Semantische Kämpfe zwischen Republik und Prinzipat?: Kontinuität und Transformation der politischen Sprache in Rom [1 ed.] 9783666367601, 9783525367605

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Semantische Kämpfe zwischen Republik und Prinzipat?: Kontinuität und Transformation der politischen Sprache in Rom [1 ed.]
 9783666367601, 9783525367605

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Marian Nebelin / Claudia Tiersch (Hg.)

Semantische ­Kämpfe zwischen Republik und Prinzipat? Kontinuität und Transformation der politischen ­Sprache in Rom

Historische Semantik Herausgegeben von Bernhard Jussen, Christian Kiening, Klaus Krüger und Willibald Steinmetz

Band 31

Marian Nebelin / Claudia Tiersch (Hg.)

Semantische Kämpfe zwischen Republik und Prinzipat? Kontinuität und Transformation der politischen Sprache in Rom

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2021, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung: »Cicero beschuldigt Catilina im Senat der Verschwörung«. Fresko, 1889, von Cesare Maccari (1840–1919). Aus dem Zyklus mit Darstellungen aus der römischen Geschichte. Rom, Palazzo Madama, Sitzungssaal. © akg-images Satz: textformart, Daniela Weiland, Göttingen Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-0084 ISBN 978-3-666-36760-1

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Marian Nebelin Zur Einführung: Semantische Kämpfe in Rom? . . . . . . . . . . . . . . . 9

Sagbarkeit und Machbarkeit Christof Dipper Reinhart Kosellecks Konzept »semantischer Kämpfe« . . . . . . . . . . . 55 Martin Jehne Die Chance, eine Alternative zu formulieren, und die Chance, eine Alternative zu verwirklichen. Das Sagbare und das Machbare im republikanischen und augusteischen Rom . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Vertrauen und Krise Kurt A. Raaflaub The “Denial of Civil War”: Late Republican Responses to Civil War in Language, Ideology, and Politics . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Jan Timmer Freundschaft, Patronage und die Sprache des Vertrauens . . . . . . . . . . 127

Kontinuität und Diskontinuität Egon Flaig Plebs und Princeps. Neue Praktiken und semantische Restrukturierungen im frühen Prinzipat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157

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Inhalt

Marian Nebelin Semantischer Extremismus? Asymmetrische Gegenbegriffe in Rom zwischen Republik und Prinzipat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Paul M. Martin L’évolution de la notion de regnum entre la République et le Principat . . 299 Gegensätze Claudia Tiersch ­Optimates und populares als politische Kampfbegriffe? . . . . . . . . . . . 333 M. A. Robb Seditio and seditiosi: Political Opposition and Violence in the Works of Cicero . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Christoph Lundgreen amicus – inimicus – hostis.    Die Philippischen Reden Ciceros und der Umgang mit radikaler Devianz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 Begriffsgeschichten Andrew Lintott Provocatio in the Second Century BC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Valentina Arena ­The Statue of Marsyas, Liber, and Servius:  an Instance of an Ancient Semantic Battle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 Henriette van der Blom ­Novitas between Republic and Empire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 1. Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 1.1. Mythologische und mythohistorische Figuren . . . . . . . . . . . . 479 1.2. Antike Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 1.3. Vormoderne und moderne Personen, Autorinnen und Autoren . . 484 2. Begriffsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 3. Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493

Vorwort

Die vorliegenden Beiträge repräsentieren den Ertrag einer internationalen Tagung, die vom 9. bis 11. Januar 2013 an der Humboldt-Universität zu Berlin unter dem Titel Sprache und Konflikt. Semantische Kämpfe in Rom zwischen Republik und Prinzipat stattfand. Sie wurde durch die Frage angeleitet, ob – und wenn, inwiefern  – es in der Phase des Übergangs von der römischen Republik zum Prinzipat einen Zusammenhang zwischen der Transformation des politischen Systems und etwaigen Wandlungen in der politischen Sprache Rom gegeben hat. Neben der Erörterung des Zusammenhangs von Sprache und Struktur ging es dabei vor allem um die Suche nach Kontinuitäten wie nach Diskontinuitäten, nach Neubestimmungen und nach Bedeutungsverlusten der politischen Sprache. Als provokative Anregung dienten hierbei Überlegungen zu ›semantischen Kämpfen‹, die der Geschichtstheoretiker, Begriffs- und Neuzeithistoriker Reinhart Koselleck als ein grundsätzliches Merkmal des Verhältnisses von politischer Sprache und außersprachlicher Politik aufgefasst hat. Koselleck zufolge gibt es einen beständigen Zusammenhang zwischen den Wandlungen der politischen Sprache und des politischen Systems (wenn auch nicht notwendig in dieser Reihenfolge). Die Referentinnen und Referenten der Tagung untersuchten dieses Spannungsverhältnis mit Blick auf die Phase des Übergangs von der römischen Republik zum Prinzipat sowohl in grundsätzlich ausgerichteten, als auch an konkreten Fällen orientierten Beiträgen. Erwartungsgemäß war der Befund durchaus heterogen: Es lassen sich sowohl Vorgänge der Transformation wie auch der Kontinuation ausmachen. Die Funktion des vorliegenden Sammelbandes ist es deshalb nicht nur, die Berliner Debatte und ihre Ergebnisse zu dokumentieren, sondern damit zugleich auch neuere Untersuchungen zur politischen Semantik Roms verfügbar zu machen, in der Hoffnung, dass beides künftige semantische und ideengeschichtliche Überlegungen zu befördern oder sogar anzuregen vermag. Dabei geht es darum, der langen Tradition altertumswissenschaftlicher Begriffsgeschichte treu zu bleiben und sie gleichzeitig weiterzuentwickeln. *  *  *

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Vorwort

Der Dank der Herausgeberin und des Herausgebers gilt zunächst den Referentinnen und Referenten der Tagung sowie den Sektionsmoderatoren Bernhard Linke, Jan B.  Meister, Rene Pfeilschifter und Heinrich Schlange-Schöningen. Wolfgang Blösel, Ulrich Gotter und Claudia Moatti konnten aus unterschiedlichen Gründen ihre Vorträge leider nicht zu Aufsätzen ausarbeiten; Uwe Walter wiederum hat seinen Beitrag bereits vor dem sich lang hinziehenden Abschluss dieses Bandes veröffentlicht (Patrizier und Plebeier in der römischen Historiogra­ phie, in: Museum Helveticum 74, 2017, 172–199) – ihnen allen gilt für die inspirierenden Vorträge und die Bereicherung der Diskussion unser Dank. Den Berliner Kolleginnen und Kollegen sowie den Studentischen Hilfskräften sind wir für ihre im Vorfeld und während der Tagung vielfältig gewährte Unterstützung zu Dank verpflichtet. Patrick Pertsch hat freundlicher Weise einen erheblichen Teil der Arbeit für die Verfertigung des Personen- und Stellenregisters übernommen. Der Fritz Thyssen-Stiftung schließlich ist für die großzügig gewährte Förderung der Berliner Tagung, den Herausgebern der Reihe »Historische Semantik« für die Aufnahme des Bandes in ihre Reihe zu danken. Die Herausgeber

Berlin & Klagenfurt, Neujahr 2021

Marian Nebelin

Zur Einführung: Semantische Kämpfe in Rom?*

Semantische Kämpfe sind einer einschlägigen Definition Reinhart Kosellecks zufolge Auseinandersetzungen um die Bedeutung von Begriffen und Konzepten, in denen mit den Begriffen auch die Positionen und gelegentlich sogar die Rollen der an einem Diskurs Beteiligten hinterfragt werden.1 Es steht zu erwarten, dass gerade in Phasen politischer Transformation,2 in denen sich Erfahrungen und Erwartungen neu formieren, solche semantischen Kämpfe verstärkt auftreten.3 Als klassischer Fall einer solchen Transformationsepoche kann der Übergang von der römischen Republik zum Prinzipat angesehen werden. In den letzten Jahrzehnten sind die hergebrachten historischen Zugriffsweisen auf die Semantik dieser Epoche – die lexikographische Methode und die einer sozialgeschichtlich dominierten Begriffsgeschichte – um eine kulturgeschichtliche Dimension erweitert worden. Vor diesem Hintergrund muss in den Altertumswissenschaften erneut danach gefragt werden, ob und in welchem Umfang sich im Übergang von der Republik zum Prinzipat die politische Sprache Roms wandelte. Von besonderem Interesse ist dabei die mit Kosellecks Konzept semantischer Kämpfe verbundene Frage, in welcher Weise eine politische Sprache gesellschaftliche und politische Konflikte reflektiert und inwieweit sie ihrerseits auf diese Auseinandersetzungen zurückwirkt. Der sozialen und politischen Bezogenheit von Begriffen muss dabei ebenso Rechnung getragen werden wie der kulturell * Für Anregungen und Hinweise bin ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Berliner Tagung sowie in besonderem Maße Eike Faber, Katarina Nebelin und Claudia Tiersch zu Dank verpflichtet. 1 Vgl. Koselleck 1972b, 112 f.; dazu siehe die Ausführungen unten, Abschnitt. II . 2 Zu politischen Transformationsprozessen siehe die – mit Blick auf moderne Beispielfälle entfalteten  – Überlegungen von Merkel 2010; zum rezeptionsgeschichtlichen Transformationsbegriff, der sich allgemein für kulturgeschichtliche Perspektiven empfiehlt, siehe Böhme 2011. 3 Vgl. beispielsweise Leonhard 2008, 549: »Übergangsgesellschaften sind durch den beschleunigten und krisenhaften Umbruch von Erfahrungen und der damit verbundenen Deutungsmuster und Kommunikationsweisen charakterisiert. Die Transformation von tradierten Erfahrungsmustern geht dabei zugleich einher mit der Suche nach neuen Formen, solche Umbrüche zu deuten, sie damit kommunizierbar zu machen und sich so den Erfahrungswandel sinnhaft anzueignen. Für diese Formen der Erfahrungsdeutung spielen sprachliche Deutungsmuster eine fundamentale Rolle«.

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Marian Nebelin

codierten Konstruktion von Bedeutungen. Dabei geht es keinesfalls nur um die Untersuchung einzelner semantischer Kämpfe im koselleckschen Sinne, sondern vielmehr um die Erkundung des Spektrums möglicher semantischer Transformationen – aber auch um die Herausarbeitung von Kontinuitätsmomenten. Schließlich setzt jeder Wandlungsvorgang voraus, dass etwas vom Ursprünglichen verbleibt – ansonsten würde es sich um etwas gänzlich Neues handeln. Deshalb markieren semantische Kämpfe lediglich einen Extremfall des Zusammentreffens von politisch-sozialem und sprachlichem Wandel. Die exemplarische Ausmessung des solcherart aufgespannten Untersuchungsfeldes war Gegenstand einer internationalen, von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung großzügig bedachten Tagung, die vom 9. bis 11. Januar 2013 an der Humboldt-Universität zu Berlin unter dem Titel Sprache und Kon­ flikt. Semantische Kämpfe in Rom zwischen Republik und Prinzipat stattfand. Die hier vorzustellenden Überlegungen reflektieren einerseits den gemeinsamen Ausgangspunkt wie die Ergebnisse der Tagung; sie versuchen andererseits über den konkreten Fall der Phase der Transformation der römischen Republik ins Prinzipat hinausgehende methodologische Überlegungen vorzunehmen. Damit ist jedoch keinesfalls ein Schlusspunkt beabsichtigt – weder epochal noch methodisch: Die Beiträge der Tagung zeigen gerade in ihrer Disparatheit die Vielfalt möglicher Adaptionen und Zugriffe, vor allem aber auch die Bandbreite der Ergebnisse auf. Die politische Sprache Roms scheint sich, darauf deuten die Erträge der Tagung hin, zwischen Republik und Prinzipat in einigen Fällen radikal, in anderen nur moderat und als Teil übergeordneter, mittel- oder langfristig wirksam werdender Prozesse gewandelt zu haben. In weiteren Fällen wiederum erwies sich die politische Sprache als resistent gegenüber ereignisbezogenen Politisierungen und mithin als längerfristig erstaunlich beständig. Deshalb ist die politische Sprache Roms zwischen Republik und Prinzipat zugleich durch Momente der Kontinuität wie der Transformation gekennzeichnet. Weil sich auf diese Weise zwar ein klareres, aber doch noch kein einheitliches Bild der Transformationsepoche gewinnen lässt, soll dieser Band als Grundlage und Anregung für weitere Forschungen dienen. Vor diesem Hintergrund bietet dieser Beitrag eine thematische Hinführung, die einerseits den weiteren inhaltlichen Zusammenhang vorstellt und Thema wie Methode(n) wissenschaftsgeschichtlich verortet, andererseits aber natürlich die Ergebnisse der Tagung und des Bandes zusammen- und partiell auch weiterführt. Dazu werden in einem ersten Schritt eine wissenschaftsgeschichtliche Verortung vorgenommen (I .), in einem zweiten Schritt grundsätzliche methodologische Überlegungen entfaltet (II.), in einem dritten Schritt die Konsequenzen für die historiographische Praxis erörtert (III.) und in einem vierten und abschließenden Schritt die Kernergebnisse der Tagung und mithin die Inhalte der Beiträge des vorliegenden Bandes vorgestellt (IV).

Zur Einführung: Semantische Kämpfe in Rom?­   

I.

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Wissenschaftsgeschichte: Von der rekonstruktiven Philologie zur kulturwissenschaftlichen Semiotik

Die Sprache der Politik in der römischen Republik war in eminenter Weise sozial und politisch bestimmt: Ihre leitenden Begriffe betrafen die Integration der Gemeinschaft sowie die Inklusion und Exklusion einzelner Teilglieder und Teilgruppen.4 Es war eine zutiefst von personalen Konzepten durchdrungene Sprache, die ihre Wurzeln im familialen und im militärischen Bereich hatte.5 Deshalb wiesen die politischen Beziehungsbegriffe deutlich erkennbare hierarchische Implikation auf.6 Demgegenüber spielten Begriffe etwa aus ökonomischen oder religiösen Sprachfeldern in den politischen Argumentationen eine untergeordnete Rolle.7 Bisher ist diese Semantik vor allem in Hinblick auf einzelne Begriffe, fokussiert auf die politische Sprache einzelner Akteure und Autoren oder ausgerichtet auf bestimmte, konkrete Konfliktkonstellationen untersucht worden.8 Am Beginn der althistorischen und altphilologischen Einzelbegriffsanalyse stand dabei ein lexikographisches Großprojekt der Altertumswissenschaften: Der Thesaurus linguae Latinae, der seit 1893 erscheint.9 Die Weiterentwicklung des »analytisch-historischen Empirismus der sterilen ›Thesaurus‹-Arbeit«10 zu einer altphilologischen Begriffsgeschichte war dann, wie Stefan Rebenich angemerkt hat, das Projekt der sogenannten Wertbegriffsforschung, die zwischen 191211 und 196712 boomte.13 In diese Traditionslinie gehört auch die – mittlerweile eingestellte – Traditionslinie der zunächst von Richard Heinze angeregten und von Wilhelm Kroll und seinem Breslauer Schülerkreis fortgesetzten, später unter anderen Vorzeichen beispielsweise von Hans Drexler repräsentierten und in den von Hans Oppermann 1961 und 1967 herausgegebenen Sammelbänden 4 Vgl. Martin 1990, 287. 5 Vgl. ebd. 284–289. 6 Vgl. Hölkeskamp 2004, 55 (m. Anm. 18). Vgl. zum römischen Hierarchiedenken Rilinger 1991, zu den Rangbegriffen bes. ebd. 81 f. 7 Zum Verhältnis von Argumentation und Begriff vgl. Kienpointer 2008, 702. 8 Siehe bspw. die das Verhältnis von politischer Theorie und praktischer Politik auslotenden Arbeiten von Bernett 1995 für Cicero und von Raaflaub 1974 für die Konstellation zwischen Caesar und Pompeius. 9 Dazu vgl. Rebenich 2005, 24 f. 10 Ebd. 25. 11 Als Ausgangspunkt der Debatte gilt zu Recht Reitzenstein 1912. 12 Das Erscheinen von Oppermann 1967 markiert gewissermaßen den Abschlusspunkt der Entwicklung der Wertbegriffsforschung: Mit diesem Sammelwerk hat sich diese Forschungsrichtung gleichsam selbst historisiert. 13 Vgl. neben Rebenich 2005 die Literaturhinweise und das Resümee bei Schneider 1988, 48–55.

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resümierte sogenannte Römertumsforschung, deren Verwurzelung im nationalistischen, zum Teil völkischen Denken ersichtlich ist.14 Einen Höhepunkt – im Anschluss an die Ausführungen in der »Vorbemerkung« von Alfons Weische zu einer Sammlung kleinerer begriffsgeschichtlicher Untersuchungen lässt sich vielleicht sogar festhalten: geradezu ihre Vollendung und ihren Abschluss – erreichte die Wertbegriffsforschung in der umfangreichen Untersuchung der Sprache politischer Beziehungen im republikanischen Rom durch die großangelegte Studie von Joseph Hellegouarc’h über Le vocabulaire Latin des relations et des partis politiques sous la république.15 Hellegouarc’h versuchte in seiner monumentalen, 1963 erstmals erschienen Arbeit, mit Blick auf die politische Sprache der römischen Republik das zu identifizieren und zu formieren, was Reinhart Koselleck als »Begriffsnetze«16 bezeichnet hat; dabei »ergeben sich« in H ­ ellegouarc’hs Untersuchung »größere Lücken […] nur bei ›Negativbegriffen‹«.17 Hellegouarc’h Studie ist eine begriffsgeschicht­ liche Untersuchung im engeren Sinne: Sie verbindet altphilolo­gische und soziologische Perspektiven historischer Forschung, indem sie am Ende die fidesKategorie ins Zentrum rückt. Auf diese Weise bildet ­­Hellegouarc’hs Werk zugleich auch einen Höhepunkt der in dieser Zeit aufkommenden soziologisch ausgerichteten Begriffsgeschichte.18 In den letzten Jahren hat sich die Ausrichtung der daran anknüpfenden Untersuchungen erneut verschoben;19 die vordem in erster Linie philologische Rekonstruktionsperspektive wurde ergänzt durch kulturgeschichtliche Kontextualisierungen: Begriffe werden nun als ein Teil der kulturellen Praxis Roms untersucht.20 Dieser cultural turn wird insbesondere 14 Oppermann 1961; ders. 1967. Dazu vgl. (mit Belegen und weiterführenden Literaturhinweisen) den wissenschaftsgeschichtlichen Abriss bei Thome 2000, Bd. I, 8–14. 15 Weische 1975, [V]; vgl. Hellegouarc’h 1972. 16 Koselleck 2002, 101. 17 Schneider 1998, 52, Anm. 18. Auch diese Tradition wird noch heute philologisch fortgesetzt; siehe bspw. Schofield 2009. 18 Die vier grob unterschiedenen Phasen altertumswissenschaftlicher Begriffsforschung – Lexikographie, Altphilologie, Soziologie, Kulturwissenschaft  – mit Blick auf die späte römische Republik und das frühe Prinzipat lassen sich sowohl zeitlich wie inhaltlich nur artifiziell voneinander trennen: Jede der jüngeren Zugriffe bedarf nicht nur der älteren, sondern stellt auch einen neuen Beitrag zu deren Entwicklung dar. Insbesondere die Wertbegriffsforschung steht de facto bereits an einer Schnittstelle zwischen philologischer und soziologischer Forschung  – wobei erstgenannte Perspektive freilich zumeist noch dominierte und der soziologische Zugriff zumeist unreflektiert erfolgte. In jedem Fall ist auch die – zugleich autonom weiter fortschreitende – Geschichte der übrigen Zugriffsweisen nicht beendet: Die Zugriffe bestehen vielmehr zugleich im Nebeneinander wie auch als miteinander Verwobene fort. 19 Dafür stehen beispielhaft die Beiträge Braun  – Haltenhoff  – Mutschler 2000; Linke  – Stemmler 2000; Haltenhoff – Heil – Mutschler 2003; dies. 2005; dies. 2011. 20 Zu diesem Wandel vgl. Hölkeskamp 2004, 50–72. »Das Ziel ist« Hölkeskamp zufolge »ein umfassend-integrativer Ansatz« (ebd., 57, Anm. 1).

Zur Einführung: Semantische Kämpfe in Rom?­   

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dort deutlich,21 wo Begriffe in den Bereich der Erinnerungskultur hineinragen;22 das gilt etwa für die Rede vom mos maiorum oder von den exempla,23 in denen sich verschiedene Bedeutungs- und Zeitschichten mit konkreten Erinnerungspraktiken verklammern. Weil Begriffe dadurch immer auch zu den mit ihnen verbundenen Praktiken bezogen gedacht werden, weitet sich an diesem Punkt der Gegenstandsbereich kulturwissenschaftlich angeleiteter Historie von der Semantik zur Semiotik. Der in den Geisteswissenschaften allgemein anzumessende Trend zu einer Re-Lektüre der Begriffsgeschichte als Historischer Semantik hat sich unter diesen Prämissen in jüngster Zeit auch in den Altertumswissenschaften verschärft:24 So wurden etwa hergebrachte Deutungen des Wertbegriffs libertas ebenso wie solche der Beziehungsbegriffe optimates und populares hinterfragt und die praxeologische Dimension der Rede von nobilitas und novitas aufgedeckt.25 Dass nicht nur zahlreiche semantische Umbrüche, sondern auch die beste Beleglage für die Rekonstruktion solch semantischer Transformationen in die Endphase der Republik fallen, hat dazu geführt, dass die schon ad acta gelegte symesche These einer politischen Roman Revolution in den letzten Jahren unter neuen Vorzeichen ihre Auferstehung feierte:26 Die Transformation des politischen Systems in Rom von der aristokratischen Republik zum monarchischen Prin21 Zum sogenannten cultural turn als Oberbegriff einer Vielzahl von methodischen Akzent­ verschiebungen unter dem Einfluss der Kulturwissenschaften vgl. Bachmann-Medick 2006; zur Entwicklung in der Althistorie vgl. Hölkeskamp 2017; ders. 2019. 22 Zum Begriff der ›Erinnerungskultur‹ vgl. Erll 2008, 176 sowie Meißner  – Steinberg  – Trepsdorf 2009, 9–13. 23 Vgl. bspw. Blösel 2000; Bücher 2006. 24 Damit schließen die Altertumswissenschaften an eine Entwicklung der begriffsgeschicht­ lichen Methodik an; zu dieser vgl. Steinmetz 2008. 25 Vgl. Lapyrionok 2008; van der Blom 2010; Robb 2010; Tiersch 2015; dies. 2018. 26 Vgl. Syme 1939. Ursprünglich lässt sich das Konzept einer ›römischen Revolution‹ freilich auf Theodor Mommsen zurückführen (vgl. Tornow 1978), doch war Symes Fassung die längerfristig insbesondere in den angelsächsischen Altertumswissenschaften einflussreichere. Zu den Voraussetzungen, unter denen auf Grundlage eines idealtypischen, nicht vulgärmarxistisch vereinseitigten Revolutionsbegriffs in diesem Sinne auch von einer politischen ›römischen Revolution‹ gesprochen werden kann, vgl. Heuß 1980 sowie ders. 1956. Heuß resümiert in ebd. 1188 verallgemeinernd die Eigenheiten der römischen Situation: »Die Geschichte vollzieht sich ohnehin meist mit verhängten Augen, erst recht tut sie es aber, wenn sie sich in einer Revolution ohne immanente Teleologie vollzieht und von Revolutionären vorwärts getrieben wird, die sogar um ihre eigene Bestimmung als Revolutionäre nur unvollkommen oder gar nicht Bescheid wissen«. In ders. 1973, bes. 504–508, verweist Heuß zudem auf den semantischen Niederschlag, den sowohl die sozialen Gegensätze wie auch die Konfliktsituation in ›revolutionären Phasen‹ der griechisch-römischen Geschichte im Altgriechischen und im Lateinischen gefunden haben, wenngleich eine die gesamte Antike umfassende revolutionäre »Phraseologie« im engeren Sinne nicht entstand (ebd. 509).

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zipat scheint im kulturellen Sektor ein Äquivalent in Form einer »révolution intellectuelle« (Claudia Moatti)27 beziehungsweise einer »cultural revolution« (Andrew Wallace-Hadrill)28 gefunden zu haben.29

II. Methode und Perspektive: Von Kosellecks ›semantischen Kämpfen‹ zu einem Konzept semiotischer Transformationen Die Charakterisierung des Übergangs von der Republik zum Prinzipat als ›intellektuelle‹ oder ›kulturelle Revolution‹ wirft Fragen auf: Wirkten sich der Wandel der politischen Ordnung und die damit einhergehenden ›Souveränitätsverlagerungen‹ im lang andauernden Übergang von der Republik zum Prinzipat auch auf die Sprache aus? Erfuhr die politische und soziale Sprache in Rom signifikante Veränderungen ihrer Semantik oder lassen sich eher Kontinuitäten beobachten? Und welche Gründe gibt es jeweils für diese Entwicklungen? Welche Folgen zeitigten sie? Dass auf solche Fragen Antworten gefunden werden müssen, um die Geschichte der späten Republik und des frühen Prinzipats schreiben zu können, verdeutlicht paradigmatisch Rolf Rilinger, der – die rückblickende Perspektive der Kaiserreichforschung einnehmend30 – die Auffassung vertrat, »[d]ie republikanischen Begrifflichkeiten wurden mit dem Übergang zum Prinzipat übernommen, zentrale Begriffe wie z. B. res publica und libertas uminterpretiert«,31 um auf dieser Annahme dann seine These von der »Verschleierung des Prinzipats als Republik« aufzubauen.32 Diese basiert auf dem Postulat einer 27 Moatti 1997, 13 u. passim. 28 Wallace-Hadrill 1997; ders. 2008. 29 Soziologisch scheinen sich im Rahmen dieser Entwicklungen auch die Rollenmodelle für die Angehörigen der Aristokratie verändert zu haben (vgl. mit weiterführender Literatur: Nebelin 2014a, 148; 163–166): Die Monopolisierung der Macht durch einen Einzelnen erforderte nicht nur, sondern ermöglichte es auch, dass Aristokraten in Bereichen jenseits der Politik ihren Lebensmittelpunkt ausmachen; vgl. ebd. 164; Stein-Hölkeskamp 2003, 319–331. Die Ursprünge dieser Entwicklung gingen freilich der etablierten Monarchie voran: Bereits in der späten Republik wuchsen das Ansehen des Rechtswesens ebenso wie die Bedeutung literarischer und mäzenatischer Tätigkeiten (vgl. Krasser 2009); Peter Scholz meint sogar, eine ›Intellektualisierung‹ der römischen Führungsschicht im 1. Jahrhundert v. Chr. beobachten zu können (siehe Scholz 2004; ders. 2007). 30 Die unterschiedlichen Beschreibungen und Bewertungen, die sich ergeben, wenn man den Übergang von der Republik zum Prinzipat aus der Perspektive der Republik- oder der Kaiserreichforschung beschreibt, analysiert und interpretiert, reflektierte jüngst methodologisch M. Meier 2014. 31 Rilinger 1988, 339. 32 Ebd. Ein solcher Verschleierungsvorgang ist als Konsequenz einer Verknappung des Diskurses anzusehen; dazu vgl. Nebelin 2011b, 45 f.

Zur Einführung: Semantische Kämpfe in Rom?­   

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Kontinuität auf phonologischer Ebene bei gleichzeitigen Anpassungen auf der Bedeutungsebene. Weil auf diese Weise die Semantik äußerlich intakt blieb und er offensichtlich diesen vorsichtigen Anpassungsprozess als intentionalen darstellte, konnte ­R ilinger von einer ›Verschleierung‹ des ›Verfassungswandels‹ sprechen. Solche Modelle sind nicht neu: Aus altertumswissenschaftlicher Perspektive hat beispielsweise bereits 1967  – in einer allerdings radikaleren und grundsätzlicheren Lesart – Carl Becker auf den kombattiven Charakter der Verflüssigung sprachlicher Bedeutungen in Krisenzeiten hingewiesen, indem er auf die »Sprachverkehrung« in »Bürgerkämpfe[n]« aufmerksam machte,33 auf die schon Thukydides und später, zu Beginn der Phase zwischen Caesars Tod und Octavians Alleinherrschaft, auch Sallust hingewiesen hätten.34 Beckers daran anknüpfenden Überlegungen zufolge kommt es gerade in Phasen innerer Konflikte zu einer »Begriffsverwirrung«, in deren Folge »sowohl positive Handlungen« erscheinen, »die man nun mit abwertenden Ausdrücken belegt, als auch das Umgekehrte«.35 Er verwies darauf, dass solch ein »Wandel im Sprachlichen 33 Becker 1967, 6. 34 Siehe zum einen Thuk. 3,82,4. Dazu vgl. Müri 1969; Orwin 1988, 834 f. (»[N]ewspeak is a discovery of Thucydides. Indeed he presents it in an even more terrifying light: not as something imposed from above, but as altogether spontaneous, an authentic voice from out of the political whirlwind.«; zu den Grenzen der Analogie vgl. Hornblower 1991–2008, Bd. I, 483); Wilson 1982 (bes. 19: »What changed was men’s use of the available descriptions: they abandoned the usual ones and adopted others, because they wanted to make different value-judgements about the phenomena described.«); Worthington 1982 sowie mit weiterführender Literatur: Hornblower 1991–2008, Bd. I, 483, bes.: »The point […] is not that the meanings of words actually changed […], but that the use which people made of the available descriptions changed as their evaluation of the relevant actions changed«; eigensinnig: Loraux 1986; zu möglichen Vorläufern und geistesgeschichtlichen Hintergründen der Überlegungen Thukydides’ zu den Transformationen politischer Semantik vgl. Müri 1969, 70–73. Siehe zum anderen Sall. Catil. 38, 3 f. (Teil der Epochencharakterisierung Sallusts; Übers. W. Eisenhut / J. Lindauer: »Denn, um mit wenigen Worten die Wahrheit auszusprechen: alle, die seit jener Zeit politische Agitation treiben, taten das mit trefflichen Schlagworten, die einen, als wollten sie die Rechte des Volkes verteidigen, andere, um den Einfluß des Senats möglichst zu stärken; sie schützten das Allgemeinwohl vor, jeder kämpft aber für seine eigene Macht. Bei der Auseinandersetzung kannte man weder Maß noch Ziel; kaltblütig suchten beide Gruppen ihren Sieg auszunutzen« = nam­ que, uti paucis verum absolvam, post illa tempora quicumque rem publicam agitavere, ho­ nestis nominibus, alii sicuti populi iura defenderent, pars, quo senatus auctoritas maxuma foret, bonum publicum simulantes pro sua quisque potentia certabant. neque illis modestia neque modus contentionis erat: utrique victoriam crudeliter exercebant; dazu vgl. Ramsey 2007, 165); Sall. Catil. 52, 11 (ein Teil der Kritik des jüngeren Cato an Caesar in dessen Rede im Rahmen von Sallusts Synkrisis Catos mit Caesar; dazu – und grundsätzlich zu Sallusts Kritik der politischen Sprache sowie seinem Verhältnis zu Thukydides in diesem Punkt – vgl. beispielsweise Steidle 1958, 26; Büchner 1960, 336 f.; Syme 1964, 113; 248–251; Ramsey 2007, 208; Schmal 2009, 149). 35 Becker 1967, 6.

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nicht isoliert« betrachtet werden dürfe, sondern vielmehr »in einer Linie mit den anderen Verzerrungen« liege, welche diese Phasen kennzeichneten. Seine Überlegungen münden konsequenterweise in die Forderung nach einer »Analyse dieser Erscheinungen«.36 Allerdings verkannte Becker den normativen Charakter der antiken Konzepte. Dieser wiederum schmälert zwar nicht den Wert der antiken Darlegungen als Wahrnehmungsartikulationen oder Inspirationsquellen, lässt jedoch sehr wohl ihre Nutzung als Grundlage eines analytischen Modells historischer Semantik fragwürdig erscheinen. Stattdessen müssen die verschiedenen Beiträge in einer politischen Auseinandersetzung nicht als ›Verirrungen‹, sondern vielmehr als Argumente im Ringen um Begriffsbedeutungen aufgefasst werden: Semantische Kämpfe statt ›Sprachverkehrung in Bürgerkämpfen‹. Denn gerade in Phasen politischer Umbrüche verändert sich die politische Sprache; ein Vorgang, der sich, wie Christian Meier dargestellt hat, in allen Epochen auf ähnliche Weise abspielt: »Zentrale Begriffe werden neu gebildet. Wichtige überkommene Begriffe verändern ihre Bedeutung gründlich oder geraten ins Abseits. Die gesamte Begriffswelt wird unter neue Vorzeichen gestellt, gewinnt neue Funktionen  – und bleibt sich dann, bei aller Veränderung im Einzelnen, für mehr oder weniger lange Zeit wieder gleich«.37 Die Auseinandersetzungen, in denen sich Begriffe auf diese Weise wandeln, lassen sich als »semantische Kämpfe« bezeichnen.38 Reinhart Koselleck verstand darunter einen »Kampf um die ›richtigen‹ Begriffe«,39 in dem es darum gehe, »politische oder soziale Positionen zu definieren und kraft der Definitionen aufrecht zu erhalten oder durchzusetzen«.40 Die politische Dimension der Sprache wird in seman­ tischen Kämpfen zugleich virulent und verfügbar. In Kosellecks Werk ist die Rede von semantischen Kämpfen Teil seiner Ausführungen zum Verhältnis von Begriffsgeschichte und Sozialgeschichte im Rahmen seines gleichnamigen Aufsatzes aus dem Jahr 1972, wobei das Publi­ kationsjahr vor allem deshalb von Bedeutung ist, weil einer Auflistung der Verwendung des Begriffs ›semantischer Kampf‹ durch den Linguisten Ekkehard Felder zufolge das Konzept überhaupt erst seit den 1970er Jahren zirkuliert:41 Die Begriffsbildung dürfte dann wahrscheinlich auf Koselleck zurückzuführen, jedoch kontextuell in einem gleichermaßen Bereiche von Wissenschaft und 36 Ebd. 37 So Chr. Meier 1980a, 275 im Anschluss an Reinhart Koselleck. 38 Koselleck 1972b, 113. 39 Ebd. 112. 40 Ebd. 113. 41 Felder 2006a, 17. Felder datiert den Aufsatz jedoch fälschlicherweise in das Jahr 1979, wahrscheinlich aufgrund des Ersterscheinungsdatums des Wiederabdrucks in Kosellecks Schriftensammlung Vergangene Zukunft (siehe Felder 2006a, 17 und 44), obwohl der Beitrag erstmals in dem Band Ludz 1972 auf den Seiten 116 bis 131 erschien; das Zitat findet sich dort auf Seite 120.

