăguș, 9 Viștea de Sus, sprungs. Cârțișoara selbst, 10 Ucea de Sus, 11 Arpa­șul de Sus. mit seiner Diminutivform des Namens Kerz/Cârța, gliedert sich in die Reihe unmittelbar unter dem Gebirge gelegener Ortschaften ein (vgl. Abb. 115, Nr. 7-11). Diese waren wohl Tochtersiedlungen der älteren Dörfer in der Nähe des Altflusses, wo auch das Petschenegendorf Beșimbac/Olteț lag (in Abb. 115, Nr. 2). Ganz ähnlich ist, nach Google Earth, das Bild der heutigen Verbreitung von Feldern – also der eines intensiven Ackerbaus: Er deckt sich weitgehend mit den früh unbewaldeten Flächen. Dagegen sind die seit dem 18. Jahrhundert gerodeten Gebiete heute fast ausschließlich Weideland. Unklar ist das Ausmaß von Feuchtgebieten. Nach dem allgemeinen Profil des Zisterzienserordens lag Kerz gewiss in einem solchen. Doch auf der Josephinischen Landesaufnahme sind in der Forgarascher Senke Gebiete dieser Art nicht klar kenntlich. Entlang des Alt-Flusses wird es jedoch solche gegeben haben und bei Mândra gab es sogar einen Sumpf. Doch unabhängig von der Besiedlungsdichte zählte das Gebiet südlich des Alt-Flusses den Rumänen zu – wie aus einer Urkunde von 1223 hervorgeht, wo es vom Gebiet des Klosters Kerz heißt: „terram quam prius eidem monasterio contuleramus exemptam de Blaccis“517. Nach der Etymologie von Ortsnamen ostwärts der Alt-Senke gegen den Königstein (Piatra Craiului) setzten sich im Gebirge die Almen zwar 517  F.

Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 27.

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fort, doch befindet sich dort, südlich des Kammes, das tief eingeschnittene Dâmbovița-Tal, das einen Übergang nahezu unmöglich machte; so gab es hier eine gut geschützte Grenze Siebenbürgens. Ähnliches gilt auch für den Westteil des Fogarascher Gebirges. Südlich der schon erwähnten Wälder der Altsenke war der Kamm überaus felsig, und zwar zwischen dem Sâmbătatal und dem Porumbacer Tal, genauer: zwischen den Colții Bălăceni (2285 m) und der Șerbota (2123 m). Dort war der Kamm nur schwer zu überqueren und bildete dementsprechend einen guten Schutz. Da dieser Teil des Gebirges auch für Weidewirtschaft nicht so günstig war wie jener bei Fogarasch, bildete er zusammen mit den Waldungen einen gesonderten Teil der Senke. Dieses bedeutete eine Kontrolle der Verbindungen sowohl zwischen der Altsenke und Reps als auch entlang des Șinca-Baches in Richtung Zărnești und Kumanien (Walachei). Zugleich bedeutete die Grenzziehung eine Verkleinerung des rumänischen Gebietes. Nach dem Abzug des Ritterordens und dem Mongoleneinfall von 1241/42 fiel das Gebiet zwischen dem Kamm des Perșaner Gebirges und Schirkanyen wieder an die Altsenke. Im Ganzen zeigt die Verteilung verschiedenartiger Siedlungen im 12.14. Jahrhundert, dass dieses rumänische Gebiet („terram […] Blaccis“) allmählich eingekesselt wurde. Die Altlinie wurde auf der Nordseite durch einen Verhau und Erdburgen befestigt,518 wobei den Furten wohl eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Mit der Ansiedlung des Deutschen Ritterordens im Burzenland kam es zu einer engeren Begrenzung dieses Gebietes: Die Grenze des Ordensgebietes wurde nämlich nicht auf dem Kamm des Perșaner Gebirges festgelegt (der eine natürliche Grenze gebildet hätte), sondern westlich davon, bei Schirkanyen. Dadurch lag nun sowohl das südliche Altufer bei dem Kumanendorf Comana als auch der Șinca-Bach auf dem Gebiet des Ritterordens. In der Nähe des Roten-Turm-Passes geschah Ähnliches. Dort wurde die sächsische Siedlung Freck gegründet, die mit ihrer romanischen Kirche auf das 12./13. Jahrhundert hinweist, und daneben gab es das Szeklerdorf Sebeș und das Slawendorf Racovița. Diese bildeten eine Begrenzung gegen den Roten-Turm-Pass. Es gab aber auch Rumänen in den Dörfern. Für Freck, das zum Hermannstädter Stuhl und zum Propstei­gebiet gehörte, wissen wir, dass in der Frühen Neuzeit die Hälfte der Altschaft von Rumänen und die Hälfte von Sachsen gebildet wurde; der Bürgermeister war abwechselnd ein Sachse und ein Rumäne. Es ist wohl eine Ausnahme­situation. Es ist nicht ausgeschlossen, dass verschiedenartige Bedrängungen zu großen Unruhen führten und diese weiter zum „descălecat“ beigetragen 518  P.

Niedermaier, Habitatul medieval, S. 51 (Abb. 26).

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116. Dichte der Ortschaften in der Fogarascher Senke.  Namen von Tochter­siedlungen oder Namen mit Diminutiv.

117. Gemarkungen der Ortschaften in der Fogarascher Senke (nach Atlas von Siebenbürgen, dem auch die Nummern der Ortschaften entsprechen).

118. Die Fogarascher Senke (Josephinische Landesaufnahme). A Westgrenze um 1170, B Ostgrenze 2011, C spätere Ostgrenze.

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119. Potentieller Weg des Radu Negru? (Hintergrund Tourismuskarte)

120. Verbreitung des Namens „Radu“ (Neg­ ru?) im Gebirge bei Breaza (Tourismuskarte)

haben – einem Überwechseln von Radu Negru (Negru Vodă) in die Walachei – und zwar im 13. Jahrhundert, einer Zeit starken Bevölkerungswachstums. In der Fogarascher Gegend gab es einen leichten und wichtigen Karpatenübergang in die Walachei, von Recea oder Breaza über das Iezer-Gebirge nach Langental/Câmpulung – einen Übergang, der, zumindest später, auch durch eine Burg bei Breaza abgesichert war (Abb. 119). Wenn einstmals die Siedlungskammer von Fogarasch enge Verbindungen zu dem Bulgarischen Reich hatte, muss es auch eine günstige Verbindung nach Süden gegeben haben. Da der Rote-Turm-Pass weitab lag und auch der Törzburger/ Giu­vala-Pass nicht leicht zugänglich war, dürfte die Südverbindung über das Iezer-Gebirge ein alter, wohlbekannter Weg gewesen sein. Da aus dem Foga­rascher Gebiet eine Auswanderung in die Walachei stattgefunden haben soll, die mit der Gründung der Walachei im Zusammenhang steht, fand diese wohl auf der Iezer-Route statt. Eindeutig ist die Verbindung relativ geradlinig. In der Nähe des Hauptkammes gibt es bis heute Namen, die auf einen „Radu“ hinweisen: „Valea Radului“ (Radus Tal) und „Șaua Radului“ (Radus Sattel); dazu war früher auch „Curmătura Radului“ (Radus Bergsattel) gebräuchlich519 (Abb. 120, heute „Curmătura Brătilei“). Diese 519  A. B. Szalay, Der Kamm des Fogarascher Gebirges, S. 73, 74.

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ungewöhnliche Häufung des Namens Radu dürfte auf eine besondere Persönlichkeit hinweisen, die hier große Weideflächen besaß. Sollte es sich dabei um den legendären „Radu Negru“ handeln, der den „Descălecat“ anleitete, so wird dieser ein bedeutender Mann gewesen sein, der Besitzer großer Schafherden, ein „Vodă“. Nach einigen soll der Lokator eine hervorragende Persönlichkeit, ein „Herzeg“ der Mărginimea Sibiului520 gewesen sein, der 1290 in die Walachei übersetzte. Dass es dort zehn Jahre danach einen Komes aus Siebenbürgen gegeben hat, der die nötigen Mittel für eine Grabplatte hatte, legt den Gedanken einer politischen Verständigung zwischen einer wichtigen siebenbürgischen Institution und Radu Negru nahe, ähnlich den späteren Ereignissen in der Moldau. Möglicherweise unterstützte der König oder Wojewode Siebenbürgens auch materiell die Vorgänge, um dadurch vielleicht eine Erweiterung der Machtstrukturen jenseits der Karpaten zu erzielen. Es wird kein Zufall sein, dass dabei die Wahl auf einen Rumänen gefallen ist, der bei der Bevölkerung südlich der Karpaten eher Vertrauen erweckte. Als Auswanderer kamen vor allem die Rumänen des Fogarascher Landes in Frage, deren Zahl immer mehr anwuchs und die, auch als ein Rest bulgarischer Machtstrukturen, für den ungarischen Staat so problematisch waren, dass er gegen sie Burgen und einen Verhau anlegen ließ. Es könnte also gleich zwei Motive gegeben haben, die für einen solchen „Descălecat“ sprechen.

Mocani der Törzburger Gegend Bei der Verleihung des Burzenlandes an den Deutschen Ritterorden ist 1211 als Südostgrenze des Ordensgebietes der Tatrang-Bach erwähnt. Von der Quelle des Tatrang verläuft die Begrenzung zur Quelle des Tömösch-Baches – gewiss auf dem Kamm, also entlang der natürlichen Grenze gegen Kumanien, der späteren Walachei. Der nächste in der Urkunde angegebene Grenzpunkt ist die „Mündung der Burzen“ („efflu­xum aquae, quae Borsa nominatur“) und von dort ging die Begrenzung hinauf ins „Schneegebirge“. Bei der „Mündung der Burzen“ kann es sich unmöglich um die Mündung in den Alt gehandelt haben, die sich anderswo befindet, sondern nur um den Zusammenfluss von zwei Bächen, von denen einer schlechthin als „Burzen“ bezeichnet wurde. Irgendwo ist also die Grenze vom Kamm (von der Quelle des Tömösch) hinunter in die Ebene des Burzenlandes verlaufen, um dann in der Nähe von Zărnești den Zusammenfluss der „Bârsa Fierului“ mit der „Bârsa Groșetului“ zu erreichen. Die spätere Grenze des Königsbodens (Abb. 121) dürfte einen Anhaltspunkt auch für den genaueren Verlauf der Begrenzung von 1211 bieten. 520  Siehe dazu

V. Spinei, Moldova, S. 192.

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Zunächst verlief die Grenze weiter am Kamm bis zum Omu im Bucegi-Gebirge, dann verfolgte sie einen Ausläufer nordwärts, in die Ebene des Burzenlandes, und schließlich finden wir weiter die Grenze auf dem Kamm neben dem westlichen Burzenarm, der Bârsa Fierului. In der Urkunde von 1222 ist zusätzlich auch die Quelle der 121. Törzburger Hochfläche (nach G. Müller, Burzen angegeben. Siebenbürgens Stühle). Zwischen der Begrenzung des Ritterordens-Gebietes (der spätere Kronstädter Distrikt) und dem Hauptkamm der Südkarpaten, also der Wasserscheide zwischen Alt und Ialomița, befindet sich auf der Törzburger Hochfläche nördlich des „Giuvala“-Passes ein Gebiet, das weder zum Ordens­gebiet noch zum Weißenburger Komitat gehörte (später Teil des Törzburger Dominiums bzw. der Besitzungen der Stadt Kronstadt.) Dies ist nur dadurch zu erklären, dass es 1211 schon Regelungen mit den Bewohnern der Törzburger Hochfläche als Grenzwächter gab. Es waren gewiss die später ansässigen „Mocani“, rumänische Hirten,521 die in einer Siedlungskammer von vor Beginn des 13. Jahrhunderts lebten.522 Heute gibt es dort zehn Dörfer. Sie bestehen aus weit verstreuten Ge­ höften, die zum Teil in neuerer Zeit in den Tälern zu waldhufenartigen Dörfern zusammengewachsen sind, auf den Hochflächen jedoch als Streusiedlungen erhalten blieben (Abb. 122). Die Mocani („Kalibaschen“) beschäftigten sich vor allem mit Weidewirtschaft. Später gab es Mocani auch in anderen Dörfern des Burzenlandes – etwa in den Sieben Dörfern. Die Mocani der Törzburger Gegend und jene, die später von dort in die Ebene wanderten, sind von den Mocani der Siebenbürgischen Westgebirge zu unterscheiden. Im Gelände gibt es einige schwerer zu überwindende Stellen, aber die eigentliche Sperrstufe befindet sich südlich der Wasserscheide, oberhalb von Podul Dâmboviței. Dort stand auch eine kleine Burg, die bei der Steilstufe die „Königsbrücke“ absicherte. Dort war die Königsstraße sehr steil und deswegen zwischen den beiden tiefen Rillen der Wagenräder in Treppen aufgelöst.523 521  In der späteren Tradition galten die „Mărginime“ und die „Mocănime“ als Inbegriff rumänischer Hirtenreviere. 522  Siehe dazu auch O. Mittelstrass, Beiträge zur Siedlungsgeschichte, S. 25. 523  H. Wachner, Kronstädter Heimatbuch, S. 140, 141.

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122, 123. Törzburger Hochfläche mit Steilstufe oberhalb von Podul Dâmboviței (Atlas von Siebenbürgen).

Slawen Slawen allgemein Die große Verbreitung der Slawen in Siebenbürgen ist hinlänglich bekannt; selbst Namen größerer Gebiete sind im Kontext dieser Bevölkerung zu sehen, so jener des Poiana-Rusca-Massives oder jener des Komitates Krasna.524 Auch Anonymus erwähnt „Schavi“ und „Bulgari“. Ältere Siedlungshorste und deren Tochtersiedlungen können jedoch als solche nicht eindeutig bestimmt werden: Slawen waren in Siebenbürgen weit verbreitet, aber diesbezüglich fehlen genauere Untersuchungen. Bezüglich Nordsiebenbürgens, östlich der Heide, verweist z. B. Richard Csallner auf ein Zurückdrängen der ansässigen Bevölkerung aus der Ebene in gebirgige Gegenden: am Unterlauf von Tälern seien vor allem rumänische Flurnamen verbreitet, weiter oben slawische.525 Es ist auch vom Einsickern dieser Bevölkerungsgruppe über die Ostkarpaten die Rede.526 Eine große slawische Bevölkerungsinsel Siebenbürgens hat sich im Südwesten Siebenbürgens befunden. Dort lief die Beförderungsroute des Salzes durch, so dass Bulgaren sowohl am Miereschtal als auch an der Hatzeger Senke ein besonderes Interesse hatten. Dazu bemerkte Radu Popa: „ein großer Teil der Hatzeger Flurnamen, der Namen von Gewässern und Siedlungen geht auf Appellative aus slawischen Sprachen zurück“.527 Die Gegend von Weißenburg ist der wärmste und trockenste 524  Krazna

ist dem slawischen kpacный – rot zuzuordnen. Csallner, R. Huss, Flurnamen des Nösnergaues, S. 98-132. 526  Kurze Geschichte Siebenbürgens, S. 98, 99. 527  R. Popa, La începuturile Evului mediu românesc, S. 51. 525  R.

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124. Landschaft oberhalb von Săliște.

Teil Siebenbürgens, der sich besonders gut für Ackerbau eignete; so gibt es dort besonders viele Siedlungsnamen slawischer Herkunft (Abb. 104).528 Nach archäologischen Funden erstreckte sich das slawische Gebiet entlang des mittleren Mieresch und im Kokeltal bis wenig jenseits von Pretai.529 Weiter südlich waren die Slawen auch in der Zibinsebene verbreitet; vor allem in der Hermannstädter Gegend wurden zahlreiche Funde aus dieser Zeit gemacht – so bei Kleinscheuern/Șura Mică. Erinnerungen an Siedlungen solcher Gemeinschaften haben sich auch in Doppelnamen von Dörfern erhalten – wir erinnern z. B. an Hammersdorf (villa Humberti)/Gușterița. Maior J. identifizierte auch ein Netzwerk solcher Siedlungen rund um einen zentralen Ort: „Reußmarkt“/Miercurea Sibiului.530 Die gesamte Ortschaft war auf einen sehr großen Marktplatz ausgerichtet, der sich mit seiner Begrenzung von sächsischen Anlagen grundlegend unterscheidet (Abb. 150).531 Nach dem Eindringen von Szeklern und der Anlage eines Verhaues in der Nähe des Marktfleckens, wurde dessen zentralörtliche Funktion empfindlich gestört. Anscheinend wurden die Slawen auch andernorts nicht gerade bevorzugt behandelt. Abgesehen von deren Verschwinden lässt sich bei Hermannstadt im Falle von „Reußdörfchen“ in der Flurgliederung eine Umsiedlung von Slawen oder die Ansiedlung von Sachsen in deren Niederlassung feststellen (Abb. 105), mit der eine kleinflächigere Neuaufteilung des Gebietes einherging. 528  W.

Scheiner, Die Ortsnamen.

529  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 60. Dazu auch Székelyföld története, I, S. 184.

530  Maior J., A magyar városok. Schon die Ortsnamen belegen einen Wochenmarkt der „Reußen“. 531  P. Niedermaier, Städte, Dörfer, Baudenkmäler, S. 101, 109.

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Der Machtbereich des Ersten Bulgarischen Reiches erstreckte sich auch auf Thorenburg – also bis zur Wasserscheide zwischen dem Mieresch- und Someschbecken, jener der Großmährer (also der Westslawen) auf das Gebiet von Deesch bzw. den Bereich des späteren Innerszolnoker Komitates. Später wurden Slawen von den Magyaren auch als Grenzwächter benutzt. Am Eingang in den Roten-Turm-Pass gibt es zwei Dörfer, „Racovița“ und „Boița“, deren Namensendungen für eine solche Zugehörigkeit sprechen, doch reichen diese nicht für eine Verallgemeinerung aus; es wird sich aber auch bei den Slawen um einzelne Siedlungshorste gehandelt haben.532

Bewohner der „Belgereien“ Bulgaren drangen im 9. Jahrhundert in die Theißebene ein und ihr Machtbereich erreichte im 10. Jahrhundert die Grenze Rutheniens.533 Siebenbürgen mit seinen reichen Salzvorkommen geriet selbstverständlich auch ins Spannungsfeld zwischen dem Ersten Bulgarischen Reich und Großmähren. Abgesehen von der Machtauswirkung erhielten sich in Siebenbürgen einzelne bulgarische Siedlungen das ganze Mittelalter hindurch; selbst im Jahr 1607 beklagten sich die Bulgaren aus Baumgarten/Bungard bei Hermannstadt, dass sie von Rumänen bedrängt würden.534 Im Mittelalter wurden mitunter solche Siedlungen als „Șchei“-Viertel oder „Belgereien“ erwähnt. In drei Ortschaften des Burzenlandes ist dieses der Fall. Einen Hinweis auf ein großes Alter einer Belgerei gibt es in Zeiden/Codlea. Dort biegt die Hauptstraße des Ortes (die Langgasse) nicht an deren Ende nach Kronstadt hin ein, sondern verläuft geradlinig weiter in die Belgerei. Erst dort ändert der Verkehrsweg seine Richtung, was für die frühe Bedeutung dieses Viertels spricht. Zwei Belgereien gab es in Kronstadt; sie werden gemeinhin auf Bauarbeiter an der Schwarzen Kirche zurückgeführt, was jedoch nicht als sicher hingenommen werden kann. M. Philippi weist darauf hin, dass sich diese Viertel auf relativ ebenen, günstigen Flächen des Weichbildes befinden, die wohl vor umliegenden Straßenzügen der Oberen Vorstadt entstanden.535 Ein drittes Șchei-Viertel befindet sich am Rand von Rosenau/Râșnov, doch kann diesbezüglich keine weitere Angabe gemacht werden, weil es relativ weit von der Ortschaft abliegt und es dementsprechend keine unmittelbaren Bezugspunkte gibt. Die Nachkommen der Slawen werden in der rumänischen Bevölkerung aufgegangen sein. Székelyföld története, I, Hg. E. Benkő, T. Oborni, S. 181-183, 184. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 175, 185. 534  G. Müller, Zur ursprünglichen Rechtslage, S. 196. 535  M. Philippi, Die Obere Vorstadt; dies., Die Bevölkerung, S. 94, 108, 109, 123-125. 532  Vgl. 533  K.

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Ungarn In der eurasischen Steppe waren die Nomaden weitgehend beritten und für eine Auseinandersetzung gut ausgerüstet. Suchte ein Volk bessere Weidegründe und waren seine Stämme entsprechend geeint, so verfügte es über zahlreichere Krieger und mithin über eine starke Kampfkraft. Sind die vermuteten guten Weidegründe von einem kleineren Nachbarvolk besetzt gewesen, so wurde dieses vertrieben beziehungsweise musste sich auf Gedeih und Verderb unterordnen; es war das allgemeine Modell, nach dem immer noch ein Volk weiterwandern musste. Auch bei den Magyaren war dies der Fall gewesen. Sie selbst konnten sich die Szekler und Chabaren unterordnen, mussten dann jedoch vor anderen nach Westen ausweichen. So kamen die Magyaren mit mehreren Hilfsvölkern durch den VereckePass bei Munkács in das Karpatenbecken, wo sie sich zunächst im Nordosten des Pannonischen Beckens aufhielten (Abb. 65). Dort hatten sie größere Möglichkeiten: Während sie beritten waren, trafen sie auf eine zum Teil unberittene ansässige Bevölkerung; selbst die Nomaden der Theiß­ebene scheinen in großem Maße Schafe gezüchtet zu haben. Sie konnten dementsprechend keinen großen Widerstand leisten. Das gleiche war zunächst auch bei den westlichen Nachbarvölkern der Fall, so dass raubende Magyaren weit nach Westen vordringen konnten. Erst als die westlichen Völker und Stämme sich zusammentaten und ein großes Reiterheer aufboten, erlitten die Magyaren im Jahr 955 auf dem Lechfeld bei Augsburg eine schwere Niederlage, die sie künftig von ähnlichen Raubzügen in den Westen abhielt. Im Südosten Mitteleuropas war die Bevölkerung stark zersplittert. So schlugen die Magyaren wenige Jahre nach ihrer Einwanderung in das obere Theißbecken die dort herrschenden Großmährer, die auch die wichtigen Salzgruben bei Deesch/Dej nutzten. Dann drangen sie durch die Mesescher Pforte in Siebenbürgen ein und besetzten unter der Führung von Tuhutum dessen nordwestlichen Teil. Dieses dürfte eine wichtige Aktion gewesen sein, denn „gemäß der Genealogie Tuhutums bei Anonymus [gab es eine enge Verbindung mit dem] älteren Gyula, dem Großvater Stephans des Heiligen und Onkel des jüngeren Gyula, der seinerseits ein Vetter der Mutter Stephans des Heiligen und sein Zeitgenosse“ war.536 Nach Otto Mittelstrass drang der Stamm der Tétény nach Siebenbürgen vor, und zwar auf der alten Salzstraße. Wohl nach einer Übereinkunft mit den Chasaren, die bei Deesch und im Kalotaer Gebiet von den Mährern angesiedelt worden waren, erfolgte der Vorstoß gegen Herzog Gelou und 536  K.

Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 105.

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125. Gegenwärtiger Anteil der ungarischen an der Gesamtbevölkerung in Nordsiebenbürgen (nach T. Sălăgean). Die Südgrenze der Kartenskizze entspricht der Wasserscheide zwischen Somesch und Mieresch.

seine Rumänen. T. Sălăgean spricht von drei wichtige Talschaften, die sich im Nordwesten des Siebenbürgischen Beckens befanden: im Bereich des Agrij-Flusses, im Bereich des Nadăș-Flusses und rund um Doboka. Sălăgean bestimmte auch den Ort der Übereinkunft zwischen den Magyaren und den lokalen Kräften im Zentrum dieser Talschaften. Dort vermutet er für eine spätere Zeit eine Konzentration magyarischer Ansiedlungen (Abb. 125), ebenso im Nadăș-Tal und in der Gegend südlich von Klausenburg bis zur Wasserscheide zwischen Somesch- und Mieresch-Becken, einer Wasserscheide, die auch schon vor der Besetzung Nordsiebenbürgens eine Grenze bildete.537 Westlich von Klausenburg, im späteren Kalotaer Stuhl, wo er ebenfalls Magyaren vermutet, könnte es sich hingegen um magyarisierte Chasaren handeln. G. Kristó schließt aus der Frequenz von Flurnamen, die von ungarischen Personennamen abgeleitet wurden, auf die entsprechende Bevölkerungsdichte wie folgt: Sălajberge 25 Namen, Somesch-Hochland 33 Namen,

537  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 89. Anders die Einschätzung in: Székelyföld története, I, S. 184; siehe auch S. 119.

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Siebenbürgische Heide 70 Namen, Kokel-Hochland 15 Namen. Daraus schließt er auf ein Vordringen der Ungarn im Siebenbürgischen Becken als Teil des Landesausbaus.538 Ein bedeutender Anteil an der neuen Zugehörigkeit der besetzten Gebiete kam den adligen Geschlechtern zu. Nach einer Karte von G. Kristó (Abb. 126) war dieser Anteil vor allem 126. Beheimatung adliger Geschlechter westlich des Kleinen Somesch und des (nach G. Kristó). (Gesamt-)Somesch besonders groß, was für Veränderungen nach dem Krieg gegen Gelou spricht. Sie ist südöstlich des Kleinen und Großen Somesch merklich kleiner und nimmt südlich der Wasserscheide zwischen dem Somesch- und dem MiereschBecken weiter ab. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung erweiterte sich das Siedlungsgebiet nach Osten hin. Nach dem späteren Anteil der Ungarn an der Gesamtbevölkerung der jeweiligen Gegend, findet Sălăgean geringere Konzentrationen weiter östlich prägnant; es handelt sich um Bereiche der Verhaue bei Gherla sowie in der Nähe der Linie Uriu–Frata. Bei der Entstehung neuer Niederlassungen dürfte der Adel auch weiterhin eine bedeutende Rolle gespielt haben. Eine Kartierung der Besitze des Hochadels zeigt die große Anzahl von dessen Besitzen, nicht nur im Bereich der Verhaue, sondern bis zu den Ostkarpaten hin.539 Dieses spricht für die Rolle dieser Familien auch als Lokatoren des Gebietes. Dabei bezogen sie offensichtlich die Rumänen in den Landesausbau mit ein. Trotzdem blieben jedoch bei Bistritz große Flächen unbesetzt, die erst gegen Ende des 12. Jahrhunderts an Sachsen vergabt wurden. Vor allem nördlich des Großen Somesch sowie östlich des Schogener Baches/Șieu ist dabei der Anteil der ungarischen Bevölkerung unbedeutend. Unabhängig von der Bevölkerungszusammensetzung war die Bewirtschaftung zusätzlicher Flächen aber ein Anliegen des Landesausbaus, über den O. Mittelstraß schreibt: „Neben dem Grasland der Ebene wurden wasserreiche Gegenden und die guten Weidegründe der Eichenwälder als erstes in Besitz genommen. Am Rande der Buchenwälder läuft die Siedlungswelle aus. Später dringen die Ungarn vor allem aus Gründen der Landesverteidigung auch in diese vor“,540 wobei die Nutzung sekundär war. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 89, 90. Mittelstrass, Beiträge zur Siedlungsgeschichte, S. 95-110, Karte 10. 540  O. Mittelstrass, Beiträge zur Siedlungsgeschichte, S. 31. 538  G.

539  O.

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Die große Zahl der Flurnamen, die von Personennamen abgeleitet wurden, zeigt, dass es sich in der Siebenbürgischen Heide vor allem um Nomaden oder Halbnomaden handelte: Es war ein waldsteppenähnliches Gebiet, in dem Wald und unbewaldete Flächen gewissermaßen ein Mosaik bildeten,541 das für Nomaden oder Halbnomaden besonders günstig war, da aufwendige Rodungsarbeiten entfielen. Nach Makkai E. handelt es sich beim Vordringen der Ungarn im Norden und im Süden Siebenbürgens um zwei voneinander unabhängige Vorgänge.542 Dabei waren die anfänglichen Voraussetzungen verschieden. Südlich des oberen Teiles der Theißebene bzw. der Wasserscheide zwischen Somesch und Mieresch konnten die Krieger des Ersten Bulgarischen Reiches anscheinend den ungarischen Reitern Widerstand leisten: Sie verteidigten den Machtbereich der Bulgaren, der sich sowohl westwärts als auch ostwärts der Siebenbürgischen Westgebirge, auch nördlich des Mieresch erstreckte. Auf diesem Fluss wurde das wertvolle siebenbürgische Salz verfrachtet, das, vor allem nach Beendigung der Raubzüge in den Westen, für die Ungarn wichtig war.

Szekler Da beträchtliche Teile der Ungarn über die Theiß nach Westen gewandert waren und die Aggressivität der Magyaren nach der Schlacht auf dem Lechfeld (955) nachließ, traten anscheinend im 10./11. Jahrhundert die Ungarn in der Südhälfte der Theißebene weniger in Erscheinung. Als Hilfsvolk werden weitgehend die Szekler den Kampf gegen die Bulgaren, Rumänen und Petschenegen geführt haben, ebenso wird es auch in Siebenbürgen der Fall gewesen sein; Ortsnamen und spätere Siedlungsgebiete geben Hinweise darauf. Nach der Besetzung neuer Gebiete bewohnten nur wenige Szekler diese in der Folge selbst – einigerorts kurzzeitig. Die meisten Krieger wurden weiter ostwärts verschoben und besetzten dort andere Gebiete. Die Besiedlung der niedergerungenen Gegenden war nur begrenzt ihre Sache. Dieses geht auch aus der Verteilung der von ihnen errichteten Kirchen hervor. Wenn die Grundrisse von Daniela Marcu Istrate stimmen, und es am Westende der Kirchen in Streisângeorgiu und Sântămărie Orlea ursprünglich Herrschaftsemporen gab,543 so dürften diese beiden Bauten neben dem Weg nach Widin zunächst den Szeklern zugehört haben; 541  Heute

ist das Gebiet völlig unbewaldet. Makkai, Das Ungarntum im mittelalterlichen Siebenbürgen, S. 34, 36ff. 543  D. Marcu Istrate, Arhitectural Interferences, S. 97. 542  E.

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Siebenbürgen

nach dem Niedergang der Bulgaren und dem Verlust der strategischen Bedeutung der Orte wurden sie jedoch aufgegeben und kamen an die Rumänen. Im Süden Siebenbürgens kennen wir weiter ostwärts wenige gemauerte Bauten, die auf sie zurückgehen: in Urwegen/Gârbova (dort handelte es sich sogar um eine Basilika, die nur im Mittelschiff eine Herrschaftsempore hatte), in Reußmarkt/Miercurea Sibiului und Keinkopisch/ Copșa Mică. Die ersten beiden kamen nach dem Abzug der Szekler an die Sachsen, jene im strategisch wichtigen Kleinkopisch blieb „ungarisch“; dieses könnte am ehesten mit dem relativ kurzzeitigen Aufenthalt der Szekler erklärt werden. Im 12./13. Jahrhundert errichteten sie dann an ihrem endgültigen Ansiedlungsort, am Fuß der Ostkarpaten, zahlreiche gemauerte Kirchen – manche mit größeren Ausmaßen.544 Da die Szekler später ein fest umrissenes Territorium bewohnten, auf dem die Anzahl der Bewohner von 1241 geschätzt werden kann, handelte es sich um etwa 23.000 Menschen. Dieses lässt auf ihre Anzahl auch in früherer Zeit rückschließen: Es dürften um das Jahr 1000 etwa 7.000 Menschen gewesen sein, um 1100 rund 12.000 und um das Jahr 1200 dann 19.000.545 Mit der Niederlage der Bulgaren geriet der Transport des Thorenburger Salzes auf dem unteren Mieresch in die Hand der Arpaden. Aus der späteren Urkunde für den Johanniterorden ist jedoch zu ersehen, dass das Salz auch durch die Hatzeger Senke, das Bistra- und das Cernatal unter Umgehung des unteren Miereschabschnittes südwärts transportiert werden konnte. Da das Salz jedoch nicht nur für die Bevölkerung, sondern auch für die Krone von großer Bedeutung war, ist ein Vorrücken im Miereschtal vordringlich gewesen; die Engstelle des Mieresch-Durchbruches bei Zam sowie eine Sperre bei Brănișca in der Nähe von Diemrich/Deva konnten den massiven Vormarsch der Szekler nicht aufhalten. Charakteristischerweise befinden sich die archäologischen Funde aus dieser Zeit in der Nähe des Mieresch, die meisten zwischen Diemrich und Gâmbaș, bei Straßburg am Mieresch/Aiud (Abb. 127), also in dem Abschnitt, auf dem Salz transportiert wurde. Dazu kommen Kriegergräber bei Diemrich (am oberen Ende des Miereschdurchbruchs, wo vermutlich die Bulgaren den Vormarsch der Szekler aufhalten wollten) und in Klausenburg (dort am ehesten aus der Zeit des Krieges gegen Gelou).

Crîngaci Țiplic, The Rise of the Paris System, S. 85-87. nach den Werten des Bevölkerungswachstums in Deutschland und England in P. Niedermaier, Habitatul medieval, S. 106-108. 544  M.

545  Rückrechnung

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Nachdem das Gebiet des mittleren Mieresch besetzt war, musste der Fluss jedoch auch auf Dauer abgesichert werden und dieses geschah nach einem systematischen Plan, wobei den Szeklern gewiss die Hauptrolle zukam. Von den Gruben in Thorenburg beginnend, sind dabei mehrere Gebiete zu erwähnen: Zunächst, gleich südlich von Thorenburg, gab es ein 127. Archäologische Funde aus der größeres Szeklergebiet, den späteren „Landnahme“-Zeit (nach G. Kristó). Ariescher Stuhl. Der Vorort dieses Gebietes war Oberwinz am Mieresch (Vințul de Sus, heute Unirea), in dessen Nähe es bei Războieni Cetate, auch eine Erdburg gab. Nach dem Miereschknie, wo der Fluss nach Süden bog, lassen die Ortsnamen „Gârbova“ auf weitere Szeklersiedlungen schließen und dann gibt es drei wichtige Orte: zwei der „primi hospites regni“ (Krakau/Cricău; Krapundorf/Ighiu) und das Zentrum Weißenburg (Bălgrad, heute Alba Iulia). Wo der Mieresch westwärts bog, wird das Gebiet in einer Urkunde von 1224 als „terra Syculorum terrae Sebus“546 bezeichnet. Bei der Mündung der Straße aus der Hatzeger Senke ins Miereschtal befand sich eine dritte Siedlung der „primi hospites regni“ (Rumes/Romos) und in der Nähe, in Broos, eine bedeutende Vorsiedlung der Stadt, die wohl auch von Szklern bewohnt war. Schließlich finden sich in der Strell-Senke weitere Hinterlassenschaften der Szekler, doch kann hier nicht auf einen bestimmten Stamm geschlossen werden. Bemerkenswert sind die Standorte der neuen Niederlassungen. Von Thorenburg bis Weißenburg, wo die Straße vermutlich rechts des Mie­ resch verlief, befanden sich die Niederlassungen auf jener Seite, zum Trascău-Gebirge hin. Nachdem der Weg den Fluss überquerte, waren auch die Niederlassungen auf der linken Seite des Mieresch angeordnet, zum Mühlbacher Gebirge hin. Vermutlich drohte aus diesen Gebirgen Gefahr, die dadurch minimiert werden sollte. Die Absicherung erfolgte wohl bald nach der Mitte des 10. Jahrhunderts, als der ältere Gyula um 970 seinen Vorstoß aus der Theißebene gegen Weißenburg unternahm.

546  Urkundenbuch,

Bd. I, S. 34.

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Die Szekler der späteren Drei Stühle Nach dem Gesagten sind im Westen Siebenbürgens schon im 10. Jahrhundert vier Szeklerstämme bezeugt. Die bedeutendste Bevölkerungskonzentration dieser Art gab es zwischen den Thorenburger Salzgruben und dem Miereschtal – in dem späteren Ariescher Stuhl. Wie aus einer Urkunde von 1289 zu schließen ist, gab es dort Kisder Szekler; es heißt: „Als Belohnung für unsere Szekler haben wir mit ewigem Recht gegeben, geschenkt und überlassen das Land der Burg Thorenburg namens Aranyosch, das sich neben den Flüssen Ariesch und Mieresch befindet, Land, das zuerst König Stephan obengenannten Szeklern geschenkt hatte.“547 Es ist völlig unlogisch, dass man die wichtigen Szekler-Krieger aus der im 13. Jahrhundert noch gefährdeten Gegend von Keisd/Saschiz in ein damals schon befriedetes Gebiet umsiedelte – in den späteren Arie­ scher Stuhl. Nach den Formulierungen der Urkunde hat es sich viel eher um Szekler gehandelt, die schon im Thorenburger Komitat lebten, denen nun das von ihnen bewohnte Gebiet „geschenkt“ wurde. Dafür spricht auch die ungarische Bezeichnung des Dorfes Războieni Cetate, „Szek Földvár“, also Szekler Erdburg. Wären Keisder Szekler im 13. Jahrhundert aus Keisd in den Arie­scher Stuhl umgesiedelt worden, hätten diese so spät keine Erdburg gebaut, vor allem in einem damals schon befriedeten Gebiet Siebenbürgens. Ein Vorhandensein der (Szekler) Erdburg vor der Erteilung des Privilegs leuchtet viel eher ein. Wenn jedoch dort Szekler seit dem 10. Jahrhundert den Verbindungsweg von Thorenburg ins Mie­ reschtal frei hielten, und später ein Teil von ihnen in die Keisder Gegend und schließlich in den Kézdi-Stuhl im Osten Siebenbürgens umgesiedelt wurde, so entsprach eine solche Umsiedlung, von West nach Ost, der allgemeinen Strategie der ungarischen Landnahme. Ein Teil der Keisder Szekler wurde dementsprechend zu Beginn des 12. Jahrhunderts aus dem späteren Ariescher Stuhl in den späteren Schäßburger Stuhl umgesiedelt und schließlich, um 1200, in den Kézdi-Stuhl der Drei Stühle. Dort hatten sie eine besondere Stellung im Vergleich zu den andern zwei Stühlen: Als einziger Stamm erhielten sie ein gesondertes Archidiakonat. Aus diesem Gebiet wurde schließlich wohl auch die Senke von Kason/Cașin besiedelt. Eine weitere kompakte Gruppe wurde südlich von Weißenburg, in der Gegend von Mühlbach angesiedelt – die Sepsi-Szekler. Sie kamen möglicherweise vom Königssteig (dem Weg zwischen Großwardein und Klausenburg), wo es den Ort Nagysebes/Valea Drăganului gibt, und gehörten dann zu dem strategischen Mieresch-Netzwerk vom Ende des 10. Jahrhunderts, das den Salztransport und Weißenburg abschirmen 547  DIR,

C, sec. XIII, II, S. 313.

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sollte. Wie erwähnt, wurde ihr einstiges Gebiet 1224 den Sieben Stühlen angeschlossen. Dabei ist die Rede von der „terra Sycu­lorum terrae Sebus“,548 also vom „Szekler Gebiet des Sepsi-Landes“; demnach kam diesen Szeklern vermutlich nur ein Teil der Mühlbacher Gegend zu. In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurden in dem Gebiet auch Hospites angesiedelt und um 1200 wurde an der spätromanischen Pfarrkirche Mühlbachs gebaut. Die letzten Szekler wurden aus der Gegend um 1224 verschoben. Ein kleiner Teil von ihnen kam in die Gegend zwischen Bistritz und Regen/ Reghin (Sebiș/Felsősebes, Ruștior/Sajósebes), andere an den Westrand der rumänischen Altsenke nahe des Roten-Turm-Passes (Sebeșul de Jos/ Oltalsósebes, Sebeșul de Sus/Oltfelsősebes), und ein Dorf entstand auch am Ostrand des rumänischen Kerngebietes der Altsenke (Sebeș/Sebes). Die neuen Wohngebiete des Großteiles der Sepsi-Szekler lagen aber in den späteren Drei Stühlen, wo ihre Dörfer regelmäßig verteilt sind. Die dritte Szeklergruppe ist mit den drei Ortsnamen Gârbova de Jos, Gârbovița und Gârbova de Sus (Alsóorbó, Középorbó, Felsőorbó) in Verbindung zu setzen; die Namen sind von dem der Orbó-Szekler abgeleitet. Vermutlich kamen sie aus dem Somesch-Hochland, wo es mehrmals den Namen Gârbău (Csákiorbó, Desorbó, Magyarorbó) gibt. Sie blieben jedoch nicht sehr lange im Miereschtal, denn nach der Befriedung von Bewohnern des Westgebirges wurden die Orbó-Szekler, sicher vor 1200, in ein anderes Gebiet umgesiedelt, das wehrtüchtig gemacht werden sollte: Es befand sich ostwärts der Niederlassungen der Sepsi-Szekler, am Fuß der Karpaten. Dabei handelte es sich wohl um eine nicht sehr große Gruppe, denn der spätere Reußmarkter Stuhl, wohin die OrbóSzekler kamen, war relativ klein, mit wenigen Dörfern (Abb. 136). Dort blieben sie länger und konnten mehrere gemauerte Kirchen bauen. Von zwei Kirchen wissen wir recht gut Bescheid. Die eine, in Reußmarkt, war romanisch, hatte eine Herrschaftsempore und ein noch heute erhaltenes kleines Türmchen über ihrem mittleren Joch. (Nach der Ansiedlung der Sachsen im Reuß[en]markt wurde die Szekler Kirche in die sächsische mit einbezogen und bildet den Westabschluss des Mittelschiffes.) Die andere, eine dreischiffige Basilika, auch mit der Herrschaftsempore am Westende des Mittelschiffes, steht neben Urwegen (Gârbova/Szászorbó). Danach wurden einige der Orbó-Szekler an den Westrand des späteren Mierescher Stuhles übersiedelt, nach Oarba de Mureș/Marosorbó, die meisten jedoch in den Orbó-Stuhl der Drei Stühle, an den Fuß der Ostkarpaten, wo es schon vorher eine schüttere Bevölkerung gegeben hat, die durch eine Münze von 1141-1196 belegt ist. 548  Urkundenbuch,

Bd. I, S. 34.

