Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden: Eine Untersuchung der normativen Grundlagen [1 ed.] 9783428554485, 9783428154487

Nicht zuletzt aufgrund sicherheitsrelevanter Vorfälle oder der bei Einlasskontrollen aufgefundenen Waffen und gefährlich

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Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden: Eine Untersuchung der normativen Grundlagen [1 ed.]
 9783428554485, 9783428154487

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Band 102

Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden Eine Untersuchung der normativen Grundlagen

Von Simone Unger-Gugel

Duncker & Humblot · Berlin

SIMONE UNGER-GUGEL

Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Christia n Sei ler in Gemeinschaft mit Jochen von Bernstor f f, Michael Droege M a r t i n He c k e l, K a r l -He r m a n n K ä s t n e r, F e r d i n a n d K i r c h h o f H a n s v o n M a n g o l d t , M a r t i n Ne t t e s h e i m, T h o m a s O p p e r m a n n G ü nt e r P ü t t n e r, B a r b a r a R e m m e r t , M i c h a e l R o n e l l e n f i t s c h J o h a n n e s S a u r e r, Wo l f g a n g G r a f V i t z t hu m sämtlich in Tübingen

Band 102

Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden Eine Untersuchung der normativen Grundlagen

Von Simone Unger-Gugel

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Sommersemester 2014 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 978-3-428-15448-7 (Print) ISBN 978-3-428-55448-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-85448-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Mutter

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität in Tübingen als Dissertation angenommen. Mein herzlicher Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch für die Förderung der Arbeit sowie die schönen und lehrreichen Jahre an seinem Lehrstuhl als studentische und wissenschaftliche Hilfskraft, die mir stets in bester Erinnerung bleiben werden. Herzlich danken möchte ich ferner Herrn Prof. Dr. Michael Droege für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich meiner Lehrstuhlkollegin Frau Hannah Sonntag für ihren stets guten Zuspruch und ihre Anregungen sowie meinem Vater Herrn Claus Unger und Frau Sonja Meier für ihre Hilfsbereitschaft und Korrekturarbeiten. Ganz besonderer Dank gilt meinen Eltern und meinem Ehemann Johannes für ihre bedingungslose Liebe und beispielslose Unterstützung und Förderung, ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Gewidmet ist diese Arbeit meiner viel zu früh verstorbenen Mutter in Liebe und Dankbarkeit für ihr stets unerschütterliches Vertrauen in mich. Stuttgart, im Juni 2018

Simone Unger-Gugel

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 I. Befugnisse der Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Rechtsnatur des Hausrechts an Gerichtsgebäuden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 a) Privatrechtliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) Differenzierende Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 c) Öffentlich-rechtliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 d) Stellungnahme: Die grundsätzlich öffentlich-rechtliche Rechtsnatur des Hausrechts an Gerichtsgebäuden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Ermächtigungsgrundlage zum Erlass hausrechtlicher Maßnahmen . . . . . . . . . 35 a) Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 aa) „Ob“ einer gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 (1) Klassische Eingriffe in Freiheitsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . 38 (a) Hausverweis und Hausverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 (aa) Hausverweis und Hausverbot als abwehrrechtliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 (bb) Benutzung fremder Räume als Teil der freiheitsrechtlichen Gewährleistungsgehalte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 (cc) Beschränkung einfachgesetzlicher Zutrittsansprüche als Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (b) Sonstige hausrechtliche Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 (2) Hausrechtliche Maßnahmen als wesentliche Angelegenheiten . . 46 bb) „Wie“ der gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 (1) Qualität der Rechtsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (2) Regelungstiefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Ausdrückliche Normierungen des öffentlich-rechtlichen Hausrechts für Gerichtsgebäude . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 aa) Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 (1) § 16 Abs. 1 S. 1 NJG als taugliche Ermächtigungsgrundlage . . . 54 (a) § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 5 NJG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54

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Inhaltsverzeichnis (b) § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und 4 NJG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 (c) § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NJG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 (2) Hausrechtliche Maßnahmen auf Grundlage von § 16 Abs. 1 S. 1 NJG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 bb) Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 cc) Die übrigen Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (1) Hamburg – Gerichtsverwaltung als Verwaltungsbehörde . . . . . . . 60 (2) Im Übrigen – Gerichtsverwaltung als besondere Polizeibehörde, Ordnungsbehörde oder Sonderpolizeibehörde? . . . . . . . . . . . . . . 61 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 c) Mögliche Ermächtigungsgrundlagen bei Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 aa) Anwendung von §§ 903, 1004, 858 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 bb) Analoge Anwendung von §§ 903, 1004, 858 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . 64 (1) Belastende Analogie im Verwaltungsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 (a) Bundesstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (b) Grundsatz der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 (c) Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (d) Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 (e) Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 (2) Ablehnung der analogen Anwendung im Übrigen . . . . . . . . . . . . 71 cc) Analogie zu öffentlich-rechtlichen Hausrechtsnormen . . . . . . . . . . . . . 72 dd) Analoge Anwendung der Ermächtigungsgrundlagen des PolG BW . . . 74 ee) Ableitung aus § 123 StGB und den Notwehrrechten . . . . . . . . . . . . . . . 74 ff) Ableitung aus § 68 Abs. 3 (L)VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 gg) Annex zur Sachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 hh) Gewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (1) Unterscheidung zwischen vor- und nachkonstitutionellem Gewohnheitsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (2) Vereinbarkeit mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes 83 (3) Spezielle Gesetzesvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (4) Auslegung anhand der Zielsetzungen des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (a) Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (b) Grundsatz der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (aa) Ablehnung möglicher Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 (bb) Vereinbarkeit mit den Zielen des Grundsatzes der Gewaltenteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (c) Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 ii) Übergangsweise bestehende Notkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Inhaltsverzeichnis

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4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Befugnisse des Vorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2. Anwendungsbereich der Sitzungspolizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Persönlicher und zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 aa) Beschränkung auf den Sitzungssaal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 bb) Erweiterung auf zum Sitzungssaal gehörende Räume . . . . . . . . . . . . . . 96 cc) Unmittelbar angrenzende Räume und Zugänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 dd) Stellungnahme: Beeinträchtigung des Verhandlungsverlaufes als entscheidendes Merkmal und Ablehnung des Unmittelbarkeitskriteriums 98 c) Abgrenzung zum öffentlich-rechtlichen Hausrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 3. Sitzungspolizeiliche Verfügungen auf Grundlage von § 176 GVG . . . . . . . . . . 103 a) Störung des äußeren Verhandlungsverlaufes als Voraussetzung sitzungspolizeilicher Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Mögliche sitzungspolizeiliche Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Sitzungspolizeiliche Verfügungen während der Verhandlung . . . . . . . . 106 bb) Anordnung der Anwesenheit von Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes sowie von Polizeibeamten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 cc) Einlasskontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (1) Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit? . . . . . . . . . . . . 111 (a) Unwesentliche Zugangshindernisse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (b) Ausschluss sich weigernder Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 (2) Persönlicher, zeitlicher und räumlicher Anwendungsbereich . . . . 114 (a) Persönlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (aa) Ausnahmen für gerichtsbekannte Personen . . . . . . . . . . . 115 (bb) Kontrollmaßnahmen gegenüber Nichtstörern . . . . . . . . . 116 (cc) Kontrollmaßnahmen gegenüber Verfahrensbeteiligten

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(b) Zeitlich und räumlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 (3) Anordnung von Identitätsfeststellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (a) Auf Grundlage von § 176 GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (b) Normen des Personalausweisgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (c) Datenschutzrechtliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (aa) Die Frage der Anwendbarkeit des BDSG oder des jeweiligen LDSG auf die Sitzungspolizei . . . . . . . . . . . . . 123 (bb) § 4 Abs. 1 1. Alt. BDSG i.V.m. § 13 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 S. 1 BDSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (cc) Einwilligung nach § 4 Abs. 1 3. Alt. BDSG . . . . . . . . . . 127 (d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (4) Durchsuchung von Personen und mitgeführter Sachen . . . . . . . . 128

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Inhaltsverzeichnis 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 III. Befugnisse des privaten Hausrechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Abgrenzung zur Sitzungspolizei und zum öffentlich-rechtlichen Hausrecht 131 3. Dogmatische Grundlage des privaten Hausrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 a) Straftatbestand des § 123 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 b) Eigentum, §§ 903, 1004 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 c) Unmittelbarer Besitz, §§ 858 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 d) Eigentum §§ 903, 1004 BGB und/oder Besitz §§ 858 ff. BGB . . . . . . . . . . 133 e) Stellungnahme: Das private Hausrecht als Umschreibung der sich aus §§ 903, 1004 und 858 ff. BGB ergebenden Rechte und Befugnisse . . . . . . . 134 4. Inhaber des privaten Hausrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 5. Räumliche Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 6. Sachlicher Inhalt und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Befugnisse nach § 903 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 aa) Negative und positive Dimension des § 903 S. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . 141 bb) Die Möglichkeit zum Erlass von Hausordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Mögliche Maßnahmen bei Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 aa) Als Eigentümer, § 1004 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 bb) Als Besitzer, §§ 859, 861 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB, §§ 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 c) Grenzen der privaten Hausrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 aa) Öffnung der Gerichtsgebäude für den Publikumsverkehr . . . . . . . . . . . 145 bb) Grundrechtsbindung des Hausrechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 cc) Öffentlich-rechtliche Sachherrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 IV. Befugnisse der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 1. Abgrenzung zur Sitzungspolizei und zum öffentlich-rechtlichen und privaten Hausrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 2. Tätigwerden der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 V. Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Anwendungsbereich der Befugnisse der Justizwachtmeister . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Abgrenzung zu den Befugnissen der Hausrechtsinhaber und der Polizei . . 159 b) Abgrenzung zu den sitzungspolizeilichen Befugnissen des Vorsitzenden 159 aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 bb) Gesetzesmaterialien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 cc) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

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dd) Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 c) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 aa) Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 bb) Zeitlicher und räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Mögliche Maßnahmen der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes . . . . 164 a) Der Begriff der Sicherheit und Ordnung nach dem JWBG BW, BayJSOG und § 42 SächsJG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Einzelne Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 aa) Identitätsfeststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 bb) Durchsuchung von Personen und mitgeführter Sachen . . . . . . . . . . . . . 166 cc) Beschlagnahme und Sicherstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 dd) Hausverweis und Hausverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 ee) Ingewahrsamnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (1) Mögliche Anordnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (2) Weitergehende Maßnahmen auf Grundlage von § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG gegenüber Personen in Gewahrsam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 ff) Generalklauselartige Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 VI. Rückgriff auf die Rechtfertigungsnormen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Die Möglichkeit zur Berufung auf Notrechte durch Hoheitsträger . . . . . . . . . . 180 a) Strafrechtliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) Öffentlich-rechtliche Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 c) Differenzierende Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 d) Trennungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 e) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Ablehnung der strafrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Theorie . . . 182 bb) Die Auflösung der Konflikte durch die differenzierende Theorie und die Ablehnung der Trennungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 cc) Kritische Auseinandersetzung mit den Einwänden gegen die differenzierende Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Folgen für das Tätigwerden der Hoheitsträger in Gerichtsgebäuden . . . . . . . . 190 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 VII. Befugnisse privater Sicherheitsdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. „Originärer“ Tätigkeitsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 a) Die Geltendmachung der Ansprüche aus §§ 1004, 858 ff. BGB . . . . . . . . . 193 b) Die Berufung auf die Not- und Jedermannrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

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Inhaltsverzeichnis c) Grenzen der Rechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3. Übertragener Tätigkeitsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Beleihung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 aa) Verfassungsrechtliche Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 bb) Die Beleihung durch den Gerichtspräsidenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 cc) Die Beleihung durch Andere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Einsatz als Verwaltungshelfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 I. Anordnungen der Gerichtsverwaltung, der Beamten der Polizei sowie der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Das Erfordernis einer geschriebenen formell gesetzlichen Grundlage . . . . . . . 201 2. Anordnungen der Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 a) Vollstreckung trotz Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsaktes . . . . . . . . 204 aa) Bestandskräftige oder nichtige Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 bb) Rechtswidrigkeitszusammenhang bei anfechtbaren und sofort vollziehbaren Verwaltungsakten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Vollstreckung durch die Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 aa) Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Hessen und Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 cc) Die übrigen Bundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 c) Ausübung des unmittelbaren Zwanges durch Andere . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 aa) Angehörige des Justizwachtmeisterdienstes als Vollstreckungsbeamte 211 bb) Heranziehung des Polizeivollzugsdienstes im Wege der Vollzugshilfe 212 (1) Vollzugshilfe als Unterfall der Amtshilfe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 (2) Die Anwendung unmittelbaren Zwanges nach den polizeilichen Vollzugshilferegelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3. Anordnungen der Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 a) Vorrangige Anwendung der polizeilichen Ermächtigungsgrundlagen . . . . . 217 b) Anwendung der Vorschriften über den Polizeizwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 4. Anordnungen der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes . . . . . . . . . . . . 220 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 II. Sitzungspolizeiliche Verfügungen des Vorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Fragmentarische Regelung des § 177 S. 1 GVG und Lösungsansätze . . . . . . . 222 2. Bewertung der Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 3. Konstitutive Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 b) Bayern und Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 c) Hessen, Thüringen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt . . . . . . . . . . . . . . . 227

Inhaltsverzeichnis

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d) Rheinland-Pfalz und Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 4. Vollstreckung der sitzungspolizeilichen Verfügungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 a) Vollstreckung nach § 177 S. 1 GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 b) Vollstreckung nach den konstitutiven Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 III. Anordnungen des privaten Hausrechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 1. Vorrangige Inanspruchnahme obrigkeitlicher Hilfe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 2. Private Notrechte des privaten Hausrechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 a) Notwehr, § 227 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 aa) Privates Hausrecht als notwehrfähiges Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 bb) Grenzen der Notwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Besitzwehr, § 859 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 D. Handeln in Eilfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I. Sofortvollzug und unmittelbare Ausführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Durch die Gerichtsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Hessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 3. Durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 a) Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 b) Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 aa) Das Nebeneinander von Sofortvollzug und unmittelbarer Ausführung 244 bb) Handeln im Wege des Sofortvollzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 c) Sachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 4. Durch die Polizei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 II. Sonstige Vollstreckung bei Gefahr im Verzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 III. Sofortiges Einschreiten auf Grundlage der sitzungspolizeilichen Normen? . . . . . 249 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 E. Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 I. Die Lückenhaftigkeit des gesetzlichen Rahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 1. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

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Inhaltsverzeichnis 3. Handeln in Eilfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 II. Schließung der aufgezeigten normativen Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 1. Einräumung von Befugnissen zugunsten der Behördenleiter der Gerichte . . . 256 a) Gesetz über die Befugnisse der Behördenleiter der Gerichte (BLGerBG BW) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 bb) Einzelne Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 (1) Öffentlich-rechtliches Hausrecht, Anwendungsbereich (§ 1) . . . . 260 (2) Allgemeine Befugnisse (§ 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 (3) Hausverweis und Hausverbot (§ 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 (4) Identitätsfeststellung (§ 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 (5) Durchsuchung von Personen (§ 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (6) Durchsuchung von Sachen (§ 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 (7) Sicherstellung, Beschlagnahme und Verwahrung (§ 7) . . . . . . . . . 265 (8) Gewahrsam (§ 8) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 (9) Offene Videoüberwachung (§ 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 (10) Einlasskontrolle (§ 10) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (11) Hausordnung (§ 11) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 (12) Betroffene (§ 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 (13) Wegfall der aufschiebenden Wirkung, Widerspruchsbehörde (§ 13) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 (14) Vollstreckung (§ 14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (15) Verhältnismäßigkeit (§ 15) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 (16) Einschränkung von Grundrechten (§ 16) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 cc) Ergänzende Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 2. Erweiterung der Befugnisse des Vorsitzenden nach § 176 GVG . . . . . . . . . . . 271 a) Ergänzung von § 176 GVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 b) Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 bb) Einzelne Absätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 (1) Absatz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 (2) Absatz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (3) Absatz 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (4) Absatz 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (5) Absatz 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (6) Absatz 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 (7) Absatz 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Kein weiterer Regelungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276

Inhaltsverzeichnis

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F. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302

A. Einleitung Bei einem Prozesstermin im Januar 2014 erschießt ein Mann auf den Stufen des Amtsgerichts in Frankfurt am Main eine Person und ersticht eine weitere im Gerichtsgebäude, als sie auf seinen abgegebenen Schuss nicht sofort verstirbt.1 Im Oktober desselben Jahres sticht am Amtsgericht Weilburg ein Mann nach einer Sorgerechtsverhandlung auf seinen Schwiegersohn und dessen Bruder mit einem Messer ein, wodurch beide schwere und der Bruder lebensgefährliche Verletzungen erleiden.2 Im Oktober 2015 wird ein Mann von seiner Frau vor dem gemeinsamen Scheidungstermin am Amtsgericht in Eschweiler mit einem Küchenmesser erstochen.3 Vorfälle dieser Art sind keine neuen Erscheinungen, sondern gab es auch schon in der Vergangenheit. So wurde beispielsweise im Oktober 2012 die Direktorin des Amtsgerichts Pirna in ihrem Dienstzimmer angegriffen und so niedergeschlagen, dass sie mehrere Wochen arbeitsunfähig war.4 Große Aufmerksamkeit erweckte im Januar 2012 die Ermordung eines Staatsanwaltes am Amtsgericht in Dachau durch einen Mann, der während der Urteilsverkündung in einem Prozess um nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge mit seiner Pistole fünf Schüsse abfeuerte, von denen drei den Staatsanwalt trafen und zwei weitere nur knapp den Richter sowie andere Personen verfehlten.5 Wenige Tage zuvor schlug in Karlsruhe ein Beklagter im Rahmen eines Bauprozesses dem Richter, der ihm signalisierte, dass seine Berufung wohl ohne Erfolg bleiben werde, mit der Faust ins Gesicht. Der Richter musste aufgrund seiner Verletzungen zwei Tage im Krankenhaus verbringen.6 Im April 2009 erschoss ein Beklagter auf dem Gerichtsflur des Landgerichts Landshut in der Sitzungspause eines Erbschaftsstreits seine Schwägerin, verletzte deren Anwalt sowie

1 http://www.sueddeutsche.de/panorama/schuesse-am-frankfurter-amtsgericht-jaehriger-toe tet-zwei-bekannte-vor-gerichtsprozess-1.1870848 (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 2 http://www.welt.de/regionales/hessen/article133167231/50-Jaehriger-sticht-im-Gerichtauf-Schwiegersohn-ein.html (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 3 http://www.welt.de/regionales/nrw/article147697993/37-Jaehrige-ersticht-Mann-vorScheidungstermin.html (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 4 http://www.dnn.de/Region/Region-News/Richterin-verpruegelt-Gewalttaeter-steht-inPirna-vor-Gericht (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016); siehe für weitere Beispielsfälle Kruis, BayVBl. 2013, 97. 5 http://www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/amtsgericht-dachau-angeklagter-schiesststaatsanwalt-in-gerichtssaal-nieder-1.1255704 (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 6 http://www.ka-news.de/region/karlsruhe/Karlsruhe~/Angeklagter-schlaegt-KarlsruherRichter-krankenhausreif;art6066,789551 (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016).

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A. Einleitung

eine weitere Schwägerin und tötete sich dann selbst.7 Im Juni desselben Jahres wurde eine schwangere Zeugin vom Angeklagten im Gerichtssaal des Landgerichts Dresden mit 18 Messerstichen getötet8 und im Jahre 2007 wurde am Landgericht Schweinfurt ein Staatsanwalt niedergestochen und dabei schwer verletzt.9 Diese mit der Tötung und Verletzung von Menschen einhergehenden Vorfälle haben Fragen nach der Verbesserung der Sicherheit in Gerichtsgebäuden laut werden lassen. Insbesondere die Tötung des Staatsanwaltes in Dachau, aber auch die Erkenntnis, dass es nicht mehr nur Einzelfälle, sondern viele alltägliche, oftmals in der Öffentlichkeit nicht bekannt gewordene Situationen sind, die Zweifel an der Sicherheitslage herbeiführen, haben die Bedeutung dieser Fragen verstärkt. Auch die Anzahl der bei bislang durchgeführten Einlasskontrollen sichergestellten verbotenen Gegenstände spricht eine deutliche Sprache. So wurden etwa im Justizgebäude in München nur in einem Jahr 3147 Messer, 262 Sprühgase, acht Schlagstöcke, eine Schreckschusspistole, ein Totschläger, eine Softairpistole, ein Wurfstern sowie zahlreiche weitere gefährliche Gegenstände gefunden.10 Im Justizgebäude in Nürnberg sind es jährlich 700 – 900 Messer und 70 – 90 andere gefährliche Gegenstände.11 Dass das Bedürfnis verschärfter Sicherheitsstandards und insbesondere der Durchführung von Einlasskontrollen, wie sie auch an Flughäfen praktiziert werden und durch welche größtenteils verhindert werden kann, dass überhaupt zu schweren Verletzungen oder zur Tötung von Personen geeignete Gegenstände in das Gebäudeinnere gelangen, unabweislich ist, entspricht heute allgemeiner Überzeugung.12 Dies hat dazu geführt, dass vielerorts Sicherheitskonzepte für Gerichte ausgearbeitet, intensiviert und teilweise bereits umgesetzt wurden.13 In Baden-Württemberg wurde vom Ministerium der Justiz und für Europa in Zusammenarbeit mit Vertretern der Justizpraxis, der Polizei sowie der Staatlichen Hochbauverwaltung eine Sicherheitskonzeption für Gerichte und Justizbehörden entwickelt, die 2013 in Kraft trat. Diese Sicherheitskonzeption sieht beispielsweise die Verbesserung von Sicherungsmaßnahmen in den Eingangsbereichen, die Trennung zwischen öffentlichen Bereichen und Büros, eine Erhöhung des Personals im Bereich des Justizwachtmeisterdienstes einschließlich einer verbesserten Ausbildung sowie Ausstattung derer, aber auch den flächendeckenden Einsatz von Notrufsystemen, die Erstellung behördeninterner Notfallpläne sowie intensivere Schulungen und Fortbil7

http://www.mainpost.de/archiv-ueberregional/main-posttitelseite/Zwei-Tote-bei-Familien drama-im-Landgericht-Landshut;art9484,5064443 (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 8 http://www.welt.de/vermischtes/article4048694/Taeter-in-Dresdner-Gericht-stach-18Mal-zu.html (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 9 http://www.abendblatt.de/vermischtes/article107240246/Staatsanwalt-niedergestochen. html (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 10 Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 103; Kruis, BayVBl. 2013, 97, 98. 11 Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 103; Kruis, BayVBl. 2013, 97, 98. 12 Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 103; Kruis, BayVBl. 2013, 97. 13 Siehe für Bayern Kruis, BayVBl. 2013, 97, 98.

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dungen für alle Justizbedienstete vor.14 Zur Umsetzung der Sicherheitskonzeption werden in Baden-Württemberg nun vermehrt Einlasskontrollen durchgeführt, um zu vermeiden, dass überhaupt zu Störungen geeignete Gegenstände in das Gebäudeinnere gelangen. An manchen Gerichten, wie etwa dem Sozialgericht Konstanz, wurden Notrufeinrichtungen in Sitzungssälen installiert, die eine unmittelbare Verbindung zur Polizei ermöglichen sowie bauliche Veränderungen vorgenommen, um die Sitzungssäle und öffentliche Bereiche vom Bürotrakt zu trennen.15 Teilweise wurden auch Überwachungskameras am Eingangsbereich installiert. Im Jahre 2014 wurden ferner 50 neue Justizwachtmeisterstellen geschaffen und in Mannheim das Ausbildungszentrum für Angehörige des Justizwachtmeisterdienstes eröffnet, in dem die Justizwachtmeister insbesondere zur Abwehr von Angriffen sowie zur Überwältigung von Tätern ausgebildet werden. Daneben wurde die Ausstattung verbessert, indem man die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes mit schusssicheren Westen sowie stichsicheren Handschuhen ausrüstete.16 Weiterhin wurden spezielle Wachtmeisterpools, sogenannte Sicherheitsgruppen, eingerichtet, die an acht Landgerichten angesiedelt sind und von Gerichten, die über keine oder nur wenige Beschäftigte des Justizwachtmeisterdienstes verfügen, angefordert werden können, etwa wenn besonders sicherheitsrelevante Verfahren stattfinden und es der Unterstützung der Justizwachtmeister beispielsweise bei Eintrittskontrollen bedarf.17 Insgesamt investierte das Land Baden-Württemberg in den vergangenen drei Jahren rund vier Millionen Euro in die Verbesserung der Sicherheit, 2016 wurden zwei weitere Millionen bereitgestellt und auch künftig sollen jährlich rund zwei Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.18 Sicherheitskonzepte gibt es aber auch in den anderen Bundesländern. So wurde auch in Bayern die Trennung von Büro- und Sitzungssaalbereichen, die Aufstockung und intensivere Ausbildung des Justizwachtmeisterdienstes, die Bereitstellung von sachlichen Mitteln, die Installation von Notfallknöpfen an den Richterbänken sowie Überwachungskameras im Außen- und Innenbereich der Gerichtsgebäude, außerdem die Beschäftigung privater Sicherheitsdienste beschlossen.19 Anders als in Baden-Württemberg, wo die Einführung flächendeckender Sicherheitsschleusen nicht geplant ist, sondern lediglich eine visuelle Kontrolle am einzig geöffneten 14 http://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/sicherheits konzeption-fuer-gerichte-und-justizbehoerden/ (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 15 http://www.sg-konstanz.de/pb/,Lde/Sicherheit+bei+Gericht (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 16 https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/fachzentrumjustizwachtmeister-in-mannheim-eroeffnet/ (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 17 https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/fachzentrumjustizwachtmeister-in-mannheim-eroeffnet/; http://www.morgenweb.de/mannheim/mannheimstadt/anlauf-zu-mehr-sicherheit-an-gerichten-1.1688381/ (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 18 Stellungnahme des Ministeriums der Justiz und für Europa Baden-Württemberg an die Verfasserin in einer Email v. 24. 05. 2016. 19 Für Bayern Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102; Kruis, BayVBl. 2013, 97 f.

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Haupteingang durch Pforten oder Infotheken stattfinden soll,20 entschied sich Bayern für flächendeckende Einlasskontrollen zu allen Zeiten, an denen Sitzungen stattfinden.21 Die Frage hinreichender Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden ist jedoch nicht nur eine politische. Es muss auch in rechtlicher Hinsicht geprüft werden, ob es die gegenwärtige Rechtslage zulässt, mittels geeigneter Maßnahmen für ein bestimmtes Maß an Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden zu sorgen. Dass es keine absolute Sicherheit in Gerichtsgebäuden geben kann, liegt auf der Hand. Schon vor dem Hintergrund des sich aus § 169 S. 1 GVG ergebenden Öffentlichkeitsgrundsatzes können Gerichte weder zu Festungen noch zu Sicherheitshochburgen ausgebaut werden. Die Justiz muss sich als offen und bürgernah präsentieren. Andererseits gehört es aber auch zu den bedeutendsten Strukturprinzipien eines Rechtsstaates, dass nach Art. 92 GG die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut ist und die Richter gemäß Art. 97 Abs. 1 GG sachlich unabhängig und lediglich dem Gesetz unterworfen sind.22 Versuche auf die richterliche Entscheidungsfreiheit und damit auf die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege mittels physischer Gewalt oder erheblichem psychischen Zwang einzuwirken, müssen vom Staat im Sinne einer Schutzpflicht durch ausreichende Vorkehrungen abgewehrt werden.23 Neben dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege bedarf es geeigneter Maßnahmen des Gesetzgebers aber auch vor dem Hintergrund der sich aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ergebenden Schutzpflicht des Staates zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit sowohl der Bediensteten der Gerichte als auch der Verfahrensbeteiligten oder sich sonst im Gerichtsgebäude befindlicher Personen.24 Diese Schutzpflicht verpflichtet den Staat, die von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Rechtsgüter vor Beeinträchtigungen oder Gefährdungen zu bewahren und hierzu entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.25 Sie obliegt dem Staat in allen seinen Funktionen, auch und vor allem der gesetzgebenden Gewalt.26 20 Stellungnahme des Ministeriums der Justiz und für Europa Baden-Württemberg an die Verfasserin in einer Email v. 24. 05. 2016. 21 Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 15; Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102; Kruis, BayVBl. 2013, 97 f. 22 Siehe hierzu sowie zur staatlichen Schutzpflicht Einwirkungen auf die richterliche Entscheidungsfreiheit abzuwehren Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97, Rn. 93; Detterbeck, in: Sachs, GG, Art. 97, Rn. 2; Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 97, Rn. 3. 23 Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 97, Rn. 93; Morgenthaler, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 97, Rn. 3. 24 In diese Richtung auch Kruis, BayVBl. 2013, 97, 98, 101. 25 Grundlegend BVerfG, Urteil v. 25. 02. 1975, 1 BvF 1 – 6/74 = NJW 1975, 573, 575 ff.; Urteil v. 16. 10. 1977, 1 BvQ 5/77 = NJW 1977, 2255; Urteil v. 28. 05. 1993, 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 = NJW 1993, 1751, 1753 ff.; Urteil v. 30. 07. 2008, 1 BvR 3262/07 u. a. = NJW 2008, 2409, 2413 f.; siehe auch BVerfG, Urteil v. 15. 02. 2006, 1 BvR 357/05 = NJW 2006, 751, 757; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 41 ff.; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 410 ff.; Maurer, Staatsrecht, § 9, Rn. 25; zum Untermaßverbot Klein, JuS 2006, 960, 961 f.

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Die deshalb zu untersuchende Frage nach einem ausreichenden normativen Rahmen stellt sich insbesondere auch deshalb, da es für den Bereich der Justiz kein einheitliches Sicherheitsrecht gibt und zur Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung Maßnahmen der Gefahrenabwehr auf ganz unterschiedliche rechtliche Grundlagen gestützt werden müssen.27 Herangezogen wird zum einen die Sitzungspolizei nach §§ 176 ff. GVG, wonach es insbesondere nach § 176 GVG dem Vorsitzenden obliegt, für die Aufrechterhaltung von Ordnung in der Sitzung zu sorgen. Auf § 176 GVG werden sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung verschiedenste Anordnungen gestützt. Sie reichen von Ordnungsrufen über die Entfernung aus dem Sitzungssaal bis zur Anordnung der Einlasskontrollen mit der Überprüfung, Einbehaltung und Ablichtung von Ausweispapieren sowie der Durchsuchung von Personen und mitgeführter Sachen.28 Da Gerichte ihrem Wesen nach nicht nur infolge ihrer Spruchtätigkeit als Teile der Judikative, sondern, soweit sie keine Spruchtätigkeiten ausüben, verwaltend tätig werden und damit als Verwaltungsbehörden und als Teile der Exekutive zu qualifizieren sind,29 wird für Maßnahmen sicherheitsrechtlicher Natur ferner auf das öffentlich-rechtliche Hausrecht des Gerichtspräsidenten oder Direktors30 als Behördenleiter des Gerichts und der Gerichtsverwaltung31 abgestellt. Das öffentlich-rechtliche Hausrecht wird in der Literatur sowie der Rechtsprechung als Rechtsgrundlage sicherheitsrechtlicher Maßnahmen wie Hausverweisen oder -verboten, insbesondere aber auch für die Anordnung von Einlasskontrollen und die damit einhergehenden Ausweiskontrollen 26 BVerfG, Urteil v. 28. 05. 1993, 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 = NJW 1993, 1751, 1753 ff.; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 86; Klein, JuS 2006, 960 f. 27 So auch Kees, NJW 2013, 1929. 28 Siehe hierzu ausführlich und mit Nachweisen unten S. 104 ff. 29 Lüke/Arens, in: Lüke, ZPR, § 4, Rn. 49; Maurer, VerwR AT, § 9, Rn. 22; Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil C, Rn. 107 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 20, Rn. 5; Wittreck, Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 11 ff.; siehe auch Wilke, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Band V, § 112, Rn. 40 ff. 30 Bei den Landgerichten und Oberlandesgerichten ist der Behördenleiter des Gerichts der Präsident. Ob die Amtsgerichte von einem Präsidenten oder Direktor geleitet werden, bestimmt sich nach dem Landesrecht, siehe z. B. § 16 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AGGVG BW, ausdrücklich § 4 JustG NRW. Sind in einem Gebäude mehrere Gerichte untergebracht, etwa ein Amtsgericht und ein Landgericht, entscheidet der Leiter der übergeordneten Behörde, siehe Kissel/Mayer, GVG, § 12, Rn. 93; Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 69. Sofern im Folgenden vom Gerichtspräsidenten die Rede ist, ist auch der etwaige Direktor eines Amtsgerichts gemeint. 31 Zur Zuordnung der Ausübung des Hausrechts zur Gerichtsverwaltung OVG Münster, Urteil v. 18. 08. 2015, 15 A 2856/12 = BeckRS 2015, 51390; AG Meldorf, Beschluss v. 18. 05. 2010, 81 C 305/10 = BeckRS 2010, 14991; Kissel/Mayer, GVG, § 12, Rn. 93; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 1 GVG, Rn. 6 ff.; Meissner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 55, Rn. 40; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR, § 20, Vor Rn. 5; zur Abgrenzung der teilweise identisch verwendeten Begriffe der Gerichts- und Justizverwaltung Stelkens, in: Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, § 38, Rn. 8 ff.; Kissel/Mayer, GVG, § 12, Rn. 85 ff.; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, ZPR, § 20, Rn. 5 ff.; ausführlich Wittreck, Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 13 ff.

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sowie Durchsuchungen von Personen und mitgeführten Sachen, herangezogen.32 Geht es um den Schutz von Eigentum und Besitz, kommen ferner Maßnahmen durch den privaten Hausrechtsinhaber in Betracht, etwa gegen Beschädigungen von Gebäudeteilen, beispielsweise durch das Anbringen von Graffiti an der Gebäudefassade. Ferner bietet sich der Rückgriff auf die in den Gerichten zur Verfügung stehenden Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes an, welchen in Baden-Württemberg seit dem Jahre 2013 ausdrücklich nach § 1 Abs. 1 JWBG BW33, in Bayern nach Art. 1 Abs. 1 BayJSOG34 und in Sachsen nach § 42 Abs. 1 SächsJG35 die Aufgabe der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im Gericht zukommt.36 Daneben obliegt der Polizei nach § 1 Abs. 1 S. 1 PolG BW sowie den entsprechenden Regelungen in den Polizeigesetzen der anderen Bundesländer37 der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sodass auch ein polizeiliches Tätigwerden möglich erscheint. Entsprechend den neueren Sicherheitskonzepten werden zudem private Sicherheitsdienste beauftragt, um in den Gerichten für Sicherheit zu sorgen. Schließlich könnte sich ein Rückgriff auf die allgemeinen Notrechte anbieten. Ob sich vor diesem Hintergrund für die Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden ein in rechtlicher Hinsicht ausreichender Rahmen ergibt, soll in dieser Arbeit untersucht werden. Der Begriff der Sicherheit und Ordnung ist dabei nicht mit dem Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aus den landesrechtlichen Polizeigesetzen identisch. Er ergibt sich vielmehr aus einer Zusammenfügung der von den verschiedenen Stellen zu leistenden Beiträgen für die Sicherheit und Ordnung in ihrem Sinne, die teils mit der öffentlichen Sicherheit und Ordnung identisch sind, regelmäßig aber nur einen Teil von ihr betreffen. Die Untersuchung beschränkt sich auf die Landesgerichtsbarkeiten und grundsätzlich auf die Rechtslage in BadenWürttemberg, versäumt es jedoch nicht, im gebotenen Ausmaß auch auf die anderen 32

Siehe hierzu mit Nachweisen ausführlich unten, S. 35 ff. Gesetz über die Befugnisse des Justizwachtmeisterdienstes (Justizwachtmeisterbefugnisgesetz – JWBG) v. 16. 04. 2013, GBl 2013. S. 53. 34 Gesetz über die sicherheits- und ordnungsrechtlichen Befugnisse der Justizbediensteten (JSOG) v. 15. 04. 1977, BayRS 300 – 12 – 5-J. 35 Gesetz über die Justiz im Freistaat Sachsen (SächsJG) v. 24. 11. 2000, SächsGVBl. S. 482. 36 Dies ergibt sich teilweise auch aus den für die Justizwachtmeister geltenden Dienstordnungen, welche wie etwa Nr. 1.2.4 VwV JWMD BW (Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums über den Justizwachtmeisterdienst v. 11. 06. 2015, Die Justiz S. 165) bestimmen, dass den Justizwachtmeistern die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in den Justizgebäuden zukommt; siehe auch Nr. 3.1 BayAufgJWD (Aufgaben des Justizwachtmeisterdienstes im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz v. 02. 02. 2009, JMBl 2009 S. 25); Nr. 2.1 a) JWMDDienstO NRW (Dienstordnung für den Justizwachtmeisterdienst v. 09. 03. 2015, JMBl. S. 107); § 2 Abs. 1 d) JWMDO Nds (Dienstordnung für den Justizwachtmeisterdienst Niedersachsen v. 17. 06. 2014, Nds. RPfl. S. 205). 37 Siehe etwa Art. 2 Abs. 1 BayPAG, § 1 Abs. 1 S. 1 BbgPolG, § 1 Abs. 1 S. 1 BremPolG, § 1 Abs. 1 S. 1 HSOG, § 1 Abs. 1 SOG M-V, § 1 Abs. 1 S. 1 PolG NRW, § 1 Abs. 1 S. 1 SächsPolG. 33

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Bundesländer einzugehen. Die Arbeit gliedert sich in fünf Teile. Der erste Teil beschäftigt sich mit den Anordnungsbefugnissen, das heißt mit der Frage, ob verbindliche Anordnungen sicherheitsrechtlicher Art gegenüber Dritten getroffen werden können. Ausgangspunkt sind die soeben angesprochenen Regelungsbereiche, die in einzelnen Abschnitten untersucht werden. Dabei wird auch darauf eingegangen, wie diese verschiedenen Bereiche voneinander abzugrenzen sind. Im zweiten Teil wird der Frage nachgegangen, welche Durchsetzungsmöglichkeiten sich bieten, sofern die Maßnahmen nicht befolgt werden. Diese Untersuchung entspricht in ihrem Aufbau den Regelungsbereichen des ersten Teils. Der dritte Teil widmet sich der Frage, ob und welche Möglichkeiten bestehen, sofern ein sofortiges Tätigwerden in Eilfällen erforderlich ist, etwa weil eine Person bereits sichtbar bewaffnet das Gerichtsgebäude betritt oder ohne Vorankündigung dazu übergeht, andere Personen zu verletzen. Im vierten Teil der Arbeit wird sodann untersucht, welchen Beitrag die jeweiligen Handlungsmöglichkeiten für die Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden zu leisten vermögen. Ausgangspunkt dessen werden die gewonnenen Ergebnisse des sich aktuell bietenden normativen Rahmens sein. Ergeben sich Sicherheitslücken, so wird geklärt, wie diese geschlossen werden können. Abschließend fasst der fünfte Teil die in dieser Arbeit gewonnenen Ergebnisse thesenartig zusammen.

B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen I. Befugnisse der Gerichtsverwaltung Als Maßnahmen sicherheitsrechtlicher Natur in Gerichtsgebäuden kommen zunächst Anordnungen des Gerichtspräsidenten als Leiter der Gerichtsverwaltung in Betracht. Da die Gerichte in dieser verwaltenden, neben der Spruchtätigkeit bestehenden, Tätigkeit als Verwaltungsbehörden zu qualifizieren sind, wird als Rechtsgrundlage auf das Hausrecht an Verwaltungsgebäuden abgestellt.38

1. Einführung Das Hausrecht an Verwaltungsgebäuden stellt eine sowohl im juristischen als auch im allgemeinen Sprachgebrauch verwendete Begrifflichkeit dar.39 Es wird gemeinhin als die Befugnis von Verwaltungsorganen verstanden, zur Abwehr von Störungen innerhalb von Räumlichkeiten im Verwaltungsgebrauch über Zutritt und Verweilen von Besuchern zu entscheiden.40 Auf den ersten Blick könnte man damit von einem gesicherten Rechtsinstitut ausgehen. Bereits die kursorische Durchsicht der einschlägigen Gesetze sowie der Rechtsprechung und Literatur ergibt jedoch, dass das Hausrecht an Verwaltungsgebäuden schon seit jeher41 nur punktuell, gar

38 BVerfG, Beschluss v. 14. 03. 2012, 2 BvR 2405/11 = NJW 2012, 1863; OVG BerlinBrandenburg, Beschluss v. 20. 12. 2010, 10 S 51/10 = NJW 2011, 1093; OVG Schleswig, Beschluss v. 28. 04. 1993, 3 M 16/93 = NJW 1994, 340; Olizeg, Hausrecht, S. 16 ff.; Berg, JuS 1982, 260; Knemeyer, DÖV 1971, 303, 304. 39 Prothmann, Versammlungsort, S. 76; Olizeg, Hausrecht, S. 16; Knemeyer, DÖV 1970, 596. 40 BVerwG, Beschluss v. 17. 05. 2011, 7 B 17/11 = NJW 2011, 2530; OVG Schleswig, Beschluss v. 28. 04. 1993, 3 M 16/93 = NJW 1994, 340; Ehlers, DÖV 1977, 737, 738; Klenke, NWVBl. 2006, 84; Knemeyer, DÖV 1970, 596, 597. 41 Die Rspr. befasste sich mit dem Hausrecht bereits zunehmend in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, BezVG Berlin-Zehlendorf, Urteil v. 04. 11. 1949, 1 B 100/49 = NJW 1950, 395; OVG Berlin, Urteil v. 02. 07. 1952, OVG I B 158.51 = DVBl. 1952, 763; OVG Hamburg, Urteil v. 24. 07. 1956, Bf I 38/56 = MDR 1957, 188; BGH, Urteil v. 26. 10. 1960, V ZR 122/59 (KG) = NJW 1961, 308; in der Literatur Frühling, Hausrecht und Schmitt, Das öffentlichrechtliche Hausrecht.

I. Befugnisse der Gerichtsverwaltung

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oberflächlich behandelt wird.42 Der Gesetzgeber, die Rechtsprechung und auch die Kommentar- und Lehrbuchliteratur schenken ihm nur sehr geringe Beachtung. Zwar taucht der Begriff des Hausrechts in einigen Vorschriften, wie beispielsweise Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG, § 34a Abs. 1 S. 6 Nr. 1 Alt. 2 GewO, § 7 Abs. 2 S. 1 GOBT, § 6b Abs. 1 Nr. 2 BDSG sowie Art. 53 Abs. 1 S. 1 BayGO, Art. 39 Abs. 2 S. 3 Verf. NRW, § 18 Abs. 1 S. 4 HG NRW § 20 Abs. 2 S. 7 SchVG NRW, auf und das Hausrecht wird teilweise konstitutiv eingeräumt. Allerdings wird es in diesen Normen weder legaldefiniert noch ergeben sich Anhaltspunkte zu seinem Inhalt oder der Reichweite.43 Neben „sporadischen Äußerungen in der Rechtsprechung“44 beschränken sich auch die Ausführungen in den Kommentaren und in der sonstigen Literatur nicht selten lediglich auf die Darstellung der von der Rechtsprechung und Literatur herausgestellten strittigen Ergebnisse, ohne sich selbst mit den einschlägigen Rechtsproblemen auseinanderzusetzen. Vor dem Hintergrund dieser vernachlässigenden Behandlung und der allgemeinen Annahme des Hausrechts als bekanntes Rechtsinstitut war daher schon früh davon die Rede, das Hausrecht weise eine „erhebliche dogmatische Unterbilanz“45 auf. Die mit dem Hausrecht an Verwaltungsgebäuden verbundenen Kontroversen und Unklarheiten im Umgang mit diesem Rechtsinstitut werden insbesondere im Hinblick auf die Rechtsnatur und die Rechtsgrundlage noch dadurch vertieft, dass mit diesen Fragen unterschiedliche Problemfelder angesprochen sind.46 Sie sind auf dogmatisch verschiedenen Ebenen zu verorten und voneinander abhängig.47 So kann beispielsweise die Frage nach der Rechtsgrundlage des Hausrechts nur dann beantwortet werden, wenn geklärt ist, ob das Hausrecht eine privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Rechtsnatur aufweist und welche Anforderungen das jeweilige Rechtsgebiet an die Rechtsgrundlage stellt. Nicht zur Klärung der aufgeworfenen Probleme trägt es bei, von einem „allgemein anerkannten Mindestgehalt des Hausrechts“48 auszugehen, obwohl noch nicht klar ist, „was man unter Hausrecht zu verstehen hat“49. Um die verbundenen und ineinander verquickten Probleme aufzulösen, bedarf es daher eines schrittweisen Vorgehens.50 Im Folgenden soll daher zunächst geklärt werden, welche Rechtsnatur das Hausrecht an Gerichtsgebäuden aufweist. Nur wenn diese Frage beantwortet ist, 42

So schon bis zu den 70er Jahren Schmitt, Das öffentlich-rechtliche Hausrecht, S. 26; Haak, DVBl. 1968, 134. 43 Wegner, Kommunikationsherrschaft, S. 13; Ehlers, DÖV 1977, 737; Knemeyer, VBlBW 1982, 249. 44 Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 469. 45 Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 467. 46 So auch Olizeg, Hausrecht, S. 22; Knemeyer, DÖV 1970, 596. 47 Olizeg, Hausrecht, S. 22. 48 Ehlers, DÖV 1977, 737, 738; Zeiler, DVBl. 1981, 1000. 49 Zeiler, DVBl. 1981, 1000; ähnlich auch: Knemeyer, DÖV 1970, 596; ders., VBlBW. 1982, 249. 50 So auch Olizeg, Hausrecht, S. 22.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

kann der sich hieran anschließenden Frage nachgegangen werden, ob es eine Rechtsgrundlage zum Erlass hausrechtlicher Maßnahmen gibt und falls ja, ob und welche Maßnahmen, insbesondere Hausverweise und -verbote sowie die in den Sicherheitskonzepten vorgesehene Anordnung von Einlasskontrollen mit Identitätsfeststellungen, der Durchsuchung von Personen sowie mitgeführter Sachen oder Videoüberwachungen, möglich sind.

2. Rechtsnatur des Hausrechts an Gerichtsgebäuden Im Zusammenhang mit der beim Hausrecht an Verwaltungsgebäuden ganz überwiegend diskutierten Fragestellung, welcher Rechtsweg für Klagen gegen behördliche Hausverweise oder -verbote zu wählen ist, ist seit Jahrzehnten umstritten, ob die Rechtsnatur des Hausrechts an Verwaltungsgebäuden privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur ist.51 Da für das Hausrecht kaum Ermächtigungsgrundlagen existieren und zudem Private Maßnahmen zur Störungsabwehr nach §§ 903 S. 1, 1004 Abs. 1, 858 ff. BGB ergreifen können, hilft für die Klärung der Frage nach der Rechtsnatur die für die Abgrenzung von Privatrecht und Öffentlichem Recht herrschende Sonderrechtstheorie52 nicht weiter. Diese fragt danach, ob Hoheitsträger durch die streitentscheidenden Normen berechtigt oder verpflichtet werden.53 Kann zudem unter Berücksichtigung der bei den nach der Sonderrechtstheorie nicht eindeutigen Ergebnissen im Einzelfall heranzuziehenden Kriterien, wie der Form, dem Zweck oder des Ziels des Verwaltungshandelns oder dem größeren Zusammenhang,54 ebenfalls kein eindeutiges Ergebnis gewonnen werden,55 stellt sich die Frage, wie die Rechtsnatur stattdessen zu bestimmen ist.

51 Während bei der Einordnung als öffentlich-rechtliche Maßnahme der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet ist, sind bei Maßnahmen im privatrechtlichen Sinne die ordentlichen Gerichte nach § 13 GVG zuständig. 52 Siehe hierzu Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1, Rn. 97; Detterbeck, VerwR AT, Rn. 1324; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 11, Rn. 17; Maurer, VerwR AT, § 3, Rn. 13; auch modifizierte Subjekttheorie genannt Ehlers/Schneider, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 40, Rn. 222. 53 OVG Münster, Beschluss v. 08. 10. 1997, 25 B 2208 – 97 = NJW 1998, 1425; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 11, Rn. 17; Beaucamp, JA 2003, 231, 232; Zeiler, DVBl. 1981, 1000, 1001. 54 BVerwG, Urteil v. 16. 08. 1977, I C 23/69 = NJW 1978, 234; VGH München, Beschluss v. 09. 07. 1980, Nr. 9 CS 80 A. 268 = NJW 1980, 2722; Beaucamp, JA 2003, 231, 232; Brüning, DÖV 2003, 389, 391; Ipsen/Koch, JuS 1992, 809, 813 f. 55 Eine eindeutige Konstellation kann für ein öffentlich-rechtliches Hausverbot z. B. angenommen werden, wenn das Hausverbot schriftlich unter Einfügung des Behördenbriefkopfes, mit einer Rechtbehelfsbelehrung erteilt oder als Bescheid oder Verfügung bezeichnet wird, BVerwG, Beschluss v. 09. 11. 1984, 7 C 5/84 = NVwZ 1985, 264; OVG Münster, Urteil v. 14. 10. 1988, 15 A 188/86 = NVwZ-RR 1989, 316; Ipsen/Koch, JuS 1992, 809, 813 f.; Mißling, NdsVBl. 2008, 267, 268.

I. Befugnisse der Gerichtsverwaltung

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a) Privatrechtliche Theorie Manche gehen von einer rein privatrechtlichen Rechtsnatur des Hausrechts an Verwaltungsgebäuden aus. Es wird angenommen, das Hausrecht folge immer aus dem Fiskaleigentum56 oder ausschließlich aus dem Besitz.57 Teilweise wird es aber auch aus dem Eigentum und Besitz gemäß §§ 1004, 903, 858 ff. BGB58 hergeleitet. Dass hausrechtliche Maßnahmen nur auf die privatrechtlichen Normen gestützt werden können, ergebe sich insbesondere daraus, dass sich im Öffentlichen Recht keine Ermächtigungsgrundlage für Abwehrakte wie Hausverbote finde.59 Zudem bestehe neben dem privaten Hausrecht auch gar kein Bedürfnis für ein öffentlichrechtliches Hausrecht, solange das private Hausrecht der Verwaltung die Störungsabwehr ermögliche.60

b) Differenzierende Theorie Nach der Ansicht der älteren Judikatur sowie einigen Stimmen in der Literatur ist der Rechtcharakter nach dem Zweck des Behördenbesuches und damit nach den materiellen Rechtsbeziehungen zwischen der jeweiligen Behörde und dem Besucher der behördlichen Räume zu bestimmen.61 Das Hausrecht sei „janusköpfig“62, könne also sowohl privatrechtlichen als auch öffentlich-rechtlichen Charakter haben.63 Liege der Zweck des Besuches in der Erfüllung rein geschäftlicher Angelegenheiten, wie etwa dem Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages, sei ein privatrechtlicher Charakter anzunehmen.64 Sollen demgegenüber Verwaltungsangelegenheiten erle56

BGH, Urteil v. 26. 10. 1960, V ZR 122/59 (KG) = NJW 1961, 308; Urteil v. 06. 06. 1967, IV ZR 214/65 = NJW 1967, 1911; BayOLG, Urteil v. 14. 09. 1976, RReg. 3 St 99/76 = DÖV 1977, 107. 57 OVG Münster, Urteil v. 13. 11. 1962, II A 77/61 = DVBl. 1963, 303, 304; Engeln, Hausrecht, S. 126; Nölting, Der Hausfriedensbruch, S. 13. 58 Stürner, Privatrechtliche Gestaltungsformen, S. 108 ff.; ders., Anm. zu BVerwG, Urteil v. 13. 03. 1970, VII C. 80.67, JZ 1971, 98 f.; ders., Anm. zu BayOLG, Urteil v. 14. 09. 1976, 3 St 99/76, JZ 1977, 312. 59 Stürner, Anm. zu BVerwG, Urteil v. 13. 03. 1970, VII C 80.67 = JZ 1971, 98. 60 Stürner, Anm. zu BVerwG, Urteil v. 13. 03. 1970, VII C 80.67 = JZ 1971, 98. 61 BVerwG, Urteil v. 13. 03. 1970, VII C 80.67 = JZ 1971, 96, 97; OVG Münster, Urteil v. 12. 02. 1963, II A 840/62 = DVBl. 1963, 450; VGH Mannheim, Beschluss v. 31. 05. 1994, 9 S 1126/94 = NJW 1994, 2500; OVG Münster, Beschluss v. 04. 01. 1995, 25 E 1298/94 = NJW 1995, 1573; Beschluss v. 08. 10. 1997, 25 B 2208 – 97 = NJW 1998, 1425; Koenig, BayVBl. 1964, 14; Kortmann, DVBl. 1972, 772. 62 Knemeyer, DÖV 1971, 303 f.; Pietzner/Ronellenfitsch, § 5, Fn.153. 63 BVerwG, Urteil v. 13. 03. 1970, VII C 80.67 = JZ 1971, 96, 97; Pietzner/Ronellenfitsch, § 5, Fn. 153. 64 Beispiele für den privatrechtlichen Charakter: BVerwG, Urteil v. 13. 03. 1970, VII C 80.67 = JZ 1971, 96, 97 (Vergabe von Forschungs- und Fertigungsaufträgen); VGH Mannheim, Beschluss v. 31. 05. 1994, 9 S 1126/94 = NJW 1994, 2500 (fristlose Kündigung eines Arbeitsvertrages).

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

digt werden, etwa die Stellung eines Antrages, sei von einer öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur auszugehen.65 Andere beurteilen die Rechtsnatur aus der Sicht der Behörde und rechnen das Hausrecht an Verwaltungsgebäuden dem Öffentlichen Recht zu, wenn die hausrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes erfolgt, dem Privatrecht, wenn sie zur Unterbindung von Störungen im privatrechtlichen Bereich dient.66 c) Öffentlich-rechtliche Theorie Der herrschenden Lehre zufolge, welcher sich auch mehrere Obergerichte angeschlossen haben,67 sei das Hausrecht an Verwaltungsgebäuden öffentlich-rechtlicher Natur, da es entscheidend auf den Zweck der hausrechtlichen Maßnahme ankomme, welcher bei Sachen im Verwaltungsgebrauch aufgrund der öffentlichrechtlichen Sachherrschaft in der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Amtsbetriebes zur ungestörten Erfüllung der öffentlichen Verwaltungsaufgaben liege.68 Da diese Aufgaben in Räumen des Verwaltungsvermögens nur einem Träger hoheitlicher Gewalt übertragen werden können, sei die Rechtsnatur, unabhängig in welcher Rechtsform die Behörde nach außen hin auftrete, von öffentlich-rechtlichem Charakter.69 Manche gehen von einem öffentlichrechtlichen Charakter jedoch nicht ausnahmslos aus, sondern halten daneben auch 65 Beispiele für den öffentlich-rechtlichen Charakter: OVG Münster, Urteil v. 12. 02. 1963, II A 840/62 = DVBl. 1963, 450 (Vorsprache wegen Fürsorgeleistungen); OVG Münster, Beschluss v. 08. 10. 1997, 25 B 2208 – 97 = NJW 1998, 1425 (Betreten einer Hochschule als Student). 66 Schmidt, Die Unterscheidung von privatem und öffentlichen Recht, S. 309; Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 473. 67 VGH München, Beschluss vom 09. 07. 1980, Nr. 9 CS 80 A. 268 = NJW 1980, 2722, 2723; OVG Münster, Urteil v. 14. 10. 1988, 15 A 188/86 = NVwZ-RR 1989, 316; VGH Kassel, Beschluss v. 29. 11. 1989, 6 TH 2982/89 = NJW 1990, 1250; OVG Münster, Beschluss v. 13. 05. 2011, 16 E 174/11 = NJW 2011, 2379; VG Berlin, Urteil v. 15. 03. 2010, 34 K 78/09 = NVwZ-RR 2010, 783. 68 von Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, § 35, Rn. 220; Schenke/Ruthig, in: Kopp/ Schenke, VwGO, § 40, Rn. 20; Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 42, Rn. 76; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 119 f.; Würtenberger, Verwaltungsprozessrecht, § 11, Rn. 147; Frühling, Hausrecht, S. 94; Hardinghaus, Öffentliche Sachherrschaft, S. 139; Schmitt, Das öffentlich-rechtliche Hausrecht, S. 44 ff.; 61, 67; Bahls, Anm. zu BVerwG, Urteil v. 13. 03. 1970, VII 80.67, DVBl. 1971, 275, 276; Denninger, ZRP 1968, 42, 45 f.; Ehlers, DÖV 1977, 737, 739 f.; Haak, DVBl. 1968, 134, 138; Knemeyer, DÖV 1970, 596, 599; ders., DÖV 1971, 303, 304; ders., VBlBW 1982, 249, 250; Ramm, DVBl. 2011, 1506, 1507; für weitere Nachweise Olizeg, Hausrecht, Fn. 37; manche sprachen sich unter Berufung auf die allgemeine Amtsgewalt auch für einen Verzicht auf das Hausrecht aus: Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 332; andere sprechen von Ordnungsgewalt: Karpen, WissR 1972, 195, 201; Knoke, AöR 1969, 388, 404. 69 VGH Kassel, Beschluss v. 29. 11. 1989, 6 TH 2982/89 = NJW 1990, 1250; OVG Münster, Beschluss v. 13. 05. 2011, 16 E 174/11 = NJW 2011, 2379; von Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, § 35, Rn. 220; Knemeyer, DÖV 1970, 596, 599.

I. Befugnisse der Gerichtsverwaltung

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ein Vorgehen auf Grundlage des privaten Hausrechts für möglich, soweit mit der Maßnahme nicht der widmungsgemäße Zweck der Sicherung einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Verwaltung verfolgt werde, sondern die Maßnahme anderen Zwecken diene.70 d) Stellungnahme: Die grundsätzlich öffentlich-rechtliche Rechtsnatur des Hausrechts an Gerichtsgebäuden Den Meinungen, welche sich ausschließlich für ein privates Hausrecht aussprechen, ist zuzugestehen, dass sie den Umstand berücksichtigen, dass auch Verwaltungsgebäude im privatrechtlichen Eigentum stehen.71 Allerdings verhindern sie durch ihre rein zivilrechtlich geprägte Sichtweise eine ganzheitliche Lösung72 und versuchen das ihnen bekannte Problem des Fehlens einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage letztlich durch eine Flucht ins Privatrecht zu umgehen. Nicht zu überzeugen vermögen die Ansätze aber auch deshalb, da sie keine Handhabe für hausrechtliche Maßnahmen bieten, sofern sich aus bestimmten Vorschriften öffentlich-rechtliche Ansprüche auf Zugang zu Verwaltungsgebäuden ergeben.73 Begehrt in diesen Fällen der Störer nach Erlass einer hausrechtlichen Maßnahme in einer anderen Sache Zutritt zum Gebäude, so würde dem rein privatrechtlichen Hausverbot der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Zutritt entgegenstehen. Da durch den Erlass privatrechtlicher Abwehrmaßnahmen öffentlich-rechtliche Zugangsansprüche nicht beseitigt werden können,74 müsste bei Störungen der Aufgabenerfüllung der Verwaltung folglich neben einem privatrechtlichen Hausverbot stets ein öffentlich-rechtliches Hausverbot ergehen.75 Dass dies zu einer unnötigen Verkomplizierung des Verfahrens führt,76 liegt auf der Hand. Zudem verfängt damit aufgrund des Erfordernisses eines öffentlich-rechtlichen Hausverbots das von der

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Mit dieser Einschränkung auch von Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, § 35, Rn. 220; Beaucamp, JA 2003, 231, 233; Brüning, DÖV 2003, 389, 391; Karpen, WissR 1972, 195, 196 f., 217; Knoke, AöR 1969, 388, 397; Michl/Roos, LKRZ 2012, 50, 52; Ramm, DVBl. 2011, 1506, 1507; Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 473; Stelkens, Jura 2010, 363, 367; Zeiler, DVBl. 1981, 1000, 1001; eingehend zum Nebeneinander von privatem und öffentlichem Hausrecht Axer, Die Widmung, S. 194 f.; Schmitt, Das öffentlich-rechtliche Hausrecht, S. 46 ff.; a.A. Olizeg, Hausrecht, S. 111; wohl auch Bethge, Die Verwaltung 1977, 313, 320 f.; Knemeyer, DÖV 1971, 303, 304. 71 Bahls, Anm. zu BVerwG, Urteil v. 13. 03. 1970, VII 80.67, DVBl. 1971, 275, 276. 72 Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 472. 73 Bahls, Anm. zu BVerwG, Urteil v. 13. 03. 1970, VII 80.67, DVBl. 1971, 275, 276; Ehlers, DÖV 1977, 737, 739; Stelkens, Jura 2010, 363, 364 f.; zur Frage von Zugangsansprüchen zur Gerichtsverwaltung siehe unten, S. 41 ff. 74 Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 600; Bahls, Anm. zu BVerwG, Urteil v. 13. 03. 1970, VII 80.67, DVBl. 1971, 275, 276; Ehlers, DÖV 1977, 737, 739; Stelkens, Jura 2010, 363, 365. 75 Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 472; Ehlers, DÖV 1977, 737, 739. 76 Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 472.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

privatrechtlichen Theorie angeführte Argument nicht, es bestehe kein Bedürfnis für ein öffentlich-rechtliches Hausrecht. Dass sich das Hausrecht an Verwaltungsgebäuden nicht lediglich als Ausfluss des Eigentums darstellen kann, wie dies innerhalb der privatrechtlichen Theorie teilweise angenommen wird, ergibt sich bereits aus einem Blick in die Systematik der das Hausrecht schützenden Norm des § 123 StGB, denn der Straftatbestand des Hausfriedensbruches knüpft nicht an das Eigentum an.77 Hinzu kommt, dass die Zuordnung des Hausrechts zum Mieter anerkannt ist und er es auch gegenüber dem Eigentümer ausüben darf.78 Würde man die Eigentumsverhältnisse zur Bestimmung der Rechtsnatur des Hausrechts als maßgeblich ansehen, ergäben sich kuriose und ungewollte Folgen.79 Es würde allein dem Eigentümer eines von der Verwaltung angemieteten Gebäudes obliegen, die Entscheidung darüber zu treffen, wer die Räumlichkeiten betreten oder in ihnen verweilen kann.80 Praktisch gesehen ist der Eigentümer jedoch, der in den vermieteten Räumen selbst keine geschützte Tätigkeit entfaltet, keine Verfügungsgewalt ausübt und auch die Nutzung der Sache nicht beeinflussen kann, wenig geeignet, zweckentsprechend über den Zutritt oder das Verweilen im Verwaltungsgebäude zu entscheiden.81 Dass eine Anknüpfung an das Eigentum ausscheiden muss, belegt zudem das Parlamentshausrecht nach Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG. Der das Hausrecht im Gebäude des Bundestages ausübende Bundestagspräsident ist weder Eigentümer des Gebäudes noch der sonstigen Gebäude, in welchen der Bundestag tagt.82 Da ihm gemäß Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG dennoch das Hausrecht eingeräumt wird und es nicht entfällt, wenn der Bundestag in einem nicht im Eigentum des Bundes gehörenden Gebäude tagt, zeigt, dass auch das Hausrecht des Bundestagspräsidenten nicht an das Eigentum des Bundes anknüpft.83 Schließlich handelt es sich bei den Störungen in Verwaltungsgebäuden regelmäßig84 nicht um Angriffe auf das Eigentum, sondern um Einwirkungen auf die Verwaltungstätigkeit, weshalb die mit dem Hausrecht verbundene Aufgabe sinnvollerweise nicht vom Eigentümer wahrgenommen werden kann.85 Verwaltungsgebäude sind als öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch zu qualifizieren und unterliegen entsprechend der widmungsgemäßen öffentlich-rechtlichen Zweckbe77

Knemeyer, VBlBW 1982, 249, 250. Schmitt, Das öffentlich-rechtliche Hausrecht, S. 28 f.; Knemeyer, VBlBW 1982, 249, 250; Knoke, AöR 1969, 388, 406. 79 So auch Knemeyer, VBlBW 1982, 249, 250. 80 Ehlers, DÖV 1977, 737, 738; Knemeyer, VBlBW 1982, 249, 250. 81 Knemeyer, DÖV 1970, 596, 598; siehe auch Engeln, Hausrecht, S. 117. 82 Schmitt, Das öffentlich-rechtliche Hausrecht, S. 29. 83 Schmitt, Das öffentlich-rechtliche Hausrecht, S. 29 f.; Ehlers, DÖV 1977, 737, Fn. 10; Knoke, AöR 1969, 388, 406. 84 Zur Frage des Bestehens eines privaten Hausrechts neben dem öffentlich-rechtlichen Hausrecht, S. 35 f. 85 Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 11, Rn. 38; Bernsmann, Jura 1981, 465, 469; Knemeyer, DÖV 1970, 596, 598. 78

I. Befugnisse der Gerichtsverwaltung

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stimmung der ordnungsgemäßen Erfüllung von Verwaltungsaufgaben.86 Im Sinne der herrschenden dualistischen Konstruktion des Rechtsstatus von öffentlichen Sachen wird das privatrechtliche Eigentum, soweit der Widmungszweck reicht, durch die im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Dienstbarkeit bestehende öffentlichrechtliche Sachherrschaft überlagert.87 Demnach kann es bei Störungen des Verwaltungsbetriebes nicht dem Eigentümer obliegen, die Sache in einem solchen Zustand zu erhalten, dass die Verwaltungsaufgaben erfüllt werden können, sondern dem Verwaltungsträger selbst,88 sodass auch deshalb eine Anknüpfung an das Eigentum ausscheidet. Für das Hausrecht an Verwaltungsgebäuden kann auch nicht die Besitzposition maßgeblich sein. Wie das Eigentum ist auch der Besitz nicht Anknüpfungspunkt des Straftatbestandes des § 123 StGB, sondern das Bestimmungsrecht, wer sich innerhalb der geschützten Räume aufhalten darf und wer nicht,89 folglich der Schutz der Individualsphäre und die Aufrechterhaltung des Widmungszweckes.90 Soweit zur Begründung ferner darauf abgestellt wird, das Hausrecht habe schon im Preußischen Allgemeinen Landrecht auf einer Herleitung aus dem Besitz beruht, da in § 526 II 20 PrALR im Zusammenhang mit dem Inhaber des Hausrechts vom „Besitzer“ die Rede war,91 kann auch dieses Argument nicht überzeugen. So wird in den nachfolgenden Normen der §§ 527 und 532 PrALR der Inhaber des Hausrechtes als „Einwohner“ und „Eigenthümer“ bezeichnet,92 sodass genauso gut von diesen Bezeichnungen auf die Rechtsnatur des Hausrechts geschlossen werden könnte. Neben dem Umstand, dass die Bezeichnung wohl eher darauf zurückzuführen ist, dass es für den Inhaber des Hausrechtes keine genaue Bezeichnung gab, spricht ferner gegen eine Herleitung aus dem Besitz, dass das Preußische Allgemeine Landrecht ausschließlich für private Sachen galt.93 Dass es beim Hausrecht an öffentlichen Sachen nicht auf den Besitz ankommt, erkannte auch das Reichsgericht, als es in Bezug auf einen Warteraum im Bahnhof nicht den Bahnhofswirt als Inhaber des Hausrechts qualifizierte, sondern

86 Papier/Durner, in: Ehlers/Pünder, VerwR AT, § 39, Rn. 48; Sodan/Ziekow, Grundkurs ÖR, § 85, Rn. 25. 87 Siehe hierzu und zur Theorie des modifizierten Privateigentums Papier/Durner, in: Ehlers/Pünder, VerwR AT, § 38, Rn. 18 ff.; Erbguth, Allg. VerwR, § 30, Rn. 6; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 9 f; Stelkens, Die Verwaltung 2013, 493, 497. 88 Hardinghaus, Öffentliche Sachherrschaft, S. 139; Bernsmann, Jura 1981, 465, 469; Knemeyer, DÖV 1970, 596, 598. 89 Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 123, Rn. 1; Schäfer, in: MünchKomm StGB, § 123, Rn. 2; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 123, Rn. 1. 90 Knemeyer, VBlBW 1982, 249, 250. 91 2. Teil, 20. Titel, 9. Abschnitt, § 526: „Wer dieses thut, oder wider Willen des Besitzers innerhalb seines Bezirks Handlungen vornimmt, zu denen er nicht berechtigt ist, verletzt das Hausrecht.“, siehe auch Nölting, Der Hausfriedensbruch, S. 13. 92 Schmitt, Das öffentlich-rechtliche Hausrecht, S. 31. 93 Schmitt, Das öffentlich-rechtliche Hausrecht, S. 32.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

die Organe der Bahnpolizei.94 Schließlich handelt es sich bei den Störungen in Verwaltungsgebäuden, wie soeben ausgeführt, regelmäßig nicht um Angriffe auf das Eigentum oder den Besitz, sondern vielmehr um Einwirkungen auf die Aufgabenerfüllung der Verwaltung. Dienen die hausrechtlichen Maßnahmen in Verwaltungsgebäuden regelmäßig der Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen und ungestörten Amtsbetriebes mit dem Ziel der Erfüllung der widmungsgemäßen Verwaltungsaufgabe, muss auch die von der differenzierenden Theorie vertretene Unterscheidung nach dem Zweck des Behördenbesuches abgelehnt werden. Ein Hausverbot beispielsweise wird gerade nicht zur Sicherung oder Durchführung eines Hauptaktes, etwa zur Beendigung oder Fortführung eines Rechtsverhältnisses zwischen Behörde und Bürger erlassen, sondern nur bei dessen Gelegenheit und dient vielmehr der Wiederherstellung der ungestörten Erfüllung der widmungsgemäßen Aufgaben der öffentlichen Verwaltung.95 Dies gilt auch dann, wenn zur Differenzierung die Behördensicht herangezogen wird, denn auch aus Sicht der Behörde werden hausrechtliche Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes erlassen und nicht allein um Streitigkeiten zwischen Privaten zu unterbinden. Bei der Differenzierung nach dem Motiv des Störers würden überdies teils unlösbare Streitfälle entstehen.96 So kann die Frage nach der Motivation im Sinne einer „psychologischen Motivforschung“97 oftmals vor dem Hintergrund der Unerforschbarkeit, der Neutralität oder Ambivalenz der Motive nicht gelingen.98 Es ist durchaus denkbar, dass ein Störer ein Gebäude betritt und sich später weigert, Auskunft über das Motiv seines Besuches zu erteilen, das auch nicht anderweitig verifiziert werden kann.99 Auch kann ein Gebäude betreten werden, um weder privatrechtlich noch öffentlich-rechtlich Kontakt mit der Behörde aufzunehmen100 oder um sowohl privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Ziele zu verfolgen.101 Dies ist insbesondere bei Gerichtsgebäuden relevant, die aus ganz unterschiedlichen Gründen betreten werden können. Sie können von der Erledigung 94 RG, Urteil v. 23. 03. 1903, Rep. I 5943/02 = RGSt 36, 188, 190; Schmitt, Das öffentlichrechtliche Hausrecht, S. 33. 95 von Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, § 35, Rn. 220; Knemeyer, in: Bierfelder, Handwörterbuch, Spalte 766; Bethge, Die Verwaltung 1977, 313, 319 f.; Knemeyer, DÖV 1971, 303, 304. 96 Engeln, Hausrecht, S. 118; Knemeyer: in Bierfelder, Handwörterbuch, Spalte 766; Jutzi, LKRZ 2009, 16. 97 Engeln, Hausrecht, S. 118; Bethge, Die Verwaltung 1977, 313, 319. 98 VGH München, Beschluss v. 09. 07. 1980, Nr. 9 CS 80 A. 268 = NJW 1980, 2722, 2723; Pietzner/Ronellenfitsch, § 5, Fn. 153; Beaucamp, JA 2003, 231, 233; Jutzi, LKRZ 2009, 16; Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 473. 99 von Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, § 35, Rn. 220; Engeln, Hausrecht, S. 119; Klenke, NWVBl. 2006, 84; Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 473. 100 Z.B. beim Besuch eines Verwaltungsgebäudes durch einen Obdachlosen, um sich aufzuwärmen, Engeln, Hausrecht, S. 119; Brüning, DÖV 2003, 389, 390. 101 Beaucamp, JA 2003, 231, 233; Jutzi, LKRZ 2009, 16; Klenke, NWVBl. 2006, 84; Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 473.

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von Verwaltungsangelegenheiten über die Teilnahme an Gerichtsverfahren als Verfahrensbeteiligter oder als Zuhörer bis zur Besichtigung des Gebäudes oder der Begleitung von Familienangehörigen reichen. Auch ist möglich, dass der Störer während des Besuches sein Motiv ändert,102 etwa indem er das Gebäude zunächst nur als Begleitperson betritt, sich dann aber dazu entschließt, an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen. Angesichts der unmöglichen Einordnung als öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Verfahrensakt bliebe dann unklar, wie diese Fälle zu behandeln sind.103 Schließlich stellt auch die Vorschrift des § 123 StGB auf den Schutz der Herrschaftsgewalt, unabhängig von etwaigen sozialen Beziehungen in der geschützten Sphäre, ab104 und nicht das Motiv des Besuchers, sondern vielmehr sein Verhalten und die störenden Einwirkungen auf die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Verwaltung lösen die hausrechtlichen Maßnahmen aus.105 Vorzugswürdig ist demnach die öffentlich-rechtliche Theorie, der es gelingt den Fokus auf die Sicherung der öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung zu legen, eine spekulative Handhabung zu vermeiden und eine zweifelsfreie Zuordnung zu gewährleisten. e) Zwischenergebnis Festgehalten werden kann damit, dass das Hausrecht an Gerichtsgebäuden öffentlich-rechtlicher Natur ist und daher auch die hausrechtlichen Maßnahmen öffentlich-rechtlich zu qualifizieren sind. Dies gilt allerdings nur insoweit, als mit den hausrechtlichen Maßnahmen die Sicherung oder Wiederherstellung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Verwaltung verfolgt wird,106 denn nur dann wird das privatrechtliche Eigentum durch die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft überlagert.

3. Ermächtigungsgrundlage zum Erlass hausrechtlicher Maßnahmen Steht fest, dass die hausrechtlichen Maßnahmen der Gerichtsverwaltung öffentlich-rechtlicher Natur sind, stellt sich die Frage nach der rechtssystematischen Verortung und damit nach der dogmatischen Grundlage des öffentlich-rechtlichen Hausrechts. Um diese Frage beantworten zu können, muss jedoch ein Schritt vorher angesetzt und geklärt werden, ob die hausrechtlichen Maßnahmen einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage überhaupt bedürfen. Auch auf diese Fragen wird, wie sich wiederum bei Durchsicht der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur zeigt, entweder gar nicht eingegangen oder sie werden nur mit wenigen Ausführungen 102 103 104 105 106

Brüning, DÖV 2003, 389, 391; Jutzi, LKRZ 2009, 16. Knemeyer, VBlBW 1982, 249, 250; Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 473. Engeln, Hausrecht, S. 118. Beaucamp, JA 2003, 231, 233; Ehlers, DÖV 1977, 737, 739. Siehe zum privaten Hausrecht unten, S. 130 ff.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

abgehandelt.107 Da eine sachgemäße Beantwortung der Frage nach der dogmatischen Grundlage des öffentlich-rechtlichen Hausrechts jedoch nur dann gelingen kann, wenn geklärt ist, welche Anforderungen sich aus dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes ergeben und ob es sich bei den hausrechtlichen Maßnahmen tatsächlich um belastende Maßnahmen handelt, muss dieser Frage vorweg nachgegangen werden. a) Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage Der primär aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG und dem Demokratiegedanken aus Art. 20 Abs. 2 GG abgeleitete108 Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes verlangt, ganz allgemein gesprochen, ein Gesetz als Voraussetzung des Verwaltungshandelns und verbietet damit Verwaltungshandeln ohne eine gesetzliche Ermächtigung.109 Mit diesem Prinzip sind zwei Fragen angesprochen: Zum einen das „Ob“, das heißt welche Gegenstände und Bereiche dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes unterfallen, zum anderen das „Wie“ im Sinne der Dichte und Tiefe der erforderlichen gesetzlichen Regelung.110 aa) „Ob“ einer gesetzlichen Regelung Nach dem heute allgemeinen, demokratisch-parlamentarischen Verständnis des Grundgesetzes beschränkt sich der Gesetzesvorbehalt nicht mehr allein auf den klassischen Anwendungsbereich der Eingriffe in das Eigentum oder die Freiheit, wie durch die konstitutionelle, bürgerlich-liberale Staatsauffassung des 19. Jahrhunderts angenommen, sondern gilt für alle Entscheidungen, welche für das Zusammenleben im Staat „wesentlich“ sind.111 Nach dieser vom BVerfG entwickelten „Wesentlichkeitstheorie“ müssen, losgelöst vom Merkmal des Eingriffes, die wesentlichen Angelegenheiten vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst geregelt werden, sodass im Sinne einer Stufenfolge nur die weniger wesentlichen Materien einer Regelung

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BVerwG, Beschluss v. 17. 05. 2011, 7 B 17/11 = NJW 2011, 2530, 2531; OVG BerlinBrandenburg, Beschluss v. 20. 12. 2010, 10 S 51/10 = NJW 2011, 1093; Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 103; Ehlers, DÖV 1977, 737, 740; Kees, NJW 2013, 1929, 1930; Knemeyer, DÖV 1970, 596, 598 f.; Zeiler, DVBl. 1981, 1000, 1002. 108 BVerfG, Beschluss v. 09. 05. 1972, 1 BvR 518/62 u. 308/64 = NJW 1972, 1504, 1506; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 69; Maurer, Staatsrecht, § 8, Rn. 20; Konzak, NVwZ 1997, 872, 873. 109 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band II, Art. 20, Rn. 105; Sachs: in Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 44, Rn. 46. 110 BVerfG, Beschluss vom 08. 08. 1978, 2 BvL 8/77 = NJW 1979, 359, 360; Urteil v. 06. 07. 1999, 2 BvF 3 – 90 = NJW 1999, 3253, 3254; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 78. 111 BVerfG, Beschluss v. 08. 08. 1978, 2 BvL 8/77 = NJW 1979, 359, 360; von Alemann/ Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, § 35, Rn. 91.1; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44, Rn. 49.

I. Befugnisse der Gerichtsverwaltung

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durch die Verwaltung zugänglich sind.112 Was unter dem Begriff „wesentlich“ zu verstehen ist, ist ein kontrovers diskutiertes und bis heute nicht abschließend geklärtes Thema.113 Die Frage, wann eine Angelegenheit als wesentlich einzustufen und durch Gesetz zu regeln ist, ist anhand verschiedener Kriterien und mit Blick auf den jeweiligen Sachbereich zu entscheiden.114 Während für die Bejahung der Wesentlichkeit einer bestimmten Angelegenheit beispielsweise die Grundrechtsrelevanz, das Ausmaß des betroffenen Personenkreises, gravierende Auswirkungen auf das Staatsgefüge sowie gegebenenfalls die politische Wichtigkeit oder Umstrittenheit sprechen, können gegen die Wesentlichkeit etwa die Notwendigkeit flexibler Regelungen, entwicklungsoffene Sachverhaltskonstellationen oder die Entlastung des Parlaments anzuführen sein.115 Für Hausverweise und -verbote wird im Hinblick auf den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes vornehmlich angenommen, dass es sich bei diesen Maßnahmen um belastende Verwaltungsakte handelt und sie daher einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfen.116 Soweit sich hierfür überhaupt nähere Begründungen finden, erschöpfen sie sich überwiegend in wenigen Ausführungen und stützen sich darauf, dass Eingriffe in grundrechtlich gewährleistete Freiheiten vorliegen.117 Soweit ferner überhaupt dazu Stellung genommen wird, in welche Grundrechte eingegriffen werde, wird insbesondere auf die körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, die Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, die körperliche Bewegungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG und das Recht auf

112 BVerfG, Beschluss v. 08. 08. 1978, 2 BvL 8/77 = NJW 1979, 359, 360; Beschluss v. 12. 06. 1990, 1 BvR 355/86 = NJW 1990, 2306, 2307. 113 Ausführlich Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 104 ff.; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 106 f.; Kisker, NJW 1977, 1313, 1317 f. 114 BVerfG, Beschluss v. 08. 08. 1978, 2 BvL 8/77 = NJW 1979, 359, 360; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, VI, Rn. 107; Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 237 ff. 115 BVerfG, Beschluss v. 08. 08. 1978, 2 BvL 8/77 = NJW 1979, 359, 360; Urteil v. 16. 06. 1981, 1 BvL 89/78 = NJW 1981, 1774, 1776; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Art. 20, VII, Rn. 107; siehe ausführlich Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 238 ff. 116 BVerwG, Beschluss v. 17. 05. 2011, 7 B 17/11 = NJW 2011, 2530, 2531; VGH München, Beschluss v. 09. 07. 1980, Nr. 9 CS 80 A. 268 = NJW 1980, 2722, 2723; OVG BerlinBrandenburg, Beschluss v. 20. 12. 2010, 10 S 51/10 = NJW 2011, 1093; VG Augsburg, Beschluss v. 06. 02. 2013, Au 4 E 13.153 = BeckRS 2013, 47765; Olizeg, Hausrecht, S. 37; Beaucamp, JA 2003, 231, 233; Bethge, Die Verwaltung 1977, 313, 327; Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 103; Ehlers, DÖV 1977, 737, 740; Kruis, BayVBl. 2013, 97, 99 f.; Michl/ Roos, LKRZ 2012, 50, 51 f.; Pappermann/Löhr, JuS 1981, 269, 274; Stelkens, Jura 2010, 363, 367. 117 BVerwG, Beschluss v. 17. 05. 2011, 7 B 17/11 = NJW 2011, 2530, 2531; VG Augsburg, Beschluss v. 06. 02. 2013, Au 4 E 13.153 = BeckRS 2013, 47765; Olizeg, Hausrecht, S. 37; Berg, JuS 1982, 260, 262; Stelkens, Jura 2010, 363, 367.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG abgestellt.118 Jedenfalls sei aber die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG betroffen.119 Ob diesen Ausführungen für die in Gerichtsgebäuden relevanten hausrechtlichen Maßnahmen der Gerichtsverwaltung gefolgt werden kann, soll nun geklärt werden. Während sich die Ausführungen in der Literatur und Rechtsprechung zur Grundrechtsbetroffenheit im Wesentlichen darauf beschränken, ob Hausverweise und -verbote in grundrechtlich gewährleistete Freiheiten eingreifen, muss für die vorliegende Untersuchung eine weitergehende Erörterung erfolgen. Die für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Gerichten relevanten Maßnahmen erschöpfen sich keineswegs in Hausverweisen oder -verboten. Vielmehr kommen, auch in Übereinstimmung mit den eingangs ausgeführten Sicherheitskonzepten der Bundesländer, weitere Maßnahmen in Betracht. Dies sind insbesondere Einlasskontrollen, die auch in Verbindung mit Identitätsfeststellungen erfolgen können, um in Erfahrung zu bringen, ob gegen die eintrittswillige Person bereits ein Hausverbot besteht. Identitätsfeststellungen dienen zudem zur Anhebung der Schwelle zur Begehung von Störungen, die infolge der Preisgabe der Personalien höher liegt, als wenn sich eine Person in völliger Anonymität im Gerichtsgebäude aufhalten kann.120 In Betracht kommen ferner Durchsuchungen von Personen sowie mitgeführter Sachen, womit vermieden werden kann, dass zu Störungen geeignete Gegenstände überhaupt ins Gebäudeinnere gelangen. Denkbar sind zudem Videoüberwachungen im Innen- und Außenbereich der Gerichte zu Abschreckungszwecken sowie um Gefahren oder Störungen schneller zu erkennen. Im Folgenden ist daher etwas weiter auszuholen. (1) Klassische Eingriffe in Freiheitsgrundrechte Einfach zu beantworten wäre die Frage nach der Erforderlichkeit einer Ermächtigungsgrundlage tatsächlich, wenn sich sämtliche Maßnahmen als Eingriffe in Freiheitsgrundrechte darstellen würden, denn dann wäre schon nach dem herkömmlichen Verständnis vom Vorbehalts des Gesetzes eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich.

118 Engeln, Hausrecht, S. 121 f., 133; Olizeg, Hausrecht, S. 37; Beaucamp, JA 2003, 231, 233; Berg, JuS 1982, 260, 262; Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 103; Michl/Roos, LKRZ 2012, 50, 54. 119 BVerwG, Beschluss v. 17. 05. 2011, 7 B 17/11 = NJW 2011, 2530, 2531; OVG BerlinBrandenburg, Beschluss. v. 20. 12. 2010, 10 S 51/10 = NJW 2011, 1093; VG Augsburg, Beschluss v. 06. 02. 2013, Au 4 E 13.153 = BeckRS 2013, 47765; Engeln, Hausrecht, S. 133; Olizeg, Hausrecht, S. 37; Beaucamp, JA 2003, 231, 233; Berg, JuS 1982, 260, 262; Dickert/ Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 103; Jutzi, LKRZ 2009, 16. 120 Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 50.

I. Befugnisse der Gerichtsverwaltung

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(a) Hausverweis und Hausverbot (aa) Hausverweis und Hausverbot als abwehrrechtliche Maßnahmen Zweifelhaft ist zunächst, ob Hausverweise und -verbote überhaupt dem Bereich freiheitsbeschränkender Maßnahmen zugerechnet werden können oder ob es sich bei diesen nicht vielmehr um die Versagung von Leistungen handelt. Letzteres könnte man annehmen, wenn man wie Gerhardt in Anschluss an den Beschluss des VGH München vom 9. Juli 1980 davon ausgeht, die Zulassung zur Nutzung der Gerichtsverwaltung sei als eine Maßnahme der Leistungsverwaltung und die Versagung des Zutritts als typische Leistungsverweigerung zu qualifizieren.121 Dies hätte zur Folge, dass sich die Hausverweise und -verbote lediglich an den Gleichheitsgrundrechten, insbesondere an Art. 3 Abs. 1 GG, messen lassen müssten und es für diese Maßnahmen keiner Ermächtigungsgrundlage bedürfte. Angesprochen ist damit die bis heute nur ganz vereinzelt behandelte und keineswegs geklärte Frage, ob sich die Benutzung öffentlicher Sachen als Ausfluss der Freiheitsgrundrechte oder als Teilhabe an Gemeinschaftsgütern darstellt. Soweit sich zu dieser Frage überhaupt Ausführungen finden, gehen manche davon aus, die Benutzung öffentlicher Sachen sei jedenfalls dann Teilhabe, wenn es für ihre Benutzung einer Zulassung bedarf, womit der Ausschluss der Nutzung an Art. 3 GG zu messen sei.122 Andere nehmen an, wenn keine besonderen Leistungen erbracht werden und der Einzelne nur nicht daran gehindert werde, die Sache zu nutzen, seien die Freiheitsrechte in ihrer Funktion als Abwehrrechte als Entscheidungsmaßstab heranzuziehen.123 Während weitgehende Übereinstimmung darüber besteht, dass jedenfalls für Beschränkungen der Nutzung öffentlicher Sachen im Gemeingebrauch die Abwehrrechte zur Beurteilung herangezogen werden müssen,124 ist dies für öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch, wie die Gerichtsverwaltung, ungeklärt. Wendet man jedoch die beiden dargestellten Ansätze auf die Gerichtsverwaltung an, so ergibt sich, dass die Benutzung abwehrrechtlich zu betrachten ist. Öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch sind nicht von einer Zulassung abhängig, sondern dienen der internen Verwaltungsnutzung.125 Dass sie dem Publikumsverkehr offen stehen, ist keine der Anstaltsnutzung oder der Benutzung von öffentlichen Einrichtungen vergleichbare Zulassung oder die Erbringung von Leistungen, sondern 121 Gerhardt, Anm. zu VGH München, Beschluss v. 09. 07. 1980, Nr. 9 CS 80 A.268, BayVBl. 1980, 724, 725. 122 Siehe Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Band IX, § 192, Rn. 71 m.w.N.; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 244 ff. m.w.N. 123 Siehe Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Band IX, § 192, Rn. 71 m.w.N.; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 244 ff. m.w.N. 124 BVerwG, Urteil v. 20. 05. 1987, 7 C 60/85 = NJW 1988, 432 f; VGH Kassel, Beschluss v. 29. 12. 1987, 3 TH 4068/87 = NJW 1988, 2125; Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Band IX, § 192, Rn. 71 m.w.N. 125 Papier/Durner, in: Ehlers/Pünder, VerwR AT, § 39, Rn. 48; Erbguth, Allg. VerwR, § 34, Rn. 1.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

dient vielmehr dazu, dass die Amtsträger selbst ihren Verwaltungsaufgaben nachkommen können. (bb) Benutzung fremder Räume als Teil der freiheitsrechtlichen Gewährleistungsgehalte? Sind demzufolge die Abwehrrechte als Entscheidungsmaßstab heranzuziehen, müsste man, um Eingriffe in Freiheitsgrundrechte durch Hausverweise und -verbote bejahen zu können, weiterhin annehmen, die Benutzung dieser fremden Räume sei dem Einzelnen kraft seiner grundrechtlichen Freiheiten möglich. Mit anderen Worten müsste vom jeweiligen sachlichen Schutzbereich der Freiheitsgrundrechte das Recht auf Nutzung fremden Eigentums zur Freiheitsausübung umfasst sein. Denn nur, wenn auch dieses Recht vom sachlichen Schutzbereich des jeweils in Betracht kommenden Freiheitsgrundrechts erfasst ist, ist eine Beschränkung des Grundrechts durch Hausverweise oder -verbote des Gerichtspräsidenten möglich. Hiervon gehen wohl stillschweigend die Ansätze aus, welche ohne nähere Begründung Eingriffe in Grundrechte oder grundrechtsgleiche Rechte durch die Hausverweise und -verbote bejahen. Dies überzeugt jedoch in dieser Verallgemeinerung nicht. Die sachlichen Schutzbereiche der Freiheitsgrundrechte gewähren grundsätzlich kein Recht, zur Ausübung der grundrechtlichen Freiheiten beliebige Orte, wie etwa Gerichts- oder Verwaltungsgebäude, aufzusuchen. Die Freiheitsgrundrechte sind primär als Abwehrrechte des Bürgers gegen staatliche Eingriffe in seine Freiheitsbereiche ausgestaltet und können daher grundsätzlich nicht als Teilhabeansprüche verstanden werden.126 Sie sind bereits nach ihrem Wortlaut im Sinne des klassischen liberalen Verständnisses als Rechte zum Schutz vorhandener Güter formuliert. Zudem hat sich der Parlamentarische Rat bis auf wenige Ausnahmen, wie etwa Art. 6 Abs. 4 GG, bei welchen ausdrücklich im Grundgesetz soziale Teilhabeansprüche aufgenommen wurden, grundsätzlich gegen die Normierung originärer Teilhaberechte entschieden.127 Originäre Teilhaberechte aus den Freiheitsgrundrechten kann es entgegen diesem Grundsatz nur in engen Ausnahmefällen in Bezug auf bestimmte Güter und ausschließlich als Minimalgarantie, geben, wenn das Grundgesetz voraussetzt, dass diese Güter dem Einzelnen zustehen und der Staat dafür einstehen muss.128 Ein solcher Ausnahmefall wurde und kann in Bezug auf den Zutritt zu Gerichtsgebäuden jedoch nicht angenommen werden. Der persönliche Zutritt zu Gerichtsgebäuden ist keine Voraussetzung für die Ausübung der freiheitlichen Grundrechtsgewährleistungen und wurde daher nicht nur deshalb nicht normiert, da ein solcher für die Freiheitsausübung als selbstverständlich angenommen wird. Dies gilt auch vor dem 126 Maurer, Staatsrecht, § 9, Rn. 23; ausführlich Isensee, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Band IX, § 191, Rn. 1 ff., Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Band IX, § 192, Rn. 1 ff. 127 Maurer, Staatsrecht, § 9, Rn. 28; Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Band IX, § 192, Rn. 52 m.w.N.; siehe zu Art. 6 Abs. 4 GG BVerfG, Beschluss v. 25. 01. 1972, 1 BvL 3/70 = BVerfGE E 32, 273, 277. 128 Ausführlich Murswiek, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Band IX, § 192, Rn. 111 ff.

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Hintergrund, dass Gerichtsgebäude öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch sind129 und der internen Verwaltungsnutzung dienen. In diesem Sinne hat auch das BVerfG für die Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG entschieden, indem es annahm, dass der sachliche Schutzbereich nicht den Zutritt zu Orten erfasse, die der Öffentlichkeit nicht im Sinne eines allgemeinen öffentlichen Verkehrs zugänglich sind oder zu welchen schon nach den äußeren Umständen nur zu bestimmten Zwecken Zugang gewährt werde, was unter anderem bei Verwaltungsgebäuden der Fall sei.130 Soweit, wie soeben angesprochen, ferner ohne nähere Begründung angenommen wird, Hausverweise und -verbote beschränken jedenfalls die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG, überzeugt dies nicht. Zwar könnte man argumentieren, dass der sachliche Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG die allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne, also jedes menschliche Verhalten nach eigenem Willen und damit jede Freiheit vor staatlichem Zwang, erfasst.131 Vor dem Hintergrund dieses weiten Schutzbereichsverständnisses und entgegen den Ansätzen, die allgemeine Handlungsfreiheit bereits auf der sachlichen Schutzbereichsebene zu verengen,132 müsste sich ein Zutrittsrecht jedenfalls aus Art. 2 Abs. 1 GG ergeben und die Hausverweise und -verbote einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG nach sich ziehen. Hiergegen sprechen jedoch gleichermaßen die bereits dargestellten Ausführungen. Auch Art. 2 Abs. 1 GG ist in erster Linie als Abwehrrecht ausgestaltet und ein Ausnahmefall lässt sich mit der oben dargestellten Begründung auch nicht annehmen. Zudem ist der Rekurs auf die allgemeine Handlungsfreiheit gekünstelt. Er versucht zum einen ebenso wie diejenigen Ansätze, welche ohne nähere Begründungen Eingriffe in spezielle Freiheitsgrundrechte annehmen, die hier zutage tretenden und bis heute ungeklärten Probleme der Zugangsansprüche und etwaiger Grundrechtsbeschränkungen zu umschiffen. Zum anderen sind all diese Ansätze lediglich vom gewünschten Ergebnis her gedacht, das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage zu begründen und können auch deshalb nicht überzeugen. (cc) Beschränkung einfachgesetzlicher Zutrittsansprüche als Eingriff Sind klassische Eingriffe in Freiheitsgrundrechte zu verneinen, da sich aus den freiheitlichen Grundrechtsverbürgungen nicht zugleich das Recht ergibt, der Freiheitsausübung auch in Gerichtsgebäuden nachzugehen, könnte für Art. 2 Abs. 1 GG dann etwas anderes gelten, wenn sich persönliche Zutrittsansprüche zum Ge129

Siehe hierzu bereits oben, S. 32. BVerfG, Urteil v. 22. 02. 2011, 1 BvR 699/06 = NJW 2011, 1201, 1204. 131 BVerfG, Beschluss v. 01. 08. 1978, 2 BvR 123/76 = BVerfGE 49, 15, 23; Beschluss v. 09. 03. 1994, 2 BvL 43/92 u. a. = NJW 1994, 1577, 1578; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1, Rn. 12; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 2, Rn. 2. 132 Zu den Fragen eines engen oder weiten Schutzbereichsverständnisses Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Band IX, § 200, Rn. 18 ff.; Meister, Das System des Freiheitsschutzes im Grundgesetz, S. 28 ff.; Rusteberg, Der grundrechtliche Gewährleistungsgehalt, S. 76 ff.; Böckenförde, Der Staat 2003, 165 ff.; Kahl, Der Staat 2004, 167 ff. 130

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

richtsgebäude aus anderen Vorschriften ergeben, welche der Gerichtspräsident beim Erlass von Hausverweisen und -verboten beschränken oder ausschließen würde. Mangels einer Normierung besteht zwar kein allgemeines einfachgesetzliches Recht der Bürger, Gerichtsgebäude zu betreten, allerdings ergeben sich an manchen Stellen im einfachen Recht Zutrittsrechte, um bestimmten Rechten oder Pflichten im Gerichtsgebäude nachzukommen.133 Zutrittsansprüche zum Gerichtsgebäude bestehen zunächst für Verfahrensbeteiligte, das heißt für solche Personen, die das Gerichtsgebäude als Beteiligte eines Gerichtsverfahrens aufsuchen. Ergibt sich aus einfachgesetzlichen Vorschriften die Pflicht zur Anwesenheit in der Verhandlung, so lässt sich hieraus auch das Recht dieser Personen auf Zutritt zur Verhandlung ableiten.134 Nur dann, wenn den Personen das Recht zum Zutritt zur Verhandlung und damit auch zum Gerichtsgebäude selbst zukommt, können sie die ihnen obliegende Pflicht zur Anwesenheit erfüllen. Gleiches gilt für solche Personen, die außerhalb eines anhängigen Verfahrens das Recht haben, bestimmte Angelegenheiten im Gerichtsgebäude zu erledigen.135 Hierzu zählt etwa die Abgabe von Erklärungen zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nach § 129a Abs. 1 ZPO, § 81 Abs. 1 S. 2 VwGO, § 341 Abs. 1 StPO oder die Einsicht in beim Gericht geführte Register. Können diese Rechte nur dadurch wahrgenommen werden, dass der Einzelne das Gerichtsgebäude betritt, so muss sich aus diesen Vorschriften auch ein abgeleitetes Recht auf Zutritt zum Gerichtsgebäude ergeben. Solche derivativen Zutrittsrechte bestehen zudem für die Zuhörer öffentlicher Verhandlungen aus § 169 S. 1 GVG im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten,136 denn nur dann, wenn sie das Gerichtsgebäude betreten können, können sie auch an der öffentlichen Verhandlung teilnehmen. Da in Gerichtsgebäuden nicht alleine Spruchtätigkeit ausgeübt wird, sondern auch öffentlichen Verwaltungstätigkeiten nachgegangen wird, kommen auch Zutrittsrechte zur Gerichtsverwaltung in Betracht. Zwar könnte man hieran zweifeln, da die Gerichtsgebäude als öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch der internen Verwaltungsnutzung, also der Aufgabenerfüllung der öffentlichen Verwaltung durch den Gebrauch durch die Amtsträger selbst, gewidmet sind und an diesen Sachen keine originären, eigenständigen oder unmittelbar öffentlich-rechtlichen Nutzungsbefugnisse von Zivilpersonen bestehen.137 Allerdings darf nicht außer Betracht bleiben, dass auch insoweit Dritte Rechte auf Wahrnehmung bestimmter Verwal133

So auch Olizeg, Hausrecht S. 188. Kissel/Mayer, GVG § 12, Rn. 100; Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 112; Olizeg, Hausrecht, S. 188. 135 Kissel/Mayer, GVG § 12, Rn. 100; Olizeg, Hausrecht, S. 189. 136 Olizeg, Hausrecht, S. 188 f.; Bäumler, JR 1978, 317, 320 f.; Roxin, Anm. zu OLG Karlsruhe, Urteil v. 31. 07. 1975, 3 Ss 175/74 = JR 1976, 385; siehe auch Lilie, in: LK-StGB, Band 5, § 123, Rn. 39; gegen ein subjektiv öffentliches Recht Kissel/Mayer, GVG, § 169, Rn. 53. 137 Axer, Die Widmung, S. 195 f.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 34; Papier/ Durner, in: Ehlers/Pünder, VerwR AT, § 39, Rn. 49. 134

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tungsangelegenheiten haben, die Verwaltungsgebäude hierfür geöffnet sind und den Bürgern, jedenfalls soweit sie zur Wahrnehmung ihrer Verwaltungsangelegenheiten das Verwaltungsgebäude aufsuchen müssen, als derivativer Anspruch das Recht zustehen muss, das Gebäude auch zu betreten.138 Zu solchen Verwaltungsangelegenheiten in Gerichtsgebäuden zählen etwa die Beglaubigung amtlicher Unterschriften zum Zwecke der Legalisation nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 AGGVG BW, die Erteilung der sog. Apostille im vereinfachten Urkundenverfahren, die Erteilung einer Erlaubnis nach § 1 Abs. 1 RBerG i.V.m. § 11 Abs. 1 RBerVoder die Befreiung vom Ehefähigkeitszeugnis für Ausländer nach § 1309 Abs. 2 S. 1 BGB.139 Bestehen einfach-gesetzliche Zutrittsansprüche auf das Betreten des Gerichtsgebäudes, sei es um an einem Gerichtsverfahren teilzunehmen, prozessuale Angelegenheiten außerhalb eines anhängigen Verfahrens zu erledigen oder aber Verwaltungsangelegenheiten zu besorgen und werden diese Zutrittsrechte des Einzelnen dadurch beschränkt oder ausgeschlossen, dass vom Gerichtspräsidenten Hausverweise oder -verbote verhängt werden, liegt hierin eine Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Der sachliche Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 GG, der, wie soeben ausgeführt, die allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne und damit jedes menschliche Verhalten nach eigenem Willen und die Freiheit vor staatlichem Zwang schützt, umfasst auch die Ausübung der soeben dargestellten einfach-gesetzlichen Zutrittsansprüche. Zudem kann in diesen hausrechtlichen Maßnahmen eine Beschränkung des Rechts auf körperliche Bewegungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG gesehen werden.140 Durch den Erlass eines Hausverweises oder -verbotes ist der mit Zugangsansprüchen ausgestattete Betroffene daran gehindert, im Sinne der körperlichen Bewegungsfreiheit die ihm tatsächlich und rechtlich zugänglichen Orte aufzusuchen,141 denn der Zutritt zum Gerichtsgebäude sowie -gelände wird ihm durch diese hausrechtlichen Maßnahmen verwehrt.

138 Olizeg, Hausrecht, S. 189; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 34; Pappermann/ Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 161; Detterbeck, VerwR AT, Rn. 1002; Papier/Durner, in: Ehlers/Pünder, VerwR AT, § 39, Rn. 49; Erbguth, Allg. VerwR, § 34, Rn. 1; siehe auch OVG Münster, Urteil v. 12. 02. 1963, II A 840/62 = DVBl. 1963, 450; Ehlers, DÖV 1977, 737, 739; Zeiler, DVBl. 1981, 1000, 1003; andere entnehmen ein subjektiv öffentliches Recht aus Art. 3 GG i.V.m. den Grundsätzen der Selbstbindung der Verwaltung: Rasch, Persönliche Vorsprache, S. 33 ff.; Stelkens, JURA 2010, 363, 366; a.A. Brüning, DÖV 2003, 389, 394 ff. 139 Ausführlich Wittreck, Verwaltung der Dritten Gewalt, S. 471 f. 140 Für das Polizeirecht auch Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 240; Rachor, in: Lisken/ Denninger, PolR, Teil E, Rn. 435. 141 BVerfG, Urteil v. 14. 05. 1996, 2 BvR 1516/93 = NVwZ 1996, 678, 681; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 2 S. 2, Rn. 22.

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(b) Sonstige hausrechtliche Maßnahmen Die für die Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden relevanten hausrechtlichen Maßnahmen der Gerichtsverwaltung beschränken sich jedoch nicht auf die Erteilung von Hausverweisen und -verboten. Entsprechend den eingangs erwähnten und aufgrund der sich in jüngerer Zeit ereigneten Vorfällen in Gerichtsgebäuden entwickelten Sicherheitskonzepten der Bundesländer, sind auch die Anordnung von Einlasskontrollen beispielsweise mit Identitätsfeststellungen und der Durchsuchung von Personen sowie mitgeführter Sachen, oder Videoüberwachungen relevant. Auch diese Maßnahmen müssen daher auf das Erfordernis einer Ermächtigungsgrundlage hin untersucht werden. Festgehalten werden kann bereits an dieser Stelle, dass etwaige Eingriffe in Grundrechte bei Einlasskontrollen nicht von vornherein dadurch ausgeschlossen sind, dass der Einzelne sich der Kontrolle unterzieht, um das Gerichtsgebäude betreten zu können. Ein Verzicht auf den grundrechtlich gewährleisteten Schutz liegt nur dann vor, wenn eine mit Sicherheit feststellbare Verzichtserklärung gegeben sowie der Grundrechtsschutz überhaupt verzichtbar ist.142 Bei den Einlasskontrollen fehlt es jedoch bereits an einer Verzichtserklärung. Aus dem bloßen Begehren des Eintritts und der Hinnahme der Kontrollmaßnahmen ohne Protest kann nicht zugleich mit Sicherheit geschlossen werden, dass der Einzelne an der Türschwelle auf seinen Grundrechtsschutz verzichten möchte. Mit der Anordnung, Einlasskontrollen am Gerichtsgebäudeeingang durchzuführen und sämtliche zutrittswillige Personen einen Metalldetektorrahmen passieren zu lassen, ohne dass weitere Maßnahmen, wie z. B. Identitätsfeststellungen oder die Durchsuchung von Personen oder mitgeführter Sachen, erfolgen, wird in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen.143 Gleiches gilt, wenn bei solchen Einlasskontrollen oder unabhängig von ihnen Durchsuchungen von Personen sowie der mitgeführten Sachen durchgeführt werden. In all den genannten Fällen kann sich der Einzelne gerade nicht nach seinem eigenen Willen und frei von staatlichem Zwang verhalten. Darüber hinaus können mit den Durchsuchungen oftmals Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG einhergehen. Dies kann zum einen dann der Fall sein, wenn die konkrete Durchsuchung der Person etwa das Abtasten des Körpers sowie das Öffnen oder Ablegen von Kleidungsstücken und damit Eingriffe in den nicht einsehbaren Bereich der Privat- bzw. Intimsphäre vorsieht, zum anderen, wenn bei der Durchsuchung persönliche Sachen eingesehen und gegebenenfalls aufgefunden werden, die dem Bereich der Privat-

142 Manssen, Staatsrecht II, § 7, Rn. 139; zum Einverständnis bei Videoüberwachungen BVerfG, Beschluss v. 23. 02. 2007, 1 BvR 2368/06 = NVwZ 2007, 688, 690 m.w.N. 143 Vgl. auch Riemer, Anm. zu VG Köln, Urteil v. 22. 11. 2012, 13 K 317/12 = DuD 2013, 397, der auch vom Fehlen einer Ermächtigungsnorm für Personenkontrollen aufgrund von Grundrechtseingriffen ausgeht, dies allerdings nicht näher begründet.

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oder Intimsphäre zuzuordnen sind.144 Werden bei der Durchsuchung aufgefundene Sachen beschlagnahmt, liegt hierin ein Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG in der Form einer Inhalts- und Schrankenbestimmung.145 Ob in der Durchsuchung zudem ein Eingriff in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG liegt, muss differenziert betrachtet werden. Soweit der Einzelne bei einer Einlasskontrolle lediglich einen Metalldetektorrahmen passiert sowie seine Sachen nur durchleuchtet werden und er dann ohne weiteres das Gerichtsgebäude betreten kann, scheiden Beschränkungen in der körperlichen Bewegungsfreiheit aus. In diesen Fällen kann nur schwerlich angenommen werden, hierin liege bereits eine Beschränkung der physischen Bewegungsfreiheit des Einzelnen. Eingriffe sind insoweit nur in Art. 2 Abs. 1 GG denkbar. Anders ist es jedoch, wenn Metalldetektorrahmen nicht existieren, der Einzelne sich daher einer persönlichen Durchsuchung, gegebenenfalls unter Einsatz von Metalldetektoren, unterziehen muss, der Metalldetektor anspricht und sodann eine Durchsuchung erfolgt oder die Person unabhängig von einer Einlasskontrolle durchsucht wird. In diesen Fällen ist die physische Bewegungsfreiheit aufgehoben, denn der Einzelne wird angehalten und kann sich für die Dauer der Durchsuchung nicht fortbewegen.146 Abzulehnen ist die Annahme, es werde in die körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG bei der Durchsuchung von Personen eingegriffen.147 Die Durchsuchung bezieht sich in Abgrenzung zur körperlichen Untersuchung auf ein Auffinden von Gegenständen in den am Körper befindlichen Kleidungsstücken, auf der Körperoberfläche und in ohne weiteres zugänglichen Körperöffnungen, wie Mund, Nase, Ohren, durch Abtasten des bekleideten Körpers oder ein ausnahmsweises Entkleiden.148 Bei diesen Maßnahmen wird die körperliche Integrität nicht beeinträchtigt, was auch dann gilt, wenn die Suche nicht manuell, sondern mittels Hilfsgeräten, wie etwa Metalldetektoren, erfolgt.149

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OLG Naumburg, Urteil v. 10. 09. 1996, 9 U 119/96 = BeckRS 1996, 31214310; OLG Köln, Urteil v. 12. 06. 1997, 7 U 210 – 96 = NJW-RR 1998, 1141, 1142; für das Polizeirecht auch Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 573; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 18, Rn. 1. 145 Für das Polizeirecht auch BVerfG, Beschluss v. 11. 07. 2008, 2 BvR 2016/06 = NJW 2009, 281, 282; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 19, Rn. 16. 146 Im Polizeirecht bejahend Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band I, Art. 2 II, Rn. 102; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2, Rn. 115; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Band I, Art. 2, Rn. 78; Murswiek, in: Sachs, GG, Art. 2, Rn. 237. 147 So auch VG Gelsenkirchen, Beschluss v. 06. 07. 2012, 12 K 1543/12 = BeckRS 2012, 54019. 148 OVG Saarlouis, Urteil v. 30. 11. 2007, 3 R 9/06 = BeckRS 2008, 30849; Ruder, PolR BW, Rn. 694. 149 So auch VG Gelsenkirchen, Beschluss v. 06. 07. 2012, 12 K 1543/12 = BeckRS 2012, 54019; bejahend Berg, JuS 1982, 260, 262; zur Frage von Grundrechtseingriffen durch Körperscanner siehe Busche, DÖV 2011, 225 ff.

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Finden Identitätsfeststellungen oder Videoüberwachungen des Außen- und/oder Innenbereiches des Gerichtsgebäudes statt, liegen hierin neben Eingriffen in Art. 2 Abs. 1 GG auch Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Beim Aushändigen, aber auch beim Einbehalten, Kopieren oder Scannen der Ausweispapiere wird der Einzelne verpflichtet, seine personenbezogenen Daten zu offenbaren, über deren Preisgabe er nach dem im Volkszählungsurteil entwickelten Recht auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich selbst bestimmen darf.150 Mittels der Videoüberwachung können die Verhaltensweisen der das Gerichtsgebäude betretenden Personen, deren Lebensvorgänge, Bewegungen oder Aufenthalte, Gespräche sowie sonstige persönliche Eigenarten, wie beispielsweise das Alter, Geschlecht oder das äußere Erscheinungsbild, erfasst werden.151 Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erfolgen nicht nur dann, wenn Aufzeichnungen gefertigt werden,152 sondern auch, wenn nur eine Beobachtung mittels Bildübertragung (sog. KameraMonitor-Prinzip) stattfindet oder die Daten sofort wieder gelöscht werden. Angesichts der technischen Möglichkeiten wie der Zoom-, Standbild- und Einzelbildschaltungsfunktion oder der Dreh- und Schwenktechniken wird im Gegensatz zur menschlichen Beobachtung eine weitaus großflächigere und intensivere Überwachung ermöglicht,153 welche es rechtfertigt von Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auszugehen. (2) Hausrechtliche Maßnahmen als wesentliche Angelegenheiten Gehen mit den für die vorliegende Untersuchung relevanten hausrechtlichen Maßnahmen damit bereits klassische Eingriffe in Freiheitsgrundrechte einher und bedarf es daher nach dem klassischen Verständnis des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes einer Ermächtigungsnorm zum Erlass dieser Maßnahmen, ergibt sich auch dann, wenn man dem insgesamt oder hinsichtlich einzelner Maßnahmen nicht folgt, kein anderes Ergebnis. Auch unter Berücksichtigung der Aussagen der Wesentlichkeitstheorie stellen sich die hausrechtlichen Maßnahmen allesamt als grundrechtsrelevante und damit wesentliche Angelegenheiten dar, welche eine ge150 Für das Polizeirecht Petri, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil G, Rn. 20 f.; zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung erstmals BVerfG, Urteil v. 15. 12. 1983, 1 BvR 209/83 u. a. = NJW 1984, 419. 151 VGH Mannheim, Urteil v. 21. 07. 2003, 1 S 377/02 = NVwZ 2004, 498, 499 f.; Roggan, NVwZ 2001, 134, 135. 152 Für Gerichtsgebäude auch VG Wiesbaden, Beschluss vom 20. 01. 2010, 6 K 1063/09 = NJW 2010, 1220, 1221; im Polizeirecht BVerfG, Beschluss v. 23. 02. 2007, 1 BvR 2368/06 = NVwZ 2007, 688, 690; Thiel, PolR, § 10, Rn. 45. 153 Für öffentliche Gebäude auch Koreng, LKV 2009, 198, 199; für das Polizeirecht ausführlich VGH Mannheim, Urteil v. 21. 07. 2003, 1 S 377/02 = NVwZ 2004, 498, 450; so auch OVG Hamburg, Urteil v. 22. 06. 2010, 4 Bf 276/07 = MMR 2011, 128, 130; Thiel, PolR, § 10, Rn. 45; a.A. für die Kraftfahrzeugkennzeichenerfassung BVerfG, Urteil v. 11. 03. 2008, 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 = NJW 2008, 1505, 1507.