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Politik umfassenden, diskursiven Trend der 1970er Jahre zu verorten sein.42 Zugleich ist Kosellecks Definition semantischer Kämpfe die Konsequenz seines Narrativs, das aus dem Versuch resultierte, mittels des Aufsatzes über Begriffs­ geschichte und Sozialgeschichte eine grundsätzliche Bestimmung des Verhältnisses der beiden im Titel enthaltenen sektoralen Zugriffe der Geschichtswissenschaft vorzunehmen. Koselleck intendierte, »die historisch-kritischen Implikationen einer Begriffsgeschichte als notwendige Hilfe für die Sozialgeschichte zu erweisen«.43 Aufgrund dieser Zielsetzung verbinden sich in seinem Text entsprechende Beispielfälle auf der einen Seite mit grundsätzlichen Aussagen zur Methodologie und zur Historischen Anthropologie auf der anderen Seite.44 Doch wie konkretisierte Koselleck seine Annahmen? Unter Verweis auf die Hardenbergs Rigaer Denkschrift vom September 1807, die vermittels Reformen auf die Schaffung einer Staatsbürgergesellschaft abzielte, entfaltete Koselleck die bereits an demselben Beispiel in seiner Habilitationsschrift aufgeworfene These, dass es strukturelle Kopplungen zwischen sozialen Konstellationen und sprachlichen Äußerungen gäbe, wobei letztere aufgrund ihrer Temporalstruktur zugleich auf Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft bezogen seien.45 Die Idee der Staatsbürgergesellschaft setzte den erst noch hervorzubringenden Staatsbürger voraus – und ermöglichte über dessen Definition auch seine Entstehung.46 Aus dieser Beobachtung folgerte Koselleck verallgemeinernd: »Die Ausmessung des Bedeutungsraumes jedes der [von Hardenberg; M. N.] verwendeten zentralen Begriffe zeugt also von einer gegenwartsbezogenen, polemischen Pointe, von einer planerischen Zukunftskompo42 Vgl. die Literatursammlung in Felder 2006a, 17. Ausführlich zur Geschichte des Konzepts vgl. Dipper 2016 sowie seine aktualisierte Fassung dieses Beitrags im vorliegenden Sammelband. Die Erstnennung im Bereich der Altertumswissenschaften könnte Egon Flaig zuzuschreiben sein; dieser stellte im Vorwort seines 2003 erstmals erschienenen Buches über Ritualisierte Politik Überlegungen darüber an, was »[k]ulturelle Semantik stabilisiert« und vor allem »veränder[t]«, wobei Flaig zu den Veränderungsfaktoren »Verschiebungen der Kräfteverhältnisse« sowie – allgemein und ohne nähere Erörterungen eingeführt:  – eben »[s]emantische Kämpfe« zählt (Flaig 2003, 10; dazu ausführlicher unten). 43 Koselleck 1972b, 109; zu Anlage und Kernaussagen dieses Aufsatzes vgl. Müller  – Schmieder 2016, 304 f. 44 Koselleck hat erst später den Schritt zur bewussten Entfaltung seiner Historischen Anthropologie unternommen; dazu vgl. zu wesentlichen inhaltlichen Linien von Kosellecks Anthropologie mit Belegen und weiterführender Literatur Steinmetz 2006, 82 f.; Hoffmann 2009; ders. 2011, 178–186; Olsen 2012, 66–69 und passim; Müller – Schmieder 2016, 321–328. 45 Siehe Koselleck 1972b, 109–111 (bes. mit den Literaturverweisen in ebd. 109, Anm. 4). Vgl. ders. 1989, bspw. 158–162; 660–662 (»Exkurs II«) und – zu dem dort entfalteten Konzept – Nebelin 2013a. Später hat Koselleck zumindest die Auffassung relativiert, vielleicht sogar aufgegeben, dass Texte Zukunft antizipieren oder gar schaffen können. 46 Vgl. Nebelin 2013a, 364 f.; 375 f.

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nente, und von dauerhaften aus der Vergangenheit herrührenden Elementen der Sozialverfassung, deren spezifische Zuordnung den Sinn dieses Satzes [von der Staatsbürgergesellschaft; M. N.] freigibt. In der temporalen Ausfächerung der Semantik liegt schon die geschichtliche Aussagekraft beschlossen. Innerhalb der Textexegese gewinnt also die spezielle Hinblicknahme auf den Gebrauch von politisch-sozialen Begriffen, die Untersuchung ihrer Bedeutungen einen geschichtlichen Rang. Die in einer konkreten politischen Situation enthaltenen Momente der Dauer, des Wandels und der Zukünftigkeit werden im sprachlichen Nachvollzug erfaßt. Damit werden – noch allgemeiner gesprochen – soziale Zustände und ihr Wandel bereits thematisiert«.47 Koselleck geht in dieser Passage fließend von der abstrahierenden Deutung seines Beispiels zu einer Verallgemeinerung über. In der Folge macht er deutlich, dass diese Beobachtungen einerseits ein grundsätzliches, gewissermaßen überzeitlich anzutreffenden Phänomen darstellten, andererseits aber in der Moderne verstärkt, weil beschleunigt zutage träten: So sei »seit rund 1770« »im deutschen Sprachraum« zu beobachten, dass »eine Fülle neuer Bedeutungen alter Worte und Neuprägungen auftauchen, die mit dem Sprachhaushalt den gesamten politischen und sozialen Erfahrungsraum verändert und neue Erwartungshorizonte gesetzt haben. […] Der Kampf um die ›richtigen‹ Begriffe gewinnt an sozialer und politischer Brisanz«.48 Diese Auseinandersetzungen, bei deren rückblickender Analyse sich seines Erachtens die Perspektiven von Begriffsund Sozialgeschichte phänomenbedingt verschränken sollten, hätten dann im Gefolge der Französischen Revolution eine weitere, nunmehr allerdings grundsätzliche Änderung erfahren: Begriffe der politisch-sozialen Sprache wurden in rasant zunehmender und überproportionaler Weise »Zukunftsbegriffe«  – das heißt: Begriffe, die Vorstellungen einer zukünftigen, erst noch zu schaffenden Wirklichkeit in sich bargen.49 Darin liegt eine wesentliche Komponente von Kosellecks Vorstellung von der Besonderheit der Moderne. 47 Koselleck 1972b, 112. 48 Ebd. 49 Ebd. 113: »Seit der Französischen Revolution hat sich dieser Kampf verschärft und strukturell verändert: Begriffe dienen nicht mehr nur, Vorgegebenheiten so oder so zu erfassen, sie greifen aus in die Zukunft. Zunehmend wurden Zukunftsbegriffe geprägt, erst künftig zu erringende Positionen mußten sprachlich vorformuliert werden, um überhaupt bezogen oder errungen werden zu können. Der Erfahrungsgehalt vieler Begriffe wurde dadurch geringer, der darin enthaltene Anspruch auf Verwirklichung proportional dazu größer. Erfahrungsgehalt und Erwartungsraum kommen immer weniger zur Deckung. Hierzu gehören die zahlreichen -ismus-Prägungen, die als Sammlungs- und Bewegungsbegriffe dazu dienten, die ständisch entgliederten Massen neu zu ordnen und zu mobilisieren. Die Verwendungsspanne dieser Ausdrücke reicht  – wie heute noch  – vom Schlagwort bis zum wissenschaftlich definierten Begriff. […] Seitdem die Gesellschaft in die industrielle Bewegung geraten ist, liefert die politische Semantik der darauf bezogenen Begriffe einen Verständnisschlüssel, ohne den die Phänomene der Vergangenheit

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Doch jenseits dieser epochenspezifischen Konfiguration konstatierte Koselleck, dass der besagte »Kampf um die ›richtigen‹ Begriffe« mit seiner »sozialen und politischen Brisanz« ein grundsätzlicheres Phänomen sei:50 »Der semantische Kampf, um politische oder soziale Positionen zu definieren und kraft der Definition aufrecht zu erhalten oder durchzusetzen, gehört freilich zu allen Krisenzeiten, die wir durch Schriftquellen kennen«.51 Semantische Kämpfe sind mithin aus Sicht Kosellecks Element einer Historischen Anthropologie; sie repräsentieren den »­Aspekt des Kampfes um Begriffe als Teil gesellschaftlicher Konflikte«.52 Dabei geht es in ihnen nicht allein um den Kampf mit oder um Begriffe; vielmehr werden Begriffe selbst als Faktoren politisch-sozialen Wandels aufgefasst – und zwar sowohl als Begriffe, die sich auf eine bestimmte Vergangenheit oder Gegenwart beziehen, wie auch als Zukunftsbegriffe. Demnach sind semantische Kämpfe Auseinandersetzungen um Begriffe, welche die Veränderungen der außersprachlichen Wirklichkeit flankieren oder sogar nachhaltig beeinflussen. Doch warum sind semantische Kämpfe insbesondere ein Phänomen der Krise? Dafür hat Koselleck  – zumindest in seinem Aufsatz von 1972  – keine Erklärung geliefert. Doch scheint der Zusammenhang evident: Krisen zeichnen sich aus durch eine Destabilisierung von Institutionen und kulturellen Lebenswelten, die einander bis dahin vom Grundsatz her unhinterfragt gestützt haben.53 In der Krise wird bis dahin Unthematisierbares thematisierbar. Deshalb wendet sich in semantischen Kämpfen gewissermaßen eine kulturelle Dimension gegen das politisch-soziale Gefüge  – und in der Folge verstärken sich beide Krisentendenzen wechselseitig. Moderne historische Sprachanalysen müssen deshalb von einer begriffsgeschichtlichen Zugriffsweise ausgehen, die

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heute nicht begriffen werden können«. In dieser Passage sind einerseits wesentliche Elemente von Kosellecks Moderneverständnis verdichtet (dazu vgl. Dipper 2000, 308–310; Jung 2010/2011, 174 f.; Hoffmann 2011, 174–179; Olsen 2012, 224–226; Imbriano 2013); andererseits werden seine Kategorien von ›Erfahrungsraum‹ und ›Erwartungshorizont‹ zur Anwendung gebracht (zu diesen vgl. mit Belegen Nebelin 2009, 67–69; Olsen 2012, 175, Anm. 30; 224–226; Müller – Schmieder 2016, 301–303) – allerdings noch in der später (das heißt: nach der Auseinandersetzung mit Hans-Georg Gadamer) untypischen Rede vom ›Erwartungsraum‹. Koselleck 1972b, 112. Ebd., 113. Müller – Schmieder 2016, 319. Ernst Müller und Falko Schmieder fassen diese kombattive Ausrichtung von Kosellecks begriffsgeschichtlicher Konzeption im Anschluss an Thomas Etzemüller als Folge einer partiellen Neuausrichtung »um 1972« auf; fortan habe Koselleck nämlich »nicht mehr nur […] das Begreifen der Gegenwart, sondern […] [auch] die nur pragmatisch zu begreifende Funktion von Begriffen« interessiert, »Zukunft und Utopien zu beschreiben« – dafür aber habe Koselleck eben dieses konfliktorientierte Verständnis von Begriffen und Begriffsgeschichte ausbilden müssen (ebd.) Dazu vgl. Nebelin 2014a, 158 f.; vgl. die Ausführungen zur Lebenswelt bei Habermas 2001, 85–95 sowie ders. 2004, Bd. 1, 449–452; Bd. 2, 182–228.

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sich im Schnittpunkt von Sozial-, Kultur- und Ideengeschichte verorten lässt.54 Besonders relevant wird dies dann, wenn in semantischen Kämpfen auch die »gemeinwohlorientierte[n] Regeln des Verhaltens in Gemeinschaften, die ins Selbstverständliche abgesackt sind« und sich  – der Einschätzung von Martin Jehne und Christoph Lundgreen zufolge – »nur sehr langsam verändern«,55 berührt werden: Sofern sie diese Regeln affektieren, können semantische Kämpfe auch eine hergebrachte politische Kultur nachhaltig verändern  – und mit ihr auch die politischen und sozialen Institutionen, die sie tragen und die gleichzeitig von ihr getragen werden. Es gibt demnach eine komplizierte Kopplung zwischen – und nicht Identität von!  – Sprache und außersprachlicher Wirklichkeit,56 die insbesondere in Krisenzeiten an Bedeutung gewinnt. Dass semantische Kämpfe hierbei auch aus begrenzten gesellschaftlichen Teilbereichen heraus große Wirkung entfalten können, hat Ekkehard Felder für den Bereich der modernen Wissenschaften beobachtet: »In den meisten Fachdomänen gibt es in Diskursen ausgetragene ›semantische Kämpfe‹ oder Sprach-Normierungskonflikte, die unser gesamtgesellschaftliches Denken und Verhalten prägen«.57 Obwohl Felder folglich ähnlich wie Koselleck eine Kopplung von Rede und außersprachlicher Praxis unterstellte (»Herrschaft und Macht werden auch über Semantik ausgeübt.«58), definierte er selbst ›semantische Kämpfe‹ letztlich sozialgeschichtlich weicher, jedoch sprach54 Vgl. bspw. Koselleck 2003, 107–129; Daniel 2006, 345–360; Tschopp – Weber 2007, 84–99; Landwehr 2008, bes. 31–35; Dorschel 2010, 30–38. 55 Jehne – Lundgreen 2013, 12. 56 Dazu siehe beispielsweise Koselleck 1972a, XXIII (im Original vorhandener Fettdruck wurde nicht übernommen): »Daß die Geschichte sich in bestimmten Begriffen niederschlägt und überhaupt zur Geschichte wird, wie sie jeweils begriffen wird, ist die theoretische Prämisse der hier angewandten historischen Methode. Insofern liegt unser Vorhaben nicht nur in der Mitte zwischen einer Wortgeschichte, an der sie nicht haften bliebe, und einer Sachgeschichte, die sie nicht liefern wollte. Es interpretiert die Geschichte durch ihre jeweiligen Begriffe so wie es die Begriffe geschichtlich versteht: die Begriffsgeschichte hat die Konvergenz von Begriff und Geschichte zum Thema. Diese Konvergenz wird freilich nicht als Identität von Begriff und Geschichte verstanden oder dahingehend verflacht. Der naive Zirkelschluß vom Wort auf den Sachverhalt und zurück wird durchbrochen. Zwischen beiden besteht eine Spannung, die bald aufgehoben wird, bald wieder aufbricht, bald unlösbar erscheint. Wortbedeutungswandel und Sachwandel, Situationswechsel und Zwang zu Neubenennungen korrespondieren auf je verschiedene Weise miteinander. Im Schnittpunkt solcher insgesamt geschichtlicher Vorgänge liegt ein jeweiliger Begriff«. Vgl. zudem beispielsweise ders. 1972b; ders. 1975 (bes. 214, wo Koselleck insistiert, dass »weder die soziale noch die politische Sprache identisch [sei; M. N.] mit ihrer begrifflichen Selbstartikulation. […] Diese Differenz zwischen der Geschichte und ihrem ›Begriffenwerden‹ wird mit der Methodik der historisch-politischen Semantik ausgemessen.«); ders. 2002; vgl. dazu Müller – Schmieder 2016, 305–312. 57 Felder 2006a, 17. An dieser Stelle schließt Felder zufolge dann Michel Foucaults Dispositivbegriff an; dazu vgl. mit Belegen und weiterführender Literatur Link 2008. 58 Felder 2006a, 13 = ders. 2010, 543.

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wissenschaftlich ausdifferenzierter als Koselleck. Für Felder dient das Konzept semantischer Kämpfe dazu, »unterschiedliche sprachliche Handlungsstrategien (beim Benennen und Bedeuten) [zu] beschreiben«.59 Semantische Kämpfe sind für ihn ein »Versuch […], in einer Wissensdomäne bestimmte sprachliche Formen als Ausdruck spezifischer, interessensgeleiteter Handlungs- und Denkmuster durchzusetzen«;60 »[i]nsofern kann der ›Streit um die Sache‹ gleichsam ein ›Streit um Worte‹ sein, kurz ein ›semantischer Kampf‹«.61 Felder geht des Weiteren davon aus, dass diese Durchsetzungsversuche »mittels Benennungsfestlegungen oder Bedeutungs- und Sachverhaltsfixierungen« erfolgen; »[d]abei ist der semantische Kampf als impliziter oder expliziter Konflikt um die Angemessenheit von Versprachlichungsformen zu differenzieren im Hinblick auf drei Betrachtungsweisen: – Ebene der Bezeichnungs- und Benennungstechniken: Mehrere Ausdrücke oder Ausdruckskomplexe lassen unterschiedliche Aspekte eines Sachverhalts vortreten – Ebene der Bedeutungen: Bei ein[-] und demselben Ausdruck bzw. Ausdruckskomplex divergieren Akzentuierungen von Bedeutungsaspekten (Teilbedeutungen) – Vermeintlich identische oder tatsächlich identische Referenzobjekte werden unterschiedlich konstituiert – entweder bei gleichen Ausdrücken oder (vermeintlich) sinn- und sachverwandten Ausdrücken Mit Hilfe von Durchsetzungsversuchen von Benennungsfestlegungen als Handlungsmuster und / oder im Dominant-Setzen bestimmter Teilbedeutungen bei Fachbegriffen und / oder in der spezifischen idiomatisch geprägten Konstitution von Sachverhalten kann der ›semantische Kampf‹ in einzelnen Wissenschaftsdisziplinen ausgetragen werden«.62 Vor diesem Hintergrund ist Folgendes vorzuschlagen: Sofern eine semantische Transformation konfrontativ zustande kommt, lässt sich im Anschluss an Fel59 60 61 62

Felder 2006a, 13. Ebd. 14; 17. Felder 2006b, 1. Felder 2006a, 17; vgl. ders. 2006b, 1; ders. 2010, 544–546. Vgl. auch die Überlegungen Kosellecks zu den »nur vier Möglichkeiten […], nach denen sich der wechselseitige Wandel von Begriff und Sachverhalt gestalten kann: Erstens: Die Bedeutung eines Wortes sowie der erfasste Sachverhalten bleiben sich gleich, synchron und diachron. Zweitens: Die Bedeutung eines Wortes bleibt sich gleich, aber der Sachverhalt ändert sich. Drittens: Die Bedeutung eines Wortes ändert sich, aber die damit erfasste Wirklichkeit bleibt sich gleich. Viertens: Sachverhalte und Wortbedeutungen entwickeln sich völlig auseinander, so dass die ehemalige Zuordnung nicht mehr nachvollzogen werden kann. Nur noch mit der begriffshistorischen Methode lässt sich dann ermitteln, welche Wirklichkeit wie und auf welchen Begriff gebracht worden war« (so die Zusammenfassung von Müller – Schmieder 2016, 309). Vgl. auch die Kritik und den wissenschaftsgeschichtlich fundierten Vergleich mit den Modellen von Antonie Meillet und Rudolf Meringer ebd.

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der von semantischen Kämpfen in einem ›weichen‹ Sinne sprechen. Falls dabei zugleich mit der Bedeutung der Begriffe auch bestehende soziale und politische Positionierungen, im äußersten Fall sogar Rollen und Positionen der Betroffenen und Beteiligten eines semantisches Kampfes infrage gestellt sind, werden die Bedingungen erfüllt, um mit Koselleck in einem ›härteren‹ Sinne von semantischen Kämpfen sprechen zu können. Das Konzept semantischer Kämpfe umfasst in beiden Fassungen sowohl Kämpfe um Begriffe als auch mit Begriffen; gekämpft wird dabei, wie Felder dies demonstriert hat, auf wenigstens drei Ebenen: der ›Ebene der Bezeichnungs- und Benennungstechniken‹, der ›Ebene der Bedeutungen‹ sowie der Ebene der ›Referenzobjekte‹. Für die Analyse von Einzelfällen kann dabei die Differenzierung zwischen Auseinandersetzungen um und mit Begriffen wichtig sein; oft wird man freilich eine Verbindung beider Aspekte antreffen. Die äußerste Fassung semantischer Kämpfe im koselleckschen Sinne bilden asymmetrische Gegenbegriffe, zu deren – von Niklas Luhmann besonders hervorgehobenen – Eigenheiten gehört, dass sie sich im äußersten Fall auf die Rollen und Positionen aller Betroffenen auswirken, ohne dass beide bezeichneten Teile notwendig gleichermaßen oder überhaupt am Diskurs um die Bedeutung der Zuschreibungen teilhaben.63 Semantische Kämpfe im koselleckschen Sinne stellen also immer auch einen Spezialfall semantischer Transformationen dar. Doch Bedeutungen werden nicht nur laut- oder schriftsprachlich artikuliert und diskutiert, sondern beispielsweise auch visuell – etwa über Bilder – oder gestisch – etwa im Rahmen ritualisierter Verhandlungen.64 Wahrscheinlich ist es deshalb sinnvoll, allgemeiner ein Modell zur Beschreibung und Analyse der Transformationen von Zeichen auszubilden. So ließe sich etwa zunächst von semiotischen Transfor63 Grundlegend hierzu Koselleck 1975, bes. 211 f. (später sprach Koselleck eher von ›Feindbegriffen‹; so betonte er beispielsweise in ders. 1993, 276 die Bedeutung und Funktion »feindschaftsstiftende[r] Gegenbegriffe«); vgl. zudem Luhmann 1998, Tbd. 2, 954–957; Nebelin 2006, 51 f.; Junge 2011. Niklas Luhmann bezeichnete diese Begriffsform aufgrund ihrer Funktion allgemeiner als »Ausgrenzungsbegriffe« (Luhmann 1998, Tbd. 2, 954). Kay Junge wiederum verortet das Konzept der asymmetrischen Gegenbegriffe in einer Theorie semantischer Kämpfe (ohne diese allerdings als solche zu benennen), denn seines Erachtens gibt es »two criteria for identifying asymmetrical concepts. First, there must be a status difference or a situation of conflict; second, the actual relation captured by the relevant pair of concepts must lack mutual ratification by those participating in the relation. Non-ratified but socially relevant status differentials and social conflicts – in case they persist throughout many encounters  – engender asymmetric concepts« (Junge 2011, 42). 64 Dazu vgl. den weiten Diskursbegriff Foucaults, wie er ihn beispielsweise in Foucault 1969, 170 f. (dazu vgl. Parr 2008, 234) artikulierte; zur Pluralität von Foucaults Diskursverständnis vgl. mit Belegen und weiterführender Literatur ebd. Das visuelle Äquivalent zu den semantischen Kämpfen könnte man als ›ikonologische Kämpfe‹ bezeichnen (vgl. Nebelin 2013b) – wobei es mithin für andere Formen exemplarisch stehen kann.

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mationen sprechen, in denen eben nicht nur (schrift-)sprachliche, sondern auch bildliche und ritualpraxeologische Dimensionen der Sinnerzeugung integriert werden könnten.65 Wenn sich dieser Gesamtzusammenhang oder seine Teile wandeln, kann man von einer semiotischen Transformation sprechen. Für den enger gefassten (Spezial-)Fall der sich wandelnden (Schrift-)Sprache lässt sich von semantischen Transformationen sprechen. Dadurch kann besser berücksichtigt werden, welche Formen von (Multi-)Medialität und ›Öffentlichkeit‹ die Bedingungen und den Rahmen von semiotischen und semantischen Auseinandersetzungen im römischen Fall ausmachten. Die politische Sprache Roms manifestierte sich eben nicht nur in der elitären Schriftkultur, sondern auch in öffentlichen Ritualen und Praktiken, aber auch in ›Erinnerungsorten‹, Monumenten und Inschriften. Erst all diese Medien zusammen bilden die Grundlage des semiotischen Systems im politischen Raum Roms66 – und es ist dieser 65 Zur semantischen Dimension des Visuellen in Rom ist Tonio Hölschers Akademievortrag zum Thema Römische Bildsprache als semantisches System vom Juni 1984 einschlägig (Hölscher 1984, vgl. bes. das Resümee in ebd. 74: »Das Formensystem der römischen Kunst hatte seine spezifische Leistung darin, daß es die Ansprüche einer gebildeten Elite ebenso zu erfüllen vermochte wie die Bedürfnisse der breiten Reichsbevölkerung. Die Bildsprache konnte sowohl als Ausdruck historischer Bildung und elitärer Lebensführung wie auch als allgemein verständliches visuelles Kommunikationssystem dienen.«). Die Transformation der baulich-visuellen Strukturen der Stadt Rom unter Octavian-Augustus hat umfassend Paul Zanker 1987 beschrieben; vgl. dazu zudem jüngst beispielsweise Schneider 2008 (mit weiterführender Literatur), der ebd. 175 konstatiert, die »Bilder unter Augustus mit der nur ihnen eigenen suggestiven Wirkungskraft auf allen sozialen Ebenen« hätten dazu »beigetragen«, nach den vorhergehenden Konflikten »eine neue Atmosphäre des Consensus in der römischen Gesellschaft zu erzeugen«. 66 Zur Anwendung (und der Frage der Anwendbarkeit) des modernen Begriffs der ›Öffentlichkeit‹ auf Phänomene der Kommunikationsbeziehungen im antiken Rom vgl. bspw. Imhof 2012; Kuhn 2012, 15–20 (bes. 15, derzufolge der Öffentlichkeitsbegriff in den Altertumswissenschaften »teils intuitiv als selbstverständlich vorausgesetzt, teils kritisch und mit Vorbehalten verwendet« wird). Cristina Rosillo-López hat vorgeschlagen, »public opinion« als »part of informal politics« zu betrachten (Rosillo-López 2017, 17) – und betont, dass dies durchaus auch der antiken Selbstwahrnehmung gerecht werde: »[i]t should not be considered as an anachronism, as Romans recognised it as part of their political life« (ebd. 219). Wesentlich zum Verständnis dessen, was (bereits) in der römischen Republik ›Öffentlichkeit‹ ausgemacht haben kann, ist dabei die Erweiterung der Vorstellung von politischem Handeln: »In the second and first centuries BC , citizens performed political acts beyond attending assemblies or voting on legislative acts or candidates for magistracies. Circulation of political news, rumours, nicknames and political socialisation are also important political acts, without the habitual workings of politics could not be succesful, since the depend upon each of these factors« (Rosillo-López 2018, 70). Vgl. dazu auch Walter 2017, 209; 218 f. Der Umstand, dass in den verschiedenen Formen und Medien politischer Handlungen ähnliche Themenfelder der Herabsetzung kursierten (vgl. Arena 2007b, 156 f.), unterstützt diese These einer vielförmigen und zugleich verflochtenen ›Öffentlichkeit‹. Zur ›Multimedialität‹ im römischen Erinnerungsraum vgl. beispiels­ weise Hölkeskamp 2001/2004; Walter 2004, 84–195; Hölkeskamp. 2012/2017, der in ebd.

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mediale wie institutionelle Horizont, der zugleich Folge wie Voraussetzung jeden sprachlichen Artikulierens ist.67 Die dabei von den Medien transportierte »[k]ulturelle Semantik stabilisiert zwar,« hat in diesem Sinne Egon Flaig konstatiert, »doch sie hält sich nicht stabil. Sie wirkt – wie die Praxeologie von Pierre Bourdieu uns lehrt – nur im aktualisierenden Vollzug, rituell und institutionell. Sie zu reproduzieren, erfordert hohe soziale Anstrengungen; sie ›identisch‹ zu reproduzieren ist unmöglich. Semantische Kämpfe und Verschiebungen der Kräfteverhältnisse verändern sie«.68 Bettet man Felders wie Kosellecks Konzept semantischer Kämpfe unter Berücksichtigung solcher epochen- und kulturspezifischer, aber auch sozial­ geschichtlicher Eigenheiten in eine Theorie semiotischer Transformation ein, so wird es auch möglich, der zeitlichen und kulturellen Differenz zwischen dem vorrangigen empirischen Bezugspunkt von Kosellecks Konzept – nämlich der sogenannten ›Sattelzeit‹ zwischen 1750 bis 1850/187069 – und der Transfor­ mationsphase zwischen dem 1. Jahrhundert v. und dem 1. Jahrhundert n. Chr. Rechnung zu tragen. Gerade weil im Konzept semantischer Kämpfe Komponenten einer Historischen Anthropologie eingelagert sind, die epochen- und kulturübergreifende Vergleiche ermöglicht, darf nicht vernachlässigt werden, dass semiotische Transformationen in der Antike durchaus (auch) anders abliefen als in der Moderne. Eine interessante, freilich noch ungeklärte Frage ist hierbei beispielsweise, ob sich die Auseinandersetzungen um und mit Begriffen in beiden Epochen in gleichem Maße ausmachen lassen oder ob beispielsweise –

269 die Stadt Rom durch ein »Gewebe von Geschichte(n)« charakterisiert sieht; vgl. zudem mit weiterführender Literatur: Walter 2017, 73 f.; 215–217. Zu den rhetorischen Konsequenzen dieser Formen von ›Öffentlichkeit‹ und Multimedialität der politischen Kultur Roms gehört die Erfordernis und Herausforderung für den einzelnen Aristokraten, diese multimedialen Optionen erfolgreich zu nutzen »in communicating a credible public profile and justifying career choices« (van der Blom 2017, 332; vgl. ebd., 332 f.; ausführlicher dazu dies. 2016). 67 Dazu vgl. die im Anschluss an Foucault und die phänomenologischen Konstellationen der Moderne vorgenommenen Überlegungen von Matzky-Eilers 2005, 73: »Der Diskurs ordnet das Denk- und Sagbare, während die Machttypen die Kontrollmöglichkeiten durch die vom Diskurs bereitgestellten Instrumente ordnen und sie so zu Mechanismen und Techniken der Macht formen. Im Diskurs und in den von ihm hervorgebrachten Orte[n] des Sprechens (Klinik, Psychiatrie, Schule, Militär) bilden sich Modalitäten des Sprechens (Befehlen, Leiten usw.), die die rationale Struktur, angeleitet durch Schemata der Macht, in Form der Hierarchisierung festlegt«. 68 Flaig 2003, 10. 69 Zu Kosellecks Konzept der ›Sattelzeit‹ sind grundlegend die Überlegungen in Koselleck 1972a, XV (und konzeptuell dazu passim); vgl. dazu Dipper 2000, 298–301; Olsen 2012, 171 und passim; Müller – Schmieder 2016, 281–284. Vgl. Motzkin 2005 zur Sattelzeit als ›Übergangsepoche‹, in deren Konstruktion sich exemplarisch Probleme von Kontinuität und Diskontinuität reflektieren.

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wie im Rahmen der Berliner Tagung vermutet wurde  – in der Moderne eher ein Kampf um die Begriffe stattfindet, während in der Antike ein Kampf mit Begriffen praktiziert wurde. Allerdings sollte man die Differenzen zwischen den Epochen auch nicht bis zur These einer Unvergleichbarkeit hochstilisieren: Zwar mag sich die von Koselleck charakterisierte Sattelzeit auf der Ebene wesentlicher Eigenheiten von der antiken Transformationsphase zwischen Republik und Prinzipat unterscheiden, doch lassen sich beide immerhin  – rückblickend!70  – als ›Übergangsepochen‹ charakterisieren. Mithin besteht eine Gemeinsamkeit, von der ausgehend Vergleiche möglich sind. Darüber hinaus ist auch die Sattelzeit in sich keinesfalls so geschlossen, dass sie zu einer unvergleichlichen Singularität wird: So hat Jörn Leonhard darauf aufmerksam gemacht, dass auch die Sattelzeit nur eine spezifische Variante einer Übergangsepoche gewesen sei.71 Problematisch sei hierbei zudem die Verwendung des Singulars, man müsse nämlich allein schon aus der Perspektive einer europäischen Geschichte von einem »Pluralismus europäischer Sattelzeiten«72 ausgehen, denen jeweils ganz unterschiedliche Temporalstrukturen zugrunde lägen: »Das mit Blick auf die deutsche Entwicklung konzipierte Modell einer Sattelzeit des politisch-sozialen Vokabulars erweitert sich auf diese Weise zu einer Pluralisierung europäischer Sattelzeiten als Paradigma der Vielfalt vergangener Erfahrungsdeutungen«.73

III. Konsequenzen für die Forschungspraxis: Bedingungen – Positionen – Definitionen – (Dis-)Kontinuitäten Doch welche Konsequenzen zeitigte und zeitigt all dies nun für die Forschungspraxis? Angesichts einer Begriffsgeschichte, die von ihren zunächst philologischen, dann sozialgeschichtlichen Wurzeln ausgehend eine kulturgeschichtliche Erweiterung erfahren hat, müssen auch ›alte Fälle‹ neu aufgerollt werden: Einen Paradefall dafür liefert der Disput zwischen Wolfgang Blösel und Egon Flaig

70 Die rückblickende Konstruktion ist ein Merkmal des Konstituierungsvorgangs aller Übergangsepochen; vgl. ebd., 342 f.: »[D]as Zeitalter des Übergangs [wird] stets vom Standpunkt des rückblickenden Betrachters aus gesehen«. 71 Vgl. dazu Leonhard 2008, 549. Dem ähnelt die These von Shmuel N. Eisenstadt, es sei anstatt von einer einzigen Moderne vielmehr von »multiple modernities« zu sprechen (Eisenstadt 2007, 19 und passim), denen, wie Ottó Gescer u. a. 2011 herausgearbeitet haben, ›multiple antiquities‹ entsprechen würden. Vgl. exemplarisch zur ›sächsischen Moderne‹ als einer Variante dieser multiple modernities und den mit diesen verbundenen multiple antiquities: Nebelin 2019, 162 f. (und passim). 72 Leonhard 2008, 552. 73 Ebd. 566.