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Siebenbürgen

← Thorenburg/Turda ← Oberwinz/Unirea ← Gârbova ← Krakau/Cricău ← Krapundorf/Ighiu ← Weißenburg/Alba Iulia ← Mühlbach/Sebeș ← Șibot, Deutsch-Pien ? ← Rumes/Romos, Broos ← Hunyad/Hunedoara ← Strei, Streisângeorgiu

            Brănișca ↑               ↑ Simeria ? Hunyad/Hunedoara ↑          ↑ Broos/Orăștie           Diemrich/Deva ↑              ↑ Rumes/Romos     Strei, Streisângeorgiu ↑               ↑ Șibot ? 128. Absicherung des Salztransportes im Miereschtal.  Absicherung des Mieresch/ Miereschweg;  Weg in Richtung Bulgarien.  gesicherte Orte;  fragliche Orte (Pien, Șibot, Simeria).

Szekler des späteren Telegder Archidiakonats Im Kreischgebiet, in unmittelbarer Nähe von Beiuș, wo die Schwarze Kreisch die Berge verlässt, gibt es einen kleinen Ort „Teleac“ (Telek = Grund, Grundstück); ob dieser mit den Szeklern in Zusammenhang zu bringen ist, lässt sich nicht eruieren. Eine strategische Rolle der Umgebung des Ortes, in einer Zeit, in der Siebenbürgen noch nicht effektiv zum mittelalterlichen Arpadenreich gehörte, ist aber zu vermuten, denn gleiche Namen gibt es auch in Siebenbürgen an mehreren Orten und die zahlreichen Szekler, die letztlich in die späteren Szekler-Stühle Oderhellen, Mieresch und Csík umgesiedelt worden sind, wurden sicher schon früh bei der Besetzung von Gebieten Siebenbürgens eingesetzt:549 Das könnte zunächst in der Strellsenke der Fall gewesen sein. Vermutlich waren es aber danach die Gebiete der Verhaue, die Südsiebenbürgen durchquerten, soweit diese nicht auf bestimmten kleineren Abschnitten von andern Hilfsvölkern verteidigt wurde. So sind diese Szekler im Laufe von mehreren Jahrhun549  Șt.

Pascu, Voievodatul Transilvaniei, I, S. 109-112.

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derten durch ganz Südsiebenbürgen verschoben worden. Ortsnamen verschiedener Gegenden deuten darauf hin. An strategisch besonders wichtigen Orten blieben jeweils einige Krieger zurück, so etwa bei den Gruben von Salzburg/Ocna Sibiului, bei einer strategisch wichtigen Straßenkreuzung zwischen einer West-Ost- beziehungsweise Nord-Süd-Straße in Kleinkopisch/Copșa Mică oder an den Altfurten in Sakadat/Săcădat und Halmagen/Hălmeag. Dort lebten sie manchmal zusammen mit später angesiedelten Sachsen (etwa in Sakadat) oder auch allein (in Kleinkopisch, Halmagen). Die endgültige Ansiedlung dieser Szekler erfolgte auf dem Gebiet der späteren Stühle Oderhellen und Mieresch, im nachmaligen Archidiakonat Telegd. Dieses Archidiakonat war besonders groß, was für die überragende Bedeutung dieses Teiles der Szekler spricht. Nach dem Idiom entlegener Gegenden handelte es sich aber nicht um eine völlig homogene Gruppe. Ob die ansässige Bevölkerung (die z. B. bei Cristuru Secuiesc für das 7. und 10. Jahrhundert archäologisch nachgewiesen ist)550 vor Ort blieb oder sich eine neue Bleibe suchen musste, ist ungewiss. Ein Schatz, der bei Oderhellen gefunden wurde, stammt aus der Zeitspanne 1048-1114, wobei jedoch auch in diesem Fall dahingestellt bleiben muss, ob er im Zuge der Ankunft erster Szekler vergraben wurde. Aus dem späteren Oderhellener und Mierescher Stuhl wurden schließlich die beiden Senken der Ostkarpaten (Csík/Ciuc und Giurgeu) besiedelt. Dieses geschah jedoch relativ spät – das heißt, nicht viel vor der Mitte des 14. Jahrhunderts, als die große Bevölkerungswachstums-Periode endete. Für eine solche Datierung sprechen größere Lücken in der Besiedlung, vor allem im Norden der Giurgeuer Senke. Dem Gebiet der Telegdi-Szekler sollte eine besondere Rolle zufallen, denn in Oderhellen entstand das politische und juridische Zentrum dieses Standes. Hingegen war Neumarkt/Târgu Mureș der wichtigste Marktort, in dem die Viehabgaben der Szekler eingesammelt wurden. Im Falle dieser Szekler können wir aus ihrer großen späteren Anzahl auf eine frühere Zeit zurückschließen. Von der Gesamtanzahl im 19. Jahrhundert bildeten rund drei Viertel die Telegder Szekler und jene der Drei Stühle rund ein Viertel; die Szekler des Ariescher Stuhles fallen mit 5 % nicht ins Gewicht. Der Oderhellener Stuhl wird auch als Hauptstuhl bezeichnet und manche seiner Ortschaften dürften vor denen anderer Stühle entstanden sein; seine Bevölkerung machte mehr als ein Drittel der genannten drei Viertel aus. Im Mierescher Stuhl lebten dagegen weniger Bewohner, zumal der Teil des Stuhles nördlich des Mieresch auch etwas 550  K.

Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 90.

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neuer sein dürfte. In den Csíker und Giurgeuer Stuhl wanderte mit dem Anwachsen der Bevölkerung der Überschuss ab. Die Fakten zeigen, dass es neben den großen Bevölkerungsverschiebungen immer wieder auch kleinere Veränderungen gab. Zu erwähnen sind einerseits Vorkämpfer, wie vielleicht jene in Zăbala (wo eine Münze aus der Zeit 1141-1196 gefunden wurde), und andererseits Neusiedler, die vor allem dem Bevölkerungsüberschuss in den vorher besiedelten Stühlen angehörten. Ein Hinweis darauf bilden die Orte, die Namen von Heiligen haben, die etwas neueren Datums sein sollen. Davon konzentrieren sich die meisten im Mierescher Stuhl und, vor allem prozentual zur Gesamtanzahl der Siedlungen, im Csíker Stuhl, aber auch an der Grenze zwischen dem Klausenburger und dem Dobokaer Komitat auf dem Somesch-Hochland.

Andere Hilfsvölker Tschango Der Stamm lebte zuerst als Grenzwächter im Gebiet von Raab/Győr, dann im 10. Jahrhundert westlich und im 11. Jahrhundert östlich der Siebenbürgischen Westgebirge. Im 12. Jahrhundert sind sie Grenzwächter im Osten Siebenbürgens gewesen und befanden sich Ende dieses Jahrhunderts auch in der Moldau.551 Sie werden im Allgemeinen den Szeklern zugerechnet, worauf vor allem aus ihrer Sprache geschlossen wird. Diese weist jedoch zugleich dialektale Besonderheiten auf; auch die Traditionen der Volksgruppe unterscheiden sich von denen der landläufigen Szekler – und nach DNA-Analysen soll es keine enge Verwandtschaft zwischen Tschangos und Szeklern geben.552 Die Tschango-Gruppe, die zwischen dem Tatrang-Bach und dem Gebirge wohnte, besaß nicht die Vorrechte des benachbarten Szekler-Standes der Drei Stühle und gehörte demnach auch nicht zu den „Szeklern“. Ob die frühen Funde von Zăbala oder Peteni diesen zuzurechnen sind, könnte untersucht werden. Auf ihre Existenz im Gebiet kann jedenfalls für 1211 aus der Verleihungsurkunde des Burzenlandes an den Deutschen Ritterorden geschlossen werden. Nach dieser Urkunde wurde das Gebiet der Sieben Dörfer/Săcele nicht in jene Verleihung einbezogen. Eindeutig hatte es eine große strategische Bedeutung, denn dort führte der Weg zum Altschanzpass/pasul Predeluș hinauf. Es kann mit Sicherheit von Tschango-Grenzwächtern gesprochen werden. Die Grenzverteidigung, S. 106. https://de.wikipedia.org/wiki/Tschangos#Der_Ursprung_der_moldauischen_ Tschango-Ungarn. 551  I. M. Țiplic, 552  Vgl.

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Andere Tschango leben im Trotuștal, vor allem in der Nähe von Ghimeș, also ebenfalls an einem stark ausgesetzten Ort, am Ostrand des Szekler­ landes, jenseits der Csík-Senke. Es ist zu vermuten, dass dieses exzentrische Waldgebiet, unmittelbar neben der Grenze zur Moldau, erst im 14. Jahrhundert in das verteidigte Gebiet Siebenbürgens einbezogen wurde. Dementsprechend könnte es sich hier um Tochtersiedlungen der Tatranger Tschangos handeln. Viel geringer ist unser Wissen über die Tschango der Moldau, was sied­lungsgeschichtlich zu überraschenden Ergebnissen führen könnte. Nach einer Theorie sollen sie angeblich im 13. Jahrhundert aus dem Karpatenbecken ausgewandert sein (was jedoch bei der damals noch geringen Bevölkerungsdichte unwahrscheinlich ist), nach einer anderen Theorie sollen sie bei der „Landnahme“ der Ungarn (also bei der Wanderung zum Verecke-Pass) in der Moldau zurückgeblieben sein.553 Ihre einstige Verbreitung, im Siret-Tal, z. B. in der Gegend von Bacău und Roman, dürfte einst größer gewesen sein.

Chasaren In seiner Chronik erwähnt Anonymus Chasaren, die sich im Gebiet von Morut niedergelassen hatten554 – also schon vor der Ankunft der Ungarn. Es wird sich wahrscheinlich um die exzentrisch gelegene Gegend von Kalota/Călata am Oberlauf der Schnellen Kreisch westlich von Klausen­burg handeln, wo vermutlich diesem Volksstamm die Grenzwacht anvertraut wurde. Einen zweiten Hinweis auf Chasaren bildet die Burg Kozárvár/Cuzdioara. Dazu könnten auch die Ortschaften gehören, deren Namen mit „Ciceu“ gebildet sind. Diese befinden sich bis zu 10-15 km nördlich des Somesch, zwischen Cuzdioara und Uriu (dem Bezugspunkt eines wichtigen Verhaues etwa 10 km westlich von Beclean). Über einem Portal der Burg Cuzdioara gibt es ein Moldauer Wappen, das an eine Einwanderung aus der Moldau erinnern dürfte. Nach Tudor Sălăgean wurden die Chasaren in großmährischer Zeit hier angesiedelt, und demnach dürfte es sich nicht um Chabaren handeln, die sich den Ungarn noch außerhalb Siebenbürgens anschlossen hatten. Sie wurden also erst nach der Niederringung des Großmährischen Reiches von den Ungarn als Hilfsvolk übernommen. Vermutlich beteiligten sie sich aber schon an den Kämpfen gegen Gelou, der wohl aus mehreren Richtungen gleichzeitig angegriffen wurde. 553  Ebenda. 554  H.

Göckenjahn, Hilfsvölker und Grenzwächter, S. 39-41.

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Es gibt nur wenige Flurnamen, die mit „Csicsó“ gebildet sind und als Tochtersiedlungen jener bei Cuzdioara betrachtet werden können. Nach der Josephinischen Landesaufnahme haben zwei Berge östlich von Straßburg am Mieresch/Aiud den gleichen Namen „Csicsóhegy“: Neben Szeklerburg/Miercurea Ciuc nahe des Ghimeș-Passes gibt es den bekannten Ort Csicsó/Ciceu und schließlich heißt östlich von Bistritz, neben Mureșenii Bârgăului, ein steiler Berg „Vârful Cazarului“; dort werden gewiss Chasaren den Pass über das Călimangebirge überwacht und verteidigt haben.

Oghusen (Uzen) In der mittelalterlichen Gliederung Siebenbürgens gibt es eine Besonderheit: im großen, einst geschlossenen Weißenburger Komitat lag südlich des Mieresch, zwischen den beiden Kokeln, ein kleineres Komitat, das wie eine Enklave im Weißenburger Komitat wirkt. Sein Vorort war Kokelburg/Cetatea de Baltă, wonach auch das Komitat benannt war; dabei war Kokelburg keine besonders wichtige Burg und es entstand dort auch keine bedeutendere Stadt. Eine Erklärung für das Entstehen des kleinen Komitates dürfte in einer andersartigen Bevölkerung der Gegend zu finden sein, die bei der Entstehung des Komitates berücksichtigt wurde. Da Wappen meist eine symbolische Bedeutung hatten und ein Wappen der Moldau in Kokelburg existiert beziehungsweise eine spätere Vergabung des Gebietes an die Moldau bezeugt ist, dürfte die Bevölkerung in einer frühen Zeit, vielleicht auf Umwegen, vom Westende der eurasischen Steppe aus der späteren Moldau gekommen sein. Sie erhielt jedoch nicht die Privilegien der Szekler und muss deshalb von diesen unterschieden werden. Einen Hinweis auf die Bevölkerung bietet der Ort Ozd, südlich von Ludoș, an der Westgrenze des Kokelburger Komitates; er befindet sich neben einem Verhau vom Ende des 11. Jahrhunderts, der Siebenbürgen in Süd-Nord-Richtung durchquerte. Es hat den Anschein, dass dort zur Unterstützung der Szekler auch ein anderes Hilfsvolk herangezogen wurden. Der Name „Ozd“ bietet einen genaueren Anhaltspunkt für das Spezifikum und die unmittelbare Herkunft der Siedler, denn im Norden Ungarns gibt es eine Stadt gleichen Namens (Ózd), deren Ursprung auf die Oghusen zurückgeführt wird. (Sie befindet sich an einem strategisch wichtigen Punkt, am Ende des Sajó-Tales in der Gegend von Miskolc.) Später wurden die Ozder Grenzwächter an eine neue Grenze Siebenbürgens verschoben – an den Rand der Ostkarpaten in die Gegend des Gurghiu-Tales, südöstlich von Regen. Dort gibt es ein gleichnamiges Archidiakonat „Ozd“, das die Oghusen Siebenbürgens als zahlreiche Be-

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völkerung ausweist. Politisch gehört das Gebiet teils zum Thorenburger und teils zum Klausenburger Komitat. Rásonyi L. weist auf die Bedeutung von Oghusen für die Benennung von Gebirgszügen und Pässen in Ostsiebenbürgen hin.555 Bei Miercurea Ciuc heißt ein langes Tal bis heute Valea Uzului. Möglicherweise ist auch der Name des Oituz-Passes von diesem Volksstamm hergeleitet (ajtó-uz556 [Uzentor] → oit-uz), ebenso die Namen der Dörfer Ojdula/Ozsd(-)ola beim Mușat-Pass in Richtung Țara Vrancei/Milcover Bistum und Ozun/Uzon an einer Straße in Richtung Buzău-Tal.

Petschenegen Der Zeitpunkt, wann die Petschenegen in Siebenbürgen ansässig wurden, ist umstritten: vor oder nach der Machtübernahme der Ungarn?557 Zu Zeiten von König Stephan I. fanden 60 Petschenegen auf der Flucht vor den Oghusen Zuflucht in Ungarn.558 Auch G. Kristó erwähnt für den Süden Siebenbürgens Bevölkerungsgruppen, die eine Turksprache benutzten.559 Die Petschenegen unternahmen jedenfalls Raubzüge in den Nordteil Siebenbürgens, wo sie jedoch 1068 bei Kyrieleis vernichtend geschlagen wurden.560 Einfälle erfolgten in mehreren Etappen und dauerten bis 1122 an.561 Zugleich stießen die Magyaren und Szekler beim Vordringen in Siebenbürgen auch seitens der Petschenegen auf bedeutenden Widerstand, wofür das mehrmalige Verlegen der Grenzverhaue spricht. Die vordringenden Ungarn gewährten den Petschenegen (wie den Rumänen und Slawen) nur in dem Maße Vorrechte, als diese die Funktion von Grenzwächtern übernahmen. Aber während die Rumänen dabei auf ihren angestammten Wohnplätzen in den Karpaten blieben, wurden die Petschenegen auf schwer zu verteidigende, weit verstreute Posten eingesetzt. Vielleicht auch um sie zu befrieden hielt der ältere Gyula enge Verbindungen – selbst familiärer Art – zu ihnen. Von Westen beginnend sind nach dem Kartenbild (Abb. 129) viele Petschenegenorte zu erwähnen: Pișineaga bei Diemrich562, Secășel/ Rásonyi, Bulaqs and Oguz, S. 143-151. unbetonte a klingt ähnlich wie das unbetonte o. Der ungarische Passname ist Ojtozi-szoros. 557  H. Göckenjan, Hilfsvölker und Grenzwächter, S. 89, 90; A. Madgearu, Români și pecenegi, S. 113, 114. 558  H. Göckenjan, Hilfsvölker und Grenzwächter, S. 96. 559  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 62. 560  A. Madgearu, Români și pecenegi, S. 111-131. 561  A. Madgearu, Români și pecenegi, S. 114. 562  H. Göckenjan, Hilfsvölker und Grenzwächter, S. 107, stellt deren Funktion als Grenzwächter in Frage. 555  L.

556  Das

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Siebenbürgen

129. Petschenegenorte in Siebenbürgen (Hintergrund nach Atlas geografic 1965).

Oláh-Besenyő bei Blasendorf/Blaj, das Beșineu-Gebiet im Zibinsgebirge, Peschendorf/Stejăreni (Bese) bei Schäßburg, Olteț/Besimbák und Arpaș bei Fogarasch, Valea Izvoarelor/Buzásbessenyő bei Neumarkt, Viișoara/ Besenyő/Heidendorf bei Bistritz, Dealul Bejeneului bei Poiana Ilvei, Firtușu (einstmals Besenyőfalva) bei Cristuru Secuiesc, Pădureni/Sepsibesenyő bei Skt. Georgen u.a.m. Eindeutig ist ihre Streuung an strategische Gesichtspunkte gebunden. Nach Orts- und Flurnamen waren sie im Westen und Norden Siebenbürgens weniger verbreitet. Dafür gibt es jedoch viele Verbreitungsorte im Süden Siebenbürgens – zunächst sind Sarmizegetusa beim Siebenbürgischen Eisernen Tor und Talmesch/Tălmaciu563 beim Roten-Turm-Pass zu nennen. A. Madgearu verweist auf Petschenegen am Alt nördlich des Fogarascher Gebirges564 – dieses auch im Zusammenhang mit dem 563  Nach einer mündlichen Aussage der Sprachwissenschaftlerin A. Thudt † (die einst am Siebenbürgisch-sächsischen Wörterbuch arbeitete) weist der Talmescher sächsische Dialekt einen bayerischen Einschlag auf, ähnlich jenem des Burzenlandes. Die sächsische Besiedlung des Ortes dürfte also auch zu Beginn des 13. Jahrhunderts stattgefunden haben – eine Tatsache, die durch den gotischen Baustil der Kirche bestätigt wird. 564  H. Göckenjan, Hilfsvölker und Grenzwächter, S. 106.

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Gebiet südlich der Karpaten, der Țara Loviștei565 und der Gegend von Curtea de Argeș. Viele Standorte gab es auch im Osten. Aus einer Zeit, als die Magyaren die Ostkarpaten noch nicht fest im Griff hatten, dürfte ihre Anwesenheit in der Nähe des Altknies, im Geisterwald, bei Baraolt bzw. Racoș im Homorodtal stammen. Schließlich gab es Petschenegen beim Tatarenpass und den Pässen bei Tulgheș oder Lăzărești, aber auch an andern Stellen der ostkarpatischen Senken. Da sukzessiv nahezu alle Gebiete Siebenbürgens Grenzregionen waren, geht man wohl nicht fehl, die Petschenegen schlechthin als Grenzwächter zu bezeichnen. Dabei muss man auch die Umsiedlungen der Grenzwächter in Betracht ziehen: So sind z. B. im Grundrissgefüge von Heidendorf/ Viișoara (ung. Besenyő) keine Spuren einer vorsächsischen Besiedlung erhalten; dagegen gibt es aber in dem erst später ungarisch besetzten Gebiet des Bârgăului-Gebirges, bei Poiana Ilvei, den Berg „Dealul Beje­neu­ lui“, an dessen Fuß vermutlich Petschenegen umgesiedelt worden sind.

Kumanen Die Kumanen wurden vor allem in der Donautiefebene angesiedelt. In Siebenbürgen waren sie anscheinend jedoch weniger verbreitet als die Petschenegen. Als Beispiel soll ein Ortsname erwähnt sein, der auf Kumanen hindeutet: Comana. Dort gibt es zwei Dörfer mit diesem Namen. Sie befinden sich südöstlich des Alts und kontrollierten die Verbindung aus der Fogarascher Gegend nach Reps und ins Homorodtal.

Kék-kend Kék-kend wurden vor allem in der Gegend von Neustadt (Frauenbach)/ Baia Mare angesiedelt; sie sind im Kontext des Chechiș-Waldes zu erfassen, weniger in Siebenbürgen. H. Göckenjahn hält vier Fälle fest: Cornești/ Magyarszarvaskend bei Gherla, Kinteln/Chintelnic/Kendtelek bei Bistritz, Großkend/Chendu Mare/Nagykend und Kleinkend/Chendu Mic/Kiskend bei Schäßburg, dazu Kent [?] bei Straßburg am Mieresch/Aiud. Es handelte sich also, bei dem jetzigen Stand der Forschung, um vereinzelte Siedlungen, von denen Chendu mit großer Wahrscheinlichkeit zum Verhausystem Siebenbürgens gehörte; bei den andern Orten ist dieses unsicher.

Chalizen Noch spärlicher sind Hinweise auf die verwandten Chalizen: zu diesen zählt H. Göckenjahn in Siebenbürgen nur Szancsal (Blasendorf/Blaj/ Balázsfalva). Da sie vor allem jedoch Händler waren, dürften sie in wirt565  A.

Madgearu, Români și pecenegi, S. 118, 119.

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schaftlich wichtigeren Siedlungen ansässig gewesen sein – vor allem in solchen, die mit dem Salztransport in Verbindung standen.

Chabaren Wenn es stimmt, dass die Bevölkerung um Cuzdioara und Kalota schon von den Mährern dort angesiedelt wurde, so handelte es sich bei diesen nicht um Chabaren. Es ist jedoch durchaus möglich, dass mit den Magya­ ren auch Chabaren nach Siebenbürgen kamen.

Erste Siedlungen westlicher Hospites „Primi Hospites regni“566 Wie im Kontext des frühen Vordringens der Szekler in Siebenbürgen gezeigt wurde, gehörten die ersten Gastsiedler der Dörfer Krakau/Cricău, Krapundorf/Ighiu und Rumes/Romos in einen strategischen Verteidigungsplan (Abb. 128): Es handelte sich um das Ende des 10. Jahrhunderts! Die Siedler „nobilitas generis“ werden damals jedoch zahlenmäßig sehr wenige gewesen sein, was auch das Fehlen entsprechender romanischer Kirchen in Krakau und Krapundorf zeigt. Die „einfache“ Bevölkerung der Orte dürften Rumänen oder Ungarn gewesen sein.

„Németi“ und „Olaszi“-Orte Zu den Siedlungen der Hospites kommen Ortschaften hinzu, die den Namenszusatz „Németi“/„Mintiu“ beziehungsweise „Olaszi“ haben. Östlich der Theiß gibt es nach K. K. Klein567 dem Ortsnamen nach elf „deutsche“ Orte und drei „wallonische“, davon in Siebenbürgen: Rumänisch-Baierdorf/Mintiu, Deutschendorf/ Mintiu Gherlii, Baierdorf/Crainimăt sowie Mintia beziehungsweise Silivaș (Abb. 130; dazu kommen als wallonische Orte Wolldorf/ Văleni, Oberwallendorf/Unirea und Unterwallendorf/Aldorf. Einen Hinweis auf das Alter dieser Orte gibt uns Sathmar-Nemeti, 130.  Németi-Orte und  Olaszi- dessen Bewohner 1230 erklärten, dass sie zur Orte, nach K. K. Klein. Zeit von Königin Gisela, der Frau Stephans I., 566  F. Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 9, 10; Th. Nägler, Die Ansiedlung der Siebenbürger Sachsen, S. 128; vgl. dazu K. K. Klein, Saxonica Septemcastrensia, S. 106-110. 567  K. K. Klein, Transsylvanica, S. 160, 161.

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eingewandert seien. Das kann hinterfragt werden, doch da diese Aussage aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammt, handelt es sich gewiss um ein sehr frühes Einwanderungsdatum. Dafür spricht im Fall der Németi-Orte auch ihre Unterscheidung von den sächsischen Orten. Bergwerksorte. Bei dem besonderen Alter der Salzgruben ist zu vermuten, dass es dort früh auch Hospites gab, die Bergleute waren. In Thorenburg/ Turda wurde eine 938-947 geprägte bayerische Münze gefunden568 und möglicherweise wurde diese von Hauern hergebracht. 1291 sind dann Hospites in Thorenburg/Turda, Salzdorf/Ocna Dejului, Kloosmarkt/Cojocna und Seck/Sic erwähnt.569 Von diesen Orten sind gewiss Thorenburg und Salzdorf besonders alt. Im Montanwesen sind die Silbergruben von Rodenau/Rodna am ältesten. Dort wurden vermutlich im 12. Jahrhundert Bergleute aus dem Westen angesiedelt; aus der Zeit zwischen 1270 und 1272 stammt das Rodenauer Bergrecht in deutscher Sprache, was die Anwesenheit der Hospites beweist. Erst später, um 1300, entwickelte sich der Goldbergbau, in dem es dann gewiss auch Bergleute aus dem Westen gab.570

Hospitessiedlungen in Südsiebenbürgen Brooser Kirchenkapitel. Die Forscher sind ziemlich einhellig der Meinung, dass die Hospitessiedlungen des Brooser Stuhles relativ früh entstanden sind. Dabei kann auf mehrere Besonderheiten hingewiesen werden. Im Miereschtal sind die Siedlungen nicht auf die Verteidigung des siebenbürgischen Hochlandes ausgerichtet gewesen, sondern auf die Kontrolle des Miereschtales selbst. Dafür gab es vor allem zwei Siedlungen: Rumes und Broos. Bei Rumes gab es, wie erwähnt, eine Siedlung der „primi hospites regni“ und im Fall von Broos gab es eine lockere, ältere Vorsiedlung, vermutlich von Szeklern, die von einem großen Befestigungsring umgeben war. An diesen Bering wurde eine etwas neuere Hospites-Siedlung mit zwölf Familien angeschlossen (Abb. 131). Dazu kamen auch mehrere kleinere Siedlungen, die sich vor allem entlang des Weges aus der Strell-Senke ins Miereschtal befinden: Căstău und Elsterdorf/Sereca. Mit Rumes bildeten sie das Brooser Kapitel, zu dem auch die beiden andern Dörfer der „primi hospites regni“ (Krakau/Cricău und Krapundorf/Ighiu) Czoppelt, Eine bairische Münze, S. 78ff. Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 181ff. 570  P. Niedermaier, Städte, Dörfer, Baudenkmäler, S. 321-324, 375-379.

568  H. 569  F.

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Siebenbürgen 131. Brooser Kapitel und Stuhl (Grundkarte nach G. Müller, Bewaldung, abgerundet nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus).    

Kapitelsgrenze, Stuhlsgrenze.

gehört haben. Um 1200 war das Brooser Kapitel in seiner späteren Ausdehnung abgeschlossen, denn ein, zwei etwa damals innerhalb des Brooser Stuhles neu gegründete Siedlungen (Brodsdorf – heute Unterbrodsdorf/ Șibot und Oberbrodsdorf/Vinerea) wurden dem Mühlbacher Kapitel angeschlossen; sie waren vom Brooser Kapitel auch räumlich getrennt. Obwohl früh von Hospites besiedelt, gehörte das Brooser Gebiet nicht zur Hermannstädter Propstei, in der die ersten flämischen Siedlungen aus der Zeit um 1150 zusammengefasst waren. Es gehörte jedoch auch nicht zu den bis 1190 entstandenen Orten der „anderen Flamen“.571 Zugleich bildete es zwar 1224 die Westgrenze der Hermannstädter Provinz, erscheint jedoch nicht unter den damals zusätzlich angeschlossenen Territorien (Mühlbach, Draas).572 Nach den angegebenen Daten kamen die Hospites also zwischen 1000 und 1150 in diese Gegend. Es wird angenommen, dass der deutsche Ortsname vom hoch angesehenen Anselm von Braz (der kurz nach 1100 nach Ungarn kam und sich vielleicht in Broos niederließ) abgeleitet sein könnte.573 Gelegentlich wird die Ansiedlung der Sachsen auch mit dem Bauernkreuzzug von 1096 in Verbindung gebracht,574 was, auf den Brooser Stuhl beschränkt, denkbar ist. Einen diesbezüglichen urkundlichen Hinweis gibt es zwar nicht, eine Ansiedlung um 1100 würde aber den Rahmendaten entsprechen: Ansiedlung nicht im Desertum und mithin nicht zur Propstei gehörig, Bezeichnung der Bevölkerung weder als erste noch als andere Flamen, aber Einbeziehung in das Gebiet der Hermannstädter Provinz.

Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 1-3. Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 34. 573  K. K. Klein, Saxonica Septemcastrensia, S. 160-167; Th. Nägler, Die Ansiedlung, S. 135. 574  H. Klusch, Zur Ansiedlung, S. 34-42. 571  F. 572  F.

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Eine frühe Datierung erklärt die riesige, dem Stuhl angeschlossene, bis heute stark bewaldete Gebirgsfläche (Abb. 132) – die größte eines siebenbürgisch-sächsischen Stuhles überhaupt: sie reichte bis zum Vârful lui Pătru im Mühlbacher Gebirge. Die Vergabe einer solch großen Fläche war wohl nur in einer Frühzeit möglich, als die Bevölkerung noch recht klein war und der Raum irgendwie abgesichert werden sollte. Westlich des Stuhles befand sich das Hunyader Komitat, das den Stuhl zum Teil auch auf der Nord- und Südseite begrenzte.575 Selbst in den Stuhl hinein reichte ein Gebiet jenes Komitats (rund um das Dorf Benzenz/Aurel Vlaicu). Dieses macht die enge Verbindung zwischen den beiden Gebieten und deren Beiordnung zum Salztransportweg im Miereschtal augenfällig. Hermannstädter Propstei. Auf dem Propsteigebiet gab es später drei Kirchenkapitel: Hermannstadt, Leschkirch und Schenk-Hermannstadt; eine strategisch wichtige Enklave, mit Nucet und Cornățel, gehörte gewiss nicht dazu. Das Hermannstädter und das Schenk-Hermannstädter Kapitel sind merklich größer als das Leschkircher Kapitel; nach der allgemeinen Bedeutung und der Größe der Kirchen gab es auch nur zwei Zentren – Hermannstadt und Großschenk. Im kleinen Leschkircher Kapitel gibt es später auch die meisten Wüstungen;576 eine Erklärung dafür steht aus. Zwei Urkunden bezüglich der Gründung und Begrenzung der Hermannstädter Propstei geben uns, wie erwähnt, Auskunft: Gründung im „Desertum“ und Begrenzung des Gebietes auf jenes der „ersten Flamen“; das Gebiet der „anderen Flamen“ sollte nicht 132. Broos um 1100. dazugehören (Abb. 132).577

dazu G. Müller, Siebenbürgen Stühle; A. Nacu, Die Darstellung, S. 49, 54-56. Underten, temporär Ziegental, Hochfeld, Eulenbach und Sachsenhausen. 577  F. Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 1-3, 2-30. Zu dem frühen Gebiet der Kapitel dürften jedoch einige Flächen noch nicht dazugehört haben: Salzburg/Ocna Sibiului (in Anbetracht der Auseinandersetzungen mit dem Siebenbürger Bischof), Winsberg/ Orlat (?), Michelsberg/Cisnădioara (als Besitz des Klosters Kerz), Talmesch/Tălmaciu (als Gründung nach 1200), Halmagen/Hălmeag (als Szekler Grenzposten) und in Agnetheln/ Agnita der Gemarkungsteil nördlich des Harbachs (der ein anderes Zehntrecht als jenes der Hermannstädter Propstei hatte; es ist auch auffällig, dass dieser Gemarkungsteil eine Reihe von Dörfern nördlich des Harbaches fortsetzt (Roseln/Ruja, Probstdorf/Stejeriș, Jakobsdorf/ Iacobeni). Mit dargestellt wurden hingegen die Flächen von Baumgarten/Bungard, Moichen/ Mohu, Westen/Veștem (deren kleine Gemarkungen möglicherweise nicht von Flamen be575  Siehe

576  Definitiv

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Merkliche Unterschiede zwischen dem Kirchenkapitel und Stuhl sind für die Hermannstädter Gegend festzustellen. Dort gehörte ein guter Teil des Zibinsgebirges zum Stuhl: der Plaiul Rășinărenilor mit der Sperre der Petschenegen (Beșineu). Das Gebiet reichte von nördlich des Râul Mare (Zibin) bis südlich des Zood, teilweise sogar bis zum Lotru. Höchstwahrscheinlich hat es sich dort um die „silva Blacorum et Bissenorum“ von 1224 gehandelt, die zusammen mit Rumänen und Petschenegen genutzt werden sollte.578 Zum Schenk-Hermannstädter Kapitel gehörte nur ein Teil der Schenker Gegend nicht hinzu; der Schenker Stuhl umfasste aber auch das Schenk-Kosder Kapitel. Hingegen gehörte das Felmer-Tal zum Schenk-Hermannstädter Kapitel, aber nicht zum Schenker Stuhl, sondern zum Repser Stuhl. Im Kontext der Begrenzung der Gebietskörperschaften ist vom „Desertum“ die Rede, das nach K. Horedt den gesamten südlichen Streifen Siebenbürgens bis zum Alt umfasst haben soll.579 Diesbezüglich ist aber eine genauere Eingrenzung nötig: Auf Abb. 133, links, ist der Rest des großen Waldgebietes zu sehen, das zu dem Verhau zwischen dem Mie­ resch- und Altbecken gehörte. Durch diesen Verhau war in einer frühen Zeit die Hermannstädter Gegend zweigeteilt. Der westliche Teil lag hinter dem Verhau – war wohl etwas älter und konnte also nicht zum Desertum gehören. Dort im Westen wurden die meisten Dörfer nach ihren Gründern benannt.580 Hermannstadt selbst entstand bei einem Tor des Verhaues; Spuren der Vorsiedlung konnten bei archäologischen Grabungen festgestellt werden und auch in der Parzellierung der Stadt sind solche erhalten.581 Als erste Dörfer liegen Heltau/Cisnădie und Michels­ berg/Cisnădioara jenseits des Verhaues auf Desertumsgebiet. Die andern Dörfer des Hermannstädter Kapitels, die vor dem Verhau, also im Desertum liegen, sind Burgberg/Vurpăr, Rotberg/Roșia, Neudorf/Noul, Kastenholz/Cașolț und Girelsau/Bradu. Freck befindet sich schon jenseits des „Desertums“, jenseits des Alts, wo es wohl strategische Aufgaben hatte: es sollte die Verbindung zwischen der Altsenke und dem RotenTurm-Pass kontrollieren. Im Unterschied zum Hermannstädter Kapitel liegen das Leschkircher und das Schenk-Hermannstädter Kapitel ganz auf Desertumsgebiet. siedelt wurden), ebenso Freck/Avrig (im Hinblick auf die alte romanische Kirche und die Eingliederung in das allgemeine strategische Gesamtkonzept der Besetzung Siebenbürgens). 578  F. Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 35. 579  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 162. 580  K. K. Klein, Transsylvanica, Karte 9. 581  P. Niedermaier, Der mittelalterliche Städtebau, S. 129, 130, Abb. 100 und 101.

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133. Gebiet der Hermannstädter Propstei (Grundkarte nach G. Müller; heutige Bewaldung, abgerundet, nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus).   Verhaue.

Außer den beiden Waldgürteln, die sich entlang von wichtigen Verhauen befanden (dem Verhau zwischen dem Mieresch- und Altbecken, mitten im Hermannstädter Kirchenkapitel, und dem Verhau entlang des Alts) sind keine eindeutig als Verhaue kenntlichen Waldstreifen auszumachen. Immerhin scheint es nicht ausgeschlossen, dass es einmal solche Waldstreifen zwischen dem Hermannstädter und dem Leschkircher Kapitel gab, ebenso zwischen dem Schenk-Hermannstädter und dem Kosder Kapitel, aber auch innerhalb einzelner Kapitel. Waldgebiete im SchenkHermannstädter Kapitel könnten aus einer Zeit vor dem 11. Jahrhundert stammen, doch ist dieses unwahrscheinlich, da seither massive Rodungen durchgeführt wurden. Kosder Kapitel. Das Kosder Kapitel entlang des Kosder Baches (der auch durch Reps fließt), wurde nicht von den „ersten Flamen“, sondern von den „andern Flamen“ bewohnt. Demnach entstand es zum Teil vor 1196582 und sein Umfang war vor 1224583 festgelegt, da die anliegenden Dörfer des Gebietes von „Draas“ (Draas und Sommerburg), die durch das Andreanum zur Hermannstädter Provinz hinzugekommenen sind, nicht mehr an das Kosder (Repser), sondern an das Kisder (Schäßburger) Kapitel angeschlossen wurden. Sieht man von einer großen Exklave des Weißenburger Komitates (mit Langental/Dăișoara) ab, so hatte das Kapitel eine recht geschlossene Form und das Gleiche gilt auch für den Repser Stuhl, der dem Kapitel entsprach – nur dass die Exklave etwas größer war; diese umfasste auch Königsberg/Crihalma. Die später entstandenen Kapitel bzw. Stühle sollten nicht mehr diese geschlossene Form haben. Die Dörfer scheinen kleiner 582  F. 583  F.

Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 3. Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 34.

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als jene der Hermannstädter Propstei gewesen zu sein, denn mehrere der angeblich romanischen Kirchen des Gebietes wurden im 19. Jahrhundert abgetragen und durch neue Bauten ersetzt. Auch hier gab es Waldstreifen (Abb. 135). Davon ist einer als „Verbotener Busch“ (Wald) belegt, was für eine bewusste Bewahrung spricht – wohl als Verhau, vielleicht einstmals zwischen dem von Hospites gesicherten Gebiet und den Keisder Szeklern. Schenk-Kosder Kapitel. Zwischen dem Hospitesgebiet am Alt und dem Verhau nördlich davon blieb ein Geländestreifen des Desertums zunächst frei. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung wurde auch dieses Gebiet besiedelt (Abb. 135, links). Da der siebenbürgische Bischof gegen eine Erweiterung des Propsteigebietes war, wurde dort Mitte des 13. Jahrhunderts das Schenk-Kosder Kapitel gegründet, eine kleine gesonderte kirchliche Einrichtung. Anders als die Kirchen des südlichen Desertumstreifens waren die Sakralbauten dieses Abschnittes gotisch. Die neuen Dörfer (und der Nordwestteil der Agnethler Gemarkung) hatten ein Zehntrecht, das für die Hospites unvorteilhafter war, doch lagen sie auf Königsboden und gehörten zur Hermannstädter Provinz: es waren freie Dörfer. Politisch wurden sie an den Schenker Stuhl angeschlossen (Abb. 135). Im Westteil des Kapitels befinden sich zwischen den Dörfern breite Waldstreifen, was zeigt, dass dort bis zur sächsischen Ansiedlung Wald war, der erst von den Hospites gerodet wurde. Aus dem Mühlbacher Kapitel sind zu Beginn des 13. Jahrhunderts die Orbó- und Sepsi-Szekler abgezogen worden. Diese hatten im Unterwald auch einige romanische Kirchen gebaut, von denen sich Reste in Reußmarkt/Miercurea Sibiului und Urwegen/Gârbova erhalten haben. Durch die Umsiedlung der Szekler Anfang des 13. Jahrhunderts wurde das Gebiet zwischen Hermannstädter Propstei und Brooser Kapitel frei. Dort im „Unterwald“ wurden neue Hospitessiedlungen auf Königsboden gegründet, die meisten unmittelbar unter dem Gebirge. Sie bildeten das Mühlbacher Kapitel (vgl. Abb. 136, 137). Das Gebiet entlang der Südkarpaten war jedoch recht schmal, so dass mancherorts nur eine einzige Reihe neuer Siedlungen angelegt werden konnte.584 An mehreren Stellen gehörten strategisch wichtige Bereiche zum Weißenburger Komitat und nicht zum Königsboden: zwischen dem Brooser und dem Mühlbacher Stuhl gab es einen solchen Streifen (mit den Orten Tărtăria und Săliștea), der tief ins Gebirge hineinreichte, der obere Teil des Mühlbachtales/valea Sebeșului (mit Kleinmühlbach/ Sebeșel, Săscior, Laz und Căpâlna) reichte 584  Der

geschichtlich belegte Namen ist in Vergessenheit geraten.