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setzliche Ermächtigung fordern. Zwar ist nicht abschließend geklärt, wann eine Angelegenheit zur Bejahung der Wesentlichkeit grundrechtsrelevant ist. Einigkeit besteht jedoch dahingehend, dass es hierfür nicht zwangsläufig einer Einschränkung in Grundrechten im Sinne des früher geforderten Grundrechtseingriffs bedarf,154 sondern Angelegenheiten auch dann als grundrechtsrelevant und damit als wesentlich qualifiziert werden können, wenn mehrere Grundrechtssphären untereinander zum Ausgleich zu bringen sind.155 Grundrechtsrelevant können demzufolge nicht nur Angelegenheiten sein, welche im Verhältnis von Staat und Bürger auftreten, sondern auch solche, in denen die Grundrechtsbetroffenheit weiter gefächert ist und der Staat die Sphären mehrerer Grundrechtsträger abwägen, abgrenzen und zum Ausgleich bringen muss.156 Von einem solchen mehrdimensionalen Grundrechtsverhältnis ist hier auszugehen. Werden hausrechtliche Maßnahmen in Gerichtsgebäuden erlassen, ist nicht nur das Verhältnis von Staat und dem Bürger, gegen den sich die Maßnahmen richten, betroffen. Sie können vielmehr auch die Sphäre der sich im Übrigen im Gebäude befindlichen Personen betreffen, etwa wenn die hausrechtlichen Maßnahmen zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Verwaltung auch zum Schutz der Grundrechte der im Gericht Beschäftigten sowie der sonstigen sich im Gebäude befindlichen Personen, wie Verfahrensbeteiligten oder Besuchern, ergehen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der sich aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ergebenden Schutzpflicht des Staates zum Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit, nach welcher der Staat verpflichtet ist, die von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Rechtsgüter vor Beeinträchtigungen oder Gefährdungen Dritter, vor allem anderen Privatpersonen, zu schützen und hierzu entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.157 Dass eine solche Verpflichtung auch für Gerichtsgebäude besteht, kann nicht zuletzt vor den sich in der Vergangenheit ereigneten Vorfällen, bei welchen Menschen nicht nur verletzt, sondern auch getötet wurden, nicht mehr bestritten werden. Müssen aufgrund dieser komplexen Mehrdimensionalität mehrere Grundrechtssphären abgrenzt und zu einem Ausgleich gebracht werden, ist es erforderlich, diese Aufgabe nicht vollständig der Verwaltung zu überlassen, sondern eine Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers zu fordern. bb) „Wie“ der gesetzlichen Regelung Bedarf es demnach einer gesetzlichen Grundlage für die in dieser Untersuchung relevanten hausrechtlichen Maßnahmen, so stellt sich die hieran anschließende Frage nach dem „Wie“ der gesetzlichen Ermächtigung. Dabei sind zwei Ebenen zu un154

BVerfG, Beschluss vom 08. 08. 1978, 2 BvL 8/77 = NJW 1979, 359, 360. Ausführlich Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 239 ff. m.w.N.; siehe auch BVerfG, Urteil v. 16. 06. 1981, 1 BvL 89/78 = NJW 1981, 1774, 1776. 156 BVerfG, Urteil v. 16. 06. 1981, 1 BvL 89/78 = NJW 1981, 1774, 1776; Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 241. 157 Siehe hierzu bereits oben, S. 22. 155

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terscheiden: Auf der einen Ebene ist nach der Qualität der Norm zu fragen, während auf der zweiten Ebene zu erörtern ist, welche Regelungstiefe die Norm aufweisen muss. Die Beantwortung dieser Fragen ist wiederum anhand des Eingriffscharakters sowie der Wesentlichkeit der Regelungsmaterie vorzunehmen.158 Die Aussagen der Wesentlichkeitslehre hinsichtlich des allgemeinen Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes sind insoweit ergänzend heranzuziehen, als sich aus den speziellen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten keine Formvorgaben für das beschränkende Gesetz finden.159 (1) Qualität der Rechtsnorm In Bezug auf die Qualität der erforderlichen Rechtsnorm genügen dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes grundsätzlich sowohl formelle Gesetze als auch solche im materiellen Sinne, wie etwa Rechtsverordnungen oder Satzungen, sofern sich diese auf eine parlamentsgesetzliche Vorschrift zurückführen lassen.160 Etwas anderes, also das Erfordernis eines formellen Gesetzes, mit dem der Gesetzgeber selbst die wesentlichen Angelegenheiten regelt und nicht einer Regelung der Exekutive durch materielle Gesetze überlässt, kann sich jedoch dann ergeben, wenn dies die speziellen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte fordern oder sich die Angelegenheit angesichts der Wesentlichkeitslehre als so wesentlich darstellt, dass ausschließlich eine Regelung durch formelles Gesetz dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes genügt.161 Da mit den dargestellten und in Gerichtsgebäuden relevanten hausrechtlichen Maßnahmen Eingriffe in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG einhergehen können, zu deren verfassungsrechtlicher Rechtfertigung nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG ein formelles Gesetz erforderlich ist, bedarf es einer formellen Ermächtigungsgrundlage.162 Das Erfordernis einer parlamentarischen Willensbildung durch ein formelles Gesetz und die Pflicht des Gesetzgebers die staatlichen Eingriffsmöglichkeiten selbst abzugrenzen und sie trotz des verfassungsrechtlich legitimen Bereich exekutiver Eigenverantwortung nicht im Wege der Delegation dem Ermessen der Verwaltung zu überlassen, ergibt sich aber nicht nur aus Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG. Auch vor dem 158

Olizeg, Hausrecht, S. 41. BVerfG, Beschluss v. 08. 08. 1978, 2 BvL 8/77 = NJW 1979, 359, 360; vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 78; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, VI, Rn. 91 f. 160 BVerfG, Beschluss v. 21. 12. 1977, 1 BvL 1/75 = NJW 1978, 807, 810; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, VI, Rn. 75; Erichsen, in: Achterberg, FS für Scupin, S. 721, 733; Gusy, JA 2002, 610, 615 f. 161 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 40; siehe auch Müller-Franken, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Vorb. v. Art. 1, Rn. 50; Kloepfer, JZ 1984, 685, 691. 162 So auch Kruis, BayVBl. 2013, 97, 100; ohne Begründung auch Kees, NJW 2013, 1929, 1930; Michl/Roos, LKRZ 2012, 50, 52; nach Olizeg, Hausrecht, S. 45 genügt ein materielles Gesetz, welches sich auf ein formelles zurückführen lässt. 159

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Hintergrund der Aussagen der Wesentlichkeitslehre sind einige der hier relevanten Maßnahmen als so wesentlich einzustufen, dass lediglich der Gesetzgeber die Entscheidung über sie zu treffen vermag. Wann dies der Fall ist, bestimmt sich insbesondere nach dem Sachbereich, der Eigenart der betroffenen Regelungsmaterie sowie der Intensität der Maßnahme, mit welcher die Grundrechte beschränkt werden.163 Solche intensiven Grundrechtsbeschränkungen sind bei den hausrechtlichen Maßnahmen für die Durchsuchungen, die Identitätsfeststellungen sowie die Videoüberwachungen anzunehmen. Für die Durchsuchung ergibt sich dies bereits infolge des gezielten und bezweckten Suchens oder Ausforschens der privaten Sphäre des Einzelnen. Erfolgt die Durchsuchung der Person durch das Abtasten des Körpers sowie das Öffnen und Ablegen von Kleidungstücken,164 so weisen diese Maßnahmen im Gegensatz zu einer Durchsuchung, welche sich etwa auf das bloße Passieren eines Metalldetektorrahmens beschränkt, eine gesteigerte Eingriffsintensität auf, da sie in besonderer Weise die Privat- und Intimsphäre des zu Durchsuchenden betreffen. Sie ermöglichen das Entblößen des Körpers oder Teilen hiervon gegenüber den die Durchsuchung vornehmenden Personen sowie gegenüber den Personen, die sich zur gleichen Zeit den Kontrollmaßnahmen unterziehen, und sind daher besonders geeignet das Schamgefühl zu beeinträchtigen. Als gravierend stellen sich neben der Durchsuchung von Personen auch die Durchsuchungen der mitgeführten Sachen dar. Auch die Durchsuchung von Sachen kann erhebliche Eingriffe in die private Sphäre des Einzelnen mit sich bringen, denn die Durchsuchung verschlossener oder teilweise verschlossener Sachen betrifft ebenso den nicht einsehbaren Bereich der Privat- und Intimsphäre des Einzelnen.165 Von hoher Eingriffsintensität können sich des Weiteren die Identitätsfeststellungen darstellen. Zwar könnte man dies insoweit ablehnen, als die Ausweispapiere lediglich vorgezeigt oder kurz ausgehändigt und sodann wieder zurückgegeben werden sollen.166 Allerdings beschränken sich die Identitätsfeststellungen bei den Einlasskontrollen vielfach nicht hierauf. Die Ausweispapiere werden oftmals auch hinterlegt, kopiert oder eingescannt.167 Zudem ist immer bereits dann von einer hohen 163 BVerfG, Beschluss v. 20. 10. 1981, 1 BvR 640/80 = NJW 1982, 921, 923; Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 134 f. 164 Siehe hierzu beispielsweise die Verfügung des OLG München v. 04. 03. 2013, abrufbar unter: https://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:LhYdgOXWnGsJ:https:// www.justiz.bayern.de/imperia/md/content/stmj_internet/gerichte/oberlandesgerichte/muen chen/sicherheitsverf_gung_vom_04_03_2013_mit_angef_gter_sitzungsliste_in_dem_strafver fahren_gegen_beate_z__u_a___nsu_.pdf+&cd=8&hl=de&ct=clnk&gl=de (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 165 Für das Polizeirecht VG Augsburg, Beschluss v. 14. 07. 2008, Au 5 K 07.1153 = BeckRS 2008, 41975. 166 So auch im Polizeirecht VG Augsburg, Beschluss v. 14. 07. 2008, Au 5 K. 07.1153 = BeckRS 2008, 41975. 167 LG Berlin, Beschluss v. 07. 09. 1981, 1 Abl. 141/81 = MDR 1982, 154 f.; FG Hamburg, Beschluss v. 15. 05. 2014, 3 K 94/14 = BeckRS 2014, 95652.

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Eingriffsintensität auszugehen, wenn die Eingriffe verdachtslos erfolgen und zahlreiche Personen in den Kreis der Maßnahme einbezogen werden, die in keiner Beziehung zu einem Fehlverhalten stehen, also durch ihr Verhalten keinen Anlass zu diesen Eingriffen gegeben haben.168 Die Identitätsfeststellung sämtlicher Personen, die das Gerichtsgebäude betreten wollen, unabhängig davon, ob sie Anlass zu den Kontrollmaßnahmen gegeben haben oder nicht und die zumindest vorübergehende Fixierung sämtlicher personenbezogener Daten, stellt sich damit auch vor diesem Hintergrund für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als erheblicher Eingriff dar. Schließlich ermöglichen die genannten Maßnahmen die weitere Verwendung der personenbezogenen Daten, sei es durch die Verknüpfung mit anderen Informationen oder zum Datenabgleich. Besonders einschneidende Maßnahmen können weiterhin die Videoüberwachungen im Innen- oder Außenbereich der Gerichte darstellen. Wie intensiv sie in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen, kann jedoch nicht pauschal, sondern muss anhand der jeweiligen Verwendung beurteilt werden. Kriterien zur Bestimmung der konkreten Eingriffsintensität sind bei Videoüberwachungen insbesondere die Persönlichkeitsrelevanz der erfassten Informationen, die Umstände der Erhebung, etwa ob die Personen einen Anlass zur Videoüberwachung gegeben haben oder ob diese heimlich oder offen erfolgt, der betroffene Personenkreis sowie die Möglichkeit der weiteren Verwendung der erlangten Daten.169 Für eine hohe Intensität der Eingriffsqualität bei Videoüberwachungen im Innen- oder Außenbereich von Gerichtsgebäuden spricht generell, dass sämtliche Personen, die das Gerichtsgebäude betreten, aufgenommen werden sowie dass diese Personen keinen Anlass für die Videoüberwachung gegeben haben, sie also wiederum in keinerlei Beziehung zu einem Fehlverhalten stehen. Durch die Videoüberwachung kann zudem gegebenenfalls mehr in Erfahrung gebracht werden als der bloße Aufenthaltsort der betroffenen Personen. Schon aus dem Betreten des Gerichtsgebäudes kann geschlossen werden, dass sie jedenfalls in irgendeiner Form gerichtlichen Angelegenheiten nachgehen. Erstreckt sich die Videoüberwachung ferner nicht nur auf den Eingangsbereich, sondern wird ein größerer Bereich des Eingangs erfasst, kann sich hieraus zudem ergeben, welcher Angelegenheit die Personen im Gebäude konkret nachgehen möchten. So kann etwa aus dem Betreten eines Gerichtssaales geschlossen werden, dass die Person an einem Gerichtsverfahren beteiligt ist oder an diesem als Zuhörer teilnehmen möchte. Betritt eine Person dahingegen den Bereich der Gerichtsverwaltung, ist erkennbar, dass sie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten erledigt. Auch kann beispielsweise nachverfolgt werden, wie oft eine Person das Gebäude betritt.

168 BVerfG, Urteil v. 14. 07. 1999, 1 BvR 2226/94, 2420/95, 2437/95 = NJW 2000, 55, 62; Urteil v. 11. 03. 2008, 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 = NJW 2008, 1505, 1507. 169 BVerfG, Urteil v. 14. 07. 1999, 1 BvR 2226/94, 2420/95 u. 2437/95 = NJW 2000, 55, 62; Beschluss v. 23. 02. 2007, 1 BvR 2368/06 = NVwZ 2007, 688, 691; Urteil v. 11. 03. 2008, 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 = NJW 2008, 1505, 1507 ff.

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Gesteigert kann die Intensität ferner im Einzelfall dadurch sein, dass die Videoüberwachung heimlich erfolgt, wie dies etwa in einem Fall geschah, den das VG Wiesbaden zu entscheiden hatte,170 weil z. B. keine Hinweisschilder auf die Videoüberwachung hindeuten. Zudem ist für die Eingriffsintensität entscheidend, ob die Videoüberwachungen im Gericht anhand des Kamera-Monitor-Prinzips erfolgen, bei welchen nur eine Bildübertragung vorgenommen wird, ob die erfassten Daten sofort wieder gelöscht oder in einem Speichermedium festgehalten werden und hierdurch die Grundlage für eine weitere Verwendung bieten. Findet lediglich eine Bildübertragung statt oder werden die erlangten Daten sofort gelöscht, stellt sich die Eingriffsintensität gegenüber Videoüberwachungen, bei welchen zudem Aufzeichnungen erfolgen, als weniger intensiv dar. Da allerdings Videoüberwachungen ohne Aufzeichnungen nur dann sinnvoll sind, wenn auch Personen das Geschehen hinter der Kamera überwachen, es hierfür aber oftmals am Personal mangelt, werden sich die Videoüberwachungen vielfach so darstellen, dass auch Aufzeichnungen erfolgen und damit schwerwiegende Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mit sich bringen. (2) Regelungstiefe Für die Regelungstiefe, das heißt die nähere Ausgestaltung der Ermächtigungsgrundlage, fordern die rechtsstaatliche Komponente des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes sowie die Wesentlichkeitslehre, dass die wesentlichen Entscheidungen hinsichtlich der staatlichen Eingriffsmöglichkeiten vom Gesetzgeber selbst getroffen werden. Die Exekutive soll in der Ermächtigungsgrundlage steuernde und beschränkende Handlungsmaßstäbe vorfinden und der Judikative soll die Möglichkeit einer wirksamen Rechtskontrolle zukommen.171 Die Ermächtigungsrundlage muss zudem so klar und bestimmt ausgestaltet sein, dass der von ihr Betroffene sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen und sein Verhalten danach ausrichten kann.172 Hierfür bedarf es einer hinreichend bestimmten Regelung sowohl in Bezug auf den Inhalt, den Gegenstand, den Zweck sowie das Ausmaß der belastenden Maßnahme.173 Die Anforderungen an das Maß der Bestimmtheit und Klarheit der Regelung erhöhen sich mit der Art und Schwere, mit welcher durch die Vorschrift in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen 170 VG Wiesbaden, Beschluss v. 20. 01. 2010, 6 K 1063/09 = NJW 2010, 1220; anders im Fall des LG Itzehoe, Beschluss v. 02. 06. 2010, 1 T 61/10 = NJW 2010, 3525. 171 BVerfG, Beschluss v. 08. 08. 1978, 2 BvL 8/77 = NJW 1979, 359, 360 f.; Urteil v. 11. 03. 2008, 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 = NJW 2008, 1505, 1509; Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 137. 172 BVerfG, Beschluss v. 12. 11. 1958, 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57 = NJW 1959, 475, 477; Beschluss v. 23. 04. 1974, 1 BvR 6/74 u. 2270/73 = NJW 1974, 1499, 1500; Jarass, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 82; Konzak, NVwZ 1997, 872, 873. 173 BVerfG, Beschluss v. 12. 11. 1958, 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57 = NJW 1959, 475, 477; Beschluss v. 03. 02. 1959, 2 BvL 10/56 = NJW 1959, 931; Konzak, NVwZ 1997, 872, 873.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

werden soll.174 Ermächtigt eine Norm zu Grundrechtseingriffen, so muss sie die Eingriffsvoraussetzungen und die Rechtsfolge des hoheitlichen Tätigwerdens festlegen.175 Für die hier relevanten hausrechtlichen Maßnahmen bedarf es demnach in der erforderlichen formellen Ermächtigungsgrundlage auch der Festlegung, unter welchen Voraussetzungen die einzelnen hausrechtlichen Maßnahmen getroffen werden sowie welche konkreten Rechtsfolgen sich für den Betroffenen ergeben können. Sofern nach heute herrschender Auffassung zudem dann, wenn sich die Verwaltung der Handlungsform des Verwaltungsaktes bedienen möchte, speziell auch die Ermächtigung durch Verwaltungsakt handeln zu dürfen, verlangt wird,176 muss diese sog. Verwaltungsaktbefugnis in der Regelung nicht ausdrücklich angesprochen sein, sondern kann sich im Wege der Auslegung ergeben, da die Handlungsform des Verwaltungsaktes allgemein bekannt ist.177 So streng sich die Anforderungen mit zunehmender Grundrechtsintensität auf der einen Seite darstellen, so darf nicht außer Betracht bleiben, dass auf der anderen Seite der Umfang des gesetzgeberischen Tätigwerdens sich auch danach bemessen muss, inwieweit das zu regelnde Sachgebiet einer Regelung überhaupt zugänglich ist und vom Gesetzgeber normativ sachgemäß erfasst werden kann.178 Bei den hausrechtlichen Maßnahmen ist dies deshalb relevant, da eine Brandbreite möglicher Störungen in Gerichtsgebäuden in Betracht kommt und es zugleich mehrere denkbare Maßnahmen zur Unterbindung gibt. Dass all diese vielfältigen Fallkonstellationen nicht einer abschließenden normativen Regelung zugeführt werden können, liegt auf der Hand. Da dieser Umstand im Rahmen der Regelungstiefe Beachtung finden muss,179 ist erforderlich, dass neben den zu normierenden Inhalten der Verwaltung ein hinreichender Spielraum verbleibt, der sich durch verfassungsrechtlich unbedenkliche unbestimmte Rechtsbegriffe auf der Tatbestandsseite oder die Einräumung

174

BVerfG, Beschluss v. 09. 05. 1972, 1 BvR 518/62 u. 308/64 = NJW 1972, 1504, 1507; Beschluss v. 08. 08. 1978, 2 BvL 8/77 = NJW 1979, 359, 361; Beschluss v. 27. 11. 1990, 1 BvR 402/87 = NJW 1991, 1471, 1473. 175 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, VII, Rn. 58, 65. 176 BVerwG, Urteil v. 07. 12. 2011, 6 C 39/10 = NVwZ 2012, 1123, 1124; von Alemann/ Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, § 35, Rn. 95; siehe zum früheren Meinungsstand OVG Lüneburg, Urteil v. 15. 03. 1988, 10 A 14/87 = NVwZ 1989, 880, 881 m.w.N.; Brüning, DÖV 2003, 389, 392. 177 BVerwG, Urteil v. 11. 10. 2012, 5 C 20/11 = NJW 2013, 405, 406; Brüning, DÖV 2003, 389, 392. 178 BVerfG, Beschluss v. 08. 08. 1978, 2 BvL 8/77 = NJW 1979, 359, 364; Beschluss v. 12. 05. 1987, 2 BvR 1226/83, 2 BvR 101/84, 2 BvR 313/84 = NJW 1988, 626, 634; Konzak, NVwZ 1997, 872, 873. 179 BVerfG, Beschluss v. 13. 12. 1966, 1 BvR 512/65 = NJW 1967, 197; Beschluss v. 08. 08. 1978, 2 BvL 8/77 = NJW 1979, 359, 364; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, VII, Rn. 60 ff.

I. Befugnisse der Gerichtsverwaltung

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von Ermessen auf der Rechtsfolgenseite auszeichnen kann.180 Daneben kann die Normierung von Generalklauseln zulässig sein, welche gerade auch das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Bedürfnis der inhaltlichen Richtigkeit und materiellen Gerechtigkeit verwirklicht.181 cc) Zwischenergebnis Festgehalten werden kann damit, dass es für die zur Schaffung und Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden erforderlichen hausrechtlichen Maßnahmen der Gerichtsverwaltung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf. Diese muss sich als formelles Gesetz darstellen und je nach hausrechtlicher Maßnahme eine hinreichende Regelungstiefe aufweisen, auf welche bei den einzelnen Maßnahmen noch näher einzugehen ist. b) Ausdrückliche Normierungen des öffentlich-rechtlichen Hausrechts für Gerichtsgebäude Steht damit fest, welche Anforderungen an die zum Erlass der hier relevanten hausrechtlichen Maßnahmen ermächtigenden Normierungen gestellt werden müssen, stellt sich die Frage, ob sich solche auch finden lassen. Dem soll im Folgenden nachgegangen werden. aa) Niedersachsen Ausdrücklich normiert ist das öffentlich-rechtliche Hausrecht für Gerichtsgebäude zunächst in Niedersachsen in § 16 NJG.182 Gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 NJG können die Behördenleiterinnen und die Behördenleiter der Gerichte die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Behörde erforderlichen Maßnahmen treffen. Welche Maßnahmen dies im Einzelnen sein können, ist in § 16 Abs. 1 S. 1 NJG festgelegt. Danach ist die Durchführung von Zutrittskontrollen, die Durchsuchung von Personen und mitgeführter Sachen, die Sicherstellung bestimmter Gegenstände, die Feststellung der Identität sowie die Anordnung eines Verweises vom Grundstück oder das vorübergehende Verbot des Betretens möglich. Ob diese Regelung den dargestellten Anforderungen an die Qualität sowie die Regelungstiefe der Rechtsnorm entspricht und zu welchen konkreten hausrechtlichen Maßnahmen die Norm ermächtigt, soll im Folgenden geklärt werden. 180 BVerfG, Beschluss v. 12. 11. 1958, 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57 = NJW 1959, 475, 478; Beschluss v. 12. 01. 1967, 1 BvR 169/63 = NJW 1967, 619; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 83. 181 BVerfG, Beschluss v. 12. 11. 1958, 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57 = NJW 1959, 475, 478; Beschluss v. 20. 06. 2012, 2 BvR 1048/11 = NJW 2012, 3357, 3363; Roellecke, in: Umbach/ Clemens, GG, Band I, Art. 20, Rn. 85. 182 Niedersächsisches Justizgesetz v. 16. 12. 2014, Nds. GVBl. 2014, S. 436.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

(1) § 16 Abs. 1 S. 1 NJG als taugliche Ermächtigungsgrundlage Mit § 16 Abs. 1 S. 1 NJG liegt in Niedersachsen eine Regelung vor, welche den Anforderungen an die Qualität einer zu belastenden hausrechtlichen Maßnahmen des Gerichtspräsidenten ermächtigenden Rechtsnorm entspricht, denn bei ihr handelt es sich um ein formelles Gesetz. Zur Regelungstiefe lässt sich ferner feststellen, dass § 16 Abs. 1 S. 1 NJG zum einen festgelegt, dass das öffentlich-rechtliche Hausrecht dem Behördenleiter der Gerichte zusteht und ihm zum anderen die Befugnis eingeräumt ist, nach pflichtgemäßem Ermessen zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude mittels bestimmter hausrechtlicher Maßnahmen einzuschreiten. Inhalt, Gegenstand und Zweck sind damit bestimmt. Hinsichtlich des Ausmaßes der einzelnen hausrechtlichen Maßnahmen bestehen jedoch aufgrund der erforderlichen Rechtsklarheit und Bestimmtheit Bedenken. Unbedenklich ist zwar die generalklauselartige Festlegung der hausrechtlichen Befugnisse, die beispielhafte Aufzählung der möglichen hausrechtlichen Maßnahmen sowie die Einräumung von Ermessen, denn aufgrund der Vielfalt der möglichen Störungen können nicht alle denkbaren hausrechtlichen Maßnahmen normativ erfasst werden. Zudem verbleibt der Verwaltung somit der im Sinne des rechtsstaatlichen Erfordernisses der inhaltlichen Richtigkeit und materiellen Gerechtigkeit notwendige Spielraum, um die im Einzelfall geeigneten Maßnahmen zu treffen. Zweifel ergeben sich in Bezug auf die Regelungstiefe jedoch daraus, dass bei manchen der aufgezählten hausrechtlichen Maßnahmen nicht hinreichend klar sein könnte, ob sie eine bereits eingetretene Störung oder lediglich eine konkrete Gefahr voraussetzen, ob ein Gefahrenverdacht ausreicht oder ob die Maßnahmen sogar verdachtsunabhängig erfolgen können. (a) § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 5 NJG Ausreichend bestimmt ist zunächst Nr. 5, denn hier wird ausdrücklich klargestellt, dass das Vorliegen einer Störung erforderlich ist. Gleiches gilt für Nr. 2, wonach die Durchsuchung von Personen und Sachen möglich ist, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Sachen mitgeführt werden, die nach Nr. 3 sichergestellt werden können. Mit der Formulierung in Nr. 2 wird zum Ausdruck gebracht, dass nicht erst das Vorliegen einer Störung oder Gefahr erforderlich ist, sondern ein bloßer Gefahrenverdacht ausreicht.183 (b) § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und 4 NJG Wie es sich jedoch bei den Nr. 3 und 4 verhält, wird aus dem Wortlaut nicht deutlich. So könnte man davon ausgehen, die Maßnahmen können unabhängig von einer Störung oder Gefahr, also auch zur Gefahrerforschung oder verdachtsunab183

Hierzu allgemein Rachor, in: Lisken/Denninger, Teil E, Rn. 611.

I. Befugnisse der Gerichtsverwaltung

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hängig getroffen werden. Macht man sich allerdings klar, dass es sich bei den Maßnahmen zum Zwecke der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude um solche der Gefahrenabwehr handelt und für gefahrabwehrrechtliche Maßnahmen nach dem Wortlaut bzw. herkömmlichen Verständnis des Polizei- und Ordnungsrechts eine konkrete Gefahr erforderlich ist, sofern nichts anderes bestimmt ist,184 könnte sich dahingegen auch das Erfordernis einer konkreten Gefahr ergeben. Zieht man zur Klärung dieser Frage die Gesetzesmaterialien heran, so kann aus der Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung zu § 16 Abs. 1 S. 1 NJG entnommen werden, dass sich manche der hausrechtlichen Maßnahmen an das polizeiliche Gefahrenabwehrrecht anlehnen, da die Maßnahmen nach Nr. 2 – 5 dem NdsSOG entnommen sind.185 Demnach ist davon auszugehen, dass Nr. 3 und 4 aufgrund ihrer Anlehnung an das niedersächsische Polizeirecht das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraussetzen. Dies ist insbesondere für die Feststellung der Identität nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 NJG bedeutsam, die damit nicht als Gefahrerforschungsmaßnahme vorgenommen werden kann. Als weitere Ermächtigungsgrundlage für eine Identitätsfeststellung als Gefahrerforschungsmaßnahme, derer es etwa bedürfte, wenn zwar noch keine (Anscheins-) Gefahr vorliegt, es aber aufgrund bestimmter Hinweise Anhaltspunkte gibt, die auf eine Gefahr hindeuten, die Hinweise aber bei verständiger Würdigung nicht genügen, um darüber zu urteilen, ob ein Schaden eintritt oder um die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Gefahr zu beurteilen, kommt zudem nicht die Generalklausel in § 16 Abs. 1 S. 1 NJG in Betracht. Im Polizeirecht wird zwar die Heranziehung der polizeilichen Generalklausel für Gefahrerforschungsmaßnahmen teilweise befürwortet, sofern keine Ermächtigungen zu Gefahrerforschungseingriffen bestehen.186 Allerdings gehen mit Identitätsfeststellungen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG einher. Zu deren Rechtfertigung bedarf es nach dem Volkszählungsurteil des BVerfG einer Norm, welche den Zweck und die Grenzen des Eingriffes präzise und normklar festlegt.187 Dem wäre mit der Heranziehung der Generalklausel in § 16 Abs. 1 S. 1 NJG jedoch nicht genügt, denn diese legt die Feststellung der Identität nicht hinreichend bestimmt fest. Sie gibt der Exekutive keine steuernden Handlungsmaßstäbe an die Hand und der Bürger hat keine Möglichkeit zu erkennen, welche Maßnahmen ihn treffen können.

184 Denninger, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil D, Rn. 42; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 4, Rn. 13. 185 Siehe die Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung v. 11. 06. 2014 zu § 15 Abs. 1 NJG, LT-Drs. 17/1585, S. 78. 186 Schenke, PolR, Rn. 88a; Götz, NVwZ 1994, 652, 655; ablehnend Kugelmann, PolR, 5. Kap., Rn. 131. 187 BVerfG, Urteil v. 15. 12. 1983, 1 BvR 209/83 u.a. = NJW 1984, 419, 422.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

(c) § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NJG Kann bei den Nr. 2 – 5 daher noch ermittelt werden, welche Voraussetzungen für die hausrechtlichen Maßnahmen jeweils gegeben sein müssen und welche Rechtsfolge den Einzelnen treffen kann, ist bei Nr. 1 sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen als auch der konkreten Maßnahmen bedenklich, ob sie den Anforderungen an das Gebot der Normklarheit und Bestimmtheit noch entspricht. Auch bei der Nr. 1 ist zunächst unklar, ob für sie mangels einer näheren Bestimmung ebenfalls, wie bei den Maßnahmen nach Nr. 3 und 4, eine konkrete Gefahr erforderlich ist oder nicht. Da sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung entnehmen lässt, dass die Nr. 1 nicht an das allgemeine Gefahrenabwehrrecht angelehnt wurde,188 spricht jedoch viel dafür, dass die Durchführung der Zutrittskontrollen nach Nr. 1 verdachtsunabhängig erfolgen können. Zweifel an der Rechtsklarheit und Bestimmtheit sind zudem aufgrund des Umfanges der nach Nr. 1 möglichen Zutrittskontrollen anzumelden. Bei unbefangenem Lesen könnte man annehmen, auf Nr. 1 können Einlasskontrollen in jeglicher Form gestützt werden, das heißt sowohl solche, die sich auf das bloße Passieren eines Metalldetektorrahmens sowie das Durchleuchten der mitgeführten Sachen erstrecken als auch solche, die weitere Maßnahmen wie Identitätsfeststellungen sowie die Durchsuchung von Personen und mitgeführter Sachen vorsehen. Da die Durchsuchung von Personen und Sachen oder die Feststellung der Identität jedoch grundrechtsintensive Maßnahmen sind, für die, wie soeben ausgeführt, in gewissem Maße hinreichend bestimmte und klare Ermächtigungsgrundlagen erforderlich sind, kann sich die Nr. 1 lediglich auf das Passieren eines Metalldetektorrahmens und das bloße Durchleuchten der mitgeführten Sachen erstrecken. Nur insoweit liegen keine grundrechtsintensiven Maßnahmen vor, die eine normklarere und bestimmtere Ermächtigung als Nr. 1 erfordern. Bedarf es jedoch der Durchsuchung oder Identitätsfeststellung, da der Metalldetektor anspricht oder sich beim Durchleuchten der Sachen verdächtige Gegenstände zeigen, stellt sich die Frage, worauf diese Maßnahmen bei den Zutrittskontrollen dann gestützt werden können. § 16 Abs. 1 S. 1 NJG gibt hierauf keine Antwort. Da die Nr. 2 – 4 als eigene Nummern und damit selbstständig neben Nr. 1 stehen, könnte man annehmen, diese Anordnungen sollen nur unabhängig von den Einlasskontrollen getroffen werden können. Dies hätte zur Folge, dass keine Ermächtigung etwa zu Durchsuchungen oder Identitätsfeststellungen im Rahmen der Zutrittskontrollen besteht, da Nr. 1 zu solchen mangels einer näheren Bestimmung der Voraussetzungen und Rechtsfolgen nicht ermächtigt. Da der Gesetzgeber jedoch von diesen Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden sicherlich nicht absehen wollte, ist § 16 Abs. 1 S. 1 NJG nach Sinn und Zweck dahingehend auszulegen, dass auch die Maßnahmen nach Nr. 2 – 5 im Rahmen von Nr. 1 getroffen werden können, sofern die jeweiligen Voraussetzungen 188 Siehe die Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung v. 11. 06. 2014 zu § 15 Abs. 1 NJG, LT-Drs. 17/1585, S. 78.

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der Nr. 2 – 5 vorliegen. Der für Nr. 2 erforderliche Gefahrenverdacht kann sich bei den Einlasskontrollen beispielsweise daraus ergeben, dass der Metalldetektor anspricht oder sich beim Durchleuchten bestimmte Sachen als verdächtig erweisen. Die weitergehenden Maßnahmen, wie Identitätsfeststellungen und Sicherstellungen, die demgegenüber das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraussetzen, sind z. B. möglich, wenn im Rahmen der Einlasskontrolle Gegenstände nach Nr. 3 aufgefunden werden. Folgt man dieser Auslegung und versteht man die etwas unglücklich gefasste Normierung des § 16 Abs. 1 S. 1 NJG wohlwollend so, dass bei den Zutrittskontrollen nach Nr. 1, das heißt dem bloßen Passieren eines Metalldetektorrahmens oder dem Durchleuchten der mitgeführten Sachen, auch Maßnahmen nach Nr. 2 – 4 erfolgen können, genügt § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NJG gerade noch den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit von zu belastenden Maßnahmen ermächtigenden Normen. (2) Hausrechtliche Maßnahmen auf Grundlage von § 16 Abs. 1 S. 1 NJG Mit der Regelung des § 16 Abs. 1 S. 1 NJG ist der Gerichtspräsident in Niedersachsen also nach Nr. 1 zur verdachtsunabhängigen Durchführung von Einlasskontrollen in dem Sinne befugt, dass die zutrittswilligen Personen einen Metalldetektorrahmen passieren und die mitgeführten Sachen durchleuchten lassen müssen. Im Rahmen der Einlasskontrollen oder unabhängig von diesen kann der Gerichtspräsident nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 NJG zudem, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person Sachen im Sinne der Nr. 3 mit sich führt, das heißt ein Gefahrenverdacht besteht, die Person und die mitgeführten Sachen durchsuchen. Sofern sich eine konkrete Gefahr ergibt, können nach Nr. 3 Sachen auch sichergestellt und nach Nr. 4 die Identität der Person festgestellt werden. Auf Grundlage von § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 NJG kann allerdings nur verlangt werden, dass die Ausweispapiere vorgezeigt oder kurz ausgehändigt werden. Keine Ermächtigung enthält die Nr. 4 dahingegen zu dem in der Praxis oftmals erfolgenden Einbehalten, Kopieren oder Einscannen der Ausweispapiere. Hierfür bedürfte es aufgrund der damit einhergehenden intensiven Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einer präzisen und normklaren Festlegung der konkreten Handlungsmöglichkeiten, welche sich aus § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 NJG aber nicht ergibt. Nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 NJG können Hausverweise, sofern eine erhebliche Störung vorliegt, und Hausverbote, wenn darüber hinaus mit der Wiederholung der Störung zu rechnen ist, erteilt werden.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

bb) Hessen Eine weitere ausdrückliche Normierung findet sich in Hessen in § 6 IT-StellenG.189 Nach § 6 Abs. 1 S. 1 IT-StellenG können aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei Gerichten gefährdete Bereiche im Innen- und Außenbereich von Gerichtsgebäuden offen überwacht und Zutrittskontrollen durchgeführt werden, soweit dies erforderlich ist. § 6 Abs. 2 IT-StellenG sieht vor, dass als Maßnahmen nach § 6 Abs. 1 IT-StellenG insbesondere die Durchführung von generellen Zutrittskontrollen, auch unter Verwendung technischer Hilfsmittel, die zum Auffinden von zur Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung verwendbarer Gegenstände geeignet sind, sowie die offene optische Überwachung möglich sind. Wie in Niedersachsen existiert damit auch in Hessen eine formelle Vorschrift, welche den Gerichtspräsidenten hausrechtliche Befugnisse einräumt. In Bezug auf die Regelungstiefe ergibt sich in Hessen, dass § 6 Abs. 1 IT-StellenG zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bei Gerichten zu offenen Videoüberwachungen im Innen- und Außenbereich sowie zur Durchführung von Zugangskontrollen nach pflichtgemäßem Ermessen ermächtigt. Damit sind der Inhalt, der Gegenstand sowie der Zweck festgelegt, denn es wird zu Maßnahmen ermächtigt, um die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden aufrechtzuerhalten. Aussagen zum Ausmaß der Maßnahmen lassen sich der Vorschrift jedoch nur teilweise entnehmen. Eine dem Erfordernis von Rechtsklarheit und Bestimmtheit genügende Ermächtigung ergibt sich aus § 6 Abs. 1 S. 1 IT-StellenG für offene Videoüberwachungen. Mit dieser Vorschrift wird explizit zu offenen Videoüberwachungen ermächtigt und die genauere Bestimmung erfolgt in Abs. 2 Nr. 2, indem festgelegt wird, wann eine optisch offene Überwachung erfolgen kann und auch unter welchen Voraussetzungen Aufzeichnungen möglich sind. Zwar enthält die Norm keine Aussage darüber, wem die Befugnisse zustehen. Allerdings lässt sich dies zum einen aus § 6 Abs. 4 IT-StellenG ermitteln, wonach die sitzungspolizeilichen Maßnahmen unberührt bleiben. Daraus kann geschlossen werden, dass jedenfalls nicht Maßnahmen des Vorsitzenden in § 6 Abs. 1 und 2 ITStellenG gemeint sind. Zum anderen führt die Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung zu § 6 Abs. 1 IT-StellenG explizit aus, dass die Maßnahmen vom jeweiligen Hausrechtsinhaber angeordnet werden.190 Soweit ferner in § 6 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 IT-StellenG generell zur Durchführung von Zutrittskontrollen ermächtigt wird, kann hierin, wie auch in § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 NJG, nur die Ermächtigung gesehen werden, verdachtsunabhängig die zugangsbegehrenden Personen einen Metalldetektorrahmen passieren und mitgeführte Sachen durchleuchten zu lassen. Eine darüberhinausgehende Ermächtigung zu grundrechtsbeschränkenden Maßnahmen, sei es auch im Sinne von Gefahrer189

Gesetz zur Errichtung der Informationstechnik-Stelle der hessischen Justiz (IT-Stelle) und zur Regelung justizorganisatorischer Angelegenheiten sowie zur Änderung von Rechtsvorschriften v. 16. 12. 2011, GVBl. II 210 – 99. 190 Siehe LT-Drs. 18/4261, S. 11.

I. Befugnisse der Gerichtsverwaltung

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forschungseingriffen,191 wie etwa zur Durchsuchung von Personen oder Sachen oder der Feststellung der Identität, weil eine (Anscheins-) Gefahr noch nicht bejaht werden kann, findet sich in dieser Norm nicht. Insoweit fehlt es auch hier an einer klaren und normbestimmten Ermächtigung zu diesen grundrechtsrelevanten Maßnahmen. Zwar kann man aus § 6 Abs. 2 Nr. 1 IT-StellenG entnehmen, dass wohl auch Durchsuchungen vom Gesetzgeber gewollt sind, wenn zum Auffinden von zu Störungen verwendbaren Gegenständen auch technische Hilfsmittel verwendet werden dürfen. Zu diesem Ergebnis gelangt man auch, wenn man die Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung zu § 6 Abs. 2 IT-StellenG heranzieht, nach der sich die Kontrolle des Zutritts auf die Personen und die von ihr mitgeführten Sachen bezieht,192 wobei mit dieser Kontrolle wohl auch Durchsuchungen gemeint sind. Allerdings ändert dies nichts daran, dass es neben sämtlichen bei Zutrittskontrollen relevanten Maßnahmen, wie etwa Identitätsfeststellungen oder Sicherstellungen, auch für die Durchsuchungen an einer der Normklarheit und Bestimmtheit genügenden Festlegung der staatlichen Eingriffsmöglichkeiten durch den Gesetzgeber fehlt. Wird weder festgelegt, welche Maßnahmen konkret erfolgen können, noch welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, werden der Exekutive auch insoweit keine steuernden Handlungsmaßstäbe an die Hand gegeben und der Bürger hat keine Möglichkeit, sich auf die belastenden Maßnahmen einzustellen. Da § 6 IT-StellenG zudem unabhängig von etwaigen Zutrittskontrollen keine Regelungen zur Anordnung von Ausweiskontrollen, der Durchsuchung von Personen oder Sachen, der Sicherstellung oder Beschlagnahme von Gegenständen oder der Erteilung von Hausverweisen und -verboten enthält, stellt § 6 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 IT-StellenG auch keine Ermächtigungsgrundlage für solche hausrechtlichen Maßnahmen dar. cc) Die übrigen Bundesländer Während sich in Niedersachsen und Hessen ausdrückliche Regelungen des öffentlich-rechtlichen Hausrechts an Gerichtsgebäuden finden, liegen solche, soweit ersichtlich, in den übrigen Bundesländern nicht vor. Hier stellt sich die Frage, ob die hausrechtlichen Maßnahmen unter die Polizeigesetze, die Gesetze über die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder ähnliche Gesetze der jeweiligen Bundesländer gefasst werden und sich hieraus entsprechende Ermächtigungen für die Gerichtsverwaltung ergeben können.

191 Dass keine konkrete Gefahr gefordert wird, ergibt sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung zu § 6 Abs. 2 IT-StellenG, LT-Drs. 18/4261, S. 11. 192 LT-Drs. 18/4261, S. 11.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

(1) Hamburg – Gerichtsverwaltung als Verwaltungsbehörde In Hamburg räumen die Generalklausel in § 3 Abs. 1 HmbSOG193 sowie einige speziellere Ermächtigungsgrundlagen in diesem Gesetz unter anderem den Verwaltungsbehörden die Befugnis zu bestimmten Gefahrenabwehrmaßnahmen ein. Da die Gerichte im Rahmen ihrer verwaltenden Tätigkeit Verwaltungsbehörden darstellen,194 sind sie auch solche im Sinne des § 3 Abs. 1 HmbSOG und die Normen, welche den Verwaltungsbehörden Befugnisse einräumen, ermächtigen zugleich die Gerichtsverwaltung.195 Dass sich das Hamburger Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auch auf die Gerichtsverwaltung bezieht, ergibt sich zudem unter Heranziehung der Begründung des Gesetzesentwurfes zu § 3 Abs. 1 HmbSOG. Die Begründung legt einen weiten Verwaltungsbehördenbegriff zu Grunde, der alle mit staatlichen Hoheitsbefugnissen ausgestatteten Einrichtungen umfasst, worunter auch alle Behörden der unmittelbaren Verwaltung zu zählen sind.196 Nach § 12 Abs. 1 HmbSOG ist der Gerichtspräsident zur Identitätsfeststellung befugt, wobei er sich die Ausweispapiere zeigen oder aushändigen lassen kann, wenn dies zur Gefahrenabwehr erforderlich ist. Keine gesetzliche Ermächtigung, welche die einhergehenden Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verfassungsrechtlich rechtfertigen zu vermag, findet sich in dieser Vorschrift jedoch zum teilweise praktizierten Einbehalten, Kopieren oder Einscannen der Ausweispapiere, sodass diese Maßnahmen auf Grundlage von § 12 Abs. 1 HmbSOG ausscheiden. Nach § 12a HmbSOG kommt dem Gerichtspräsidenten aber die Befugnis zu, eine Person vorübergehend dem Gerichtsgebäude bzw. -gelände zu verweisen sowie ihr vorübergehend das Betreten zu untersagen. Liegen Tatsachen vor, welche die Annahme rechtfertigen, dass eine Person im Gerichtsgebäude oder auf dem Gerichtsgelände eine Straftat begehen wird, kann ihr darüber hinaus nach § 12b Abs. 2 S. 1 HmbSOG die Anwesenheit im Gerichtsgebäude oder -gelände für längstens sechs Monate untersagt werden. Möglich ist nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 HmbSOG ferner die Durchsuchung von Personen und nach § 15a Abs. 1 Nr. 1 HmbSOG die Durchsuchung mitgeführter Sachen. Nach § 14 HmbSOG ist der Gerichtspräsident zur Sicherstellung bestimmter Gegenstände befugt. Keine Befugnis hat er jedoch, wie auch in Hessen, mangels einer entsprechenden Ermächtigung zur Anordnung von Videoüberwachungen. Auch wenn sich nach den auf die Gerichtsverwaltung anwendbaren Vorschriften die Ermächtigung zu bestimmten Maßnahmen ergibt, setzen viele von ihnen das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraus. Da es sich bei den im Rahmen von Zutrittskontrollen relevanten Maßnahmen jedoch oftmals um Gefahrerforschungs193

S. 77. 194 195 196

Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung v. 14. 03. 1966, HmbGVBl. Siehe hierzu bereits oben, S. 23. So auch Kees, NJW 2013, 1929, Fn. 51; siehe auch Ehlers, DÖV 1977, 737, 740. LT-Drs. Nr. 75 v. 11. 05. 1965, S. 192.

I. Befugnisse der Gerichtsverwaltung

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maßnahmen handelt, da noch keine konkrete Gefahr vorliegt,197 stellen die genannten Normen nur dann hinreichende Befugnisnormen dar, sofern sie zu Gefahrerforschungseingriffen auch ermächtigen. Dies ist etwa bei § 15 Abs. 1 Nr. 2 HmbSOG sowie bei § 15a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 2 HmbSOG der Fall, denn hier genügt es, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Sachen mitgeführt werden, die sichergestellt werden dürfen. (2) Im Übrigen – Gerichtsverwaltung als besondere Polizeibehörde, Ordnungsbehörde oder Sonderpolizeibehörde? Scheidet demnach in den anderen Bundesländern mangels entsprechender Ermächtigungen die Möglichkeit der Gerichtsverwaltung zum Erlass hausrechtlicher Maßnahmen aus, stellt sich die Frage, ob die Gerichtsverwaltung als Ordnungsbehörde, als besondere Polizeibehörde oder als Sonderpolizeibehörde qualifiziert werden kann. Wenn dem so wäre, wären die jeweiligen Sicherheitsgesetze der Bundesländer mit der Folge anwendbar, dass sich in diesen Gesetzen doch Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass hausrechtlicher Maßnahmen durch den Gerichtspräsidenten finden würden. In Baden-Württemberg und Sachsen, wo im jeweiligen Polizeigesetz zwischen allgemeinen und besonderen Polizeibehörden, in Sachsen-Anhalt, wo zwischen allgemeinen und besonderen Sicherheitsbehörden, in Rheinland-Pfalz, SchleswigHolstein, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Bremen, wo zwischen allgemeinen Ordnungs- bzw. Polizeibehörden und Sonderpolizei- oder Sonderordnungsbehörden und im Saarland, wo zwischen allgemeinen Polizeiverwaltungsbehörden und Sonderpolizeibehörden differenziert wird, kann die Gerichtsverwaltung zunächst nicht als allgemeine Polizei-, Sicherheits-, Ordnungsoder Polizeiverwaltungsbehörde eingestuft werden. Sie fällt nicht unter die ausdrückliche Aufzählung in § 62 PolG BW, § 64 Abs. 1 SächsPolG, § 84 Abs. 1 SOG LSA, § 88 Abs. 1 POG RP, § 164 Abs. 1 Nr. 1 – 3 LVwG SH, § 3 Abs. 1 S. 1 SOG M-V, § 3 Abs. 1 OBG NRW, § 3 Abs. 1 BrandOBG, § 65 Abs. 1 BremPolG und § 75 Abs. 2 SPolG. Gleiches gilt in Berlin und Thüringen, wo es neben der Polizei ohne nähere Differenzierung nur Ordnungsbehörden, und in Bayern, wo es neben der Polizei nur Sicherheitsbehörden, gibt, § 2 Abs. 2 – 4 ASOG Bln, § 1 ThürOBG, Art. 6 BayLStVG. Die Gerichtsverwaltung stellt überdies keine besondere Polizei- oder Sicherheitsbehörde, Sonderordnungs- oder Sonderpolizeibehörde oder Sicherheitsbehörde dar. Hierunter fallen, wie auch § 85 SOG LSA, § 66 Abs. 1 BremPolG, § 11 Abs. 1 BrandOBG, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SOG M-V, § 12 OBG NRW und Art. 7 Abs. 1 BayLStVG ausdrücklich vorsehen, nur solche Verwaltungsbehörden, die aufgrund

197

So auch Olizeg, Hausrecht, S. 136.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

einer besonderen Rechtsvorschrift Aufgaben der Gefahrenabwehr wahrnehmen.198 Während die Aufgabe der Gefahrenabwehr manchen Behörden und Ämtern besonders eingeräumt wird, etwa dem Präsidenten des Landtages die Ausübung der Polizeigewalt im Sitzungsgebäude des Landtages nach Art. 32 Abs. 2 S. 1 LV BW,199 müsste auch dem Gerichtspräsidenten die Ausübung der Polizeigewalt im Gerichtsgebäude eingeräumt sein. Dies könnte man etwa in Nordrhein-Westfalen erwägen, da § 7 Abs. 2 JustizG NRW vorsieht, dass das Justizministerium die Erledigung der in Absatz 1 bezeichneten Geschäfte, worunter auch die der Gerichtsverwaltung fallen, allgemein oder im Einzelfall näher regeln kann. Allerdings existieren keine solchen Regelungen, sondern oftmals lediglich interne und der Allgemeinheit nicht zugängliche Sicherheitskonzepte.200 Da auch sonst keine Regelungen vorliegen, scheidet die Anwendung der polizeirechtlichen Normen zum Erlass hausrechtlicher Maßnahmen durch den Gerichtspräsidenten aus. dd) Zwischenergebnis Festgehalten werden kann damit, dass mit § 16 Abs. 1 S. 1 NJG die Gerichtspräsidenten in Niedersachsen zu vielen der für die Sicherheit und Ordnung in Gerichten relevanten sowie in den Sicherheitskonzepten vorgesehenen hausrechtlichen Maßnahmen, insbesondere auch zur Durchführung von Zutrittskontrollen, ermächtigt wurden. Keine Ermächtigung ergibt sich jedoch in Niedersachsen zu den teilweise praktizierten Videoüberwachungen des Innen- und Außenbereiches der Gerichtsgebäude. In Hessen existiert mit § 6 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 ITStellenG eine Ermächtigungsgrundlage, auf deren Grundlage offene Videoüberwachungen im Innen- und Außenbereich des Gerichtsgebäudes sowie Zutrittskontrollen in dem Sinne angeordnet werden können, dass die zutrittswilligen Personen einen Metalldetektorrahmen passieren und die mitgeführten Sachen durchleuchten lassen müssen. Weitergehende grundrechtsbeschränkende Anordnungen sind mangels einer normklaren und hinreichend bestimmten Ermächtigungsnorm in Hessen nicht möglich. In Hamburg können die wesentlichen für die Sicherheit und Ordnung in Gerichten relevanten hausrechtlichen Maßnahmen, allerdings, wie auch in Niedersachsen, mit der Ausnahme von Videoüberwachungen, erlassen werden. Dies ist auf Grundlage der Normen des Hamburger Gesetzes zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, soweit die Vorschriften sich auch auf die Verwaltungsbehörden beziehen und damit die Gerichtverwaltung ermächtigen, möglich.

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Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil C, Rn. 25; Ruder, PolR BW, Rn. 67; ausdrücklich § 75 Abs. 3 1. HS. SPolG. 199 Art. 21 Abs. 1 BV, Art. 86 S. 4 HV. 200 Telefonische Auskunft an die Verfasserin durch das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen am 21. 02. 2016.

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c) Mögliche Ermächtigungsgrundlagen bei Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung Existieren damit in Baden-Württemberg und auch in den übrigen Bundesländern, soweit ersichtlich, keine ausdrücklichen Ermächtigungsnormen zum Erlass hausrechtlicher Maßnahmen, ist aber in Einklang mit der Rechtsprechung und Literatur von einem bestehenden öffentlich-rechtlichen Hausrecht an Verwaltungsgebäuden auszugehen, stellt sich im Folgenden die Frage, ob sich die Befugnis zu hausrechtlichen Maßnahmen nicht auch aus anderen Normen oder den in der Literatur vorgeschlagenen Surrogaten ergeben kann. aa) Anwendung von §§ 903, 1004, 858 ff. BGB Naheliegend erscheint es als Legitimationsquelle auf die §§ 903, 1004, 858 ff. BGB, das heißt auf die dogmatische Rechtsgrundlage des privaten Hausrechts,201 abzustellen.202 Da auch an Verwaltungsgebäuden das Eigentum oder der Besitz privatrechtlich zugeordnet ist,203 erscheint die Berufung auf die aus diesen Normen folgenden Abwehransprüche auf den ersten Blick nicht von vornherein ausgeschlossen. Auf den zweiten Blick muss die Heranziehung der Vorschriften über den Eigentums- und Besitzschutz aber ausscheiden. Generell können auch hier die bereits gegen eine rein privatrechtliche Rechtsnatur des Hausrechts an Behördengebäuden genannten Argumente, insbesondere die gewonnene Erkenntnis,204 angeführt werden, dass beim Erlass hausrechtlicher Maßnahmen in Verwaltungsgebäuden in der Regel nicht der Schutz des Eigentums oder Besitzes verfolgt wird, sondern es um den Schutz vor Funktionsstörungen der staatlichen Aufgabenerfüllung geht. Wird dieser Schutz verfolgt, so bedarf es aber auch für die Abwehr von Störungen für die Verwaltungstätigkeit der genuinen öffentlich-rechtlichen Instrumente und es ist nicht auf privatrechtliche Behelfsmöglichkeiten zurückzugreifen.205 Ferner sind bei der Anwendung der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung Bedenken anzumelden. Die Heranziehung der bundesrechtlichen Normen würde einen Übergriff in die Gesetzgebungskompetenz der Länder nach sich ziehen.206 Nach Art. 30 GG liegt die Verwaltungszuständigkeit grundsätzlich bei den Ländern und nach Art. 70 Abs. 1 GG i.V.m Art. 83 ff. GG ebenso die Regelung des Verwaltungsrechts, wobei es zu den Angelegenheiten der Verwaltung auch gehört, zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfül201

Siehe hierzu unten, S. 132 ff. BGH, Urteil v. 26. 10. 1960, V ZR 122/59 (KG) = NJW 1961, 308 f.; Stürner, Anm. zu BVerwG, Urteil v. 13. 03. 1970, VII C 80.67 = JZ 1971, 98. 203 Klenke, NWVBl. 2006, 84. 204 Siehe hierzu S. 32. 205 Bethge, Die Verwaltung 1977, 313, 320. 206 Zweifelnd auch Klenke, NWVBl. 2006, 84; für eine Landeskompetenz auch Kees, NJW 2013, 1929, 1931; Kruis, BayVBl. 2013, 97, 101. 202

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lung die erforderlichen Maßnahmen, wie z. B. hausrechtliche, ergreifen zu können. Da sich für den Erlass hausrechtlicher Maßnahmen keine besondere Regelung findet, welche die Kompetenzen dem Bund zuweist, liegt die Kompetenz zu Regelungen über die der funktionalen Landesverwaltung zuzuschreibenden Justizgebäude bei den Ländern. Würden als Rechtsgrundlage für hausrechtliche Maßnahmen bundesrechtliche Normen, wie §§ 903, 1004, 858 ff. BGB, herangezogen werden, würde dies daher der vorgegebenen Kompetenzordnung widersprechen. Hinzu kommt, dass die privatrechtlichen Normen der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB nicht den sich vor dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes ergebenden Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage für die relevanten hausrechtlichen Maßnahmen in Gerichtsgebäuden genügen. Zwar würde mit diesen Normen eine formell gesetzliche Normierung vorliegen, sodass der Qualität der ermächtigenden Rechtsnorm Genüge getan wäre.207 Allerdings genügen die privatrechtlichen Normen nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsklarheit und Bestimmtheit von zu Grundrechtseingriffen ermächtigenden Normen. In ihnen wird zum einen das öffentlich-rechtliche Hausrecht nicht konstituiert, wie dies in systematischer Hinsicht die ausdrücklichen Normierungen des öffentlich-rechtlichen Hausrechts, wie z. B. Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG oder § 7 Abs. 2 S. 1 GOBT, vorsehen oder sich diesen entnehmen lässt.208 Zum anderen enthalten die privatrechtlichen Normen der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB keine Ermächtigung zur Ausübung hoheitlicher Gewalt.209 Sie räumen zwar Abwehrrechte ein, ermächtigen aber nicht zu hoheitlichen Maßnahmen oder regeln den Inhalt, Gegenstand, Zweck oder das Ausmaß der hausrechtlichen Maßnahmen, obwohl dies, wie oben bereits näher ausgeführt,210 notwendig ist. Aus ihnen ergibt sich weder für die Exekutive, unter welchen Voraussetzungen hausrechtliche Maßnahmen, wie beispielsweise die in der Praxis vorgenommenen Identitätsfeststellungen, Durchsuchungen von Personen und mitgeführter Sachen, Hausverweise oder -verbote oder aber auch Videoüberwachungen, ergriffen werden können noch für den Bürger welche Rechtsfolgen eintreten können. bb) Analoge Anwendung von §§ 903, 1004, 858 ff. BGB Soweit eine direkte Anwendung der Eigentums- und Besitzschutznormen abgelehnt wird, gehen manche davon aus, dass als Ermächtigungsgrundlage für hausrechtliche Maßnahmen die §§ 903, 1004, 858 ff. BGB in analoger Anwendung herangezogen werden können.211 207

So auch Michl/Roos, LKRZ 2012, 50, 52. Klenke, NWVBl. 2006, 84, 85. 209 Schmitt, Das öffentlich-rechtliche Hausrecht, S. 28; Knoke, AöR 1969, 388, 398. 210 Siehe hierzu bereits oben, S. 35 ff. 211 VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschluss v. 14. 06. 2011, 4 L 543/11 = NJW 2011, 3317, 3318; Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 103. 208

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(1) Belastende Analogie im Verwaltungsrecht? Während dahingehend Einigkeit besteht, dass auch im Öffentlichen Recht Analogieschlüsse zugunsten des Bürgers generell erlaubt sind und Analogieschlüsse zulasten der Bürger ausscheiden, wenn diese in bestimmten Teilgebieten, wie etwa im Strafrecht durch Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB untersagt sind, ist unter anderem bis heute ungeklärt, ob belastende Analogiebildungen im Verwaltungsrecht möglich sind.212 Diese Frage bedarf für die vorliegende Untersuchung der Klärung, da es sich bei den hausrechtlichen Maßnahmen um belastende hoheitliche Maßnahmen handelt und die analoge Anwendung der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB nur dann möglich ist, wenn belastende Analogieschlüsse nicht generell ausscheiden. Zieht man zur Klärung der Frage die Literatur und Rechtsprechung heran, ergibt sich ein uneinheitliches Bild.213 Während im Schrifttum manche ein absolutes Analogieverbot annehmen,214 lassen andere belastende Analogieschlüsse zu.215 Im Sinne eines vermittelnden Ansatzes wird teilweise angenommen, die Analogiebildung könne in bestimmten Fällen aus Gründen der Rechtssicherheit ausscheiden.216 Auch die Rechtsprechung ist nicht einheitlich. Während das BVerfG mit Ausnahme der Hausgeldentscheidung217 Analogieschlüsse grundsätzlich für zulässig hält,218 nimmt das BVerwG für das Abgabenrecht ein Analogieverbot an, lehnt aber im Übrigen die Analogie nur dann ab, wenn die rechtsmethodischen Anforderungen nicht erfüllt sind und verlangt im Eingriffsbereich besondere Anforderungen an die 212

Beaucamp, AöR 2009, 83, 86 f. m.w.N. und 89. Ausführlich Bach, Analogieverbot im Verwaltungsrecht, S. 35 ff. 214 Gärditz, in: Friauf/Höfling, GG, Band 2, Art. 20, 6. Teil, Rn. 159; Gusy, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Band I, Art. 8, Rn. 63; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 390; Krey, in: Schwind u. a., FS für Blau, S. 123, 149; Schenke/Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, Teil II, Rn. 210; Alberts, ZRP 1988, 285, 288; Beaucamp, AöR 2009, 83, 105; Caspar, AöR 2000, 131, 148; v. Coelln, NVwZ 2001, 1234, 1236; Goerlich, LKV 1998, 46, 48; Gusy, DÖV 1992, 461, 464; Konzak, NVwZ 1997, 872, 873; Kniesel, NJW 2000, 2857, 2865; Ruffert, BayVBl. 2003, 33, 36; Trurnit, NVwZ 2012, 1079, 1081; Zuleeg, JuS 1985, 106, 109; für das Steuerrecht Loeser, System des Verwaltungsrechts, Band 1, § 8, Rn. 55 ff. und 70; Offerhaus, BB 1984, 993, 995 f. 215 Hemke, Methodik der Analogiebildung, S. 292; Forsthoff, VerwR, Band 1, S. 167; Stern, Staatsrecht, Band III/2, S. 436; Schwabe, Anm. zu BVerfG, Beschluss v. 14. 08. 1996, 2 BvR 2088/93 = DVBl. 1997, 352 f.; für das Steuerrecht Gersch, in: Klein, AO, § 4, Rn. 38; Tipke/Lang, Steuerrecht, 17. Aufl., § 4, Rn. 186 ff.; im Verjährungsrecht Doerfer, WissR 2012, 227, 242; offen gelassen für belastende Verwaltungsakte Lange, Die verwaltungsrechtliche Verjährung, S. 55; Ennuschat, JuS 1998, 905, 908. 216 Für das Steuerrecht Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 4, Rn. 701; in diese Richtung auch Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 121; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44, Rn. 54; Bach, Analogieverbot im Verwaltungsrecht, S. 173 ff. m.w.N.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 67. 217 BVerfG, Beschluss v. 14. 08. 1996, 2 BvR 2088/93 = NJW 1996, 3146. 218 BVerfG, Beschluss v. 13. 10. 1970, 1 BvR 226/70 = NJW 1970, 2205, 2207; ausführlich Bach, Analogieverbot im Verwaltungsrecht, S. 39 ff. m.w.N. 213

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den rechtstaatlichen Grundsätzen genügenden Rechtsgrundlagen.219 Die obergerichtliche Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte lässt die Frage der Analogiebildung im Eingriffsbereich entweder offen oder nimmt, wie auch mehrere unterinstanzliche Gerichte, ein Analogieverbot an.220 Das BSG hingegen lehnt belastende Analogieschlüsse vor dem Hintergrund der Grundrechtsrelevanz in rentenrechtlichen Fragen ab und der BFH sowie die sonstige Finanzgerichtsbarkeit haben bis heute keine einheitliche Linie gefunden.221 Die Argumentation im Rahmen dieser Ansätze dreht sich vor allem um die Vereinbarkeit belastender Analogieschlüsse mit dem Bundesstaatsprinzip, dem sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Prinzip der Rechtssicherheit, dem Demokratie- und Gewaltenteilungsprinzip, dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, wobei sich die verfassungsrechtlichen Erfordernisse teils überschneiden, sowie der Frage, ob die Analogie nach dem Gleichheitssatz geboten ist.222 Dieser Frage der Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben soll im Folgenden unter Fokussierung auf die hier relevanten hausrechtlichen Maßnahmen der Gerichtsverwaltung in der gebotenen Kürze nachgegangen werden. (a) Bundesstaatsprinzip Bedenken gegen die Möglichkeit einer Analogiebildung werden teilweise vor dem Hintergrund des Kompetenzgefüges zwischen dem Bund und den Bundesländern vorgebracht. Argumentiert wird, wenn auch ohne nähere Begründung, dass eine Analogie nur dann in Betracht komme, wenn der Gesetzgeber die sich infolge der analogen Anwendung ergebende Rechtsfolge nicht nur hätte setzen wollen, sondern auch hätte setzen dürfen, weshalb die Heranziehung bundesrechtlicher Normen zur Lückenfüllung im Landesrecht ausscheide.223 Richtig hieran ist, dass das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Bundesstaatsprinzip die Bildung von Analogien als solche nicht verbietet, sondern nur Vorgaben hinsichtlich der heranzuziehenden Vorschriften gibt.224 Sollen Bundesnormen der Lückenfüllung des Landesrechts dienen, 219 Für das Abgabenrecht siehe BVerwG, Beschluss v. 22. 04. 1999, 6 B 12 – 99 = NVwZRR 1999, 586, 587; im Übrigen BVerwG, Urteil v. 03. 04. 1996, 6 C 5/94 = NJW 1996, 2669. 220 Offen gelassen von OVG Münster, Urteil v. 18. 06. 2002, 15 A 83/02 = NVwZ 2003, 887, 889; für ein Analogieverbot VGH München, Urteil v. 20. 02. 2003, 15 B 00.1363 = NVwZ-RR 2003, 726, 727; OVG Lüneburg, Urteil v. 18. 01. 2011, 10 LC 286/08 = BeckRS 2011, 46609. 221 BSG, Urteil v. 26. 06. 2007, B 4 R 19/07 R = BeckRS 2008, 50032; gegen ein Analogieverbot BFH, Urteil v. 20. 10. 1983, VI R 175/79 = NVwZ 1984, 823 f.; FG Köln, Urteil v. 29. 09. 2000, 7 K 4746/99 = DStRE 2001, 287, 289; für ein Analogieverbot BFH, Urteil v. 08. 02. 1979, V R 114/74 = BeckRS 1979, 22004779; Urteil v. 19. 05. 2010, XI R 6/09 = DStRE 2010, 1260, 1262 f. 222 Ausführlich Bach, Analogieverbot im Verwaltungsrecht, S. 36 ff.; Guckelberger, Verjährung, S. 299 ff.; Beaucamp, AöR 2009, 83, 92 ff; Gern, DÖV 1985, 558, 561 ff. 223 Klenke, NWVBl. 2006, 84, 85. 224 Beaucamp, AöR 2009, 83, 97.

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ergeben sich vor dem Bundesstaatsprinzip jedoch keine Probleme.225 Das Landesrecht stellt keine Rechtsordnung dar, welche neben dem Bundesrecht besteht, sondern ist, wie sich aus Art. 31 GG entnehmen lässt, dem Bundesrecht untergeordnet.226 Müssen sich die Regelungen des Landesgesetzgebers daher im Rahmen des Bundesrechts bewegen und sich in dieses einfügen,227 können auch bundesrechtliche Normen zur Lückenfüllung im Landesrecht herangezogen werden. Keine kompetenzrechtlichen Bedenken bestehen demzufolge bei der Heranziehung der bundesrechtlichen Normen der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB zur Lückenfüllung des jeweiligen Landesrechts als Ermächtigungsgrundlage für die hausrechtlichen Maßnahmen der Gerichtsverwaltung. (b) Grundsatz der Gewaltenteilung Bezweifelt wird die Möglichkeit eines belastenden Analogieschlusses ferner vor dem Hintergrund des in Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG verankerten Prinzips der Gewaltenteilung. Vorgebracht wird, die Schließung von Gesetzeslücken erfolge nicht durch den Gesetzgeber, sondern durch die Rechtsprechung oder die Verwaltung, worin ein Übergriff in die Kompetenzen der Legislative liegen könne.228 Kompetenzüberschneidungen und -verschränkungen seien zwar mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz vereinbar, allerdings nur, soweit nicht in den Kernbereich der einer anderen Gewalt zugewiesenen Funktion eingegriffen werde, was bei belastenden Analogien durchaus der Fall sein könne.229 Überträgt man diese generell gegen eine belastende Analogie vorgebrachten Bedenken auf die hier relevante Frage, ob bei der analogen Anwendung der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB als Rechtsgrundlage für hausrechtliche Maßnahmen der Gerichtsverwaltung ein Übergriff in den Kernbereich der Legislative liegt, ist dies zu bejahen. Zwar könnte man argumentieren, dass dann, wenn der Gesetzgeber die Lücke kennt und er die Möglichkeit der Analogie nicht unterbindet, er sich nicht im Kernbereich seiner Staatsfunktion verletzt fühlt.230 Dem muss jedoch entgegengehalten werden, dass allein die Möglichkeit des Gesetzgebers die Rechtsfortbildung unterbinden zu können, den Übergriff in den Bereich der Legislative nicht ausschließt. Dass er die Lücke nicht schließt, muss nicht zwingend damit zusammenhängen, dass er sich nicht im Kernbereich seiner Kompetenzen verletzt fühlt, sondern kann auch andere Gründe haben, etwa dass das Problem vom Gesetzgeber rechtlich 225 Guckelberger, Verjährung, S. 312; Beaucamp, AöR 2009, 83, 97; Schmidt, VerwArch 2006, 139, 159. 226 Schmidt, VerwArch 2006, 139, 159. 227 Schmidt, VerwArch 2006, 139, 159. 228 Für das Abgabenrecht Offerhaus, BB 1984, 993, 995 f.; Gern, NVwZ 1995, 1145, 1147; siehe im Übrigen Beaucamp, AöR 2009, 83, 93 f. 229 BVerfG, Urteil v. 27. 04. 1959, 2 BvF 2/58 = BeckRS 9998, 117582; Gern, NVwZ 1995, 1145, 1147. 230 Beaucamp, AöR 2009, 83, 94.

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anders beurteilt wird. Dem Gesetzgeber zu unterstellen, er treffe eine Regelung nur aus dem Grunde nicht, weil er sich nicht in seinem Kernbereich verletzt fühlt, ginge zu weit. Die Nichtregelung kann allenfalls ein Indiz, nicht aber das ausschlaggebende Argument sein. Ferner könnte man annehmen, ein Eingriff in den Kernbereich liege nicht vor, da die Grenzüberschreitung nur einen Einzelfall betreffe231 oder sich die Analogiebildung lediglich auf einen Randbereich eines im Übrigen normierten Bereiches beziehe.232 Allerdings stellt sich die Lückenschließung nicht nur als Anwendung in einem Einzelfall dar. Sie wird generell-abstrakt entwickelt, da die vorgefundene Lücke nicht nur einmalig, sondern künftig immer dann, wenn sich die Frage nach der Rechtsgrundlage stellt, durch die analoge Anwendung der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB geschlossen werden würde. Zudem wird das öffentlich-rechtliche Hausrecht gerade nicht grundsätzlich von §§ 903, 1004, 858 ff. BGB erfasst und ist nicht nur in Randzonen ungeregelt. Es ist weder vom Wortlaut noch nach der Vorstellung des Gesetzgebers von diesen Normen erfasst. Schließlich ist ein Eingriff in den Kernbereich des Gesetzgebers schon deshalb anzunehmen, da es, wie oben gezeigt,233 für die hausrechtlichen Maßnahmen der Gerichtsverwaltung zwingend eines formellen Gesetzes bedarf. (c) Demokratieprinzip Nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus, weshalb es notwendig ist, dass die von staatlichen Organen gefällten Entscheidungen über eine gewisse demokratische Legitimation verfügen.234 Hieraus folgt zwar nicht, dass bei einer fehlenden Rechtsnorm Analogieschlüsse gänzlich unzulässig sind, allerdings ist der Analogieschluss nur dann demokratisch, wenn die Gesetzeslücke entsprechend dem eindeutig feststellbaren Willen des Gesetzgebers geschlossen wird, was in jedem Einzelfall zu prüfen ist.235 Auch diesen Anforderungen wäre nicht genügt, wenn man als Rechtsgrundlage für den Erlass hausrechtlicher Maßnahmen durch den Gerichtspräsidenten die §§ 903, 1004, 858 ff. BGB in analoger Anwendung heranziehen würde. Aus diesen Normen ergibt sich in keiner Weise der Wille des Gesetzgebers zur Regelung des öffentlich-rechtlichen Hausrechts, zumal selbst beim privaten Hausrechts bis heute ungeklärt ist, aus welchen Normen sich die Möglichkeit zum Erlass privatrechtlicher hausrechtlicher Maßnahmen ergibt.236 Selbst wenn die Möglichkeit zum Erlass privatrechtlicher Maßnahmen den §§ 903, 1004, 858 ff. BGB entnommen werden 231

Hemke, Methodik und Analogiebildung, S. 262; Beaucamp, AöR 2009, 83, 94. Gern, DÖV 1985, 558, 561 ff.; ders., NVwZ 1995, 1145, 1147. 233 Siehe hierzu bereits oben, S. 35 ff. 234 BVerfG, Beschluss v. 01. 10. 1987, 2 BvR 1178/86 u. a. = NJW 1988, 890, 891; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, II, Rn. 121. 235 Guckelberger, Verjährung, S. 313 f.; Gern, DÖV 1985, 558, 562. 236 Siehe hierzu ausführlich unten, S. 132 ff. 232

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kann, kommt in diesen Normen jedenfalls nicht der gesetzgeberische Wille zum Ausdruck, dass auch zur Aufrechterhaltung von Behördenbetrieben hausrechtliche Maßnahmen getroffen werden können sollen. Würde man die §§ 903, 1004, 858 ff. BGB heranziehen, würde man daher nicht nur etwaige unvollkommen im Normentext zum Ausdruck gebrachte Absichten verwirklichen, sondern solche dem Gesetzgeber gänzlich unterstellen. (d) Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes Weitere Bedenken gegen eine belastende Analogiebildung werden vor dem Hintergrund des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes vorgebracht. Nach dem demokratischen Gehalt dieses Grundsatzes dürfen im Bereich von Grundrechtseingriffen die wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber nicht delegiert werden, sondern müssen, um ein gewisses demokratisches Legitimationsniveau zu erreichen, einer Regelung des parlamentarischen Gesetzgebers zugeführt werden.237 Dem sei mit einer Heranziehung einer anderen Norm und der Übertragung ihres Tatbestandes im Wege der Analogie jedoch gerade nicht gedient, denn bei der Heranziehung einer anderen Norm liege gerade keine eigene Regelung des Gesetzgebers in diesem Bereich vor.238 Zudem sei die Möglichkeit einer Analogie deshalb zu bezweifeln, da nach dem rechtsstaatlichen Gehalt des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes die zu belastenden Maßnahmen ermächtigende Norm nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß so inhaltlich klar und in sich verständlich gefasst sein müsse, dass der Adressat der Norm sein Verhalten nach ihr ausrichten und voraussehen kann, welche Rechtsfolgen ihn treffen können, wobei mit steigender Wesentlichkeit auch die Präzision und Differenziertheit der Regelung steige.239 Da der Bürger nicht zu erkennen vermöge, ob sein Fall im Vergleich zu dem gesetzlich geregelten hinreichend ähnlich ist und die Norm daher im Wege der Analogie herangezogen werde, würden belastende Analogien im Eingriffsbereich diesen Anforderungen nicht genügen.240 Daneben könne die analog angewandte Norm nicht den Anforderungen an die Präzision genügen, denn würde die Norm selbst den Inhalt, Zweck, Gegenstand und das Ausmaß des Eingriffes festlegen, bestünde mangels einer Regelungslücke kein Bedürfnis mehr für eine Analogie.241 237

Siehe hierzu bereits oben, S. 36 ff. BVerfG, Urteil v: 31. 05. 2006, 2 BvR 1673/04 u. 2 BvR 2402/04 = NJW 2006, 2093, 2094; Gärditz, in: Friauf/Höfling, GG, Band 2, Art. 20, 6. Teil, Rn. 159; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 390; Beaucamp, AöR 2009, 83, 98 f., 101; Caspar, AöR 2000, 131, 148; Ehlers, DÖV 1977. 737, 741; Gern, DÖV 1985, 558, 563; Kniesel, NJW 2000, 2857, 2865; Konzak, NVwZ 1997, 872, 873. 239 BVerfG, Urteil v. 22. 11. 2000, 1 BvR 2307/94 = BVerfGE 102, 254, 337; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20, Rn. 84; Beaucamp, AöR 2009, 83, 101; Konzak, NVwZ 1997, 872, 873. 240 Beaucamp, AöR 2009, 83, 98 f.; Offerhaus, BB 1984, 993, 995; für das Steuerrecht Gersch, in: Klein, AO, § 4, Rn. 38; Gern, NVwZ 1995, 1145, 1148. 241 Beaucamp, AöR 2009, 83, 101; Ennuschat, JuS 1998, 905, 908; Konzak, NVwZ 1997, 872, 873; siehe auch BVerfG, Beschluss v. 14. 08. 1996, 2 BvR 2088/93 = NJW 1996, 3146. 238

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Diese den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes betreffenden Bedenken gelten auch bei der hier interessierenden analogen Anwendung der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB. Da sich für den Erlass hausrechtlicher Maßnahmen der Gerichtsverwaltung in Baden-Württemberg und den anderen Bundesländern außer Niedersachsen, Hessen und Hamburg keine Ermächtigungsgrundlage findet, liegt keine Regelung des Gesetzgebers vor, obwohl es sich bei den hausrechtlichen Maßnahmen um Anordnungen handelt, die sogar einer formell gesetzlichen Grundlage bedürfen.242 Damit liegt auch keine Norm vor, welche Inhalt, Zweck und Ausmaß des Eingriffs festlegt, aus welcher etwa entnommen werden könnte, dass hausrechtliche Maßnahmen des Gerichtspräsidenten möglich sind, welche Voraussetzungen dafür zu erfüllen sind und welche Folgen daraus eintreten können. Würde man die §§ 903, 1004, 858 ff. BGB als solche formellen Normen begreifen, würden jedoch auch diese Vorschriften nicht den dargestellten Anforderungen des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes genügen. Der von den hausrechtlichen Maßnahmen Betroffene kann nicht voraussehen, dass ihn, über den Wortlaut dieser privatrechtlichen Normen hinaus, auch hausrechtliche Maßnahmen des Gerichtspräsidenten treffen, die vom Wortlaut dieser Normen und damit von der vorgefundenen Gesetzeslage nicht erfasst sind. Die §§ 903, 1004, 858 ff. BGB sind Normen aus dem Privatrecht, bei welchen grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden muss, dass sie auch im Öffentlichen Recht Geltung beanspruchen, wenn nichts anderes vorgesehen ist. Zudem verfolgen sie den Schutz des Eigentums und Besitzes und gerade nicht die Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen und störungsfreien Dienstbetriebes der Verwaltung. Schon angesichts dieser erheblichen Unterschiede der Sachverhalte ist für den Bürger nicht erkennbar, dass von staatlicher Seite die Sachverhalte als so ähnlich eingestuft werden könnten, dass für den nicht geregelten Fall der hausrechtlichen Maßnahmen des Gerichtspräsidenten auf die privatrechtlichen Normen zurückgegriffen wird, um hierdurch eine Eingriffsermächtigung für belastende Maßnahmen zu schaffen. Ferner ist die dogmatische Grundlage des privaten Hausrechts bis heute nicht geklärt243 und ergibt sich nicht aus einer Norm, welche das private Hausrecht konkret konstituiert, sondern vielmehr aus der Zusammenschau der Befugnisse und Rechte aus Eigentum und Besitz. Schließlich werden bei einer analogen Anwendung der privatrechtlichen Normen der Exekutive keine konkreten und je nach Grundrechtsintensität bestimmten Handlungsbefugnisse eingeräumt. (e) Gleichheitssatz Ein anderes Ergebnis als die Unvereinbarkeit der analogen Anwendung von §§ 903, 1004, 858 ff. BGB zur Schaffung einer Rechtsgrundlage für die hausrechtlichen Maßnahmen der Gerichtsverwaltung mit dem Demokratieprinzip, dem Gewaltenteilungsgrundsatz sowie dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, ergibt 242 243

Siehe hierzu bereits oben, S. 48 f. Siehe unten S. 132 ff.

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sich auch nicht vor dem Hintergrund des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG. Zwar könnte man argumentieren, der objektiv-rechtliche Gehalt des Gleichheitssatzes, welcher zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen auch die Füllung von Gesetzeslücken im Wege der Analogie gebietet,244 fordere die Zulässigkeit belastender Analogieschlüsse oder ihm könne jedenfalls eine Vermutung der Zulässigkeit belastender Analogien entnommen werden.245 Für die vorliegende Untersuchung ist es jedoch nicht angezeigt, dem Gleichheitssatz ein solches Gewicht beizumessen, die Verstöße gegen die genannten verfassungsrechtlichen Prinzipien deshalb zurücktreten zu lassen. Richtig an der Argumentation ist, dass Art. 3 Abs. 1 GG wegen Art. 1 Abs. 3 GG alle Staatsgewalten bindet, also neben der Legislative auch die Judikative und Exekutive, und sie bei ihren Entscheidungen den allgemeinen Gleichheitssatz zu beachten haben. Auch ist zutreffend, dass das Gleichbehandlungsgebot in seiner rechtsstaatlichen Ausgestaltung als Gebot materieller Gerechtigkeit, das vom Rechtsanwender fordert, die von einer Vorschrift angeordnete Rechtsfolge auf einen vom Wortsinn nicht erfassten Sachverhalt auszuweiten, sofern vergleichbare Interessenlagen vorliegen, mit anderen Verfassungsprinzipien kollidieren kann.246 Dennoch kann der Gleichheitssatz nicht darüber hinweghelfen, dass die hier relevanten hausrechtlichen Maßnahmen Grundreche beschränken und es eines formellen Gesetzes bedarf, welches die staatlichen Eingriffsmöglichkeiten in bestimmten Maße selbst festlegt. An diesem Ergebnis vermag auch der Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit nichts zu ändern, denn aus ihm ergibt sich keine Kompetenz zu Analogieschlüssen durch die Judikative oder Exekutive für belastende Maßnahmen gegenüber Bürgern,247 hier in Form der Heranziehung der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB. (2) Ablehnung der analogen Anwendung im Übrigen Würde man unabhängig von diesem Ergebnis dennoch eine analoge Anwendung der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB befürworten, wären allerdings auch die rechtsmethodischen Voraussetzungen einer Analogiebildung zu verneinen. Zwar besteht außer in Niedersachsen, Hessen und Hamburg mangels einer Normierung des öffentlich-rechtlichen Hausrechts die erforderliche Regelungslücke. Diese wäre auch als planwidrig zu beurteilen, da der Gesetzgeber die Rechtsgrundlage für das öffentlich-rechtliche Hausrecht an Gerichtsgebäuden nicht bewusst offengelassen hat. Allerdings wäre das weitere Erfordernis der vergleichbaren Interessenlagen zu verneinen. Während das Interesse des privaten Hausrechtsinhabers dahin geht, hausrechtliche Maßnahmen zum Schutz seines Eigentums und/oder Besitzes zu ergreifen, nimmt der Inhaber des öffentlich-rechtlichen Hausrechts hausrechtliche 244

Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 65 f., 68. Bach, Analogieverbot im Verwaltungsrecht, S. 172 f.; Beaucamp, AöR 2009, 83, 92 f. 246 Bach, Analogieverbot im Verwaltungsrecht, S. 169 ff.; auch Guckelberger, Verjährung, S. 344 ff. 247 Beaucamp, AöR 2009, 83, 92. 245

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Maßnahmen vor, um den störungsfreien Ablauf seiner Verwaltungstätigkeiten sicherzustellen. Schon aufgrund dieser Wesensverschiedenheit würde die analoge Anwendung der Eigentums- und Besitzschutznormen nicht mehr nur eine bloße Übertragung bedeuten, sondern die absolute Abstrahierung der privatrechtlichen Normen erfordern.248 Um die Vorschriften für Träger hoheitlicher Gewalt im Eingriffsbereich anwenden zu können, müsste die Einordnung der Ansprüche in das Anspruchssystem des BGB aufgegeben und eine umfangreiche Anpassung an das Öffentliche Recht erfolgen.249 Hierfür müssten hoheitliche Befugnisse eingeräumt und deren Inhalt daran ausgerichtet werden, dass mit den öffentlich-rechtlichen hausrechtlichen Maßnahmen das Ziel der Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen und ungestörten Amtsbetriebes verfolgt wird. Damit würden die Befugnisse einen völlig anderen Ausgangspunkt als die privatrechtlichen Vorschriften erhalten und die privatrechtlichen Normen würden letztlich als bloße Hülle ohne ihren eigentlichen Inhalt fortbestehen. cc) Analogie zu öffentlich-rechtlichen Hausrechtsnormen Denkbar wäre weiterhin, insbesondere vor dem Hintergrund der bei einer Analogie zu den §§ 903, 1004, 858 ff. BGB erforderlichen Abstrahierung der privatrechtlichen Normen, die Gesetzeslücke im Wege einer Analogie zu den ausdrücklich normierten öffentlich-rechtlichen Vorschriften über das Hausrecht zu schließen.250 Als solche Normen kommen etwa Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG, § 17 Abs. 8 S. 1 LHG BW251 oder insbesondere § 16 Abs. 1 S. 1 NJG in Betracht. Da bei der analogen Anwendung dieser öffentlich-rechtlichen Hausrechtsnormen lediglich der in diesen Normen zum Ausdruck gebrachte Gedanke übertragen würde, dass den Trägern öffentlicher Gewalt zur störungsfreien Erfüllung ihrer Aufgaben die Befugnis zu hausrechtlichen Maßnahmen zugewiesen sein soll, ohne diese Normen ihres eigentlichen Inhaltes zu berauben, wären hinsichtlich der rechtsmethodischen Anforderungen der Analogiebildung neben der planwidrigen Regelungslücke auch die Interessenlagen vergleichbar. Ausscheiden muss jedoch von vornherein die analoge Anwendung von Landesvorschriften aus einem anderen Bundesland. Anders als im Rahmen der Lückenfüllung des Landesrechts durch Normen des Bundesrechts, stehen sich die Rechtsordnungen der Bundesländer gleichberechtigt gegenüber.252 Da es dieser Umstand 248 249

84, 86. 250

Für §§ 859 ff. BGB auch Frühling, Hausrecht, S. 121. Für §§ 859 ff. BGB auch Frühling, Hausrecht, S. 121; siehe auch Klenke, NWVBl. 2006,

Beaucamp, JA 2003, 231, 234. Von vornherein ausscheiden muss § 6 S. 1 BVerfGGO 2015, wonach der Präsident des BVerfG das Hausrecht ausübt, da es sich bei Geschäftsordnungen um organisatorisches Innenrecht ohne Außenwirkung handelt, siehe Maurer, VerwR AT, § 24, Rn. 12 ff. 252 Beaucamp, AöR 2009, 83, 97; Gern, DÖV 1985, 558, 564; Schmidt, VerwArch 2006, 139, 160. 251

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ausschließt, Normen aus einem anderen Bundesland zur Analogiebildung heranzuziehen, kommt ein Analogieschluss zu den die hausrechtlichen Befugnisse der Gerichtspräsidenten ausdrücklich regelnden § 16 Abs. 1 S. 1 NJG und § 6 ITStellenG nicht in Betracht. Stellt man daher lediglich auf die bundesrechtlichen Hausrechtsnormen oder etwaige landesrechtliche Vorschriften des gleichen Bundeslandes ab, so ergeben sich aber auch bei der analogen Heranziehung dieser Vorschriften Bedenken vor dem Hintergrund der dargestellten verfassungsrechtlichen Vorgaben. Vereinbar wäre die analoge Anwendung zwar insoweit mit dem Demokratieprinzip, als den Vorschriften immerhin der Wille des Gesetzgebers zur Normierung eines öffentlich-rechtlichen Hausrechts an Verwaltungsgebäuden entnommen werden kann und man argumentieren könnte, dass die Analogie für Gerichtsgebäude diesen Willen fortführt. Allerdings stehen der analogen Anwendung sodann wiederum das Gewaltenteilungsprinzip sowie die Vorgaben des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes entgegen. Für den Bereich der Gerichtsgebäude existiert in Baden-Württemberg und den anderen Bundesländern außer Niedersachsen, Hessen und Hamburg gerade keine Ermächtigungsnorm, die aber für die hausrechtlichen Maßnahmen des Gerichtspräsidenten im Sinne eines formellen Gesetzes gerade erforderlich ist.253 Zudem wäre den rechtsstaatlichen Anforderungen des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes nicht genügt. Zwar würden nicht Vorschriften aus einem anderen Rechtsgebiet herangezogen werden, da diese Normen jedenfalls dem Öffentlichen Recht entstammen. Allerdings ändert auch dieser Umstand nichts daran, dass es keine gesetzliche Vorschrift gibt und der Bürger solche Maßnahmen nach der Gesetzeslage grundsätzlich nicht befürchten muss. Dies gilt insbesondere auch deshalb, da mit den existierenden öffentlich-rechtlichen Normen über das Hausrecht spezielle Anwendungsbereiche, wie z. B. das Hausrecht für Hochschulen oder Schulen, geregelt werden, sodass eine Verallgemeinerung oder eine Ausdehnung auf alle Verwaltungsgebäude ohnehin zweifelhaft erscheint.254 Schließlich enthalten die Normen, welche das öffentlich-rechtliche Hausrecht normieren, auch selbst keine den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen genügenden Ermächtigungen zum Erlass hausrechtlicher Maßnahmen in dem Sinne, dass hierunter auch die relevanten grundrechtbeschränkenden Anordnungen des Gerichtspräsidenten gefasst werden könnten, welche teilweise sehr ausdifferenzierte Ermächtigungen fordern. Diese Vorschriften beschränken sich, wie beispielsweise § 41 Abs. 1 S. 3 SchG BW oder § 17 Abs. 8 S. 1 LHG BW zeigen, vor allem darauf, das öffentlich-rechtliche Hausrecht in diesem Bereich überhaupt zu konstituieren und einer Person zuzuweisen. Keine Regelung enthalten sie für bestimmte hausrechtliche Maßnahmen, welcher es jedoch gerade für die Hausrechtsausübung des Gerichtspräsidenten zur Schaffung von Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude bedürfte.

253 254

Siehe hierzu bereits oben, S. 48 f. So auch Frühling, Hausrecht, S. 115.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

dd) Analoge Anwendung der Ermächtigungsgrundlagen des PolG BW Vor dem Hintergrund fehlender Ermächtigungen zum Erlass hausrechtlicher Maßnahmen in den das öffentlich-rechtliche Hausrecht regelnden Vorschriften, könnte man ferner erwägen, die Befugnisnormen des baden-württembergischen Polizeigesetzes analog anzuwenden. Während die Ermächtigungsnormen des PolG BW zwar entsprechend den rechtsstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen festlegen würden, welche Maßnahmen unter welchen Voraussetzungen unter Beachtung der jeweiligen Grundrechtsintensität erlassen werden können, ergeben sich jedoch auch bei der analogen Anwendung der polizeilichen Ermächtigungsnormen Unvereinbarkeiten mit den genannten weiteren verfassungsrechtlichen Vorgaben. So fordert, wie soeben ausgeführt, das Demokratieprinzip, dass die Gesetzeslücken dem eindeutig feststellbaren Willen des Gesetzgebers entsprechend geschlossen werden. Hiervon kann allerdings bei der analogen Anwendung der polizeilichen Ermächtigungen nicht ausgegangen werden, denn aus den polizeilichen Normen ergibt sich in keiner Weise, dass der Gesetzgeber mit ihnen das öffentlich-rechtliche Hausrecht mitregeln wollte. Daneben stehen einer Analogiebildung auch das Gewaltenteilungsprinzip sowie die Vorgaben des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes entgegen. Die Lückenschließung würde sich auch hier nicht nur als eine Anwendung in einem Einzelfall darstellen, sondern künftig immer dann erfolgen, wenn sich die Frage nach der Ermächtigungsgrundlage stellt. Zudem würde wiederum nicht nur eine Lücke eines ungeregelten Teils oder Randbereichs geschlossen, sondern mit der Heranziehung sämtlicher polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen wesentliche Teile des Polizeirechts übernommen. Die analoge Anwendung der polizeilichen Befugnisnormen scheitert schließlich daran, dass auch insoweit keine eigene Entscheidung des Gesetzgebers vorläge, obwohl es einer eigenen Entscheidung des Gesetzgebers in der Form eines formellen Gesetzes bedürfte,255 in dem er die wesentlichen Entscheidungen trifft. ee) Ableitung aus § 123 StGB und den Notwehrrechten Soweit ferner auf § 123 StGB abgestellt wird, da hiernach Hausrechtsverletzungen im privaten und öffentlichen Bereich unter Strafe gestellt sind und es wegen der strafrechtlichen Sanktion als stärkster Ausgestaltung eines gesetzlichen Gebots oder Verbots keiner zusätzlichen Konstituierung mehr bedürfe oder die zivil- oder strafrechtlichen Notwehrrechte, wie § 32 StGB oder § 227 BGB, als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden,256 überzeugt auch dies nicht. Gegen beide Ansätze sprechen die bereits oben ausgeführten kompetenzrechtlichen und syste255

Siehe hierzu bereits oben, S. 48 f. In diese Richtung Gerhardt, Anm. zu VGH München, Beschluss v. 09. 07. 1980, Nr. 9 CS 80 A.268, BayVBl. 1980, 724, 725; siehe auch Forsthoff, VerwR, Band 1, S. 297; Ehlers, DÖV 1977, 737, 741; Klenke, NWVBl. 2006, 84, 85. 256

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matischen Bedenken,257 dass in die Gesetzgebungskompetenz der Länder eingegriffen werden würde und die genannten Normen das öffentlich-rechtliche Hausrecht nicht begründen, sondern es bereits voraussetzen. Die Heranziehung von § 123 StGB ist zudem abzulehnen, weil sich der Schutz der öffentlichen Räume auf die Sicherstellung der hoheitlichen Aufgabenerfüllung, bei privaten Räumlichkeiten aber auf den der Individualsphäre bezieht und es wegen dieser unterschiedlichen Zielsetzungen wenig überzeugend wäre, nur aufgrund der gemeinsamen Schutzbedürftigkeit auf § 123 StGB zu rekurrieren.258 So wie weiterhin durch die Heranziehung von § 123 StGB einer Strafrechtsnorm eine Funktion auferlegt würde, die ihr völlig fremd ist, nämlich die Ermächtigung zum Erlass hoheitlicher Anordnungen,259 kennt das öffentliche Recht kein Notwehrrecht und die unbesehene Übertragung der zivil- oder strafrechtlichen Notwehrrechte würde den Ausnahmecharakter dieser Rechtsinstitute unterlaufen.260 Schließlich genügen weder § 123 StGB noch die Notwehrrechte den dargestellten Bestimmtheitsanforderungen,261 welche an grundrechtsbelastende hausrechtliche Maßnahmen des Gerichtspräsidenten zu stellen sind. Auch aus ihnen ergibt sich weder wann ein hoheitliches Einschreiten möglich ist noch welche Maßnahmen ergriffen werden können. ff) Ableitung aus § 68 Abs. 3 (L)VwVfG Nach § 68 Abs. 3 (L)VwVfG hat der Verhandlungsleiter die Möglichkeit, störende Personen aus der mündlichen Verhandlung entfernen zu lassen. Teilweise wird unter Rekurs auf diese Vorschrift als Rechtsgrundlage für hausrechtliche Maßnahmen an öffentlichen Gebäuden auf einen sich unter anderem aus dieser Norm ergebenden allgemeinen Grundsatz des Verfahrensrechts in dem Sinne, dass der Leiter des Verfahrens Störungen im Verfahren unterbinden und die hierzu erforderlichen Maßnahmen ergreifen könne, abgestellt.262 Dieser Argumentation muss entgegengehalten werden, dass sie den wesentlichen Unterschied zwischen der Ordnungsgewalt hinsichtlich einer Verhandlung und dem daneben bestehenden, aber im Anwendungsbereich der Ordnungsgewalt subsidiären und daher strikt hiervon abzugrenzenden, öffentlich-rechtlichen Hausrecht des Behördenleiters verkennt. Mit § 68 Abs. 3 (L)VwVfG ist, wie bei § 176 GVG, die Ordnungsgewalt zur Aufrechterhaltung der äußeren Ordnung einer Verhandlung geregelt, die zur Rechtsprechungstätigkeit zählt.263 Das öffentlich-rechtliche Haus257

Siehe oben, S. 63. Schmitt, Das öffentlich-rechtliche Hausrecht, S. 24 f.; Ehlers, DÖV 1977, 737, 741. 259 Frühling, Hausrecht, S. 116. 260 Ehlers, DÖV 1977, 737, 740. 261 Siehe hierzu bereits oben, S. 47 ff. 262 Schwerdtfeger/Schwerdtfeger, § 24, Rn. 389; Mißling, NdsVBl. 2008, 267, 269 f. 263 Michler, in: BeckOK VwVfG, § 68, Rn. 32; Seegmüller, in: Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, § 68, Rn. 49 ff. 258

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recht des Behördenleiters betrifft jedoch die Abwehr von Störungen der Verwaltungstätigkeit.264 Schon dieser wesentliche Unterschied schließt es aus, etwaige Aussagen aus dem einen Bereich zu verallgemeinern, in den anderen zu übertragen und hierdurch, nur vom gewünschten Ergebnis des Auffindens einer Ermächtigungsnorm geleitet, Lücken im Kompetenzbereich zu schließen. Hinzu kommt, dass selbst, wenn man dies zulassen wollen würde, § 68 Abs. 3 (L)VwVfG oder ein hieraus entnommener allgemeiner Grundsatz nicht zu den dargestellten und hier relevanten hausrechtlichen Maßnahmen ermächtigen würde. In S. 2 ist lediglich die Befugnis zur Entfernung aus dem Verhandlungsraum vorgesehen, nicht aber aus dem Gerichtsgebäude selbst oder zu Durchsuchungen von Personen und Sachen oder Identitätsfeststellungen. gg) Annex zur Sachkompetenz Vor dem Hintergrund, dass jeder Hoheitsträger zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung verpflichtet ist, wird vielfach vertreten, die Befugnis zum Erlass hausrechtlicher Maßnahmen ergebe sich als Annex zur Sachkompetenz.265 Nichts anderes ist gemeint, wenn davon gesprochen wird, die Befugnis ergebe sich aus der Sachkompetenz selbst, aus der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft, aus einer einheitlichen Ordnungsgewalt, aus der Anstaltsgewalt, kraft Sachzusammenhangs oder aus der Natur der Sache.266 Gleiches gilt wohl, wenn die Rechtsprechung teilweise annimmt, die Befugnis zum Erlass hausrechtlicher Maßnahmen ergebe sich „aus dem Hausrecht“.267

264

Näher zur Abgrenzung von Sitzungspolizei und öffentlich-rechtlichem Hausrecht siehe unten, S. 101 ff. 265 VG Frankfurt a.M., Gerichtsbescheid v. 26. 02. 1998, 15 E 2955 – 97 V = NJW 1998, 1424; Beschluss v. 25. 01. 2008, 5 L 103/08.F, 5 L 103/08 = BeckRS 2008, 33185; von Alemann/Scheffczyk, in: BeckOK VwVfG, § 35, Rn. 220.1; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 35, Rn. 74a; Knemeyer, in: Bierfelder, Handwörterbuch, Spalte 766; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 119; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR II, § 86, Rn. 67; Bethge, Die Verwaltung 1977, 313, 324 ff.; Knemeyer, DÖV 1970, 596, 598 f.; ders., DÖV 1971, 303, 304; ders., VBlBW 1982, 249, 252; Pappermann/Löhr, JuS 1981, 269, 274; Ramm, DVBl. 2011, 1506, 1507; Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 473; Scholz, DVBl. 1968, 732, 740; Stelkens, Jura 2010, 363, 367; Zeiler, DVBl. 1981, 1000, 1003 f. 266 Sachkompetenz: OVG Münster, Urteil v. 14. 10. 1988, 15 A 188/86 = NVwZ-RR 1989, 316, 317; öffentliche Sachherrschaft: Frühling, Hausrecht, S. 94; Hardinghaus, Öffentliche Sachherrschaft, S. 18 ff.; einheitliche Ordnungsgewalt: Karpen, WissR 1972, 195, 201; zur Anstaltsgewalt ausführlich Olizeg, Hausrecht, S. 68 ff.; Natur der Sache: VG Frankfurt a. M., Gerichtsbescheid v. 26. 02. 1998, 15 E 2955 – 97 V = NJW 1998, 1424; Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 474. 267 BVerfG, Beschluss v. 14. 03. 2012, 2 BvR 2405/11 = NJW 2012, 1863, 1864; OVG Schleswig, Beschluss v. 28. 04. 1993, 3 M 16/93 = NJW 1994, 340; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 20. 12. 2010, 10 S 51/10 = NJW 2011, 1093; VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschluss v. 14. 06. 2011, 4 L 543/11 = NJW 2011, 3317.

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Begründet wird dieser Ansatz damit, dass dann, wenn der Verpflichtung zur Sicherung der hoheitlichen Aufgabenerfüllung nachgekommen werden können soll, es neben einem geschützten Raum auch der Befugnis bedürfe, Gefahren für die sachliche Verwaltungstätigkeit abzuwehren und eingetretene Störungen zu beseitigen.268 Dieses Bestimmungsrecht diene mittelbar der hoheitlichen Aufgabenerfüllung und könne von der Aufgabenzuweisung nicht getrennt werden, weshalb sich die Befugnis zur Abwehr von Störungen für die hoheitliche Aufgabenerfüllung kraft Natur der Sache ergebe.269 Manche wollen aus der behördlichen Organisationshoheit, welche auch der Sicherung der Aufgabenerfüllung durch die Behörde diene, die Befugnis entnehmen über den Zutritt zum Behördengebäude zu bestimmen.270 Für diese Deduktionen spricht, dass, wie zur Bestimmung der Rechtsnatur des Hausrechts an Gerichtsgebäuden, an die Sachaufgabe angeknüpft und dieser Gedanke konsequent fortgeführt wird.271 Auch ist an diesem Ansatz richtig, dass jeder Verwaltungsstelle zur Erfüllung ihrer zugewiesenen Sachaufgabe die Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung selbst obliegen und sie die für die materielle Verwaltungstätigkeit drohenden Gefahren abwehren und eingetretene Störungen beseitigen können muss. Der jeweilige Hoheitsträger bzw. seine Organe sind es, die aufgrund ihrer Sachnähe am besten zu beurteilen vermögen, ob ein Verhalten eine Störung für die Verwaltungstätigkeit darstellt, sodass der Verwaltungsstelle selbst die Ordnungszuständigkeit zuerkannt sein muss, für die sachgemäße Erfüllung der Verwaltungsaufgaben zu sorgen.272 So nachvollziehbar und richtig sich diese Ansätze auf den ersten Blick darstellen, so unklar und lückenhaft sind sie jedoch, wenn auf der Grundlage des erkannten Aufgabenzusammenhangs sogleich auch die Befugnis zum Erlass hausrechtlicher Maßnahmen gewonnen wird.273 Nach den speziellen Grundrechtsvorbehalten sowie dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes bedarf es für die hausrechtlichen Maßnahmen des Gerichtspräsidenten einer formellen Ermächtigungsgrundlage, deren Notwendigkeit auch kein noch so plausibel vorgetragenes Erfordernis der Erfüllung der zugewiesenen Aufgaben zu verhüllen vermag. Es ist ein anerkannter Satz, dass der Rückschluss von der Zuweisung einer Aufgabe auf die Befugnis zur Erfüllung der Aufgabe unzulässig ist.274 Warum eine Ausnahme hiervon gerade im Bereich des behördlichen Hausrechts gerechtfertigt sein soll, wird von den darge268

Knemeyer, DÖV 1977, 596, 598; Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 470. Knemeyer, DÖV 1971, 303, 304; Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 477; Stelkens, Jura 2010, 363, 367; Zeiler, DVBl. 1981, 1000, 1004. 270 Klenke, NWVBl. 2006, 84, 86. 271 Knemeyer, DÖV 1971, 303, 304; siehe auch Bethge, Die Verwaltung 1977, 313, 324 ff. 272 Olizeg, Hausrecht, S. 30. 273 So aber beispielsweise Bethge, Die Verwaltung 1977, 313, 324; Karpen, WissR 1972, 195, 201; Knemeyer, DÖV 1970, 596, 598 f.; Knoke, AöR 1969, 388, 40. 274 VGH München, Beschluss v. 09. 07. 1980, Nr. 9 CS 80 A. 268 = NJW 1980, 2722, 2723; Beaucamp, JA 2003, 231, 234; Ehlers, DÖV 1977, 737, 741; Jutzi, LKRZ 2009, 16, 17; Tettinger, WissR 1983, 221, 227. 269

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stellten Ansätzen nicht dargelegt. Auch hier entsteht der Eindruck, dass sie insbesondere darauf ausgerichtet sind, eine gesetzliche Grundlage für belastende hausrechtliche Maßnahmen zu kreieren.275 Würde man tatsächlich demjenigen, dem die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe obliegt, die Befugnis einräumen, zur Erfüllung der Sachaufgabe tätig zu werden, so müsste man sich doch ernstlich fragen, warum der Gesetzgeber überhaupt oder neben den Aufgabenzuweisungsnormen die ausdrückliche Normierung von Befugnissen vorgesehen hat.276 Stellt man beispielsweise auf das dem Hausverbot vergleichbare Aufenthaltsverbot nach § 27a Abs. 2 S. 1 PolG BW ab, so ergibt sich, dass die Befugnis zum Erlass polizeilicher Aufenthaltsverbote eine gesetzliche Regelung erfahren hat. Die Einführung dieser speziellen Ermächtigungsnorm wurde ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung277 insbesondere mit der Grundrechtsrelevanz und dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit im Sinne von Normklarheit begründet. Würde man jedoch eine Annexkompetenz für zulässig erachten, also von der Aufgabe auf die Befugnis schließen können, so bestünde auch im Polizeirecht zur Erfüllung der sich aus § 1 Abs. 1 PolG BW ergebenden Aufgaben kein Bedürfnis nach einer gesonderten Normierung. Der Gesetzgeber hätte von einer ausdrücklichen Normierung als Standardmaßnahme absehen können, zumal mit §§ 3, 1 PolG BW für das Polizeirecht eine Generalermächtigung besteht, auf welche Maßnahmen gestützt werden können, die keiner besonders ausdifferenzierteren Ermächtigung bedürfen. Abgesehen hiervon kann der dargestellte Ansatz auch deshalb nicht überzeugen, weil die Aufgabenzuweisungsnormen keine Regelungen sind, welche den geltenden Anforderungen an die Rechtsklarheit und Bestimmtheit von zu grundrechtbeschränkenden Maßnahmen ermächtigenden Vorschriften genügen.278 Auch sie geben der Exekutive keine je nach Grundrechtsintensität bestimmten Handlungsmaßstäbe an die Hand oder ermöglichen dem Bürger zu erkennen, welche hausrechtlichen Maßnahmen ihn unter welchen Voraussetzungen treffen können. hh) Gewohnheitsrecht Als mögliche Ermächtigungsgrundlage wird für den Erlass hausrechtlicher Maßnahmen der Gerichtsverwaltung ferner der Rückgriff auf einen entsprechenden Gewohnheitsrechtsatz befürwortet. Soweit ein solcher bis heute in der Rechtsprechung279 und vielfach in der Literatur280 als Rechtsgrundlage bejaht wird, wird darauf 275

Jutzi, LKRZ 2009, 16, 17. Engeln, Hausrecht, S. 122 f. 277 LT-Drs. 14/3165, S. 66 und 67. 278 Knoke, AöR 1969, 388, 401; siehe auch Ehlers, DÖV 1977, 737, 741; a.A. für die Organisationshoheit Klenke, NWVBl. 2006, 84, 86; daher genügen auch die bei Klenke, NWVBl. 2006, 84, 86 angeführten Interessenbewertungen nicht. 279 BVerwG, Beschluss v. 17. 05. 2011, 7 B 17/11 = NJW 2011, 2530, 2531; OVG Schleswig, Beschluss v. 17. 12. 2012, 4 LA 58/12 = BeckRS 2013, 53619; OVG Münster, Urteil v. 18. 08. 2015, 15 A 2856/12 = BeckRS 2015, 51390; VG Gelsenkirchen, Beschluss v. 04. 10. 276

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abgestellt, dass seit jeher die zuständige Verwaltungsstelle zur Aufrechterhaltung der Ordnung in ihren Verwaltungsräumen Störer entfernen kann, um die Funktionsfähigkeit der Einrichtung zu schützen.281 Bevor der Frage nachgegangen werden kann, ob für das öffentlich-rechtliche Hausrecht sowie den Erlass hausrechtlicher Maßnahmen tatsächlich ein entsprechender Gewohnheitsrechtssatz besteht, muss zunächst als Ausgangspunkt die Frage aufgeworfen werden, ob ein etwaiger Gewohnheitsrechtssatz überhaupt als Ermächtigungsgrundlage für belastende hausrechtliche Maßnahmen der Gerichtsverwaltung dienen kann. Aus der Verfassung ergibt sich weder, im Gegensatz zu früheren Rechtsordnungen,282 ein verfassungsrechtliches Verbot von Gewohnheitsrecht noch, anders als etwa im Schweizer Recht,283 eine ausdrückliche gesetzliche Anerkennung.284 Während das BVerfG ein gewohnheitsrechtlich bestehendes Hausrecht zwar annimmt, bisher allerdings keine ausdrückliche Aussage darüber traf, ob dieses auch als Ermächtigungsgrundlage für hausrechtliche Grundrechtseingriffe dienen kann,285 geht das BVerwG davon aus, das gewohnheitsrechtliche Hausrecht könne auch Ermächtigungsgrundlage für grundrechtsbeschränkende Maßnahmen sein.286 Wie auch in der Literatur, die sich mit der aufgeworfenen Frage nur teilweise,287 überwiegend aber gar nicht auseinandersetzt oder einen Rückgriff auf Gewohnheitsrecht mit dem Argument ausschließt, ein Rückgriff auf Gewohnheitsrecht sei ohnehin „prekär“288, fehlt es an einer dogmatischen Begründung des Ergebnisses. Die folgenden Ausführungen widmen sich daher der Frage, ob insbesondere vor dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes ein etwaiger Gewohnheitsrechtssatz 2011, 12 L 925/11 = BeckRS 2011, 55409; VG Stade, Urteil v. 26. 06. 2013, 4 A 1442/12 = BeckRS 2013, 52973; VG Gelsenkirchen, Beschluss v. 11. 01. 2016, 12 K 4157/15 = BeckRS 2016, 41234. 280 Olizeg, Hausrecht, S. 47 ff. m.w.N.; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 36; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 157; Peine, Allg. VerwR, S. 37; Berg, JuS 1982, 260, 262; Folz, JuS 1965, 41, 46; Karpen, WissR 1972, 195, 202; Knoke, AöR 1969, 388, 402; Tettinger, WissR 1983, 221, 227 ff. 281 Olizeg, Hausrecht, S. 47 ff.; Peine, Allg. VerwR, S. 37; Berg, JuS 1982, 260, 262; Knoke, AöR 1969, 388, 402. 282 Ein solches Verbot gab es z. B. im PrALR v. 1794, Code Civil und ADHGB v. 1861, siehe Humbs, Das Gewohnheitsrecht als Rechtsquelle des Staats- und Verwaltungsrechts, S. 51. 283 Art. 1 Abs. 2 ZGB: „Kann dem Gesetz keine Vorschrift entnommen werden, so soll das Gericht nach Gewohnheitsrecht und, wo auch ein solches fehlt, nach der Regel entscheiden, die es als Gesetzgeber aufstellen würde.“ 284 Freitag, Gewohnheitsrecht, S. 144; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 140. 285 BVerfG, Beschluss v. 06. 02. 2007, 1 BvR 218/07 = NJW-RR 2007, 1053, 1054; Beschluss v. 29. 09. 2011, 1 BvR 2377/11 = BeckRS 2011, 55532; Beschluss v. 14. 03. 2012, 2 BvR 2405/11 = NJW 2012, 1863, 1864 f. 286 BVerwG, Beschluss v. 17. 05. 2011, 7 B 17/11 = NJW 2011, 2530, 2531. 287 Siehe Freitag, Gewohnheitsrecht, S. 141 ff.; Kortgen, Gewohnheitsrecht, S. 219 ff.; Olizeg, Hausrecht S. 47 ff.; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 84 ff. 288 Bethge, Die Verwaltung 1977, 313, 328; Zeiler, DVBl. 1981, 1000, 1003.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

überhaupt als Ermächtigungsgrundlage für die grundrechtsrelevanten hausrechtlichen Maßnahmen der Gerichtsverwaltung herangezogen werden kann. (1) Unterscheidung zwischen vor- und nachkonstitutionellem Gewohnheitsrecht? Im Zusammenhang mit der Frage, ob Gewohnheitsrecht als Ermächtigungsgrundlage für hoheitliche Eingriffe herangezogen werden kann, wird teilweise zwischen vor- und nachkonstitutionellem Gewohnheitsrecht, also solchem Gewohnheitsrecht aus der Zeit vor und nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24. 05. 1949, differenziert. Während Einigkeit dahingehend besteht, dass sich jedenfalls nachkonstitutionelles Gewohnheitsrecht am Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes messen lassen muss,289 wird dies für vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht zum Teil wegen Art. 123 Abs. 1 GG, wonach Recht aus der Zeit vor dem Zusammentritt des Bundestages fort gilt, soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht, verneint.290 Dem Ansatz, welcher vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht als mit dem Vorbehalt des Gesetzes vereinbar ansieht, ist zuzugeben, dass unter „Recht“ im Sinne des Art. 123 Abs. 1 GG auch Gewohnheitsrecht subsumiert werden kann.291 Auch ist richtig, dass der Halbsatz „soweit es dem Grundgesetz nicht widerspricht“ meint, dass zwar nicht auf die materiellen Anforderungen, wohl aber auf die ab 1949 geltenden formellen Entstehungsvoraussetzungen einer Norm verzichtet werden könne, womit der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes keine Beachtung fände.292 Allerdings erscheint es fragwürdig, ob es sich bei der Differenzierung nach einem bestimmten Datum überhaupt um ein dogmatisch anwendbares Abgrenzungskriterium handelt.293 Gewohnheitsrecht entsteht im Gegensatz zum geschriebenen Recht nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern setzt eine langandauernde Übung voraus, entsteht also erst nach einem längeren Zeitraum.294 Wann dieser Zeitpunkt erreicht, eine Rechtsüberzeugung entstanden und zu Gewohnheitsrecht gewachsen ist, lässt sich also nicht an einem bestimmten Tag festmachen.295 Mag die Diffe289 Krey, in: Schwind u. a., FS für Blau, S. 123, 145; Hillgruber, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Band IX, § 201, Rn. 32. 290 BVerfG, Beschluss v. 14. 07. 1987, 1 BvR 537/81 u.a. = NJW 1988, 191, 192 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1, Rn. 43; Krey, in: Schwind u. a., FS für Blau, S. 123, 145, der vorkonstitutionelles Gewohnheitsrechts grundsätzlich ausschließt, aber Ausnahmen zulässt; Maurer, VerwR AT, § 4, Rn. 35; Stern, Staatsrecht, Band III/2, S. 437 f., 442. 291 BVerfG, Beschluss v. 27. 01. 1976, 1 BvR 2325/73 = NJW 1976, 1309, 1310; Giegerich, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 123, Rn. 20. 292 Giegerich, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 123 GG, Rn. 40; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG Art. 123, Rn. 7; Stern, Staatsrecht, Band III/2, S. 438. 293 Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 125. 294 Maurer, VerwR AT, § 4, Rn. 29; Schmidt, NVwZ 2004, 930, 931. 295 Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 125.