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über den Begriff des mos maiorum und seine praxeologische Verankerung:74 Wer besaß die Deutungshoheit über das, was die Vorfahren vorgesehen hatten? Und wessen Vorfahren waren es? Geht es bei solchen Debatten noch im Wesentlichen um unterschiedliche Interpretationen kulturgeschichtlicher Forschungsergebnisse, so drehen sich andere Auseinandersetzungen häufig um Fragen der praxeologischen Dimension zentraler Begriffe, die weit über die primär einer Historischen Soziologie verpflichtete Korrelation von Begriff und Gesellschaft hinausreichen: Denn im praktischen Gebrauch waren viele Begriffe nicht dazu gedacht, soziale und politische Gegebenheiten gleichsam soziologisch korrekt wiederzugeben, sondern sie zielten vielmehr auf konkrete, sich oft situations­ bezogen wandelnde Ziele von Inklusion und Exklusion, so dass auch der soziologische Rückschluss irren kann – etwa im Fall der boni Ciceros, hinter denen zwar auch eine soziale Gruppe stand, die jedoch in erster Linie als Inklusions- und Exklusionsbegriff gegenüber der (ebenfalls erst diskursiv konstituierten) Gruppe der improbi fungierten.75 Ein ähnliches Bild ergibt sich für andere zentrale Konzepte der politischen Semantik Roms. So wurde beispielsweise schon vor längerer Zeit von Chaim Wirszubski und Jochen Bleicken ein zentraler Wandel des römischen Freiheitsbegriffs im Übergang von der Republik zum Prinzipat ausgemacht:76 Während der libertas-Begriff in der Republik im Wesentlichen als Bezeichnung der Freiheit aller römischen Bürger aufgefasst wurde, bröckelte diese Auffassung spätestens mit dem Beginn der Alleinherrschaft Caesars; nun wurde der Begriff zunehmend auf die aristokratische Freiheit eingeengt. Das hängt damit zusammen, dass es im Wesentlichen die Gruppe der Aristokraten war, die diesen Begriff zunächst propagierte, instrumentalisierte und überlieferte und dann während der Alleinherrschaft Caesars eine nachhaltige Ohnmachtserfahrung machte. Im bekannten Gegensatz von ›Optimaten‹ und ›Popularen‹ als inneraristokratischen ›Strömungen‹ spielte dieser Freiheitsbegriff freilich immer schon eine durchaus ambivalente Rolle, wie zuletzt Valentina Arena demonstriert hat:77 Unterschiedliche politische Praktiken von Oberschichtenan74 Vgl. Blösel 2000; Flaig 2003, 83–88. 75 Dazu siehe im vorliegenden Band den Beitrag von Marian Nebelin sowie ders. 2014b, 555 und passim. 76 Vgl. Wirszubski 1967 sowie den ursprünglich in den Geschichtlichen Grundbegriffen erschienen Beitrag Bleicken 1976; vgl. außerdem ders. 1962; Hellegouarc’h 1972, 542–559 sowie Arena 2012. 77 Vgl. am Exempel der Praxisrelevanz der Bedeutung des libertas-Begriffs in Auseinandersetzungen zwischen Optimaten und Popularen über Fragen der Freigelassenen und ihres Stimmrechts Arena 2006. Zu der Weise, wie das Spiel der Gegenbegriffe libertas und dominatio von Ciceros ethischer Spätschrift De officiis über die Philippicae »enter[ed] the real world of politics and […] bec[a]me part of the day-to-day policital discourse« (dies. 2007a, 60), so dass Akteursentscheidungen dadurch mitbedingt wurden, vgl. ebd.

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gehörigen korrespondierten mit unterschiedlichen Auffassungen eines zentralen Leitbegriffs, der als Legitimationsinstrument für die jeweilige politische Praxis herangezogen wurde beziehungsweise in dieser gerade verwirklicht werden sollte. Mit anderen Worten: Es tobte ein semantischer Kampf um die Bedeutung des Begriffs libertas, der seinerseits Ausdruck und Teil der politischen Konflikte war, in denen dem Freiheitsbegriff eine zentrale argumentative Bedeutung zukam. Dass solche kulturgeschichtlichen Erweiterungen der Begriffsgeschichte auch auf traditionelle Forschungspositionen zurückwirken, lässt sich dann wiederum an neueren Untersuchungen zur Rede von den ›Optimaten‹ und ›Popularen‹ verdeutlichen:78 In wachsendem Maße wird der hergebrachte Stellenwert dieser Begriffe als Synonym für einen zentralen politischen Gegensatz der römischen Republik hinterfragt,79 weil sich weder der lexikographische Befund noch die damit in Zusammenhang gebrachte politische Praxis zueinander eindeutig in Beziehung setzen lassen. Stattdessen lassen sich andere Begriffe vorschlagen – etwa die Rede von den seditiosi  –, die vom lexikographischen wie vom praxeologischen Befund her geeignet erscheinen, sowohl als Begriff der Quellensprache wie als historisches ›Schlüsselwort‹80 eine oft akzidentielle, aber doch beständig präsente Form politischer Opposition gegenüber der Senatsmehrheit zu bezeichnen.81 Die pejorativ eingefärbte Rede von den seditiosi wiederum lässt sich als Teil jenes semantischen Kampfes auffassen, den die Senatsmehrheit gegen die Minderheit ihrer zeitweiligen oder generellen inneraristokratischen Gegner führte. Diese Beispiele belegen, dass die Untersuchung semiotischer Transformationen im Allgemeinen und semantischer Kämpfe im Besonderen die konsequente kulturgeschichtliche Fortführung einer Begriffsgeschichte des Politischen in Rom ist, die zugleich auf Aktualisierungen und Neuformierungen zentraler 78 Dazu vgl. vor allem als grundlegende Untersuchungen Robb 2010, Tiersch 2018 sowie den Beitrag von Claudia Tiersch im vorliegenden Band; vgl. Mouritsen 2017, 112–136; Walter 2017, 77–79; 220 f. (mit weiterführender Literatur). 79 Die bis heute vorherrschende Annahme, dass sich hinter diesem Gegensatz ein zwar nicht sozialpolitisch motivierter, sondern vielmehr in unterschiedlichen politischen Methoden begründeter Gegensatz innerhalb der Aristokratie verbirgt, wurde grundgelegt in Chr. Meier 1965. 80 Unter einem ›Schlüsselwort‹ verstehen Dorothee und Karl Dietrich Bracher 1978, 40–43; 88 Begriffe, die in der Quellensprache vorkommen können, aber nicht müssen, und von Historikerinnen und Historikern genutzt oder gebildet werden, um die Quellen zu deuten, um ein tieferes Verständnis der Argumentation zu gewinnen und um sie schließlich in einem übergeordneten Kontext verorten zu können. 81 Zu diesem Vorschlag vgl. Robb 2010, bes. 149–165 sowie M. A. Robbs Beitrag im vorliegenden Band; dazu vgl. die Besprechung des Bandes von Robb durch Nebelin 2011a und Lundgreen 2012.

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Positionen der Forschung zielt.82 In der analytischen Praxis müssen dazu nicht nur die Bedingungen semantischer Kämpfe aufgedeckt, sondern zugleich die in ihnen verhandelten sozialen und politischen Positionen rekonstruiert und die von den Beteiligten vorgebrachten Definitionen dekonstruiert werden. Doch darf die Perspektive nicht einseitig auf Aspekte des Wandels  – das heißt: der Transformation – verengt werden; deshalb gilt es immer auch zu fragen, wo und aus welchen Gründen sich Momente der Kontinuität bildeten. Gibt es vielleicht sogar prinzipiell ›kampffreie Zonen‹ jenseits der Bereiche semiotischer Transformation und semantischer Kämpfe? Aus den epochenspezifischen Vorgaben und den methodischen Prämissen heraus erwachsen für die Phase des Übergangs von der Republik zur Monarchie in Rom vier miteinander verbundene, übergeordnete Fragekomplexe, die durch die folgenden Beiträge wenigstens partiell erhellt werden sollen: 1. Bedingungen | Leitfrage: Was bedingte semiotische und semantische Transfor­ mationen oder Kontinuitäten in Rom zwischen Republik und Prinzipat? Insbesondere die Suche nach Arenen semantischer Kämpfe in Rom erfordert eine nähere Betrachtung der spezifischen Bedingungen, unter denen solche konfliktbeladenen Auseinandersetzungen in der Republik ausgetragen werden konnten: Wie groß war der Raum für begriffliche Innovationen? Gab es Regeln, denen sich die Kombattanten infolge struktureller Zwänge beugen mussten? Gerade dort, wo Gemeinschaften mit Gewalt konfrontiert werden, toben zumeist auch besonders harte semantische Kämpfe. Deshalb liegt es nahe, zu fragen, ob nicht Debatten um die Legitimität von Leibstrafen, Auseinandersetzungen um das angemessene Verhalten im Bürgerkrieg sowie die Erörterung der Beziehung zwischen Siegern und Besiegten äußerer wie innerer Kämpfe besondere Einblicke in die Bedingungen semantischer Kämpfe ermöglichen. Auf der anderen Seite muss jedoch nach den Bedingungen gesucht werden, infolge derer andere Bereich semiotisch und semantisch stabil bleiben  – oder den Zeitgenossen zumindest als stabil und beständig erscheinen.

82 Zur Neueren Kulturgeschichte als Methode beziehungsweise als Oberbegriff für eine Sammlung kulturwissenschaftlich inspirierter Methoden vgl.  – trotz divergierender Schwerpunktsetzungen (dazu vgl. die Rekonstruktion des Diskurses durch Tobias Weidner 2012)  – exemplarisch Stollberg-Rilinger 2005; Daniel 2006; Mergel 2012. Ihre althistorische Umsetzung hat diese Forschungsrichtung vor allem in der Erforschung der politischen Kultur der der römischen Republik gefunden; dazu vgl. Hölkeskamp 2004, 57–72 und passim; ders. 2009/2017; ders. 2017; ders. 2019; vgl. außerdem – besonders auch zur wissenschaftsgeschichtlichen Verortung – Walter 2017, 73; 214 f.

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2. Positionen | Leitfrage: Welchen Niederschlag haben soziale und politische Kon­ flikte in semantischen Kämpfen gefunden? In semantischen Kämpfen werden soziale und politische Positionen evident: Die Hinterfragung des Gegebenen erzwingt eine Offenlegung der sozio-politischen Verhältnisse. Hierarchien steht auf dem Spiel, sobald sie artikuliert und hinterfragt werden. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass fundamentale Differenzen der sozialen Welt der römischen Republik auch in der Sprache als Gegensätze konstruiert wurden: Patrizier und Plebejer, Senatorenstand und Ritterschaft, Aristokratie und Volk. Diese Kategorienpaare zielten auf die Konstruktion gesellschaftlicher Distanz. Darüber hinaus verfügte gerade die Aristokratie über weitere Möglichkeiten der Binnendifferenzierung. Das umfasste methodisch-programmatische Gegensatzpaare wie die Rede von Optimaten und Popularen, aber auch Distinktionsvorstellungen, wie sie im Unterschied von novitas und nobilitas virulent werden. Kontinuitätsmomente im Positionsbereich verweisen hingegen nicht notwendig auf das NichtVorhandensein semantischer Kämpfe; es ist denkbar, dass ein Bereich umstritten war, sich jedoch real keine Veränderungen innerhalb der soziopolitischen Teilkonstellation ergaben. Dies muss ebenso auf Ursachen zurückgeführt werden wie die Fälle, in denen ein Ordnungs- oder Positionselement seine Bedeutung und Stellung grundsätzlich unhinterfragt bewahren konnte. 3. Definitionen | Leitfrage: Welche Begriffe waren in den semantischen Kämpfen aus welchen Gründen Veränderungen ausgesetzt? Semantische Kämpfe münden schließlich auch in Streitigkeiten um den Bedeutungsgehalt abstrakterer Wertbegriffe ein, wie etwa den Begriff der Freiheit oder den der Eintracht. Auffällig ist auch hier, dass diese Begriffe ihrerseits auf Oppositionsbegriffe verweisen: Das mag im Fall der concordia recht eindeutig die discordia sein,83 während im Fall der libertas verschiedene Formen einer dominatio  – etwa die Tyrannis oder das regnum, aber auch allgemein Formen der Knechtschaft (servitus) – als Gegenbegriffe fungieren können.84 Gerade diese abstrakteren Konzepte weisen ursprünglich auch über Rom und die lateinische Sprache hinaus in die griechische Welt,85 so dass

83 Vgl. beispielsweise Hellegouarc’h 1972, 134; Akar 2013, 45–49. 84 Vgl. Hellegouarc’h 1972, 559–565, wobei vor allem auffällig ist, dass im Diskurs der Bürgerkriege die Konfrontation von Freiheit und Alleinherrschaft eine (zunächst) zentrale Rolle spielte (dazu vgl. Martin 1994, 97–184). Speziell zu Ciceros Gebrauch des Begriffs, anhand dessen man nach Einschätzung von Jürgen Blänsdorf 2016, 145 »geradezu die Geschichte des letzten Jahrzehnts nachzeichnen« kann, vgl. ebd., 145–148. 85 Hierzu vgl. exemplarisch die Ausführungen in Akar 2013, 28–40 zur Beziehung zwischen concordia und ὁμόνοια.

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sich die Frage nach möglichen Vorgängern und Vorbildern dieser Begriffe stellt. Außerdem waren im Übergang von der Republik zum Prinzipat vor allem die sogenannten Wertbegriffe einem Wandel unterworfen. Darunter sollen hier Begriffe verstanden werden, die aufgrund ihrer Identitätsrelevanz für die Römer als abstrakte Kategorien richtigen oder falschen Handelns fungierten – und mithin als Normen wirkten.86 Das hatte zur Folge, dass der princeps und sein Umfeld auch die Begriffswelt vorsichtig umgestalten mussten, um seine Alleinherrschaft als Fortführung der Republik und nicht als verdammenswerte Gewaltherrschaft eines Einzelnen erscheinen zu lassen.87 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Transformationen und Kontinuität neu: Es muss nicht nur erörtert werden, wo sich Bedeutungen, sondern inwiefern sich auch die damit verbundenen Praktiken veränderten; wurden hingegen Bedeutungen und Praktiken beibehalten, so ist dieser Umstand als solcher seinerseits erklärungsbedürftig. Die damit verbundenen Anfragen an eine historische Transformationsforschung verweisen auf einen vierten Fragekomplex: 4. Transformation und / oder Kontinuität | Leitfrage: Wie haben sich Krise und Wandel der politischen Ordnung in den semantischen Kämpfen Roms niedergeschlagen? Dieser Fragekomplex gewinnt seinen Sinn aus dem Zusammenhang von politischer und kultureller Transformation ebenso wie aus dem von politischem Wandel und semantischer oder semiotischer Kontinuität. Die Suche nach Momenten der Kontinuität und Diskontinuität erzwingt einen Abgleich der Semantik und Semiotik der späten Republik mit denen der frühen Kaiserzeit. Dabei geht es sowohl um das Aufzeigen von Differenzen wie um die Iden­ tifizierung von Gemeinsamkeiten zwischen den politischen Sprachen beider politischer Systeme – und um die Frage nach dem Verstehenshorizont, in dem

86 Vgl. zu den Wertbegriffen die historischen Ausführungen oben, Abs. I; zur komplexen Kopplung von Identität und Sprache – beziehungsweise im Fall mehrsprachiger Sprecher: der Sprachwahl – vgl. Clackson 2015, 94 f. 87 Zum Zusammenhang dieser im Kern ›ideologischen‹ Transformation vgl. beispielsweise Béranger 1958; Martin 1994, 179–184 (bes. 182: »Le trait de génie d’Octave fut de substituer à la Libertas politique, qui ne mobilisait plus personne, la Libertas nationale menacée par le joug oriental: on ne luttait plus contre un quelconque regnum, mais contre une basileia manifeste, et Actium fut la victoire de Rome sur la barbarie, de l’Occident sur l’Orient.«); 395–452; Eder 1999; Kienast 1999, bes. 204–220; Sauron 2009; Borgies 2016, 328–347. Dieser Vorgang mochte in seiner Ausrichtung durchaus intendiert gewesen sein, konnte in seiner konkreten Ausformung jedoch allenfalls beeinflusst, nicht jedoch prädestiniert werden.

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sich eine bestimmte Bedeutung überhaupt erst ausformen oder aber beständig bleiben kann. Bei der Suche nach Antworten auf diese vier fundamentalen Fragekomplexe gilt es, im Blick zu behalten, dass Sprache immer teilhat an der Konstituierung der Bedingungen, in denen sie verortet wird:88 Es gibt einen engen, wechselseitigen Zusammenhang zwischen der sich wandelnden Wirklichkeit und den Veränderungen von Erfahrungen und Erwartungen, welche Menschen in Begriffen einlagern.89 Dabei muss zudem berücksichtigt werden, dass sowohl semiotische Transformationen wie auch semantische Kämpfe in Formen unterschiedlicher Dauer auftreten:90 So lassen sich neben rein situationsbezogenen Auseinandersetzungen und erkennbar übergreifenden Vorgängen längerer Dauer auch ereignishafte Zuspitzungen längerer Entwicklungen identifizieren. Die in der Berliner Tagung diskutierten exempla stellen den Versuch dar, ausgewählte Varianten semiotischer Transformation und Kontinuität der politischen Sprache Roms zwischen Republik und Prinzipat zu erörtern.

IV. Exempla: Varianten semiotischer Kontinuität und Transformation Die im vorliegenden Band versammelten Beiträge lassen sich grob unter fünf Oberthemen gruppieren, die für das Verständnis semiotischer Transformationen im Allgemeinen und semantischer Kämpfe im Besonderen während der Phase des Übergangs von der Republik zum Prinzipat von besonderer Bedeutung sind. Es geht dabei um die Erörterung des Verhältnisses von Sagbarkeit und Machbarkeit (1.), die Relationen von Vertrauen und Krise (2.) sowie von Kontinuität und Diskontinuität (3.), um Gegensatzkonstrukte und -konstruktionen (4.) und abschließend um einzelne, für die Semantik des Politischen und der Politik in Rom prägnante ›Begriffsgeschichten‹91 (5.).

88 Vgl. etwa Skinner 2009, 117 f.:  »[O]ur social world is constituted by our concepts, any successful alteration in the use of a concept will at the same time constitute a change in our social world«. 89 Zu diesem von Reinhart Koselleck aufgezeigten Zusammenhang vgl. Nebelin 2009, 66–74. 90 Aus diesem Grund erweiterte Reinhart Koselleck seine begriffsgeschichtliche Methode um eine Theorie historischer Zeiten; dazu vgl. zusammenfassend Dipper 2000, 306–315; Fisch 2013 sowie zum Netz der Grundkategorien der koselleckschen ›Theorie historischer Zeiten‹ Nebelin 2009, 61–67. 91 Diese Begriffswahl wurde durch den Titel von Koselleck 2006 inspiriert.

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1.

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Sagbarkeit und Machbarkeit

Die ersten beiden Beiträge des vorliegenden Bandes thematisieren das Verhältnis von Sagbarkeit und Machbarkeit. Die Frage spielt subkutan bereits im Hintergrund von Kosellecks Überlegungen zu semantischen Kämpfen eine Rolle. Das verdeutlichen Christof Dippers Ausführungen über Reinhart Kosellecks Konzept »semantischer Kämpfe«. Dipper zeigt die Entwicklung des koselleckschen Modells auf und demonstriert dabei, wie sich Kosellecks Zugriffsweise von einer sprachmetaphysisch eingefärbten Konzeption über eine stärker akteursorientierte Zugriffsweise (›asymmetrische Gegenbegriffe‹; ›Feindbegriff‹) hin zu einer ›Theorie historischer Zeiten‹ weiterentwickelte. In wachsendem Maße kam Koselleck zu der Einschätzung, die ›Macht‹ der Sprache geringer zu veranschlagen als ihre ›Ohnmacht‹. Dabei macht Dipper deutlich, dass Koselleck selbst das Modell semantischer Kämpfe mit Blick auf die ›Sattelzeit‹ entwickelt hat, während die Frage einer Anwendbarkeit dieses Modells auf antike Verhältnisse von ihm nicht ausdrücklich erörtert wurde – anders als dies im Fall der ›asymmetrischen Gegenbegriffe‹ und der ›Feindbegriffe‹ geschehen ist. Martin Jehne wiederum untersucht in seinem Beitrag Die Chance, eine Al­ ternative zu formulieren, und die Chance, eine Alternative zu verwirklichen. Das Sagbare und das Machbare im republikanischen und augusteischen Rom exemplarisch das Verhältnis von Sagbarkeit und Machbarkeit in der Phase des Umbruchs von der Republik zum Prinzipat. Methodologisch knüpft Jehne dabei an Willibald Steinmetz’ Unterscheidung von ›Sagbarem‹ und ›Machbarem‹ an,92 um zu erörtern, ob und inwiefern sich in den Diskursen des ausgehenden 1. Jahrhunderts v. Chr. Ansätze zu einer Lösung der ›Krise ohne Alternative‹ (Christian Meier),93 in welche die römische Republik geraten war, ausmachen lassen. Auffällig ist dabei, dass Jehne zufolge die Alternative – in Form der Errichtung einer Monarchie – augenscheinlich zwar machbar, aber nicht sagbar war. Es waren dabei insbesondere die Feldherren mit den großen, außerordentlichen Kommanden, welche durch ihre Taten in der Beförderung des am Ende manifesten Trends zur Monarchie eine praktische Alternative zur Republik schufen. Demnach griff in der römischen Republik zuletzt offenbar das Machbare über das Sagbare hinaus. Besonders deutlich wird dies Jehne zufolge in den Diskussionen 67/66 v. Chr. um den Oberbefehl des Cn. Pompeius gegen die Seeräuber. Diese Debatte war Jehne zufolge semantisch durch einen »typischen Gemeinwohlkonflikt« geprägt, in welchem die Beiträger je nach ihrer politischen Haltung 92 Vgl. Steinmetz 1993, 13 und passim. 93 Zum Konzept der ›Krise ohne Alternative‹ siehe Chr. Meier 1978; ders. 1980, IX–XI; 201–205; dazu vgl. Hölkeskamp 2004; Winterling 2008, 219–230; Jehne 2010, 8 f.; Morstein-Marx – Rosenstein 2010, 627 f.; Nebelin 2014, 163.

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entweder die Nebenfolgen der Kommandoerteilung leugneten oder aber herausstellten. Der Terminus res publica wurde so zu einem vielfältig befüllbaren und assoziierbaren politischen »Containerbegriff«  – sofern nur der Gemein­ wohlbezug nicht fehlte. Insgesamt prägten das Ende der Republik nach Einschätzung Jehnes weniger Auseinandersetzungen um verdichtende Begriffe als vielmehr das Ringen um eine Sprache, die Monarchisierungstendenzen begleitete, ohne die Sache beim Namen zu nennen.

2.

Vertrauen und Krise

Transformationen der Sprache in Krisenzeiten werden, wie bekanntlich bereits Thukydides und Sallust erkannt hatten,94 als Erschütterungen wahrgenommen, die bis in die zwischenmenschlichen Beziehungen hinein nachhallen. Insofern gibt es einen sprachlich induzierten Zusammenhang von erschüttertem Vertrauen und Krise. Vor diesem Hintergrund hat sich Kurt A. Raaflaub in seinem Beitrag (The »Denial of Civil War«: Late Republican Responses to Civil War in Language, Ideology and Politics) zunächst antiken Reflexionen über die Rolle von Sprache in Bürgerkriegsphasen gewidmet. So habe Sallust unter Aufgriff von Elementen aus Thukydides’ ›Pathologie des Krieges‹ ebenfalls die Bedeutung der »perversion of language: the semantic battle that served to justify the breakdown of mores« in Bürgerkriegszeiten unterstrichen, welche als ein Indikator für den Zusammenbruch des Normengefüges aufgefasst wurde. Allerdings wurde im griechischen Kontext stärker die politische, im römischen eher die moralische Dimension solcher Vorgänge betont. Welche Rolle Sprache für die Beteiligten eines Bürgerkriegs spielte, demonstriert Raaflaub anschließend exemplarisch anhand einer Untersuchung über die Rolle der Gegensätze von clementia / lenitas und crudelitas im römischen Bürgerkrieg 49/48 v. Chr. Dabei macht er deutlich, dass Caesar, um den Anschein des Bürgerkriegs zu vermeiden, danach streben musste, den eher in asymmetrischen und ›außenpolitischen‹ Kontexten üblichen Begriff clementia durch den häufiger in symmetrischen und ›innenpolitischen‹ Kontexten gebräuchlichen Begriff lenitas zu ersetzen. Durch diese »denial of civil war« suchte er dem massiven Legitimationsproblem zu begegnen, mit dem die Eröffnung des Bürgerkriegs behaftet gewesen war. Caesar ging es darum, die persönliche Dimension der Auseinandersetzung zu unterstreichen; so wurden seine Gegner von ihm als ›persönliche Feinde‹ (inimici), nicht aber als ›äußere Feinde‹ (hostes) bezeichnet. Erst seit 46 v. Chr., also nach dem Sieg Caesars, wurde clementia als ein Attribut des nunmehr unangefochten herrschenden Diktators propagiert. 94 Dazu vgl. oben, Anm. 34.

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Damit aber war, so lässt sich annehmen, clementia vor allem ein Begriff asymmetrischer Beziehungen. Anders sieht es dort aus, wo Beziehungen bestehen, die stärker auf Symmetrie hin ausgerichtet sind – oder aber wenigstens durch das gekennzeichnet sind, was Jehne mit Blick auf die Interaktion von Aristokraten und Volk im Rahmen und Umfeld römischer Volksversammlungen als »Jovialität« bezeichnet hat.95 Der klassische Fall einer wenigstens fiktiv symmetrisch gedachten Beziehung sind demgegenüber Freundschaftsbeziehungen. Mit Freund­ schaft, Patronage und d[er] Sprache des Vertrauens befasst sich Jan Timmer. Die politische Sprache in Rom sei reich an Begriffen des Vertrauens im weitesten Sinne gewesen, konstatiert Timmer, auch wenn insbesondere dem Begriffsfeld der fides eine besondere Bedeutung zukam. Auffällig sei freilich, dass die Freundschaftsstrukturen ebenso wie die damit verbundene Sprache gegenüber Wandlungen eine erstaunliche Widerständigkeit aufwiesen und sich Timmer zufolge auch im Übergang von der Republik zum Prinzipat nicht grundsätzlich wandelten. Demnach scheinen diese Begriffe eine gewisse Resistenz gegenüber den politischen Veränderungen der Transformationsepoche aufgewiesen zu haben oder aber von diesen Änderungen schlichtweg nicht affektiert worden zu sein. Die Hintergründe hierfür sieht Timmer zum einen in einer ungeachtet der »Ausweitung« der Beziehungsnetze gegebenen relativen Stabilität der »Interaktionsformen«; zum anderen aber sei insbesondere ›Freundschaft‹ als Kategorie angesichts der in Rom damit umfassten Phänomene ohnehin ein inhaltlich relativ weiter Begriff gewesen, dem prinzipiell eine hohe Flexibilität zu eigen war.

3.

Kontinuität und Diskontinuität

Timmers abschließende grundsätzliche Überlegungen zu Kontinuität und Diskontinuität, aber auch zu den ihnen vorausgehenden strukturgeschichtlichen wie forschungspragmatischen Bedingungen lassen es naheliegend erscheinen, anhand weiterer Beispiele – und nunmehr vorrangig – die Frage von Kontinuität und Diskontinuität der politischen Sprache Roms zu erkunden. Egon Flaig weitet vor diesem Hintergrund die Perspektive von der Semantik zur Semiotik, indem er in seinem Beitrag Plebs und Princeps. Neue Praktiken und semantische Restrukturierungen im frühen Prinzipat den Bereich ritualpraktischer Transformationen erkundet. Seines Erachtens waren die einzelnen Kaiser seit der Errich95 Jehne 2000, 214 und passim. Im Anschluss an Pierre Bourdieu kann man dahinter eine (unbewusst umgesetzte)  »Strategie der Kondeszendenz« vermuten, in der »symbolisch die – gleichwohl noch weiterbestehende – soziale Distanz negier[t]« wird, um »sich damit zusätzlich jene Profite [zu] sichern, die daraus erwachsenen, daß die anderen die rein symbolische Negierung der Distanz anerkennen […], darin zugleich aber auch die Distanz selbst« (Bourdieu 2011, 140).

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tung der Monarchie darauf angewiesen, ihre Macht durch die Herstellung oder Stabilisierung der Akzeptanz ihrer jeweiligen Herrschaft zu sichern. In dieser »Akzeptanzmonarchie« verlieh nur ein schmaler Teil des populus Romanus diese Akzeptanz, nämlich »drei Sektoren«: die senatorische Aristokratie, die hauptstädtische Bürgerschaft und die Bürgersoldaten (Legionäre und Prätorianer). In seinem Beitrag konzentriert sich Flaig nun auf die Interaktionsbeziehungen zwischen Kaiser und Bürgerschaft im engeren Sinne. Zuvor markiert er die Einäscherung des Clodius am 19. Januar 52 v. Chr., bei welcher der Tagungsort des Senats in Brand gesetzt wurde, als den Punkt, an dem sich die »Inszenierung von Gemeinschaftlichkeit« »erschöpft« hatte und die Senatsherrschaft zu einem letzten Endes illegitimen »Regime« geworden war. Durch die Anzündung der Kurie konnte Unsagbares im Diskurs gleichsam visuell artikuliert und der Diskurs selbst auf diese Weise symbolisch gereinigt werden. Das Ringen zwischen Kaiser und Volk um die »symbolischen Konnotationen der neuen Monarchie« (»bloß keine Diktatur!«) fand nun einen zentralen Anker im »ludische[n] Zeremoniell«, »Ritual« und »Raum«: Die Spiele wurden der Ort der Interaktion, an dem freilich nach Möglichkeit eine Semantik des Konsenses vorherrschte. Die neue Herrschaftsform erforderte demnach auch neue Orte, Formen und Medien der Kommunikation. Wie Flaig für den Bereich der für die Antike charakteristischen Medien und »Menschenmedien« (Werner Faulstich),96 so konstatiert auch Marian Nebelin in seinem Beitrag über Semantische[n] Extremismus? Asymmetrische Gegenbegriffe in der späten Republik und im frühen Prinzipat einen semantischen Wandel – der allerdings nicht ohne Elemente der Kontinuierung auskam. Dazu knüpft Nebelin an Reinhart Kosellecks Konzept asymmetrischer Gegenbegriffe an. Koselleck hatte darunter binär codierte Gegensatzpaare verstanden, in denen einem positiven Wir ein negativer Anderer gegenübersteht. Asymmetrisch sind diese Begriffspaare dann, wenn der Andere sich in der ihm von seinem Widerpart gegebenen Bezeichnung nicht wiederfinden kann. Im Kontext semantischer Kämpfe stellen solche Begriffsformationen einen Sonderfall dar: Im äußersten Fall wird der negative Andere dergestalt entmenschlicht, dass er nicht mehr als ein gleichrangiges Gegenüber anerkannt werden kann. In der ausgehenden römischen Republik kam in Form einer extremalen Unterscheidung von ›Guten‹ und ›Bösen‹ auch ein solches Gegensatzpaar auf. Diese asymmetrischen Gegenbegriffe liegen in zwei Fassungen vor: als Gegensatz von boni und improbi und als der von boni und mali. Auffällig ist, dass diese asymmetrischen Gegenbegriffe in der Praxis der Unruhen der späten römischen Republik in bestimmten Kontexten und vor dem Hintergrund bestimmter Machtlagerungen durchaus tödliche Konsequenzen nach sich ziehen konnten, sie diese Funktion im Verlauf 96 Zu diesem Begriff Faulstich 1997, 127 und passim.

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der Herrschaft des Augustus und des Tiberius aber offenbar einbüßten, indem sie als moralanthropologische Grundunterscheidung zwar weiterhin verwendet wurden, politisch aber unter den veränderten Machtlagerungen des Prinzipats de facto für neutralisiert galten. Deutlicher treten diskontinuierliche Füllungen und semantische Korrela­ tionen von Begriffen im Zuge der Évolution de la notion de regnum entre Répu­ blique et Principat zutage, die Paul Marius Martin untersucht. Dabei zeigt sich Martin zufolge ein grundlegender, konzeptueller Antagonismus von regnum und libertas, der im Verlauf der Zeit in verschiedenen Formen mehr oder weniger deutlich Teil der politischen Debatten war: So sei Cicero 63 v. Chr. mit einem regnum-Vorwurf konfrontiert worden; (bewusst) erst nach Caesars Tod sei dann der regnum-libertas-Antagonismus reaktiviert worden; das zweite Triumvirat wiederum sei als ein grausames regnum erschienen, habe jedoch die Idee der Freiheit für sich zu reklamieren gesucht. Erst unter Augustus sei diese »confusion mental« behoben worden; in Form der res publica restituta sei dem Prinzipat eine neuartige Form der libertas zugrunde gelegt worden. Demnach fügt sich auch diese Geschichte des regnum-Begriffs in das Schema der Transformation von der Republik zum Prinzipat ein; außerdem zeigt sich an den einzelnen von Martin angeführten Beispielen, dass dort jeweils konkrete Begriffs- mit Personenzuordnungen verklammert worden sind.