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aus dem Gebirge bis in die Nähe von Petersdorf/Petrești und an der Grenze zwischen dem „Unter“wald und dem „Über“wald (mit der Mărginimea Sibiului und Hamlesch/ 134. Gebiet der Kirchenkapitel Schenk-Kosd (links) und Amnaș) gab es auch Kosd (rechts). (Grund­karte G. Müller, Bewaldung nach einen solchen Streifen, Google Earth, Image Landsat/Copernicus). Verhau. ebenso an der Grenze  „Verbotener Busch“; des Hermannstädter Propsteigebietes (Abb. 133; dort befinden sich Schardörfl/ Mag und Salzburg/ Ocna Sibiului). Hingegen gehörte, nach der kirchlichen Gliederung, ein weiter west- 135. Zugehörigkeit zum Schenker Stuhl (links) und zum lich befindliches Dorf Repser Stuhl (rechts). (Grundkarte G. Müller, heutige Bewaldung, leicht abgerundet, nach Google Earth). (des Brooser Stuhles) zum Mühlbacher Kapitel: Brodsdorf (Abb. 136).585 Seine Gründung erfolgte wohl nach der Begrenzung des Brooser Kapitels. Dagegen dürften Ortschaften im Osten des Kapitels, die sich nicht auf Königsboden befanden, sondern auf Komitatsboden, zum Teil später hinzugekommen sein. Politisch war das stark längliche Gebiet des Mühlbacher Kapitels in zwei Stühle geteilt: Mühlbach und Reußmarkt. An der einstigen Grenze zwischen diesen Stühlen gab es sogar einen Verhau, der auf alten Karten als „Wehrbusch beim Tor“ erscheint.586 Er stammt wohl aus der Zeit, als die Orbó-Szekler noch nicht dort angesiedelt waren. Deutlich zeigt sich eine Zweiteilung der Landschaft. Die ebenen Teile des Kapitels waren nicht bewaldet. Auffallend ist auch ein Waldsaum vom Rand des Sepsi-Szekler-Gebietes vom Beginn des 2. Jahrtausends. Jenseits davon wurden etwas später die Orbó-Szekler angesiedelt. Der Verhau hat sich auch nach der Ansiedlung der Hospites zwischen den damals entstandenen Stühlen Mühlbach und Reußmarkt erhalten. 

585  Heute 586  Z.

gibt es dort Unter- und Oberbrotsdorf sowie Kudschier/Cugir. K. Pinter, C. Urduzia … custodes confiniorum, vulgo ewrii …, S. 12-17.

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136. Mühlbacher Kapitel (Grundkarte nach G. Müller, Bewaldung nach Google Earth, Landsat/Copernicus).

137. Mühlbacher und Reußmarkter Stuhl (Grundkarte nach G. Müller, Bewaldung nach Google Earth, Landsat/Copernicus).

Von den Wäldern und Almen im Gebirge gehörten nur geringe Anteile zu diesen Stühlen: oberhalb von Petersdorf/ Petrești und Deutsch-Pien/Pia­ nul de Jos reichte eine größere Fläche weit südlich ins Gebirge (Abb. 111) und oberhalb von Urwegen/Gârbova, Dobring/ Dobârca, Großpold/Apol­dul de Sus ein relativ schmaler Streifen entlang des Gebirges. Diese Flächen gehörten in politischer Hinsicht zu den beiden Stühlen, nicht jedoch zum Mühlbacher Kapitel. Die Almen wurden selbstredend von rumänischen Hirten genutzt. Am Fuß der Berge handelte es sich jedoch um Hospites – deren Zahl aber nicht sehr groß war.

Das Gebiet des Kisder Kapitels entspricht etwa dem Schäßburger Stuhl. Nach K. K. Klein erfolgte dessen Besiedlung in drei Etappen zwischen 1200 und 1264,587 zunächst im „Oberen Stuhl“ bei Keisd, dann im „Mittleren Stuhl“ bei Schäßburg und schließlich im „Unteren Stuhl“, westlich von Schäßburg.588 In gewissen Gebieten – zumindest im Oberen Stuhl – erfolgte die Ansiedlung wie im Falle des Mühlbacher Kapitels nach der Verschiebung der Kézder Szekler in das Gebiet der Drei Stühle, wo sie auch ein gesondertes Archidiakonat erhielten. Zum „neuen“ Kisder Kapitel (Abb. 138) gehörten allerdings auch hörige Dörfer mit sächsischer Bevölkerung hinzu, in denen sich die Sachsen wohl erst später angesiedelt haben, ebenso in den östlichen Dörfern des Repser Stuhles, die durch das Andreanum 1224 an die Hermannstädter Provinz (die Sieben Stühle) gekommen waren. Nach den Feststellungen von G. E. Müller wissen wir, dass der Gemarkungsteil Schäßburgs nördlich der Großen Kokel ein anderes Zehntrecht 587  Die Beendigung der dortigen Ansiedlung dürfte etwas früher anzusetzen sein – noch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. 588  K. K. Klein, Transsylvanica, S. 166-189.

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hatte als der südliche; er ist durch Ankauf in einer etwas späteren Zeit hinzugekommen. Gleiches wird auch für die Dörfer nördlich der Kokel (Groß-Alisch, Pruden und Halwelagen) zutreffen, die nicht mehr dem Kisder Kapitel angeschlossen wurden. Die ursprüngliche Verteilung der Hospites in der Schäßburger Gegend ist weitgehend der Form des Königsbodens zu verdanken. Nach K. K. Klein waren der Obere und der Mittlere Schäßburger Stuhl lang, schmal und gewunden (Abb. 139). Ähnliches gilt auch für die administrativpolitische Gliederung: für den Unteren Schäßburger Stuhl, westlich von Schäßburg, muss auch ein Unterschied zwischen dem Gebiet südlich und nördlich der Kokel gemacht werden. Das erstere kam früher zum Stuhl und war ursprünglich ebenso lang und schmal wie die beiden andern Teile des Stuhles – die Gesamtform entspricht also jener der Stühle Mühlbach und Reußmarkt, die um 1200 entstanden sind. Im Kartenbild sind auch die großen Waldungen im Gebiet der einstigen Verhaue zu erkennen. Besonders schmal, aber dennoch ausgeprägt ist der Waldgürtel südlich der Kokel im Gebiet östlich von Schäßburg. Wenig westlich der Stadt,

138. Kisder Kirchenkapitel (Karte nach G. Müller; Bewaldung, leicht abgerundet, nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus).   Verhaue.

139. Schäßburger Stuhl (Grundkarte G. Müller, Bewaldung abgerundet nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus).  Grenze zwischen Stuhlteilen. A Oberer Stuhl, B Mittlerer Stuhl, C Unterer Stuhl.

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genauer bei Peschendorf/Stejăreni, war dann der Waldgürtel viel breiter und nach dessen Teilrodung setzte er sich auf der einstigen Südseite des großen Waldgebietes fort. Als bestimmendem Element ist hier mit der Anordnung des Verhaues zwischen dem Mieresch- und dem Altbecken zu rechnen.589 Die Zwei Stühle (Mediasch und Schelk) befanden sich seit 1315 auch auf Königsboden. Die ursprüngliche Zugehörigkeit muss jedoch hinterfragt werden, denn die ersten urkundlichen Belege weisen Dörfer des Gebietes als hörig aus. Demgegenüber schreibt Thomas Nägler: „Die Vertreter dieses Siedlerverbandes behaupteten, der Wojewode Ladislaus habe sie von der Hermannstädter sächsischen Gemeinschaft losgelöst und ihnen auch das Hermannstädter Recht entzogen; Karl Robert […] bestätigte der Siedlergruppe das Hermannstädter Recht und ihre ‚Wiedervereinigung’ mit den Sachsen von Hermannstadt“,590 wobei aber in der Folge doch Unterschiede zu dem Hermannstädter Gebiet gemacht wurden. Denkbar wäre, dass das ursprünglich ungarische Gebiet hörig war und man den zusiedelnden Sachsen versprochen hatte, sie Hermannstadt anzuschließen, dieses dann vom Wojewoden widerrufen, aber von Carl Robert doch bewilligt wurde. Die Kirchen des Gebietes sind im Allgemeinen gotisch und nach einer Urkunde von 1283 bestanden die Dörfer schon seit längerer Zeit.591 Das Mediascher Kapitel hat eine recht geschlossene Form, das Schelker eine längliche. (Diese könnte allerdings von der Geländeform bestimmt worden sein, denn das Schelker Kapitel fügt sich ins Weißbachtal/valea Visei und teilweise in das Kaltbachtal/Valea Calva ein.) Hier wie dort wurden Szekler durch Sachsen ersetzt.592 Die Fakten sprechen für eine Ansiedlungszeit, ähnlich jener in der Schäßburger Gegend. Im Unterschied zur Schäßburger Gegend gibt es jedoch in den Zwei Stühlen eine weitgehende Übereinstimmung der Gebiete von kirchlichen und weltlichen Gebietskörperschaften. Nur Sächsisch Eibesdorf/Ighișul Nou bildet den Übergang zwischen den zwei Kapiteln: kirchlich gehört es noch zu Schelken, politisch schon zu Mediasch. Das könnte ein Hinweis auf ein etwas höheres Alter des Schelker Kapitels sein. Anders verhält es sich im Fall der freien Dörfer nördlich der Großen Kokel und auch des Mediascher Gemarkungsteils nördlich der Großen Kokel; bei diesen handelte es sich um eine spätere Angliederung an den Mediascher Stuhl. Schäßburger Gegend siehe K. K. Klein, Trassylvanica, S. 166-178. Nägler, Die Ansiedlung, S. 154-156. 591  F. Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 144, 145. 592  Nur am strategischen Knotenpunkt Kleinkopisch blieben sie weiterhin. 589  Zur 590  Th.

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Hospitessiedlungen auf Komitatsboden. Sowohl auf dem Gebiet des Weißenburger Komitates als auch auf jenem des Kokelburger Komitates gab es hörige Siedlungen, die von Hospites bewohnt waren. Es handelte sich um Gastsiedler, die einstmals vom Königsboden auf Komitatsboden übersiedelt waren, denn aus West- und Mitteleuropa hatte der Zuzug im Wesentlichen aufgehört. Ursprünglich ging es den Bauern dort nicht schlecht,593 aber im 15. Jahrhundert weisen viele Urkunden darauf hin, dass hörige Bauern auf Königsboden geflohen waren und nicht mehr in die alten Dörfer zurückkehren wollten. Dabei spielte auch die mittelalterliche Agrarkrise des 14.-16. Jahrhunderts eine Rolle, als z. B. viele auch aus dem „Haferland“ und „Krautwinkel“ ins „Weinland“ zogen. Kleine, noch erhaltene Kirchen und vor allem dann die großen Bauten des 19./20. Jahrhunderts, die kleine Kirchen ersetzten, zeugen davon. Kirchlich ist jeweils ein Zusammenschluss von nahe beieinanderliegenden Orten des Komitatsbodens festzustellen (Abb. 140). Auch die einstmals hörigen Dörfer des Unteren Schäßburger Stuhles oder die Dörfer der Mediascher Gegend nördlich der Kokel gehörten zu diesen Verbänden. Es gab zahlreiche Kapitel mit fast ausschließlich hörigen Gemeinden: Bulkesch, Bogeschdorf, Bachnen, Lasseln, Spring, Vierdörfer, Kaltwasser und Magarei (Abb. 140). Nur in Sonderfällen – vor allem von vereinzelten hörigen Siedlungen – wurden diese den Kapiteln der angrenzenden Stühle angeschlossen.

Burzenland Das Burzenland hat in engerem Sinn nicht zu Siebenbürgen gehört: wenn die Bauern aus Nußbach durch den Geister Wald nach Reps fuhren, sagten sie: „Wir fahren nach Siebenbürgen.“ Für das Burzenland gibt es eine siedlungsgeschichtliche Untersuchung, welche die Hauptlinien der Entwicklung vom Beginn des 13. Jahrhunderts klarstellt.594 Bei der Übergabe des Gebietes an den Deutschen Ritterorden wurden 1211 die Gebietsgrenzen relativ genau beschrieben. Dem Orden kam die Ebene zu, aber die strategisch wichtigsten Orte wurden von verschiedenen Hilfsvölkern gesichert: Das Altknie bei Racoș und der Tatarenpass/Pasul Boncuța von Petschenegen, der Altschanzpass/Pasul Predeluș von Tschango und der Törzburger Pass/Pasul Giuvala von Mocani. Deren Territorien waren nicht an den Ritterorden übergeben worden. Die den Rittern zustehende Ebene war damals weitgehend sumpfig und musste zunächst trocken­ gelegt werden. Nägler, Die Ansiedlung, S. 200. Niedermaier, Zur Siedlungstopographie, S. 58-78.

593  Th. 594  P.

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Siebenbürgen

140. Ausschnitte der Siebenbürgen-Karte von G. Müller. Siebenbürgens Stühle, Distrikte und Komitate vor dem Jahr 1848 bzw. 1861-1876 nach den Jurisdiktionsgrenzen (bearb. von Georg Müller, Hg. Verein für siebenbürgische Landeskunde 1914. Deutsche Landeskirche in Siebenbürgen 1141-1849). Blau: Sachsenland (nachgetragen 1922). Gelb: Komitatsboden-Kapitelsgebiete in Siebenbürgen 1141-1849 (nachgetragen 1932). a) Übersicht der deutschen Landeskapitel: 6. Bulkesch; 7. Bogeschdorf; 8 Bachnen; 9. Mediasch; 10. Lasseln; 11. Kisd (Schäßburg); 12. Broos; 13. Mühlbach; 14. Spring (Zekesch); 15. Vierdörfer; 16. Schelk; 17. Kaltwasser; 18. Hermannstadt; 19. Lesch­kirch; 20. SchenkHermannstadt; 21. Magarei; 22. Schenk-Kosd; 23. Reps; 24. Burzenland (Kronstadt). : Grenzen der Stühle, Distrikte und Komitate; : Kapitelsgrenzen;  : Kapitelszubehör; : Gemeindegrenzen.

Siedlungskammern

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b) Übersicht der Stühle, Distrikte und Komitate: 1. Oberweißenburger Komitat; 2. Unter­weißenburger Komitat; 3. Kokelburger Komitat; 8. Hunyader Komitat; 9. Fogara­ scher Distrikt; 11. Udvarhelyer Stuhl; 16. Hermannstädter Stuhl; 17. Schäßburger Stuhl; 19. Mediascher Stuhl; 21. Mühlbacher Stuhl; 22 Schenker Stuhl; 23. Reußmarkter Stuhl; 24. Repser Stuhl; 25. Leschkircher Stuhl. c) Übersicht der sächsischen Besitzungen: (16) Besitz der Stadt Hermannstadt bzw. der Sieben Stühle (Siebenrichter); (17) der Schäßburger Kirche; (18) der Stadt Kronstadt; (19) zeitweilig der Mediascher Kirche (Puschendorf). Ziffern rot, arabisch: Nummern der Stühle, Distrikte und Komitate; römisch: Unterbezir­ ke der Distrikte und Komitate; grün: Nummern der Kapitel (Zählung von oben nach unten und von West nach Ost).

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Siebenbürgen

Obwohl der Ritterorden sicher beste Beziehungen zu Westeuropa hatte, sah er sich genötigt, für die schnelle Besiedlung teilweise auf Hospites aus dem „Alten Land“595  Südsiebenbürgens zurückzugreifen – zum Missfallen des Königs. Bei den westlichen Siedlern gab es einen größeren Anteil von Bayern, deren Existenz sich im Dialekt niederschlug.596 Unter diesen Umständen konnte das Gebiet in der kurzen Zeit 1211-1225 nicht vollständig besiedelt werden; der Besiedlungsvorgang ging nach 1225 weiter. Im Unterschied zum schmalen Siedlungsstreifen zwischen Broos und Reps, wo die Kirchen vollständig oder fast zur Gänze im romanischen Stil gebaut worden waren, gibt es im später besiedelten Burzenland wenige romanische Elemente: am Sitz des Ritterordens in Marienburg und am Chor der Honigberger Kirche. Vorherrschend sind frühgotische Bauten, etwa in Tartlau, Bartholomä und Rosenau. (Vergleichsweise ist hier auch an Draas zu erinnern, das 1224 an die Hermannstädter Provinz angeschlossen wurde597: dort ist eine kleine romanische Szeklerkirche durch einen größeren frühgotischen Bau ersetzt worden.) Im Burzenland gibt es eine einzige hochgotische Kirche, und zwar in Weidenbach/Ghimbav, und jene in Zeiden/Codlea könnte vielleicht noch neuer sein.

Hospitessiedlungen in Nordsiebenbürgen Erst seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts kann man mit der geregelten Anlage von Niederlassungen östlich des Uriu-Verhaus rechnen und wie die romanische Kirche in Mönchsdorf/Harina zeigt, dürften zunächst grundherrliche Siedlungen entstanden sein. Es gibt aber keine sächsische Kirche mit nennenswerten romanischen Elementen – lediglich in Petersdorf hat sich ein solches Portal erhalten. Im Ganzen scheint der Besiedlungsprozess jedoch etwas weniger geordnet vonstatten gegangen zu sein als in Südsiebenbürgen – wie die Verteilung der Güter zeigt, hatten „Ungarn“, Adlige und Würdenträger, hier einen größeren Einfluss auf den Landesausbau. Dabei spielten verschiedene Faktoren eine Rolle. Im Somesch-Hochland und vor allem im späteren Kalota-Stuhl ließen sich relativ viele Ungarn nieder, möglicherweise wurden auch die dortigen Chasaren magyarisiert (Abb. 125). Weiter östlich änderte sich die Lage. Die Magyaren hatten einen kleinen Anteil an der Bevölkerungsanzahl und die Mehrheit der Bevölkerung wurde vom rumänischen Bevölkerungsüberschuss des einstigen Gebietes Zimmermann, C. Werner, Urkundenbuch, I, S. 20. Mitteilung von A. Thudt †. 597  F. Zimmermann, C. Verner, Urkundenbuch, I, S. 34. 595  F.

596  Mündliche

Siedlungskammern

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von Gelou gebildet; geht man von dem späteren Anteil der Bewohner aus (Abb. 125), so wurde von dort offensichtlich ein Teil der Rumänen umgesiedelt. Weiter östlich beschränkte sich der günstige Siedlungsraum vorwiegend auf die Au des Großen Somesch mit dem unmittelbar angrenzenden Gebiet; weiter nördlich gab es kompakte Wälder und südlich begann die Siebenbürgische Heide, die eher ein Gebiet für Nomaden oder Halbnomaden war. So reichte das dichter bewohnte Gebiet bald bis zum zentralsiebenbürgischen Verhau. Zu dem Zeitpunkt, als die Hospites aus dem Westen Europas im Nordosten Siebenbürgens angesiedelt wurden, war die Besiedlung des Gebiets zwischen der erwähnten Verhaulinie von Uriu und den Ostkarpaten schon im Gange – und dieses neben der ansässigen Bevölkerung, deren Existenz auch durch die slawische und rumänische Toponymie belegt ist. Es gab z. B. in unmittelbarer Nähe des späteren Ortes Bistritz/Bistrița die Petschenegensiedlung Heidendorf/Viișoara, die sicher vor der Ankunft der Hospites angelegt worden ist und später ostwärts ins Bârgăului-Gebirge verlegt wurde. Auch die Grenzen der einzelnen Komitate waren wohl schon festgelegt. Mit einer Rücksichtnahme auf bestehende Siedlungen – wie Mönchsdorf/Harina598 – und strategisch wichtige Straßen kann die weniger geschlossene Form des Königsbodens des Bistritzer Distrikts erklärt werden (Abb. 141). In zwei Gebieten konzentrierten sich die Hospites Nordsiebenbürgens: im Nösnerland und im Reener Ländchen. Dabei sprechen stilistische Elemente in beiden Zonen für eine relativ späte Ansiedlungszeit: romanische Elemente fehlen fast vollständig. Die einstige Kirche des Minoritenklosters in Bistritz (heute orthodoxe Kirche) ist frühgotisch und auch aus dem Grundriss der Bistritzer Pfarrkirche ist auf einen frühgotischen Vorgängerbau zu schließen. In Hospitesdörfern des Nösnerlandes handelt es sich um gotische Kirchen und die Bauten des Reener Ländchens sind noch etwas neuer. Städtebauliche Gemeinsamkeiten zwischen der Gesamtanlage mit breitem Anger in Bistritz und Mühlbach erlauben ein Ansetzen des Ansiedlungsbeginns in Bistritz am Ende des 12. Jahrhunderts, ein Prozess, der sich im 13. Jahrhundert fortsetzte. Ebenso gibt es Besonderheiten der Sprache: gewisse Ähnlichkeiten zwischen siebenbürgisch-sächsischen Idiomen in Nordsiebenbürgen (mit seiner bayerischen „Überdachung“) und dem Burzenländer Dialekt599 sprechen ebenfalls für eine Ansiedlungszeit um bzw. nach 1200. Dies alles zeigt die relativ späte Besiedlung des Gebietes. K. K. Klein, Transsylvanica, S. 189-198. diesbezügliche mündliche Mitteilung ist A. Thudt † zu verdanken.

598  Dazu 599  Eine

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Siebenbürgen

Der Königsboden des späteren Bistritzer Distriktes befindet sich auf dem einstigen Gebiet des Dobokaer Komitates, aber die Zweiteilung des Distriktes ist etwas Besonderes. Vermutlich geht sie auf eine WestOst-Straße zurück, deretwegen dort schon vor den Sachsen Grenzwächter angesiedelt worden sind. Für den wichtigen Verbindungsweg spricht der Rückzug der Petschenegen von 1068 auf dieser Straße, wobei sie vom königlichen Heer bei Kyrieleis/Chiraleș geschlagen wurden. Sie führt von Kallesdorf/Arcalia nach Groß-Schogen/Șieu und kreuzt eine Nord-Süd-Verbindung, der eine zweite Diskontinuität des 141. Politische Gliederung des Nösner­ Königsbodens zu verdanken sein landes und des Reener Ländchens. Komitatsgrenzen: 4 Thorenburg, dürfte. Es handelt sich ebenfalls um 5 Klausenburg, 6 Doboka, 7 Innerszolnok; eine Straße, die das Bistritztal von Grenze des Bistritzer Distriktes. Deutsch-Budak/Budacu de Jos, über „Salz“/Sărata und Mönchsdorf, mit Tekendorf/Teaca und Regen/Reghin am Mieresch verbindet. Für den Prozess der Besiedlung ist die Gliederung in Kirchenkapitel aufschlussreich (Abb. 141). Die beiden gesonderten Teile des Königsbodens bilden je ein separates Kirchenkapitel: das Bistritzer und das Kiralier Kapitel. Nur zum Bistritzer Kapitel kamen noch drei angrenzende Gemeinden auf Komitatsboden hinzu, von denen zwei weitab der anderen Kapitel lagen. Die weiteren Kirchenkapitel sind nicht in der gleichen Art organisch geschlossen; sie legten sich gewissermaßen in einzelnen Inseln um den Königsboden. Das gilt auch für das Schogener Kapitel, in geringerem Maße für das Tekendorfer und Reener Kapitel. Zugleich zeigt diese Tatsache, dass es sich bei den Siedlungen auf Komitatsboden um Tochtersiedlungen jener auf Königsboden handelte. Eindeutig ist die Verbreitung der Wälder. Östlich von Bistritz und Regen steigt das stark bewaldete Căliman-Gebirge auf, nördlich von Bistritz das ebenso bewaldete Bârgăului-Gebirge. Unbewaldet sind vor allem die breiten Täler: das Bistritztal und das Miereschtal. Freiflächen entsprechen auch den kleineren Tälern. Ob es jedoch einen wehrhaften Waldstreifen  

 

Siedlungskammern

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zwischen den beiden Tälern westlich von Bistritz gab, lässt sich vorläufig nicht bestimmen – denkbar wäre es. Schlussfolgerungen können am vorteilhaftesten nach der Karte im Historisch-Landeskundlichen Atlas von Siebenbürgen und den Angaben aus E. Wagners Ortsnamenbuch gezogen werden. Obwohl sich die Siedlungsverteilung im Lauf von über einem halben Jahrtausend grundlegend verändert hat, sind eine Reihe von Merkmalen des alten Siedlungsgefüges zu erkennen. Zum einen gibt es auf den Höhenzügen der Ost- und Südkarpaten, aber auch der Siebenbürgischen Westgebirge sehr wenige Siedlungen und im Mittelalter waren es noch weniger. Sowohl in der Siebenbürgischen Heide als auch in den sächsischen Gebieten war die Zahl der Siedlungen ebenfalls relativ gering. In

142. Verteilung der Ortschaften Siebenbürgens um das Jahr 1800.  Traditionelle Zentren größerer Gebiete;  Orte mit Heiligennamen; • andere Orte. Grenzen der Komitate, Kreise, Stühle und Distrikte des 15. Jahrhunderts. Gebietskörperschaften und deren Unterteilung: 1 Innerszolnok, 2 Doboka, 3 Klausen­ burg, 4 Thorenburg, 5 Weißenburg, 6 Hunyad, 7 Kokelburg, 8 Sieben Stühle, 9 Zwei Stühle, 10 Fogarasch, 11 Burzenland, 12 Drei Stühle, 13 Telegd, 14 Ariesch, 15 Bistritz. Größere Exklaven: 5a Weißenburg; Grundbesitz: 8a Hermannstadt, 11a Kronstadt.  

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Siebenbürgen

den rumänischen Gebieten – bei Fogarasch und Törzburg –, aber auch am Nordrand der Siebenbürgischen Heide war die Dichte der Siedlungen merklich größer. Die größten Siedlungsdichten gab es im Somesch-Hochland, am Fuß der Siebenbürgischen Westgebirge, im Hunyader Komitat und in den ebenen Teilen der Szekler Stühle.

Begrenzungen und Verhaue

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B E G R E N Z U N G E N  U N D  V E R H A U E Siebenbürgisches Becken Die Abhängigkeit der Gebiete von wechselnden politischen Machtpotentialen sowie die unterschiedliche Bevölkerungsdichte in verschiedenen Regionen Siebenbürgens600 führten zu einer wechselnden Begrenzung der Gebiete. Ähnlich wie bei städtischen Verteidigungslinien601 dürften auch bei größeren Gebieten ältere Verteidigungsvorrichtungen, d. h. Hindernisse, die zu den Begrenzungen gehörten, bei der Erstellung neuer Verteidigungslinien zunächst nicht beseitigt, sondern noch beibehalten worden sein – möglicherweise über längere Zeit. Entsprechend den Geländebedingungen dürften Vorrichtungen in manchen Fällen ganz einfach gewesen sein, das heißt, sie werden an steile Hänge, Felsformationen, Sümpfe oder größere Wasserläufe gebunden gewesen sein. In einzelnen Fällen muss man sogar mit virtuellen, unbefestigten Grenzlinien rechnen. Die wichtigste Rolle in diesem Kontext kam jedoch Wäldern zu, für die mitunter auch der Begriff „Wehrbusch“602 oder „Verbotener Busch“ verwendet wurde. Zugleich gab es auch Verteidigungsanlagen (Gebücke), die aus dichten, undurchdringlichen Hecken, vor allem Dornenhecken bestanden (Abb. 98). Gerade im Fall von vegetationsgebundenen Hindernissen werden diese mitunter schwer zu überwinden gewesen sein. In Wäldern waren sogenannte „Verhaue“ („indagines“, „prisacă“ oder „presacă“, „gyepű“) relativ leicht anzulegen, indem Bäume gefällt und übereinander liegengelassen wurden „als Spielform der auf unbewaldeten Höhen befindlichen ‚Verhaue‘ [können nach T. Sălăgean als Grenzmarkierungen gelten], die aus Stämmen (Balken) bestanden, auf deren Existenz und Alter z. B. Ortsnamen an der Grenze zwischen dem Thorenburger und Klausenburger Komitat hinweisen“ (Abb. 143, 144). Da Verhaue in Wäldern aber viel leichter als auf unbewaldeten Flächen anzulegen waren, kann angenommen werden, dass diese Wehranlagen sich weitgehend in Waldgebieten befanden, selbst wenn 600  Siehe

auch D. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 38.

601  P. Niedermaier, Siebenbürgische Städte, S. 275-280 und Abb. 122, 128, 131, 136, 139, 143,

147, 150; ders.: Atlas istoric al orașelor din România/Städtegeschichteatlas Rumäniens. Sighișoara/ Schäßburg. 602  Z.-K. Pinter, C. Urduzia, … custodes confiniorum, vulgo ewrii …, S. 12-17. „Bäsch“ ist im siebenbürgisch-sächsischen Dialekt vieler Dörfer der normale Begriff für „Wald“.

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Siebenbürgen

diese nicht an charakteristische Geländeformen gebunden waren. Es hat den Anschein, dass die Waldstreifen der Verhaue später nicht oder nur sehr zögerlich abgeholzt wurden und demnach – wenigstens zum Teil oder dem Namen nach – lange erhalten blieben. Dazu gab es selbstverständlich Durchgangsstellen, sogenannte „Tore“ („poarta“, „braniște“, „capu“, „ajtó“), die sich in Form von Flur- oder Ortsnamen erhalten haben. Prinzipiell gibt es Anhaltspunkte für die Existenz ganz verschieden stark ausgebauter Verteidigungslinien. Außer weniger anspruchsvollen Begrenzungen gab es auch sehr komplexe Anlagen. Bei diesen befand sich vor der Hauptverteidigungslinie eine zweite, weniger stark befestigte Linie – etwa entlang eines Flusses. Auch unbewohnte Geländestreifen, die manchmal absichtlich entvölkert wurden („terra deserta“), kamen hinzu. In der Nähe der Wehrlinie gab es Beobachtungsposten („Warte“, „strajă“, 143, 144. Höhenschichten„őr“ oder „les“), welche die Umgebung im Auge karte und Wehranlagen in der Gegend um Thorenbehielten, sodass die Annäherung eines Feindes burg (nach: Historischfrühzeitig bemerkt wurde. Vor allem gab es – Landeskundlicher Atlas wohl hinter den Verteidigungslinien – Siedlunvon Siebenbürgen).  Tor,  Ort; gen der Grenzwächter, in denen für gewöhnlich   Warten,  ••• vermuteter Verhau. Hilfsvölker der Magyaren angesiedelt wurden (Szekler, Oghusen, Petschenegen, Kumanen, Chazaren, Kék-Kend usw.); vor allem Ortsnamen weisen auf diese hin. Dazu ist auch gesagt worden, dass es sich beim Bau und der Nutzung der Verhaue „um eine fließende Entwicklung mit wechselnder Betonung der inneren oder der äußeren Sicherungslinie handelte, und [dass eine] Einteilung in Etappen […] unvermeidlich eine Vereinfachung des Vorganges bedeutet“.603 Solche Vereinfachungen sind jedoch bei der Verdoppelung gewisser Verteidigungslinien und dem heutigen Forschungsstand nicht zu vermeiden. Unabhängig davon bildeten die Verhaue ein wichtiges frühes Gliederungselement Siebenbürgens, das die machtpolitischen Verhältnisse widerspiegelt. Einerseits zeigt es im Zusammenhang mit dem allmählichen Vordringen der Ungarn in Siebenbürgen die Erweiterung von deren Machtbereich und das Verdrängen des bulgarischen Einflusses. Anderer603  T.

Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 205, 206.

Begrenzungen und Verhaue

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seits entsprachen in vielen Gebieten die Verschiebungen der Wehrlinien dem Anwachsen der Bevölkerung. Um die halbwegs genaue Anordnung der Wehrlinien festzustellen, verfügen wir über mehrere mögliche Forschungsansätze: – Geländegegebenheiten, d. h. Relief, Wasserläufe, Wasserscheiden und Sumpfgebiete, die im Folgenden auf den Höhenschichten im HistorischLandeskundlichen Atlas von Siebenbürgen in Übersichtskarten basieren; – die heutige Bewaldung, die sich auf den Luftaufnahmen von Google Earth am besten verfolgen lässt; – Orts- und Flurnamen, die auf einstige Wehranlagen hinweisen; dabei stellt sich das Problem einer möglichst genauen Kartierung, die hier nur auf der Grundlage der „Verwaltungsgliederung um 1810“ aus dem gleichen Atlas möglich war (die Kennziffern der Orte sind in der „Topographie der Ortschaften“ des gleichen Atlas zu entschlüsseln); dabei muss jedoch unterstrichen werden, dass die Angaben nicht sehr genau sind; – Ortsnamen, die auf Hilfsvölker bzw. Grenzwächter hinweisen. In strategischer Sicht war der Westen Siebenbürgens viel wichtiger:604 Dort gab es Salzgruben und den Salztransportweg, von Oberwinz/Unirea den Mieresch flussabwärts; dazu war die Bevölkerungsdichte größer und dort befand sich auch die wichtige Ortschaft Weißenburg, deren Existenz für das 11. Jahrhundert belegt ist. Hingegen war der schütter bewohnte Ostteil Siebenbürgens unbedeutender und spielte in strategischer Hinsicht nur allmählich eine größere Rolle. Den geographischen Gegebenheiten entsprechend gab es im Westen zwei Verbindungen zwischen der Theißebene und Siebenbürgen: eine im Norden über das Somesch-Hochland, die zweite im Süden entlang des Mieresch-Durchbruchs. Kurt Horedt verweist schon für die slawische Zeit auf eine Besiedlung, die aus diesen beiden Richtungen erfolgte.605 Dabei handelte es sich zunächst im Norden um Westslawen (Mährer), im Süden um Südslawen (Bulgaren). In der nächsten Phase drangen bei der Besetzung Siebenbürgens die Ungarn zunächst auf der Nordroute ein, und erst etwas später rückten ihre Hilfsvölker von Süden her vor. Dadurch ergab sich am Westrand Siebenbürgens eine Begrenzung zwischen den beiden Stoßrichtungen. Sie befand sich auf der Wasserscheide zwischen dem Somesch- und dem Mieresch-Becken, und zwar bei Aiton zwischen Klausenburg und Thorenburg. Für eine solche Grenze sprechen, nach Teodor Sălăgean, dialektale Unterschiede des Ungarischen. In der Josephinischen Landesaufnahme sind auf dieser Wasser604  K. 605  K.

Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 191. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 119.

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Siebenbürgen

scheide vier nebeneinanderliegende Wachtpunkte eingezeichnet und an derselben Straße zwischen Thoren­ burg und Aiton (Aiton bedeutet Tor, Türe) ein Flurname „Eisernes Tor“ (Abb. 144). Auch Sălăgean erwähnt eine Anzahl „äußerst interessanter Ortsnamen im Gebiet zwischen Aiton und Boju-Huci“, d. h. zwischen dem späteren Klausenburger und dem Thorenburger Komitat.

Nordsiebenbürgen Auf der Klausenburger Seite dieser Trennlinie ist zunächst im MeseschGebirge eine Verteidigungslinie mit einem Tor urkundlich belegt – eine weitbekannte Tatsache. Die Grenze trennte das Gebiet der Theißebene vom Becken des Kleinen Somesch. Für die Zeitspanne unmittelbar nach Menumoruts Herrschaft hat die Forschung wenige Ergebnisse vorzuweisen. Die Nomadenstämme zogen es wohl vor, in der Siebenbürgischen Heide mit ihren Herden frei umherzuziehen, ohne eine Einschränkung durch Demarkationslinien. Dazu kommt der spärlichere Baumbestand in den Waldsteppengebieten östlich von Thorenburg, 145. Siebenbürgische Heide, Bewaldung der die Anlage von Verhauen er- (nach Google Earth, Image Landsat/ Copernicus). schwerte. Im Unterschied zu F. Fodor606 spricht T. Sălăgean bezüglich des Westens Siebenbürgens für das Frühmittelalter von einer „einzigen Verhaulinie“, und zwar zwischen dem chasarischen Gebiet bei Deesch und der „Terra Ultrasilvana“ des Gyula, die später „in der Verwaltungsgrenze zwischen den Komitaten Innerszolnok und Doboka weiterlebte und bis 606  F. Fodor, Adatok a magyar gyepűk, S. 113, 114; s. auch I. M. Țiplic, Organizarea defen­ sivă, S. 119-121.

Begrenzungen und Verhaue

146. Siebenbürgische Heide, Bewaldung und Höhenschichtenkarte.

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147. Siebenbürgische Heide, Anhaltspunkte für mutmaßliche Verhaue (Hintergrund Historisch-Landeskundlicher Atlas von Siebenbürgen; teils nach T. Sălăgean). Linie weiß: Wasserscheide; ••• vermutete Verhaue;  Burgen,  Tore;   Warten.    Verhaue,  (Es soll hier vor allem für Südsiebenbürgen das Fehlen systematischer Untersuchungen unterstrichen werden. Solche könnten von den Benennungen der Teile von Gemarkungen ausgehen, die in den Grundbüchern des 19. Jahrhunderts mit ihrer Lage vermerkt sind.)

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Siebenbürgen

ins 13. Jahrhundert die nördliche Grenze der Wojewodschaft Siebenbürgens bildete“.607 Diese trennte das Territorium im Süden vom Bereich der Salzstraße im Norden: Die Straße verlief von Deesch westwärts und der Verhau dürfte schon vor dem Eindringen der Magyaren in die „Terra Ultrasilvana“ bestanden haben.608 Später scheint vor allem eine andere West-Ost-Grenzlinie wieder Bedeutung bekommen zu haben, und zwar die zwischen dem ungarisch besetzten Teil im Norden und dem unter bulgarischem Einfluss stehenden Teil im Süden. Die Grenze verlief zunächst auch auf der Wasserscheide zwischen dem Somesch- und dem Miereschbecken (Abb. 143, 144), wurde aber vermutlich nach einiger Zeit südwärts verschoben, sodass sich die spätere Begrenzung südlich des Thorenburger Komitats befand. Das vermutet auch F. Fodor: die Grenze würde dem Miereschlauf folgen und hätte bei Regen begonnen und am Zusammenfluss von Mieresch und Großer Kokel geendet. Die Begrenzung soll eine administrative und politische Rolle in der Gliederung Siebenbürgens gehabt haben, aber keine alte Wehranlage gewesen sein.609 Östlich des Mesesch-Gebirges ist in der Nordhälfte Siebenbürgens mit Nord-Süd-Linien zu rechnen, welche die allmählich steigende Bevölkerungsdichte vom westlichen Teil Siebenbürgens nach Osten widerspiegeln – dies als Schutzfunktion für dichter besiedeltes Gebiet. Im Westen wohnte eine schon sesshaftere Bevölkerung, während der dünner besiedelte Raum im Osten, im petschenegischen Einflussbereich, eher von einer weniger stabilen, teilweise nomadischen Bevölkerung genutzt wurde. In der Siebenbürgischen Heide, wo eine Erweiterung des Siedlungsraums möglich war, lassen sich drei bis vier Verteidigungslinien nachweisen, die vermutlich zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind. – Am Westrand der Heide, in unmittelbarer Nähe des Kleinen Somesch gibt es zwei paralelle Waldstreifen, die aus der Nähe von Deesch bis zur Südgrenze des Klausenburger Komitates reichen (Abb. 145). Dazu gibt es auch andere Anhaltspunkte, die für einen Verhau sprechen (Abb. 147). Die Linie begann bei der Burg Cuz­dioa­ra/Kosárvár und endete bei der Warte Iuriu de Câmpie/Mezőőr, wo der Verhau westwärts schwenkte (Abb. 144). Die Existenz von zwei Waldstreifen spricht möglicherweise für zwei parallele Verhaue – einen Hauptverhau und einen Ergänzungsverhau im Sinne von Kurt Horedt610. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 126, Abb. 1. auch F. Fodor, Adatok a magyar gyepűk, S. 114, 115. 609  Das Gebiet des Klausenburger Komitates wurde später im Westen durch jenes des Kalotaer Stuhles erweitert: Es lag jenseits der Wasserscheide zwischen Somesch und Kreisch. 610  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 191.   607  T.