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renzierung in vor- und nachkonstitutionelles Recht zudem in der Zeit der Rezeption des Rechts vor dem ersten Zusammentreffen des Bundestages und in einigen Jahren nach der Verfassungsgebung noch überzeugend gewesen sein, kann sie jedenfalls heute nicht mehr aufrechterhalten bleiben.296 Sinn und Zweck der Aufnahme der Norm des Art. 123 Abs. 1 GG in die Verfassung war es, durch die vorübergehende Akzeptanz von vorkonstitutionellem Gewohnheitsrecht rechtsfreie Räume zu vermeiden und dem Gesetzgeber ausreichend Zeit einzuräumen, umfassend formelle Gesetze zu erlassen.297 Insoweit erscheint es durchaus gerechtfertigt vor diesem Hintergrund an Grundrechtseingriffe aufgrund vorkonstitutionellen Gewohnheitsrechts nach dem 24. 05. 1949 geringere Anforderungen zu stellen. Doch vermögen diese Gründe heute, mehr als 65 Jahre nach der Verfassungsgebung, die Hinnahme eines rechtsstaatlichen Defizits nicht mehr zu rechtfertigen und sind durch die Rechtswirklichkeit widerlegt.298 Dem Gesetzgeber war es bis zum heutigen Zeitpunkt überlassen, die normativen Lücken des öffentlich-rechtlichen Hausrechts sowie der hausrechtlichen Maßnahmen in Gerichtsgebäuden und in den sonstigen Verwaltungsgebäuden zu schließen. Da jedoch eine solche Normierung bis heute nicht erfolgt ist, erscheint es unter Berufung auf die Vermeidung rechtsfreier Räume und der Einräumung ausreichender Zeit zur Kodifizierung nicht mehr gerechtfertigt, hausrechtliche Maßnahmen aufgrund vorkonstitutionellen Gewohnheitsrechts zuzulassen. Dies hat im Grundsatz auch das BVerfG erkannt. Das BVerfG ließ im Jahre 1967 die Weitergeltung vorkonstitutionellen Gewohnheitsrechts nur noch unter der Einschränkung zu, dass dieses nicht so weitergeführt werde, dass hierdurch ein neuer Eingriffstatbestand entwickelt werde299 und erkannte noch bis in die 70er Jahre vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht als Grundlage für Eingriffe in die Berufsfreiheit an.300 In den folgenden Jahre zweifelte es die Differenzierung an und schloss im Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 1 GG vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht sodann als Eingriffsgrundlage für schwerwiegendere Grundrechtseingriffe aus.301 296

Ruffert, in: BeckOK GG, Art. 12, Rn. 77; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 126; Schmidt, NVwZ 2004, 930, 933; in diese Richtung auch Olizeg, Hausrecht S. 47 f. 297 OLG Stuttgart, Urteil v. 31. 08. 1951, SS 104/51 = NJW 1951, 854, 855; Giegerich, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 123, Rn. 2; Kirn, in: v. Münch/Kunig, GG, Band II, Art. 123, Rn. 7; Olizeg, Hausrecht, S. 47 f. 298 Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 123, Rn. 7; Schmidt, NVwZ 2004, 930, 933; zweifelnd: BVerfG, Beschluss v. 10. 05. 1988, 1 BvR 482/84, 1166/85 = NJW 1988, 2290, 2292; für das Jahr 1994 bereits: Stern, Staatsrecht, Band III/2, S. 438. 299 BVerfG, Beschluss v. 28. 06. 1967, 2 BvR 143/61 = NJW 1967, 2051, 2052; Kirn, in: v. Münch/Kunig, GG, Band II, Art. 123, Rn. 8; Kortgen, Gewohnheitsrecht, S. 245. 300 BVerfG, Beschluss v. 28. 06. 1967, 2 BvR 143/61 = NJW 1967, 2051, 2052; Beschluss v. 18. 02. 1970, 1 BvR 226/69 = NJW 1970, 851. 301 BVerfG, Beschluss v. 14. 02. 1973, 2 BvR 667/72 = NJW 1973, 696, 697 (Ausschluss Verteidiger); Beschluss v. 27. 01. 1976, 1 BvR 2325/73 = NJW 1976, 1309, 1310 (Verweisung von der Schule); für den Ausschluss vorkonstitutionellen Rechts lediglich bei schweren Grundrechtsverstößen auch: Kirn, in: v. Münch/Kunig, GG, Band II, Art. 123, Rn. 7; Sann-

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

So richtig die Tendenz des BVerfG war, die Differenzierung in vor- und nachkonstitutionelles Gewohnheitsrecht mit zunehmender Zeit aufzugeben, desto weniger überzeugend ist die Differenzierung nach schwerwiegenden und weniger schwerwiegenden Grundrechtseingriffen. So ist schon nicht klar, wann ein schwerwiegender Grundrechtseingriff angenommen werden kann, wozu sich auch das BVerfG nicht geäußert hat. Denkbar wäre auf die Fallgruppen abzustellen, in welchen schwere Grundrechtseingriffe durch die Rechtsprechung bereits bejaht worden sind, etwa beim berechtigten Interesse einer Feststellungklage nach § 43 Abs. 1 VwGO, dem Feststellungsinteresse bei der Fortsetzungsfeststellungsklage oder bei § 62 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Schwere Grundrechtsverstöße wurden insoweit bei freiheitsentziehenden Maßnahmen, bei Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit und bei Wohnungsdurchsuchungen angenommen.302 Im Rahmen von Art. 13 GG hat sich das BVerfG allerdings bereits dahingehend geäußert, dass es bei der Beschränkung durch vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht „grundsätzliche Bedenken“ habe303 und auch die Literatur lehnt Gewohnheitsrecht in diesem Kontext als Schranke ab.304 Dies spricht dafür, dass die Fälle, in denen ein schwerer Grundrechtseingriff angenommen wurde, ohnehin nicht unreflektiert auf den vorliegenden Fall übertragen werden können. Die Feststellung, ob ein schwerwiegender Grundrechtseingriff gegeben ist, bedürfte ferner einer eigenen Beurteilung und abwägenden Werteentscheidung, welche mit gewissen Rechtsunsicherheiten bei belastenden Maßnahmen einherginge. Schließlich stehen der Abgrenzung des BVerfG nach der Schwere des Grundrechtseingriffs die bereits oben ausgeführten Argumente entgegen, dass Gewohnheitsrecht über einen längeren Zeitraum entsteht und nicht an einem genauen Zeitpunkt festgemacht werden kann sowie, dass auch bei einer solchen Differenzierung keine Auseinandersetzung mit dem in Art. 123 Abs. 1 GG zugrundeliegenden, heute aber jedenfalls überholten Sinn und Zweck stattfindet. Diese bei der Differenzierung nach vor- und nachkonstitutionellem Gewohnheitsrecht zutage tretenden rechtsstaatlichen bzw. demokratischen Defizite im Bereich belastender Hoheitsakte ließen sich vermeiden, wenn man den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes jedenfalls nach 65 Jahren ernst nähme und den Schritt wagte, Defizite nicht mehr zwanghaft mit Gründen zu rechtfertigen, die schon vor etwa 30 Jahren ernsthaft und durchgreifend bezweifelt wurden.

wald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 123, Rn. 7; Kortgen, Gewohnheitsrecht, S. 252. 302 BVerfG, Beschluss v. 24. 03. 1998, 1 BvR 1935 – 06 u. a. = NJW 1998, 2131, 2132; BVerfG, Beschluss v. 05. 05. 1987, 1 BvR 1113/85 = NJW 1987, 1500, 1501; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, § 113 VwGO, Rn. 91. 303 BVerfG, Beschluss v. 13. 10. 1971, 1 BvR 280/66 = NJW 1971, 2299, 2300. 304 Fink, in: BeckOK GG, Art. 13, Rn. 33; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 13, Rn. 121.

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(2) Vereinbarkeit mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes Ist dargetan, dass es keiner Differenzierung nach vor- und nachkonstitutionellem Recht bedarf, stellt sich die Frage, ob ein etwaiger hausrechtlicher Gewohnheitsrechtssatz in Bezug auf Gerichtsgebäude als Ermächtigungsgrundlage dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes bzw. den speziellen Gesetzesvorbehalten genügt. Zieht man zur Beantwortung dieser Frage das bereits oben gewonnene Ergebnis heran, dass es für die hier relevanten hausrechtlichen Maßnahmen der Gerichtsverwaltung eines formellen Gesetzes bedarf, scheidet auf den ersten Blick Gewohnheitsrecht als nur materielles Gesetz305 von vornherein aus.306 Zur Vereinbarkeit eines etwaigen hausrechtlichen Gewohnheitsrechtssatzes bei Gerichtsgebäuden mit dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes und damit der Anwendung von Gewohnheitsrecht als Ermächtigungsgrundlage für belastende Hoheitsakte könnte man lediglich dann gelangen, wenn Gewohnheitsrecht in gleicher Weise wie ein formelles Gesetz den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes prägenden Ziele des Rechtsstaatsund Demokratieprinzips entspricht.307 Dies sind das sich im Zusammenhang mit dem Demokratieprinzip stellende Erfordernis einer ausreichenden demokratischen Legitimation, die vor dem rechtsstaatlichen Gebot der Gewaltenteilung verfolgte Beschränkung der Delegationsbefugnisse der Legislative sowie der Rechtsicherheit im Sinne von Rechtsklarheit und Bestimmtheit von Normen.308 (3) Spezielle Gesetzesvorbehalte Vorab sind insoweit Eingrenzungen möglich, als der Verfassungstext bereits selbst Anforderungen an die Regelungsqualität der grundrechtbeschränkenden Gesetze stellt. Gibt die Verfassung bestimmte Anforderungen an die eingriffsrechtfertigenden Gesetze vor, sind diese ausdrücklichen Vorgaben vor einer Auslegung anhand der Zielsetzungen des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes zu beachten.309 Eine solche Vorgabe besteht für die hausrechtlichen Maßnahmen des Gerichtspräsidenten insoweit, als diese in das Recht auf Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG eingreifen, denn dieses Grundrecht kann nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG nur aufgrund eines formellen Gesetzes beschränkt werden. Soweit demnach, wie 305 Müller-Terpitz, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 80, Rn. 80; Freitag, Gewohnheitsrecht, S. 154. 306 So im Ergebnis auch Karpen, in: Höfling, Festgabe für Friauf, S. 223, 227; Erichsen, in: Menger, FS für Wolff, S. 219, 242; Krey, in: Schwind u. a., FS für Blau, S. 123, 146; Kees, NJW 2013, 1929, 1930; Kruis, BayVBl. 2013, 97, 100; diff. Ehlers, DÖV 1977, 737, 742; grundsätzliche Bedenken hat auch das BVerfG, Beschluss v. 13. 10. 1971, 1 BvR 280/66 = NJW 1971, 2299, 2300. 307 Siehe auch Olizeg, Hausrecht, S. 49 ff.; Krey, in: Schwind u. a., FS für Blau, S. 123, 145 f. 308 Ausführlich Kortgen, Gewohnheitsrecht, S. 234 f.; Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 163 ff.; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 88 ff. 309 So auch Olizeg, Hausrecht, S. 46 ff.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

hier vertreten, mit den hausrechtlichen Maßnahmen Eingriffe in dieses Grundrecht einhergehen können, scheidet ein etwaiger Gewohnheitsrechtssatz schon von vornherein als Ermächtigungsgrundlage aus. (4) Auslegung anhand der Zielsetzungen des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes Zum Ausschluss eines etwaigen Gewohnheitsrechtssatzes als Ermächtigungsgrundlage gelangt man jedoch auch dann, wenn man – entgegen der hier vertretenen Ansicht – Eingriffe in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG durch manche der für die Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden relevanten hausrechtlichen Maßnahmen verneint und den etwaigen Gewohnheitsrechtsatz an den hinter dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes stehenden Zielsetzungen misst. (a) Demokratieprinzip Dies ergibt sich allerdings nicht bereits aufgrund etwaiger Defizite eines Gewohnheitsrechtssatzes gegenüber formellen geschriebenen Gesetzen in Bezug auf die durch das in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG verankerte Demokratieprinzip geforderte demokratische Legitimation, also der Rückführbarkeit der staatlichen Gewalt auf den Volkswillen.310 Die erforderliche demokratische Legitimation von Gewohnheitsrecht wird durch deren Entstehungsvoraussetzungen sichergestellt, indem neben dem objektiven Erfordernis einer langandauernden, allgemeinen Übung (consuetudo) die subjektive Überzeugung der betroffenen Rechtskreise hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Übung (opinio iuris) gefordert wird.311 Kann Gewohnheitsrecht demnach nur entstehen, wenn die überwiegende Mehrheit der Betroffenen seine Geltung dadurch statuiert, dass sie sich dem Gewohnheitsrecht gemäß verhält und es als rechtmäßig anerkennt,312 also anders als bei geschriebenen Gesetzen nicht nur so agiert, weil das Gesetz ein bestimmtes Verhalten vorschreibt, sondern nach der eigenen Überzeugung vorschriftsgemäß handelt, legitimiert sie hierdurch das Gewohnheitsrecht in einer über die Legitimation durch die bloße Wahl von Vertretern bei geschriebenem Recht hinausgehenden Weise.313 Zu weit ginge es jedoch, wie vereinzelt vertreten wird, das Gewohnheitsrecht als „demokratisches Urrecht“314 zu bezeichnen und ihm generell eine absolute oder 310

Zur demokratischen Legitimation BVerfG, Beschluss v. 15. 02. 1978, 2 BvR 134, 268/ 76 = NJW 1978, 1967; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, II, Rn. 61; Maurer, Staatsrecht, § 7, Rn. 26. 311 BVerfG, Beschluss v. 08. 01. 1959, 1 BvR 296/57 = NJW 1959, 572 f.; Beschluss v. 28. 06. 1967, 2 BvR 143/61 = NJW 1967, 2051, 2052; Höhn, Gewohnheitsrecht, S. 43 ff.; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 176 f.; Neuhaus, JuS 1996, L 41 f. 312 Olizeg, Hausrecht, S. 53; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 169. 313 Olizeg, Hausrecht, S. 53; Rümelin, Die bindende Kraft des Gewohnheitsrechts, S. 58 ff. 314 Olizeg, Hausrecht, S. 53; Kortgen, Gewohnheitsrecht, S. 243: „demokratisches Urgestein“.

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größere demokratische Legitimation als geschriebenem Recht zuzusprechen.315 Zum einen bedarf es für die Geltung verwaltungsrechtlichen Gewohnheitsrechts nicht nur der Überzeugung der Rechtsadressaten, sondern auch der Übung und Anerkennung durch die Exekutive und der verbindlichen Entscheidung der Judikative.316 Für das öffentlich-rechtliche Hausrecht in Gerichtsgebäuden bedürfte es daher neben dem Volkswillen auch der Übung und Anerkennung der Gerichtsverwaltung als Verwaltungsbehörde oder des Gerichts, welches über seine Verbindlichkeit oder seinen genauen Inhalt entscheidet. Damit sind aber auch Stellen beteiligt, welche nur mittelbar und damit schwächer als die Legislative demokratisch legitimiert sind. Es kann daher nicht die Rede davon sein, Gewohnheitsrecht sei im Gegensatz zu Parlamentsgesetzen, bei welchen freilich auch Partei- und Verbandsinteressen eine Rolle spielen, in höherem Maße demokratisch legitimiert.317 Während bei den Wahlen des normschaffenden Parlaments zudem die ganze wahlberechtigte Bevölkerung teilnehmen kann und damit grundsätzlich ein Abbild der Willensäußerung des ganzen Volkes geschaffen wird, sind an der Entstehung von Gewohnheitsrecht nur die in einem konkreten Fall betroffenen Rechtskreise beteiligt, beim öffentlichrechtlichen Hausrecht für Gerichte folglich lediglich die das Gerichtsgebäude betretenden Personen. Die gegen eine im Vergleich zu Parlamentsgesetzen höhere demokratische Legitimation von Gewohnheitsrecht angeführten Einwände führen jedoch nicht dazu, eine Unvereinbarkeit von Gewohnheitsrecht als Eingriffsgrundlage mit dem Demokratieprinzip zu begründen.318 Die besondere Bedeutung des Volkswillens zeigt sich neben ihm als Entstehungsvoraussetzung außerdem daran, dass der Bestand des Gewohnheitsrechtssatzes von ihm abhängig ist. Sobald ein Gewohnheitsrechtssatz nicht mehr von der Überzeugung der Rechtsgenossen getragen wird, verändert er sich oder erlischt, wohingegen formelles Recht unabhängig von einer sich eventuell ändernden Akzeptanz der Bürger bestehen bleibt.319 Hinzu kommt, dass das Volk, in der Regel anders als bei der Schaffung von formellen Gesetzen durch das Parlament, an der konkreten Ausgestaltung des Inhalts des Gewohnheitsrechts beteiligt ist.320 Durch die eigene langandauernde Übung und Anerkennung des Gewohnheitsrechts als bindend, wirken zumindest die betroffenen Personen selbst an der Entstehung des Inhaltes mit und verleihen dem Gewohnheitsrechtssatz hierdurch hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung demokratische Legitimation.

315

So auch Schmidt, NVwZ 2004, 930, 932. Freitag, Gewohnheitsrecht, S. 129; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Band V, § 100, Rn. 60; Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, § 6, Rn. 233; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 136; Schmidt, NVwZ 2004, 930, 932. 317 Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 169 f.; Schmidt, NVwZ 2004, 930, 932. 318 So aber Kortgen, Gewohnheitsrecht, S. 243; Krey, in: Schwind u. a., FS für Blau, S. 123, 145. 319 Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 171 f. 320 So ähnlich auch Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 169. 316

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Ein etwaiger Gewohnheitsrechtssatz des öffentlich-rechtlichen Hausrechts der Gerichtsverwaltung würde demnach in gleicher Weise wie formelle Gesetze den Anforderungen an die demokratische Legitimation genügen. Lediglich in den Fällen, in denen das Gewohnheitsrecht vor allem aus den Äußerungen der Exekutive und Judikative entnommen wird und denen sich das Volk nur durch die Anerkennung der Übung anschließt, bestünden Zweifel an einer ausreichenden demokratischen Legitimation. Diese Fälle sind jedoch für das öffentlich-rechtliche Hausrecht der Gerichtsverwaltung nicht relevant, da ein solcher Gewohnheitsrechtssatz durch das Volk selbst und nicht erst durch die Exekutive oder Judikative entstünde. Die Besucher eines Gerichtsgebäudes verhalten sich regelmäßig schon im eigenen Interesse, z. B. zur Besorgung ihrer Angelegenheiten, so, dass die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Verwaltung nicht beeinträchtigt wird.321 (b) Grundsatz der Gewaltenteilung (aa) Ablehnung möglicher Bedenken Gegen die Vereinbarkeit eines etwaigen Gewohnheitsrechtssatzes für Gerichtsgebäude mit dem Prinzip der Gewaltenteilung könnte man anführen, der Legislative obliege nach dem Grundgesetz das Gesetzgebungsmonopol, weshalb ein außerhalb dieser Zuweisung entstehendes Gewohnheitsrecht mit der gewaltentrennenden Verfassung nicht in Einklang zu bringen sei.322 Qualifiziert man die Gewaltenteilungslehre als rein formales Ordnungsprinzip, kann diesem Vorbringen nur schwer begegnet werden. Gewohnheitsrecht entsteht tatsächlich außerhalb der Kompetenzzuweisung der Gesetzgebung an die Legislative, sodass der Gewohnheitsrechtssatz der Kompetenz- und Aufgabentrennung nach dem Prinzip der Gewaltenteilung widersprechen würde.323 Allerdings vermag dieses Verständnis vor der Verfassungswirklichkeit nicht überzeugen. Nach dem Grundgesetz obliegt die Rechtssetzungskompetenz nicht allein der Legislative. Zum einen ergibt sich aus Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG nicht, dass Gesetze nur solche sind, die im Gesetzgebungsverfahren zustande gekommen sind.324 Diese Norm lässt auch die Entstehung von Gesetzesrecht auch auf andere Weise zu.325 Zum anderen hat der Gesetzgeber an einigen Stellen seine Befugnisse an die Exekutive delegiert, so etwa in Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG und Art. 28 Abs. 2 GG.326 Zu weit würde es allerdings auch gehen, wenn man hieraus schließen würde, dann könne auch das Volk ohne weiteres Gewohnheitsrecht schaffen. Im Gegensatz zum 321

Olizeg, Hausrecht, S. 60. So generell für das Gewohnheitsrecht Giacometti, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts, S. 170 f. 323 Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 137 f. 324 So aber Freitag, Gewohnheitsrecht, S. 156 f., 166. 325 Olizeg, Gewohnheitsrecht, S. 52; Stern, Staatsrecht, Band II, S. 583. 326 So auch Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 138 f. 322

I. Befugnisse der Gerichtsverwaltung

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Gewohnheitsrecht besteht in den Fällen, in welchen die Gesetzgebung nicht dem Parlament obliegt, jedenfalls eine formell-gesetzliche Rechtsnorm, mit welcher die Legislative zeigt, dass die ihr eigentlich obliegende Rechtsetzung delegiert sein soll. So wird beispielsweise in Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG oder Art. 119 S. 1 GG ausdrücklich bestimmt, dass die Exekutive zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt ist. Aus Art. 28 Abs. 2 GG ergibt sich ferner eine Rechtssetzungsbefugnis der Gemeinden, aus §§ 29 Abs. 1, 34 Abs. 1 S. 1 SGB IV der Sozialversicherungsträger, aus § 8 Abs. 1 S. 1 LHG BW der Hochschulen des Landes Baden-Württemberg, in Art. 23 Abs. 1 GG, Art. 24 Abs. 1, 1a, 2 GG und Art. 25 GG ist die Geltung staatsfremden Rechts geregelt und in Art. 9 Abs. 3 GG wird die Normsetzung durch Private veranlasst. Soweit ein Verstoß von Gewohnheitsrecht gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz ferner damit begründet wird, Gewohnheitsrecht sei letztlich Richterrecht und hierdurch entstehe ein mit dem Gewaltenteilungsprinzip nicht vereinbares Übergewicht der Judikative,327 überzeugt dies nicht. Dem Begründungsansatz kann zwar zugegeben werden, dass auch die Richter über Gewohnheitsrecht entscheiden, wenn es auf einen Gewohnheitsrechtssatz bei der Entscheidungsfindung ankommt. Allerdings wandelt sich das Gewohnheitsrecht nicht hierdurch zum Richterrecht.328 Es bestehen wesentliche Unterschiede, welche es verbieten, beides gleichzusetzen.329 So ist der Richter bei seiner Entscheidung an das Gesetz gebunden, wohingegen das Gewohnheitsrecht ohne Bindung, das heißt außerhalb des geschriebenen Rechts, entsteht.330 Ferner ist das Gewohnheitsrecht eine echte Rechtsquelle – Gesetz im materiellen Sinn – und bindet die Judikative nach Art. 20 Abs. 3 GG wie eine geschriebene Norm, während diese Bindungswirkung dem Richterrecht nicht zugeschrieben werden kann, da es sich bei ihm nur um ein Auslegungsergebnis eines konkreten Einzelfalls handelt, dieses korrigierbar ist und es dem Rechtsanwender überlässt, ob er ihm folgt.331 Zudem ist der Richter nicht an der Entstehung des Gewohnheitsrechts beteiligt, denn dieses ist nach seinen Entstehungsvoraussetzungen nur von der Übung und Anerkennung durch das Volk abhängig,332 zumal nicht jeder Gewohnheitsrechtssatz einer gerichtlichen Klärung bedarf.333 Die richterliche Anerkennung bereits entstandener Gewohnheitsrechtssätze kann diese le-

327 Kortgen, Gewohnheitsrecht, S. 243; Krey, in: Schwind u. a., FS für Blau, S. 123, 145 m.w.N. 328 So auch Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Band V, § 100, Rn. 60; Olizeg, Hausrecht, S. 51; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 24 ff. 329 Olizeg, Hausrecht, S. 51; ausführlich hierzu Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 24 ff. 330 Maurer, VerwR AT, § 4, Rn. 42; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 24. 331 BVerfG, Beschluss v. 31. 05. 1988, 1 BvR 520/83 = NJW 1989, 666, 667; Olizeg, Hausrecht, S. 51; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 25. 332 Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 20; Maurer, VerwR AT, § 4, Rn. 31. 333 In diese Richtung auch Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 20; Maurer, VerwR AT, § 4, Rn. 31.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

diglich bestätigen oder konkretisieren und ihnen letztlich Geltungskraft verschaffen,334 nicht aber dazu führen, Gewohnheitsrecht als Richterrecht zu qualifizieren. (bb) Vereinbarkeit mit den Zielen des Grundsatzes der Gewaltenteilung Neben der Ablehnung der vorgebrachten Bedenken kann die Vereinbarkeit von Gewohnheitsrecht mit dem Prinzip der Gewaltenteilung aber auch positiv begründet werden. Dies ergibt sich weniger daraus, dass Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG die Anerkennung und Berücksichtigung von Gewohnheitsrecht fordert,335 sondern deshalb, da Gewohnheitsrecht mit den verfassungsrechtlichen Zielen des Gewaltenteilungsprinzips, namentlich der Gewährleistung einer sachgerechten Aufgabenerfüllung und der Freiheitssicherung der Bürger,336 vereinbar ist.337 Dass die Erfüllung der staatlichen Aufgaben durch die Anerkennung von Gewohnheitsrecht gewährleistet wird, ergibt sich daraus, dass durch die Heranziehung gewohnheitsrechtlicher Eingriffsermächtigungen gesetzliche Lücken geschlossen werden, wodurch regellose Zustände minimiert und die staatliche Aufgabenerfüllung gefördert wird.338 Daneben beeinträchtigt die Anwendung von Gewohnheitsrecht aber auch nicht das weitere mit dem Prinzip der Gewaltenteilung verfolgte Ziel der Freiheitssicherung der Bürger.339 Dieses Ziel kann, da trotz der Trennung der Gewalten eine sachgemäße Aufgabenerfüllung im Staat nur gewährleistet sein kann, wenn sich die Gewalten gegenseitig kontrollieren und damit in gewisser Weise miteinander verschränkt sind, nur dann verletzt sein, wenn einer Gewalt ein Übergewicht über eine andere Gewalt zukommt und sie in den Kernbereich der einer anderen Gewalt zugeschriebenen Kompetenz eingreift.340 Dies könnte man mit dem Argument verneinen, dass es dem Gesetzgeber obliegt, eine gesetzliche Regelung zu schaffen und er sich nicht im Kernbereich seiner Kompetenzen verletzt sehen kann, wenn er in Kenntnis des Gewohnheitsrechts keine ausdrückliche Regelung erlässt, um dessen Anwendung zu unterbinden.341 Wie jedoch bereits ausgeführt,342 ist dieser Umstand lediglich ein Indiz gegen eine Verletzung des Kernbereiches und nicht das ausschlaggebende Argument. Stellt man deshalb ferner auf die Regelungsabsicht des historischen Gesetzgebers ab, so zeigt sich, dass man sich schon bei den Beratungen im Parlamentarischen Rat des Problems des Gewohnheitsrechts und seiner eventuell 334

Olizeg, Hausrecht, S. 51 f. Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 140 ff.; ablehnend Freitag, Gewohnheitsrecht, S. 143 ff. 336 BVerfG, Urteil v. 27. 04. 1959, 2 BvF 2/58 = NJW 1959, 1171; Beschluss v. 20. 06. 1967, 2 BvL 10/64 = BeckRS 1967, 30421841; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 143. 337 Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 143 ff. 338 Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 151 f. 339 So auch Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 143 ff. 340 BVerfG, Urteil v. 27. 04. 1959, 2 BvF 2/58 = NJW 1959, 1171; Urteil v. 18. 12. 1984, 2 BvE 13/83 = NJW 1985, 603, 605; siehe auch Huster/Rux, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 20, Rn. 161 ff.; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20, Rn. 93. 341 Olizeg, Hausrecht, S. 52 f.; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 148. 342 Siehe S. 68. 335

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grundrechtsbeschränkenden Wirkung und damit des Problems eines Eingriffs in die Kompetenzen der Legislative bewusst war.343 Da allerdings auf die Regelung eines Verbots von Gewohnheitsrecht verzichtet wurde, obwohl ein solches überdies in früheren Rechtsordnungen vorgesehen war, ging auch der Gesetzgeber nicht von einem mit dem Prinzip der Gewaltenteilung unvereinbaren Eingriff in die Kompetenzen der Legislative aus.344 Schließlich ergeben sich beim Gewohnheitsrecht keine Probleme mit der ebenfalls hinter der Funktion der Freiheitssicherung der Bürger stehenden bezweckten Kontrolle und Begrenzung der Gewalten. Da die Gewohnheitsrechtssätze im Volkswillen wurzeln, besteht nicht die Gefahr staatlicher Willkür gegenüber dem Bürger. Wenn ein Gewohnheitsrechtssatz nach seinen Entstehungsvoraussetzungen nur entstehen kann, wenn die Überzeugung der Bürger von der Rechtmäßigkeit der Übung gegeben ist und die Exekutive diese Übung nur noch anerkennt, liegt keine bei Anwendung von Gewohnheitsrecht mit der Sicherung der Freiheit der Bürger unvereinbare Nichthemmung oder Nichtkontrolle staatlicher Gewalt vor. (c) Rechtssicherheit Wäre ein etwaiger Gewohnheitsrechtssatz zum öffentlich-rechtlichen Hausrecht der Gerichtsverwaltung als Eingriffsgrundlage nach den vorherigen Ausführungen zwar mit dem Demokratieprinzip und dem Prinzip der Gewaltenteilung vereinbar, so genügt ein solcher Gewohnheitsrechtssatz jedoch nicht in gleicher Weise wie ein formelles Gesetz den Anforderungen an die Rechtsklarheit und Bestimmtheit von zu Grundrechtseingriffen ermächtigenden Normen. Das rechtsstaatliche Prinzip der Rechtssicherheit fordert, dass Ermächtigungsgrundlagen so klar und bestimmt ausgestaltet sind, dass der von ihr Betroffene sich auf mögliche belastende Maßnahmen einstellen sowie sein Verhalten danach ausrichten kann und der Verwaltung hinreichende Handlungsmaßstäbe an die Hand gegeben werden.345 Das hierfür erforderliche Maß der Bestimmtheit und Klarheit richtet sich insbesondere danach, wie intensiv in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen wird. Diesen Anforderungen genügt ein etwaiger Gewohnheitsrechtssatz zum öffentlich-rechtlichen Hausrecht der Gerichtsverwaltung nicht. Soweit gegen die Vereinbarkeit von Gewohnheitsrecht mit dem Prinzip der Rechtssicherheit generell vorgebracht wird, über die Geltung und den konkreten Inhalt von Gewohnheitsrecht könne mangels einer Ausformulierung nur anhand von Indizien geurteilt werden, wodurch mit der Rechtssicherheit nicht vereinbare Defizite der Rechtsklarheit und Bestimmtheit entstehen,346 können diese Bedenken für die vorliegende Untersu343

Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 40 f. m.w.N. Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 148. 345 Siehe hierzu bereits oben, S. 47 ff. 346 Kortgen, Gewohnheitsrecht, S. 176 ff., 242; siehe auch Olizeg, Hausrecht, S. 49; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 152; Kees, NJW 2013, 1929, 1931. 344

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

chung geteilt werden. Bei einem etwaigen Gewohnheitsrechtssatz zum öffentlichrechtlichen Hausrecht der Gerichtsverwaltung ist weder ausformuliert oder nachlesbar niedergeschrieben, dass es ein solches Hausrecht überhaupt gibt, noch welche Maßnahmen unter welchen Voraussetzungen und in welchen Fällen ergriffen werden können. Anders als bei der lex scripta kann der Betroffene den konkreten Normbefehl nicht sicher ermitteln oder nachprüfen. Es verbleibt stets die Unsicherheit, ob der ermittelte Rechtssatz tatsächlich der dauernden Übung und der sie tragenden Rechtsüberzeugung entspricht.347 Während die Unsicherheiten hinsichtlich des Bestehens des öffentlich-rechtlichen Hausrechts gering wären, da die Existenz des öffentlich-rechtlichen Hausrechts nicht mehr bestritten wird,348 verhält es sich zum Inhalt des Gewohnheitsrechtssatzes, also zur Frage, welche konkreten hausrechtlichen Maßnahmen in welchen Fällen ergriffen werden können, anders. Der Einzelne kann nicht sicher sagen, welche Maßnahmen gegenüber ihm unter welchen Voraussetzungen und in welchen Fällen erlassen werden können. Er kann nicht voraussehen, ob dies lediglich Hausverweise und -verbote sind, Identitätsfeststellungen erfolgen, er auch Durchsuchungen seiner Person oder mitgeführter Sachen zu befürchten hat oder ob er gegebenenfalls sogar videoüberwacht wird. Auch kann er nicht erkennen, wann die Maßnahmen erfolgen, ob hiermit immer zu rechnen ist, nur in bestimmten Fällen oder ob gegebenenfalls spezielle Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Diese Unklarheiten werden zudem dadurch verstärkt, dass Gewohnheitsrechtssätze, anders als bei fest niedergeschriebenem Recht, dem Wandel der Zeit unterliegen und sich den raschen Änderungen der Verhältnisse und Meinungen einer pluralistischen Gesellschaft anpassen.349 Deutlich wird dies für die vorliegende Untersuchung insbesondere vor dem Hintergrund des technischen Fortschritts sowie den damit einhergehenden neuen technischen Möglichkeiten. Während man bis vor einigen Jahren Einlasskontrollen auf der Grundlage von Gewohnheitsrecht allenfalls auf die Kontrolle von Ausweispapieren oder Durchsuchungen beschränkte, werden seit einigen Jahren Einlasskontrollen auch unter Einsatz von Metalldetektorrahmen oder Metallsonden vorgenommen und sogar Videoüberwachungen am Gebäudeeingang350 durchgeführt. Welche Anordnungen also genau möglich sind, ob sie schon oder überhaupt noch der dauernden Übung und der sie tragenden Rechtsüberzeugung entsprechen, ist oftmals für die Adressaten der Maßnahmen nicht erkennbar.

347

Generell gegen Gewohnheitsrecht Olizeg, Hausrecht, S. 49; siehe auch Krey, in: Schwind u. a., FS für Blau, S. 123, 145; Kees, NJW 2013, 1929, 1930. 348 Siehe hierzu bereits oben, S. 63. 349 Generell gegen das Gewohnheitsrecht auch Kortgen, Gewohnheitsrecht, S. 242; Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 152; Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, HdStR, Band V, § 100, Rn. 59. 350 BVerwG, Beschluss v. 17. 05. 2011, 7 B 17/11 = NJW 2011, 2530, 2531 (Einlasskontrollen am Gerichtsgebäude); LG Itzehoe, Beschluss v. 02. 06. 2010, 1 T 61/10 = NJW 2010, 3525, 3526 (Videoüberwachung am Gebäudeeingang).

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Diese mit dem Gebot der Klarheit und Bestimmtheit von Normen bereits unvereinbaren Unsicherheiten der von den hausrechtlichen Maßnahmen Betroffenen bestehen auch für die Rechtsanwender. Ihnen werden, anders als bei formellen Gesetzen, keine klaren Handlungsanweisungen durch den Gesetzgeber in dem Sinne an die Hand gegeben, welche hausrechtlichen Maßnahmen in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen erlassen werden können. Dass auch damit erhebliche Rechtsunsicherheiten einhergehen und zudem die Gefahr willkürlicher Entscheidungen besteht, liegt auf der Hand. Existieren keine konkreten Handlungsmaßstäbe, welche das staatliche Handeln begrenzen oder steuern, vermag dies in viel gewichtigerem Maße als beim geschriebenen Recht dazu verleiten, willkürliche Entscheidungen zu treffen.351 Der angenommene Gewohnheitsrechtssatz kann viel leichter als eine geschriebene Norm verändert oder ausgedehnt werden, um die favorisierten Ziele zu erreichen, etwa indem auch solche Maßnahmen erlassen werden, die nicht oder noch nicht der dauernden Übung oder der tragenden Rechtsüberzeugung entsprechen. Wenn schließlich speziell gegen die Unvereinbarkeit eines hausrechtlichen Gewohnheitsrechtssatzes mit den Geboten der Rechtsklarheit und Bestimmtheit eingewandt wird, selbst die ausdrücklichen öffentlich-rechtlichen Hausrechtsvorschriften enthielten keine konkreten Voraussetzungen und Maßnahmen und seien daher auch nicht eindeutiger oder bestimmter als das entsprechende Gewohnheitsrecht,352 überzeugt dieses Argument nicht. Zwar ist richtig, dass diese geschriebenen Hausrechtsnormen neben der etwaigen Konstituierung des öffentlich-rechtlichen Hausrechts keine Ermächtigung zu hausrechtlichen Maßnahmen enthalten. Allerdings kann hieraus nicht zugleich die Vereinbarkeit mit den Geboten der Rechtsklarheit und Bestimmtheit eines Gewohnheitsrechtssatzes in einem Bereich abgeleitet werden, in dem kein geschriebenes Gesetz existiert, zumal selbst bei den ausdrücklichen Vorschriften mangels der Ermächtigung zu hausrechtlichen Maßnahmen ohnehin sehr zweifelhaft ist, inwieweit sie in ihrer Ausgestaltung überhaupt als Ermächtigungsnormen verfassungsgemäß sind. Hiervon ging man völlig zurecht auch in Niedersachsen aus, wo die zu den einzelnen hausrechtlichen Maßnahmen ausdrücklich ermächtigende Regelung des § 16 Abs. 1 S. 1 NJG im Jahre 2014 ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung353 gerade deshalb eingeführt wurde, da man erkannte, dass Gewohnheitsrecht aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit als Ermächtigungsgrundlage gerade nicht genügt.

351

Generell gegen das Gewohnheitsrecht Giacometti, Allgemeine Lehren des rechtsstaatlichen Verwaltungsrechts S. 174; Kortgen, Gewohnheitsrecht, S. 242 f.; siehe auch Krey, in: Schwind u. a., FS für Blau, S. 123, 145. 352 Generell für das Hausrecht der öffentlichen Hand, Witthohn, Gewohnheitsrecht, S. 157. 353 Siehe LT-Drs. 17/1585, S. 76.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

(5) Zwischenergebnis Festgehalten werden kann, dass es auch die dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes zugrundeliegenden Zielsetzungen ausschließen, als Rechtsgrundlage für die hausrechtlichen Maßnahmen der Gerichtsverwaltung einen etwaigen Gewohnheitsrechtssatz heranzuziehen. Ob ein solcher Gewohnheitsrechtssatz für hausrechtliche Maßnahmen in Gerichten tatsächlich besteht, kann damit dahinstehen.354 Da jedoch Gewohnheitsrecht auch nur Geltung erlangen kann, wenn in formaler Hinsicht die ständige Übung als Rechtssatz formulierbar und er als solcher inhaltlich hinreichend bestimmbar ist,355 dies aber, wie soeben gesehen, nicht der Fall ist, würde es zusätzlich an der Geltungskraft eines solchen Gewohnheitsrechtssatzes fehlen. ii) Übergangsweise bestehende Notkompetenz Scheiden damit sämtliche erwogene Ermächtigungsgrundlagen für den Erlass hausrechtlicher Maßnahmen in Gerichten aus, kann schließlich überlegt werden, ob ohne Ermächtigungsgrundlage erlassene hausrechtliche Maßnahmen für eine gewisse Übergangszeit hingenommen werden können.356 Dies könnte man vor dem Hintergrund annehmen, dass das BVerfG Übergangsfristen in verschiedenen Fällen bereits als Ausnahmen zugelassen hat, um dem Gesetzgeber die Möglichkeit zum Erlass einer Norm zu gewähren und so eine „Funktionsunfähigkeit staatlicher Einrichtungen“ zu vermeiden, die der verfassungsmäßigen Ordnung noch entfernter wäre als der bisherige Zustand.357 Gegen die Annahme einer solchen Notkompetenz spricht jedoch, dass im Jahre 2016 nicht mehr von einer faktischen Unmöglichkeit des Gesetzgebers zur Normierung des öffentlich-rechtlichen Hausrechts der Gerichtsverwaltung ausgegangen werden kann. Die fehlende Kodifizierung hängt vielmehr mit einer Art „Kapitulation“ bezüglich der mit dem Hausrecht insgesamt verbundenen strittigen Fragen zusammen, nicht aber mit der mangelnden Gelegenheit des Gesetzgebers eine entsprechende Normierung vorzunehmen. Das Hausrecht an öffentlichen Gebäuden war bereits nach dem Zweiten Weltkrieg oftmals Gegenstand der Rechtsprechung und wurde insbesondere in den 70er Jahren bzw. am Anfang der 80er Jahre zum Thema kontroverser Diskussionen in der Literatur und weiteren Auseinandersetzungen in der Rechtsprechung.358 Wurde dennoch bis heute von Seiten des 354 Bejahend Olizeg, Hausrecht, S. 59 f.; Gerhardt, Anm. zu VGH München, Beschluss v. 09. 07. 1980, Nr. 9 CS 80 A.268, BayVBl. 1980, 724, 725; Knoke, AöR 1969, 399, 402; ablehnend Bethge, Die Verwaltung 1977, 313, 328; Zeiler, DVBl. 1981, 1000, 1003. 355 Maurer, VerwR AT, § 4, Rn. 30; Ehlers, DÖV 1977, 737, 741. 356 Klenke, NWVBl. 2006, 84, 85. 357 BVerfG, Beschluss v. 29. 01. 1969, 1 BvR 26/66 = NJW 1969, 597, 599; Beschluss v. 14. 03. 1972, 2 BvR 41/71 = NJW 1972, 811, 812; Beschluss v. 25. 03. 1992, 1 BvR 1430/88 = NJW 1992, 1875, 1876. 358 Siehe hierzu bereits oben, S. 26 f.

I. Befugnisse der Gerichtsverwaltung

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Gesetzgebers ganz überwiegend nicht reagiert und wurden keine Anstrengungen zum Erlass einer gesetzlichen Regelung unternommen, kann von einem Notstand im Sinne einer Zwangslage nicht (mehr) die Rede sein.

4. Zwischenergebnis Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass das Hausrecht sowie die hausrechtlichen Maßnahmen in Gerichtsgebäuden öffentlich-rechtlicher Natur sind, soweit die Sicherung oder Wiederherstellung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Gerichtsverwaltung verfolgt wird. Werden die für die Sicherheit und Ordnung in Gerichten relevanten belastenden hausrechtlichen Anordnungen, wie Hausverweise und -verbote, erlassen oder finden Einlasskontrollen statt, in deren Rahmen z. B. Identitätsfeststellungen oder die Durchsuchung von Personen sowie mitgeführter Sachen erfolgen, bedarf es einer formell-gesetzlichen Vorschrift, welche die Gerichtsverwaltung zu diesen Maßnahmen ermächtigt. Solche Vorschriften finden sich in Niedersachsen, Hessen und Hamburg. Während § 16 Abs. 1 S. 1 NJG den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und Normklarheit genügt und die wesentlichen für die Sicherheit und Ordnung in Gerichten relevanten hausrechtlichen Maßnahmen ermöglicht, ist dies in Hessen anders. In § 6 IT-StellenG findet sich lediglich zu offenen Videoüberwachungen im Innen- und Außenbereich des Gerichtsgebäudes sowie zu Zutrittskontrollen in dem Sinne, dass die zutrittswilligen Personen einen Metalldetektorrahmen passieren und die mitgeführten Sachen durchleuchten lassen müssen, eine Ermächtigung. Weitere Maßnahmen, wie Identitätsfeststellungen oder Durchsuchungen, sind nicht möglich. In Hamburg können die wesentlichen, für die Sicherheit und Ordnung in Gerichten relevanten hausrechtlichen Maßnahmen, mit Ausnahme offener Videoüberwachungen, getroffen werden. Die, infolge der überwiegend fehlenden Ermächtigungsnormen, vorgeschlagenen Rechtsgrundlagen bzw. Surrogate, etwa die (analoge) Anwendung der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB, die Analogie zu existierenden öffentlich-rechtlichen Hausrechtsnormen oder zum jeweiligen Polizeigesetz, eine Ableitung aus der Sachkompetenz oder der Rekurs auf Gewohnheitsrecht, wurden als nicht tragfähig abgelehnt. Dies hat in Baden-Württemberg und in den Bundesländern ohne Ermächtigungsgrundlage zur Folge, dass die hausrechtlichen Maßnahmen mangels einer Rechtsgrundlage rechtswidrig und angreifbar sind. Das öffentlich-rechtliche Hausrecht an Gerichtsgebäuden stellt sich in diesen Bundesländern mangels Ermächtigungen zu belastenden hausrechtlichen Maßnahmen damit als bloße Hülle ohne Inhalt dar.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

II. Befugnisse des Vorsitzenden Kommen in Baden-Württemberg und vielen anderen Bundesländern hausrechtliche Maßnahmen der Gerichtsverwaltung zur Schaffung und Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden nicht in Betracht, hängt die Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude von der Einräumung weitergehender Anordnungsmöglichkeiten ab. Als eine solche weitere Möglichkeit zum Erlass von Maßnahmen sicherheitsrechtlicher Natur stellt sich die Anordnung sitzungspolizeilicher Maßnahmen nach §§ 175 Abs. 1, 176 ff. GVG dar.

1. Einführung Die Möglichkeit des Erlasses sitzungspolizeilicher Anordnungen dient der Wahrung der äußeren Ordnung des Verhandlungsverlaufes359 und ermächtigt den Vorsitzenden zu Maßnahmen, um eine störungsfreie, sachliche und rechtmäßige Durchführung der Sitzung zu ermöglichen.360 Sie bezwecken ein rechtmäßiges Verfahren der Rechts- und Wahrheitsfindung sicherzustellen, die Rechtspflege zu schützen und die Rechte der am Verfahren Beteiligten oder betroffener Dritter zu wahren.361 Die Ausübung der sitzungspolizeilichen Befugnisse ist Teil der richterlichen Unabhängigkeit und der Gewalt im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG362 und es besteht nicht nur die Berechtigung zur Ausübung, sondern auch eine entsprechende Verpflichtung des Vorsitzenden.363 Relevant ist für die Wahrung von Sicherheit und Ordnung insbesondere § 176 GVG,364 wonach die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung dem Vorsitzenden zukommt. 359 Von der Sitzungspolizei zu unterscheiden ist die auch dem Vorsitzenden obliegende Verhandlungsleitung nach §§ 136 ZPO, 238 StPO, 103 VwGO, welche sich nicht auf die äußere Ordnung, sondern auf die Durchführung des konkreten Verfahrens, wie der Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen, bezieht, siehe Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 1; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 2. 360 BVerfG, Beschluss v. 11. 05. 1994, 1 BvR 733/94 = NJW 1996, 310; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 1; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 1; Krekeler, NJW 1979, 185, 186. 361 BVerfG, Beschluss v. 06. 02. 1979, 2 BvR 154/78 = NJW 1979, 1400, 1401; Beschluss v. 11. 05. 1994, 1 BvR 733/94 = NJW 1996, 310; Beschluss v. 14. 03. 2012, 2 BvR 2405/11 = NJW 2012, 1863, 1864; Diemer, in: KK StPO, § 176 GVG, Rn. 1. 362 BGH, Urteil v. 10. 04. 1962, 1 StR 22/62 = NJW 1962, 1260; Urteil v. 13. 04. 1972, 4 StR 71/72 = NJW 1972, 1144, 1145; Groh, NVwZ 2006, 1023, 1026; Willms, JZ 1972, 653, 654. 363 RG, Urteil v. 10. 07. 1893, Rep. IV 91/93 = RGZ 32, 390, 391; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 10; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 1. 364 § 176 GVG gilt in allen Gerichtsbarkeiten, siehe etwa § 9 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 52 Abs. 1 FGO, § 61 Abs. 1 SGG, § 55 VwGO und in weiteren Verfahren, z. B. § 116 Abs. 1 S. 2 BRAO, § 17 BVerfGG.

II. Befugnisse des Vorsitzenden

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Bevor im Folgenden geklärt wird, ob und welche Maßnahmen nach den sitzungspolizeilichen Vorschriften zur Schaffung und Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude getroffen werden können, muss zunächst der Anwendungsbereich der Sitzungspolizei abgesteckt werden.

2. Anwendungsbereich der Sitzungspolizei Die Frage des Anwendungsbereiches stellt sich für die vorliegende Untersuchung bei der persönlichen, zeitlichen und räumlichen Reichweite der Sitzungspolizeigewalt des Vorsitzenden sowie bei der Abgrenzung zum öffentlich-rechtlichen Hausrecht der Gerichtsverwaltung. Die sitzungspolizeilichen Befugnisse sind nach dem Wortlaut der §§ 176 ff. GVG auf die Sitzung beschränkt, sodass diese Regelungen für sicherheitsrechtliche Maßnahmen nur dann zur Anwendung gelangen, wenn ein hinreichender Bezug zu einer konkreten Sitzung besteht.365 a) Persönlicher und zeitlicher Anwendungsbereich In persönlicher Hinsicht umfasst der Kreis der potentiellen Adressaten einer sitzungspolizeilichen Verfügung alle Personen, welche in der Sitzung anwesend sind, das heißt die Verfahrensbeteiligten einschließlich der Prozessvertreter, die nicht beteiligten Zuhörer sowie Justizbedienstete und alle anderen Kollegiumsmitglieder, wie beispielsweise Schöffen und Handelsrichter.366 Zeitlich gesehen obliegt dem Vorsitzenden die Sitzungspolizei während der gesamten Sitzung. Der Begriff der Sitzung ist jedoch weiter als der der Verhandlung nach § 169 S. 1 GVG zu verstehen, denn erfasst werden auch Zeiten unmittelbar vor Beginn und nach Ende der Verhandlung.367 Die Sitzung beginnt in der Regel, wenn das zur Verhandlung bereite Gericht im Sitzungssaal anwesend ist,368 frühestens jedoch mit dem Öffnen des Zugangs zum Sitzungssaal369 und endet mit der Schließung durch den Vorsitzenden,370 das heißt spätestens, wenn alle Beteiligten,

365

1930. 366

Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 4 ff.; Kees, NJW 2013, 1929,

Allgayer, in: BeckOK GVG, § 176, Rn. 3; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 4. 367 BVerfG, Beschluss v. 11. 05. 1994, 1 BvR 733/94 = NJW 1996, 310; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 6; Lehr, NStZ 2001, 63, 65; Maul, MDR 1970, 286. 368 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 176 GVG, Rn. 3; Angermaier/Kujath, DRiZ 2012, 338, 339. 369 BVerfG, Beschluss v. 11. 05. 1994, 1 BvR 733/94 = NJW 1996, 310; Böttcher, in: Dölling/Duttge/Rössner, Strafrecht, § 176 GVG, Rn. 2; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 8. 370 KG Berlin, Beschluss v. 03. 03. 1925, 25 1b W 21/25 = JW 1925, 810, 811.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

einschließlich das Gericht, den Sitzungssaal verlassen haben.371 Kurze Unterbrechungen, Beratungspausen und die Zeitspanne zwischen der Verkündung der Entscheidung bis zum Aufruf der nächsten Sache unterfallen dem Begriff der Sitzung und heben die Sitzungsgewalt des Vorsitzenden nicht auf.372 b) Räumlicher Anwendungsbereich Während sowohl der persönliche als auch der zeitliche Anwendungsbereich weitestgehend geklärt sind, ist die räumliche Dimension der Sitzungspolizei schwieriger zu bestimmen. Einigkeit besteht dahingehend, dass jedenfalls der Sitzungssaal selbst erfasst ist. Unterschiedlich beurteilt wird jedoch die Frage, ob die Sitzungspolizei Verfügungen nur im Gerichtssaal abdeckt oder ob nicht eine Erweiterung in räumlicher Hinsicht geboten ist. Diese Frage ist hier deshalb von Bedeutung, da von ihrer Beantwortung die Klärung der Frage abhängt, ob und wie Einlasskontrollen vor dem Sitzungssaal möglich sind sowie ob und welchen Störungen der Vorsitzende sitzungspolizeilich begegnen kann. aa) Beschränkung auf den Sitzungssaal Angenommen wird zunächst, die Sitzungspolizei beschränke sich auf den Gerichtssaal.373 Eine Begründung findet sich jedoch nicht. Denkbar wäre es, diese Auffassung ausgehend vom Wortlaut des § 176 GVG, welcher von „in der Sitzung“ spricht, damit zu begründen, dass der Begriff der Sitzung örtlich gesehen nur die Sitzung im Sitzungssaal erfasse. Da die Sitzung, sieht man von Ortsterminen ab, im Gerichtssaal stattfindet, kann mit der Sitzung nach § 176 GVG in räumlicher Hinsicht auch nur der Sitzungsraum an sich gemeint sein. Nach dem Wortlaut bliebe keine Möglichkeit für eine Erweiterung im räumlichen Sinn, sodass sich die Möglichkeit zum Erlass sitzungspolizeilicher Verfügungen lediglich auf das erstrecken könnte, was sich im Inneren des Gerichtssaales, also in dem Raum, in dem die Sitzung selbst erfolgt, zuträgt. bb) Erweiterung auf zum Sitzungssaal gehörende Räume Andere gehen davon aus, die Sitzungspolizei beschränke sich nicht nur auf den Sitzungssaal selbst, sondern erstrecke sich auch auf die zum Sitzungssaal gehörenden 371 BVerfG, Beschluss v. 11. 05. 1994, 1 BvR 733/94 = NJW 1996, 310; OLG Hamm, Beschluss v. 22. 06. 1956, 3 Ws 198/56 = NJW 1956, 1452; Lückemann, in: Zöller, ZPO, § 176 GVG, Rn. 4; Maul, MDR 1970, 286. 372 BVerfG, Beschluss v. 11. 05. 1994, 1 BvR 733/94 = NJW 1996, 310; Lückemann, in: Zöller, ZPO, § 176 GVG, Rn. 4; nicht erfasst sind längere Unterbrechungen, z. B. eine mehrstündige Mittagspause: Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 9; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 176 GVG, Rn. 2; Lehr, NStZ 2001, 63, 64 f. 373 Kruis, BayVBl. 2013, 97, 99.

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Räume, wie beispielsweise Beratungszimmer und Nebenräume.374 Diese Räumlichkeiten müssten im Sinne einer räumlichen Erweiterung des Anwendungsbereichs aber ausschließlich der Verhandlung dienen, sodass andere Räume, wie beispielsweise Korridore oder Treppenhäuser, nicht der Sitzungspolizei, sondern dem Hausrecht der Gerichtsverwaltung unterfallen.375 Begründet wird dieser Ansatz mit dem Erfordernis einer klaren Abgrenzung zwischen der Sitzungspolizei des Vorsitzenden und dem Hausrecht der Gerichtsverwaltung, um im Falle einer Störung schnell und durch die zuständige Stelle handeln und die Folgen einer Missachtung ergangener Anordnungen richtig beurteilen zu können.376 cc) Unmittelbar angrenzende Räume und Zugänge Die Rechtsprechung und die wohl herrschende Meinung in der Literatur gehen davon aus, die Sitzungspolizei umfasse neben dem Sitzungssaal und zu diesem gehörenden Räumen, wie Beratungszimmer und Warteräume für Zeugen, auch Vorräume oder Zugänge, wie beispielsweise Korridore und Flure, sofern die Räume mit dem Sitzungssaal unmittelbar oder eng verbunden sind und von ihnen aus Störungen auf die Verhandlung erfolgen können.377 Zur Begründung werden die Möglichkeit der Verbundenheit eines Geschehens in diesen Räumen mit dem Geschehen im Sitzungssaal selbst und das Erfordernis einer einheitlichen Handhabung bei der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung durch den Vorsitzenden angeführt.378 Da es entscheidend darauf ankomme, ob das Verhalten den Ablauf der Sitzung stört, müssten auch Störungen erfasst werden, die zwar von außerhalb des Sitzungssaales oder sogar des Gerichtsgebäudes kommen, auf das Innere aber genauso einwirken, als hätte sich die betreffende Person im Sitzungssaal oder unmittelbar vor dessen Tür aufgehalten.379 Dies sei insbesondere anzunehmen, wenn das Geschehen so eng mit dem Sitzungssaal verbunden ist, dass sinnvollerweise nur der Vorsitzende als Inhaber der Sitzungspolizei die Ordnung aufrechterhalten könne und die Störung nicht anders zu beurteilen sei, als käme sie von einem unmittelbar an

374

Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 10. Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 10. 376 Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 10. 377 BVerfG, Beschluss v. 11. 05. 1994, 1 BvR 733/94 = NJW 1996, 310; BGH, Beschluss v. 11. 02. 1998, 3 StE 7/94 – 1 (2) = NJW 1998, 1420; OLG Stuttgart, Beschluss v. 03. 09. 1992, 1 Ws 97/92 = Die Justiz 1993, 146, 147; OLG Celle, Beschluss v. 21. 07. 2011, 2 Ws 166/11 = NStZ 2012, 592; Wickern in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 6 m.w.N; Angermaier/Kujath, DRiZ 2012, 338, 339; erfasst sind nach Rieß, NJW 1998, 3240, 3242 auch Räume für Zeugen einer Vernehmung nach § 247a StPO und nach Schultzky, NJW 2003, 313, 316 f. auch Aufzeichnungsräume bei Videoüberwachungen gemäß § 128a ZPO. 378 OLG Celle, Beschluss v. 21. 07. 2011, 2 Ws 166/11 = NStZ 2012, 592; Olizeg, Hausrecht, S. 131. 379 OLG Celle, Beschluss v. 21. 07. 2011, 2 Ws 166/11 = NStZ 2012, 592: Schlagen gegen das Fenster des Sitzungssaales von außen; Olizeg, Hausrecht, S. 131. 375

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den Sitzungssaal angrenzenden Raum.380 Ein solcher Fall wurde von der Rechtsprechung beispielsweise für das Stehen auf dem Fenstersims des Gerichtsgebäudes und das Schlagen mit den Händen gegen die Fensterscheiben bejaht.381 Zwar habe sich die Person außerhalb des Gerichtsgebäudes aufgehalten, mit ihrem Verhalten aber in solch einer Weise auf das Innere des Sitzungssaales eingewirkt, dass es mit einem Auftreten innerhalb des Sitzungssaales vergleichbar sei.382 Hinsichtlich des unmittelbar von außerhalb des Raumes auf die Verhandlung einwirkenden Verhaltens sei daher keine Differenzierung zum Einwirken aus dem Raum selbst oder vor dessen Tür geboten.383 dd) Stellungnahme: Beeinträchtigung des Verhandlungsverlaufes als entscheidendes Merkmal und Ablehnung des Unmittelbarkeitskriteriums Angesichts der Meinungsverschiedenheiten zum räumlichen Anwendungsbereich bietet es sich zur Klärung zunächst an, auf das Nächstliegende, nämlich den Wortlaut der Norm, abzustellen. Der Wortlaut von § 176 GVG spricht von der Ordnung „in der Sitzung“. Der Begriff der Sitzung wird dabei nicht näher konkretisiert und eine Erweiterung in räumlicher Hinsicht ist nicht vorgesehen. Mit der zuerst genannten Ansicht und der entwickelten Wortlautargumentation könnte man daher der Meinung sein, in räumlicher Hinsicht solle nur das Geschehen in der Sitzung selbst, also im Verhandlungsraum, erfasst sein. Neben dem Wortlaut kann zur Argumentation für diese Ansicht ferner Nr. 129 Abs. 4 RiStBV herangezogen werden, wonach der Inhaber des Hausrechts für bestimmte Entscheidungen „außerhalb des Sitzungssaales“ zuständig ist. Da diese Norm ausdrücklich auf den Sitzungssaal Bezug nimmt, könnte man annehmen, dass nur der räumliche Bereich des Sitzungssaales selbst von der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden erfasst ist und jenseits dessen der Inhaber des Hausrechts Anordnungen erlässt. Hiergegen sprechen jedoch mehrere Argumente. Zunächst werden mit der von der ersten Ansicht vertretenen Beschränkung auf den Gerichtssaal und mit dem von der zweiten Ansicht aufgestellten Erfordernis, dass der Raum unmittelbar und ausschließlich der Verhandlung dienen muss, keineswegs die gewöhnlichen Geschehnisse einer gerichtlichen Verhandlung erfasst, da sie die Komplexität der möglichen Störungen in einer Sitzung verkennen. Der ersten Ansicht muss entgegengehalten werden, dass, wie sich anhand der in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle zeigt,384 Störungen einer Verhandlung sich keineswegs auf den Raum der Sitzung 380 OLG Celle, Beschluss v. 21. 07. 2011, 2 Ws 166/11 = NStZ 2012, 592; Olizeg, Hausrecht, S. 131; Steinbrenner, Die Justiz 1968, 235. 381 OLG Celle, Beschluss v. 21. 07. 2011, 2 Ws 166/11 = NStZ 2012, 592. 382 OLG Celle, Beschluss v. 21. 07. 2011, 2 Ws 166/11 = NStZ 2012, 592. 383 OLG Celle, Beschluss v. 21. 07. 2011, 2 Ws 166/11 = NStZ 2012, 592; Steinbrenner, Die Justiz 1968, 235. 384 Siehe z. B. BGH, Beschluss v. 19. 01. 1982, 5 StR 166/81 = NJW 1982, 947 (Gewaltsames Aufdrücken der Tür des Sitzungssaales von außen); Beschluss v. 11. 02. 1998, 3 StE 7 –

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beschränken, sondern auch in räumlicher Hinsicht beispielsweise von angrenzenden Räumen, etwa Beratungs- oder Zeugenzimmern, oder dem Flur vor dem Sitzungssaal, ausgehen können. Dies gilt insbesondere für Störungen, welche sich zwar außerhalb des Sitzungssaales ereignen, allerdings aufgrund ihrer räumlichen Nähe keine andere Störungsqualität aufweisen als Störungen im Sitzungssaal selbst.385 Würde man mit der erstgenannten Ansicht eine räumliche Erweiterung ablehnen, so wäre eine Störung, welche sich zwar noch innerhalb des Sitzungssaals, aber etwa direkt an der Türe ereignet, anders zu beurteilen als eine Störung, welche sich außerhalb des Gerichtssaales, aber unmittelbar vor dessen Türe abspielt. Einer den Verhandlungsablauf störenden lautstarken Unterhaltung im Publikum wäre durch den Vorsitzenden zu begegnen, während für die Unterbindung einer solchen Unterhaltung, die von außerhalb auf die Verhandlung einwirkt, der Hausrechtsinhaber herbeigerufen werden müsste. Dass eine solch strikte Trennung impraktikabel und gekünstelt erscheint, liegt auf der Hand. Aber auch die zweite Ansicht, welche zwar eine Erweiterung in räumlicher Hinsicht befürwortet, sie jedoch nur auf unmittelbar der Verhandlung dienende Räume, wie Beratungszimmer, erstreckt und Korridore, Treppenhäuser vom räumlichen Anwendungsbereich ausnimmt, wird nicht der Vielschichtigkeit der in einer Verhandlung möglichen Störungen des äußeren Verhandlungsverlaufes gerecht. So macht es auch insoweit für die Störung des Verlaufes einer Verhandlung keinen Unterschied, ob sich die Störung – etwa Lärm, Unmutsbezeugungen oder Demonstrationen – aus einem Raum ergibt, welcher der Verhandlung dient oder einem anderen, wenn die Störung in gleicher Weise geeignet ist, den Verhandlungsverlauf zu stören. Dem Sinn und Zweck des § 176 GVG entsprechend, der in der Sicherung des äußeren Verhandlungsverlaufes liegt, kommt es daher maßgeblich darauf an, ob sich die Störung auf den Verhandlungsverlauf auswirkt und nicht im Sinne der beiden zuerst genannten Ansichten, wie weit die Störung räumlich vom Sitzungsraum entfernt erfolgt bzw. in welcher Beziehung der Raum zum Sitzungssaal steht.386 Weiterhin würde in dem Fall, dass die Ordnungsgewalt des Vorsitzenden im Sinne der ersten Ansicht an der Türschwelle des Sitzungssaales, jedenfalls aber nach der zweiten Ansicht beim Fehlen des Kriteriums, dass der Raum unmittelbar und ausschließlich der Verhandlung dienen muss, endet, eine sachgerechte, schnelle, ef-

94 – 1 (2) = NJW 1998, 1420 (Fotografieren außerhalb des Sitzungssaales); BVerfG, Beschluss v. 11. 05. 1994, 1 BvR 733/94 = NJW 1996, 310 und Beschluss v. 15. 03. 2007, 1 BvR 620/07 = NJW-RR 2007, 986 (Fernsehaufnahmen vor dem Sitzungssaal); OLG Stuttgart, Beschluss v. 03. 09. 1992, 1 Ws 97/92 = Die Justiz 1993, 146 (Bedrohen eines Zeugen durch die Mutter des Angeklagten vor dem Sitzungssaal); OLG Celle, Beschluss v. 21. 07. 2011, 2 Ws 166/11 = NStZ 2012, 592 (Schlagen gegen das Fenster des Sitzungsaales von außerhalb des Gerichtsgebäudes). 385 So beispielsweise im Fall des OLG Celle, Beschluss v. 21. 07. 2011, 2 Ws 166/11 = NStZ 2012, 592. 386 So auch Olizeg, Hausrecht, S. 131.

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fektive und einheitliche Handhabung durch den Vorsitzenden konterkariert.387 Der Vorsitzende ist es, der im Gegensatz zum Inhaber des öffentlich-rechtlichen Hausrechts mit der Sache befasst ist und die störende Person möglicherweise bereits kennt. Er hat das konkrete Geschehen der Störung unter Umständen selbst wahrgenommen, sodass er am geeignetsten ist, die Intensität der Störung zu beurteilen und die erforderlichen Maßnahmen zur Unterbindung der Störung zu treffen.388 Müsste der Vorsitzende, um einer Störung entgegenzuwirken, die sich nicht innerhalb des Sitzungssaales oder eines nicht der Verhandlung dienenden Raumes zuträgt, zunächst den Gerichtspräsidenten verständigen, bestünde bereits aufgrund der zeitlichen Verzögerung, die ein solches Vorgehen mit sich bringt, die Gefahr einer Intensivierung oder Eskalation der Störung.389 An der Ansicht der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur, die auf die unmittelbare oder enge Verbindung des Raumes zum Sitzungssaal abstellt und eine Einwirkung der Störung auf den Verhandlungsverlauf fordert, ist daher richtig, dass maßgeblich auf die Auswirkung der Störung auf den äußeren Verhandlungsverlauf abgestellt wird. Dies erscheint vor dem Hintergrund, durch die Sitzungspolizei die Rechts- und Wahrheitsfindung zu sichern und die Rechte der am Verfahren Beteiligten oder betroffener Dritter zu sichern, auch sinnvoll. Soweit die Ansicht jedoch fordert, die Räume, aus welchen die Störung herrührt, müssten unmittelbar oder eng mit dem Sitzungssaal verbunden sein, überzeugt dieses Kriterium nicht. So geht die Beurteilung des Unmittelbarkeitskriteriums bereits mit erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheiten einher. Der Vorsitzende müsste sich vor Erlass einer sitzungspolizeilichen Verfügung stets darüber informieren, aus welcher Räumlichkeit die Störung konkret herrührt und sodann eine Beurteilung darüber vornehmen, ob der Raum unmittelbar oder noch eng genug mit dem Sitzungssaal verbunden ist. Auch von den Vertretern dieser Ansicht wird übersehen, dass Störungen für den Ablauf der Sitzung nicht nur möglich sind, wenn die Räumlichkeiten unmittelbar oder zumindest eng mit dem Sitzungssaal verbunden sind, sondern auch, wenn diese in einer etwas größeren Distanz zum Gerichtssaal liegen, die Störung aber dennoch auf die Verhandlung einwirkt. Eine Störung der Sitzung kann insbesondere auch durch die Beeinflussung der im Zeugenraum wartenden Zeugen durch Zuhörer oder das Fotografieren gefährdeter Zeugen herrühren390 ohne dass es für die Störung darauf ankommen kann, in welcher räumlichen Entfernung zum Sitzungssaal die Störung sich ereignet.391 Dass die unmittelbare oder 387 BGH, Beschluss v. 11. 02. 1998, 3 StE 7/94 – 1 (2) = NJW 1998, 1420; OLG Stuttgart, Beschluss v. 03. 09. 1992, 1 Ws 97/92 = Die Justiz 1993, 146, 147. 388 Olizeg, Hausrecht, S. 123. 389 OLG Stuttgart, Beschluss v. 03. 09. 1992, 1 Ws 97/92 = Die Justiz 1993, 146, 147. 390 BGH, Beschluss v. 11. 02. 1998, 3 StR 7/94 – 1 (2) = ZUM 1998, 572; Olizeg, Hausrecht, S. 131. 391 BGH, Beschluss v. 11. 02. 1998, 3 StR 7/94 – 1 (2) = ZUM 1998, 572, wobei es nicht auf die räumliche Nähe, sondern nur darauf ankam, dass ein Reporter ein Bild einer gefährdeten Zeugin aufnahm.

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enge Anbindung an den Sitzungssaal nicht das entscheidende Kriterium sein kann, zeigt sich darüber hinaus daran, dass es auch insoweit keinen entscheidenden Unterschied macht, ob etwa ein Störer am Fenster des Sitzungssaales mit den Fäusten gegen die Scheibe trommelt oder Steine oder sonstige Gegenstände aus etwas weiterer Entfernung wirft und auf diese Weise eine Störung der Sitzung verursacht. Sofern die Störungsqualität für die Sitzung die Gleiche ist, kann die räumliche Entfernung, von welcher die Störung auf die Verhandlung ausgeht, keine Rolle spielen. Der dritten Ansicht ist daher insoweit zuzustimmen, dass es darauf ankommt, ob die Störung auf den Verhandlungsablauf einwirkt. Abzulehnen ist jedoch das Kriterium der unmittelbaren oder engen Verbundenheit des Raumes, von dem die Störung ausgeht, mit dem Sitzungssaal. Maßgeblich ist alleine, ob die Störung den Ablauf der Verhandlung beeinträchtigt, egal von welcher räumlichen Distanz die Störung der Verhandlung herrührt. In räumlicher Hinsicht ist der Anwendungsbereich der Sitzungspolizei damit so weit auszudehnen, wie sich im konkreten Fall Störungen auf den äußeren Verhandlungsverlauf ergeben. c) Abgrenzung zum öffentlich-rechtlichen Hausrecht Steht fest, in welchem persönlichen, zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich sitzungspolizeiliche Verfügungen in Betracht kommen, kann auch die Frage des Verhältnisses zum öffentlich-rechtlichen Hausrecht im Gerichtsgebäude beantwortet werden. Diesem geht zur Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit und des Grundsatzes der Öffentlichkeit nach § 169 S. 1 GVG die Sitzungspolizei in ihrer soeben dargestellten Reichweite vor.392 Das bedeutet, dass hausrechtliche Maßnahmen nur jenseits der sitzungspolizeilichen Zuständigkeit des Vorsitzenden denkbar sind.393 Dies kann dann der Fall sein, wenn es sich bei dem Störer um eine Person handelt, welche nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der Sitzungspolizei fällt oder wenn in zeitlicher Hinsicht eine Sitzung gerade nicht stattfindet, beispielsweise weil sie noch nicht begonnen hat, bereits beendet ist oder eine solche nicht vorgesehen ist. Denkbar ist auch, dass sich der Störer im Gerichtsgebäude in einer solchen räumlichen Entfernung zum Gerichtssaal aufhält, dass eine Störung des Verhandlungsverlaufes der Sitzung nicht möglich ist. Stellt sich die Situation so dar, dass sich die Störung sowohl gegen den ordnungsgemäßen Verhandlungsverlauf einer Sitzung als auch gegen die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Gerichtsverwaltung richtet, so gelangen beide Institute zur Anwendung.394 Ein solcher Fall ist etwa bei Tumulten im Gerichtsgebäude denkbar, von welchen Störungen sowohl für den äußeren Ablauf einer Verhandlung 392

BGH, Urteil v. 13. 04. 1972, 4 StR 71/72 = NJW 1972, 1144, 1145; BVerwG, Beschluss v. 17. 05. 2011, 7 B 17/11 = NJW 2011, 2530, 2531; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 3; Gröner, Sitzungspolizei, S. 45 f.; siehe auch Angermayer/Kujath, DRiZ 2012, 338, 339. 393 Czybulka/Kluckert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 55, Rn. 39. 394 Olizeg, Hausrecht, S. 137.

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als auch für die Verwaltungstätigkeit der Gerichte ausgehen. In diesen Fällen geht die Sitzungspolizei des Vorsitzenden zur Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit und des Grundsatzes der Öffentlichkeit nach § 169 S. 1 GVG vor,395 weshalb zur Unterbindung der Störungen des Verhandlungsverlaufes Maßnahmen auf Grundlage der sitzungspolizeilichen Befugnisse nach § 176 GVG ergriffen werden können. Genügen die Maßnahmen aufgrund der Beschränkungen in persönlicher, zeitlicher und räumlicher Hinsicht oder deshalb nicht, weil weiterhin eine Störung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Gerichtsverwaltung besteht, obliegt es dem Gerichtspräsidenten als Leiter der Gerichtsverwaltung, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen. Soweit für diese Fälle angenommen wird, es bedürfe der Übertragung des öffentlich-rechtlichen Hausrechts der Gerichtsverwaltung auf den Vorsitzenden, damit der Vorsitzende störende Personen nicht nur aus dem Sitzungssaal, sondern auch aus dem Gerichtsgebäude selbst verweisen kann396 und diese Übertragung teilweise auch ohne förmlichen Akt oder stillschweigend für möglich gehalten wird,397 ist eine solche Vorgehensweise abzulehnen. Nach dem oben gewonnenen Ergebnis obliegen der Gerichtsverwaltung ohnehin keine Befugnisse, welche auf den Inhaber der Sitzungspolizei übertragen werden könnten. Zudem wird für eine Übertragung auf den Vorsitzenden vielfach kein Bedürfnis bestehen. Vor dem Hintergrund, dass es, wie soeben gesehen, in räumlicher Hinsicht entscheidend darauf ankommt, ob die Störung den Verhandlungsverlauf beeinträchtigt, ist nicht ausgeschlossen, dass aufgrund einer sitzungspolizeilichen Verfügung der Störer auch aus dem gesamten Gerichtsgebäude verwiesen werden kann, wenn sich die Störung aus weiterer räumlicher Entfernung als eine solche des Verhandlungsverlaufes darstellt.398 In den Fällen, in denen der Störer nach Verlassen des Sitzungssaales weitere Störungen begeht, die zwar die Aufgabenerfüllung der Gerichtsverwaltung beeinträchtigen, nicht aber mehr den äußeren Verhandlungsverlauf, stehen zudem neben dem Gerichtspräsidenten auch die ausgebildeten und ausgerüsteten Beschäftigten des Justizwachtmeisterdienstes zur Verfügung, um diese Störungen zu unterbinden.399 Schließlich würde eine Übertragung zu weiteren Unsicherheiten im Umgang mit den Ordnungsbefugnissen im Gerichtsgebäude führen und eine klare und eindeutige Abgrenzung verhindern. Es wäre nicht klar, auf welcher Grundlage der Inhaber der Sitzungspolizei die Maßnahme zur Ordnungswahrung in der Sitzung trifft, ob sich 395

BGH, Urteil v. 13. 04. 1972, 4 StR 71/72 = NJW 1972, 1144, 1145; BVerwG, Beschluss v. 17. 05. 2011, 7 B 17/11 = NJW 2011, 2530, 2531; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 3. 396 Diemer, in: KK StPO, § 176 GVG, Rn. 5; Kissel/Mayer, GVG, § 12, Rn. 99, § 176, Rn. 10; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 3; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 176 GVG, Rn. 3; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 13; Angermayer/Kujath, DRiZ 2012, 338. 397 Pfeiffer, in: Pfeiffer, StPO, § 176 GVG, Rn. 4 m.w.N. 398 Ähnlich auch Olizeg, Hausrecht, S. 140. 399 Zu den Befugnissen der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes, siehe unten S. 156 ff.

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die Maßnahme als sitzungspolizeiliche Verfügung oder etwa als Verwaltungsakt der Gerichtsverwaltung darstellt sowie bei welchen Maßnahmen er als Teil der Gerichtsverwaltung der Dienstaufsicht unterliegt und welche er im Rahmen seiner richterlichen Unabhängigkeit erlässt.400 Im Sinne einer klaren Abgrenzung der Ordnungsbefugnisse sowie zur Vermeidung jeden Anscheins einer Beeinflussung des Vorsitzenden durch die Gerichtsverwaltung ist eine Übertragung auf den Vorsitzenden abzulehnen.

3. Sitzungspolizeiliche Verfügungen auf Grundlage von § 176 GVG Ist geklärt, in welchem Anwendungsbereich sitzungspolizeiliche Verfügungen in Betracht kommen, stellt sich im Folgenden die Frage, ob und welche Verfügungen sicherheitsrechtlicher Natur zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Gerichten auf Grundlage von § 176 GVG erlassen werden können. Bevor diese Frage im Einzelnen geklärt wird, soll jedoch zunächst die Frage beantwortet werden, wann eine Störung des Verhandlungsverlaufes als Voraussetzung sitzungspolizeilicher Verfügungen vorliegt. a) Störung des äußeren Verhandlungsverlaufes als Voraussetzung sitzungspolizeilicher Verfügungen Unproblematisch kann eine Störung des Verhandlungsverlaufes dann angenommen werden, wenn sich während der Sitzung eine Störung ergibt, eine Störung des Verhandlungsverlaufes also bereits eingetreten ist oder die konkrete Gefahr einer Störung im Sinne des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts besteht.401 Die im Ermessen des Vorsitzenden stehende Beurteilung402 richtet sich bei konkreten Störungen nach dem Grad der Störung.403 Dabei kann es im Interesse einer ungestörten Verhandlung jedoch auch zweckmäßig sein, leichte Störungen zu übergehen und zunächst abzuwarten, ob sich die Verhandlung auch ohne sitzungspolizeiliche Verfügung führen lässt.404 Die Beurteilung hingegen, ob es eines Einschreitens bei Vorliegen einer konkreten Gefahr bedarf, richtet sich mangels einer bereits bestehenden Störung anhand bestimmter objektiver Hinweise oder Umstände im Zusammenhang mit dem Verfah400

Olizeg, Hausrecht, S. 140. Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 8; Krekeler, NJW 1979, 185, 187; siehe auch Angermaier/Kujath, DRiZ 2012, 338. 402 OLG Köln, Urteil v. 12. 06. 1997, 7 U 210 – 96 = NJW-RR 1998, 1141; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 11; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 9. 403 Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 11. 404 Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 36; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 11. 401

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ren.405 Solche Hinweise oder Umstände können sich aus dem früheren Verhalten der teilnehmenden Personen, etwa in vorangegangenen Verhandlungen, in denen die Personen ein besonderes Störungspotential offenbart haben, aus anonymen Mitteilungen oder konkreten Äußerungen, aus welchen entnommen werden kann, dass Störungen geplant sind, ergeben. Das Ermessen des Vorsitzenden zum Einschreiten verdichtet sich zu einer Pflicht, wenn sich aufgrund objektiver und konkreter Anhaltspunkte eine Gefährdung wichtiger Rechtsgüter oder eine erhebliche Störung des Ganges der Verhandlung ergibt.406 Letzteres wurde in der Rechtsprechung etwa dann angenommen, wenn die Möglichkeit besteht, dass sich die Störung auf die Wahrheitsfindung auswirkt, infolge der Störung eine psychische oder physische Beeinträchtigung der Verfahrensbeteiligten bei der Ausübung ihrer Verfahrensrechte gegeben ist407 oder Zeugen in ihrem Aussageverhalten beeinflusst werden können.408 b) Mögliche sitzungspolizeiliche Verfügungen So wie die Frage, ob es eines Einschreitens bedarf, im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden steht, steht es auch in seinem Ermessen darüber zu entscheiden, welche konkreten Maßnahmen ergriffen werden.409 Die Entscheidung richtet sich ebenfalls nach dem Grad der Störung oder der konkreten Gefahr für den äußeren Verhandlungsverlauf.410 Während die Beurteilung bei tatsächlichen, also bereits eingetretenen Störungen, häufig einfach vorzunehmen ist, da das Ausmaß der Störung eingeschätzt werden kann, gestaltet sich die Auswahl bei vorbeugenden Maßnahmen schwieriger. Hier kommt es wiederum auf Hinweise und sonstige mit dem Verfahren zusammenhängende Umstände an, welche Rückschluss auf die potentiellen Störungen und insbesondere auf deren Intensität geben.411 Besteht beispielsweise die konkrete Gefahr, dass zwar Störungen der Verhandlung stattfinden, stellen sie sich aber z. B. nicht als Straftaten dar, kann es genügen, wenn sich die vorbeugenden Sicherheitsvorkehrungen darin erschöpfen, die Anwesenheit von Polizeibeamten während der Sitzung anzuordnen. Ergeben dagegen Anhaltspunkte eine konkrete Gefahr erheblicher Störungen, wie etwa Gewalttaten, kann es neben

405

OLG Köln, Urteil v. 12. 06. 1997, 7 U 210 – 96 = NJW-RR 1998, 1141; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 11. 406 OLG Köln, Urteil v. 12. 06. 1997, 7 U 210 – 96 = NJW-RR 1998, 1141; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 176 GVG, Rn. 5. 407 Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 36; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 18. 408 BGH, Beschluss v. 27. 08. 2003, 1 StR 324/03 = NStZ 2004, 220; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 36; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 18. 409 OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 26. 03. 2010, 3 N 33/10 = NJW 2010, 1620, 1621; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 36; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 11. 410 Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 8. 411 OLG Köln, Urteil v. 12. 06. 1997, 7 U 210 – 96 = NJW-RR 1998, 1141; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 36.

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diesen Anordnungen auch sonstiger Sicherheitsvorkehrungen, wie etwa Ausweiskontrollen oder Durchsuchungen, bedürfen.412 Auch wenn man angesichts des Wortlauts des § 176 GVG, der dem Vorsitzenden die Aufgabe der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung zuweist, annehmen könnte, bei der Vorschrift des § 176 GVG handele es sich lediglich um eine Aufgabenzuweisungsnorm, gewährt sie grundsätzlich413 die Befugnis zum Erlass belastender Maßnahmen und stellt eine Ermächtigungsnorm dar.414 Entgegen dem Wortlaut kann man dies aus der Begründung des Gesetzesentwurfes zur vorherigen Fassung des § 176 GVG, dem § 143 Abs. 1 GVG, entnehmen. Nach der Begründung sei es dem Vorsitzenden überlassen „die geeigneten Anordnungen zu treffen, um Störungen der Verhandlung abzuwenden und zu unterbinden“415. Hieraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber dem Vorsitzenden nicht nur die Aufgabe der Aufrechterhaltung von Ordnung in der Sitzung zuweisen, sondern ihn auch zum Erlass geeigneter, also unter anderem auch belastender, Anordnungen ermächtigen wollte. Zudem entspricht ein solches Verständnis dem Sinn und Zweck des § 176 GVG, der darin liegt, die äußere Ordnung des Verhandlungslaufes zu wahren. Hierzu bedarf es jedoch nicht nur der Bestimmung, wer zuständig ist, sondern auch der Ermächtigung zum Ergreifen der erforderlichen, gegebenenfalls belastenden, Maßnahmen. Eine solche Ermächtigung ist in § 176 GVG daher grundsätzlich zu sehen, da der für Ermächtigungsnormen erforderliche Tatbestand sowie die Rechtsfolge416 bei § 176 GVG noch erkennbar ist. Zwar ist beides knapp formuliert, es wird allerdings noch hinreichend deutlich, dass zur Wahrung der Ordnung in der Sitzung als Tatbestand der Vorsitzende grundsätzlich Maßnahmen zur Aufrechterhaltung als Rechtfolge ergreifen darf.417 Stellt man sich sodann die Frage, welche konkreten sitzungspolizeilichen Verfügungen im Einzelfall auf Grundlage von § 176 GVG getroffen werden können, zeigt sich, dass der Inhalt der sitzungspolizeilichen Verfügungen nach § 176 GVG im Gesetz nicht näher umschrieben ist. Daher soll eine ganze Bandbreite von Verfü412 OLG Köln, Urteil v. 12. 06. 1997, 7 U 210 – 96 = NJW-RR 1998, 1141, das auch die Frage einer Schadensersatzpflicht wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen nach Schüssen des Nebenklägers auf Angeklagte und Zuhörer der Verhandlung zu entscheiden hatte; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 8; Angermaier/Kujath, DRiZ 2012, 338, 339. 413 Ob § 176 GVG jedoch für alle in dieser Untersuchung relevanten Anordnungen die Ermächtigungsgrundlage darstellt, wird im Rahmen der einzelnen Anordnungen behandelt, siehe hierzu sogleich. 414 Allgayer, in: BeckOK StPO, § 176 GVG, Rn. 4; Diemer, in: KK StPO, § 176 GVG, Rn. 1; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 1; Gröner, Sitzungspolizei, S. 95. 415 Siehe zur Begründung des Entwurfes Hahn/Mugdan, Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Band 1, Abteilung 1, S. 175. 416 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Band II, Art. 20, Rn. 136; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20, VII, Rn. 65. 417 So auch Olizeg, Hausrecht, S. 133.

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gungen in Betracht kommen.418 Möglich seien beispielsweise Ermahnungen und Rügen, die Entziehung des Wortes, die Aufforderung zum Abschalten des Mobiltelefons, Unterbrechungen oder die Vertagung der Verhandlung, die Aufforderung den Saal zu verlassen, die Gestattung oder das Verbot von Lichtbildaufnahmen oder die Festlegung der Sitzordnung.419 Daneben werden aber auch Maßnahmen wie beispielsweise Ausweiskontrollen oder die Durchsuchung von Personen und Sachen für möglich gehalten.420 Ob auch die für die vorliegende Arbeit relevanten sitzungspolizeilichen Verfügungen auf Grundlage von § 176 GVG erlassen werden können, soll im Folgenden untersucht werden. Bereits an dieser Stelle sei angemerkt, dass bei der Auswahl der möglichen Maßnahmen bestimmte Grenzen zu beachten sind. Diese ergeben sich zum einen aus dem bereits oben dargestellten persönlichen, zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich der Sitzungspolizei, zum anderen aus den dem Gericht vorbehaltenen Maßregeln nach §§ 177, 178 GVG, dem rechtlichen Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, den Vorschriften über die Öffentlichkeit nach §§ 169 ff. GVG sowie dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.421 Darüber hinaus können sich Beschränkungen aus den Grundrechten als unmittelbar geltendes Recht nach Art. 1 Abs. 3 GG sowie aus der Bindung an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG ergeben. aa) Sitzungspolizeiliche Verfügungen während der Verhandlung Ergeben sich während der Verhandlung Störungen, so stehen dem Vorsitzenden verschiedene Möglichkeiten zur Unterbindung nach § 176 GVG zu. Beschränken sich die Störungen auf unangemessene verbale Äußerungen, etwa durch die Verwendung unangebrachter Ausdrücke, oder durch Äußerungen in übermäßiger Lautstärke, kann es genügen, wenn sich die sitzungspolizeiliche Verfügung des Vorsitzenden nach § 176 GVG auf die Ermahnung zur Ruhe und Mäßigung be-

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Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 13; Hofmann, Sitzungspolizei im Strafprozess, S. 57. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 176 GVG, Rn. 6 ff.; Kimmel: in: BeckOK VwGO, § 55, Rn. 19; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 176 GVG, Rn. 7; gegebenenfalls auch die Sicherstellung des Films: BGH, Beschluss v. 11. 02. 1998, 3 StE 7 – 94- 1 (2) = NJW 1998, 1420. 420 BGH, Urteil v. 06. 10. 1976, 3 StR 291/76 = NJW 1977, 157 f.; BVerfG, Beschluss v. 07. 04. 1978, 2 BvR 202/78 = NJW 1978, 1048, 1049; BGH, Beschluss v. 03. 05. 1983, 5 StR 193/83 = MDR 1983, 795 f.; BVerfG, Beschluss v. 05. 01. 2006, 2 BvR 2/06 = NJW 2006, 1500; OLG Karlsruhe, Urteil v. 31. 07. 1975, 3 Ss 175/74 = NJW 1975, 2080; Allgayer, in: BeckOK StPO, § 176 GVG, Rn. 6; Diemer, in: KK StPO, § 169 GVG, Rn. 10, § 176 GVG Rn. 1; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 16 f.; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 21 f.; Lückemann, in: Zöller, ZPO, § 176 GVG, Rn. 5. 421 Diemer, in: KK StPO, § 176 GVG, Rn. 1; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 12; Lückemann, in: Zöller, ZPO, § 176 GVG, Rn. 3. 419

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schränkt.422 Bleibt es bei solchen Störungen nicht und kommt es etwa zu Tumulten, dem Werfen von Gegenständen, lauten Rufen und genügen die erlassenen Verfügungen nicht, um einen störungsfreien Verhandlungsverlauf wiederherzustellen, kann der Vorsitzende anordnen, dass der Störer sich aus dem Verhandlungsraum zu entfernen hat.423 Sofern auch diese Anordnung nicht genügt, um einen ruhigen Verhandlungsverlauf sicherzustellen und um weitere Störungen zu verhindern, kann der Vorsitzende eine kurze Unterbrechung der Sitzung verfügen.424 Bleibt auch dies erfolglos, verbleibt dem Vorsitzenden als letztes Mittel die Sitzung bis zum nächsten Verhandlungstag aufzuheben.425 Für all diese Maßnahmen stellt § 176 GVG eine ausreichende Rechtsgrundlage dar. Zwar gehen mit manchen der genannten Maßnahmen Eingriffe in Grundrechte der betroffenen Personen einher, etwa in Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, gegebenenfalls auch in Art. 5 Abs. 1 GG oder Art. 12 Abs. 1 GG. Allerdings können diese Eingriffe verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. § 176 GVG ist eine formell gesetzliche Vorschrift, welche grundsätzlich alle der genannten Grundrechte zu beschränken vermag. Sie ist zudem jedenfalls für die genannten Verfügungen mit den oben bereits ausgeführten426 rechtsstaatlichen Geboten der Rechtsklarheit und Bestimmtheit vereinbar, denn mit den Verfügungen gehen keine so gravierenden Grundrechtseingriffe einher, welche eine Ausdifferenzierung über das mit der Generalklausel des § 176 GVG vorgefundene Maß erfordern. Neben der Möglichkeit sitzungspolizeilicher Anordnungen nach § 176 GVG kann der Vorsitzende für nicht am Verfahren beteiligte Personen und das Gericht für Verfahrensbeteiligte im Falle einer Ungebühr Anordnungen nach § 178 Abs. 1 S. 1 GVG erlassen. Da allerdings § 178 GVG nur die Ahndung von Verhaltensverstößen durch Ordnungsstrafen vorsieht,427 sind die Maßnahmen nach § 178 Abs. 1 S. 1 GVG für die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in der Sitzung von sehr geringer Bedeutung. bb) Anordnung der Anwesenheit von Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes sowie von Polizeibeamten Der Vorsitzende kann, um einen sicheren und störungsfreien Verhandlungsverlauf zu gewährleisten, zudem die Anwesenheit von Angehörigen des Justizwachtmeis422 Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 26; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 11. 423 BGH, Urteil v. 13. 04. 1972, 4 StR 71/72 = NJW 1972, 1144, 1145; Lückemann, in: Zöller, ZPO, § 176 GVG, Rn. 5; Seibert, NJW 1973, 127. 424 Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 32; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 33. 425 RG, Urteil v. 10. 07. 1893, Rep. IV 91/93 = RGZ 32, 390; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 11. 426 Siehe hierzu bereits oben, S. 47 ff. 427 Siehe hierzu und zur Frage des Verhältnisses von § 176 GVG und § 178 GVG ausführlich Olizeg, Hausrecht, S. 118 ff. m.w.N.

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terdienstes in der Sitzung anordnen.428 Die Anwesenheit der Justizwachtmeister dient dazu, potentielle Störer abzuschrecken sowie schnell handeln zu können, wenn sich während der Sitzung Störungen, z. B. durch das Werfen von Gegenständen oder durch Lärm oder Auseinandersetzungen unter den anwesenden Personen, ergeben.429 Beschränkt sich die Anordnung auf die bloße Präsenz der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes, etwa zu Abschreckungszwecken und gehen von ihnen keine belastenden Maßnahmen aus, so bestehen keine Zweifel, dass § 176 GVG die ausreichende Rechtsgrundlage für diese Verfügung darstellt. Gleiches gilt, wenn der Vorsitzende infolge seines gerichtsinternen Weisungsrechts430 die Beschäftigten des Justizwachtmeisterdienstes mit der Durchführung seiner auf Grundlage von § 176 GVG zulässigen sitzungspolizeilichen Verfügungen betraut, denn die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes werden insoweit lediglich ausführend für den Vorsitzenden tätig. Anders ist es jedoch, wenn die Justizwachtmeister neben ihrer Präsenz eigenständig, also aus eigenem Antrieb, tätig werden sollen. Solche Anordnungen der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes können nicht auf die Rechtsgrundlage des § 176 GVG gestützt werden,431 denn nach den speziellen Grundrechtsvorbehalten bzw. dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes bedarf es für eigenständige belastende Anordnungen einer eigenen Ermächtigungsgrundlage. Zur Unterstützung der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes kann der Vorsitzende weiterhin den Einsatz von zivilen oder uniformierten Polizeikräften im Sitzungssaal im Wege der Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG ersuchen und sowohl deren Anwesenheit im Sitzungsraum als auch die vorsorgliche Bereitstellung von weiteren Polizeibeamten in einem Nebenraum anordnen.432 Nach Art. 35 Abs. 1 GG leisten sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig Rechts- und Amtshilfe. Erfasst sind alle Stellen, die unmittelbar staatliche bzw. öffentliche Aufgaben erfüllen, mithin auch die Spruchkörper.433 Während der Ersuchende über die Erforderlichkeit der durchzuführenden Maßnahme entscheidet, obliegt die Entscheidung über die Art und Weise der Durchführung der übertragenen Aufgabe dem Ersuchten.434 Demzufolge entscheidet der Vorsitzende als Ersuchender, ob es 428

BGH, Beschluss v. 19. 01. 1982, 5 StR 166/81 = NStZ 1982, 158; OLG Hamm, Beschluss v. 01. 02. 1972, 3 Ws 27/72 = NJW 1972, 1246, 1247; Böttcher, in: Dölling/Duttge/ Rössner, Strafrecht, § 176 GVG, Rn. 3. 429 Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 27; Molketin, MDR 1984, 20, 21. 430 Siehe hierzu Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 19. 431 Zur Frage, ob den Justizwachtmeistern selbst Ermächtigungsnormen zur Verfügung stehen, S. 156 ff. 432 OLG Hamm, Beschluss v. 01. 02. 1972, 3 Ws 27/72 = NJW 1972, 1246, 1247; OLG Schleswig, Beschluss v. 13. 01. 1977, 1 Ws 510/76 = MDR 1977, 775 f.; Milger, NStZ 2006, 121; Molketin, MDR 1984, 20, 21. 433 BVerfG, Beschluss v. 27. 04. 1971, 2 BvL 31/71 = NJW 1971, 1308; OVG Lüneburg, Beschluss v. 20. 10. 1998, 13 O 3662 – 98, 6 D 4677 – 98 = NJW 1999, 1882; Epping, in: BeckOK GG, Art. 35, Rn. 1; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 35, Rn. 3. 434 Leinius, NJW 1973, 448; Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 35, Rn. 14; Epping, in: BeckOK GG, Art. 35, Rn. 11.

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der Unterstützung durch Polizeibeamte bedarf. Da Art. 35 Abs. 1 GG jedoch nicht zu bedingungslosen Amtshilfeersuchen ermächtigt, sondern die Unmöglichkeit der Durchführung in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht oder zumindest erhebliche Schwierigkeiten bei der ersuchenden Behörde fordert, die nicht oder nicht in solchem Ausmaß bei der ersuchten Behörde vorliegen,435 kann von dem Einsatz von Polizeikräften im Wege der Amtshilfe durch den Vorsitzenden nicht beliebig Gebrauch gemacht werden. Es sind konkrete Anhaltspunkte erforderlich, welche die Befürchtung rechtfertigen, der Vorsitzende könne diese Aufgabe alleine nicht bewältigen. Dies kann der Fall sein, wenn aufgrund von Einsparungen436 die vorhandene Personaldecke nicht ausreicht und etwa bei störungsgeneigten Verfahren nicht genügend Angehörige des Justizwachtmeisterdienstes zur Verfügung stehen oder diese alleine nicht geeignet sind, z. B. mangels einer entsprechenden Ausbildung oder Ausrüstung, den befürchteten Störungen schnell und effektiv entgegenzuwirken. Da über die Art und Weise der Durchführung der Maßnahme der Ersuchte selbst entscheidet, bleibt es der Polizei überlassen, mit welchem Personal und welcher Ausrüstung, etwa ob und mit welchen Waffen oder mit dem zusätzlichen Einsatz von Sprechfunkgeräten, sie den in der Verhandlung befürchteten Störungen begegnet.437 Sinnvoll ist es, diese Entscheidungen dennoch im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden zu treffen.438 Nur auf diese Weise können die Belange beider Seiten, auf Seiten des Vorsitzenden das Bedürfnis eines sicheren und ungestörten Verhandlungsverlaufes und auf Seiten der Polizei die Fähigkeit, Personal und Ausrüstung zur Verfügung stellen zu können, beachtet und zu einem Ausgleich gebracht werden. cc) Einlasskontrollen Neben den dargestellten sitzungspolizeilichen Verfügungen werden in der Rechtsprechung und Literatur auf der Grundlage von § 176 GVG auch Einlasskontrollen sowie andere Verfügungen im Rahmen der Einlasskontrollen, wie z. B. Identitätsfeststellungen oder die Durchsuchung von Personen oder mitgeführter Sachen, für zulässig gehalten.439 Für die bloße Anordnung, Einlasskontrollen durchzuführen und die zutrittswilligen Personen einen Metalldetektorrahmen passieren zu lassen, ohne dass nähere Verfügungen erlassen werden, genügt § 176 GVG als Ermächtigungsnorm. Mit dem bloßen Passieren eines Metalldetektorrahmens gehen lediglich Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG 435

Epping, in: BeckOK GG, Art. 35, Rn. 10; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 35, Rn. 6. Siehe zur Personalknappheit Milger, NStZ 2006, 121. 437 Allgayer, in: BeckOK StPO, § 176 GVG, Rn. 6; Diemer, in: KK StPO, § 176 GVG, Rn. 6; Leinius, NJW 1973, 448; a.A. Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 28. 438 Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 24. 439 BGH, Urteil v. 06. 10. 1976, 3 StR 291/76 = NJW 1977, 157 f.; BVerfG, Beschluss v. 07. 04. 1978, 2 BvR 202/78 = NJW 1978, 1048, 1049; Diemer, in: KK StPO, § 176 GVG, Rn. 1; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 16 ff.; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 21 f.; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 176 GVG, Rn. 5; Krekeler, NJW 1979, 185, 188. 436

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einher440 und § 176 GVG genügt insoweit als formelles Gesetz den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und Normklarheit. Für möglich werden auf Grundlage von § 176 GVG im Rahmen von Einlasskontrollen zudem Identitätsfeststellungen gehalten, bei denen vor Betreten des Sitzungssaales alle Zutritt begehrenden Personen ihre Ausweispapiere vorzeigen oder vorlegen müssen,441 die Ausweispapiere für die Dauer der Sitzung einbehalten,442 Kopien oder Scans der Ausweispapiere angefertigt werden443, Listen mit den Personalien der anwesenden Personen erstellt oder die Personen registriert werden.444 Diese Maßnahmen bezwecken, die Identität der teilnehmenden Personen festzustellen, um beispielsweise einen Abgleich mit den Personen vorzunehmen, denen bereits Hausverbote erteilt wurden oder aber um im Falle von Störungen effektiv gegen die störende Person vorgehen zu können.445 Neben den Identitätsfeststellungen soll es nach § 176 GVG weiterhin möglich sein, alle zur Verhandlung Eintritt begehrenden Personen einer Durchsuchung ihrer Person oder mitgeführter Sachen zu unterziehen,446 um sicherzustellen, dass Waffen oder sonstige Gegenstände nicht in den Verhandlungsraum mitgebracht werden, mit welchen Störungen der Verhandlung begangen werden können. In diesem Sinne verfährt auch die Praxis, indem sie mittels schriftlicher Anordnungen solche Verfügungen bei Einlasskontrollen im Vorfeld von Verhandlungen auf Grundlage von § 176 GVG erlässt.447

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Siehe hierzu bereits oben, S. 44. BGH, Urteil v. 06. 10. 1976, 3 StR 291/76 = NJW 1977, 157 f.; Schmitt, in: MeyerGoßner/Schmitt, StPO, § 176 GVG, Rn. 5; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 16; a.A.: Roxin, in: Baumann/Tiedemann, FS für Peters, S. 393, 397, 398. 442 OLG Karlsruhe, Urteil v. 31. 07. 1975, 3 Ss 175/74= NJW 1975, 2080, 2082; Allgayer, in: BeckOK StPO, § 176 GVG, Rn. 6; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 16; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 21. 443 LG Berlin, Beschluss v. 07. 09. 1981, 1 Abl. 141/81 = MDR 1982, 154 f.; Wickern, in: L/ R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 21. 444 OLG Karlsruhe, Urteil v. 31. 07. 1975, 3 Ss 175/74 = NJW 1975, 2080, 2082; Diemer, in: KK StPO, § 169 GVG, Rn. 10; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 16; zur Frage, ob auch nach dem Zweck des Besuchs gefragt werden kann, ablehnend BVerwG, Beschluss v. 17. 03. 2000, 8 B 287/99 = NVwZ 2000, 1298, 1299; Kissel/Mayer, GVG, § 169, Rn. 41; bejahend OLG Koblenz, Urteil v. 20. 03. 1975, 1 Ss 39/75 = NJW 1975, 1333. 445 OLG Karlsruhe, Urteil v. 31. 07. 1975, 3 Ss 175/74 = NJW 1975, 2080, 2082; Steinbrenner, Die Justiz 1968, 235, 236. 446 BVerfG, Beschluss v. 07. 04. 1978, 2 BvR 202/78 = NJW 1978, 1048, 1049; Beschluss v. 05. 01. 2006, 2 BvR 2/06 = NJW 2006, 1500; Diemer, in: KK StPO, § 176 GVG, Rn. 1; Kissel/ Mayer, GVG, § 176, Rn. 17 f.; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 21 f.; Lückemann, in: Zöller, ZPO, § 176 GVG, Rn. 5; Krekeler, NJW 1979, 185, 188. 447 Siehe als Beispiele die Verfügung des OLG Stuttgart vom 24. 07. 2012: http://www.olgstuttgart.de/pb/,Lde/1178368/?LISTPAGE=1178280 (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016) und des Landgerichts Regensburg vom 30. 06. 2015: https://www.justiz.bayern.de/imperia/md/con tent/stmj_internet/gerichte/landgerichte/regensburg/pressemitteilung2015-3/sitzungspolizeili che_verf_gung.pdf (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 441

II. Befugnisse des Vorsitzenden

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Bevor sogleich im Einzelnen auf die Möglichkeit des Erlasses der einzelnen sitzungspolizeilichen Verfügungen bei Einlasskontrollen auf Grundlage von § 176 GVG näher eingegangen wird, muss vorweg der Frage nachgegangen werden, ob und wie die Grenzen bei der Auswahl der Verfügungen des Vorsitzenden eingehalten werden können. Diese Frage stellt sich zum einen aufgrund des zu beachtenden Grundsatzes der Öffentlichkeit nach § 169 S. 1 GVG, da infolge von Einlasskontrollen kein absolut ungehinderter Zugang zur Verhandlung gegeben ist und zum anderen vor dem zu beachtenden persönlichen, zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich der Sitzungspolizei. (1) Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit? Nach dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden und in § 169 S. 1 GVG geregelten Grundsatz der Öffentlichkeit des Verfahrens muss jeder ohne Berücksichtigung seiner Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen der Bevölkerung oder persönlichen Eigenschaften die Möglichkeit haben, an Gerichtsverhandlungen als Zuhörer teilzunehmen.448 Werden sitzungspolizeiliche Verfügungen erlassen, welche die Anwesenheit bei Sitzungen verhindern oder wesentlich erschweren, wird die Gerichtsöffentlichkeit berührt, was insbesondere auch deshalb von Bedeutung ist, da eine Verletzung des § 169 S. 1 GVG die Anfechtbarkeit der gerichtlichen Entscheidung, in der Revision sogar einen absoluten Revisionsgrund, nach sich zieht.449 Allerdings gilt der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung nicht uneingeschränkt. Grenzen ergeben sich neben tatsächlichen Umständen, wie der beschränkten Anzahl der zur Verfügung stehenden Sitze,450 und gesetzlichen Bestimmungen, wie beispielsweise §§ 170 GVG, 48 JGG, auch durch „nicht normierte unabweisbare Bedürfnisse der Justiz“.451 Als ein solches Bedürfnis kann es angesehen werden, einen sicheren und störungsfreien Verhandlungsablauf für alle Personen sicherzustellen,452 denn der Grundsatz der Öffentlichkeit hat keinen gegenüber

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BGH, Urteil v. 22. 06. 1982, 1 StR 249/8 = NStZ 1982, 476, 477; OLG Karlsruhe, Urteil v. 31. 07. 1975, 3 Ss 175/74 = NJW 1975, 2080; Diemer, in: KK StPO, § 169 GVG, Rn. 6. 449 Kissel/Mayer, GVG, § 169, Rn. 55 ff.; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 169 GVG, Rn. 64 ff.; siehe zum absoluten Revisionsgrund §§ 338 Nr. 6 StPO, 547 Nr. 5 ZPO, § 138 Nr. 5 VwGO. 450 Bei erwartetem größeren Publikumsandrang kann auch die Anordnung getroffen werden, dass nur den Personen, welche über Einlasskarten verfügen, der Zutritt gewährt wird, sofern jedem die Erlangung der Einlasskarte grundsätzlich möglich ist: RG, Urteil v. 30. 01. 1920, IV 1178/19 = RGSt 54, 225, 226; OLG Karlsruhe, Urteil v. 31. 07. 1975, 3 Ss 175/74 = NJW 1975, 2080, 2081; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 16. 451 BGH, Urteil v. 06. 10. 1976, 3 StR 291/76 = NJW 1977, 157, 158; BVerfG, Beschluss v. 14. 03. 2012, 2 BvR 2405/11 = NJW 2012, 1863 f. 452 RG, Urteil v. 30. 01. 1920, IV 1178/19 = RGSt 54, 225, 226; BGH, Urteil v. 06. 10. 1976, 3 StR 291/76 = NJW 1977, 157, 158; BVerfG, Beschluss v. 14. 03. 2012, 2 BvR 2405/11 = NJW 2012, 1863 f.; Lückemann, in: Zöller, ZPO, § 169 GVG, Rn. 7.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

dem Sicherheitsbedürfnis höheren Rang.453 Sicherheitsmaßnahmen, welche den Zugang zu einer Sitzung nur unwesentlich erschweren und keine Auswahl der Teilnehmer nach der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen oder nach persönlichen Merkmalen mit sich bringen, sind demnach nicht ungesetzlich, wenn für sie ein die Sicherheit im Gerichtsgebäude berührender verständlicher Anlass besteht.454 Besteht ein solcher auf bestimmten Anhaltspunkten beruhender verständlicher Anlass, dass eine Störung der Verhandlung zu erwarten ist und ergibt sich daher ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis, kann der Öffentlichkeitsgrundsatz hinter die Notwendigkeit, vorbeugende Maßnahmen für eine sichere und ungestörte Durchführung der Sitzung zu treffen, zurücktreten.455 Stellt sich die Situation umgekehrt so dar, dass lediglich eine geringfügige Störung zu erwarten ist, kann es geboten sein, die Person passieren zu lassen und dem Öffentlichkeitsgebot Vorrang einzuräumen. Es verstößt damit nicht generell gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz, sitzungspolizeiliche Sicherheitsmaßnahmen anzuordnen und nur den Personen den Zutritt zur Verhandlung zu gewähren, die sich den Maßnahmen unterziehen.456 (a) Unwesentliche Zugangshindernisse? Ob es sich jedoch bei den Einlasskontrollen, welche in der Praxis neben dem Vorzeigen der Ausweispapiere z. B. auch die Verfügungen umfassen, für die Dauer der Sitzung die Ausweispapiere einzubehalten oder hiervon Kopien oder Scans zu fertigen sowie Personen und Sachen zu durchsuchen, noch um unwesentliche Zugangshindernisse im Sinne des Grundsatzes der Öffentlichkeit handelt, erscheint fraglich. Diese Frage stellt sich deshalb, da die psychische Belastung bei Personen, die sich vor Betreten des Verhandlungssaales den genannten Maßnahmen unterziehen müssen, größer erscheint, als wenn sie der Sitzung ohne vorherige Kontrolle oder nur nach Vorzeigen der Ausweispapiere beiwohnen können und es nicht ausgeschlossen ist, dass manche Personen es daher vorziehen, von der Teilnahme an der Sitzung abzusehen. Zudem kann der Grundsatz der Öffentlichkeit nicht nur dann verletzt sein, wenn die physische Möglichkeit des Zutritts zur Verhandlung nicht besteht. Eine Verletzung ist auch möglich, wenn etwa von staatlicher Seite den Besuchern einer Sitzung Nachteile angedroht werden oder ein solch erheblicher psychischer Druck ausgeübt wird, dass der Eindruck der realen Gefahr hervorgerufen wird, dass konkrete Nachteile durch den Besuch der Sitzung von Seiten staatlicher

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BGH, Urteil v. 22. 01. 1971, 3 StR 3/70 II = NJW 1971, 715; Urteil v. 06. 10. 1976, 3 StR 291/76 = NJW 1977, 157, 158; Beschluss v. 03. 05. 1983, 5 StR 193/83 = MDR 1983, 795 f.; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 12; Molketin, MDR 1984, 20, 21. 454 BGH, Urteil v. 06. 10. 1976, 3 StR 291/76 = NJW 1977, 157, 158. 455 BGH, Urteil v. 06. 10. 1976, 3 StR 291/76 = NJW 1977, 157, 158. 456 BGH, Urteil v. 06. 10. 1976, 3 StR 291/76 = NJW 1977, 157, 158; die Verhandlung darf erst beginnen, wenn die Kontrolle der rechtzeitig erschienenen Zuhörer beendet ist, BGH, Beschluss v. 07. 03. 1979, 3 StR 39/79 (S) = NJW 1979, 2622, 2623; Urteil v. 02. 12. 1994, 2 StR 394/94 = NStZ 1995, 181, 182.