4. Gegensätze Schon in den vorhergehenden Beiträgen ist immer wieder von Gegensätzen der verschiedensten Art die Rede gewesen: Soziale und politische Konfrontation waren damit ebenso gemeint wie semantische Oppositionsmodelle. Vor allem die letztgenannten Gegensatzmodelle erörtern nun exemplarisch in ihren Beiträgen Claudia Tiersch, M. A. Robb und Christoph Lundgreen. Dabei diskutiert Tiersch, weshalb Optimates und Populares als politische Kampfbegriffe angesehen werden müssen. Dazu demonstriert sie zunächst, dass die Rede von den optimates als Selbstbeschreibung der »konservativen Senatsmehrheit« eher selten Verwendung fand und stattdessen auf andere Begriffe – wie die Rede von den optimi oder den boni – zurückgegriffen wurde. Gerade der letztgenannte Begriff (boni) ermöglichte es, der eigenen Gruppierung eine größere emotionale Tiefenschärfe zu verleihen und zugleich die soziale Erweiterbarkeit der Personengruppe sicherzustellen. Der Popularenbegriff wiederum stellte die Optimaten vor besondere Schwierigkeiten, denn eine »Diffamierung von allgemein als popular anerkannten Politikern« war durch den Popularenbegriff nur eingeschränkt möglich, da dieser traditionell eine positive Konnotation in der römischen »Öffentlichkeit« besessen habe. Der Optimat Cicero wählte stattdessen die Unterscheidung zwi-

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schen ›falschen‹ und ›wahren‹ Popularen, um seine popularen Gegner zu diskreditieren und zugleich nur die Anhänger der konservativen Senatsmehrheit als ›wahre‹ Populare zu identifizieren: An diesem Punkt wurden Optimaten und ›wahre‹ Popularen eins. Die von Cicero mit seinen Gegnern geführte Auseinandersetzung darüber, was – und letztlich auch: wer – ein ›wahrer‹ Popularer sei, erscheint auf diese Weise als ein gut dokumentierter semantischer Kampf, in dem es vor allem Cicero selbst war, der die Rede von Popularen und Optimaten anhand asymmetrischer Gegenbegriffe konstruierte. Robb nimmt den Diskurs um den Gegensatz von Optimaten und Popularen auf, geht jedoch davon aus, dass es sich auch um ein Konstrukt der Forschung handelt, welche diese unter dem Eindruck von Ciceros Differenzierungsversuchen in der Sestiana aufgegriffen und fälschlicherweise als »everyday policital labels« aufgefasst habe. Demgegenüber nimmt Robb Ciceros Semantik in den Blick und schlägt in ihrem Beitrag über Seditio and seditiosi: Political Opposition and Violence in the Works of Cicero vor, stattdessen das Wortfeld um den Begriff seditio stärker zu betonen. Die Rede von einer seditio bezeichne allgemein ein politisch abweichendes Verhalten, das vom Sprecher als völlig illegitim wahr­ genommen werde. Auffällig ist, dass es sich dabei um ein Verhalten handelt, das, wie eine Passage der Sestiana nahelegt, von der Eskalation eines öffentlichen Wortwechsels bis zum Blutvergießen führen könne;97 »[w]hat unites them all is their divisive character. In some cases the division splits the whole state causing separation both within the senate and within the populus. In others, the division is between senate and people, between nobility and commons or between seditiosi and boni. The common element in each case is violence«. Demnach markiert eine seditio spätestens in ihren Konsequenzen einen schwerwiegenden Bruch der bestehenden Ordnung. Robb sieht darin statt einem inhaltlich fundierten Gegensatzbegriff einen »›blanket‹ term«, der vor allem auf »division und methods« Bezug genommen, dadurch aber letzten Endes die »opponents of the status quo« bezeichnet und mithin zur Charakterisierung von Gefährdern der »stability of the aristocratic system« gedient habe. Kein Gegensatzpaar mit konkreter oder diffuser beziehungsweise flexibler Oppositionsbestimmung, sondern vielmehr ein Steigerungsmodell der Entfremdung stellt demgegenüber Lundgreen vor. In seinem Beitrag erörtert er (mit einem Fokus auf die Philippischen Reden Ciceros) den Umgang mit radikaler Devianz anhand der Kette der Beziehungsbegriffe amicus – inimicus – hostis, die in dieser Reihung ein Beziehungsspektrum abdecken, das von sozialer Nähe zur äußersten Entfremdung reicht. Lundgreen sieht die persönliche Feindschaft (inimicitia) durch den Abbruch aller sozialen Beziehungen gekennzeichnet, so dass sie oft von Außen beendet werden musste. Der ›Staatsfeind‹ (hostis) hin97 Vgl. Cic. Sest. 77.

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gegen wurde zuvorderst als Gefährder der res publica definiert. Am Beispiel Ciceros demonstriert Lundgreen, welche konkreten Folgen der Umgang mit diesen Begriffen nach sich ziehen konnte: Während es Cicero 63 v. Chr. mit diesen semantischen Mitteln gelang, eine Handlungseinheit gegen Catilina zu formieren, scheiterte er mit einem ähnlichen Unterfangen bei der Bekämpfung des M. Antonius. Es gelang ihm zu diesem Zeitpunkt letztlich nicht mehr, eine Mehrheit für die Durchsetzung der Ausgrenzung zu realisieren. Doch gegenüber Catilina hatte das, was Lundgreen in Anschluss an Fabian Knopf als Ciceros »psychologisierende Diskreditierungsstrategie«98 bezeichnet, Erfolg. In diesem Fall entfaltete die Sprache ihre »wirklichkeitskonstituierende« Wirkung: »Dem semantischen Ausschluss des Abweichlers folgt durch die Zuspitzung auf Freund- und Feindschaft […] die tatsächliche Ausgrenzung«. Politische Sprache und praktische Politik zeigen sich in diesem Punkt verklammert.

5. Begriffsgeschichten Doch gerade wenn es um den Zusammenhang von soziopolitischen und kulturellen Strukturen einerseits und semantischen Evolutionen andererseits geht, müssen auch Begriffsgeschichten jenseits der prägnanten Gegensatz- oder Begriffsreihenbildungen in den Blick genommen werden. Mit solchen Phänomenen befassen sich in ihren Beiträgen Andrew Lintott, Valentina Arena und Henriette van der Blom. Lintott rekonstruiert die Entwicklung der Provocatio in the Second Century BC . Dabei betont er, dass unter provocatio im Verlauf des Jahrhunderts »covered a wider range of phenomena than before«. Konkret stellt er gleichsam als ›Entwicklungsschritte‹ vier Aspekte und Fälle in den Vordergrund: die lex Porcia und ihre Grenzen; den Fall des kurulischen Ädilen Aulus ­Hostilius Mancinus, vor dem die Prostituierte Manilia bei den Volkstribunen Schutz suchte; Fälle einer provocatio gegenüber einer Volksversammlung; Diskussionen um die provocatio gegenüber Richtern oder vor einer quaestio sowie schließlich die Ausweitung des Provokationsrechts auf Nicht-Römer. Für die Folgezeit ist besonders auffällig, dass dem Provokationsrecht offensichtlich eine derart zentrale Bedeutung zugeschrieben wurde, dass es selbst unter Sulla und unter den Kaisern erhalten blieb, es mithin also ein Kontinuitätsmoment der politischen Praxeologie im Übergang von der Republik zur Kaiserzeit darstellt. Ein sich über Jahrhunderte hinziehendes »semantic battle« rekonstruiert Arena. In ihrem Beitrag The Statue of Marsyas, Liber, and Servius: an Instance of an Ancient Semantic Battle? untersucht sie einen Fall, in dem sich Objekt-, Überlieferungs- und Wissenschaftsgeschichte verklammern. Ihren Ausgangs98 Knopf 2013, 64.

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punkt nimmt Arena von der Überlieferung zahlreicher Statuen des ›Marsyas mit erhobenem Arm‹ in Rom und den Provinzen, die bereits seit republikanischer Zeit bezeugt sind. Die in der modernen Forschung vorherrschende Auffassung, dass dabei dieses Marsyas-Bild als Symbol der Freiheit fungiert habe, hinterfragt Arena (»a scholarly myth«), indem sie zunächst darlegt, »it remains unclear how he [= der Satyr; M. N.] could be immediately connected to the idea of liberty«. Sie zeigt auf, dass Servius und andere Vergil-Kommentatoren den Ursprung dieser (Um-)Deutung darstellen: »[T]he Vergil commentators combined together different information at their disposal, which as a matter of fact were not historically linked to one another. What took place, […], was  a semantic battle between the conception of Liber these commentators held and the role they thought this deity played in the Aeneid. Their inability to comprehend the role of Liber in Vergil’s passages and their willingness to reconcile their conception of the deity with that they found in the text in a plausible manner resulted in the elaboration of the powerful idea of the statue of Marsyas as symbol of the liberty of the cities«. Welche Rolle Novitas between Republic and Empire spielte, ist hingegen das Thema von Henriette van der Blom. Sie nähert sich ihm exemplarisch anhand der h ­ omines novi an, welche in den Jahren zwischen 49 und 31 v. Chr. das Konsulat bekleideten. Die Bedeutung der Rede von den homines novi verortet sie dabei im Spektrum der Positionen von Ronald Syme und Peter Wiseman: Während der erstgenannte unter einem homo novus das erste Mitglied einer Familie auffasste, welches das Konsulat bekleidete,99 bestimmte der zweitgenannte ihn als den ersten Senator aus einer Familie der Ritterschaft, aus der bis dahin niemand dem Senat angehört hatte.100 Van der Blom verweist nun auf die ungewöhnliche Häufung von homines novi in ihrem Untersuchungszeitraum (»a striking influx«). Durch die Betrachtung einzelner Karrieren und den mit diesen Personen verbundenen Diskurs(en) kann sie verdeutlichen, welche Eigenheiten der Diskurs um novitas jeweils für spezifische Fälle und im Allgemeinen aufwies. Zu den grundsätzlich verfügbaren Diskurskomponenten, die in den Quellen auch semantisch durchschimmern, gehöre beispielsweise, dass die Frage der »loyalty« dieser Personen zu den Machthabern eine entscheidende Bedeutung für ihren Aufstieg besessen zu haben scheint, oder dass sie auch einer besonderen Kritik unterlagen: »[T]he nobiles seem not to have been criticised for being too ambitious in their career moves. This was an aspect of criticism reserved for novi«. Diese Beiträge verdeutlichen, wie facettenreich und vielfältig das Spannungsfeld von Kontinuität, Transformation und Diskontinuität der politischen Semantik 99 Vgl. Syme 1939, 18. 100 Vgl. Wiseman 1971, 1. 

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zwischen Republik und Prinzipat in Rom gewesen ist. Reine semantische Kämpfe traten erwartungsgemäß nur in einigen Fällen auf; semiotische Transformationen unterschiedlichen Umfangs sind hingegen weitaus häufiger auszumachen. Doch auch Kontinuitäten sind zu konstatieren; neben ›echten‹ Fortschreibungen finden sich darunter auch inhaltliche Neufassungen – also vor allem Transformationen auf der Bedeutungsebene im Sinne Felders. Zukünftige Forschungen werden darauf ausgerichtet sein müssen, noch deutlicher herauszuarbeiten, welche Formen von (Multi-)Medialität und ›Öffentlichkeit‹ die Bedingungen und den Rahmen von semiotischen und semantischen Auseinandersetzungen im römischen Fall ausmachten. Die politische ›Sprache‹ Roms manifestierte sich eben nicht nur in der elitären Schriftkultur, sondern auch in öffentlichen Ritualen und Praktiken, aber auch in ›Erinnerungsorten‹, Monumenten und Inschriften. All diese Medien zusammen bilden die Grundlage des semiotischen Systems im politischen Raum Roms. Dass von dem Übergang von der Republik zum Prinzipat auch die Semantik und Semiotik in diesem Raum berührt wurde, haben die Beiträge der Tagung demonstriert; sie verwiesen freilich auch auf umfassende Kontinuitäten, in denen die politische Sprache den Systemwandel überdauerte.

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Sagbarkeit und Machbarkeit

Christof Dipper

Reinhart Kosellecks Konzept »semantischer Kämpfe«

Semantische Kämpfe gehören zum Alltag, die Gegenwart ist geradezu erfüllt von ihnen, denn »Herrschaft und Macht werden auch über Semantik ausgeübt«.1 Man möchte deshalb meinen, dass sie einfach zum Sprachgebrauch gehören und seit jeher unsere verbalen Auseinandersetzungen begleiten. Ob das richtig ist, kann und soll hier gar nicht untersucht werden, Historiker sind dafür eher ungeeignet. Seit wann das aber in unser Bewusstsein getreten ist und weshalb, ist eine Frage, zu der die Begriffsgeschichte durchaus etwas beizutragen hat. Es verdient darum Interesse, den weit über Deutschland hinaus bekannten Historiker der Ideen und Begriffe, den 2006 verstorbenen Reinhart Koselleck, auf seinem Weg vom hochgradig ideologisierten Konzept semantischer Kämpfe zur radikal historisierten Begriffsgeschichte zu begleiten, weil einige seiner dabei gemachten Einsichten ganz allgemein zu verstehen helfen, wie in Europa sprachlich die Moderne entstand und welchen Verlauf sie genommen hat. Von »semantischen Kämpfen« sprach Reinhart Koselleck in seinem gesamten Werk, wenn nicht alles täuscht, nur ein einziges Mal, nämlich als er 1972 am Beispiel der bekannten Septemberdenkschrift aus dem Jahre 1807 des damals soeben auf Betreiben Napoleons geschassten Ersten Ministers Graf Hardenberg die von jenem eingesetzten begriffspolitischen Finessen verdeutlichte, auf die dessen Gegner von der Marwitz umgehend reagiert hatte. Hardenberg wählte hier an entscheidender Stelle den Neologismus »Staatsbürger« anstelle hergebrachter ständischer Termini, benützte also »einen Kampfbegriff«,2 was Koselleck die Gelegenheit verschaffte, etwas zum »Kampf um die ›richtigen‹ Begriffe«3 überhaupt zu sagen. Seit 1770 verzeichne die deutsche Sprache »eine Fülle neuer Bedeutungen alter Worte und Neuprägungen […], die mit dem Sprachhaushalt den gesamten politischen und sozialen Erfahrungsraum verändert und neue

1 Felder 2004, 13. In diesem Sammelband werden von Linguisten Beispiele für semantische Kämpfe in verschiedenen Disziplinen vorgestellt, darunter auch der Geschichtswissenschaft, aber eine Geschichte der Wahrnehmung und Erforschung dieser heute so offensichtlichen Tatsache sucht man in ihm vergeblich. 2 Koselleck 1972a, 111. 3 Ebd. 112.

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Erwartungshorizonte gesetzt haben«4 mit der Folge, dass »der Kampf um die ›richtigen‹ Begriffe […] an sozialer und politischer Brisanz«5 zugenommen habe. Dies sei kein Einzelfall, wie er wenig später feststellte. »Der semantische Kampf, um politische oder soziale Positionen zu definieren und kraft der Definitionen aufrecht zu erhalten oder durchzusetzen, gehört freilich zu allen Krisenzeiten, die wir durch Schriftquellen kennen«.6 Bis hierher klingt das alles leidenschaftslos und strikt analytisch, es handelt sich scheinbar um die Bilanz einer damals immerhin zwei Jahrzehnte währenden Forscheraktivität zur Begriffsgeschichte mit bahnbrechenden Erkenntnissen. Der anschließende Satz enthüllt aber jenes kulturpessimistische Geschichtsbild, das schon Kosellecks wissenschaftliche Anfänge gekennzeichnet und seinen spezifischen wissenschaftlichen Ansatz überhaupt ausgelöst hat: »Seit der Französischen Revolution hat sich dieser Kampf verstärkt und strukturell verändert«. Auch das war vergleichsweise leidenschaftslos, denn früher pflegte er zu sagen, seit damals herrsche der »Zustand einer permanenten Krise«,7 weil seither die semantischen Kämpfe nicht mehr abbrächen, sondern im Gegenteil eine ganz neue Dimension angenommen hätten. So könnten inzwischen auch »Zukunftsbegriffe«8 geprägt werden, mit deren Hilfe die Welt umgestaltet werden soll. Das aber habe dazu geführt, dass seither nicht mehr nur Deutungs-, sondern manifeste Kämpfe ausgefochten werden, denn wir müssen nun mit Utopien leben, deren Versuche der Durchsetzung namentlich das 20. Jahrhundert mit unvorstellbarem Elend überzogen haben. Semantische Kämpfe und ihre Folgen, Ideologien und Utopien, sind dieser Lesart zufolge das wichtigste Merkmal einer als krisenhaft empfundenen, weil friedlosen Moderne. Ihretwegen steht die Welt permanent am Abgrund, und wenn es schon kein Mittel gibt, geben kann, die seit den Zeiten der Aufklärung zu beobachtenden Kämpfe zu beenden, so ist zumindest »eine Aufklärung über die Aufklärung«9 nötig, wie es Koselleck bei der Feier zum 50. Jahrestag seiner Promotion ausgedrückt hat. Aber in Wahrheit hat er ihr den Prozess auf eine Weise gemacht, die viele bis heute als irritierend empfinden. Man ist geneigt, darauf mit der irenischen Formel zu antworten, die Koselleck selbst einmal auf Otto Brunners problematisches Buch Land und Herrschaft von 1939/42 gemünzt hat: Dieses sei »ein gutes Beispiel dafür, daß 4 5 6 7

Ebd. 112. Ebd. 112. Ebd. 113. Koselleck 1959, 1. Die dort gemachten Aussagen kassierte Koselleck stillschweigend in Koselleck 1982. Aus der Fülle der dazu erschienenen Literatur sei nur Imbriano 2013 herausgegriffen. Dieser vorzügliche Koselleck-Kenner hat zuletzt mit seinem Buch Der Begriff der Politik. Die Moderne als Krisenzeit im Werk von Reinhart Koselleck (Frankfurt am Main / New York 2018), die Forschung zu Koselleck weiter befruchtet. 8 Koselleck 1972a, 113. 9 Koselleck 2004, 59.

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auch politisch bedingte Erkenntnisinteressen zu theoretisch und methodisch neuen Einsichten führen können, die ihre Ausgangslage überdauern«.10 Über die Ursachen für seine abgrundtiefe Skepsis muss man nicht lange rätseln. Es sind die grauenhaften Kriegserfahrungen, und sein Studium sollte Koselleck helfen, sie zu verarbeiten. Damit stand er damals nicht allein. »Das drängende Bedürfnis nach geistiger Verortung im großen geschichtsphilosophischen Stil, einer Verortung, die weit über Fragehaltungen, wie ›1933‹ möglich war, hinausging«,11 war eine der möglichen Reaktionen, und so entschied sich Koselleck wie andere in seinem Heidelberger Freundeskreis12 für die zeitdiagnostischen, Orientierung verheißenden Fächer Philosophie, Soziologie und Geschichte. Die Freunde nahmen »den Auftrag zu denken passioniert an« und es war klar, wie sich sein Studienfreund Ivan Nagel erinnerte, dass »dieses Denken, am Ausgang radikaler Katastrophen, ein radikales sein« musste.13 Über die Moderne hatte Koselleck den Stab gebrochen, war sie doch die Ursache einer Friedlosigkeit, die seiner Ansicht nach 1945 nicht überwunden war, sondern während seines Studiums – die meisten Jahre davon fielen in die Zeit des Koreakriegs – in einen Dritten Weltkrieg zu münden schien.14 Folglich lebte und forschte er in einer doppelten Frontstellung. Unmittelbar richtete sich sein Zorn gegen die »Ideologien Amerikas und der Sowjetunion, die beide sich als Universalbefreiung statt als Interessenpolitik gaben«. Aber bei der Suche nach dem »Ursprung jenes Anspruchs auf Unfehlbarkeit« landete er bei der Aufklärung.15 Verbindendes Element war, wie Nagel berichtete, Kosellecks »Affekt« – Habermas wird später vom »Ressentiment« sprechen16 – gegen die »utopistischen Geschichtsphilosophien«,17 die sich als unfehlbar darstellten und die Welt nach ihrer Wahrheit zu gestalten suchten, ohne Rücksicht auf die Menschen. Von Begriffen war anfangs noch nicht die Rede. Dazu bedurfte es, das hat Koselleck immer wieder bestätigt, des Einflusses von Carl Schmitt, den er 1950 in Heidelberg kennenlernte und der ihm riet, für seine Kritik der Aufklärung 10 11 12 13 14

Koselleck 1986, 12, Anm. 4. van Laak 1993, 271. Dazu Sombart 2000, 250 ff. Nagel 2004, 24. Mindestens bis 1989 setzte sich Koselleck immer wieder mit der angemessenen Haltung gegenüber der »Atombedrohung« auseinander. So beispielsweise 1987 in Koselleck 1987, 272 f. Die Vorstellung permanenter Friedlosigkeit blieb Kosellecks bilanzierender Blick auf die Geschichte bis zum Lebensende. Noch 2001 sagte er in einem Interview: »Also Konflikte lassen sich nicht endgültig lösen, sie werden eigentlich nur abgelöst durch anders strukturierte Konflikte. Das ist die Erfahrung, die uns die gesamte Geschichte liefert« (Koselleck 2013, 52). 15 Beide Zitate bei Nagel 2004, 28. 16 Habermas 1960, 470. Der kurze Aufsatz ist eine Besprechung von Kritik und Krise und von Geschichtsphilosophie und Weltbürgerkrieg von Kosellecks Freund Hanno Kesting. 17 Nagel 2004, 28.

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mit Hilfe alter Lexika und Wörterbücher den Wandel der Sprache einzufangen.18 Schmitt hatte schon seit den 20er Jahren, darunter auch in seiner Auseinandersetzung mit Meineckes Idee der Staatsräson, dem er Wertrelativismus, mangelhafte Vorstellung von historischer Individualität und implizite Fortschrittsidee vorwarf, seiner Auffassung vom Eigenwert jeder Epoche, der eine je spezifische Begrifflichkeit zugeordnet war, Ausdruck verliehen, zumeist in der ihm eigenen politisch-polemischen Form. Einige dieser Aufsätze hatte er 1940 unter dem Titel Positionen und Begriffe im Kampf zusammengefasst19 und damit zehn Jahre später den Gedanken semantischer Kämpfe seinen jungen Heidelberger Bewunderern, ersichtlich besonders Koselleck nahe gebracht20. Über den Grad des Einflusses von Schmitt auf Koselleck wird bekanntlich seit jeher kontrovers diskutiert.21 Helmut Kuhn beendete seine kluge Rezension von Kosellecks Doktorarbeit mit der Feststellung: »Der Geist Carl Schmitts (dem bisweilen Th. Adorno über die Schulter sieht) ist in jedem Kapitel dieser Studie gegenwärtig«.22 Noch weiter ging Jürgen Habermas, der seine Doppelbesprechung von Kosellecks und Kestings Dissertation mit den Worten abschloss: »Immerhin sind wir dankbar, von so gescheiten Autoren zu erfahren, wie Carl Schmitt, ein so denkender Spezialist, die Lage heute beurteilt«.23 Koselleck selber beklagte sich 2004 über ungerechtfertigte Vorwürfe,24 starb aber kurz bevor er im Marbacher Literaturarchiv einen Vortrag über sein Verhältnis zu Carl Schmitt halten sollte.25 Neuere 18 Koselleck 1998, 187. 19 Schmitt 1940. 20 Koselleck hat die dort enthaltene scharfe Kritik an Meinecke in seiner Dissertation übernommen, diese Passage aber für die Druckfassung gestrichen (Olsen 2012, 60). Koselleck selbst nannte Schmitts Diktatur von 1921 als Beispiel für ›methodische Brillanz‹ (Koselleck 1998, 187) und zitierte dieses Werk auch in der gedruckten Version seiner Disser­ tation, aber Olsen, der die maschinenschriftliche Fassung untersuchte, nennt die Kritik an Meinecke als ausschlaggebend. 21 Am Rande sei die irritierende Tatsache vermerkt, dass Schmitt , der vom Historisch Politi­ schen Buch angefragt worden war, Koselleck anbot, zwei Fassungen seiner Rezension über dessen Dissertation zu verfassen und ihm die Wahl zu überlassen. Koselleck entschied sich für diejenige Fassung, die weniger eine Selbstdarstellung Schmitts war, sondern sein Anliegen prägnant zusammenfasste (Dunkhase 2019, Briefe Nr. 43 f., 46 f., 49 sowie die beiden Fassungen ebd. 367–369). 22 Kuhn 1961, 668. Der Philosoph Kuhn hatte schon 1933 Schmitts Begriff des Politischen vom Vorjahr besprochen. 23 Habermas 1960, 477. Diesen Satz tilgte Habermas schon deshalb im späteren Wiederabdruck, weil er in seinem Strukturwandel der Öffentlichkeit Kosellecks »ausgezeichnete Untersuchung« lobte (Habermas 1969, 102, Anm. 2). Außerdem musste er selber sich später von Ellen Kennedy deutliche Beeinflussung durch Schmitt nachweisen lassen (Kennedy 1986). 24 »So wurde, wer sich bei Carl Schmitt bedankt, zum Sprachrohr von Carl Schmitt abgestempelt« (Koselleck 2004, 55). 25 2004 sagte er in einem Interview: »Ich habe Schmitt nie als einen Professor wahrge­ nommen, der sich im Dritten Reich kompromittiert hatte – und zweifellos hatte er sich

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Beiträge betonen eher die Selbständigkeit schon des Doktoranden gegenüber seinem Rat- und Stichwortgeber, akzentuieren aber den begriffsgeschichtlichen Einfluss nach wie vor unterschiedlich: Während der Schmitt-Kenner ­Reinhard Mehring unter Hinweis auf das Stichwort ›Gegenbegriffe‹ eine dauerhafte Nähe Kosellecks zu Schmitt behauptet und beiden »Begriffspolitik« attestiert,26 verweist der Koselleck-Kenner Niklas Olsen darauf, dass Koselleck niemals Schmitts normative und dezisionistische Auffassung von Begriffsgeschichte geteilt habe.27 Man könnte aber stärker als diese beiden Autoren zwischen dem frühen Koselleck, den die semantischen Kämpfe interessierten, und dem späteren unterscheiden, der daraus eine viel anspruchsvollere begriffsgeschichtliche Theorie machte, in deren Mittelpunkt die hier nicht weiter zu behandelnde »Sattelzeit« steht. Dem soll in der Folge nachgegangen werden. In seiner 1954 eingereichten und erst fünf Jahre später gedruckten28 Dissertation Kritik und Krise29 machte Koselleck also der Aufklärung den Prozess, der er vorwarf, dass sie den vom Absolutismus durchgesetzten inneren Frieden unterminiert und letztlich die Revolution herbeigeführt habe  – mit Wirkungen bis in die Gegenwart. Das Sündenregister ist lang und im Zusammenhang mit dem in diesem Sammelband behandelten Thema interessiert vielleicht am ehesten Kosellecks (schon damals überholter, man denke nur an Machiavelli30) Vorwurf, es sei die Aufklärung gewesen, die den ethisch imprägnierten aristotelischen Politikbegriff, der bis dahin normativ den Ton angab, durch die Trennung von Moral und Politik beseitigte – mit der Folge, dass die polemische Gegenüberstellung beider Größen das verderbliche utopische Denken freigesetzt

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kompromittiert –, sondern ich habe ihn wahrgenommen als einen der geistreichsten Anreger, denen ich in meinem Leben begegnet bin« (Koselleck 2013, 41). Mehring 2011, 150 ff. 165. Olsen 2012, 187. Dieser Zeitverzug ist ein wichtiger Grund für die distanzierte Aufnahme des Buches, denn inzwischen hatte sich die bundesdeutsche Stimmungslage massiv entspannt (Olsen 2012, 80 f.). Den meines Wissens erstmaligen Zusammenhang von Kritik und Krise, allerdings nicht in dialektischem Zusammenhang, formulierte Freyer, der das scheinbar der chinesischen Geschichte entnahm, aber die angedeuteten Parallelen zur europäischen Geschichte der Moderne sind nicht zu übersehen (Freyer 1948, 144 f.; der Kolumnentitel S. 145 lautet »Krisis und Kritik«). Koselleck führt dieses Werk im Literaturverzeichnis seiner Dissertation ebenso auf wie Horkheimer-Adorno 1947, auf die er, wie er mir versicherte, erst nach dem Abschluss seiner Arbeit aufmerksam geworden sei und deshalb von dem ursprünglich gewählten identischen Titel Abstand genommen habe. Vgl. dazu auch seine Aussage 2004 (Koselleck 2004, 34). Die Universitätsbibliothek Heidelberg hat laut Auskunft vom 9.12.2013 dieses Buch 1951 gekauft. Wann das Philosophische Seminar es beschafft hat, ist nicht mehr zu ermitteln, da es verschwunden und 1968 durch eine Fotokopie des in der UB vorhandenen Exemplars ersetzt worden ist (ebenfalls Auskunft vom 9.12.2013). Der Name Machiavelli fällt in Kritik und Krise nur ein einziges Mal und in, wie ich finde, irreführendem Zusammenhang (Koselleck 1959, 67).

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habe. Utopie sei nämlich nichts anderes als »Geschichtsverlogenheit«, wie er noch 2004 sagte,31 weil sie einen vernunftgesteuerten Geschichtsverlauf behaupte und ihre Urheber sich damit der Verantwortung entzögen. Die Beweisführung ist hochgradig originell und überschritt, für eine Dissertation ganz ungewöhnlich, die hergebrachten Disziplingrenzen.32 Sie lief darauf hinaus, dass er die Quellen nicht wie üblich nur als Texte las, sondern auch als Sprachzeugnisse, die er, vornehmlich in den Anmerkungen, begriffsgeschichtlich untersuchte. Mit anderen Worten: Der kritische Blick auf die Begriffe und ihre sich in der Aufklärung dramatisch ändernden Bedeutungsgehalte  – das war, langfristig gesehen, seine mit Abstand wichtigste Entdeckung  – öffnete Koselleck zugleich die Augen für den Sprachkampf namentlich im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Aufklärung ist diesem Buch zufolge letztlich überhaupt nur Sprachkampf. Die von der aufklärerischen Vernunft ermächtigte »Kritik« wurde nämlich zum »Schlagwort des Jahrhunderts«33 und das Fatale daran war, dass eben damals das Wissen um die mit »Kritik« ursprünglich korrespondierende »Krise« verloren ging, so dass sie gleichsam ohne Blick auf ihre Wirkungen schon semantisch den Weg freimachte zu der von Koselleck wieder und wieder notierten Hypostasierung, die 1789 ff. die Kritiker »in den Abgrund«34 riss. Dass das alles nicht ohne eine eigens dazu geschaffene Öffentlichkeit möglich war, die bei ihm ebenso bürgerlich ist wie bei dem nur wenig später schreibenden Habermas, aber nicht Klassen-, sondern polit-moralischen Interessen diente, sei nur am Rande vermerkt. Kosellecks Phänomenologie der semantischen Kämpfe ist vor allem im zweiten Kapitel seiner Dissertation greifbar, das entsprechend stark an Carl Schmitt erinnert, für den Sprachfrieden grundsätzlich unmöglich war und der aus dieser Einsicht auch sprachpolitisch tätig wurde. Hier zieht Lessing mit »ätzender Schärfe und begrifflicher Distinktionskraft« gegen seine Widersacher »zu Felde«,35 hier sind »Verdeckung und Verschärfung […] ein und derselbe Vorgang«.36 Hier nehmen freilich auch die Aufklärer zunehmend »den polemischen Sinn der Begriffsbildung ernst«37 und geraten dadurch in das »Dilemma«,38

31 Koselleck 2004, 58. 32 »Ich persönlich war damals froh, dass meine Arbeit, die weder nur historisch, noch nur soziologisch, noch nur philosophisch eindeutig ausgewiesen war, überhaupt akzeptiert wurde« (ebd. 50). 33 Koselleck 1959, 188, Anm. 151. Ebd. 190, Anm. 155, spricht Koselleck vom »Thema des Jahrhunderts«. 34 Ebd. 100. 35 Ebd. 194, Anm. 191. 36 Ebd. 105. 37 Ebd. 97. 38 Ebd.

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sich »dem epochalen Zwang zu dualistischer Aufspaltung«39 unterwerfen zu müssen, weil »die zeitgemäßen polaren Begriffe«40 nichts anderes erlauben. Die Generation Voltaires habe das noch durchschaut und sei damit ironisch umgegangen. Die »Nachgeborenen […] erliegen [aber] ihrer eigenen Mystifikation. Aus der Kriegslist wird Verlogenheit«,41 gar »prinzipielle Verlogenheit«,42 denn sie ist der »Preis, ohne den ihre Anmaßung nicht zu haben war«.43 Ursache des Sprachkampfs der Aufklärer ist die »dualistische Denkform – religionsgeschichtlich ein altes Erbe«,44 wie Koselleck in Anspielung auf seinen Lehrer Karl Löwith sogleich hinzufügt, nämlich »die Wiederaufnahme der manichäischen Kategorien«45 mit der Folge »gegenseitigen Ausschließlichkeitsanspruchs«.46 Dementsprechend kommt das Argument des Dualismus im gesamten Buch alle paar Seiten vor, aber auch in späteren Schriften beklagt er diese Denkform immer wieder.47 Koselleck ließ in seiner Dissertation seinem »antimetaphysischen Affekt«48 freien Lauf. Besonderes Augenmerk richtete er darum auf das Phänomen der Gegenbegriffe, woraus er 1975 eine berühmt gewordene semantische These machen wird. Hier registrierte er zunächst nur »die Serie von Begriffen und Gegenbegriffen, die die Literatur der Aufklärer wie ihrer Gegner prägt, wie Vernunft und Offenbarung, Freiheit und Despotie, Natur und Zivilisation, Handel und Krieg, Moral und Politik, Dekadenz und Fortschritt, Licht und Finsternis«.49 Das Kennzeichen sei stets, dass solche Begriffe niemals »den Charakter verlieren, ihre Gegenbegriffe zugleich mitzusetzen und auszuschließen«.50 39 Ebd. 98. 40 Ebd. 41 Ebd. 42 Ebd. 43 Ebd. 44 Ebd. 102. 45 Ebd. 196, Anm. 205. 46 Ebd. 106. 47 »Vorsicht vor jedem Dualismus – hinter ihm lauern nur fiktive Feinde« (Koselleck 1993, 283). 48 Graf 1999, 54. Es handelt sich um die Laudatio aus Anlass der Verleihung des Sigmund-Freud-Preises für wissenschaftliche Prosa der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung an Koselleck. 49 Koselleck 1959, 83. 50 Ebd. In Klammern sei angemerkt, dass es aus meiner Sicht ein Problem ist, dass Kosellecks Leitbegriffe »Kritik« und »Krise« gerade kein gegensätzliches Begriffspaar sind, weshalb er den Schluss seiner Arbeit nicht mehr begriffsgeschichtlich, als Sprachkampf, entfalten kann, sondern ganz auf die Radikalisierung des Dualismus – direkt vom moralischen zum politischen ohne den Umweg über semantische Zuspitzungen – abstellen muss (ebd. 142). Es sind bei ihm deshalb Rousseaus Kulturkritik und Diderots sowie Raynals »verdeckte« (ebd. 146) politische Kritik an der nun als Despotie bezeichneten französischen Monarchie, die unweigerlich – eben weil »Kritik« zuletzt den Selbstvollzug von Moral, Wahrheit und Aufklärung in Gang setzt – in den »Abgrund« der Revolution führen.