  608  Vergleiche

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Bei der von Anonymus erwähnten ständigen Bedrohung Gelous durch die Petschenegen, die selbstverständlich auch die Salzförderung bei Deesch betraf, ist mit diesen Wehranlagen zu Beginn des 11. Jahrhunderts zu rechnen. Die zweite Linie, die von T. Sălăgean identifiziert wurde, begann bei der Warte Uriu/Felőr auf der Nordseite des Großen Somesch, querte den Fluss beim Tor von Braniștea/Árpástó, verlief in Tälern ziemlich geradlinig südwärts und schwenkte dann in Richtung Iuriu de Câmpie. Es ist zu vermuten, dass in einer etwas späteren Etappe ein Arm dieser Wehrlinie geradeaus weiter verlief und in Südsiebenbürgen an einen Verhau bei Ozd/Magyarózd anschloss. – Als Verdoppelung der erwähnten Linie ist leicht ostwärts davon ein Verhau zu vermuten, der bei Braniștea von der Tallinie abzweigte, am Kamm bis Buza neben der Erdburg Feldioara/Melegföldvár verlief und von dort auf der Hauptwasserscheide nach Iuriu de Câmpie gelangte. Auch hier gibt es neben Feldioara eine Abzweigung südwärts. Zwischen Căpușu de Câmpie und Sânpaul verschloss diese das Tal des Lechnitzer Baches und verlief dann weiter nach Oarba de Mureș/Marosorbó und weiter nach Valea Izvoarelor/Buzásbesenyő. Die Anlage dieser zwei Wehrlinien in völlig unbewaldetem Gelände dürfte, direkt und indirekt, mit dem großen Petschenegeneinfall von 1068 in Zusammenhang stehen: der nördliche, an Iuriu de Câmpie angeschlossene Teil wird noch vor der Mitte des 11. Jahrhunderts angelegt worden sein, die Verlängerung nach Süden Anfang des 12. Jahrhunderts. T. Sălăgean versucht schließlich weiter ostwärts noch eine dritte Wehrlinie zu identifizieren: von Nușeni/Apanagyfalu nach Strugureni/Mező­ veresegyháza und weiter nach Copru/Kapor. Der südliche Teil wurde von M. Țiplic erwähnt611 und erscheint auch in der Arbeit von F. Fodor: Die nördliche Linie befand sich in der Nähe des Bistritzer Distriktes, also eines sächsischen Siedlungsgebietes, und trennte auch zwei Komitate: den Ostteil des Innerszolnoker Komitates von dem Nordteil des Dobokaer Komitates. Die südliche Teilstrecke ist am Rande des ehemaligen Szeklerstuhls Mieresch zu finden und bot auch einen Anschluss an Oar­ba de Mureș/Marosorbó (Szekler) und Valea Izvoarelor/Buzásbesenyő (Petsche­ negen) – den Siedlungen von Hilfsvölkern. Für eine Datierung bietet die Ansiedlung der Hospites in Nordsiebenbürgen einen Anhaltspunkt; da

611  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 106-126, 130, 233; I. M. Țiplic, Organizarea defensivă, S. 292, 293.

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Siebenbürgen

diese Ende des 12., Anfang des 13. Jahrhunderts anzusetzen ist, wurde der Verhau früher angelegt.612 Vermutlich gibt es jenseits der Heide, südöstlich von Beclean, auch zwei Nord-Süd-Waldstreifen (Abb. 145), diese stehen mit dem Westufer des Schogener Baches (Șiu/Șieu) beziehungsweise dem des Dürrbacher Tales (Valea Dipșa) in Verbindung und verlaufen bis zum Mieresch. Eine genaue Untersuchung steht noch aus. Schließlich wird anlässlich des ersten Mongolensturms eine Grenzlinie bei Rodenau/Rodna schriftlich erwähnt; aus Flurnamen ist auf Stützpunkte von Petschenegen und Chasaren in den Ostkarpaten zu schließen und M. Țiplic schließt aus den Ortsnamen von Prisaca Dornei und jenem des Nachbarortes Vama auf eine Grenzmark jenseits der Karpaten. Zu beachten ist die sehr unterschiedliche Dichte von Verhauen. Im Norden, etwa bis auf die Höhe von Gherla (Armenierstadt), wo das Relief welliger ist und die Bewaldung betonter, finden sich viele Anhaltspunkte für einstige Verhaue. Aus diesen ergibt sich eine merkliche Dichte von Wehrlinien; im völlig unbewaldeten Süden der Siebenbürgischen Heide gibt es hingegen kaum Anhaltspunkte für einstige Verhaue. Unsere Untersuchungen konnten dort auch nur zwei Verteidigungslinien finden. Es hat den Anschein, dass die dort lebenden Hirten auf große Mobilität setzten und Verhaue sie behinderten.

Südsiebenbürgen Südlich des Mieresch können wieder zahlreiche Spuren von Verhauen gefunden werden – und dies selbst in den Gebirgsmassiven. Über den Schutz des Salztransportweges auf dem Mieresch wurde schon berichtet. Zunächst gab es dort noch keine Verhaue, aber im Kontext der bulgarischen Ansprüche auf das Thorenburger Salz wurden etwa seit der Zeit um das Jahr 1000 solche auch angelegt. Die erste Begrenzung dürfte neben Deva bei Brănișca gegen die vordringenden Magyaren angelegt worden sein, die zweite zwischen der Strell- und der Hatzeger Senke. Dabei spielt die Hatzeger Burg wohl eine besondere Rolle, da sie den Zugang aus dem Süden Richtung Thorenburg kontrollierte. An die Burg werden Begrenzungselemente angeschlossen gewesen sein – sowohl zum Mühlbacher Gebirge als auch zum Poiana-Rusca-Massiv hin. Dafür spricht das Dorf Prisaca auf der Westseite des Poiana-Rusca-Massives. Es gibt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Burg und dem Verhau, die zur gleichen Begrenzungslinie gehörten. Eine Datierung ist 612  K.

Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 135.

Begrenzungen und Verhaue

148. Ostende des Mieresch­ durchbruchs, Höhenschichtenkarte (Historisch-Landeskundlicher Atlas von Siebenbürgen, Übersichtskarten).

149. Ostende des Mieresch­ durchbruchs, Bewaldung (nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus).

150. Anhaltspunkte für den Verlauf der Verhaue (Historisch-Landes­kundlicher Atlas von Siebenbürgen). ••• Verlauf der Verhaue   Anhaltspunkte für Verhaue  Burgen   Warte   Petschenegen-Siedlung  Siedlungen der primi hospites regni

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Siebenbürgen

nur beiläufig möglich, und zwar auf Grund der einschlägigen bulgarischmagyarischen Auseinandersetzungen. Jenseits des Salztransportes könnte schon früh auch Weißenburg eine Rolle gespielt haben. Einerseits war es der Hauptort im Südteil Siebenbürgens und andererseits befand es sich in der Nähe der Öffnung des Miereschtales gegen Siebenbürgen. Es gab dort damals noch gut erhaltene römische Mauern, aber zugleich spielte auch die siedlungsgeschichtliche Stellung eine Rolle. Um diesen Ort herum gab es mehrere erwähnenswerte Schutzvorrichtungen. Davon ist hier vor allem ein Verhau im Ampoital zu erwähnen („Presaca Ampoiului“), der vermutlich noch aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts stammt. Dazu kommen eine Warte östlich von Weißenburg bei „Straja“ sowie zwei Siedlungen der „primi hospites regni“ nordwestlich von Weißenburg, möglicherweise auch andere nicht belegte Orte wie Ciugud, wo Keramik des 11. und 12. Jahrhunderts gefunden wurde. So ist es nicht verwunderlich, dass hier, im Südwesten Siebenbürgens, schon im 11. Jahrhundert auch allgemeine Verhaue angelegt worden sind. Für diese gibt es ganz konkrete Anhaltspunkte. Ganz wichtig ist der Kartenvermerk „Wehrbusch beim Tor“ neben Reußmarkt, der von Z. Pinter und C. Urduzia identifiziert wurde.613 Die „Wehr“anlagen begannen wohl bei der Burg Săscior und sperrten das Mühlbach-Tal/Valea Sebeșului. Der „Wehrbusch“ befand sich hingegen auf der Grenze zwischen dem Mühlbacher und Reußmarkter Stuhl, die mit der einstigen Ostgrenze des „Sebus“-Gebietes der „Sepsi“-Szekler zusammenfällt. Dementsprechend ist mit diesem Verteidigungssystem schon einige Zeit vor der Verschiebung der Orbó-Szekler in das Reußmarkter Gebiet zu rechnen. Der Flurname „Wehrbusch beim Tor“ bezeugt eindeutig die Existenz eines Verhaues sowie die eines Tores an einem Weg, der ostwärts verlief. Es ist unzweifelhaft, dass der Verhau von da, vorbei an Doștat/dt. Thorstatt/sächs. Dirstet (Hinweis von Z. Pinter), ostnordostwärts zum Dorf Presaca (Sékásgyepű) verlief. Vom „Wehrbusch“ haben sich Teile bis heute erhalten. Wie die Reste des einstigen 151. Reußmarkt. Vorsächsische Waldes beweisen, drehte der Verhau bei Begrenzung rot: Kirche Szekler Ursprungs. Prisaca nordwestwärts (Abb. 148-150) 613  Z.

Pinter, C. Urduzia, … custodes confiniorum, vulgo ewrii …, S. 12.

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und verlief neben dem Dorf „Straja“ bei Weißenburg auf die Siedlung Krapundorf/Ighiu der „primi hospites regni“ zu. Entsprechend der beiläufigen Datierung der Absicherung des Salztransportes auf dem Mieresch wird der Verhau im Südosten Siebenbürgens Mitte des 11. Jahrhunderts angelegt worden sein. Es ist bemerkenswert, dass dieser Verhau eine Gruppe von älteren slawischen Siedlungen um Reußmarkt/Miercurea Sibiului teilte: Es gab da offenbar ein frühes Netzwerk von Siedlungen, die sich um den slawischen Marktort gruppierten. Im Grundrissgefüge hat sich von der alten Siedlung der große „Bering“ der einstigen Szeklersiedlung erhalten (Abb. 152), an welchen der Kern der sächsischen Siedlung angeschlossen wurde (es ist das gleiche Schema wie in Broos (Abb. 131), wo auch Hospites neben Szeklern angesiedelt wurden). Das anliegende Petschenegendorf Secășel („Székás-besenyő“) fügte sich in dieses Verteidigungssystem nicht ein. Es ist anzunehmen, dass es zu der etwas späteren Ostabsicherung des Salztransportes auf dem Mie­ resch gehörte. Trifft dieses zu, so ergibt sich der Verlauf des Verhaues aus den Resten zugehöriger Waldflecken. Er verlief vermutlich von Secășel zunächst auf einem Höhenzug nordostwärts. Bei Blasendorf/Blaj querte er das Kokeltal und folgte weiter anderen Höhenzügen, an Straßburg am Mieresch/Aiud vorbei614 bis zur Erdburg am Mieresch bei RăzboieniCetate, neben dem Hauptort des Ariescher Stuhls (Abb. 152-154). Als nächster Schritt erfolgte die Verschiebung der Orbó-Szekler aus der Gegend von Straßburg/Aiud in den „Unterwald“ im Süden Siebenbürgens. Dort haben die Szekler vor der Ansiedlung der Sachsen mindestens zwei romanische Kirchen gebaut (in Reußmarkt/Miercurea Sibiului und Urwegen/Gârbova) und dieses erlaubt eine Datierung des neuen Verhaus gegen Ende des 11. oder Anfang des 12. Jahrhunderts. Ein zweiter Waldstreifen dieses Gebietes begann bei Orlat (Winsberg), schloss die Mărginimea Sibiului ab und vereinigte sich mit dem Verhau zwischen „Unter-“ und „Überwald“ etwa auf der Chica Amlașului bei Salzburg. Obwohl die beiden Waldstreifen zusammenliefen und ihnen eine entsprechende Bedeutung zukam, hat sich nördlich von Armeni und Alămor keine Fortsetzung erhalten. Der Verhau wird jedoch neben dem Weißbachtal weiter verlaufen sein, denn dort gab es Türme von zwei Motten: einen in Arbegen/Agârbiciu und einen in Frauendorf/Axente Sever (Abb. 151-154). In nächster Nähe davon liegt Kleinkopisch (Kis Kapu), ein Knotenpunkt im Verhausystem: Entlang des Weißbachs war ein Zugang von Süden 614  Östlich von Straßburg gibt es ein Waldgebiet von sehr ungewöhnlicher Form; es erinnert an eine Höhenburg, um die herum ein waldfreier Geländestreifen angelegt wurde.

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nach Norden möglich, entlang der Großen Kokel ein solcher von Osten nach Westen. Bei Kleinkopisch gab es ein Tor und eine „Königsfurt“; erhalten haben sich Reste der romanischen Szeklerkirche. Weiter verlief der begrenzende Waldstreifen nordwärts, neben Kokelburg zum Dorf Ozd. Der Ortsname ist gleichlautend mit dem einer Stadt bei Miskolc und eines Archi­ diakonats im Osten Siebenbürgens und geht wohl auf Oghusen (Usen) zurück, denen vermutlich das Komitat Kokelburg und später ihr weiteres Siedlungsgebiet, das Archidia­ konat Ozd zugehörte; sie waren ein anderes Hilfsvolk der Magyaren und vor allem in der Moldau verbreitet. Bei Luduș erreichte der Verhau den Mieresch (Abb. 152-154). Die Anlage des Verhaus stellte eine Verbindung zu den Wehranlagen 152. Höhenschichten und Wasserläufe im Kokel- und Zekesch-Hochland (Hinim Norden Siebenbürgens her und tergrund: Atlas von Siebenbürgen, Google damit verlor der „Wehrbusch“ bei Earth, Image Landsat/Copernicus). Reuß­markt viel von seiner einstigen Bedeutung. Aus der Gegend von Kleinkopisch nordostwärts zur Kleinen Kokel hin deutet ein Waldstreifen auch auf einen Verhau hin, der in Richtung Bachnen/Bahnea verläuft (Abb. 155). Diese Ortschaft liegt nahe bei der Petschenegensiedlung Valea Izvoarelor (Buzásbesenyő), wo ein Verhau der Siebenbürgischen Heide endet (Abb. 147). Ein Verhau auf dieser Linie passt gut in ein strategisches Konzept der Ausweitung des magyarischen Machtbereichs hinein – auch wenn es sonst keine weiteren Ansatzpunkte für deren Existenz gibt. Nach K. Horedt sind die Begrenzungen in Siebenbürgen südwärts verlegt worden; F. Fodor geht von einem Vordringen von Nordwesten nach Südosten aus.615 Beide lassen jedoch ein Eindringen entlang des Mieresch außer Acht. In Südsiebenbürgen ist aber – wie in Nordsieben615  E.

Wagner, Quellen, S. 6 (mit Kommentar).

Begrenzungen und Verhaue

153. Gebiet des Kokel- und Zekesch-Hochlandes, Bewaldung (nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus).

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154. Vermuteter Verlauf der Verhaue mit zugehörigen Wehranlagen.  Burgen;  Tore;  Orien­tierungs­   Verhaue;  punkte; • Berge;   Warten;   Türme.

bürgen – zunächst mit einer West-Ost-Verschiebung zu rechnen, dieses entsprechend den Möglichkeiten und Notwendigkeiten. Erst in der folgenden Etappe entstand ein Verhau, der etwa von Südwesten nach Nordosten verläuft. Es ist der Hauptverhau Hermannstadt– Schäßburg, welcher der Wasserscheide zwischen der Großen Kokel und dem Harbach folgte (Abb. 157-159). Hier, zwischen dem Mie­resch- und dem Alt-Becken, gibt es einen besonders breiten Waldstreifen, der sich bis heute erhalten hat. Diese lange Wehrlinie wurde aber in Abschnitten angelegt. Der erste Teil erstreckte sich von Rășinari über Hermannstadt bis Vecerd. Der wichtigste Punkt dieser Wehrlinie war zweifellos Hermannstadt, das in unmittelbarer Nähe des Roten-Turm-Passes lag und mithin an dem Verbindungsweg zum Gebiet südlich der Karpaten (Abb. 156). Das ausgedehnte Waldgebiet, das quer durch Südsiebenbürgen verläuft,

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Siebenbürgen 155. Bewaldung zwischen Kleinkopisch, Bachnen und Luduș (nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus).

reicht auch heute noch bis Hammersdorf und in der Stadt selbst gibt es die Reispergasse (Reiser-Berg-Gasse616). Spuren der Vorsiedlung haben sich in der Parzellierung rund um den Fingerlingsplatz erhalten617; nach archäologischen Grabungen soll die Siedlung recht ausgedehnt gewesen sein und sich angeblich auch am Rand des Kleinen Ringes und bis unter das „Alte Rathaus“ erstreckt haben. Reste des Waldstreifens haben sich weiter im Erlenpark und dem Goldtal erhalten; diese setzen sich im Dreispitzwald gegen das Gebirge hin fort, um dann jenseits von Rășinari in das Gebirgs-Verhausystem überzugehen. Zu erwähnen sind schließlich zwei Beobachtungspunkte (Warten) in der Nähe von Hermannstadt sowie die Reste von zwei Motten westlich der Stadt (in Neppendorf und Salzburg). Da die Gründung der späteren Stadt Mitte des 12. Jahrhunderts anzunehmen ist, dürfte mit dem Waldstreifen und den zum Tor gehörigen Anhaltspunkten vorher zu rechnen sein – zu Beginn des 12. Jahrhunderts. Von Vecerd, dem Endpunkt des ersten Teilstückes des Hauptverhaus, verlief ein anderer, ebenfalls erhaltener Waldstreifen quer zur großen Wasserscheide und verhinderte ein Vordringen nordwärts durch das Kaltbach616  A. Pancratz, Die Gassennamen Hermannstadts, Hermannstadt 1935, S. 18, 19: „In der Zeit der ältesten Ansiedlung bedeckte noch Wald die Hochfläche der Oberstadt. Von hier holten sich die Ansiedler das Brennholz. Für Brennholz sagte man früher und hört auch noch heute auf dem Lande: ‚Reiser‘.“ 617  P. Niedermaier, Der mittelalterliche Städtebau, S. 129, 130.

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156. Hermannstädter Gebiet, Bewaldung (Hintergrund Google Earth, Image Landsat/Copernicus).

tal. Einen Anhaltspunkt für die Existenz des Querverhaus bildet die evangelische Kirche von Mortesdorf/Motiș, in der sich der bescheidene Rest einer romanischen Herrschaftsempore mit einem kleinen Turm über deren mittlerem Joch erhalten hat – sicher Szekler Ursprungs. In Kleinkopisch schloss der dicht bewaldete Querstreifen an den älteren Verhau entlang des Weißbachtales an und verlief weiter nordwärts nach Kokelburg und Ozd (Abb. 153, 154). Die beiden Verhaue Hermannstadt–Vecerd und Vecerd–Kleinkopisch waren in Keilform angeordnet, die für ein weiteres Vordringen günstig war. Der Hauptverhau Hermannstadt–Schäßburg wurde in zweiter Etappe geradlinig verlängert (Abb. 157-159). Dafür gibt es mehrere Anhaltspunkte. Bei Großkopisch/Copșa Mare gab es ein Tor und südöstlich des Verhaus eine Motte, von deren Turm sich Reste in Abtsdorf/Apoș erhalten haben. In gerader Linie, nicht auf der Wasserscheide, scheint der Verhau weiter nach der Schäß-„Burg“ verlaufen zu sein. Einen zweiten Verhau gab es in diesem Bereich auf der Wasserscheide und an diesem befand sich die Petschenegensiedlung Peschendorf/Stejăreni (Bese). Im Hinblick auf den Verlauf von Verhauen im Norden Siebenbürgens ist es denkbar, dass hier die beiden Begrenzungen nacheinander angelegt worden sind.618 618  G. Müller hat festgestellt, dass das Zehntrecht von drei Ortschaften (Agnetheln, Mediasch und Schäßburg), deren Gemarkungen sich auf zwei Seiten von Flüssen erstrecken,

157. Höhenschichten zwischen Großer Kokel und Alt (nach Atlas von Siebenbürgen).

 N

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158. Bewaldung zwischen Großer Kokel und Alt (nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus).

 N

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159. Verhaue und Wehranlagen zwischen Großer Kokel und Alt (nach Atlas von Siebenbürgen).

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160. Kirchliche Gliederung der Gegend von Agnetheln (Atlas von Siebenbürgen, Angaben G. E. Müller).  Kapitel: 1 Schenk-Hermannstadt, 1a Vergrößerung der Gemarkung von Agnetheln, 2 Magarei, 3 Mediasch,4 Lasseln, 5 Kisd (Schäßburg), 6 Schenk-Kozd, 7 Lesch­kirch; ••• Stühle und Komitate: A Schenk; B, E Leschkirch; C1-C3 Weißenburg; D Besitz Hermannstadt; F Mediasch; G Schäßburg.

Südlich des Hauptverhaues befand sich das „Desertum“, wo es keine primär ungarischen Ortsnamen gibt. 619 Dieses wurde von Flamen und Wallonen beziehungsweise Deutschen besiedelt – aber nur südöstlich des Harbachs; das Gebiet zwischen dem Bach und dem Verhau blieb zunächst frei. Letzteres widerspiegelt sich in der kirchlichen Gliederung (Abb. 160, 191) und auch später war die sächsische Bevölkerung in den Dörfern des Magareier, Schenk-Kosder und teilweise im Kisder Kapitel relativ schütter, was auch den Anschluss eines Gemarkungsteiles nördlich des Harbaches an die Gemarkung von Agnetheln erklärt, wobei im neuen Teil das alte Zehntrecht beibehalten wurde (Abb. 160).620 Dieses zeigt, wie kompliziert die topographische Situation in diesem Bereich ist. Durch die topographische Situation begünstigt, wird Schäßburg eindeutig einen Querriegel des Kokeltales gebildet haben; hier ist eine Burg und ein quer verlaufender Verhau zu vermuten; er dürfte von der Wasserscheide zwischen Harbach und Großer Kokel, neben Peschendorf (Petschenegendorf), nordwestwärts zur Kleinen Kokel verlaufen sein und an deren Südwestufer bis zum Harghita-Gebirge. Auf einen Verhau weist der Ortsname „Kend“/Cendu hin, der sicher auf Kék-Kend, ein Hilfsvolk der Ungarn zurückgeht. Das Dorf befindet sich neben Bladenmarkt/ Bălăușeri, leicht westlich des Waldstreifens, und seine Bewohner werden für die Verteidigung des Verhaues zuständig gewesen sein (Abb. 163). Weiter nördlich gibt es für diese Begrenzungslinie noch einen Hinweis: das Dorf Valea Izvoarelor hieß früher „Buzásbesenyő“ und von dort dürfte die Verteidigungslinie nach Oarba de Mureș (Maros­orbó) weiterverlaufen sein. Da sich beide Anhaltspunkte nahe der Grenze der Szeklerstühle für die Gemarkungsteile unterschiedlich waren (G. E. Müller, Landkapitel, S. 155). Er schließt daraus, dass die Flüsse einstmals Grenzen bildeten. 619  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 161; s. auch M. Țiplic, Die Grenzverteidigung, S. 122. 620  Hier sei auf das unterschiedliche Zehntrecht der zwei Gemarkungsteile verwiesen.

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161. Waldstreifen bei Neumarkt (heutige Bewaldung nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus).

befinden. ist zu vermuten, dass diese Begrenzung vor der systematischen Besiedlung der Stühle Oderhellen und Mieresch zu datieren ist. Keisd befindet sich am Rand dieses Bereiches (Abb. 164-166). Auf eine dortige Verteidigungslinie verweist auch F. Fodor; sie wird noch aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhundert stammen. Ostwärts von Schäßburg durchzieht deren Verlängerung ein größeres Waldgebiet bis Mujna und setzt sich östlich dieses Dorfes als schmaler Waldstreifen gegen Oderhellen/Odorheiu Secuiesc fort. Bei Ighiu/Ége dreht der Streifen in Nordostrichtung und mündet jenseits von Teleac /Telekfalva (Namensgleichheit mit dem Archidiakonat!) wieder in ein größeres Waldgebiet, das die Senke um Oderhellen von jener um Vlăhița/Szentegyházasfalu trennt. Außerdem gab es, laut Bordi L., weitere Verhaue, die das Gebiet des Oderhellener Stuhls und der Drei Stühle vom benachbarten Bergland abgrenzten.621 Diesbezüglich sind weitere Untersuchungen nötig. Auffällig ist ein breites Tal nördlich und südsüdöstlich von Sovata, in das sich auch der Oberlauf der Großen Kokel eingliedert. Verhaue dürfte es auch im 621  I. M. Țiplic, Organizarea defensivă, S. 299, Karte 16; K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 166.

Begrenzungen und Verhaue

162. Gewässer und Höhenschichten bei Neumarkt (Atlas von Siebenbürgen, Verwaltungsgliederung um 1810).

163. Verlauf des Verhaues bei Neumarkt (Grundkarte: Atlas von Siebenbürgen).  Anhaltspunkte Verhaue; ••• vermutete Verhaue.  Burgen; 

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Gurghiuer Gebirge und im Harghita-Gebirge sowie östlich der Senken am Ostrand Siebenbürgens (Gurghiu, Ciuc, Cașin und Târgu Secuiesc) gegeben haben. Sehr aufschlussreich ist schließlich eine Verteidigungslinie entlang des Altflusses, die um die Mitte des 12. Jahrhundert angelegt wurde, kurz vor der Ansiedlung der Sachsen im „Desertum“ zwischen Harbach und Alt. Am Fluss gab es Erdburgen mit zugehörigen Siedlungen,622 Exklaven des Weißenburger Komitates innerhalb des Königsbodens (Hühnerbach/ Glâmboaca, Săcădate, Feldioara, Rucăr, Galați, Halmagen/Hălmeag, Königsberg/Crihalma, Galt/Ungra). Auch die strategisch wichtigen Punkte Cornățel-Nucet, Colun und Noul Român sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Diese gehörten gewissermaßen zu dem Verhau am Alt, der in den Urkunden zur Verleihung des Burzenlandes an den Deutschen Ritterorden belegt ist. Vergleicht man das Alter der zu dieser Grenzlinie gehörenden Kirchen in Săcădate und Halmagen/Hălmeag (die erste ist romanisch, die zweite frühgotisch), so wird dieser Verhau auch etappenweise von Westen her entstanden sein (Abb. 159). Dafür könnten auch Waldsäume auf dem benachbarten Königsboden sprechen – bei Burgberg/ Vurpăr, Schönberg/Dealu Frumos und Seligstadt/Seliștat (Abb. 133-139). K. Horedt erwähnt auch einen Beobachtungsposten südlich des Harbachs, bei Schönberg („Lesses“),623 doch sind in diesem Kontext weitere Forschungen nötig. Wie schon erwähnt, werden in einer späten Erweiterungsetappe des Arpadenreichs, in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, die Grenzen auf die Gebirgskämme der Karpaten verschoben worden sein624 und dann gründete man Marken jenseits der Karpaten.625 K. Horedt spricht von einer inneren und einer äußeren Verhaulinie, doch könnte es sich in deren Fall auch um ältere und neuere Verhaue han­ deln, deren Verlauf etwas verschieden war. Schließlich ist im Kontext der Verhaue auch auf die zugehörigen Anlagen zu verweisen, die nur zu einem kleinen Teil hier erwähnt sind – etwa eine Reihe von Burgen.626

622  A. Schullerus, Die Grenzburgen, S. 17-21; siehe dazu auch K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 161, 162; Kurze Geschichte Siebenbürgens, S. 187 (dort: 19 Dörfer). 623  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 161, 162. 624  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 169; siehe auch D. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 200. 625  I. M. Țiplic, Organizarea defensivă, S. 184-201, Karte 14; siehe auch K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 118, 166. 626  Siehe dazu K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 158-169.

Begrenzungen und Verhaue

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164. Heutige Bewaldung bei Schäßburg–Oderhellen (nach Google Earth, Image Landsat/Copernicus).

165. Höhenschichtenkarte Schäßburg–Oderhellen (Atlas von Siebenbürgen).

166. Lokalisierung der Anhaltspunkte, Schäßburg–Oderhellen (Atlas von Siebenbürgen).

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Wie urkundlich erwähnt, waren Verhaue auch mit Ödlandstreifen verbunden. Dieses dürfte jedoch vornehmlich für eine etwas spätere Zeit gelten, als die Bevölkerung Siebenbürgens angewachsen war. Zu Beginn des 2. Jahrtausends werden sie jedoch keine entscheidende Rolle gespielt haben, da die Bevölkerungsdichte an und für sich sehr klein gewesen ist. Mit dem 12. Jahrhundert wurde deren Bedeutung merklich größer – zuerst im Westen Siebenbürgens, dann auch im Osten. Dabei kam den früh besetzten strategischen Orten, die zu Exklaven des Weißenburger Komitates wurden, eine große Rolle zu. Wie der Fall des Verhaues zwischen Thorenburg und Aiton beweist, waren Tore schon relativ früh recht massiv, mit Eisen beschlagen oder sogar aus Eisen. Die Anordnung dieser Tore richtete sich nach den konkreten Geländegegebenheiten. In der Nähe von Klausenburg beträgt die Distanz zwischen zwei frühen Toren, bei Căpușu Mare und Căpușu Mic, nur etwa 2 km, wobei es sich allerdings um hintereinander angeordnete Durchgänge gehandelt haben könnte. Bei Mediasch beträgt die Distanz zwischen den etwas neueren Toren (Klein- und Großkopisch) etwa 23 km Luftlinie, doch dürfte es sich in deren Fall um eine Zugehörigkeit zu verschiedenen Verhauen handeln. Dem Verlauf wichtiger Straßen entsprechend gab es ostwärts von Großkopisch sicher weitere Tore bei Schäßburg und Keisd, wo die Kirchtürme ursprünglich abseits der Kirchen standen und ursprünglich vermutlich Motten zugehörten. Über einen strategischen Korridor bei Kleinkopisch lässt sich Genaueres sagen. Dazu gehörten südlich von Kleinkopisch zwei Steintürme – einer wurde in die Kirchenburg von Frauendorf, der zweite in jene von Arbegen einbezogen; ebenso gab es südlich von Großkopisch einen Turm in Abtsdorf. Vermutlich sind auch die Kirchtürme von Salzburg und Neppendorf ursprünglich Wehranlagen gewesen. Ähnlich verhält es sich mit den Burgen der Altlinie. Urkundlich erwähnt sind Anfang des 13. Jahrhunderts die Burgen von Galt, Halmagen und Micloșoara, doch weist, wie schon erwähnt, A. Schullerus auf eine ganze Reihe von Erdburgen entlang dieser Linie hin: in Galt, Königsberg, Halmagen usw.627 Burgen werden auch an wichtigen Straßen gestanden haben: bei Kleinschenk (an der Straße nach Großschenk–Seligstadt628–Hendorf– Schäßburg), bei Hermannstadt im Bereich von Săcădate–Cornățel/Nucet sowie bei Talmesch an der Straße in den Roten-Turm-Pass.

627  A. Schullerus, Die Grenzburgen, S. 17-21; Istoria Transilvaniei, Hg. I.-A. Pop, Th. Nägler, S. 214. 628  Lateinisch „Villa Militum“.

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Burgen (vor allem Erdburgen oder Motten mit einem Bergfried), die zu diesen Verteidigungslinien gehörten, sind im Zusammenhang mit der Gliederung des Territoriums von zweitrangiger Bedeutung. Sie gewannen offensichtlich in einer etwas späteren Etappe an Geltung. Marian Țiplic weist auf die Befestigungen aus der Zeit der Deutschordensritter an der Süd- und Ostgrenze Siebenbürgens hin.629 Die Lage dieser Burgen hängt zum Großteil ebenfalls mit natürlichen Begrenzungen zusammen, doch war die zugehörige Gliederung des Gebiets nicht mehr von ihnen abhängig. Das gilt auch für die große Anzahl von Burgen, die im 13. bis 16. Jahrhundert errichtet wurden.

Verhaue der Karpaten Die Verteidigung gegen Süden hin, gegen Kumanien und das Bulgarische Reich hatte eine besondere Bedeutung und war für die ungarische Krone von strategischem Interesse. Dabei spielten die Karpaten eine wichtige Rolle. Dieses äußerte sich schon in der frühen Absicherung durch Verhaue bei Karansebesch und Diemrich sowie eine Burg bei Hatzeg, zwischen denen es sicher eine Begrenzung gab (Abb. 75, 167). Da die natürlichen Gegebenheiten die Verteidigung wesentlich begünstigen konnten, stellten sich im Fall von Überquerungen der Karpaten besondere Probleme. Nicht nur die Zugänglichkeit, die Neigung und das Vorhandensein von Felsbarrieren spielten eine wichtige Rolle. Weit abgelegen von Siedlerhorsten befanden sich Almen auf Bergrücken, die von den Hirten genutzt wurden; trotz aller Begrenzungen und Hindernisse sollten diese Bergrücken den Auf- und Abtrieb der Schafherden möglich machen und Almen nicht zerstückelt werden. Andererseits waren Täler ohne einen richtig angelegten Weg, wegen herabgestürzter Felsblöcke u. a., oftmals kaum gangbar. Zudem konnten sie durch wenige umgelegte Bäume vollständig blockiert werden. Andererseits waren auch steile Hänge, auf längeren Strecken weglos, kaum zu überqueren. Siebenbürgische Westgebirge. Wie schon erwähnt, wissen wir aus groß­ mährischer Zeit von der Mesesch-Pforte und den Toren der Kalota/CălataSenke (Abb. 72). Dazwischen gab es zumindest streckenweise einen Verhau. Mit der schrittweisen Besetzung Siebenbürgens wurden die Verteidigungsmaßnahmen umfassender. Der Kleine Somesch war durch die Klausen-„Burg“ abgesichert, der wichtige Ariesch durch die Burg von 629  I. M. Țiplic,

Organizarea defensivă, S. 295-298.

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Siebenbürgen 167. Vermuteter Verhau zwischen Hatzeger u. Strell-Senke (Atlas von Siebenbürgen). Burg Hatzeg

Subcetate

Hatzeg

Moldovenești („Várfalva“) sowie durch den nebenliegenden Ariescher Szeklerstuhl, der sich bis zum Mieresch ausdehnte, wo es eine Erdburg bei Oberwinz/Unirea gab (Abb. 154). Ebenso war der Ausgang aus dem Arieschtal von der Burg auf dem Szeklerstein und Siedlungen der OrbóSzekler bewacht. Weiter im Süden, bei Weißenburg, war das wichtige WestOst ausgerichtete Ampoi-Tal durch einen Verhau bei „Prisaca Ampoiului“ abgesichert (Abb. 150). Zwischen Mühlbach und Karansebesch gliederte sich der Verhau in eine Begrenzung im Gebirge ein. Südkarpaten. Entsprechend den Forderungen und Möglichkeiten mussten Verhaue im Gebirge anders als solche im Siebenbürgischen Hochland angelegt werden. Da Höhenzüge meist schwer zu überqueren waren, spielte die Ausrichtung der Täler eine überragende Rolle. Waren diese vor allem ost-westwärts ausgerichtet, so war eine Überquerung sehr schwer. Das war vor allem im Zibinsgebirge (heute munții Cindrel) der Fall und wurde vor allem im Kontext des Siedlerhorstes der Mărginimea Sibiului schon besprochen (Abb. 111, 113). Einige Hinweise für die Anlage von Verhauen im Gebirge können wir aus Flurnamen erschließen. Von der Cindrelspitze (2244 m) verlief der Reșinarer Schaftrieb (plaiul Rășinărenilor, Abb. 156, 171) ostwärts. Etwa auf halbem Wege, östlich der Beșineu-Sennhütte, befindet sich die BeșineuSpitze (heute Surdu, 1961 m). Vom Sattel westlich des Berges fließt der Beșineu-Bach (Valea Beșineului) nach Norden und die Beșineu-Quelle (Izvo­ rul Beșineului) nach Süden, was die besondere Bedeutung des Gebietes unterstreicht. Weiter verlief der Schaftrieb auf dem Kamm oder nahe von diesem zum Dorf Rășinari, wo er auf den Verhau Hermannstadt–Schäßburg stieß (Abb. 157-159). Der Name „Beșineu“ spricht eindeutig für einen Verteidigungspunkt, der Petschenegen anvertraut war und die Lage des Beșineu-Baches und der Beșineu-Quelle nördlich und südlich des

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168. Prisaca im Mühlbacher Gebirge (nach Tourismuskarte bei Beleanu, Munții Șuria­nu).  Prisaca-Namen, ••• vermuteter Verlauf des Verhaus.

Kammes deuten auf eine Begrenzung, einen Verhau hin, der quer zum Kamm verlief. Durch diesen konnte ein Vordringen von Angreifern auf dem Reschinarer Schaftrieb verhindert werden. Besonders eindeutig sind Flurnamen im Mühlbacher Gebirge (heute Munții Șurianu). Dort ist das Gebirge durch zwei wichtige Flüsse gegliedert: den Râul Mare bei Cugir und den Mühlbach (râul Sebeș) bei Mühlbach. In der Nähe der Schurian-Spitze, nordöstlich des Canciu (1766 m) befindet sich ein Gebiet, das auf verschiedenen Karten als „Prisaca“ erscheint: „Vârful Prisaca“, „Pasul Prisaca“ oder „Curmătura Prisaca“. Es ist eindeutig, dass es dort einen Verhau gab und für seine Ausrichtung geben uns die Karten einen wertvollen Hinweis (Abb. 168): wie beim Beșineu, ist auf der einen Seite des Kammes das Prisaca-Tal („Valea Prisăcii“) eingezeichnet, das in den Mühlbach mündet, auf der andern Seite des Kammes die Prisaca-Quelle („Izvorul Prisăcii“), der in den Râul Mare mündet. Dementsprechend ist anzunehmen, dass sich ein Verhau zwischen und entlang dieser beiden Wasserläufe befand, der wohl mit einem Tor beim Schaftrieb versehen war. Der Verhau sperrte also den wichtigen Kamm, der vom Hauptkamm des Mühlbacher Gebirges über die „Poarta Raiului“ zu dem Kamm führte, der über dem Mühlbachtal/ Valea Sebeșului nach Pien hinunter verläuft. Er sperrte ein großes Gebiet ab, in dem es zahlreiche Weiler und Hirtendörfer gibt (Abb. 111). Seitlich konnte man in dieses Gebiet kaum vordringen, da die Hänge steil sind. Auch am nächsten bedeutenden Höhenzug westwärts, oberhalb von Cugir, gibt es einen „Dealul Prisaca“; andere Flurnamen dürften dort verschwunden sein. Aber etwa 25 km nordöstlich von Subcetate, bei Costești-Deal, gibt es eine „Valea Prisăcii“ und etwa 5 km oberhalb davon die Spitze „Prisaca“ (1500 m). Diese befindet sich auf dem Hauptkamm des Mühlbacher Gebirges, der zur Schurian-Spitze hin verläuft. Es ist hier mit einem Verhau entlang des Tales, vielleicht auch quer zum Kamm zu

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Siebenbürgen

169. Bewaldung im Zibins- und Mühlbacher Gebirge (nach Google Earth, Image Landsat/ Copernicus).

170. Höhenschichtenkarte, Zibins- und Mühlbacher Gebirge (nach Atlas von Siebenbürgen).

171. Anhaltspunkte für den Verlauf von Verhauen im Gebirge (nach Atlas von Siebenbürgen).

Begrenzungen und Verhaue

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rechnen (Abb. 171). Vergleicht man die Anordnung der beiden Anhaltspunkte, so scheint sich die Begrenzung zwischen diesen, am bergseitigen Ende der Gemarkungen anliegender Dörfer befunden zu haben. Das gleiche dürfte zum Teil auch für die Grenze weiter westwärts, gegen die Hatzeger Burg gelten (Abb. 167). Für das Gebiet östlich des Mühlbachtales scheint diese Reglung nicht zu gelten. Zwischen Gura Râului und Boița sind uns aus einer späteren Zeit aber schriftliche Zeugnisse bekannt: Aus einer Urkunde von 1383 wissen wir, dass die Bewohner dieser Gegend Wachtdienst auf den Gebirgen bei Talmesch/Tălmaciu (neben dem Roten-Turm-Pass) zu leisten hatten.630 In dem Bereich gab es später auch mehrere Burgen und in Urkunden wird für dieses Gebiet auch ein „comes alpinum nostrarum“ erwähnt.631 Genauer dürfte es sich dabei vor allem um den Kamm südlich des Zoodttales handeln: Șteflești–Voineagu Cătănești–Prejba (Abb. 171), der eine Alternative zur Begrenzung der Beșineu-Linie bildete. Eine solche Begrenzung wäre gerade bei Tălmăcel und Boița bzw. beim „Roten Turm“ ins Alttal gestoßen. Noch weiter südlich, im Lotru-Gebirge, vom Voineagu Cătănești über den Vârful Mare ist eine südlich vorgeschobene Begrenzung nicht ausgeschlossen, die in der Nähe der Lauterburg, „Lotor­vár“, am Ende des Lotrioaratals ins Alttal stieß und von hier jenseits des Alt unmittelbar den Hauptkamm des Fogarascher Gebirges erreichte. Weiter im Osten, im Fall des Fogarascher Gebirges ist die Lage anders, aber klar. Es gibt dort einen stark ausgeprägten West-Ost-Hauptkamm, und von diesem Ausläufer nach Norden und Süden, wobei die Südausläufer besonders lang sind: sie entsprachen etwa 2-4 Tagesreisen. Der Hauptkamm ist in verschiedenen Abschnitten recht unterschiedlich. Vom Roten-Turm-Pass bis in die Nähe der Șerbota-Spitze ist dieser abschüssig, jedoch nicht ausgesprochen felsig. Ein langes Stück, von der Șerbota bis zur Urleaspitze ist der Kamm felsig und schwer zu überqueren. Zwischen der Curmătura Zârnei und der Curmătura Brătilei (früher „Curmătura Radului“) folgte ein sanfteres Stück, von dessen Ende es einen gut zu begehenden Südausläufer gibt – das Iezer-Gebirge. Weiter ostwärts war der Kamm jedoch kaum zu überqueren, da sich südlich davon das tief eingeschnittene Dâmbovița-Tal befand. Die Begrenzung am Hauptkamm des Fogarascher Gebirges war sehr klar, jedoch gibt es dafür wenige Anhaltspunkte. Etwa auf halber Gebirgslänge liegt unten, am Alt, eine einstige Petschenegen-Siedlung, Beșimbac Zimmermann, C. Werner, G. Müller, Urkundenbuch, II, S. 565, 566. Lupaș, Săliște, S. 4, 5; I. Moga, Marginea, S. 10, 11; F. Michaelis, Aurel Decei, Cetatea Salgo de la Sibiel, S. 366. 630  F. 631  I.