II. Befugnisse des Vorsitzenden

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Organe entstehen.457 Solch psychische Hemmschwellen sind jedoch nur dann mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit unvereinbar, wenn die Zwangswirkung der Maßnahme einer Verwehrung des Zutritts zur Verhandlung gleichkommt.458 Dies kann für die dargestellten Einlasskontrollen nicht angenommen werden. Zwar kann nicht geleugnet werden, dass der psychische Druck in den Fällen, in denen die Ausweispapiere einbehalten und eventuell kopiert oder gescannt werden und die Person und deren Sachen durchsucht werden, höher ist als wenn der Gerichtssaal ohne solche Kontrollen betreten werden darf oder lediglich der Ausweis vorgezeigt werden muss. Der Einzelne muss damit rechnen, dass ihm dann, wenn seine Identität feststeht und er sowie seine Sachen durchsucht werden, staatliche Nachteile treffen können, sei es etwa, weil er in der Verhandlung selbst Störungen vornimmt oder aber nur als Unbeteiligter in solche hineingerät. Allerdings stellen die Einlasskontrollen keine derart großen psychischen Hemmschwellen dar, dass sie Personen davon abhalten, an der Verhandlung teilzunehmen. Dies ergibt sich zwar nicht daraus, dass, wie die Rechtsprechung dies teilweise annimmt,459 von zulässigen Maßnahmen generell kein beachtlicher Druck ausgeht. Ob sitzungspolizeiliche Maßnahmen zulässig sind, ergibt sich unter anderem erst daraus, dass sie mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz vereinbar sind. Müssen sie selbst mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz vereinbar sein, können sie aber nicht zugleich als Argument gegen einen Verstoß gegen diesen Grundsatz dienen. Indes ist eine solch hohe Zwangswirkung infolge der Einlasskontrollen, die einer Verwehrung des Zutrittes gleichkommt, allenfalls bei den Personen denkbar, welche selbst nicht ausschließen können, dass sie zu staatlichen Maßnahmen Anlass geben, etwa weil sie selbst Störungen in der Verhandlung in Betracht ziehen. Nur bei diesen Personen wird letztlich ein so hoher psychischer Druck durch die Einlasskontrollen herbeigeführt werden, dass sie von der Teilnahme an der Sitzung absehen, nicht aber bei den Personen, die sich generell gesetzestreu verhalten und daher keine staatlichen Nachteile zu befürchten haben. Schließlich sind auch keine staatlichen Nachteile vorstellbar, welche allein daraus resultieren, dass die Identität offenbart wird und man sich einer Durchsuchung seiner Person sowie mitgeführter Sachen unterzieht. Stellen die bei Einlasskontrollen angeordneten Maßnahmen damit unwesentliche Zugangshindernisse dar und sind mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit vereinbar, sollte aufgrund der dennoch gesteigerten psychischen Belastung und dem Erfordernis, bereits Zweifel an der Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes zu vermeiden, von diesen Verfügungen nur bei einem erhöhten Maß der erwarteten Störungen Gebrauch gemacht werden. Im Vergleich zur bloßen Pflicht des Vorzeigens des 457 BGH, Beschluss v. 11. 07. 1979, 3 StR 165/79 (S) = NJW 1980, 249; OLG Karlsruhe, Urteil v. 31. 07. 1975, 3 Ss 175/74 = NJW 1975, 2080, 2082; Kissel/Mayer, GVG, § 169, Rn. 40. 458 BGH, Beschluss v. 11. 07. 1979, 3 StR 165/79 (S) = NJW 1980, 249 f. 459 BGH, Beschluss v. 11. 07. 1979, 3 StR 165/79 (S) = NJW 1980, 249; AG Meldorf, Beschluss v. 18. 05. 2010, 81 C 305/10 = BeckRS 2010, 14991.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Ausweises ist die auf konkreten Anhaltspunkten bestehende Befürchtung erheblicher Störungen, die über das Maß eines verständlichen Anlasses Störungen anzunehmen hinausgeht, erforderlich.460 Dem kann etwa genügt sein, wenn sich konkrete Hinweise auf geplante Gewalttaten dadurch ergeben, dass anonyme Hinweise eingegangen sind oder Störungen konkret angedroht wurden. (b) Ausschluss sich weigernder Personen Im Ausschluss der Personen, die sich den Verfügungen bei Einlasskontrollen nicht unterziehen möchten, ist ferner keine mit dem Öffentlichkeitsgrundsatz unvereinbare Beschränkung auf einen Personenkreis zu sehen.461 Der Fall ist nicht anders als der von Einlasskarten zu beurteilen, welche bei starkem Publikumsdrang ausgegeben werden und die Personen ausschließen, die sich etwa in Unkenntnis der Verfügung nicht rechtzeitig um eine solche bemüht haben.462 Zudem wird nicht an die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen der Bevölkerung oder an persönliche Merkmale angeknüpft, da unterschiedslos jeder Person der Zutritt verweigert wird, die den getroffenen Anordnungen nicht nachkommt. Mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit unvereinbar wäre es jedoch, solchen Personen, die sich zwar den Kontrollen unterziehen, sich hierbei aber als „verdächtig“ erweisen, von vornherein den Zutritt zum Sitzungssaal zu verwehren, wie dies vom Reichsgericht in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg bei Ausweiskontrollen angenommen wurde.463 Damit würde bereits eine Auswahl von Personen getroffen, welche Zutritt zum Sitzungssaal haben, was sich jedoch gerade nach dem Grundsatz der Öffentlichkeit verbietet.464 Eine Ausnahme ist aber für solche Fälle zu machen, in denen eine schwerwiegende Störung der Verhandlung konkret zu befürchten ist und dieser Störung nicht durch andere mildere Maßnahmen, etwa durch höheren Polizeischutz, begegnet werden kann, zu welchem Ergebnis das Reichsgericht letztlich auch bei einer Güterabwägung gelangte.465 (2) Persönlicher, zeitlicher und räumlicher Anwendungsbereich Nachdem geklärt wurde, dass die bei Einlasskontrollen getroffenen Verfügungen mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit vereinbar sein können, stellt sich im Weiteren 460

So auch OLG Karlsruhe, Urteil v. 31. 07. 1975, 3 Ss 175/74 = NJW 1975, 2080, 2082; siehe auch BGH, Beschluss v. 11. 07. 1979, 3 StR 165/79 (S) = NJW 1980, 249. 461 OLG Hamburg, Beschluss v. 10. 06. 1976, 3 Ws 18/76 = NJW 1976, 1987; Kissel/ Mayer, GVG, § 169, Rn. 43, § 176, Rn. 17; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 21; Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 103; siehe auch OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 26. 10. 2010, OVG 10 B 2/10 = BeckRS 2010, 56081. 462 OLG Karlsruhe, Urteil v. 31. 07. 1975, 3 Ss 175/74 = NJW 1975, 2080, 2081. 463 RG, Urteil v. 30. 01. 1920, IV 1178/19 = RGSt 54, 225, 227. 464 OLG Karlsruhe, Urteil v. 31. 07. 1975, 3 Ss 175/74 = NJW 1975, 2080, 2081 f.; Kissel/ Mayer, GVG, § 169, Rn. 30; Schmitt, DRiZ 1971, 20, 21. 465 Kissel/Mayer, GVG, § 169, Rn. 43; Schmitt, DRiZ 1971, 20, 21.

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die Frage, wie die Einlasskontrollen konkret ausgestaltet sein müssen, damit sie sich im persönlichen, zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich der Sitzungspolizei bewegen. (a) Persönlich Vor dem Hintergrund des dargestellten persönlichen Anwendungsbereichs der Sitzungspolizei466 können sich die Verfügungen des Vorsitzenden nach § 176 GVG grundsätzlich auf alle an der Sitzung teilnehmenden Personen, etwa die Verfahrensbeteiligten, Zeugen, Sachverständigen, Anwälte oder Zuhörer, erstrecken oder aber auch nur auf einzelne Personen, sofern die Auswahl ohne eine mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit unvereinbare Kategorisierung erfolgt. (aa) Ausnahmen für gerichtsbekannte Personen Dass in der Praxis von den Maßnahmen oftmals beispielsweise der Präsident und Vizepräsident des Gerichts, Staatsanwälte, die Mitglieder der Kammer und Rechtsanwälte, ausgenommen werden467 und diese Personen sich nur durch einen Ausweis oder Dienstausweis kenntlich machen müssen, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Zum einen liegt es im Ermessen des Vorsitzenden, wer in die sitzungspolizeilichen Verfügungen einbezogen wird, sofern er die bereits dargestellten Schranken, wie etwa den Grundsatz der Öffentlichkeit, beachtet. Zum anderen liegt hierin auch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Personen, die wegen ihrer besonderen Stellung als Organe der Rechtspflege die Vermutung der Integrität genießen, dass sie die aufgrund ihrer Stellung eingeräumten Rechte nicht missbrauchen, sind bereits nicht mit den sonstigen Besuchern einer Verhandlung vergleichbar.468 Jedenfalls würden aber die die Kontrollen rechtfertigenden Sicherheitsbedürfnisse Gründe von solcher Art und solchem Gewicht darstellen, welche die Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich rechtfertigen würden.469 Umgekehrt ist es aber auch nicht ausgeschlossen, dass neben den Zuhörern auch die genannten Personen sich den Maßnahmen bei Einlasskontrollen unterziehen müssen.470 So beziehen sich in der Praxis manche sitzungspolizeiliche Verfügungen ebenfalls auf Verteidiger und ordnen für sie die Durchsuchung der Person sowie

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Siehe hierzu bereits oben, S. 95. Siehe etwa VG Köln, Urteil v. 27. 06. 2012, 8 K 269/12 = BeckRS 2012, 53630; zur Frage, ob Rechtsreferendare strengeren Ausweiskontrollen unterzogen werden dürfen als Anwälte, Richter oder Staatsanwälte, OVG Münster, Beschluss v. 12. 02. 2007, 1 A 749/06 = DÖV 2008, 648 f.; Kern, DÖV 2008, 631 ff. 468 OVG Münster, Beschluss v. 12. 02. 2007, 1 A 749/06 = NJW 2007, 3798, 3800; VG Augsburg, Beschluss v. 06. 02. 2013, Au 4 E 13.153 = BeckRS 2013, 47765. 469 BVerfG, Beschluss v. 29. 09. 1997, 2 BvR 1676/97 = NJW 1998, 296, 298. 470 BVerfG, Beschluss v. 07. 04. 1978, 2 BvR 202/78 = NJW 1978, 1048, 1049; Beschluss v. 05. 01. 2006, 2 BvR 2/06 = NJW 2006, 1500; Lückemann, in: Zöller, ZPO, § 176 GVG, Rn. 1. 467

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

mitgeführter Sachen an.471 Dass der hiermit einhergehende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG seine rechtfertigende gesetzliche Grundlage in § 176 GVG finden kann, wird für die Verteidiger höchstrichterlich und in der Literatur bejaht.472 Um der Stellung des Verteidigers als Organ der Rechtspflege nach § 1 BRAO und dem daraus resultierenden staatlichen Vertrauensvorsprung Rechnung zu tragen, wird für die Durchsuchung der Verteidiger jedoch ein die Anordnung rechtfertigender sachlicher Grund verlangt, welcher die Vermutung der grundsätzlichen Integrität widerlegt.473 Diese Überlegungen müssen auch für die sonstigen Organe der Rechtspflege gelten. Auch ihnen wird die Vermutung der Integrität zuteil und die dargelegten sitzungspolizeilichen Maßnahmen können ebenso bei ihnen in die Berufsausübungsfreiheit eingreifen. Daher bedarf es auch insoweit eines sachlichen Grundes, welcher die Vermutung ihrer Integrität entkräftet. In der Rechtsprechung wurden als solche Gründe bei Verteidigern etwa polizeiliche Erkenntnisse als ausreichend erachtet, nach denen der Verteidiger im Verdacht steht, Hilfe beim Einschmuggeln gefährlicher Gegenstände in den Sitzungssaal zu leisten.474 Ausreichend sind zudem der auf konkreten Anhaltspunkten beruhende Verdacht, dass Verfahrensbeteiligte, wie beispielsweise der Verteidiger, unter Zwang oder aber auch ohne deren Wissen zum Werkzeug von Befreiungsversuchen oder Anschlägen gemacht werden.475 Selbst konkrete Anhaltspunkte, ein Verteidiger habe sich in einem anderen Verfahren unsachgemäß verhalten, genügen.476 (bb) Kontrollmaßnahmen gegenüber Nichtstörern Dass ferner von den bei Einlasskontrollen getroffenen sitzungspolizeilichen Verfügungen Personen betroffen werden, die selbst keinen Anlass für die Befürchtung einer Störung der Verhandlung geben, muss im Interesse eines sicheren Verhandlungsverlaufes in Kauf genommen werden.477 Nur so kann sichergestellt werden, dass es nicht zu erheblichen Störungen der Verhandlung kommt, sei es dadurch, dass die teilnehmenden Personen bekannt sind und gegen sie sofort vorgegangen 471 Siehe z. B. die Verfügung des Landgericht Lüneburg v. 17. 02. 2015, abrufbar unter: http://cms2.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=13828&article_id=131415&_ psmand=56 (zuletzt abgerufen am 26. 06. 2016). 472 BVerfG, Beschluss v. 07. 04. 1978, 2 BvR 202/78 = NJW 1978, 1048, 1049; Beschluss v. 05. 01. 2006, 2 BvR 2/06 = NJW 2006, 1500 f.; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 18. 473 BVerfG, Beschluss v. 05. 01. 2006, 2 BvR 2/06 = NJW 2006, 1500, 1501; Diemer, in: KK StPO, § 176 GVG, Rn. 1; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 18; siehe auch BVerfG, Beschluss v. 07. 04. 1978, 2 BvR 202/78 = NJW 1978, 1048, 1049. 474 BVerfG, Beschluss v. 05. 01. 2006, 2 BvR 2/06 = NJW 2006, 1500, 1501. 475 BVerfG, Beschluss v. 29. 09. 1997, 2 BvR 1676/97 = NJW 1998, 296, 297; Kissel/ Mayer, GVG, § 176, Rn. 18; siehe auch BVerfG, Beschluss v. 07. 04. 1978, 2 BvR 202/78 = NJW 1978, 1048, 1049. 476 BVerfG, Beschluss v. 07. 04. 1978, 2 BvR 202/78 = NJW 1978, 1048, 1049. 477 BVerfG, Beschluss v. 07. 04. 1978, 2 BvR 202/78 = NJW 1978, 1048, 1049; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 22; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 176 GVG, Rn. 5.

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werden kann oder dass infolge der Durchsuchungen keine zu Störungen geeigneten Gegenstände in den Sitzungssaal gelangen. Zudem sind das Anliegen des Staates, dass die Justiz Sicherheit und Rechtsfrieden symbolisiert und die Allgemeinheit in die Objektivität der Judikative vertraut, bei der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Grundrechtsbeschränkungen besonders zu berücksichtigende Belange.478 Werden ferner alle Personen den Kontrollmaßnahmen unterzogen, weil nicht abgesehen werden kann, wer die erwarteten Störungen vornimmt, stellen sich auch keine Probleme in Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG.479 Schließlich stoßen die Einlasskontrollen in der Allgemeinheit auf sehr große Akzeptanz, denn die Beteiligten erkennen nicht nur die Beschränkungen, welche mit den Kontrollen einhergehen, sondern auch den Mehrwert für sich selbst, nämlich die Sicherheit und den Schutz ihrer eigenen Person,480 die gerade aufgrund der Vorfälle in Gerichtsgebäuden sowie der öffentlichen Berichterstattung hierüber immer wieder aktuell werden. (cc) Kontrollmaßnahmen gegenüber Verfahrensbeteiligten Zu fragen ist schließlich, wie es sich verhält, wenn sich eine Person weigert sich den angeordneten Kontrollmaßnahmen zu unterziehen und ihr daher der Zutritt verwehrt wird, die Person aber nicht lediglich Zuhörer der Verhandlung ist, sondern etwa als Partei eines Prozesses, als Angeklagter oder Zeuge am Verfahren beteiligt ist und hierzu geladen wurde. Würde solchen Personen Zutritt gewährt werden, ohne dass sie sich den Kontrollmaßnahmen unterziehen, wäre die Sitzungspolizeigewalt des Vorsitzenden eingeschränkt. Würde man die sich weigernden Personen dagegen ausschließen, so erfolgte dies entgegen der Verfügung bzw. Ladung sowie der gesetzlichen Vorschriften (z. B. § 141 ZPO, § 230 Abs. 1 StPO, § 95 VwGO), welche die Anwesenheit in der Sitzung vorsehen. Zwar wird sich dieses Problem aufgrund der soeben angesprochenen Akzeptanz der Bevölkerung im Hinblick auf Kontrollmaßnahmen nicht immer stellen, allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass sich Verfahrensbeteiligte in einzelnen Fällen den Kontrollmaßnahmen tatsächlich nicht unterziehen möchten. Wie dieses Problem zu lösen ist, ist bisher nicht geklärt. Überwiegend wird ohne nähere Begründung darauf abgestellt, auch Verfahrensbeteiligte müssten sich den Kontrollmaßnahmen unterziehen.481 Dies wird wohl daraus gefolgert, dass sich die Sitzungspolizei in persönlicher Hinsicht auf alle Personen in der Sitzung erstreckt, also auch auf die Verfahrensbeteiligten.

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Siehe hierzu auch VG Augsburg, Beschluss v. 06. 02. 2013, Au 4 13.153 = BeckRS 2013, 47765; Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 103. 479 Krekeler, NJW 1979, 185, 187 f. 480 OVG Münster, Beschluss v. 12. 02. 2007, 1 A 749/06 = NJW 2007, 3798, 3799; VG Köln, Urteil v. 27. 06. 2012, 8 K 269/12 = BeckRS 2012, 53630; Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 104; so auch zur Lage vor dem 11. 09. 2001 OLG Nürnberg, Beschluss v. 07. 06. 2001, Vas 567/01 = NJW 2002, 694. 481 So etwa Allgayer, in: BeckOK StPO, § 176 GVG, Rn. 6; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 18.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Angeknüpft werden muss für eine Lösung dieses Problems an die Grenzen der sitzungspolizeilichen Befugnisse des Vorsitzenden. Dies sind unter anderem der Grundsatz der Öffentlichkeit nach § 169 S. 1 GVG, das Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und das Verhältnismäßigkeitsprinzip.482 Während der Grundsatz der Öffentlichkeit bei Verfahrensbeteiligten keine Beschränkung der Sitzungspolizeigewalt bewirken kann, da er sich nur auf die Zuhörer der Sitzung bezieht, scheidet auch eine Begrenzung durch das Recht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG aus. Zwar ergibt sich aus den Art. 103 Abs. 1 GG konkretisierenden prozessualen Vorschriften, wie etwa § 141 ZPO, § 230 StPO, § 95 VwGO, wonach die Anwesenheit bestimmter Personen bei Gerichtsverhandlungen vorgesehen ist, auch das subjektiv öffentlich-rechtliche Recht des Verfahrensbeteiligten, am Ort der Gerichtsverhandlung anwesend zu sein und Zutritt zu erhalten.483 Diese Personen können ihrer Pflicht, an der Sitzung teilzunehmen, nur dann nachkommen, wenn sie aus den einschlägigen Vorschriften auch das Recht haben, Zutritt zur Sitzung zu erhalten. Die Zutrittsrechte sind damit grundsätzlich beim Erlass sitzungspolizeilicher Verfügungen als Gegenposition zu berücksichtigen. Allerdings gelten diese Rechte nicht uneingeschränkt, sondern sind dann, wenn die Voraussetzungen für den Erlass sitzungspolizeilicher Verfügungen bei Einlasskontrollen gegeben sind, eingeschränkt, da die Sicherheitsbelange das Recht des Einzelnen, grundsätzlich unkontrolliert den Gerichtsverhandlungen beizuwohnen, überlagern.484 Insoweit vermögen daher auch die Rechte der Verfahrensbeteiligten auf Zutritt zur Gerichtsverhandlung nicht die sitzungspolizeilichen Befugnisse bei Einlasskontrollen auszuschließen oder zu beschränken. Eine Beschränkung kommt hinsichtlich der Verfahrensbeteiligten auch nicht aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Betracht. Zwar könnte man dies deshalb erwägen, weil die Verfahrensbeteiligten Nachteile zu befürchten haben, wenn sie entgegen der gerichtlichen Ladung wegen der Kontrollmaßnahmen an einer Sitzung nicht teilnehmen. Im Strafprozess kann z. B. nach § 230 Abs. 2 StPO gegen den fehlenden Angeklagten ein Vorführ- oder Haftbefehl und im Zivilverfahren gegen die nicht erschienene Partei nach §§ 330 f. ZPO ein Versäumnisurteil ergehen. Einem säumigen Zeugen kann nach § 380 Abs. 1 S. 2 ZPO, § 51 Abs. 1 S. 2 StPO, § 98 VwGO i.V.m. § 380 Abs. 1 S. 2 ZPO ein Ordnungsgeld auferlegt werden. Bei wiederholtem Fernblieben kann er nach § 380 Abs. 2 2. HS ZPO, § 51 Abs. 1 S. 3 StPO, § 98 VwGO i.V.m. § 380 Abs. 2 2. HS ZPO zwangsweise vorgeführt werden. Allerdings treffen die mit dem Ausbleiben verbundenen Nachteile die Verfahrensbeteiligten nur, wenn sie ihr Ausbleiben nicht rechtzeitig genügend entschuldigen, § 381 Abs. 1 S. 1 ZPO, § 51 Abs. 2 S. 1 StPO, § 98 VwGO i.V.m. § 381 Abs. 1 S. 1 ZPO. Das Fernbleiben von einer Sitzung aufgrund angeordneter Kontrollmaßnah482

BVerfG, Beschluss v. 18. 02. 1970, 1 BvR 226/69 = NJW 1970, 851; Lückemann, in: Zöller, ZPO, § 176 GVG, Rn. 3; Diemer, in: KK StPO, § 176 GVG, Rn. 1. 483 Siehe hierzu bereits oben, S. 41 ff. 484 In diese Richtung beim öffentlich-rechtlichen Hausrecht auch Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 104; Friedlein, in; Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 112.

II. Befugnisse des Vorsitzenden

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men stellt jedoch keine in diesem Sinne genügende Entschuldigung dar.485 Es besteht kein Recht der Verfahrensbeteiligten ohne vorherige Kontrolle Zugang zur Sitzung zu erlangen,486 wenn die Voraussetzungen für den Erlass solcher Maßnahmen aus Sicherheitsgründen gegeben sind. Zudem stoßen Sicherheitsmaßnahmen in der Bevölkerung überwiegend auf hohe Akzeptanz, dienen nicht nur der Sicherheit und Ordnung im Gericht oder der Sicherheit anderer Personen, sondern auch der eigenen und finden ebenfalls anderorts, etwa an Flughäfen, bei Sportveranstaltungen oder Konzerten, statt.487 Ferner sind die Kontrollmaßnahmen nicht mit den wenigen Gründen, welche ein Ausbleiben nach den genannten Vorschriften entschuldigen können, wie beispielsweise Krankheit oder Tod eines nahen Angehörigen, vergleichbar. Vielmehr stellen sie solche Hindernisse auf, welche im alltäglichen Leben einkalkuliert werden müssen. Die Kontrollmaßnahmen sind eher mit solchen Hindernissen zu vergleichen, auf die man sich gewöhnlich auf dem Weg zu einer Sitzung einstellen muss, wie beispielsweise Verkehrsstörungen, die Parkplatzsuche oder etwaige Fahrkartenkontrollen in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Können damit die Kontrollmaßnahmen das Fernbleiben nicht entschuldigen und beruhen die damit verbundenen Nachteile auf dem Verschulden des Verfahrensbeteiligten selbst, stellen sich die sitzungspolizeilichen Verfügungen nicht als unverhältnismäßig dar. Ergeben sich damit auch in Bezug auf Verfahrensbeteiligte keine Probleme, sollte der Vorsitzende dennoch im Falle der Verweigerung des Einlasses eines Verfahrensbeteiligten vor Beginn der Sitzung hierüber informiert werden.488 So kann versucht werden, den Verfahrensbeteiligten von der Notwendigkeit der Kontrollmaßnahmen zu überzeugen,489 ihm die Folgen des Nichterscheinens, etwa eines Versäumnisurteils, Haft- oder Vorführbefehls oder der Auferlegung von Kosten wegen unentschuldigten Nichterscheinens, darzulegen und – falls dies nicht gelingt – kann zumindest eine Entscheidung des Vorsitzenden, der über alle Umstände im Bilde ist, eingeholt werden. (b) Zeitlich und räumlich Vor dem Hintergrund des zeitlichen Anwendungsbereichs der Sitzungspolizei muss die Einlasskontrolle unmittelbar vor der Sitzung, also ab dem Öffnen der Saaltüren zum Eintritt, erfolgen. In räumlicher Hinsicht muss sie am Eingang des Sitzungssaales oder dessen unmittelbarer Nähe, etwa einem dem Sitzungsaal vor485 So wohl in Bezug auf das öffentlich-rechtliche Hausrecht auch Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 104. 486 Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 104; Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 112. 487 So für das öffentlich-rechtliche Hausrecht auch Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 113. 488 BVerfG, Urteil v. 07. 04. 1978, 2 BvR 202/78 = NJW 1978, 1048, 1049; Pöhlmann, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 112. 489 Pöhlmann, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 112.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

gelagerten Flur, durchgeführt werden.490 Die bereits diskutierte Frage einer Erweiterung des räumlichen Anwendungsbereichs491 stellt sich im Falle vorbeugender Maßnahmen nicht, da es einer Erweiterung mangels einer Einwirkung auf den Verhandlungsverlauf noch nicht bedarf. (3) Anordnung von Identitätsfeststellungen Ist nunmehr geklärt, ob und wie die sitzungspolizeilichen Verfügungen bei Einlasskontrollen generell getroffen werden können, ist im Folgenden zu untersuchen, ob und welche konkreten Verfügungen möglich sind. Zieht man zur Klärung dieser Frage die einschlägige Rechtsprechung und Literatur heran, so ergibt sich, dass eine Vielzahl von Maßnahmen im Rahmen von Identitätsfeststellungen auf Grundlage von § 176 GVG möglich sein soll. Wie bereits ausgeführt,492 soll z. B. sitzungspolizeilich verfügt werden können, dass die Ausweispapiere vorgezeigt bzw. vorgelegt werden müssen, Listen mit den Personalien der anwesenden Personen angelegt und die Personen registriert werden und die Ausweispapiere für die Dauer der Sitzung einbehalten sowie Kopien oder Scans der Ausweispapiere angefertigt werden können. (a) Auf Grundlage von § 176 GVG Ob alle der genannten Verfügungen auf Grundlage der Generalklausel des § 176 GVG erlassen werden können, erscheint zunächst insoweit zweifelhaft, dass, wie die Durchsicht der Rechtsprechung und Literatur zeigt, die Maßnahmen auch unterhalb der Schwelle einer Störung oder konkreten Gefahr einer Störung für zulässig erachtet werden. So werden teilweise vorbeugende Maßnahmen, wie Einlasskontrollen und in deren Rahmen Identitätsfeststellungen sowie die Durchsuchung von Personen und mitgeführter Sachen gegenüber sämtlichen eintrittswilligen Personen, ohne Weiteres gebilligt.493 Zum Teil wird es für ausreichend erachtet, dass die auf Anhaltspunkten oder auf Erfahrungen aus anderen Verfahren beruhende Befürchtung besteht, es könne zu Störungen in der Verhandlung kommen.494 Verdeutlicht man sich, dass die öffentlich-rechtliche Haus- und Ordnungsgewalt der Gerichtsverwaltung einen Ausschnitt des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts darstellt und der Erlass sitzungspolizeilicher Verfügungen nach § 176 GVG wiederum einen speziellen Fall der Haus- und Ordnungsgewalt beschreibt, wird die 490 BVerfG, Beschluss v. 07. 04. 1978, 2 BvR 202/78 = NJW 1978, 1048, 1049; Beschluss v. 05. 01. 2006, 2 BvR 2/06 = NJW 2006, 1500. 491 Siehe hierzu oben, S. 96 ff. 492 Siehe hierzu bereits oben, S. 109 f. 493 Siehe etwa Diemer, in: KK StPO, § 176 GVG, Rn. 1; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 16 f.; Lückemann, in: Zöller, ZPO, § 176 GVG, Rn. 5. 494 OLG Karlsruhe, Urteil v. 31. 07. 1975, 3 Ss 175/74 = NJW 1975, 2080; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 176 GVG, Rn. 8.

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dogmatische Rechtfertigung dieser Praxis deutlich.495 Weil mit allen drei Instituten die staatliche Tätigkeit vor Störungen geschützt wird, werden allgemeine ordnungsrechtliche Grundsätze auf die Sitzungspolizei übertragen.496 Bilden diese ordnungsrechtlichen Grundsätze den Rahmen aller Eingriffstatbestände zum Schutz der staatlichen Aufgabenerfüllung und gewährleisten sie einen Gleichlauf in der Anwendung, so lässt sich erklären, weshalb auch durch sitzungspolizeiliche Verfügungen – polizeirechtlich gesprochen – sich auf einen bloßen Gefahrenverdacht stützende Gefahrerforschungsmaßnahmen vorgenommen werden. Nichts anderes wird angeordnet, wenn Einlasskontrollen verfügt werden, welchen sich sämtliche Personen, die den Verhandlungsraum betreten wollen, unterziehen müssen, obwohl keine (Anscheins-) Gefahr bejaht werden kann.497 Solche Maßnahmen, die jedoch dazu dienen, festzustellen, ob sich eine allgemeine Gefahr als konkrete Gefahr darstellt sowie zu verhindern, dass eine allgemeine Gefahr sich zu einer konkreten Gefahr oder einer Störung entwickelt, können nicht auf § 176 GVG gestützt werden. Hierzu findet sich in § 176 GVG, anders als etwa in § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 NJG sowie in einigen polizeilichen Ermächtigungen, wie § 26 Abs. 1 Nr. 3 PolG BW und § 30 Nr. 2 PolG BW, keine Rechtsgrundlage. Die genannten Maßnahmen können aber auch aus einem anderen Grund nicht auf § 176 GVG gestützt werden. Sowohl beim Vorzeigen bzw. Aushändigen als auch beim Einbehalten, Anfertigen von Kopien oder beim Einscannen der Ausweispapiere findet ein Umgang mit personenbezogenen Daten aus den Ausweispapieren der teilnahmewilligen Personen statt und mit diesen belastenden Maßnahmen gehen Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG einher.498 Wird in dieses Recht eingegriffen und soll der Eingriff in das nicht schrankenlos gewährleistete Recht auf informationelle Selbstbestimmung verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden, bedarf es einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, aus der sich der Intensität der belastenden Maßnahmen entsprechend „die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkung klar und für den Bürger erkennbar ergeben und die damit dem rechtstaatlichen Gebot der Normklarheit entspricht“.499 Diese Norm muss die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten unter Nennung der Art der Daten sowie des verfolgten Zwecks eindeutig für zulässig erklären.500 Diesen Anforderungen genügt § 176 GVG nicht. Die Vorschrift des § 176 GVG ist generalklauselartig gefasst, legt nicht die genauen Voraussetzungen fest, unter welchen mit persönlichen Daten umgegangen werden darf und beschreibt auch nicht 495 So auch Olizeg, Hausrecht, S. 134 f.; für die Anwendung polizeilicher Grundsätze auch Krekeler NJW 1979, 185, 186; Stober, DRiZ 1980, 3, 6. 496 Olizeg, Hausrecht, S. 134 f. 497 So auch Olizeg, Hausrecht, S. 136. 498 Siehe hierzu bereits oben, S. 46. 499 BVerfG, Urteil v. 15. 12. 1983, 1 BvR 209/83 u. a. = NJW 1984, 419, 422. 500 Gola/Klug/Körffer, in: Gola/Schomerus, BDSG, § 4, Rn. 8.

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den Umfang der Datenerhebung, Datenverarbeitung oder Nutzung. Weder der Bürger kann erkennen, welche möglichen belastenden Maßnahmen ihn treffen können, noch werden dem Vorsitzenden durch die Vorschrift hinreichende steuernde oder begrenzende Handlungsmaßstäbe an die Hand gegeben, anhand derer sich ergibt, welche konkreten, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beschränkenden, Maßnahmen wann und wie getroffen werden können. Mit § 176 GVG liegt damit keine Regelung vor, die präzise und normklar die Ermächtigung zu Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung festlegt. Mag zwar vor Entwicklung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im Volkszählungsurteil des BVerfG und den hierbei aufgestellten Anforderungen an die verfassungsmäßige gesetzliche Grundlage § 176 GVG, wie bis heute angenommen wird, als Grundlage der genannten sitzungspolizeilichen Verfügungen genügt haben, kann dies heute nicht mehr gelten. (b) Normen des Personalausweisgesetzes Als Ermächtigungsnormen zum Erlass der dargestellten sitzungspolizeilichen Verfügungen bei Ausweiskontrollen kommen neben § 176 GVG auch nicht § 1 Abs. 1 S. 2 PAuswG und § 14 PAuswG in Betracht. Nach § 1 Abs. 1 S. 2 PAuswG muss der Ausweis501 auf Verlangen einer zur Feststellung der Identität berechtigten Behörde vorgelegt werden. Zwar könnte man aufgrund der Formulierung „auf Verlangen“ annehmen, in dieser Norm sei bereits eine Ermächtigung zum Vorlegen der Ausweispapiere zu sehen. Allerdings spricht der Wortlaut auch davon, dass das Verlangen von „einer zur Feststellung der Identität berechtigten Behörde“ erfolgen muss. Ob die Behörde zur Identitätsfeststellung berechtigt ist, kann sich dann aber nicht aus der Norm selbst ergeben. Weiterhin würde § 1 Abs. 1 S. 2 PAuswG ebenso nicht den soeben dargestellten Anforderungen an eine das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beschränkende Norm genügen, da auch sie nicht die Erhebung bzw. Verarbeitung personenbezogener Daten unter Nennung der Art der Daten sowie des verfolgten Zwecks eindeutig für zulässig erklärt. In § 1 Abs. 1 S. 2 PAuswG ist lediglich die Pflicht geregelt, den Ausweis auf Verlangen vorzulegen, nicht aber die Befugnis der Behörde, die Vorlage des Ausweises zu verlangen. Letzteres muss an anderer Stelle erfolgen. Gleiches gilt für § 14 PAuswG. Zwar bezieht sich die Vorschrift auf die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten aus Ausweisen oder mithilfe von Ausweisen, jedoch ist auch hier erforderlich, dass die Behörde an sich zur Identitätsfeststellung befugt ist.502 Nur wenn dies der Fall ist, kann eine Erhebung bzw. Verarbeitung personenbezogener Daten aus dem Ausweis oder mithilfe des Ausweises nach Maßgabe der in Nr. 1 genannten Vorgaben erfolgen. Die Befugnis der 501 Der Ausweispflicht kann nach § 1 Abs. 2 S. 3 PAuswG auch durch Besitz und Vorlage eines Passes im Sinne des § 1 Abs. 2 PassG nachgekommen werden. 502 Möller, in: Hornung/Möller, PassG/PAuswG, § 14 PAuswG, Rn. 7.

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Behörde zur Identitätsfeststellung ergibt sich also auch hier nicht aus § 14 PAuswG, sondern muss an anderer Stelle geregelt sein. (c) Datenschutzrechtliche Bestimmungen Da weitere Vorschriften, auf welche die sitzungspolizeilichen Verfügungen in Bezug auf Identitätsfeststellungen gestützt werden können, nicht ersichtlich sind, kann man erwägen, ob sich nicht aus den datenschutzrechtlichen Normen die Befugnis zum Erlass solcher Maßnahmen ergibt. Bevor auf diese Frage eingegangen werden kann, muss jedoch vorweg geklärt werden, welche Datenschutzvorschriften anwendbar sind. (aa) Die Frage der Anwendbarkeit des BDSG oder des jeweiligen LDSG auf die Sitzungspolizei Nach § 1 Abs. 2 Nr. 2b BDSG gilt das BDSG für die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten durch öffentliche Stellen der Länder, soweit der Datenschutz nicht durch Landesgesetz geregelt ist und soweit sie als Organe der Rechtspflege tätig werden und es sich nicht um Verwaltungsangelegenheiten handelt. Übertragen auf die vorliegende Untersuchung bedeutet das, dass das BDSG für die sitzungspolizeilichen Verfügungen des Vorsitzenden nur insoweit anwendbar ist, als sich in den jeweiligen LDSG keine Regelungen finden. Dies ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Während manche das jeweilige LDSG für die Tätigkeit der Gerichte generell, also ohne Differenzierung nach rechtsprechender und verwaltender Tätigkeit, für anwendbar erklären,503 beschränken andere Bundesländer die Anwendbarkeit des jeweiligen LDSG auf die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch die Gerichte.504 Wieder andere enthalten keine ausdrücklichen Aussagen für die Anwendbarkeit auf Gerichte.505 Schließlich gibt es Bundesländer, welche die landesrechtlichen Normen für Gerichte generell für anwendbar erklären, dann aber manche Normen für die nicht verwaltende Tätigkeit ausschließen506 oder manche Normen nur für die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben zur Anwendung kommen lassen.507 In Baden-Württemberg bestimmt § 2 Abs. 3 S. 2 LDSG BW, dass die §§ 10, 11, 27 – 32 LDSG BW für die Gerichte nur gelten, soweit sie in Verwaltungsangelegenheiten tätig werden. Legt man lediglich den Wortlaut zugrunde, so ist nicht klar, was hiermit für die nicht verwaltende Tätigkeit der Gerichte gemeint ist. Die ausdrückliche Erklärung der Anwendbarkeit der Normen für die verwaltende Tätigkeit kann zum einen so verstanden werden, dass die Normen des LDSG BW grund503

§ 2 Abs. 1 S. 1 BlnDSG, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 LDSG RP, § 3 Abs. 1 S. 1 DSG LSA. § 2 Abs. 1 S. 2 BbgDSG, § 1 Abs. 4 S. 1 1. HS. BremDSG, § 2 Abs. 4 S. 2 DSG M-V, § 2 Abs. 1 S. 2 DSG NRW, § 2 Abs. 1 S. 4 SDSG. 505 § 3 HDSG, § 2 NDSG, § 3 LDSG SH, § 2 SächsDSG. 506 § 2 Abs. 1, Abs. 5 S. 1 Nr. 1 HmbDSG. 507 § 2 Abs. 3 S. 2 LDSG BW, Art. 2 Abs. 1, Abs. 6 BayDSG, § 2 Abs. 1, Abs. 6 ThürDSG. 504

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sätzlich auf die Gerichte anwendbar sind, also unabhängig davon, ob sie verwaltend oder rechtsprechend tätig werden, die explizit genannten Normen aber nur für die verwaltende Tätigkeit gelten sollen. Zum anderen kann man die explizite Nennung der Normen so verstehen, dass diese Normen nur für die Gerichte gelten, wenn sie verwaltend tätig werden und im Übrigen das LDSG BW keine Anwendung findet. Zur Klärung der Frage, ob für sitzungspolizeiliche Verfügungen das LDSG BW anwendbar ist, ist der Wortlaut folglich unergiebig. Zieht man die Gesetzesmaterialien zu § 2 LDSG BW heran, ergibt sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung, dass nur die verwaltende Tätigkeit der Gerichte dem LDSG BW unterliegt. Die Begründung führt zur verwaltenden Tätigkeit aus: „In Angelegenheiten der Gerichts- und Justizverwaltung unterliegen auch die Behörden der Rechtspflege als öffentliche Stellen des Landes dem Landesdatenschutzgesetz (§ 2 Abs. 1)“.508 Im Übrigen heißt es: „Im Bereich der Rechtspflege (Gerichte und Staatsanwaltschaften) sind ausschließlich die abschließenden Regelungen der jeweiligen Verfahrensordnungen anzuwenden.“.509 Hieraus lässt sich entnehmen, dass für die Gerichte nur im Rahmen ihrer verwaltenden Tätigkeit das LDSG BW anwendbar ist, nicht aber für die sonstigen Tätigkeiten, also auch nicht beim Erlass sitzungspolizeilicher Verfügungen. Führt die Begründung des Gesetzesentwurfes aus, im Bereich der Rechtspflege seien „ausschließlich die abschließenden Regelungen der jeweiligen Verfahrensordnungen anzuwenden“, so könnte man ferner annehmen, dass für die nicht verwaltende Tätigkeit der Gerichte aber auch nicht das BDSG anwendbar ist, sondern nur die jeweiligen Verfahrensordnungen gelten. Ein solches Verständnis würde jedoch der Absicht des Gesetzgebers widersprechen, den öffentlichen Bereich sowohl des Bundes als auch der Länder vollständig den datenschutzrechtlichen Regelungen zu unterstellen.510 Dass die ausschließliche Geltung der Verfahrensordnungen nicht gewollt sein kann, zeigt sich zudem an der Unvereinbarkeit eines solchen Verständnisses mit § 1 Abs. 2 Nr. 2b BDSG, wonach das BDSG für anwendbar erklärt wird, wenn das jeweilige Landesdatenschutzgesetz keine Regelung enthält und es sich um nicht verwaltende Tätigkeiten der Gerichte handelt. Die Begründung zu § 2 LDSG BW ist demnach so zu verstehen, dass für den Erlass sitzungspolizeilicher Verfügungen das BDSG gilt. Dies entspricht schließlich auch dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 2 Nr. 2b BDSG, denn mit dem Ausdruck „soweit“ wird deutlich, dass das BDSG immer nur dann anwendbar ist, wenn das jeweilige Landesdatenschutzgesetz keine Regelung enthält. Soweit diesbezüglich teilweise angenommen wird, die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 2b BDSG sei ohne praktische Relevanz, da die Länder den Datenschutz geregelt haben,511 ist diese pauschale Aussage jedenfalls in den Ländern, in welchen 508 509 510 511

LT-Drs. 12/4899, S. 30. LT-Drs. 12/4899, S. 30. Siehe hierzu Dammann, in: Simitis, BDSG, § 1, Rn. 119 ff. So etwa Eßer, in: Auernhammer, BDSG, § 2, Rn. 14.

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die Landesdatenschutzgesetze Regelungen über die nicht verwaltende Tätigkeit der Gerichte aussparen, widerlegt. Da das LDSG BW also nicht auf den Erlass sitzungspolizeilicher Verfügungen Anwendung findet, bleibt es bei der Geltung des BDSG. (bb) § 4 Abs. 1 1. Alt. BDSG i.V.m. § 13 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 S. 1 BDSG Für die hier relevanten Maßnahmen bei Ausweiskontrollen kommen § 4 Abs. 1 1. Alt. BDSG i.V.m. § 13 Abs. 1 und § 14 Abs. 1 S. 1 BDSG in Betracht. Nach § 4 Abs. 1 BDSG ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Da nach § 1 Abs. 3 S. 1 BDSG andere Rechtsvorschriften des Bundes dem BDSG vorgehen, wenn sie auf personenbezogene Daten einschließlich deren Veröffentlichung anzuwenden sind, für den vorliegenden Kontext allerdings keine Normen außerhalb des BDSG vorliegen, könnte auf § 13 Abs. 1 BDSG und § 14 Abs. 1 S. 1 BDSG zurückzugreifen sein. Diese Normen wären nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 BDSG auch anwendbar, da es sich bei den sitzungspolizeilichen Verfügungen des Vorsitzenden um das Tätigwerden eines Organs der Rechtspflege und nicht um Verwaltungsangelegenheiten handelt. § 13 Abs. 1 BDSG könnte die Ermächtigungsnorm sowohl für das Vorzeigen und Einbehalten als auch für das Kopieren und Einscannen der Ausweispapiere sein, da mit diesen Maßnahmen die in den Ausweispapieren enthaltenen personenbezogenen Daten beschafft und damit auch im Sinne des § 3 Abs. 3 BDSG sowie der § 4 Abs. 1 BDSG und § 13 Abs. 1 BDSG erhoben werden. Würden die Angaben beim Vorzeigen oder Einbehalten nicht gespeichert werden, würde dies dem Erheben nicht entgegenstehen. Das Erheben setzt nur ein willentliches und aktives Handeln mit der Folge voraus, dass die verantwortliche Stelle Kenntnis und die Verfügungsmacht über die Daten erhält, nicht aber, dass die Daten gespeichert werden.512 Das Erstellen (elektronischer) Listen der teilnehmenden Personen könnte auf § 14 Abs. 1 S. 1 BDSG zu stützen sein. Auch wenn fraglich ist, inwiefern das Kopieren und Scannen der Ausweispapiere sowie die listenmäßige Erfassung aller anwesenden Personen, also das Erheben und Speichern, zur Aufgabenerfüllung der verantwortlichen Stelle, das heißt zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, erforderlich sein soll, könnte die Erforderlichkeit jedenfalls für das Vorzeigen und Einbehalten der Ausweispapiere noch angenommen werden. Steht die Identität der teilnehmenden Personen einer Verhandlung fest, kann gegen diese effektiver und zeitnaher vorgegangen werden, als wenn diese völlig unbekannt sind. Auch der Heranziehung der § 4 Abs. 1 1. Alt. BDSG i.V.m. § 13 Abs. 1 BDSG und § 14 Abs. 1 S. 1 BDSG als Grundlage sitzungspolizeilicher Verfügungen stehen aber Bedenken hinsichtlich des rechtsstaatlichen Gehalts des Vorbehalts des Ge512 Eßer, in: Auernhammer, BDSG, § 3, Rn. 45; Plath/Schreiber, in: Plath, BDSG, § 3, Rn. 30; Schild, in: Wolff/Brink, Datenschutzrecht, § 3, Rn. 53; a.A. Ambs, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, BDSG, § 3 BDSG, Rn. 16.

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setzes, dem Gebot der Bestimmtheit und Klarheit gesetzlicher Ermächtigungen, entgegen. Mit dem Bestimmtheitsgebot soll sichergestellt werden, dass der demokratisch legitimierte Parlamentsgesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen über grundrechtsbeschränkende Maßnahmen sowie deren Reichweite selbst trifft, den ausübenden Stellen steuernde und beschränkende Handlungsmaßstäbe an die Hand gibt und die Norm so klar gefasst ist, dass der Bürger die ihn betreffenden belastenden Maßnahmen erkennen kann.513 Der Gesetzgeber muss den Anlass, den Zweck und die Grenzen des Eingriffs hinreichend bereichsspezifisch, präzise und normenklar festlegen, wobei die Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit der Ermächtigungsnorm mit der Art und Schwere des Eingriffs steigen. Angesichts der mit den genannten Maßnahmen einhergehenden möglichen intensiven Eingriffen in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung können die Maßnahmen nicht auf § 4 Abs. 1 1. Alt. BDSG i.V.m. § 13 Abs. 1 BDSG und § 14 Abs. 1 S. 1 BDSG gestützt werden. Die § 4 Abs. 1 1. Alt. BDSG i.V.m. § 13 Abs. 1 BDSG und § 14 Abs. 1 S. 1 BDSG enthalten keine ausreichenden Vorgaben für all diese Maßnahmen. Die datenschutzrechtlichen Bestimmungen normieren allgemeine Regelungen der Erhebung sowie Speicherung von Daten durch staatliche Stellen und beschränken die Datenerhebung bzw. -speicherung nur durch das Gebot der Erforderlichkeit für die Aufgabenerfüllung.514 Hierdurch werden keine aufgabenoder bereichsspezifischen Voraussetzungen der Datenerhebung oder -speicherung geschaffen. Aus den Vorschriften ergibt sich weder zu welchem konkreten Zweck die Daten erhoben oder gespeichert werden dürfen noch unter welchen Voraussetzungen konkrete einzelne Maßnahmen erfolgen können. Das in den genannten Normen enthaltene Gebot der Erforderlichkeit leitet die anwendenden Stellen nicht hinreichend an und gibt keine Kontrollmaßstäbe an die Hand, wenn das Gebot der Erforderlichkeit sich nicht auf einen konkret beschriebenen Zweck bezieht.515 Auch der von den belastenden Maßnahmen betroffene Bürger hat keine Möglichkeit auf Grundlage der § 4 Abs. 1 1. Alt. BDSG i.V.m. § 13 Abs. 1 BDSG und § 14 Abs. 1 S. 1 BDSG vorherzusehen, bei welcher Gelegenheit, zu welchem Zweck, unter welchen Voraussetzungen und wie genau Informationen über ihn erhoben werden sowie ob und wie die Informationen gespeichert werden.516 Auf Grundlage dieser Vorschriften ist daher weder für den Normanwender noch für den Bürger erkennbar, dass persönliche Daten zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in Gerichten erhoben werden können oder unter welchen Voraussetzungen die Erhebung erfolgen kann, insbesondere, ob dies anlassunabhängig möglich ist. Auch ist nicht klar, welche konkreten Daten beschafft werden oder wie die Identitätsfeststellungen konkret erfolgen, also ob die Ausweispapiere vorgezeigt werden sollen oder ob die Ausweispapiere zudem einbehalten und kopiert oder eingescannt werden können. 513 514 515 516

Siehe hierzu bereits oben, S. 51. BVerfG, Beschluss v. 23. 02. 2007, 1 BvR 2368/06 = NVwZ 2007, 688, 691. BVerfG, Beschluss v. 23. 02. 2007, 1 BvR 2368/06 = NVwZ 2007, 688, 691. BVerfG, Beschluss v. 23. 02. 2007, 1 BvR 2368/06 = NVwZ 2007, 688, 691.

II. Befugnisse des Vorsitzenden

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Aufgrund der damit einhergehenden intensiven Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung517 und den deshalb erhöhten Anforderungen an die Normklarheit und Bestimmtheit, bieten die §§ 4 Abs. 1 1. Alt. BDSG i.V.m. §§ 13 Abs. 1 BDSG und § 14 Abs. 1 S. 1 BDSG keine hinreichenden Maßstäbe zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verfügungen, sodass auch diese Normen als Grundlage der sitzungspolizeilichen Verfügungen ausscheiden. (cc) Einwilligung nach § 4 Abs. 1 3. Alt. BDSG Mangelt es an Rechtsvorschriften im Sinne des § 4 Abs. 1 BDSG, ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nach § 4 Abs. 1 3. Alt. BDSG möglich, sofern der Betroffene eingewilligt hat. Eine solche Einwilligung könnte man deshalb erwägen, weil es bei Ausweiskontrollen grundsätzlich dem Betroffenen überlassen ist, ob er sich diesen unterzieht und sodann Zutritt zur Sitzung erlangt oder nicht. Im Bereich der Eingriffsverwaltung wird die Möglichkeit der Erteilung von Einwilligungen nach § 4 Abs. 1 3. Alt. BDSG jedoch bezweifelt. Dies wird damit begründet, dass die Möglichkeit der Einwilligung den Gesetzesvorbehalt des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aushebeln würde, nach dem es eines bereichsspezifischen und detaillierten Gesetzes für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Eingriffen bedarf.518 Zwar handelt es sich beim Erlass sitzungspolizeilicher Verfügungen nicht um eine Tätigkeit der Eingriffsverwaltung, sondern um Spruchtätigkeit des Vorsitzenden als Organ der Rechtspflege. Dennoch besteht auch insoweit die Bindung an die Grundrechte nach Art. 1 Abs. 3 GG, sodass die vorgebrachten Überlegungen auch hier anzustellen sind. Diese Bedenken der Aushebelung des Gesetzesvorbehalts vermögen jedoch nicht zu überzeugen. Ein solches Verständnis würde dazu führen, dass unter Berufung auf die Umgehung der Gesetzesvorbehalte nie auf den grundrechtlichen Schutz verzichtet werden könnte, auch wenn es wie beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung um den Schutz subjektiver Freiheitsausübung geht.519 Zudem ist die Frage der Einwilligung in die Preisgabe personenbezogener Daten nicht eine Frage der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, sondern eine des Eingriffs. Wird eine wirksame Einwilligung erteilt, ist bereits der Eingriff ausgeschlossen und nicht der Eingriff hierdurch erst verfassungsrechtlich gerechtfertigt.520 Ferner erscheint das Argument der Umgehung der Gesetzesvorbehalte zu sehr vom Ergebnis her gedacht. 517

Siehe hierzu bereits oben, S. 49; zur Frage, wann die §§ 13, 14 BDSG als gesetzliche Grundlage für Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung genügen Gola/Klug/Körffer, in: Gola/Schomerus, BDSG, § 13, Rn. 2 und Dammann, in: Simitis, BDSG, § 14, Rn. 2, § 1, Rn. 111. 518 Scholz/Sokol, in: Simitis, BDSG, § 4, Rn. 7; Menzel, DuD 2008, 400, 401; siehe auch Gola/Klug/Körffer, in: Gola/Schomerus, BDSG, § 4, Rn. 16. 519 Dreier, in: Dreier, GG, Band I, Vorb., Rn. 132. 520 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 69; Sodan, in: Sodan, GG, Vorb. Art. 1, Rn. 44; Epping, Grundrechte, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 111.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Hintergrund der vorgebrachten Bedenken ist, dass staatliche Stellen und Wirtschaftsunternehmen dazu übergehen, Lücken der gesetzlichen Ermächtigungen dadurch zu umgehen, dass sie den Betroffenen Einwilligungen abverlangen und diese so komplex vorformulieren, dass sie der Betroffene nicht versteht und die Einwilligung daher zu einer bloßen Formalie wird.521 Verortet man die Einwilligung jedoch richtigerweise beim Eingriff und nicht erst bei der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung, stellt sich dieses Problem nicht.522 Eine Einwilligung schließt nur dann einen Eingriff aus, wenn sie freiwillig erfolgt.523 Den Bedenken, dem Bürger bleibe oftmals keine andere Wahl, als seine personenbezogenen Daten preiszugeben, kann damit im Rahmen der Freiwilligkeit hinreichend Rechnung getragen werden. Insofern bestimmt auch § 4a Abs. 1 S. 1 BDSG, dass die Einwilligung wirksam ist, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Da dies nur dann der Fall ist, wenn sie ohne Zwang erfolgt und nicht erschlichen ist,524 ist von der Freiwilligkeit der Einwilligung nicht auszugehen, wenn die Preisgabe der personenbezogenen Daten bei Ausweiskontrollen erforderlich ist, um Zutritt zur Verhandlung zu erlangen. Die Preisgabe erfolgt dann nicht aus freien Stücken, sondern wird in Kauf genommen, um in den Sitzungssaal zu gelangen. Besonders deutlich wird dies, wenn man nicht nur auf die Zuhörer öffentlicher Verhandlungen abstellt, die dann, wenn sie mit den Kontrollen nicht einverstanden sind, vom Besuch Abstand nehmen können, sondern auf Verfahrensbeteiligte. Diese Personen können nicht nur ein Recht auf Zutritt, sondern auch eine entsprechende Pflicht haben, in der Sitzung anwesend zu sein. (d) Zwischenergebnis Festgehalten werden kann, dass § 176 GVG für den Erlass sitzungspolizeilicher Verfügungen in der Form, dass die Identität der an der Verhandlung teilnehmenden Personen festgestellt wird, die Ausweispapiere einbehalten, kopiert oder eingescannt werden oder Listen darüber erstellt werden, wer an der Verhandlung teilnimmt, keine Rechtsgrundlage darstellt. Da es auch im Übrigen keine Normen gibt, welche zu solchen Verfügungen ermächtigen, scheiden diese als sitzungspolizeiliche Verfügungen aus. (4) Durchsuchung von Personen und mitgeführter Sachen Stellt man sich weiterhin die Frage, ob auf Grundlage von § 176 GVG der Vorsitzende die Durchsuchung von Personen sowie mitgeführter Sachen sitzungspolizeilich verfügen kann, ergibt sich in der Rechtsprechung und Literatur ein ähnliches Bild wie bei den Identitätsfeststellungen. Sowohl in der Rechtsprechung als auch in 521 522 523 524

Menzel, DuD 2008, 400, 401. In diese Richtung auch Gola/Klug/Körffer, in: Gola/Schomerus, BDSG, § 4a, Rn. 19. Epping, Grundrechte, Art. 2 Abs. 2 S. 1, Rn. 112. Plath, in: Plath, BDSG, § 4a, Rn. 23.

II. Befugnisse des Vorsitzenden

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der Literatur werden Durchsuchungen ohne Weiteres auf der Grundlage von § 176 GVG für möglich erachtet.525 Da es sich bei der Durchsuchung von Personen sowie mitgeführter Sachen um gravierende Grundrechtseingriffe handelt, stellt § 176 GVG auch für Durchsuchungen keine ausreichende Rechtsgrundlage dar. Zwar liegt mit § 176 GVG eine formell gesetzliche Vorschrift vor, welche grundsätzlich die betroffenen Grundrechte zu beschränken vermag. Allerdings genügt sie nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen der Normklarheit und Bestimmtheit an zu belastenden und grundrechtsintensiven Maßnahmen ermächtigenden Normen. Obwohl aus § 176 GVG der Zweck entnommen werden kann, mit den Durchsuchungen die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung zu verfolgen, enthält die generalklauselartige Vorschrift keine Vorgaben des Gesetzgebers, wie z. B. unter welchen Voraussetzungen die Personen sowie die mitgeführten Sachen durchsucht werden können, nach was gesucht oder wie die Durchsuchung konkret durchgeführt werden kann. Der Einzelne kann weder erkennen, dass ihn diese Maßnahmen treffen können noch wann er sie zu befürchten hat oder wie sie erfolgen. Auch zur Durchsuchung von Personen und mitgeführter Sachen genügt § 176 GVG nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit von zu grundrechtsbelastenden Maßnahmen ermächtigenden Normen.

4. Zwischenergebnis Die vorangegangenen Ausführungen haben ergeben, dass der Vorsitzende zwar im persönlichen, zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich der Sitzungspolizei nach § 176 GVG sitzungspolizeiliche Verfügungen zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung erlassen kann. Allerdings stellt die Generalklausel des § 176 GVG eine taugliche Ermächtigung lediglich für solche sitzungspolizeilichen Verfügungen dar, mit welchen keine Grundrechtseingriffe oder nur solche von geringer Intensität einhergehen. Dies können etwa die Unterbindung von Zwischenrufen oder die Anordnung der Anwesenheit von Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes und/oder von Polizeibeamten sein. Keine Rechtsgrundlage bietet § 176 GVG jedoch für die bei Einlasskontrollen relevanten sitzungspolizeilichen Verfügungen, wie z. B. Identitätsfeststellungen oder das praktizierte Einbehalten, Kopieren oder Einscannen der Ausweispapiere sowie die Durchsuchung von Personen und mitgeführter Sachen. Da sich auch im Übrigen keine Vorschrift findet, welche zu solchen Maßnahmen ermächtigt, scheiden diese Maßnahmen zur Wahrung der Ordnung in der Sitzung aus.

525

Siehe hierzu bereits oben, S. 109.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

III. Befugnisse des privaten Hausrechtsinhabers Können nach den vorherigen Ausführungen Maßnahmen sicherheitsrechtlicher Natur durch die Gerichtsverwaltung und den Vorsitzenden nur sehr eingeschränkt erfolgen, muss im Folgenden der Frage nachgegangen werden, ob und inwiefern weitere Maßnahmen möglich sind. In Betracht kommen solche auf Grundlage des privaten Hausrechts.

1. Einführung So umstritten und unklar, wie sich das öffentlich-rechtliche Hausrecht darstellt, ist die Situation auch beim privaten Hausrecht. Es stellen sich zahlreiche Probleme, was, wie bereits beim öffentlich-rechtlichen Hausrechts dargestellt, auch beim privaten Hausrecht daran liegt, dass es meist an einer ausführlichen Befassung mit dem privaten Hausrecht fehlt. Weder existiert eine ausführliche und zusammenhängende Regelung, noch beschäftigt sich die Literatur ausreichend mit dem privaten Hausrecht.526 Vereinzelt wird es neuerdings in seiner Ausgestaltung als „virtuelles Hausrecht“527 aufgegriffen, allerdings ohne grundsätzliche Fragen des privaten Hausrechts zu klären. In den geläufigen Kommentaren und Lehrbüchern findet man das private Hausrecht als Stichwort oft noch nicht einmal im Inhalts- oder Sachverzeichnis.528 Während es zumindest in einigen Normen, wie etwa § 15 Abs. 2 Nr. 1 HeimG, Erwähnung findet, ohne es jedoch näher zu bestimmen oder auszugestalten, befasst sich immerhin die strafrechtliche Literatur und Rechtsprechung beim Straftatbestand des Hausfriedensbruches nach § 123 StGB in gewissem Umfang mit diesem Rechtsinstitut.529 Obwohl im Gesetzestext des § 123 StGB vom Hausrecht nicht die Rede ist, sieht die herrschende Meinung im Strafrecht im Hausrecht das von § 123 StGB geschützte Rechtsgut.530 Eine ausreichende und insbesondere auch zivilrechtliche Fragestellungen beantwortende Auseinandersetzung fehlt jedoch auch hier.531 Wie beim öffentlich-rechtlichen Hausrecht hat dies dazu geführt, dass bis heute erhebliche Unklarheiten im Umgang mit dem privaten Hausrecht bestehen. 526 Engeln, Hausrecht, S. 16; Prothmann, Versammlungsort, S. 77; zum Begriff des Hausrechts auch Schulze, JZ 2015, 381, 185 ff. mit Erwiderung von Baldus, JZ 2016, S. 449. 527 OLG Köln, Beschluss v. 25. 08. 2000, 19 U 2/00 = MMR 2001, 52; OLG Frankfurt a.M, Urteil v. 05. 03. 2009, 6 U 221/08 = ZUM-RD 2009, 644, 645; BSG, Urteil v. 06. 12. 2012, B 11 AL 25/11 R = MMR 2013, 675; Maume, MMR 2007, 620 ff.; Schmidl, K&R 2006, 563; Schwenke, K&R 2012, 305. 528 Prothmann, Versammlungsort, S. 77. 529 Schäfer, in: MünchKomm StGB, § 123, Rn. 1 ff.; Sternberg-Lieben, in: Schönke/ Schröder, StGB, § 123, Rn. 1; siehe hierzu auch Engeln, Hausrecht, S. 16. 530 Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 123, Rn. 1; Lilie, in: LK-StGB, Band 5, § 123, Rn. 1; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, § 123, Rn. 1. 531 So auch Prothmann, Versammlungsort, S. 78.

III. Befugnisse des privaten Hausrechtsinhabers

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2. Abgrenzung zur Sitzungspolizei und zum öffentlich-rechtlichen Hausrecht Bevor auf die sich im Rahmen des privaten Hausrechts stellenden Probleme eingegangen werden kann, muss zuvor geklärt werden, ob und inwiefern das private Hausrecht neben der Sitzungspolizei und dem öffentlich-rechtlichen Hausrecht der Gerichtsverwaltung in Betracht kommt. In Abgrenzung zu den sitzungspolizeilichen Befugnissen des Vorsitzenden nach §§ 176 ff. GVG kann auf das private wie auch auf das öffentlich-rechtliche Hausrecht lediglich außerhalb des Anwendungsbereichs der Sitzungspolizei zurückgegriffen werden. Diese geht zur Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit und des Grundsatzes der Öffentlichkeit nach § 169 S. 1 GVG532 innerhalb ihres persönlichen, zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereiches vor, sodass in ihrem Anwendungsbereich auch etwaige private Hausrechtsmaßnahmen zurücktreten. Die Frage, ob Maßnahmen auf Grundlage des privaten Hausrechts neben Maßnahmen der Gerichtsverwaltung getroffen werden können, ist vor dem Hintergrund der die Rechtsnatur des Hausrechts an Verwaltungsgebäuden bestimmenden vorzugswürdigen öffentlich-rechtlichen Theorie zu beantworten. Wie in deren Rahmen ausgeführt,533 sind das Hausrecht an Verwaltungsgebäuden sowie die hausrechtlichen Maßnahmen nur öffentlich-rechtlich zu qualifizieren, wenn der widmungsgemäße Zweck der Sicherung einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Verwaltung verfolgt wird. Nur insoweit überlagert die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft das privatrechtliche Eigentum. Werden andere Zwecke verfolgt, lebt das privatrechtliche Eigentum wieder auf und hausrechtliche Maßnahmen kommen auf Grundlage des privaten Hausrechts in Betracht. Da demnach Maßnahmen durch den Inhaber des privaten Hausrechts neben der Gerichtsverwaltung nur dann möglich sind, wenn die Störungsabwehr nicht der Wahrung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Gerichtsverwaltung dient, ist der Anwendungsbereich des privaten Hausrechts bei Gerichtsgebäuden eher gering. Denkbar sind Fälle, in denen es auf das private Hausrecht ankommt, wenn mit der Maßnahme lediglich der Schutz von Eigentum und/oder Besitz verfolgt wird, etwa weil das Gebäude oder Gebäudeteile verunreinigt, beschädigt oder zerstört werden. Auch wenn freilich in den das private Hausrecht betreffenden Fällen oftmals auch eine Störung der ordnungsgemäßen Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch die Gerichtsverwaltung mit der Folge begründet werden kann, dass das private Hausrecht zurücktritt, sind dennoch Störungen, denen nur auf Grundlage des privaten Hausrechts begegnet werden kann und die gleichfalls die Sicherheit und Ordnung in

532 533

Siehe hierzu bereits oben, S. 101 f. Siehe S. 30.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Gerichtsgebäuden zu beeinträchtigen vermögen, denkbar. Auf das private Hausrecht ist daher vollständigkeitshalber in der gebotenen Kürze einzugehen.

3. Dogmatische Grundlage des privaten Hausrechts Steht fest, wann Maßnahmen auf Grundlage des privaten Hausrechts neben sitzungspolizeilichen Verfügungen und Maßnahmen der Gerichtsverwaltung in Betracht kommen, stellt sich im Weiteren die zentrale und bis heute ungeklärte Frage nach der dogmatischen Grundlage des privaten Hausrechts. Da von deren Klärung die hier interessierenden Fragen abhängen, welche konkreten Maßnahmen zur Schaffung von Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden ergriffen werden können sowie unter welchen Voraussetzungen, ist der Frage nach der dogmatischen Grundlage des privaten Hausrechts im Folgenden nachzugehen. a) Straftatbestand des § 123 StGB Als dogmatische Grundlage könnte man, wie früher auch vom BGH vertreten, § 123 StGB als die Strafvorschrift des Hausfriedensbruchs heranziehen.534 Begründet wird dies mit historischen Erwägungen, denn das private Hausrecht sei bei seiner Kodifizierung systematisch in den strafrechtlichen Teil des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794 und dabei wegen seines Abwehrcharakters im Anschluss an die Vorschriften über die Notwehr verortet worden.535 b) Eigentum, §§ 903, 1004 BGB Möglich wäre weiterhin, in Übereinstimmung mit der von der Rechtsprechung früher vertretenen und auch in der jüngeren Literatur vereinzelt noch immer als herrschende Meinung bezeichneten Ansicht, für die dogmatischen Grundlage des privaten Hausrechts ausschließlich auf das Eigentum und daher die zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 903, 1004 BGB abzustellen.536 Von den Vertretern dieser Ansicht wird argumentiert, das private Hausrecht sei Ausfluss des aus § 903 BGB zu entnehmenden und mit § 1004 BGB durchsetzbaren Rechts jedes Eigentümers, mit der 534

BGH, Urteil v. 28. 11. 1961, I ZR 56/60 = BGHZ 36, 171, 177; wohl auch Kübler, Massenmedien, S. 62. 535 §§ 525 ff. 2. Teil 20. Titel im Anschluss an §§ 517 ff. 2. Teil 20. Titel des PrALG; siehe hierzu und zur historischen Entwicklung Engeln, Hausrecht, S. 30 ff.; Wegner, Kommunikationsherrschaft, S. 14 f. 536 BGH, Urteil v. 26. 10. 1960, V ZR 122/59 = NJW 1961, 308; Urteil v. 06. 06. 1967, VI ZR 214/65 = NJW 1967, 1911, 1912; OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 15. 03. 1993, 4 U 172/ 91 = NJW-RR 1993, 788; Höfling, Hausrecht, S. 24; Emmerich, Anm. zu BGH, Urteil v. 03. 11. 1993, XIII ZR 106/93 = JuS 1994, 434, 435; Enders, JZ 2011, 577, 579; Sickor, Jura 2008, 14, 15.

III. Befugnisse des privaten Hausrechtsinhabers

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Sache nach Belieben zu verfahren und andere Personen von Einwirkungen auszuschließen.537 Für den Fall, dass eine Räumlichkeit vermietet oder verpachtet sei, könne das Hausrecht dem Mieter oder Pächter entweder infolge einer Übertragung im Miet- oder Pachtvertrag, jedenfalls aber konkludent, zustehen.538 c) Unmittelbarer Besitz, §§ 858 ff. BGB Andere knüpfen für die dogmatische Grundlage des privaten Hausrechts an den unmittelbaren Besitz am Grundstück oder am Gebäude, mithin an die zivilrechtlichen Normen der §§ 858 ff. BGB und die Befugnisse aus §§ 859, 862 BGB, an.539 Für eine Ableitung aus diesen Normen spreche, dass hiernach sowohl der Eigentümer als auch obligatorisch Berechtigte, wie etwa Mieter oder Pächter, kraft Gesetzes ein eigenes und originäres privates Hausrecht innehaben könnten und es bei diesen Personen keiner Übertragung durch den Eigentümer bedürfte.540 Zudem könnten historische Erwägungen angeführt werden. Sowohl in den §§ 525, 526 PrALG von 1794 tauche der Begriff des „Besitzers“ im Zusammenhang mit der Verletzung des Hausrechts auf, für welche ausschließlich der Wille des Besitzers maßgeblich war, als auch in den an das PrALG anknüpfenden Entwürfen des Strafgesetzesbuches für Preußen von 1828 und 1830, welche bestimmten, dass sich die Verletzung des Hausrechts aus der Nichtbeachtung des Willens des Besitzers räumlicher Bereiche541 und dem „Eingriff in das freie Besitzrecht“542 ergebe.543 d) Eigentum §§ 903, 1004 BGB und/oder Besitz §§ 858 ff. BGB Mit der mittlerweile wohl herrschenden Ansicht kann die dogmatische Grundlage des privaten Hausrechts schließlich sowohl in den Vorschriften über das Eigentum nach §§ 903, 1004 BGB als auch in denen über den Besitz nach §§ 858 ff. BGB 537

Enders, JZ 2011, 577, 579; Emmerich, Anm. zu BGH, Urteil v. 03. 11. 1993, XIII ZR 106/93 = JuS 1994, 434, 435. 538 OLG Braunschweig, Urteil vom 15. 10. 1965, Ss 138/65 = NJW 1966, 263, 264; OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 15. 03. 1993, 4 U 172/91 = NJW-RR 1993, 788, 789; LG Duisburg, Urteil v. 22. 07. 2005, 7 S 63/05 = BeckRS 2005, 09099; Emmerich, Anm. zu BGH, Urteil v. 03. 11. 1993, XIII ZR 106/93 = JuS 1994, 434, 435. 539 Dudenbostel, Hausrecht, S. 80 ff.; Engeln, Hausrecht, S. 43 f.; Olizeg, Hausrecht, S. 176 ff.; Waldhauser, Fernsehrechte, S. 69 f.; Amelung, NJW 1986, 2075, 2081. 540 Prothmann, Versammlungsort, S. 82 f.; Strauß, Hörfunkrechte, S. 126 f.; Waldhauser, Fernsehrechte, S. 69. 541 Siehe die Entwürfe des Strafgesetzbuches für Preußen von 1828 und 1830, abgedruckt bei Regge, Gesetzesrevision (1825 – 1848), 1. Abteilung, Band 1, S. 271 ff., 339. 542 Siehe die Motive zum Entwurf des Kriminalgesetzbuches für Preußen von 1828, abgedruckt bei Regge, Gesetzesrevision (1825 – 1848), 1. Abteilung, Band 2, S. 257. 543 Hierzu ausführlich Engeln, Hausrecht, S. 32.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

gesehen werden. Die Vertreter dieser „Kombinationslösung“ legen der doppelten dogmatischen Grundlage teilweise eine alternative,544 teilweise eine kumulative545 Sichtweise zugrunde, sind sich aber dahingehend einig, dass sich das private Hausrecht nur aus einem Zusammenwirken beider Vorschriften ergebe.546 Für die doppelte dogmatische Verankerung des privaten Hausrechts wird insbesondere angeführt, dass es ihr gelinge, die Vorteile der beiden ausschließlichen Ansätze zu nutzen sowie deren Schwächen einer Lösung zuzuführen.547 Daneben lasse sich dieses Ergebnis auch historisch begründen, denn das private Hausrecht sei seit jeher als Abwehrrecht des Hausherrn konzipiert, sodass es nur folgerichtig erscheine sowohl in den §§ 858 ff. BGB mit ihren Abwehransprüchen als auch in den §§ 903, 1004 BGB mit ihrem Schutzanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB die dogmatische Grundlage zu erblicken.548 e) Stellungnahme: Das private Hausrecht als Umschreibung der sich aus §§ 903, 1004 und 858 ff. BGB ergebenden Rechte und Befugnisse Der Argumentation, die dogmatische Grundlage des privaten Hausrechts aufgrund der ursprünglichen Verortung des Hausrechts im strafrechtlichen Teil des PrALR, in der Strafvorschrift des § 123 StGB zu sehen, ist zuzugestehen, dass dieser Befund jedenfalls ein Indiz dafür liefert, dass das private Hausrecht historisch mit dem Strafrecht in Verbindung gebracht wurde. Deshalb allerdings die dogmatische Grundlage im Straftatbestand des § 123 StGB zu suchen, geht zu weit. Es hat sich gezeigt, dass sich auch für die anderen Ansätze zur Bestimmung der dogmatischen Grundlage historische Befunde ergeben, welche auch für eine Verankerung etwa im unmittelbaren Besitz, also den §§ 858 ff. BGB, ins Feld geführt werden können. Der Rekurs auf die historischen Befunde kann damit nur beschränkt als ergiebiges Argument dienen. Zudem betrifft der strafrechtliche Schutz des § 123 StGB nur einen Teil des privaten Hausrechts, nämlich nur den „befriedeter Räume“.549 Hintergrund dieser Eingrenzung ist der Charakter des Strafrechts als letztes verfügbares Mittel, als ultima ratio, um Interessen der Allgemeinheit oder Individualrechtsgüter vor be544 BGH, Urteil v. 08. 11. 2005, KZR 37/03 = NJW 2006, 377, 379; BAG, Urteil v. 22. 09. 2009, 1 AZR 972/08 = NZA 2009, 1347, 1354; BGH, Urteil v. 09. 03. 2012, V ZR 115/11 = NJW 2012, 1725; Hoeren/Schröder, Anm. zu LG Stuttgart, Urteil v. 08. 05. 2008, 41 O 3/ 08 KfH = MMR 2008, 553, 554; Nemeczek, JA 2013, 393, 394; Reichert, ZWE 2009, 289. 545 OLG Brandenburg, Urteil v. 18. 04. 2011, 1 U 4/10 = NJW-RR 2011, 890; Armah, Die Radioberichterstattung, S. 93; Finger, Die offenen Szenen der Städte, S. 246; Strauß, Hörfunkrechte, S. 128; Wegner, Kommunikationsherrschaft, S. 18; Breucker, JR 2005, 133. 546 Armah, Die Radioberichterstattung, S. 93; Prothmann, Versammlungsort, S. 85. 547 Prothmann, Versammlungsort, S. 85. 548 Prothmann, Versammlungsort, S. 85 f.; Wegner, Kommunikationsherrschaft, S. 17. 549 Laier, Berichtserstattung, S. 239; Wegner, Kommunikationsherrschaft, S. 17; Schulze, JZ 2015, 381, 382.

III. Befugnisse des privaten Hausrechtsinhabers

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sonders sozialschädlichen Verhaltensweisen zu schützen.550 Das besonders sozialschädliche und damit strafwürdige ist bei § 123 StGB die Missachtung besonderer Vorkehrungen und die Überwindung physischer Barrieren, wohingegen der Schutz des privaten Hausrechts aber auch ohne besondere Einfriedung greift.551 Der strafrechtliche Schutz stellt sich damit lediglich als Teil des privaten Hausrechts dar.552 Wenn sich der strafrechtliche Schutz allerdings nur auf einen Teil des privaten Hausrechts bezieht und § 123 StGB nur einen Teilbereich dem strafrechtlichen Schutz unterstellt, kann das über diesen Teilbereich hinausgehende private Hausrecht nicht in dieser Norm verankert sein, sondern muss an anderer Stelle seine dogmatische Grundlage haben. Nicht zu überzeugen vermag des Weiteren, für die dogmatische Grundlage ausschließlich auf das Eigentum und damit auf die zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 903, 1004 BGB abzustellen. So ergeben sich zum einen schon dann Bedenken, wenn man den Eigentumsschutz dem Besitzschutz vergleichend gegenüberstellt. Während sich der Besitzer gemäß § 859 BGB auch gegenüber dem Eigentümer wehren kann, bedarf es für die Durchsetzung der Ansprüche des Eigentümers aus § 1004 Abs. 1 BGB der Hilfe der Gerichte.553 Würde man als dogmatische Grundlage des privaten Hausrechts alleine das Eigentum heranziehen, so würde diese Privilegierung des Besitzschutzes konterkariert.554 Ferner bringt diese Ansicht im Falle der Vermietung oder Verpachtung einer Räumlichkeit beachtliche dogmatische Schwierigkeiten mit sich, denn dem Mieter oder Pächter stünde mangels Eigentümerstellung kein privates Hausrecht zu.555 Die Notwendigkeit, dass auch dem obligatorisch Berechtigten das private Hausrecht zustehen muss, wurde von den Vertretern dieser Ansicht zwar nicht verkannt. Allerdings überzeugt die deshalb entwickelte Konstruktion der Übertragung des privaten Hausrechts im schuldrechtlichen Miet- oder Pachtvertrag oder in konkludenter Weise nicht. Diese Konstruktion erscheint nur am Ergebnis ausgerichtet, gekünstelt und wird daher zu Recht als „Kunstgriff“556 bezeichnet. Zudem wird verkannt, dass es sich beim privaten Hausrecht nicht um ein Rechtsgut im Sinne eines absoluten Rechts, sondern lediglich um eine Zusammenfassung bestimmter Befugnisse, hier aus dem Eigentum und/oder Besitz, handelt,557 der dingliche Abwehranspruch aus § 1004 BGB aber nach allgemeiner Auffassung untrennbar mit dem Eigentum verbunden ist und nicht ohne das 550

Prothmann, Versammlungsort, S. 80. Laier, Berichtserstattung, S. 239; Wegner, Kommunikationsherrschaft, S. 17. 552 Laier, Berichtserstattung, S. 239; Prothmann, Versammlungsort, S. 80 f.; Wegner, Kommunikationsherrschaft, S. 17. 553 Armah, Die Radioberichterstattung, S. 92; Engeln, Hausrecht, S. 43 f. 554 Armah, Die Radioberichterstattung, S. 92; Dudenbostel, Hausrecht, S. 81. 555 Prothmann, Versammlungsort, S. 81 f.; Strauß, Hörfunkrechte, S. 126. 556 Armah, Die Radioberichterstattung, S. 90. 557 Prothmann, Versammlungsort, S. 86; Strauß, Hörfunkrechte, S. 128 m.w.N.; Hofmann, Jura 2014, 141, 146. 551

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Eigentum selbstständig übertragen werden kann.558 Muss damit die Übertragung der sich aus dem Eigentum ergebenden Befugnisse an Dritte ausscheiden, findet sich aber keine Erklärung für das unstreitig auch beim Besitzer bestehende Hausrecht,559 sodass auch aus diesem Grund der alleinige Rückgriff auf das Eigentum als dogmatische Grundlage des privaten Hausrechts abzulehnen ist. Selbst wenn man annehmen würde, die sich aus §§ 903, 1004 BGB ergebenden Befugnisse seien übertragbar, würden sich weitere Ungereimtheiten ergeben. Auch dann würden dem Mieter oder Pächter die Ansprüche aus § 1004 BGB nicht zukommen, da diese Personen als schuldrechtlich Berechtigte nicht Gläubiger eines dinglichen Anspruches sein können.560 Die Ansicht, welche zur Begründung des privaten Hausrechts auf den Besitz abstellt und damit die §§ 858 ff. BGB für maßgeblich hält, vermag insoweit zu überzeugen, als sich mit ihr neben dem historischen Befund auch das private Hausrecht obligatorisch Berechtigter erklären lässt, ohne dass ein solches erst konstruiert werden muss. Allerdings verbliebe dem Eigentümer im Falle einer Vermietung oder Verpachtung dann nicht mehr das teilweise geforderte „Resthausrecht“561.562 Auch wenn der Eigentümer sich regelmäßig gegenüber dem berechtigten Besitzer nicht auf dieses berufen kann, da ihn der dingliche oder schuldrechtliche Vertrag zur Duldung verpflichtet, soll dem Eigentümer dennoch als verbleibender Rest seines ursprünglichen Hausrechts die Befugnis zukommen, den Personen, etwa auch den Besuchern des Mieters, den Zutritt zu verbieten, deren Aufenthalt ihm nicht zumutbar ist, weil sie beispielsweise Gebäudeteile beschädigen, die Begehung von Straftaten vorbereiten oder erhebliche Gefahren für sonstige Bewohner begründen.563 Aber auch dann, wenn man einen verbleibenden Rest des Hausrechts nicht fordert, spricht noch ein weiterer Umstand gegen die Heranziehung des Besitzes als alleinige dogmatische Grundlage. Stellt man nur auf die §§ 858 ff. BGB ab, lässt sich hieraus zwar die Abwehrfunktion des Hausrechts als negative Komponente begründen, nicht aber die nunmehr von der herrschenden Meinung dem privaten Hausrecht auch zugesprochene positive Komponente, die sich zwar aus § 903 BGB, nicht aber aus §§ 858 ff. BGB, ergibt.564 Vorzugswürdig erscheint es demnach, das Hausrecht als Zusammenfassung verschiedener Rechte zu begreifen und die dogmatische Grundlage in §§ 903, 1004 558 Baldus, in: MünchKomm BGB, Vorb. zu §§ 985 – 1007, Rn. 40; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1004, Rn. 2; Baur/Stürner, Sachenrecht. § 11, Rn. 44. 559 Prothmann, Versammlungsort, S. 82; siehe auch Waldhauser, Fernsehrechte, S. 69. 560 Armah, Die Radioberichterstattung, S. 90; Prothmann, Versammlungsort, S. 83; Strauß, Hörfunkrechte, S. 126; Waldhauer, Fernsehrechte, S. 69. 561 Engeln, Hausrecht, S. 108. 562 Ausführlich Engeln, Hausrecht, S. 108 ff. m.w.N.; Dudenbostel, Hausrecht, S. 70 f.; Wegner, Kommunikationsherrschaft, S. 18; Bernsmann, Jura 1981, 337, 343. 563 Engeln, Hausrecht, S. 109; Prothmann, Versammlungsort, S. 84. 564 Armah, Die Radioberichterstattung, S. 92; Prothmann, Versammlungsort, S. 89 f.; Strauß, Hörfunkrechte, S. 127.

III. Befugnisse des privaten Hausrechtsinhabers

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BGB und/oder §§ 858 ff. BGB zu sehen. Sowohl die Auffassung, welche die dogmatische Grundlage in § 123 StGB sieht, als auch die Meinungen, welche entweder ausschließlich an das Eigentum anknüpfen oder für eine ausschließliche Anknüpfung an den Besitz plädieren, weisen dogmatische Schwächen auf und können für sich gesehen nicht überzeugen. Insbesondere die historischen Erwägungen führen nicht weiter, da sich mehrere Befunde und Anknüpfungspunkte ausmachen lassen und diese daher nicht nur für einen Ansatz sprechen. Eine insgesamt überzeugende dogmatische Herleitung gelingt nur dann, wenn man sowohl auf das Eigentum als auch auf den Besitz abstellt. Hierdurch können die jeweils im Rahmen dieser Ansichten aufgezeigten Schwächen zu einem Ausgleich gebracht werden, denn sowohl die positive Dimension des privaten Hausrechts als auch der dem Eigentümer im Falle einer Vermietung oder Verpachtung verbleibende Rest seines Hausrechts können hinreichende Berücksichtigung finden und es bedarf keiner juristischen Tricks, um das private Hausrecht zu erklären.565 Soweit gegen die Zusammenfassung der Befugnisse aus Eigentum und Besitz vorgebracht wird, eine klare Bestimmung der Rechte und Voraussetzungen der Rechte des privaten Hausrechtsinhabers sei nicht möglich,566 kann dieser Einwand nicht durchdringen. Macht man sich nochmals klar, dass das private Hausrecht kein eigenständiges Recht ist, sondern nur einen Begriff für die Zusammenfassung der hausrechtlichen Befugnisse auf Grundlage des Besitzes und Eigentums darstellt, ist die Ausübung des privaten Hausrechts immer nur in dem Rahmen möglich, welcher sich konkret aus den aus Eigentum und Besitz zu entnehmenden Abwehrbefugnissen ergibt.567 Der Hausrechtsinhaber kann sich der konkret aus §§ 858 ff. BGB und § 1004 BGB ergebenden Abwehrrechten bedienen, dies aber auch nur, wenn die Voraussetzungen dieser Normen erfüllt sind und zudem lediglich in den durch diese Normen gezogenen Grenzen. Damit stehen sowohl die möglichen Rechte des Hausrechtsinhabers als auch deren Voraussetzungen sowie Grenzen fest, sodass sich keine Bestimmtheitsprobleme ausmachen lassen. Wenn vereinzelt zusätzlich zu den eigentums- und/oder besitzrechtlichen Normen auf Art. 13 GG und Art. 14 GG zurückgegriffen wird,568 bedarf es eines solchen Rückgriffes nicht. Zwar ist richtig, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem privaten Hausrecht an einem Grundstück oder Gebäude und dem Recht auf Eigentum aus Art. 14 GG sowie der Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 GG besteht. Allerdings ist es nicht notwendig auf diese Grundrechte abzustellen, wenn sich die dogmatische Grundlage bereits im einfachen Recht ausmachen lässt.569 Ist die dogmatische Grundlage des privaten Hausrechts damit in den §§ 903, 1004, 858 ff. BGB zu finden, verleiht das private Hausrecht selbst keine Befugnisse, 565

Prothmann, Versammlungsort, S. 85. Hofmann, Jura 2014, 141, 142. 567 Strauß, Hörfunkrechte, S. 128 f.; siehe auch Prothmann, Versammlungsort, S. 87. 568 OLG München, Urteil v. 14. 06. 1984, 23 U 1894/85 = BayVBl. 1986, 156, 157; LG Hamburg, Urteil v. 26. 04. 2002, 308 0 415/01 = SpuRt 2002, 202, 204. 569 Armah, Die Radioberichterstattung, S. 86; Strauß, Hörfunkrechte, S. 129. 566

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

sondern stellt lediglich eine „Umschreibung“570 der sich aus §§ 903, 1004, 858 ff. BGB ergebenden Befugnisse und Rechte dar.571 Als Zusammenfassung der eigentums- und besitzrechtlichen Befugnisse ist es daher auch richtig, wenn angenommen wird, das Hausrecht sei „kein Recht eigener Art“ bzw. „kein Rechtsgut im Sinne eines absoluten Rechts“.572

4. Inhaber des privaten Hausrechts Die Frage nach der Inhaberschaft des privaten Hausrechts kann vor dem Hintergrund der soeben festgestellten dogmatischen Grundlage recht einfach beantwortet werden. Entsprechend der dogmatischen Herleitung ist Hausrechtsinhaber derjenige, dem aufgrund seiner Eigentümerstellung und/oder seines unmittelbaren Besitzes die sich aus §§ 903, 1004, 858 ff. BGB ergebenden Rechte zukommen.573 Für die Bestimmung des privaten Hausrechtsinhabers an Gerichtsgebäuden muss daher daran angeknüpft werden, wem die dingliche und/oder besitzrechtliche Berechtigung am Gerichtsgebäude oder Grundstück obliegt. In Baden-Württemberg betreut nach der Dienstanweisung der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung Baden-Württemberg (DAW VBV) die Staatliche Vermögens- und Hochbauverwaltung die Immobilien des Landes, zu deren Aufgaben unter anderem die Unterbringung von Landeseinrichtungen, mithin auch von Gerichten, zählt.574 Für diese Aufgaben existieren nach Nr. 1.1 DAW VBV zwei Landesbetriebe im Sinne des § 26 LHO BW, wobei für die Unterbringung der Landeseinrichtungen der Landesbetrieb „Vermögen- und Bau Baden-Württemberg“ nach Nr. 2.2.1 DAW VBV zuständig ist. Bei den zuzuweisenden Gebäuden kann es sich sowohl um solche handeln, die im Eigentum des Landes stehen als auch um Mietobjekte. In Baden-Württemberg stehen etwa 84 % der Gerichtsgebäude im Eigentum des Landes und im Übrigen sind die Gerichte in vom Landesbetrieb „Vermögen- und Bau Baden-Württemberg“ angemieteten Gebäuden untergebracht.575 Dass das Land Baden-Württemberg als juristische Person des öffentlichen Rechts selbst keine tatsächliche Sachherrschaft bzw. keinen eigenen Besitzwillen hat, steht 570

Strauß, Hörfunkrechte, S. 128; Löwisch/Rieble, NJW 1994, 2596. So auch Prothmann, Versammlungsort, S. 86; Strauß, Hörfunkrechte, S. 128; Breucker, NJW 2006, 1233, 1235; Nemeczek, JA 2013, 393, 394. 572 Prothmann, Versammlungsort, S. 86; Strauß, Hörfunkrechte, S. 128; Löwisch/Rieble, NJW 1994, 2596; für die Einordnung als Rechtsgut AG Hadamar, Urteil v. 20. 12. 1994, 3 C 420/94 = NJW 1995, 968, 969; Ramm, DVBl. 2011, 1506, 1507 f.; für ein von der Rechtsordnung vorgegebenes Recht Engeln, Hausrecht, S. 16. 573 Prothmann, Versammlungsort, S. 87; Strauß, Hörfunkrechte, S. 129 f. 574 Siehe hierzu das Vorwort der Dienstanweisung der Staatlichen Vermögens- und Hochbauverwaltung Baden-Württemberg v. 09. 05. 1963, Az.: 4 – 3310.10/1, abrufbar unter: http://www.vermoegenundbau-bw.de/pb/,Lde/321084 (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 575 Auskunft des Ministeriums der Justiz und für Europa Baden-Württemberg an die Verfasserin in einer E-Mail vom 12. 01. 2015. 571

III. Befugnisse des privaten Hausrechtsinhabers

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der Inhaberschaft des privaten Hausrechts an Gerichtsgebäuden nicht entgegen. Die tatsächliche Sachherrschaft sowie der Besitzwille werden zwar nach der Lehre des Organbesitzes576 durch die Organe ausgeübt, allerdings der juristischen Person mit der Folge zugerechnet, dass nicht die Organe Besitzer sind, sondern die juristische Person selbst.577 Inhaber des privaten Hausrechts an Gerichtsgebäuden ist demnach in Baden-Württemberg das Land Baden-Württemberg, entweder als Eigentümer oder aber im Falle der Anmietung als unmittelbarer Besitzer des Gerichtsgebäudes.

5. Räumliche Reichweite Auch die sich weiterhin stellende Frage der räumlichen Reichweite, also in welchem räumlichen Bereich hausrechtliche Maßnahmen getroffen werden können, ob etwa nur im Gerichtsgebäude selbst oder auf dem gesamten Grundstück und darüber hinaus, kann vor dem Hintergrund der festgestellten dogmatischen Grundlage des privaten Hausrechts beantwortet werden. Entsprechend der Herleitung aus dem Eigentum und/oder Besitz und den sich aus diesen Rechten ergebenden Abwehrmöglichkeiten bestimmt sich das private Hausrecht in räumlicher Hinsicht nach der Reichweite dieser konstituierenden Normen: die räumliche Reichweite reicht so weit, wie die aus dem Eigentum- und/oder Besitzrecht resultierenden Befugnisse und Rechte bestehen.578 Diese umfassen neben dem Gebäude sämtliche Flächen bis zur Grundstücksgrenze, sodass etwa auch Vorhöfe oder der Garten umfasst sein können.579 Abzulehnen ist indessen eine über Eigentum und Besitz hinausgehende Ausdehnung der räumlichen Reichweite des privaten Hausrechts, etwa auf Zufahrtswege oder angrenzende Grundstücke.580 Würden auch diese Flächen erfasst werden, so bestünde zum einen die Gefahr der Ausuferung der sich auf das private Hausrecht stützenden Abwehrmaßnahmen.581 Zum anderen ließe sich ein solches Verständnis nicht mehr mit der dogmatischen Grundlage vereinbaren,582 denn diese gibt mit dem Eigentum und Besitz eine klare Grenze des räumlich gegenständlichen Bereiches 576 Allgemein K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 266 ff. und speziell zum privaten Hausrecht Prothmann, Versammlungsort, S. 87; Strauß, Hörfunkrechte, S. 145. 577 BGH, Urteil v. 31. 03. 1971, VIII ZR 256/69 = NJW 1971, 1358; Joost, in: MünchKomm BGB, § 854, Rn. 17; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 854, Rn. 10. 578 Armah, Die Radioberichterstattung, S. 99 f.; Prothmann, Versammlungsort, S. 89; Strauß, Hörfunkrechte, S. 131. 579 OLG Düsseldorf, Urteil v. 29. 08. 1977, 22 U 17/97 = NJW 1997, 3383, 3384; Strauß, Hörfunkrechte, S. 131; zum räumlichen Schutz bei der Anfertigung und Verwertung von Fotografien siehe BGH, Urteil v. 17. 12. 2010, V ZR 45/10 = NJW 2011, 749 und Nemeczek, JA 2013, 393, 396 m.w.N. 580 So auch Strauß, Hörfunkrechte, S. 131. 581 Strauß, Hörfunkrechte, S. 131; siehe auch Christoph, Hausrecht, S. 32. 582 Strauß, Hörfunkrechte, S. 131.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

vor, welcher vom Hausrechtsinhaber bei der Ausübung seiner Befugnisse nicht überschritten werden darf. Ausscheiden muss des Weiteren der vereinzelt in der Literatur anzutreffende Versuch, das private Hausrecht auf umfriedete Flächen zu beschränken, also solche, die durch physische Barrieren, wie z. B. Einzäunungen, eingegrenzt sind.583 Hiermit würde eine erhebliche Beschränkung der Schutzmöglichkeiten einhergehen, etwa weil gegen Personen, die sich zwar auf dem Gerichtsgelände befinden, nicht aber die eingezäunte Fläche betreten, keine Maßnahmen ergriffen werden könnten. Zudem ist eine solche Beschränkung von der dogmatischen Grundlage des privaten Hausrechts nicht gefordert, da auch sie keine Einschränkung in räumlicher Hinsicht enthält.584 Zudem würden der zivilrechtliche und strafrechtliche Hausrechtsbegriff gleichgesetzt werden, obwohl nur für den strafrechtlichen Hausrechtsbegriff das Vorhandensein physischer Barrieren kennzeichnend ist.585 In räumlicher Hinsicht kann sich der private Hausrechtsinhaber des Gerichtsgebäudes sowohl innerhalb des Gerichtsgebäudes als auch außerhalb bis zur Grundstücksgrenze auf das private Hausrecht berufen. So sind etwa Maßnahmen auch im Bereich vor dem Gerichtsgebäude, z. B. einem Vorhof oder einer sonstigen dem Gerichtseingang vorgelagerten Fläche, möglich. Solche Maßnahmen können beispielsweise dann erforderlich sein, wenn die Gebäudemauer oder sonstige Gebäudeteile von außen z. B. mit Graffiti besprüht oder Gegenstände gegen das Gebäude oder Gebäudeteile, wie Fenster, geworfen werden. Nicht mehr vom privaten Hausrecht umfasst sind demgegenüber Störungen, welche sich etwa von der an das Grundstück angrenzenden Straße oder vom Nachbargrundstück ereignen.

6. Sachlicher Inhalt und Grenzen Näherer Betrachtung bedarf schließlich die Frage des sachlichen Inhalts des privaten Hausrechts. Hierbei soll zunächst geklärt werden, ob dem Hausrechtsinhaber generell das Recht obliegt, über den Zutritt und die Nutzung des Gerichtsgebäudes zu entscheiden. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der von zahlreichen Gerichten erlassenen Hausordnungen586 relevant, welche sowohl Regelungen über das Betreten als auch die Nutzung des Gerichtsgebäudes enthalten. In ihnen wird beispielsweise das Rauchen oder das Mitführen von Fahrrädern im Gerichtsgebäude untersagt, das Aushängen von Plakaten und Anschlägen oder das 583

So etwa Lerche/Ulmer, Kurzberichterstattung im Fernsehen, S. 97. Prothmann, Versammlungsort, S. 89; Strauß, Hörfunkrechte, S. 132. 585 Laier, Berichterstattung, S. 239; Prothmann, Versammlungsort, S. 89; Waldhauser, Fernsehrechte, S. 71. 586 Siehe z. B. die Hausordnung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg unter 2.2, abrufbar unter: http://www.finanzgericht.berlin.brandenburg.de/media_fast/4658/Hausordnung%20FG.1 6271997.pdf (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 584

III. Befugnisse des privaten Hausrechtsinhabers

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Mitführen von Tieren von einer Zustimmung abhängig gemacht oder eine parteipolitische Betätigung oder die Durchführung einer gewerblichen Veranstaltung im Gebäude verboten. Nach Klärung dieser Frage wird darauf eingegangen, ob und welche Abwehrbefugnisse sich dem privaten Hausherrn im Falle konkreter Störungen bieten und welche Grenzen zu beachten sind. a) Befugnisse nach § 903 S. 1 BGB aa) Negative und positive Dimension des § 903 S. 1 BGB Ob dem Inhaber des privaten Hausrechts generelle Befugnisse, wie etwa die Festlegung bestimmter Zutrittsbedingungen oder die Bestimmung der Nutzung der Räumlichkeiten, zukommen, könnte man deshalb bezweifeln, da nach der historischen Entwicklung und der primären Funktion das private Hausrecht als Abwehrrecht ausgestaltet war, also nur dazu berechtigte, Personen den Zutritt zu einer Räumlichkeit zu untersagen.587 Allerdings wurde von der Rechtsprechung bereits im Jahre 1961 entschieden, dass es nicht nur bei dieser Abwehrfunktion verbleibt. Dem privaten Hausrecht sei auch eine positive Dimension beizumessen, die den Hausherrn zur Entscheidung berechtige, wen er in seine Räume hineinlässt, wem er also das Betreten seiner Räumlichkeiten gewährt.588 Die Anerkennung dieser positiven Dimension oder leistenden Funktion des privaten Hausrechts wurde in der Folgezeit vom BGH bestätigt, indem etwa dem privaten Hausrechtsinhaber die Befugnis zuerkannt wurde, die generelle Erlaubnis des Betretens der Räume von der Erfüllung spezieller Voraussetzungen abhängig zu machen589 oder das Betreten nur zu speziellen Zwecken zuzulassen.590 Dem Inhaber des privaten Hausrechts obliegt es damit nicht nur, über das Betreten, sondern auch über die konkrete Nutzung des Raumes zu entscheiden, womit ihm auch die Möglichkeit gegeben wird, das Verhalten von Personen im Raum zu steuern.591 Die Begründung dieser positiven Dimension des privaten Hausrechts lässt sich allerdings nicht nur auf deren Entwicklung in der Rechtsprechung stützen, sondern kann auch anhand der dogmatischen Grundlage und damit mit dem Gesetz begründet werden. Neben den §§ 1004, 858 ff. BGB, die zugegebenermaßen nur für eine abwehrrechtlich und damit negative Dimension sprechen, stellt auch § 903 BGB einen

587

Prothmann, Versammlungsort, S. 89 f.; Wegner, Kommunikationsherrschaft, S. 15, 22. BGH, Urteil v. 28. 11. 1961, I ZR 56/60 = NJW 1962, 523, 534; hierzu auch Prothmann, Versammlungsort, S. 90; Wegner, Kommunikationsherrschaft, S. 22. 589 BGH, Urteil v. 03. 11. 1993, VIII ZR 106/93 = NJW 1994, 188, 189; Urteil v. 08. 11. 2005, KZR 37/03 = NJW 2006, 377, 379. 590 BGH, Urteil v. 08. 11. 2005, KZR 37/03 = NJW 2006, 377, 379; Urteil v. 20. 01. 2006, V ZR 134/05 = NJW 2006, 1054. 591 Prothmann, Versammlungsort, S. 90; Wegner, Kommunikationsherrschaft, S. 22 f. 588

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Teil der dogmatischen Grundlage des privaten Hausrechts dar.592 Die Vorschrift des § 903 BGB hat zwei Seiten: zum einen kann – negativ – die Einwirkung Fremder auf die Sache ausgeschlossen werden, zum anderen darf – positiv – mit der Sache nach Belieben verfahren werden.593 Unter Letzteres fällt sowohl die Befugnis den Zugang und die Nutzung im konkreten Fall zu erlauben, zu verbieten, von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig zu machen als auch abstrakt-generelle Zugangs- und Nutzungsregelungen zu treffen.594 Damit ergibt sich unmittelbar aus § 903 BGB als Teil der dogmatischen Grundlage des Hausrechts und damit auch aus dem Gesetz, dass dem Hausrechtsinhaber nicht nur das Recht, anderen Personen den Zutritt zu versagen, zusteht, sondern er auch über den Zutritt und die Nutzung der Räumlichkeiten bestimmen kann.595 Vor dem Hintergrund des mit dem privaten Hausrecht in engem Zusammenhang stehenden, verfassungsrechtlich durch Art. 2 Abs. 1 GG garantieren, Grundsatzes der Privatautonomie und dem sich hieraus ergebenden Grundsatz der freien Ausübung und Ausgestaltung des privaten Hausrechts,596 kann der Hausrechtsinhaber frei, ohne Rechtfertigungspflicht und damit auch willkürlich, den Zutritt verweigern oder eine bestimmte Nutzung versagen.597 bb) Die Möglichkeit zum Erlass von Hausordnungen Kann der private Hausrechtsinhaber eines Gerichtsgebäudes demnach grundsätzlich598 frei darüber entscheiden, wem er Zutritt zum Gerichtsgebäude oder dem Gerichtsgelände gewährt, unter welchen Voraussetzungen der Zutritt erfolgen darf und wem er ihn verweigert, kann diese Entscheidung als Willenserklärung im Sinne einer konkreten Einzelanweisung oder in abstrakt-genereller Form durch eine Hausordnung erfolgen. Zur Schaffung und Erhaltung von Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden erscheinen insbesondere letztere geeignet. In Hausordnungen können in generalisierter Form Zutritts-, Nutzungs- und Verhaltensregelungen aufgestellt werden. Denkbar sind etwa Bestimmungen, wonach beim Betreten des Gerichtsgebäudes eine Klingel zu betätigen ist und/oder der Zweck des Besuches offenbart wird. Auch sind Anordnungen denkbar, nach welchen z. B. parteipolitische 592 So auch Prothmann, Versammlungsort, S. 91; Wegner, Kommunikationsherrschaft, S. 24 f.; Schulze, JZ 2015, 381, 385. 593 Berger, in: Jauernig, BGB, § 903, Rn. 2 f.; Säcker, in: MünchKomm BGB, § 903, Rn. 5; Schulze, JZ 2015, 381, 385. 594 BGH, Urteil v. 20. 09. 1974, I ZR 99/73 = JZ 1975, 491, 492; Fritzsche, in: BeckOK BGB, § 903, Rn. 19; Christensen, JuS 1996, 873 f.; Nemeczek, JA 2013, 393, 395. 595 Prothmann, Versammlungsort, S. 91; Wegner, Kommunikationsherrschaft, S. 24 f. 596 OLG Brandenburg, Urteil v. 18. 04. 2011, 1 U 4/10 = NJW-RR 2011, 890; LG Duisburg, Urteil v. 22. 07. 2005, 7 S 63/05 = BeckRS 2005, 09099; zum Grundsatz der Privatautonomie siehe BVerfG, Beschluss v. 04. 06. 1985, 1 BvL 12/84 = NJW 1986, 243; Beschluss v. 02. 05. 1996, 1 BvR 696/96 = NJW 1996, 2021. 597 LG Bonn, Urteil v. 16. 11. 1999, 10 O 457/99 = NJW 2000, 961, 962; Prothmann, Versammlungsort, S. 91 f.; Sickor, Jura 2008, 14, 16. 598 Siehe aber zu den Grenzen der Hausrechtsausübung unten, S. 144 ff.

III. Befugnisse des privaten Hausrechtsinhabers

143

Betätigungen ausgeschlossen sind und das Rauchen oder Mitführen von Tieren untersagt ist. Denkbar sind auch Vorgaben, dass die eintrittswilligen Personen sich einer Identitätsfeststellung und der Durchsuchung ihrer Person sowie mitgeführter Sachen unterziehen müssen oder dass sie während ihres Aufenthaltes videoüberwacht werden. b) Mögliche Maßnahmen bei Störungen Neben der Möglichkeit zum Erlass von Hausordnungen durch den privaten Hausrechtsinhaber von Gerichtsgebäuden stellt sich die Frage, ob und welche Möglichkeiten ihm zur Verfügung stehen, sofern sich konkrete Störungen, also Beeinträchtigungen des Eigentums oder Störungen des Besitzes, ergeben. aa) Als Eigentümer, § 1004 Abs. 1 BGB Ist der Inhaber des privaten Hausrechts Eigentümer, so kommt ein Vorgehen gegen den Störer nach § 1004 Abs. 1 BGB in Betracht. Dieses kann zum einen darauf gerichtet sein, als Hausverweis nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB eine gegenwärtige Verletzung des Eigentums zu beseitigen, zum anderen im Wege eines Hausverbotes gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB auch künftige Eigentumsverletzungen zu verhindern.599 Bei dem eher repressiv ausgerichteten Hausverweis und dem mit präventiven Charakter verbundenen Hausverbot handelt es sich also nicht um andere, neben den eigentumsrechtlichen Ansprüchen bestehende Handlungsalternativen des Hausrechtsinhabers, sondern um die bloße Kennzeichnung der sich aus der dogmatischen Grundlage des privaten Hausrechts ergebenden Ansprüche nach § 1004 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB.600 Voraussetzung der Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB ist eine Beeinträchtigung des Eigentums, die jedoch keine Beeinträchtigung der Sachsubstanz fordert, sondern auch bei einem sonstigen Eingriff in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers gegeben sein kann.601 Die ein Vorgehen auf Grundlage von § 1004 Abs. 1 BGB herbeiführende Störung im Sinne einer Eigentumsbeeinträchtigung kann unproblematisch in der Beschädigung oder Zerstörung von Gebäudeteilen des Gerichtsgebäudes, etwa Türen, Fenstern oder aber auch Mauern oder Wänden, durch das Einschlagen oder Werfen von Gegenständen oder das Besprühen mit Graffiti oder ähnlichem liegen. Da eine die Herrschaftsmacht des Eigentümers störende Einwirkung darüber hinaus im bloßen Betreten eines Grundstücks gesehen 599

Prothmann, Versammlungsort, S. 94. So auch Prothmann, Versammlungsort, S. 95 f.; anders etwa BGH, Urteil v. 20. 01. 2006, V ZR 134/05 = NJW 2006, 1054 und Schulze, JURA 2011, 481, 486, die unzutreffend davon ausgehen, die Befugnis zum Erlass eines Hausverbotes folge aus dem Hausrecht. 601 BGH, Urteil v. 21. 12. 1970, II ZR 133/68 = NJW 1971, 886, 888; Berger, in: Jauernig, BGB, § 1004, Rn. 4. 600

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

werden kann,602 kann eine Beeinträchtigung der Eigentümerbefugnisse des Hausrechtsinhabers auch dann gegeben sein, wenn das Gerichtsgebäude besetzt oder das Gerichtsgelände lediglich betreten wird. bb) Als Besitzer, §§ 859, 861 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB, §§ 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB Obliegt dem privaten Hausrechtsinhaber nicht oder nicht nur das Eigentum, sondern (auch) der Besitz, so ergeben sich mögliche Ansprüche auf Abwehr von Störungen aus §§ 859, 861 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB.603 Mit dem wie bei § 1004 Abs. 1 BGB auf Beseitigung und Unterlassung ausgestalteten Anspruch ist für den repressiv ausgerichteten Hausverweis und das präventiv geprägte Hausverbot insbesondere § 862 Abs. 1 BGB von Bedeutung. Hiernach kann der unmittelbare Besitzer vom Störer die Beseitigung der bereits eingetretenen Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht oder die Unterlassung weiterer verlangen. Da für den Begriff der Besitzstörung auf den Störungsbegriff von § 1004 BGB zurückgegriffen wird,604 kann insoweit auf das zu § 1004 BGB Gesagte verwiesen werden. Als weiterer Anspruch kann dem privaten Hausrechtsinhaber mit dem berechtigten Besitz als „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB der sog. quasi-negatorische Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zukommen.605 c) Grenzen der privaten Hausrechtsausübung Steht demnach dem privaten Hausrechtsinhaber die Befugnis zu, abstrakt oder konkret über den Zutritt und die Nutzung zu entscheiden und obliegen ihm im Falle von Eigentums- und Besitzbeeinträchtigungen Abwehransprüche, stellt sich im Folgenden die Frage etwaiger Grenzen dieser privaten Hausrechtsausübungsmöglichkeiten. Gemäß § 903 S. 1 BGB können die Eigentumsbefugnisse nämlich nur insoweit ausgeübt werden, als nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Die Beeinträchtigung des Eigentums führt nur dann zu einem Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB, wenn der Eigentümer nicht zur Duldung verpflichtet ist, § 1004 Abs. 2 BGB, die Eigentumsbeeinträchtigung also rechtswidrig ist und die Besitzstörung nur zu einem Anspruch aus § 862 Abs. 1 BGB, wenn das Handeln widerrechtlich ist.