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Dieses Konzept vertrat Koselleck, befreit vom polemischen Argumentationsgepäck der Dissertation, noch in den 1970er Jahren. In seinem Aufsatz Zur historisch-politischen Semantik der asymmetrischen Gegenbegriffe hebt er es sogar auf eine neue Stufe, indem er den symmetrischen die asymmetrischen Gegenbegriffe gegenüberstellt, die die semantischen Kämpfe in eine direkte Beziehung zu den realen setzen, weil diese Art von Wortpaaren »von vornherein dazu« diene, funktional zur Machtposition derer verwendet zu werden, die die Sprachregelung treffen.51 Auch hier – und das ist Kosellecks genuin historischer Ertrag – gibt es eine Entwicklung, nämlich vom Schlechten zum Schlimmen. Wichtigstes Merkmal der asymmetrischen Gegenbegriffe ist, dass sie die eigene Position so definieren, »daß die daraus sich ergebende Gegenposition nur negiert werden kann«.52 Mit anderen Worten: Der Dualismus der asymmetrischen Gegenbegriffe steigert sich in diesem Falle zu einem Gegnerbegriff, der dem Anderen die Gleichrangigkeit abspricht; der Gegner kann sich deshalb mit seiner Fremdbezeichnung in keinem Fall identifizieren. Das ist die Konstante in dieser Konstruktionsstruktur. Die Variable ergibt sich aus der Erweiterung des Horizonts im geschichtlichen Verlauf. Für die Hellenen waren die ›Barbaren‹ einfach die räumlich getrennten und deshalb kulturfremden Nachbarn. Für die Christen waren aber die ›Heiden‹ aufgrund des Missionsbefehls die noch nicht Bekehrten. »Daraus entsteht eine Dynamik der Negation des jeweils anderen, wie sie die nichtchristliche Antike kaum gekannt hat«.53 Auf Örtlichkeit und Zeitlichkeit als Merkmale der Abgrenzung in der Vormoderne folgt dann eine von der Aufklärung vorbereitete Radikalisierung im 19. Jahrhundert. Nun wird nämlich im semantischen Kampf die »größtmögliche Universalität«,54 die »Menschheit«, als politische Bezugsgröße in den Konflikt eingeführt. Wer sich diese Eigenbezeichnung zulegt, tut das, um den Gegner zum »Un-« oder »Untermenschen« abzustempeln, denn der »Totalbegriff«55 »Menschheit« duldet neben sich keinen anderen. So hat das 19. Jahrhundert die Vernichtungsfeldzüge des 20. semantisch vorbereitet. Irritierend an diesem Aufsatz ist der Schluss. In ihm preist er Carl Schmitt als einen Denker, der im Begriff des Politischen56 mit dem von ihm geschaffenen symmetrischen Gegensatzpaar »Freund / Feind« alle modernen Gegensätze »so weit zu formalisieren« getrachtet habe,57 dass man auf die asymmetrischen

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Koselleck 1975a, 258. Ebd. 215. Ebd. 217. Ebd. 248. Ebd. 244. Koselleck verweist auf Schmitt 1932. Koselleck 1975a, 258.

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Gegenbegriffe nicht länger zurückgreifen müsse. Es sei »eine Formel […], die als Bedingung möglicher Politik nicht überholbar ist. Denn es handelt sich um einen Begriff des Politischen, nicht der Politik«.58 Carl Schmitt als Wegweiser aus der modernen Friedlosigkeit? Bis in die Mitte der 1970er Jahre hat sich Koselleck also nachweislich nicht von seinem zwanzig Jahre zuvor entwickelten Konzept semantischer Kämpfe verabschiedet. Wie eingangs gezeigt, benutzte er sogar dieses Schlagwort überhaupt erstmals 1972 offen. Das heißt aber nicht, dass sich an seiner Einstellung gegenüber diesem Konzept nichts geändert hätte. An Hinweisen dazu mangelt es nicht. Wenn man nicht überhaupt eine originäre, aber aus Respekt vor dem Lehrer nach Kräften verkleinerte Distanz zu Schmitt bei ihm sehen möchte,59 wird man als erste manifeste Selbstdistanzierung von seiner irritierenden Polemik auf seine Antrittsvorlesung von Ende 1965 hinweisen müssen, die eine versachlichte Kurzversion seiner Dissertation enthält.60 Seine erste Exploration des semantischen Wandels von ›Revolution‹ in der Epoche von Aufklärung und Revolution aus dem Jahre 1968 zeigt dann in acht Punkten eine ebenso leidenschaftslose wie zukunftsträchtige Übersicht, in der u. a. bereits von Kollektivsingular,61 Erfahrung der Beschleunigung und zwangsläufig unterschiedlicher geschichtsphilosophischer Perspektive die Rede ist.62 Vollends in den Geschicht­ lichen Grundbegriffen ist vom ersten, 1972 erschienen Band an ein »reflektierter Historismus« am Werk,63 denn anders hätte die inzwischen konzipierte Vorstellung einer ›Sattelzeit‹ keinen Sinn gemacht. Aber erst sein Aufsatz mit dem bewusst anspielungsreichen Titel Feindbegriffe von 1993 liest sich als eine stillschweigende Korrektur seiner früher formulier-

58 Ebd. 258 f. 59 Mehring 2011, 151 ff., und erst recht Olsen 2012, 58 ff. Beide beziehen sich hier auf den langen Brief Kosellecks an Schmitt vom 21. Januar 1953. 60 Koselleck 1968. Dass dieser Aufsatz zuerst in der Festschrift für Carl Schmitt erschienen ist, macht die These Olsens noch plausibler, dass sich Koselleck schon früh in begriffsgeschichtlichen Fragen von Schmitt gelöst hat. 61 Den Kollektivsingular ›Geschichte‹ habe er aber schon als Student entdeckt, dann aber wieder vergessen. »Später habe ich Zettel gefunden, auf denen dieses Konzept zum ersten Mal steht« (Koselleck 1998, 197). 62 Koselleck 1969, 76 ff. Auch dieser Aufsatz steht in engem persönlichen Zusammenhang mit Carl Schmitt, wurde doch seine Urversion 1968 im Ebracher Ferienseminar gehalten, das Ernst Forsthoff jahrelang organisierte, um den wissenschaftlichen Nachwuchs mit seinem Lehrer in Kontakt zu bringen. 63 Koselleck 1998, 188. Diesen Begriff, an anderer Stelle den »soliden Historismus«, gebrauchte Koselleck häufig als Antwort auf den undifferenzierten Historismusverdacht, dem er seitens der »sogenannten Sozialhistoriker« von Wehler bis Wolfgang J. Mommsen ausgesetzt war. »Denn sie wissen nicht, wovon sie sprechen« (Brief an den Verf. v. 25.4.2000).

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ten, stark politikhaltigen These.64 Beibehalten hat er das in der Tat tragfähige historische Ergebnis: die sich steigernden und in der Moderne einen qualitativen Sprung machenden Stufen der Ausgrenzung, an deren Ende der Gegner »unter die Schwundstufe menschlicher Möglichkeiten gedrückt, im wörtlichen Sinne entmenschlicht, […] ›lebensunwert‹ und so vertilgt« wird.65 Folgerichtig steht die Sprache im Mittelpunkt,66 von Carl Schmitt ist nicht mehr die Rede. Auch nicht mehr von Asymmetrie. Irgendwie macht der ganze Aufsatz einen viel unaufgeregteren Eindruck. Man liest jetzt von »semantischen Oppositionsstrukturen« als Folge »politischer Instrumentalisierung«,67 in letzter Instanz aber dualistischen Denkens. So entstehen »Feindbegriffe«, die nicht mehr wie früher die »Gegenbegriffe« den Eindruck machen, als folgten sie, einmal in die Welt gesetzt, einer fatalen Eigenlogik, sondern Koselleck benennt jetzt Täter, die die Sprache politisieren: zuerst die französischen Revolutionäre, die »Revolu­tion« mit »Frankophonie« gleichsetzten und deshalb »die armen dialektbefangenen Bürger«68 des Landes rigider Spracherziehung unterwarfen, dann die deutschen »intellektuellen Widerstandskämpfer gegen die napoleonische Fremdherrschaft«,69 die das deutsche Sprachvolk erfanden. Überhaupt gehöre es »zur Signatur unserer europäischen Neuzeit, daß nicht nur die Sprechweisen, sondern die Sprachen insgesamt instrumentalisiert worden sind zur Aus- und Eingrenzung politischer Handlungseinheiten«.70 Und das hat Folgen: »Einmal eingespeichert in den Sprachhaushalt, öffnen und begrenzen [die semantischen Oppositionsstrukturen] zugleich die Wahrnehmung. Die Feindbegriffe bleiben, ob reflektiert oder unreflektiert, abrufbar, werden gleichsam zu Netzen, in denen sich die Sprechenden selbst verfangen«.71 Welche Folgen hat diese, ich möchte sagen, sprachbewusstere Position Kosellecks für das Konzept der semantischen Konflikte? Die Sprache ist einerseits unschuldig, sie wird ja manipuliert, andererseits kommt den Begriffen, einmal in der Welt, gesinnungsprägende Kraft zu, weil eben alle Gemeinschaften sich auch durch Sprache konstituieren. Begriffe sind schließlich nicht nur Indikato64 1992 hatte er sich bereits ausdrücklich von »eine[r] systematisch stringente[n] Einbeziehung der Gegenbegriffe« verabschiedet, weil diese »schnell in die gerne so genannte Diskursanalyse [führt], die lexikalisch nicht mehr bewältigt werden kann« (Koselleck 1992, VIII). 65 Koselleck 1993, 279. 66 Weil es sich bei diesem Beitrag um Kosellecks Antrittsrede in der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung handelt, liegt eine Betonung des Themas Sprache ohnedies nahe. 67 Ebd. 282. 68 Ebd. 281. 69 Ebd. 70 Ebd. 281. 71 Ebd. 282.

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ren, sondern auch Faktoren, wie Koselleck immer wieder seinen wenig sprachbewussten Fachkollegen nahezubringen versuchte. »Feindbegriffe untersuchen heißt also von der Macht und von der Ohnmacht der Sprache zugleich handeln«.72 Von der »Ohnmacht der Sprache« hat Koselleck früher nicht gesprochen, womit nicht gesagt sein soll, dass er keine differenzierte Vorstellung vom Dreiecksverhältnis zwischen Sprache, Sprecher und Bezeichnetem gehabt hätte; das Gegenteil ist natürlich der Fall. Aber 1993 steht der Sprachkampf längst nicht mehr bei ihm im Zentrum des Erkenntnisinteresses,73 einfach weil nach dreißig Jahren Arbeit an und mit den Geschichtlichen Grundbegriffen andere seman­ tische Themen in den Vordergrund gerückt sind. Der »semantische Kampf«, von dem er 1972 ausdrücklich sprach, ist eben nur ein Phänomen unter mehreren, die das Verhältnis der Menschen zur Sprache bestimmen. Dem gilt es nun abschließend Rechnung zu tragen. Der Schlüssel liegt meines Erachtens in Kosellecks steigendem Interesse für Zeit als Funktion der Begriffsgeschichte. 1972 bereits hatte Koselleck eine »Theorie historischer Zeiten« verlangt, um den genuinen Gegenstandsbereich der Geschichtswissenschaft zu umreißen, und dabei der Begriffsgeschichte eine zentrale Rolle zugemessen.74 Nur sie könne Genaueres zum Wandel der Zeiterfahrung sagen, in den Begriffen sei viel verlässlicher als in den Ideen der Umbruch von Bewusstseinslagen aufzuspüren. 1976 präsentierte er seine bahnbrechende These, dass die Haupttriebkraft für semantischen Wandel seit dem 18. Jahrhundert im Auseinandertreten der anthropologischen Kategorien Erfahrung und Erwartung bestehe, und zwar als Folge der Serie unerhörter Neuigkeiten, denen die Menschen in Mittel- und Westeuropa ausgesetzt waren und mit denen sie umzugehen lernen mussten. »Der Fortschritt ist der erste genuin geschichtliche Begriff, der die zeitliche Differenz zwischen Erfahrung und Erwartung auf einen einzigen Begriff gebracht hat«.75 Als Kollektivsingular bündelte er »die mit der Zeit fortschreitenden Veränderungskoeffizienten« und wurde als Abstraktum zugleich theoriefähig.76 Was Koselleck hier über den Fortschritts72 Ebd. 276. 73 Man scheut sich, für Koselleck diesen Begriff zu benützen, bemerkte er doch einst spitz: »Wer einmal erkenntnisleitende Interessen in seine Forschung einbringt, muß davon ausgehen, daß sie zugleich erkenntnisverhindernd wirken« (Koselleck 2003, 75 f.). Trotzdem hat sich ein Forscher wie Koselleck niemals ernsthaft gegen »erkenntnisleitende Interessen« überhaupt ausgesprochen. Wichtig war ihm, dass man um den Preis wusste, der unvermeidlicherweise zu zahlen war. Ob er ihn selbst schon 1953 gekannt hatte? 74 Koselleck 1972b. Koselleck hat diese Theorie nie ausgearbeitet. Dazu demnächst Sebastian Huhnholz in einem von Manfred Hettling und Wolfgang Schieder herausgegebenen Tagungsband Bedingungen möglicher Geschichten. Die Vielfalt Reinhart Kosellecks. Diese Tagung fand Ende 2018 am Bielefelder ZiF statt. 75 Koselleck 1976, 366. 76 Ebd. 363.

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begriff im 18. Jahrhundert sagt, unterscheidet sich erheblich von dem, was er ideologiekritisch über ihn in Kritik und Krise zu sagen gewusst hatte.77 Als er 1980 das Verhältnis von Sprachwandel und sozialem Wandel – wieder einmal – untersuchte, fiel ihm der von Soziolinguisten und Sprachpragmatikern längst entdeckte, von den Historikern aber kaum zur Kenntnis genommene Spannungszustand zwischen beiden Größen auf. Es sei »offensichtlich […] nicht möglich, von einer Identität des Sprach- und Sozialwandels auszugehen, […] aber auch die These vom sprachlichen Vorgriff vor den tatsächlichen Änderungen […] enthält nur eine Teilwahrheit«.78 Damit beerdigte Koselleck stillschweigend – möglicherweise ist das der Grund, weshalb er seine Dissertation nicht mehr zitiert; aber er zitiert sich überhaupt ausgesprochen selten, von seinen Artikeln in den Geschichtlichen Grundbegriffen abgesehen – seine frühere Ansicht von den gewissermaßen willkürlich entfesselten semantischen Kämpfen der Aufklärer und der dadurch zwingend ins Rollen gekommenen Revolution. Jetzt sagt er nur noch: »Die sprachpolitischen Ereignisse der französischen Aufklärung […] lassen sich demnach, je nach Blickwinkel, sowohl als Aktion wie als Reaktion deuten«.79 Es bestehe nämlich eine »elastische Korrespondenz«80 zwischen den beiden Wandlungsprozessen. Seine stillschweigende Absage an frühere Vorstellungen wiederholte er 2001 – man könnte das fast als sein letztes Wort zum Thema ›Sprachkampf‹ bezeichnen  –, als er kurz und bündig feststellte: »Kurzum, die politisch-soziale Semantik ist ohne Sprechergruppen und Sprecherinteressen nicht erklärbar, aber sie läßt sich nicht zur Gänze aus den aktuellen und jeweiligen Sprecherkonstellationen ableiten«.81 Es gebe nämlich zwei Mechanismen für die begrifflichen Innovationen der Aufklärungssprache: die »gesteuerte Sprachtaktik« und jene »schleichende[n] Vorgänge, die zeitgenössisch nur partiell zum Bewußtsein kamen, und das oft nur zufällig«.82 Über das Verhältnis der beiden Mechanismen zueinander macht er jedoch keine Angaben. Dass Koselleck im Laufe der Jahre, d. h. im Zuge seiner fortgesetzten Beschäftigung mit Sprache und Begriffswandel, sein in der Dissertation vertretenes Konzept semantischer Kämpfe aufgab, ist offensichtlich und im Grunde nicht überraschend. Hatte er damals davon gesprochen, dass sich die von manichäischer Denkweise verursachte dualistische Weltsicht in gezielt vorgenommenen Bedeutungsverschiebungen oder Neuprägungen niederschlug, stellte er jetzt, 2001, beiläufig nur noch fest, man müsse »die ironischen Waffen- und Tarntechniken in Rechnung« stellen, »kraft derer die Aufklärer wirken mußten oder 77 »Der Fortschritt ist der modus vivendi der Kritik« (Koselleck 1959, 91). 78 Koselleck 1980, 304. 79 Ebd. 305. 80 Ebd. 81 Koselleck 2001, 315. 82 Ebd. 315 f.

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wollten«.83 Im selben Aufsatz und in anderen, nach der Jahrtausendwende entstandenen Texten entwickelte er nämlich seine Theorie vom besonderen semantischen Potential der sog. Grundbegriffe. Obwohl das von ihm erdachte Lexikon Geschichtliche Grundbegriffe von ihnen schon im Titel spricht, war der spezifische Charakter von ›Grundbegriff‹ unklar. In den den Autoren an die Hand gegebenen Richtlinien fiel der Terminus gar nicht. Es hieß dort lediglich, es »werden nur solche Begriffe analysiert, die den sozialen Umwandlungsprozeß im Gefolge der politischen und industriellen Revolution erfassen, bzw. selber von diesem Vorgang betroffen, umgewandelt, ausgestoßen oder provoziert werden«.84 In der Einleitung zum Lexikon findet sich dann bereits die Feststellung, es handle sich bei ihnen »um Leitbegriffe der geschichtlichen Bewegung«,85 die »zugleich als Faktoren und als Indikatoren« anzusehen sind.86 In seiner nicht mehr zu Ende gebrachten Einleitung zum Sammelband Begriffsgeschichten schrieb Koselleck nun aber: »Begriffe werden zu Grundbegriffen, sobald und wenn sie so zielgestimmt und aussagekräftig werden, daß sie für den allgemeinen Sprachgebrauch unverzichtbar werden. Dann erst setzt sofort der Kampf um die richtige Deutung ein. Gerade wegen ihrer Unersetzbarkeit werden die Grundbegriffe als solche strittig«.87 Deutungskämpfe sind also, jedenfalls bei Grundbegriffen, nicht willkürlich, sondern zwingend, weil es nämlich zu ihren Merkmalen gehöre, dass sie »geschichtliche Veränderungspotentiale« enthalten88  – eine deutlich andere, historisch elaboriertere Sicht als Carl Schmitts These von der grundsätzlichen Friedlosigkeit und unmittelbar daraus folgender Unmöglichkeit semantischen Friedens. Vor allem in der modernen Welt nähmen die »geschichtlichen Veränderungspotentiale«89 und also auch die Deutungskämpfe zu. Kosellecks in diesem Zusammenhang entworfene Typologie von Grundbegriffen weist den vormodernen Zeiten in allererster Linie »Erfahrungsregistraturbegriffe« zu.90 Seit dem 18. Jahrhundert gebe es dann aber zusätzlich und immer häufiger Begriffe, die, auf Erfahrungen aufbauend, neue Erfahrungen hervorrufen können – »Erfahrungsstiftungsbegriffe« –, und schließlich Begriffe ohne jede Erfahrung, d. h. »reine Erwartungsbegriffe«, wo83 Ebd. 319. 84 Koselleck 1967, 81. 85 Koselleck 1972c, XIII . 86 Ebd. XIV. 87 Koselleck 2006, 534. 88 Koselleck 2002, 100. 89 Ebd. 90 Koselleck 2001, 337. Koselleck erläutert seine wenig elegante Wortprägung: »Im wesentlichen sind die überkommenen politischen und theorieträchtigen Begriffe, sofern sie als Substantive überhaupt theoriefähig werden oder zu Kollektivsingularen gerinnen, rückblickende Begriffe. […] Das ist der erste Grundtyp, den es natürlich auch heute noch gibt. Aber nur bis ins 18. Jahrhundert hinein war er dominant« (ebd.).

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runter der bei Kant erstmals begegnende »Völkerbund« ebenso falle91 wie der in den 1840er Jahren geprägte moderne Sinn von »Kommunismus«.92 »Repräsentativ« für die nicht minder »innovationsträchtigen« Erfahrungsstiftungsbegriffe seien »die mit einem -ismus-Suffix versehenen« Termini.93 Der erste dieser Art sei der Anfang des 18. Jahrhunderts in Frankreich entstandene »Patriotismus«; ihm folgten »Kosmopolitismus«, »Republikanismus« und »Demokratismus« – alles »handlungsstimulierende Bewegungsbegriffe«, die frei von Erfahrung geprägt worden seien, um »die sich auflösende Ständegesellschaft unter neuen Zielsetzungen sozial und politisch neu zu formieren«.94 Ich breche an dieser Stelle ab und möchte, das Gesagte unter systematischen Gesichtspunkten zusammenfassend, am Ende fragen, ob Kosellecks Vorhaben für frühere Epochen Hilfe bietet. Er hatte, wie erinnerlich, sein Konzept semantischer Kämpfe entwickelt, um über die Aufklärung aufzuklären. Seinen »antimetaphysischen Affekt«, um nochmals Graf zu zitieren, hat Koselleck in der Folge offensichtlich auch auf sein eigenes Werk angewandt und so das ideologisch belastete Konzept versachlicht, d. h. in eine begriffshistorisch informierte Theorie geschichtlicher Zeiten eingebaut. Nur noch ganz am Rande ist von semantischen Kämpfen die Rede und vor allem stehen sie nicht mehr für sich, sondern sind eingebettet in die Eigenlogik einer Semantik des Sprachwandels. Diese ist rückgebunden erstens an den sozialen Wandel (erstmals 1967), zweitens an das Auseinandertreten von Erfahrungsraum und Erwartungshorizont (erstmals 1976) und drittens an die Funktion der Grundbegriffe (erstmals 1975, ausgebaut nach 2000). Das gleichsam abstrakte Ergebnis aller in den Geschichtlichen Grundbegriffen behandelten Begriffe, also bei deren Übergang in die von ihnen mitverursachte Moderne, besteht in »der Demokratisierung, der Politisierung, der Ideologisierung und der Verzeitlichung unserer Grundbegriffe«.95 Es sei abschließend daran erinnert, dass Koselleck nicht Begriffsgeschichte überhaupt erforschen wollte, sondern ihren Beitrag zur Entstehung der modernen Welt. Er hat deswegen 1962/63 spontan, wie er später immer betonte,96 den Begriff »Sattelzeit« geprägt, um das, was andere damals kulturkritisch als »Kulturschwelle« bezeichneten,97 auf jenen metaphorischen ›Bergsattel‹ zu heben, von dem aus man gleichermaßen auf Vormoderne und moderne Welt blicken konnte. Man sieht heute deutlicher als noch vor ein oder zwei Jahrzehnten, 91 92 93 94 95

Koselleck 1972d. Schieder 1982. Zum vormodernen, utopiefreien Sinn von »Kommunismus« ebd. 457 ff. Koselleck 2003, 68. Ähnlich schon Koselleck 1991, 91 f. Koselleck 1975b, 82. Koselleck 1972c, VI. Inwieweit diese vier Kriterien ein Erbe Schmitts sind, das zugleich, in Teilen zumindest, von Koselleck ausgeschlagen wird, diskutiert Mehring 2011, 167 f. 96 Koselleck 1998, 195. 97 Beispielsweise Gehlen 1957 und Freyer 1965.

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dass die primär von Reinhart Koselleck geprägten Geschichtlichen Grundbegriffe »gerade keinen übergreifenden, allgemeingültigen und methodisch übertragbaren Ansatz entwarfen, sondern ihre Einsichten dem konkreten historiographischen Ziel unterordneten, die Herausbildung der modernen politisch-sozialen Sprache im 18. und frühen 19. Jahrhundert zu beschreiben«.98 Wie gehen wir dann mit den Begriffen der Vormoderne um? Und welche Rolle haben dort Deutungskämpfe? Die Historisierung unseres Geschichtsbildes hat eine Distanz zwischen Antike und Moderne errichtet, die auch ein Theodor Mommsen oder ein Ronald Syme nicht ungestraft ausblenden konnten. Das gilt gerade auch für semantische Fragen. Verwiesen sei nur auf Kosellecks »Erfahrungsregistraturbegriffe«, die vor 1700 so gut wie konkurrenzlos gewesen seien, und auf seine Aussagen zu den asymmetrischen Gegenbegriffen der Antike. Beide zusammengenommen verschafften der Vormoderne eine spezifische Form semantischer Konflikthaftigkeit. Durch die Abwesenheit totalitärer Sprachfiguren scheint sie weniger radikal, Friedlichkeit jedenfalls sprachlich nicht von vornherein ausgeschlossen. Könnte es nicht sein, dass Koselleck, in der deutschen Bildungstradition verwurzelt wie wenige zu seiner Zeit, die mit dieser Tradition verknüpfte nostalgisch verklärte Sicht auf die Vergangenheit teilte? Diese Frage ist freilich mit der Begriffsgeschichte nicht zu beantworten.

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Christof Dipper

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Die Chance, eine Alternative zu formulieren, und die Chance, eine Alternative zu verwirklichen. Das Sagbare und das Machbare im republikanischen und augusteischen Rom

Christian Meiers Formel von der Krise ohne Alternative ist jedenfalls in Deutschland sicherlich die populärste Charakterisierung der Lage, in welche die römische Republik in den letzten Jahrzehnten ihres Bestehens geraten war. Gemeint ist damit zunächst einmal eine Krise des Gemeinwesens, d. h. ein verbreitetes Gefühl des Ungenügens bezüglich der Art, wie die res publica funktionierte, und ein Zutreiben dieser res publica auf eine Entscheidungssituation, in der entweder der Untergang oder die Restabilisierung erfolgen sollte.1 Mit dem Zusatz »ohne Alternative« faßt Christian Meier, daß auch die in der Politik aktiven Kreise und betroffene Gruppen und Individuen trotz der Defizitwahrnehmung keinen Weg sahen, wie man die Krise beenden könnte, und dies betrachtet er als eine Besonderheit der Krise der späten Republik.2 Meier und die Althistoriker generell, soweit sie dem Krisenmodell anhängen, sehen den Ausweg aus der Krise dann in der Etablierung der Monarchie durch Augustus.3 Daß auch die gesamte Kaiserzeit oder jedenfalls das erste Jahrhundert als Fortsetzung der Krise ohne Alternative aufgefaßt werden sollte, hat jetzt allerdings Aloys Winterling vorgeschlagen.4 Er sieht in dem offiziellen Fortbestehen der Republik, die »trotz ihres politischen Funktionsverlustes und trotz 1 C. Meier ²1980, XLIII–LIII; 149 f.; 201–205; 305 f. 2 C. Meier ²1980, XLV–LIII; 203–205; 299 f.; 302–306. Vgl. zu Meiers Konzept u. a. Rilinger 1982, 288–292; Bringmann 2002b, 113–118; Jehne 2006, 8 f.; Morstein-Marx – Rosenstein 2006, 627 f.; Bernett 2008, 161–179; Winterling 2008, 219–223; Jehne 2009, 148–150. 3 Vgl. u. a. C. Meier 1978, 41; C. Meier 1980; C. Meier 1990; Bringmann 2002a, 427–429; Bringmann 2003, 95 f.; Christ 52007, 463–465; Flaig 2011, 75–78. Zu Recht betonen Morstein-Marx – Rosenstein 2006, 635, daß es keineswegs alternativlos war, daß sich der augusteische Principat herausbildete, und zwar weder hinsichtlich der Entstehung einer monarchischen Herrschaft über das gesamte Reich, das sich auch in Machtgebiete von Warlords hätte auflösen können, noch hinsichtlich der spezifischen Gestalt dieser Monarchie, die ihr Augustus (zweifellos mit seinen Beratern) verlieh. 4 Winterling 2008, 230–236.

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des mittlerweile institutionalisierten Kaisertums weder ›reformierbar‹ noch umgehbar noch abschaffbar« gewesen sei,5 die Kontinuität der von Meier konzeptualisierten Krise ohne Alternative als autonomem Prozess, in dem das Handeln der Akteure keinen Einfluß auf die Entwicklungsrichtung dieses Prozesses mehr hatte.6 Die Kaiserzeit sei daher durch ein permanentes, latentes Konfliktpotential zwischen Kaiser und Senat gekennzeichnet,7 in dem sich der Antagonismus zwischen Monarchie und Republik ausdrückte. Aber obwohl es sicherlich richtig ist, daß es dieses Konfliktpotential gab, überzeugt mich die terminologische Identifizierung als Krise ohne Alternative nicht. Zum ersten gibt man damit einen Kernbestandteil des Krisenbegriffs, das Zutreiben auf eine Entscheidungssituation, auf und zieht die ›Krise‹ zur Bezeichnung jeder größeren Defizitwahrnehmung heran. Zum zweiten zeigt das selbstverständliche Weiterbestehen des augusteischen Principats unter seinen Nachfolgern, die alle auf unterschiedliche Weise gegenüber dem von Augustus vorgeprägten Anforderungsprofil eines Princeps versagten, die Stabilität des neuen politischen Systems, das sich trotz des Weiterbestehens republikanischer Organe und Ideologeme in wenigen Jahrzehnten fest und ungefährdet eingelagert hatte. Zum dritten schimmert hinter dieser Klassifizierung eine normative Sehnsucht nach Widerspruchsfreiheit hervor, die durch eine Lösung des strukturellen Konfliktes zwischen Kaiser und Senat hergestellt werden könnte und vielleicht sollte. Doch Widerspruchsfreiheit kann es in komplexeren politischen und sozialen Gebilden wohl nicht geben. Demgegenüber bietet das Institutionalitätskonzept einen besseren Beschreibungs- und Analyseansatz: Die Verstetigungen von Ordnungsmustern und Auf-Dauer-Stellungen gesellschaftlicher 5 Winterling 2008, 234. 6 Zum autonomen Prozess vgl. C.  Meier 1978, 27–56 (zur späten Republik als Beispiel 34–41); siehe auch Jehne 2009, 144–148. Winterling 2008, 221–223 hat drei Füllungen des Begriffs »Krise ohne Alternative« bei Meier unterschieden, von denen der autonome Prozess die dritte ist, die er als Meiers »zentrale neue Erkenntnis« (222) ansieht  – eine Auffassung, die ich in vollem Umfang teile. Füllung eins (das Fehlen einer neuen sozialen Schicht, die an die Macht drängt) und zwei (»das Fehlen einer Kraft, die von außen kommend das Ende der Krise hätte herbeiführen können« (221), worunter die auf persönliche Macht orientierten Einzelpersönlichkeiten zu verstehen sind) sind akteurszentriert. Die Variante eins stellt eigentlich eine überzogene Forderung an die römische Republik, die in der Kaiserzeit auch nicht erfüllt wird; hier schlägt sich wohl das in den 1960er Jahren bestehende Bedürfnis nieder, sich von einem modernen Revolutionsbegriff abzusetzen, der für den grundlegenden Umsturz eine neue Schicht oder Klasse erwartet, die bisher zurückgesetzt war und nun an die Macht will (vgl. auch Jehne 1987, 10 f.). Variante zwei dagegen hat durchaus etwas mit der Überwindung der Krise in Meiers Deutung zu tun, allerdings über die Nebenwirkungen des Handelns, so daß sie eng mit Variante drei verbunden ist. C. Meier 2008, 295 merkt durchaus zu recht an, daß es sich bei den Varianten »um drei Aspekte einer und derselben Sache handelt«. 7 Vgl. Winterling 2008, 234.