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Siebenbürgen

(heute Olteț); Flurnamen, die auf Petschenegen zurückgehen, sind zahlreich. Dazu gab es in der Fogarascher Gegend bei Breaza eine Burg, von welcher der Gebirgsübergang auf dem Kamm des Iezer-Gebirges beaufsichtigt wurde (Abb. 119). Erst jenseits des Königsteins (Piatra Craiului) gab es wieder günstigere Übergangsmöglichkeiten, die besonders bewacht werden mussten, und zwar über die Törzburger Hochfläche/Platforma Branului (Abb. 172), worauf schon eingegangen wurde. An deren Nordrand gab es natürliche Hindernisse – den Kleinen Königstein, die Măgura-Berge und den Abfall von der Hochfläche in das Burzenland mit einem „Bannwald“,632 den der Weg wohl durch das Dorf „Poarta“ umging. Die Begrenzung und der Ortsname Poarta sprechen für das Vorhandensein einer Begrenzung. Auf der Südseite der Törzburger Hochfläche, gegen Podul Dâmboviței, gab es eine zweite Begrenzung, gegen das Dâmbovița-Tal. Diese wird von einer Steilstufe gebildet. Über die führte ein sehr steiler Weg, der in den Felsen gehauen ist, die sogenannte „Königsbrücke“633 (mit vertieften Einschnitten für Wagenräder und Stufen für die Pferde). Die Steilstufe war zusätzlich durch eine kleine Burg abgesichert, die dem Gelände und der Größe nach sehr alt sein muss. Auf der Hochfläche selbst lebten Hirten634, die „Mocani“. Das Gebiet gehörte weder zum Ritterorden noch bildete es eine Exklave des Weißenburger Komitates (erst später entstand das Törzburger Dominium, mit dem das Gebiet an die Stadt Kronstadt fiel). Das legt den Gedanken nahe, dass es schon 1211 Regelungen mit den Bewohnern der Hochfläche gab, die Aufgaben als Grenzwächter 172. Törzburger Hochfläche (nach Google Earth, Image übernahmen. Landsat/Copernicus).

632  H. Wachner, Kronstädter Heimat- und Wanderbuch, S. 144; siehe auch 126-133, 139-141. 633  H.

Wachner, Kronstädter Heimat- und Wanderbuch, S. 140.

634  Die „Mărginime“ und die „Mocănime“ waren der Inbegriff rumänischer Hirtenreviere.

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Im Unterschied zu diesem Hauptteil der Südkarpaten waren die Grenz­ wächter weiter ostwärts verschiedene Hilfsvölker, die schon im Kontext der Siedlerhorste erwähnt worden sind. Jenseits des hohen Bucegigebirges ist der Altschanzpass/Pasul Predeluș von Tschango bewacht worden und der Tatarenpass/Pasul Boncuța von Petschenegen. Die wenig später errichtete „Kreuzburg“ des Ritterordens war wohl eine bedeutende Wehranlage. In diesem Kontext muss auch die Bosauer Hochfläche genannt werden, die gewisse Ähnlichkeiten mit der Törzburger Hochfläche aufweist, doch ist die Bosauer Hochfläche, geländebedingt, nicht im gleichen Maße geschlossen. Ostkarpaten. Ähnlich wie im Fall der Südkarpaten sind auch die Ostkarpaten nicht einheitlich. Die Wasserläufe sind verschieden ausgerichtet – zum Teil fließen sie parallel zu den Kämmen, zum Teil senkrecht dazu. So gibt es, geologisch bedingt, gleichlaufende Gebirgszüge, deren Zahl von Abschnitt zu Abschnitt verschieden ist. Im Süden sind es zunächst drei Gebirgszüge, weiter nördlich nur zwei, dann aber fünf und in den beiden letzten Abschnitten je drei. Einige gehören zu Siebenbürgen, andere zur Moldau. Die Gebirge sind im Allgemeinen relativ niedrig, nur im Norden steigt das Căliman-Gebirge über 2000 m auf. Dafür haben die Ostkarpaten aber eine große Breite, die fast jener des siebenbürgischen Hochlandes gleichkommt. Dementsprechend haben einzelne Täler und Senken beträchtliche Ausmaße, vor allem die Senken Ciuc und Giurgeu. Das macht eine Beurteilung der Wehranlagen besonders schwierig, sodass hierfür eine detaillierte Analyse erforderlich sein wird. Eindeutig sind in diesem Teil Siebenbürgens auch verschiedene magyarische Hilfsvölker konzentriert. Am Südende der Ostkarpaten war die Senke der Drei Stühle/Három­ szék von der Moldau nur durch das Vrancea-Gebirge bzw. nur durch eine einzige Wasserscheide getrennt. Sie war dementsprechend feindlichen Überfällen der Steppenvölker relativ stark ausgesetzt. Es ist offensichtlich, dass das Gebiet strategische Bedeutung hatte und so gab es dort relativ viele Burgen. Zunächst, im Anschluss an das Burzenland, hatte der Ritterorden die schon erwähnte Kreuzburg errichtet, deren Standort jedoch bis heute nicht eindeutig bestimmt werden konnte.635 Am nördlichen Rand der Drei Stühle gab es die Burg Almaș bei Lemnia/Lemhény und auf der westlichen Seite eine andere bei Cernat/Csernáton. Dazu gab es auch mitten in der Senke am Schwarzbach/Râul Negru eine Wehranlage 635  Es sei hier erwähnt, dass der deutsche und der ungarische Name von Teliu bei Tartlau „Kreuzburg“ bzw. „Keresztvár“ ist.

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Siebenbürgen

Várhegy bei Leț/Lécfalva (1353: „Castr. reg. extructum Waarheghy“636). Andere Burgen, die Übergänge aus den Drei Stühlen in die Ciuc-Senke überwachten, kamen in Bixad/Sepsibükszád und Balvanioș/Büdös dazu. Da im Laufe der Zeit Burgen eine immer größere Bedeutung bekommen haben und die Erweiterung des ungarischen Machtbereiches von West nach Ost verlief, erreichte dessen Erweiterung diesen Teil der Karpaten erst etwas später. Es ist verständlich, dass hier die Burgen auch nördlich und westlich der Drei Stühle eine relativ große Rolle im Verteidigungssystem spielten. Dieses gilt für die westlichen Gebirgszüge – Baraolt, Harghita und vor allem Gurghiu, wobei jedoch unterstrichen werden muss, dass in mehreren Fällen die konkrete Datierung der Burgen und deren ursprüngliche Funktion nicht eindeutig bestimmt worden ist. Um nur die wichtigsten zu nennen, sei hier – von Süden nach Norden – auf die Burgen bei Micloșoara/Miklosvár, Sommerburg/Jimbor/Székelyzsombor, Oderhellen/Odorheiu Secuiesc/Székelyudvarhely, Firtușu/Firtosváralja, Vărșag/Székelyvarság, Eremitu/Nyáráddremete, Görgen/Gurghiu/Görgényszentimre und Brâncovenești/Marosvécs verwiesen. Diese liegen alle westlich des Hauptkammes. Für einige Burgen verfügen wir auch über zusätzliche Angaben. Am Rand einer Exklave des Weißenburger Komitates erwähnt die Urkunde für den Deutschen Ritterorden von 1211 die „indagines Nicolai“, also die Verhaue der Burg Micloșoara. Die Burg lag nördlich des Burzenlandes nahe der Mündungen der Flüsse Cormoș und Baraolt in den Alt, entlang derer man tief in das Szeklerland eindringen konnte. Aufschlussreiche Daten haben wir für die Burg Firtușu/Firtosváralja, die auf der Wasserscheide zwischen Großer und Kleiner Kokel auf einem über 1000 m hohen Berg lag (etwa 4 km östlich von Corund, an der Straße von Oderhellen nach Praid). Das anliegende Dorf hat bis ins 15. Jahrhundert „Beszeniyofalva“ geheißen;637 es könnte vor der Ansiedlung der Szekler in diesem Gebiet entstanden sein und dementsprechend wird die Burg ursprünglich königlich gewesen sein.638 Ebenfalls 4 km entfernt, aber westlich davon, liegt das Dorf Inlăceni/ Enlaka, das von Olasz G. untersucht wurde639 und das in diesem Kontext überaus aussagekräftig ist. Es bestand ursprünglich aus wenigen abgerundeten Flurblöcken, die später geteilt wurden. Diese gehörten zu vier Zehntschaften, von denen eine als „Burg-Zehntschaft“ bezeichnet wurde. Wagner, Historisch-statistisches Ortsnamenbuch, S. 316, 317. Wagner, Historisch-statistisches Ortsnamenbuch, S. 300. 638  A. Sófalvi, Sóvidék a középkorban, S. 154-158. 639  G. Olasz, Tipologia satelor secuiești, Dissertation, 2007, Bukarester Architekturinstitut, Ms. 636  E. 637  E.

Begrenzungen und Verhaue

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Das Dorf war von Wehranlagen mit vier Toren umschlossen, also auf einen etwaigen Angriff vorbereitet. Auf die Erweiterung des ungarischen Machtbereiches bis jenseits der Großen Senken der Ostkarpaten (Târgu Secuiesc, Cașin, Ciuc, Giurgeu) folgte sicher die Anlage weiterer Verteidigungsvorkehrungen, doch sind diese schwer zu verfolgen. Sicher gab es mancherorts auch Verhaue – wohl bei Pässen (Creanga-, Tenghler-, Pângarați-, Ghimeș-Palanca, im Uz-Tal und im Niergheș-Pass), aber konkrete Hinweise darauf kennen wir nur ausnahmsweise. Wie im Fall der Burg Firtușu, die von Petschenegen verteidigt wurde, ist auch hier die Bedeutung von Hilfsvölkern als Grenzwächter zu untersuchen, die möglicherweise vor den Szeklern in diesen Raum kamen, wofür Ortsnamen wie Pădureni/Sepsibesenyő stehen. Häufiger sind in diesem Raum aber Pässe, die von Oghusen verteidigt wurden, vor allem der Mușat-Pass bei Ojdula und der Oituz-Pass bei Brețcu. Auch der Name von Ozun/Uz(s)on („Villa Uzun“)640 und der Name des Oit(-)uz-Passes641 weisen auf Oghusen hin. In der Cașin-Senke, bei einem Übergang ins UzTal (Oghusen-Tal) gibt es zwei Ortsnamen, die auf Szekler Zehntschaften hinweisen, also auf eine militärische Gliederung der angrenzenden Bewohner (Plăieșii de Sus/Kászonaltisz und Plăieșii de Jos/Kászonfeltisz). Bei Szeklerburg/Miercurea Ciuc gab es zwei Pässe. Nennenswert ist hier der Uz-Pass (Oghusen-Pass).642 Dieser befindet sich am oberen Ende des langen Uz-Tales, das in der Moldau vom Trotuș-Tal bei Drămănești abzweigt, westwärts ausgerichtet ist und erst nahe der Ciuc-Senke endet. Nicht weit davon befindet sich der Ghimesch-Palanka-Pass, der von Tschango bewacht wurde; Szekler bildeten hier überall nur eine zweite Verteidigungslinie. Nördlich davon bildet das Căliman-Gebirge durch seine Größe und Höhe eine Sperre. Hier dürften kaum besondere Verteidigungsanlagen nötig gewesen sein. Aber im niedrigeren Borgoer Gebirge und im höheren Rodnaer Gebirge gibt es oberhalb von Bistritz, am Weg in den Tihuța-Pass bzw. in den Rodnaer Pass Flurnamen, die auf Chasaren bzw. Petschene­ gen als Grenzwächter hinweisen. Auch Grenzbefestigungen werden bei Rodenau gelegentlich des Mongoleneinfalls von 1241 erwähnt, später eine Burg. 640  E.

Wagner, Historisch-statistisches Ortsnamenbuch, S. 314.

641  Ajtó bedeutet Türe; das unbetonte A wird ähnlich wie O ausgesprochen. Daraus ergibt

sich Ojtó-uz (Türe der Uzen). Um den doppelten Vokal zu vermeiden, ließ man das ó fort, so dass sich schließlich Oituz ergab. 642  Auf andern Karten ist er „Rugat-Pass“ genannt.

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Siebenbürgen

Gewiss, bezüglich der Karpaten sind noch umfangreiche Forschungen anzustellen. So ist bei dem heutigen Stand der Erkenntnisse nicht zu entscheiden, ob es auch Begrenzungen entlang des jeweiligen Hauptkammes gab. Karpatenübergänge und Verteidigungsanlagen. Es gibt wohl keinen Übergang und keinen Pass, bei dem alle Identifikationsmerkmale von Wehranlagen anzutreffen sind, aber aus den unterschiedlichen Einzelfällen ergibt sich ein Gesamtbild. Im Westen ist es zunächst das „Siebenbürgische Eiserne Tor“. Wir sind geneigt, ein eisernes Tor später zu datieren, doch schon ein Flurname zwischen Aiton (Ajtó = Türe, Tor) und Thorenburg, bei einem der ältesten Verhaue Siebenbürgens, trägt diesen Namen. Es zeigt, dass auch frühe Durchgänge schon sehr stark befestigt sein konnten. Der nächste Übergang aus der Hatzeger Senke in die Kleine Walachei über den Vâlcan-Pass (1621 m) zeigt, dass es sehr wohl Pässe gab, die nur einen Teil des Jahres benutzbar waren. Zugehörige Sperren waren dann normalerweise unterhalb im Tal angelegt. So gab es, zumindest später, am Beginn des Überganges bei Bănița eine Motte. Von dort konnte sowohl der Zugang zum Merișor-Pass als auch zum Vâlcan-Pass überwacht werden (Abb. 171). Ebenso war der Durchgang durch den Verhau im Bereich des Mühlbacher Gebirges durch die Burg bei Săscior abgesichert. Einer der wichtigsten Karpatenpässe war gewiss der Rote-Turm-Pass bei Hermannstadt. Auf beiden Seiten dieses Passes gab es Grenzwächter (Petschenegen bzw. Kumanen). Zwei alte Burgen, die nicht genauer datiert sind, sperrten den Pass: Unmittelbar an dessen Anfang steht bis heute der Rote Turm und in der Nähe der Mündung des Lotrioara-Baches in den Alt gab es die Lauterburg („Látorvár“, heute abgetragen), die im 13. Jahrhundert schon existierte.643 Wichtig im Kontext dieses Passes ist jedoch vor allem der weitere Verlauf des Weges: da der Pass bei der „Masa lui Traian“ übermäßig eng und selbst auf dem schmalen Saumpfad nicht immer zu passieren war, wich der „alte Weg“ vermutlich über die Hochfläche der „Țara Loviștei“, östlich des eigentlichen Passes und des Cozia-Massives aus; nicht nur der Weg nach Curtea de Argeș verlief dort, über Sălătrucu, sondern auch jener nach Râmnicu Vâlcea über Dângești. Nach Urkunden gehörte die Țara Loviștei schon im 13. Jahrhundert zu Siebenbürgen:644 643  Hingegen wurden die „Landskrone“ erst im 14. und der „Zerbrochene Turm“ im 16. Jahrhundert erbaut. 644  Eine königliche Verleihung der „terra Loysta“ von 1233 soll gefälscht sein, doch zeigt auch eine Fälschung das Denkbare an; die Beglaubigungen von 1265 und 1311 sind nicht gefälscht (F. Zimmermann, C Werner, Urkundenbuch, I, S. 58, 95, 303).

Begrenzungen und Verhaue

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dieses Gebiet bildete südlich des Fogarascher Gebirges eine Mark, die für die Verteidigung des Zugangs nach Norden wichtig war. Der nächste Gebirgsübergang, ein Saumpfad, soll von Ucea de Sus über den Gârdoman auf den Kamm zu verlaufen sein, den er zwischen der Ucea Mare und der Corabia-Spitze überquerte, und dann nach unten, über Sălătrucu, Curtea de Argeș erreichte.645 Dieses Gebiet war jedoch so steil und felsig, dass hier kaum besondere Verteidigungsvorrichtungen nötig waren.646 Weiter ostwärts befindet sich der wichtigste Übergang über das Fogarascher Gebirge. Südlich von Fogarasch über Recea und Dejan führte der schon erwähnte Saumpfad durch die Valea Radului, über die Curmătura Radului (heute Curmătura Brătilei) und weiter über den Kamm des IezerGebirges nach Langenau/Câmpulung (Abb. 119, 120). In zweiter Phase wurde dieser Übergang auf der Nordseite des Gebirges durch ein Seitental umgeleitet und dieses von der Burg bei Breaza überwacht. Dass dafür eine Burg gebaut wurde, zeigt die Bedeutung des Saumpfades. Im Șinca-Tal führt von Schirkanyen ein Weg nach Zărnești und von dort auf die Törzburger Hochfläche, wo er beim Dorf „Drumul Carului“ auf den Weg aus dem Burzenland trifft. Entsprechend dem Verlauf der frühen Begrenzung dürfte diese Hochfläche auch eine Mark gebildet haben. Sie wurde an der Südseite auch durch eine frühe Burg abgesichert (Abb. 172, 121, 122).647 Erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts kam an der Nordseite die Törzburg hinzu. Ganz wichtig waren zwei Pässe im Südosten Siebenbürgens. Der erste, etwas weniger bedeutende, war der Altschanzpass (Pasul Predeluș). Der Weg dorthin begann in den Sieben Dörfern/Săcele und verlief in 1295 m über die Passhöhe in die Valea Doftanei. Auf der Josephinischen Landesaufnahme sind die Verteidigungsvorrichtungen des 18. Jahrhunderts verzeichnet: auf der siebenbürgischen Seite gab es zuerst die „Alte Schantze“, dann folgte ein „Alarm Haufen“, eine „Wacht“, dann die „Innere Strimba“ mit einem „Wacht Haus“ daneben, dann wieder ein „Alarm Haufen“ und schließlich die „Eusere Strimba“, wieder mit einem „Wacht Haus“. Bei allen Schanzen ist die anliegende Talsohle durch Palisaden gesperrt gewesen und in einem Nebental erscheint auch eine „Pfaffenschanze“, in einem andern Tal ein „Alarm Haufen“.

Der Kamm des Fogarascher Gebirges, S. 73, 74. diesem schwierigen Terrain hat sich der Pfad nur stellenweise erhalten. 647  Nach einigen Forschern soll die Burg zur Walachei gehört haben, doch ist dieses angesichts ihres Standortes oberhalb eines Steilhanges zu hinterfragen. 645  A. B. Szalay, 646  In

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Siebenbürgen

Wichtiger war aber der Tatarenpass (neben dem heutigen BoncuțaPass). In Siebenbürgen begann er bei Kreuzburg/Teliu (Keresztvár), stieg im Tal hoch, wechselte ins Buzăutal, verlief dann weiter am Kamm, über die Tabla Buții, neben dem Tătarul Mare (1476 m) und dem Vârful lui Crai (1473 m), hinunter zur Burg Slon und weiter nach Vălenii de Munte. Sowohl der Altschanzpass als auch der Tatarenpass waren von Grenzwächtern verschiedener Hilfsvölker abgesichert; hinzu kam dann auch eine Absicherung durch den Deutschen Ritterorden. Für die Ostkarpaten führt O. Mittelstrass in einer „unvollständigen Liste“ 18 Pässe an (von denen einige zu einem westlichen Gebirgszug gehören)648; im östlichen Gebirgszug waren die wichtigsten Pässe der Oituz-Pass im Süden, der Ghimeș-Pass in der Mitte und der Tihuța-Pass im Norden. Dort gab es im Vorfeld von Bistritz eine Mark, die durch einen Verhau bei Prisaca Dornei begrenzt war. Die Mark war so groß, dass sie sich jenseits der Ostkarpaten 100 km weit erstreckte.

Zusammenfassung: Gliederung durch Verhaue Fasst man die obigen Feststellungen zusammen, so ist zu folgern, dass die Anlage und Verschiebung von Verhauen in Siebenbürgen im 10.13. Jahrhundert mit der steigenden Bevölkerungszahl, der Ausweitung der dichter besiedelten Gebiete und der Erweiterung des Machtbereiches der ungarischen Krone einherging. Da Spannungsfelder zwischen petsche­ negischen und magyarischen Einflussgebieten und damit prinzipiell zwischen West- und Ostsiebenbürgen bestanden, können die Verhaue nicht in Ost-Westrichtung entlang der Wasserläufe verlaufen sein. Logischerweise müssen sie sich im Grunde genommen senkrecht zu dieser Spannungsrichtung entwickelt haben. Aus dieser machtpolitischen Situa­ tion heraus und entsprechend dem Verlauf der Karpaten, erfolgte eine Erweiterung des ungarischen Machtbereiches zuerst in Ostrichtung und dann in Südostrichtung. Es hat den Anschein, dass zunächst vorrangig einzelne Stellen abgesichert wurden – und zwar durch Hilfsvölker. Erst etwas später wurden weitläufige Grenzbefestigungen angelegt und schließlich auch Burgen. Die Begrenzungen konnten sehr verschiedener Art sein; streckenweise gab es Verhaue und streckenweise nicht. Eine überschlägige Rechnung zeigt, dass von den insgesamt über 500 km, die zeitweilig Grenzen zwi648  O.

Mittelstrass, Ortsnamenbuch, Seitenzahl nicht angeführt.

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schen dem Osten und Westen bildeten, etwa die Hälfte nur auf einzelnen Strecken mit festen Verhauen versehen werden mussten. Für die andere Hälfte können abschnittweise Verhaue, aber vor allem Hecken vermutet werden. Aber auch Verhaue waren unterschiedlich ausgebildet. Vom „Wehrbusch“ bei Reußmarkt bis zum Schutzgürtel zwischen Hermannstadt und Schäßburg, der durch eine vorgelagerte „terra deserta“ ergänzt war, dürfte es, entsprechend den konkreten örtlichen Situationen, Abstufungen gegeben haben. Es versteht sich von selbst, dass mit der Erweiterung und Konsolidierung des ungarischen Machtbereiches auch die Wehranlagen aufwändiger ausgebildet wurden. Sind die Verhaue anfangs zunächst vorwiegend bewaldete Gliederungselemente des Raumes gewesen, die als Verhaue immer stärker ausgebaut wurden, so bekamen später Burgen eine größere Bedeutung. Die einzelnen Befestigungsetappen dürften im Wesentlichen folgende gewesen sein (Abb. 173): – Trennung zwischen dem großmährischen und bulgarischen Gebiet Westsiebenbürgens (2. Hälfte des 9. Jahrhunderts) – Absicherung des Kreischgebietes (10. Jahrhundert) Sicher gab es 1068 die Begrenzung beim „Mesescher Tor“. Wenn wir in Betracht ziehen, dass Gyula sich um das Jahr 950 in Konstantinopel taufen ließ und 955 die Schlacht auf dem Lechfeld stattfand, so könnte die Verteidigungslinie im 10. Jahrhundert angelegt worden sein. Etwa zeitgleich dürfte auch der Verhau bei Beiuș geschaffen worden sein. – Eindringen der Ungarn in Nordsiebenbürgens: Tuhutum schlägt Gelou (Anfang des 11. Jahrhunderts) Gelou wurde zunächst von den Petschenegen von Osten her bedrängt. Tuhutum änderte die Situation in diesem Gebiet (die ältesten ungarischen Gräber in Klausenburg stammen noch aus dem 10. Jahrhundert). So könnte mit einem ersten Verhau in der Nähe des Kleinen Somesch seit dem Beginn des 11. Jahrhunderts gerechnet werden. Dadurch kontrollierten die Ungarn die Salzförderung in der Gegend von Deesch. – Absicherung der ungarischen Gebiete im Norden Siebenbürgens gegenüber Gebieten des petschenegischen und bulgarischen Einflussbereiches in der Siebenbürgischen Heide (Mitte des 11. Jahrhunderts) Die Absicherung des ungarischen Machtbereichs in Nordsiebenbürgen gegen die Petschenegen und Bulgaren machte eine feste Trennlinie nötig. Es war eine stark bewachte Linie bei Thorenburg und eine weniger feste Linie entlang des kleinen Somesch.

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Siebenbürgen

– Mit dem Vorrücken der Magyaren im Kreischgebiet und im Banat wurde der bulgarische Salztransport auf dem Mieresch behindert. Nachdem der untere Mieresch von den Magyaren kontrolliert wurde, konnten die Bulgaren das Salz nur bis in die Strellsenke ungestört transportieren; von dort südwärts mussten sie den Landweg nutzen. Zugleich waren sie genötigt, den Miereschdurchbruch unterhalb von Diemrich/Deva zu sperren. – Erste Maßnahmen zur Sicherung des ungarischen Salztransportes auf dem Mieresch (erste Hälfte des 11. Jahrhunderts) Da mit dem Vordringen von Stephan I. bald nach dem Jahr 1000 zu rechnen ist und wir von dem Salztransport auf dem Miereschdurchbruch schon früh wissen, dürfte der Zugang der Bulgaren zum Mie­ resch unterbunden worden sein. Dazu wurde in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts eine Sperre zwischen Strell- und Hatzeger Senke angelegt. Auch Sperren in den angrenzenden Gebirgszügen sind vermutlich etwas später angelegt worden. Zunächst war Weißenburg gegen Osten durch eine Warte notdürftig abgesichert. Etwa gleichzeitig wurde der Transportweg des Salzes auf dem Mieresch gegen das West-Gebirge vom Ariescher SzeklerStuhl südwärts durch Orbó-Szekler abgesichert und logisch ist die gleichzeitige Anlage des Verhaues im Ampoital (Presaca Ampoiului); die Ansiedlung der Sepsi-Szekler in der Gegend von Mühlbach gehört auch in den gleichen Kontext. Logischerweise dürfte die Ansiedlung der „primi hospites regni“ zeitgleich erfolgt sein. – Der erste weitläufige Verhau Südsiebenbürgens sicherte das Einfallstor in das Becken des Karpatenbogens ab (Mitte 11. Jahrhundert) Der Verhau wird vor der Umsiedlung der Orbó-Szekler in den „Unterwald“ angelegt worden sein. Da die Orbó-Szekler nach ihrer Umsiedlung in den Unterwald noch romanische Kirchen bauten (Reußmarkt, Urwegen), wird der Verhau in der Gegend von Weißenburg bald nach Stefan I. angelegt worden sein. – Absicherung des Mieresch-Salztransportes gegen Osten hin (2. Hälfte des 11. Jahrhunderts) Der Verhau schließt an den vorhin erwähnten Verhau in der Gegend von Weißenburg an und reichte bis zum Ariescher Szekler-Stuhl. – Absicherung des ungarisch besetzten Gebietes in der Siebenbürgischen Heide (Mitte des 11. Jahrhunderts) Der geringe Abstand zwischen den beiden Wehrlinien inmitten der Siebenbürgischen Heide lässt die Ostlinie nahezu als eine Verstärkung

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173. Vermuteter Verlauf der Verhaue in Siebenbürgen. Linien:  bulgarischer Verhau;  magyarische Verhaue.  Wichtige Ausgangspunkte für die Bestimmung von Existenz und Verlauf der Verhaue; Blockierungen von Gebirgstälern sind wahrscheinlich.

des ersten Verhaues erscheinen. Der zusätzliche Geländegewinn war nicht erheblich; als zusätzlicher Siedlungsraum fiel vor allem das Tal des Großen Somesch ins Gewicht. – Erweiterung des besetzten Gebietes südlich der Wasserscheide Somesch– Mieresch bis zum Weißbachtal und Anschluss an die Begrenzung in der Siebenbürgischen Heide (zweite Hälfte bzw. Ende des 11. Jahrhunderts) In Südsiebenbürgen gab es einen merklichen Bevölkerungszuwachs – auch durch die Ansiedlung von Hilfsvölkern. Da bei Kleinkopisch durch den Ortsnamen ein Tor belegt ist, kann mit einer Vergrößerung der Siedlungsfläche gerechnet werden. Es scheint einleuchtend, dass um die gleiche Zeit auch ein Anschluss an den zentralen Verhau Nordsiebenbürgens erfolgte und dadurch eine geschlossene Ostfront entstand; der Mieresch bildete nun die neue Trennlinie zwischen dem Norden und dem Süden Siebenbürgens.

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Siebenbürgen

– Erweiterung in südöstlicher Richtung bis zum „Desertum“ der späteren sächsischen Stühle sowie bis zu dem Gebiet der Szekler Stühle Mieresch und Oderhellen (Anfang des 12. Jahrhunderts) Die Datierung dieser Erweiterungsetappe ergibt sich aus der Ansiedlung der Hospites seit der Mitte des 12. Jahrhunderts. Etwa gleichzeitig könnte die Hatzeger Senke begrenzt worden sein. Auch legte man im westlichen Teil der Südkarpaten stellenweise Gebirgsverhaue an. – Systematische Ansiedlung im Ostteil Siebenbürgens – im Norden der Szek­ler­stühle, im Archidiakonat Telegd sowie im Archidiakonat Ozd (Mitte des 12. Jahrhunderts) Die Datierung dieser Erweiterungsetappe steht in Verbindung mit dem Beginn der Ansiedlung der Sachsen auf dem Propsteigebiet, Mitte des 12. Jahrhunderts. – Burgenlinie und Verhau am Alt erfolgte kurz vor der sächsischen Ansied- lung in der Zibinsebene sowie zwischen Harbach und Alt (seit Mitte des 12. Jahrhunderts) Die Ansiedlung erfolgte beginnend vom Westende des Gebietes (Hermannstädter Gegend) nach Osten hin. Eine Grenze könnte es zwischen dem Gebiet der „ersten“ und jenem der „anderen“ Flamen gegeben haben – zwischen dem Kapitel Schenk-Hermannstadt (mit bedeutenden romanischen Kirchen) und dem östlich angrenzenden Kosder Kapitel (mit kleineren romanischen Kirchen) bzw. dem Kisder Kapitel (mit gotischen Kirchen). Eine konkrete Datierung der ostwärts vorrückenden Besiedlung des „Desertums“ ergibt sich auch aus dem Stil, in dem die wichtigsten Kirchen der angrenzenden befestigten Orte am Alt erbaut wurden (romanisch in Săcădate, frühgotisch in Halmagen). – Besiedlung von Nösnerland und Reener Ländchen (um und nach 1200) Ostwärts der Verhaue in der Siebenbürgischen Heide sind keine sicheren Anhaltspunkte für das Bestehen von Wehranlagen bekannt. Die weitaus meisten Kirchen des Nösnerlandes sind gotisch; eine sächsische Besiedlung dementsprechend nicht sehr früh. Dieses spricht für eine damals erfolgte Absicherung des Gebietes. Ähnliches gilt für die Reener Gegend. – Wehranlagen auf der Westseite der Ostkarpaten (Mitte des 12. Jahrhunderts) Wehranlagen im Gebirge dürften zu sehr verschiedenen Zeiten angelegt worden sein, die ersten etwa gleichzeitig mit jenen am Alt. – Erweiterungen in Randgebieten (Ende des 12. Jahrhunderts) Jenseits des Verhaus entlang des Alt-Flusses sowie entlang der Senken innerhalb der Ostkarpaten. Wehranlagen in den Ostkarpaten sind 1241

Begrenzungen und Verhaue

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bei Rodenau/Rodna urkundlich belegt. Zumindest die Pässe waren abgesichert. Die hier zusammengefügten Daten stellen allgemeine Entwicklungsli­ nien dar. Es gab jedoch auch Sonderfälle – einzelne Familien, die vor der Verlegung eines Verhaues jenseits der Grenzlinien siedelten oder deren Ansiedlungsorte besonderen Umständen zu verdanken sind. Diese dürfen jedoch nicht den Regelfällen gleichgestellt werden, die der Erweiterung des besetzten Raumes entsprachen. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Erweiterung des magyarischen Machtbereichs, sondern um eine steigende Bevölkerungszahl und -dichte. Sowohl die Nachkommen der ansässigen Bewohner als auch der zugewanderten Bevölkerungsgruppen benötigten zusätzlichen Raum. Für die Zeit des Mongoleneinfalls von 1241/1242 wurde die Bevölkerung Siebenbürgens auf 230.000 Menschen geschätzt; dementsprechend wird es vor dem Schwarzen Tod fast 630.000 Bewohner gegeben haben, aber im Jahr 1200 höchstens 190.000, 1100 etwa 130.000 und um die Jahrtausendwende etwa 80.000. Stellt man die Zuwanderungen in Rechnung, so werden die Zahlen für die frühe Zeit kleiner gewesen sein. Noch früher waren die Zahlen viel kleiner.649

174. Einstiger Bergfried der Motte neben Răchitova bei Hatzeg.

649  P. Niedermaier, Der mittelalterliche Städtebau, S. 15-20; ders., Städtebau im Mittelalter, S. 13-20; ders., Habitatul medieval, S. 116-119.

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Siebenbürgen

G E B I E T S K ÖR P E R S C H A F T E N Politisch-administrative Gliederung Frühe politische Einteilung Für die Anfangszeit des Mittelalters sind wir zunächst auf die Verteilung von archäologischen Funden angewiesen (obwohl seit den Veröffentlichungen von K. Horedt noch viele archäologische Grabungen durchgeführt worden sind, gehen wir hier von seiner synthetischen Darstellung aus; Abb. 175). Diese weist für das Ende des ersten Jahrtausends innerhalb Siebenbürgens eine Konzentration der Funde im Dreieck zwischen Weißenburg, Thorenburg und Mediasch auf: Hier waren die klimatischen Bedingungen für Ackerbau besonders günstig. Dazu gab es in Thorenburg beachtliche Salzvorkommen, die schon im 9. Jahrhundert eine große Bedeutung hatten; dort wurden bayerische Münzen gefunden, die zwischen 938 und 947 geprägt worden sind,650 aber schon rund hundert Jahre vorher war Thorenburg wohl der Hauptort des bulgarischen Salzbergbaus. Andererseits handelte es sich bei Weißenburg um den Verbindungspunkt zwischen dem Miereschdurchbruch und Siebenbürgen, der für den Verkehr und Handel Bedeutung hatte. Als raumübergreifendes vorstaatliches Gebilde ist in Nordsiebenbürgen das Gebiet des Rumänen Gelou als schriftlich erwähnter Machtbereich belegt. Es gliederte sich vermutlich um den frühen Hauptort Doboka. Obwohl der Ort in einem geschützten, von Wäldern umgebenen Tal lag, bot er doch auch die Möglichkeit einer Verwertung des waldfreien Gebietes am Rande der siebenbürgischen Heide. Seine Entstehung wird aber auch vom Verkehr und Handel durch das Mesescher Tor beeinflusst worden sein, der wohl eine gewisse Konzentration der Bevölkerung bedingte. Nach dem Friedensschluss von 892 zwischen König Arnulf und Bulga­ rien, wonach kein Salz mehr nach Großmähren ausgeführt werden durfte,651 werden die Mährer eigene Gruben bei Deesch betrieben haben.652 Damit bekam Nordsiebenbürgen eine größere Bedeutung und so Czoppelt, Eine bairische Münze, S. 78ff. Niedermaier, Städte, Dörfer, Baudenkmäler, S. 320. 652  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 124, 125, 196-198. 650  H. 651  P.

Gebietskörperschaften

281

bildete sich schon damals eine Grenze zwischen dem Norden und Süden Siebenbürgens heraus und mithin zwischen zwei gesonderten Gebietskörperschaften, auf die G. Kristó hinwies653 (Abb. 176). Diese Trennlinie wird sich auf der Wasserscheide zwischen dem Somesch- und Mieresch­becken befunden haben. Im Norden Siebenbürgens hat die Aufwertung 175. Verteilung der wichtigsten archäologischen Funde der Salzvorkommen nach des 7.-9. Jahrhunderts (nach K. Horedt). 892 zu einer besonderen Entwicklung geführt: der Transport des überaus wichtigen Salzes von den Gruben bei Deesch (Salzdorf/Ocna Dejului) nach Szolnok an der Theiß (Abb. 102)654 erfolgte zunächst auf der „Salzstraße“,655 die sich im Gesamtgebiet herauskristal­lisiert hatte. Entlang der Straße entstand das Szolnoker „Komitat“ mit strategischer Bedeutung:656 Zu diesem gehörte höchstwahrscheinlich, außer den auch später danach benannten Gebieten, ein nördlicher Teil des späteren Komitats Bihar, ein südlicher Teil des Komitats Szabolcs und auch das Kunságer Gebiet (der Süden des Nyirség). Diese waren im Vergleich zur übrigen Theißebene etwas höher Kristó, Ardealul timpuriu; G. Kristó, Despre formarea comitatelor, S. 25. der Josephinischen Landesaufnahme lässt sich der Verlauf annähernd bestimmen. Er wich vor allem den ausgedehnten mittelalterlichen Sümpfen aus. Die Strecke verlief höchstwahrscheinlich von Deesch nach Bobâlna–Ciubăncuța und Bezded, dann bei Surduc und Jibău nach Zalău und weiter nach Recea–Șimleul Silvaniei–Nușfalău–Suplacu de Barcău–Marghita und weiter nach Săcueni. Auf dem heutigen Gebiet Ungarns gab es zwischen Karcag und Törökszentmiklós einen riesigen Sumpf, der nordwärts umgangen werden musste. Deshalb wendete sich der Weg über die teilweise neueren Orte Nagyléta– Hosszúpályi–Hajdúbagos–Sáránd–Hajdúszoboszló–Nádudvar–Karcag nach Kunhegyes. Dort, an der Theiß bog er nach Südwesten ab, nach Tiszabö und Törökszentmiklós. Zwischen Törökszentmiklós und Szolnok lag auch ein großer Sumpf, dem ausgewichen werden musste, weshalb der Weg zunächst nach Nordwesten führte und dann nach Norden, bis Tiszapüspöki; erst nördlich davon gab es eine Furt. Jenseits des Flusses ging dann die Straße in südwestlicher Richtung weiter bis Szolnok. (Die Durchquerung dieses Sumpfes war erst später auf einem Knüppeldamm möglich.) 655  Kurze Geschichte Siebenbürgens, S. 141. 656  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 124, 125, 196-198. 653  G.

654  Nach

282

Siebenbürgen

gelegen und infolgedessen auch trockener und verkehrsgeeigneter. Es versteht sich von selbst, dass ein so stark in die Länge gezogener Gebietsstreifen kein „Zentrum“ besitzen konnte, sondern bloß eine für die Entstehung der Verwaltungseinheit und Erhaltung der Infrastruktur entscheidende Burg. Wie der Name besagt, war es die Burg Szolnok an der Theiß, am äußersten Westrand des Gebiets. Da es sich jedoch um ein besonders wichtiges Gebiet handelte, kann man 176. Erste gesonderte Gebiete Siebenbürgens für eine frühe Etappe auch an dessen östlichem Ende nach G. Kristó in Siebenbürgen einen befestigten Punkt annehmen, d. h. eine der Burgen bei Deesch,657 wobei sich in der „Óvár“ (in der „Alten Burg“) eine der ältesten romanischen Kirchen Siebenbürgens befand. Spätestens nach dem Sieg über Ahtum wurde das übermäßig lange Komitat geteilt. Der östliche Teil, das „Innerszolnoker Komitat“, mit seiner geschlossenen Form, gehörte in den Bereich Siebenbürgens, das „Mittelszolnoker Komitat“ zum Kreischgebiet und der Rest zum heutigen Ungarn. Zwischen Diemrich/Deva und Deesch/Dej gibt es reichere archäologische Funde658 – vor allem südlich der Wasserscheide Somesch–Mieresch; dabei geht es vornehmlich um die Gegend der Salzgruben von Thorenburg. Zwei Sonderräume sind hervorzuheben: – Im Norden befand sich ein Teil des Szolnoker „Komitats“, rund um Deesch und dessen Burgen.659 Obwohl der Raum geographisch dem gleichen Raum angehörte wie das umgebende Gebiet, wurde es bald nicht mehr Siebenbürgen zugerechnet: Er bildete den Beginn der Salzstraße. Geblieben sind davon mehrere Einzelräume. – Im Süden hatten wohl die Strell- und die Hatzeger Senke eine ähnliche Bedeutung. Für die Bulgaren bildeten diese Senken einen wichtigen Zugang zu den Salzgruben und zm Wasserweg des Salzes; sie hatten demnach strategische Bedeutung für die vordringenden Ungarn. Durch deren Kontrolle konnten sie die Bulgaren von dort verdrängen. In Hunyad entstand eine Erdburg, in Diemrich eine gemauerte. Da es sich bei den beiden eng verbundenen Senken um einen geographisch gesonderten Raum handelte, bildeten sich hier Verwaltungsstrukturen heraus. Niedermaier, Geneza orașelor, S. 112, 113. Aspecte de multiculturalitate, S. 212; I. M. Țiplic, Organizarea defensivă, S. 289; vgl. auch S. 288. 659  K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 163. 657  P.