602

BGH, Urteil v. 20. 01. 2006, V ZR 134/05 = NJW 2006, 1054; Armah, Die Radioberichterstattung, S. 103. 603 Prothmann, Versammlungsort, S. 95. 604 Fritzsche, in: BeckOK BGB, § 858, Rn. 9; Berger, in: Jauernig, BGB, § 858, Rn. 3; Joost, in: MünchKomm BGB, § 858, Rn. 5. 605 Prothmann, Versammlungsort, S. 95.

III. Befugnisse des privaten Hausrechtsinhabers

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aa) Öffnung der Gerichtsgebäude für den Publikumsverkehr Grenzen der Hausrechtsausübung, das heißt der Geltendmachung der hier relevanten Ansprüche aus §§ 1004 Abs. 1 S. 1 und 2, 862 Abs. 1 BGB, können dem privaten Hausrechtsinhaber dann gesetzt sein, wenn die Gerichtsgebäude generell für den Publikumsverkehr geöffnet sind. Werden Räumlichkeiten der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt, ohne dass im Einzelfall geprüft wird, ob der Zutritt gewährt werden soll, kann hierin die eine Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 BGB begründende und die Widerrechtlichkeit der Beeinträchtigung nach § 862 Abs. 1 BGB ausschließende konkludente Einwilligung des Hausherrn liegen.606 Allerdings kann nicht angenommen werden, dass diese Einwilligung sich auf jegliche Nutzung des Gerichtsgebäudes bezieht und somit stets die Geltendmachung der Ansprüche aus §§ 1004 Abs. 1 S. 1 und 2, 862 Abs. 1 BGB ausschließt. Die Einwilligung bezieht sich vielmehr nur auf das Betreten des Gerichtsgebäudes im Rahmen der gewöhnlichen Raumnutzung, denn es entspricht weder dem Willen des privaten Hausrechtsinhabers, jede Form der Nutzung des Gerichtsgebäudes zuzulassen, noch grundsätzlich willkommenen Personen nicht später bei einem etwaigen Fehlverhalten, wie etwa der Beschädigung von Sachen, das Betreten oder Verweilen im Gerichtsgebäude verwehren zu dürfen.607 Eine Einwilligung mit der Folge der Begründung einer Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 BGB sowie dem Ausschluss der Widerrechtlichkeit nach § 862 Abs. 1 BGB und damit insgesamt dem Ausschluss der Ansprüche aus §§ 1004 Abs. 1 S. 1 und 2, 862 Abs. 1 BGB, kann nur für die sich im Rahmen der vom Hausrechtsinhaber freigegebenen Nutzungszwecke bewegenden Nutzungen, insbesondere dem bloßen Betreten, angenommen werden und schränkt die Hausrechtsausübung lediglich insoweit ein. Die nicht von der Einwilligung umfassten Nutzungen stellen sich demgegenüber als rechtswidrige Beeinträchtigungen des Eigentums bzw. als widerrechtliche Störungen des Besitzes dar und setzen der Ausübung der Ansprüche aus §§ 1004 Abs. 1 S. 1 und 2, 862 Abs. 1 BGB keine Grenzen. Als typische und von der Einwilligung umfasste Nutzungen sind z. B. der Zutritt zum Gerichtsgebäude, um als Verfahrensbeteiligter Rechtsstreitigkeiten zu führen, als Zuhörer einer Gerichtsverhandlung beizuwohnen, Auskünfte einzuholen, Anträge zu stellen oder aber um Personen zu begleiten oder abzuholen anzusehen. Gewöhnlich ist die Nutzung also dann, wenn sie nicht über das Verhalten hinausgeht, was üblicherweise von einer Person in einem Gerichtsgebäude erwartet wird. Keine gewöhnlichen und daher nicht von der Einwilligung des Hausrechtsinhabers um606 BGH, Urteil v. 20. 01. 2006, V ZR 134/05 = NJW 2006, 1054, 1056; hierzu und zu weiteren Konstruktionen wie z. B. der Annahme eines Verzichts oder widersprüchlichen Verhaltens Prothmann, Versammlungsort, S. 97 ff. m.w.N.; Strauß, Hörfunkrechte, S. 138 ff.; Christensen, JuS 1996, 873, 874. 607 Zur Öffnung von Ladengeschäften siehe BGH, Urteil v. 25. 04. 1991, I ZR 283/89 = NJW-RR 1991, 1512; Urteil v. 03. 11. 1993, VIII ZR 106/93 = NJW 1994, 188, 189; Christensen, JuS 1996, 873, 874; für Sportveranstaltungen Strauß, Hörfunkrechte, S. 163.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

fassten Nutzungen sind solche, bei welchen andere Personen gestört, belästigt oder Schäden aller Art herbeigeführt werden. Solche will der Hausrechtsinhaber gerade zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude vermeiden. Dass nicht alle denkbaren Nutzungen freigegeben und damit von der Einwilligung umfasst sind und welche dies im konkreten Einzelfall sind, ergibt sich insbesondere aus den allgemeinen, die Zutritts- und Nutzungsbefugnisse konkretisierenden und beschränkenden Hausordnungen.608 Aus ihnen kann zum einen entnommen werden, dass trotz der Öffnung des Gebäudes für die Allgemeinheit nur bestimmte Nutzungen gewollt sind sowie im Falle einer unerlaubten Nutzung ein Einschreiten dem privaten Hausrechtsinhaber vorbehalten bleiben soll, zum anderen, welche konkreten Nutzungen im Einzelfall von der Einwilligung umfasst sind und welche nicht.609 So ist in den Hausordnungen beispielsweise festgelegt, dass alle Personen sich so verhalten müssen, dass andere Personen nicht gestört oder belästigt werden, die Sauberkeit und Ordnung im Gerichtsgebäude aufrechterhalten bleibt und keine Schäden herbeigeführt werden. Daneben können etwa ausdrücklich das Rauchen, das Mitführen von Tieren oder die Nutzung des Gerichtsgebäudes für parteipolitische Betätigungen oder die Durchführung gewerblicher Veranstaltungen verboten sein. bb) Grundrechtsbindung des Hausrechtsinhabers Da in Baden-Württemberg das Bundesland selbst der private Hausrechtsinhaber ist und nach Art. 1 Abs. 3 GG eine umfassende Grundrechtsbindung für alle Staatsgewalten besteht, ergeben sich weitere Grenzen der Hausrechtsausübung für die Eigentumsbefugnisse aus § 903 S. 1 BGB sowie für die Geltendmachung der besitz- und eigentumsrechtlichen Abwehransprüche aus grundrechtlichen Erwägungen. Dass es sich bei den hausrechtlichen Maßnahmen auf Grundlage der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB um privatrechtliche Maßnahmen handelt, ändert hieran nichts. Auch wenn der Staat sich zur Aufgabenwahrnehmung zivilrechtlicher Handlungsformen bedient, ist ihm eine Flucht in das Privatrecht verwehrt und er unterliegt der Grundrechtsbindung.610 Die Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG ist für die vorliegende Untersuchung insbesondere deshalb relevant, da mit den hier bedeutenden hausrechtlichen Maßnahmen, seien es Hausverweise oder -verbote, Videoüberwachungen im Innenoder Außenbereich oder aber den Maßnahmen bei Einlasskontrollen, Eingriffe in Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, Art. 14 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Abs. 1

608 BGH, Urteil v. 20. 01. 2006, V ZR 134/05 = NJW 2006, 1054, 1055; Prothmann, Versammlungsort, S. 97. 609 Siehe z. B. die Hausordnung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg, abrufbar unter: http://www.finanzgericht.berlin.brandenburg.de/media_fast/4658/Hausordnung%20FG.16271 997.pdf (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 610 BVerfG, Urteil v. 22. 02. 2011, 1 BvR 699/06 = NJW 2011, 1201, 1202; Hillgruber, in: BeckOK GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 70.

III. Befugnisse des privaten Hausrechtsinhabers

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i.V.m. 1 Abs. 1 GG einhergehen.611 Die hausrechtlichen Maßnahmen können zudem rechtlich relevante Ungleichbehandlungen im Sinne der Gleichheitsrechte, insbesondere Art. 3 Abs. 1 GG bewirken, sofern sich die Maßnahmen z. B. nur auf einzelne Personen beziehen. Die Grundrechtseingriffe oder Ungleichbehandlungen müssen jedoch nicht zwangsweise zur Folge haben, dass damit die auf § 903 S. 1 BGB gestützten Maßnahmen wegen entgegenstehender Rechte Dritter und die eigentums- und/oder besitzrechtlichen Ansprüche mangels Rechtswidrigkeit der Eigentumsstörung oder Widerrechtlichkeit der Besitzstörung ausscheiden. Die genannten Freiheitsgrundrechte sind nicht vorbehaltlos gewährleistet und auch Ungleichbehandlungen nach Art. 3 Abs. 1 GG können verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Für die betroffenen Freiheitsgrundrechte stellen die §§ 903, 1004, 858 ff. BGB formell gesetzliche Vorschriften dar, welche die Freiheitsgrundrechte612, deren Gesetzesvorbehalten entsprechend, grundsätzlich zu beschränken vermögen. Dass es sich bei den §§ 903, 1004, 858 ff. BGB um privatrechtliche Vorschriften handelt und dem Bundesland Baden-Württemberg keine hoheitlichen Befugnisse eingeräumt werden, steht dem nicht entgegen. Die an grundrechtsbeschränkende Ermächtigungsnormen zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen sind bei privatrechtlichen Normen zurückgenommen, was daraus resultiert, dass sich der Staat überhaupt den Formen des Privatrechts bedienen darf.613 Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung müssen die grundrechtsrelevanten Maßnahmen ferner den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen, welche vor dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gestellt werden. Hierfür müssen sie einen legitimen Zweck verfolgen und zur Verfolgung dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein.614 Da diese Beurteilung sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalles richtet und nicht generell getroffen werden kann, muss sie einer Prüfung im Einzelfall615 vorbehalten sein. Zu berücksichtigen ist aber, dass dem privaten Hausrechtsinhaber aufgrund der Grundrechtsbindung nicht Art. 14 Abs. 1 GG für sein Eigentum zusteht, sondern lediglich der Schutz aus § 903 BGB zukommt und zu seinen Gunsten auch nicht Art. 2 Abs. 1 GG hinsichtlich des soeben angesprochenen Grundsatzes der freien Ausübung und Ausgestaltung des Hausrechts angeführt werden kann. Sollen beispielsweise Hausverweise oder -verbote gegenüber einer mit Zugangsansprüchen ausgestatteten Person ausgesprochen werden, der aufgrund dieser 611

Siehe hierzu bereits oben, S. 38 ff. Zur Beschränkung von Art. 8 Abs. 1 GG durch private Hausrechtsmaßnahmen BVerfG, Urteil v. 22. 02. 2011, 1 BvR 699/06 = NJW 2011, 1201, 1206. 613 BVerfG, Urteil v. 22. 02. 2011, 1 BvR 699/06 = NJW 2011, 1201, 1206. 614 BVerfG, Urteil v. 15. 12. 1983, 1 BvR 209/83 u. a. = NJW 1984, 419, 424. 615 Anders Stelkens, Verwaltungsprivatrecht, S. 600; Bethge, Die Verwaltung 1977, 313, 318, die davon ausgehen, dass öffentlich-rechtliche Zugangsansprüche stets den Eigentumsbefugnissen vorgehen. 612

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Ansprüche Art. 2 Abs. 1 GG zur Seite steht und liegt nur eine unerhebliche Störung vor, werden sich die hausrechtlichen Maßnahmen in der Regel als unverhältnismäßig darstellen. Gleiches gilt, wenn Durchsuchungen, Ausweiskontrollen oder Videoüberwachungen erfolgen sollen ohne dass besondere Anhaltspunkte für Gefahren für die Rechte des Hausrechtsinhabers vorliegen. In diesen Fällen werden die grundrechtlichen Positionen der zutrittsbegehrenden Personen den Schutz der Positionen des privaten Hausrechtsinhabers überwiegen. Hausverweise oder -verbote können zudem dann unverhältnismäßig sein, wenn durch den Ausschluss dem Einzelnen z. B. zugleich sein Zutrittsrecht als Verfahrensbeteiligter oder als Zuhörer einer öffentlichen Verhandlung genommen wird und es sich im Einzelfall als milderes Mittel darstellen würde, die Person bis zum Verhandlungsbeginn zu begleiten oder zu überwachen. Anders kann es dahingegen sein, wenn sich gravierende Störungen der Positionen des privaten Hausrechtsinhabers ergeben, weshalb ein Hausverweis oder -verbot ausgesprochen werden muss, oder solche drohen und daher Durchsuchungen, Ausweiskontrollen und Videoüberwachungen angeordnet werden. Dann ist nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall auch die grundrechtlich geschützten Positionen zurücktreten und dem Schutz der Rechtsgüter des privaten Hausrechtsinhabers Vorrang einzuräumen ist. Stellt sich die Ausübung der Eigentumsbefugnisse oder die Geltendmachung der eigentums- oder besitzrechtlichen Abwehransprüche gegenüber der einen Person als rechtlich relevante Ungleichbehandlung gegenüber einer anderen dar, führt dies nicht zwingend zu einer Verletzung der Gleichheitsgrundrechte, insbesondere des Art. 3 Abs. 1 GG. Auch rechtlich relevante Ungleichbehandlungen können verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Ob dies der Fall ist, ob sich also ein sachlicher Grund ausmachen lässt616 oder ob die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips gewahrt sind, muss auch insoweit einer Beurteilung im Einzelfall vorbehalten sein. Soll etwa eine zutrittsberechtigte Person gegenüber einer solchen anderen oder eine nicht zutrittsberechtigte Person gegenüber einer solchen anderen aus dem Gerichtsgebäude verwiesen oder ihr verboten werden, das Gebäude erneut aufzusuchen, kann der sachliche Grund beispielsweise in der Störung selbst oder in der Schwere der Störung liegen. Zwischen zutrittsberechtigten und nicht zutrittsberechtigten Personen ist denkbar, dass der sachliche Grund in der Zutrittsberechtigung selbst liegt. Als ein sachlicher Grund, welcher es ferner z. B. rechtfertigt, eine Person im Gegensatz zu einer anderen nicht zu durchsuchen, kann darin zu sehen 616

Dies wird in der neueren Rechtsprechung auch bei einer nur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte angenommen. Die Öffnung von Räumlichkeiten für den allgemeinen Publikumsverkehr habe eine modifizierte Einschränkung der Hausrechtsausübung in dem Sinn zu Folge, dass wegen der im Wege der mittelbaren Drittwirkung zu beachtenden Grundrechte der Besucher die Hausrechtsausübung einen sachlichen Grund erfordert und die willkürliche Hausrechtsausübung ausgeschlossen ist, siehe BGH, Urteil v. 30. 10. 2009, V ZR 253/08 = NJW 2010, 534, 535; Urteil v. 09. 03. 2012, V ZR 115/11 = NJW 2012, 1725, 1727; Breucker, JR 2005, 133, 136; Gurlit, NZG 2012, 698, 699; Mäsch, JuS 2012, 556, 557.

III. Befugnisse des privaten Hausrechtsinhabers

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sein, dass es sich bei dieser Person um ein Organ der Rechtspflege handelt,617 dem gegenüber die Vermutung der Integrität besteht. cc) Öffentlich-rechtliche Sachherrschaft Eine weitere Grenze der privaten Hausrechtsausübung ergibt sich aufgrund der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft von Gerichtsgebäuden, die Maßnahmen des privaten Hausrechtsinhabers nur zulässt, wenn mit den Maßnahmen nicht die Sicherung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Verwaltung verfolgt wird,618 sondern es lediglich um den Schutz von Eigentum und Besitz geht. Sind die Handlungsmöglichkeiten des privaten Hausrechtsinhabers daher ohnehin sehr begrenzt, ergibt sich aus der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft noch eine weitere Begrenzung. Auch wenn Maßnahmen des privaten Hausherrn in Betracht kommen, da nicht die Wahrung der Aufgabenerfüllung der Verwaltung bezweckt wird, dürfen die privatrechtlichen Maßnahmen die dennoch bestehende öffentlich-rechtliche Sachherrschaft nicht beschränken oder verletzen. Der private Hausrechtsinhaber kann – mit anderen Worten – also zwar Maßnahmen, wie etwa den Erlass einer Hausordnung nach § 903 S. 1 BGB, treffen, um seine Rechtsgüter zu schützen. Die Maßnahmen dürfen allerdings nur soweit gehen, als nicht die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft und damit der ordnungsgemäße Dienstbetrieb der Verwaltung beschränkt oder verhindert wird. Möglich sind insoweit etwa Anordnungen das Rauchen im Gerichtsgebäude oder die Verschmutzung von Gebäudeteilen zu unterlassen, denn hierdurch ergeben sich keine Auswirkungen auf die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft. Gleiches gilt für Durchsuchungen der Zutritt begehrenden Personen sowie ihrer mitgeführten Sachen, der Kontrolle der Ausweispapiere oder der Videoüberwachungen. Grenzen infolge der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft sind aber beispielsweise dann denkbar, wenn Personen aus dem Gerichtsgebäude verwiesen werden und/oder ihnen verboten werden soll, das Gebäude erneut aufzusuchen und die Personen zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch die Gerichtsverwaltung benötigt werden, etwa weil das persönliche Mitwirken eines Bürgers in einer Verwaltungssache erforderlich ist. Da in Baden-Württemberg allerdings der Inhaber des privaten Hausrechts mit dem Inhaber des öffentlich-rechtlichen Hausrechts identisch ist,619 ergeben sich aus dieser dualistischen Konstruktion keine besonderen Probleme. Aufgrund der Identität der Hausrechtsinhaber werden in den Hausordnungen keine Nutzungen vorgesehen sein oder Ansprüche geltend gemacht werden, welche den Interessen des privaten und zugleich öffentlich-rechtlichen Hausrechtsinhabers widersprechen.

617 618 619

Siehe hierzu bereits oben, S. 115 f. Siehe hierzu bereits oben, S. 131. Siehe zum privaten Hausrechtsinhaber oben, S. 138 f.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

7. Zwischenergebnis Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass der private Hausherr Maßnahmen sicherheitsrechtlicher Natur außerhalb des Anwendungsbereichs der Sitzungspolizei und des öffentlich-rechtlichen Hausrechts zum Schutz seines Eigentums und/oder Besitzes am Gerichtsgebäude ergreifen kann. Die dogmatische Grundlage findet sich in den das private Hausrecht konstituierenden Normen der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB. Neben der Festlegung der Nutzung der Gerichtsgebäude in abstrakt genereller Weise mittels Hausordnungen stehen dem privaten Hausherrn insbesondere die eigentums- und/oder besitzrechtlichen Abwehransprüche der §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB zu. Dies gilt trotz der Öffnung der Gerichtsgebäude für die Allgemeinheit. Grenzen der Hausrechtsausübung können sich in BadenWürttemberg aufgrund der Grundrechtsbindung des Landes Baden-Württemberg als privatem Hausherrn sowie durch die das Privateigentum überlagernde öffentlichrechtliche Sachherrschaft ergeben.

IV. Befugnisse der Polizei Neben den dargestellten Möglichkeiten zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen sind zudem Maßnahmen zur Schaffung und Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden nach den Polizeigesetzen denkbar. Der Polizei obliegt nach § 1 Abs. 1 PolG BW sowie den entsprechenden Regelungen der anderen Bundesländer die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen die Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird, sowie Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist.

1. Abgrenzung zur Sitzungspolizei und zum öffentlich-rechtlichen und privaten Hausrecht Anders als beim öffentlich-rechtlichen Hausrecht, bei dem die hausrechtlichen Maßnahmen lediglich dem ungestörten Dienstbetrieb der Gerichtsverwaltung dienen und bei der Sitzungspolizei, mit der die Ordnung in der Sitzung verfolgt wird, bezieht sich die Aufgabe der Polizei allgemein auf den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Da sowohl die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch die Gerichtsverwaltung als auch die Ordnung in der Sitzung unter den Schutz der Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen620 fallen und hiermit Teilbereiche der öffentlichen Sicherheit bereits geschützt werden, stellt sich die Frage, ob daneben überhaupt ein Tätigwerden der Polizei möglich ist. 620

Gusy, PolR, § 3, Rn. 82; Denninger, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil D, Rn. 23.

IV. Befugnisse der Polizei

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Die Zuständigkeit der Polizei könnte man mit der Argumentation ablehnen, die Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Gerichten falle in die Zuständigkeit der jeweils anderen, zur Gefahrenabwehr berufenen hoheitlichen Stelle, womit ein gefahrenabwehrrechtliches Tätigwerden der Polizei neben der Gerichtsverwaltung und dem Vorsitzenden ausgeschlossen wäre. Nach dem allgemein geltenden organisatorischen Grundsatz, dass jeder Hoheitsträger die hoheitlichen Kompetenzen anderer Verwaltungsträger zu respektieren hat621 sowie dass kollidierende hoheitliche Zuständigkeiten anderer Träger hoheitlicher Gewalt den Kompetenzen der Polizei vorgehen,622 gilt, dass vorrangig die Aufgabe der Gefahrenabwehr dem Funktionsträger selbst obliegt. Allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt, sondern zum einen nur insoweit, als die Gefahrenabwehr die eigene Sachtätigkeit betrifft.623 Zum anderen gilt der Vorrang zugunsten der anderen Stelle nicht, wenn ein Einschreiten der Polizei trotz der anderweitigen Kompetenzen im Gesetz vorgesehen ist, wie dies in Eilfällen, bei den polizeilichen Befugnissen für die Gerichte als gefährdete Orte624 oder bei der Hilfeleistung im Wege der Amts- oder Vollzugshilfe der Fall ist. Die Bezugnahme auf die eigene Sachtätigkeit meint, dass soweit sich die Störungen auf die sachgemäße Aufgabenerfüllung der Gerichtsverwaltung oder die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung beziehen, die speziellen Befugnisse zur Gefahrenabwehr den allgemeinen und besonderen Ordnungsgesetzen vorgehen. Der Polizei verbleiben insoweit lediglich subsidiäre Befugnisse und ihr steht ein Vorgehen aufgrund der allgemeinen Sicherheitsgesetze nicht offen.625 Handelt es sich dahingegen um Störungen, die nicht die Aufgabenerfüllung der hoheitlichen Stelle betreffen und für welche der Funktionsträger gerade nicht die besondere Sachnähe und Sachkunde besitzen, um bestmöglich der Gefahrenabwehr nachzukommen, kommt ein polizeiliches Einschreiten zum Schutz der sonstigen Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Betracht.626 Solche Fälle, in denen den Polizeibeamten im Gerichtsgebäude deshalb die Abwehr der Gefahren obliegt, weil ihre subsidiäre Zuständigkeit mangels Betroffenheit der sachgemäßen Aufgabenerfüllung der Verwaltung oder der Ordnung in der Sitzung eingreift, liegen nur selten vor. In der Regel gehen mit Störungen der sonstigen Schutzgüter, etwa der Individualrechtsgüter oder der Verletzung der Rechtsordnung, zugleich Gefahren für die Aufgabenerfüllung der Gerichtsverwaltung oder des ordnungsgemäßen Ver621 Siehe hierzu Christoph, Hausrecht, S. 197; Forsthoff, VerwR, Band 1, S. 450; Folz, JuS 1965, 41. 622 Rudolf, Polizei gegen Hoheitsträger, S. 18; Gusy, PolR, § 3, Rn. 134; Denninger, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil D, Rn. 22; Folz, JuS 1965, 41. 623 Olizeg, Hausrecht, S. 146; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 5, Rn. 40. 624 Olizeg, Hausrecht, S. 147. 625 Gusy, PolR, § 3, Rn. 134 f.; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 3; Denninger, in: Lisken/ Denninger, PolR, Teil D, Rn. 23; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 5, Rn. 40; Folz, JuS 1965, 41; Knoke, AöR 1969, 388, 413; Leinius, NJW 1973, 448. 626 Olizeg, Hausrecht, S. 146.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

handlungsverlaufes einher.627 So stellt der Angriff auf die Ehre, den Körper oder das Leben eines Gerichtsbediensteten oder eines Verfahrensbeteiligten vielfach nicht nur eine Störung der öffentlichen Sicherheit aufgrund der Verletzung von Rechten und Rechtsgütern Einzelner dar, sondern auch eine Störung des Dienstbetriebs der Gerichtsverwaltung oder der Ordnung in der Sitzung. In gleicher Weise erschöpft sich das Mitführen einer Waffe nicht in einem Verstoß gegen die Rechtsordnung, dem Waffengesetz, sondern kann ebenso eine Gefahr sowohl für den Dienstbetrieb der Verwaltung als auch für einen ordnungsgemäßen Verhandlungsverlauf darstellen.628 Mit den angesprochenen Eilfällen ist die in § 2 Abs. 1 PolG BW sowie den entsprechenden Vorschriften der anderen Bundesländer629 geregelte Abweichung von der subsidiären Zuständigkeit der Polizei gegenüber anderen Stellen gemeint. Danach hat die Polizei die notwendigen vorläufigen Maßnahmen zu treffen, soweit ein Handeln der anderen Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich erscheint. Diese beiden Alternativen gelten in allen Bundesländern, obwohl manche Bundesländer, wie auch Baden-Württemberg, lediglich auf die Dringlichkeit einer Maßnahme abstellen. Dem Eilfall wird in Einklang mit § 1a S. 1 MEPolG nicht nur eine zeitliche Komponente zugeschrieben, sondern auch eine sachliche, sodass ein Tätigwerden auch dann möglich ist, wenn aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht zur Gefahrenabwehr eingeschritten werden kann.630 Ein zeitlicher Eilfall ist denkbar, wenn z. B. ein Handeln des Gerichtspräsidenten zu spät kommen würde oder er so verletzt ist, dass er nicht mehr selbst tätig werden kann. Soweit in diesem Zusammenhang teilweise angenommen wird, die Gefahrenabwehr sei während der Dienst- oder Gebäudeöffnungszeiten stets rechtzeitig möglich, weshalb während dieser Zeiten Eilfällen von der zuständigen Stelle zu begegnen sei,631 kann dies nicht in dieser Pauschalität überzeugen. Zwar ist richtig, dass die an sich zuständige hoheitliche Stelle grundsätzlich auch die Gefahrenabwehr in Eilfällen bewältigen muss. Allerdings sind dennoch Fälle denkbar, in welchen die zuständigen Personen zwar anwesend sind, aber nicht einschreiten können, etwa weil die Störung sie daran hindert oder weil ihnen die persönlichen oder sachlichen Mittel fehlen. Von besonderer Relevanz ist für das öffentlich-rechtliche Hausrecht der Gerichtsverwaltung vor allem der sachliche Eilfall. Neben den vom sachlichen Eilfall erfassten tatsächlichen Gründen, die insbesondere deshalb relevant sind, da der Gerichtspräsident regelmäßig über keine Ausbildung sowie Ausrüstung für viele 627

So auch Olizeg, Hausrecht, S. 147. Olizeg, Hausrecht, S. 147. 629 Art. 3 BayPAG, § 4 Abs. 1 S. 1 ASOG Bln, § 2 S. 1 BbgPolG, § 64 Abs. 1 S. 2 BremPolG, § 3 Abs. 2 S. 1a HmbSOG, § 2 S. 1 HSOG, § 7 Abs. 1 Nr. 3 SOG M-V, § 1 Abs. 2 S. 1 NdsSOG, § 1 Abs. 1 S. 3 PolG NRW, § 1 Abs. 8 S. 1 POG RP, § 2 Abs. 1 S. 1 SächsPolG, § 85 Abs. 2 S. 1 SPolG, § 2 Abs. 2 SOG LSA, § 168 Abs. 1 Nr. 3 LVwG SH, § 3 S. 1 ThürPAG. 630 Habermehl, PolR, Rn. 469; Lorentz-Link, Verhältnis zwischen Polizei und Ordnungsbehörden, S. 115 m.w.N.; siehe auch Christoph, Hausrecht, S. 198; Denninger, in: Lisken/ Denninger, PolR, Teil D, Rn. 238 ff.; Gusy, PolR, § 3, Rn. 134 ff. 631 Olizeg, Hausrecht, S. 147. 628

IV. Befugnisse der Polizei

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gefahrabwehrrechtlichen Maßnahmen verfügt, ist auch der Fall der rechtlichen Gründe umfasst. Dieser liegt vor und erlaubt ein polizeiliches Handeln, wenn die Behörde zum Einschreiten nicht befugt ist.632 Der Fall der rechtlichen Gründe ist deshalb von besonderer Bedeutung, da in Baden-Württemberg und in den anderen Bundesländern außer Niedersachsen und Hamburg der Gerichtspräsident über keine Befugnisse zum Erlass belastender Maßnahmen verfügt und in Hessen die Befugnisse lückenhaft geregelt sind. Neben dem privaten Hausrechtsinhaber ist ein Einschreiten der Polizei zum Schutz von Eigentum und Besitz nur nach § 2 Abs. 2 PolG BW sowie den entsprechenden Regelungen der anderen Bundesländer633 möglich. Der Schutz privater Rechte sowie die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Privaten gehören nach dieser Regelung, die eine Variante des polizeirechtlichen Subsidiaritätsprinzips darstellt, nicht zu den Aufgaben der Polizei, denn durch Konflikte unter Privaten wird in der Regel die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht beeinträchtigt.634 Sofern ein wirksamer Schutz durch die Anrufung der zuständigen Gerichte jedoch zu spät kommt und eine Rechtsvereitelung oder wesentliche Erschwerung der Rechtsverwirklichung droht, ist die Inanspruchnahme der Polizei vorgesehen. Da regelmäßig bei Angriffen auf das Eigentum und/oder den Besitz des privaten Hausherrn ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Normen, wie etwa § 303 StGB, vorliegt, ist die öffentliche Sicherheit bedroht oder verletzt und die Polizei nicht mehr nur subsidiär zuständig.

2. Tätigwerden der Polizei Nachdem geklärt wurde, ob und wann ein Tätigwerden der Polizei in Gerichten in Betracht kommt, soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, wie sich das polizeiliche Handeln konkret darstellen kann. Hierzu muss nach dem eigenständigen Tätigwerden und dem Tätigwerden aufgrund des Ersuchens um Amtshilfe differenziert werden. Die Polizeibeamten können zunächst selbst Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung treffen. Sie können all die Maßnahmen ergreifen, zu welchen sie nach dem jeweiligen Polizeigesetz des Bundeslandes ermächtigt sind. Denkbar sind Identitätsfeststellungen nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 und 3 PolG BW, die Durchsuchung von Personen gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 PolG BW oder mitgeführter Sachen nach § 30 Nr. 1 – 3, 5 PolG BW, die Erteilung von Platzver632 Christoph, Hausrecht, S. 198; Lorentz-Link, Verhältnis zwischen Polizei und Ordnungsbehörden, S. 115. 633 Art. 2 Abs. 2 BayPAG, § 1 Abs. 4 ASOG Bln, § 1 Abs. 2 BbgPolG, § 1 Abs. 2 BremPolG, § 1 Abs. 3 HSOG, § 1 Abs. 3 SOG M-V, § 1 Abs. 3 NdsSOG, § 1 Abs. 2 PolG NRW, § 1 Abs. 3 POG RP, § 1 Abs. 3 SPolG, § 2 Abs. 2 SächsPolG, § 1 Abs. 2 SOG LSA, § 162 Abs. 2 LVwG SH, § 2 Abs. 2 ThürPAG. 634 Würtenberger/Heckmann, PolR BW, Rn. 169.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

weisen oder Aufenthaltsverboten nach § 27a Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 PolG BW, aber auch die Ingewahrsamnahme von Personen nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 und 3 PolG BW oder die Beschlagnahme von Sachen nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 und 2 PolG BW. Daneben stellt sich die Frage eines Handelns der Polizei im Wege der Amtshilfe. Zwar stehen der Gerichtsverwaltung sowie den Spruchkörpern mit den Beschäftigten des Justizwachtmeisterdienstes eigene Vollzugsbeamte zur Seite.635 Allerdings verfügen diese zum einen nicht über die gleiche Ausbildung, praktische Erfahrung sowie Ausrüstung wie die Beamten des Polizeivollzugsdienstes, zum anderen stehen in den Gerichtsgebäuden aufgrund von Personaleinsparungen oftmals zu wenige Angehörige des Justizwachtmeisterdienstes zur Verfügung. Die Notwendigkeit einer ergänzenden Hilfeleistung ist daher unabweislich. Die Möglichkeit der Amtshilfe wird beispielsweise in der Form, dass die Polizeibeamten sich in bestimmten Räumen für den Fall erheblicher Störungen bereithalten oder neben etwaigen Justizwachtmeistern im Rahmen von Einlasskontrollen bei Identitätsfeststellungen oder den Durchsuchungen von Personen oder mitgeführter Sachen tätig werden, in der Rechtsprechung und der Literatur bejaht.636 Das Ersuchen der Gerichtsverwaltung richtet sich nach §§ 4 ff. LVwVfG, da die Gerichtsverwaltung bei ihrer funktional verwaltenden Tätigkeit als Verwaltungsaufgaben ausübende Behörde unter die für diese Normen maßgebliche Legaldefinition des § 1 Abs. 4 LVwVfG zu subsumieren ist. Das Ersuchen um Polizeischutz durch den Vorsitzenden richtet sich dahingegen nicht nach §§ 4 ff. VwVfG.637 Der Vorsitzende ist als Organ der Judikative nicht unter den Behördenbegriff des § 1 Abs. 4 VwVfG zu fassen, da er Spruchtätigkeit ausübt. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass ein Amtshilfeersuchen durch den Vorsitzenden ausscheidet. Das Ersuchen richtet sich, wie bereits angesprochen,638 nach Art. 35 Abs. 1 GG, denn der Behördenbegriff des Art. 35 Abs. 1 GG geht über den des § 1 Abs. 4 (L)VwVfG hinaus und erfasst jede Stelle, die unmittelbar staatliche bzw. öffentliche Aufgaben besorgt, sodass auch Gerichte in ihrer nicht verwaltenden Funktion erfasst sind. Da bei der Amtshilfe der Ersuchende über die Erforderlichkeit der durchzuführenden Maßnahme entscheidet, es allerdings konkreter Anhaltspunkte bedarf, welche die Befürchtung rechtfertigen, dass die Aufgabe nicht alleine bewältigt werden kann,639 können sowohl die Gerichtsverwaltung als auch der Vorsitzende von der Möglichkeit des Ersuchens um Amtshilfe nicht beliebig Gebrauch machen. Die 635

Olizeg, Hausrecht, S. 148. BGH, Beschluss v. 11. 07. 1979, 3 StR 165/79 (S) = NJW 1980, 249; FG Hamburg, Beschluss v. 15. 05. 2014, 3 K 94/14 = BeckRS 2014, 95652; Böttcher, in: Dölling/Duttge/ Rössner, § 176 GVG, Rn. 3; Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 176 GVG, Rn. 5; siehe auch die sitzungspolizeiliche Verfügung des OLG Stuttgart v. 24. 07. 2012: http://www. olg-stuttgart.de/pb/,Lde/1178368/?LISTPAGE=1178280 (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 637 Funke-Kaiser, in: BeckOK VwVfG, § 4, Rn. 11. 638 Siehe hierzu bereits oben, S. 108. 639 Siehe hierzu bereits oben, S. 108. 636

IV. Befugnisse der Polizei

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erforderlichen Anhaltspunkte können z. B. darin liegen, dass konkrete Störungen zu erwarten sind, welchen allein durch den Gerichtspräsidenten oder den Vorsitzenden nicht effektiv begegnet werden können, beispielsweise weil sie nicht über eine entsprechende Ausbildung oder Ausrüstung verfügen. Daneben können aber auch Einsparungen im Personal,640 etwa bei den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes, dazu führen, dass nicht genügend Personal zur Verfügung steht und daher z. B. die Maßnahmen bei den Einlasskontrollen nicht durchgeführt werden können. Während der Ersuchende über die Erforderlichkeit der durchzuführenden Maßnahme entscheidet, obliegt die Entscheidung über die Art und Weise, also der Durchführung der übertragenen Aufgabe, dem Ersuchten.641 Demnach ist es der Polizei überlassen, mit welchem Personal und welcher Ausrüstung, ob und mit welchen Waffen oder etwa dem zusätzlichen Einsatz von Sprechfunkgeräten, sie Hilfe leistet.642 Können die Polizeibeamten in dem ihr fremden Zuständigkeitsbereich der Gerichtsverwaltung oder des Vorsitzenden Maßnahmen tatsächlicher oder rechtlicher Art vornehmen, um deren Tätigwerden zu unterstützen, dürfen jedoch sowohl der Ersuchende als auch der Ersuchte nur innerhalb des jeweiligen Rechts- und Kompetenzrahmens handeln.643 Gemäß des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes sowie § 7 Abs. 1 (L)VwVfG ist es ausgeschlossen, dass die ersuchende Stelle im Wege der Amtshilfe eine Anordnung, zu welcher sie gesetzlich nicht ermächtigt ist, unter Heranziehung der Eingriffsbefugnisse des Ersuchten durchführen lässt. In diesem Falle wäre nicht mehr nur von einer die Amtshilfe prägenden ergänzenden Hilfe auszugehen, was zu einer wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung sowie des rechtsstaatlichen Kompetenzgefüges unzulässigen Durchbrechung und Erweiterung der Befugnisse der ersuchenden Stelle führen würde.644 Als Amtshilfehandlungen der Polizeibeamten kommen daher nur solche Maßnahmen in Betracht, zu welchen die Gerichtsverwaltung und der Vorsitzende als ersuchende Stelle selbst gesetzlich ermächtigt sind. Da in Baden-Württemberg die Gerichtsverwaltung nicht zu belastenden hausrechtlichen Maßnahmen ermächtigt ist und mit der Sitzungspolizei nur eingriffsschwache Verfügungen möglich sind, stellt sich das Problem der Anmaßung polizeilicher Befugnisse in Baden-Württemberg in besonderem Maße. Völlig ausscheiden muss eine Zuhilfenahme von Polizeibeamten durch die Gerichtsverwaltung im Falle belastender Maßnahmen, da insoweit keine Ermächtigungsnormen existieren. Denkbar sind Hilfeleistungen lediglich im nicht belastenden Bereich, wor640

Siehe zur Personalknappheit Milger, NStZ 2006, 121. Siehe hierzu bereits oben, S. 108. 642 Diemer, in: KK StPO, § 176 GVG, Rn. 6; a.A. Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 28. 643 Epping, in: BeckOK GG, Art. 35, Rn. 8; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/ Henneke, Art. 35, Rn. 23; Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 35, Rn. 21. 644 Epping, in: BeckOK GG, Art. 35, Rn. 8; Denninger, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil D, Rn. 228; Würtenberger/Heckmann, PolR BW, Rn. 173. 641

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

unter etwa die bloße Positionierung von Polizeibeamten zu Abschreckungszwecken fällt. Im Rahmen der Sitzungspolizei hingegen können Polizeibeamte insoweit zur Hilfeleistung herangezogen werden, als § 176 GVG als Ermächtigungsnorm für belastende Anordnungen ausreicht. Dies ist, wie gezeigt, nur bei eingriffsschwachen Anordnungen möglich, nicht aber z. B. für die Durchsuchung von Personen und mitgeführter Sachen.

3. Zwischenergebnis Festgehalten werden kann, dass ein Tätigwerden der Polizei zur Schaffung und Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Gerichten nur insoweit in Betracht kommt, als zur Gefahrenabwehr nicht vorrangig die Gerichtsverwaltung oder der Vorsitzende zuständig ist. Ist dies nicht der Fall, stehen den Polizeibeamten mit den jeweiligen landesrechtlichen Polizeigesetzen Ermächtigungsnormen zur Verfügung, um die für die Sicherheit und Ordnung relevanten Maßnahmen zu ergreifen. Da die Polizeibeamten regelmäßig nicht im Gerichtsgebäude anwesend sind, es deren Präsenz aber oftmals bedarf, muss um Amtshilfe ersucht werden. Diese Möglichkeit ist in Baden-Württemberg jedoch aufgrund der fehlenden bzw. lückenhaften Befugnisse der Gerichtsverwaltung sowie des Vorsitzenden ausgeschlossen bzw. sehr beschränkt.

V. Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes Neben den bereits dargestellten Möglichkeiten zum Erlass sicherheitsrechtlicher Anordnungen wird im Folgenden untersucht, ob und welche Befugnisse den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes im bis zu dieser Stelle bereits entwickelten Kompetenzgefüge in Gerichten zukommen.

1. Einführung Die Frage nach etwaigen Befugnissen der Justizwachtmeister ist von besonderer Bedeutung, da die Beschäftigten des Justizwachtmeisterdienstes anders als die Polizeibeamten im Gerichtsgebäude bereits vor Ort sind und im Gegensatz zum Gerichtspräsidenten oder dem Vorsitzenden über eine besondere Ausbildung und Ausrüstung verfügen. Zudem wurden entsprechend den eingangs erläuterten Sicherheitskonzepten der Bundesländer in den vergangenen Jahren vermehrt Justizwachtmeisterstellen geschaffen sowie deren Ausbildung und Ausrüstung verbessert und intensiviert. Sollen sie nicht nur im Wege des gerichtsinternen Weisungsrechts

V. Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes

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durch den Vorsitzenden herangezogen werden können, sondern soll ihnen in konkreten Konfliktsituationen die Möglichkeit zukommen, eigenständig zur Schaffung von Sicherheit und Ordnung in Gerichten tätig werden zu können, muss auch ihnen die Befugnis zum Erlass von Maßnahmen sicherheitsrechtlicher Natur eingeräumt sein. Nehmen die Beschäftigten des Justizwachtmeisterdienstes z. B. Identitätsfeststellungen oder die Durchsuchung von Personen sowie mitgeführter Sachen vor, gehen auch mit diesen Maßnahmen Grundrechtseingriffe im bereits dargestellten Umfang645 einher. Auch insoweit ist nach den speziellen Gesetzesvorbehalten bzw. dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes eine formelle Ermächtigung erforderlich, die je nach Grundrechtsintensität der Maßnahmen hinreichend bestimmt und normklar ausgestaltet sein muss. Als mögliche Ermächtigungsgrundlagen scheiden vorweg die jeweiligen Dienstordnungen der Bundesländer für den Justizwachtmeisterdienst646 aus. Diese sind lediglich als Verwaltungsvorschriften, also nicht als formelle Gesetze, zu qualifizieren und benennen lediglich allgemein die Aufgaben des Justizwachtmeisterdienstes, räumen aber keine Befugnisse zur Erfüllung dieser Aufgaben ein.647 Aus letzterem Grund ergeben sich ebenfalls aus Nr. 128 Abs. 3 S. 3 RiStBV keine Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes. Soweit in manchen Bundesländern zur Anwendung unmittelbaren Zwanges, das heißt zur Vollstreckung von Anordnungen, ermächtigt wird, wie etwa in § 1 Abs. 1 S. 1 JustZwAnwG LSA648, § 1 Abs. 1 S. 1 HessGerOrdG649 und § 1 S. 1 ThürUZwG650, ergibt sich auch hieraus nicht zugleich die Ermächtigung zum Erlass der zu vollstreckenden Anordnungen. Vor dem Hintergrund fehlender Ermächtigungsnormen zum Erlass eigenständiger Anordnungen sicherheitsrechtlicher Natur durch die Justizwachtmeister sind einige Bundesländer dazu übergegangen, den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes die Befugnis zum Erlass bestimmter Maßnahmen einzuräumen. In Bayern existiert

645

Siehe hierzu bereits oben, S. 38 ff. Siehe z. B. die baden-württembergische Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums über den Justizwachtmeisterdienst (VwV JWMD BW) v. 11. 06. 2015, Die Justiz S. 165, die nordrhein-westfälische Dienstordnung für den Justizwachtmeisterdienst (JWMDDienstO NRW) v. 09. 03. 2015, JMBl. S. 107, die thüringische Dienstordnung für den Justizwachtmeisterdienst (ThürJWDO) v. 31. 08. 2011, ThürGV-VV 3152 – 1 sowie die niedersächsische Dienstordnung für den Justizwachtmeisterdienst (NdsJWMDO) v. 17. 06. 2014, Nds. RPfl. S. 205. 647 Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 28. 648 Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Bedienstete der Gerichte und der Staatsanwaltschaften v. 09. 10. 1992, GVBl. LSA 1992, S. 722. 649 Gesetz über die Wahrnehmung von sicherheits- und ordnungsrechtlichen Befugnissen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften v. 10. 05. 1982, GVBl. I S. 97. 650 Thüringer Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Bedienstete der Gerichte und Staatsanwaltschaften v. 22. 03. 1996, GVBl. S. 33. 646

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

für die Justizbediensteten schon seit 1977 das BayJSOG651. Dieses verleiht den Justizbediensteten unter anderem zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Amtsgebäuden die Befugnis, eigenständig solche Anordnungen zu erlassen, welche auch von den Polizeibeamten nach dem Polizeiaufgabengesetz von Bayern erlassen werden können. Derselben Regelungstechnik bedient sich Sachsen, indem mit § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG652 den Bediensteten des Justizwachtmeisterdienstes die Befugnisse der Polizeibeamten nach dem Polizeigesetz des Freistaates Sachsen eingeräumt werden. Schließlich wurde auch in Baden-Württemberg die Notwendigkeit erkannt, die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit Befugnissen auszustatten. Mit dem JWBG BW wurde daher im Jahre 2013653 ein Gesetz geschaffen, welches den Justizwachtmeistern erstmals Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass bestimmter Anordnungen an die Hand gibt.654 Anders als in Bayern und Sachsen findet sich im JWBG BW jedoch kein pauschaler Verweis auf die Befugnisse des PolG BW, sondern § 3 JWBG BW beschränkt die Befugnisse der Justizwachtmeister durch den Verweis auf einzelne und genau bezeichnete Ermächtigungsgrundlagen des PolG BW.655 Während damit in den genannten Bundesländern den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes die Möglichkeit eingeräumt wurde, Maßnahmen zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden zu treffen, finden sich solche in den übrigen Bundesländern nicht. Insoweit scheiden eigenständige Maßnahmen der Justizwachtmeister mangels Ermächtigungsgrundlagen schon von vornherein aus. Im Folgenden soll untersucht werden, wann ein Tätigwerden der Justizwachtmeister in Betracht kommt sowie welche konkreten Maßnahmen durch die Einräumung von Befugnissen zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Gerichten ergriffen werden können. Dabei soll das besondere Augenmerk auf dem baden-württembergischen JWBG liegen ohne jedoch die gesetzlichen Regelungen von Bayern und Sachsen einer vergleichenden Betrachtungsweise zu entziehen.

651

Gesetz über die sicherheits- und ordnungsrechtlichen Befugnisse der Justizbediensteten (JSOG) v. 15. 04. 1977, BayRS 300 – 12 – 5-J. 652 Gesetz über die Justiz im Freistaat Sachsen v. 24. 11. 2000, SächsGVBl. S. 482. 653 Gesetz über die Befugnisse des Justizwachtmeisterdienstes (Justizwachtmeisterbefugnisgesetz – JWBG) v. 16. 04. 2013, GBl 2013. S. 53. 654 Kees, NJW 2013, 1929, 1934. 655 Kees, NJW 2013, 1929, 1934; zum Justizwachtmeisterdienst sind nicht nur die Landesbeamten zu zählen, sondern auch nichtbeamtete Beschäftigte des Justizwachtmeisterdienstes, sog. Justizaushelfer, siehe die Begründung des Gesetzesentwurfes, LT-Drs. 15/3076, S. 8.

V. Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes

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2. Anwendungsbereich der Befugnisse der Justizwachtmeister a) Abgrenzung zu den Befugnissen der Hausrechtsinhaber und der Polizei Während sich aus dem BayJSOG und § 42 SächsJG für das Verhältnis der Befugnisse der Justizwachtmeister zu denen des öffentlich-rechtlichen Hausrechtsinhabers keine Aussagen entnehmen lassen, ist in § 1 Abs. 2 S. 1 JWBG BW ausdrücklich geregelt, dass die Befugnisse des Hausrechtsinhabers aufgrund anderer Vorschriften unberührt bleiben. Im Einklang mit der Begründung des Gesetzesentwurfs der Landesregierung hat dies zur Folge, dass die Befugnisse des Gerichtspräsidenten als Inhaber des öffentlich-rechtlichen Hausrechts nicht betroffen werden und die im JWBG BW vorgesehenen Befugnisse die Befugnisse des Gerichtspräsidenten insoweit ergänzen, als solche nicht bestehen.656 Da in Baden-Württemberg keine Ermächtigungsgrundlagen für hausrechtliche Maßnahmen der Gerichtsverwaltung existieren, sind Maßnahmen der Justizwachtmeister gemäß §§ 2 ff. JWBG BW problemlos möglich. Die Befugnisse der Justizwachtmeister bestehen zudem unproblematisch neben den eigentums- und/oder besitzrechtlichen Ansprüchen des privaten Hausrechtsinhabers sowie den Befugnissen aus § 903 S. 1 BGB. § 1 Abs. 3 JWBG BW bestimmt für das Verhältnis der Befugnisse der Justizwachtmeister zu denen der Polizei, dass die Aufgaben und Befugnisse der Polizei unberührt bleiben. Mit dem Wortlaut dieser Vorschrift und entsprechend der Begründung des Gesetzesentwurfes wird klargestellt, dass das Tätigwerden durch die Polizei unabhängig von der Einräumung von Befugnissen an die Justizwachtmeister möglich ist und die Polizei in ihrem Tätigwerden nicht eingeschränkt wird.657 Dies gilt auch dann, wenn die Polizei im Wege der Amtshilfe handelt.658 Polizeiliche Anordnungen und solche der Justizwachtmeister sind damit nebeneinander möglich. b) Abgrenzung zu den sitzungspolizeilichen Befugnissen des Vorsitzenden Anders als beim Verhältnis der Befugnisse der Justizwachtmeister zum öffentlichrechtlichen Hausrecht oder der Polizei, wird die Frage des Verhältnisses zur Sitzungspolizei durch das JWBG BW nicht ausdrücklich beantwortet. Auch das BayJSOG oder § 42 SächsJG enthalten hierzu keine Regelungen. Es muss daher versucht werden, eine Antwort im Wege der Gesetzesauslegung zu gewinnen.

656 657 658

LT-Drs. 15/3076, S. 8 f. LT-Drs. 15/3076, S. 9. LT-Drs. 15/3076, S. 9.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

aa) Wortlaut Stellt man auf den Wortlaut ab, ergibt sich, dass sich weder im Wortlaut des BayJSOG noch in dem von § 42 SächsJG Anhaltspunkte zum Verhältnis der Befugnisse der Justizwachtmeister zu denen des Vorsitzenden als Inhaber der Sitzungspolizei finden. Lediglich das JWBG BW nimmt in § 1 Abs. 2 S. 2 JWBG BW auf die Sitzungspolizei Bezug. Danach ist zur Vollziehung von Maßnahmen der Sitzungspolizei das JWBG BW nur dann anwendbar, soweit das Bundesrecht keine Regelung enthält. Allerdings betrifft diese Norm nach ihrem Wortlaut nur die Vollziehung der Anordnungen der Sitzungspolizei, nicht aber die hiervon zu trennende Anordnung selbst, sodass der Wortlaut nicht eindeutig ist. Man kann argumentieren, dass wenn sich § 1 Abs. 2 S. 2 JWBG BW lediglich auf die Vollziehung bezieht, eigenständige Anordnungen durch die Justizwachtmeister neben Anordnungen des Vorsitzenden möglich sein sollen, also mit der Vorschrift eine spezielle Regelung für die Vollziehung erfolgt. Mehr spricht jedoch dafür, dass Maßnahmen durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes im Anwendungsbereich der Sitzungspolizei nicht in Betracht kommen. Der Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 2 JWBG BW bezieht sich hinsichtlich der Befugnisse der Justizwachtmeister nach dem JWBG BW nur auf die Vollziehung sitzungspolizeilicher Anordnungen. Befugnisse der Justizwachtmeister werden lediglich hierfür einräumt und weitere bestehen nicht. bb) Gesetzesmaterialien Aus den Gesetzgebungsmaterialien zum BayJSOG659 und zu § 42 SächsJG660 ergeben sich zum Verhältnis der Befugnisse der Justizwachtmeister zu denen des Vorsitzenden keine Erkenntnisse. Lediglich in Baden-Württemberg können Anhaltspunkte aus der Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung zu § 1 Abs. 2 S. 2 JWBG BW gewonnen werden. Danach soll das JWBG BW im Bereich der Sitzungspolizei generell keine Geltung haben, soweit Bundesrecht Regelungen in den §§ 176 ff. GVG vorsieht.661 Da die sitzungspolizeilichen Maßnahmen in §§ 176 ff. GVG abschließend geregelt sind und zudem die Regelungen des JWBG BW keinen Geltungsanspruch in Bereichen erheben können, welche dem Bundesrecht vorbehalten sind,662 wie hier nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, räumt auch deshalb das JWBG BW den Justizwachtmeistern nicht die Befugnis zum Erlass von Maßnahmen neben solchen des Vorsitzenden ein.

659

Siehe die Begründung zum Gesetzesentwurf der Staatsregierung v. 25. 11. 1976, LTDrs. 8/3869. 660 Siehe die Begründung zum Gesetzesentwurf der Staatsregierung v. 04. 07. 2000, LTDrs. 3/2192. 661 Siehe hierzu LT-Drs. 15/3076, S. 9. 662 LT-Drs. 15/3076, S. 8.

V. Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes

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cc) Systematik Dass das JWBG BW keine Befugnisse der Justizwachtmeister neben der Sitzungspolizeigewalt des Vorsitzenden vorsieht, zeigt sich auch in systematischer Hinsicht. Während sich in der Aufgabenzuweisung an die Justizwachtmeister durch Art. 1 Abs. 1 BayJSOG und § 42 Abs. 1 SächsJG die Formulierung „Sitzungs- und Vorführdienst“ findet, wurde in Baden-Württemberg in § 1 Abs. 1 JWBG BWauf die Zuweisung von Aufgaben im Sitzungsdienst verzichtet und als Aufgabe wiederum nur die Vollziehung der richterlichen Anordnungen benannt. Werden den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes für den Sitzungsdienst damit keine Aufgaben zuteil, welche eine eigene Anordnung der Justizwachtmeister erfordern würden und wird als Aufgabe wiederum explizit nur auf die Vollziehung richterlicher Anordnungen Bezug genommen, können den Justizwachtmeistern neben dem Vorsitzenden auch keine Befugnisse zu Anordnungen zukommen. Die Befugnisse aus dem JWBG BW bestehen nur zur Erfüllung der in § 1 Abs. 1 JWBG BW normierten Aufgaben. Insoweit stimmt die Regelung in § 1 Abs. 1 JWBG BW auch mit dem Wortlaut in § 1 Abs. 2 S. 2 JWBG BW überein, der sich ebenfalls nur auf die Vollziehung der sitzungspolizeilichen Anordnungen bezieht, aber nicht Befugnisse zur Anordnung von Maßnahmen einräumt. Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht deshalb, da der Aufgabenbereich der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes in § 1 der JWDO BW auch den Sitzungsdienst umfasst. Die für die Befugnisse in JWBG BW maßgebliche gesetzliche Aufgabenzuweisung findet sich nicht in § 1 JWDO BW als Verwaltungsvorschrift, sondern in § 1 Abs. 1 JWBG BW.663 Zudem ist nach der Begründung des Gesetzesentwurfes die Aufzählung der Aufgaben in § 1 Abs. 1 JWBG BW abschließend.664 dd) Sinn und Zweck Stellt man schließlich auf den Sinn und Zweck der Regelungen des JWBG BW, des BayJSOG sowie auf § 42 SächsJG ab, so ergibt sich auch hieraus kein anderes Ergebnis. Zwar war es, ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung, Sinn und Zweck des JWBG BW, die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes mit Befugnissen auszustatten, damit diese bei konkreten Anlässen unmittelbar tätig werden können und ihnen der erste Zugriff im Einzelfall obliegt.665 Insofern könnte man annehmen, dieses Recht müsse den Justizwachtmeistern auch bei den Sitzungen mit der Folge zuteilwerden, dass die Justizwachtmeister Maßnahmen neben dem Vorsitzenden ergreifen können. Allerdings ergibt sich aus der Begründung des Gesetzesentwurfes auch, dass die Regelungen nicht getroffen wurden, um den Vorsitzenden in Bezug auf seine sitzungspolizeili663 Siehe hierzu LT-Drs. 15/3076, S. 7 und für die Aufgabenzuweisung nach dem BayJSOG und Nr. 1.1 AufgJWD Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 28. 664 LT-Drs. 15/3076, S. 8. 665 LT-Drs. 15/3076, S. 7.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

chen Befugnisse zu berauben oder ihm ein Stück seiner richterlichen Unabhängigkeit abzusprechen.666 Das JWBG BW verfolgt daher gerade den Sinn und Zweck, den dem Vorsitzenden sitzungspolizeilich vorbehaltenen Bereich zu respektieren. Ferner war es Anliegen des JWBG BW, die Übersichtlichkeit und Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung zu verbessern667 und nicht durch die Veränderung oder Ergänzung bestehender Befugnisse insoweit Verwirrung zu stiften, als die Kompetenzbereiche nicht mehr klar abgegrenzt werden können. Gerade dies wäre jedoch der Fall, wenn auch den Justizwachtmeistern im Bereich der Sitzungspolizei Anordnungsbefugnisse obliegen würden. Schließlich ist es im Gegensatz zu den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes gerade der Vorsitzende, der mit dem konkreten Fall befasst ist, das Verfahren sowie die Beteiligten kennt und am besten darüber urteilen kann, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Ein Bedürfnis zu eigenständigen Anordnungen durch die Justizwachtmeister bei Gerichtsverhandlungen besteht damit nicht. Denkbar ist lediglich, dass es in bestimmten Situationen zu Eskalationen kommen kann, die Verfügungen des Vorsitzenden keine Beachtung finden und es deren Vollziehung bedarf. Dass der Vorsitzende, welcher im Gegensatz zu den Justizwachtmeistern nicht ausgebildet und nicht etwa mit Einsatzgürteln mit Handfesseln, Schlagstock, Funkgerät und Handschuhen ausgestattet ist, vielen Maßnahmen nicht zugleich zur Vollziehung verhelfen kann, liegt auf der Hand. Ausschließlich hierfür benötigt der Vorsitzende die Hilfe der ausgebildeten Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes. Diese Hilfe wird ihm aber mit § 1 Abs. 1 JWBG BW gerade gewährt, denn zur Vollziehung der angeordneten Maßnahmen der Sitzungspolizei kommen den Justizwachtmeistern Befugnisse nach dem JWBG BW zu. ee) Zwischenergebnis Im Ergebnis bestehen keine Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes im Anwendungsbereich der Sitzungspolizei selbstständig Anordnungen zu erlassen. Ein Tätigwerden der Justizwachtmeister kommt nur zur Vollziehung sitzungspolizeilicher Verfügungen des Vorsitzenden in Betracht. c) Anwendungsbereich Ist geklärt, wann ein Tätigwerden der Justizwachtmeister neben anderen Stellen möglich ist, stellt sich die Frage, in welchem persönlichen, zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich ihnen die Befugnisse zukommen. Zur Beantwortung dieser Frage kann auf die die Befugnisse der Justizwachtmeister regelnden Gesetze, also auf das JWBG BW, das BayJSOG und auf § 42 SächsJG zurückgegriffen werden. 666 667

LT-Drs. 15/3076, S. 8 f. LT-Drs. 15/3076, S. 7.

V. Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes

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aa) Persönlicher Anwendungsbereich Für den persönlichen Anwendungsbereich ergibt sich in Baden-Württemberg ausdrücklich aus § 5 S. 1 JWBG BW, dass Maßnahmen der Justizwachtmeister sich, soweit nichts anderes bestimmt ist, gegen die in §§ 6, 7 und 9 PolG BW bezeichneten Personen richten. Damit ist der Kreis der Anordnungsadressaten festgelegt.668 Anordnungen können gegenüber solchen Personen ergehen, die aufgrund ihres Verhaltens (§ 6 PolG BW) oder ihrer Eigenschaft als Eigentümer oder als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über eine Sache (§ 7 PolG BW) im Sinne des Polizeigesetzes als „Störer“ gelten. Verhaltensstörer können in Gerichtsgebäuden etwa Personen sein, die andere Personen mit oder ohne Waffen bedrohen, angreifen oder Beleidigungen kundtun. Als Zustandsstörer, welche wohl in Gerichtsgebäuden eher weniger anzutreffen sind, sind z. B. Personen denkbar, die einen Hund bei sich führen, von dem Angriffe auf andere ausgehen, weil der Hund von der ihn haltenden Person nicht mehr kontrolliert werden kann. Neben Anordnungen gegenüber Verhaltens- und Zustandsstörern können Maßnahmen auch gegenüber unbeteiligten Personen getroffen werden, allerdings nur dann, wenn der verfolgte Zweck nicht anderes erreicht werden kann (§ 9 PolG BW). Denkbar sind solche Fälle, wenn sich z. B. nach einem Urteilsspruch die Gefahr einer Eskalation ergibt, aufgrund der davon auszugehen ist, dass es ohne sofortiges Einschreiten in kurzer Zeit zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt, nicht genügend Justizwachtmeister oder Polizeibeamte zur Verfügung stehen, um Personen- und Sachschäden abzuwenden und dieser Situation nur dadurch begegnet werden kann, dass alle Personen, also auch Nichtstörer, aus dem Gerichtsgebäude verwiesen werden. Sofern sich jedoch aus den für anwendbar erklärten Normen des PolG BW oder dem JWBG BW etwas anderes ergibt, gehen diese Bestimmungen der allgemeinen Norm des § 5 S. 1 JWBG BW vor. Dies ist etwa dann der Fall, wenn eine Identitätsfeststellung nach § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 26 Abs. 1 Nr. 3 PolG BW erfolgen soll, denn § 26 Abs. 1 Nr. 3 PolG BW sieht über § 5 S. 1 JWBG BW hinaus vor, dass die Maßnahmen auch gegenüber Personen ergehen können, die im Gericht als Amtsgebäude oder in dessen unmittelbarer Nähe angetroffen werden und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in oder an dem Gerichtsgebäude Straftaten begehen. Während für Baden-Württemberg mit § 5 JWBG BW eine ausdrückliche Regelung existiert, findet sich eine solche weder im BayJSOG noch in § 42 SächsJG. Damit ist aber nicht gesagt, dass sich aus diesen Normen keine Anhaltspunkte dafür ergeben, gegenüber wem Maßnahmen durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes getroffen werden können. Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG und § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG legen nach ihrem Wortlaut fest, dass den Justizbediensteten bzw. Bediensteten des Justizwachtmeisterdienstes die Befugnisse nach dem Poli668 Siehe hierfür auch die Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung, LTDrs. 15/3076, S. 12.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

zeiaufgabengesetz bzw. dem Polizeigesetz „gegen sonstige Personen“ zustehen. Hiermit sind alle Personen gemeint, die nicht unter den Begriff der „Gefangenen“ nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BayJSOG und § 42 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SächsJG fallen, denn die Formulierung hinsichtlich der Personen in den jeweiligen Nummern 2 steht ausdrücklich neben denen aus den Nummern 1. Die Bezugnahme auf die sonstigen Personen bedeutet jedoch nicht, dass damit alle anderen Personen im Gerichtsgebäude gemeint sind, wie dies der Wortlaut auf den ersten Blick vermuten lassen könnte. Für die Maßnahmen der Justizwachtmeister wird auf das Polizeiaufgabengesetz Bayerns und das sächsische Polizeigesetz verwiesen, weshalb sich die Maßnahmen wiederum nur gegen die Personen richten können, die nach dem jeweiligen Polizeigesetz verantwortlich sind. Dies sind die Verhaltens- und Zustandsstörer nach Art. 7, 8 BayPAG, §§ 4, 5 SächsPolG und unter bestimmten Voraussetzungen die Nichtstörer gemäß Art. 10 BayPAG, § 7 SächsPolG. bb) Zeitlicher und räumlicher Anwendungsbereich Zum zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich enthalten weder das JWBG BW noch das BayJSOG oder § 42 SächsJG eine ausdrückliche Regelung. Maßnahmen der Justizwachtmeister können daher zeitlich unbeschränkt ergehen. In räumlicher Hinsicht ergibt sich aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 JWBG BW, Art. 1 Abs. 1 BayJSOG und § 42 Abs. 1 SächsJG, dass die Aufgaben der Justizwachtmeister unter anderem die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Amtsgebäude, also im Gerichtsgebäude, umfassen. Die möglichen Maßnahmen der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes sind jedoch nicht allein auf das Gerichtsgebäude beschränkt, sondern umfassen über den Wortlaut hinaus das ganze Grundstück. Es erschiene gekünstelt, die Befugnisse der Justizwachtmeister an den Gebäudemauern ihre Grenze finden zu lassen, denn für die Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude macht es keinen entscheidenden Unterschied, ob sich die Störung unmittelbar nach der Gebäudetüre abspielt oder kurz davor. Die Befugnisse enden nicht an der Türschwelle, sondern umfassen auch die ans Gerichtsgebäude angrenzenden Flächen bis zur Grundstücksgrenze, etwa den Vorhof oder den Zugangsbereich zum Gerichtsgebäude, allerdings nur insoweit, als hiervon Störungen für die Sicherheit und Ordnung ausgehen können.

3. Mögliche Maßnahmen der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes Im Folgenden soll untersucht werden, welche konkreten Maßnahmen die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes für die Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden ergreifen können. Bevor auf diese Frage eingegangen werden kann, muss jedoch zunächst geklärt werden, was das JWBG BW sowie das BayJSOG und § 42 SächsJG unter der Sicherheit und Ordnung verstehen.

V. Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes

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a) Der Begriff der Sicherheit und Ordnung nach dem JWBG BW, BayJSOG und § 42 SächsJG Sowohl § 1 Abs. 1 JWBG BW als auch Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG und § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG bestimmen, dass die für die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes vorgesehenen Befugnisse unter anderem zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in Gerichten bzw. in Amtsgebäuden bestehen. Insofern könnte man annehmen, mit der Sicherheit und Ordnung im Sinne dieser Gesetze sei etwas anderes gemeint als mit der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach den jeweiligen Polizeigesetzen, denn anders als in den Polizeigesetzen wird im Wortlaut auf das Wort „öffentliche“ verzichtet. Hiergegen spricht jedoch, dass der Begriff der Sicherheit und Ordnung in den den Justizwachtmeistern Befugnisse einräumenden Gesetzen nicht definiert wird und sich auch in den Begründungen der Gesetzesentwürfe keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mit der Sicherheit und Ordnung etwas anderes gemeint ist als in den Polizeigesetzen. Zudem verweisen § 3 JWBG BW, Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG und § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG auf die polizeilichen Befugnisse. Dass das Wort „öffentlich“ in den Gesetzen, welche die Justizwachtmeister mit Befugnissen ausstatten, weggelassen wurde, hängt nicht damit zusammen, dass ein anderer Sicherheits- und Ordnungsbegriff verwendet werden sollte. Vielmehr wurde es deshalb nicht aufgenommen, da sich die Aufgaben der Justizwachtmeister nicht auf die gesamte öffentliche Sicherheit und Ordnung beziehen sollen, sondern lediglich auf die Sicherheit und Ordnung in den Gerichtsgebäuden. Aus diesem Grund ist in den Normen auch von der Sicherheit in Gerichten und Amtsgebäuden die Rede. Der Begriff der Sicherheit und Ordnung in den Gerichten bzw. Amtsgebäuden ist damit wie der polizeiliche Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verstehen, allerdings jeweils auf Gerichtsgebäude beschränkt. b) Einzelne Maßnahmen aa) Identitätsfeststellung Sowohl in Baden-Württemberg als auch in Bayern und Sachsen sind die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes zunächst zu Identitätsfeststellungen ermächtigt. Sie können die Identität einer Person feststellen, wenn im einzelnen Fall eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht, § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 26 Abs. 1 Nr. 1 PolG BW.669 Das kann der Fall sein, wenn Personen das Gerichtsgebäude bereits vermummt oder mit Waffen oder sonstigen gefährlichen Gegenständen betreten möchten oder sich so im Gerichtsgebäude aufhalten.

669 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 1 SächsPolG.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Liegt eine konkrete Gefahr zwar nicht vor, kann jedoch aufgrund konkreter Tatsachen angenommen werden, dass im oder am Gerichtsgebäude Straftaten begangen werden, so können die Justizwachtmeister Identitätsfeststellungen zudem bei den Personen durchführen, welche sich im oder in unmittelbarer Nähe zum Gerichtsgebäude aufhalten, § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 26 Abs. 1 Nr. 3 PolG BW.670 Die erforderlichen konkreten Anhaltspunkte können etwa darin zu sehen sein, dass sich Personen im oder am Gerichtsgebäude bereits aggressiv verhalten ohne hierdurch bereits eine konkrete Gefahr herbeizuführen oder sich sonst in einer Weise geben, aus der entnommen werden kann, dass sie zu Straftaten führen, beispielsweise weil in solchen Fällen bereits Straftaten begangen wurden. Neben der Aufforderung die Personalien im Sinne von § 111 Abs. 1 OWiG671 zu nennen, beispielsweise durch das Vorzeigen mitgeführter Ausweispapiere, können die Justizwachtmeister zur Durchführung der Identitätsfeststellung die Personen auch anhalten, auffordern an dem Ort zu bleiben bis ihre Identität festgestellt wurde oder festhalten. Kann die Identität auf andere Weise nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden, können die Justizwachtmeister die Personen und die von ihnen mitgeführten Sachen hierfür auch durchsuchen, § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 26 Abs. 2 S. 3 PolG BW.672 Da die Justizwachtmeister neben diesen explizit aufgeführten Maßnahmen befugt sind, generell die erforderlichen Maßnahmen zur Feststellung der Identität zu treffen, können die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes ferner die Verbringung der betreffenden Personen zur Wachtmeisterstelle anordnen, wenn der Verdacht besteht, dass die gemachten Angaben unrichtig sind.673 bb) Durchsuchung von Personen und mitgeführter Sachen Zur Durchsuchung von Personen sind die Justizwachtmeister nach Maßgabe der § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 29 Abs. 1 und 2 PolG BW674 ermächtigt. Liegen die in den Normen genannten Voraussetzungen vor, können die Justizwachtmeister durch Betrachten oder Abtasten nach bestimmten Gegenständen am Körper der Person, in der Kleidung oder in den natürlichen Körperöffnungen, wie Mund, Nase oder Ohren,675 auch unter Einsatz technische Hilfsmittel, wie z. B. Sonden oder 670

Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 3 SächsPolG. 671 Dies sind: Vorname, Familienname oder Geburtsname, Geburtstag oder Geburtsort, Wohnort und Wohnung (Straße), Staatsangehörigkeit, Familienstand und Beruf. 672 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 13 Abs. 2 S. 4 BayPAG. 673 Für Bayern Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 51. 674 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 21 Abs. 1 und 2 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 23 Abs. 1 und 2 SächsPolG. 675 Nicht erfasst ist die Durchsuchung des Körpers, wenn ein Eingriff in den Körper bzw. die Durchsuchung nicht ohne weiteres zugänglicher Körperöffnungen im Intimbereich erfolgen soll; für Bayern Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 62.

V. Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes

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Metalldetektoren, suchen.676 Mitumfasst ist die Anordnung gegenüber der zu durchsuchenden Person, sich während der Durchsuchung still zu verhalten und gegebenenfalls Kleidungsstücke abzulegen oder auszuziehen, wenn die Durchsuchung auf andere Weise nicht möglich ist.677 Die Durchsuchung mitgeführter Sachen richtet sich nach § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 30 PolG BW.678 Hiernach sind die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes ermächtigt, die von Personen mitgeführten Sachen zu durchsuchen. Ausgenommen ist die Suche nach Ausweispapieren zur Identitätsfeststellung, da insoweit die Normen über die Identitätsfeststellung vorgehen, § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 26 Abs. 2 S. 3 PolG BW.679 Von der Durchsuchung mitgeführter Sachen können etwa Taschen, Rucksäcke oder Koffer umfasst sein, wobei wiederum die Suche unter Einsatz technischer Hilfsmittel, wie z. B. Sonden oder Metalldetektoren, erfolgen kann. Für die Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden kommen Durchsuchungen von Personen vor allem nach § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 PolG BW in Betracht.680 Anordnungen nach § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. §§ 29 Abs. 1 Nr. 1, 28 Abs. 1 PolG BW681 können ergehen, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert werden kann. Neben dem Vorliegen einer konkreten Gefahr ist also auch erforderlich, dass es sich um eine Störung handelt, die unmittelbar bevorsteht und zudem erheblich ist. Letzteres ist der Fall, wenn die Störung von einigem Gewicht ist, was z. B. bei der Erfüllung von Straftatbeständen682 anzunehmen ist, da infolge der Strafbewehrung der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht hat, dass er dieses Verhalten als Störung mit einer gewissen Erheblichkeit des zwischenmenschlichen Zusammenlebens ansieht683. Daneben kann eine erhebliche Störung vorliegen, wenn es um Leib und Leben von Personen als hochrangige Rechtsgüter geht. Situationen, in denen diese gesteigerten Anforderungen erfüllt sein können, sind etwa denkbar, wenn konkret zu befürchten ist, dass Personen Waffen bei sich führen, Personen hiermit das Gerichtsgebäude betreten oder sich bereits in

676

Für Bayern Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 61. Siehe für Bayern Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 61. 678 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 22 Abs. 1 BayPAG; § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 24 SächsPolG. 679 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 13 Abs. 2 S. 4 BayPAG; § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 19 Abs. 2 S. 1 SächsPolG. 680 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 21 Abs. 1 Nr. 1, 4 und Abs. 2 BayPAG; § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 1, 2, 5 und Abs. 2 SächsPolG. 681 § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. §§ 23 Abs. 1 Nr. 1, 22 Abs. 1 Nr. 1 SächsPolG. 682 Gleiches kann auch bei der Begehung von Ordnungswidrigkeiten der Fall sein, wenn das Verhalten so gemeinschaftswidrig und sozialschädlich ist, dass ein Vorgehen der Justizwachtmeister erforderlich erscheint. 683 BVerwG, Urteil v. 26. 02. 1974, I C 31/72 = NJW 1974, 807, 809. 677

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

diesem aufhalten und sie die Waffen zum Einsatz gegen Sachen oder insbesondere Menschen zu verwenden beabsichtigen. Können diese Anforderungen im Einzelfall nicht bejaht werden, ergibt sich aber beispielsweise beim Durchschreiten eines Metalldetektorrahmens, dass eine Person eventuell verdächtigte Gegenstände bei sich führt, kann sie nach § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 PolG BW684 durchsucht werden. Infolge des Signals des Metalldetektors liegen Tatsachen vor, welche die Annahme rechtfertigen, dass Sachen mitgeführt werden, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden dürfen. Sofern sich eine Person am Gerichtsgebäude oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass im Gerichtsgebäude oder an diesem Straftaten begangen werden, können diese Personen nach § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. §§ 29 Abs. 1 Nr. 4, 26 Abs. 1 Nr. 3 PolG BW685 durchsucht werden. Ein solcher Fall ist denkbar, wenn konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass Personen das Gerichtsgebäude aufsuchen, um andere zu verletzen, etwa weil sie wissen, dass sich andere Personen zu dieser Zeit im Gebäude aufhalten oder sie Personen vor dem Gebäude auflauern, um ihnen gegenüber eine Straftat zu begehen. Für die Durchsuchung mitgeführter Sachen sind im Rahmen der vorliegenden Untersuchung § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 30 Nr. 1, 3, 5 PolG BW686 relevant. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 30 Nr. 1 PolG BW687 kann an die meist mit der Durchsuchung mitgeführter Sachen einhergehende Durchsuchung der Person angeknüpft werden. Liegen die Voraussetzungen zur Durchsuchung einer Person vor, können auch die mitgeführten Sachen durchsucht werden. Insoweit wird auf die vorangehenden Ausführungen verwiesen. § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 30 Nr. 3 PolG BW688 kann dann von Bedeutung sein, wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass sich in einer Sache eine andere befindet, welche sichergestellt oder beschlagnahmt werden kann. Ein solcher Fall kann eintreten, wenn die Durchleuchtung etwa der mitgeführten Rücksäcke oder Taschen ergibt, dass sich hierin z. B. Waffen oder sonstige gefährliche Gegenstände befinden. Korrespondierend zur Durchsuchung von Personen im oder am Gerichtsgebäude können die mitgeführten

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Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m Art. 21 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG. 685 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 21 Abs. 1 Nr. 4, 13 Abs. 1 Nr. 3 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. §§ 23 Abs. 1 Nr. 5, 19 Abs. 1 Nr. 3 SächsPolG. 686 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Nr. 1, 3, 5 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 24 Nr. 1, 3, 5 SächsPolG. 687 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 24 Nr. 1 SächsPolG. 688 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Nr. 3 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 24 Nr. 2 SächsPolG.

V. Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes

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Sachen auch nach § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. §§ 30 Abs. 1 Nr. 5, 26 Abs. 1 Nr. 3 PolG BW689 durchsucht werden. cc) Beschlagnahme und Sicherstellung Nach § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 33 Abs. 1 PolG BW690 sind die Justizwachtmeister ferner befugt, Sachen zu beschlagnahmen.691 Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 1, 2 PolG BW692 kann dies erfolgen, um Einzelne oder das Gemeinwesen gegen eine unmittelbar bevorstehende oder gegenwärtige Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu schützen oder die missbräuchliche Verwendung durch eine Person zu verhindern, welche festgehalten oder in Gewahrsam genommen werden kann. Hierbei kommen Sachen aller Art, insbesondere aber Waffen oder gefährliche Werkzeuge, in Betracht. Die Beschlagnahme einer nach dem Waffengesetz verbotenen Waffe oder einer solchen, für die ein Führungsverbot nach § 42a Abs. 1 WaffG besteht, ist unproblematisch möglich, da mit dem Verstoß gegen die Rechtsordnung bereits eine Störung der öffentlichen Sicherheit einhergeht, § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG BW.693 Wird eine Waffe demgegenüber berechtigterweise geführt, kann die nach den genannten Normen erforderliche konkrete Gefahr nur angenommen werden, wenn sie sich durch die Waffe selbst, den Zustand des Mitführenden oder dessen Absicht, die Waffe zu verwenden, ergibt.694 Letzteres bedarf einer sorgfältigen Prüfung durch die Justizwachtmeister im Einzelfall. Bei berechtigten Privatpersonen kann die Absicht zur Verwendung jedoch bereits aus dem ohne erkennbaren Grund erfolgenden Mitführen der Waffen folgen. Üblicherweise betreten Privatpersonen Gerichtsgebäude ohne Waffen und führen solche nur mit sich, wenn sie auch zum Einsatz kommen sollen. Anderes ist der Fall zu beurteilen, wenn sich etwa ein Polizeibeamter ins Gerichtsgebäude begibt oder in diesem aufhält, weil er z. B. als Zeuge geladen ist und eine Waffe nur deshalb trägt, weil er sich gerade im Dienst befindet.

689 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Nr. 5, 13 Abs. 1 Nr. 3 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. §§ 24 Nr. 5, 19 Abs. 1 Nr. 3 SächsPolG. 690 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 25 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 27 Abs. 1 SächsPolG. 691 Auch wenn in Bayern keine Unterscheidung zwischen Beschlagnahme und Sicherstellung stattfindet und die Beschlagnahme als Fall der Sicherstellung angesehen wird, sind, soweit im Folgenden von der Beschlagnahme die Rede ist, auch die Fälle der Sicherstellung nach Art. 25 Nr. 1 und 3 BayPAG erfasst. 692 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 25 Nr. 2, 3b, 3c BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 27 Abs. 1 Nr. 1, 2 SächsPolG. 693 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 21 Nr. 1 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 27 Abs. 1 Nr. 1 SächsPolG. 694 Für Bayern Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 66.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Ähnliches gilt für sonstige, nicht generell verbotene Gegenstände wie Werkzeuge, Taschenmesser, Glasflaschen, Gehstöcke, Schirme, Scherben, Nadeln, Rasierklingen oder Scheren. Die für § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG BW695 erforderliche konkrete Gefahr kann angenommen werden, wenn sie sich im Sinne einer Prognose aus dem Zustand der Sache, der Person des Mitführenden oder seiner Absicht, die Sache zu verwenden, ermitteln lässt. An die Absicht der Verwendung sind allerdings andere Anforderungen als beim Mitführen einer Waffe zu stellen. Während eine Waffe regelmäßig nicht und nur dann mitgeführt wird, wenn sie auch zum Einsatz gebracht werden soll, gilt dies nicht für sonstige potentiell gefährliche Gegenstände. So gibt es beispielsweise viele Personen, die aus praktischen Gründen Taschenmesser bei sich führen, ohne hiermit jedoch andere verletzen zu wollen. Hieraus beim Betreten oder Aufenthalt in Gerichtsgebäuden die Absicht abzuleiten, dass diese Personen Störungen planen, ginge zu weit. Nicht mehr vertretbar wäre es auch, z. B. einer Person, welche sich für die Verhandlungspausen Stricksachen mitgenommen hat, zu unterstellen, sie plane, mit den Stricknadeln andere zu verletzen oder jemanden, der eine Glasflasche bei sich führt, zu verdächtigen, dass er diese zur Begehung einer Störung einsetzen möchte. Die generelle Eignung einer Sache zur Herbeiführung von Störungen genügt zur Beschlagnahme nur dann, sofern die Beschlagnahme zur Verhinderung einer missbräuchlichen Verwendung nach § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 2 PolG BW696 durch eine Person, die bereits festgehalten oder in Gewahrsam genommen worden ist, erforderlich ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, kann keine Beschlagnahme, sondern lediglich die zeitweilige Verwahrung der Gegenstände erfolgen, um zu verhindern, dass diese potentiell gefährlichen Gegenstände in das Innere des Gerichtsgebäudes gelangen.697 Diese Anordnung können die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes in Bayern und Sachsen auf Grundlage von § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 3 Abs. 1 SächsPolG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 11 Abs. 1 BayPAG und in Baden-Württemberg nach § 2 JWBG BW treffen. Im Gegenzug zur Abgabe dieser Gegenstände können Wertmarken ausgeteilt werden, gegen deren Vorlage die Gegenstände beim Verlassen des Gebäudes wieder ausgegeben werden.698 Kann eine Beschlagnahme nach den genannten Vorschriften erfolgen, kann sie aber nicht vor Ablauf des Tages, an welchem sie vorgenommen wurde, im Sinne des

695 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 25 Nr. 1 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 27 Abs. 1 Nr. 1 SächsPolG. 696 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 25 Nr. 3 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 27 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG. 697 Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 64; zur Einsicht in die Richtlinie zur Ausübung des Hausrechts im Justizgebäude VG Köln, Urteil v. 22. 11. 2012, 13 K 317/12 = DuD 2013, 396. 698 Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 64.

V. Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes

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§ 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 33 Abs. 4 S. 1 PolG BW699 aufgehoben werden, so ist die Sache durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes unverzüglich dem Polizeivollzugsdienst zu übergeben. Dies ist in Baden-Württemberg ausdrücklich durch § 3 Abs. 1 S. 2 JWBG BW geregelt und muss auch für die anderen Bundesländer gelten. Hiermit kann zum einen dem Umstand Rechnung getragen werden, dass an Gerichten grundsätzlich keine hinreichenden Kapazitäten vorhanden sind, um beschlagnahmte oder sichergestellte Gegenstände für längere Zeit zu verwahren.700 Dies wird insbesondere dann relevant, wenn die Sachen gefährlich sind oder einer besonderen Sicherung bedürfen, wie dies bei Waffen oder Sprengmitteln der Fall sein kann, aber auch dann, wenn eine besondere Versorgung erforderlich ist, wie beispielsweise bei Tieren.701 Zum anderen dient die Regelung dazu, Unklarheiten über Zuständigkeiten zu vermeiden, indem den Justizwachtmeistern das Recht des ersten Zugriffes eingeräumt wird und die weiteren Befugnisse der Polizei obliegen.702 dd) Hausverweis und Hausverbot Den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes kommt nach § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 27a Abs. 1 PolG BW703 weiterhin die Befugnis zu, eine Person vorübergehend des Gerichtsgebäudes zu verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten zu verbieten. Da das Gebot sich von dem Ort zu entfernen oder das Verbot den Ort zu betreten, ausweislich des Wortlautes nur „vorübergehend“ erfolgen darf, ist die Anordnung dieser Maßnahme nur bis zu dem Zeitpunkt möglich, in welchem die tatbestandlich konkrete Gefahr abgewehrt ist.704 Soll über diesen Zeitpunkt hinaus für eine längere Dauer verboten werden, das Gerichtsgebäude zu betreten und sich dort aufzuhalten, genügt nicht der bloße Erlass eines Hausverweises, sondern es bedarf eines Hausverbotes. Hausverbote können nach § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 27a Abs. 2 S. 1 PolG BW705 erlassen werden, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person an einem bestimmten Ort eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird. Da in Bayern keine ausdrückliche Normierung existiert, ist die Maßnahme auf Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 11 Abs. 1 BayPAG zu stützen.

699

Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 28 Abs. 1 S. 1 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 27 Abs. 3 S. 1 SächsPolG. 700 So auch die Begründung des Gesetzesentwurfes zu § 3 Abs. 1 S. 2 JWBG BW, LTDrs. 15/3076, S. 10. 701 LT-Drs. 15/3076, S. 10. 702 LT-Drs. 15/3076, S. 10. 703 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 16 S. 1 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 21 Abs. 1 S. 1 SächsPolG. 704 Für Bayern Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 54. 705 § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 21 Abs. 2 SächsPolG.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Da die sitzungspolizeilichen Befugnisse des Vorsitzenden, wie soeben ausgeführt, den Befugnissen der Justizwachtmeister vorgehen, muss bei der Erteilung von Hausverweisen und -verboten beachtet werden, dass keiner Person Zutritt zum Gerichtsgebäude verwehrt wird, die dem Anwendungsbereich der Sitzungspolizei unterliegt. Ihnen ist Zutritt zum Gerichtsgebäude zu gewähren. Dies gilt für die Zuhörer öffentlicher Verhandlungen auch vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Öffentlichkeit nach § 169 S. 1 GVG. Da jedoch dann, wenn die Voraussetzungen zum Erlass eines Hausverweises oder sogar eines Hausverbotes vorliegen, der verständliche Anlass besteht anzunehmen, dass es durch diese Personen auch zu Störungen in der Verhandlung kommen kann, bedarf es der Überwachung des Aufenthalts dieser Personen. Die Überwachung kann etwa in der Form geschehen, dass die Personen zum Verhandlungsraum begleitet werden, um sie dem Vorsitzenden zu übergeben, der daraufhin die notwendigen Entscheidungen zu treffen vermag. Keine Grenzen ergeben sich für Hausverweise oder -verbote gegenüber sonstigen Personen, insbesondere solchen, die zur Erledigung von Verwaltungsangelegenheiten das Gerichtsgebäude betreten, denn diese verwirken infolge der die Maßnahmen durch die Justizwachtmeister rechtfertigenden Störungen ihr Recht zum Zutritt. ee) Ingewahrsamnahme Den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes obliegt es ferner nach § 3 Abs. 2 JWBG BW i.V.m. § 28 Abs. 1 PolG BW706 bestimmte Personen in Gewahrsam zu nehmen. (1) Mögliche Anordnungsgründe Eine Ingewahrsamnahme kann unter anderem, allerdings für die vorliegende Untersuchung am bedeutendsten, dann angeordnet werden, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann, § 3 Abs. 2 JWBG BW i.V.m. § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG BW.707 Für ersteres bedarf es einer sorgfältigen Prognose des anordnenden Justizwachtmeisters, die sich auf die zur Verfügung stehenden Tatsachen zu stützen hat. In Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG sind in nicht abschließender Weise Umstände aufgezählt, welchen entnommen werden kann, dass eine Person eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung begehen oder zu einer solchen beitragen möchte. Diese Tatsachen können zur Begründung der Prognoseentscheidung auch in den anderen Bundesländern indiziell herangezogen werden. Darüber hinaus sind folgende weitere Tatsachen denkbar: das äußere Er706

Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 22 Abs. 1 SächsPolG. 707 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 1 SächsPolG.

V. Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes

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scheinungsbild der Personen, welche das Gerichtsgebäude betreten möchten oder sich in diesem aufhalten, etwa das Tragen bestimmter Symbole gewalttätiger Gruppierungen, sowie deren Verhalten gegenüber den Justizwachtmeistern. Da die Tatbestände eine erhebliche Störung fordern, sind, wie soeben bei der Durchsuchung von Personen ausgeführt, die Anforderungen an den Erlass der Anordnungen erhöht. Kann eine erhebliche Störung bejaht werden, ist zudem, da es sich bei der Ingewahrsamnahme um Freiheitsentziehungen handelt, erforderlich, dass die Störung nicht „auf andere Weise“ beseitigt werden kann oder die Maßnahme „unerlässlich“ ist. Hiermit ist der rechtsstaatliche Verhältnismäßigkeitsgrundsatz angesprochen und es bedarf stets der Prüfung durch die Justizwachtmeister, ob nicht andere Maßnahmen ergriffen werden können, welche weniger stark in die Rechte des Adressaten eingreifen. Die Ingewahrsamnahme kommt nur als ultima ratio in Betracht, weil sich andere Maßnahmen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als nicht erfolgversprechend darstellen werden oder sich in der Vergangenheit bereits als nicht ausreichend erwiesen haben. In Baden-Württemberg und Sachsen besteht nach § 3 Abs. 2 JWBG BW i.V.m. § 28 Abs. 1 Nr. 3 PolG BW und § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 3 SächsPolG ferner die Möglichkeit eine Person in Gewahrsam zu nehmen, wenn die Identität der Person auf andere Weise nicht festgestellt werden kann. Die Ingewahrsamnahme zur Identitätsfeststellung ist allerdings ultima ratio, also nur möglich, wenn alle anderen Möglichkeiten der Justizwachtmeister zur Identitätsfeststellung erschöpft sind. Ein solcher Fall ist für die vorliegende Untersuchung denkbar, wenn eine Person keine Ausweispapiere mit sich führt, sich nicht auf andere Weise ausweisen kann und auch den Justizwachtmeistern keine Möglichkeit zur Verfügung steht, die Identität anders festzustellen, als die Person in Gewahrsam zu nehmen, um eine anschließende Feststellung der Identität zu ermöglichen. Relevant ist schließlich die in Sachsen mögliche Ingewahrsamnahme nach § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 22 Abs. 1 Nr. 4 SächsPolG, um unter anderem einen Platzverweis oder ein Aufenthaltsverbot durchzusetzen, sofern dies unerlässlich ist. Nach diesen Vorschriften kommt den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes die Befugnis zu, in den Fällen, in welchen ein bereits ausgesprochener Hausverweis oder ein Hausverbot keine Beachtung findet, z. B. weil die Person sich nicht aus dem Gerichtsgebäude entfernt oder dieses erneut aufsucht, die Person in Gewahrsam zu nehmen. Für Baden-Württemberg ist mit § 3 Abs. 2 JWBG BW ausdrücklich geregelt, dass die von den Justizwachtmeistern in Gewahrsam genommenen Personen unverzüglich dem Polizeivollzugsdienst übergeben werden müssen, wenn die Aufhebung des Gewahrsams nicht unmittelbar bevorsteht. Hierdurch wird wiederum der bereits ausgeführte gesetzgeberische Wille deutlich, dass angesichts der in Gerichten beschränkten Kapazitäten und zur Vermeidung paralleler Zuständigkeiten zwischen Justizwachtmeistern und der Polizei den Justizwachtmeistern das Recht des ersten

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Zugriffes obliegen soll.708 Dass diese Erwägungen auch in den anderen Bundesländern gelten müssen, liegt auf der Hand. Befinden sich die in Gewahrsam genommenen Personen damit regelmäßig nur für kurze Zeit in der Obhut des Justizwachtmeisterdienstes und kann daher der Fall eintreten, dass es dem Justizwachtmeisterdienst wegen der Kürze der Gewahrsamsdauer nicht möglich ist, einen Antrag auf richterliche Entscheidung nach § 28 Abs. 3 S. 3 PolG BW zu stellen, ist der Antrag durch die Polizei unverzüglich nachzuholen, wenn die Person übergeben wurde und der Antrag noch erforderlich ist.709 (2) Weitergehende Maßnahmen auf Grundlage von § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG gegenüber Personen in Gewahrsam Sollen nach der Ingewahrsamnahme weitere Maßnahmen durch die Justizwachtmeister erfolgen, wie beispielsweise Identitätsfeststellungen oder die Durchsuchung der Person oder mitgeführter Sachen, stellt sich für die Bundesländer Bayern und Sachsen710 die Frage, ob diese Maßnahmen auch auf § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG gestützt werden können oder ob nicht nun auf § 42 Abs. 1 Nr. 1 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BayJSOG zurückgegriffen werden muss, da die in Gewahrsam genommenen Personen als „Gefangene“ nach § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayJSOG zu qualifizieren sind.711 Wenn gegenüber Gefangenen dem Wortlaut nach aber nur noch nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BayJSOG gehandelt werden kann, wären Maßnahmen nach § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG ausgeschlossen. Die Möglichkeit, nach der Ingewahrsamnahme weitere Maßnahmen gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG zu ergreifen, ist jedoch zum Schutz der Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden unerlässlich und nicht zuletzt zur Eigensicherung der Justizwachtmeister geboten.712 Zur Anwendbarkeit der nach § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG möglichen Maßnahmen auf Gefangene nach § 42 Abs. 1 Nr. 1 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BayJSOG würde man gelangen, wenn § 42 Abs. 1 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 BayPAG so auszulegen wären, dass die in den Normen in Nr. 1 und 2 angelegte Differenzierung sich nur auf die Durchsetzung von Anordnungen, nicht aber auf deren Erlass bezieht.713

708

Siehe oben, S. 171. So auch die Begründung des Gesetzesentwurfes zu § 3 Abs. 2 JWBG BW, LT-Drs. 15/ 3076, S. 11. 710 Für Baden-Württemberg stellt sich diese Frage nicht, da bei den Befugnissen nach dem JWBG BW keine Unterscheidung zwischen Gefangenen und sonstigen Personen vorgenommen wird. 711 Für Bayern auch Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 60. 712 Für Bayern auch Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 60. 713 Für Bayern Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 39. 709

V. Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes

175

Zieht man zur Beantwortung dieser Frage zunächst den Wortlaut und die Systematik heran, so ergibt sich, dass die Befugnisse nach § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG lediglich auf die „sonstigen Personen“ und gerade nicht auf die „Gefangenen“ anwendbar sind. Mit § 42 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SächsJG sowie Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BayJSOG geht eine klare Trennung zwischen den „Gefangenen“ und den „sonstigen Personen“ sowie deren Befugnissen einher. Stellt man zur Auslegung der Vorschriften ferner auf die Begründung der Gesetzesentwürfe ab, so ergeben sich aus der sächsischen Begründung keine Anhaltspunkte zu der angesprochenen Frage. Blickt man allerdings in die Begründung des Gesetzesentwurfes zu Art. 1 Abs. 1 BayPAG, ergibt sich ein anderes Bild, als es der Wortlaut und die Systematik zunächst vermuten lassen. Die Begründung bezieht sich durchweg auf die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch die Justizwachtmeister und insbesondere soweit von der Aufspaltung der Befugnisse zwischen „Gefangenen“ und „sonstigen Personen“ die Rede ist, stellen die Ausführungen ausschließlich auf die Anwendung unmittelbaren Zwanges ab, nicht aber auf die Anordnung der Maßnahme selbst.714 Hieraus kann entnommen werden, dass es dem Gesetzgeber darum ging, die Anwendung unmittelbaren Zwanges neu zu regeln sowie die Befugnisse der Justizwachtmeister zu stärken. Mit diesem Befund wäre es nicht vereinbar, die nur für die Vollstreckung gewollte Differenzierung auf den Bereich der Anordnungen auszuweiten und § 42 Abs. 1 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 BayPAG so auszulegen, dass den Justizwachtmeistern nach der Ingewahrsamnahme einer Person keine Befugnisse nach den polizeilichen Vorschriften mehr zukommen. Für die Anwendbarkeit der § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG auf die in Gewahrsam genommenen Personen spricht ferner, dass auch kein Grund ersichtlich ist, warum die polizeilichen Befugnisse den Justizwachtmeistern nur gegenüber „sonstigen Personen“ zustehen sollen, nicht aber gegenüber „Gefangenen“. Gerade die Gefangenen unterstehen infolge der Ingewahrsamnahme bereits hoheitlicher Gewalt, sodass dann, wenn die Anordnungen gegenüber sonstigen Personen ergehen können, diese erst recht auch gegenüber Gefangenen getroffen werden können müssen. Weiterhin würden, wenn man am Wortlaut und der Systematik festhält, erhebliche praktische Schwierigkeiten zu Tage treten. Würden den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes nach Ingewahrsamnahme einer Person keine weiteren Befugnisse nach § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG mehr obliegen, so müsste sich der Justizwachtmeister vor der Ingewahrsamnahme einer Person immer zunächst vergewissern, ob andere Maßnahmen noch erforderlich werden können. Müsste er dies bejahen oder könnte er es jedenfalls nicht ausschließen, müsste er die erforderlichen Maßnahmen bereits vor der Ingewahrsamnahme vornehmen, da nach der Anordnung des Gewahrsams § 42 Abs. 1 Nr. 1 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BayJSOG greifen würden. Würde er die Maßnahmen dagegen vor der Ingewahrsamnahme erlassen, wäre der Rückgriff auf 714 Siehe die Begründung des Gesetzesentwurfes zu Art. 1 Abs. 1 BayJSOG, LT-Drs. 8/ 3869, S. 3 und 4.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

§ 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG und damit die Maßnahmen nach den Polizeigesetzen noch möglich, da die betreffende Person noch nicht als Gefangener zu qualifizieren wäre. In vielen Situationen wird der Fall allerdings so liegen, dass den Justizwachtmeistern keine ausreichende Zeit verbleibt, um genau einzuschätzen, welche Anordnungen erforderlich sind oder es noch werden können und welche vor oder erst nach einer Ingewahrsamnahme getroffen werden sollen. Dass ein solches Vorgehen impraktikabel ist, den Schutz von Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude nicht fördert sowie dem Sinn und Zweck der Vorschriften, den Justizwachtmeistern die Möglichkeit eines ersten Zugriffs zu gewähren, widerspricht, liegt auf der Hand. Führt man sich schließlich vor Augen, dass die Anwendung unmittelbaren Zwanges regelmäßig dann in Betracht kommt, wenn eine Anordnung bereits erlassen wurde, muss man auch deshalb zu dem Ergebnis kommen, dass auch gegenüber den in Gewahrsam Genommenen die Befugnisse nach dem jeweiligen Polizeigesetz bestehen.715 Mangels anderer Anhaltspunkte kann davon ausgegangen werden, dass mit den § 42 Abs. 1 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 BayJSOG der Regelfall der Vollstreckung einer Grundanordnung und nicht der Ausnahmefall, dass keine vorangehende Anordnung vorliegt, normiert werden sollte. Die Vorschriften der § 42 Abs. 1 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 BayJSOG sind damit dahingehend auszulegen, dass die Differenzierung nach „Gefangenen“ und „sonstigen Personen“ sich lediglich auf die Vollziehung getroffener Anordnungen bezieht, nicht aber die Befugnis zur Anordnung der zugrundeliegenden Maßnahmen erfasst. Die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes können somit auch gegenüber Gefangenen Anordnungen nach § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG und Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG erlassen, sodass nach der Ingewahrsamnahme weitere Anordnungen, wie beispielsweise Identitätsfeststellungen oder die Durchsuchung der Person und mitgeführter Sachen, in Betracht kommen. ff) Generalklauselartige Befugnisse Findet sich in Baden-Württemberg keine dem Justizwachtmeisterdienst explizit eingeräumte Befugnis durch Verweis auf einzelne Normen des PolG BW durch § 3 JWBG BW oder ergibt sich in Bayern und Sachsen keine polizeiliche spezielle Ermächtigung, so stellt sich die Frage, inwieweit auf Grundlage der Generalklauseln Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude getroffen werden können. Da die polizeilichen Generalklauseln nur anwendbar sind, sofern sich in den Polizeigesetzen keine speziellen Befugnisse finden, kommt ein Vorgehen der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes nach § 42 Abs. 1 SächsJG i.V.m. § 3 Abs. 1 SächsPolG sowie Art. 1 Abs. 1 BayJSOG i.V.m. Art. 11 Abs. 1 BayPAG nur in Betracht, wenn die Maßnahme nicht auf eine solche spezielle Befugnis gestützt 715

Für Bayern so auch Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 39.

V. Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes

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werden kann. Als der polizeilichen Generalklausel nachgebildete Norm ist auch § 2 JWBG BW nur anwendbar, sofern insbesondere über § 3 JWBG BW keine spezielleren Befugnisse vorgesehen sind. Da allerdings im Polizeirecht die Vielzahl der Spezialermächtigungen dazu geführt hat, dass alle Hauptfallgruppen gesetzlich normiert sind, die polizeilichen Generalklauseln hierdurch ihre Relevanz als Eingriffsermächtigung weitgehend verloren haben und mit § 3 JWBG BWauf die für die Justizwachtmeister relevanten polizeilichen Spezialbefugnisse verwiesen wird, ist auch der Anwendungsbereich des § 2 JWBG BW sehr gering. Auch ihm verbleibt lediglich die Funktion der subsidiären Lückenfüllung.716 Finden § 2 JWBG BW und die polizeilichen Generalklauseln Anwendung, ermächtigen sie zu Anordnungen jeder Art, sofern sie zur Erfüllung der in § 42 Abs. 1 SächsJG, Art. 1 Abs. 1 BayJSOG sowie § 1 Abs. 1 JWBG BW benannten Aufgaben der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen. Denkbar sind beispielsweise die Aufforderung an eine Person, Lärm zu unterlassen oder keinen Kontakt zu Zeugen aufzunehmen, die Begleitung einer auffälligen Person oder einer solchen, welche noch nicht kontrolliert werden konnte, durch die Justizwachtmeister oder aber das Unterbinden des Verteilens von Flugblättern oder Werbung. Anders als bei der Anwendung der polizeilichen Generalklauseln in Bayern und Sachsen muss beachtet werden, dass nach § 2 JWBG BW lediglich Maßnahmen im Einzelfall erfolgen können. Möglich ist nur ein Tätigwerden im konkreten Fall und abstrakt-generelle Regelungen scheiden aus.717 Im Übrigen ergeben sich für die Anordnungsmöglichkeiten keine Besonderheiten im Vergleich zu den polizeilichen Generalklauseln, sodass auf die im Polizeigesetz geltenden Grundsätze verwiesen werden kann.

4. Zwischenergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, dass die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen zu gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen für die Sicherheit und Ordnung in Gerichten ermächtigt sind. Ein Einschreiten kommt neben der Gerichtsverwaltung, dem privaten Hausherrn sowie der Polizei in Betracht, nicht aber im persönlichen, zeitlichen sowie räumlichen Anwendungsbereich der Sitzungspolizei. Während in Bayern und Sachsen den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes sämtliche Befugnisse nach dem jeweiligen Polizeigesetz des Bundeslandes eingeräumt werden, beschränkt sich die Ermächtigung in Baden-Württemberg auf einzelne polizeiliche Befugnisse. Diese ermächtigen jedoch zu den für die Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden relevanten Maßnahmen, wie z. B. Hausverweisen und -verboten, Identitätsfeststellungen, der Durchsuchung von Personen und mitgeführter Sachen oder 716 717

Siehe die Begründung des Gesetzesentwurfes zu § 2 JWBG BW, LT-Drs. 15/3076, S. 9. LT-Drs. 15/3076, S. 9.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

der Ingewahrsamnahme. In den anderen Bundesländern scheidet ein Einschreiten der Angehörigen des Justizwachmeisterdienstes mangels einer Ermächtigungsgrundlage aus.

VI. Rückgriff auf die Rechtfertigungsnormen? Da nach den Rechtfertigungsvorschriften wie §§ 32, 34 StGB, 227, 228 BGB718 keiner bei Gefahren oder Angriffen auf sich oder andere tatenlos zusehen muss, sondern sich verteidigen bzw. anderen zu Hilfe kommen kann, können grundsätzlich alle Personen im Gerichtsgebäude Gefahren oder Angriffe von sich oder anderen abwehren. Ob diese Möglichkeiten auch dem Vorsitzenden, dem Gerichtspräsidenten, den Justizwachtmeistern und den Polizeibeamten im Gericht als Hoheitsträger zukommen und sich hieraus Befugnisse zum Einschreiten für die Sicherheit und Ordnung in Gerichten ergeben, soll im nächsten Abschnitt untersucht werden. Diese Frage kann für die genannten Personen relevant werden, wenn sie im Gerichtsgebäude selbst angegriffen werden, wenn ein unterstützendes Tätigwerden auf Seiten eines rechtswidrig Angegriffenen bei einem Streit unter Privatpersonen erforderlich ist oder aber, wenn das Bedürfnis besteht, zur Hilfe eines rechtswidrig angegriffenen Kollegen einzugreifen.

1. Einführung Angesprochen ist damit die Frage, wie es sich sowohl in öffentlich-rechtlicher als auch in straf- oder zivilrechtlicher719 Hinsicht auswirkt, wenn ein Hoheitsträger in Ausführung seiner dienstlichen Tätigkeit zwar durch die Notrechte gerechtfertigt wäre, sich für seine Handlung aber in öffentlich-rechtlicher Hinsicht keine Ermächtigungsnorm finden lässt. In der strafrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Lehre wird dieses Problem seit Jahrzehnten bei der in den Schnittbereich des Polizeiund Strafrechts fallenden Frage, ob sich Polizeibeamte zur Dienstausübung, insbesondere beim Gebrauch von Schusswaffen, aber auch bei der durch den Fall Daschner720 in das Blickfeld gerückten sog. Rettungsfolter, auf Notrechte berufen können, sofern ihre Handlungen nicht durch die polizeirechtlichen Ermächti-

718 Nicht behandelt wird ein Tätigwerden nach § 127 StPO, da diese Norm der Strafverfolgung dient und keine Ermächtigung zur dem Staat zukommenden Aufgabe bietet, strafbare Handlungen oder die Fortführung solcher zu verhindern; siehe hierzu Wagner, ZJS 2011, 465 ff.; Albrecht, Das Festnahmerecht, S. 67 f. 719 Der Begriff „öffentlich-rechtlich“ wird im folgenden Abschnitt in Abgrenzung zum Strafrecht verwendet, obwohl das Strafrecht auch einen Teil des Öffentlichen Rechts darstellt. 720 LG Frankfurt a.M., Urteil v. 20. 12. 2004, 5/27 KLs 7570 Js 203814/03 (4/04) = NJW 2005, 692.

VI. Rückgriff auf die Rechtfertigungsnormen?

179

gungsnormen gedeckt sind.721 Aktueller stellt sich diese Frage auch beim Abschluss entführter Flugzeuge, wenn ein Soldat als Pilot eines Kampfflugzeuges den Befehl zum Abschuss einer von Terroristen geführten Passsagiermaschine erhält und befolgt, die sonst gegen Menschenleben eingesetzt worden wäre. Die hierzu ermächtigende Regelung des § 14 Abs. 3 LuftSiG hat das BVerfG mit Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar und für nichtig erklärt,722 wobei es jedoch die Frage der strafrechtlichen Beurteilung des Abschusses ausdrücklich offen ließ.723 Nicht zur Klärung, sondern zu weiteren Unsicherheiten tragen die in Anlehnung an § 35 Abs. 2 MEPolG724 in einigen Polizeigesetzen bestehenden sogenannten Notrechtsvorbehalte bei, welche einen Versuch des Gesetzgebers darstellen, die Spannungen zwischen den hoheitlichen Beschränkungen und den zivil- und strafrechtlichen Notrechten aufzulösen.725 Sie sehen vor, dass „das Recht zum Gebrauch von Schusswaffen auf Grund anderer Vorschriften […] unberührt“726 oder dass „die zivilund strafrechtlichen Wirkungen nach den Vorschriften über Notwehr und Notstand […] unberührt“727 bleiben. Diese bis heute ungeklärte Frage ist für die vorliegende Untersuchung in besonderem Maße von Relevanz, da dem Vorsitzenden lediglich lückenhafte Befugnisse zustehen und dem Gerichtspräsidenten sowie den Justizwachtmeistern in der ganz überwiegenden Anzahl der Bundesländer gar keine Befugnisse zukommen. Würden sich aus den Notrechten Ermächtigungen zum Erlass belastender Maßnahmen ergeben, käme eine Schließung der bereits aufgetretenen normativen Lücken beim Erlass sicherheitsrechtlicher Anordnungen in Gerichtsgebäuden in Betracht.