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Arrangements, die Institutionen suggerieren und dadurch leisten, bestehen ganz wesentlich in der Stabilisierung von Spannungszuständen, nicht aber in der Auflösung der Spannungen.8 Die Konfliktlage zwischen Kaiser und Senat läßt sich als solch ein Spannungszustand auffassen, der durch allerlei kommunikative Aktivitäten immer wieder entschärft, aber nie aus der Welt geschafft werden konnte und auch nicht mußte. Die konkrete Aktualisierung des Konflikt­ potentials läßt sich als Störung, die erneute Entschärfung als Beseitigung einer Störung auffassen, aber der Krisenbegriff ist zu vermeiden, da eben nicht der Untergang bevorsteht,9 und das die Störungen immer wieder hervorbringende Konfliktpotential hat daher auch nicht die Qualität, auf eine Entscheidung über Restabilisierung oder Untergang der monarchischen Ordnung zuzutreiben. Wenn also, wie Christian Meier festgestellt hat, von den Zeitgenossen gar keine Alternative zum Bestehenden gesehen wurde, obwohl der gegenwärtige Zustand allgemein für erheblich defizitärer gehalten wurde als der früherer Zeiten, dann heißt das genau genommen zunächst einmal, daß in den uns erhaltenen Quellen nichts über eine Alternative gesagt wird.10 Die Diagnose basiert auf einem Schluß e silentio. Daß unsere Texte nichts bieten, kann aber verschiedene Gründe haben. Es könnte tatsächlich keine Überlegungen dieser Art gegeben haben, aber es könnte auch für uns verloren sein, was es gegeben hat. Das könnte daran liegen, daß uns von Genres, in denen das Problem diskutiert wurde, wenig, von anderen, in denen es nicht diskutiert wurde, dagegen viel erhalten ist. Es könnten uns natürlich auch Autoren, die sich damit beschäftigt haben, nicht überliefert sein. Doch insgesamt ist es nicht sehr wahrscheinlich, daß Lösungsvorschläge zur grundlegenden Behebung der Defizite der res p­ ublica in unseren erhaltenen Quellen nicht angesprochen werden, wenn doch dort die Defizite diskutiert oder beklagt werden. Wenn also in unseren Quellen nichts diskutiert

8 Vgl. Rehberg 2001, 13–17. 9 Darauf hat mich Mischa Meier (Tübingen) aufmerksam gemacht, dem ich auch an dieser Stelle herzlich für eine kritische Lektüre eines ersten Entwurfes dieses Beitrags danken möchte. 10 Das bedeutet nicht, daß es nicht Überlegungen gab, wie man die res publica reformieren könne – man denke nur an Sallusts Briefe an Caesar und Ciceros Schrift über die Gesetze; zu den Reformvorschlägen vgl. etwa Lehmann 1980; Girardet 1983, bes. 227–235; Jehne 2003; Meyer 2006; Samotta 2009. Darüber hinaus gab es konkrete Reformanstrengungen, worunter die Reformen Sullas wohl den umfassendsten Ansatz darstellen; vgl. dazu Hantos 1988; Keaveney ²2005, 140–155. Siehe jetzt auch Flower 2010, 29; 117–134, die in der sullanischen Republik eine Alternative zur Krise sieht, doch ist sie auch der Ansicht, daß Sullas Republik zum Scheitern verurteilt war: »The content, style, and origins of Sulla’s New Republic were too revolutionary and too foreign to last in Rome, especially after they were imposed by a man who was not present to enforce them himself for any length of time« (134). Letztlich scheinen die Reformversuche eher die Krise verstärkt zu haben, vgl. C. Meier 1978, 38 f.

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wird, dann war entweder keine Idee da – so die Vermutung von Meier – oder sie war nicht offen diskutierbar. Falls die Idee einer Alternative aber vorhanden, jedoch nicht diskutierbar war, dann war sie entweder tabuisiert, d. h. nicht sagbar, oder sie war implizit, d. h. nicht klar bewußt. Da weithin anerkannt ist, daß die Monarchie des Augustus die Alternative darstellte, und da sich in den letzten Jahrzehnten der Republik klare Monarchisierungstrends abzeichnen – die Monarchie des Augustus fiel eben nicht vom Himmel –, ist ernsthaft zu fragen, ob denn die fehlende Alternative nur nicht sagbar, wohl aber machbar war. Die Differenzierung zwischen dem Sagbaren und dem Machbaren hat Willibald Steinmetz brillant eingesetzt in einer Untersuchung, in der er anhand englischer Wahlrechtsdebatten im 18. und 19. Jh. aufzeigt, wie die strukturelle Überforderung der Politik durch die Reden der Politiker verfestigt und gesteigert wird.11 Daran möchte ich hier anschließen, nur mit anderer Akzentsetzung. Zunächst einmal möchte ich klarstellen, daß es nicht um einen Gegensatz zwischen Sprechen und Handeln geht. Daß es einen solchen Gegensatz nur scheinbar gebe, ist richtig,12 wenn man auf das Wort ›Gegensatz‹ abhebt. Zweifellos kann man alles Sprechen als Handeln verstehen. Da es aber auch noch nicht-sprachliches Handeln gibt, hätte man Sprechen als echte Teilmenge des Handelns klassifiziert. Das hilft hier nicht viel weiter. Im politischen Zusammenhang kann man es mit einer Unterscheidung zwischen dem politischen Sprechen und dem politischen Machen – vielleicht könnte man auch sagen: dem politischen Entscheidungshandeln – versuchen, so schwammig der letztere Begriff zunächst einmal ist. Dann bekommt man in den Blick, was Steinmetz so hinreißend herausgearbeitet hat: daß es nämlich Schlagwörter und auch konkrete Inhalte gibt, die in einer bestimmten Zeit und Lage in politischen Kommunikationsräumen ausgesprochen werden können und manchmal geradezu müssen, ohne daß reale Umsetzungsmöglichkeiten bestehen, die als kausale Maßnahmen- und Folgeketten rational gesteuert werden könnten. Es gibt demnach – um in meinem Bild aus der elementaren Mengenlehre zu bleiben – eine Menge des Sagbaren, die über die Menge des Machbaren weit hinausgeht, so daß sie mit dem Machbaren nur eine begrenzte Schnittmenge teilt. Das Sagen wie das Machen bewegt sich, dies sei klar hervorgehoben, im Feld des Politischen, darauf kommt es mir hier an. Die komplementäre Vermutung, es könne nicht nur das Sagbare über das Machbare hinausgehen, sondern auch das Machbare über das Sagbare, hat für die späte Republik eine unmittelbare Anziehungskraft, da wir ja wissen, daß sich große Heerführer der Republik monarchische oder wenigstens quasi-monarchische Stellungen aufbauten: Sulla,

11 Steinmetz 1993. 12 Vgl. z. B. Mergel 2012, 5.

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Pompeius, Caesar, dann geht es in den wilden Triumviratszeiten weiter mit Antonius und Octavian, der schließlich die finale Auseinandersetzung für sich entscheidet und zum Friedenskaiser mutiert. Tatsächlich geht jetzt Mischa Meier bei seinem Versuch, die Monarchie Caesars nachzuvollziehen, von einer Differenzierung zwischen Diskurs und Handlungsrahmen aus.13 Prononciert aus der Kaiserzeit, in der die Monarchie selbstverständliche Gewißheit war, auf die Republik zurückblickend sieht Mischa Meier die Monarchie mit Caesar längst im Handeln verwirklicht, während der Diskurs noch völlig von der republikanischen Alternativlosigkeit zur althergebrachten Aristokratenrepublik beherrscht wird. A ­ ugustus sei es dann, der die große Leistung vollbracht habe, die beiden Elemente, Diskurs und Handlungsrahmen, wieder näher zusammenzubringen.14 Genug der Theorie und der Begriffserläuterung. Um nachzuvollziehen, wie sich die monarchische Alternative schon in der Republik abzeichnete und wie dabei der hegemoniale Diskurs der Republik in Ansätzen unterwühlt wurde, wende ich mich einem der bekanntesten Konflikte um das politische System der nachsullanischen Republik zu, von dem glücklicherweise wenigstens in Ansätzen überliefert ist, in welchen Diskursen er sich niederschlug: gemeint sind die Auseinandersetzungen um die Übertragung der großen Imperien auf Pompeius 67 und 66 v. Chr. Wie wir aus Ciceros Rede über den Antrag des Volkstribunen C. Manilius, Pompeius mit dem Krieg gegen Mithridates zu betrauen und ihm dazu außerordentliche Vollmachten zu verleihen, aus dem Jahre 66 wissen, hatten sich zwei der führenden Consulare der Zeit dazu bereit gefunden, den Widerstand einer durchaus beachtenswerten Gruppe von Senatoren zu be­gründen.15 Cicero überliefert uns eine Argumentation in drei Schritten, die er

13 M. Meier 2014, 10–13. 14 M. Meier 2014, 14 f.; 32–56. 15 Es läßt sich nicht abschätzen, wie viele Senatoren zögerten, Pompeius ein weiteres großes Kommando zu verleihen, aber ich glaube nicht, daß Catulus und Hortensius weitgehend isoliert waren, wie Steel 2001, 117 annimmt. Saylor Rodgers 2008, 299 f. verweist zu Recht auf Cic. Manil. 63: … praesertim cum iam suo iure populus Romanus in hoc homine suam auctoritatem vel contra omnis qui dissentiunt possit defendere, propterea quod isdem istis reclamantibus vos unum illum ex omnibus delegistis quem bello praedonum praeponeretis. (64) … Sin autem vos plus tum in re publica vidistis, vos per vosmet ipsos dignitatem huic imperio, salutem orbi terrarum, aliquando isti principes et sibi et ceteris populi Romani universi auctoritati parendum esse fateantur. In § 63 werden dezidiert Gegner des Seeräuberkommandos in der Mehrzahl genannt (isdem istis reclamantibus, vgl. auch § 56, u. Anm. 26), und darin wird man kaum nur zwei Personen sehen (vgl. auch Saylor Rodgers 2008, 300 Anm. 15 für einen Versuch, weitere wichtige Senatoren neben Catulus und Hortensius zu identifizieren). In § 56 wird für die Auseinandersetzung von 67 jedenfalls angemerkt, daß es neben Hortenius noch andere gab, die seiner Meinung waren (ceteros, vgl. Anm. 26), und vielleicht sind auch bei der lex Manilia mit den ceteris, denen Horten-

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nacheinander zu entkräften sucht. Zunächst berichtet er von einer Intervention des Q. Hortensius, des Consuls von 69, der gesagt habe, Pompeius sei durchaus der Würdigste, wenn man alles einem einzigen zuerkennen müsse, allein man dürfe nicht alles an einen geben.16 Nach der sehr ausführlichen Widerlegung referiert Cicero, daß Q. Lutatius Catulus, der Consul von 78 v. Chr., das versammelte Volk, das dem Antrag des Manilius sehr positiv gegenüberstand, gefragt habe, in wen es denn, wenn es alles einzig auf Pompeius abstelle, seine Hoffnung setzen wolle, falls Pompeius etwas geschehe.17 Schließlich sagte Catulus – nach Cicero – schlicht und ergreifend, es dürfe nicht Neues geschaffen werden gegen die exempla und instituta der Vorfahren.18 Gegen diese Feststellung wendet sich Cicero dann noch einmal in einer zweistufigen Entgegnung. Zweifellos wäre es naiv zu glauben, daß Cicero die Äußerungen seiner Gegner ohne einige Verfremdungen in Form von Auslassungen und Kontextverschiebungen zusammengefaßt haben könnte.19 Doch konnte er ihre öffentlich gemachten Aussagen nicht völlig entstellen, denn schließlich wollte er noch Consul werden, so daß es unklug gewesen wäre, einflußreiche Consulare allzu

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sius und Catulus eingestehen sollen, daß sie dem Volk zu folgen haben (§ 64, s. o.) eine Reihe von Unterstützern gemeint. Vgl. außerdem die Überlegung von Yakobson 2010, 288 gegen die Einschätzung, Hortensius und Catulus seien weitgehend auf sich gestellt gewesen: in diesem Falle sei es überaus merkwürdig, daß Cicero sie nicht als eine verbohrte Minderheit im Senat charakterisiere. Yakobson schließt daher vorsichtig: »Perhaps the senatorial opposition was known to be much wider…«. – Es dürfte auch unzutreffend sein, daß Caesar bei der Debatte um die lex Gabinia 67 der einzige bedeutendere Senator war, der für das Gesetz sprach (was oft aus Plut. Pomp. 25,7 f. herausgelesen wird, vgl. noch Goldsworthy 2006, 125). Das von O. D. Watkins 1987 verbesserte Textverständnis, wonach Plutarch schreibt, daß Caesar der einzige bedeutendere Senator war, der sich für die lex Gabinia aktiv einsetzte, läßt noch weitere senatorische Unterstützer zu, aber selbst so erscheint Plutarchs Bemerkung immer noch dubios, schon weil Caesar 67 noch kein bedeutender Senator war (so zu Recht Watkins 120). Cic. Manil. 52: Si uni omnia tribuenda sint, dignissimum esse Pompeium, sed ad unum tamen omnia deferri non oportere. Cicero nennt nur Hortensius als Gegner schon der lex Gabinia über das imperium gegen die Seeräuber (s. u. Anm. 24), aber oft wird auch Catulus zu den aktiven Opponenten gezählt aufgrund von Vell. 2,32,1, Plut. Pomp. 25,10 f. und Dio 36,30,4–36,4. Saylor Rodgers 2008, 297–306 hat in sorgfältiger Interpretation herausgearbeitet, daß in der von Dio komponierten Rede des Catulus die Auseinandersetzungen um die lex Gabinia mit denen um die lex Manilia vermischt werden. Daher lasse sich nicht beweisen, daß Catulus schon gegen dieses Kommando des Pompeius von 67 sprach und nicht erst gegen das von 66. Doch wird das Argument, es sei nicht alles an einen zu geben, weiterhin auf die lex Gabinia bezogen, etwa von Vervaet 2012, 128 Anm. 13. Cic. Manil. 59 (s. u. Anm. 27). Cic. Manil. 60: At enim ne quid novi fiat contra exempla atque instituta maiorum. Ein ähnliches Argument scheint der jüngere Cato vorgebracht zu haben, als Caesar Anfang 59 sein Ansiedlungsgesetz im Senat präsentierte, vgl. Dio 38,2,3. Vgl. Steel 2001, 122 m. Anm. 24.

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sehr zu verärgern.20 Daher können wir fest davon ausgehen, daß Grundstruktur und Hauptinhalt der referierten Argumente nicht falsch sind. Hortensius und Catulus bieten uns den hegemonialen republikanischen Diskurs, der in der Tat keine Systemalternative kennt. Die Reihenfolge der Argumente dürfte wohl chronologisch sein, denn sie bauen aufeinander auf, auch wenn es aus moderner Perspektive eher danach aussieht, daß die Argumente immer schwächer werden. Hortensius argumentiert strukturell, Catulus zunächst strukturell und personell und anschließend traditionell. In unserem modernen politischen Diskurs wäre die strukturelle Ebene sicher das angemessene Diskussionsniveau, während die traditionelle nicht in Frage käme. Das Gewicht der Argumente dürfte bei den Römern umgekehrt verteilt gewesen sein. Hortensius kritisiert deutlich, was in modernen Analysen der Defizite der späten Republik immer wieder als wesentliche Niedergangserscheinung namhaft gemacht wird: die Vergabe zu weitreichender Kompetenzen an eine Einzelpersönlichkeit, hier konkret an Pompeius.21 Es darf eben nicht alles einem gegeben werden, weil dann das politische System der Republik, die res publica mit ihren aristokratisch-oligarchischen Regeln der Begrenzung von Vollmachten und damit Machtbildungschancen in Zeit und Umfang, zum Erliegen kommen könnte, was auch die libertas des populus einschränken würde. Die monarchische Alternative, daß eben einer alles wesentliche im Gemeinwesen in Händen hält, wird also von Hortensius klar gesehen, unmißverständlich artikuliert und offenbar mit einer gewissen Evidenzunterstellung abgelehnt, da er es nicht für nötig zu halten scheint zu begründen, warum einem einzelnen nicht so umfassende Kompetenzen übertragen werden dürfen.22 Daß jedenfalls die Monarchie nicht zum Kreis des Sagbaren im öffentlichen Diskurs gehörte, zeigt Ciceros Erwiderung: diese Rede, wie sie Hortensius führe, sei schon obsolet geworden, sie sei viel mehr durch die Sache als durch Worte widerlegt.23 Denn Hortensius habe sich im Senat wie vor dem Volk ausführlich gegen den Antrag des Gabinius 67, einen einzigen Kommandeur mit einem großen Seeräuberkommando zu betrauen, geäußert; wenn damals die auctori­ tas des Hortensius beim römischen Volk mehr wert gewesen wäre als die salus 20 Für die Interessen Ciceros siehe auch schon Jehne 2013a, 56. Ciceros Spielraum war in der tatsächlich gehaltenen Rede ohnehin gering, weil er wahrscheinlich direkt antworten mußte, aber auch die veröffentlichte Version dürfte sich nicht sehr weit von der gesprochenen entfernt haben, vgl. dazu die Überlegungen von Kierdorf 1999, 10 f. 21 Vgl. u. a. Dahlheim 1977, 289 f.; C. Meier ²1980, 160 f.; Baltrusch 2002, 253 f.; 262; Christ 5 2007, 254 f.; Wendt 2008, 16–20; Flower 2010, 143 f. 22 Allerdings basieren unsere Kenntnisse nur auf dem Referat Ciceros, der hier Erläuterungen und Relativierungen des Hortensius beiseite gelassen haben könnte. 23 Cic. Manil. 52 (im Anschluß an das Argument des Hortensius, o. Anm. 16): Obsolevit iam ista oratio re multo magis quam verbis refutata.

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und die vera causa ebendieses populus Romanus, wären die Römer dann heute noch im Besitz dieses Ruhmes und dieser Herrschaft über den Erdkreis?24 Es folgen dann noch Ausführungen über die deplorable Situation des Mittelmeerraumes infolge der Seeräuberplage und die Verpflichtung der Römer, dagegen etwas zu unternehmen,25 und das Resümee, daß das römische Volk hinsichtlich des Gemeinwohls lieber aus dem eigenen Schmerz (hervorgerufen durch eine Kränkung) die Konsequenzen zog als der auctoritas des Hortensius und seiner Gesinnungsgenossen zu folgen, woraufhin man endlich von Not und Schande befreit sei und wieder sehe, wie man allen Völkern und Stämmen zu Lande und zur See gebiete.26 Cicero setzt also gegen das Systembedrohungsargument des Hortensius den konkreten Erfolg in der Problemlösung, d. h. er argumentiert auf einer anderen Ebene. Eine offensive Gegenrede auf derselben Ebene, daß nämlich sehr wohl alles einem gegeben werden könne, wenn dadurch die anstehende Aufgabe schnell und gut bewältigt werde, hätte wohl den Bereich des Sagbaren verlassen, da sich die Monarchie 66 nicht offen propagieren ließ, und auch ein Versuch, die Befristung des außerordentlichen Kommandos stark zu machen und so die Bedenken des Hortensius für unangemessen zu erklären, hätte das Zugeständnis impliziert, daß Hortensius im Prinzip recht hatte, und in die unangenehme Diskussionslage hineingeführt, wie viele kleine Monarchien die Republik ertragen und überstehen könne. Also beläßt es Cicero beim Verweis auf das schnelle Erreichen des Zieles, ohne auf das Problem der Systemgefährdung einzugehen. Dem semantischen Kampf um die Bedeutung der Begriffe salus communis, res publica, libertas, usw. wird also ausgewichen, und ebenso der damit verbundenen Kernfrage nach der Hierarchisierung von Zielen. Das erste Argument des Catulus, mit dem er sicherlich die Meinungsäußerung des Hortensius unterstützen wollte, betrifft die strukturelle Schwäche der Monarchie: was ist, wenn der eine Mann, von dem man alles erwartet, plötzlich

24 Cic. Manil. 52 f.: Nam tu idem, Q.  Hortensi, multa pro tua summa copia ac singulari ­facultate dicendi et in senatu contra virum fortem, A. Gabinium, graviter ornateque dixisti, cum is de uno imperatore contra praedones constituendo legem promulgasset, et ex hoc ipso loco permulta item contra eam legem verba fecisti. Quid? tum, per deos immortalis! si plus apud populum Romanum auctoritas tua quam ipsius populi Romani salus et vera causa valuisset, hodie hanc gloriam atque hoc orbis terrae imperium teneremus? 25 Cic. Manil. 53–55. 26 Cic. Manil. 56: Bono te animo tum, Q. Hortensi, populus Romanus et ceteros qui erant in eadem sententia, dicere existimavit et ea quae sentiebatis; sed tamen in salute communi idem populus Romanus dolori suo maluit quam auctoritati vestrae obtemperare. Itaque una lex, unus vir, unus annus non modo nos illa miseria ac turpitudine liberavit sed etiam effecit ut aliquando vere videremini omnibus gentibus ac nationibus terra marique imperare.

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ausfällt? Hierauf reagierte das Volk – so berichtet uns Cicero – mit der Schmeichelei, dann habe man ja noch Catulus.27 Dies ist tatsächlich ein gelungener Konter, hebt er doch darauf ab, daß man ja gar nicht in Pompeius allein noch Hoffnungen setze, sondern auch in andere große Männer der Führungsschicht. Aber erst in der Entgegnung auf das zweite Argument des Catulus holt Cicero wieder weiter aus und wird ein wenig grundsätzlicher. Catulus hatte ja eine Abweichung von den exempla und instituta maiorum generell abgelehnt.28 Damit bewegte er sich auf einer traditionell republikanischen Linie.29 Da die res publica auf den weisen Einrichtungen der Vorfahren basierte und durch deren positive Verhaltensbeispiele geschaffen und gefestigt worden war,30 ging es hier um die Erhaltung der res publica in ihrer bewährten Form. Vom modernen Standpunkt aus, der durch den Diskurs von der permanenten Verbesserung des Bestehenden durch Innovation dominiert ist, wirkt Catulus’ Äußerung bläßlich oder sogar lächerlich, aber im römisch-republikanischen Diskurs war sie das keineswegs. Die normale Reaktion auf eine solche Feststellung eines führenden Senators dürfte eher in Zustimmung bestanden haben als in einer Diagnose von Hilf- und Mutlosigkeit, der sich heutzutage ein Politiker ausgesetzt sähe. In der Gegenwart ist ein ganz generell gehaltener Verweis auf die positive Situation der Vergangenheit und eine daraus abgeleitete, ebenfalls ganz generelle Veränderungsverweigerung im politischen Diskurs nicht sagbar, im spätrepublikanischen Rom war das dagegen nicht nur sagbar, sondern geradezu erwartbar. Cicero setzt in Form einer praeteritio dagegen, er wolle an dieser Stelle gar nicht davon sprechen, daß die Vorfahren im Frieden der Gewohnheit, im Krieg aber der Nützlichkeit gefolgt seien und stets an die neuen Zeitumstände die Kalkulation neuer Planungen und Vorschläge angepaßt hätten.31 Weiter im Gestus 27 Cic. Manil. 59: Reliquum est ut de Q. Catuli auctoritate et sententia dicendum esse videatur. Qui cum ex vobis quaereret, si in uno Cn. Pompeio omnia poneretis, si quid eo factum esset, in quo spem essetis habituri, cepit magnum suae virtutis fructum ac dignitatis, cum omnes una prope voce in eo ipso vos spem habituros esse dixistis. Das Argument des Catulus wird bei Vell. 2,32,1 f., Plut. Pomp. 25,10 f. und Dio 36,36a (aus Xiphilinos) mit dem Seeräuberimperium von 67 verknüpft, vgl. dagegen jedoch Saylor Rodgers 2008, 304 f. u. o. Anm. 16. Alle Quellen für die Anekdote, daß das versammelte Volk Catulus zum Ersatzmann für Pompeius kürte (vgl. noch Sall. hist. Fr. 5,24 M.; Val.Max. 8,15,9), analysiert Saylor Rodgers 2008, 300–306. 28 Cic. Manil. 60 (s. o. Anm. 18). 29 Vgl auch Jehne 2013b, 39 f. 30 Vgl. etwa Cic. rep. 1,70; 2,2. 31 Cic. Manil. 60: Non dicam hoc loco maiores nostros semper in pace consuetudini, in bello utilitati paruisse, semper ad novos casus temporum novorum consiliorum rationes accomo­ dasse, … In dieselbe Richtung geht Cic. Phil. 11,27: Necesse est enim in tanta conversione et perturbatione omnium rerum temporibus potius parere quam moribus (Cicero bezieht sich hier auf das eigentlich illegale Vorgehen der Caesarmörder im Osten des Reiches Ende 44/ Anfang 43, die angesprochenen Zeiten sind also Zeiten des Bürgerkriegs).

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der praeteritio führt Cicero Gegenbeispiele an, die belegen sollen, daß das große Kommando für Pompeius überhaupt keine Neuerung darstellt und zudem auch schon früher große Männer wie die Scipionen und Marius mehrere große Unternehmungen für Rom erfolgreich durchgeführt haben.32 Aus der praeteritio tritt Cicero erst heraus, als es um die Aufzählung der Neuerungen geht, die man dem Pompeius im Laufe seiner ganz ungewöhnlichen Karriere schon zugestanden hat, mit Unterstützung des Catulus und anderer vornehmer Leute.33 Stets sei das Volk diesen Empfehlungen gefolgt, nun aber sei es beschämend, daß das Urteil des Volkes über Pompeius von den Vornehmen nicht akzeptiert werde, wo doch das Volk mit seiner gegen deren Widerstand durchgesetzten Übertragung des Seeräuberkrieges auf Pompeius unter Beweis gestellt habe, wie gut es für die res publica sorge.34 Die ganze volksfreundliche Rhetorik und ihre Baumuster lasse ich hier einmal beiseite.35 Wesentlich sind im vorliegenden Zusammenhang zwei Elemente des Diskurses. Zunächst hebt Cicero die Abänderung des mos maiorum als gängige Praxis hervor, der Rom sein Weltreich wesentlich verdanke. Cicero führt also in den Kernbereich des römischen Traditionsdiskurses die Innovation

32 Cic. Manil. 60: non dicam duo bella maxima, Punicum atque Hispaniense, ab uno impe­ ratore esse confecta duasque urbis potentissimas quae huic imperio maxime minitabantur, Carthaginem atque Numantiam, ab eodem Scipione esse deletas, non commemorabo nu­ per ita vobis patribusque vestris esse visum ut in uno C. Mario spes imperi poneretur, ut idem cum Iugurtha, idem cum Cimbris, idem cum Teutonis bellum administraret. Cicero bemüht hier drei Beispiele, Scipio Africanus maior, Scipio Aemilianus und Marius. Bei allen dreien hebt er hervor, daß ihnen zwei große Kriege anvertraut worden seien, die sie erfolgreich zum Ende geführt hätten. Diese Fokussierung auf zwei große Unternehmungen deutet darauf hin, daß ein Kernargument gegen die Übertragung des MithridatesKrieges an Pompeius darin lag, daß man nicht nach dem Seeräuberkrieg den nächsten großen Krieg an denselben Kommandeur vergeben wollte. 33 Cic. Manil. 61–63. 34 Cic. Manil. 63 f.: Atque haec tot exempla tanta ac tam nova profecta sunt in eodem ho­ mine a Q. Catuli atque a ceterorum eiusdem dignitatis amplissimorum hominum auctori­ tate. Qua re videant ne sit periniquum et non ferendum illorum auctoritatem de Cn. Pompei dignitate a vobis comprobatam semper esse, vestrum ab illis de eodem homine iudicium populique Romani auctoritatem improbari, praesertim cum iam suo iure populus Roma­ nus in hoc homine suam auctoritatem vel contra omnis qui dissentiunt possit defendere, propterea quod isdem istis reclamantibus vos unum illum ex omnibus delegistis quem bello praedonum praeponeretis. (64) Hoc si vos temere fecistis et rei publicae parum consuluistis, recte isti studia vestra suis consiliis regere conantur. Sin autem vos plus tum in re publica vidistis, vos eis repugnantibus per vosmet ipsos dignitatem huic imperio, salutem orbi ter­ rarum attulistis, aliquando isti principes et sibi et ceteris populi Romani universi auctoritati parendum esse fateantur. 35 Vgl. dazu allgemein vor allem Morstein-Marx 2004; siehe auch Jehne 2013a; MorsteinMarx 2013, 44 f.

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ein, was entweder schon sagbar war oder jetzt sagbar wurde.36 Ob Cicero damit nur individuellen Devianzspielraum dehnte oder sich aus dem Kernbereich auf generelle Außenbezirke des Sagbaren zubewegte, ist nicht zu entscheiden. Doch wichtig ist die Einschränkung: diese Innovationsbereitschaft schon der Vorfahren konstatiert Cicero nur für den Krieg, nicht aber für den Friedenszustand, und damit knüpft er sie in gewisser Weise an den Notstand.37 Diese Diskursstruktur scheint mir wichtig zu sein, sowohl für die Argumentation der Pompeiusgegner als auch später für die Verhaltensweisen des Augustus.38 Das andere wesentliche Element des Diskurses liegt in der Melange aus unterschiedlichen Lagebeurteilungen und unterschiedlichen Hierarchisierungen widerstreitender Ziele verborgen, doch läßt sich dieses Element bei genauerer Analyse schnell zum Vorschein bringen. Cicero behauptete, die Vorfahren hätten sich im Krieg stets flexibel gezeigt und seien nur im Frieden treu dem mos maiorum gefolgt. Dies illustriert er vor allem mit den zahlreichen Neuerungen, welche die Karriere des großen Pompeius durchzogen.39 Damit knüpft er an 36 Vgl. v.Ungern-Sternberg  – v.Müller 2004, 68 und Braun 2002, 125–127, der feststellt, daß mit der diskursiven Offenlegung der Veränderbarkeit des mos maiorum dessen Auflösung als Orientierungsgröße verbunden ist. In der hier verwendeten Terminologie könnte man den Sachverhalt so fassen: Die Abweichung vom mos maiorum war machbar, aber nicht sagbar. Cicero dagegen machte sie sagbar. Kirov 2010, 319 f. hat sich diese Passage entgehen lassen und Cicero nur mit Stellen zitiert, in denen das Neue als solches schon negativ charakterisiert wird. Lintott 1999, 4 f. verweist auf die Claudiusrede zur Aufnahme von Galliern in den Senat in der erhaltenen Inschrift (ILS 212, I 2–7) und bei Tacitus (ann. 11,24) sowie auf Tac. ann. 12,6,2 f. als Belege für die klare Erkenntnis, daß zum mos maiorum auch die Veränderung gehörte, aber dies ist natürlich erheblich später als die Cicero-Rede von 66 v. Chr., so daß es mir nach wie vor unwahrscheinlich zu sein scheint, daß Ciceros Differenzierung des Umgangs mit dem mos maiorum in Kriegs- und in Friedenszeiten im Jahre 66 gängig war. 37 Vgl. Jehne 2012a, 65 f.; Jehne 2012b, 34 f. Diese fundamentale Differenzierung Ciceros wird nicht berücksichtigt von Lintott 1999, 5; Braun 2002, 126; Hurlet 2010, 128 und van der Blom 2010, 81. Brennan 2004, 35 dehnt die Differenzierung Ciceros zu einem Beleg für die Erkenntnis, daß nicht nur der Krieg, sondern schon die ständig veränderten Kommandoformen und überhaupt die Anforderungen des Reiches Veränderungsbereitschaft erforderten  – doch scheinen mir die neuen Zeitumstände und consilia im Text eng an den Primat der Nützlichkeit im Kriege angeschossen (s. o. Anm. 31). Koehn 2010, 197 f. bezieht die ciceronische Unterscheidung auf die neu entstandene Notwendigkeit, in einem großen Krieg, in den mehrere Provinzstatthalter involviert waren, einen Oberkommandierenden zu installieren, was für Pompeius 67 und 66 durch ein imperium maius geregelt worden sei. Doch da Cicero im Anschluß an seine Bemerkung über die römische Offenheit für neue Lösungen im Kriegsfall als Beispiele Kommandeure anführt, die zwei große Kriege für Rom geführt und gewonnen hatten (s. o. Anm. 32), geht es offensichtlich primär um die Parallele, daß Pompeius 67 und 66 ebenfalls zwei große Kommanden erhielt, und nicht um die Frage der territorialen Ausdehnung seines Befehlsbereichs. 38 Vgl. für Vermutungen über die Folgerungen, die Augustus zog, schon Jehne 2012a, 66–68; Jehne 2012b, 35–37. 39 Cic. Manil. 60–64.

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seine Problembeschreibungen in der gesamten Rede an, die einen alarmistischen Grundton enthalten und immer wieder die bedrohliche Lage, die Größe des Krieges und die Notwendigkeit sofortigen, energischen Handelns beschwören.40 Doch gerade diese Einschätzung der Situation im Osten des römischen Reiches scheinen nicht alle seine Standesgenossen geteilt zu haben. Die Argumente von Hortensius und Catulus zeigen in aller Deutlichkeit, daß sie sich nicht im Notstand fühlten, daß sie nicht glaubten, daß Rom sich in einer schweren Krise befand, in der nur der Rückgriff auf Pompeius – über den ja auch Hortensius sagte, daß er am geeignetsten sei41 – die salus communis, das Gemeinwohl, erhalten bzw. wiederherstellen könne.42 Wenn man aber nur einen Krieg wie viele andere an der Peripherie zu führen hatte, dann griff eigentlich auch Ciceros Notstands­ argument nicht mehr so ganz. Jedenfalls verlangten die Gegner des neuen Kommandos für Pompeius schlicht, man möge sich an die normalen Regeln halten. Doch nicht nur die Lagebeurteilungen scheinen sich unterschieden zu haben, sondern der Konflikt basierte auch auf einer unterschiedlichen Gewichtung der politischen Ziele. Cicero betont in seiner dramatisierenden Darstellung ja nicht nur die Gefahren für das römische Reich, die von Mithridates ausgehen, sondern auch die schreckliche Lage der Provinzbewohner und vor allem der römischen Investoren, zu deren Schutz der Staat verpflichtet sei,43 und er legt weiter dar, daß die Effizienz des Pompeius bei der Behebung des Seeräuberproblems beweise, daß man ihn nun auch mit der neuen Aufgabe zu betrauen habe.44 Damit geht er selbstverständlich davon aus, daß die römische res publica als Beherrscherin des Mittelmeerraumes hier Aufgaben zu erfüllen habe und daß dies möglichst effizient zu geschehen habe.45 Dagegen sehen Hortensius und Catulus vor allem die Normabweichungen und die Gefährdungen der res publica durch die weitere Heraushebung des Pompeius, d. h. sie halten die Begleiterscheinung des großen Kommandos, nämlich die Machtsteigerung des Kommandeurs, für wichtiger als den Hauptzweck, nämlich die Beseitigung des kleinasiatischen Krisenherdes und eines unbotmäßigen Königs. Steuerungstechnisch könnte man so formulieren: Hortensius, Catulus und ihre Unterstützer schauen auf die Nebenwirkungen, Cicero und seine Unterstützer auf die Hauptwirkungen des großen Kommandos. Der diskursive und praktische Konflikt offenbart eine unterschiedliche Hierarchisierung der Ziele. Gleichzeitig wird erkennbar: C ­ iceros Ausführungen gegen die Einlassungen von Hortensius und Catulus gehen am 40 Vgl. Cic. Manil. 4–6; 16–19; 22–27. 41 Cic. Manil. 52 (s. o. Anm. 16). 42 Die salus communis findet sich als Ziel in Cic. Manil. 48 (s. u. Anm. 48); 56. Vgl. für ­Ciceros Gemeinsinnsbehauptung Cic. Manil. 72, dazu Jehne 2013a, 62. 43 Cic. Manil. 16–19. 44 Cic. Manil. 52 f. 45 Vgl. auch Cic. Manil. 63 f.