658  A. Dragotă,

Gebietskörperschaften

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Abgesehen von diesen Sonderräumen sind grundsätzlich zwei große Haupträume zu unterscheiden, wobei die Grenze zwischen diesen wieder die Wasserscheide Somesch–Mieresch war, wo die archäologischen Funde schütter sind: – Der wichtigste Ort nördlich der Wasserscheide660 war Doboka/Dăbâca mit seiner Burg.661 – Das Gebiet südlich der Wasserscheide hatte sein Zentrum in Weißenburg/Bălgrad (Alba Iulia). Entsprechend den wichtigsten Salzförderstätten, in Thorenburg und Kloosmarkt/Cojocna, gab es in den beiden erwähnten Gebieten noch je eine zweite Burg, die diese Salzförderungen beschützen sollte.

Gebiete der Burgen Die Gliederung des gesamten Karpatenbeckens – in einen westlichen, von Geza kontrollierten Einflussbereich bzw. einen östlichen unter der Macht eines Gyula – verschwand wohl in Zusammenhang mit der Gestaltung des mittelalterlichen Staates nach westlichem Vorbild durch König Stephan I. Diese neue, effizientere politisch-administrative Gliederung war für Siebenbürgen wichtig. Entsprechend der größeren Bevölkerung war die Gliederung differenzierter als die vorhergehende territoriale Struktur. Neben den Distrikten der Hauptburgen (Weißenburg und Doboka bzw. Hunyad und Deesch)662 gab es noch die Burgen in Klausenburg und Thorenburg für den Schutz der Salzförderorte: Kloosmarkt und Thorenburg. Um diese waren gewiss auch Domänen entstanden, die als Infrastruktur nötig gewesen sind; sie wurden auch zu Verwaltungseinheiten. Dabei erhielten die Gebiete im Allgemeinen den Namen der Burgen, zu denen sie gehörten.663 Die Burgdomänen waren relativ zusammenhängend und bestanden aus königlichen Besitzungen, mit einem „Comes“ als Vertreter des Königs an der Spitze. Zieht man eine Bilanz der Burgen, so ist festzustellen, dass es an drei der sechs Standorte Reste römischer Befestigungsanlagen gab, die notdürftig hergerichtet werden konnten: in Weißenburg, Thorenburg und Klau­ senburg. In Doboka gab es starke Wehranlagen, in Deesch und Hunyad Wehranlagen auf je einem Berg. In den drei letztgenannten Orten handelte es sich um Holz-Erd-Burgen. Sălăgean, Dextram Dantes, S. 123, 125. G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 148. 662  G. Kristó, Despre formarea comitatelor, S. 9, 10. 663  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 140. 660  T.

661  Vgl.

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Siebenbürgen

In der Folge wurde die mittelalterliche Burg in Doboka erweitert. Weißenburg war so wichtig, dass die Ruine des römischen Kastrums, obwohl sehr groß, doch hergerichtet wurde, und in Klausenburg war die römische Ruine (der Ovár) klein genug, um ordentlich hergerichtet zu werden. Das zu große römische Kastrum in Thorenburg (im Mittelalter „Saxonia“-Burg genannt) wurde durch die Burg in Moldovenești/Várfalva ersetzt, die Erdburg am Petersberg bei Hunyad durch die Burg in Diemrich. Nur im Fall von Deesch wissen wir über die Änderungen nicht Bescheid. Für die Neugliederung trennte man im Süden einen Streifen des ursprünglichen Komitates Doboka ab, auf dem das künftige Komitat Klausenburg entstand. So ergaben sich also im Nordteil Siebenbürgens, außer dem schmalen Komitat Szolnok,664 zwei weitere schmale Streifen: Doboka und Klausenburg. Auch im Fall Weißenburgs trennte man einen schmalen Streifen für das künftige Thorenburger Komitat ab, doch auch danach war das Weißenburger Komitat noch ungewöhnlich groß. Diese Veränderungen bezogen sich auf den Westteil Siebenbürgens, während der Ostteil weitgehend bewaldet war und von den Machtstrukturen vor allem als Durchzugsgebiet genutzt wurde. Im Westteil waren Kristallisationspunkte der Komitatsbildung eindeutig: – Weißenburg (Bălgrad) → Weißenburger Komitat665 (römischen Ursprungs, frühes Zentrum im Süden, später periferes Zentrum des EdelmetallBergrevieres), blieb etwas verkleinert erhalten. – Burg Doboka/Dăbâca → Dobokaer Komitat, blieb in halber Größe erhalten. – Burg Deesch → Szolnoker Komitat (Salzgruben bei Salzdorf/Ocna Dejului und zwei Burgen in oder bei Deesch) – Klausenburg → Klausenburger Komitat (entsprechend Salzgruben bei Kloosmarkt) – Burg Thorenburg → Thorenburger Komitat (zu Salzgruben in Thorenburg) – Burg Hunyad/Diemrich → Hunyader Komitat (als Absicherung des Salz­ transportes in der Auseinandersetzung zwischen Ungarn und Bulgarien) Jenseits der Salzverwertung entsprach die Verteilung der einzelnen Burgen auch geographischen Gegebenheiten – so im Fall Thorenburgs dem Verlauf des Mieresch. Zugleich wurde deren Standort von Bevölkerungsballun664  Auch Szolnok kann als schmaler Streifen gelten, da der Großteil des späteren Komitats dicht bewaldet war. 665  Auf der größeren Distanz zwischen Weißenburg und Thorenburg gab es keine wichtige Burg.

Gebietskörperschaften

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gen beeinflusst, von landwirtschaftlichen Gegebenheiten (Acker- und Weideflächen, auch Fernweiden und anderem). Die Grenzen der ursprünglichen Komitate stimmen zum Teil mit älteren Begrenzungen aus der Zeit vor der Ankunft der Ungarn bzw. Szekler überein. Klare Grenzziehungen sind zunächst gegen die Gebiete benachbarter Burgen anzunehmen sowie zwischen näher beieinander liegenden Orten. Wo solche enge „Nachbarn“ nicht vorhanden waren, stimmte die Grenzlinie mit dem Saum des dicht besiedelten Einflussgebietes überein, der oft aus Hindernissen bestand (aus Verhauen oder geschlossenen Waldgebieten)666. Die Westgrenzen der frühen Komitate werden sich zunächst gewissermaßen im Wald verloren haben, doch dann werden sie in den Siebenbürgischen Westgebirgen einem festgelegten Verlauf gefolgt sein: Im Nordwesten befand sich die Grenze zunächst auf dem Kamm des Mesesch-Gebirges, weiter südwärts folgte sie der Wasserscheide rund um die Huedin-Hochfläche (d. h. dem Rand des späteren Kalotaer Stuhles), um dann am Kamm des Vlădeasa- und Bihor-Gebirges zu verlaufen. Die Grenze könnte das Becken der Weißen Kreisch umschlossen haben, um dann weiter südwärts jenseits des Mieresch verlaufen zu sein. Obwohl die Gebirgsgebiete lange Zeit nur wenig genutzt waren, wird sich der Verlauf kaum geändert haben, denn er war an natürliche Geländegegebenheiten gebunden. Beim nördlichen Teil der Grenze – am Kamm des Mesesch-Gebirges und um die Huedin-Hochfläche – sind frühe Verhaue bezeugt, die zum Schutz des Kreischgebietes angelegt worden waren. Im Südteil der Westgrenze könnte es einen Verhau zwischen Brănișca bei Diemrich und Prisaca bei Karansebesch gegeben haben, später dann zwischen dem Nord- und Südteil der Strell-Senke, bei Subcetate (bzw. der Hatzeger Burg) ist wieder ein Verhau anzunehmen. Wie gezeigt, haben sich im Süden die Begrenzungen auf den Gebirgszügen der Karpaten befunden. Im Norden waren die Grenzen wohl nicht so genau festgelegt.

Erweiterung der Komitate Die Ostgrenze dieser Gebietskörperschaften wird – im Unterschied zu den andern Grenzen – nicht fest gewesen sein: Sie wurde im Kontext des Bevölkerungswachstums und der Anlage neuer Verhaue immer wieder verschoben. Bei den nördlichen Gebietskörperschaften (Szolnok und Doboka) wird die Grenze zunächst der Verhau gleich östlich des Kleinen Somesch gewesen sein (Abb. 147, 173). Hingegen war im Süden, zum bulgarischen Machtbereich hin, die frühe Grenze problematischer, doch 666  Kurze

Geschichte Siebenbürgens, S. 141.

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Siebenbürgen

zeigt wenigstens ein Verhau den Verlauf der Begrenzung an. Die Szekler sicherten den Salztransport von den Gruben bis zum Mieresch ab, also von Thorenburg bis Oberwinz/Unirea und zusammen mit den „primi hospites regni“ auf dem mittleren Abschnitt des Mieresch, zwischen Oberwinz und Unterwinz/Vințu de Jos. Weiter östlich lebten Slawen und Rumänen. Doch von einem Verhau wissen wir zunächst nur in den Gebieten von Hunyad (Abb. 167). Dieser sollte einen Zugang der Bulgaren zum Salztransportweg verhindern. 177. Zweite Entwicklungsphase der siebenbürgischen Komitate Auch der Salztransport auf dem Mieresch nach G. Kristó: 1 Weißenburg wurde besser abgesichert, um 1080 auch [und Hunyad], 2 Klausenburg, durch einen Verhau. 3 Doboka, 4 Szolnok, 5 Krasna, 6 Sathmar, 7 Borosova. Es ist weiters denkbar, dass etwa um die gleiche Zeit das Innerszolnoker Komitat nach Norden hin erweitert wurde. Dieses Gebiet ist jedoch bis heute weitgehend bewaldet (Abb. 179). Nachdem die Grenze weiter ostwärts verschoben wurde, um 1100, durchzog sie ganz Siebenbürgen, von der Flussau des Großen Somesch bis zu den Südkarpaten (Abb. 180). Für die gleiche Zeit verfügen wir für die Regionen mit einer geringeren Bevölkerungsdichte, im Osten, im Bereich der Petschenegen, über keine Kenntnis von Grenzlinien; es handelte sich dort vermutlich um einen „Einflussbereich“ und nicht um einen „Machtbereich“; erst als die östlichen Gebiete an die ungarische Krone fielen, wurden sie offenbar politisch gegliedert – doch erfolgte dieses erst später.667 In der Mitte Siebenbürgens ist der Verlauf der Grenze zwischen Nordund Südsiebenbürgen an seinem Westende unklar: Das Gebiet gehörte zum Weißenburger Komitat, jedoch zum Thorenburger Archidiakonat. Dementsprechend kann dessen Zugehörigkeit vorläufig nicht geklärt werden. Obwohl die geographische Lage nach dem Verlauf der Gebirgskämme relativ klar ist, war anscheinend die administrative Zugehörigkeit im Gebirge doch teilweise ungeklärt geblieben. Die schon erwähnte Erweiterung bis zum durchgehenden Nord-SüdVerhau um 1100 (Abb. 181) bedeutete eine neue Etappe in der Siedlungsgeschichte Siebenbürgens. 667   Vergleiche die allgemeine Datierung bei K. Horedt, Contribuții, S. 113, 114; A. Ioniță, Date noi, S. 273-281.

Gebietskörperschaften

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178. Gebiete von Burgen und Salzgruben.   Burgen von Gebieten;  Burgen von Salzför­der­stätten;  Salzgruben.

Der engere Zusammenschluss zwischen dem Nord- und dem Südteil Siebenbürgens führte, den Gelände­g egebenheiten entsprechend, zu mehr verfügbarem Raum im Süden, wo der Abstand zu den Ostkarpaten größer war. Dort wur179. Bewaldung des einstigen Szolnoker den um das Jahr 1100 auch Oghusen Komitates. angesiedelt (Abb. 181) und für diese wurde mit der Gründung eines neuen Komitates begonnen. Allerdings entstand dessen Hauptort, Kokelburg, am Westrand der Gebietskörperschaft – ein Umstand, der sich vermutlich aus der ursprünglichen Existenz von Oghusen auch westlich der Komitatsgrenze ergab; dieser Ort entwickelte sich niemals zur „Stadt“, was für eine zumindest teilweise nomadisch geprägte Kultur der Bevölkerung spricht.668 Entsprechend dem Verhau auf der Linie Hermannstadt–Schäßburg erhielt um 1120 (Abb. 182) das neue Komitat seine endgültige Form, wobei die neue Ostgrenze durch die Ansiedlung von Kék-Kend zwischen den beiden Kokeln bestimmt 668  Die Kokelburger Gegend wurde in späteren Jahrhunderten an das Fürstentum Moldau vergabt.

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180. Erweiterung der Komitate in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts.   Burgen von Gebieten,  Burgen von Salzför­der­stetten;  Salzgruben.

181. Erweiterung der siebenbürgischen Komitate zwischen den Jahren 1050 und 1100.

Gebietskörperschaften

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war. Dieses neue Komitat wirkte wie ein Fremdkörper im geschlossenen Weißenburger Komitat. Die durchgehende südöstliche Grenzlinie lässt vermuten, dass es um die gleiche Zeit zu einer Eingliederung der „Mărginimea Sibiului“ in das Staatsgefüge gekommen sein dürfte. Vermutlich geschah dieses in ähnlicher Form wie im Falle verschiedener Hilfsvölker. Die Ausweitung des gesamten gegliederten Siedlungsraumes nach Osten hin stand mit dem Bevölkerungswachstum im Zusammenhang und zugleich stieg auch die Anzahl der Burgen.669 An der Ostgrenze begann sich der erste Szeklerstuhl, zwischen Schäßburg und Teleac/Telekfalva bei Oderhellen herauszubilden (Abb. 181). Dessen Ausgliederung aus dem ursprünglichen Weißenburger Gebiet sowie die Eingliederung in das komplexe Siedlungsgefüge Siebenbürgens bestätigt, dass es sich um eine bevorzugte Bevölkerungsgruppe handelte – ein Hilfsvolk der Magyaren. Für die nachfolgende Zeitspanne, bis um 1140, kann eine Verlängerung von Komitatsgebieten bis zu den Ostkarpaten vorausgesetzt werden (Abb. 183), dieses zusammen mit dem immer stärkeren Ansteigen der Bevölkerungszahl. Im Norden Siebenbürgens beweist die kirchliche Glie-

182. Erweiterung der Komitate zu Beginn des 12. Jahrhunderts. 669  Siehe

auch K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 135.

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Siebenbürgen

183. Erweiterung der siebenbürgischen Komitate vor 1140.

184. Komitate und Stühle um 1160.

Gebietskörperschaften

185. Komitate, Stühle und Distrikte um 1250.

186. Erweiterungen der Gebiete Siebenbürgens bis um 1300.

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Siebenbürgen

derung (Abb. 187), dass die neuen Gebiete in das Komitat Doboka eingegliedert wurden. Mit dem Ausbau des Bergreviers Rodenau/Rodna wurde dabei das Bergland zwischen Călimangebirge und Rodnaer Gebirge ins Siedlungsgefüge einbezogen. Eindeutig nahm aber der dicht besiedelte Raum nicht das gesamte, den verschiedenen Komitaten zugeschlagene Gebiet ein; zwischen den Siedlungshorsten blieb weiterhin freier Raum übrig. Die wesentlichste Veränderung erfolgte in Südsiebenbürgen. In großen Teilen des Weißenburger Komitates wurden Hospites angesiedelt. Außer dem schon früher besiedelten Brooser Stuhl sind, von Westen nach Osten, zunächst der Hermannstädter, der Leschkircher und der Schenker Stuhl gegründet worden. Ostwärts in deren Verlängerung siedelten zunächst Keisder Szekler der Thorenburger Gegend, und dann wurden auch in der Repser Gegend „Sachsen“ angesiedelt (Abb. 184). So erreichte das Gebiet des mittelalterlichen Ungarn die südliche Altgrenze, die noch durch einen Verhau befestigt wurde. Dabei handelte es sich primär um eine Festigung des Machtbereichs. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts wurden dann die Orbó-Szekler aus der Gegend um Reußmarkt in einen der Drei Stühle im Südosten Siebenbürgens umgesiedelt, es folgten Keisder Szekler, vor allem aus der Gegend von Keisd und Reps, aber erst in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurden auch die letzten Sepsi-Szekler in die Drei Stühle verlegt (die Ortschaften sind hier sehr systematisch angeordnet und deren Kirchen stammen aus einer verhältnismäßig späten Etappe). An die Stelle der Orbo- und der Sepsi-Szekler kamen nun Hospites auch ins Gebiet westlich von Săliște, und diese wurden mit den anderen sächsischen Stühlen in den „Sieben Stühlen“ zusammengefasst. Mit dem merklich größeren Bevölkerungspotential wurden zugleich auch im Norden Siebenbürgens bedeutende Veränderungen vorgenommen. Zwei davon sind wichtig: – Zwischen einigen schon bestehenden Siedlungen im Ostteil des Dobokaer Komitates, im damals entstehenden „Nösner Land“ (später Bistritzer Distrikt) und auf angrenzendem Komitatsboden wurden auch Hospites angesiedelt. – In einem Ostteil des Thorenburger Komitates wurden Szekler angesiedelt, für die auch ein Gebiet ausgegrenzt wurde: der Mierescher Stuhl. Hingegen wurde für die Ozder Oghusen und die Chasaren kein weiterer Bereich des Thorenburger Komitates abgesondert, wohl aber ein Archidiakonat geschaffen.

Gebietskörperschaften

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Mit der Ansiedlung des Deutschen Ritterordens im Burzenland, dem späteren Kronstädter Distrikt, zu Beginn des 13. Jahrhunderts, rückten andere Maßnahmen des mittelalterlichen Königreiches in den Vordergrund. – Aus der Verbindung zur Walachei über den Tatarenpass verblieb ein relativ großes Gebiet beim Weißenburger Komitat – ein Beweis, dass dieses Komitat ursprünglich bis dorthin reichte und es dort Grenzwächter gab, ebenso beim Altschanzpass. – Das Gebiet des Törzburger Passes wurde dem Ritterorden nicht verliehen. Es muss dort eine Vereinbarung mit den rumänischen Mocani gegeben haben (möglicherweise in Form der Schaffung einer Grenzmark), die eine Verleihung verhinderte. – Die Westgrenze des Ritterordens-Gebietes befand sich nicht (wie nach der Geländegestalt zu vermuten wäre) auf dem Kamm des PerșaniGebirges, sondern weiter westlich, etwas westlich von Schirkanyen/ Șercaia. Sie verlief also durch das Fogarascher Gebiet, doch fiel der östliche Teil des Gebietes nach dem Abzug der Ritter wieder an die Rumänen. Wie im Falle der „Mărginimea Sibiului“ gab es auch da eine Verbindung zur Walachei. – Als letzte Gebietserweiterungen sind die Verlegung der Grenze Siebenbürgens auf den Kamm der Südkarpaten zu erwähnen sowie die Gründung des Csíker und Gheorghener Stuhles in den Ostkarpaten (Abb. 186). Veränderungen fanden jedoch auch im Inneren Siebenbürgens statt (Abb. 186). Aus dem Thorenburger Komitat wurde der Ariescher Szekler­ stuhl ausgegliedert und auf dem Gebiet des Weißenburger Komitates entstanden die Zwei Stühle (Mediasch und Schelk) sowie Dörfer, die dem Schenker Stuhl angeschlossen wurden. Im Westen Siebenbürgens wurde noch der Kalotaer Stuhl dem Klausenburger Komitat angegliedert; er lag nahe von Klausenburg, aber westlich der Wasserscheide zwischen der Schnellen Kreisch und dem Kleinen Somesch. Diese Wasserscheide ist vor Ort kaum wahrnehmbar; das eigentliche geographische Trennelement zwischen Siebenbürgen und dem Kreischgebiet bildet der Königssteig/Pasul Craiului, oberhalb von Bucea. Zwischen diesen beiden Trenn­elementen wechselte die politische Einteilung. Das könnte erklären, warum die Kalota-Senke dem Klausenburger Komitat einverleibt wurde – auch wenn sie ursprünglich nicht zu Siebenbürgen gehörte.670 Die Erweiterung der Komitate war ein komplexer Prozess.671 Dieser kann am besten im großen Weißenburger Komitat verfolgt werden. Die auch G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 101. Pascu, Voievodatul Transilvaniei, I, S. 100; G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 147.

670  Siehe 671  Șt.

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187. Veränderungen der politischen Gliederung Nordsiebenbürgens, entsprechend dem Grundrissgefüge: 1 Komitat Doboka: ostwärts stark erweitert, Bistritzer und Nassoder Distrikt abgetrennt (4) 2 Komitat Klausenburg: Gebiet von Kalota angeschlossen (5) 3 Komitat Thorenburg: ostwärts stark erweitert; Ariescher Stuhl ausgegliedert (6), Teil des Mierescher Stuhles abgetrennt (7) 4 Bistritzer und Nassoder Distrikt, aus dem Komitat Doboka ausgegliedert 5 Gebiet von Kalota, vom Komitat Bihar abgetrennt 6 Ariescher Stuhl, aus dem Thorenburger Komitat ausgegliedert 7 Teil des Mierescher Stuhles, aus dem Komitat Thorenburg ausgegliedert 8 Teil des Mierescher Stuhls, möglicherweise auch aus dem Thorenburger Komitat ausgegliedert

Komitats-Exklaven in den um die Mitte des 12. Jahrhunderts besiedelten Sachsen- und Szeklerstühlen zeigen, wie der dichter besiedelte Raum anfangs inselartig erweitert wurde, wobei die Standortwahl dieser Inseln weitgehend strategische Gesichtspunkte berücksichtigte,672 andererseits aber auch die Geländegestalt. Zăbala in den Drei Stühlen, eine früh entstandene Siedlung, muss auch in diesem Kontext erwähnt werden. Ähnlich entwickelte sich das dicht besiedelte Gebiet des Komitates Doboka, das nach Osten hin erweitert wurde. Dort war das freie, siedlungsfreundliche Areal jedoch etwas kleiner. So war auch die spätere Enklave des Bistritzer Distrikts nicht sehr groß. Deren Gliederung in zwei voneinander gesonderte Teile (um Bistritz bzw. Lechnitz) ist auf ähnliche Art zu erklären: in dem trennenden Korridor gab es eine wichtige Straßenkreuzung; eine 672  Siehe

auch K. Horedt, Siebenbürgen im Frühmittelalter, S. 166, 167.

Gebietskörperschaften

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Straße verlief im Dobokaer Komitat ungefähr westostwärts (Kallesdorf/ Arcalia–Großschogen/Șieu), die andere nordsüdwärts (Deutsch-Budak/ Șieu-Măgeruș–Ungersdorf/Galații Bistriței–Heeresdorf). An dieser Kreuzung ist ein älterer Siedlungshorst zu vermuten. Dazu gab es im entsprechenden Bereich drei besondere Ortschaften: Salz/Sărata, Reußen/Sărățel und Mönchsdorf/Herina. Verfolgt man den Verlauf des Gliederungsprozesses, so ist klar zu erkennen, dass die natürlichen Gegebenheiten und das allmähliche Anwachsen der Bevölkerung dabei eine bestimmende Rolle spielten. Im Wechsel der Gewichtungen von Großmächten war vor allem die Erweiterung des ungarischen Machtbereichs auf Kosten des Einflusses anderer Mächte ein äußerst komplexer Prozess, mit militärischen, kirchlichen und politischadministrativen Auswirkungen. Die etappenweise Verschiebung der strategischen Grenzlinien, der Verhaue, erlaubte die Umsiedlung der Szekler, Oghusen, Chasaren und Tschango sowie anderer Hilfsvölker. Eine besondere Rolle spielten dabei die Petschenegen, die – vermutlich als Vorposten – an besonders kritische strategische Punkte verschoben wurden. Die rumänische und slawische Bevölkerung verblieb hingegen weitgehend an ihren alten Siedlungsorten, doch mussten sie in Grenzgebieten mit den Arpaden Übereinkommen treffen – ähnlich denen von Hilfsvölkern –, die ihnen jedoch auch gewisse Rechte brachten. Die Ansiedlung der Flamen und Wallonen, der späteren Sachsen, war für die Krone besonders wichtig. Einen Hinweis darauf bietet das Verzeichnis der Einkünfte des Königs Bela III. vom Ende des 12. Jahrhunderts: an den ersten Stellen stehen die Einkünfte aus der Salzförderung und jene von den Hospites. Wenn letztere wertmäßig auch stark übertrieben sind, so zeigen sie doch die wirtschaftliche Bedeutung, die diesen beigemessen wurde. Für das Fürstentum Siebenbürgen ist jedoch zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Neugestaltung der politisch-administrativen Struktur bekannt, die mit der Umwandlung der frühen Komitate in Adelskomitate einhergegangen wäre. Die Bedingungen dafür waren im Komitat Thorenburg besonders günstig. Mit der Besetzung des siebenbürgischen Beckens bis zum Karpatenkamm war diese spezifische Entwicklungsetappe, in der sich die Gliederung herausbildete, abgeschlossen. Da jedoch bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts die Bevölkerung weiter anwuchs, kam es in der Folge vor allem zu einer Vergrößerung der Ortschaften.

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Siebenbürgen

Kirchliche Gliederung Orthodoxe Kirche Mit der Erweiterung des dichter bewohnten Siedlungsraums entstanden auch Grenzlinien von Bistümern und Archidiakonaten. Im Fall der Katholischen Kirche wurden diese später nur geringfügig verändert, im Fall der Orthodoxen Kirche stehen einschlägige Forschungen noch weitgehend aus. Wegen des byzantinischen Einflusses in der Region und der Verflechtung des geschichtlichen Werdeganges Siebenbürgens mit der politischen Macht Bulgariens ist anzunehmen, dass das byzantinisch-orthodoxe Christentum schon früh in das Gebiet des heutigen Rumänien vordrang. Vor allem der Übertritt des Zaren Boris Michael zum Christentum, nach der Mitte des 9. Jahrhunderts,673 wird zur Verbreitung dieses Glaubens auch in den Reihen der Bevölkerung nördlich der Donau beigetragen haben. Aus jener Zeit ist die Abhängigkeit der Kirche von Dibiscos im heutigen Banat vom Bistum Braničevo bekannt,674 doch bereitet die Lokalisierung der Stadt gewisse Schwierigkeiten. Manche vermuteten sie an der Stelle des heutigen Dorfes Jupa, bei Karansebesch, andere verorten sie an der Stelle von Cuvin oder Temeswar.675 Der damals zaghafte Ansatz des byzantinischen Christentums ging mit der Ankunft der heidnischen ungarischen Stämme stark zurück, fand dann aber neuen Nährboden nach der Taufe des älteren Gyula in Konstantinopel, um die Mitte des 10. Jahrhunderts – einer Taufe, die wohl auf die damalige Relevanz des Byzantinischen Reiches zurückzuführen war.676 Bekannt ist, dass Gyula nach seiner Rückkehr aus Konstantinopel an den Unterlauf des Mieresch, vielleicht in die Gegend der heutigen Stadt Gyula, vielleicht an den Zusammenfluss von Mieresch und Theiß,677 den Priestermönch Hierotheos mitbrachte, der vom Patriarchen Konstantinopels zum Bischof von „Türkia“ – das heißt des ungarisch beherrschten Gebiets – geweiht worden war.678 Die Eparchie war vermutlich dem Heiligen Michael geweiht679 und hatte Missionscharakter, wie aus dem Fehlen eines ständigen Bischofssitzes hervorgeht.680 Es ist anzunehmen, Românilor, S. 139. Theodorescu, Bizanț, S. 77; siehe auch I. D. Suciu, Contribuții, S. 1051-1058. 675  I. Crișan, Rețeaua așezărilor, S. 47, 96. 676  M. Păcurariu, Istoria bisericii, S. 47. 677  A. Maghearu, Misiunea episcopului Hierotheos, S. 154. 678  M. Păcurariu, Istoria bisericii, S. 48; G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 98. 679  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 118, 119. 680  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 118. 673  Istoria 674  R.

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dass der Bischof neben seiner missionarischen Tätigkeit auch eine Reihe von Klöstern gründete. Das Christentum gewann jedoch nur langsam an Boden: Laut Marian Țiplic gibt es noch aus dem 10. und vom Beginn des 11. Jahrhunderts Friedhöfe mit heidnischem Grabinventar in der Gegend von Weißenburg–Diemrich. Das „byzantinische Bistum blieb auch nach dem Sieg über Gyula bestehen“, im 11. Jahrhundert werden Antonius und Theophylactos als Bischöfe von Türkia genannt und im Jahr 1028 Ioannes als Metropolit ebenda.681 Laut der Legende des Hl. Gerhard hatte dann auch Ahtum nach seiner Taufe gemäß byzantinischem Ritus wieder einen griechischen Priester und Mönche im Gefolge, die das Kloster des Hl. Johannes des Täufers in Morisena (dem späteren Tschanad) gründeten.682 Es ist außerdem zu vermuten, dass bis um die Mitte des 11. Jahrhunderts die älteste, sehr kleine, kapellenartige Kirche in Doboka diesem Ritus angehörte, und von einem ähnlichen Bau ist auch im Falle Weißenburgs die Rede.683 Trotz der für die Byzantinische Kirche ungünstigen Umstände zur Zeit von König Stephan I. wurden für diese Gegend um die Mitte des 13. Jahrhunderts mindestens 13 Klöster orthodoxen Ritus erwähnt.684 Forschungen vor Ort lassen vermuten, dass die Kirche von Densuș besonders früh erbaut worden ist. Bei ihren abgerundeten Ecken im Naos und am untersten Geschoss des zentralen Kuppelturmes,685 der „Turlă“, ist ein Gewölbe zu vermuten, das an griechische oder bulgarische Vorbilder angelehnt ist. Ansonsten fehlen in Südsiebenbürgen sichere Angaben bezüglich der Orthodoxen Kirche. Dabei ist wohl eine gewisse allgemeine Mobilität der Bevölkerung ausschlaggebend gewesen, aber auch deren Streuung in schwerer zugänglichen gebirgigen Gegenden. Erst für eine viel spätere Etappe, für das 14./15. Jahrhundert, wird die Abhängigkeit der Altsenke vom Metropolitansitz in Târgoviște vorausgesetzt.686

Katholische Kirche Angesichts der Rivalität zwischen den Ungarn im Westen des Karpatenbeckens, unter Geza und dann unter Stephan I., und jenen im Osten, im Becken des Karpatenbogens, unter dem älteren und dem jüngeren Gyula bzw. unter Ahtum, wurde, wie zu erwarten, auch die kirchliche Kristó, Ardealul timpuriu, S. 118. Geschichte Siebenbürgens, S. 125. 683  Șt. Pascu, Voievodatul Transilvaniei, I, S. 169, 170. 684  Istoria României, S. 153. 685  Offenbar erhielt der Turm erst viel später seine jetzige Höhe und schlanke Form. 686  D. Busuioc v. Hasselbach, Țara Făgărașului, S. 27. 681  G.

682  Kleine

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188. Archidiakonate der Diözese Siebenbürgen (Gebiete, in denen keine katholische Kirche zu vermuten ist oder die nicht zu Siebenbürgen gehörten, sind nicht eingefärbt.).

Zugehörigkeit als Mittel im Machtstreben eingesetzt. Mit der Beseitigung der Anführer im Ostteil des Königreichs und mit der Zentralisierung des Staates nach westlichem Vorbild gewann die Katholische Kirche eine Vorrangstellung, so dass auch in Siebenbürgen eine neue Kirchenstruktur entstand. Aufschlussreich ist die Aufteilung Siebenbürgens und Westrumäniens in Diözesen (Abb. 81), ebenso auch die innere Gliederung derselben in Archidiakonate (Abb. 188). Außerdem bilden die allgemeine Einteilung, die Standorte der Bischofssitze sowie gewisse Unregelmäßigkeiten der Gebietsgliederung Anhaltspunkte für die Erweiterung und Gestaltung des Siedlungsraums. Die Ermittlungen erweisen, dass die Gliederung vor allem das Ergebnis eines geschichtlichen Entwicklungsprozesses war – auch wenn diese Entwicklung während eines kurzen Zeitraums stattgefunden

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189. Gliederung Siebenbürgens in Komitate und dieser in Kreise sowie in Stühle und Distrikte (nach Historisch-Landeskundlicher Atlas von Siebenbürgen). Gebiete der „Partes …“ im Westen sind durch dünne Linien begrenzt. Ar.: Ariesch; Bist.: Bistritz; Bro.: Broos; Bur.: Burzenland; Csík: Csík; Dob.: Doboka; Fog.: Fogarasch; Hst.: Hermannstadt; Hun.: Hunyad; Kez.: Kezdi; Klbg.: Klausenburg; Kobg: Kokelburg; Köv.: Kövár; Kras.: Kraszna; Les.: Leschkirch; Med.: Mediasch; Mier.: Mieresch; Mik.: Mikloșoara; Mül.: Mühlbach; Oder.: Oderhellen; Orb.: Orbo; Reps: Reps; Reu.: Reußmarkt; Rodna: Rodna; Schbg.: Schäßburg; Schk.: Schenk; Sel.: Săliște; Sep.: Sepsi; Szol.: Szolnok; Tal.: Talmesch; Tbg.: Törzburg; Thbg.: Thorenburg; Wbg./W.: Weißenburg; Zar.: Zarand.

hat. Diese kirchliche Gliederung des Gebiets veränderte sich jedoch relativ wenig,687 sodass wohl die Aufteilung der Bistümer und Archidiakonate zum Teil mit gewissen Phasen der Gliederung Siebenbürgens in Komitate übereinstimmt (Abb. 188, 189).688 Zunächst muss im Kontext Rumäniens das Vorhandensein von drei großen Gebietsteilen festgehalten werden, die ungefähr den drei Regionen Banat, Kreischgebiet und Siebenbürgen entsprechen. Das Gebiet des Bistums Siebenbürgen ist außerordentlich groß im Vergleich zu den Gebieten anderer Bistümer des Arpadenreichs (Abb. 82); nur 687  G. 688  G.

Györffy, A magyar nemzetségtől, S. 31. Kristó, Despre formarea comitatelor, S. 11.

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Siebenbürgen

die Diözesen Erlau und Gran besitzen eine vergleichbare Ausdehnung. Bei allen drei handelt es sich um Randgebiete des Königreiches im Bereich der Karpaten. Gegen das Gebirge hin erweiterte sich der Siedlungsraum allmählich, so dass die tatsächlichen Territorien dieser Diözesen in Wirklichkeit ursprünglich kleiner waren. Erst infolge der allmählichen Erweiterung des Siedlungsraums erreichten sie ihre spätere Ausdehnung, vergleichbar mit der Fläche innerhalb der Verwaltungsgrenzen der territorialen Einheiten, wobei die Gebirge selbst nur begrenzt einzurechnen sind. Jenseits davon stellt sich der eigentliche Sachverhalt sehr vielfältig dar. Auf den ersten Blick scheinen die Grenzlinien des Bistums Siebenbürgen fraglich: sie stehen teilweise in keinem Zusammenhang mit Gelände­linien oder den Grenzen der späteren Provinz. Das Bistum Siebenbürgen wurde höchstwahrscheinlich von Stephan I. kurz nach dem Sieg über den jüngeren Gyula im Jahre 1003 gegründet und war dem Erzbistum Kalocsa untergeordnet. Es erstreckte sich weit nach Nordwesten hin, bis jenseits von Sathmar. Die Erklärung dafür findet sich vermutlich im geschichtlichen Entwicklungsverlauf: Wahrscheinlich schon zur Zeit der mährischen und später der ungarischen Herrschaft erstreckte sich das Szolnoker Komitat von der Theiß bis Siebenbürgen. Angesichts der Bestrebungen von Geza und Stephan I., den mittelalterlichen Staat zu zentralisieren, war die ungarische Bevölkerung die erste Zielgruppe bei der Katholisierung des Landstrichs. Im Nordwesten Siebenbürgens war diese Bevölkerung relativ zahlreich:689 das Somesch-Hochland ist ein wichtiger Zugangsweg in das Siebenbürgische Becken gewesen, und schon früh bot die Siebenbürgische Heide günstige Lebensbedingungen für eine halbnomadische Bevölkerung. Die meisten alten Besitze des Bistums befanden sich im Norden Siebenbürgens beziehungsweise im Kreischgebiet.690 So wird gegenwärtig auch der erste Bischofssitz von manchen dort vermutet691 – in Gilău.692 Da sich diese Ortschaft aber ganz nahe der Diözese Bihar befindet und dort bisher keine nennenswerten frühen Funde gemacht wurden, scheint ein Bischofssitz in Doboka viel plausibler:693 Es war ein gut befestigter Ort mit mehreren Kirchen, der vermutlich zur Zeit der Christianisierung der Bevölkerung das politische Zentrum des Gebietes bildete.

Sălăgean, Dextram Dantes, S. 124, 131. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 121, 123, 124, 133. 691  Archäologische Grabungen lassen das Bestehen einer ersten Bischofskirche byzantinischen Ritus’ in Weißenburg als denkbar erscheinen. 692  T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 131, 187, 188. 693  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 124. 689  T.

690  G.

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Um die neu eingerichtete Diözese Siebenbürgen zu fördern, erhielt das Bistum den Namen des Gebietes, in dem es sich befand,694 und wurde dem heiligen Michael geweiht, der auch im byzantinischen Ritus verehrt wurde.695 Erst nachdem Stephan I. Gyula besiegt hatte und Südsiebenbürgen etappenweise an die ungarische Krone fiel, waren die Umstände für eine Ausbreitung des Katholizismus günstig. Der Prozess muss schon früh im 11. Jahrhundert begonnen haben, denn der Bischofssitz wurde noch vor der Regierungszeit von König Ladislaus’ I. nach Weißenburg verlegt.696 Zwischen 1071 und 1081 wird Franco als Bischof von Weißenburg erwähnt697 und in Nordsiebenbürgen wurde um die gleiche Zeit das Benediktinerkloster von Appesdorf/Mănăștur (Klausmünster) bei Klausenburg gegründet. In Südsiebenbürgen wurden aber einige Gebiete aus dem Bistum Siebenbürgen ausgegliedert. So sind die Hospites der Region Hermannstadt–Leschkirch–Großschenk vor 1200 in der Hermannstädter Propstei zusammengeschlossen worden und wurden dem Erzbistum Gran unterstellt. Ähnlich gehörte das Burzenland später zu dem neu gegründeten Kumanenbistum Milkov. Trotz alledem war das Bistum Siebenbürgen außerordentlich groß; deshalb war seine Gliederung in Archidiakonate (Abb. 187) wichtig,698 die, wenngleich erst in neuerer Zeit belegt, spätestens ins 12. Jahrhundert zu datieren sind.699 Im Vergleich zur Gliederung in Komitate (Abb. 188) fallen auf den ersten Blick eine Reihe gravierender Unterschiede auf: – Die kirchliche Gliederung ist viel großflächiger als die politische; es macht direkt den Eindruck, als ob diese auf Abb. 188 in einem andern Maßstab wiedergegeben wäre als die politische Gliederung in Abb. 189. Eindeutig hat sich in der kirchlichen Aufteilung eine frühere Struktur bewahrt, die in der politischen Einteilung im Laufe der Zeit weiter geteilt wurde. Auch waren kleine, unter Umständen viel ältere Gebiete in größeren Gebieten eingeschlossen – so etwa mehrere Exklaven des Weißenburger Komitates.

României, S. 164. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 117-119. 696  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 125, 129. 697  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 128, 129. 698  Deren Grenzen wurden aus der Karte in Kleine Geschichte Siebenbürgens übernommen. Es ist diesbezüglich mit gewissen Ungenauigkeiten zu rechnen. 699  G. Kristó, Ardealul timpuriu, S. 130, 131. 694  Istoria 695  G.

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Siebenbürgen 190. Sächsische Kapitel Nordsiebenbürgens (Hintergrund: Google Earth, Image Landsat/Copernicus) Königsboden: 1 Bistritz, 2 Kirali.

1 Bistritz

Komitatsboden: 3 Schogen, 4 Tekendorf, 5 Reen.

3 Schogen

Komitate: I Szolnok II Doboka III Klausenburg IV Thorenburg

2 Kirali 4 Tekendorf

5 Regen

Szeklerstuhl: V Mieresch

– Im Nordwesten erstreckte sich das Bistum weit über die Grenzen Siebenbürgens, sogar über jene der „Partes …“ hinaus. Selbst die Namen der Gebietskörperschaften stimmen nicht vollständig überein. So heißt das Archidiakonat „Sathmar“ in der politischen Gliederung „Mittelszolnok“, ohne dass sich die Begrenzungen jedoch decken. – Wenn wir die Gliederung Siebenbürgens in Archidiakonate betrachten, fällt zunächst auf, dass es zwei Archidiakonate gibt, die sich nahezu über die ganze Breite Siebenbürgens erstrecken: Doboka und Weißenburg. Diese große Breite findet sich auch in der politischen Gliederung wieder und widerspiegelt die frühe Zweiteilung Siebenbürgens in ein mährisches und ein bulgarisches Gebiet – selbst wenn diese weitgehend kaum bewohnt waren. Die anderen Archidiakonate haben eine viel geringere Breite. – Weiters fällt auf, dass die wichtigsten Flüsse Siebenbürgens, der Mie­ resch und der Somesch, für die Gliederung in Archidiakonate keine Rolle spielten: Fast auf ihrer ganzen Länge fließen diese durch die Mitte der verschiedenen Archidiakonate, bildeten also innerhalb der umgebenden Ebenen zentralisierende Elemente. Trotz alledem deckt sich die Gliederung von Norden nach Süden weitgehend mit jener in Komitate. Es ist dieses eine Folge einer frühen Teilung am Westrand Siebenbürgens. In West-Ost-Richtung gibt es viel größere Unterschiede zwischen der politischen und der kirchlichen Aufteilung; diese widerspiegeln die Erweiterung des dichter bevölkerten Siedlungsraumes.