721

Den Ausgangspunkt dieser Diskussion bildet der Aufsatz von Blei, JZ 1955, 625 ff. Die Darstellung des Streitstandes mit allen hierzu vertretenen Einzelansichten und Argumenten ist im hier gebotenen Umfang nicht möglich, für die Untersuchung aber auch nicht erforderlich; siehe aber ausführlich Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 32, Rn. 42bff.; Gusy, PolR, § 4, Rn. 176 ff.; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 12, Rn. 22 ff.; Roxin, Strafrecht, Band 1, § 15, Rn. 108 ff. m.w.N.; Beaucamp, JA 2003, 402 ff.; zur Rettungsfolter Götz, NJW 2005, 953 ff.; Jerouschek, JuS 2005, 296 ff. 722 BVerfG, Urteil v. 15. 02. 2006, 1 BvR 357/05 = NJW 2006, 751 ff. 723 BVerfG, Urteil v. 15. 02. 2006, 1 BvR 357/05 = NJW 2006, 751, 759 mit Anm. Sachs, JuS 2006, 448, 452; Pewestorf, JA 2009, 43; siehe hierzu auch Schenke, NJW 2006, 736, 739; vgl. auch Bausback, NVwZ 2005, 418 ff. 724 „Die zivil- und strafrechtlichen Wirkungen nach den Vorschriften über Notwehr und Notstand bleiben unberührt.“, abgedruckt in Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Aufl., Teil II, S. 373. 725 Pewestorf, JA 2009, 43, 44; Schwabe, JZ 1974, 634; Seelmann, ZStW 1977, 36, 53. 726 § 54 Abs. 4 PolG BW, § 34 Abs. 6 SächsPolG, siehe auch § 8 Abs. 3 BerlUZwG, § 10 Abs. 3 UZwG-Saar. 727 Art. 60 Abs. 2 BayPAG, § 40 Abs. 4 BremPolG, § 54 Abs. 2 HSOG, § 71 Abs. 2 NdsSOG, § 57 Abs. 4 POG RP, § 60 Abs. 2 SOG LSA, siehe auch § 60 Abs. 2 BbgPolG, § 57 Abs. 2 PolG NRW, § 250 Abs. 2 LVwG SH, § 58 Abs. 2 ThürPAG.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

2. Die Möglichkeit zur Berufung auf Notrechte durch Hoheitsträger a) Strafrechtliche Theorie Die im Strafrecht herrschende Theorie geht davon aus, den Hoheitsträgern sei die Berufung auf die Rechtfertigungsgründe als Befugnisnormen nicht verwehrt, soweit die hoheitlichen Eingriffsbefugnisse des Staates nicht in abschließender Weise geregelt worden sind.728 Die Handlung sei nicht nur strafrechtlich, sondern auch polizeirechtlich rechtmäßig.729 Begründet wird dieser Ansatz neben dem Wortlaut der Rechtfertigungsnormen, die jedermann, also auch Amtsträger, umfassen730, damit, dass die Träger hoheitlicher Gewalt nicht schlechter stehen dürfen als Privatpersonen731 und die bundesgesetzlich verankerten Rechtfertigungsgründe wegen Art. 31 GG nicht durch Landesrecht eingeschränkt werden können.732 b) Öffentlich-rechtliche Theorie Der öffentlich-rechtlichen Theorie733 zufolge sind die Rechtfertigungsgründe auf Träger hoheitlicher Gewalt nicht anzuwenden, weshalb ein lediglich auf die allgemeinen Rechtfertigungsgründe gestütztes Handeln weder straf- bzw. zivilrechtlich noch polizeirechtlich gerechtfertigt sei.734 Zur Begründung wird angeführt, dass für jeden hoheitlichen Eingriff eine besondere gesetzliche Ermächtigungsgrundlage erforderlich sei und die Hoheitsträger mit den abschließend eingeräumten hoheit728 OLG Celle, Urteil v. 08. 02. 2000, 16 U 106/99 = NJW-RR 2001, 1033, 1035; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 32, Rn. 42b, c m.w.N.; Stratenwerth/Kuhlen, StR AT, § 9, Rn. 94; Fahl Jura 2007, 743, 744; Kühl, Jura 1993, 233, 238; vgl. auch BGH, Beschluss v. 23. 09. 1977, 1 BJs 55/75, 123, 126, 128, 133/76; 23, 80/77 = NJW 1977, 2172; das vielzitierte Urteil des BGH, Urteil v. 08. 07. 1958, 1 StR 218/58 = BeckRS 1958, 31194879 enthält keine Begründung der strafrechtlichen Theorie, da nur über die Strafbarkeit entschieden wurde, so auch Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 71; siehe auch Jung, Das Züchtigungsrecht, S. 85 ff. und Seelmann, ZStW 1977, 36, 50 ff, wonach § 32 StGB mit der Einschränkung der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes anwendbar sein soll. 729 Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 32, Rn. 42b, c; Buttel/Rotsch, JuS 1996, 713, 717 f. 730 Beaucamp, JA 2003, 402, 403; Kühl, Jura 1993, 233, 238. 731 BayOLG, Beschluss v. 13. 12. 1990, RReg. 5 St 152/90 = JZ 1991, 936; Rogall, JuS 1992, 551, 557; Schmidhäuser, Anm. zu BayOLG, Beschluss v. 13. 12. 1990, RReg. 5 St 152/90 = JZ 1991, 937, 938. 732 Fechner, Grenzen polizeilicher Notwehr, S. 79 f.; Beisel, JA 1998, 721, 723; Kinnen, MDR 1974, 631, 634; Lange, MDR 1977, 10, 11; Rogall, JuS 1992, 551, 557. 733 Auch „polizeiliche Lösung“ genannt, siehe Fickenscher, Streifendienst, S. 176; Beisel, JA 1998, 721, 722; „polizeirechtliche Theorie“ nach Fechner, Grenzen polizeilicher Notwehr, S. 77; Seebode, in: Kohlmann, FS für Klug, Band 2, S. 359, 363 und Pewestorf, JA 2009, 43, 44. 734 BVerfG, Beschluss v. 14. 03. 1972, 2 BvR 41/71 = NJW 1972, 811, 813 f.; Rosenau, in: Satzger/Schluckebier/Wilhelm, StGB, § 34, Rn. 4; Blei, JZ 1955, 625, 627; Kunz, ZStW 1983, 973, 981 f.; Seelmann, ZStW 1977, 36, 56.

VI. Rückgriff auf die Rechtfertigungsnormen?

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lichen Eingriffsbefugnissen über ausreichende Handlungsmöglichkeiten verfügen, sodass es eines Rückgriffes auf die Rechtfertigungsnormen gar nicht bedürfe.735 Zudem würde so vermieden, dass die restriktiven speziellen öffentlich-rechtlichen Vorschriften unterlaufen werden.736 Anknüpfend an diese Ansicht wird vertreten, eine Ausnahme sei zu machen, wenn ein Amtsträger handele, um sich selbst zu verteidigen.737 Die Berufung auf die Rechtfertigungsgründe sei möglich, wenn ein Fall der Notwehr, nicht aber einer der Nothilfe, vorliege.738 Dies ergebe sich daraus, dass die öffentlich-rechtlichen Normen einem Amtsträger nicht sein natürliches Recht auf Selbstverteidigung nehmen könnten.739 c) Differenzierende Theorie Nach der heute herrschenden differenzierenden Theorie740 erweitern die Rechtfertigungsgründe die öffentlich-rechtlichen Eingriffsbefugnisse nicht.741 Ein Amtsträger könne sich zwar in persönlicher Hinsicht auf die Notrechte als Rechtfertigungsgrundlagen berufen, sie seien aber nicht als Ermächtigungsgrundlagen für seine Diensthandlungen zu qualifizieren, da das Strafrecht nicht auf das Öffentliche Recht einwirke und umgekehrt.742 Ein auf die Rechtfertigungsgründe gestütztes Verhalten könne ausschließlich straf- bzw. zivilrechtlich gerechtfertigt sein, nicht

735

Fickenscher, Streifendienst, S. 178; Rönnau/Hohn, in: LK-StGB, Band 2, § 32, Rn. 218. Amelung, JuS 1986, 329, 331; Beaucamp, JA 2003, 402, 403; Rogall, JuS 1992, 551, 557; Schünemann, GA 1985, 341, 365 f.; teilweise wird die Anwendbarkeit der §§ 32, 34 StGB auf Ausnahmefälle beschränkt, Wulff, in: Goydke u. a., FS für Remmers, S. 615, 627. 737 Amelung, JuS 1986, 329, 332 f.; Blei, JZ 1955, 625, 627; Deger, NVwZ 2001, 1229, 1231; Schünemann, GA 1985, 341, 365; innerhalb der Ansicht ist streitig, ob das öffentlichrechtlich rechtswidrige Verhalten in Selbstverteidigung strafrechtlich gerechtfertigt (so wohl Klinkhardt, VerwArch 1964, 297, 349) oder auch öffentlich-rechtlich rechtmäßig ist (so wohl Amelung, NJW 1977, 833, 839 f.); siehe hierzu Felix, Einheit der Rechtsordnung, 1998, S. 68 f. m.w.N.; andere beurteilen das in Notwehr erfolgende Handeln nur dann als rechtmäßig, wenn es verhältnismäßig ist: Zieschang, LK-StGB, Band 2, § 34, Rn. 18 m.w.N.; Jung, Das Züchtigungsrecht, S. 85 f.; Krey/Meyer, ZRP 1973, 1, 4; Triffterer, MDR 1976, 355, 356. 738 Krüger, NJW 1970, 1483, 1484; Schünemann, GA 1985, 341, 365 f. 739 Amelung, NJW 1977, 833, 839 f. 740 Diese Theorie wird auch als „Differenzlösung“ bezeichnet, so z. B. Béguelin, GA 2013, 473, 476. 741 Erb, in: MünchKomm StGB, § 32, Rn. 189; Günther, in: SK-StGB, Band I, § 32, Rn. 17 m.w.N., § 34, Rn. 15; Seebode, in: Kohlmann, FS für Klug, Band 2, S. 359, 371 f.; Gusy, PolR, § 4, Rn. 177 f.; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 12, Rn. 24; Böse/Kappelmann, ZJS 2008, 290, 295; Erb, Jura 2005, 24, 29; Götz, NJW 2005, 953, 954; Jeßberger, Jura 2003, 711, 713; Kirchhof, JuS 1979, 428, 429 f.; Klose, ZStW 1977, 61, 77 ff.; Riegel, NVwZ 1985, 639, 640; Rogall, JuS 1992, 551, 558 f. 742 Beisel, JA 1998, 721, 723; Lange, MDR 1977, 10, 12. 736

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

aber in öffentlich-rechtlicher Hinsicht, mit der Folge, dass der Hoheitsträger jedenfalls mit dienstrechtlichen Konsequenzen zu rechnen habe.743 d) Trennungstheorie Die Trennungstheorie744 geht, wie die differenzierende Theorie, zunächst davon aus, dass die Notrechte zwar straf- und zivilrechtliche Rechtfertigungsgründe darstellen, allerdings keine staatlichen Ermächtigungsgrundlagen bilden. Darüber hinaus nimmt sie an, dass der Person immer ihr natürliches Selbstverteidigungsrecht zustehe und zwar unabhängig davon, ob sie sich gerade in hoheitlicher Funktion befinde oder nicht.745 Dies wird damit begründet, dass die Notrechtshandlung nur anlässlich der hoheitlichen Tätigkeit erfolge und daher nicht als hoheitliches, sondern vielmehr als privates Tätigwerden zu qualifizieren sei.746 Bewerte man das Handeln als das einer Privatperson, seien auch keine Regressansprüche oder Disziplinarmaßnahmen zu befürchten.747 e) Stellungnahme aa) Ablehnung der strafrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Theorie Bei der Würdigung der verschiedenen Positionen gilt es sich vor Augen zu führen, dass es, nach den speziellen Grundrechtsvorbehalten sowie dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes für hoheitliche Eingriffe einer speziellen Ermächtigung bedarf, diese aufgrund des rechtstaatlichen Gebots der Normklarheit und Bestimmtheit Anhaltspunkte zum Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß der belastenden Maßnahme enthalten muss und die Maßnahmen desto näher beschrieben werden müssen, je wesentlicher Grundrechte betroffen werden.748 Diesen Anforderungen halten die straf- und zivilrechtlichen Notrechte jedoch nicht stand.749 Sie sind mit ihrer generalklauselartigen Formulierung weit gefasst, legen keine konkreten Voraussetzungen oder Rechtsfolgen für ein Handeln im Einzelfall fest und 743 Beisel, JA 1998, 721, 723; Lange, MDR 1977, 10, 12; zur Frage, ob das Handeln strafrechtlich gerechtfertigt ist mit der Folge einer Duldungspflicht des Angreifers oder ob lediglich das Vorliegen strafbaren Unrechts vermieden wird Böse/Kappelmann, ZJS 2008, 290, 295 m.w.N. 744 Auch „Privatheitstheorie“ genannt, Pewestorf, JA 2009, 43, 45 ff. 745 Kinnen, MDR 1974, 631, 634; Pewestorf, JA 2009, 43, 45 ff.; Rupprecht, JZ 1973, 263, 264 f.; Zuck, MDR 1988, 920, 922. 746 Kinnen, MDR 1974, 631, 634. 747 Pewestorf, JA 2009, 43, 45 f. 748 Siehe hierzu bereits ausführlich oben, S. 36 ff. 749 Amelung, NJW 1977, 833, 838; Beaucamp, JA 2003, 402, 404; Béguelin, GA 2013, 473, 475; Böse/Kappelmann, ZJS 2008, 290, 295; Deger, NVwZ 2001, 1229, 1231; Riegel, NVwZ 1985, 639, 640.

VI. Rückgriff auf die Rechtfertigungsnormen?

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normieren zudem individuelles Verhalten sowie die persönliche Verantwortung Einzelner, nicht aber das Befugnisnormen immanente hoheitliche Handeln und die Festschreibung von Aufgaben und Befugnissen der Hoheitsträger.750 Darüber hinaus genügen die Notrechte nicht den Anforderungen des Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes in demokratischer Hinsicht. Die Heranziehung der straf- und zivilrechtlichen Normen als Ermächtigungsgrundlagen für hoheitliche belastende Maßnahmen war nicht Gegenstand der Diskussionen im Gesetzgebungsverfahren, sodass ein solches Vorgehen auch dem Willen des Gesetzgebers widersprechen würde.751 Gegen die strafrechtliche und für die öffentlich-rechtliche Theorie spricht zudem, dass die bestehenden hoheitlichen Eingriffsbefugnisse eine ausdifferenzierte und abschließende Normierung erfahren haben und diese öffentlich-rechtliche Kompetenzordnung nicht durch die Heranziehung strafrechtlicher oder zivilrechtlicher Normen unterlaufen werden darf.752 Hieran kann auch das für die strafrechtliche Theorie angeführte Argument nichts ändern, die Notrechtsvorbehalte würden auf den ersten Blick den Anschein erwecken, aus den Rechtfertigungsnormen seien weitergehende Befugnisse ableitbar. Dieser erste Eindruck ist widerlegt, wenn man sich klarmacht, dass sich aus den Notrechtsvorbehalten nicht entnehmen lässt, dass der Gesetzgeber die Rechtfertigungsvorschriften durch die Notrechtsvorbehalte in das jeweilige Gesetz mit der Folge transformieren wollte, aus diesen Normen Ermächtigungsgrundlagen entstehen zu lassen.753 Wirft man einen Blick in § 8 Abs. 3 SPolG und § 10 Abs. 3 BremPolG, wonach den Notrechten ausdrücklich die Qualität von Eingriffsbefugnissen abgesprochen wird, indem bestimmt wird, dass die „zivilund strafrechtlichen Vorschriften über Notwehr oder Notstand […] keine polizeilichen Befugnisse“ begründen,754 wird dies deutlich. Dass den Rechtfertigungsnormen die Qualität von Ermächtigungen fehlt, ergibt sich überdies daraus, dass mit einer Heranziehung der bundesrechtlichen Notrechte als Auffangermächtigungen ein Übergriff in das den Landesgesetzgebern vorbehaltene allgemeine Sicherheits- und Ordnungsrecht einhergehen und damit gegen Art. 30, 70 Abs. 1 GG verstoßen werden würde.755

750 Fickenscher, Streifendienst, S. 178 f.; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 12, Rn. 24; Böse/Kappelmann, ZJS 2008, 290, 295; Riegel, NVwZ 1985, 639, 640; siehe hierzu auch oben, S. 75. 751 Für das Polizeirecht auch Beaucamp, JA 2003, 402, 404; siehe auch Amelung, NJW 1977, 833, 837. 752 Rönnau/Hohn, in: LK-StGB, Band 2, § 32, Rn. 218; Erb, in: MünchKomm StGB, § 32, Rn. 188; Fickenscher, Streifendienst, S. 178; Amelung, JuS 1986, 329, 331; Deger, NVwZ 2001, 1229, 1231. 753 Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 65; so aber Lerche, in: Kipp u. a., FS für von der Heydte, 2. HB., S. 1033, 1046 f.; kritisch die h.M. Fechner, Grenzen polizeilicher Notwehr, S. 50 f. m.w.N. 754 Rönnau/Hohn, in: LK-StGB, Band 2, § 32, Rn. 218; Béguelin, GA 2013, 473, 478. 755 Fickenscher, Streifendienst, S. 179; Beaucamp, JA 2003, 402, 404; Pewestorf, JA 2009, 43, 44.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Soweit als Argument für die strafrechtliche Theorie neben dem Wortlaut der Notrechte, wonach auch die Hoheitsträger umfasst sind, sowie dem Umstand, dass Hoheitsträger nicht schlechter stünden als Private, weiterhin vorgebracht wird, Hoheitsträger seien in Einzelfällen eher in der Lage einen Angriff auf schonendere Weise abzuwehren als eine Privatperson,756 kann dies jedenfalls im vorliegenden Kontext nicht überzeugen. Gerade die unbewaffneten und nicht ausgebildeten Gerichtspräsidenten oder Vorsitzenden stehen in dieser Hinsicht einem Privaten gleich. Auch sie haben, wie Private, keine anderen oder milderen Möglichkeiten, um einem Angriff unmittelbar zu begegnen. Gegen die strafrechtliche Theorie spricht ferner, dass die Rechtfertigungsnormen unter schwächeren Verhältnismäßigkeitserfordernissen als die hoheitlichen Befugnisse stehen.757 Während sämtliche hoheitliche Maßnahmen am Vorbehalt des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu messen sind, gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in dieser Form bei den Rechtfertigungsvorschriften nicht.758 Das bedeutet zwar nicht, dass keine Verhältnismäßigkeitsanforderungen eingehalten werden müssen, allerdings bleiben die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit hinter denen des rechtsstaatlichen Vorbehalts der Verhältnismäßigkeit zurück.759 Schließlich würde die Heranziehung der Rechtfertigungsnormen als Ermächtigungsgrundlage dem Sinn und Zweck dieser Normen widersprechen. Dieser liegt darin, den durch die Straftatbestände beschränkten freiheitlichen Bereich in bestimmten Fällen zu erweitern, wohingegen es aber diesem Sinn und Zweck widersprechend zu Freiheitsbeschränkungen der Bürger kommen würde, wenn die Notrechte als Ermächtigungsgrundlagen genutzt werden würden.760 Sprechen damit die besseren Argumente für die öffentlich-rechtliche Theorie, kann jedoch auch diese nicht vollständig überzeugen. Nach ihr würden im Ergebnis die Notrechte lediglich dem einfachen Bürger zustehen, nicht aber den im Rahmen der Notrechte agierenden Hoheitsträgern, obwohl die Hoheitsträger trotz ihrer dienstlichen Verpflichtungen immer auch Privatpersonen bleiben.761 Hinzu kommen Bedenken aufgrund von Art. 31 GG, wonach landesgesetzliche Normen, etwa des 756

Erb, in: MünchKomm StGB, § 32, Rn. 187; Roxin, Strafrecht, Band 1, § 15, Rn. 113. Rönnau/Hohn, in: LK-StGB, Band 2, § 32, Rn. 216; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 63; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 12, Rn. 25; Béguelin, GA 2013, 473, 474; a.A. Pewestorf, JA 2009, 43, 47, der meint, durch die Auslegung der Erfordernisse der Angemessenheit und Gebotenheit seien die Verhältnismäßigkeitserwägungen dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „weit angenähert“. 758 Rönnau/Hohn, in: LK-StGB, Band 2, § 32, Rn. 218 f.; Rogall, JuS 1992, 551, 556. 759 Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 63; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 12, Rn. 25; Fickenscher, Streifendienst, S. 178 geht davon aus, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gilt. 760 Beaucamp, JA 2003, 402, 403; Böse/Kappelmann, ZJS 2008, 290, 295. 761 Beaucamp, JA 2003, 402, 403; Beisel, JA 1998, 721, 723; Butttel/Rotsch, JuS 1996, 713, 718; Götz, NJW 2005, 953; Lange, MDR 1977, 10, 12; Pewestorf, JA 2009, 43, 44; Rogall, JuS 1992, 551, 557. 757

VI. Rückgriff auf die Rechtfertigungsnormen?

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Polizeirechts, bundesgesetzlich verankerte Vorschriften wie §§ 32 oder 34 StGB nicht abändern bzw. verdrängen können. Genau dies wäre aber der Fall, wenn eine straf- oder zivilrechtliche Rechtfertigung bei einer nach öffentlichem Recht rechtswidrigen Maßnahmen ausscheiden würde.762 Schließlich lässt sich die öffentlich-rechtliche Ansicht nicht mit den in vielen Polizeigesetzen enthaltenen Notrechtsvorbehalten vereinbaren, denn nach diesen bleiben die zivil- und strafrechtlichen Wirkungen nach den Vorschriften über Notwehr und Notstand unberührt.763 Sollen nach dem Willen des Gesetzgebers bei Vorliegen einer rechtswidrigen Maßnahme die Handlungen straf- bzw. zivilrechtlich gerechtfertigt sein können,764 kann nicht davon ausgegangen werden, dass bei rechtswidrigen Maßnahmen die straf- bzw. zivilrechtliche Rechtfertigung ausscheidet. Der an die öffentlich-rechtliche Theorie anknüpfende Ansatz, welcher eine Ausnahme vom Ausschluss der Rechtfertigungsgründe zum Eigen-, nicht aber zum Fremdschutz macht, ist ebenfalls abzulehnen. Zwar stünde nach ihm jedenfalls der Hoheitsträger beim Handeln zur Selbstverteidigung nicht schlechter als eine private Person und es könnten persönliche Härten vermieden werden.765 Allerdings behandeln sowohl § 32 StGB und § 227 BGB als auch die Notrechtsvorbehalte schon nach ihrem Wortlaut die Notwehr und Nothilfe gleich, sodass für eine solche Differenzierung kein Anlass besteht.766 bb) Die Auflösung der Konflikte durch die differenzierende Theorie und die Ablehnung der Trennungstheorie Vorzugswürdig erscheint es, zur Vermeidung der durch die beiden vorgenannten Ansichten auftretenden Konflikte die unterschiedlichen Rechtskreise, in welchen Hoheitsträger agieren, zu trennen und gesondert zu beurteilen. Der differenzierenden Theorie entsprechend regeln die öffentlich-rechtlichen Eingriffsbefugnisse und die Rechtfertigungsgründe verschiedene Materien, sodass die Frage, ob ein Hoheitsträger zu belastendem Handeln befugt ist, von der Frage zu trennen ist, ob ein Handeln straf- oder zivilrechtlich gerechtfertigt werden kann.767 Nimmt man dementsprechend keine einseitige Betrachtungsweise vor, sondern erfolgt sowohl eine Bewertung in öffentlich-rechtlicher als auch in straf- oder zivilrechtlicher Hinsicht, 762 Béguelin, GA 2013, 473, 476; Jerouschek/Kölbel, JZ 2003, 613, 620; Lange, MDR 1977, 10, 11; Spendel, Anm. zu BayOLG, Beschluss v. 13. 12. 1990, RReg. 5 St 152/90, JR 1991, 250. 763 Béguelin, GA 2013, 473, 476 f.; Erb, Jura 2005, 24, 29; Jeßberger, Jura 2003, 711, 713. 764 So die allgemeine Begründung zum Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes Nr. 3.44: „Bei Nichtbeachtung dieser Beschränkungen kann das Verhalten eines Beamten trotzdem straf- und zivilrechtlich gerechtfertigt sein; er muß jedoch damit rechnen, disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden, soweit er in Ausübung seines Dienstes gehandelt hat.“, abgedruckt in Heise/Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, S. 22. 765 Erb, in: MünchKomm StGB, § 32, Rn. 188. 766 Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 32, Rn. 42b; Roxin, Strafrecht, Band 1, § 15, Rn. 110; gleiches gilt für § 227 BGB, Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 227, Rn. 3. 767 Gusy, PolR, § 4, Rn. 178; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 12, Rn. 24.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

kann dem gegen die öffentlich-rechtliche Theorie erhobenen Einwand, Hoheitsträger stünden schlechter als Private, begegnet werden.768 Weiterhin wird den speziellen Grundrechtsvorbehalten sowie dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes Rechnung getragen, indem für hoheitliches Handeln eine hinreichend bestimmte gesetzliche Ermächtigung gefordert und eine solche nicht in den Rechtfertigungsgründen gesehen wird.769 Hinzu kommt, dass die differenzierende Theorie mit den Notrechtsvorbehalten in den Landesgesetzen in Einklang steht, mit denen der Gesetzgeber, wie soeben angesprochen, ausdrücken wollte, dass der Hoheitsträger strafrechtlich bzw. zivilrechtlich gerechtfertigt sein kann, dienstrechtlich aber in einem Disziplinarverfahren zur Rechnung gezogen werden könne.770 Der differenzierenden Lösung gelingt daher das, was den anderen Theorien nicht gelingt: Sie bringt unter Übernahme der Vorzüge der beiden Ansätze und unter Auflösung der Schwächen die öffentlich-rechtlichen und straf- bzw. zivilrechtlichen Normen in Einklang, ohne hierdurch unauflösbare Konflikte zu schaffen. Obwohl diese Argumente auch für die Trennungstheorie geltend gemacht werden können, da sie, wie auch die differenzierende Theorie, zwischen den hoheitlichen Eingriffsbefugnissen und den Rechtfertigungsvorschriften trennt, ist der Trennungstheorie nicht zu folgen. Eine Person, welche während oder anlässlich eines Diensteinsatzes in eine Notsituation gerät, ist trotz dieser Situation immer noch Hoheitsträger und verwandelt sich nicht durch die Notsituation ausschließlich in eine Privatperson, zumal es schwer vorstellbar ist, wie sich dieser Rollentausch des uniformierten Hoheitsträgers tatsächlich vollziehen soll.771 Hinzu kommt, dass das Handeln des Hoheitsträgers einer nachträglichen Beurteilung unterzogen wird, was erhebliche Beurteilungsschwierigkeiten mit sich bringt, Missbrauchsmöglichkeiten eröffnet und nicht mit dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit vereinbar ist, weil dem staatlichen Handeln mit der nachträglichen Qualifikation die geforderte Berechenbarkeit entzogen wird.772 Da ein Hoheitsträger zudem nicht entscheiden kann, in welchen Fällen seine Handlungen welchem Rechtsgebiet zuzuordnen sind und sich die Handlung eines Hoheitsträgers objektiv betrachtet als staatliches Handeln darstellt, weil die Aufgabe der Gefahrenabwehr dem Staat obliegt, wird die gefahrenabwehrende Person im Dienst als Hoheitsträger und nicht als Privater tätig.773 Schließlich erscheint die Trennungstheorie gekünstelt und allein am Ergebnis orientiert. Sie wurde insbesondere wegen der Befürchtung entwickelt, dass bei Anwendung der differenzierenden Theorie im Ergebnis aufgrund der Angst vor 768

Joecks, StGB, § 32, Rn. 60; Erb, Jura 2005, 24, 29. Rönnau/Hohn, in: LK-StGB, § 32, Band 2, Rn. 218 f.; Rogall, JuS 1992, 551, 557; vgl. auch im Kontext der Verfassungswidrigkeit des § 14 Abs. 3 LuftSiG hierzu Schenke, NJW 2006, 736, 739. 770 Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 75; Roxin, Strafrecht, Band 1, § 15, Rn. 111; siehe auch Kühl, Jura 1993, 233, 238. 771 Fickenscher, Streifendienst, S. 187 f.; siehe hierzu auch Pewestorf, JA 2009, 43, 46. 772 Wilhelm, Eingriffsbefugnisse des Staates, S. 14; Buttel/Rotsch, JuS 1996, 713, 717 f. 773 Béguelin, GA 2013, 473, 484. 769

VI. Rückgriff auf die Rechtfertigungsnormen?

187

Disziplinarmaßnahmen Hoheitsträger von Nothilfehandlungen Abstand nehmen. Um dieses ungewollte Ergebnis der Einleitung von Disziplinarverfahren zu vermeiden, wurde die differenzierende Theorie so verändert, dass infolge des angenommenen privatrechtlichen Handelns in Selbsthilfesituationen Disziplinarmaßnahmen nicht in Betracht kommen. Erscheint die Trennungstheorie zwar nicht überzeugend, jedenfalls aber unter erheblichen Bedenken noch vertretbar, kann sie keineswegs mehr gelten, wenn daran anschließend in rechtlich höchst zweifelhafter Weise versucht wird, die sich wiederum aus der Einordnung als privatrechtliches Handeln ergebenden unerwünschten Folgen zu umgehen. Genau dies geschieht jedoch, sofern trotz der angenommenen privaten Handlung wiederum ein Dienstunfall nach § 30 BeamtVG bejaht wird,774 um Privatpersonen bei der Unfallfürsorge nicht schlechter zu stellen als Hoheitsträger und hierfür die beamtenrechtlichen Versorgungsbestimmungen so hingebogen werden,775 um das gewünschte Ergebnis zu erreichen. cc) Kritische Auseinandersetzung mit den Einwänden gegen die differenzierende Theorie Soweit gegen die von der vorzugswürdigen differenzierenden Ansicht vorgenommene Unterscheidung vorgebracht wird, die Handlung sei als „schizoid“776 einzustufen und durch die Schaffung zweier unabhängiger Rechtskreise werde ein Verstoß gegen die Einheit der Rechtsordnung begründet,777 ist dem nicht zu folgen.778 Zwar ist richtig, dass mit der öffentlich-rechtlichen Dienstpflichtwidrigkeit und der strafrechtlichen Rechtwidrigkeit als Unwerturteil zwei unterschiedliche Materien vorliegen. Allerdings ist das Prinzip der Einheit der Rechtsordnung nicht als einheitliche Rechtswidrigkeitsbeurteilung, sondern als Widerspruchsfreiheit zu verstehen, welche es in ein und derselben Rechtsordnung nicht von vornherein ausschließt, die Rechtmäßigkeit anhand unterschiedlicher Maßstäbe aus verschiedenen Rechtsgebieten zu bewerten.779 In diesem Sinne hat auch schon das BVerfG entschieden, indem es annahm, ein Verhalten, welches nach allgemeinen Wertungen der 774

Schwabe, NJW 1977, 1902, 1903. Pewestorf, JA 2009, 43, 46; so ausdrücklich Schwabe, NJW 1977, 1902, 1903. 776 OLG Celle, Urteil v. 08. 02. 2000, 16 U 106/99 = NJW-RR 2001, 1033, 1035; Spendel, in: LK-StGB, Band 2, 10. Aufl., § 32, Rn. 273. 777 OLG Celle, Urteil v. 08. 02. 2000, 16 U 106/99 = NJW-RR 2001, 1033, 1035 f.; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 34, Rn. 7 m.w.N.; Buttel/Rotsch, JuS 1996, 713, 718; LübbeWolff, ZParl 1980, 110, 116. 778 So auch Beaucamp, JA 2003, 402, 404; Jerouschek, JuS 2005, 296, 301; siehe zur Einheit der Rechtsordnung ausführlich Rönnau/Hohn, in: LK-StGB, Band 2, § 32, Rn. 219; Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 79 ff; Seebode, in: Kohlmann, FS für Klug, lk 2, S. 359, 367 f.; Roxin, Strafrecht, Band 1, § 15, Rn. 111. 779 Seebode, in: Kohlmann, FS für Klug, Band 2, S. 359, 368; Gusy, PolR, § 4, Rn. 178; Roxin, Strafrecht, Band 1, § 15, Rn. 111; Beaucamp, JA 2003, 402, 404; Béguelin, GA 2013, 473, 479; Kirchhof, JuS 1979, 428, 429; ausführlich Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 110 ff. 775

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

Rechtsordnung als rechtswidrig zu beurteilen sei, müsse nicht zwangsläufig auch als strafrechtlich rechtswidrig qualifiziert werden.780 Zudem ist es beispielsweise auch im Steuerrecht nach § 40 AO für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot im Sinne des § 134 BGB oder gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB verstößt.781 Überdies verfolgen das Strafrecht und das Öffentliche Recht unterschiedliche Ziele: Ersteres bezieht sich auf die Strafbarkeit einzelner Personen, letzteres betrifft in abstrakter Weise die Beschränkung und Kontrolle hoheitlichen Handelns.782 Nicht zwingend geboten ist es daher, einen öffentlich-rechtlichen Verstoß stets auch einer strafrechtlichen Ahndung zu unterziehen,783 zumal Maßnahmen im disziplinarischen Sinn oftmals zur Erreichung des verfolgten Zwecks als Sanktion ausreichen können.784 Schließlich handelt es sich im für die Strafbarkeit entscheidenden Verhältnis von Amtsträger und Angreifer, dem Verhältnis des Staates zum Angreifer als Störer und dem Staat als Dienstherrn zum Amtsträger um voneinander zu unterscheidende Rechtsbeziehungen, welche einer differenzierten Betrachtung bedürfen.785 Gegen die differenzierende Theorie wird neuerdings ferner angeführt, dass auch dann, wenn man den Hoheitsträger in einen Bürger und Beamten aufspalte, der Grundsatz der Subsidiarität beachtet werden müsse, der bestimme, dass die private Gefahrenabwehr gegenüber der staatlichen subsidiär sei, wenn Hoheitsträger präsent und zur Abwehr des Angriffs imstande seien.786 Da daher das Handeln des Hoheitsträgers in seiner Person als Bürger gegenüber seinem Handeln in seiner Person als Beamter als subsidiär zu qualifizieren sei, womit letztlich doch nur ein Handeln des Hoheitsträgers als Beamter verbleibe, gelange man im Ergebnis wieder zur öffentlich-rechtlichen Theorie, nach der dem Hoheitsträger keine Notrechte zukommen.787 Zwar ist an dieser Argumentation richtig, dass unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips private Notwehr im Verhältnis zu staatlicher Gefahrenabwehr nach h.M.788 nur subsidiär in Betracht kommt. Allerdings muss dieser Ansicht ent780 BVerfG, Urteil v. 28. 05. 1993, 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 = NJW 1993, 1751, 1758 ff. 781 Ausführlich Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 110 ff.; früher wurde den Lehrern eine Züchtigungsbefugnis zugebilligt, obwohl die Züchtigung dienstlich untersagt war, vgl. Roxin, Strafrecht, Band 1, § 15, Rn. 111; weitere Bsp. bei Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 16 ff.; Kirchhof, JuS 1979, 428, 429. 782 Beaucamp, JA 2003, 402, 404; siehe auch Jerouschek, JuS 2005, 296, 301. 783 Erb, in: MünchKomm StGB, § 32, Rn. 190; Seebode, in: Kohlmann, FS für Klug, Band 2, S. 359, 368; Gusy, PolR, § 4, Rn. 178; Rogall, JuS 1992, 551, 559. 784 Beisel, JA 1998, 721, 723; Pewestorf, JA 2009, 43, 45. 785 Erb, Jura 2005, 24, 29; Lange, MDR 1977, 10, 12. 786 Béguelin, GA 2013, 473, 481 ff. 787 Béguelin, GA 2013, 473, 487. 788 Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 32, Rn. 41 m.w.N.; a.A. Pelz, NStZ 1995, 305 ff.; siehe auch Erb, in: Griesbaum u. a., FS für Nehm, S. 181, 182 ff., nach dem die private Ver-

VI. Rückgriff auf die Rechtfertigungsnormen?

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gegengehalten werden, dass sie von der unzutreffenden Vorstellung ausgeht, bei dem Hoheitsträger handele es sich nach der differenzierenden Theorie um „zwei verschiedene Personen“789 und man würde „die Person des Polizisten in einen Beamten und einen Bürger aufspalten“790. Die differenzierende Theorie nimmt keinesfalls eine Aufspaltung der Person des Hoheitsträgers in der Weise vor, dass sich auf der einen Seite der Bürger und auf der anderen Seite der Beamte als zwei Personen gegenüberstehen. Vielmehr wird das Handeln eines Hoheitsträgers und damit einer Person, zwei Rechtmäßigkeitsbeurteilungen unterzogen, einmal in strafrechtlicher und einmal in öffentlich-rechtlicher Hinsicht. Eine Aufspaltung findet nicht in persönlicher Hinsicht, sondern lediglich in sachlicher Hinsicht bei der Beurteilung des Handelns des Hoheitsträgers anhand verschiedener Rechtsgebiete statt. Stehen sich daher nicht zwei Personen gegenüber, kann auch nicht die Handlungsmöglichkeit der einen Person im Sinne des Subsidiaritätsgrundsatzes gegenüber der der anderen Person nachrangig sein. Schließlich vermag auch der weitere gegen die differenzierende Theorie vorgebrachte Einwand nicht durchdringen, nach dieser Theorie müsse der an sich gerechtfertigte Amtsträger selbst haften oder gegen ihn werde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, was zur Folge habe, dass Amtsträger keine Nothilfe mehr leisten, da sie Schadensersatzansprüche oder das berufliche Fortkommen erschwerende Disziplinarmaßnahmen befürchten müssten.791 Zwar muss zugestanden werden, dass eine dienstpflichtwidrige Handlung sowohl zu einem Disziplinarverfahren führen als auch Schadensersatzforderungen nach sich ziehen kann. Letztere entstehen nach Art. 34 S. 1 GG und treffen zunächst den Staat, der dann den Amtsträger wegen des vorsätzlichen Handelns nach Art. 34 S. 2 GG in Regress nehmen wird, sodass letztlich der Amtsträger für den Schaden haftet, der daraus resultiert, dass er vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat.792 Allerdings wird der Schadensersatzanspruch des Angreifers regelmäßig wegen Mitverschuldens gemäß § 254 BGB entfallen.793 Für das Disziplinarverfahren hält in Baden-Württemberg § 37 Abs. 1 Nr. 2 LDG BW794 eine Regelung bereit, wonach ein Disziplinarverfahren eingestellt teidigung nach § 32 StGB nur dann entfällt, wenn sie nicht erforderlich ist, weil der Angriff durch die staatliche Gefahrenabwehr genauso schnell und sicher erfolgen kann. 789 Béguelin, GA 2013, 473, 482. 790 Béguelin, GA 2013, 473, 482. 791 So Roxin, Strafrecht, Band 1, § 15, Rn. 111; Beaucamp, JA 2003, 402, 404; Pewestorf, JA 2009, 43, 45. 792 Pewestorf, JA 2009, 43, 45. 793 Pewestorf, JA 2009, 43, 45. 794 Siehe für die anderen Bundesländer Art. 33 Abs. 1 Nr. 2 BayDG, § 32 Abs. 1 Nr. 2 DiszG Bln, § 33 Abs. 1 Nr. 2 LDG Bbg, § 32 Abs. 1 Nr. 2 BremDG, § 32 Abs. 1 Nr. 2 HmbDG, § 36 Abs. 1 Nr. 2 HDG, § 34 Abs. 1 Nr. 2 LDG M-V, § 32 Abs. 1 Nr. 2 NDiszG, § 33 Abs. 1 Nr. 2 LDG NRW, § 38 Abs. 1 Nr. 2 LDG RP, § 32 Abs. 1 Nr. 2 SDG, § 32 Abs. 1 Nr. 2 SächsDG, § 32 Abs. 1 Nr. 2 DG LSA, § 32 Abs. 1 Nr. 2 LDG SH, § 38 Abs. 1 Nr. 2 ThürDG.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

werden kann, wenn eine Disziplinarmaßnahme trotz erwiesenen Dienstvergehens nicht angezeigt erscheint. Nicht angezeigt ist eine Disziplinarmaßnahme dann, wenn nach pflichtgemäßen dienstlichen Ermessenserwägungen nach dem Verhalten der Person eine solche nicht angebracht ist, wobei eine Einschätzung dahingehend erfolgen muss, ob es erforderlich erscheint, eine Disziplinarmaßnahme tatsächlich zu verhängen oder ob das verfolgte Ziel nicht auch durch das Disziplinarverfahren selbst in Verbindung mit einer Einstellungsverfügung erreicht werden kann.795 Für diese Beurteilung ist insbesondere auf die Schwere des Dienstvergehens, die Ansehensbeeinträchtigung und auf den Grad des Verschuldens abzustellen.796 Handelt ein Amtsträger in einer Gefahrensituation, um Hilfe zu leisten, kann eine disziplinarrechtliche Maßnahme nicht angezeigt sein. Fällt ihm kein über das Dienstvergehen hinausgehender Verstoß zur Last, ist in der anzustellenden Abwägung in besonderer Weise zu beachten, dass Hintergrund des Dienstvergehens lediglich altruistische Motive waren und dem Amtsträger aufgrund der besonderen Gefahrensituation nur ein geringes Maß an Verschulden vorgeworfen werden kann. Zudem tendiert die angesichts der verfolgten Ziele des Amtsträgers mit Dienstverstößen in der Regel einhergehende Ansehensbeeinträchtigung gegen Null. Allein die Einleitung des Disziplinarverfahrens und die erfolgende Einstellungsverfügung führen dem Amtsträger in hinreichendem Maße vor Augen, dass es sich bei seiner Handlung trotz der verfolgten Ziele um ein Dienstvergehen handelt. Mit den Vorschriften der Disziplinargesetze der Länder stehen damit ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung, um auch in der für die vorliegende Untersuchung relevanten Konstellation zu einem sachgerechten Ergebnis zu gelangen, ohne die differenzierende Theorie gänzlich in Frage stellen zu müssen.

3. Folgen für das Tätigwerden der Hoheitsträger in Gerichtsgebäuden Der vorzugswürdigen öffentlich-rechtlichen Theorie entsprechend ergeben sich aus den straf- und zivilrechtliche Notrechten keine weitergehenden öffentlichrechtlichen Eingriffsbefugnisse. Sind die Hoheitsträger in bestimmten Situationen Gefahren ausgesetzt oder drohen solche für andere Personen und werden die Hoheitsträger tätig, ist ihr Handeln sowohl einer straf- bzw. zivilrechtlichen als auch einer öffentlich-rechtlichen Bewertung zu unterziehen. Das Handeln des Gerichtspräsidenten, des Vorsitzenden und der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes wird sich in öffentlich-rechtlicher Hinsicht häufig als rechtswidrig darstellen, da der Gerichtspräsident sowie die Justizwachtmeister nur in wenigen Bundesländern über Befugnisse verfügen und die des Vorsitzenden sehr lückenhaft sind. In den Bun795

Düsselberg, in: von Alberti/Burr/Düsselberg/Eckstein/Nonnenmacher/Wahlen, LDR BW, § 37, Rn. 4. 796 Düsselberg, in: von Alberti/Burr/Düsselberg/Eckstein/Nonnenmacher/Wahlen, LDR BW, § 37, Rn. 4.

VII. Befugnisse privater Sicherheitsdienste

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desländern, welche diesen Personen Befugnisse einräumen, kann das Handeln rechtswidrig sein, wenn es sich nicht im Rahmen der Befugnisse hält. Stellt sich in öffentlich-rechtlicher Hinsicht die Rechtswidrigkeit der Maßnahme heraus, kommt zwar die Einleitung eines Disziplinarverfahrens in Betracht, allerdings wird dieses regelmäßig eingestellt werden müssen. Unabhängig hiervon kann das Handeln strafoder zivilrechtlich gerechtfertigt sein, was davon abhängt, ob die jeweiligen Voraussetzungen der Rechtfertigungsnormen gegeben sind. Diese Beurteilung bleibt einer Prüfung im Einzelfall vorbehalten.

4. Zwischenergebnis Festgehalten werden kann, dass sich aus den zivil- und strafrechtlichen Normen der §§ 32, 34 StGB, 227, 228 BGB keine weitergehenden Ermächtigungen für die Schaffung bzw. Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden ergeben. Diese Normen vermögen zwar eine zum eigenen Schutz oder zum Schutz anderer vorgenommene Handlung zivil- und strafrechtlich zu rechtfertigen, ändern allerdings nichts an der öffentlich-rechtlichen Rechtswidrigkeit bestimmter Maßnahmen aufgrund des Fehlens einer Ermächtigungsgrundlage.

VII. Befugnisse privater Sicherheitsdienste Angesichts der in den letzten Jahren zu verzeichnenden Entwicklung des Sicherheitsgewerbes zu einem großen Dienstleistungssektor und des Vordringens der privaten Sicherheitsdienste in den öffentlichen Raum, ist auch der Einsatz privater Sicherheitskräfte in Gerichtsgebäuden von wachsender Bedeutung. Aufgrund der sich in der Vergangenheit ereigneten Vorfälle in Gerichten und der entwickelten Sicherheitskonzepte der Bundesländer, nicht zuletzt aber auch aus finanzpolitischen Erwägungen,797 gehen immer mehr Bundesländer dazu über, private Sicherheitsdienste für die Schaffung und Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden einzusetzen. So werden bereits an den Gerichten in Bayern seit dem 1. September 2012 rund 130 Sicherheitskräfte beschäftigt, zum 1. April 2013 kamen weitere 100 und am 1. März 2014 erneut 70 hinzu.798 Dem Beispiel Bayerns folgend wurden auch an den Gerichten in Sachsen zum 1. Oktober 2013 private Sicherheitskräfte beauftragt.799 Die privaten Sicherheitskräfte werden insbesondere zur Unterstützung der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes tätig, indem sie 797 Siehe ausführlich zu den Privatisierungsgründen und -motiven Mohrdieck, Privatisierung, S. 27 ff. 798 http://www.justiz.bayern.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/archiv/2012/223.php (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016); Beck aktuell v. 06. 08. 2012, becklink 1021754. 799 http://www.sz-online.de/sachsen/justiz-privatisiert-sicherheitskontrollen-in-gerichten-2 661608.html (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016).

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

diesen z. B. bei der Durchführung von Einlasskontrollen Hilfe leisten, teilweise ersetzen sie die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes aber auch.800

1. Einführung Obwohl der Einsatz privater Sicherheitsdienste stellenweise bereits zum normalen Straßenbild zu rechnen ist, ist nicht zu leugnen, dass der Einsatz sowohl gesellschaftlich als auch in der rechtswissenschaftlichen Lehre teils auf erhebliche Bedenken stößt. Die Bedenken resultieren insbesondere daraus, dass ursprünglich die Räume der Aufgabenwahrnehmung privater Sicherheitsdienste und der Polizei insoweit voneinander getrennt waren, als die Sicherheitsunternehmen in der privaten Sphäre, wie Gebäuden oder Geschäftsräumen, auf Privatgrundstücken oder Werksgeländen zum Schutz privater Rechte des Auftraggebers tätig wurden und die Polizei in der Öffentlichkeit, auf Straßen und Plätzen, zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung handelte.801 Waren damit die Tätigkeitsbereiche weitestgehend abgegrenzt und in der Regel keine Berührungspunkte zu verzeichnen, ergab sich nach und nach infolge des Vordringens der privaten Sicherheitsdienste in die Öffentlichkeit, insbesondere in den öffentlichen Verkehrsraum und in die Hausrechtsbereiche mit öffentlichem Verkehr, ein anderes Bild. Der Staat zog sich durch die Beauftragung privater Sicherheitsunternehmen immer weiter aus dem ihm obliegenden Bereich der Gefahrenabwehr zurück und das private Sicherheitsgewerbe trat immer mehr in Konkurrenz zu ihm.802 Infolge dieser Ausbreitung sowie der Übernahme neuer Aufgabenbereiche wurde mit Einführung des § 34a Abs. 5 GewO ausdrücklich der rechtliche Rahmen festgelegt, innerhalb dessen das private Sicherheitsgewerbe seinen Dienstleistungen nachgehen kann.803 Nach S. 1 dürfen der Gewerbetreibende und seine Beschäftigten bei der Durchführung von Bewachungsaufgaben gegenüber Dritten nur die Rechte eigenverantwortlich ausüben, die Jedermann im Falle einer Notwehr, eines Notstandes oder der Selbsthilfe zustehen, die ihnen vom jeweiligen Auftraggeber vertraglich übertragenen Selbsthilferechte sowie die ihnen gegebenenfalls in Fällen gesetzlicher Übertragung zustehenden Befugnisse. Im Folgenden soll untersucht werden, ob und inwieweit der Einsatz privater Sicherheitsdienste in Gerichtsgebäuden rechtlich möglich ist. Bevor darauf eingegangen wird, ob und inwieweit ein solcher Einsatz durch die Gerichtsverwaltung erfolgen kann, soll zunächst geklärt werden, ob und inwieweit der Einsatz privater Sicherheitsdienste durch den Inhaber des privaten Hausrechts möglich ist. 800

http://www.justiz.bayern.de/presse-und-medien/pressemitteilungen/archiv/2012/223.php (zuletzt abgerufen am 27. 07. 2016). 801 Beinhofer, BayVBl. 1999, 481; Gusy, VerwArch 2001, 344, 345 f. 802 Gusy, VerwArch 2001, 344, 345 f. 803 Siehe die Begründung des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung v. 27. 02. 2002, BTDrs. 14/8386, S. 11 und 14.

VII. Befugnisse privater Sicherheitsdienste

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2. „Originärer“804 Tätigkeitsbereich Soll der Einsatz der privaten Sicherheitsdienste lediglich zum Schutz der Rechte und Rechtsgüter des privaten Hausrechtsinhabers erfolgen, kommt ein Tätigwerden im klassischen Tätigkeitsfeld der privaten Sicherheitsdienste in Betracht. Unter diesem versteht man das Handeln zum Schutz privater Rechte und Rechtsgüter, insbesondere von Personen und Objekten, auf private Veranlassung hin, das heißt auf Grundlage eines privatrechtlichen Auftrags.805

a) Die Geltendmachung der Ansprüche aus §§ 1004, 858 ff. BGB Zum Schutz des Eigentums und/oder Besitzes am Gerichtsgebäude, etwa vor Beschädigungen des Gebäudes beispielsweise durch das Werfen von Gegenständen, wie z. B. Steinen, Feuerwerkskörpern oder durch Graffiti, den der private Hausrechtsinhaber selbst nicht sicherstellen kann oder will, kommt im Rahmen eines privatrechtlichen Auftrags zwischen dem privaten Hausherrn und dem privaten Sicherheitsdienst die Übertragung der hausrechtlichen Befugnisse in Betracht. Soweit in diesem Zusammenhang teilweise von der Übertragung des privaten Hausrechts als Befugnis gesprochen wird,806 ist dies unpräzise. Wie oben bereits ausgeführt,807 handelt es sich beim privaten Hausrecht lediglich um eine Sammelbezeichnung der dem privaten Hausrechtsinhaber obliegenden Befugnisse und Rechte aus Eigentum und/oder Besitz. Fasst das private Hausrecht aber lediglich bestimmte Befugnisse und Rechte zusammen und stellt es selbst nur eine Umschreibung dar, ist für die Übertragung nicht auf das private Hausrecht, sondern vielmehr auf die das private Hausrecht ausmachenden Befugnisse bzw. Ansprüche abzustellen. Während die privaten Sicherheitskräfte im privatrechtlichen Auftrag nach § 185 Abs. 1 BGB ermächtigt werden können, den eigentumsrechtlichen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB im eigenen Namen geltend zu machen,808 erscheint die Konstellation bei den Besitzansprüchen schwieriger. Die privaten Sicherheitskräfte sind in der Regel als Besitzdiener im Sinne des § 869 BGB zu qualifizieren, sodass ihnen der hier relevante possessorische Besitzschutzanspruch des § 862 Abs. 1 BGB, welcher nur dem unmittelbaren bzw. mittelbaren Besitzer zukommt,809 nicht zusteht.810 Da die Besitzdienerschaft jedoch als „stellvertretungsähnlich“811 bezeichnet 804

Beinhofer, BayVBl. 1997, 481. Ruder, PolR BW, Rn. 98; Beinhofer, BayVBl. 1997, 481. 806 Jungk/Deutschland, in: BeckOK GewO, § 34a, Rn. 75. 807 Siehe hierzu bereits oben, S. 138. 808 Berger, in: Jauernig, BGB, § 1004, Rn. 1; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 1004, Rn. 2. 809 Siehe hierzu Fritzsche, in: BeckOK BGB, § 862, Rn. 7; Joost, in: MünchKomm BGB, § 861, Rn. 5. 810 So auch Prothmann, Versammlungsort, S. 88; siehe auch Waldhauser, Fernsehrechte, S. 74. 805

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

werden kann, wird teilweise dazu übergegangen, die Stellvertretungsvorschriften der §§ 164 ff. BGB (analog) heranzuziehen.812 Allerdings erscheint es aufgrund des tatsächlichen Charakters des Besitzes, im Gegensatz zur Heranziehung der auf rechtgeschäftliche Willenserklärungen bezogenen §§ 164 ff. BGB vorzugswürdig, auch hier von einer Ermächtigung nach § 185 Abs. 1 BGB analog zur Ausübung der sich auf § 862 Abs. 1 BGB stützenden Befugnisse auszugehen.813 b) Die Berufung auf die Not- und Jedermannrechte Neben der Ausübung der gegebenenfalls vom privaten Hausrechtsinhaber zur Ausübung übertragenen Befugnisse stehen den Bediensteten der privaten Sicherheitsdienste zum Zwecke einer effektiven Ausübung ihres Auftrages zum Schutz der Rechte und Rechtsgüter des Beauftragenden sowie der eigenen ferner die Not- und Jedermannrechte nach §§ 32, 34, 35 StGB, 227, 228, 229, 859, 904 BGB, 15, 16 OWiG, 127 StPO zu.814 Während die Möglichkeit eines solchen Rückgriffs vor dem Hintergrund, dass die Not- und Jedermannrechte durch gewerblich handelnde Sicherheitsdienste professionell wahrgenommen würden, wenn sich bei ihrer Tätigkeit die Veranlassung ergebe, auf fremde Rechtsgüter einzuwirken,815 teilweise lange Zeit angegriffen und abgelehnt wurde, wurde dieser Streitfrage mit Einführung des § 34a Abs. 5 GewO die Grundlage entzogen.816 Nach Satz 1 dürfen der Gewerbetreibende und seine Beschäftigten bei der Durchführung von Bewachungsaufgaben gegenüber Dritten unter anderem die Rechte eigenverantwortlich ausüben, die jedermann im Falle einer Notwehr, eines Notstandes oder einer Selbsthilfe zustehen. c) Grenzen der Rechtsausübung Können die privaten Sicherheitsdienste nach den vorausgehenden Ausführungen zum Schutz der Individualrechtsgüter des Beauftragenden oder der eigenen Rechtsgüter tätig werden, findet diese Rechtsausübung durch den Grundsatz der 811

Stadler, in: Soergel, BGB, Band 14, § 854, Rn. 12; Strauß, Hörfunkrechte, S. 146. Schulze, Jura 2011, 481, 486 f.; Löwisch, NZA 2010, 209, 210, der vom „Bevollmächtigten“ spricht. 813 Engeln, Hausrecht, S. 68 ff.; Prothmann, Versammlungsort, S. 88; Waldhauser, Fernsehrechte, S. 74 f. 814 Mohrdieck, Privatisierung, S. 104 ff.; Hammer, DÖV 2000, 613, 619 f.; Stober, NJW 1997, 889, 893 f.; Stober, DÖV 2000, 261, 263; eine ausführliche Streitdarstellung findet sich bei Schnekenburger, Privates Sicherheitsgewerbe, S. 134 ff. 815 So insbesondere Hoffmann-Riem, ZRP 1977, 277, 283; Jeand’Heur, AöR 1994, 107, 127 ff. 816 Jungk/Deutschland, in: BeckOK GewO, § 34a, Rn. 75; Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Band I, § 34a, Rn. 42; Brauser-Jung/Lange, GewArch 2003, 224, 230; siehe auch die Begründung zum Gesetzesentwurf zu § 34a Abs. 5 GewO, BT-Drs. 14/8386, S. 14; Schönleiter, GewArch 2003, 1, 2. 812

VII. Befugnisse privater Sicherheitsdienste

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Erforderlichkeit seine Grenze. Dieser Grundsatz ist nach § 34a Abs. 5 S. 2 GewO zu beachten, womit auch der frühere Streit um die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Sinne der Geltung des Gebots der Erforderlichkeit entschieden wurde.817 Ist das Gebot der Erforderlichkeit maßgeblich, bedarf es keiner Abwägung zwischen den bedrohten Rechtsgütern und denen des Angreifers.818 Im Gerichtsgebäude kann dies beispielsweise relevant werden, wenn neben den Bediensteten des privaten Sicherheitsdienstes Polizeibeamte anwesend sind und auch die Polizeibeamten den Angriff oder die Gefahren abzuwenden vermögen. Insoweit gilt der Grundsatz der Subsidiarität der privaten Unrechtsabwehr mit der Folge, dass die privaten Sicherheitsdienste sich nicht auf die in § 34a Abs. 5 S. 1 GewO genannten Rechte zur Ausübung privater Gewalt berufen können.819 Die Ausübung der hausrechtlichen Befugnisse des privaten Hausrechtsinhabers sowie das Handeln auf Grundlage der allgemeinen Not- und Jedermannrechte durch die privaten Sicherheitsdienste findet zudem an den der Polizei vorbehaltenen Aufgaben seine Grenze.820 Obwohl die vertraglichen Pflichten zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beitragen,821 können infolge der vertraglichen Übertragung den privaten Sicherheitskräften nicht mehr Rechte eingeräumt werden, als dem Auftraggeber selbst zustehen.822 Ferner können die Not- und Jedermannrechte, abgesehen von §§ 34 StGB und 16 OWiG, wonach ein privates Handeln zum Schutz der Allgemeinheit im „äußersten Notfall“823 möglich824 ist, nicht generell zum über den von Individualrechtsgütern hinausgehenden Schutz der öffentlichen Gefahrenabwehr herangezogen werden, da die öffentliche Gefahrenabwehr strengen (verfassungs-)rechtlichen Vorgaben unterliegt.825 Dass die Handlungsmöglichkeiten der privaten Sicherheitsdienste dort enden, wo der Polizei Befugnisse vorbehalten 817 Peilert, in: Stober/Olschok, Sicherheitsgewerberecht, Teil G II, Rn. 32; siehe zum bisherigen Streitstand und gegen die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Eberstein, BB 1980, 863, 865 ff.; Schulte, DVBl. 1995, 130, 133 f.; für die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Hoffmann-Riem, ZRP 1977, 282 ff.; Hueck, Der Staat 1997, 211, 219 f.; Jeand’Heur, AöR 1994, 107, 127 ff. 818 Peilert, in: Stober/Olschok, Sicherheitsgewerberecht, Teil G II, Rn. 32; Brauser-Jung/ Lange, GewArch 2003, 224, 230. 819 Peilert, DVBl. 1999, 282, 286; siehe zum Grundsatz der Subsidiarität bereits oben S. 188f. 820 Stober, in: Pitschas/Stober, Sicherheitsgewerberecht, S. 35, 50; Brauser-Jung/Lange, GewArch 2003, 224, 230; Schönleiter, GewArch 2003, 1, 2; siehe auch BVerwG, Urteil v. 19. 01. 1989, 7 C 31/87 = NVwZ 1989, 864, 865; Krölls, GewArch 1997, 445, 450. 821 Mohrdieck, Privatisierung, S. 129. 822 Schnekenburger, Privates Sicherheitsgewerbe, S. 200. 823 Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 34, Rn. 10. 824 Erb, in: MünchKomm StGB, § 34, Rn. 59; Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 34, Rn. 10. 825 Mohrdieck, Privatisierung, S. 108; Finger/Müller, NVwZ 2011, 953, 954; Krölls, GewArch 1997, 445, 450; auch der BGH hat entschieden, dass die öffentliche Ordnung nicht notwehrfähig ist: BGH, Urteil v. 15. 04. 1975, VI ZR 93/73 = NJW 1975, 1161, 1162.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

sind, ergibt sich auch aus § 10 Abs. 1 S. 2 der Bewachungsverordnung, die vorsieht, dass die Dienstanweisung den Hinweis enthalten muss, ,,daß die Wachperson nicht die Eigenschaft und die Befugnisse eines Polizeibeamten, eines Hilfspolizeibeamten oder eines sonstigen Bediensteten einer Behörde besitzt“.826

3. Übertragener Tätigkeitsbereich Besteht neben dem privaten Rechtsgüterschutz das Bedürfnis zum Schutz von Staats- bzw. Gemeinschaftsgütern, mithin der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Gesamten, und sollen hierbei belastende Maßnahmen der privaten Sicherheitsdienste erfolgen, bedarf es der Übertragung der hoheitlichen Befugnisse des Beauftragenden.827 Dies ergibt sich daraus, dass die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung herkömmlich eine zentrale Aufgabe des Staates darstellt.828 Da jedoch der Staat nicht über ein Sicherheitsmonopol in dem Sinne verfügt, dass es ausschließlich ihm obliegt für Sicherheit und Ordnung zu sorgen, ist es nicht ausgeschlossen zur Erfüllung der staatlichen Pflicht zur Sicherheitsgewährleistung in gewisser Weise unter fortbestehender staatlicher Verantwortung Private heranzuziehen.829 In Betracht kommt eine solche Heranziehung der privaten Sicherheitsdienste im Wege der Beleihung sowie durch den Einsatz als Verwaltungshelfer.830 a) Beleihung Soll den privaten Sicherheitsdiensten zum Schutz der Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude die selbstständige Befugnis zur Wahrnehmung von Hoheitsrechten zustehen, bedarf es ihrer Beleihung. Auf den ersten Blick erscheint die Rechtsfigur der Beleihung angesichts der Bestrebungen der Verwaltung nach Rationalisierung und Effizienzsteigerung und auch in rechtlicher Hinsicht als geeignete Möglichkeit des Einsatzes Privater. Insbesondere steht das staatliche Gewaltmonopol nicht ent826

Stober, in: Pitschas/Stober, Sicherheitsgewerberecht, S. 35, 50 f. Gramm, VerwArch 1999, 329, 330; Stober, ZRP 2001, 260, 261 f.; Winkler, NWVBl. 2000, 287, 289. 828 Krölls, GewArch 1997, 445, 448; Winkler, NWVBl. 2000, 287, 288. 829 Bracher, Gefahrenabwehr, S. 115 ff.; Kämmerer, in: Stober/Olschok, Sicherheitsgewerberecht, Teil D II, Rn. 9; Gramm, VerwArch 1999, 329, 330; Stober, NJW 1997, 889, 890 ff.; Winkler, NWVBl. 2000, 287, 289; die Einordung des Schutzes des inneren Friedens als Kernaufgabe des Staates steht einer Privatisierung nicht entgegen, da die Einordnung als Kernaufgabe veränderlich ist und zudem Kern- und Randbereiche nicht genau abgegrenzt werden können. Die Privatisierbarkeit konkreter Aufgaben ist vielmehr am Grundgesetz zu messen, siehe hierzu Kulas, Privatisierung hoheitlicher Verwaltung, S. 49 ff.; Mösinger, BayVBl. 2007, 417, 419; vgl. auch Peilert, DVBl. 1997, 282, 284 f.; Stober, NJW 1997, 889, 892 f.; ders, DÖV 2000, 261, 265; a.A. Waechter, NZV 1997, 329, 334 ff. 830 Gusy, VerwArch 2001, 344, 356; Stober, DÖV 2000, 261, 267 ff.; ders., ZRP 2001, 260, 265 f.; Winkler, NWVBl. 2000, 287, 290. 827

VII. Befugnisse privater Sicherheitsdienste

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gegen, denn der Beliehene wird in die Verwaltungsorganisation selbst einbezogen und durch die Übertragung hoheitlicher Befugnisse innerhalb des staatlichen Gewaltmonopols selbst legitimiert.831 aa) Verfassungsrechtliche Anforderungen Dennoch kann nicht beliebig auf die Rechtsfigur der Beleihung zurückgegriffen werden, sondern es sind bestimmte verfassungsrechtliche Anforderungen zu beachten. Aufgrund des institutionellen Gesetzesvorbehalts832 setzt die Beleihung die Übertragung der hoheitlichen Befugnisse durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes, etwa einer Rechtsverordnung, einem Verwaltungsakt oder Verwaltungsvertrag, die selbst auf eine gesetzliche Ermächtigung zurückzuführen sind, voraus.833 Die Beleihung muss ferner mit dem Demokratieprinzip vereinbar sein und hierzu vor allem einer laufenden parlamentarischen und exekutiven Kontrolle unterstehen.834 Schließlich ist erforderlich, dass der Einsatz Privater mit dem Funktionsvorbehalt aus Art. 33 Abs. 4 GG vereinbar ist, wonach die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel den Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, welche in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Treueverhältnis stehen.835 bb) Die Beleihung durch den Gerichtspräsidenten Die Beleihung privater Sicherheitsdienste durch die Gerichtsverwaltung muss aus mehreren Gründen ausscheiden. Während sich in zahlreichen öffentlich-rechtlichen Fachgesetzen Vorschriften finden lassen, die zur Beleihung ermächtigen,836 existiert keine gesetzliche Grundlage, wie etwa § 81 Abs. 4 S. 1 HmbHG für den Inhaber des öffentlich-rechtlichen Hausrechts von Hochschulen, welche die Beleihung mit hoheitlichen Befugnissen durch die Gerichtsverwaltung vorsieht. Zudem existieren, außer in den Bundesländern Niedersachsen, Hessen und Hamburg, die den Gerichtspräsidenten zu hausrechtlichen Maßnahmen ermächtigen, keine Normen, 831 Lange, DÖV 2001, 898, 903; Mösinger, BayVBl. 2007, 417, 421; Stober, DÖV 2000, 261, 269. 832 Siehe zur Herleitung Klüver, Beleihung des Sicherheitsgewerbes, S. 109 ff. 833 BVerwG, Urteil v. 26. 08. 2010, 3 C 35/09 = NVwZ 2011, 368, 370; Fehrentz, Privatisierungen im Strafvollzug, S. 29; Klüver, Beleihung des Sicherheitsgewerbes, S. 109 ff.; Schnekenburger, Privates Sicherheitsgewerbe, S. 111 f.; Maurer, VerwR AT, § 23, Rn. 57; Pitschas, Polizei und Sicherheitsgewerbe, S. 66 f. 834 Siehe ausführlich Mohrdieck, Privatisierung, S. 63 ff. 835 Fehrentz, Privatisierungen im Strafvollzug, S. 67 f. m.w.N.; Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 105; Art. 33 Abs. 4 GG steht der Beleihung nicht generell entgegen, Mohrdieck, Privatisierung, S. 86; Schnekenburger, Privates Sicherheitsgewerbe, S. 181 f.; Maurer, VerwR AT, § 23, Rn. 57. 836 Siehe etwa § 5 Abs. 5 LuftSiG, § 29 Abs. 2 LuftVG, § 44 Abs. 3 S. 1 BHO, § 5 Abs. 1 BWpVerwG.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

welche solche hausrechtliche Befugnisse einräumen, die im Wege der Beleihung übertragen werden könnten. cc) Die Beleihung durch Andere So wie die Möglichkeit der Beleihung privater Sicherheitsdienste durch den Gerichtspräsidenten ausscheidet, scheidet auch die Beleihung durch Andere, etwa die in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen immerhin mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes aus. Auch für sie existiert keine gesetzliche Regelung, welche eine Beleihung vorsieht. Zudem erscheint die Beleihung durch die Justizwachtmeister aber auch nicht praktikabel. Die Entscheidung über den Einsatz privater Sicherheitskräfte sollte nicht jedem einzelnen Justizwachtmeister selbst obliegen, sondern einer Person, welche in ihrer Eigenschaft für die Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude verantwortlich ist und diese Aufgabe im Gesamten überblicken kann. Dies sind nicht die einzelnen Justizwachtmeister, sondern vielmehr die Gerichtsverwaltung selbst. b) Einsatz als Verwaltungshelfer Scheidet die Beleihung des privaten Sicherheitsgewerbes zur Schaffung und Wahrung von Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden aus, stellt sich die Frage, ob private Sicherheitskräfte als Verwaltungshelfer eingesetzt werden können. Ein solcher Einsatz findet beispielsweise in Bayern statt, wo private Sicherheitskräfte zur Unterstützung staatlicher Bediensteter bei Einlasskontrollen tätig werden und in den Standards des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz für die Sicherheit in Gerichtsgebäuden ausdrücklich als Verwaltungshelfer qualifiziert werden.837 Verwaltungshelfer sind im Gegensatz zu Beliehenen nicht mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet und handeln nach Weisung und im Auftrag der Behörde.838 Anders als der Beliehene ist der Verwaltungshelfer nicht in die Verwaltung eingegliedert und tritt nach außen rechtlich nicht in Erscheinung.839 Der Verwaltungshelfer erbringt vielmehr einen vorbereitenden oder ausführenden Teilbeitrag einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe, bei der nicht er als Hilfsorgan, sondern die Behörde die maßgeblichen Entscheidungen trifft.840 Da die Entscheidungsbefugnis bei der einsetzenden Behörde verbleibt und die Handlungen der Verwaltungshelfer damit nicht das staatliche Gewaltmonopol tangieren, ist die Beauftragung privater Sicherheitsdienste als Verwaltungshelfer zur Unterstützung und Verstärkung bei der Durch837

Dickert/Hagspiel, BayVBl. 2013, 102, 105. Mösinger, BayVBl. 2007, 417, 418. 839 Kämmerer, in: Stober/Olschok, Sicherheitsgewerberecht, Teil D II, Rn. 6; Maurer, VerwR AT, § 23, Rn. 59. 840 Stober, in: Akyürek/Baumgartner u. a., FS für Schäffer, S. 795, 802. 838

VII. Befugnisse privater Sicherheitsdienste

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führung bestimmter Handlungen relativ problemlos möglich.841 Auch Art. 33 Abs. 4 GG unterliegt der Verwaltungshelfer nicht, da er keine hoheitlichen Befugnisse wahrnimmt, sondern sich sein Tätigwerden auf das Unterstützen der Verwaltung bei der Wahrnehmung deren Befugnisse beschränkt.842 Die Beauftragung kann durch Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen der beauftragenden Behörde und dem privaten Sicherheitsdienst als Beauftragter erfolgen, in welchem das Verwaltungsrechtsverhältnis sowie die Einsatzvoraussetzungen unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben, wie der Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, festgelegt werden.843 Da der Einsatz der Verwaltungshelfer unabhängig von etwaigen hoheitlichen Befugnissen des Beauftragenden ist, können die privaten Sicherheitsdienste als Verwaltungshelfer in den Gerichtsgebäuden durch die Gerichtsverwaltung eingesetzt werden. Zwar käme theoretisch auch der Einsatz durch die Justizwachtmeister in Betracht, zumal die privaten Sicherheitskräfte ohnehin regelmäßig die Justizwachtmeister unterstützen. Allerdings erfordert auch der Einsatz der privaten Sicherheitskräfte als Verwaltungshelfer die Entscheidung einer Stelle, die die Aufgabe der Sicherheit und Ordnung im Gericht im Gesamten überblickt. Sollen die privaten Sicherheitsdienste bei der Durchführung von Einlasskontrollen eingesetzt werden, ist zu beachten, dass sie mangels der Übertragung hoheitlicher Befugnisse zum Erlass belastender Maßnahmen nicht ermächtigt sind. Anordnungsbefugt sind lediglich die Personen, denen originär hoheitliche Befugnisse zukommen, das heißt im jeweiligen Tätigkeitsbereich in Niedersachsen, Hessen und Hamburg der Gerichtspräsident und in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen die mit Befugnissen ausgestatteten Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes. Die Verwaltungshelfer können sich nicht auf die Not- und Jedermannrechte berufen, denn diese stehen dem das Allgemeininteresse sichernden Staat nicht zu.844 Insbesondere können sie nicht geltend machen, die Tätigkeit sei von rein privatem Charakter, denn zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben wird der Verwaltungshelfer vom Staat instrumentalisiert.845 Eine Ausnahme ist lediglich dann zu machen, wenn es nicht um die Erfüllung staatlicher Aufgaben, sondern um den Schutz der eigenen Güter geht. Auch wenn sich das Tätigwerden der privaten Sicherheitskräfte als Verwaltungshelfer damit lediglich auf die die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes unterstützende Realhandlungen beschränkt, insbesondere bei der Durchführung von Einlasskontrollen und hierbei erfolgender Maßnahmen, stellt sich 841 Peilert, DVBl. 1999, 282, 285; Stober, DÖV 2000, 261, 268; Winkler, NWVBl. 2000, 287, 290. 842 Kämmerer, in: Stober/Olschok, Sicherheitsgewerberecht, Teil D II, Rn. 6. 843 Stober, ZRP 2001, 260, 265. 844 Kämmerer, in: Stober/Olschok, Sicherheitsgewerberecht, Teil D II, Rn. 34. 845 Kämmerer, in: Stober/Olschok, Sicherheitsgewerberecht, Teil D II, Rn. 34; so aber Möstl, Die staatliche Garantie, S. 359 f.; Fehrentz, Privatisierungen im Strafvollzug, S. 44 ff. m.w.N.

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B. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen

der Einsatz privater Sicherheitskräfte dennoch als probates Mittel kooperativer staatlicher Sicherheitsgewährleistung in Gerichtsgebäuden dar.

4. Zwischenergebnis Festgehalten werden kann, dass die privaten Sicherheitsdienste vom privaten Hausherrn durch einen privatrechtlichen Auftrag zum Schutz seiner Individualrechtsgüter eingesetzt und zur Ausübung der Ansprüche aus §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB ermächtigt werden können. Darüber hinaus kann ein Tätigwerden aufgrund der allgemeinen Not- und Jedermannrechte nach §§ 32, 34, 35 StGB, 227, 228, 229, 859, 904 BGB, 15, 16 OWiG, 127 StPO in Betracht kommen. Eine Beleihung der privaten Sicherheitsdienste mit etwaigen Befugnissen der Gerichtsverwaltung kommt mangels einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage sowie in Baden-Württemberg und der überwiegenden Anzahl der Bundesländer mangels hoheitlicher Befugnisse der Gerichtsverwaltung nicht in Betracht. Die privaten Sicherheitskräfte können jedoch als Verwaltungshelfer eingesetzt werden.

C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen Genügt die staatliche Autorität oder die strafrechtliche Sanktionierung des Hausfriedensbruches nach § 123 StGB nicht, damit den dargestellten Anordnungen nachgekommen wird, bedarf es deren zwangsweiser Durchsetzung. Weigert sich etwa der Betroffene den vom Gerichtspräsidenten ausgesprochenen Hausverweis zu befolgen, beispielsweise indem er das Gerichtsgebäude nicht verlässt oder wird einer Anordnung eines Justizwachtmeisters nicht Folge geleistet und beschränkt sich der Widerstand nicht nur auf die Beschreitung des Rechtsweges, so stellt sich für die Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude die Frage, ob und welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen, den getroffenen Anordnungen zur Durchsetzung zu verhelfen.

I. Anordnungen der Gerichtsverwaltung, der Beamten der Polizei sowie der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes 1. Das Erfordernis einer geschriebenen formell gesetzlichen Grundlage Wie es für die Anordnung sicherheitsrechtlicher Maßnahmen nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf, bedarf es auch für die Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen einer gesetzlichen Regelung, welche zu solchen befugt.846 Dies gilt sowohl dann, wenn der Vollstreckungsmaßnahme eine Anordnung im Sinne einer Grundverfügung vorausgegangen ist, als auch dann, wenn es sich um tatsächliche Eingriffe handelt, etwa weil im Wege des Sofortvollzuges gehandelt werden muss.847 Mit der zwangsweisen Durchsetzung von Verhaltensgeboten gehen selbstständige Eingriffe in Grundrechte einher, welche nach den speziellen Grundrechtsvorbehalten sowie dem allgemeinen Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes eine gesetzliche Grundlage erfordern.848 Neben Eingriffen in 846 Angermaier/Kujath, DRiZ 2012, 338, 340; Ipsen, VerwR AT, Rn. 864; Knemeyer, VBlBW 1982, 249, 252; Muckel, JA 2012, 272, 275; siehe zum früheren Streit der Geltung des Vorbehalts des Gesetzes für Vollstreckungsmaßnahmen Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht, S. 57 ff. m.w.N. 847 Kees, NJW 2013, 1929, 1931. 848 Berg, JuS 1982, 260, 262; Muckel, JA 2012, 272, 275.

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C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen

die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG können bei der hier relevanten Anwendung unmittelbaren Zwanges zudem Eingriffe in das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG sowie in das Recht auf Freiheit der Person gemäß Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG erfolgen.849 Die erforderliche gesetzliche Regelung muss im Sinne des „Wie“ der normativen Ermächtigung eine Geschriebene sein.850 Soweit teilweise im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Anordnungen des öffentlich-rechtlichen Hausrechts vertreten wird, auch die Befugnis zur zwangsweisen Durchsetzung könne sich als Annex zur Sachkompetenz851 oder aus Gewohnheitsrecht852 ergeben, ist dies abzulehnen. Zur Begründung kann auf die bereits oben genannten Gründe verwiesen werden,853 welche auch zur Ablehnung einer Ermächtigung zum Erlass von Anordnungen aus einer Annexkompetenz oder Gewohnheitsrechts geführt haben. Ferner bedarf es eines solchen Kunstgriffes bei der Vollstreckung nicht, denn mit den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen der Länder stehen geschriebene Regelungen zur Verfügung, welche ausdrücklich zu Vollstreckungsmaßnahmen ermächtigen.854 Hinsichtlich der Qualität der erforderlichen Rechtsnorm bedarf es auch für die Vollstreckungsmaßnahmen einer formellen Ermächtigungsnorm. Infolge der hier relevanten Eingriffe mittels unmittelbaren Zwanges in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ist nach Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG das Erfordernis einer formellen Norm festgelegt. Dass es für die vorliegende Untersuchung neben den in den Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzen vorgesehenen vorrangigen Möglichkeiten der Auferlegung eines Zwangsgeldes, Zwangshaft oder der Ersatzvornahme insbesondere auf die Anwendung unmittelbaren Zwanges ankommt, ergibt sich daraus, dass die vorrangigen Zwangsmittel ausscheiden. Die Auferlegung eines Zwangsgeldes oder Zwangshaft scheiden aus, da die Abwehr der in Gerichten drohenden Gefahren in der Regel so eilbedürftig ist, dass die Festsetzung eines Zwangsgeldes oder Zwangshaft untunlich sind. Die Ersatzvornahme kommt nicht in Betracht, da die hausrechtlichen Maßnahmen wie der Hausverweis oder das Hausverbot, aber auch Identitätsfeststellungen oder die Beschlagnahme, unvertretbare Handlungen darstellen855 und mit der Ersatzvornahme lediglich vertretbare Handlungen vollstreckt werden können.856 Für die Regelungstiefe der erforderlichen gesetzlichen Grundlage bedarf es aufgrund des rechtsstaatlichen Gebots der Normenklarheit und Bestimmtheit im Sinne eines nu849

LT-Drs. Sachsen-Anhalt 1/1464, S. 1; siehe auch Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 24, Rn. 14 ff; Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 830 ff. 850 Olizeg, Hausrecht, S. 100 f.; Bethge, Die Verwaltung 1977, 327 f.; Knemeyer, VBlBW 1982, 249, 252. 851 Knoke, AöR 1969, 388, 407; Ronellenfitsch, VerwArch 1982, 465, 474. 852 Knoke, AöR 1969, 388, 407; Tettinger, WissR 1983, 221, 231. 853 Siehe hierzu bereits oben, S. 76ff. und 78ff. 854 So auch Olizeg, Hausrecht, S. 101. 855 Knemeyer, PolR, Rn. 344; Würtenberger/Heckmann, PolR BW, Rn. 781. 856 Sadler, VwVG/VwZG, § 9 VwVG, Rn. 1; Detterbeck, VerwR AT, Rn. 1031; Maurer, VerwR AT, § 20, Rn. 13; Sodan/Ziekow, Grundkurs ÖR, § 80, Rn. 6.

I. Anordnungen

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merus clausus857 der Regelung der Art und Weise, also der zulässigen Mittel der Vollstreckung.858

2. Anordnungen der Gerichtsverwaltung Angesichts der verwaltenden Tätigkeiten der Gerichtsverwaltung kommt für die zwangsweise Durchsetzung der hausrechtlichen Anordnungen des Gerichtspräsidenten die Anwendung der jeweiligen landesrechtlichen Regelungen über den Verwaltungszwang in Betracht. Hierzu müssen sich die hausrechtlichen Anordnungen nach § 1 Abs. 1 S. 1 LVwVG BW859 als Verwaltungsakte mit vollstreckbarem Inhalt darstellen. Dies ist beispielsweise bei Hausverboten oder -verweisen der Fall, denn sie erfüllen alle im jeweiligen § 35 S. 1 LVwVfG genannten Voraussetzungen. Durch den Hausverweis wird dem Adressaten auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch eine Behörde aufgegeben, das Gebäude zu verlassen, bei Hausverboten dieses zudem nicht erneut aufzusuchen, die Maßnahmen betreffen Einzelfälle und sind auf Außenwirkung gerichtet.860 Ferner ist ihr Inhalt vollstreckbar, denn in beiden Fällen besteht das Gebot, sich aus dem Gerichtsgebäude zu entfernen, beim Hausverbot dieses zudem nicht mehr aufzusuchen.861 Ist darüber hinaus der Verwaltungsakt nach § 2 LVwVG BW sowie den entsprechenden Regelungen der anderen Bundesländer862 bereits unanfechtbar oder entfällt die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs, weil die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet wurde, kommt die zwangsweise Durchsetzung in Betracht.

857 Dass die zulässigen Zwangsmittel beschränkt sind, ergab sich erst im 19. Jahrhundert. Zuvor unterlagen dem absolutistischen Grundschluss vom Zweck auf das Mittel entsprechend die in Betracht kommenden Zwangsmittel keiner Beschränkung. Möglich waren z. B. auch die Verbannung außer Landes oder Güterbeschlagnahmen, siehe hierzu Anschütz VerwArch 1893, 389, 413 ff. 858 Deusch/Burr, in: BeckOK VwVfG, § 9 VwVG, Rn. 2; Stephan/Deger, PolG BW, § 49, Rn. 7. 859 Siehe auch Art. 29 Abs. 1 BayVwZVG, § 8 Abs. 1 S. 1 BlnVwVfG i.V.m. § 6 Abs. 1 VwVG, § 1 Abs. 1 VwVGBbg, § 11 Abs. 1 S. 1 BremVwVG, § 1 HmbVwVG, § 1 Abs. 1 HessVwVG, § 110 VwVfG M-V, § 55 Abs. 1 VwVG NRW, § 70 Abs. 1 NVwVG, § 1 Abs. 1 LVwVG RP, § 13 Abs. 1 S. 1 SVwVG, § 19 Abs. 1 SächsVwVG, § 71 Abs. 1 VwVG LSA, § 228 Abs. 1 LVwG SH, § 18 Abs. 1 ThürVwZVG. 860 Berg, JuS 1982, 260, 262; Tettinger, WissR 1983, 221, 231; für Hausverbote so auch VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschluss v. 14. 6. 2011, 4 L 543/11 = NJW 2011, 3317; Engeln, Hausrecht, S. 123; Beaucamp, JA 2003, 231, 234; Ehlers, DÖV 1977, 737, 740; Jutzi, LKRZ 2009, 16; Stelkens, Jura 2010, 363, 365; anders für Hausverweise VGH München, Beschluss v. 09. 07. 1980, Nr. 9 CS 80 A. 268 = BayVBl. 1980, 723, 724, der aufgrund der Formlosigkeit von einer Willenserklärung ausgeht. 861 So auch Stelkens, Jura 2010, 363, 368. 862 Siehe etwa § 2 LVwVG RP, § 3 VwVGBbg, § 2 SächsVwVG, § 229 Abs. 1 LVwG SH.

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C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen

Bevor auf die Frage der konkreten zwangsweisen Durchsetzung der Anordnungen der Gerichtsverwaltung eingegangen werden kann, muss zunächst noch eine andere Frage beantwortet werden. Diese stellt sich deshalb, da in Baden-Württemberg und den anderen Bundesländern außer Niedersachsen, Hessen und Hamburg die Gerichtspräsidenten mangels einer Ermächtigungsnorm über keine Befugnisse zum Erlass hausrechtlicher Maßnahmen verfügen und sich die Maßnahmen daher als rechtswidrig darstellen.863 Angesprochen ist die strittige Frage, ob die Rechtswidrigkeit des zu vollstreckenden Grundverwaltungsaktes sich auf die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung auswirkt. a) Vollstreckung trotz Rechtswidrigkeit des Grundverwaltungsaktes aa) Bestandskräftige oder nichtige Verwaltungsakte Weitgehende Einigkeit besteht zunächst darüber, dass es auf die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung nicht ankommt, wenn der Verwaltungsakt bereits bestandskräftig, also unanfechtbar geworden ist. Die Bestandskraft des Verwaltungsaktes und das mit ihr verfolgte Ziel des Rechtsfriedens schließen es aus, die Rechtmäßigkeit anzuzweifeln.864 Demgegenüber ist eine Konnexität zwischen dem Grundverwaltungsakt sowie der Vollstreckungsmaßnahme anzunehmen, wenn die Grundverfügung nach § 44 LVwVfG BW nichtig ist, denn ein nichtiger Verwaltungsakt ist gemäß § 43 Abs. 3 LVwVfG BW sowie den entsprechenden Normierungen in den Landesverwaltungsverfahrensgesetzen der anderen Bundesländer unwirksam, entfaltet keine Wirkung und kann nicht vollstreckt werden.865 Gleiches gilt, wenn die der bestandskräftigen Grundverfügung zugrundeliegende Norm durch das BVerfG, durch das jeweilige Landesverfassungsgericht oder infolge einer Normenkontrolle nach § 47 Abs. 5 S. 2 VwGO für nichtig erklärt wurde.866 Sowohl durch § 79 Abs. 2 S. 2 BVerfGG als auch durch § 183 S. 2 VwGO wird ein Rechtswidrigkeitszusammenhang normiert und § 47 Abs. 5 S. 3 VwGO verweist auf § 183 VwGO.867 Schließlich besteht Einigkeit über einen anzunehmenden Rechtswidrigkeitszusam863

Siehe hierzu bereits oben, S. 53 ff. Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 24, Rn. 32; Weiß, DÖV 2001, 275, 277; ausführlich auch Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 54 ff. m.w.N.; zweifelnd OVG Münster, Urteil v. 18. 03. 1965, VII A 753/64 = NJW 1965, 1499, 1500; für einen Rechtswidrigkeitszusammenhang VGH Kassel, Beschluss v. 20. 03. 1964, B IV 53/63 = DVBl. 1964, 690, 691 in Bezug auf § 152 Abs. 1 HessGO (heute gestrichen); für die Relevanz der materiellen Rechtslage aber Winterstetter, Verwaltungsakt, S. 96; zur Ausnahme der Behördenkenntnis siehe Erbguth, Allg. VerwR, § 19, Rn. 13; Poscher, in: Bruns u. a., FS Stürner, S. 1941, 1945 m.w.N. 865 Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht, S. 155; Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 124 f.; Erbguth, Allg. VerwR, § 19, Rn. 13; Weiß, DÖV 2001, 275, 276. 866 Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 125 ff. 867 Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 125 ff. 864

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menhang zwischen Grundverfügung und der Vollstreckung in den Fällen des Sofortvollzuges, da die einschlägigen Normen, wie etwa § 6 Abs. 2 VwVG, neben der Rechtmäßigkeit infolge der Bezugnahme auf die „gesetzlichen Befugnisse“ auch das materielle Recht als maßgeblich ansehen, also auch das Vorbringen materiellrechtlicher Einwände zulassen.868 Ist ein vom Gerichtspräsidenten erlassener Verwaltungsakt bereits formell bestandskräftig, etwa weil die Widerspruchsfrist nach § 70 VwGO verstrichen ist oder nicht innerhalb der Frist des § 74 VwGO Klage erhoben wurde, kommt es also nicht darauf an, ob der Verwaltungsakt als rechtmäßig oder wie in Baden-Württemberg sowie der überwiegenden Anzahl der Bundesländer mangels einer Ermächtigungsnorm als rechtswidrig zu beurteilen ist. Unabhängig davon wäre es für die Vollstreckung auch unerheblich, ob sich die hausrechtlichen Verwaltungsakte des Gerichtspräsidenten als rechtmäßig darstellen, wenn die Anordnungen aufgrund der in der ganz überwiegenden Anzahl der Bundesländer fehlenden Ermächtigungsgrundlage nicht nur rechtswidrig, sondern auch nichtig wären. Allerdings führt nicht bereits das Fehlen einer Ermächtigungsnorm zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nach § 44 (L)VwVfG, sondern nur zu dessen Rechtswidrigkeit.869 bb) Rechtswidrigkeitszusammenhang bei anfechtbaren und sofort vollziehbaren Verwaltungsakten? Neben diesen weitgehend unstreitigen Fällen ist jedoch ungeklärt, ob dann, wenn der Grundverwaltungsakt noch nicht unanfechtbar bzw. bestandskräftig ist, die aufschiebende Wirkung aber nach § 80 Abs. 2 VwGO entfällt, der Verwaltungsakt also sofort vollziehbar ist, ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der Grundverfügung und der Vollstreckungsmaßnahme auszumachen ist. Nach dem BVerfG, dem BVerwG, einer Vielzahl von Oberlandesgerichten und dem überwiegenden Teil der Literatur wird in diesen Fällen ein Rechtswidrigkeitszusammenhang abgelehnt und lediglich auf die Wirksamkeit des Grundverwaltungsaktes abgestellt.870 Hiergegen sprechen sich seit den 80-er Jahren einige Obergerichte sowie Stimmen in der Literatur aus, die insbesondere argumentieren, dem rechtstaatlichen 868 Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 123 f.; App/Wettlaufer, Verwaltungsvollstreckungsrecht, § 7, Rn. 38; Sadler, Die Polizei 2008, 185, 189 f.; Weiß, DÖV 2001, 275, 279. 869 BVerwG, Beschluss v. 21. 01. 1954, BVerwG I B 49/53 = NJW 1954, 734, 735; Peuker, in: Knack/Henneke, VwVfG, § 44, Rn. 28; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 44, Rn. 30. 870 BVerwG, Urteil v. 13. 04. 1984, 4 C 31/81 = NJW 1984, 2591, 2592; BVerfG, Urteil v. 01. 12. 1992, 1 BvR 88/91, 576/91 = NJW 1993, 581 f.; BVerfG, Beschluss v. 07. 12. 1998, 1 BvR 831/89 = NVwZ 1999, 290, 292; BVerwG, Urteil v. 25. 09. 2008, 7 C 5/08 = NVwZ 2009, 122; OVG Münster, Urteil v. 04. 11. 1996, 10 A 3363/92 = NWVBl. 1997, 218, 219; Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht, S. 155 ff.; Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 140 ff. m.w.N.; App/Wettlaufer, Verwaltungsvollstreckungsrecht, § 7, Rn. 36; Pieroth/ Schlink/Kniesel, PolR, § 24, Rn. 32; Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 800; Pietzner, VerwArch 1993, 261, 268; Schenke/Baumeister, NVwZ 1993, 1, 2.

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C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen

Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zuwider vertiefe die Vollstreckungsmaßnahme die Rechtswidrigkeit der Grundverfügung.871 Uneinigkeit herrscht dabei jedoch sowohl über die Frage der konkreten Ausgestaltung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs als auch der genauen Auswirkungen auf die Vollstreckung.872 Stellt man zur Klärung dieser Frage auf den Wortlaut der die Vollstreckung regelnden Normen, z. B. § 6 Abs. 1 2. Alt. VwVG oder § 2 LVwVG BW, ab, so ergibt sich, dass diese keinen ausdrücklichen Rechtswidrigkeitszusammenhang statuieren.873 Während gefordert wird, dass der Verwaltungsakt unanfechtbar oder sofort vollziehbar ist, wird die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung nicht als Vollstreckungsvoraussetzung genannt, woraus man zunächst ein deutliches Zeichen dafür entnehmen kann, dass es bei der Vollstreckung nicht auf die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes, sondern nur auf dessen Wirksamkeit ankommt.874 Da es sich bei der Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes jedoch auch um ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal mit der Folge handeln könnte, dass es auf die Konnexität ankäme, kann aus dem Wortlaut allein kein eindeutiges Ergebnis gewonnen werden.875 Zieht man ferner § 18 Abs. 1 S. 3 VwVG sowie einige Normen aus Landesgesetzen, wie etwa Art. 21 BayVwZVG oder § 16 Abs. 2 LVwVG RP sowie § 256 AO heran, kann zunächst auch in systematischer Hinsicht keine eindeutige Lösung gefunden werden.876 Soweit in manchen Landesgesetzen, wie § 18 Abs. 1 S. 2 VwVG oder § 256 AO, die Geltendmachung von Einwendungen gegen den Grundverwaltungsakt im Verfahren gegen Vollstreckungsmaßnahmen und damit ein Rechtswidrigkeitszusammenhang ausgeschlossen wird, könnte man auf der einen Seite annehmen, diese ausdrücklichen Normierungen bestätigen den allgemeinen Grundsatz des Bestehens eines Rechtswidrigkeitszusammenhangs, auf der anderen Seite aber auch, dass diese Regelungen Ausnahmen von einem solchen darstellen.877 Wirft man einen Blick in die den sofortigen Zwang regelnde Vorschrift des § 6 Abs. 2 VwVG, ergibt sich jedoch die ausdrückliche Festlegung eines Rechtswidrigkeits871

VGH Mannheim, Beschluss v. 26. 03. 1984, 14 S 2640/83 = NVwZ 1985, 202, 205; VGH München, Beschluss v. 18. 10. 1993, 24 B 93.92 = NVwZ-RR 1994, 548, 549; Arndt, Anm. zu OVG Münster, Urteil v. 20. 01. 1065, III A 604/64, DVBl. 1966, 602, 603; Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 141 m.w.N.; Enders, NVwZ 2000, 1232, 1237; ders., NVwZ 2009, 958, 959; Heckmann, VBlBW 1993, 41, 42. 872 Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 142 f. m.w.N.; Weiß, DÖV 2001, 275, 276 f. 873 BVerwG, Urteil v. 25. 09. 2008, 7 C 5/08 = NVwZ 2009, 122; Poscher, in: Bruns u. a., FS für Stürner, S. 1941, 1945. 874 Poscher, in: Bruns u. a., FS für Stürner, S. 1941, 1945; Erbguth, Allg. VerwR, § 19, Rn. 13; zweifelnd Pietzcker, in: Baumeister/Roth/Ruthig, FS für Schenke, S. 1045, 1053. 875 So auch Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 59. 876 Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 59 ff.; anders Wolff/Bachof/Stober/ Kluth, VerwR I, § 64, Rn. 82. 877 So auch Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 61.

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zusammenhangs.878 Nach § 6 Abs. 2 VwVG ist die Vollstreckung beim sofortigen Zwang nur rechtmäßig, wenn „die Behörde innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt“. Wird aber in § 6 Abs. 2 VwVG ausdrücklich auf einen Rechtswidrigkeitszusammenhang abgestellt, kann es bei § 6 Abs. 1 VwVG kein Versehen sein, dass sich insoweit kein Hinweis auf die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes findet. Der systematische Vergleich mit § 6 Abs. 2 VwVG lässt sich daher gegen einen Rechtswidrigkeitszusammenhang anführen.879 Dass es nicht auf die Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes ankommt, wird ferner durch historische Erwägungen gestützt. Zwar ergibt sich auf den ersten Blick auch hier kein eindeutiges Ergebnis. Während in § 79 Abs. 1 der Kreisordnung für Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen aus 1872 sowie in § 132 des Preußischen Landesverwaltungsgesetzes die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung Voraussetzung der Vollstreckung war, wurde mit dem Erlass des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes in § 77 PrPVG auf diese Voraussetzung verzichtet und sie schließlich auch nicht wieder in § 6 Abs. 1 VwVG aufgenommen.880 Dies könnte auf der einen Seite so gedeutet werden, dass der Gesetzgeber sich in Kenntnis dieser Vorschriften bewusst gegen die Statuierung eines Rechtswidrigkeitszusammenhangs entschieden hat, zum anderen aber auch so, dass die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes als selbstverständlich angesehen wurde und daher kein Bedürfnis für eine gesonderte Erwähnung bestand.881 Da sich der Gesetzgeber aber in den Gesetzesmaterialien zu § 6 VwVG lediglich bei § 6 Abs. 2 VwVG mit der Frage der Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes beschäftigt und auf eine Auseinandersetzung bei § 6 Abs. 1 VwVG verzichtet, spricht mehr dafür, dass der Gesetzgeber die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes bewusst nicht in § 6 Abs. 1 VwVG aufgenommen hat und die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes nicht als Voraussetzung der Vollstreckung ansah.882 Anders als bei bestandskräftigen Verwaltungsakten kann zwar nicht die Umgehung der Rechtsmittelfristen nach §§ 58, 70, 74 VwGO gegen einen Rechtswidrigkeitszusammenhang angeführt werden, da bei der sofortigen Vollziehung der Grundverwaltungsakt noch nicht formell bestandskräftig ist.883 Allerdings lässt sich gegen die Bejahung der Konnexität ferner anführen, dass Verwaltungsakte unabhängig vom Eintritt der Unanfechtbarkeit so lange wirksam – also verbindlich – sind, solange sie nicht aufgehoben wurden oder sonst im Sinne des § 43 Abs. 2 VwVfG 878 Deusch/Burr, in: BeckOK VwVfG, § 6 VwVG, Rn. 24; Mosbacher, in: Engelhardt/ Schlatmann, VwVG/VwZG, § 6 VwVG, Rn. 29. 879 Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 24, Rn. 32; Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 59. 880 Ausführlich hierzu Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 62 f. 881 Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 62. 882 Siehe hierzu Glaab, Vollstreckung, S. 431; Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 61 f. 883 Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 147.

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ihre Wirkung verloren haben.884 Mit Eintritt der äußeren Wirksamkeit sind sie daher bereits um ihrer selbst willen zu befolgen, unabhängig davon, ob sie rechtmäßig oder rechtswidrig sind, womit auch die in § 43 Abs. 2 VwVfG zum Ausdruck kommende Unterscheidung zwischen Wirksamkeit und Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes gegen die Annahme eines Rechtswidrigkeitszusammenhanges spricht.885 Überzeugend erscheint die Ablehnung eines Rechtswidrigkeitszusammenhangs schließlich vor dem Hintergrund ausreichender Rechtsschutzmöglichkeiten. Da der zu vollstreckende Verwaltungsakt im Falle seiner sofortigen Vollziehung noch anfechtbar ist, hat es der Adressat des Grundverwaltungsaktes gerade in der Hand, gegen diesen vor Durchführung der Vollstreckungsmaßnahme im Wege einer Anfechtungsklage verbunden mit einem Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO vorzugehen.886 Zugestanden werden muss zwar, dass beim Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO lediglich eine summarische Überprüfung der Grundverfügung stattfindet, allerdings ist in den Fällen der sofortigen Vollziehung dem Grundsatz der effektiven Verwaltungsvollstreckung ein überwiegendes Gewicht beizumessen, sei es durch die generell getroffene Entscheidung des Gesetzgebers in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 1 – 3 VwGO oder aber im Falle von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, wonach im Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse bestehen muss. Zudem ist es dem Betroffenen nicht verwehrt, den Grundverwaltungsakt nachträglich, also nach erfolgter Vollstreckung, in vollem Umfang auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen und zur Rückgängigmachung erfolgter Vollstreckungshandlungen einen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch geltend zu machen.887 Vorzugswürdig erscheint es nach alldem einen Rechtswidrigkeitszusammenhang abzulehnen. Die mangels einer Ermächtigungsnorm rechtswidrigen, noch anfechtbaren, aber sofort vollziehbaren Verwaltungsakte des Gerichtspräsidenten stehen einer Vollstreckung dieser Verwaltungsakte nicht entgegen und die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme ist unabhängig von der zugrundeliegenden Anordnung zu beurteilen.

884

Erbguth, Allg. VerwR, § 19, Rn. 13; Weiß, DÖV 2001, 275, 279; ausführlich Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 82 ff, 147 ff. 885 Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 79 ff.; Schenke/Baumeister, NVwZ 1993, 1, 2; Weiß, DÖV 2001, 275, 279. 886 Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 24, Rn. 32; Schenke/Baumeister, NVwZ 1993, 1, 3. 887 App/Wettlaufer, Verwaltungsvollstreckungsrecht, § 7, Rn. 37; Weiß, DÖV 2001, 275, 281 f..; ausführlich zur Frage der Erledigung des Verwaltungsaktes durch Vollzug sowie zur Frage der einschlägigen Klageart Poscher, in: Bruns u. a., FS für Stürner, S. 1941, 1945 ff.; Schweikert, Rechtswidrigkeitszusammenhang, S. 148 ff.

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b) Vollstreckung durch die Gerichtsverwaltung aa) Niedersachsen Regelungen zur zwangsweisen Durchsetzung der nach § 16 Abs. 1 S. 1 NJG möglichen hausrechtlichen Anordnungen des Gerichtspräsidenten finden sich in § 16 Abs. 1 S. 2 NJG und in § 16 Abs. 2 S. 1 NJG. § 16 Abs. 1 S. 2 NJG bestimmt, dass mit der Durchsetzung der Maßnahmen nach S. 1 die Wachtmeister und Justizhelfer beauftragt werden sollen und nach § 16 Abs. 2 S. 1 NJG können die Wachtmeister und Justizhelfer die Maßnahmen nach § 16 Abs. 1 S. 1 NJG durch Anwendung unmittelbaren Zwanges nach Maßgabe der §§ 18 – 21 NJG durchsetzen. Auch wenn diese beiden Vorschriften sich auf die Durchsetzung beziehen, ist in ihnen keine Ermächtigung zur Durchsetzung der getroffenen hausrechtlichen Anordnungen zu sehen. § 16 Abs. 1 S. 2 NJG bestimmt lediglich, dass die Vollstreckung der Anordnungen sinnvollerweise und vorrangig durch die Wachtmeister und Justizhelfer erfolgen soll, nicht aber, dass die Gerichtsverwaltung bzw. der Gerichtspräsident nach dieser Norm selbst zur Vollstreckung ermächtigt sind. Neben dem Wortlaut ergibt sich dies auch aus dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen, wonach „die mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt verbundene Durchsetzung des Hausrechts grundsätzlich den dafür ausgebildeten Beschäftigten überlassen bleiben soll“888. Zudem ist die Norm als „Soll-Vorschrift“ ausgestaltet. Werden solche Vorschriften im Gesetz verwendet, wird zum Ausdruck gebracht, dass die Behörde für den Regelfall rechtlich verpflichtet ist, so zu verfahren, wie es das Gesetz vorsieht und sie nur bei Vorliegen eines atypischen Falles von der Norm abweichen und nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden darf.889 Sollen nach § 16 Abs. 1 S. 2 NJG also im Regelfall die Justizwachtmeister mit der Vollstreckung der Anordnungen des Gerichtspräsidenten betraut werden, ist nicht ausgeschlossen, in Ausnahmefällen selbst zu vollstrecken oder andere, wie etwa die Vollzugspolizei, heranzuziehen. Eine solche Ausnahme kann sich z. B. dann ergeben, wenn die Justizwachtmeister und Justizhelfer mangels einer ausreichenden Ausrüstung oder Ausbildung die Anordnungen nicht oder nicht effektiv zu vollstrecken vermögen und es anstelle oder neben diesen eines Rückgriffs auf die unter anderem mit Schusswaffen ausgerüsteten Polizeibeamten bedarf. Neben § 16 Abs. 1 S. 2 NJG ermächtigt aber auch § 16 Abs. 2 S. 1 NJG die Gerichtsverwaltung bzw. den Gerichtspräsidenten nicht zur Vollstreckung der hausrechtlichen Anordnungen, denn diese Norm bezieht sich lediglich auf die Justizwachtmeister und Justizhelfer. Dass sich aus § 16 Abs. 1 S. 2 NJG sowie § 16 Abs. 2 S. 1 NJG, die ausdrücklich auf die zwangsweise Durchsetzung Bezug nehmen, nicht auch die Ermächtigung der 888 Siehe den schriftlichen Bericht des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen, LTDrs. 17/2507, S. 5. 889 BVerwG, Urteil v. 29. 06. 1961, VI C 148.59 = BVerwGE 12, 284, 285; BVerwG, Urteil v. 15. 12. 1964, VI C 9/.2 = BVerwGE 20, 117, 118; BVerwG, Urteil v. 02. 07. 1992, 5 C 39.90 = BeckRS 1992, 30440196.

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C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen

Gerichtsverwaltung bzw. des Gerichtspräsidenten zur zwangsweisen Durchsetzung der hausrechtlichen Anordnungen ergibt, bedeutet nicht, dass die Durchsetzung verwehrt ist. Zum einen ergibt sich, wie dies teilweise auch bei den polizeilichen Standardermächtigungen der Fall ist,890 aus § 16 Abs. 1 Nr. 2 NJG neben der Ermächtigung zur Maßnahme zugleich auch die Ermächtigung zu ihrer tatsächlichen Durchführung. Zum anderen bietet sich der Gerichtsverwaltung aufgrund ihres funktional verwaltenden Handelns als Erlassbehörde nach § 70 Abs. 1 NdsVwVG891 die Möglichkeit des Verwaltungszwanges gemäß §§ 70 Abs. 1 NdsVwVG i.V.m. §§ 64 – 79 NdsSOG. bb) Hessen und Hamburg In Hessen lässt sich aus § 6 Abs. 1 und 2 IT-StellenG neben der Befugnis zum Erlass von Anordnungen weder die Ermächtigung entnehmen die Anordnungen zu vollstrecken noch mit welchen Mitteln die Vollstreckung konkret erfolgen kann. Sofern sich in Hamburg im HmbSOG neben der Ermächtigung zur Maßnahme zugleich die Ermächtigung zu ihrer Durchführung ergibt, ist vorrangig auf diese Normen abzustellen. Sofern dies, wie in Hessen, nicht der Fall ist, richtet sich die Vollstreckung nach dem jeweiligen Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz, also nach §§ 2, 68 ff. HessVwVG und §§ 2 Abs. 1, 8 ff. HmbVwVG. cc) Die übrigen Bundesländer Da in Baden-Württemberg und den übrigen Bundesländern keine speziellen Ermächtigungsgrundlagen existieren, welche Regelungen über die Vollstreckung von Maßnahmen der Gerichtsverwaltung enthalten, das Handeln sich jedoch als Verwaltungstätigkeit darstellt, ist auch in diesen Ländern auf die allgemeinen landesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsvorschriften zurückzugreifen. In BadenWürttemberg dienen als Ermächtigungsgrundlage der Vollstreckung der hausrechtlichen Verwaltungsakte die §§ 2, 18 LVwVG BW892 in Verbindung mit den Vorschriften über das konkrete Zwangsmittel. 890 Zum Streit, ob sich aus den polizeilichen Standardermächtigungen auch die Ermächtigung zur zwangsweisen Durchsetzung ergibt, siehe unten S. 217 ff. 891 § 4 Abs. 1 LVwVG BW, Art. 30 Abs. 1 S. 1 BayVwZVG, § 8 Abs. 1 S. 1 BerlVwVfG i.V.m. § 7 Abs. 1 VwVG, § 26 Abs. 1 VwVGBbg, § 12 Abs. 1 S. 1 BremVwVG, § 4 HmbVwVG, § 68 Abs. 1 HessVwVG, § 110 VwVfG M-V i.V.m. § 82 SOG M-V, § 56 Abs. 1 VwVG NRW, § 4 Abs. 2 S. 1 LVwVG RP, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SächsVwVG, § 71 Abs. 2 S. 1 VwVG LSA, § 14 Abs. 1 SVwVG, § 231 LVwG SH, § 43 Abs. 1 ThürVwZVG. 892 Art. 19 Abs. 1, 29 Abs. 1 BayVwZVG, § 8 Abs. 1 S. 1 BerlVwVfG i.V.m. § 6 Abs. 1 VwVG, §§ 3, 27 Abs. 1 S. 1 VwVGBbg, § 11 Abs. 1 BremVwVG, §§ 1, 3 Abs. 2 HmbVwVG, § 2 HessVwVG, § 110 VwVfG M-V i.V.m. §§ 79 Abs. 1, 80 Abs. 1 SOG M-V, § 70 Abs. 1 NVwVG i.V.m. § 64 Abs. 1 NdsSOG, § 55 Abs. 1 VwVG NRW, §§ 2, 61 Abs. 1 VwVG RP, §§ 2, 19 Abs. 1 SächsVwVG, § 71 VwVG LSA i.V.m. § 53 Abs. 1 SOG LSA, §§ 13 Abs. 1 S. 1, 18 Abs. 1 SVwVG, §§ 228, 229 Abs. 1 LVwG SH, §§ 19, 44 Abs. 1 ThürVwZVG.

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c) Ausübung des unmittelbaren Zwanges durch Andere Kommt nach den vorangegangenen Ausführungen die Vollstreckung durch die Gerichtsverwaltung bzw. den Gerichtspräsidenten selbst in Betracht, stellt sich diese Möglichkeit im Ergebnis gleichwohl lediglich als theoretische dar. Da sich die zwangsweise Durchsetzung der hier relevanten hausrechtlichen Verwaltungsakte auf die Anwendung unmittelbaren Zwanges beschränkt893 und der Gerichtspräsident hierfür regelmäßig nicht über die entsprechende Ausbildung, Ausrüstung oder praktische Erfahrung verfügt, bedarf es zur Anwendung des unmittelbaren Zwanges des Rückgriffs auf andere Personen. aa) Angehörige des Justizwachtmeisterdienstes als Vollstreckungsbeamte Als Dienstkräfte der Gerichtsverwaltung sowie als unmittelbar vor Ort anwesende Personen kommen dafür die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes in Betracht, die als Vollstreckungsbeamte894 beauftragt werden können. Diese Möglichkeit der Vollstreckungsbehörde zur Heranziehung eigener Dienstkräfte ist in Niedersachsen speziell in der die Befugnisse des Gerichtpräsidenten regelnden Vorschrift des § 16 NJG in Abs. 1 S. 2 vorgesehen. In Baden-Württemberg ergibt sie sich aus § 5 LVwVG BW, ist aber auch in anderen Bundesländern in den landesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsvorschriften normiert.895 Dass sich in Baden-Württemberg auch § 7 JWBG BW auf die Vollstreckung der Anordnungen des Gerichtspräsidenten bezieht896 und für die Vollstreckung das LVwVG BW für anwendbar erklärt, hat lediglich klarstellende Funktion, denn für die Gerichtsverwaltung sowie die nachgeordneten Stellen gilt ohnehin das baden-württembergische Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz.897 In manchen Bundesländern sind bestimmte Maßnahmen, z. B. die Anwendung unmittelbaren Zwanges, ausdrücklich der Ausführung durch die Vollstreckungsbeamten vorbehalten.898 Infolge der Bestellung bzw. Beauftragung durch die Gerichtsverwaltung als Vollstreckungsbehörde können die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes als mit der Vollstreckung beauftragte Bedienstete die Vollstreckungsmaßnahmen vornehmen. Sie unterliegen den Weisungen des Gerichtspräsidenten als Dienstvorge-

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Siehe bereits oben, S. 202. Teils ist auch von Vollziehungsbeamten die Rede, was jedoch in der Sache das Gleiche meint, siehe Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht, S. 130. 895 § 5 Abs. 1 S. 1 SächsVwVG, § 4 Abs. 3 SVwVG. 896 So auch die Begründung des Entwurfes der Landesregierung, LT-Drs. 15/3076, S. 13. 897 LT-Drs. 15/3065, S. 13. 898 So z. B. § 8 S. 1 VwVGBbg; § 6 Abs. 1 S. 1 HessVwVG, § 66 Abs. 1 VwVG NRW, § 65 Abs. 4 VwVG RP. 894

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setztem im Sinne des § 35 S. 1 BeamtStG899 und handeln als dessen verlängerter Arm. Die Ausübung unmittelbaren Zwanges bestimmt sich in Baden-Württemberg vorrangig nach §§ 8 und 9 JWBG BW und, soweit hier keine Regelungen enthalten sind, nach denen des LVwVG BW, in Niedersachsen vorrangig gemäß § 16 Abs. 2 S. 1 und 2 NJG nach den §§ 18 – 21 NJG und, soweit sich hier keine Regelungen finden, nach den §§ 64 – 79 des NdsSOG. In den übrigen Bundesländern sind die jeweiligen verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Vorschriften über die Anwendung unmittelbaren Zwanges einschlägig. Als Mittel des unmittelbaren Zwanges sind in Baden-Württemberg neben einfacher körperlicher Gewalt nach § 9 Abs. 2 S. 1 JWBG BW i.V.m. Nr. 3.2.1.1 VwV JWMD900 als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt insbesondere Fesseln und technische Sperren, als Waffen gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 JWBG BW i.V.m. Nr. 3.2.3.1 VwV JWMD BW Reizstoff-Sprühgeräte und kurze, ausziehbare Einsatzstöcke (Teleskopstöcke) zugelassen. bb) Heranziehung des Polizeivollzugsdienstes im Wege der Vollzugshilfe Nachdem geklärt wurde, inwiefern eine Vollstreckung der Anordnungen der Gerichtsverwaltung durch sie selbst bzw. die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes als Vollziehungs- bzw. Vollstreckungsbeamte in Betracht kommt, stellt sich noch die Frage, ob und wie daneben auf den Polizeivollzugsdienst zurückgegriffen werden kann. Die Notwendigkeit eines solchen Rückgriffs kann aufgrund der beschränkten Anzahl der zur Verfügung stehenden Justizwachtmeister sowie der besonderen Ausbildung, der Fähigkeiten, Kenntnisse, praktischen Erfahrung sowie der Ausrüstung und der verfügbaren Mittel des Polizeivollzugsdienstes bestehen. Da die polizeilichen Vollzugbeamten keine weisungsgebundenen Dienstkräfte der Gerichtsverwaltung sind, können sie nicht wie die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes als Vollziehungs- bzw. Vollstreckungsbeamten herangezogen werden. In Betracht kommt jedoch ein Tätigwerden infolge der in § 60 Abs. 5 PolG BW und den Polizeigesetzen der anderen Bundesländer901 vorgesehenen Vollzugshilfe. Nach der baden-württembergischen Regelung leistet der Polizei899 Siehe auch § 6 Abs. 1 S. 2 HessVwVG, § 23 Abs. 3 S. 1 ThürVwZVG; Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 19; zur Weisungsbefugnis des Direktors eines Amtsgerichts gegenüber dem Justizwachtmeisterdienst VG Würzburg, Urteil v. 26. 01. 2010, W 1 K 09.055 = BeckRS 2010, 36528. 900 Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums über den Justizwachtmeisterdienst v. 11. 06. 2015, Az.: 2370/0103, Die Justiz 2015, S. 165. 901 Art. 2 Abs. 3, Art. 50 – 52 BayPAG, §§ 1 Abs. 5, 52 – 54 ASOG Bln, §§ 1 Abs. 3, 50 – 52 BbgPolG, §§ 1 Abs. 3, 37 – 39 BremPolG, §§ 30, 30a, 30b HambSOG, §§ 1 Abs. 5, 44 – 46 HSOG, §§ 7 Abs. 2, 82a-c SOG M-V, §§ 1 Abs. 4, 51 – 53 NdsSOG, §§ 1 Abs. 3, 47 – 49 PolG NRW und §§ 2 OBG NRW, §§ 47 – 49 PolG NRW, §§ 1 Abs. 4, 96 – 98 POG RP, §§ 1 Abs. 4, 41 – 43 SPolG, §§ 2 Abs. 3, 50 – 52 SOG LSA und § 1 Abs. 1 S. 2 JustZwAnwG LSA, §§ 61 – 63 SächsPolG, §§ 168 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 i.V.m §§ 33 Abs. 2 und 5, 34 Abs. 2, 35 Abs. 2 LVwG SH, §§ 2 Abs 3, 48 – 50 ThürPAG.