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Kern ihrer Argumentation völlig vorbei. Die differente Prioritätensetzung hat Christian Meier in Bezug auf Caesar schon bestens auf den Punkt gebracht: »Caesar ging es wie Pompeius um die Aufgaben des Gemeinwesens, den Anderen um das Gemeinwesen selbst«.46 Daß der Cicero der Rede für das Gesetz des Manilius auf dieser Seite von Caesar und Pompeius zu verorten ist, dürfte dem Cicero der Zeit der caesarischen Herrschaft peinlich gewesen sein – falls er sich das jemals vor Augen führte, was eher nicht anzunehmen ist.47 Ist das ein semantischer Kampf oder was spielt sich hier ab? Um welche Begriffe geht es eigentlich? Bei Cicero tritt das recht klar hervor: es geht um das Gemeinwohl. Es ist die salus communis, die er durch das Kommando des Pompeius gefördert sieht.48 In den von Cicero nur sehr kurz wiedergegebenen Äußerungen seiner Gegner ist von salus nicht die Rede, aber man kann davon ausgehen, daß auch sie für sich in Anspruch nahmen, mit ihren Empfehlungen das Gemeinwohl im Auge zu haben. Es handelt sich wohl um einen typischen Gemeinwohlkonflikt, der eben nicht darin besteht, daß die Orientierung auf das Gemeinwohl als solche strittig ist, sondern darin, daß Uneinigkeit besteht, wo das Gemeinwohl im konkreten Fall liegt und wie es zu fördern ist.49 Und hierbei taten sich Alternativen in der Prioritätensetzung auf. Sagbar waren beide Alternativen, aber sagbar war nicht, was man dafür in Kauf nahm. Hortensius konnte nicht sagen, daß es unerheblich sei, ob der Krieg gegen Mithridates von Feldherrn, wie man sie mit M’. Acilius Glabrio und Q.  Marcius Rex entsandt 46 C. Meier 1982, 530. Überhaupt ist Meiers Analyse des Niedergangs der Republik stark von der Grundauffassung getragen, daß ein politisches System Aufgaben zu erfüllen habe, andernfalls es seinen Rückhalt einbüße, vgl. etwa C. Meier ²1980, XXXI; XLI; 148–151. Siehe dazu auch Flaig 2011, 69 f. 47 Cicero scheint aber dem Aufgabendiskurs insgesamt eng verbunden gewesen zu sein. Auch als er Caesar 46 v. Chr. darauf verpflichten wollte, die res publica wiederherzustellen, charakterisierte er das als letzte große Aufgabe, die Caesar noch zu erfüllen habe, Cic. Marc. 27: hic restat actus, in hoc elaborandum est ut rem publicam constituas, eaque tu in primis summa tranquillitate et otio perfruare: tum te, si voles, cum et patriae quod debes solveris et naturam ipsam expleveris satietate vivendi, satis diu vixisse dicito. An diese Aufgabenerfüllung knüpfte Cicero in diesem Fall den ewigen Ruhm, ebd. 26: Quod si rerum tuarum immortalium, C. Caesar, hic exitus futurus fuit ut devictis adversariis rem publicam in eo statu relinqueres in quo nunc est, vide, quaeso, ne tua divina virtus admira­ tionis plus sit habitura quam gloriae; si quidem gloria est inlustris et pervagata magnorum vel in suos civis vel in patriam vel in omne genus hominum fama meritorum. 48 Vgl. Cic. Manil. 48: Itaque sum praedicaturus quantas ille res domi militiae, terra marique quantaque felicitate gesserit, ut eius semper voluntatibus non modo cives adsenserint, socii obtemperarint, hostes oboedierint, sed etiam venti tempestatesque obsecundarint; hoc brevissime dicam, neminem umquam tam impudentem fuisse qui ab dis immortalibus tot et tantas res tacitus auderet optare quot et quantas di immortales ad Cn. Pompeium detulerunt. Quod ut illi proprium ac perpetuum sit, Quirites, cum communis salutis atque imperi tum ipsius hominis causa, sicuti facitis, et velle et optare debetis. Siehe auch 56. 49 Vgl. dazu auch Jehne – Lundgreen 2013, 12–16.

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hatte, vielleicht ewig verschleppt wurde und wieviele Opfer das kosten würde,50 und Cicero konnte nicht sagen, daß es ihm gleichgültig sei, ob das erneute Kommando des Pompeius die Machtverhältnisse in Rom weiter zugunsten eines einzelnen verschob und die res publica damit grundlegend deformiert werden würde. In einem Prioritätenkonflikt hinsichtlich unstrittig positiv besetzter Ziele werden die Nebenfolgen der Entscheidung für das eine Ziel von den Befürwortern dieser Priorisierung ignoriert, minimiert oder geleugnet, von den Gegnern dagegen in den dunkelsten Farben gemalt. Hinter dem Gemeinwohl steht das Gemeinwesen, die res publica. Das Handeln rei publicae causa bedeutete den Erhalt und die Steigerung des Gemeinwohls.51 Hortensius und Catulus wiesen darauf hin, daß zur Bewahrung der res publica gewisse Regeln einzuhalten waren, worunter die Verteilung von Machtbildungschancen auf mehrere unbedingt gehörte. Aber die res publica sah Cicero in diesem Falle nicht bedroht, während er es im Jahre 60 sogar für möglich hielt, daß sie bald verloren sein könnte, also nicht mehr existent.52 Dagegen behauptete Caesar später, sie sei nur ein Name ohne Körper und Gestalt.53 Und Augustus sah sie vielleicht als restituiert an – auch wenn die Menge der Belege für diese Formulierung in keinem Verhältnis steht zu ihrer Popularität in der modernen Forschung.54 Das Prosperieren der res publica als Ziel politischen Handelns wird also universell in Anspruch genommen. Das angesteuerte Gemeinwohl ist aber ein Containerbegriff, der mit sehr unterschiedlichen Inhalten gefüllt werden konnte. Den auf das Gemeinwohl ausgerichteten Gemeinsinn konnten denn auch beide Seiten in der Debatte um die Kommanden des Pompeius problemlos für sich 50 Glabrio wurde von Cicero in einer eher beiläufigen Bemerkung abqualifiziert, Cic. Manil. 5: huic [i. e. Lucullus] qui successerit, non satis esse paratum ad tantum bellum admini­ strandum. Für einen Versuch zur Ehrenrettung des Glabrio vgl. Williams 1984. 51 Ein schönes Beispiel liefert die Begründung für das Privileg des Pompeius von 55, als ihm gestattet wurde, seine beiden spanischen Provinzen in Abwesenheit über Legaten zu verwalten, damit er weiter von Italien aus die Getreideversorgung koordinieren konnte. Caesar formuliert folgendermaßen, b.G. 6,1,2: … quoniam ipse [i. e. Pompeius] ad urbem cum imperio rei publicae causa remaneret, …. Die hinreichende Belieferung Roms mit Getreide ist hier offenbar Staatsaufgabe und Teil des Gemeinwohls. 52 Cic. Att. 1,18,6: sed interea πολιτικὸς ἀνὴρ οὐδ᾽ ὄναρ quisquam inveniri potest; qui poterat, familiaris noster (sic est enim; volo te hoc scire), Pompeius togulam illam pictam silentio tu­ etur suam. Crassus verbum nullum contra gratiam. ceteros iam nosti; qui ita sunt stulti, ut amissa re publica piscinas suas fore salvas sperare videantur. Vgl. C. Meier ²1980, 1 Anm. 1 mit weiteren Belegen für ähnliche Formulierungen. 53 Suet. Iul. 77: nihil esse rem publicam, appellationem modo sine corpore ac specie. Vgl. Jehne 2010, 204 Anm. 81. 54 Vgl. Hurlet – Mineo 2009, 11–20; Hurlet 2012, 16–23. Siehe auch Rich 2012, 106–111, der feststellt, daß es kaum Gründe gibt für die Annahme, Augustus habe sein System als res publica restituta konzeptualisiert.

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reklamieren. Weiter sahen sowohl die Catulus / Hortensius-Richtung, als auch die Cicero-Richtung Gefährdungen für Rom, doch nahmen Catulus und Hortensius vor allem die Gefährdung des Systems durch die Kette der Sonderkommanden für Pompeius wahr,55 Cicero vor allem die Gefährdung der römischen Herrschaft durch das Versagen bei der Erfüllung unabweisbarer Aufgaben.56 Diese Orientierung auf die Erledigung von Aufgaben, also die Richtung, die Cicero 66 vertrat, scheint in den letzten Jahrzehnten der Republik einen neuen Stellenwert gewonnen zu haben, und in letzter Konsequenz bedeutete das, daß man denjenigen, der es am besten konnte, auch mit einer Aufgabe betrauen und mit allen notwendigen Ressourcen ausstatten sollte. Daß dies gerade Pompeius mit seiner Karriere voller Spezialkompetenzen57 und seiner 66 schon großen Anhängerschaft im römischen Reich58 immer weiter aus der Gruppe der führenden Männer heraushob und damit die Monarchie als ein System, in dem ein einzelner auch durch die gesammelten Machtmittel aller anderen nicht zu neutralisieren war, strukturell näherrückte, wurde offenbar nicht klar gesehen oder in Kauf genommen. Interessant ist, daß der große Republikaner Cicero ein Vorkämpfer auf diesem monarchischen Weg war. Er war schließlich nicht nur 66 in dieser Richtung aktiv, sondern setzte sich auch 57 für die cura annonae des Pompeius ein und 56 für die Verlängerung von Caesars imperium.59 Auch als er 44/3 für die Republik kämpfte, hatte er keine Hemmungen, die Regeln der Republik über Bord zu werfen und z. B. im Senat zu beantragen, man möge das usurpierte Kommando des Cassius über 11 Legionen und die Provinz Syrien in aller Form bestätigen, mit dem Argument, die Regelverletzungen des Cassius seien um der richtigen Sache willen geschehen.60 Zudem führte er in seinen staatstheoretischen Schriften mit seinem rector rei publicae strukturell die Monarchie ein, auch wenn ihm

55 Diese Gefährdung ist übrigens bei Vell. 2,31,3 f. ausführlich in Bezug auf Pompeius expliziert, während sich in Ciceros Referat (s. o. Anm. 16) nur eine sehr verkürzte Kernformulierung ohne nähere Erläuterung findet. Doch Saylor Rogers 2008, 297; 301; 304 f.; 306; 317 argumentiert, genuine Information sei nur bei Cicero zu finden, alles später Dazugekommene basiere wahrscheinlich auf freihändigen Interpolationen der Autoren. 56 Vgl. die Stellen o. Anm. 40. 57 Vgl. zu den verschiedenen imperia des Pompeius Girardet 2001; Hurlet 2010, 113–119; Vervaet 2012, 125–133. 58 Vgl. Dingmann 2007, 222–333, der allerdings zu Recht resümiert, daß sich diese Anhängerschaft kaum in die römische Innenpolitik übertragen ließ (333). 59 Cicero und die cura annonae 57: Cic. Att. 4,1,6 f.; vgl. Dio 39,9,3; Plut. Pomp. 49,6 f.; und dazu Vervaet 2012, 129–131. Cicero und die Verlängerung von Caesars Kommando 56: Cic. prov. cons. passim. 60 Cic. Phil. 11,28–30, bes. 28: Qua lege, quo iure? Eo quod Iuppiter ipse sanxit, ut omnia quae rei publicae salutaria essent legitima et iusta haberentur. Vgl. Gotter 1996, 196–199; 282–284.

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das wohl nicht klar vor Augen stand.61 Wenn man die Entwicklungen unter dieser Perspektive betrachtet, dann kann man sie durchaus in den Konzepten Mischa Meiers darstellen:62 Im Handlungsrahmen war die Monarchie mit der Kette von großen Kommanden schon da, es fehlte nur noch das Individuum, das mit hinreichender Entschlossenheit auf eine lückenlose Folge der Betrauung mit wichtigen Aufgaben bestand – also Caesar. Daß sich für den Primat auf der Erfüllung der Aufgaben stets Unterstützer fanden, liegt darin begründet, daß die Einschätzung, ob und wie weit das republikanische System bedroht war, sehr unterschiedlich ausfallen konnte, und dies zumeist mit durchaus guten Gründen. Für die Diskursebene hieß das, daß man nie argumentieren mußte und konnte, man möge die Rotations- und Partizipationsregeln der Republik auf den Müllhaufen der Geschichte kippen, und dennoch immer wieder Maßnahmen befürworten und durchsetzen konnte, die als gemeinwohlfördernd zu deklarieren waren, obwohl sie diese Regeln suspendierten oder wenigstens abschwächten. Charakteristisch für diese Art der Argumentation ist Caesars Darstellung und Kommentierung des gegen ihn gerichteten senatus consultum ultimum vom 7. Januar 49, in der er das Recht des Senats, eine solche Notstandserklärung abzugeben, durchaus anerkannte, aber hervorhob, daß im konkreten Fall ja gar kein Anlaß bestanden habe, so massiv zu reagieren.63 Bei Caesar wird deutlich, wohin die Priorisierung der Aufgabenerfüllung führte. Caesar fühlte sich, wohl sogar mit einer gewissen Berechtigung, ungleich besser geeignet als alle anderen, die nötigen Verwaltungs- und Planungs­ entscheidungen für Rom und das Reich zu treffen, und das tat er dann auch in großer Selbstherrlichkeit. Christian Meier hat dies sehr treffend auf den Punkt gebracht: »Caesar war […] Sklave seiner Überzeugung, alles selbst besser machen zu können«.64 Daß Caesar die Verleihung von Privilegien für irgendwelche Fürsten an der Peripherie des Reiches in seiner Kanzlei vorbereiten und in die Form von Senatsbeschlüssen kleiden ließ, die dann den glücklichen Empfängern zugesandt wurden, ohne daß der Senat auch nur informiert worden wäre,65 zeigt deutlich die Neigung des Dictators, die langwierigen Prozeduren der res publica bei solchen Routinevorgängen schlichtweg beiseite zu schieben. Zweifellos kann 61 Vgl. Jehne 2003, 390 f. zu Cic. rep. 6,1. 62 Zur Differenzierung zwischen Diskurs und Handlungsrahmen vgl. M. Meier 2014, 13 f. 63 Caes. b.c. 1,7,5 f.: Quotienscumque sit decretum darent operam magistratus ne quid res publica detrimenti caperet, qua voce et quo senatus consulto populus Romanus ad arma sit vocatus, factum in perniciosis legibus, in vi tribunicia, in secessione populi, templis locis­ que editioribus occupatis; atque haec superioris aetatis exempla expiata Saturnini atque Gracchorum casibus docet; quarum rerum illo tempore nihil factum, ne cogitatum quidem. nulla lex promulgata, non cum populo agi coeptum, nulla secessio facta. Siehe auch 1,5,3. Vgl. Jehne 2013b, 43 f. 64 C. Meier 1970, 140. 65 Cic. fam. 9,15,4. Vgl. Jehne 1987, 442 f.

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man diese Form der Fixierung auf die Aufgaben der res publica als Effizienzsteigerung auffassen, wenn man sich – wie es ja weit verbreitet ist – auf die Zeit­ ersparnis konzentriert. Allerdings werden diese Vorteile der Alleinherrschaft mit Reduzierungen von Partizipation vergolten, die in Caesars Fall augenfällig waren und sicherlich dazu beitrugen, die Unzufriedenheit mit seiner Herrschaft in führenden Kreisen weiter zu steigern. Wenn also die praktische Alternative zur Republik die Monarchie war und wenn diese Monarchie durch die Fokussierung auf die Erfüllung der Aufgaben im Reich unter Absehung von alten Regeln der Machtbegrenzung und der breiteren Teilhabe vorbereitet wurde, dann hatte diese Monarchie einen besonders starken Leistungsbezug: qualifiziert war derjenige, der am geeignetsten für eine Aufgabe war  – so, wie es Hortensius 66 dem Pompeius zugestand. Konkret war der Alleinherrscher demnach der Leistungsstärkste, der Übersollerfüller. Genau in dieser Art und Weise hatte denn auch Caesar einerseits seine Ansprüche auf Anerkennung begründet, für die er den Bürgerkrieg eröffnete,66 und andererseits seine Herrschaft gestaltet, in der die schon erbrachten Leistungen die Verleihung von maßlosen Ehrungen rechtfertigten und die noch weiter zu erwartenden Leistungen die Übertragung von neuen Kompetenzen und Auf­ gaben.67 Da diese starke Orientierung auf Leistung in öffentlichen Diskursen der Moderne durchaus populär ist, mag uns das vertraut und nicht grundsätzlich verkehrt klingen, doch denke ich, daß kaum jemand die Herrschaft des oder der Leistungsstärksten wirklich möchte und wir daher gerne zu den Relativierungen Zuflucht nehmen, daß es überlegenes Leistungsvermögen in allen Bereichen nicht gebe oder daß es nicht objektiv meßbar sei oder daß die Welt ohnehin zu komplex sei für die Entscheidungskapazität eines einzelnen. Von einer solchen Relativierungsargumentation ist bei den Caesargegnern nichts zu spüren; die wesentliche Motivation der Verschwörer ergibt sich schlichtweg aus der offenkundigen Tatsache, daß die als dictatura perpetua gefaßte Alleinherrschaft den geheiligten, traditionellen Grundregeln der Republik widersprach68 – unabhängig davon, wie leistungsfähig ihr Inhaber sein mochte. Leistungsvermögen war deshalb attraktiv, weil es Nutzen brachte. Die ciceronische Unterscheidung, man habe sich im Frieden an die consuetudo, im Krieg aber an die utilitas gehalten,69 hatte dazu gedient, die Übertragung wichtiger und ehrenvoller Aufgaben an große Einzelpersönlichkeiten zu rechtfertigen. Daß diese Form der Argumentation auch anderen nahelag, bekam Cicero zu spüren, als er nach Caesars Ermordung mit C. Matius korrespondierte, der den 66 Caes. b.c. 1,7,7; siehe auch Cic. Att. 7,11,1. Vgl. zu dieser Haltung bes. C.  Meier 1970, 121–126 und Raaflaub 1974, 149–152; 182–192; 216 f.; 329–335. 67 Vgl. Jehne 2010, 206–208. 68 Vgl. zu den Motiven der Verschwörer z. B. Jehne 1998, 38. 69 Cic. Manil. 60 (s. o. Anm. 31).

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Tod des Dictators unverhohlen betrauerte. Gegen die Forderung, das Vaterland habe vor der Freundschaft zu stehen, führt Matius u. a. ins Feld, daß seine Kritiker ja noch gar nicht bewiesen hätten, daß Caesars Tod für die res publica nützlich gewesen sei.70 Matius treibt es auf die Spitze: In dem Diskursfeld, das durch Notstandssituation, große und wichtige Aufgaben, Leistungsfähigkeit und Nützlichkeit bestimmt wurde, war angelegt, daß das Ignorieren der traditionellen Regeln des politischen Systems nur dann abzulehnen war, wenn es keinen Nutzen brachte. Mit seiner Argumentation deutete Matius an, daß die Alleinherrschaft, wenn sie denn einen höheren Nutzen für die res publica brachte als das überkommene Regime, vorzuziehen sei. Die neue Monarchie, die dann Octavian begründete, bewegte sich in den vorgezeichneten Bahnen des spätrepublikanischen Diskurses von Aufgabenerfüllung und Leistungsvermögen. Octavian hatte sich am Ende des neuen Bürgerkrieges durchgesetzt, er hatte nach den gängigen Maßstäben Leistungen aufzuweisen wie kein anderer in seiner Zeit, und er hatte daher – wie Caesar – einen unbestreitbaren Anspruch auf Anerkennung. Aber neben diesem Erbe der Sondervollmachten, die er für viele Jahre innegehabt und erfolgreich genutzt hatte, prägte sich der spätrepublikanische Diskurs in die Gestaltung seiner Monarchie ein, die er wohl sehr bewußt plante und umsetzte. Zunächst einmal griff er die Unterscheidung zwischen den Notstandszeiten des Krieges, in denen man sich an der Nützlichkeit orientieren müsse, und den geordneten Zeiten des Friedens, in denen der vertrauten Gewohnheit zu folgen sei,71 in der Praxis auf. 29 ließ er den Janus-Tempel schließen als Zeichen des Friedens,72 28 verkündete er den Abschied von der wilden und partiell regelwidrigen Triumviratszeit und stellte die Gesetze und den Einfluß des Volkes wieder her,73 und 27 gab er alle außerordentlichen Handlungskompetenzen zurück,74 was immer darunter zu

70 Mat. ad Cic. fam. 11,28,2: aiunt enim patriam amicitiae praeponendam esse, proinde ac si iam vicerint obitum eius rei p. fuisse utilem. Vgl. dazu zuletzt Lundgreen 2013, 39–41 (mit Hinweisen auf die ältere Literatur). 71 So Cic. Manil. 60 (s. o. Anm. 31). 72 Aug. res gest. 13; CIL I² p. 231 (fasti Praenestini, zum 12. Januar); Vell. 2,38,3; Plut. mor. 322a-c; Dio 51,20,4 f.; vir. ill. 79,6; Oros. 6,20,8. 73 Das große Edikt von 28, mit dem Octavian die triumviralen Unrechtstaten widerrief: Dio 53,2,5; Tac. ann. 3,28,2. Hinzu kommt der aureus aus demselben Jahr mit der Legende leges et iura p.R. restituit, den Rich – Williams 1999 umfassend analysiert haben. Inzwischen gibt es ein weiteres Exemplar, vgl. Abdy – Harding 2005, 175 f. Mantovani 2008 zeigt in einer gründlichen und überzeugenden Untersuchung, daß sich die Münze direkt auf das Edikt bezieht, siehe dazu auch Rich 2012, 89–105. Zum Jahr 28 vgl. außerdem Ferrary 2003, 419 f.; Jehne 2012b, 35–37; Rich 2012, 50–53. 74 Dio 53,4,3; 5,4; Ovid. fast. 1,589 f. Zur Analyse der Geschehnisse vom Januar 27 vgl. vor allem Ferrary 2001, 108–115 und Rich 2012, 53–66, der 57 zu Recht davor warnt, die Parallelen des augusteischen Provinzkommandos zu den großen Kommanden der

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verstehen ist.75 So hatte er nur noch das reguläre und auch in Friedenszeiten selbstverständliche und unentbehrliche Amt des Consuls inne.76 Es wurde also deutlich ein Übergang von der Notstandsperiode zum wiedergekehrten Frieden markiert. Sodann usurpierte Octavian den republikanischen Traditionsdiskurs, etwa mit seinen umfangreichen Tempelrenovierungen und der Stärkung alter Kulte77 oder der schon genannten Restituierung der Rechte des Volkes.78 Schließlich baute Augustus seine neue Stellung in der Linie des spätrepublikanischen Diskurses von der notwendigen Erfüllung der Aufgaben durch den Leistungsfähigsten aus. Nachdem er am 13. Januar 27 alles abgegeben hatte bis auf das Consulat, wurde ihm wohl am 15. Januar79 das Kommando über die unbefriedeten Provinzen des Reiches angetragen, das er nach angemessenem Zögern übernahm.80 Diese oft fälschlich als imperium proconsulare bezeich-

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späten Republik allzu eng zu sehen. Die entscheidende Analogie besteht nach Rich in der Charakterisierung der Kommanden als Notstandsmaßnahmen – und darin ist ihm voll beizupflichten. Börm – Havener 2012 haben in ihrer scharfsinnigen Untersuchung jetzt argumentiert, daß Octavian in dieser berühmten Senatssitzung gar nichts zurückgab, daß alles nur ein symbolischer Akt war. Doch scheint mir das unwahrscheinlich zu sein, da eine solche Farce gegenüber den Senatoren kaum durch symbolische Handlungen hätte überbrückt werden können. Dagegen würde ich annehmen, daß Octavian im wesentlich mit Pomp das abgab, was er dann sofort in leicht veränderter Form zurückerhielt: eine provincia, d. h. ein Aufgabenbereich, der in einem allgemeinen Kriegsauftrag – die Vernichtung der Feinde des Reiches zum Beispiel – bestanden haben und damit territorial diffus gewesen sein könnte. Aber selbst wenn man, wie Börm – Havener, nicht an eine formale, rechtliche Kompetenz glaubt, die Octavian niederlegen konnte, so bleibt jedenfalls seine faktische Kontrolle der Armee und der Provinzen unbestreitbar. Diese tatsächliche Kommandogewalt, selbst wenn sie rechtlich dubios oder gar nicht vorhanden war, hätte ihm nach dem Sieg im Bürgerkrieg garantiert niemand offen streitig gemacht, so daß er sie ostentativ abgeben mußte, damit darüber disponiert werden konnte. In eine ähnliche Richtung geht Rich 2012, 53, der konstatiert: »What remained was the army and the provinces, and it was these which he surrendered in the senate meeting on 13 January 27«. Vervaet 2010 faßt diese Kontrolle von Armee und Provinzen als Kontinuation der Triumviratsgewalt auf. Bekanntlich bekleidete Octavian / Augustus von 28 bis 23 ununterbrochen das Consulat, was mit der Zeit in einen performativen Widerspruch zur vielfältig betonten Republik umschlug, worauf Augustus 23 mit der Niederlegung reagierte. Zum Consulat unter Augustus vgl. Hurlet 2011. Vgl. bes. Aug. res gest. 20,4: Duo et octoginta templa deum in urbe consul sex[tu]m ex [auctori]tate senatus refeci, nullo praetermisso, quod e[o] tempore [refici debeba]t. Zum restaurativen Anstrich der Aktivitäten des Augustus im kultischen Bereich vgl. jetzt Scheid 2009. S. o. Anm. 73. Zum umstrittenen Tagesdatum Rich – Williams 1999, 203 f. m. Anm. 100. Dio 53,2,7; 11,1–4. Dio behauptet, Octavian / Augustus habe diese Proteste gegen seinen Rücktritt und die Angebote neuer Kompetenzen vorab organisiert. Daran ist nicht zu zweifeln: In der Frage, wie seine Stellung aussehen sollte, konnte es der Herrscher kaum auf spontane Einfälle der Senatoren ankommen lassen. Vgl. etwa Sattler 1960, 41 f.; T. H. Watkins 1997, 124; Rich – Williams 1999, 203; Huttner 2004, 88 f.; 94 f.

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nete Kernkompetenz der römischen Kaiser81 für die nächsten Jahrhunderte war eigentlich gar nicht die Übertragung eines imperium, sondern einer provincia. Das imperium, die Befehlsgewalt des römischen Oberbeamten, besaß Augustus 27 schon, da er ja Consul war, und consulare Kommandokompetenz ließ sich nicht kumulieren: man besaß sie, oder man besaß sie nicht. Der entscheidende Übertragungsvorgang des Jahres 27 bestand in der Zuweisung einer provincia, eines Aufgabenbereiches, der aus zehn territorialen Provinzen bestand. Die Rhetorik um diesen Verleihungsakt war so gestaltet, daß die Senatoren Besorgnis bekundeten, der frisch wiedergewonnene Frieden könne schnell vorübergehen, wenn sich nicht mit Octavian, der jetzt auch Augustus wurde, der leistungsfähigste Senator um die unruhigen Regionen kümmerte.82 Das hieß in letzter Konsequenz: Octavian / Augustus präsentierte sich als ein braver Kommandeur, der nach Überwindung der Notstandslage, also nach Erfüllung seiner Aufgaben, alle Vollmachten zurückgeben konnte, doch die hochmögenden Senatoren erklärten ihm, daß diese Lagebeurteilung zu optimistisch sei, da weiterhin eine Situation vielfältiger Bedrohung bestehe, so daß man sich weiter im Notstand befinde. Davon ließ sich der gehorsame Senator Octavian / Augustus pflichtschuldigst überzeugen, und so griff wieder die ciceronische Unterscheidung, daß der Bestgeeignete, nämlich Augustus, ein besonderes Bündel von Aufgaben übernehmen mußte.83 Mit der Befristung seiner provincia auf 10 Jahre hielt Augustus die Fiktion aufrecht, daß der Notstand seiner Natur nach ein vorübergehender Zustand ist und sein sollte. Wer auch immer diese Regelung von 27 im Senat eingebracht haben mag:84 Er hätte jedenfalls Teile seiner Begründungen direkt aus Ciceros Rede für das imperium des Pompeius ablesen können. Die spätrepublikanische Konkurrenz zwischen dem Diskurs der Bewahrung der Republik durch vorsichtige Vermeidung außergewöhnlicher Machtbildungschancen und dem Diskurs der Betonung der zu erfüllenden Aufgaben und der notwendigen Heranziehung der Leistungsfähigsten, diese Konkurrenz bereitete also die Monarchie vor. Da die Monarchie in dem zweiten Diskurs durchschimmerte, könnte man in der Diskurskonkurrenz die Alternative zwischen Republik und Monarchie angelegt sehen, jedoch nur in der Praxis. Im 81 Zur korrekten Terminologie vgl. Girardet 2000, 189–195. 82 Zur Übertragung der nicht befriedeten Provinzen des Reiches an Octavian / Augustus siehe die Darstellung bei Dio 53,11,1–13,1. Vgl. dazu v. a. Rich 2012, 55–59. 83 Zur Verbindung der Vollmachten und Aufgaben des Augustus 27 mit einer Notstandssuggestion vgl. auch Rich 2012, bes. 57; 65 f. 84 Wir hören, daß der alte Consular und ehemalige Antonius-Anhänger L. Munatius Plancus den Vorschlag, den jungen Caesar mit dem Augustus-Namen zu schmücken, im Senat präsentierte (Suet. Aug. 7,2; Vell. 2,91,1); vgl. T. H. Watkins 1997, 124 f. Es ist nicht daran zu zweifeln, daß gerade die Übertragung der Provinzen an Augustus auch von einem Senator eingebracht wurde und eben nicht von Octavian / Augustus, aber uns ist hier kein Name überliefert. Ob es ebenfalls Plancus war, wissen wir also nicht.

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Diskurs war und blieb die Monarchie unsagbar. Als Caesar mit der dictatura perpetua eine Funktion übernahm, deren monarchische Gestalt nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Bezeichnung unübersehbar war, wurde er ermordet. Daraus zog Augustus seine Lehren, so daß sich in seiner Zeit an den spätrepublikanischen Diskursformen zunächst nichts Grundsätzliches änderte. Nach wie vor ging es um die res publica, dann vielleicht um einen principatus, hinter dem der Leistungsstärkste und daher Angesehenste steckte,85 aber regnum oder dominatio, die negativ besetzten Begriffe der Republik, waren noch lange nicht aussprechbar. Die Römer bekamen die Sorte von Monarchie, die sie in der späten Republik mit der diskursiven Verlagerung der Prioritäten auf die Erledigung der anfallenden Aufgaben vorbereitet hatten. Die Auffassung von Mischa Meier, die Monarchie sei in Rom praktisch präsent und mit Caesar verwirklicht worden, während die Diskurse hinterherhinkten,86 scheint mir also durchaus in die richtige Richtung zu weisen. Doch sind die Diskursansätze, mit denen die Monarchie vorbereitet wird, dabei unterschätzt. In den referierten Passagen aus Ciceros Rede über das Gesetz des Manilius wird deutlich, daß es einen Diskurs gab, der eine Verlagerung der Schwerpunkte auf die Erfüllung der Aufgaben in Rom und im Reich vorsah, und daß sich dagegen ein Diskurs richtete, der für die Aufrechterhaltung strenger Rotationsregeln bei allen Positionen, die mit breiten Machtbildungschancen verbunden waren, mit dem Traditionsargument eintrat. Der Konflikt zwischen diesen Positionen basiert nicht auf einer strengen Grenze, so daß sie sich gegenseitig ausgeschlossen hätten, sondern auf einer unterschiedlichen Einschätzung der Bedrohungslage in der konkreten Situation. So war es durchaus möglich, daß Individuen auch einmal die andere Seite vertraten. Daß Cicero dem Catulus vor Augen führt, dieser 85 Zum Horizont der Termini princeps und principatus vgl. Rich 2012, 59–61. Rowe 2013, bes. 11–15 vertritt jetzt die Auffassung, die berühmte Formulierung auctoritate omnibus praestiti in Aug. res gest. 34,1 verweise nur darauf, daß Augustus princeps senatus geworden war (res gest. 7,2). Das überzeugt mich nicht so recht, denn die überragende auctoritas war mehr die Voraussetzung als die Folge der Ernennung zum princeps senatus. Nach den alten Regeln war der princeps der am stärksten herausgehobene Senator, und dieser Rang manifestierte sich an den erreichten Ämtern. Da Octavian / Augustus 28 v. Chr. sein 6. Consulat bekleidete, stand er konkurrenzlos über allen anderen Senatoren, und damit besaß er selbstverständlich mehr auctoritas als jemand, der erst einmal Consul gewesen war. Daß von auctoritas als Kerngewalt der Kaiser so wenig die Rede sei (Rowe 2013, 3–9), ist kein durchschlagendes Argument gegen deren Bedeutung, da es wenig Grund gab, die Ursachen des Gehorsams gegenüber dem Kaiser zu präzisieren. Das Wesen der auctoritas besteht ja gerade darin, daß man ihr folgt, also im Legitimitätsglauben der Anerkennenden (in der Terminologie Max Webers), nicht aber darin, daß man sie seziert oder evoziert. Im übrigen ist auch nicht so recht zu sehen, wie um 13 n. Chr., als die res gestae entstanden, ein Rezipient die in 34,1 genannte auctoritas auf den princeps senatus beziehen sollte, der nur in 7,2 vorkommt. 86 M. Meier 2014, 13; 36–39; 54 f.