Gebietskörperschaften

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Im nordwestlichen Teil des Bistums Siebenbürgen gab es das Archidia­ konat Ugocsa, das sowohl das kleine Komitat Ugocsa (das nicht zu Siebenbürgen gehörte) als auch den nördlich des Somesch gelegenen Teil des Komitats Sathmar umfasste. Der südlich des Somesch gelegene Teil des Komitats Sathmar, der ebenfalls dem Bistum Siebenbürgen unterstellt war, bildete ein gesondertes Archidiakonat – jenes von Sathmar (schon hier fällt das Fehlen einer Übereinstimmung zwischen kirchlicher und politisch-administrativer Gliederung auf!). Dazu kommt, dass sich im Gebiet des Archidiakonats Ugocsa auch zwei Exklaven des Bistums Erlau (Eger) befinden, was höchstwahrscheinlich für die Gründung der Diözese Erlau vor jener des Bistums Siebenbürgen spricht. Auch ein Komitat Sathmar gehörte nicht zu Siebenbürgen und als Teil der „Partes …“ heißt es Mittelszolnoker Komitat. Nur das Archidiakonat Krasna findet sich in den Partes mit dem gleichen Namen, aber einer viel kleineren Fläche wieder. Die beiden letztgenannten Archidiakonate befanden sich im Einzugsgebiet von zwei verschiedenen Flüssen – des Somesch und des Barcău. Das führte zu einer Besonderheit: die Region, die teils zum Bistum Erlau und teils zu jenem Siebenbürgens gehörte, unterscheidet sich vom übrigen Grenzgebiet (Abb. 188, 189). Das deutet auf eine frühe Beziehung zwischen den Komitaten Szolnok und Krasna hin. Auch der mutmaßliche Verlauf der Salzstraße, die sich streckenweise stark der Grenzlinie zwischen diesen beiden Komitaten näherte, lässt eine solche Verbindung vermuten. Östlich der Archidiakonate Ugocsa, Sathmar und Krasna (die später zu den Partes gehörten) lag das Archidiakonat Szolnok. Dieses deckte sich in etwa mit dem Gebiet des Innerszolnoker Komitats sowie dem östlichen Teil des Mittelszolnoker Komitats (das später den Distrikt Kővár/ Chioar bildete). Diese Übereinstimmung berechtigt zur Annahme, dass das ursprünglich einheitliche Szolnoker Komitat zunächst in Archidiakonate geteilt wurde und erst danach in die später bekannten politischadministrativen Gebietskörperschaften. Östlich und südlich der Archidiakonate Krasna und Szolnok befand sich das Archidiakonat Doboka, zu dem auch die Gebiete der neueren Kapitel Bistritz, Schogen und Kyrieleis gehörten. Wie erwähnt, besaß das Archidiakonat Doboka eine übermäßig lang gezogene Form, mit einem Hauptort im Westen und einer maximalen Breite im Osten. Das erklärt sich durch das Spezifikum des Innerszolnoker Komitates bzw. Archidia­ konates: Es entwickelte sich um die im Westen, bei Deesch gelegenen Salzgruben und bezog sich exklusiv auf diese, ohne dass der Gebietskörperschaft besondere Gebietsanrechte zugerechnet wurden. Das östlich des

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Siebenbürgen

Salzreviers gelegene Gebiet, das anfangs spärlich besiedelt war, musste einem Archidiakonat angegliedert werden, wobei ein Anschluss an das Gebiet Marmatiens/Maramureș, das hinter trennenden Bergen lag, nicht in Frage kam (zumal Marmatien zum Erlauer Bistum gehörte). Es gab somit zwei Möglichkeiten: die Einrichtung eines gesonderten Archidiakonats (das allerdings sehr klein gewesen wäre) oder eine Angliederung an das Archidiakonat Doboka. Man gab dieser zweiten Lösung den Vorzug, was auf die Verbindung des Gebietes mit Doboka, aber auch auf die besondere Bedeutung hinweist, die Doboka zu diesem Zeitpunkt noch zukam. Infolgedessen erstreckte sich das Archidiakonat, wie erwähnt, in West-Ost-Richtung über die gesamte Breite Siebenbürgens. Dass das Archidiakonat mit dem Anwachsen der Bevölkerung nicht geteilt wurde, ist wohl der Tatsache zu verdanken, dass in seinem östlichen Teil die oben erwähnten von Sachsen bewohnten Kapitel lagen, die eine gesonderte Einheit bildeten. Eine Analyse der Größe, Form und Anordnung der sächsischen Kapitel Nordsiebenbürgens (Abb. 190) zeigt eine große Unregelmäßigkeit. Sie ist nur durch ihre Einfügung in schon bestehende Grenzen erklärlich. Dabei kann nicht von einer Berücksichtigung bestehender Waldstreifen die Rede sein – nicht einmal im Fall des großen Streifens westlich des Schajo-Flusses, der sich an die Höhenzüge anpasst. Auf dem ursprünglichen Gebiet des Komitates Doboka wurden die beiden Kapitel des Königsbodens angelegt (Bistritz und Kirali; das Schogener Kapitel wurde diesen nur 1850 zugeordnet). Die Gründung der Kapitel auf dem Gebiet des Komitates Doboka ist aus der Begrenzung der Kapitel – sowohl im Nordosten als auch im Südwesten – durch Bereiche dieses Komitates bzw. des gleichnamigen Archidiakonates ersichtlich. Hingegen ist ein Teil des Kapitels Reen/Regen am Ostende des Klausenburger Komitates angelegt worden (und diesem wurde auch 1850 das Kapitel Tekendorf angegliedert). Es wird im Westen von dem Klausenburger und im Osten vom Ozder Archidiakonat begrenzt. Der restliche Teil des Reener Kapitels entstand jedoch auf dem Gebiet des Thorenburger Komitates, das den Südteil des Reener Kapitels umschließt. Hier gliedert sich das Kapitel zwischen die Archidiakonate Thorenburg und Ozd ein. Südlich des Archidiakonats Doboka befand sich das Klausenburger Archidiakonat. Dieses erstreckte sich ursprünglich nur vom Verhau zwischen Klausenburg und Huedin bis etwa zum Zentralverhau Siebenbürgens. Das Archidiakonat besaß damals eine längliche Form. (Es ist anzunehmen, dass die reelle Erweiterung des Archidiakonats zu den Siebenbürgischen

Gebietskörperschaften

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Westgebirgen hin, entlang der Nord- und Südgrenze des Archidiakonats Kalota/Bistum Bihar, später erfolgte.700) Südlich des Archidiakonats Klausenburg lag das Archidiakonat Thorenburg. Seine Form ähnelte in gewissem Maße der des Klausenburger Archidiakonats: Es war ebenfalls langgestreckt, verhältnismäßig geschlossen und wurde im Westen wohl später gegen die Berge hin verlängert. Ähnlich wie beim Archidiakonat Doboka, auf dessen Gebiet eine Reihe von sächsischen Kapiteln entstanden, gehörte das Areal des erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts gegründeten Ariescher Stuhls kirchenverwaltungsmäßig zum Archidiakonat Thorenburg (wogegen Kézd, das Gebiet der Keisder Szekler in den Drei Stühlen, zusammen mit dem Stuhl Orbó ein eigenes Archidiakonat bildete). Die beiden Archidiakonate Klausenburg und Thorenburg hatten in West-Ost-Richtung bedeutend geringere Ausmaße als das Archidiakonat Doboka; im Osten endeten beide etwa am mittelsiebenbürgischen Verhau, an der Linie Uriu–Morești, und bildeten infolgedessen ein ziemlich einheitliches Ganzes. Das einheitliche Erscheinungsbild der beiden Archidiakonate wird in gewissem Maße von dem östlich angrenzenden großen Ozder Archidiakonat betont, dessen Südgrenze sich nicht in Verlängerung der Grenze zwischen dem Klausenburger und Thorenburger Archidiakonat befand. Dieses weist auf eine spätere Entstehung des Ozder Archidiakonats hin. Östlich des Verhaus und der erwähnten Kapitel setzte es vor allem den Streifen des Archidiakonats Klausenburg fort. Die Einschnürung der Breite in Verlängerung des Thorenburger Archidiakonates entspricht jener des Thorenburger Komitates; diese etwas ungewöhnliche Form ist durch die Eingliederung des Mierescher Szeklerstuhles in das einstige Thorenburger Komitat zu erklären. Abgesehen von dieser Einschnürung auf Kosten des Ozder Archidiakonats bildeten jedoch die drei Archidiakonate (Klausenburg, Thorenburg, Ozd) einen weitgehend organisch geschlossenen Landstreifen. Ein relativ geschlossenes Gebiet bilden auch Archidiakonate Südsiebenbürgens, zu denen vornehmlich das Weißenburger, das Kokelburger und das Telegder Archidiakonat gehörten, in den Randgebieten ergänzt durch die Archidiakonate Hunyad und Kézd. Den Kern dieses Gebietes bildete zweifellos das Archidiakonat Weißenburg. Seine ausgesprochen unregelmäßige Form zeigt, dass die Archidiakonate Kokelburg, Telegd, Kézd und Hunyad, dazu das Gebiet der Hermannstädter Propstei und ein zu dem neueren Kumanenbistum gehöriges Gelände davon abgetrennt 700  Wie F. Mărginean anhand der päpstlichen Sondersteuer feststellte, gehörte das Gebiet um Huedin in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts noch zum Bistum Bihar.

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wurden. Dennoch besaß das Archidiakonat Weißenburg auch nach seiner Teilung die größte Ausdehnung von allen siebenbürgischen Archidiakonaten, und war, wie andere Archidiakonate, ausgesprochen lang gezogen: Es reichte von Großschlatten/Abrud im Westgebirge bis Skt. Georgen/ Sfântu Gheorghe im Bereich der Ostkarpaten und umfasste sowohl das Gebiet um Weißenburg als auch die sächsischen Stühle – mit Ausnahme der Hermannstädter Propstei. Das Gebiet des Archidiakonats Weißenburg bestand im Grunde genommen aus zwei Teilen. Der wichtigere Teil erstreckte sich um die Stadt Weißenburg. Lässt man die Berge im südlichen Teil des Archidiakonats außer Acht, so besitzt dieses eine ziemlich geschlossene Form; bloß ein Abschnitt des Archidiakonats Hunyad/Hunedoara, der sich in den westlichen Teil schiebt, sowie ein Teil des Archidiakonats Kokelburg, der sich in der Mitte befindet, unterbricht die kompakt zusammenhängende Fläche. Die Form der östlichen, sehr langgezogenen und schmalen Hälfte ergab sich aus der Lage des Kokelburger Archidiakonats und der Abtrennung des Propsteigebietes am Südrand des ursprünglichen Archidiakonats. Die Grenzlinie zwischen dem westlichen und östlichen Teil befindet sich in etwa beim Weißbachtal, also bei der Verlängerung nach Süden des zen­ tralen Verhaus Nordsiebenbürgens. Der Grenzlinienverlauf hing mit den Ansiedlungsetappen der Sachsen zusammen und entspricht ganz offensichtlich den Erweiterungsetappen des dicht bewohnten Siedlungsraumes: Der Westen war, hauptsächlich infolge des Bevölkerungszuwachses immer dichter besiedelt, im weiter abgelegenen Osten, der nicht dem Erzbistum Gran zugehörte, stieg die Bevölkerungsdichte erst etwas später an, und zwar durch Umsiedlungen bzw. Ansiedlung neuer Bevölkerungsgruppen. Aufschlussreich sind in dieser Hinsicht linguistische Untersuchungen, die auf einen deutlichen Zusammenhang des Zwischenkokelgebiets mit den weiter südlich gelegenen Gebieten hinweisen; in ähnlicher Art hängt das Gebiet um Sächsisch-Reen mit dem Repser und dem Bistritzer Gebiet zusammen.701 Anhand der Einteilung in Kirchenkapitel (Abb. 191) ergeben sich einige zusätzliche Schlüsse zur Ansiedlung der Hospites in Südsiebenbürgen, wobei die Gliederung in mehrere West-Ost-Streifen von Belang ist: – Der südlichste Streifen mit Hospitessiedlungen umfasste das Brooser Kapitel (einschließlich der beiden abgelegenen Siedlungen der „Primi hospites regni“) sowie das Propsteigebiet, also die Kapitel Hermannstadt, Leschkirch, Schenk–Hermannstadt. Das Zentrum bildete dabei 701  Mündliche Mitteilung von A. Thudt †, ehemalige Mitarbeiterin des Siebenbürgischsächsischen Wörterbuchs.

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Gebietskörperschaften

Schäßburg

Hermannstadt

191. Sächsische Kapitel Südsiebenbürgens (Hintergrund: Google Earth, Image Landsat/ Copernicus). Graaner Erzbistum (Königsboden), erster, südlicher Streifen: 1 Hermannstadt, 2 Leschkirch, 3 Schenk–Hermannstadt. – Diözese Siebenbürgen (Königsboden und Komitatsboden, häufig gemischt), erster Streifen: 7 Broos; zweiter, längerer Streifen: 4 Schenk–Kosd, 5 Kosd (Reps), 6 Mühlbach sowie 12 Magarei und 13 Kaltwasser; dritter Streifen: 8 Kisd (Schäßburg), 9 Mediasch, 10 Schelk, 11 Lasseln; vierter Streifen: 14 Vier Dörfer, 15 Spring, 16 Bulkesch, 17 Bogeschdorf, 18 Bachnen.

eindeutig das Hermannstädter Kapitel, das größer ist als die andern Kapitel. Dieser Umstand ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Zum einen umfasst es etwas abgelegenere Orte (Freck, das schon jenseits des Altflusses liegt, sowie Salzburg mit seinen wichtigen Gruben). Zum anderen ist aber in der Bewaldung die Gliederung des Gebietes in drei Teile zu erkennen: den Nordwestteil, den mittleren Teil (auch nordwestlich des Alt) und den Südostteil in der Alt-Senke. Die weiter abgelegenen Gebiete haben eine geringere Breite. Das Brooser Kapitel ist relativ klein, aber zu diesem gehörten sehr ausgedehnte Waldungen. Auch die beiden abgelegenen Erstsiedlungen der Hospites (Krakau/ Cricău und Krapundorf/Ighiu bei Weißenburg) wurden nicht dem näher gelegenen Mühlbacher Kapitel angeschlossen – ein eindeutiger Beweis, dass letzteres später entstanden ist. Ebenso ist gegen Osten das Schenk-Hermannstädter Kapitel recht schmal, vermutlich weil in der Gegend noch Szekler siedelten. – Ein zweiter Streifen umfasst die Gebiete, aus denen Szekler etwas später umgesiedelt wurden: aus dem Mühlbacher Kapitel und aus dem Kosder Kapitel um Reps (hier handelte es sich um Szekler Siedlungen, die in einer ersten Etappe weiter verschoben wurden); in den etwas nördlicher gelegenen Gebieten um Keisd blieben diese zunächst noch vor Ort. Bei diesen beiden Kapiteln handelte es sich nicht so sehr um

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eine Verdoppelung des ersten Streifens, sondern vor allem um dessen Verlängerung; die zugehörigen Gemeinden wurden zu einem großen Teil an den Königsboden angeschlossen. Um eine klare Verdoppelung des ersten Siedlungsstreifens handelt es sich bei den Kapiteln Schenk–Kosd, Magarei und Kaltwasser, die zwischen dem Kosder Kapitel im Osten und der Reußmarkter Gegend des Mühlbacher Kapitels im Westen liegen. Von diesen Kapiteln befindet sich nur das erstere vollständig auf Königsboden, während die Kapitel Magarei und Kaltwasser zum Weißenburger Komitat gehören. Ihre Entstehung ist im Kontext des Verhaues zwischen Harbach und Großer Kokel zu sehen. Dabei stehen die Orte der Kapitel Kaltwasser und Magarei im Zusammenhang mit dem in einer frühen Zeit strategisch wichtigen Kaltbachtal (durch das man unter Umgehung des Tores von Kleinkopisch ins Weißbachtal gelangen konnte und umgekehrt). Die westliche Dorfgruppe des Schenk–Kosder Kapitels ist zwischen die einstige Verhaulinie Harbach–Kokel und den Königsboden südlich des Harbachs eingeschoben worden.702 – Einen dritten Streifen bilden die Kapitel Kisd (um Schäßburg), Mediasch und Schelk, die später an den Königsboden angeschlossen wurden.703 Zwischen diese Kapitel schieben sich die Orte des Lasseler Kapitels, die grundherrlich blieben. Ihre Existenz dürfte sich als einstweiliger Ostabschluss der Verhaulinie zwischen Großer Kokel und Harbach erklären. – Der vierte Streifen wird weitgehend von grundherrlichen Dörfern nördlich der Großen Kokel und von jenen um den nördlichen ZekeschBach/Secaș gebildet. Bei diesem Streifen handelt es sich weitgehend um Dörfer neuerer Kapitel und bei dem völlig zerteilten Bachner Kapitel sicher um das neueste. Auffällig ist die geringe Breite der vier Streifen in der Nähe von Weißenburg. Diese ist wohl durch eine dort schon früh vorhandene dichtere Bevölkerung zu erklären. Bei den Dörfern im Gebiet des nördlichen Ze702  Die Gemarkung von Agnetheln ist durch den Harbach in zwei Teile geteilt. Wie G. E. Müller feststellte, galt für den Nordteil der Gemarkung ein anderes Zehntrecht als für den Südteil (für den die Regelungen der Hermannstädter Propstei galten). Müller weist in diesem Zusammenhang auf eine ältere, vorsächsische Grenze hin. Die Gliederung in Kapitel zeigt, dass die Lage im Verhältnis zum Verhau zwischen Harbach und Großer Kokel ausschlaggebend gewesen sein muss, wobei der nördliche Hattertteil dem zweiten Gemarkungsstreifen zuzurechnen ist. 703  Wie im Fall von Agnetheln galt, nach G. E. Müller, ein anderes Zehntrecht auch für die Gemarkungsteile von Mediasch und Schäßburg nördlich der Großen Kokel als für die südlichen; sie sind ursprünglich gewiss dem vierten Gebietsstreifen zuzurechnen.

Gebietskörperschaften

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kesch-Baches und jenem nördlich der Großen Kokel wird die vorsächsische Bevölkerung schütter gewesen sein, während es sich im Bereich des einstigen Propsteigebietes nur um isolierte, strategisch wichtige Orte des Weißenburger Komitates gehandelt haben wird (so um die Dörfer oder Siedlungen Kaltwasser/Calvaser, Cornățel, Nucet oder Galați). Östlich des Archidiakonats Weißenburg befand sich das Archidiakonat Telegd (Abb. 187), dessen Fläche sich zum Großteil mit den Szeklerstühlen Oderhellen, Mieresch und Csík deckte. Mit seiner im wesentlichen dreieckigen Form fügte es sich organisch in den östlichen Teil des ursprünglichen Archidiakonats Weißenburg ein. Zugleich schließt sich das Archidiakonat Telegd mit seinem westlichen Teil an die Grenze des Archidiakonats Kokelburg an. Hinsichtlich der Entstehung und Gestalt des Archidiakonats Hunyad lassen sich aus dem Grundrissgefüge keine Schlüsse ziehen. Bloß die Zugehörigkeit des Brooser Dekanats zum Weißenburger Archidiakonat, nicht aber zum Hunyader Archidiakonat, bildet einen möglichen Anhaltspunkt dafür, dass das Archidiakonat Weißenburg zuerst eingerichtet wurde, doch diesbezüglich sind weitere Forschungen nötig. Schließlich ist noch zu erwähnen, dass eine Exklave des Weißenburger Komitates (Kánto, heute zu Szekler Neumarkt/Târgu Secuiesc gehörig), die dem Archidiakonat Weißenburg unterstellt war und sich teilweise zwischen die Archidiakonate Telegd und Kézd schob, für eine frühere Existenz des Weißenburger Archidiakonats spricht. Die Gebiete der alten katholischen Bistümer waren bedeutend größer als die Gebiete der Komitate; sie deckten sich im Großen und Ganzen mit den Gebieten vorstaatlicher Gebilde. Die Diözesen wurden tendenziell nach Osten und Norden hin erweitert – zum Großteil in Übereinstimmung mit demographischen und politischen Veränderungen. Die Schaffung der etwas neueren Biharer Diözese auf dem Gebiet der etwas älteren Diözese Erlau ist vorstellbar, doch sind diesbezüglich zusätzliche Recherchen vonnöten. Die aufschlussreichsten Erkenntnisse betreffen naturgemäß das Bistum Siebenbürgen. Grundsätzlich ist eine Nord-Süd-Gliederung in zweimal je drei streifenartige Archidiakonatsreihen festzustellen. In West-OstRichtung gibt es nur eine Teilung, die von Norden nach Süden ausgerichtet ist.704 Im Norden besteht diese aus der Grenze zwischen den Archidiakonaten Szolnok und Doboka (bzw. dem Bistritzer Kapitel), im Süden aus 704  Siehe

auch T. Sălăgean, Țara lui Gelou, S. 212.

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der Grenze zwischen dem Weißenburger Diakonat und dem Gebiet der Hermannstädter Propstei (bzw. dem Hermannstädter Kapitel). Daraus ergab sich die langgezogene Form der Archidiakonate. Im westlichen Teil entspricht die kirchliche Gliederung in größerem Maße der politisch-administrativen Struktur als im Osten. Das heißt, der zeitliche Abstand zwischen der Entstehung der beiden Strukturen war im Westen kürzer als im Osten. Schließlich zeigt die Anlage der sächsischen Kapitel in Norden Siebenbürgens eine Einfügung in bestehende Grenzen, im Süden hingegen eine Gliederung, die der Einteilung in Stühle vorausgeht. Ein klareres Bild der Gebiete der Kirche byzantinischen Ritus’ könnte künftig zusätzlichen Aufschluss zum Siedlungsraum am Ende des ersten Jahrtausends geben.

192. Wolldorf/Văleni.

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Z E N T R U M  Z W I S C H E N  E I N Z E L R ÄU M E N Gesamtraum Im Südosten Europas erscheint Siebenbürgen als ein besonderer Raum: in Luftaufnahmen wirkt das Becken im Karpatenbogen wie eine grüne „Burg“ zwischen der Nordpontischen Steppe der Kiewer Rus, der Donau­ tiefebene der Walachei und der Großen Puszta des Karpatenbeckens (Abb. 193). Dabei werden die Höhendifferenzen und die klimatischen Unterschiede durch die Karpaten betont. Dieses hatte vielfältige Auswir­ kungen.

193. Gesamtraum (Data SO, NOAA, U.S. Navy, NGA, GEBCO. Image Landsat/Copernicus)

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Siebenbürgen befindet sich etwa gleich weit von Istanbul, Wien und Kiew. Jenseits davon beeinflussen Byzanz, Mitteleuropa beziehungsweise die Kiewer Rus das Gepräge. Zentral gelegen und durch die Karpaten geschützt, hatte es vielfältige Auswirkungen auf die umliegenden Einzelräume. Im Osten war es am Zurückdängen der Mongolen beteiligt und zusammen mit Marmatien an der Ausformung staatlicher Strukturen von Bedeutung, mit den siebenbürgischen Städten Bistritz und Kronstadt an deren wirtschaftlicher Entwicklung. Im Süden ersetzte die Walachei Kumanien, wobei dem Süden Siebenbürgens eine besondere Rolle zukam – sowohl der Mărginimea Sibiului und dem Foga­rascher Umland als auch den Städten Kronstadt und Hermannstadt. Nach dem Zusammenspiel von Großmähren und Bulgarien waren die vordringenden Magyaren an die reichen Bodenschätze Siebenbürgens (Salz, Silber, Gold) gebunden und dort spielten Klausenburg und Weißenburg eine wichtige Rolle.

Gliederung Umgebende Einzelräume Zwischen den Nordteilen des Adriatischen und Ägäischen Meeres sowie dem Südwestteil des Schwarzen Meeres gibt es in Randbereichen zahlreiche Gebirgszüge. Sie gehören zum zerklüfteten Balkan und trennen diesen vom klar gegliederten Süd- und Ostteil Mitteleuropas. Die Gliederung erfolgt durch die Karpaten und die angrenzenden Senken. Die Nordpontische Steppe Bessarabiens und der Moldau war das Reich der Reiternomaden, in dem die verschiedenen Stämme durch andere, nachfolgende verdrängt wurden. Durch einen schmalen Vegetationsgürtel entlang des Dnjepr war es vom Rest der eurasischen Steppe getrennt. Der Südteil Bessarabiens und der Moldau gehörten zu dieser Steppe. Im Norden und Westen ist das Gepräge der Moldau ein ganz anderes. Dabei spielten zunächst die Petschenegen eine Rolle, doch wurden sie von den Mongolen verdrängt. Diese konnten in der Steppe, im Butschag, längere Zeit ihren einstigen Charakter bewahren. Bis heute unterscheidet sich die Gliederung des Butschag in der südlichen Moldau von jenem der Nordmoldau: im Süden sind die Gemeindegemarkungen viel größer und durch geradlinig verlaufende Grenzen voneinander getrennt, was auf die nomadische Bevölkerung und das relativ geringe Alter dieser Grenzen hinweist. Aber in dem Maße, wie die Nomaden in der mittelalterlichen

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Moldau sesshaft wurden, verloren sie ihre einstige Macht; selbst ihre beiden wichtigsten Städte, Costești und Orheiu Vechi, verfielen. Gebirgszüge und das Hügelland der Moldau begrenzten im Norden und Westen die Steppen- und Waldsteppengebiete. Es gab dort ein gemäßigteres Klima, das für eine sesshafte Bevölkerung vorteilhafter war. Wie archäologische Grabungen zeigen, war das Gebiet zu Beginn des zweiten Jahrtausends schütter bewohnt, doch kam es allmählich auch dort zu einem Wachstum. Dieses ist sowohl durch den allgemeinen Anstieg der Bevölkerung zu erklären als auch durch den Rückzug der Bewohner aus ebneren Gegenden beim Eindringen der Nomaden. Als im 14. Jahrhundert die Macht der Nomaden sank, sickerte die alte Bevölkerung vermutlich aus dem bewaldeten Hügelland wieder in ebenere Gebiete durch und es kam im Norden und dann auch im Westen der Moldau zur Gründung von Städten, ebenso zur Errichtung von gemauerten Kirchen. Das Gebiet war recht weit von Byzanz entfernt und so war auch dessen Einfluss etwas kleiner als in südlicheren Gebieten. Dementsprechend gab es in der mittelalterlichen Moldau ein gewisses Spannungsfeld zwischen der byzantinischen und der mitteleuropäischen Kultur, doch setzte sich allmählich die Orthodoxie immer stärker durch. In der Donautiefebene setzte sich die Steppe westwärts fort, wobei – vor allem der Teil nördlich des Stromes, die Walachei – für Reiternomaden wichtig war. Die Donau bildete eine Grenze, die mit Pferden schwerer zu überwinden war. Vor allem für kurze Raubzüge und um Zuflucht vor nachdrängenden Stämmen zu finden, drangen Nomaden über den Strom vor. Das dortige Gebiet gehörte zu Byzanz beziehungsweise zum Ersten und Zweiten Bulgarischen Zarat und wurde somit kulturell von Byzanz geprägt. Auf ihrem Vorrücken nach Westen sind vor allem Petschenegen und Kumanen den Karpaten südlich ausgewichen. Vor allem Kumanien (die spätere Große Walachei/heute Muntenien) mit dem dortigen Bărăgan war zeitweise ein Gebiet der Reiternomaden. Allerdings war für diese ein weiteres Vordringen westwärts schwierig. Dieses ist schon für die Kleine Walachei (das heutige Oltenien) ziemlich eindeutig und hinter den begrenzenden Gebirgen konnten sie sich nur mit der Einwilligung Ungarns jenseits der Theiß niederlassen. Die angrenzenden Senken am Fuß der Südkarpaten erfuhren eine ähnliche Entwicklung wie das Hügelland der Moldau. Zunächst zog sich die ansässige schüttere Bevölkerung dorthin zurück, wo sie durch eine lange bewaldete Bergkette von den Waldsteppen und Steppengebieten geschie-

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den und demnach geschützt war. Das Bevölkerungswachstum und die allmählich sesshafter werdenden Petschenegen und Kumanen erlaubten weiteren Bevölkerungsteilen, sich wieder in bewaldeteren Gegenden der Waldsteppe niederzulassen. Dabei spielte wohl auch das Interesse des Ersten und Zweiten Bulgarischen Zarats eine Rolle, für welche die Walachei eine Verbindung zu den reichen Bodenschätzen Siebenbürgens war. Im näher am strahlenden Byzanz gelegenen Gebiet der Walachei kam dessen kultureller Einfluss entsprechend zum Tragen. Im 14. Jahrhundert erfolgte dieses durch die Vermittlung des slawisch orthodoxen Serbien, wobei in den Senken am Fuß der Karpaten allmählich Marktflecken und einige Städte entstanden. Die Theißebene, westlich der Karpaten, ist ein durch Ablagerungen entstandenes Gebiet. Da es dort, in der Großen Puszta ein sehr geringes Gefälle der Wasserläufe gab, war es stark versumpft. Erst im BakonyWald bei Budapest änderte sich der Charakter des Karpatenbeckens, das jenseits der Kleinen Puszta am Wiener Wald endete. Auch die Puszta bot einen günstigen Lebensraum für Reiternomaden. So gab es hier – ähnlich wie in der Moldau und der Walachei – ein vielfältiges Spannungsfeld, zunächst zwischen West- und Südslawen (zwischen Großmähren und dem Ersten Bulgarischen Zarat), dann zwischen Magyaren und Westslawen und schließlich zwischen Magyaren und Südslawen. Dabei besetzten die Magyaren in drei Etappen die Ebene östlich der Theiß, das Kreischgebiet – zunächst den nördlichen Teil der Ebene, dann das strategisch und ökonomisch wichtige Gebiet am Unterlauf des Mieresch und schließlich das südliche Banat. Als Nomaden verdrängten sie anfangs die „römischen und slawischen Hirten“ aus dem Karpatenbecken und diese mussten sich – ähnlich wie in der Moldau und in der Walachei – in Gebirgstäler und zugehörige Senken der Karpaten und der Siebenbürgischen Westgebirge zurückziehen. Gegen Ende des ersten Jahrtausends, nach der verlorenen Schlacht auf dem Lechfeld, wurden auch die Magyaren allmählich sesshaft. Dieses führte zu einer Umpolung des Raumes, der sich westlicher, mitteleuro­ päischer Kultur annäherte. Dieses äußerte sich sowohl auf geistlicher als auch auf politischer Ebene in der Ausbildung des Staatsgefüges. Anstelle älterer Burgen entstanden Städte, darunter Großwardein/Oradea, das sich auch der Größe nach mit europäischen Bischofsstädten vergleichen lässt. Die kleine Senke Marmatiens ergänzte im Norden die großen Gebiete. Dort könnte es sich um ein Rückzugsgebiet von Hirten handeln, denen es gelang, eine eigenständige Kultur aufzubauen.

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Siebenbürgen Jahrzehntelang bedrängten die Ungarn Mittel- und Westeuropa. Dort wurden sie aber Mitte des 10. Jahrhunderts bei einer katastrophalen Niederlage in die Schranken gewiesen. Nun orientierten sie sich vornehmlich ostwärts, in Richtung Siebenbürgen. Gebirge schützten das Becken in dem Karpatenbogen auf drei Seiten – im Norden, Osten und Süden. Dort drangen nur einige Gruppen Petschene­ gen nach Siebenbürgen ein, das sich anfangs in deren Einflussbereich befand. Die vierte Seite, im Westen, war trotz der Siebenbürgischen Westgebirge weniger gut geschützt. Wohl infolge ihres Erweiterungsdranges und Großmachtstrebens drangen die Ungarn dort, zwischen den Karpaten und den Siebenbürgischen Westgebirgen, in Siebenbürgen ein. Im Norden Siebenbürgens gelang es ihnen, die alten staatsrechtlichen Strukturen niederzuringen und an deren Stelle wurde der magyarische Hochadel zum bestimmenden Element. Dessen begrenzten Möglichkeiten entsprechend, konnten sich nur Viehzucht und Ackerbau entwickeln, wobei die ansässige Bevölkerung aus dem angestammten Gebiet eines rumänischen Herzogs in das Wirtschaftsgefüge einbezogen wurde. Auch als Folge des Bevölkerungswachstums erstreckte sich der Machtbereich Ungarns im Someschtal und in der Siebenbürgischen Heide immer weiter ostwärts. In der Mitte Siebenbürgens stockte diese Erweiterung einige Zeit und dort entstand ein Gefüge von Verhauen. Im Zuge des Landesausbaus wurde dann aber das besetzte Gebiet bis an die Ostkarpaten erweitert, wobei zunächst zwischen älteren Gemeinden auch freie Gebiete blieben. Durch die Salzförderung zwischen Deesch/Dej und Kloosmarkt/Cojocna sowie den Silberbergbau in Rodenau/Rodna, später auch durch die Goldförderung in Frauenbach (dem späteren Neustadt)/Baia Mare ergaben sich große Entwicklungsmöglichkeiten. Dazu trugen vor allem Bergleute aus Westeuropa bei, welche die reichen Lagerstätten entsprechend nutzbar machen konnten. Dieses war für die Festigung des ungarischen Machtbereichs entscheidend, denn aus den reichen Bodenschätzen konnte ein bedeutender Teil der Staatskosten finanziert werden. Im Süden Siebenbürgens war die Strategie der Besetzung wesentlich von jener im Norden abweichend. In den südlichen Teilen des Siebenbürgischen Beckens war nicht mehr der ungarische Hochadel Träger der Erweiterungstendenzen, sondern Hilfsvölker – Szekler und Oghusen, heute magyarisiert beziehungsweise rumänisiert – drangen unter magyarischer Führung ostwärts vor. Zunächst bildete der Miereschdurchbruch das Tor

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zur Salzbeförderung, und dort gelang es den Magyaren, diese in zwei Etappen dem Ersten Bulgarischen Zarat zu entreißen. Dann drangen sie allmählich im Becken selbst vor. Der Landgewinn wurde jeweils durch Verhaue abgesichert, was auf einen betonten Widerstand einer ansässigen Bevölkerung hinweist. Auf bestehende Strukturen wurde keine Rücksicht genommen – etwa auf ein slawisches Netzwerk rund um Reußmarkt. Es ist zu vermuten, dass die vorhandene Bevölkerung wenigstens zum Teil in Randgebiete auswich, wo gesonderte Siedlungskammern entstanden oder erweitert wurden. Fast ein Jahrhundert nach dem Beginn der Offensive erreichten Hilfsvölker die Mitte Siebenbürgens, wo durch einen langen Verhau, aus dem Someschtal bis in die Mărginimea Sibiului der Südkarpaten, ein Schulterschluss der beiden großen Stoßtrupps erfolgte. Dieses Vordringen war nicht vom Bevölkerungswachstum bestimmt, sondern von militärisch-politischen Erwägungen. Im Unterschied zum Norden Siebenbürgens wurden vor allem die Szekler in den besetzten Gebieten auch nicht endgültig angesiedelt, sondern etappenweise ostwärts verschoben, und erst an den Ostkarpaten ansässig. Nach dem Abzug der Szekler und teilweise auch der Oghusen entstand hinter der Front ein Vakuum. Dieses wurde zum Teil von der vorherigen Bevölkerung wieder in Besitz genommen – so die Strellsenke. Gewisse Landstriche blieben zunächst jedoch als „Desertum“ nur schütter bewohnt. Dort wurden dann „Hospites“ – Gastsiedler aus dem Westen Europas – angesiedelt. Von diesen versprach sich das Königreich besonders große Einnahmen. Dabei war für die Arpaden nicht nur die Nutzung von Gebieten wichtig, sondern auch die von den Gastsiedlern mitgebrachten Techniken Westeuropas. So entstanden in Siebenbürgen wirtschaftlich entwickelte Gebiete, die eng mit der mittel- und westeuropäischen Kultur verbunden waren; diese bildeten einen wichtigen Faktor für die Entfaltung Südosteuropas. Die ersten Hospites waren Adlige und kamen schon Ende des 10. Jahrhunderts nach Siebenbürgen, die Bauern, Handwerker und Kaufleute Südsiebenbürgens nach 1140 und jene Nordsiebenbürgens um 1200. Dem oben Gesagten ist zu entnehmen, dass sich Siedlungskammern festigten oder bildeten, die einen eigenen kulturellen Charakter hatten. So konnten die Rumänen vor allem in den West- und Südkarpaten ihre eigenständige Kultur aufbauen oder bewahren – zumal Hirten, als Grenzwächter entlang des Karpatenkammes, dabei wohl den Kontakt mit der orthodoxen Bevölkerung der Senken südlich der Gebirge aufrechterhielten, ebenso die Bewohner Marmatiens mit jenen der Nordmoldau. Diese betont rumänischen Siedlungskammern der Siebenbürgischen Westgebirge und der Südkarpaten wurden im Bereich der Ostkarpaten

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durch Szekler und Oghusen ergänzt. Die sogenannten Siebenbürger Sachsen des „Königsbodens“, in dem klimatisch etwas ungünstigeren südlichen Teil des Siebenbürgischen Beckens, bestimmten nicht nur dort das Bild, sondern wirkten sich auf den Gesamtcharakter Siebenbürgens aus. Weiter nördlich, auf dem „Komitatsboden“, waren die Siedlungskammern hingegen nicht im gleichen Maße begrenzt und dort wird es eine eher gemischte Bevölkerung gegeben haben. Im Allgemeinen war zunächst der wärmere Westen Siebenbürgens dichter bevölkert. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung, in der Phase des „Landesausbaus“, wuchs dann auch die Bewohnerzahl in weiter östlich gelegenen Gebieten. Dieser Prozess entsprach auch der Verteilung von Lagerstätten für Bodenschätze und deren Abtransportrouten – vor allem des hochbegehrten Salzes aus Thorenburg/Turda. So entwickelten sich zunächst im Westen Siebenbürgens administrative Strukturen. Diese wurden dann ostwärts erweitert, wodurch vor allem in der Nordhälfte des Beckens langgezogene Komitate entstanden. Der Edelmetall-Bergbau der Siebenbürgischen Westgebirge, vor allem um Ofenburg/Baia de Arieș, setzte hingegen erst später ein. Seit dem Beginn des 11. Jahrhunderts gelang es den Magyaren, mit Hilfe der Katholischen Kirche und deren Mönchsorden eine weithin westlich geprägt Kultur aufzubauen. Zunächst hatten Groß-Wardein/Oradea, Tschanad/Cenad und Weißenburg/Bălgrad (das heutige Karlsburg) eine besondere Bedeutung. Diese wurde aber allmählich von jener der siebenbürgischen Handwerkszentren und Handelsemporien (Hermannstadt/ Sibiu, Kronstadt/Brașov, Bistritz/Bistrița und Klausenburg/Cluj) bei Weitem in den Schatten gestellt. So bildeten Siebenbürgen und sein Umland ein Zentrum des umliegenden vielfältigen Raumes. Im Zusammenspiel mit diesem kam es in diesem Zentrum zugleich zu einer Überlagerung von Kulturen, wobei der Einfluss von Byzanz, Mitteleuropa und der Kiewer Rus eine wichtige Rolle spielte. Dementsprechend war das Becken im Karpatenbogen zugleich zusammenhaltendes und trennendes Element des südosteuropäischen Raumes. In erweitertem Sinn gilt dafür die Aussage von Hugo Weczerka über die Rolle der benachbarten Moldau: Der Raum bildet einen Knotenpunkt Europas, denn hier verläuft „eine bedeutende Landschafts-, Klima- und Kulturgrenze, die von West nach Ost immer großmaschiger wird, und es beginnt die weite osteuropäische Steppe. […] Bis hierher reicht auch der Einfluss des Atlantiks auf das Klima; weiter östlich herrscht ausgesprochenes Kontinentalklima. [In kultureller Beziehung] berühren sich [in diesem Raum] das römisch-katholische West- und Mitteleuropa mit dem griechisch-orthodoxen

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Christentum [des Ostens] und den Auswirkungen asiatischer Vorstellungen. Zu dieser West-Ost-Scheide tritt eine nord-südliche Abgrenzung hinzu“,705 denn der Raum bildete die Grenze zwischen den Waldgebieten des Nordens und den Waldsteppen- und Steppengebieten des Südens mit den zugehörigen Kulturen. So war Siebenbürgen ein Vorwerk mitteleuropäischer Kultur.

194. Landschaft oberhalb von Großdorf/Săliște.

705  H.

Weczerka, Fürstentum Moldau, S. 15, 16.

ANHANG

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Anhang

B I B L I O G R A P H I S C H E  A B K ÜR Z U N G E N Die in den Fußnoten verwendeten Abkürzungen sind in Klammern angegeben.