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vollzugsdienst Vollzugshilfe, indem er insbesondere auf Ersuchen von Behörden und Gerichten Vollzugshandlungen ausführt, soweit hierfür seine besonderen Fähigkeiten, Kenntnisse oder Mittel benötigt werden. Während damit in Baden-Württemberg lediglich die Voraussetzungen geregelt werden, unter welchen Vollzugshilfe in Anspruch genommen werden kann, gehen manche Bundesländer hierüber hinaus und treffen auch Bestimmungen zum Verfahren im Falle von Vollzugshilfeersuchen sowie zum Verhältnis zur Amtshilfe.902 Dabei besteht Einigkeit, dass es sich bei der Vollzugshilfe um polizeiliches Tätigwerden handelt, das der, notfalls zwangsweisen, Durchführung behördlicher Anordnungen dient und erforderlich ist, weil die Behörde ihre Anordnungen nicht mit eigenen Kräften zu realisieren vermag.903 (1) Vollzugshilfe als Unterfall der Amtshilfe? Ungeklärt ist jedoch, welche Rechtsnatur die Vollzugshilfe aufweist und welche Normen Anwendung finden. Während sich zu diesen Fragen keine Ausführungen in der Rechtsprechung finden,904 geht die Literatur diesen Fragen teilweise nach,905 beantwortet sie jedoch unterschiedlich. Teilweise wird die Vollzugshilfe als Sonderform der Amtshilfe qualifiziert,906 teilweise wird davon ausgegangen, bei ihr handele es sich um ein eigenständiges Rechtsinstitut, welches nicht den Amtshilfevorschriften unterfällt. Letzteres wird insbesondere damit begründet, dass nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG keine Amtshilfe vorliege, wenn die Hilfeleistung in Handlungen bestehe, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegen, was bei der Vollzugshilfe der Fall sei.907 Der ersten Argumentation ist zuzugestehen, dass zwischen der Vollzugshilfe des Polizeivollzugsdienstes und der Amtshilfe eine gewisse Ähnlichkeit besteht, denn in beiden Fällen wird auf Ersuchen die Hilfeleistung einer anderen Behörde in Anspruch genommen und viele der landesrechtlichen Regelungen verweisen auf die entsprechende Geltung der Grundsätze der Amtshilfe.908 Allein diese Ähnlichkeit 902

Art. 50, 51 BayPAG, §§ 52, 53 ASOG Bln, §§ 50, 51 BbgPolG. Ruder, PolR BW, Rn. 85; Sodan/Ziekow, Grundkurs ÖR, § 72, Rn. 13; Zeitler/Trurnit, PolR BW, Rn. 88; Köhler, BayVBl. 1998, 453. 904 OVG Bautzen, Urteil v. 24. 11. 2011, 3 A 130/11 = BeckRS 2012, 45477; VG Freiburg, Beschluss v. 09. 01. 2006, 4 K 2231/05 = BeckRS 2007, 25865; VG Berlin, Urteil v. 18. 01. 2012, VG 1 K 321.11 = BeckRS 2012, 48775. 905 Denninger, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil D, Rn. 223; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 5, Rn. 8; Schenke, PolR, Rn. 409; Sodan/Ziekow, Grundkurs ÖR, § 72, Rn. 13; Würtenberger/ Heckmann, PolR BW, Rn. 175: Köhler, BayVBl. 1998, 453 f.; Martens, JR 1981, 353. 906 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 4, Rn. 17a; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 5, Rn. 8; Ruder, PolR BW, Rn. 102; Klückmann, DVBl. 1977, 952, 953. 907 Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 4, Rn. 17a; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 4, Rn. 42; Denninger, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil D, Rn. 223 m.w.N.; Würtenberger/ Heckmann, PolR BW, Rn. 175; Köhler, BayVBl. 1998, 453; Martens, JR 1981, 353, 354. 908 So etwa Art. 50 Abs. 3 BayPAG; § 47 Abs. 2 S. 2 PolG NRW; § 96 Abs. 2 S. 2 POG RP; dazu auch Denninger, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil D, Rn. 225. 903

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kann jedoch nicht dazu führen, die Vollzugshilfe als eine Form der Amtshilfe zu qualifizieren. Vielmehr spricht der zuletzt genannte Umstand der entsprechenden Geltung der Grundsätze der Amtshilfe eher dafür, dass es sich bei der Amtshilfe und Vollzugshilfe gerade um zwei eigenständige Rechtsfiguren handelt, denn die Geltung der Grundsätze wird lediglich „entsprechend“ angeordnet.909 Wäre die Vollzugshilfe durch den Polizeivollzugsdienst ein Unterfall oder Spezialfall der Amtshilfe, bedürfte es dieser Anordnung der entsprechenden Geltung gerade nicht. Dann könnte auf die Amtshilfenormen direkt verwiesen werden910 oder ein Verweis unterbleiben, da die Amtshilfenormen ohnehin herangezogen werden könnten. Dass es sich bei der Vollzugshilfe um keinen Unterfall der Amtshilfe handelt, ergibt sich ferner aus § 4 Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG, wonach keine Amtshilfe vorliegt, wenn die Hilfeleistung in solchen Handlungen besteht, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgaben obliegen.911 Genau dies ist aber der Fall, denn in den Polizeigesetzen der Länder ist die Vollzugshilfe dem Polizeivollzugsdienst als eigene Aufgabe zugewiesen.912 Zudem sind die zu erbringenden Hilfeleistungen nicht vergleichbar, denn die bei der Amtshilfe zu leistenden Tätigkeiten sind beliebig und austauschbar, während bei der Vollzugshilfe spezielle Hilfeleistungen erbracht werden.913 Schließlich ist in nahezu allen landesgesetzlichen Regelungen zur Vollzugshilfe vorgesehen, dass die Verpflichtung zur Amtshilfe unberührt bleibt.914 Wäre die Vollzugshilfe jedoch eine Form der Amtshilfe, wären die Amtshilfevorschriften ohnehin anwendbar und auch die Verpflichtung zur Amtshilfe müsste nicht ausdrücklich für unberührt erklärt werden. Sprechen damit zwar die besseren Argumente dafür, die Vollzugshilfe als eigenständige Rechtsfigur zu qualifizieren, hat die Bestimmung der Rechtsnatur al909

Shirvani, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 4, Rn. 58. Shirvani, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 4, Rn. 58. 911 Denninger, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil D, Rn. 224; Kähler, Amtshilfe, S. 63; Würtenberger/Heckmann, PolR BW, Rn. 175; Zeitler/Trurnit, PolR BW, Rn. 91 ff.; Köhler, BayVBl. 1998, 453 f.; Martens, JR 1981, 353, 354. 912 Art. 2 Abs. 3, Art. 50 – 52 BayPAG, §§ 1 Abs. 5, 52 – 54 ASOG Bln, §§ 1 Abs. 3, 50 – 52 BbgPolG, §§ 1 Abs. 3, 37 – 39 BremPolG, §§ 30, 30a, 30b HambSOG, §§ 1 Abs. 5, 44 – 46 HSOG, §§ 1 Abs. 4, 51 – 53 NdsSOG, §§ 1 Abs. 3, 47 – 49 PolG NRW und §§ 2 OBG NRW, 47 – 49 PolG NRW, §§ 1 Abs. 4, 96 – 98 POG RP, §§ 1 Abs. 4, 41 – 43 SPolG, §§ 2 Abs. 3, 50 – 52 SOG LSA und § 1 Abs. 1 S. 2 JustZwAnwG LSA, §§ 2 Abs. 3, 48 – 50 ThürPAG. In BadenWürttemberg, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein ergibt sich dies zwar nicht ausdrücklich aus den Aufgabennormen der §§ 1 Abs. 1 PolG BW, § 1 Abs. 1 SächsPolG, § 1 SOG M-V, § 162 LVwG SH, allerdings aus § 60 Abs. 5 PolG BW, § 61 Abs. 2 SächsPolG, §§ 7 Abs. 2, 82a-c SOG M-V und §§ 168 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, S. 2 i.V.m. §§ 33 Abs. 2 und 5, 34 Abs. 2, 35 Abs. 2 SchlHVwG, woraus sich die gesetzliche Verpflichtung zur Leistung von Vollzugshilfe ergibt; siehe auch Funke-Kaiser, in: BeckOK VwVfG, § 4, Rn. 31.1; Denninger, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil D, Rn. 219; Zeitler/Trurnit, PolR BW, Rn. 93; Köhler, BayVBl. 1998, 453 f. 913 Zeitler/Trurnit, PolR BW, Rn. 93. 914 § 47 Abs. 3 PolG NRW, § 96 Abs. 3 POG RP, § 61 Abs. 3 SächsPolG; anders § 60 Abs. 5 PolG BW, so auch Shirvani, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, § 4, Rn. 58. 910

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lerdings ohnehin nur eingeschränkte Relevanz. Sowohl dann, wenn man die Vollzugshilfe als Form der Amtshilfe beurteilt, als auch dann, wenn man sie als eigene Rechtsfigur begreift, ist auf die Grundsätze der Amtshilfe zurückzugreifen. Nimmt man an, bei der Vollzugshilfe handelt es sich um einen Fall der Amtshilfe, sind die Normen über die Amtshilfe sowieso anwendbar, qualifiziert man sie als eigenes Rechtsinstitut, wird die entsprechende Anwendbarkeit der Grundsätze der Amtshilfe in der ganz überwiegenden Anzahl der Bundesländer in den Normen über die Vollzugshilfe ausdrücklich angeordnet.915 Ist dies wie in Baden-Württemberg, Hamburg und Sachsen-Anhalt916 nicht der Fall, ist aber aufgrund der dargestellten Ähnlichkeit auch hier die entsprechende Anwendung zu befürworten, sofern sich in den Vorschriften über die Vollzugshilfe keine Regelungen finden.917 (2) Die Anwendung unmittelbaren Zwanges nach den polizeilichen Vollzugshilferegelungen Die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch den Polizeivollzugsdienst zur zwangsweisen Durchsetzung der Anordnungen der Gerichtsverwaltung im Wege der Vollzugshilfe ist grundsätzlich möglich.918 Die Gerichtsverwaltung ist eine im Sinne der jeweiligen Vorschriften zum Ersuchen um Vollzugshilfe befugte Behörde. Überwiegend stellen die Bundesländer darauf ab, dass „anderen Behörden“ auf Ersuchen Vollzugshilfe geleistet wird.919 In Schleswig-Holstein ist in § 168 Abs. 2 Nr. 1 LVwG SH von den „Ordnungsbehörden“ und in Berlin mit § 52 Abs. 1 ASOG Bln von „Behörden und anderen Stellen“ die Rede. Baden-Württemberg stellt mit § 60 Abs. 5 PolG BW auf das Ersuchen von „Behörden und Gerichten“ ab. Unter all diese Behörden kann die Gerichtsverwaltung subsumiert werden. Während als tatbestandliche Voraussetzung in den Vollzugshilfenormen der meisten Bundesländer gefordert wird, zur Anwendung unmittelbaren Zwanges dürfen nicht die erforderlichen Dienstkräfte verfügbar sein oder die Maßnahmen der ersuchenden Behörde können nicht auf andere Weise selbst durchgesetzt werden,920 915 Art. 50 Abs. 3 BayPAG, § 52 Abs. 3 S. 2 ASOG Bln, § 50 Abs. 2 S. 2 BbgPolG, § 37 Abs. 2 S. 2 BremPolG, § 44 Abs. 3 S. 2 HSOG, § 82a Abs. 2 S. 2 SOG M-V, § 51 Abs. 2 S. 2 NdsSOG, § 47 Abs. 2 S. 2 PolG NRW, § 96 Abs. 2 S. 2 POG RP, § 41 Abs. 2 S. 2 SPolG, § 61 Abs. 2 S. 2 SächsPolG, § 168 Abs. 2 Nr. 1, S. 2 i.V.m. §§ 33 Abs. 2 und 5, 34 Abs. 2, 35 Abs. 2 LVwG SH, § 48 Abs. 2 S. 2 ThürPAG. 916 § 60 Abs. 5 PolG BW, § 50 SOG LSA, §§ 30a und b HmbSOG. 917 Für Baden-Württemberg auch Würtenberger/Heckmann, PolR BW, Rn. 175. 918 So ohne nähere Begründung auch Ramm, DVBl. 2011, 1506, 1509; Stelkens, Jura 2010, 363, 368. 919 Art. 50 Abs. 1 BayPAG, § 50 Abs. 1 BbgPolG, § 37 Abs. 1 BremPolG, § 44 Abs. 2 HSOG, § 82a Abs. 1 SOG M-V, § 51 Abs. 1 NdsSOG, § 47 Abs. 1 PolG NRW, § 96 Abs. 1 POG RP, § 41 Abs. 1 SPolG, § 50 Abs. 1 SOG LSA, § 48 Abs. 1 ThürPAG. 920 Art. 50 Abs. 1 BayPAG, § 50 Abs. 1 BbgPolG, § 52 Abs. 1 ASOG Bln, § 44 Abs. 2 Nr. 1 HSOG, § 82a Abs. 1 SOG M-V, § 47 Abs. 1 PolG NRW, § 96 Abs. 1 POG RP, § 41 Abs. 1 SPolG, § 48 Abs. 1 ThürPAG.

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beschränken sich manche Bundesländer darauf, die nicht ausreichende Anzahl von Dienstkräften als Voraussetzung zu normieren921 oder darauf abzustellen, dass die ersuchende Behörde ihre Maßnahmen nicht selbst durchsetzen kann.922 In Schleswig-Holstein setzt § 168 Abs. 2 Nr. 1 LVwG SH voraus, dass der Vollzug erfolglos geblieben oder unangebracht ist. In Baden-Württemberg fordert § 60 Abs. 5 PolG BW, dass für die Vollzugshandlungen die besonderen Fähigkeiten, Kenntnisse oder Mittel des Polizeivollzugsdienstes benötigt werden. All diese Anforderungen können bei der Inanspruchnahme des Polizeivollzugsdienstes zur Vollziehung der Anordnungen der Gerichtsverwaltung regelmäßig bejaht werden. Zum einen stehen oftmals aufgrund finanzieller Einsparungen nicht genügend Justizwachtmeister zur Seite, zum anderen verfügt der Gerichtspräsidenten als Leiter der Gerichtsverwaltung im Gegensatz zum Polizeivollzugsdienst über keine etwa zur Anwendung unmittelbaren Zwanges erforderliche Ausrüstung. Zudem ist er hierfür nicht ausgebildet und ihm mangelt es an der ausreichenden praktischen Erfahrung. Den Vollzugshilfenormen bzw. dem jeweiligen § 7 Abs. 1 LVwVfG ist ferner insoweit genüge getan, als die Vollstreckung durch die Gerichtsverwaltung bzw. den Gerichtspräsidenten als Hauptmaßnahme nach dem jeweiligen LVwVG als dem Recht der ersuchenden Behörde sowie die Anwendung unmittelbaren Zwanges als die Durchführung nach dem jeweiligen Polizeigesetz des Landes als dem Recht der ersuchten Behörde rechtlich zulässig sein kann. Der Gerichtspräsident ist zur Vollstreckung der hausrechtlichen Verwaltungsakte nach §§ 18 ff. LVwVG BW befugt und der Polizeivollzugsdienst nach den jeweiligen Polizeigesetzen zur Anwendung unmittelbaren Zwanges ermächtigt. Nach den polizeilichen Vorschriften kann als einfache körperliche Gewalt etwa zur Durchsetzung eines Hausverweises das Hinausdrängen, Schieben oder Tragen in Betracht kommen. Als mögliche Hilfsmittel körperlicher Gewalt sind in Baden-Württemberg nach § 50 Abs. 2 PolG BW i.V.m. VwV PolG BW923 unter anderem Fesseln, Schutzschilder, Wasserwerfer, Sperrgeräte, Diensthunde, Reiz- und Nebelstoffe, Sprengmittel sowie im Ausnahmefall sonstige geeignete Mittel wie z. B. ein Stuhl bei einem körperlichen Angriff, Gürtel und Hosenträger924 zugelassen. Als Waffen werden Hiebwaffen, Reizstoffsprühgeräte, Reizstoffgewehre, Mehrzweckpistolen, Pistolen, Revolver, Maschinenpistolen und Gewehre für zulässig erklärt.925 921

§ 51 NdsSOG, § 50 Abs. 1 SOG LSA. § 37 Abs. 1 BremPolG. 923 Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums zur Durchführung des Polizeigesetzes v. 18. 07. 1997, 3 – 1101.2/13, GABl. S. 406. 924 Für die anderen Bundesländer Art. 61 Abs. 3 BayPAG, § 2 Abs. 3 UZwG Bln, § 61 Abs. 2 BbgPolG, § 41 Abs. 3 BremPolG, § 18 Abs. 3 HmbSOG, § 55 Abs. 3 HSOG, § 102 Abs. 3 SOG M-V, § 69 Abs. 3 NdsSOG, § 58 Abs. 3 PolG NRW, § 58 Abs. 3 POG RP, § 31 Abs. 2 SächsPolG, § 58 Abs. 3 SOG LSA, § 49 Abs. 4 SPolG, § 251 Abs. 3 LVwG SH, § 59 Abs. 3 ThürPAG. 925 Für die anderen Bundesländer Art. 61 Abs. 4 BayPAG, § 2 Abs. 4 UZwG Bln, § 41 Abs. 4 BremPolG, § 61 Abs. 3 BbgPolG, § 18 Abs. 4 HmbSOG, § 55 Abs. 4 HSOG, § 102 Abs. 4 SOG M-V, § 69 Abs. 4 NdsSOG, § 58 Abs. 4 PolG NRW, § 58 Abs. 4 POG RP, § 31 922

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3. Anordnungen der Polizei Nachdem geklärt wurde, wie die Anordnungen der Gerichtsverwaltung zwangsweise durchgesetzt werden können und inwiefern die Polizei zur Hilfe genommen werden kann, soll im Folgenden der Frage nachgegangen werden, wie etwaige eigene Anordnungen der Polizei vollstreckt werden können. Auf den ersten Blick scheint diese Frage recht einfach beantwortet werden zu können, denn die Polizeigesetze der Länder sehen neben Regelungen zum Erlass polizeilicher Anordnungen auch Regelungen zum Polizeizwang, wie etwa in Baden-Württemberg in §§ 49 ff. PolG BW,926 vor. Da jedoch in manchen polizeilichen Ermächtigungsnormen dem Wortlaut zufolge entweder neben der Anordnungsbefugnis oder ohne eine solche festzuschreiben, auch Handlungsbefugnisse im Sinne einer Ermächtigung zum Tätigwerden als Realakte vorgesehen sind,927 könnte sich auch etwas anderes ergeben. So bestimmt insbesondere der hier relevante § 26 Abs. 2 PolG BW, dass die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen, wie z. B. das Anhalten und Festhalten, das Durchsuchen des Betroffenen und dessen mitgeführter Sachen sowie die Verbringung zur Dienststelle, getroffen werden können. Anders als sonst im Verwaltungsrecht, das gewöhnlich zwischen Grundverwaltungsakt und Vollstreckung unterscheidet, findet also bei manchen Ermächtigungen im Polizeirecht keine Differenzierung statt, sondern die Durchsetzung kann schon einen Teil der Maßnahme selbst darstellen.928 a) Vorrangige Anwendung der polizeilichen Ermächtigungsgrundlagen Die Frage, wie weit die polizeilichen Ermächtigungsgrundlagen reichen bzw. wo sie enden und das polizeiliche Zwangsverfahren beginnt, wird unterschiedlich beantwortet. Manche nehmen an, die polizeilichen Ermächtigungsgrundlagen enthalten stets nur die Befugnis zur Anordnung von Maßnahmen und die Durchsetzung richte sich ausnahmslos nach den polizeilichen Vollstreckungsnormen.929 Andere sehen in allen Ermächtigungsnormen, also auch in denen, die lediglich Anordnungsbefugnisse enthalten, zugleich die Ermächtigung zu vollstreckungsrechtlichen Maßnahmen.930 Überwiegend wird vertreten, die polizeilichen ErmächtigungsnorAbs. 3 SächsPolG, § 58 Abs. 4 SOG LSA, § 49 Abs. 5 SPolG, § 251 Abs. 4 LVwG SH, § 59 Abs. 4 ThürPAG. 926 So z. B. auch Art. 53 ff. BayPAG, §§ 53 ff. BbgPolG, §§ 40 ff. BremPolG, §§ 47 ff. HSOG, §§ 79 ff. SOG M-V, §§ 30 ff. SächsPolG, §§ 53 ff. SOG LSA. 927 Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 12, Rn. 10; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR I, § 64, Rn. 104. 928 Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 50; Heintzen, DÖV 2005, 1038, 1041. 929 Knemeyer, PolR, 6. Aufl., Rn. 278; wohl auch Hillmann/Fritz, in: Friauf, Handbuch für die öffentliche Verwaltung, S. 126 f., 153. 930 Schmitt-Kammler, NWVBl. 1995, 166, 169 f.

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men, welche auch tatsächliche Handlungen einschließen, ermächtigen zu diesen nur insoweit, als sie vom Befugnisrahmen eingeschlossen sind.931 Sei dies nicht der Fall, da es sich nicht mehr um begriffsnotwendige, typischerweise erforderliche932 oder nicht mehr nur um eingriffsschwache Maßnahmen933 handele, insbesondere solche, bei denen Widerstand gebrochen werde müsse, oder weil die konkrete Ermächtigungsgrundlage zu der bestimmten Handlung keine Ermächtigung erhält,934 bedürfe es eines Rückgriffs auf die Regelungen über den Polizeizwang, also der Vollstreckung vorausgehender Verwaltungsakte oder im Wege sofortigen Vollzuges oder der unmittelbaren Ausführung.935 Zugunsten der ersten Ansicht kann zwar eine klare Systematik ins Feld geführt werden.936 Wie im übrigen Verwaltungsrecht würde sich der Erlass der Anordnung nach der polizeilichen Ermächtigungsgrundlage richten und die Vollstreckung ausschließlich nach den einschlägigen vollstreckungsrechtlichen Normen, sodass keine Unklarheiten über die jeweils anwendbaren Normen blieben. Allerdings wäre ein solches Verständnis nicht mit dem Wortlaut einiger polizeilicher Ermächtigungsgrundlagen vereinbar und würde die Normen, welche neben der Befugnis zu Anordnungen auch Handlungsbefugnisse einräumen, auf Normen mit bloßem Anordnungscharakter reduzieren.937 Diese Vorschriften sehen oftmals auch die Befugnis zu einem konkreten Tätigwerden vor, was unberücksichtigt bliebe, wenn man in diesen Normen lediglich die Einräumung von Befugnissen zur Anordnung von Maßnahmen erblicken und die Vollstreckung nach den allgemeinen polizeilichen Vollstreckungsvorschriften bewerten würde. Unvereinbar mit dem Wortlaut ist es jedoch auch, wenn mit der zweiten Ansicht davon ausgegangen wird, die polizeilichen Ermächtigungen enthalten generell auch die Ermächtigung zur Vollstreckung. Neben Ermächtigungsnormen, die auch die Befugnis zum Tätigwerden enthalten, gibt es ebenso Vorschriften, die gerade keine Handlungsbefugnisse einräumen. Zudem würden die vollstreckungsrechtlichen Regelungen unterlaufen, die zum Schutz des Betroffenen und zur Disziplinierung der Polizeibeamten ausdifferenzierte Voraussetzungen für die Zwangsanwendung vorsehen.938 Schließlich wäre ein solches Verständnis nicht mit den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit 931

Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht, S. 78; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 12, Rn. 14; Heintzen, DÖV 2005, 1038, 1041; dazu, dass die Ermächtigungsnormen generell die Befugnis zur eigenen Vollstreckung erhalten und es Polizeizwanges nur bedarf, wenn Widerstand geleistet werde, Habermehl, PolR, Rn. 513; Scholler/Schloer, PolR, S. 341. 932 Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht, S. 78; Schmitt-Kammler, NWVBl. 1995, 166, 170. 933 Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 12, Rn. 13. 934 Möller/Wilhelm, PolR, S. 104; Heintzen, DÖV 2005, 1038, 1041. 935 Lemke, Verwaltungsvollstreckungsrecht, S. 78; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 12, Rn. 14; Heintzen, DÖV 2005, 1038, 1041; Finger, JuS 2005, 116, 118. 936 Möller/Wilhelm, PolR, S. 104. 937 Möller/Wilhelm, PolR, S. 104; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 12, Rn. 13. 938 Finger, JuS 2005, 116, 118.

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und Rechtsklarheit von zu belastenden Maßnahmen ermächtigenden Regelungen vereinbar, denn diese Gebote verlangen auch für die Vollstreckung hinreichend bestimmte und normklare Vorschriften.939 Überzeugend ist es daher, wenn die zuletzt genannten Ansätze ein Handeln nur dann erlauben, wenn die jeweilige Norm hierzu, neben dem Erlass von Anordnungen oder ohne vorausgehenden Verwaltungsakt, ermächtigt. Der Ansicht, die in typische und atypische Zwangsmaßnahmen auftrennt, ist jedoch nicht zu folgen. Eine solche Auftrennung geht stets mit Abgrenzungsschwierigkeiten einher und birgt gewisse Rechtsunsicherheiten. So wird oftmals nicht klar sein, wann die Grenze zum Atypischen überschritten ist, ob dies erst bei der Überwindung aktiven Widerstands des Betroffenen der Fall ist oder bereits zuvor. Zu den gleichen Problemen führt die Abgrenzung danach, ob es sich noch um eine eingriffsschwache Maßnahme handelt. Diese Probleme werden vermieden, wenn man mit der zuletzt genannten Argumentation eine Ermächtigung zu Zwangsmaßnahmen nur insoweit aus der jeweiligen polizeilichen Vorschrift entnimmt, wie diese hierzu konkret ermächtigt und im Übrigen auf die allgemeinen Vollstreckungsregelungen der Polizeigesetze zurückgreift. Diese Abgrenzung bringt keine Rechtsunsicherheiten mit sich und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Standardmaßnahmen nicht nur zu bestimmten Maßnahmen ermächtigen, sondern diese auch im Vergleich mit den allgemeinen Vorschriften beschränken.940 Zudem entspricht der Ansatz den rechtstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und Normklarheit von Regelungen, welche zu belastenden Maßnahmen ermächtigen. Vorzugswürdig ist es daher, auf die polizeilichen Ermächtigungsnormen insoweit zurückzugreifen, als diese jeweils zu Durchsetzungsmaßnahmen ermächtigen und im Übrigen die Maßnahmen auf die Regelungen über den Polizeizwang zu stützen. Dies wird indes oftmals zu einem Gleichlauf mit den Ansichten führen, welche nach typischen und eingriffsschwachen Zwangsmaßnahmen differenzieren, denn zu aktiven Widerstand brechenden oder funktions- oder substanzverletzenden Maßnahmen ermächtigen die polizeilichen Ermächtigungsgrundlagen zum Schutz des Betroffenen regelmäßig nicht. b) Anwendung der Vorschriften über den Polizeizwang Enthalten die jeweiligen polizeilichen Ermächtigungsnormen keine Regelung zur Durchsetzung oder regeln sie diese nicht abschließend, ist die Vollstreckungsmaßnahme nur dann rechtmäßig, wenn die Polizei zu ihr aus den Normen über den Polizeizwang, in Baden-Württemberg aus den §§ 49 ff. PolG BW,941 ermächtigt ist und die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ein solcher Fall 939

Siehe hierzu bereits oben, S. 47 ff. Wolff/Bachof/Stober/Kluth, VerwR I, § 64, Rn. 05. 941 Siehe für die anderen Bundesländer z. B. auch Art. 53 ff. BayPAG, §§ 53 ff. BbgPolG, §§ 40 ff. BremPolG, §§ 47 ff. HSOG, §§ 79 ff. SOG M-V, §§ 30 ff. SächsPolG, §§ 53 ff. SOG LSA. 940

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C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen

kann sich für den Polizeivollzugsdienst in Gerichtsgebäuden beispielsweise dann ergeben, wenn einem angeordneten Platzverweis gemäß § 27a Abs. 1 PolG BW in dem Sinne, dass eine Person sich vom Gerichtsgelände zu entfernen hat, nicht nachgekommen wird. Die zwangsweise Durchsetzung dieser Anordnung richtet sich, da § 27a Abs. 1 PolG BW insoweit keine Regelung enthält, nach den polizeilichen Vollstreckungsnormen. Bedarf es der Anwendung unmittelbaren Zwanges, der sich in Baden-Württemberg nach §§ 50 ff. PolG BW richtet, kann der Pflichtige etwa vom Gerichtsgelände gedrängt, abgeführt oder weggetragen werden. Als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt stehen nach § 50 Abs. 2 PolG BW i.V.m. VwV PolG BW z. B. Fesseln sowie als Waffen Hiebwaffen, Reizstoffsprühgeräte, aber z. B. auch Pistolen oder Revolver zur Verfügung.

4. Anordnungen der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes So wie die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes lediglich in BadenWürttemberg, Bayern und Sachsen zum Erlass eigener Anordnungen ermächtigt sind, verhält es sich auch bei der zwangsweisen Durchsetzung. In Baden-Württemberg bestimmt § 7 JWBG BW, dass sich die Vollstreckung, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz richtet. Etwas anderes ist zunächst insoweit bestimmt, als sich aus den durch § 3 JWBG BW für anwendbar erklärten polizeilichen Ermächtigungsnormen wiederum bereits die Möglichkeit zur Durchsetzung ergibt.942 Weiterhin bestimmt § 8 JWBG BW, dass als Zwangsmittel die Ersatzvornahme und der unmittelbare Zwang in Betracht kommen, womit die Anwendung der übrigen im LVwVG BW vorgesehenen Zwangsmittel ausgeschlossen ist.943 Etwas anderes ergibt sich schließlich daraus, dass die Anwendung unmittelbaren Zwanges in § 9 JWBG BW geregelt ist und auf die in der Norm genannten Vorschriften des PolG BW verwiesen wird, womit auch ein Rückgriff auf §§ 26 ff. LVwVG BW ausscheidet. Für das Zwangsmittel der Ersatzvornahme bleibt es mangels einer spezielleren Norm bei der Anwendung der Normen über die Ersatzvornahme aus dem LVwVG BW. In Bayern und Sachsen bestimmt sich die Vollstreckung sowohl nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG als auch nach § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG nach den jeweiligen polizeilichen Vollstreckungsnormen des BayPAG und des SächsPolG einschließlich der dort vorgesehenen Anwendung unmittelbaren Zwanges. Vorrangig sind jedoch, wie auch in Baden-Württemberg, die für anwendbar erklärten Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Anordnungen darauf zu untersuchen, ob sich nicht aus diesen bereits Befugnisse zur Durchsetzung ergeben. Sofern dies nicht der Fall ist, ist 942

Zur Frage der vorrangigen Anwendbarkeit siehe bereits oben, S. 217 f. So auch die Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung zu § 8 JWBG BW, LT-Drs. 15/3076, S. 13. 943

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auf die allgemeinen polizeilichen Vollstreckungsregelungen zurückzugreifen, mithin auf die §§ 30 ff. SächsPolG und Art. 60 ff. BayPAG. Dass sich anders als in BadenWürttemberg die Vollstreckung auf die Anwendung unmittelbaren Zwanges beschränkt, ist unschädlich, da, wie bereits ausgeführt, für die vorliegende Untersuchung die Ersatzvornahme mangels vertretbarer Handlungen ohnehin ausscheidet. Welche Mittel zur Anwendung unmittelbaren Zwanges bei der Vollstreckung eingesetzt werden können, ist in den Bundesländern wiederum unterschiedlich geregelt. Während in Bayern der Schusswaffengebrauch mangels eines einschränkenden Verweises auf das bayerische Polizeiaufgabengesetz und damit auch auf Art. 66 ff. BayPAG durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG möglich ist, scheidet der Schusswaffengebrauch in Baden-Württemberg und Sachsen aus. § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG a.E. sieht ausdrücklich vor, dass Schusswaffen nicht zugelassen sind und in Baden-Württemberg sind als Waffen nach § 9 Abs. 2 S. 2 JWBG BW i.V.m. Nr. 3.2.3.1 VwV JWMD BW nur Reizstoff-Sprühgeräte sowie kurze, ausziehbare Einsatzstöcke (Teleskopstöcke) vorgesehen. Außer Schusswaffen sind als Waffen in Sachsen außerdem Schlagstöcke und in Bayern auch Elektroimpulsgeräte und vergleichbare Waffen zulässig. Zurückgegriffen werden kann ferner auf die in den jeweiligen für anwendbar erklärten Vorschriften genannten Hilfsmittel körperlicher Gewalt, wie etwa Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Reizund Betäubungsstoffe.944

5. Zwischenergebnis Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die hausrechtlichen Verwaltungsakte trotz der in Baden-Württemberg und der überwiegenden Anzahl der übrigen Bundesländer bestehenden Rechtswidrigkeit durch die Gerichtsverwaltung bzw. den Gerichtspräsidenten zwangsweise durchgesetzt werden können, sofern die Verwaltungsakte noch nicht unanfechtbar bzw. bestandskräftig und sofort vollziehbar sind. Die Vollstreckung richtet sich in Baden-Württemberg und den anderen Bundesländern, welche den Gerichtspräsidenten keine hausrechtlichen Befugnisse an die Hand gegeben haben, nach dem jeweiligen Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz, in Niedersachsen vorrangig nach § 16 Abs. 1 S. 1 NJG. Zur Anwendung des einzig in Betracht kommenden Zwangsmittels des unmittelbaren Zwanges können die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes als Vollstreckungsbeamte eingesetzt werden. In Einzelfällen kann auch eine Heranziehung des Polizeivollzugsdienstes im Wege der Vollzugshilfe erfolgen. Die zwangsweise Durchsetzung der polizeilichen Anordnungen erfolgt in allen Bundesländern vorrangig nach den jeweiligen polizeilichen Ermächtigungsnormen,

944 Art. 9 Abs. 2 JWBG BW i.V.m. Nr. 3.2.1.1 VwV JWMD, Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 61 Abs. 3 BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 31 Abs. 2 S. 1 SächsPolG.

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C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen

soweit diese sogleich zur Durchführung ermächtigen, im Übrigen nach den landesrechtlichen Regelungen über den Polizeizwang. Die Anordnungen der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes können entsprechend den Anordnungsbefugnissen auch nur in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen zwangsweise durchgesetzt werden. Die Vollstreckung richtet sich vorrangig nach den zu Maßnahmen ermächtigenden Vorschriften, im Übrigen in Baden-Württemberg nach dem LVwVG BW und in Bayern und Sachsen nach den jeweiligen Normen über den Polizeizwang.

II. Sitzungspolizeiliche Verfügungen des Vorsitzenden Für die Vollstreckung der nach § 176 GVG getroffenen sitzungspolizeilichen Verfügungen sieht § 177 S. 1 GVG vor, dass Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen nicht Folge leisten, aus dem Sitzungszimmer entfernt sowie zur Ordnungshaft abgeführt werden können. Entscheidungsbefugt ist nach § 177 S. 2 GVG gegenüber Verfahrensnichtbeteiligten der Vorsitzende, bei Verfahrensbeteiligten das Gericht.

1. Fragmentarische Regelung des § 177 S. 1 GVG und Lösungsansätze Dem Wortlaut zufolge könnte man davon ausgehen, die Nennung der beiden Zwangsmittel in § 177 S. 1 GVG sei abschließend.945 Dies hätte zur Folge, dass bei den durch § 176 GVG gewährten Möglichkeiten von Verhaltensverfügungen lediglich die Verfügung das Sitzungszimmer zu verlassen, zwangsweise durchgesetzt werden könnte.946 Bei allen anderen sitzungspolizeilichen Verfügungen, etwa das Mobiltelefon oder den Fotoapparat auszuschalten oder herauszugeben, wäre im Falle der Weigerung keine unmittelbare zwangsweise Durchsetzung möglich. Die Störung könnte zwar über die Anwendung der in § 177 S. 1 GVG vorgesehenen Zwangsmittel, also durch die Entfernung aus dem Sitzungsraum oder die Ordnungshaft, indirekt unterbunden werden, wenn nach der Weigerung zudem die Verfügung erfolgen würde, den Sitzungsraum zu verlassen. Die Verfügungen selbst, etwa das Mobiltelefon herauszugeben, könnten aber nicht zwangsweise durch die Wegnahme durchgesetzt werden, da § 177 S. 1 GVG dies gerade nicht vorsieht.947 945 Zimmernann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 10, § 177 GVG, Rn. 7; Gmelch, Ungebühr vor Gericht, S. 18; wohl auch Kortgen, Probleme des Gewohnheitsrechts, S. 16. 946 Olizeg, Hausrecht, S. 142. 947 So auch Olizeg, Hausrecht, S. 142 f.; Kees, NJW 2013, 1929, 1932.

II. Sitzungspolizeiliche Verfügungen des Vorsitzenden

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Teilweise wird daher davon ausgegangen, die Zwangsanwendung durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes müsse (wohl unbeschränkt) zulässig sein.948 Andere nehmen an, die Durchsetzung sei zwar nach §§ 176 ff. GVG grundsätzlich möglich, da allerdings über weitere Vollstreckungsmittel neben der Entfernung aus dem Sitzungssaal und der Ordnungshaft keine Aussage getroffen werde, komme eine weitergehende Durchsetzung nur dann in Betracht, wenn sie an anderer Stelle konstitutiv eingeräumt werde.949 Begründet wird dies damit, dass die Aufzählung in § 177 S. 1 GVG nicht als abschließende zu verstehen sei, also keine Sperrwirkung gegenüber anderen Vollstreckungsmöglichkeiten bewirke.950

2. Bewertung der Lösungsansätze Macht man sich klar, dass es auch für Vollstreckungsmaßnahmen nach den Grundrechtsvorbehalten bzw. dem allgemeinen Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes einer gesetzlichen Ermächtigung durch ein formelles Gesetz bedarf und dieses im Hinblick auf die Regelungstiefe die zulässigen Mittel der Vollstreckung bezeichnen muss,951 ist der erstgenannte Ansatz abzulehnen. Enthält § 177 S. 1 GVG keine Regelung zu weiteren Vollstreckungsmöglichkeiten außer der Entfernung aus dem Sitzungssaal und der Ordnungshaft, kann aufgrund des Erfordernisses der Nennung der zulässigen Zwangsmittel nicht davon ausgegangen werden, weitere Vollstreckungsmöglichkeiten seien, ohne dass das Vorliegen einer weiteren Ermächtigung gefordert wird, möglich bzw. es könne unbeschränkt vollstreckt werden. Dies würde dazu führen, dass nicht genannte Zwangsmittel ohne gesetzliche Verankerung angewandt würden, was nicht zuletzt aufgrund der hohen Eingriffsintensität, welche Vollstreckungsakte mit sich bringen, nicht mehr mit dem Erfordernis des numerus clausus der zulässigen Zwangsmittel und damit den Grundrechtsvorbehalten bzw. dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes vereinbar wäre. Zutreffend geht daher der zweitgenannte Ansatz davon aus, dass sich aus § 177 S. 1 GVG keine weiteren als die genannten Vollstreckungsmöglichkeiten ergeben und solche nur in Betracht kommen, sofern diese Möglichkeit an anderer Stelle konstitutiv eingeräumt ist. Richtigerweise wird angenommen, dass die Aufzählung der Ordnungsmittel in § 177 S. 1 GVG nicht abschließend ist und keine Sperrwirkung gegenüber anderen Vollstreckungsmitteln entfaltet. Zwar könnte man unter Heranziehung des Wortlautes von § 177 S. 1 GVG zu der Annahme gelangen, die hier aufgeführten Zwangsmaßnahmen seien in einem abschließenden Sinn zu verstehen, da in der Vorschrift lediglich die Entfernung aus dem Sitzungsraum und die 948

Lückemann, in: Zöller, ZPO, § 176, Rn. 6. OLG Celle, Beschluss v. 15. 07. 1991, 1 VAs 15/90 = NStZ 1991, 559, 560; Kees, NJW 2013, 1929, 1932. 950 Kees, NJW 2013, 1929, 1932. 951 Siehe hierzu bereits oben, S. 201 f. 949

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C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen

Ordnungshaft genannt sind und sich kein Hinweis findet, dass diese Aufzählung beispielhaft gemeint ist. Zudem verweist § 179 GVG für die Vollstreckung nur auf die „vorstehend bezeichneten Ordnungsmittel“, also auf die in §§ 177, 178 GVG genannten. Allerdings würde ein solches Verständnis, welches § 177 S. 1 GVG als abschließende Norm begreift, dazu führen, dass eine Vielzahl der möglichen Verfügungen überhaupt nicht zwangsweise durchgesetzt werden könnte, da es hierfür anderer Zwangsmittel als der Entfernung aus dem Sitzungszimmer und der Ordnungshaft bedürfte. Dies wird vor allem dann deutlich, wenn beispielsweise der Einsatz von Hilfsmitteln körperlicher Gewalt oder Waffen erforderlich wird, welcher von § 177 S. 1 GVG nicht zugelassen ist. Zudem bestünde bei der Annahme einer Sperrwirkung die Gefahr, dass die Zwangsmittel der Entfernung aus dem Sitzungszimmer und Ordnungshaft auch dann angewandt würden, wenn es dieser im konkreten Fall möglicherweise gar nicht bedürfte. Sie würden sich als unverhältnismäßig darstellen, da mildere Mittel zur Durchsetzung der Verfügung und zur Abwehr der Störung für die Sitzung verholfen hätten.952 Denkbar ist ein solcher Fall dann, wenn es zur Durchsetzung der Verfügung, das Mobiltelefon in der Verhandlung auszuschalten oder nicht zu telefonieren, auch genügt hätte, dieses zwangsweise auszuschalten oder es der störenden Person wegzunehmen. Dass es hierfür nicht der Ordnungshaft oder der Entfernung der störenden Person aus dem Verhandlungsraum bedarf, liegt auf der Hand. Unabhängig hiervon ist das Verständnis einer nicht vorhandenen Sperrwirkung zudem mit dem von § 177 S. 1 GVG verfolgten Sinn und Zweck konform. Dieser liegt nicht darin, eine abschließende Regelung der Vollstreckung nicht befolgter Verfügungen nach § 176 GVG zu schaffen, sondern neben der Bestimmung der Zuständigkeit Einschränkungen des Gebots der Öffentlichkeit zu ermöglichen und zu rechtfertigen.953 Gibt es dann aber Mittel, welche zwar nicht in § 177 S. 1 GVG genannt sind, allerdings keine oder weniger einschneidende Einschränkungen des Öffentlichkeitsgebotes mit sich bringen, können diese Mittel nicht durch § 177 S. 1 GVG ausgeschlossen sein. Darüber hinaus spricht für eine Ablehnung der Sperrwirkung § 1 Abs. 2 S. 2 JWBG BW. Nach dieser Vorschrift ist zur Vollziehung von Maßnahmen der Sitzungspolizei das JWBG BW nur anwendbar, soweit keine bundesrechtlichen Regelungen bestehen. Wäre es jedoch so, dass § 177 S. 1 GVG die Vollziehung abschließend regelt, bedürfte es der Regelung in § 1 Abs. 2 S. 2 JWBG BW nicht. Sie bringt gerade das Gegenteil zum Ausdruck, dass neben den sitzungspolizeilichen Normen auch andere Vorschriften die Vollziehung zu regeln vermögen. Schließlich wird sowohl in der Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung zum JWBG BW als auch im schriftlichen Bericht des Ausschusses für Rechts- und 952 Olizeg, Hausrecht, S. 143; das Verhältnismäßigkeitsprinzip gilt auch bei der Ausübung sitzungspolizeilicher Maßnahmen, BVerfG, Beschluss v. 18. 02. 1970, 1 BvR 226/69 = NJW 1970, 851, 852; BVerfG, Beschluss v. 19. 12. 2007, 1 BvR 620/07 = NJW 2008, 977, 979; Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 14. 953 Kees, NJW 2013, 1929, 1932.

II. Sitzungspolizeiliche Verfügungen des Vorsitzenden

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Verfassungsfragen zum Entwurf des NJG ausgeführt, die Vollstreckung der sitzungspolizeilichen Verfügungen sei in den §§ 176 ff. GVG nicht abschließend geregelt und es bedürfe daher einer gesonderten Regelung.954 Ausgehend von einer nicht vorhandenen Sperrwirkung des § 177 S. 1 GVG erkennt die zweitgenannte Ansicht überdies das Erfordernis einer gesetzlichen Ermächtigung für weitere Vollstreckungsmöglichkeiten. Zutreffend geht sie davon aus, dass es nach den Grundrechtsvorbehalten sowie dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes und dem Erfordernis des numerus clausus der zugelassenen Zwangsmittel einer konstitutiven gesetzlichen Regelung bedarf, welche konkret die zwangsweise Durchsetzung der sitzungspolizeilichen Verfügungen sowie die möglichen Vollstreckungsmittel vorsieht. Nicht überzeugen kann es deshalb, wenn angenommen wird, die anderen als in § 177 S. 1 GVG genannten Mittel zur Durchsetzung der sitzungspolizeilichen Verfügungen seien sodann auf § 176 GVG zu stützen.955 § 176 GVG regelt weder, dass überhaupt sitzungspolizeiliche Verfügungen durchgesetzt werden können, noch mit welchen Mitteln dies erfolgen kann. Zudem wäre ein solches Verständnis nicht mit der Systematik der §§ 176 ff. GVG vereinbar. Während § 176 GVG sich darauf beschränkt, die Rechtsgrundlage für sitzungspolizeiliche Verfügungen zu bilden, knüpft § 177 S. 1 GVG hieran an und trifft Bestimmungen für den Fall der Missachtung dieser Verfügungen.956 Neben der zutreffenden Annahme des Erfordernisses einer konstitutiven Regelung erkennt die zweitgenannte Ansicht schließlich, dass wenn eine konstitutive Normierung nicht existiert, eine über § 177 S. 1 GVG hinausgehende zwangsweise Durchsetzung der sitzungspolizeilichen Verfügungen des Vorsitzenden mangels einer Rechtsgrundlage nicht in Betracht kommt.

3. Konstitutive Normen Da es für die Vollstreckung somit entscheidend darauf ankommt, ob neben § 177 S. 1 GVG konstitutive anderweitige Normen existieren, welche zu Vollstreckungsmaßnahmen ermächtigen sowie die zulässigen Vollstreckungsmittel benennen, soll im Folgenden geklärt werden, ob und inwieweit sich solche Vorschriften finden lassen. a) Baden-Württemberg Nach § 7 JWBG BW richtet sich die Vollstreckung von Maßnahmen durch den Justizwachtmeisterdienst, zu denen nach § 1 Abs. 1 JWBG BW auch richterliche 954

LT-Drs. BW 15/3076, S. 13 und LT-Drs. Nds. 17/2507, S. 3. So aber Olizeg, Hausrecht, S. 145; a.A. Gmelch, Ungebühr vor Gericht, S. 18. 956 Allgayer, in: BeckOK StPO, § 177 GVG, Rn. 4; Zimmernann, in: MünchKomm ZPO, § 176 GVG, Rn. 10; Neff, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 176 GVG, Rn. 1; § 177 GVG, Rn. 1. 955

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C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen

Anordnungen gehören, nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 8 JWBG BW bestimmt mit der Ersatzvornahme und dem unmittelbaren Zwang die zulässigen Zwangsmittel. Dass es sich dabei kompetenzrechtlich um Landesnormen handelt, obwohl die §§ 176 ff. GVG bundesgesetzlich geregelt sind, steht nicht entgegen, denn die Bundesländer sind zur Gesetzgebung befugt, soweit die bundesrechtlichen Vorschriften lückenhaft sind, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG i.V.m. Art. 72 Abs. 1 GG.957 Damit existiert in BadenWürttemberg mit § 7 JWBG BW sowohl eine Regelung, welche die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes zur Vollstreckung der nach § 176 GVG getroffenen sitzungspolizeilichen Verfügungen ermächtigt, als auch mit § 8 JWBG BW eine, die die Art und Weise, also die zulässigen Vollstreckungsmittel, bezeichnet. Dass diese Normen unter anderem die aufgezeigten Lücken der Vollstreckungsmöglichkeiten schließen sollen, ergibt sich in Baden-Württemberg auch ausdrücklich aus der Begründung des Gesetzesentwurfes der Landesregierung. Danach wirkt der Verweis in § 7 JWBG BW „konstitutiv“958, soweit die §§ 176 ff. GVG keine Regelungen zur Vollstreckung sitzungspolizeilicher Verfügungen enthalten.959 b) Bayern und Sachsen Neben Baden-Württemberg findet sich auch in Bayern eine anderweitige Regelung. Die in Bayern Befugnisse einräumende Vorschrift des Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG sieht neben der Ermächtigung zu Anordnungen vor, dass den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes zur Vollziehung richterlicher Anordnungen die Befugnis obliegt, unmittelbaren Zwang nach dem BayPAG anzuwenden. Die Anwendung unmittelbaren Zwanges ist durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG nicht beschränkt, sodass über § 177 S. 1 GVG hinaus jede Form unmittelbaren Zwanges, sei es durch körperliche Gewalt, durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder durch Waffen, selbst aufgrund des umfassenden Verweises auf das BayPAG durch Schusswaffen, möglich ist. Ähnlich wie in Bayern sieht das SächsJG in § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG konstitutiv vor, dass den Bediensteten des Justizwachtmeisterdienstes zur Vollziehung richterlicher Anordnungen die Befugnis zur Anwendung unmittelbaren Zwangs zukommt. Über § 177 S. 1 GVG hinaus kann damit auch in Sachsen unmittelbarer Zwang angewandt werden. Anders als in Bayern ist jedoch der Gebrauch von Schusswaffen ausdrücklich durch § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG a.E. ausgeschlossen.

957 958 959

Für Niedersachsen, LT-Drs. 17/2507, S. 3. LT-Drs. 15/3076, S. 13. LT-Drs. 15/3076, S. 13.

II. Sitzungspolizeiliche Verfügungen des Vorsitzenden

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c) Hessen, Thüringen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt Konstitutive Normen finden sich weiterhin in Hessen, Thüringen und Niedersachsen. Diesen Bundesländern ist gemeinsam, dass sie Regelungen zur Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Bedienstete der Gerichte und Staatsanwaltschaften erlassen haben, welche zwar keine Befugnisse zum Erlass eigener Anordnungen enthalten, aber die Befugnis einräumen, zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben unmittelbaren Zwang anzuwenden.960 So sehen § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 HessGerOrdG961, § 1 S. 1 ThürUZwG962 sowie § 14 S. 1 und 2 NJG963 die Befugnis der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes zur Anwendung unmittelbaren Zwanges bei der Vollziehung sitzungspolizeilicher Maßnahmen bzw. richterlicher Anordnungen vor. Ob sich auch aus dem Gesetz zur Anwendung unmittelbaren Zwanges in SachsenAnhalt eine anderweitige Regelung ergibt, erscheint auf den ersten Blick nicht eindeutig. Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 S. 1 JustZwAnwG LSA964 ist die Anwendung unmittelbaren Zwanges neben der Vollziehung staatsanwaltschaftlicher Anordnungen nur zur Vollziehung „gerichtlicher“ Anordnungen möglich. Anders als in Hessen, Thüringen oder Niedersachsen wird auf die Nennung der Vollziehung „richterlicher“ oder „sitzungspolizeilicher“ Anordnungen verzichtet. Dem Wortlaut zufolge könnte man daher davon ausgehen, die Vollstreckung sitzungspolizeilicher Maßnahmen sei nach diesen Normen durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes nicht möglich. Zu einem anderen Ergebnis könnte man aber gelangen, wenn man die Vorschrift so verstehen müsste, dass auch die sitzungspolizeilichen Anordnungen unter den Begriff der „gerichtlichen Anordnungen“ zu subsumieren sind. Hiergegen kann argumentiert werden, dass etwa in § 1 Abs. 1 S. 1 HessGerOrdG neben der Vollziehung der gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Anordnungen in Nr. 5 explizit auch die Vollziehung sitzungspolizeilicher Maßnahmen in Nr. 4 aufgeführt ist. Wären die sitzungspolizeilichen Maßnahmen unter die gerichtlichen Anordnungen zu subsumieren, wäre die Nennung überflüssig. Gegen ein solches Verständnis spricht jedoch, dass in Nr. 5 von der Vollziehung „sonstiger gerichtlicher (…) Anordnungen“ die Rede ist, was darauf schließen lässt, dass die sitzungspolizeilichen Maßnahmen in Nr. 4 auch als „gerichtliche Maßnahmen“ verstanden werden, die sitzungspolizeilichen Maßnahmen in Nr. 4 aber gesondert bzw. klarstellend erwähnt werden sollen. Aus der expliziten Nennung der 960

Kees, NJW 2013, 1929, 1933. Gesetz über die Wahrnehmung von sicherheits- und ordnungsrechtlichen Befugnissen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften v. 10. 05. 1982, GVBl. I S. 97. 962 Thüringer Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Bedienstete der Gerichte und Staatsanwaltschaften v. 22. 03. 1996, GVBl. S. 33. 963 Niedersächsisches Justizgesetz v. 16. 12. 2014, Nds. GVBl. 2014, S. 436. 964 Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Bedienstete der Gerichte und der Staatsanwaltschaften v. 09. 10. 1992, GVBl. LSA 1992, S. 722. 961

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C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen

sitzungspolizeilichen Maßnahmen neben den gerichtlichen Anordnungen, etwa in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 HessGerOrdG, lässt sich damit nicht ableiten, dass die sitzungspolizeilichen Anordnungen nicht auch unter den Begriff der „gerichtlichen Anordnungen“ fallen. Dass sitzungspolizeiliche Anordnungen zugleich gerichtliche Anordnungen sind, ergibt sich zudem positiv daraus, dass die Gerichte sowohl der Exekutive als auch der Judikative zuzuordnen sind.965 Als Teile der Judikative üben die Gerichte Spruchtätigkeiten aus und erlassen die hierzu erforderlichen sitzungspolizeilichen Verfügungen, sodass auch diese Verfügungen als Teil der möglichen gerichtlichen Anordnungen eingeordnet werden müssen. Dies wird schließlich durch §§ 177, 178 GVG bestätigt, denn in dem Fall, dass nicht der Vorsitzende, sondern das Gericht als Kollegium eine sitzungspolizeiliche Maßnahme erlässt, besteht kein Zweifel daran, die sitzungspolizeilichen Maßnahmen nicht zugleich als gerichtliche Anordnungen zu qualifizieren. d) Rheinland-Pfalz und Bremen Keine konstitutive Regelung ergibt sich aus § 1 UZwVO RP966, wonach Angehörige des Justizwachtmeisterdienstes unter anderem zur Ausführung von Vollzugsund Vollstreckungsmaßnahmen zur Anwendung unmittelbaren Zwanges befugt sind. Auch zur zwangsweisen Durchsetzung der hier relevanten Maßnahmen bedarf es der Ermächtigung in einem formellen Gesetz,967 welches mit der UZwVO RP, bei welcher es sich lediglich um eine Rechtsverordnung handelt, nicht vorliegt. Schließlich sieht § 86 Nr. 1 BremPolG vor, dass unter anderem die §§ 40 – 47 des BremPolG, welche die Zwangsanwendung regeln, sinngemäß auch für die als Justizwachtmeister tätigen Personen der Gerichte während der Ausübung ihres Dienstes gelten. Allerdings ist auch hierin keine Ermächtigung zur Vollstreckung bestimmter Anordnungen durch die Justizwachtmeister zu sehen. Die §§ 86 Nr. 1, 40 – 47 BremPolG umschreiben zwar durch die Gleichstellung mit dem Polizeivollzug, wie genau unmittelbarer Zwang angewendet werden darf, konkretisieren also die Durchführung und regeln damit das „Wie“ der Vollstreckung. Jedoch enthalten sie keine Regelung zum „Ob“ der Vollstreckung, denn sie bestimmen nicht, dass zur Erfüllung bestimmter Aufgaben, wie der Durchsetzung der sitzungspolizeilichen Verfügungen, diese Mittel eingesetzt werden können.

965

Siehe hierzu bereits oben, S. 23. Landesverordnung über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Vollzugsbeamte der Gerichte und Justizbehörden v. 05. 02. 1974, GVBl. 1974, S 48. 967 Siehe hierzu bereits oben S. 201 f. 966

II. Sitzungspolizeiliche Verfügungen des Vorsitzenden

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4. Vollstreckung der sitzungspolizeilichen Verfügungen Ist damit geklärt, wie die nach § 176 GVG getroffenen sitzungspolizeilichen Verfügungen grundsätzlich vollstreckt werden können, ist im Folgenden zu untersuchen, wie dies bei den in der vorliegenden Untersuchung relevanten sitzungspolizeilichen Verfügungen konkret erfolgen kann. a) Vollstreckung nach § 177 S. 1 GVG Für die Verfügungen, die sinnvollerweise mit der Entfernung aus dem Sitzungszimmer oder Ordnungshaft vollstreckt werden können, sei es, dass konstitutive Reglungen bestehen oder nicht, verbleibt es bei der Anwendung von § 177 S. 1 GVG. Wird etwa der Verhandlungsverlauf wiederholt durch Zwischenrufe oder durch sonstiges störendes Verhalten gestört, hält den Störer auch ein Ordnungsgeld nach § 178 Abs. 1 S. 1 GVG nicht ab und kommt er der Verfügung des Vorsitzenden, den Sitzungssaal zu verlassen, nicht nach, kann der Störer nach § 177 S. 1 GVG aus dem Sitzungssaal entfernt werden. Da sich in § 177 S. 1 GVG keine Regelung zu etwaigen Hilfsmitteln des körperlichen Zwangs oder Waffen findet, können solche bei der Entfernung oder der Abführung nicht angewandt werden. Da der Vorsitzende oder die dem Gericht angehörenden Richter mangels einer entsprechenden Ausbildung weder die Entfernung aus dem Sitzungssaal noch das Abführen oder Festhalten zur Ordnungshaft selbst auszuführen vermögen, bedürfen sie der Hilfeleistung anderer. Hierfür können die ohnehin im Gerichtsgebäude anwesenden Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes herangezogen werden. Gegenüber diesen steht dem Vorsitzenden bzw. dem Spruchkörper ein außerhalb der Beamtenhierarchie bestehendes Weisungsrecht zu, welches ihm die Möglichkeit einräumt, die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes zum Vollzug der sitzungspolizeilichen Maßnahmen anzuweisen.968 Daneben kommt die (ergänzende) Heranziehung der Beamten des Polizeivollzugsdienstes in Betracht. In BadenWürttemberg, Bayern und Sachsen erfolgt dies im Wege des Ersuchens um Vollzugshilfe, da nach § 60 Abs. 5 PolG BW, Art. 50 Abs. 2 BayPAG und § 61 Abs. 1 SächsPolG die Vollzugshilfe auch für Gerichte vorgesehen ist.969 In den anderen Bundesländern bedarf es des Ersuchens um Amtshilfe. Zwar kann hierfür nicht auf §§ 4 ff. VwVfG zurückgegriffen werden, da es sich beim Tätigwerden nach §§ 176 ff. GVG nicht um eine öffentliche Verwaltungsaufgabe erfüllende Tätigkeit einer Be968

Siehe etwa Nr. 2.1b und 2.2 JWMDDienstO NRW (Dienstordnung für den Justizwachtmeisterdienst, AV d. JMin NRW v. 09. 03. 2015 – 2370 – Z. 18, JMBl. NRW S. 107), Nr. 3.2 des AufgJWD (Aufgaben des Justizwachtmeisterdienstes im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz v. 02. 02. 2009, Az.: 2370-V-6022/08, JMBl 2009 S. 25), Nr. 2a JWDO TH (Dienstordnung für den Justizwachtmeisterdienst v. 31. 08. 2011 – 2370 – 2/91, JMBl. S. 42), § 2 Abs. 1a JWMDO Nds (Dienstordnung für den Justizwachtmeisterdienst, AV d. MJ v. 17. 06. 2014 – 2370 – 102.8, Nds. RPfl. S. 205). 969 Zur Vollzugshilfe siehe ausführlich oben, S. 212 ff.

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C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen

hörde im Sinne des § 1 Abs. 4 VwVfG, sondern um Spruchtätigkeit handelt. Allerdings kann das Ersuchen auf Art. 35 Abs. 1 GG gestützt werden, da unter den Behördenbegriff dieser Vorschrift auch Gerichte zu subsumieren sind.970 Da sich die Hilfeleistung schon definitionsgemäß nur als ergänzende Hilfe im Einzelfall darstellen kann,971 scheidet eine ständige Heranziehung der Beamten des Polizeivollzugsdienstes aus. Möglich ist lediglich ein punktuelles Ersuchen, um etwa bei besonders konfliktträchtigen oder störungsgeeigneten Prozessen neben den Justizwachtmeistern weitere Kräfte zur Durchsetzung der sitzungspolizeilichen Verfügungen zur Verfügung zu haben, welche unter anderem die angeordneten Zwangsmaßnahmen, etwa die Entfernung aus dem Sitzungsraum oder das Abführen zur Ordnungshaft, auszuführen vermögen. b) Vollstreckung nach den konstitutiven Normen Verspricht die zwangsweise Durchsetzung der nach § 176 GVG erlassenen Verfügungen mit den in § 177 S. 1 GVG genannten Zwangsmitteln keinen Erfolg, ergibt sich, soweit ersichtlich, in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Hessen, Thüringen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt die Möglichkeit, auf die Normen zurückzugreifen, welche den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes über § 177 S. 1 GVG hinaus die Befugnis zur Vollstreckung im Wege des unmittelbaren Zwanges einräumen. Des Rückgriffs auf diese Normen bedarf es bei der Durchsetzung der sitzungspolizeilichen Verfügungen insbesondere während der Verhandlung. Es sind viele Fälle denkbar, in welchen andere Mittel als die in § 177 S. 1 GVG genannten benötigt werden, sei es, weil sich die anderen Mittel als milder und damit als verhältnismäßig darstellen, um die Störung des Verhandlungsverlaufes zu unterbinden oder weil die in § 177 S. 1 GVG genannten Mittel nicht ausreichen, beispielsweise weil es der Verwendung von Hilfsmitteln körperlicher Gewalt, wie etwa Handschellen, Zwangsjacken oder Schlagstöcken, bedarf. Keines Rückgriffs auf die konstitutiven Normen bedarf es in der Regel jedoch für die sitzungspolizeilichen Verfügungen bei Einlasskontrollen. Werden die bei Einlasskontrollen getroffenen sitzungspolizeilichen Verfügungen, wie die Durchsuchung von Personen sowie mitgeführter Sachen, nicht freiwillig befolgt, besteht regelmäßig kein Bedürfnis für deren zwangsweise Durchsetzung. In den Fällen, in welchen sich der Besucher z. B. mit der Durchsuchung nicht einverstanden erklärt und zum Anlass nimmt, von der Teilnahme an der Verhandlung aus eigenen Stücken abzusehen, bedarf es ohnehin keiner Vollstreckung. Ähnlich verhält es sich, wenn der sich weigernde Besucher trotz der Kontrollmaßnahmen den Verhandlungsraum betreten will und dazu übergeht, sich den 970

Siehe hierzu bereits oben, S. 108. BVerfG, Beschluss v. 12. 01. 1983, 2 BvL 23/81 = NVwZ 1983, 537, 539; Epping, in: BeckOK GG, Art. 35, Rn. 4; nach Gersdorf, in: BeckOK VwGO, § 14, Vor Rn. 1 sei auf die §§ 4 ff. VwVfG in analoger Anwendung, nach Denninger, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil D, Rn. 222 sinngemäß auf die Vollzugshilferegelungen zurückzugreifen. 971

II. Sitzungspolizeiliche Verfügungen des Vorsitzenden

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Zutritt unter Anwendung von Gewalt zu verschaffen. Auch dann bedarf es keiner zwangsweisen Durchsetzung der getroffenen sitzungspolizeilichen Verfügungen, denn bei den Personen, die sich den angeordneten Sicherheitsmaßnahmen nicht unterziehen möchten, besteht kein Interesse den Verfügungen zur Durchsetzung zu verhelfen, um den Personen danach Zutritt zum Sitzungssaal zu gewähren. Vielmehr ist das Interesse darauf gerichtet, die Personen aufgrund der Weigerung und eventuell befürchteten Ausschreitungen von der Verhandlung fern zu halten.972 Dies erfolgt jedoch nicht im Wege der Vollstreckung, sondern durch den Erlass einer Anordnung, etwa eines Hausverweises durch die regelmäßig die Kontrollen durchführenden Justizwachtmeister. Diese Maßnahmen sind freilich wiederum nur dann rechtmäßig, sofern die Justizwachtmeister hierzu wie in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen ermächtigt sind, § 3 Abs. 1 S. 1 JWBG BW i.V.m. § 27a Abs. 1 PolG BW.973 Welche konkreten Mittel neben der Anwendung einfacher körperlicher Gewalt von den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes eingesetzt werden können, ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Während in Bayern der Gebrauch von Schusswaffen mangels eines einschränkenden Verweises in Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG auf das bayerische Polizeiaufgabengesetz möglich ist, scheidet der Schusswaffengebrauch in den übrigen Bundesländern aus. Sachsen und Hessen haben den Schusswaffengebrauch ausdrücklich durch § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG a.E. und § 2 Abs. 3 S. 2 HessGerOrdG ausgeschlossen. In Thüringen verweist § 1 ThürUZwG nicht auf die Normen aus dem ThürPAG über den Gebrauch von Schusswaffen und in Niedersachsen ist der Gebrauch von Schusswaffen nicht in §§ 14 S. 2 i.V.m. §§ 13, 18 – 21 NJG genannt, weshalb Schusswaffen kein zulässiges Zwangsmittel darstellen. Gleiches gilt in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt. Durch § 9 Abs. 2 S. 2 JWBG BW i.V.m. Nr. 3.2.3.1 VwV JWMD BW974 sowie § 2 Abs. 4 JustZwAnwG LSA wurden als Waffen keine Schusswaffen zugelassen. In Baden-Württemberg sind nach § 9 Abs. 2 S. 1 JWBG BW i.V.m. Nr. 3.2.1.1 VwV JWMD BW als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt insbesondere Fesseln und technische Sperren, in Niedersachsen nach §§ 14 S. 2, 13 Nr. 3 NJG vor allem Fesseln sowie dienstlich zugelassene Reiz- und Betäubungsstoffe vorgesehen. § 2 Abs. 3 S. 1 HessGerOrdG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 31 Abs. 2 S. 1 SächsPolG, § 1 Abs. 1 S. 1 ThürUZwG i.V.m. § 59 Abs. 3 ThürPAG, Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 61 Abs. 3 BayPAG, § 2 Abs. 3 JustZwAnwG LSA sehen als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt ferner ausdrücklich Wasserwerfer, Diensthunde, Dienstpferde, Dienstfahrzeuge, Reiz- und Betäubungsstoffe oder Sprengmittel vor. Als Waffen wurden in Baden-Württemberg gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 JWBG BW i.V.m. Nr. 3.2.3.1 VwV JWMD BW Reizstoff-Sprühgeräte und kurze, 972 OLG Hamburg, Beschluss v. 09. 11. 1976, 2 Ss 276/76 = NJW 1976, 1987; Kissel/ Mayer, GVG, § 176, Rn. 17; Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 21. 973 Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 16 S. 1 1. Alt. BayPAG, § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 21 Abs. 1 S. 1 SächsPolG. 974 Verwaltungsvorschrift des Justizministeriums über den Justizwachtmeisterdienst v. 11. 06. 2015, Az.: 2370/0103, Die Justiz 2015, S. 165.

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C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen

ausziehbare Einsatzstöcke (Teleskopstöcke) für zulässig erklärt. Während in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Thüringen als Waffen gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG i.V.m. § 31 Abs. 3 SächsPolG, § 2 Abs. 4 JustZwAnwG LSA, §§ 14 S. 2, 13 Nr. 1 NJG und § 1 S. 2 ThürUZwG lediglich Schlagstöcke vorgesehen sind, nennt Hessen Schlagstöcke als Waffen in § 2 Abs. 3 S. 1 HessGerOrdG beispielhaft, schließt also weitere nicht aus. Bayern lässt in Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG i.V.m. Art. 61 Abs. 4 S. 1 BayPAG ferner Elektroimpulsgeräte und vergleichbare Waffen zu.

5. Zwischenergebnis Die sitzungspolizeilichen Verfügungen nach § 176 GVG können gemäß § 177 S. 1 GVG mittels der Entfernung aus dem Sitzungssaal oder Ordnungshaft zwangsweise durchgesetzt werden. Zur Ausführung können die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes und ergänzend der Polizeivollzugsdienst herangezogen werden. Da § 177 S. 1 GVG keine Sperrwirkung entfaltet, können in den Bundesländern, in welchen die Vollstreckung der nach § 176 GVG getroffenen Anordnungen konstitutiv geregelt wird, über § 177 S. 1 GVG hinaus Zwangsmittel angewandt werden. Dies ist in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Hessen, Thüringen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt mit der Einräumung von Befugnissen zugunsten der Justizwachtmeister zur Vollstreckung der sitzungspolizeilichen Anordnungen der Fall.

III. Anordnungen des privaten Hausrechtsinhabers Bleiben die Anordnungen des privaten Hausrechtsinhabers unbeachtet, etwa indem einem erteilten Hausverweis nicht Folge geleistet wird oder ein Hausverbot keine Beachtung findet, stellt sich die Frage, wie den privaten Hausrechtsmaßnahmen zwangsweise zur Durchsetzung verholfen werden kann. Da die Bedeutung des privaten Hausrechts für die vorliegende Untersuchung begrenzt ist,975 erfolgt auch die Klärung dieser Frage in der gebotenen Kürze.

1. Vorrangige Inanspruchnahme obrigkeitlicher Hilfe? Bevor der Frage der konkreten Durchsetzungsmöglichkeiten des privaten Hausrechtsinhabers nachgegangen werden kann, muss geklärt werden, ob dem nicht der Vorrang der Inanspruchnahme obrigkeitlicher Hilfe entgegensteht. Denkbar ist dies deshalb, da mit den Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nach 975

Siehe hierzu bereits oben, S. 131.

III. Anordnungen des privaten Hausrechtsinhabers

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§§ 916 ff., 935 ff. ZPO sowie dem Verfahren der Zwangsvollstreckung Mittel zur Verwirklichung zivilrechtlicher Ansprüche gegeben sind sowie die Zuhilfenahme der Polizei in Betracht kommt. Vor dem Hintergrund der den Bürgern obliegenden Friedenspflicht, Interessenkämpfe untereinander ohne physische Gewalt nur im Rahmen des Rechts auszutragen, sowie dem staatlichen Gewaltmonopol, nach dem die Ausübung physischer Gewalt den staatlichen Organen vorbehalten ist, obliegt es dem Staat, der Friedenspflicht zur Durchsetzung zu verhelfen und im Gegenzug dem Einzelnen zur Erfüllung seines subjektiven Rechts auf staatlichen Schutz gegen Eingriffe Privater in seine Grundrechtspositionen ein Rechtsschutzverfahren zur Verfügung zu stellen.976 Steht ein solches Rechtsschutzverfahren zur Sicherung und Durchsetzung der privaten Rechte zur Verfügung, ist der Bürger verpflichtet, auf dieses Verfahren zurückzugreifen.977 Da jedoch auch Fälle denkbar sind, in welchen staatlicher Schutz gegen rechtswidrige Angriffe nicht zu erreichen ist oder die staatlichen Organe zu Abwehrmaßnahmen nicht in der Lage sind, kann dies nicht ausnahmslos gelten.978 Ein solch absolutes Verständnis würde dazu führen, dass der Bürger rechtswidrige Rechtsgutsverletzungen dulden müsste, weil der Staat der ihm zukommenden Unrechtsabwehr nicht nachzukommen vermag,979 etwa da die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens zu viel Zeit in Anspruch nehmen würde oder die Polizeibeamten nicht schnell genug zur Stelle sind. In all diesen Fällen, in denen sich die Inanspruchnahme des staatlichen Rechtsschutzverfahrens als unmöglich darstellt, steht dem Bürger daher ausnahmsweise neben den staatlichen Schutzmöglichkeiten die Möglichkeit privater Gewalt zur Verfügung.980 Den hier in Betracht kommenden Notrechten aus § 227 BGB und § 859 BGB ist zudem kein ausdrücklicher Vorrang obrigkeitlicher Hilfe, wie dies z. B. bei § 229 BGB der Fall ist, immanent.981 Während bereits dem Wortlaut zufolge in § 229 BGB vorausgesetzt wird, dass obrigkeitliche Hilfe nicht rechtzeitig erlangt werden kann, 976 BVerfG, Urteil v. 11. 06. 1980, 1 PBvU 1/79 = NJW 1981, 39, 41; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4, Rn. 16; Isensee, in: Franßen u. a., FS für Sendler, S. 39, 46 ff.; Calliess, ZRP 2002, 1, 3 f.; Pelz, NStZ 1995, 305 f. 977 Pelz, NStZ 1995, 305 f.; siehe auch BVerfG, Urteil v. 11. 06. 1980, 1 PBvU 1/79 = NJW 1981, 39, 41; unter das Rechtsschutzverfahren in diesem Sinne fällt auch die polizeiliche Hilfe, Pelz, NStZ 1995, 305 f. 978 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 189; Pelz, NStZ 1995, 305, 306. 979 Isensee, in: Franßen u. a., FS für Sendler, S. 39, 52; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 57; Pelz, NStZ 1995, 305, 306. 980 Ellenberger, in: Palandt, BGB, Überb. v. § 226, Rn. 1; Dörner, in: Schulze u. a., BGB, § 227, Rn. 1; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 189; Isensee, in: Franßen u. a., FS für Sendler, S. 39, 52; Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, S. 56; Kühl, JuS 1993, 177, 179; Pelz, NStZ 1995, 305, 306. 981 So auch Christensen, JuS 1996, 873, 875; Löwisch/Rieble, NJW 1994, 2596; für einen Vorrang aber Suppert, Studien zur Notwehr und „notwehrähnlichen Lage“, S. 384; Kunz, ZStW 1983, 973, 976.

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C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen

fehlen solche Formulierungen in § 227 BGB und § 859 BGB. Die in § 229 BGB enthaltene spezielle Ausprägung des staatlichen Gewaltmonopols kann nicht verallgemeinernd auf die übrigen privaten Notrechte übertragen werden, denn § 229 BGB betrifft nicht die Abwehr von Eingriffen in Rechtsgüter, sondern die Abwehr der Gefahr der Nichterfüllung bestimmter Ansprüche.982

2. Private Notrechte des privaten Hausrechtsinhabers Besteht kein genereller Vorrang der Inanspruchnahme obrigkeitlicher Hilfe und ergibt sich ein solcher auch nicht aus den hier relevanten Selbsthilferechten der §§ 227, 859 BGB, kann nun der Frage der konkreten Abwehrmöglichkeiten des privaten Hausrechtsinhabers nachgegangen werden. a) Notwehr, § 227 BGB aa) Privates Hausrecht als notwehrfähiges Rechtsgut Ob es sich bei dem privaten Hausrecht um ein notwehrfähiges Rechtsgut im Sinne des § 227 BGB handelt, wird unterschiedlich beurteilt. Das OLG Frankfurt a.M. lehnte dies im Jahre 1993 entgegen der bis zu diesem Zeitpunkt wohl einhelligen Ansicht in der Rechtsprechung und Literatur983 ab und versagte es dem Filialleiter eines Selbstbedienungsladens, ein Hausverbot unter Einsatz körperlicher Gewalt, dem Packen am Arm und Hinausführen aus den Räumlichkeiten, durchzusetzen.984 Zur Begründung führte es aus, zur Durchsetzung des Hausrechts bedürfe es polizeilicher Hilfe und verwies auf § 229 BGB.985 Dieses Urteil blieb in der Folge sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur nicht ohne Kritik. So entschied das OLG Düsseldorf im Jahre 1997 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Urteil des OLG Frankfurt a.M. und unter Ablehnung dieser Entscheidung, wenn auch ohne nähere Begründung, das private Hausrecht sei als ein notwehrfähiges Rechtsgut zu qualifizieren und ein Mieter dürfe seinen Nachbarn mit Gewalt daran hindern, in seine Wohnung einzudringen.986 Das OLG Nürnburg sprach im Jahre 2012 dem Hausrechtsinhaber in Ausübung seines Besitzrechts am Wohnanwesen das Notwehrrecht nach § 227 BGB sowie das

982

Pelz, NStZ 1995, 305, 306 f. BGH, Beschluss v. 29. 01. 1982, 3 StR 496/81 = StV 1982, 219, 220; Urteil v. 07. 11. 1986, 2 StR 494/86 = NJW 1987, 850 f.; Beinhofer, BayVBl. 1997, 481, 483; Christensen, JuS 1996, 873, 875 m.w.N. 984 OLG Frankfurt a.M. Urteil v. 01. 10. 1993, 10 U 181/92 = NJW 1994, 946, 947. 985 OLG Frankfurt a.M. Urteil v. 01. 10. 1993, 10 U 181/92 = NJW 1994, 946, 947. 986 OLG Düsseldorf, Urteil v. 29. 08. 1997, 22 U 17/97 = NJW 1997, 3383, 3384. 983

III. Anordnungen des privaten Hausrechtsinhabers

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Selbsthilferecht aus § 859 Abs. 1 BGB zu987 und auch der BGH erklärte das private Hausrecht im Jahre 2014 als notwehrfähig.988 In der Literatur wurde das Urteil des OLG Frankfurt a.M. ebenso kritisiert und stößt auf Ablehnung.989 Hierbei wird insbesondere auf die kuriosen Folgen verwiesen, welche die Ablehnung der Notwehrfähigkeit des privaten Hausrechts mit sich bringen, da sich dann jedermann gegen den Willen des Hausrechtsinhabers in fremden Räumlichkeiten oder auf fremden Boden aufhalten könne.990 Weiterhin ignoriere die Entscheidung die Ausgestaltung des Besitzschutzes der §§ 858, 859 BGB.991 Ruft man sich das oben gewonnene Ergebnis ins Gedächtnis, dass es sich beim privaten Hausrecht nicht um ein Rechtsgut in der Form eines absoluten Rechts handelt, sondern mit ihm lediglich eine Umschreibung der sich aus dem Eigentum und Besitz ergebenden Rechte gemeint ist,992 erscheint die Ablehnung der Notwehrfähigkeit des privaten Hausrechts nach dem Urteil des OLG Frankfurt a.M. zunächst richtig. Das private Hausrecht ist als bloße Hülle tatsächlich nicht notwehrfähig. So zutreffend sich die Aussage des Urteils, das Hausrecht sei kein notwehrfähiges Rechtsgut, damit auf den ersten Blick darstellt, so unzutreffend stellt es sich jedoch bei genauerer Betrachtung dar. Dem Urteil des OLG Frankfurt a.M. liegt dieses Verständnis gerade nicht zugrunde, denn dieses ergibt sich weder ausdrücklich noch in sonstiger Weise aus der Entscheidung. Vielmehr ist einfach nur vom „Hausrecht“ die Rede, womit das OLG Frankfurt a.M. das private Hausrecht als eigenständiges Rechtsgut und gerade nicht als Zusammenfassung der eigentumsund besitzrechtlichen Rechte und Befugnisse begriffen hat. Ist die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. schon aus diesem Grund nicht überzeugend, ist sie es aber auch im Übrigen nicht. Sie geht bei der Begründung der Ablehnung der Notwehrfähigkeit von der unzutreffenden Annahme aus, vor der Durchsetzung eines Hausverbots bedürfe es der Inanspruchnahme polizeilicher Hilfe im Sinne des § 229 BGB. Zwar ist richtig, dass der Selbsthilfe nach § 229 BGB ein Vorrang obrigkeitlicher Hilfe immanent ist. Allerdings gilt dies, wie soeben gezeigt, weder für § 227 BGB noch für § 859 BGB. Beide Vorschriften sind bereits nach ihrem Wortlaut nicht an die Voraussetzungen des § 229 BGB gebunden und der Vorrang polizeilicher Hilfe ist auch nicht derart verallgemeinerungsfähig, dass er auf die genannten Vorschriften übertragen werden könnte.993 Weiterhin würde die Ablehnung der Notwehrfähigkeit des privaten Hausrechts bzw. richtigerweise der ei987

OLG Nürnburg, Urteil v. 13. 02. 2012, 4 U 2003/11 = NJW-RR 2012, 1373. BGH, Urteil v. 04. 06. 2014, VIII ZR 289/13 = JR 2016, 18, 20. 989 Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 227, Rn. 3 hält die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. für „abwegig“; Christensen, JuS 1996, 873, 875; Löwisch/Rieble, NJW 1994, 2596. 990 Löwisch/Rieble, NJW 1994, 2596. 991 Christensen, JuS 1996, 873, 875; Löwisch/Rieble, NJW 1994, 2596. 992 Siehe hierzu bereits oben, S. 138. 993 Christensen, JuS 1995, 873, 875; Löwisch/Rieble, NJW 1994, 2596; Pelz, NStZ 1995, 305, 306 f. 988

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C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen

gentums- und besitzrechtlichen Rechte und Befugnisse zu erheblichen praktischen Schwierigkeiten führen. Sie hätte zur Folge, dass für den privaten Hausherrn keine Handhabe bestünde, etwa einer Person zu begegnen, die den erteilten Hausverweis oder das erteilte Hausverbot nicht befolgt. Der private Hausrechtsinhaber müsste die Weigerung der störenden Person zunächst hinnehmen und das Eintreffen der Polizeibeamten abwarten.994 Die hiermit einhergehenden praktischen Schwierigkeiten werden vor allem deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass für den privaten Hausrechtsinhaber dann, wenn die Eskalation bestimmter Situationen bevorsteht, keine Handhabe bestünde. Auch in diesen Fällen könnte er seinen Anordnungen nicht Nachdruck verleihen, sondern müsste erst das Eintreffen der Polizeibeamten abwarten. Stellt man entgegen dem OLG Frankfurt a.M., dem OLG Düsseldorf sowie dem BGH, die zwar die Notwehrfähigkeit bejahten, allerdings unpräzise vom privaten Hausrecht als eigenständigem Rechtsgut ausgehen, richtigerweise darauf ab, dass es sich beim privaten Hausrecht um die Zusammenfassung der aus dem Eigentum und Besitz folgenden Rechte handelt, kann die Frage der Notwehrfähigkeit recht einfach beantwortet werden. Maßgeblich sind die die dogmatische Grundlage bildenden Rechtsgüter des Eigentums und/oder des Besitzes. Hiervon ging wohl auch das OLG Nürnberg aus, indem es in seiner Entscheidung nicht auf das private Hausrecht abstellt, sondern auf die Besitzposition.995 Da sowohl das Eigentum als auch der unmittelbare Besitz unter den Schutz von § 227 BGB fallen,996 kommt für den privaten Hausrechtsinhaber der Rückgriff auf § 227 BGB in Betracht. bb) Grenzen der Notwehr Damit die vom privaten Hausherrn vorgenommene Abwehrhandlung nicht etwa im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB oder §§ 823 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 223 StGB oder § 240 StGB rechtswidrig ist und Schadensersatzansprüche nach sich zieht, muss die vorgenommene Handlung erforderlich sein. Hierzu muss sie zur Abwehr des Angriffs zumindest teilweise geeignet sein und das relativ mildeste Mittel darstellen.997 Dies richtet sich nach der Gesamtheit aller Umstände, unter welchen sich der Angriff und die Verteidigung ereignen, wobei vor allem die Stärke und Gefährlichkeit des Angreifers und die Möglichkeiten des Angegriffenen zur Verteidigung zu beachten

994

Löwisch/Rieble, NJW 1994, 2596. OLG Nürnburg, Urteil v. 13. 02. 2012, 4 U 2003/11 = NJW-RR 2012, 1373, 1374. 996 Mansel, in: Jauernig, BGB, § 227, Rn. 3; Grothe, in: MünchKomm BGB, § 227, Rn. 7; siehe zur Frage, ob auch der Besitz von § 227 BGB geschützt ist sowie zum Verhältnis des § 227 BGB zu § 859 BGB Fritzsche, in: BeckOK BGB, § 859, Rn. 8; Joost, in: MünchKomm BGB, § 859, Rn. 2; Berger, in: Jauernig, BGB, § 859, Rn. 1. 997 BGH, Urteil v. 30. 10. 2007, VI ZR 132/06 = NJW 2008, 571, 572; Dennhardt, in: BeckOK BGB, § 227, Rn. 14; Grohe, in: MünchKomm BGB, § 227, Rn. 13. 995

III. Anordnungen des privaten Hausrechtsinhabers

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sind.998 Obrigkeitliche Hilfe, z. B. der Polizei, muss nur in Anspruch genommen werden, sofern solche sofort verfügbar ist.999 Richtet sich die Notwehrhandlung durch den Eigentümer und/oder Besitzer eines Gerichtsgebäudes nach dem Verhalten des Störers im konkreten Fall sowie den Verteidigungsmöglichkeiten des privaten Hausrechtsinhabers, bleibt die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Entscheidung im Einzelfall vorbehalten. Stellt sich die Situation beispielsweise so dar, dass sich der Eindringling darauf beschränkt, im Gebäude oder auf dem Grundstück lediglich anwesend zu sein, etwa um das Gerichtsgebäude oder -gelände zu besetzen, muss er zunächst aufgefordert werden, das Gebäude oder Grundstück zu verlassen. Nur wenn dieses Bemühen vergeblich ist, kann dazu übergegangen werden, einfache körperliche Gewalt, z. B. durch Wegdrängen, Hinausschieben oder Wegtragen,1000 anzuwenden. Geht dahingegen von der störenden Person ein Angriff unter Zuhilfenahme von Gegenständen aus, so muss sich die Abwehrhandlung nicht etwa auf ein Wegdrängen beschränken, sondern kann mit Hilfsmitteln körperlicher Gewalt, beispielsweise einem Schlagstock, nach Androhung des Einsatzes ausgeführt werden. b) Besitzwehr, § 859 Abs. 1 BGB Ist der private Hausherr auch oder nur unmittelbarer Besitzer, darf er sich verbotener Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB nach § 859 Abs. 1 BGB erwehren. Verbotene Eigenmacht begeht nicht nur der unerwünscht Eindringende, sondern auch derjenige, der nach der Aufforderung zum Gehen, das Gebäude oder Grundstück nicht verlässt.1001 Beschränkt ist die Besitzwehr nach § 859 Abs. 1 BGB durch die Grenze der Verhältnismäßigkeit. Erlaubt ist eine Gewaltanwendung, welche das zur Abwehr der verbotenen Eigenmacht erforderliche Ausmaß nicht übertrifft, womit mildere Mittel vorrangig zu wählen sind.1002 Auch insoweit kommt es auf die sich in der jeweiligen Situation ergebenden Umstände und die dem Besitzer zur Verfügung stehenden Abwehrmöglichkeiten an. Vorrangig sollte auch hier regelmäßig versucht werden, den Eindringling zum Verlassen aufzufordern und nur

998

BGH, Urteil v. 28. 02. 1989, 1 StR 741/88 = NJW 1989, 3027; Urteil v. 25. 11. 1980, 1 StR 563/80 = NStZ 1981, 138; Grothe, in: MünchKomm BGB, § 227, Rn. 13. 999 BayObLG, Urteil v. 22. 1. 1963, RReg. 2 St 579/62 = NJW 1963, 824, 825; AG Bensberg, Urteil v. 25. 10. 1965, 6 C 35/66 = NJW 1966, 733, 734; Hinz, Anm. zu BGH, Urteil v. 04. 06. 2014, VIII ZR 289/13 = JR 2016, 21, 23; Löwisch/Rieble, NJW 1994, 2596. 1000 BGH, Urteil v. 04. 06. 2014, VIII ZR 289/13 = JR 2016, 18, 19; OLG Düsseldorf, Urteil v. 29. 08. 1997, 22 U 17/97 = NJW 1997, 3383. 1001 RG, Urteil v 04. 12. 1934, III 201/34 = RGZ 146, 182, 186; Löwisch/Rieble, NJW 1994, 2596. 1002 BGH, Urteil v. 05. 06. 2009, V ZR 144/08 = NJW 2009, 2530, 2531; BayObLG, Urteil v. 05. 08. 1964, RReg. 1a St 632/63 = NJW 1965, 163 f.; Joost, in: MünchKomm BGB, § 859, Rn. 9.

238

C. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen

sofern leichte körperliche Gewalt, wie etwa das Hinausdrängen oder Wegtragen,1003 nicht genügt, schwere körperliche Gewalt angewandt werden.

3. Zwischenergebnis Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass der private Hausrechtsinhaber zur Durchsetzung seiner eigentums- und/oder besitzrechtlichen Ansprüche nicht vorrangig auf die Inanspruchnahme obrigkeitlicher Hilfe verwiesen ist. Wird seinen Anordnungen, etwa einem von ihm ausgesprochenen Hausverweis oder Hausverbot, nicht nachgekommen, kann er nach § 227 BGB und/oder § 859 Abs. 1 BGB vorgehen und auf diese Weise seinen Anordnungen zur Durchsetzung verhelfen.

1003 OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 17. 11. 1999, 2 Ws 66/99 = NStZ-RR 2000, 107; OLG Nürnberg, Urteil v. 13. 02. 2012, 4 U 2003/11 = NJW-RR 2012, 1373.

D. Handeln in Eilfällen Da es nicht jede Gefahrenlage erlaubt, vor dem konkreten Einschreiten den Betroffenen durch den Erlass einer Anordnung zu einem bestimmten Verhalten anzuhalten oder alle vorgesehenen Verfahrensschritte bei der Durchführung des gestreckten Vollstreckungsverfahrens einzuhalten, stellt sich die Frage, ob und wie im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr in Eilfällen gehandelt werden kann. Angesprochen sind die bei der Verwaltungsvollstreckung vorzufindenden Möglichkeiten des Sofortvollzugs und der unmittelbaren Ausführung sowie des vereinfachten Verwaltungsvollstreckungsverfahrens.

I. Sofortvollzug und unmittelbare Ausführung 1. Einführung Sowohl unter dem Handeln im Wege des Sofortvollzugs als auch unter der Rechtsfigur der unmittelbaren Ausführung versteht man die Durchführung einer Maßnahme ohne vorausgehenden Verwaltungsakt.1004 Während die Zwangsanwendung in seiner idealtypischen Ausgestaltung den vorherigen Erlass eines Verwaltungsaktes voraussetzt, ermöglicht der Sofortvollzug die Anwendung von Verwaltungszwang ohne das Vorliegen einer Grundverfügung und stellt damit ein besonderes Verfahren zur Anwendung von Zwang zur Verfügung.1005 Die Rechtsfigur der unmittelbaren Ausführung ermöglicht ebenso den ersten Zugriff und ist vollstreckungsähnlich.1006 Auch in Gerichtsgebäuden stellen sich die Gefahrensituationen oftmals so dar, dass keine Zeit verbleibt, um zunächst einen Grundverwaltungsakt zu erlassen. Stürmt beispielsweise eine bewaffnete Person das Gerichtsgebäude oder steht die Verletzung einer Person bereits unmittelbar bevor, bleibt oftmals zur effektiven Gefahrenabwehr keine Zeit den Betroffenen zu einem bestimmten Verhalten aufzufordern. Vielmehr bedarf es eines sofortigen Einschreitens. Im Folgenden wird daher der Frage nachgegangen, ob ein Handeln im Wege des Sofortvollzugs und/oder

1004 1005 1006

Maurer, VerwR AT, § 20, Rn. 25; Kugelmann, DÖV 1997, 153, 157. Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 805 ff. Kugelmann, DÖV 1997, 153, 156.

240

D. Handeln in Eilfällen

der unmittelbaren Ausführung durch den Gerichtspräsidenten, die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes sowie die Polizeibeamten möglich ist.

2. Durch die Gerichtsverwaltung Ob ein Tätigwerden der Gerichtsverwaltung ohne vorausgehenden Verwaltungsakt möglich ist, richtet sich danach, ob die jeweiligen Verwaltungsvollstreckungsgesetze der Bundesländer die Möglichkeit belastender Maßnahmen im Wege des sofortigen Vollzuges und/oder der unmittelbaren Ausführung vorsehen und ob die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt sind. Während etwa in Baden-Württemberg und Bayern Regelungen des Sofortvollzuges und/oder der unmittelbaren Ausführungen in den für die Gerichtsverwaltung anwendbaren Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzen fehlen, finden sich solche über den Sofortvollzug beispielsweise in § 55 Abs. 2 VwVG NRW und § 61 Abs. 2 LVwVG RP. Danach können Zwangsmittel ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewandt werden, wenn dies unter anderem zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Behörde innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt. Innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt sie, wenn sie auch ohne Vorliegen einer besonderen Gefahrensituation gegen den Betroffenen im Zeitpunkt der Zwangsmaßnahme eine formell und materiell rechtmäßige Grundverfügung erlassen könnte.1007 Anders als beim gestreckten Zwangsverfahren,1008 kommt es daher auf die Rechtmäßigkeit einer fiktiven Grundverfügung an. Da sich in Baden-Württemberg sowie allen anderen Bundesländern außer Niedersachsen, Hessen und Hamburg keine Ermächtigungsnormen für hausrechtliche Maßnahmen durch den Gerichtspräsidenten finden und die Grundverwaltungsakte der Gerichtsverwaltung damit rechtswidrig sind, scheiden in diesen Bundesländern der Sofortvollzug und/oder die unmittelbare Ausführung von vornherein aus. Ob sich jedoch in den Bundesländern, die hausrechtliche Befugnisse vorsehen, die Möglichkeit eines sofortigen Handelns ohne vorausgehenden Verwaltungsakt ergibt, soll im Folgenden geklärt werden. a) Niedersachsen In Niedersachsen bestimmt § 70 Abs. 1 NVwVG i.V.m. § 64 Abs. 2 Nr. 1 NdsSOG, dass Zwangsmittel ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewandt werden können, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr, insbesondere weil Maßnahmen gegen Verhaltens-, Zustands- oder Nichtstörer nicht oder nicht 1007

Gusy, PolR, § 8, Rn. 441; Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 808; Pieroth/ Schlink/Kniesel, PolR, § 24, Rn. 38, 44; Würtenberger/Heckmann, PolR BW, Rn. 796; Sadler, Die Polizei 2008, 185, 190. 1008 Siehe hierzu bereits oben, S. 204 ff.

I. Sofortvollzug und unmittelbare Ausführung

241

rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen, erforderlich ist und innerhalb der Befugnisse gehandelt wird. Fälle der ersten Alternative, in welchen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind, sind solche, in denen die betreffende Person entweder nicht anwesend ist oder sie zwar anwesend ist, ihr gegenüber allerdings aus tatsächlichen Gründen kein Verwaltungsakt bekannt gegeben werden kann.1009 Solche Situationen ergeben sich in Gerichtsgebäuden selten, da sich die Gefahrenlagen regelmäßig daraus ergeben, dass die betreffende Person präsent ist und aktiv stört. Zudem setzen die meisten Ermächtigungsgrundlagen die Anwesenheit oder jedenfalls Erreichbarkeit des Adressaten voraus.1010 Denkbar wäre ein solcher Fall dann, wenn sich im Gerichtsgebäude oder auf dem Grundstück ein aggressiver Hund aufhält, von dem Gefahren für Personen ausgehen und die den Hund führende Person nicht anwesend oder erreichbar ist. Der Hund könnte dann, sofern möglich, eingefangen werden.1011 Fälle, in welchen die Person zwar anwesend ist, die Anordnung ihr aber nicht bekannt gegeben werden kann, sind nur denkbar, wenn die Person z. B. bewusstlos oder aus anderen Gründen nicht aufnahmefähig ist.1012 Relevanter sind dagegen die Fälle, in denen die Maßnahmen keinen Erfolg versprechen. Keinen Erfolg versprechen Maßnahmen, wenn der anwesende Adressat sich den Anordnungen entzieht und dadurch das Ziel des Tätigwerdens konterkariert oder er auf das Geschehen nicht mehr einwirken kann.1013 Zwar ergibt sich auch Letzteres wohl selten, allerdings sind Fälle der ersten Alternative durchaus denkbar. Ein solcher Fall kann z. B. in Gerichten vorliegen, wenn mit sofortiger gefährlicher Gegenwehr des Störers gerechnet werden muss oder der Störer andere Personen als Geiseln nimmt und zu dessen Überwältigung sowie zum Schutz der festgehaltenen Personen der Störer nicht mündlich vorgewarnt, sondern überrascht werden soll. b) Hessen Ähnliches gilt in Hessen. § 72 Abs. 2 S. 1 HessVwVG sieht Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt vor, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist und die Behörde innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt. Nach S. 2 gilt dies insbesondere dann, wenn Maßnahmen gegen den Pflichtigen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind.

1009

Ausführlich Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 810 ff. Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 811; Kugelmann, DÖV 1997, 153, 158. 1011 Das Einfangen würde sich wegen § 16 Abs. 1 S. 1 NJG auch im Rahmen der Befugnisse des Gerichtspräsidenten bewegen. 1012 Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 813. 1013 Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 815; siehe auch Gusy, PolR, § 8, Rn. 439. 1010

242

D. Handeln in Eilfällen

Zwar könnte man auf den ersten Blick im Vergleich zu Niedersachsen, wo der sofortige Vollzug auch für möglich erklärt wird, wenn die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr keinen Erfolg versprechen, davon ausgehen, dass diese Variante in Hessen nicht erfasst ist. Allerdings ist die Nennung in § 72 Abs. 2 S. 2 HessVwVG nicht abschließend zu verstehen, wie die Formulierung „insbesondere“ erkennen lässt.1014 Kommt daher ein Handeln ohne vorausgehenden Verwaltungsakt im Wege des Sofortvollzugs auch dann in Betracht, wenn die Maßnahmen keinen Erfolg versprechen, gilt für Hessen das soeben für Niedersachsen Ausgeführte. Da in Hessen, anders als in Niedersachsen, nach § 6 Abs. 1 und 2 IT-StellenG aber nur einige wenige Maßnahmen mangels einer normklaren und hinreichend bestimmten Ermächtigungsnorm möglich sind, kommt in Hessen auch nur insoweit ein Tätigwerden im Wege des Sofortvollzugs in Betracht. c) Hamburg Anders als in Niedersachsen und Hessen findet sich in Hamburg im Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz keine Regelung des Sofortvollzugs, womit diese Möglichkeit eines Handelns ohne vorausgehenden Verwaltungsakt ausscheidet. In § 7 Abs. 1 HmbSOG ist jedoch die Möglichkeit der unmittelbaren Ausführung vorgesehen. Danach darf eine Maßnahme getroffen werden, wenn auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht abgewehrt oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht beseitigt werden kann. Da, wie in Niedersachsen mit § 16 Abs. 1 S. 1 NJG und in Hessen mit § 6 Abs. 1 und 2 IT-StellenG, auch mit § 3 Abs. 1 HmbSOG sowie den anderen auf die Gerichtsverwaltung anwendbaren Vorschriften Ermächtigungsnormen existieren, die zu hausrechtlichen Anordnungen ermächtigen, ergibt sich in Hamburg mit der unmittelbaren Ausführung die Möglichkeit eines Tätigwerdens ohne den vorherigen Erlass einer Grundverfügung. Diese Möglichkeit wird dennoch in der Regel ausscheiden. Im Wege der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme kann nur das ausgeführt werden, was ansonsten dem Verantwortlichen mit einer Anordnung aufgegeben worden wäre, sodass auf die Rechtsfigur der unmittelbaren Ausführung nur bei vertretbaren Handlungen zurückgegriffen werden kann.1015 Wie bereits ausgeführt,1016 handelt es sich jedoch bei den hier relevanten Anordnungen um unvertretbare Handlungen.

1014

Siehe zur Bedeutung der Formulierung „insbesondere“ im Übrigen S. 245. Kahlert/Sander/Belz/Mußmann, PolG BW, § 8, Rn. 8; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 24, Rn. 42; Gaul, VBlBW 1996, 1, 2; Knemeyer, PolR, Rn. 344; Kugelmann, DÖV 1997, 153, 158. 1016 Siehe hierzu bereits oben, S. 202. 1015

I. Sofortvollzug und unmittelbare Ausführung

243

d) Zwischenergebnis Ein Tätigwerden des Gerichtspräsidenten ohne den vorherigen Erlass eines Verwaltungsaktes kommt nur in Niedersachsen sowie in Hessen im Wege des Sofortvollzuges in Betracht. Kann er in diesen Bundesländern zwar in Eilfällen selbst handeln, stellt sich diese Möglichkeit dennoch als wenig effektiv dar. Der Gerichtspräsident verfügt regelmäßig weder über eine entsprechende Ausbildung noch über eine Ausrüstung oder die erforderlichen Erfahrungen, um regelmäßig in solchen Notsituationen tätig zu werden.

3. Durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes Relevanter dürfte die Frage eines sofortigen Tätigwerdens durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes1017 sein. Da ein solches Tätigwerden nur möglich ist, wenn den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes die Möglichkeit zum Sofortvollzug und/oder der unmittelbaren Ausführung eingeräumt ist und sie an sich befugt sind, ohne Vorliegen einer besonderen Gefahrensituation gegen den Betroffenen im Zeitpunkt der Zwangsmaßnahme eine formell und materiell rechtmäßige Grundverfügung zu erlassen, beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen. Nur in diesen Bundesländern wurden den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes Befugnisse zu bestimmten Maßnahmen eingeräumt, sodass ein sofortiges Tätigwerden in den anderen Bundesländern bereits mangels gesetzlicher Befugnisse ausscheidet. a) Baden-Württemberg In Baden-Württemberg lässt sich die Frage des sofortigen Tätigwerdens recht einfach beantworten. Nach § 7 JWBG BW richtet sich die Vollstreckung der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes, soweit im JWBG BW nichts anderes bestimmt ist, nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz. Da das JWBG BW keine Regelungen zum Sofortvollzug und/oder der unmittelbaren Ausführung enthält, hängt die Möglichkeit eines solchen Tätigwerdens also davon ab, ob das LVwVG BW den Sofortvollzug und/oder die unmittelbare Ausführung vorsieht. Dies ist nicht der Fall, sodass in Baden-Württemberg ein Einschreiten ohne vorausgehenden Verwaltungsakt durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes ausscheidet.

1017 Für Straf- und Bußgeldverfahren sieht Nr. 128 Abs. 3 S. 3 RiStBV ausdrücklich vor, dass bei drohender Gefahr die Justizwachtmeister sofort selbstständig einzugreifen haben. Dass diese Vorschrift keine Ermächtigungsgrundlage darstellt, wurde bereits oben ausgeführt, siehe S. 157.

244

D. Handeln in Eilfällen

b) Bayern Da in Bayern für die Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG auf das Polizeiaufgabengesetz verwiesen wird, richtet sich die Beantwortung der Frage eines sofortigen Tätigwerdens danach, ob der Sofortvollzug und/oder die unmittelbare Ausführung im Bayerischen Polizeiaufgabengesetz vorgesehen sind. Nach Art. 53 Abs. 2 BayPAG kann Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewandt werden, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist, insbesondere weil Maßnahmen gegen Personen nach den Art. 7 – 10 BayPAG nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen, und die Polizei innerhalb ihrer Befugnisse handelt. In Art. 9 Abs. 1 S. 1 BayPAG ist zudem vorgesehen, dass die Polizei eine Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten ausführen kann, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den Art. 7 oder 8 BayPAG Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. In Bayern ergibt sich damit für die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes sowohl die Möglichkeit eines Vorgehens im Wege des Sofortvollzugs als auch der unmittelbaren Ausführung. Können die Justizwachtmeister demnach in Eilfällen auf beide Rechtsfiguren zurückgreifen, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis diese zueinander stehen. aa) Das Nebeneinander von Sofortvollzug und unmittelbarer Ausführung Das Verhältnis der Rechtsfigur des Sofortvollzugs zu der der unmittelbaren Ausführung ist schon seit langem Gegenstand kontroverser Diskussionen im Polizeiund Ordnungsrecht. Die Diskussionen resultieren daraus, dass die Rechtsfiguren in den Polizeigesetzen teilweise nebeneinander geregelt sind. Während der Sofortvollzug bereits anfänglich im Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes enthalten war, wurde das Institut der unmittelbaren Ausführung mit § 5a erst nachträglich in den Musterentwurf eingefügt.1018 Grund hierfür waren unterschiedliche Vorstellungen über das Wesen des Verwaltungszwanges sowie der begrifflichen Voraussetzungen der Zwangsanwendung.1019 Manche gingen davon aus, die Zwangsanwendung setze begrifflich einen entgegenstehenden Willen des Adressaten voraus, weshalb ein polizeiliches Tätigwerden nicht als Zwangsanwendung angesehen werden könne, wenn der Pflichtige abwesend sei, denn dann komme der dem polizeilichen Handeln entgegengesetzte Wille nicht zum Ausdruck.1020 Um auch diesem Ansatz zu genügen, wurde im Musterentwurf in § 5a sowie darauffolgend in 1018

Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 818; Kugelmann, DÖV 1997, 153. Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 818; Pieroth/Schlink/Kniesel, PolR, § 24, Rn. 42. 1020 OVG Greifswald, Urteil v. 23. 02. 2005, 3 L 114/03 = BeckRS 9998, 41957; Denninger, in: Lisken/Denninger, PolR, 3. Aufl., Teil E, Rn. 145; Schenke, PolR, Rn. 564; siehe ausführlich Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 818; Sadler, DVBl. 2009, 292, 293. 1019

I. Sofortvollzug und unmittelbare Ausführung

245

manchen Polizeigesetzen1021 neben dem Sofortvollzug die Rechtsfigur der unmittelbaren Ausführung aufgenommen.1022 Unter Rekurs auf die Motive zur Einfügung von § 5a MEPolG wird teilweise vertreten, die Anwendungsbereiche seien so abzugrenzen, dass Sofortvollzug vorliege, wenn ein entgegenstehender Wille gebrochen werde, und im Übrigen die Rechtsfigur der unmittelbaren Ausführung Anwendung finde.1023 Der wohl herrschenden Meinung zufolge bestehe ein Anwendungsvorrang zugunsten der unmittelbaren Ausführung.1024 Die Frage der Abgrenzung von unmittelbarer Ausführung und Sofortvollzug bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, denn sie wird in Bayern durch das Gesetz selbst beantwortet. Nach Art. 53 Abs. 2 BayPAG kommt Sofortvollzug in Betracht, wenn dies zur Abwehr einer Gefahr notwendig ist, insbesondere weil Maßnahmen gegen Personen nach den Art. 7 bis 10 BayPAG nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen. Zwar könnte man aufgrund der Verwendung des Wortes „insbesondere“ davon ausgehen, das Ausscheiden der Möglichkeit der unmittelbaren Ausführung sei lediglich beispielhaft gemeint und stelle keine zwingende Voraussetzung zum Tätigwerden im Wege des Sofortvollzugs dar. Allerdings decken die aufgezählten Regelbeispiele, nach denen Maßnahmen gegen Personen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen, den Anwendungsbereich gänzlich ab, sodass die Verwendung des Begriffs „insbesondere“ überflüssig ist.1025 Setzt demnach der Sofortvollzug voraus, dass ein Tätigwerden im Wege der unmittelbaren Ausführung nicht möglich ist und stellt damit das Ausscheiden der unmittelbaren Ausführung eine zwingende Voraussetzung zur Ausübung von Sofortvollzug dar, ist die Frage des Verhältnisses von Sofortvollzug und unmittelbarer Ausführung im Sinne eines Anwendungsvorrangs zugunsten Letzterem bereits durch das Gesetz entschieden.1026 Keiner Entscheidung bedarf es zudem, da für die vorliegende Untersuchung ein Vorgehen im Wege der unmittelbaren Ausführung mangels vertretbarer Handlungen regelmäßig ausscheidet. 1021 Art. 53 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 1 BayPAG, § 47 Abs. 2 und § 8 Abs. 1 HSOG, § 51 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 ThürPAG, siehe auch §§ 15 Abs. 1 ASOG Bln und § 8 Abs. 1 BerlVwVfG i.V.m. 6 Abs. 2 VwVG, § 81 Abs. 1 und § 70a Abs. 1 SOG M-V, § 57 Abs. 1 POG RP i.V.m. § 61 Abs. 2 LVwVG RP und § 6 Abs. 1 POG RP, § 53 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 SOG LSA. 1022 Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 818. 1023 Denninger, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil D, Rn. 157; Schenke, PolR, Rn. 564; Knemeyer, PolR, Rn. 359. 1024 Kugelmann, PolR, 11. Kap., Rn. 46; Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 819; Kugelmann, DÖV 1997, 153, 160; Gusy, PolR, § 8, Rn. 440; Wehser, LKV 2001, 293, 297 geht davon aus, dass ein sinnvolles Abgrenzungskriterium nicht zu finden ist; Sadler, DVBl. 2009, 292, 296 meint, die unmittelbare Ausführung sei die Anwendung von Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt durch sofortigen Vollzug nach § 6 Abs. 2 VwVG. 1025 Lemke, Verwaltungsvollstreckung, § 8, Fn. 35; Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 809. 1026 Siehe hierzu auch Rachor, in: Lisken/Denninger, PolR, Teil E, Rn. 819.

246

D. Handeln in Eilfällen

bb) Handeln im Wege des Sofortvollzugs Besteht keine Möglichkeit zum Tätigwerden im Wege der unmittelbaren Ausführung durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes, beschränken sich ihre Möglichkeiten zum Handeln in Eilfällen auf den Sofortvollzug nach Art. 53 Abs. 2 BayPAG. Wie auch beim Gerichtspräsidenten sind auch hier vor allem die Fälle relevant, in welchen Maßnahmen keinen Erfolg versprechen, weil der anwesende Störer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt und bei Erlass eines vorangehenden Verwaltungsaktes das mit dem sofortigen Tätigwerden verfolgte Ziel vereitelt würde. Welche Mittel den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes zur Anwendung unmittelbaren Zwanges zur Verfügung stehen, ergibt sich aus Art. 61 Abs. 2 – 4 BayPAG. Als Hilfsmittel körperlicher Gewalt sind nach Art. 61 Abs. 3 BayPAG etwa Fesseln, Wasserwerfer, Diensthunde, Reiz- und Betäubungsstoffe und als Waffen nach Art. 61 Abs. 4 S. 1 BayPAG beispielsweise Schlagstöcke, Elektroimpulsgeräte, aber auch Pistolen, Revolver und Gewehre zugelassen. c) Sachsen So wie sich in Bayern die Vollstreckung nach den Vorschriften des Polizeiaufgabengesetzes richtet, sieht auch § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG die Anwendung des sächsischen Polizeigesetzes vor. Auch in Sachsen kommt es damit darauf an, ob die Möglichkeit der Anwendung von Verwaltungszwang ohne vorausgehenden Verwaltungsakt im SächsPolG normiert ist. Während sich in § 6 Abs. 1 SächsPolG die Regelung der unmittelbaren Ausführung findet, fehlt eine Normierung des Sofortvollzugs. Besteht damit in Sachsen zwar nicht die Möglichkeit des Sofortvollzugs, jedoch die der unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes, scheitert auch die unmittelbare Ausführung wiederum regelmäßig mangels vertretbarer Handlungen.

4. Durch die Polizei Während ein sofortiges Tätigwerden durch den Gerichtspräsidenten und die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes nur sehr vereinzelt möglich ist, stellt sich die Situation bei der Polizei anders dar. In manchen Polizeigesetzen der Bundesländer sind sowohl der Sofortvollzug als auch die unmittelbare Ausführung normiert, in anderen jedenfalls Regelungen entweder des Sofortvollzugs oder der unmittelbaren Ausführung enthalten. So finden sich z. B. in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen Normierungen des Sofortvollzugs1027, in Hamburg und Sachsen solche der unmittelbaren Ausführung1028 und beispielsweise in Bayern, Hessen oder 1027 § 64 Abs. 2 NdsSOG, § 50 Abs. 2 PolG NRW, siehe auch § 40 Abs. 1 BremPolG i.V.m. § 11 Abs. 2 BremVwVG, § 53 Abs. 2 BbgPolG, § 44 Abs. 2 SPolG, § 230 Abs. 1 LVwG SH. 1028 § 7 Abs. 1 HmbSOG, § 6 Abs. 1 SächsPolG.

II. Sonstige Vollstreckung bei Gefahr im Verzug

247

Thüringen ist die Möglichkeit des Sofortvollzugs sowie der unmittelbaren Ausführung vorgesehen.1029 Im baden-württembergischen Polizeigesetz ist die unmittelbare Ausführung in § 8 Abs. 1 PolG BW geregelt. Eine Vorschrift zum Sofortvollzug findet sich dahingegen nicht. Dies hat zur Folge, dass in den Gerichtsgebäuden in Baden-Württemberg ein Handeln in Eilfällen durch die Polizei regelmäßig ausscheidet. Der Sofortvollzug kommt mangels einer gesetzlichen Vorschrift und die unmittelbare Ausführung mangels vertretbarer Handlungen nicht in Betracht.

II. Sonstige Vollstreckung bei Gefahr im Verzug Kommt ganz überwiegend ein Handeln ohne vorausgehenden Verwaltungsakt nicht in Betracht, stellt sich die Frage, ob in Eilfällen im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr zumindest von bestimmten Verfahrensschritten der Durchführung der Vollstreckung von Anordnungen abgesehen und das Einschreiten so beschleunigt werden kann. In den auf die Vollstreckung durch die Gerichtsverwaltung anwendbaren Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzen ist vorgesehen, dass bei Gefahr im Verzug auf verschiedene formelle Anforderungen verzichtet werden kann. Relevant für eine effektive Abwehr von Gefahren ist insbesondere der Verzicht auf die vorherige Androhung der vorgesehenen Zwangsmittel, etwa um durch unangekündigten Zugriff auf den Störer Gefahren für andere abzuwenden oder den Störer fluchtunfähig zu machen. Von dieser in den jeweiligen Bundesländern benannten Voraussetzung der Verwaltungsvollstreckung kann in manchen Bundesländern abgesehen werden, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen1030 oder drohenden Gefahr1031 notwendig ist, wenn die Umstände eine Androhung nicht zulassen,1032 insbesondere wenn die Zwangsmittel auch sofort angewendet werden können.1033 In anderen Bundesländern 1029

Art. 53 Abs. 2 und Art. 9 Abs. 1 BayPAG, § 47 Abs. 2 und § 8 Abs. 1 HSOG, § 51 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 ThürPAG, siehe auch §§ 15 Abs. 1 ASOG Bln und § 8 Abs. 1 BerlVwVfG i.V.m. 6 Abs. 2 VwVG, § 81 Abs. 1 und § 70a Abs. 1 SOG M-V, § 57 Abs. 1 POG RP i.V.m. § 61 Abs. 2 LVwVG RP und § 6 Abs. 1 POG RP, § 53 Abs. 2 und § 9 Abs. 1 SOG LSA. 1030 § 27 Abs. 1 Nr. 1 HmbVwVG, § 72 Abs. 1 HessVwVG, § 21 SächsVwVG, § 54 S. 1 ThürVwZVG. 1031 Art. 35 BayVwZVG, § 27 Abs. 1 Nr. 2 HmbVwVG, § 110 VwVfG M-V i.V.m. § 87 Abs. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 SOG M-V, § 21 SächsVwVG, § 236 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 229 Abs. 2 Nr. 1 LVwG SH, § 54 S. 1 ThürVwZVG. 1032 § 70 Abs. 1 NVwVG i.V.m. § 70 Abs. 1 S. 3 NdsSOG, speziell für den unmittelbaren Zwang siehe § 74 Abs. 1 S. 2 NdsSOG; § 63 Abs. 1 S. 4 VwVG NRW, § 66 Abs. 1 S. 2 LVwVG RP, § 71 Abs. 1 VwVG LSA i.V.m. § 59 Abs. 1 S. 4 SOG LSA, speziell für die Androhung unmittelbaren Zwanges siehe § 63 Abs. 1 S. 2 SOG LSA. 1033 § 8 Abs. 1 BerlVwVfG i.V.m. § 13 Abs. 1 S. 1 VwVG, § 17 Abs. 1 S. 1 BremVwVG, § 70 Abs. 1 NVwVG i.V.m. § 70 Abs. 1 S. 3 NdsSOG, speziell für den unmittelbaren Zwang

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D. Handeln in Eilfällen

ist der Verzicht auf die Androhung nur möglich, wenn im Wege des Sofortvollzugs gehandelt wird.1034 In Baden-Württemberg bestimmt § 21 LVwVG BW, dass unter anderem von der Androhung des Zwangsmittels abgesehen werden kann, soweit die Abwehr einer Gefahr, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht oder gestört wird, dies erfordert. Steht auch der zwangsweisen Durchsetzung im erleichterten Verfahren durch den Gerichtspräsidenten dessen mangelnde Ausbildung, Ausrüstung sowie praktische Erfahrung entgegen und ist deshalb die Vollstreckung durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes sinnvoller, ergibt sich diese Möglichkeit wiederum lediglich in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen, wo die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes auch zur Vollstreckung ermächtigt sind. In BadenWürttemberg richtet sich die Vollstreckung gemäß § 7 JWBG BW, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz. Etwas anderes ist für die Androhung der Zwangsmittel lediglich bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges bestimmt. Unmittelbarer Zwang ist nach § 9 Abs. 1 S. 2 JWBG BW i.V.m. § 52 Abs. 2 PolG BW nur anzudrohen, soweit es die Umstände zulassen. Im Übrigen gilt § 21 LVwVG BW, womit auf das eben Ausgeführte verwiesen werden kann. Ähnliches gilt in Bayern, wo über Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG das bayerische Polizeiaufgabengesetz Anwendung findet, das speziell für die Anwendung unmittelbaren Zwanges in Art. 64 Abs. 1 S. 2 BayPAG sowie im Übrigen in Art. 59 Abs. 1 S. 3 BayPAG vorsieht, dass von der Androhung abgesehen werden kann, wenn es die Umstände nicht zulassen. In Sachsen kann über § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG nach § 32 Abs. 2 S. 2 SächsPolG für die Anwendung unmittelbaren Zwanges sowie im Übrigen nach § 30 Abs. 1 SächsPolG i.V.m. § 21 SächsVwVG auf die Androhung von Zwangsmitteln durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes verzichtet werden. Die Polizeibeamten können nach § 52 Abs. 2 PolG BW sowie § 49 Abs. 1 PolG BW i.V.m. § 21 LVwVG BW sowie den entsprechenden Bestimmungen in den Polizeigesetzen der anderen Bundesländer, wenn die Umstände keine vorherige Androhung zulassen, von der Androhung unmittelbaren Zwanges1035 und der Androhung der sonstigen Zwangsmittel absehen.1036

siehe § 74 Abs. 1 S. 2 NdsSOG; § 69 Abs. 1 VwVG NRW, § 66 Abs. 1 S. 2 LVwVG RP, § 19 Abs. 1 S. 1 SVwVG, § 71 Abs. 1 VwVG LSA i.V.m. § 59 Abs. 1 S. 4 SOG LSA, speziell für die Androhung unmittelbaren Zwanges siehe § 63 Abs. 1 S. 2 SOG LSA. 1034 § 28 Abs. 1 S. 4 VwVGBbg. 1035 Art. 64 Abs. 1 S. 2 BayPAG, § 8 Abs. 1 BerlVwVfG i.V.m. § 13 Abs. 1 S. 1 VwVG, § 64 Abs. 1 S. 2 BbgPolG, § 44 Abs. 1 S. 1 BremPolG, § 22 Abs. 1 S. 2 HmbSOG, § 58 Abs. 1 S. 2 HSOG, § 87 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 80 Abs. 2 SOG M-V, § 74 Abs. 1 S. 2 NdsSOG, § 61 Abs. 1 S. 2 PolG NRW, § 61 Abs. 1 S. 2 POG RP, § 32 Abs. 2 S. 2 SächsPolG, § 63 Abs. 1 S. 2 SOG LSA, § 54 Abs. 1 S. 2 SPolG, § 236 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 229 Abs. 2 LVwG SH, § 62 Abs. 1 S. 2 ThürPAG.

IV. Zwischenergebnis

249

III. Sofortiges Einschreiten auf Grundlage der sitzungspolizeilichen Normen? Ein sofortiges Einschreiten des Vorsitzenden könnte man nach § 178 Abs. 1 S. 1 GVG erwägen, wonach gegen bestimmte Personen, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, Ordnungsgeld oder Ordnungshaft festgesetzt und sofort vollstreckt werden können. Anders als bei § 177 S. 1 GVG, wonach Maßnahmen nur möglich sind, weil einer ergangenen Anordnung nicht Folge geleistet wurde, können das Ordnungsgeld oder die Ordnungshaft nach § 178 Abs. 1 S. 1 GVG ohne vorausgehende Anordnung festgesetzt und sofort vollstreckt werden.1037 Zudem stellt die Missachtung einer erlassenen sitzungspolizeilichen Verfügung des Vorsitzenden regelmäßig eine Ungebühr und damit einen Anwendungsfall des § 178 Abs. 1 S. 1 GVG dar.1038 Allerdings ist die Vorschrift des § 178 GVG auf die Ahndung störenden Verhaltens gerichtet und hat maßregelnden Charakter.1039 Sie dient gerade nicht dazu, einer nicht beachteten sitzungspolizeilichen Verfügung zur Durchsetzung zu verhelfen oder die sofortige Durchführung einer hypothetischen Anordnung zu ermöglichen, sondern bestimmte Verhaltensweisen nachträglich zu sanktionieren. Da ferner § 177 S. 1 GVG schon nach seinem Wortlaut das Vorliegen einer nicht befolgten sitzungspolizeilichen Verfügung vorsieht und sich auch sonst in den §§ 176 ff. GVG keine Regelung findet, welche ein sofortiges Einschreiten ohne vorausgehende sitzungspolizeiliche Verfügung gestattet, scheidet ein Handeln in Eilfällen durch den Vorsitzenden aus.

IV. Zwischenergebnis Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass in Eilfällen in Baden-Württemberg ein sofortiges Einschreiten weder durch den Gerichtspräsidenten noch durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes oder die Polizeibeamten in Betracht kommt. Der Gerichtspräsident kann nur in den Bundesländern Niedersachsen und 1036 Art. 59 Abs. 1 S. 3 BayPAG, § 8 Abs. 1 BerlVwVfG i.V.m. § 13 Abs. 1 S. 1 VwVG, § 59 Abs. 1 S. 3 BbgPolG, § 40 Abs. 1 BremPolG i.V.m. 17 Abs. 1 S. 1 BremVwVG, § 22 Abs. 1 S. 2 HmbSOG, § 53 Abs. 1 S. 4 HSOG, § 87 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 80 Abs. 2 SOG M-V, § 70 Abs. 1 S. 3 NdsSOG, § 56 Abs. 1 S. 3 PolG NRW, § 57 Abs. 1 POG RP i.V.m. 66 Abs. 1 S. 2 LVwVG RP, §§ 30 Abs. 1 SächsPolG i.V.m. 20 Abs. 1, 21 SächsVwVG, § 59 Abs. 1 S. 4 SOG LSA, § 50 Abs. 1 S. 3 SPolG, § 236 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 229 Abs. 2 LVwG SH, § 57 Abs. 1 S. 3 ThürPAG. 1037 Kissel/Mayer, GVG, § 177, Rn. 1. 1038 Kissel/Mayer, GVG, § 178, Rn. 11; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 178 GVG, Rn. 4. 1039 Allgayer, in: BeckOK StPO, § 178 GVG, Rn. 1; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 178 GVG, Rn. 1; Pfeiffer, in: Pfeiffer StPO, § 178 GVG, Rn. 1.

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D. Handeln in Eilfällen

Hessen im Wege des Sofortvollzugs tätig werden, wobei sich diese Möglichkeit mangels einer entsprechenden Ausbildung, Ausrüstung und der erforderlichen praktischen Erfahrung aber nur als eine theoretischer Natur darstellt. Den entsprechend ausgebildeten und ausgerüsteten Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes steht in Bayern die Möglichkeit des Sofortvollzugs zu, im Übrigen scheidet ein sofortiges Tätigwerden aus. Den Polizeibeamten steht in Baden-Württemberg ein Einschreiten im Wege der unmittelbaren Ausführung offen, allerdings scheitert diese Möglichkeit regelmäßig mangels vertretbarer Handlungen. Möglich ist bei Gefahr im Verzug für den Gerichtspräsidenten, die Justizwachmeister und die Polizeibeamten lediglich der Verzicht auf bestimmte Verfahrensschritte, insbesondere die Androhung unmittelbaren Zwanges. Ein sofortiges Tätigwerden durch den Vorsitzenden im Rahmen der Sitzungspolizei scheidet aus.

E. Auswertung Nachdem der de lege lata bestehende gesetzliche Rahmen für die in Gerichtsgebäuden relevanten Maßnahmen sicherheitsrechtlicher Natur dargestellt wurde, gilt es die gewonnenen Ergebnisse für die Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden zu bewerten. Die Bewertung folgt der vorgenommenen Trennung nach den Befugnissen zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen, den Durchsetzungsmöglichkeiten sicherheitsrechtlicher Anordnungen sowie dem Handeln in Eilfällen. Sofern sich der gesetzliche Rahmen für die Sicherheit und Ordnung in Gerichten als lückenhaft erweist, wird aufgezeigt, wie die Lücken normativer Art geschlossen werden können.

I. Die Lückenhaftigkeit des gesetzlichen Rahmens 1. Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahmen Für die Befugnisse der Gerichtsverwaltung hat sich ergeben, dass in BadenWürttemberg sowie in der überwiegenden Anzahl der Bundesländer keine Rechtsgrundlagen existieren, welche die Gerichtsverwaltung bzw. den Gerichtspräsidenten zu sicherheitsrechtlichen Maßnahmen ermächtigen. Sämtliche belastende hausrechtliche Maßnahmen des Gerichtspräsidenten sind in diesen Bundesländern rechtswidrig und angreifbar. In Niedersachsen, Hessen und Hamburg hingegen finden sich Ermächtigungsgrundlagen. Während in Niedersachsen und Hamburg, abgesehen von Videoüberwachungen, zu den für die Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden relevanten hausrechtlichen Maßnahmen ermächtigt wird, ist die Ermächtigungsnorm in Hessen sehr lückenhaft. Können demnach in Baden-Württemberg und einer Vielzahl anderer Bundesländer durch die Gerichtspräsidenten weder Hausverweise oder -verbote noch z. B. vorbeugende Maßnahmen, wie etwa Identitätsfeststellungen oder die Durchsuchung von Personen sowie mitgeführter Sachen, erfolgen oder Einlasskontrollen angeordnet werden, ergeben sich bereits an dieser Stelle erhebliche Lücken normativer Art. Sowohl im Falle von Störungen als auch präventiv stehen der Gerichtsverwaltung damit keine Möglichkeiten zur Verfügung, durch hausrechtliche Maßnahmen für Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude zu sorgen. An diesen Sicherheitslücken vermögen auch die sitzungspolizeilichen Befugnisse des Vorsitzenden nur wenig zu ändern. Die Befugnisse nach § 176 GVG gelten lediglich für den Bereich der Sitzung, das heißt sie können von vornherein einen

252

E. Auswertung

Beitrag zur Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude lediglich für konkrete Sitzungen leisten. In persönlicher Hinsicht werden nur die Zutritt zur Sitzung begehrenden Personen oder die im Sitzungssaal Anwesenden erfasst. Zeitlich gesehen bezieht sich die Sitzungspolizei auf Störungen während der Sitzung und in räumlicher Hinsicht beschränken sich die sitzungspolizeilichen Befugnisse auf den Sitzungsaal und sonstige Räume, jedoch nur soweit, wie die Störung auf den Verhandlungsverlauf einwirkt. Erfassen die sitzungspolizeilichen Befugnisse nur die Ordnung in der Sitzung, so leisten sie aber auch nur einen eingeschränkten Beitrag zur Sicherheit und Ordnung in Gerichten im Ganzen. Neben dem Umstand, dass die sitzungspolizeilichen Befugnisse die vorhandenen normativen Lücken in den Befugnissen der Gerichtsverwaltung schon deshalb nicht schließen können, stellen sich die sitzungspolizeilichen Befugnisse zudem selbst als lückenhaft dar. Die Generalklausel des § 176 GVG ist taugliche Rechtsgrundlage für sitzungspolizeiliche Verfügungen nur insoweit, wie keine oder nur geringe Grundrechtsbeschränkungen mit ihnen einhergehen, nicht aber für solche belastenden Verfügungen, aus denen intensivere Grundrechtseingriffe resultieren. Zwar kann auch mit nicht grundrechtsbelastenden oder wenig grundrechtsintensiven Maßnahmen, wie z. B. der Unterbindung von Zwischenrufen oder der vorbeugenden Bereitstellung von Justizwachtmeistern und Polizeibeamten, ein Beitrag zur Aufrechterhaltung von Ordnung in der Sitzung geleistet werden. Allerdings sind es doch gerade die vorbeugenden und grundrechtsintensiveren Maßnahmen, welche neben ihrer abschreckenden Wirkung sowie der Erhöhung der Hemmschwelle zur Begehung von Störungen in der Sitzung für Ordnung sorgen. Werden etwa im Sinne von Einlasskontrollen bei Betreten des Sitzungssaals die zutrittswilligen Personen sowie deren mitgeführte Sachen durchsucht, kann bereits in erheblichem Maße verhindert werden, dass überhaupt Gegenstände, die zur Herbeiführung von Schäden für Leib und Leben von Personen oder für Sachen geeignet sind, in den Sitzungssaal gelangen. Diese vorhandenen Lücken normativer Art in den Befugnissen der Gerichtsverwaltung und des Vorsitzenden können nicht durch die besitz- und eigentumsrechtlichen Rechte und Befugnisse des privaten Hausherrn geschlossen werden. Der private Hausherr kann nur außerhalb des Anwendungsbereichs der Sitzungspolizei tätig werden und zudem nur dann, wenn es lediglich um den Schutz von Eigentum und/oder Besitz geht und nicht in der Störung zugleich eine Beeinträchtigung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Gerichtsverwaltung liegt. Da dies jedoch in der Regel der Fall ist, ist der Anwendungsbereich des privaten Hausrechts in Gerichten bereits marginal. In Baden-Württemberg sind der Hausrechtsausübung ferner infolge der Grundrechtsbindung des Landes als privatem Hausherrn sowie der bestehenden öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft Grenzen gesetzt. Auch die polizeilichen Befugnisse ändern an den aufgezeigten Sicherheitslücken nichts. Dies ergibt sich zwar nicht schon daraus, dass vorrangig der Gerichtsverwaltung und dem Vorsitzenden die Schaffung und Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude obliegt. Da dem Gerichtspräsidenten in BadenWürttemberg und vielen anderen Bundesländern keine Befugnisse zum Erlass

I. Die Lückenhaftigkeit des gesetzlichen Rahmens

253

hausrechtlicher Maßnahmen zukommen und ein Handeln der Polizei teilweise trotz anderweitiger Kompetenzen im Gesetz vorgesehen ist, kann die an sich subsidiäre Zuständigkeit der Polizei bestehen. Der Polizei sind zudem durch die jeweiligen Polizeigesetze der Bundesländer ausreichende Ermächtigungen eingeräumt. Allerdings scheitert ein für die Sicherheit und Ordnung in Gerichten effektiver Beitrag daran, dass die Polizeibeamten gewöhnlich nicht im Gerichtsgebäude präsent sind und erst verständigt werden müssen. Anwesend sind die Polizeibeamten in der Regel nur dann, wenn durch die Gerichtsverwaltung oder den Vorsitzenden um Hilfe ersucht wurde. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn sich bereits Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die zusätzliche Hilfe von Polizeibeamten erforderlich ist, etwa weil ein Verfahren stattfindet, bei dem mit schwereren Störungen zu rechnen ist. Ist dies der Fall, stellt sich die mögliche Inanspruchnahme der Polizei im Wege des Ersuchens um Amtshilfe dennoch aufgrund der sehr beschränkten Befugnisse des Gerichtspräsidenten sowie des Vorsitzenden als wenig effektiv dar. Einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden können jedoch zumindest in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes leisten. In diesen Bundesländern ist der Justizwachtmeisterdienst infolge der entsprechenden Anwendung polizeilicher Ermächtigungsnormen mit den wesentlichen für die Schaffung und Wahrung von Sicherheit und Ordnung in Gerichten relevanten Befugnissen ausgestattet, um bei konkretem Anlass anordnend tätig zu werden. Kann damit zwar ein wesentlicher Beitrag zur Sicherheit und Ordnung in Gerichten geleistet werden, indem durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes im Falle von Störungen in rechtmäßiger Weise eingeschritten werden kann, so schließen diese Befugnisse dennoch nicht die zutage getretenen Lücken normativer Art. Die Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes bestehen nur insoweit, als es nicht um die Sicherheit und Ordnung im dem Vorsitzenden vorbehaltenen Anwendungsbereich der Sitzungspolizei geht. Scheidet insoweit ein eigeninitiatives Tätigwerden des Justizwachtmeisterdienstes aus, bleiben die sitzungspolizeilichen Lücken bestehen. Gleiches gilt für die Lücken im Rahmen der Befugnisse der Gerichtsverwaltung. Die Normen zugunsten der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes bieten keine Ermächtigung für vorbeugende Anordnungen, wie Einlasskontrollen in der Form, dass sich alle Personen, die das Gerichtsgebäude betreten wollen, bestimmten Maßnahmen zu unterziehen haben, ohne zu diesen einen Anlass gegeben zu haben. Ferner beschränken sich die Befugnisse des Justizwachtmeisterdienstes in BadenWürttemberg auf das Recht des ersten Zugriffs im Einzelfall, das heißt auf die Klärung konkreter Konfliktsituationen und umfassen nicht die Befugnis, abstrakte Regelungen zu treffen.1040 Angesichts der lückenhaften Befugnisse der Gerichtsverwaltung vor allem im Bereich der vorbeugenden Gefahrenabwehr, könnte man annehmen, dass daher ein Bedürfnis für solche Maßnahmen durch die Justizwachtmeister besteht und die Gesetze zugunsten des Justizwachtmeisterdienstes 1040

LT-Drs. 15/3076, S. 7.

254

E. Auswertung

insoweit auch lückenhaft sind. Allerdings bedarf es solcher Anordnungen nicht durch die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes, sondern vielmehr durch die Gerichtsverwaltung selbst. Anders als die einzelnen Bediensteten des Justizwachtmeisterdienstes ist es die Gerichtsverwaltung, die die möglichen Gefahren im Gesamten überblickt und damit über die Klärung konkreter Situationen hinaus Maßnahmen treffen sollte. An der Lückenhaftigkeit der Befugnisse ändern weiterhin auch die straf- und zivilrechtlichen Rechtfertigungsnormen nichts. Existieren keine Ermächtigungsgrundlagen für bestimmte Maßnahmen, stellen sich die Maßnahmen auch nicht deshalb als öffentlich-rechtlich rechtmäßig dar, weil das Handeln eventuell auf Grundlage der Notrechte straf- oder zivilrechtlich gerechtfertigt ist. Vielmehr ist die Maßnahme in öffentlich-rechtlicher Hinsicht mit der möglichen Folge disziplinarrechtlicher Konsequenzen als rechtswidrig zu qualifizieren. Schließlich können auch durch die Beauftragung privater Sicherheitsdienste durch den privaten Hausherrn zur Ausübung der Ansprüche aus §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB sowie der Geltendmachung der allgemeinen Not- und Jedermannrechte durch die Sicherheitskräfte die Sicherheitslücken nicht geschlossen werden. Neben dem ohnehin nur sehr beschränkten Anwendungsbereich der hausrechtlichen Befugnisse des privaten Hausherrn, unterliegen die Möglichkeiten der Rechtausübung dem Gebot der Erforderlichkeit und finden ihre Grenze an den der Polizei vorbehaltenen Aufgaben. Da mangels einer gesetzlichen Regelung sowie in BadenWürttemberg und allen anderen Bundesländern außer Niedersachsen, Hessen und Hamburg mangels Befugnissen auch eine Beleihung ausscheidet und nur der Einsatz als Verwaltungshelfer in Betracht kommt, beschränkt sich der Einsatz privater Sicherheitskräfte zudem regelmäßig auf eine lediglich kontrollierende, überwachende und meldende Tätigkeit. Diese mag zwar Abschreckungszwecken und der Erhöhung der Hemmschwelle zur Begehung von Störungen dienlich sein, nicht aber der Schließung von Lücken im Kompetenzgefüge.

2. Durchsetzung der sicherheitsrechtlichen Anordnungen So lückenhaft, wie sich die Befugnisse zum Erlass sicherheitsrechtlicher Maßnahme darstellen, verhält es sich bei den Möglichkeiten zur Durchsetzung getroffener Anordnungen nicht. Zwar ergibt sich auch insoweit kein lückenloser Schutz. Jedenfalls aber in Baden-Württemberg bestehen keine unvertretbaren normativen Defizite. Die Gerichtsverwaltung kann, trotz der Rechtswidrigkeit der hausrechtlichen Anordnungen, diese in Baden-Württemberg und auch in den anderen Bundesländern nach den jeweiligen landesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsnormen zwangsweise durchsetzen. Zur Anwendung unmittelbaren Zwanges kann sie sich der Beschäftigten des Justizwachtmeisterdienstes sowie des Polizeivollzugsdienstes be-

I. Die Lückenhaftigkeit des gesetzlichen Rahmens

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dienen. Unproblematisch möglich ist in Baden-Württemberg sowie in den anderen Bundesländern auch die zwangsweise Durchsetzung der polizeilichen Maßnahmen. Die Vollstreckung richtet sich vorrangig nach den Ermächtigungsgrundlagen in den jeweiligen Polizeigesetzen, sofern diese neben der Anordnung auch die Ermächtigung zur Durchführung vorgesehen, im Übrigen nach den Vorschriften über den Polizeizwang. Die Anordnungen der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes können in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen, in welchen Bundesländern der Justizwachtmeisterdienst nicht nur zu Anordnungen, sondern auch zur Vollstreckung ermächtigt wurde, zwangsweise durchgesetzt werden. Die Vollstreckung richtet sich vorrangig nach den Ermächtigungsgrundlagen, im Übrigen in Baden-Württemberg nach dem baden-württembergischen Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz und in Bayern und Sachsen nach den jeweiligen Vorschriften über den Polizeizwang. In den übrigen Bundesländern scheidet neben der nicht bestehenden Möglichkeit zu Anordnungen auch die zwangsweise Durchsetzung aus, sodass in diesen Bundesländern gesetzliche Lücken auch bei der Durchsetzung bestehen. Normative Lücken finden sich in Baden-Württemberg zudem nicht bei den sitzungspolizeilichen Befugnissen oder den Befugnissen des privaten Hausherrn. In Baden-Württemberg und auch in Bayern, Sachsen, Hessen, Thüringen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sind die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes über die sehr beschränkten Möglichkeiten zur zwangsweisen Durchsetzung nach § 177 S. 1 GVG hinaus mit der Vollziehung der sitzungspolizeilichen Verfügungen durch unmittelbaren Zwang befugt. Da dies in den übrigen Bundesländern nicht der Fall ist, es also bei den Zwangsmitteln des § 177 S. 1 GVG bleibt und viele der möglichen sitzungspolizeilichen Verfügungen nicht zwangsweise durchgesetzt werden können, ergeben sich in diesen Bundesländern weitere Lücken normativer Art. Der private Hausherr kann nach § 227 BGB und/oder nach § 859 Abs. 1 BGB vorgehen und so seinen Anordnungen zur Durchsetzung verhelfen.

3. Handeln in Eilfällen Während in Niedersachsen und Hessen der Gerichtspräsident im Wege des Sofortvollzugs tätig werden kann und in Bayern auch den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes die Möglichkeit des Sofortvollzugs zukommt, scheidet in Baden-Württemberg sowohl ein sofortiges Einschreiten durch den Gerichtspräsidenten als auch durch die Justizwachtmeister aus. Zwar kommt ein sofortiges Handeln in Baden-Württemberg durch die Polizei im Wege der unmittelbaren Ausführung in Betracht. Allerdings scheitert diese Möglichkeit bei den hier relevanten Maßnahmen sicherheitsrechtlicher Natur an der Unvertretbarkeit der Handlungen. Da allerdings in Baden-Württemberg der Gerichtspräsident, die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes sowie die Polizei in Eilfällen von bestimmten Verfahrensschritten, insbesondere der Androhung des unmittelbaren

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E. Auswertung

Zwanges, absehen und so das Einschreiten beschleunigen können, bestehen keine unvertretbaren gesetzlichen Lücken in Eilfällen. Gleiches gilt für die Sitzungspolizei. Zwar kommt weder ein sofortiges Einschreiten noch das Absehen von bestimmten Verfahrensschritten durch den Vorsitzenden in Betracht, allerdings bedarf es dieser Möglichkeiten auch nicht. Wie auch der Gerichtspräsident ist der Vorsitzende ohnehin mangels einer entsprechenden Ausbildung, Ausrüstung sowie Erfahrung nicht geeignet, in Gefahrensituationen sofort einzuschreiten.

II. Schließung der aufgezeigten normativen Lücken 1. Einräumung von Befugnissen zugunsten der Behördenleiter der Gerichte Um die de lege lata in Baden-Württemberg bestehenden gesetzlichen Lücken zu schließen, bedarf es zunächst der Einräumung von Befugnissen zugunsten der Behördenleiter der Gerichte. Dies könnte wie folgt erfolgen: a) Gesetz über die Befugnisse der Behördenleiter der Gerichte (BLGerBG BW) § 1. Öffentlich-rechtliches Hausrecht, Anwendungsbereich (1) Die Behördenleiter der Gerichte haben die Aufgabe, Gefahren für die Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude abzuwehren und Störungen dieser zu beseitigen. Hierzu haben sie die in diesem Gesetz vorgesehenen Befugnisse. (2) Im Anwendungsbereich der Sitzungspolizei nach §§ 176 ff. GVG findet dieses Gesetz keine Anwendung. (3) Die Aufgaben und Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes sowie des privaten Hausrechtsinhabers bleiben unberührt. (4) Die in diesem Gesetz vorgesehenen Befugnisse gehen denen der Polizei vor. Das Recht zur Amts- und Vollzugshilfe bleibt unberührt. § 2 Abs. 1 PolG BW gilt entsprechend. § 2. Allgemeine Befugnisse Der Behördenleiter kann zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung die Maßnahmen treffen, welche ihm nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlich erscheinen.

II. Schließung der aufgezeigten normativen Lücken

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§ 3. Hausverweis und Hausverbot (1) Der Behördenleiter kann zur Abwehr einer Gefahr oder zur Beseitigung einer Störung eine Person aus dem Gerichtsgebäude verweisen. (2) Im Falle erheblicher Störungen kann er einer Person vorübergehend verbieten, das Gerichtsgebäude erneut zu betreten, wenn mit einer Wiederholung von Störungen zu rechnen ist. Die Dauer des Hausverbots darf 6 Monate nicht überschreiten. (3) Soll ein Hausverweis nach Abs. 1 oder ein Hausverbot nach Abs. 2 gegenüber einer Person erteilt werden oder besteht ein solches und begehrt die Person als Verfahrensbeteiligte oder als Zuhörer Zutritt zum Sitzungssaal, ist die Entscheidung des Inhabers der Sitzungspolizei einzuholen. Während des Aufenthalts im Gerichtsgebäude kann die Person von mindestens einem Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes oder einem Polizeibeamten begleitet werden. § 4. Identitätsfeststellung (1) § 26 Abs. 1 Nr. 1 und 3, Abs. 2 PolG BW sind auf den Behördenleiter entsprechend anzuwenden. (2) Für die Dauer des Besuchs des Gerichtsgebäudes können die Ausweispapiere oder sonstige Nachweise der Identität einbehalten werden, sofern Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Straftaten im Gerichtsgebäude begangen werden sollen. Die hierdurch erlangten personenbezogenen Daten können nur zum Zwecke des Abgleichs mit Personen, denen ein Hausverbot erteilt wurde, verwendet werden. § 5. Durchsuchung von Personen (1) § 29 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4, Abs. 2 PolG BW sind für den Behördenleiter entsprechend anzuwenden. (2) Personen dürfen nur von Personen des gleichen Geschlechts durchsucht werden. Dies gilt nicht für das Absuchen mittels technischer Geräte ohne unmittelbaren körperlichen Kontakt oder wenn die sofortige Durchsuchung nach den Umständen zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich erscheint. § 6. Durchsuchung von Sachen § 30 Nr. 1, 3 und 5 PolG BW sind auf den Behördenleiter entsprechend anzuwenden. § 7. Sicherstellung, Beschlagnahme und Verwahrung (1) § 32 und § 33 Abs. 1, 3 und 4 PolG BW sind auf den Behördenleiter entsprechend anzuwenden.

258

E. Auswertung

(2) Sichergestellte oder beschlagnahmte Sachen sind unverzüglich dem Polizeivollzugsdienst zu übergeben, wenn nicht die Beschlagnahme vor Ablauf des Tages, an dem sie erfolgt ist, aufgehoben werden soll. (3) Führt eine Person einen Gegenstand bei sich, der nicht nach Abs. 1 sichergestellt oder beschlagnahmt werden kann, aber geeignet ist, die Sicherheit und Ordnung im Gericht zu beeinträchtigen, kann dieser Gegenstand so lange verwahrt werden, bis die Person das Gerichtsgebäude verlässt. § 8. Gewahrsam § 28 PolG BW ist auf den Behördenleiter mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass die in Gewahrsam genommenen Personen unverzüglich dem Polizeivollzugsdienst zu übergeben sind, sofern die Aufhebung des Gewahrsams nicht unmittelbar bevorsteht. § 9. Offene Videoüberwachung Der Behördenleiter kann gefährdete Bereiche im Außen- und Innenbereich der Gerichte mittels optisch-elektronischer Einrichtungen offen überwachen. § 21 Abs. 5 S. 1 PolG BW gilt entsprechend. § 10. Einlasskontrolle Der Behördenleiter kann Einlasskontrollen, auch unter Verwendung technischer Hilfsmittel, die zum Auffinden von zu Störungen verwendbaren Gegenständen geeignet sind, anordnen. Hierzu können die zum Gerichtsgebäude Zutritt begehrenden Personen angehalten werden. Im Rahmen dieser Einlasskontrollen können vom Behördenleiter Anordnungen nach §§ 2 – 8 getroffen werden. § 11. Hausordnung Der Behördenleiter kann eine Hausordnung erlassen. In die Hausordnung können insbesondere Regelungen der Öffnungszeiten, des Zutritts sowie des Aufenthalts im Gerichtsgebäude aufgenommen werden. § 12. Betroffene Die in diesem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen können, soweit nichts anderes bestimmt ist, gegenüber den in §§ 6, 7 und 9 PolG BW benannten Personen getroffen werden. Die Vorschriften der §§ 8, 9a, 55 bis 58 PolG BW sind entsprechend anzuwenden. § 13. Wegfall der aufschiebenden Wirkung von Wiederspruch und Anfechtungsklage, Widerspruchsbehörde (1) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen unaufschiebbare Anordnungen und Maßnahmen des Behördenleiters haben keine aufschiebende Wirkung. (2) Über den Widerspruch gegen Verwaltungsakte des Behördenleiters entscheidet die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat.

II. Schließung der aufgezeigten normativen Lücken

259

§ 14. Vollstreckung Die Vollstreckung der Maßnahmen durch den Behördenleiter richtet sich nach dem Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz. Mit der Vollstreckung der Maßnahmen sollen die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes beauftragt werden. § 15. Verhältnismäßigkeit (1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen. (2) Durch eine Maßnahme darf kein Nachteil herbeigeführt werden, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolgt steht. § 16. Einschränkung von Grundrechten Durch Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes können eingeschränkt werden 1. das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), 2. die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG), 3. das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).

b) Begründung aa) Allgemeines Mit diesem Gesetzesentwurf werden die aufgezeigten gesetzlichen Lücken für die Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden insoweit geschlossen, als den Behördenleitern der Gerichte erstmals Ermächtigungsnormen an die Hand gegeben werden, die zur Schaffung und Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden belastendes Handeln legitimieren. Zur Erfüllung dieser Aufgabe, die oftmals mit Eingriffen in Rechte Dritter einhergeht, werden die Behördenleiter ermächtigt, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Der Gesetzesentwurf sieht hierfür eine Auswahl bewährter polizeirechtlicher Eingriffsbefugnisse vor: Hausverweis und Hausverbot, die Identitätsfeststellung, die Durchsuchung von Personen sowie mitgeführter Sachen, die Sicherstellung und Beschlagnahme, die Ingewahrsamnahme sowie die offene Videoüberwachung. Soweit möglich und zur Erfüllung der Aufgaben der Behördenleiter der Gerichte erforderlich, werden der Übersichtlichkeit halber die Normen des baden-württembergischen Polizeigesetzes für entsprechend anwendbar erklärt. Neben den polizeilichen Eingriffsbefugnissen ist die Durchführung der dem allgemeinen Gefahrenabwehrrecht fremden, allerdings in den eingangs erwähnten Sicherheitskonzepten vorgesehenen und für die Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden unverzichtbaren Einlasskontrollen, vorgesehen, in deren Rahmen bestimmte Maßnahmen getroffen werden können. Die Befugnisse

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E. Auswertung

nach diesem Gesetzesentwurf stehen den Behördenleitern daher sowohl in dem Falle zu, dass er aus eigenem Antrieb gegenüber Personen tätig werden muss, als auch dann, wenn es dieser Maßnahmen bei Einlasskontrollen bedarf. Mit der Ermächtigung der Behördenleiter der Gerichte besteht zudem die bisher nicht gegebene Möglichkeit der Leistung von Amtshilfe durch die Polizei.1041 Die Gesetzgebungskompetenz liegt beim Land Baden-Württemberg. Soweit der Gesetzesentwurf Befugnisse im Bereich der Gefahrenabwehr im Gerichtsgebäude regelt, sind Bundeskompetenzen nicht gegeben, Art. 70 Abs. 1 GG. bb) Einzelne Vorschriften (1) Öffentlich-rechtliches Hausrecht, Anwendungsbereich (§ 1) Zu Absatz 1: Mit S. 1 wird bestimmt, dass den Behördenleitern der Gerichte, entsprechend des bislang gewohnheitsrechtlich angenommenen öffentlich-rechtlichen Hausrechts, die Aufgabe zukommt, für Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude zu sorgen. Unter dem Begriff der Sicherheit ist nicht die öffentliche Sicherheit des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts zu verstehen. Die Sicherheit nach diesem Gesetz bezieht sich lediglich auf die einen Teilbereich der öffentlichen Sicherheit darstellende Funktionsfähigkeit staatlicher Einrichtungen, nämlich der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Gerichtsverwaltung. Der Begriff der Ordnung entspricht dem Begriff der Ordnung des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts, freilich aber nur in Bezug auf die Ordnung im Gerichtsgebäude. Die Behördenleiter der Gerichte sind bei den Landgerichten und Oberlandesgerichten der Gerichtspräsident, bei den Amtsgerichten der Direktor oder Gerichtspräsident. Sind in einem Gerichtsgebäude mehrere Gerichte untergebracht, entscheidet der Leiter der übergeordneten Behörde.1042 Nach S. 2 obliegen den Behördenleitern der Gerichte zur Erfüllung ihrer Aufgabe die in dem Gesetz vorgesehenen Befugnisse. Die Aufgabe und die Befugnisse der Behördenleiter der Gerichte sind nicht auf das Gerichtsgebäude alleine beschränkt, sondern umfassen auch den Bereich des Grundstücks oder anliegende Flächen,1043 wie z. B. den Eingangsbereich vor dem Gebäude, den Vorhof und gegebenenfalls auch die Straße.1044 Entscheidend kommt es darauf an, ob Gefahren oder Störungen für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Gerichtsverwaltung ausgehen, nicht von welcher räumlichen Distanz sie herrühren. Es kann keinen Unterschied machen, ob sich etwa die Störung am Eingang des Gerichtsgebäudes ereignet oder aber vom Gebäude entfernt, wenn sie in 1041

Siehe hierzu oben, S. 154 ff. Siehe hierzu bereits oben, Fn. 30. 1043 Kissel/Mayer, GVG, § 176, Rn. 3 „im und am Justizgebäude“; a.A. Ehlers, DÖV 1977, 737, 738. 1044 So auch Wickern, in L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 6. 1042

II. Schließung der aufgezeigten normativen Lücken

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gleicher Weise geeignet ist, die Aufgabenerfüllung der Gerichtsverwaltung zu beeinträchtigen. Solche Fälle sind beispielsweise denkbar, wenn vor dem Eingang des Gerichtsgebäudes mit einem Megaphon lautstarke Parolen verbreitet werden oder von außen Gegenstände gegen die Fenster der Gerichtsverwaltung geworfen oder aber Schüsse auf die Fenster abgegeben werden. Zu Absatz 2: Abs. 2 regelt das Verhältnis zur Sitzungspolizei nach §§ 176 ff. GVG. Die Befugnisse des Behördenleiters umfassen zwar grundsätzlich das gesamte Gerichtsgebäude und damit auch alle Räume im Gebäude einschließlich der Sitzungsräume. Allerdings gilt dies nur außerhalb des persönlichen, zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereichs der Sitzungspolizei nach §§ 176 ff. GVG, denn diese geht zur Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit und des Grundsatzes der Öffentlichkeit nach § 169 S. 1 GVG vor.1045 Denkbar sind Fälle, in welchen die Befugnisse des Behördenleiters greifen, wenn es sich beim Störer um eine Person handelt, die nicht vom persönlichen Anwendungsbereich erfasst wird oder sich der Störer in einer solchen räumlichen Entfernung zum Gerichtssaal aufhält, dass eine Störung des Verhandlungsverlaufs nicht denkbar ist. Relevant sind die Befugnisse des Behördenleiters insbesondere außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs, also dann, wenn keine Sitzung stattfindet. Absatz 3: Abs. 3 stellt klar, dass sowohl die Aufgaben als auch die Befugnisse der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes, insbesondere nach dem JWBG BW, nicht eingeschränkt werden. Nicht ausgeschlossen ist zudem ein Handeln des privaten Hausherrn, soweit dieses sich auf den Schutz seines Eigentums und/oder Besitzes bezieht. Absatz 4: Abs. 4 regelt das Verhältnis der Befugnisse der Behördenleiter der Gerichte zu denen der Polizei nach dem PolG BW. In S. 1 wird klargestellt, dass die Befugnisse der Polizei nur außerhalb des Anwendungsbereichs der Befugnisse des Behördenleiters zur Anwendung gelangen. Nicht ausgeschlossen sind nach S. 2 ergänzende Hilfeleistungen durch die Polizei im Wege der Amts- und Vollzugshilfe. S. 3 erklärt § 2 Abs. 1 PolG BW für entsprechend anwendbar, womit ein eigenständiges Einschreiten der Polizei im Sinne vorläufiger Maßnahmen möglich ist, wenn ein rechtzeitiges Einschreiten des Behördenleiters nicht erreichbar ist. (2) Allgemeine Befugnisse (§ 2) Die Regelung des § 2 enthält eine dem bisher angenommenen Gewohnheitsrechtssatz entsprechende Generalklausel für das Handeln der Behördenleiter der 1045

Siehe hierzu bereits oben, S. 101.

262

E. Auswertung

Gerichte mit Eingriffscharakter. Aufgrund der Bandbreite möglicher Gefahren oder Störungen ist eine abschließende Aufzählung der zulässigen Maßnahmen nicht möglich. Die Vorschrift ist § 3 PolG BW nachgebildet und kommt nur zur Anwendung, soweit nicht in den §§ 3 ff. dieses Gesetzesentwurfes speziellere Regelungen vorgesehen sind. (3) Hausverweis und Hausverbot (§ 3) Zu Absatz 1: Mit Abs. 1 wird die Befugnis zur Anordnung von Hausverweisen, die bisher ohne ausdrückliche Ermächtigung für möglich gehalten wurden, eingeräumt. Zu Absatz 2: S. 1 ermächtigt zum Erlass der bisher ebenfalls für zulässig gehaltenen Hausverbote. Angesichts des mit diesen Anordnungen einhergehenden, im Vergleich zu bloßen Hausverweisen, gesteigerten freiheitsverkürzenden Charakters sowie des Umstandes, dass eine Behörde grundsätzlich auch mit ihrer Ansicht zufolge schwierigen Besuchern zurechtkommen muss, ohne diese sogleich vom Grundstück gänzlich fern zu halten, bedarf es für den Erlass eines Hausverbotes einer Störung von erheblichem Gewicht sowie der Befürchtung, dass mit der Wiederholung solcher Vorfälle gerechnet werden muss.1046 Eine Störung von erheblichem Gewicht liegt insbesondere bei der Beeinträchtigung von Leib und Leben anderer vor, kann aber auch gegeben sein, wenn Bedienstete beleidigt oder Sachen des Behördenbetriebes beschädigt werden. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechend muss das Hausverbot geeignet sein, die Störung zu beenden sowie sich als das mildeste Mittel darstellen. Es darf auch im Übrigen, wie etwa hinsichtlich des Bezugsbereichs sowie seiner Dauer, nicht unangemessen sein. Dabei ist vor allem zu beachten, dass das Hausverbot nicht zur vollständigen Verhinderung der Inanspruchnahme von gesetzlich zu erbringenden Leistungen der Behörde führt. Dem kann beispielsweise dadurch Genüge getan werden, dass Ausnahmen vom Hausverbot für bestimmte Fälle erteilt werden. Die Dauer des Hausverbots bemisst sich nach der Schwere der Störung und darf nach S. 2 die Dauer von 6 Monaten nicht überschreiten. Zu Absatz 3: S. 1 trägt dem Umstand Rechnung, dass den Befugnissen der Behördenleiter der Gerichte sowohl durch die Sitzungspolizei als auch durch den Grundsatz der Öffentlichkeit Grenzen gesetzt sind. Da die sitzungspolizeilichen Befugnisse des Vorsitzenden den Befugnissen der Behördenleiter der Gerichte vorgehen,1047 darf der 1046

Zu den Anforderungen an die Erteilung eines Hausverbots auch VG Osnabrück, Beschluss v. 21. 02. 2014, 6 B 3/14 = BeckRS 2014, 48019. 1047 Zum Verhältnis von Sitzungspolizei und öffentlich-rechtlichem Hausrechts bereits oben, S. 101 f.

II. Schließung der aufgezeigten normativen Lücken

263

Behördenleiter keiner Person den Zutritt verwehren, die dem Anwendungsbereich der Sitzungspolizei unterliegt. Ihnen ist Zutritt zum Gerichtsgebäude zu gewähren.1048 Dies gilt für Zuhörer auch wegen des Grundsatzes der Öffentlichkeit nach § 169 S. 1 GVG.1049 Da jedoch bei Störungen, welche den Erlass eines Hausverweises oder sogar eines Hausverbotes rechtfertigen, der verständliche Anlass besteht, anzunehmen, dass es durch den Verfahrensbeteiligten oder Zuhörer auch zu Störungen in der Sitzung kommen kann, kann es der Überwachung des Aufenthalts dieser Personen nach S. 2 bedürfen. Dies kann etwa in der Form geschehen, dass die Personen nach einer gegebenenfalls stattfindenden Einlasskontrolle zum Sitzungssaal begleitet und bis zum Verhandlungsbeginn überwacht werden.1050 Sodann obliegt es dem Vorsitzenden, die notwendigen Maßnahmen zu treffen. (4) Identitätsfeststellung (§ 4) Absatz 1: Damit in Gerichtsgebäuden in Erfahrung gebracht werden kann, wer sich im Gebäude aufhält, werden durch Abs. 1 die Normen des baden-württembergischen Polizeigesetzes über die Identitätsfeststellung insoweit für entsprechend anwendbar erklärt, als dies für die Erfüllung der Aufgaben der Behördenleiter der Gerichte erforderlich ist. Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen, dass im oder am Gerichtsgebäude im Sinne des § 26 Abs. 1 Nr. 3 PolG BW Straftaten begangen werden, können sich aus Aussagen oder Verhaltensweisen des Betroffenen selbst oder aus (anonymen) Hinweisen anderer Personen ergeben. Daneben genügen aber auch eigene Wahrnehmungen, wie z. B. dass Waffen oder gefährliche Gegenstände mitgeführt oder etwa unter Kleidungsstücken verborgen werden. Nicht ausreichend sind dahingegen allgemeine Erfahrungen darüber, dass in Gerichten konträre Interessen an einem Ort aufeinandertreffen und daher generell ein erhöhtes Konfliktpotential besteht. Absatz 2: Mit S. 1 wird zum bisher ohne Ermächtigungsgrundlage durchgeführten Einbehalten von Ausweispapieren ermächtigt. Dieser Maßnahme kann es zur Erhöhung der Hemmschwelle zur Begehung von Störungen bedürfen, die bei einbehaltenen Ausweispapieren höher liegt, als wenn man sich anonym im Gebäude aufhalten kann. Mit der Befugnis nach S. 1 wird zudem die schnellere Identifizierung sowie das schnellere Einschreiten ermöglicht, sei es, weil Personen das Gebäude betreten, die 1048 BVerwG, Beschluss v. 17. 05. 2011, 7 B 17/11 = NJW 2011, 2530, 2531; OVG Schleswig, Beschluss v. 28. 04. 1993, 3 M 16/93 = NJW 1994, 340; Kissel/Mayer, GVG, § 12, Rn. 94 ff.; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 1 GVG, Rn. 9. 1049 BVerwG, Beschluss v. 17. 05. 2011, 7 B 17/11 = NJW 2011, 2530, 2531; OVG Schleswig, Beschluss v. 28. 04. 1993, 3 M 16/93 = NJW 1994, 340; Zimmermann, in: MünchKomm ZPO, § 1 GVG, Rn. 9. 1050 So auch Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 112.

264

E. Auswertung

sich schon öfters auffallend verhalten haben, denen bereits Hausverweise oder -verbote erteilt wurden oder erst jetzt Störungen begehen. S. 1 steht mit dem Hinterlegungsverbot in § 1 Abs. 1 S. 3 PAuswG in Einklang, denn von § 1 Abs. 1 S. 3 PAuswG kann durch § 1 Abs. 1 S. 4 PAuswG eine Ausnahme gemacht werden, sofern es sich um eine zur Identitätsfeststellung berechtigte Behörde handelt, was mit Abs. 1 der Fall ist. Für die Tatsachen, welche die Annahme von Straftaten rechtfertigen, wird auf die in der Begründung zu Abs. 1 beispielhaft genannten Tatsachen verwiesen. Mit S. 2 wird die Befugnis eingeräumt, die nach S. 1 erlangten personenbezogenen Daten abzugleichen. Damit kann festgestellt werden, ob den betreffenden Personen bereits ein Hausverbot erteilt wurde. Keine Ermächtigung enthält die Norm zu weitergehenden Maßnahmen wie der Speicherung personenbezogenen Daten etwa durch das listenmäßige Erfassen der Daten auf Datenträgern oder des Kopierens oder Einscannens der Ausweispapiere. Solcher Maßnahmen bedarf es jedoch zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden auch nicht. (5) Durchsuchung von Personen (§ 5) Absatz 1: Abs. 1 ermächtigt zu den mit intensiven Grundrechtseingriffen einhergehenden Personendurchsuchungen, indem die polizeirechtliche Norm zur Durchsuchung von Personen insoweit für entsprechend anwendbar erklärt wird, als dies für die Aufgabenerfüllung durch die Behördenleiter der Gerichte erforderlich ist. Für die erforderlichen Tatsachen im Sinne des Abs. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 2 PolG BW, welche die Annahme rechtfertigen, dass im Gerichtsgebäude Sachen mitgeführt werden, die beschlagnahmt werden können, wird auf die in der Begründung zu § 4 Abs. 1 dieses Gesetzesentwurfes beispielhaft genannten Tatsachen verwiesen. Finden Durchsuchungen bei Einlasskontrollen statt, können sich die erforderlichen Anhaltspunkte zudem daraus ergeben, dass der eingesetzte Metalldetektor anspricht. Für die erforderlichen Tatsachen nach Abs. 1 i.V.m. § 29 Abs. 1 Nr. 4 PolG BW, die die Annahme rechtfertigen, dass in oder am Gerichtsgebäude Straftaten begangen werden, gilt wiederum das zu den Tatsachen in der Begründung zu § 4 Abs. 1 dieses Gesetzesentwurfes Gesagte. Absatz 2: S. 1 dient der Wahrung der Würde sowie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der zu durchsuchenden Personen. Eine Ausnahme ist nach S. 2 möglich, wenn die Durchsuchung mittels technischer Geräte erfolgt und z. B. nicht das Ablegen oder Öffnen von Kleidungsstücken erfordert. Ferner kann eine Ausnahme gemacht werden, wenn es die Eilbedürftigkeit einer Situation erforderlich erscheinen lässt, dass sofort durchsucht werden muss. Die sofortige Durchsuchung muss zum Schutz von Leib und Leben erfolgen.

II. Schließung der aufgezeigten normativen Lücken

265

(6) Durchsuchung von Sachen (§ 6) Da der Durchsuchungszweck des Auffindens von Gegenständen nur dann erreicht werden kann, wenn sich die Durchsuchung auch auf die von Personen mitgeführten Gegenstände erstreckt, ermächtigt § 6 zur Durchsuchung von Sachen, indem die § 30 Nr. 1, 3 und 5 PolG BW für entsprechend anwendbar erklärt werden. Für § 30 Nr. 1 und 5 PolG wird auf die Begründung zu § 5 Abs. 1 dieses Gesetzesentwurfes verwiesen. Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen, dass sich im Sinne des § 30 Nr. 3 PolG BW in einer Sache eine andere Sache befindet, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden kann, können neben Aussagen oder Verhaltensweisen des Betroffenen selbst und (anonymen) Hinweise anderer Personen auch eigene Wahrnehmungen, wie etwa die Umrisse bestimmter Gegenstände, das Ansprechen eines Metalldetektors oder beim Durchleuchten entsprechende Konturen von Gegenständen sein. (7) Sicherstellung, Beschlagnahme und Verwahrung (§ 7) Absatz 1: Abs. 1 ermächtigt zur Sicherstellung und Beschlagnahme von Sachen durch die entsprechende Anwendung der polizeilichen Normen zur Sicherstellung und Beschlagnahme, soweit dies zur Aufgabenerfüllung durch die Behördenleiter der Gerichte erforderlich ist. Absatz 2: Abs. 2 ist an § 3 Abs. 1 S. 2 JWBG BW angelehnt und trägt wie diese Norm dem Umstand Rechnung, dass in Gerichtsgebäuden regelmäßig keine ausreichenden Kapazitäten vorhanden sind, welche es zulassen, sichergestellte und beschlagnahmte Gegenstände angemessen zu verwahren. Dies gilt insbesondere, wenn die Gegenstände gefährlich sind und einer besonderen Sicherung, wie z. B. Waffen oder Sprengmittel, oder der Versorgung, wie beispielsweise Tiere, bedürfen. Ferner können, wie auch von § 3 Abs. 1 S. 2 JWBG BW bezweckt, parallele Zuständigkeiten zwischen den Behördenleitern der Gerichte oder den von ihnen beauftragten Beschäftigten und der Polizei vermieden und der erforderliche Verwaltungsaufwand auf das nötige Maß reduziert werden. Absatz 3: Handelt es sich bei den aufgefundenen Gegenständen um solche, die nicht nach Abs. 1 sichergestellt oder beschlagnahmt werden können, aber bei entsprechender Anwendung geeignet sind, Störungen herbeizuführen, können diese nach Abs. 3 für die Dauer des Besuchs der Person verwahrt werden. Solche Gegenstände können etwa Taschenmesser, Scheren, Rasierklingen, aber auch Stricknadeln, Farbbeutel oder Eier sein.

266

E. Auswertung

(8) Gewahrsam (§ 8) § 8 regelt die Ingewahrsamnahme von Personen und erklärt § 28 PolG BW für entsprechend anwendbar. Die Vorschrift ist an § 3 Abs. 2 JWBG BW angelehnt und berücksichtigt wie diese die nicht vorhandenen Möglichkeiten der Gerichte, in Gewahrsam genommene Personen länger in Obhut zu behalten sowie die Ziele der Reduzierung des erforderlichen Verwaltungsaufwands und die Vermeidung paralleler Zuständigkeiten von Behördenleitern der Gerichte und den von ihnen beauftragten Beschäftigten mit der Polizei. (9) Offene Videoüberwachung (§ 9) Mit S. 1 wird dem Behördenleiter die Befugnis verliehen, gefährdete Bereiche in Inneren des Gerichtsgebäudes sowie im Außenbereich offen mittels Bild- und Tonübertagungen zu überwachen. Angesichts der technischen Möglichkeiten, wie der Zoom-, Standbild- und Einzelbildschaltungsfunktion oder der Dreh- und Schwenktechniken, wird mit S. 1 im Gegensatz zur menschlichen Beobachtung eine weitaus großflächigere und intensivere Überwachung ermöglicht, als dies beispielsweise durch einen einzelnen Justizwachtmeister oder Polizeibeamten vor Ort möglich ist. Damit können Gefahren schneller erkannt und diesen schneller und effektiver begegnet werden, sei es, dass schon bei Auffälligkeiten Maßnahmen ergriffen werden können, etwa die Verständigung einer bestimmten Anzahl von Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes oder von Polizeibeamten, um den Eintritt von Schäden zu vermeiden. Der Außenbereich erstreckt sich auf den Gebäudekörper und darüber hinaus soweit, wie die Befugnisse dieses Gesetzesentwurfes bestehen (siehe hierzu die Begründung zu § 1 Abs. 1). Der Befugnis zur offenen Videoüberwachung steht nicht der Grundsatz der Öffentlichkeit nach § 169 S. 1 GVG entgegen. Zwar wurde ein Verstoß vom VG Wiesbaden mit Beschluss vom 20. Januar 2010 sowie vom AG Meldorf mit Beschluss vom 18. Mai 2010 angenommen.1051 Allerdings sind diese Entscheidungen nicht auf die von S. 1 normierten Fälle übertragbar. Während es sich bei den Videoüberwachungen im Rahmen der beiden Beschlüsse um dauerhafte und anlassunabhängige handelte, räumt S. 1 gerade nicht die Möglichkeit einer dauerhaften und anlassunabhängigen Überwachung ein, sondern lässt sie nur dann und nur solange zu, wie eine konkrete Gefahr besteht. Soweit das VG Wiesbaden sowie das AG Meldorf den Verstoß gegen § 169 S. 1 GVG damit begründen, die Videoüberwachung stelle für einen Teil der Öffentlichkeit eine solch psychische Hemmschwelle auf, dass von der Teilnahme an der

1051 VG Wiesbaden, Beschluss v. 20. 01. 2010, 6 K 1063/09 = NJW 2010, 1220; AG Meldorf, Beschluss v. 18. 05. 2010, 81 C 305/10 = BeckRS 2010, 14991.

II. Schließung der aufgezeigten normativen Lücken

267

öffentlichen Verhandlung abgesehen werde,1052 überzeugt dies nicht. Zwar ist richtig, dass der Grundsatz der Öffentlichkeit nach § 169 S. 1 GVG nicht nur verletzt sein kann, wenn die physische Möglichkeit des Zutritts zur öffentlichen Gerichtsverhandlung fehlt. Eine Verletzung ist auch dann möglich, wenn von staatlicher Seite den Besuchern einer Sitzung Nachteile angedroht werden oder ein solch erheblicher psychischer Druck ausgeübt wird, dass der Eindruck der realen Gefahr hervorgerufen wird, dass konkrete Nachteile durch den Besuch der Sitzung von Seiten staatlicher Organe entstehen und die Zwangswirkung der Maßnahme dadurch einer Verwehrung des Zutritts zur Verhandlung gleichkommt.1053 Dies kann für die offene Videoüberwachung nach S. 1 jedoch nicht angenommen werden. Zwar kann nicht geleugnet werden, dass, wie auch das VG Wiesbaden und das AG Meldorf erkennen,1054 die Hemmschwelle einen videoüberwachten Raum zu betreten höher ist als wenn keine Videoüberwachung existiert. Der Einzelne muss damit rechnen, dass all seine Handlungen überwacht werden und ihn eventuell staatliche Nachteile treffen. Allerdings treffen ihn staatliche Maßnahmen nicht ohne Anlass, sodass eine solch hohe Zwangswirkung, die einer Zutrittsverwehrung gleichkommt, allenfalls bei den Personen ausgelöst werden kann, die selbst nicht ausschließen können, Anlass zu solchen Maßnahmen zu geben, also sich nicht gesetzestreu verhalten. Dies dürften aber nur sehr wenige sein. Weitere staatliche Nachteile infolge des Besuchs einer öffentlichen Verhandlung, die potentielle Besucher treffen könnten, sind nicht ersichtlich. Dies hat auch das Landgericht Itzehoe erkannt, welches mit Beschluss vom 2. Juni 2010 auf die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des AG Meldorf entschied, dass kein Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit nach § 169 S. 1 GVG vorliege.1055 Auch das Landgericht Itzehoe ging von einer lediglich psychischen Zutrittsbeschränkung aus, welche aufgrund ihrer geringen Eingriffsintensität nicht einer psychischen Zutrittsverwehrung gleichkommt und erkannte ebenso keine Nachteile durch staatliche Organe infolge des bloßen Betretens des Gerichtsgebäudes bzw. des Verhandlungsraums.1056 Zudem ist die psychische Zwangswirkung infolge einer Videoüberwachung nicht höher zu bewerten als die, die ohnehin durch die Anwesenheit von Justizwachtmeistern oder Polizeibeamten in der Sitzung einhergeht. Auch von diesen Personen können bei nicht gesetzeskonformem Verhalten staatliche Nachteile ausgehen. Schließlich könnte, selbst wenn man eine Einschränkung des Öffentlichkeitsgrundsatzes annehmen würde, diese Einschränkung jedenfalls gerechtfertigt sein. 1052 VG Wiesbaden, Beschluss v. 201. 01. 2010, 6 K 1063/09 = NJW 2010, 1220; AG Meldorf, Beschluss v. 18. 05. 2010, 81 C 305/10 = BeckRS 2010, 14991. 1053 Siehe hierzu bereits oben, S. 112. 1054 VG Wiesbaden, Beschluss v. 20. 01. 2010, 6 K 1063/09 = NJW 2010, 1220 f.; AG Meldorf, Beschluss v. 18. 05. 2010, 81 C 305/10 = BeckRS 2010, 14991; so auch Klotz, NJW 2011, 1186, 1189. 1055 LG Itzehoe, Beschluss v. 02. 06. 2010, 1 T 61/10 = NJW 2010, 3525. 1056 LG Itzehoe, Beschluss v. 02. 06. 2010, 1 T 61/10 = NJW 2010, 3525, 3526.

268

E. Auswertung

Wie oben bereits ausgeführt1057 und wie auch vom VG Wiesbaden, dem AG Meldorf sowie dem LG Itzehoe zutreffend angenommen, ist der Grundsatz der Öffentlichkeit nicht schrankenlos gewährleistet. Er kann in bestimmten Fällen bei einer Abwägung hinter die Notwendigkeit, Maßnahmen für eine sichere und ungestörte Durchführung einer Sitzung zu treffen, zurücktreten.1058 Ob im konkreten Fall der Grundsatz der Öffentlichkeit oder die Sicherheitsbedürfnisse überwiegen, muss jedoch einer Beurteilung im Einzelfall vorbehalten sein und kann nicht pauschal beantwortet werden. Insbesondere genügen hierfür nicht allgemeine Erhebungen zu videoüberwachten Orten, auf welche das AG Meldorf in seiner Begründung verweist.1059 Vielmehr bedarf es, wie auch S. 1 voraussetzt, der einzelfallbezogenen Prüfung, ob eine konkrete Gefahr zu bejahen ist und ob die Sicherheitsbelange die Anordnung einer offenen Videoüberwachung fordern oder ob diese Gefahr in einer Abwägung hinter den Grundsatz der Öffentlichkeit zurücktritt. Mit S. 2 wird auf § 21 Abs. 5 S. 1 PolG BW verwiesen. Dieser Verpflichtung kann etwa dadurch nachgekommen werden, dass Hinweisschilder am Gerichtsgebäude angebracht werden, welche auf die Videoüberwachung hinweisen. (10) Einlasskontrolle (§ 10) S. 1 und 2 ermächtigen zur Durchführung von Einlasskontrollen und dem hierfür erforderlichen Anhalten von Personen, welche das Gerichtsgebäude betreten wollen. Zur Durchführung der Einlasskontrollen können technische Mittel, wie etwa Metalldetektoren oder Schleusen eingesetzt werden. Den Einlasskontrollen stehen die Zutrittsrechte Verfahrensbeteiligter oder der Zuhörer öffentlicher Verhandlungen oder solcher Personen, denen außerhalb anhängiger Verfahren, etwa zur Erledigung von Verwaltungsangelegenheiten, Zutrittsrechte zustehen, nicht entgegen. Diese Rechte bestehen nicht uneingeschränkt und geben kein Recht auf ungehinderten Zugang,1060 das heißt ohne sich zuvor den bei Einlasskontrollen getroffenen Anordnungen unterziehen zu müssen. S. 3 stellt klar, dass die in §§ 2 – 8 dieses Gesetzesentwurfs genannten Maßnahmen auch im Zusammenhang mit den nach Abs. 1 angeordneten Einlasskontrollen angeordnet oder durchgeführt werden können. (11) Hausordnung (§ 11) S. 1 räumt dem Behördenleiter die Möglichkeit zum Erlass einer Hausordnung für das Gerichtsgebäude ein. S. 2 sieht beispielhaft vor, welche Regelungen der Be1057

Siehe hierzu bereits oben, S. 111. VG Wiesbaden, Beschluss v. 20. 01. 2010, 6 K 1063/09 = NJW 2010, 1220 f.; AG Meldorf, Beschluss v. 18. 05. 2010, 81 C 305/10 = BeckRS 2010, 14491; LG Itzehoe, Beschluss v. 02. 06. 2010, 1 T 61/10 = NJW 2010, 3525, 3526; Klotz, NJW 2011, 1186, 1188. 1059 AG Meldorf, Beschluss v. 18. 05. 2010, 81 C 305/10 = BeckRS 2010, 14491. 1060 Siehe hierzu bereits oben, S. 111. 1058

II. Schließung der aufgezeigten normativen Lücken

269

hördenleiter in der Hausordnung treffen kann. Dies können etwa die Festlegung der Öffnungszeiten des Gerichtsgebäudes oder das Verhalten des Einzelnen im Gerichtsgebäude sein, z. B. das Verbot des Rauchens im Gebäude oder des Mitbringens sowie des Verzehrs alkoholischer Getränke. Auch kann bestimmt werden, dass Wurfgegenstände, wie z. B. Farbbeutel, Gemüse, Eier oder sonstige Gegenstände, die geeignet sind, andere Personen zu verletzen, beispielsweise Scheren, Taschenmesser, Kabelbinder, Glasflaschen, Dosen, Chemikalien oder Feuerzeuge, nicht ins Gerichtsgebäude mitgebracht werden dürfen. Um alle weiteren Gegenstände erfassen zu können, kann ergänzend darauf verwiesen werden, dass auch andere Gegenstände, welche geeignet sind, Störungen herbeizuführen, etwa spitze Schreibgeräte wie z. B. Bleistifte, Kugelschreiber, Füllfederhalter oder etwa Transparente, Trillerpfeifen und Flugblätter, nicht mitgebracht werden dürfen. (12) Betroffene (§ 12) Mit S. 1 wird der Kreis der Adressaten der Maßnahmen festgelegt. Hierfür wird auf die Regelungen des Polizeigesetzes zum Verhaltens-, Zustands- und Nichtstörer nach §§ 6, 7 und 9 PolG BW verwiesen. Wegen der entsprechenden Anwendbarkeit von § 9 PolG BW bedarf es durch S. 2 zudem der entsprechenden Anwendung der Normen über die Entschädigung und den Ausgleich bei der Inanspruchnahme von Nichtstörern nach §§ 55 – 58 PolG BW. Auch wenn zahlreiche Maßnahmen nach diesem Gesetzesentwurf aufgrund ihrer Unvertretbarkeit nicht unmittelbar ausgeführt werden können,1061 wird der Vollständigkeit halber § 8a PolG BWentsprechend für anwendbar erklärt. Zum Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Berufsgeheimnisträger, insbesondere Rechtsanwälte, ist die entsprechende Anwendung von § 9a PolG BW erforderlich. (13) Wegfall der aufschiebenden Wirkung, Widerspruchsbehörde (§ 13) Zu Absatz 1: Die in Abs. 1 ausdrücklich enthaltene Ausnahme des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung von der Regel des § 80 Abs. 1 VwGO, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, ist erforderlich, um eine effektive Aufgabenerfüllung der Behördenleiter der Gerichte sicherzustellen. Unaufschiebbare Anordnungen müssen sofort vollstreckbar sein, wenn hiervon die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgabe abhängt. Mit Abs. 1 besteht damit eine landesgesetzliche Regelung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO. Zu Absatz 2: Mit Abs. 2 wird im Sinne des § 73 Abs. 1 S. 3 VwGO bestimmt, dass der Widerspruchsbescheid von der Ausgangsbehörde erlassen wird. Das ist diejenige Be1061

Siehe hierzu bereits oben, S. 202.

270

E. Auswertung

hörde, welcher der Behördenleiter zugeordnet ist. Mit dieser Regelung soll gewährleistet werden, dass eine größtmögliche Sachnähe bei der Entscheidung über den Widerspruch gegeben ist. (14) Vollstreckung (§ 14) Der Verweis in S. 1 auf das LVwVG BW hat klarstellende Funktion, da die Gerichtsverwaltung bzw. die Behördenleiter der Gerichte als Behörde des Landes im Sinne des § 1 Abs. 1 LVwVG BW tätig werden. S. 2 sieht vor, dass die regelmäßig mit der Durchsetzung der Maßnahmen nach diesem Gesetzesentwurf einhergehende Anwendung unmittelbaren Zwanges den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes überlassen sein soll, da diese anderes als der Gerichtspräsident entsprechend ausgebildet und ausgerüstet sind. (15) Verhältnismäßigkeit (§ 15) § 15 normiert den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Formulierung ist an die bewährte Wortwahl des § 5 PolG BW angelehnt. (16) Einschränkung von Grundrechten (§ 16) Mit § 16 wird dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG Genüge getan. Der Umfang der zitierten Grundrechte orientiert sich an den Vorgaben der Rechtsprechung des BVerfG. Danach gilt das Zitiergebot vor allem für Eingriffe in Grundrechte mit Gesetzesvorbehalt, nicht aber für Grundrechte ohne Gesetzesvorbehalt und auch nicht für die Berufsfreiheit, die Eigentumsgarantie sowie die allgemeine Handlungsfreiheit.1062 cc) Ergänzende Erwägungen Da mit dem BLGerBG BW den Behördenleitern der Gerichte hoheitliche Befugnisse eingeräumt werden würden, muss noch erwogen werden, ob es zudem der Aufnahme einer Regelung bedarf, welche die Beleihung privater Sicherheitsdienste mit diesen Befugnissen zulässt. Wie oben dargestellt,1063 scheitert die Beleihung de lege lata daran, dass zum einen keine gesetzliche Norm existiert, welche die Beleihung vorsieht und zum anderen, dass den Behördenleitern der Gerichte keine hoheitlichen Befugnisse zustehen. Könnte diesen beiden Anforderungen mit dem BLGerBG BW sowie einer Regelung, welche die Beleihung privater Sicherheitsdienste zulässt, de lege ferenda Genüge getan werden, besteht dennoch für eine 1062 BVerfG, Beschluss v. 04. 05. 1983, 1 BvL 46, 47/80 = BVerfGE 64, 72, 80 f.; BVerfG, Beschluss v. 27. 11. 1990, 1 BvR 402/87 = NJW 1991, 1471, 147. 1063 Siehe hierzu bereits oben, S. 196 ff.

II. Schließung der aufgezeigten normativen Lücken

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solche Regelung kein Bedürfnis. Die Entscheidungsmacht über Maßnahmen sicherheitsrechtlicher Natur sollte sinnvollerweise nicht den privaten Sicherheitskräften zustehen, sondern weiterhin den Behördenleitern der Gerichte vorbehalten sein. Die Behördenleiter der Gerichte sind es, die aufgrund ihrer Sachnähe die Sicherheitslage am besten zu beurteilen vermögen und Kenntnis darüber haben, welcher Maßnahmen es in welchen Fällen bedarf. Dies bedeutet jedoch nicht, dass auf den Einsatz privater Sicherheitskräfte verzichtet werden muss. Diese können, wie bereits ausgeführt,1064 als Verwaltungshelfer herangezogen werden.

2. Erweiterung der Befugnisse des Vorsitzenden nach § 176 GVG Die sich de lege lata bei den sitzungspolizeilichen Befugnissen des Vorsitzenden ergebenden gesetzlichen Lücken könnten dadurch geschlossen werden, dass § 176 GVG so geändert wird, dass mit § 176 GVG auch zu den dargestellten relevanten Verfügungen, wie der Identitätsfeststellung oder der Durchsuchung von Personen sowie mitgeführter Sachen, ermächtigt wird. Dies könnte wie folgt erfolgen: a) Ergänzung von § 176 GVG § 176 GVG (1) Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden. (2) Zur Erfüllung dieser Aufgabe kann er insbesondere anordnen: 1. die Feststellung der Identität einer Person und die Einbehaltung des Ausweispapiers oder sonstiger Nachweise der Identität für die Dauer der Sitzung, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Störungen der Ordnung der Sitzung erfolgen sollen, 2. die Durchsuchung einer Person, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, a. dass sie Sachen mit sich führt, die nach Nr. 4 beschlagnahmt werden können, b. dass im Sitzungssaal Straftaten begangen werden sollen, 3. die Durchsuchung einer Sache, wenn a. sie von einer Person mitgeführt wird, die nach Nr. 2 durchsucht werden kann, b. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine andere Sache befindet, die nach Nr. 4 beschlagnahmt werden kann,

1064

Siehe hierzu bereits oben, S. 198 ff.

272

E. Auswertung

c. wenn sie sich im Sitzungssaal oder dessen unmittelbarer Nähe befindet und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Straftaten im oder am Sitzungsaal begangen werden, 4. die Beschlagnahme von Sachen, wenn dies zum Schutz gegen eine unmittelbar bevorstehende Störung der Ordnung in der Sitzung oder zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung erforderlich ist, 5. die Verwahrung von Gegenständen für die Dauer der Sitzung, die geeignet sind, die Ordnung in der Sitzung zu stören. (3) Der Vorsitzende kann zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung unmittelbar vor der Sitzung Einlasskontrollen, auch unter Verwendung technischer Hilfsmittel, die zum Auffinden von zu Störungen verwendbaren Gegenständen geeignet sind, anordnen. Hierzu können die zum Sitzungssaal Zutritt begehrenden Personen angehalten werden. Im Rahmen dieser Eintrittskontrollen können Verfügungen nach Abs. 1 und Abs. 2 getroffen werden. (4) Der Vorsitzende kann die zur Feststellung der Identität erforderlichen Maßnahmen treffen, insbesondere den Betroffenen anhalten und verlangen, dass mitgeführte Ausweispapiere vorgezeigt und zur Prüfung ausgehändigt werden. Der Betroffene kann festgehalten und seine Person sowie die von ihm mitgeführten Sachen können durchsucht oder er kann zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. (5) Personen dürfen nur von Personen des gleichen Geschlechts durchsucht werden. Dies gilt nicht für das Absuchen mittels technischer Geräte ohne unmittelbaren körperlichen Kontakt oder wenn die sofortige Durchsuchung nach den Umständen zum Schutz gegen eine Gefahr von Leib und Leben erforderlich erscheint. (6) Beschlagnahmte Sachen sind unverzüglich dem Polizeivollzugsdienst zu übergeben, wenn nicht die Beschlagnahme vor Ablauf des Tages, an dem sie erfolgt ist, aufgehoben werden soll. (7) Durch Anordnungen nach Abs. 1 – 4 können die Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG eingeschränkt werden.

b) Begründung aa) Allgemeines Mit der Neufassung von § 176 GVG können die aufgezeigten Lücken der Befugnisse des Vorsitzenden zum Erlass sitzungspolizeilicher Verfügungen zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung geschlossen werden. Die Neufassung

II. Schließung der aufgezeigten normativen Lücken

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ermächtigt erstmals zu solchen, oftmals mit Eingriffen in Rechte Dritter einhergehenden sitzungspolizeilichen Verfügungen, denen es während der Sitzung, insbesondere aber auch im Vorfeld bestimmter Sitzungen bedarf, um Störungen der Ordnung in der Sitzung zu verhindern. Diese Befugnisse bestehen soweit der persönliche, zeitliche und räumliche Anwendungsbereich der Sitzungspolizei reicht.1065 Unter Beibehaltung der bisherigen Generalklausel in Abs. 1 sieht Abs. 2 in nicht abschließender Weise die für die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung relevanten und an das allgemeine Gefahrenabwehrrecht angelehnten Maßnahmen vor: Die Identitätsfeststellung, die Durchsuchung von Personen und Sachen, die Beschlagnahme sowie die Verwahrung von Gegenständen. Neben diesen Befugnissen ist in Abs. 3 die Durchführung von Einlasskontrollen vorgesehen, in deren Rahmen Maßnahmen nach Abs. 1 und 2 getroffen werden können. Zur Durchführung der Einlasskontrollen kann der Vorsitzende die im Gerichtsgebäude anwesenden Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes sowie speziell angeforderte Polizeibeamte heranziehen. Die Justizwachtmeister können infolge des gerichtsinternen Weisungsrechts1066 vom Vorsitzenden angewiesen werden, die getroffenen sitzungspolizeilichen Verfügungen durchzuführen. Sie werden dabei für den Vorsitzenden tätig, das heißt sie erlassen keine eigenständigen Anordnungen. Neben den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes oder zu deren Unterstützung kann der Vorsitzende zudem im Wege der Amtshilfe um die Hilfe von Polizeibeamten ersuchen.1067 Diese Möglichkeit steht ihm nach Art. 35 Abs. 1 GG zu.1068 Gründe, welche die Befürchtung rechtfertigen,1069 dass die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes die Aufgabe nicht alleine bewältigen können, können sich z. B. aus Personaleinsparungen ergeben. Die Gesetzgebungskompetenz für diese Maßnahmen liegt nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, Art. 72 Abs. 1 GG beim Bund, da dieser mit dem GVG von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat und die Sitzungspolizei einer abschließenden Regelung zuführen wollte. bb) Einzelne Absätze (1) Absatz 1 Mit Abs. 1 wird die ursprüngliche gerneralklauselartige Regelung des § 176 GVG beibehalten. Abs. 1 kommt nur dann zur Anwendung, soweit nicht in den Abs. 2 – 4 dieses Gesetzesentwurfs speziellere Regelungen enthalten sind. 1065

Siehe hierzu bereits oben, S. 95 ff. Siehe hierzu Friedlein, in: Handbuch Justizwachtmeisterdienst, S. 19. 1067 Wickern, in: L/R, Band 10, § 176 GVG, Rn. 24; Molketin, MDR 1984, 20, 22; siehe zu den bisher eingeschränkten Möglichkeiten der Amtshilfe durch die Polizei, S. 154 ff. 1068 Siehe oben, S. 108. 1069 Siehe hierzu bereits oben, S. 108. 1066

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E. Auswertung

(2) Absatz 2 Zur Erfüllung seiner Aufgabe nach Abs. 1 stehen dem Vorsitzenden die in Abs. 2 dieses Gesetzesentwurfs vorgesehenen Befugnisse zu. Nr. 1: Mit Nr. 1 wird die Befugnis zur Feststellung der Identität sowie zum Einbehalten der Ausweispapiere oder sonstiger Nachweise der Identität für die Dauer der Sitzung eingeräumt, soweit dies für die Aufgabenerfüllung des Vorsitzenden erforderlich ist. Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen, dass Störungen der Ordnung in der Sitzung begangen werden sollen, können sich aus Aussagen oder Verhaltensweisen des Betroffenen selbst oder aus (anonymen) Hinweisen anderer Personen ergeben. Ausreichend sind ferner eigene Wahrnehmungen, wie beispielsweise, dass Waffen oder gefährliche Gegenstände mitgeführt oder unter Kleidungsstücken verborgen werden. Allgemeine Erfahrungen zum erhöhten Konfliktpotential in Sitzungen genügen allerdings nicht. Das Einbehalten ist aufgrund der Befugnis zur Identitätsfeststellung nach Nr. 1 des Gesetzesentwurfs mit § 1 Abs. 1 S. 3 PAuswG vereinbar. Zu weitergehenden Maßnahmen, wie der Speicherung personenbezogener Daten, etwa durch die Erstellung von Listen auf Datenträgern oder des Kopierens oder Einscannens der Ausweispapiere, besteht keine Ermächtigung aus Nr. 1. Solcher Maßnahmen bedarf es aber zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung auch nicht. Nr. 2: Nr. 2 ermächtigt zu den bislang ohne Rechtsgrundlage durchgeführten Durchsuchungen von Personen, soweit dies für die Aufgabenerfüllung des Vorsitzenden erforderlich ist. Tatsachen, welche die Annahme rechtfertigen, dass Sachen mitgeführt werden, die nach Nr. 4 beschlagnahmt werden können, können neben den soeben in der Begründung zu Nr. 1 des Gesetzesentwurfes genannten auch das Ansprechen eines eingesetzten Metalldetektors sein. Nr. 3: Nach Nr. 3 können zum Auffinden von Gegenständen weiterhin Sachen durchsucht werden. Für Nr. 3a kann auf die Begründung zu Nr. 2 dieses Gesetzesentwurfs, für Nr. 3b auf die Begründung zu § 6 BLGerBG BW und für Nr. 3c auf die Begründung zu § 5 Abs. 1 BLGerBG BW verwiesen werden. Nr. 4: Nr. 4 ermächtigt zur Beschlagnahme von Sachen, soweit dies zur Aufgabenerfüllung durch den Vorsitzenden erforderlich ist. Nr. 5: Sofern es sich bei den aufgefundenen Gegenständen um solche handelt, die nicht nach Nr. 4 beschlagnahmt werden können, die jedoch geeignet sind, Störungen der Ordnung in der Sitzung herbeizuführen, kann nach Nr. 5 die Verwahrung für die

II. Schließung der aufgezeigten normativen Lücken

275

Dauer der Sitzung angeordnet werden. Die Dauer richtet sich nach dem zeitlichen Anwendungsbereich der Sitzungspolizei.1070 Solche Sachen können, wie bei § 7 Abs. 3 BLGerBG BW Taschenmesser, Scheren, Rasierklingen, aber auch Stricknadeln, Farbbeuel oder Eier sein. (3) Absatz 3 S. 1 und 2 ermächtigen zur Durchführung von Einlasskontrollen und dem hierzu erforderlichen Anhalten der Personen, welche den Sitzungssaal betreten wollen. Zur Durchführung der Einlasskontrollen können technische Mittel, wie z. B. Metalldetektoren oder Schleusen eingesetzt werden. Wie oben bereits ausgeführt, stehen den Einlasskontrollen nicht die Zutrittsrechte Verfahrensbeteiligter oder der Zuhörer öffentlicher Verhandlungen entgegen. Diese Rechte bestehen nicht uneingeschränkt und geben kein Recht auf ungehinderten Zugang,1071 das heißt ohne sich zuvor den bei Einlasskontrollen erfolgenden Maßnahmen unterziehen zu müssen. S. 3 stellt klar, dass die in Abs. 1 und Abs. 2 dieses Gesetzesentwurfs genannten Maßnahmen auch im Zusammenhang mit den nach Abs. 3 S. 1 möglichen Einlasskontrollen angeordnet werden können. (4) Absatz 4 Mit S. 1 und 2 wird in Anlehnung an das Gefahrenabwehrrecht zu den mit Identitätsfeststellungen (gegebenenfalls) einhergehenden erforderlichen Verfügungen ermächtigt. (5) Absatz 5 Abs. 5 dient der Wahrung der Würde sowie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der zu durchsuchenden Personen. Zur Begründung wird ferner auf die Begründung von § 5 Abs. 2 BLGerBG BW in entsprechender Anwendung verwiesen. (6) Absatz 6 Zur Begründung von Abs. 6 wird auf die Begründung zu § 7 Abs. 2 BLGerBG BW in entsprechender Anwendung verwiesen. (7) Absatz 7 Mit Abs. 7 wird dem Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG genügt. Für den Umfang wird auf die Begründung zu § 16 BLGerBG BW verwiesen. 1070 1071

Siehe hierzu bereits oben, S. 95 ff. Siehe hierzu bereits oben, S. 111.

276

E. Auswertung

3. Kein weiterer Regelungsbedarf Neben der Einräumung von Befugnissen zugunsten der Behördenleiter der Gerichte sowie der Neufassung des § 176 GVG besteht kein weiterer Regelungsbedarf. Den Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes sind mit dem JWBG BW und der Polizei mit dem PolG BW ausreichende Ermächtigungsnormen eingeräumt, um zur Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden beizutragen.

F. Zusammenfassung in Thesen Die in dieser Arbeit entwickelten und gewonnenen Ergebnisse können abschließend wie folgt thesenartig zusammengefasst werden: 1. a) Das Hausrecht in Gerichtsgebäuden sowie die hausrechtlichen Maßnahmen sind öffentlich-rechtlicher Natur, soweit die Sicherung oder Wiederherstellung der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung der Gerichtsverwaltung verfolgt wird. Die für die Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden relevanten belastenden hausrechtlichen Maßnahmen, wie z. B. Hausverweise, Hausverbote, Identitätsfeststellungen, Durchsuchungen von Personen sowie mitgeführter Sachen oder Videoüberwachungen im Innen- oder Außenbereich der Gerichte, bedürfen eines formellen Gesetzes, welches zu diesen einzelnen Maßnahmen in hinreichend bestimmter Weise ermächtigt. b) Ermächtigungsgrundlagen finden sich in Niedersachsen mit § 16 Abs. 1 S. 1 NJG, in Hessen mit § 6 Abs. 1 und 2 IT-StellenG und in Hamburg infolge der Anwendbarkeit bestimmter Ermächtigungsnormen des HmbSOG. Während § 16 Abs. 1 S. 1 NJG den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Bestimmtheit und Klarheit von zu belastenden Maßnahmen ermächtigenden Normen genügt und die Behördenleiter der Gerichte zu vielen für die Sicherheit und Ordnung in Gerichten relevanten hausrechtlichen Maßnahmen, wie Hausverweisen und -verboten oder zu den auch bei Einlasskontrollen relevanten Identitätsfeststellungen oder Durchsuchungen, ermächtigt, ist dies in Hessen anders. § 6 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 IT-StellenG stellt eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage lediglich für offene Videoüberwachungen im Innen- und Außenbereich des Gerichtsgebäudes sowie für Zutrittskontrollen in dem Sinne, dass die zutrittswilligen Personen einen Metalldetektorrahmen passieren und sie die mitgeführten Sachen durchleuchten lassen müssen dar. Weitergehende Maßnahmen sind nicht möglich. Infolge der Anwendbarkeit bestimmter Normen des HmbSOG auf die Gerichtsverwaltung können in Hamburg viele für die Sicherheit und Ordnung in Gerichten relevante Maßnahmen, wie in Niedersachsen jedoch mit Ausnahme offener Videoüberwachungen, getroffen werden. c) Die in der Rechtsprechung und Literatur für Baden-Württemberg und die übrigen Bundesländer, aufgrund fehlender Ermächtigungsgrundlagen für hausrechtliche Maßnahmen, vorgeschlagenen Rechtsgrundlagen bzw. Surrogate, wie etwa die (analoge) Anwendung der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB,

278

F. Zusammenfassung in Thesen

die Analogie zu existierenden öffentlich-rechtlichen Hausrechtsnormen oder zum jeweiligen Polizeirecht, eine Ableitung aus der Sachkompetenz oder der Rekurs auf einen Gewohnheitsrechtssatz, scheiden als nicht tragfähig aus. Dies hat in Baden-Württemberg und den anderen Bundesländern, in welche keine Ermächtigungsgrundlage existiert, und in Hessen und Hamburg für die Maßnahmen, zu welchen nicht ermächtigt wird, zur Folge, dass die hausrechtlichen Maßnahmen mangels einer Rechtsgrundlage rechtswidrig und angreifbar sind. Das öffentlich-rechtliche Hausrecht stellt sich in den Bundesländern, welche zu keinen hausrechtlichen Maßnahmen ermächtigen, als bloße Hülle ohne Inhalt dar. 2.

Für die den Befugnissen der Gerichtsverwaltung in ihrem persönlichen, zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereich vorgehenden sitzungspolizeilichen Befugnisse des Vorsitzenden nach § 176 GVG ist in räumlicher Hinsicht alleine entscheidend, ob die Störung auf den äußeren Verhandlungsverlauf der Sitzung einwirkt. Auf Grundlage von § 176 GVG können solche Maßnahmen getroffen werden, welche keine oder nur geringe Grundrechtsbeschränkungen mit sich bringen, wie etwa die Unterbindung von Zwischenrufen oder die Bereitstellung von Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes oder von Polizeibeamten in der Sitzung. Für grundrechtsintensive Maßnahmen, wie Identitätsfeststellungen, der Einbehaltung oder des Kopierens der Ausweispapiere oder der Durchsuchung von Personen oder mitgeführter Sachen etwa bei Einlasskontrollen, stellt § 176 GVG keine taugliche Rechtsgrundlage dar. Da sich auch im Übrigen keine Rechtsgrundlage für solche Maßnahmen durch den Vorsitzenden findet, scheiden solche zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung aus.

3.

Maßnahmen sicherheitsrechtlicher Natur durch den Eigentümer und/oder Besitzer des Gerichtsgebäudes als privatem Hausrechtsinhaber kommen außerhalb des persönlichen, zeitlichen und räumlichen Anwendungsbereichs der Sitzungspolizei sowie in Abgrenzung zu den Befugnissen der Gerichtsverwaltung nur in Betracht, soweit sie lediglich zum Schutz des Eigentums und/oder Besitzes am Gerichtsgebäude getroffen werden. Die dogmatische Grundlage findet sich in den das private Hausrecht konstituierenden Normen der §§ 903, 1004, 858 ff. BGB. Der Inhaber des privaten Hausrechts an Gerichtsgebäuden ist in Baden-Württemberg das Land Baden-Württemberg, entweder als Eigentümer oder aber im Falle der Anmietung als unmittelbarer Besitzer des Gerichtsgebäudes. Neben der Festlegung der Nutzung der Gerichtsgebäude in abstrakt genereller Weise mittels Hausordnungen nach § 903 S. 1 BGB stehen dem privaten Hausherrn bei Störungen insbesondere die eigentums- und/oder besitzrechtlichen Abwehransprüche der §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB zu. In der Öffnung des Gerichtsgebäudes für die Allgemeinheit liegt keine diese Ansprüche ausschließende generelle Einwilligung, sondern lediglich eine im Sinne der durch die Hausordnungen konkretisierten freigegebenen Nutzungszwecke. Grenzen der Hausrechtsausübung können sich in Baden-Württemberg aufgrund der Grundrechtsbindung des Landes Baden-Württemberg als privatem

II. Schließung der aufgezeigten normativen Lücken

279

Hausherrn sowie durch die das Privateigentum überlagernde öffentlich-rechtliche Sachherrschaft ergeben. 4.

Der Polizei stehen mit den Normen der landesrechtlichen Polizeigesetze zwar taugliche Ermächtigungsgrundlagen für Maßnahmen sicherheitsrechtlicher Natur zur Verfügung, allerdings sind die Möglichkeiten der Polizeibeamten zur Gefahrenabwehr sehr beschränkt. Die polizeilichen Befugnisse bestehen nur insoweit, als nicht vorrangig der Gerichtsverwaltung oder dem Vorsitzenden die Schaffung und Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung im Gerichtsgebäude zukommt. Auch wenn angesichts der mangelnden Befugnisse der Gerichtsverwaltung in Baden-Württemberg und vielen anderen Bundesländern sowie der im Gesetz vorgesehenen Kompetenzen der Polizei neben anderen Stellen, wie z. B. § 2 Abs. 2 PolG BW, die an sich subsidiäre Zuständigkeit der Polizei bestehen kann, scheitert das polizeiliche Tätigwerden regelmäßig daran, dass die Polizeibeamten nicht im Gerichtsgebäude vor Ort sind und erst verständigt werden müssen. Anwesend sind sie nur dann, wenn ihre Hilfe durch die Gerichtsverwaltung oder den Vorsitzenden ersucht wurde. Dies ist im Wege der Amtshilfe grundsätzlich möglich, jedoch in Baden-Württemberg und vielen anderen Bundesländern aufgrund der fehlenden bzw. lückenhaften Befugnisse der Gerichtsverwaltung sowie des Vorsitzenden nicht sinnvoll.

5.

Die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes sind in Baden-Württemberg durch das JWBG BW, in Bayern durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 BayJSOG und in Sachsen durch § 42 Abs. 1 Nr. 2 SächsJG ermächtigt, eigene gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen zu treffen. Solche kommen neben etwaigen hausrechtlichen Maßnahmen der Gerichtsverwaltung sowie solchen der Polizei in Betracht, sind jedoch im persönlichen, zeitlichen sowie räumlichen Anwendungsbereich der Sitzungspolizei ausgeschlossen. Während in Bayern und Sachsen dem Justizwachtmeisterdienst sämtliche Befugnisse nach dem jeweiligen Polizeigesetz des Landes eingeräumt werden, beschränkt sich die Ermächtigung in Baden-Württemberg auf einzelne polizeiliche Befugnisse. Alle Regelungen ermächtigen jedoch zu sämtlichen für die Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden relevanten Maßnahmen, wie etwa Hausverweisen und -verboten, Identitätsfeststellungen oder Durchsuchungen. In den anderen Bundesländern scheiden eigene Maßnahmen des Justizwachtmeisterdienstes mangels Ermächtigungsnormen aus.

6.

Aus den zivil- und strafrechtlichen Rechtfertigungsvorschriften ergeben sich keine Befugnisse der Gerichtsverwaltung, des Vorsitzenden, der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes oder der Polizei für die Sicherheit und Ordnung in Gerichten. Diese Normen vermögen zwar eine zum eigenen Schutz oder zum Schutz anderer vorgenommene Handlung zivil- und strafrechtlich zu rechtfertigen, ändern jedoch nichts an der öffentlich-rechtlichen Rechtswidrigkeit bestimmter Maßnahmen aufgrund des Fehlens einer Ermächtigungsgrundlage.

280

F. Zusammenfassung in Thesen

7.

Private Sicherheitsdienste können vom privaten Hausherrn im Wege eines privatrechtlichen Auftrages zum Schutz von dessen Individualrechtsgütern eingesetzt und in diesem zur Ausübung der Ansprüche aus §§ 1004 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB ermächtigt werden. Darüber hinaus kann ein Tätigwerden der Sicherheitskräfte aufgrund der allgemeinen Not- und Jedermannrechte nach §§ 32, 34, 35 StGB, 227, 228, 229, 859, 904 BGB, 15, 16 OWiG, 127 StPO in Betracht kommen. Die Beleihung der privaten Sicherheitsdienste mit etwaigen Befugnissen der Gerichtsverwaltung kommt mangels einer entsprechenden gesetzlichen Grundlage sowie in Baden-Württemberg und der überwiegenden Anzahl der Bundesländer mangels hoheitlicher Befugnisse der Gerichtsverwaltung nicht in Betracht. Die privaten Sicherheitskräfte können jedoch als Verwaltungshelfer eingesetzt werden.

8.

Die hausrechtlichen Verwaltungsakte der Gerichtsverwaltung bzw. des Gerichtspräsidenten können trotz der in Baden-Württemberg und der überwiegenden Anzahl der Bundesländer bestehenden Rechtswidrigkeit zwangsweise durchgesetzt werden, sofern die Verwaltungsakte noch nicht unanfechtbar bzw. bestandskräftig und sofort vollziehbar sind. Die Vollstreckung richtet sich in Baden-Württemberg und den anderen Bundesländern, welche den Gerichtspräsidenten keine Befugnisse an die Hand gegeben haben, nach dem jeweiligen Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz, in Niedersachsen vorrangig nach § 16 Abs. 1 S. 1 NJG. Zur Anwendung des einzig relevanten Zwangsmittels des unmittelbaren Zwanges können die Beschäftigten des Justizwachtmeisterdienstes als Vollstreckungsbeamte eingesetzt werden. In Einzelfällen ist zudem die Heranziehung des Polizeivollzugsdienstes im Wege der Vollzugshilfe möglich.

9.

Die zwangsweise Durchsetzung der polizeilichen Anordnungen richtet sich in allen Bundesländern vorrangig nach den zu den polizeilichen Maßnahmen ermächtigenden Vorschriften, soweit diese auch zur Durchsetzung ermächtigen, im Übrigen nach den jeweiligen Vorschriften über den Polizeizwang.

10. Die Anordnungen des Justizwachtmeisterdienstes können in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen zwangsweise durchgesetzt werden. Die Vollstreckung richtet sich vorrangig nach den zu den jeweiligen Maßnahmen ermächtigenden Vorschriften, soweit diese auch die Durchsetzung regeln. Im Übrigen erfolgt die Vollstreckung in Baden-Württemberg nach dem baden-württembergischen Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz, in Bayern und Sachsen nach den jeweiligen Normen über den Polizeizwang. 11. Die sitzungspolizeilichen Verfügungen des Vorsitzenden nach § 176 GVG können gemäß § 177 S. 1 GVG mittels der Entfernung aus dem Sitzungssaal oder der Ordnungshaft zwangsweise durchgesetzt werden. Hierfür können die Beschäftigten des Justizwachtmeisterdienstes sowie ergänzend der Polizeivollzugsdienst herangezogen werden. Da § 177 S. 1 GG keine Sperrwirkung entfaltet, können in den Bundesländern, in welchen die Vollstreckung der nach

II. Schließung der aufgezeigten normativen Lücken

281

§ 176 GVG getroffenen Verfügungen konstitutiv geregelt wird, über § 177 S. 1 GVG hinaus Zwangsmittel angewandt werden. Dies ist in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Hessen, Thüringen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt mit der Einräumung von Befugnissen zugunsten der Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes zur Vollstreckung der sitzungspolizeilichen Verfügungen der Fall. 12. Der private Hausrechtsinhaber ist zur Durchsetzung seiner eigentums- und/oder besitzrechtlichen Ansprüche nicht vorrangig auf die Inanspruchnahme obrigkeitlicher Hilfe verwiesen. Er kann nach § 227 BGB und/oder nach § 859 Abs. 1 BGB vorgehen und so seine Anordnungen durchsetzen. 13. In Eilfällen ist in Baden-Württemberg weder ein sofortiges Einschreiten durch den Gerichtspräsidenten noch durch den Justizwachtmeisterdienst oder die Polizeibeamten möglich. Der Gerichtspräsident kann lediglich in den Bundesländern Niedersachsen und Hessen und die Angehörigen des Justizwachtmeisterdienstes nur in Bayern im Wege des Sofortvollzugs tätig werden. In Baden-Württemberg kommt zwar ein sofortiges Tätigwerden durch die Polizei im Wege der unmittelbaren Ausführung in Betracht, allerdings scheitert diese Möglichkeit für die hinsichtlich der Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden relevanten Maßnahmen mangels vertretbarer Handlugen. Möglich ist bei Gefahr im Verzug jedoch für den Gerichtspräsidenten, die Angehörigen des Justizwachmeisterdienstes und die Polizeibeamten der Verzicht auf bestimmte Verfahrensschritte, insbesondere die Androhung unmittelbaren Zwanges. Ein sofortiges Tätigwerden durch den Vorsitzenden im Rahmen der Sitzungspolizei scheidet aus. 14. In Baden-Württemberg bestehen Sicherheitslücken normativer Art für die Sicherheit und Ordnung in Gerichtsgebäuden, da de lege lata der Gerichtsverwaltung bzw. den Behördenleitern der Gerichte keine Befugnisse zukommen, belastende hausrechtliche Maßnahmen zu ergreifen und die Möglichkeit zum Erlass sitzungspolizeilicher Verfügungen nach § 176 GVG nur sehr beschränkt möglich ist. Diese Lücken können nicht durch die nach dem JWBG BW bestehenden Befugnisse des Justizwachtmeisterdienstes, den nach dem PolG BW bestehenden Befugnissen der Polizei, den Befugnissen des privaten Hausherrn, durch einen Rückgriff auf die straf- und zivilrechtlichen Rechtsfertigungsvorschriften oder durch den Einsatz privater Sicherheitskräfte geschlossen werden. Zur Schließung der Lücken bedarf es der Einräumung hausrechtlicher Befugnisse zugunsten der Gerichtspräsidenten der Gerichte sowie der Ergänzung der Befugnisse des Vorsitzenden nach § 176 GVG. Ein weiterer Regelungsbedarf besteht nicht.

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Sachverzeichnis Abschreckungszweck 20, 97, 151, 257 Allgemeine Handlungsfreiheit 23, 26, 200 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 27 Amtshilfe 97, 148, 149, 150, 151, 155, 212, 213, 214, 232, 256, 260, 264, 266, 279, 285 Analogie 50, 58, 60 Analogieverbot 50 Aushändigung der Ausweispapiere 44 Beleihung 195, 196, 199, 257, 276, 286 Beschlagnahme 43, 149, 165, 166, 167, 201, 261, 263, 270, 277, 278, 280 Besitz 15, 48, 125, 192 Bestimmtheitsgrundsatz 35, 37, 49, 55, 59, 65, 76, 116, 120, 202 Bundesstaatsprinzip 51, 52 Datenschutz 113 Demokratieprinzip 53, 59, 60, 71, 196 Disziplinarmaßnahme 180, 184, 187 Durchsuchung 26, 32, 37, 38, 40, 43, 45, 120, 148, 162, 261, 263, 269, 278, 280 Eigentum 13, 48, 125, 192 Einbehalten der Ausweispapiere 28, 41, 45, 116, 121, 261, 268, 279, 280 Einlasskontrolle 26, 37, 40, 42, 98, 262, 273, 278, 281 Einscannen der Ausweispapiere 41, 45, 111, 116, 121 Ermächtigungsgrundlage 26, 44, 70, 153, 200, 254 Formelles Gesetz 31, 36, 37, 53, 57, 59, 60, 69, 70, 76, 99, 225, 283 Freiheit der Person 201 Friedenspflicht 236 Funktionsfähigkeit 4, 65, 145, 264 Gefahrenverdacht 40 Gefahrerforschungsmaßnahme 39, 45, 111

Generalklausel 36, 37, 39, 44, 96, 110, 120, 174, 175, 255, 260, 266, 278, 279 Gerichtsverwaltung 8 Gesetzeslücke 260, 276 Gesetzesvorbehalte 31, 69, 140, 152 Gesetzgebungskompetenz 48, 61, 264, 279 Gewahrsam 165, 166, 170, 171, 172, 261, 262, 271 Gewaltenteilung 51, 52, 59, 60, 73, 74, 75 Gewohnheitsrecht 65, 201 Gleichheitssatz 56, 142 Grundrechtsverzicht 26 Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes 18, 31, 49, 54, 59, 60, 69, 200 Hausfriedensbruch 13, 15, 17, 60, 61, 122, 124, 126, 127, 129, 200 Hausordnung 133, 135, 136, 139, 142, 143, 262, 274, 284 Hausrechtsinhaber 131, 264 Hausverbot 19, 21, 26, 37, 45, 136, 137, 167, 201, 202, 260, 263, 266 Hausverweis 19, 21, 26, 37, 45, 136, 137, 167, 201, 202, 260, 263, 266 Hilfsmittel körperlicher Gewalt 211, 216, 220, 222, 226, 228, 231, 233, 234, 241, 249 Identitätsfeststellung 26, 32, 37, 40, 43, 44, 110, 148, 161, 201, 261, 263, 268, 278, 279, 281 Ingewahrsamnahme 149, 169, 170, 171, 172, 173, 175, 263, 271 Inhalts- und Schrankenbestimmung 27 Justizwachtmeister 152, 211, 221, 246, 260, 266 Konkrete Gefahr 38, 39, 41, 45, 92, 93, 110, 111, 163 Kopieren der Ausweispapiere 28, 32, 41, 45, 110, 116, 121, 269, 280

Sachverzeichnis Körperliche Bewegungsfreiheit 26, 28 Körperliche Unversehrtheit 19, 28, 68, 200, 263 Metalldetektorrahmen 27, 40, 41, 43, 47, 78, 81, 98, 273, 283 Nichtstörer 106, 274 Notkompetenz 80 Notrecht 176, 193 Notwehrrecht 61 Obrigkeitliche Hilfe 236 Öffentliche Sachen im Verwaltungsgebrauch 14 Öffentlichkeitskeitsgrundsatz 2, 23, 89, 90, 95, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 107, 123, 168, 190, 191, 226, 265, 267, 271, 272, 273 Öffentlich-rechtliche Sachherrschaft 15, 17, 123, 142, 143, 284 Öffentlich-rechtliches Hausrecht 8, 13, 89, 123, 145, 154, 243, 260, 264 Ordnungsgewalt 12, 62, 63, 86, 88, 110 Polizei 145, 155, 211, 217, 250, 260, 266 Polizeizwang 220 Privater Sicherheitsdienst 4, 190, 191, 257, 276 Privates Hausrecht 48, 122, 154, 260, 266 Recht auf informationelle Selbstbestimmung 28, 29, 33, 34, 39, 41, 44, 111, 112, 117, 263, 278 Rechtliches Gehör 95 Rechtspflege 82 Rechtssicherheit 50, 51, 64, 76, 77, 79, 184 Rechtsweg 10 Regelungstiefe 34, 37, 42 Richterliche Unabhängigkeit 82, 89, 90, 91, 123, 157, 265

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Scannen der Ausweispapiere 28, 33, 41, 45, 110, 269, 280 Schutzpflicht des Staates 30 Sicherheitskonzept 2, 3, 47, 190 Sicherheitsmonopol 195 Sicherstellung 30, 37, 41, 43, 45, 48, 61, 94, 165, 261, 263, 270 Sitzungspolizei 82, 123, 145, 155, 252, 260, 265, 267 Sitzungssaal 84 Sofortvollzug 242 Spruchtätigkeit 25 Staatliches Gewaltmonopol 237 Störung des Verhandlungsverlaufes 92 Technische Hilfsmittel 43, 162 Übertragung des Hausrechts 90 Unmittelbare Ausführung 242 Unmittelbarer Zwang 208, 210, 215, 221, 228 Unterbrechung der Sitzung 96 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 95, 140, 169, 181, 182, 267 Verhandlungsverlauf 86 Verwahrung 166, 261, 270, 277, 278, 281 Verwaltungsaktbefugnis 35 Verwaltungshelfer 195, 197, 198, 199, 257, 276, 286 Verwaltungstätigkeit 14, 48, 90, 123 Videoüberwachung 29, 32, 33, 34, 42, 45, 78, 262, 263, 271, 272, 273 Vollzugshilfe 212, 260, 266 Wesentlichkeitstheorie 18, 29, 34 Widmungszweck 14 Zutrittsanspruch 13, 24, 25, 26, 141

SUMMARY Increasingly, the question of adequate safety and order in courts is being raised, not least because of safety-related incidents like the homicide of a public prosecutor in Dachau in 2012 or the large number of weapons and dangerous objects found in security checks. Consequently, safety concepts have been developed and intensified in Baden-Wuerttemberg. The question is not only a political one. The normative bases to establish and maintain safety and order in courts must also be in place. No unified safety law exists in the judicial field. Instead, measures addressing safety and security are based on diverse legal principles. This piece of work explores whether the current normative framework to establish safety and order in courts is adequate. It examines current mechanisms to issue safety measures, including the power of the court president as the public-law holder of the domiciliary right, the power of the presiding judge as the holder of police power in court, the private-law holder of the domiciliary right, as well as powers of the police and court officers. It also examines possibilities for enforcing such measures and options for taking action in urgent cases. It demonstrates that security gaps exist on a normative level in Baden-Wuerttemberg and recommends, as a solution, a legislative proposal and an addition to Sec. 176 GVG.

RÉSUMÉ En raison notamment d’incidents liés à la sécurité, comme par exemple l’assassinat d’un procureur à Dachau en 2012, ou le grand nombre d’armes et d’objets dangereux trouvés lors des contrôles de sécurité, il se pose de plus en plus la question si la sécurité et l’ordre dans les tribunaux est suffisante. En conséquence, des concepts de sécurité ont été développés et intensifiés aussi dans le Bade-Wurtemberg. Cependant, cette question n’est pas seulement d’ordre politique, mais il est aussi nécessaire de fournir les bases normatives pour la mise en place et le maintien de la sécurité et de l’ordre dans les tribunaux. Dans le domaine judiciaire il n’existe pas de droit uniforme en matière de sécurité. Les mesures de sécurité reposent sur des bases juridiques très diversifiées. La présente étude examine si le cadre normatif existant est suffisant pour établir la sécurité et l’ordre dans les tribunaux. Elle décrit les pouvoirs du président de la cour en tant que maître de maison dans le sens du droit public pour prendre des mesures de sécurité, du magistrat du siège en tant que détenteur du pouvoir policier pendant l’audience, du maître de maison au sens du droit privé ainsi que la police et les membres du service de garde judiciaire. Elle examine également les possibilités d’exécuter les mesures ordonnées en cas de non-respect et les mesures applicables en cas d’urgence. Il est démontré qu’ils exitent des failles de sécurité de nature normative dans le Bade-Wurtemberg et comment ces failles peuvent être comblées par une proposition législative et d’un amendement au § 176 de la loi sur le pouvoir judiciaire (GVG).