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Anhang

VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN Einleitung 1. Gesamtraum 2. Siebenbürgen und dessen Umraum mit vordringenden Kräftepotentialen 3. Allgemeine Bevölkerungsentwicklung in Siebenbürgen

Periphere Räume Marmatien/Maramureș 4. Lage Marmatiens 5. Marmatien in den Karpaten 6. Höhenlage in dem südlichen Teil Marmatiens 7. Heutige Bewaldung Marmatiens 8. Beiläufige Grenzen des Keykus- und des Finteu-Waldes 9. Verbreitung von Siedlungskammern 10. Talschaften und Hospitesorte Marmatiens 11. Knesate Marmatiens 12. Im Wassertal

Moldau/Moldova 13. Hypsometrische Karte der Moldau 14. Moldauer Jijia-Senke 15. Bergketten und Senken am Fuß der Ostkarpaten 16. Natürliche Vegetationszonen 17. Nordpontische Steppe und Ostkarpaten 18. Völkerbewegungen 19. Funde der Dridu-Kultur, 9.-11. Jahrhundert 20. Siedlungen der Răducăneni-Kultur, 11.-13. Jahrhundert 21. Münzfunde des 11.-13. Jahrhunderts 22. Archäologische Funde verschiedener Art, 11.-13. Jahrhundert 23. Gräber der Turk-Völker, 10.-13. Jahrhundert 24. Wichtigste archäologische Funde der Moldau, 13./14. Jahrhundert 25. Orte mit christlich beeinflussten Funden 26. Erste urkundliche Belege für mitteleuropäisches Stadtrecht 27. Molde/Baia 28. Parzellierung des Stadtzentrums von Sereth/Siret 29. Tal der Goldenen Bistritz, einst Waldgebiet 30. Steppenlandschaft bei Isaccea, Dobrudscha

Walachei/Țara Românească 31 Donautiefebene 32. Natürliche Vegetation der Großen Walachei 33. Bewaldung des südlichen Piedmonts 34 Große Reliefformen des Piedmonts

Abbildungen 35. Reitergräber der Großen Walachei 36. Waffenfunde in der Kleinen Walachei 37. Münzfunde aus kumanischer Zeit 38. Münzfunde aus nachkumanischer Zeit 39. Kleidungs- und Schmuckstücke 40. Siedlungen, Kirchen und Befestigungen 41. Reliefformen der Kleinen Walachei 42. Gegend von Turnu Severin 43. Turnu Severin, 13.-16. Jahrhundert 44. Târgu Jiu im 18. Jahrhundert 45. Curtea de Argeș 46. Curtea de Argeș 47. Altes Zentrum von Curtea de Argeș 48. Langenau/Câmpulung 49. Langenau/Câmpulung 50. Langenau/Câmpulung, Teilbereiche und Standorte der Kirchen 51. Kirchen des 14. und 15. Jahrhunderts 52. Kirchen im 16. Jahrhundert 53. Kirchen im 17. Jahrhundert 54. Kirchen im 18. Jahrhundert 55. Boișoara in der Țara Loviștei

Kreischgebiet und Banat 56. Höhenlage östlich der Theiß 57. Ostteil des Theißbeckens 58. Felder im Wald, nordöstlich von Debrecen 59. Überschwemmungsgebiete der Theiß sowie von deren Nebenflüssen 60. Temeswar, 1716 61. Temeswar, 1718 62. Temeswar, 1735 63. Banat, Ende des 1. Jahrtausends 64. Kreischgebiet, Ende des 1. Jahrtausends 65. Älteste Funde, die Magyaren zugewiesen werden 66. Lage rumänischer Distrikte des 14. Jahrhunderts 67. Archäologische Funde des 10. und 11. Jahrhunderts in Westrumänien 68. Urkundlich früh belegte Orte in Westrumänien 69. Bevölkerungswachstum im Kreischgebiet und am Unterlauf des Mieresch 70. Bevölkerungswachstum am unteren Mieresch im rumänischen Teil des Banates 71. Gebiet im Nordteil der Theißebene 72. Frühe Wehranlagen im Somesch-Hochland 73. Waldgebiete am Oberlauf der Schnellen Kreisch 74. Besiedlung: Verlauf der Verhaue am Oberlauf der Schnellen Kreisch 75. Senke von Beiuș 76. Bezugspunkte des Banater Abwehrsystems im 11. Jahrhundert 77. Komitate des Kreischgebietes und des Banates im 15. Jahrhundert 78. Komitate des nördlichen Kreischgebietes 79. Komitate Bihar/Bihor und Békés 80. Komitate Tschanad/Cenad, Zarand und Arad 81. Komitate Temesch/Timiș, Karasch/Caraș, Kuvin/Cuvin 82. Gliederung in Diözesen

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83. Archidiakonate der Bistümer Bihar und Erlau 84. Archidiakonate der Tschanader Diözese 85. Topleț bei Orschowa/Orșova

Siebenbürgen Durch Gebirge geschützter Naturraum 86. Höhengliederung Siebenbürgens 87. Wasserscheiden innerhalb Siebenbürgens 88. Mittlere Jahrestemperatur 89. Dauer der Vegetationsperiode (Anzahl frostfreier Tage) 90. Niederschlagsmenge 91. Entwässerungsgräben im östlichen Burzenland 92. Verbreitung verschiedener Bodenarten 93. Natürliche Vegetation 94. Potentielle Waldsteppe in Siebenbürgen 95. Heutiger Waldbestand Siebenbürgens 96. Waldstreifen im Zekeschgebiet 97. Waldstreifen bei Oderhellen/Odorheiu Secuiesc 98. Hecken rund um Deutsch-Weißkirch

Machtpotentiale 99. Siebenbürgische Flussauen in einer Höhenlage zwischen 150 und 300 m 100. Archäologische Funde des 10. und 11. Jahrhunderts 101. Vor 1241 urkundlich belegte Ortschaften 102. Gebiet der Salzstraße nach Szolnok 103. Herzogtum des Gelou nach der Chronik des Anonymus 104. Etymologie von Ortsnamen des mittleren Teiles Südsiebenbürgens 105. Gemarkungsgrenzen im Hermannstädter Gebiet um 1810 106. Der Karpatenkamm, gesehen aus dem Harbacher Hochland

Siedlungskammern 107. Rumänen in den Siebenbürgischen Westgebirgen 108. Strell- und Hatzeger Senke 109. Erste urkundliche Erwähnung der Orte in der Hatzeger Gegend 110. Zugehörigkeit von Ortschaften zu Knesaten 111. Mühlbacher Gebirge. Zugehörigkeit der Almen zu Dörfern und Weilern 112. Barrieren des Zibinsgebirges 113. Zugehörigkeit von Wäldern und Almen in verschiedenen Höhenlagen 114. Kritischer Bereich: Mărginimea Sibiului 115. Westteil der Fogarascher Senke 116. Dichte der Ortschaften in der Fogarascher Senke 117. Gemarkungen der Ortschaften in der Fogarascher Senke 118. Die Fogarascher Senke in der Josephinischen Landesaufnahme 119. Potentieller Weg des Radu Negru ? 120. Verbreitung des Namens „Radu“ (Negru ?) im Gebirge bei Breaza 121. Törzburger Hochfläche

Abbildungen 122. Törzburger Hochfläche mit Steilstufe oberhalb von Podul Dâmboviței 123. Törzburger Hochfläche mit Steilstufe oberhalb von Podul Dâmboviței 124. Landschaft oberhalb von Săliște 125. Gegenwärtiger Anteil der ungarischen an der Gesamtbevölkerung in  Nordsiebenbürgen 126. Beheimatung adliger Geschlechter 127. Archäologische Funde aus der „Landnahme“-Zeit 128. Absicherung des Salztransportes im Miereschtal 129. Petschenegenorte in Siebenbürgen 130. Németi-Orte und Olaszi-Orte 131. Brooser Kapitel und Stuhl 132. Broos um 1100 133. Gebiet der Hermannstädter Probstei 134. Gebiet der Kirchenkapitel Schenk-Kosd und Kosd 135. Zugehörigkeit zum Schenker Stuhl und zum Repser Stuhl 136. Mühlbacher Kapitel 137. Mühlbacher und Reußmarkter Stuhl 138. Kisder Kirchenkapitel 139. Schäßburger Stuhl 140. Ausschnitte der Siebenbürgen-Karte von G. Müller 141. Politische Gliederung des Nösnerlandes und des Reener Ländchens 142. Verteilung der Ortschaften Siebenbürgens um das Jahr 1800.

Begrenzungen und Verhaue 143. Höhenschichtenkarte in der Gegend um Thorenburg 144. Wehranlagen in der Gegend um Thorenburg 145. Siebenbürgische Heide, Bewaldung 146. Siebenbürgische Heide, Höhenschichtenkarte 147. Siebenbürgische Heide, Ausgangspunkte für mutmaßliche Verhaue 148. Ostende des Miereschdurchbruchs, Höhenschichtenkarte 149. Ostende des Miereschdurchbruchs, Bewaldung 150. Anhaltspunkte für den Verlauf der Verhaue 151. Reußmarkt 152. Höhenschichten und Wasserläufe im Kokel- und Zekesch-Hochland 153. Gebiet des Kokel- und Zekesch-Hochlandes, Bewaldung 154. Vermuteter Verlauf der Verhaue mit zugehörigen Wehranlagen 155. Bewaldung zwischen Kleinkopisch, Bachnen und Luduș 156. Hermannstädter Gebiet, Bewaldung 157. Höhenschichten zwischen Großer Kokel und Alt 158. Bewaldung zwischen Großer Kokel und Alt 159. Verhaue und zugehörige Wehranlagen zwischen Großer Kokel und Alt 160. Kirchliche Gliederung der Gegend von Agnetheln 161. Waldstreifen bei Neumarkt 162. Gewässer und Höhenschichten bei Neumarkt 163. Verlauf des Verhaues bei Neumarkt 164. Heutige Bewaldung bei Schäßburg – Oderhellen 165. Höhenschichtenkarte Schäßburg – Oderhellen 166. Lokalisierung der Anhaltspunkte Schäßburg – Oderhellen 167. Vermuteter Verhau zwischen der Hatzeger und Strell-Senke 168. Prisaca im Mühlbacher Gebirge

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169. Bewaldung im Zibins- und Mühlbacher Gebirge 170. Höhenschichtenkarte, Zibins- und Mühlbacher Gebirge 171. Anhaltspunkte für den Verlauf von Verhauen im Gebirge 172. Törzburger Hochfläche 173. Vermuteter Verlauf der Verhaue in Siebenbürgen 174. Einstiger Bergfried der Motte neben Răchitova bei Hatzeg

Gebietskörperschaften 175. Verteilung der wichtigsten archäologischen Funde des 7.-9. Jahrhunderts 176. Erste gesonderte Gebiete Siebenbürgens nach G. Kristó 177. Zweite Entwicklungsphase der siebenbürgischen Komitate nach G. Kristó 178. Gebiete von Burgen und Salzgruben 179. Bewaldung des einstigen Szolnoker Komitates 180. Erweiterung der Komitate in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts 181. Erweiterung der siebenbürgischen Komitate zwischen 1050 und 1100 182. Erweiterung der Komitate zu Beginn des 12. Jahrhunderts 183. Erweiterung der siebenbürgischen Komitate vor 1140 184. Komitate und Stühle um 1160 185. Komitate, Stühle und Distrikte um 1250 186. Erweiterung der Gebiete Siebenbürgens bis um 1300 187. Veränderungen der politischen Gliederung Nordsiebenbürgens 188. Archidiakonate der Diözese Siebenbürgen 189. Gliederung Siebenbürgens in Komitate und dieser in Kreise sowie in Stühle und  Distrikte 190. Sächsische Kapitel Nordsiebenbürgens 191. Sächsische Kapitel Südsiebenbürgens 192. Wolldorf/Văleni 193. Gesamtraum 194. Landschaft oberhalb von Großdorf/Săliște

Nachweis der Abbildungen Die Mehrzahl der Illustrationen verwendet die unten angeführten Abbildungen als Hintergrund, um eine Eingliederung der spezifischen Angaben in Charakteristiken des Umraumes zu zeigen. Daten einzelner Autoren wurden mitunter kartographisch wiedergegeben. – Die Abbildungen des Autors beziehungsweise dessen Eintragungen auf den verschiedenen Karten sind hier nicht vermerkt. Atlas 1979: 16, 88, 92, 93 Atlas geografic 1965: 2, 14, 15, 32, 34, 41, 42, 45, 48, 79, 80, 82-84, 90, 128, 129, 173, 178, 180186, 193 Atlas istoric al orașelor/Sighet: 26 Atlas istoric al orașelor/Câmpulung: 50 P. Engel, Regatul Sfântului Stefan: 77 Generalkarte Mitteleuropas: 10, 11, 27 Gheorghiu T. O., Drobeta-Turnu Severin: 43

Abbildungen

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Google Earth. Landsat/Copernicus: Umschlag, 1, 4, 7, 8, 17, 31, 33, 42, 46, 49, 58, 65, 71-73, 75, 78, 95-97, 108, 114, 131, 134, 135-138, 145, 149, 153, 155, 156, 158, 161, 164, 169, 172, 190, 191 G. Kristó, Ardealul timpuriu: 126, 127, 176, 177 Historisch-Landeskundlicher Atlas von Siebenbürgen: 74, 86, 110, 112, 117, 122, 123, 143, 146148, 150, 152, 154, 157, 159, 162, 163, 165-167, 170, 171, 189 Horedt K., Siebenbürgen im Frühmittelalter: 175 Imreh Alex: 107 Ioniță A. Spațiul dintre Carpații meridionali și Dunărea: 34-39 Josephinische Landesaufnahme: 115, 118 Klein K. K., Transylvanica: 129 Königliches Ungarisches Landwirtschaftsministerium, 1938: 59, 67, 68, 76 Mărginean F.: 82, 83 Müller G., Siebenbürgens Stühle: 120, 133-135 Nacu A.: 6, 13, 35, 36-39, 56 Niedermaier K., Zur Problematik: 94 Opriș M., Timișoara: 60-62 Pascu Șt, Voievodatul: 66 Pop I.-A., Nägler Th., Istoria Transilvaniei: 63, 64, 103 Russel J. C., Die Bevölkerung: 3, 68, 69 Popa R., La începuturile Evului mediu românesc: 109 Popa R., Țara Maramureșului: 10, 11 Rusu M., Castrum, urbs, civitas: 66, 100 Sălăgean T., Țara lui Gelou: 125, 136, 137, 140, 160 Scheiner W., Ortsnamen: 104 Siebenbürgen-Institut, Gundelsheim, Archiv: 98 Spinei V., Moldova: 19, 20-24 Spinei V., Marile migrații: 65 Suciu C., Dicționar istoric: 67, 101 Teodor D., Creștinismul: 25 Totoianu R. V., Civilizația agrară: 111 Virágkor és pusztulás: 76-81, 187 Wagner E., Ortsnamenbuch: 108, 135 Wagner E., Quellen zur Geschichte: 70 Weczerka H., Fürstentum Moldau: 27

332

Anhang

SYNOPTISCHES ORTSNAMENREGISTER Deutsch Rumänisch Ungarisch u. a. Gebiet __________________________________________________________________________________________ Abtsdorf Apoș Szászpátfalva Adrianopel Adrianopol Agnita Szentágota Agnetheln Aiton Ajton Aleșd Élesd Alzen Alțina Alcina Anina Stájerlakanina Anina Appesdorf Mănăștur Kolozsmonostor Arad Arad Arad Arbegen Agârbciu Szászegerbegy Archiș Bélárkos Ardud Erdőd Ariușd Erősd Arrmeni Örményszékes Armenen Armenierstadt Gherla Szamosújvár Arți Ascileul Mare Nagyesküllő Aștileu Esküllő Gura Râului Guraró Auendorf Augsburg Bacău Bachnen Bahnea Bonyha Badlinen Beclean Bethlen Baia de Aramă Baierdorf Crainimăt Királynémeti Balvanioș Büdös Baraolt Barót Bartholomae Bartolomeu Basarabi Baumgarten Bungard Szászbongárd Băgara Bogártelke Bălți Bănița Banica Bâlhard Bârgău Kissikárló Bârlad Bârsana Bedeu Beiuș Belényes Belgrad Belgrad Beograd (serb.) Benzenz Aurel Vlaicu Bencenc Bezded Bezdédtelek Bicaz Bikácfalva Bihar Biharea Bihar

Agnetheln Türkei Hermannstadt Thorenburg Großwardein Hermannstadt Reschitza Klausenburg Mediasch Kreisch Sathmar Szekler-Neumarkt Mühlbach Deesch Mühlbach Klausenburg Großwardein Hermannstadt Deutschland Moldau Schäßburg Bistritz Oltenia Bistritz Szekler-Neumarkt Reps Kronstadt Oltenia Hermannstadt Klausenburg Bessarabien Hatzeg Arad Sathmar Moldau Mühlbach Ukraine Großwardein Serbien Broos Zillenmarkt Moldau Großwardein

333

Ortsnamen Bistritz Bistrița Beszterce Bixad Sepsibükszád Bladenmarkt Bălăușeri Balavásár Blaj Balázsfalva Blasendorf Bobâlna Alparét Bunești Szászbuda Bodendorf Bogeschdorf Băgaciu Szászbogács Boița Bojca Borsec Borszek Botoșani Bozovici Braničevo Braniștea Árpástó Brăila Brănișca Branyicska Brâncovenești Marosvécs Breaza Breáza Bretea Streiului Magyarbréte Brezoi Broos Orăștie Szászváros Bucea Sibiel Szibiel Budenbach București Bukuresd Bukarest Bulkesch Bălcaci Bolkács Vurpăr Borberek Burgberg Buza Buza Buzaten Buzău Cahul Calafat Carașova Krassóvár Căianu Vamă Kaján Călimănești Căpâlna Sebeskápolna Căpușu de Mezőkapus Câmpie Căpușu Mare Magyarkapus Căpușu Mic Magyarkiskapus Cărpiniș Gyertyános Câmpulung Moldovenesc Cârțișoara Celeiu Cernat Csernáton Cetate Cetatea Albă Akkerman (türk.) Cetățeni Chechiș Olákékes Ciceu Csíkcsicsó Ciubăncuța Felsőcsobánka

(urspr. dt. Nösen) Szekler-Neumarkt Neumarkt Mediasch Deesch Reps Mediasch Hermannstadt Szeklerburg Moldau Banat Serbien Bistritz Muntenia Diemrich Regen Fogarasch Hunyad Oltenia Großwardein Hermannstadt Mediasch Hermannstadt Klausenburg Muntenia Bessarabien Oltenia Banat Klausenburg Oltenia Mühlbach Neumarkt Klausenburg Klausenburg Mühlbach Moldau Fogarasch Oltenia Szekler-Neumarkt Oltenia Bessarabien Muntenia Neustadt Szeklerburg Zillenmarkt

334

Anhang

Ciugud Maroscsüged Ciumbrud Csombrord Cneja Coconi Colun Kellen Comana Komána Comănești Copru Kapor Corbi Cornățel Hortobágyfalva Cornești Magyarszarvaskend Corund Korond Costești Costești Kosesd Costești-Deal Cotnari Cozănești Cozia Crivadia Krivádia Cuhea Curtea de Argeș Cuvin Cuzdioara Kosarvár Czernowitz Cernăuți Cernivci (ukrai.) Dărăbani Dângești Deal Debrecen Dej Dés Deesch Dejan Deszán Delureni Mezőújlak Densuș Demsus Desa Deutsch-Budak Budacu de Jos Szászbudak Deutschendorf Mintiu Gherlii Szamosújvárnémeti Deutsch-Pien Pianul de Jos Alsópián Szászfehéregyháza Deutsch-Weißkirch Viscri Diemrich Deva Déva Doboka Dăbâca Doboka Doboli de Jos Aldoboly Dobra Dobra Dobârca Doborka Dobring Dorna Watra Vatra Dornei Dorohoi Draas Drăușeni Homoróddaróc Drăgănești Drăguș Dragus Dridu Drumul Carului

Karlsburg Karlsburg Moldau Muntenia Fogarasch Fogarasch Moldau Neumarkt Mühlbach Hermannstadt Gherla Oderhellen Bessarabien Mühlbach Mühlbach Moldau Moldau Oltenia Hatzeg Marmatien Muntenia Serbien Deesch Ukraine Moldau Oltenia Mühlbach Ungarn Fogarasch Bistritz Hatzeg Oltenia Bistritz Deesch Mühlbach Reps Deesch Szekler-Neumarkt Diemrich Mühlbach Moldau Moldau Reps Oltenia Fogarasch Muntenia Törzburg

335

Ortsnamen Elsterdorf Sereca Szereka Eremitu Nyárádremete Feldioara Földvár Feldioara Melegföldvár Feleac Erdőfelek Fezeșu Gherlii Őrdöngsfüzes Finteuș Fentős Firtănuș Firtosmártonos Firtușu Firtosváralja (Besenyofalva) Focșani Fogarasch Făgăraș Fogaras Foltești (+ Săliște) Frata Magyarfráta Frauendorf Axente Sever (Frua) Asszonyfalva Avrig Felek Freck Fundata Pécs Fünfkirchen Galați Galac Galeș Szebengálos Galt Ungra Ugra Gătaia Gátalja Gâmbaș Marosgombás Gârbău Desorbó Gârbău Magyargorbó Gârbău Dejului Désorbó Gârbău Csákigorbó Gârbou Csákiorbó Gârbova de Jos Alsóorbó Gârbova de Sus Felsőorbó Gârbovița Középorbó Ghimeș Gyimes Gilău Gyalu Girelsau Bradu Fenyőfalva Giurgiu Glogowatz Vladimirescu Örthalom Goanța Grabendorf Vale Vále Grădeț Grădiștea Gredistye Muncelului Großalisch Seleuș Nagyszőllős Großau Cristian Kereszténysziget Großdorf Săliște Szelistye Großkend Chendu Mare Nagykend Großkopisch Copșa Mare Nagykapus Großlasseln Laslea Szászszentlászlo Großpold Apoldu de Sus Nagyapold Großschenk Cincu Nagysink

Broos Neumarkt Fogarasch Neumarkt Klausenburg Deesch Neustadt Oderhellen Oderhellen Moldau Hermannstadt Klausenburg Mediasch Hermannstadt Törzburg Ungarn Fogarasch Hermannstadt Reps Banat Karlsburg Deesch Klausenburg Deesch Zillenmarkt Kreischgebiet Karlsburg Karlsburg Karlsburg Szeklerburg Klausenburg Hermannstadt Muntenia Arad Oltenia Hermannstadt Oltenia Broos Schäßburg Hermannstadt Hermannstadt Neumarkt Mediasch Schäßburg Mühlbach Fogarasch

336

Anhang

Großschlatten Abrud Abrudbánya Großschogen Șieu Nagysajó Großwardein Oradea Nagyvárad Poplaca Popláka Gunzendorf Gura Văii Gurghiu Görgényszentimre Gyula Hajdúbagos Hajdúszoboszló Halič (ukrai.) Halmagen Hălmeag Halmágy Hoghilag Holdvilág Halwelagen Amnaș Olmás Hamlesch Hammersdorf Gușterița Szenterzsébet Harkiv (ukrai.) Hatzeg Hațeg Hátszeg Jimbolia Zsombolya Hatzfeld Hălmagiu Nagyhalmágy Hârlău Hârseni Herszény Heidendorf Viișoara Bessenyő Hălchiu Höltövény Heldsdorf Cisnădie Nagydisznód Heltau Hendorf Brădeni Hégen Galații Bistriței Galacfalva Heresdorf Sibiu Nagyszeben Hermannstadt Hindău Hinova Hărman Szászhermány Honigberg Horezu Hosszúpályi Hotin (ukrai.) Huci Huedin Bánffyhunyad Glimboka Hühnerbach Glâmboaca Hunyad Hunedoara Vajdahunyad Hust Chust (ukrai.) Ieud Jód Ighiu Ége Ilieni Illyefalva Inlăceni Énlaka Ismail Iurceni Iuriu de Câmpie Mezőőr Izvoarele Izvorul Crișului Körösfő Jakobsdorf Iacobeni Jakabfalva Jassy Iași Jibău Zsibó



Karlsburg Regen Hermannstadt Oltenia Oderhellen Ungarn Ungarn Ungarn Ukraine Fogarasch Schäßburg Hermannstadt Hermannstadt Ukraine Temeswar Arad Moldau Fogarasch Bistritz Kronstadt Hermannstadt Agnetheln Bistritz Moldau Oltenia Kronstadt Oltenia Ungarn Ukraine Moldau Klausenburg Hermannstadt Ukraine Marmatien Oderhellen Szekler-Neumarkt Oderhellen Bessarabien Bessarabien Klausenburg Oltenia Klausenburg Agnetheln Sathmar

337

Ortsnamen Jidoș-Tina Jina Zsinna Jinova Jupa Zsuppa Kalka (ukrai.) Arcalia Árokalja Kallesdorf Kaltwasser Călvasăr Hidegviz Kánto Karansebesch Caransebeș Karánsebes Karcag Krakau Cricău Boroskrakkó Alba Iulia! Károlyfehérvár/ Karlsburg/ Bălgrad Gyula-Fehérvár Weißenburg Kaschau Kason Căstău Kásztó Kastendorf Kastenholz Cașolț Hermány Saschiz Szászkésd Keisd Câlnic Kelnek Kelling Cărpiniș Keppelsbach Kerz Cârța Kerc Kiew (ukrai.) Kikinda (serb.) Chintelnic Kendtelek Kinteln Kischinew Chișinău Cluj(-Napoca) Kolozsvár Klausenburg Chendu Mic Kiskend Kleinkend Kleinkopisch Copșa Mică Kiskapus Kleinmühlbach Sebeșel Sebeshely Apoldu de Jos Kisapold Kleinpold Șeica Mică Kisselyk Kleinschelken Kleinschenk Cincșor Kissink Șeica Mică Kisselyk Kleinscheuern Kleintalmesch Tălmăcel Kistalmács Kloosmarkt Cojocna Kolozs Koaspotak (?) Kokelburg Cetatea de Baltă Küküllővár Königsberg Crihalma Kiráyhalma Konstantinopel Constantinopol Istanbul (türk.) Krapundorf Ighiu Magyarigen Krebsbach Cacova, Fântânele Szebenkákova Kreuzburg Teliu Keresztvár Kronstadt Brașov Brassó Kudschir Cugir Kudzsir Kunhegyes Kuvin Cuvin Kyrieleis Chiraleș Kerlés Langenau Câmpulung Muscel Muntenia Langenau Câmpulung la Tisa Hosszúmező (ukr.) Langental Dăișoara Longodár

Mühlbach Mühlbach Oltenia Karansebesch Ukraine Bistritz Hermannstadt Szekler-Neumarkt Ungarn Karlsburg Slowakai Broos Hermannstadt Schäßburg Mühlbach Mühlbach Fogarasch Ukraine Serbien Bistritz Bessarabien Neumarkt Mediasch Mühlbach Mühlbach Mediaș Fogarasch Hermannstadt Hermannstadt Klausenburg Oderhellen Mediasch Fogarasch Türkei Karlsburg Hermannstadt Kronstadt Mühlbach Ungarn Arad Bistritz Marmatien Karlsburg

338

Anhang

Lăpuș Olálápos Lăzărești Lázárfalva Lechnitz Lechința Szászlekence Legii Magyarlégen Leles Lviv (ukrai.) Lemberg Lemnia Lemhény Leț Lécfalva Lippa Lipova Lippa Loman Ludoș Nagyludas Luduș Marosludas Lugoj Lugos Lugosch Lunca Pelișor Magaré Magarei Maglavit Mangalia Marghita Margitta Feldioara Földvár Marienburg Mălăiești Malajesd Mărtinie Mătișeni Mátisfalva Mândra Mundra Mediasch Mediaș Medgyes Merghindeal Morgonda Mergeln Merișor Merisor Michelsberg Cisnădioara Kisdisznód Micloșoara Miklosvár Milcov Mylco (u. lat.) Alămor Alamor Mildenburg Mintia Miskolc Mittelberg Baia Sprie Felsőbánya Möchsdorf Harina Herina Moeciu de Jos Alsómoécs Moeciu de Sus Felsőmoécs Moichen Mohu Móh Moigrad Mojgrád Molde Baia Bánya Moldovenești Várfalva Morești Málomfalva Mühlbach Sebeș Szászsebes Mujna Székelymuzsna Munkacs/ Mukatschewe Mureșenii Bârgăului Marosborgó Nádudvar Nagyléta Neithausen Netuș Netus

Neustadt Szeklerburg Bistritz Klausenburg Ungarn Ukraine Szekler-Neumarkt Szekler-Neumarkt Arad Mühlbach Neumarkt Neumarkt Mühlbach Agnetheln Oltenia Dobrudscha Großwardein Kronstadt Hatzeg Mühlbach Oderhellen Fogarasch Agnetheln Hatzeg Hermannstadt Kronstadt Moldau Hermannstadt Diemrich Ungarn Neustadt Bistritz Kronstadt Kronstadt Hermannstadt Zillenmarkt Moldau Thorenburg Neumarkt Oderhellen Ukraine Bistritz Ungarn Ungarn Agnetheln

Ortsnamen

339

Neppendorf Turnișor Kistorony Hermannstadt Neudorf Noul Săsesc Apaújfalu Hermannstadt Neudorf Satu Nou Baracaújfalu Kronstadt Târgu Mureș Marosvásárhely Neumarkt Neuschloss Gherla Szamosújvár Deesch Baia Mare Nagybánya/ Neustadt (ursp. dt. Frauenbach) Nikopol (bulg.) Bulgarien Novaci Oltenia Novohrad-Volinskîi Ukraine Nucet Szentjánoshegy Hermannstadt Nucșoara Nuksora Hatzeg Măieruș Szászmagyarós Kronstadt Nußbach Nușeni Apanagyfalu Bistritz Nușfalău Szilágynagyfalu Zillenmarkt Oarba de Mureș Marosorbó Neumarkt Oberarpasch Arpașu de Sus Felsőárpás Fogarasch Vinerea Felkenyér Broos Oberbrodsdorf Streza-Cârțișoara Sztrezakercisora Fogarasch Oberkerz Sâmbăta de Sus Felsőszombatfalva Fogarasch Obermühlendorf Oberschebesch Sebiș Felsősebes Bistritz Oberwallendorf Unirea Aldorf Bistritz Unirea Felvinc Thorenburg Oberwinz Vișeul de Sus Felsővisó Neustadt Oberwischau Oderhellen Odorheiu Secuiesc Székelyudvarhely Odobești Moldau Baia de Arieș Aranyosbánya Thorenburg Ofenburg Ojdula Ozsdola Szekler-Neumarkt Ör Ungarn Oravița Oravicabánya Orawitza Orheiu Vechi Bessarabien Orlat, Winsberg Orlat Orlát Hermannstadt Orman Ormány Klausenburg Orschova Orșova Orsova Karansebesch Ostrovu Mare Oltenia Ozd Magyárózd Neumarkt Ozun Uzon Szekler-Neumarkt Pădureni Sepsibesenyő Oderhellen Pătârlagele Muntenia Pecineaga Dobrudscha Pernseifen Băița Boica Hatzeg Peschendorf Stejăreni Bese Schäßburg Peteni Székelypetőfalva Szekler-Neumarkt Petersberg Sânpetru Barcaszentpéter Kronstadt Petersdorf Petiș Kispéterfalva Bistritz Petersdorf Petrești Péterfalva Mühlbach Petroschen Petroșani Petrozsény Petrova Petrova Marmatien Pianu de Sus Rumänisch-Pien Alsópián Mühlbach

340

Anhang

Piatra Neamț Piscu Vechi Pișineaga Pitești Plaiuri Plăieșii de Jos Kászonfeltisz Plăieșii de Sus Kászonaltisz Pleși Plevna (bulg.) Poarta Poarta Sălajului Podul Cușnei Podul Dâmboviței Poiana Poiana Ilvei Szentjózef Poiana Sibiului Polyán Poiana Teiului Porumbenii Mari Nagygalambfalva Praid Parajd Presaca Székásgyepü Presaca Ampoiului Ompolygyepü Brateiu Baráthely Pretai Pricaz Perkász Prisaca Gyepesfalu Prisaca Gyepüpataka Prisaca Dornei Probstdorf Stejăriș Prépostfalva Pruden Prod Prod Purcăreți Păucea Pócstelke Puschendorf Raab Győr Racoș Rákos Racovița Oltrákovica Radautz Rădăuți Răchita Răchitova Reketyefalva Răușor Războieni-Cetate Székelyföldvár Râmnicu Vâlcea Râușor Recea Krasznarécse (Vaida-)Recea Vajdarécse Regen Reghin Régen Sächsisch-Reen Reghin Szászrégen Ungarisch-Reen Reghin Sat Magyarrégen Reps Rupea Kőhalom Reschitza Reșița Resicabánya Reußdörfchen Ruscior Oroszsűr Reussen Sărățel Szeretfalva

Moldau Oltenia Diemrich Muntenia Mühlbach Szekler Neumarkt Szekler Neumarkt Mühlbach Bulgarien Törzburg Zillenmarkt Moldau Muntenia Oltenia Bistritz Hermannstadt Moldau Oderhellen Oderhellen Mühlbach Karlsburg Mediasch Broos Karansebesch Großwardein Moldau Agnetheln Schäßburg Mühlbach Schäßburg Ungarn Reps Hermannstadt Moldau Mühlbach Hatzeg Fogarasch Thorenburg Oltenia Fogarasch Sathmar Fogarasch Regen Regen Karansebesch Hermannstadt Bistritz

Ortsnamen

341

Reußmarkt Miercurea Sibiului Szerdahely Mühlbach Rod Ród Hermannstadt Rodenau Rodna Óradna Bistritz Roman Moldau Romod (?) Oderhellen Romoșel Romozhely Broos Roseln Ruja Rozsonda Agnetheln Râșnov Barcarozsnyó Kronstadt Rosenau Rotberg Roșia Veresmart Hermannstadt Roźnov pod Radhoštěm Tschechien Rucăr Muntenia Rumänisch Neudorf Noul Român Oláhújfalu Fogarasch Rumänisch-Pien Pianu de Sus Felsőpián Mühlbach Rumes Romos Romosz Broos Szászivánfalva Mediasch Sächsisch Eibesdorf Ighișul Nou Săcădate Oltszakadát Hermannstadt Sakadat Salcia Oltenia Salonta Nagyszalonta Großwardein Sărata Szótelke Bistritz Salz Salzburg Ocna Sibiului Vizakna Hermannstadt Salzdorf Ocna Dejului Désakna Deesch Sf. Gheorghe Sepsiszentgyörgy Szekler-Neumarkt Sankt Georgen Târnăveni Dicsőszentmárton Mediasch Sankt Martin Sáránd Ungarn Sarasău Szarvaszó Marmatien Sarmizegetusa Várhely Hatzeg (Britonia) Satu Mare Szatmárnémeti Sathmar Săcuieni Székelyhíd Großwardein Sălacea Szalacs Großwardwein Sălătrucu Muntenia Săliștea Mühlbach Săpânța Szaplonca Marmatien Săscior Szászcsór Mühlbach Sânmarghita Mezőszentmargita Neumarkt Sânpaul Kerelőszentpál Neumarkt Sântamăria-Orlea Őraljaboldogfalva Hatzg Sântă Măria Almásszentmária Zillenmarkt Schardörfl Mag Mág Hermannstadt Schäßburg Sighișoara Segesvár Schela Oltenia Schirkanyen Șercaia Sárkány Fogarasch Schönberg Dealul Frumos Lesses Agnetheln Sebeșul de Jos Oltalsósebes Hermannstadt Sebeșul de Sus Oltfelsősebes Hermannstadt Sebiș Sajófelsősebes Zillenmarkt Secășel Székásbesenyő Karlsburg Seck Sic Szék Klausenburg Segedin Szeget Ungarn

342

Anhang

Seini Szinerváralja Seligstadt Seliștat Boldogváros (Militum villa, lat.) Sereth Sichevița Szikesfalu Săcele Hosszúfalu u. a. Sieben Dörfer Sigeth Sigetu Marmației Máramarossziget Silistra (bulg.) Simeria Piski Sinaia Muntenia Slawendorf Laz Sebesláz Slon Jimbor Székelyzsombor Sommerburg Soroca Sovata Szováta Spring Șpring Spring Rășinari Resinár Städterdorf Staja Straja Őregyház Straja Straja Gesztrágy Strajița Aiud Enyed Straßburg am Mieresch Straza Temesör Straža (serb.) Strei Zeikfalva Streisângeorghiu Sztrigyszentgyörgy Strugari Strugureni Mezőveresegyháza Subcetate Váralja Sucevița Suczawa Suceava Suplacu de Barcău Berettyószéplak Surduc Szurduk Suseni Szekely Szeklerburg Miercurea Ciuc Csíkszereda Szeklerburg Miercurea Ciuc Csíkszereda Szekler-Neumarkt Târgu Secuiesc Kézdivásárhely Szoboszló Szolnok Șimleul Sivaniei Szilágysomlyó Șirioara Sárvár Șoimuș Szillágysolymos Șugag Sugág Talmesch Tălmaciu Nagytalmács Tannenhof Brad Brád Tartlau Prejmer Prázsmár

Zillenmarkt Fogarasch Moldau Temeswar Kronstadt Bulgarien Diemrich Mühlbach Muntenia Reps Bessarabien Oderhellen Karlsburg Hermannstadt Karansebesch Karlsburg Moldau Klausenburg Karansebesch Karlsburg Karansebesch Serbien Hatzeg Hatzeg Mühlbach Bistritz Hatzeg Moldau Moldau Sathmar Deesch Hatzeg Ungarn

Ungarn Ungarn Zillenmarkt Bistritz Zillenmarkt Mühlbach Hermannstadt Diemrich Kronstadt

343

Ortsnamen Tărtăria Alsótatárlaka Tășnad Tasnád Tău Bistra Tăuții de Sus Giródtótfalu Târgoviște Târgșoru Vechi Târgu Jiu Târgu Neamț Tecuci Teaca Teke Tekendorf Teleac Telekfalva Timișoara Temesvár Temeswar Aciliu Ecsellő Tetscheln Teutschenau Teceu Tjačiv (ukrai.) Thoman (?) Thorenburg Turda Torda Doștad Hosszútelke Thorstadt Tibiscum (lat.) Tighina Tilișca Tilicske Tismana Tiszabö Tiszapüspöki Tonea Toplița Maroshéviz Törökszentmiklós Törzburg Bran Törcsvár Tritenii de Jos Alsódetrehem Trotuș Cenad (Morisena) Őscsanád Tschanad Tschanad Cenad Nagycsanád Tulgheș Gyergyótölgyes (Drobeta-) Zeurino (lat.) Turnu Severin Țibucani Ucea de Jos Alsóucsa Ucea de Sus Felsőucsa Ungarisch-Kreuz Cristuru Secuiesc Székelykeresztúr Ungersdorf Șieu-Măgeruș Sajómagyarós Unterarpasch Arpașu de Jos Alsóárpás Unterbrodsdorf Șibot Alkenyér Unterbrodsdorf Șibot Alkenyér Untermühlendorf Sâmbăta de Jos Alsószombatfalva Untersebesch Ruștior Sajósebes Unterwallendorf Unirea Aldorf Unterwinz Vințu de Jos Alvinc Urișor Alőr Uriu Felőr Urviș de Beiuș Belényesörvényes

Karlsburg Großwardein Mühlbach Neustadt Muntenia Muntenia Oltenia Moldau Moldau Regen Oderhellen Hermannstadt Ukraine Oderhellen Mühlbach Karansebesch Bessarabien Hermannstadt Oltenia Ungarn Ungarn Mühlbach Regen Ungarn Kronstadt Klausenburg Moldau Arad Arad Szeklerburg Oltenia Moldau Fogarasch Fogarasch Oderhellen Bistritz Fogarasch Broos Mühlbach Fogarasch Bistritz Bistritz Karlsburg Deesch Deesch Großwardein

344

Anhang

Urwegen Gârbova Szászorbó Urwegen Gârbova Szászorbó Valea Doftanei Valea Drăganului Nagysebes Valea Izvoarelor Buzásbesenyő Valea lui Mihai Érmihályfalva Vama Var Vár Vasilev (ukrai.) Vaslui Vatra Moldovița Vălenii de Munte Vărșag Székelyvarság Vârtop Vicina (ukrai.) Vinga Vinga Viștea de Jos Alsóvist Viștea de Sus Felsővist Szentegyházasfalva Vlăhița Vodița Ghimbav Vidombák Weidenbach Weißenburg siehe Karlsburg Weißkirchen Bela Crkva (serb.) Vác Weizen Werschetz Vršac (serb.) Veștem Vesztény Westen Vidin (bulg.) Widin Viena Becs Wien Wisk Visc Vyškove (ukrai.) Woiwodeni Voivodeni Vajdafalva Văleni Dombos Wolldorf Wynohradiw (ukr.) Zam Zám Zăbala Zabola Zeiden Codlea Feketehalom Zernescht/Zernen Zărnești Zernyest Zillenmarkt Zalău Zilah Zimnicea Zood Sadu Cód

Mühlbach Mühlbach Muntenia Großwardein Neumarkt Großwardein Moldau Karansebesch Ukraine Moldau Moldau Muntenia Oderhellen Oltenia Ukraine Viminacium Arad Fogarasch Fogarasch Oderhellen Oltenia Kronstadt Serbien Ungarn Serbien Hermannstadt Bulgarien Österreich Ukraine Fogarasch Fogarasch Ukraine Diemrich Szekler-Neumarkt Kronstadt Kronstadt Muntenia Hermannstadt