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habe ja selbst bei früheren Anlässen den außerordentlichen Ermächtigun­gen des Pompeius zugestimmt, und dann suggeriert, daß deshalb Catulus’ Ablehnung im vorliegenden Falle inkonsistent sei,87 ist daher keineswegs zwingend, sondern ein rhetorischer Kniff. Catulus hatte es eben seinerzeit bei Abwägung für ungefährlich gehalten, den noch weniger prominenten Pompeius mit Aufgaben zu versehen, sah das aber jetzt nicht mehr so.88 Ähnlich können wir bei Cicero erkennen, daß er in anderen Situationen eine Bedrohung der althergebrachten res publica erkannte und Widerstand verlangte. Sehr schön kommt das 60 v. Chr. in dem Brief an Atticus zum Ausdruck, in dem Cicero die res publica amissa diagnostiziert. Nachdem er zuvor über die zweifelhaften Verhaltensweisen von Pompeius und Crassus informiert hat, fährt Cicero fort: »Du kennst schon die übrigen; sie sind so dämlich, daß sie zu hoffen scheinen, daß ihre Fischteiche unbehelligt bleiben werden, wenn die res publica verloren gegangen ist«.89 Am Ende stellt sich die Frage, inwieweit die Implikationen des Aufgaben­ diskurses, daß hier Machtbildungen in Gang gesetzt wurden, die für die traditionelle res publica bedrohlich sein konnten, nur nicht sagbar oder aber gar nicht bewußt waren. Nun war den Römern natürlich durchaus klar, daß es Grenzen des Sagbaren gab,90 die man dann ggfs. umkurven mußte. Zudem dürfte der Gegendiskurs, der auf die unveränderte Erhaltung der res publica abstellte, schon dafür gesorgt haben, daß die Gefahren bei der Verleihung großer Imperien reichlich beschworen wurden. Dennoch scheint dies den Verfechtern der Imperien und anderer systemgefährdender Maßnahmen nicht so deutlich vor Augen gestanden zu haben: Man hielt im konkreten Fall die Gefahr jeweils für unerheblich oder das kollidierende Ziel – wie etwa die effiziente Erfüllung der Aufgaben – für völlig unabweisbar. Es gab also offenbar keine römischen Senatoren, die sich für eine Monarchie einsetzten.91 Es ging weniger um Kämpfe um verdichtende Begriffe als um eine Sprache, die Monarchisierungsprozesse begleitete und erleichterte, ohne die Sache beim Namen nennen zu können und zu wollen. In welche merkwürdige Lebenslagen diese politischen Verdrängungsprozesse bzw. diese ungenügenden Handlungsfolgenabschätzungen hineinführen konnten, zeigt das Schicksal derjenigen unter den Caesarmördern, die stets in seinem Lager gestanden hatten. D. Brutus und C. Trebonius, um die 87 Cic. Manil. 60–63. 88 Mit meiner Vermutung zur früheren Haltung des Catulus will ich nicht über dessen ›wahre‹ Beweggründe spekulieren, sondern nur aufzeigen, wie die Tatsache, daß er 67/6 eine andere Position einnahm als 78/7, im öffentlichen Diskurs darstellbar gewesen wäre. 89 Cic. Att. 1,18,6 (s. o. Anm. 52). 90 Vgl. Cic. Att. 1,17,8, wo es um die Ritter ging, die 60 gegen höhere Strafen für bestechliche Richter waren und beim Senat gerne interveniert hätten: … sensissemque id equestrem ordinem ferre moleste neque aperte dicere, … 91 Vgl. dazu auch C. Meier ²1980, 148 f.

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beiden prominentesten zu nennen,92 hatten den gesamten Bürgerkrieg auf der Seite Caesars mitgemacht und ihm treue und wertvolle Dienste geleistet, wofür er sie mit dem Aufstieg in der Ämterlaufbahn belohnte. Als sie aber als Consul bzw. designierter Consul93 oben angekommen waren, stellten sie fest, daß die ganze Karriere nur noch halb so viel wert war wie früher, weil man als Consular nicht mehr in eine verhältnismäßig unabhängige Stellung einrückte, sondern ein Handlanger des Dictators blieb wie vorher auch. Die praktische Realisierung der Monarchie war diskursiv so erfolgreich überlagert, daß man sich bis in Caesars letzte Monate nicht so recht klar machte, wo man jetzt eigentlich hingekommen war.

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Vertrauen und Krise

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The “Denial of Civil War”: Late Republican Responses to Civil War in Language, Ideology, and Politics

I I begin with two quotes.1 One is Sallust’s description of the aftermath of the final battle against Catiline: Many who came from the camp [of the victorious government troops] to view the battle field or to loot, as they went about turning over the rebels’ corpses, found friends, relatives, or men who had been their guests or their hosts. Some also recognized the face of an enemy. Thus diverse feelings affected all the army: gladness and rejoicing were tempered by grief and lamentation.2

The second quote comes from a Roman matron’s remembrance of civil strife in Sulla’s time, expressed in fear of a new civil war a generation later and formulated by Lucan, poet of a civil war epic a century later: Then freedom was granted to vendettas and anger raced away released from the bridle of the laws… Through his master’s guts the slave drove sword unspeakable; sons were drenched with father’s blood, competed for possession of the parent’s severed head; brothers fell as brother’s prizes.3 1 I thank Claudia Tiersch und Marian Nebelin, the organizers of the conference, most sincerely for their invitation and generous hospitality, and the participants for useful comments and suggestions. The investigation of this chapter’s topic has raised several questions that I cannot pursue in the limited space available here but hope to discuss elsewhere. I have largely kept the lecture format and added minimal documentation. 2 Sall. Cat. 61.8 f. (trans. S. A. Handford): multi autem, qui e castris visundi aut spoliandi gratia processerant, volventes hostilia cadavera amicum alii, pars hospitem aut cognatum reperiebant; fuere iam, qui inimicos suos cognoscerent. ita varie per omnem exercitum la­ etitia maeror, luctus atque gaudia agitabantur. 3 Lucan, Phars. 2.145–151 (trans. S. Braund): Tum data libertas odiis, resolutaque legum / ​ Frenis ira ruit. Non uni cuncta dabantur, / Sed fecit sibi quisque nefas; semel omnia victor / ​ Iusserat. Infandum domini per viscera ferrum / Exegit famulus; nati maduere paterno / ​ Sanguine; certatum est, cui cervix caesa parentis / Cederet; in fratrum ceciderunt praemia fratres.

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Laelius, the first centurion of the legion that Caesar leads across the Rubico, swears that if you bid me plunge my sword in brother’s breast or parent’s throat or womb of wife great with child, I will do it all, though with unwilling hand; that if you bid me rob the gods and fire their temples, the flame of our military mint will melt the deities down.4

Such descriptions of the horrors specific to civil strife and war, easily multiplied by passages from other authors, are topoi, part of the typology of civil war.5 They depict the cruelty and depravity, the dissolution of social norms and ethics displayed and experienced in such wars. They might even occasionally throw a shining light on acts of compassion and generosity—as the historian Appian does in his narrative of the civil wars of the triumviral period.6 But they neither conceptualize nor theorize or explore in depth the phenomenology or semantics of cruelty and clemency in such contexts. Nor do such narratives explain specifically why cruelty is so pervasive in such situations. Rather, because cruelty is seen as an integral part of the phenomenon of civil war, its cause is included among the explanations that Sallust and others offer for the emergence of civil war in Rome in the first place.7 According to Sallust, the destruction of Carthage had removed the last of the outside threats that had forced the Romans to maintain their ancestral discipline and virtue, and propelled them into  a period of rapid moral decline: “Growing love of money, and the lust for power which followed it, engendered every kind of evil. Avarice destroyed honor, integrity, and every other virtue, and instead taught men to be proud and cruel, to neglect religion, and to hold nothing too sacred to sell.”8 Unfettered ambition caused Sulla and Marius to use armed force to gain uncontrolled power, prompted the corruption of armies, the relentless exploitation of subject peoples, and unprecedented moral depravation among the elite: “there was universal robbery and pillage… the victors behaved without

4 Ibid. 1.376–380: Pectore si fratris gladium iuguloque parentis / Condere me iubeas ple­ naeque in viscera partu / Coniugis, invita peragam tamen omnia dextra; / Si spoliare deos ignemque inmittere templis, / Numina miscebit castrensis flamma monetae. 5 For a thorough and systematic analysis of the moral and literary aspects of civil war in Rome, see Jal 1963; Breed et al 2010 contains  a good collection of chapters on various aspects. 6 App. BC 4.39 ff. 7 See esp. Sall. Cat. 10–13; also Jug. 41 f. 8 Cat. 10.3 f.: igitur primo pecuniae, deinde imperi cupido crevit: ea quasi materies omnium malorum fuere. namque avaritia fidem, probitatem ceterasque artis bonas subvortit; pro his superbiam, crudelitatem, deos neglegere, omnia venalia habere edocuit.

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restraint or moderation, committing foul and inhuman outrages against their fellow citizens.”9 “Honour and modesty, all laws divine and human, were alike disregarded in a spite of recklessness and intemperance.”10 All this is unspecific, though, clad in broad generalizations – a habit to which even Caesar succumbs when describing the outbreak of the civil war of 49  BCE: “All divine and human laws were overturned.”11 In discussing the public “seeds of war,” Lucan too remains general: structures that grow too big must collapse; rivalry, ambition, and destructive competition among the leaders knew no limitations; empire had brought excessive wealth to Rome, and “morals gave way before prosperity.”12 This people could not take pleasure in tranquil peace or be satisfied by liberty with weapons untouched. That was the cause of passions quickly roused, of crime despicable urged by want; it was an honour great and to be sought by sword, to have more power than the state; the yardstick of legality was violence.13

Overall, then, Roman authors perceive cruelty, like civil strife as such, as the result of moral decadence, a disintegration of the state, and elite competition run wild. They offer a typology, not an analysis. Naturally, this picture leaves little or no space for clemency. Typically, the return of peace and cessation of fratricidal violence are primarily a concern of the Augustan poets; they form essential ingredients in their Golden Age and escapist dreams and in their urgent pleas and grateful praises addressed to those in power.14 Typically, too, Sallust speaks of the avoidance of violence only in his idealizing description of the early Romans whose virtue led their city to world power: In peace and war… virtue was held in high esteem. The closest unity prevailed, and avarice was a thing almost unknown. Justice and righteousness were upheld 9 Ibid. 11.4.: rapere omnes, trahere, … neque modum neque modestiam victores habere, foeda crudeliaque in civis facinora facere. 10 Ibid. 12.2: pudorem pudicitiam, divina atque humana promiscua, nihil pensi neque mode­ rati habere. 11 Caes. BC 1.6.8: omnia divina humanaque iura permiscentur. 12 Lucan, Phars. 1.67–170 (quotes: 158 f.: belli / Semina, 161: rebus mores cessere secundis). 13 Ibid. 171–176: Non erat is populus quem pax tranquilla iuvaret, / Quem sua libertas inmotis pasceret armis. / Inde irae faciles et, quod suasisset egestas, / Vile nefas, magnumque decus ferroque petendum, / Plus patria potuisse sua, mensuraque iuris / Vis erat. 14 See, e.g., Verg. Ecl. 4.4–17; Aen. 6.791–800; Hor. Ep. 7; C. 4.15.4–20; C. Saec. 49–60; Epist. 2.1.137; Tib. 1.10; for further references and comments, see, e.g., Glei 1989, 1991; Cloud 1993; DeBrohun 2007. On civil wars and fratricide: Wallace-Hadrill 1982; Wiseman 1995, 143 f.; Bannon 1997, esp. ch. 4.

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not so much by law as by natural instinct. They quarreled and fought with their country’s foes; between themselves the citizens contended only for honour;… and when wronged they would rather pardon than seek vengeance.15

The last sentence describes the Romans’ rule over their subjects; but given the consonance of perfect behavior within and outside Rome throughout this passage, it would apply equally to relations among the Romans themselves. These brief and preliminary observations suggest that explicit and thorough political conceptualizations of violence, cruelty, and clemency in civil strife and war are lacking in Roman authors dealing with civil wars. This needs to be verified by a close examination of the evidence surviving on all Roman civil wars. If it proves correct, which I assume here, it is somewhat surprising, not least in comparison with the Greek historian (Thucydides) with whom at least Sallust (like Tacitus) was thoroughly familiar. It certainly requires explanation. I shall begin by briefly examining this particular aspect of Sallust’s emulation of Thucydides and defining the differences more sharply. I will then discuss some of the divergent ways in which Greeks and Romans dealt with civil strife and war, both in their historiography and in their attitudes. This will prompt me to postulate and explain a tendency among the Roman elite to develop mechanisms aimed at denying or obscuring the reality of civil war, at least officially and publicly. I shall then explore in one specific case (the civil war of 49/48 for which we have ample contemporaneous evidence) the working of such “denial of civil war” and its impact on the political strategies and semantic choices of the conflicting sides. Semantic differentiations are pervasive and revealing, between the two sides but also on the same side, as the well-known case of the terminology for clemency (clementia vs. lenitas) illustrates. This case in particular finally helps shed valuable light on profound changes in Caesar’s political strategy, self-presentation, and self-understanding in the last years of his career.

15 Sall. Cat. 9.1 f.; 9.5: Igitur domi militiaeque boni mores colebantur; concordia maxuma, mi­ numa avaritia erat; ius bonumque apud eos non legibus magis quam natura valebat. iurgia discordias simultates cum hostibus exercebant, cives cum civibus de virtute certabant. … et accepta iniuria ignoscere quam persequi malebant.

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II Sallust knew Thucydides’ History well and emulated him in essential ways.16 Thucydides is  a master of historical conceptualization and theorization.17 In particular, he uses the occasion of the first major episode of civil strife (stasis) within the Peloponnesian War to describe in detail the causes and escalation of brutal violence in Corcyra. Then he offers in his “pathology of civil war” a comprehensive political, sociological, and theoretical analysis of the phenomenon of stasis as such.18 The results of this analysis are applicable to all other episodes of stasis throughout the war—thus making later repetition unnecessary, except for the special case of Athens in 411.19 This method also corresponds to the historian’s desire to use patterns recurring in history to emphasize universal traits in individual and collective human behavior that help make history, at least to some extent, predictable and useful, a “possession for ever” (ktēma es aiei).20 In the various cities these revolutions were the cause of many calamities – as happens and always will happen while human nature is what it is, though there may be different degrees of savagery, and, as different circumstances arise, the general rules will admit of some variety.21

In this famous piece, Thucydides deals explicitly and precisely with the perversion of ethical and civic norms, driven by love of power, ambition, greed, and violent fanaticism, that prompts excessive cruelty on all sides and a continuing escalation “of revolutionary zeal, expressed by an elaboration in the methods of seizing power and by unheard-of atrocities in revenge.”22 Underneath this surface, Thucydides the anthropologist recognizes yet more general patterns of human behavior, based on the raw human nature that he characterizes as “some-

16 On Sallust’s emulation of Thucydides, see Büchner 1960, 332–45; Syme 1964, 51–56 and esp. 245 ff. 17 On Thucydides the theorist, see recently Ober 2001; 2006. See also at n. 35 below. 18 Thuc. 3.69–81; “pathology of civil war”: 3.82–84; see Price 2001. 19 Stasis in Athens in 411–410: Thuc. 8.45 ff. Because the stasis in Epidamnus (1.24) took place before the war, it is also summarized only briefly. 20 Thuc. 1.22.4: κτῆμά τε ἐς αἰεὶ; see Raaflaub 2013. 21 Thuc. 3.82.2 (trans. Rex Warner): καὶ ἐπέπεσε πολλὰ καὶ χαλεπὰ κατὰ στάσιν ταῖς πόλεσι, γιγνόμενα μὲν καὶ αἰεὶ ἐσόμενα, ἕως ἂν ἡ αὐτὴ φύσις ἀνθρώπων ᾖ, μᾶλλον δὲ καὶ ἡσυχαίτερα καὶ τοῖς εἴδεσι διηλλαγμένα, ὡς ἂν ἑκάσταις αἱ μεταβολαὶ τῶν ξυντυχιῶν ἐφιστῶνται. 22 Ibid. 3.82.3: τὴν ὑπερβολὴν τοῦ καινοῦσθαι τὰς διανοίας τῶν τ᾽ ἐπιχειρήσεων περιτεχνήσει καὶ τῶν τιμωριῶν ἀτοπίᾳ.

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thing incapable of controlling passion, insubordinate to the idea of justice, the enemy to anything superior to itself.”23 Moreover, the historian pays close attention to the perversion of language: the semantic battle that served to justify the breakdown of mores. “To fit in with the change of events, words, too, had to change their usual meaning. A thoughtless act of aggression was now regarded as the courage that benefitted one’s hetai­ roi…, any idea of moderation (to sōphron) a disguise for cowardice…”24 In addition, the leaders of competing factions used labels that sounded unselfish and admirable, suggesting action in the public interest—such as “political equality for the masses” or “safe and sound government of the aristocracy”—but only served to camouflage their self-serving purposes.25 This is not the place to go into more details; what matters is the principle. Did Sallust pick up any of this? Echoes are unmistakable, especially in his digressions on the moral and political deterioration of the republic. Scholars have observed numerous echoes especially of the first of Thucydides’ theoretical chapters on the stasis on Corcyra.26 But substantial differences are obvious too. Sallust is far from the Thucydidean anthropologist; he remains at the surface. His analysis is politically imprecise and obfuscated by a preference for moral value judgements. Even when focusing on factional strife, his interest lies with the moral corruption of the elite (nothing good can be expected of the masses anyway). True, he alludes to Thucydides’ ‘perversion of values and words’ in pointing out “that ambition tempted many to be false, to have one thought hidden in their hearts, another ready on their tongues, to become a man’s friend or enemy not because they judged him worthy or unworthy but because they thought it would pay them, and to put on the semblance of virtues that they had not,” or in stating that the nobility was exploiting their claims to dignitas, the people their emphasis on libertas to enhance their own power, privileges, and pleasures.27 But Sallust also tries to explain the disastrous factional strife that mauled the republic as a class struggle between the aristocracy, using violence and the brutal suppression of

23 Ibid. 3.84.2: ἀσμένη ἐδήλωσεν ἀκρατὴς μὲν ὀργῆς οὖσα, κρείσσων δὲ τοῦ δικαίου, πολεμία δὲ τοῦ προύχοντος. The dissolution of social order analyzed and described in the narrative of the Athenian plague (2.47–54) forms a close parallel. 24 Ibid. 3.82.3 f.: καὶ τὴν εἰωθυῖαν ἀξίωσιν τῶν ὀνομάτων ἐς τὰ ἔργα ἀντήλλαξαν τῇ δικαιώσει. τόλμα μὲν γὰρ ἀλόγιστος ἀνδρεία φιλέταιρος ἐνομίσθη, … τὸ δὲ σῶφρον τοῦ ἀνάνδρου πρόσχημα. 25 On isonomia politikē vs. aristokratia sōphrōn see ibid. 3.82.8: πλήθους τε ἰσονομίας πολιτικῆς καὶ ἀριστοκρατίας σώφρονος προτιμήσει. 26 See esp. Büchner 1960, 332 ff. who discusses the differences in more detail. 27 Cat. 10.5 (ambitio multos mortalis falsos fieri subegit, aliud clausum in pectore, aliud in lingua promptum habere, amicitias inimicitiasque non ex re, sed ex commodo aestumare magisque voltum quam ingenium bonum habere); Jug. 41.5.

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opposition to protect its power and privileges, and the oppressed people led by men (like the Gracchi) who preferred true glory to unjust domination.28 Violence and revenge are concentrated entirely on the side of the nobiles, and the final conclusion—another Thucydidean echo—sits awkwardly in its context: “what generally ruins great states” is that “each party will stick at nothing to overcome its opponents, and having done so, takes vengeance on them without mercy.”29 In the end it hardly surprises that Sallust uses the grand scope of this topic as an excuse to cut his analysis short and return to his narrative.30 This offers a clue to yet deeper differences. To put it very simply, in writing history, both Greek and Roman historians pursue “ulterior motives,” wanting to convey specific truths and lessons to be learned. To generalize (perhaps too broadly), while Greeks focus on political patterns that make history useful as an instrument to deal with political issues, Romans focus more on moral aspects, conveying exempla of virtuous and vile behavior to emulate and to avoid—as Livy says explicitly in his preface and Sallust and Tacitus illustrate through their narratives.31 Greek historians, foremost among them Thucydides and Polybius, are explicit about such “ulterior motives” and develop them in rhetorical or analytical set pieces (like Thucydides’ “pathology of civil war” or “Melian Dialogue”).32 The Romans prefer to let the narrative speak for itself, at most giving programmatic indications at the beginning. Sallust’s analytical digressions thus seem exceptional, a result of his emulation of Thucydides—which perhaps explains his discomfort at taking them too far. All this would encourage Greek authors to engage in explicit conceptualization, if not theorization, of phenomena like cruelty in civil strife, and discourage their Roman counterparts from doing so. But there may be yet other reasons that help explain this difference.

III These reasons, I suggest, lie in contrasting attitudes toward civil strife. Thucydides lived through the long and increasingly bitter Peloponnesian War and thus through a period in which war (polemos) became permanent, ubiquitous, brutal, and total, and stasis, equally brutal and total, an epiphenomenon of polemos that involved and affected all classes and the entire population.33 Such stasis grew 28 Jug. 41.6–42. 29 Ibid. 42.4: quae res plerumque magnas civitatis pessum dedit, dum alteri alteros vincere quovis modo et victos acerbius ulcisci volunt. 30 Ibid. 42.5. 31 Livy, pref. 10 f.; see esp. Chaplin 2000; Mehl 2011, index s.v. exempla; 2014. 32 Raaflaub 2010d, 194 ff. (also on Herodotus). 33 Thuc. 3.82.1; on the changing nature of war, see Raaflaub 1999, 141–47; Hanson 2001.

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out of the tension between two contrasting political systems (democracy and oligarchy) that was at least potentially present in virtually every Greek polis, intensely discussed, analyzed, and even theorized at the time, and thus an integral part of Greek political life.34 Thucydides, an exile for most of the war, was able to observe as an outsider what was going on. As in the cases of Herodotus and Polybius, it was this outsider status and perspective that enabled him to see things more sharply and drove him to search for the truth beneath the surfaces of propaganda and ideology and to penetrate to deeper levels of historical explanation.35 Like Herodotus, he was deeply immersed in the intense intellectual ferment and the competitive rhetorical culture of Athens in the second half of the fifth century. His History thus has a rare scientific and theoretical quality: the analysis and explanation of historical phenomena and patterns are an indispensable part of his historical enterprise, as important as the narrative.36 To some extent, this applies to Polybius too. In Rome factional strife grew out of tensions not between different constitu­ tions but different political methods. All, whether populares or optimates, belonged to the same elite, though, and ultimately shared the same values and ambitions.37 Moreover, Roman historians traditionally were members of that same ruling aristocracy; they were insiders and described history from an insider’s perspective. However critical they might be, they shared the Roman nobility’s traditional values and preferences. The tradition of historiography in Rome described and celebrated the achievements of precisely this elite, their competition for honor and leadership, and their virtues.38 Apart from being “exemplary” (as mentioned above), traditional Roman historiography thus, I suggest, was pragmatic, focused on res gestae, not on political theory and analysis, and interpreted the events through the narrative, not through inserted analytical set pieces. We should thus not expect to find here something along the lines of Thucydides’ “pathology of civil war.” Tacitus’s large historical works still follow this pattern. Sallust’s surviving works, by contrast, are historical monographs, standing outside the annalistic tradition, and Livy was not  a member of the

34 On stasis, see Lintott 1982; Gehrke 1985; Fisher 2000. On the debate about constitutions in the fifth century: Raaflaub 1989; Ober 1996, 1998. On theories developed to overcome stasis, see Raaflaub 2009. 35 On Thucydides’ exile: Thuc. 5.26. Outsider status and historiography: Boedeker 1998. On “de-ideologizing history”: Raaflaub 2010d, 194. 36 Thomas 1993, 1997, 2000 has demonstrated this for Herodotus; for a summary, see also Raaflaub 2002. It is no less true for Thucydides; see, e.g., Finley 1942, 36–73; Thomas 2006; see also n. 17 above. 37 Meier 1965; 1966, esp. 116 ff.; 1995, 40–44. 38 Rawson 1985, 215–32; Oakley 1997, 3–108; relevant chs. in Mehl 2011.

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Roman elite. This changes their perspective and makes their works especially interesting.39 But there is more. Although the competition among the elite got more intense, radical, violent, and exclusive, still for the longest time—well into Caesar’s civil wars—the competitors aimed at primacy within, not over the existing system. Hence, however far beyond traditional limits they might be willing to go, they were concerned with assuming in the end their place of pre-eminence as leaders of the res publica, not at destroying it. From this perspective, involvement in civil wars was a serious problem because it contradicted the traditional value of earning high status (dignitas) through service for the res publica.40 As a result, I propose, the elite developed mechanisms aimed at denying the reality of civil war, at least officially and publicly.41 Such denial in turn was not conducive to conceptualizing or theorizing civil war and its characteristics, be it by the participants themselves or the historians belonging to the same class. Unfortunately, the extant evidence severely limits our ability to observe these mechanisms of denial. None of the civil war histories are preserved that were written at or near the time: we do not have the historians who wrote about the 80s, nor Sulla’s autobiography; nor do we have Asinius Pollio’s history of the civil wars or Livy’s books covering these periods. The extant later historians and biographers all used earlier sources and offer valuable insights but they wrote in various genres, from the perspective of various later times and experiences, and with their own agendas. Still, they must not be ignored. Especially the remains of Tacitus’s Histories, focusing almost exclusively on the civil wars of 68–69  CE , Lucan’s epic, Dio Cassius’ Roman History, and the way Livy in his early decades (that are so obviously written with his own time in mind) deals with the issue of civil strife might yield good information.

39 It would be important to pursue and document this in some detail but such an effort would far exceed the space limitations set for this chapter; I hope to deal with this issue elsewhere. 40 For Caesar’s initially limited goals, see Raaflaub 1974, 219–25. For dignitas and res publica, see below at nn. 50, 52. 41 Mutatis mutandis, this process bears some resemblance to a much earlier one, by which the Roman aristocracy, specialized in political and military careers, integrated the potential for military defeat in its horizon of expectations and excluded it as a significant factor from political competition, thus to some extent denying its negativity; see Rosenstein 1990.

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IV I will not pursue these possibilities in this chapter, however, because we have an even better source that instructs us very directly on what I call the “denial of civil war,” from the pen of a participant and protagonist in one of these wars, Julius Caesar.42 In a nutshell, this is what we learn from him. The issue of legitimacy obviously was crucial. Those who controlled the senate and leading magistracies also controlled the tools of exclusion and condemnation the senate had created in the late second century to facilitate decisive action against those who threatened the status quo: “emergency decree” (senatus consultum ultimum) and categorization as “public enemy” (hostis publicus).43 By these means groups or individuals who went too far in opposing those who predominated in the senate—whether subjectively or objectively—were disenfranchised and turned into outside enemies; civil war was transformed into an external war fought under the banner of defending and saving the res publica. The harsh principles of fighting an external war were applied—and exceeded: no negotiations about a compromise were conducted with an enemy, only his capitulation could reestablish peace. No neutrality was acceptable in a war in defense of the res publica; hence those who did not actively join the defenders were considered enemies. And in this case, unlike in an external war, no pardon was permissible for those who were caught fighting the res publica: they were executed and massacred mercilessly.44 For the side claiming to represent the Roman state and government—in this case, Caesar’s opponents—there was therefore no civil war, only a war against a rebel who needed to be defeated and destroyed. The political and ideological position assumed by the defenders of the res publica justified, and personal hatred enhanced, crudelitas and excluded lenitas.45 It is worth noting here that the extant sources about the civil wars of the 80s emphasize the role of personal hatred and the desire not only to defeat but to destroy the opponents; hence the “criminalization” of the defeated

42 The evidence for Caesar’s goals and for the divergent political strategies of Caesar and his opponents in the civil war is collected and interpreted in Raaflaub 1974; see also id. 2007, 2010a–c. For the broader context, see Meier 1970, 1995. 43 On these instruments, see Meier 1966, 146–48; von Ungern-Sternberg 1970; on the sena­ tus consultum ultimum passed against Caesar: Raaflaub 1974, 72–105. See also relevant sections in Lintott 1968; Brunt 1971. 44 For full documentation on these aspects, see Raaflaub 1974, pt. III . 45 Threats, not least of imitating Sulla, thus were part of the political arsenal of Pompey and his followers: ibid. 294 f. with sources. On personal hatred, see Raaflaub 2003, 41–48. Labienus’ statement, “Until Caesar’s head is delivered to us, there can be no peace!” is only an extreme case (Caes. BC 3.19.8).

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by the victors and the excessive violence used against them in massacres and proscriptions.46 The other side’s position was radically different. However justified their claims and complaints might be, they initially had no legitimacy whatsoever and were excluded from the state as rebels and outcasts. This is the situation in which Caesar and his troops found themselves in early 49 when the senatus con­ sultum ultimum had been passed and they were declared hostes publici. Hence Lucan perceptively lets Curio (the tribune of the plebs who had defended Caesar’s interests in Rome and joined Caesar after his office expired) say to Caesar: “Your victory will make us citizens again.”47 In order to cope with this problem, Caesar early in the war made a dramatic change in his political strategy. Initially he had positioned himself as the defender of liberty: his own and that of the Roman people and the tribunes of the plebs who, in his presentation, were all oppressed by a small faction in the senate. This is the thrust of his argument in the opening section of his commentarius on the civil war (down to the bloodless capitulation of Domitius Ahenobarbus and his army at Corfinium in the spring of 49, a few weeks into the war), supported by statements of Hirtius at the end of book 8 of the Gallic War, by contemporaneous coins issued by his mint masters, and by other evidence.48 Although he continued to present himself as the leader of what I have called “a grand coalition of true Romans,” he discovered the difficulties of confronting his enemies on the political level where they had the upper hand, and with a slogan (liberty) they had continually used against him (and his allies) since 59.49 He thus decided to focus entirely on another argument he had also used from the beginning: that he was not fighting against senate, people, or res publica, only against the small coterie of his enemies who were intent on destroying him. Caesar’s own statements, Cicero’s contemporaneous comments, and observations of later writers show that this change had profound semantic and political consequences. The war now became an eminent Roman’s self-defense against his personal enemies (inimici, not hostes); it was not a bellum civile but a “disagreement among citizens” (civilis dissensio, civiles controversiae, civile discidium); ultimately, it was nothing but a contest about dignitas, a digni­ 46 One obvious example is Sulla’s explanation for the massacre among the survivors of the final battle of the civil war at the Colline Gate as nothing but punishment exacted on a bunch of criminals (Plut. Sulla 30.3 ff.; App. BC 1.93.432; Liv. Per. 88; Dio frg. 109.5). See Lovano 2002 (with sources) and, more generally, Keaveney 1982. 47 Phars. 1,279: tua nos faciet victoria cives. 48 Caes. BC 1.2.2, 1.9.5, 1.22.5; Hirt. BG 8.52.3. The coins: BMCRR Rome 3983–3985, 4011– 4013; Weinstock 1971: 140 with figs. 15.7 f.; Crawford 1974: nos. 449.4, 473.1 (pl. LIII, LVI); Sear 1998: nos. 23, 86. For dates and discussion, see Raaflaub 2007, 239–241. 49 Grand coalition: Raaflaub 2010b. The use of liberty as a slogan by Caesar’s opponents: Raaflaub 2003, 48–50; 2007, 243–245.

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tatis contentio.50 Caesar’s goal was only to gain the eminent position within the res publica he had earned through his merits and achievements for the res publica – a position his enemies denied him, using the resources of the state. His claims included a return to Rome with honor for his victories (and rewards for his soldiers) and a second consulship—demands that all in substance were unobjectionable.51 This line of self-defense was entirely understandable to Caesar’s peers, even if most of them would have been reluctant to go to the extremes that he did. Cicero confirms the justification of his political claims but points out, as does Pompey, that by pursuing these claims through a war, de facto against the res publica, Caesar undermined the force of his previous merits for the res publica.52 Caesar responded by insisting on the personal dimension of the conflict and drawing the political consequences this imposed on him, establishing principles that were diametrically opposed to those of the other side. He sought a negotiated peace at every turn of the war; he accepted and encouraged the neutrality of those who did not want to be involved; he recognized the Roman citizens on the other side, and he pardoned those whom he captured during the war—as long as they did not resume their fight against him.53 His denial of civil war thus made it possible to counter cruelty with leniency. Clemency or leniency, first demonstrated spectacularly at Corfinium, then repeatedly throughout the war, became his catchword: he emphasizes it in his commentarius on the war, and Cicero mentions it repeatedly to enhance his chances in defending the dictator’s former opponents. It was acknowledged officially when his two statues on the Rostra were decorated with an oak wreath (corona civica) for saving the lives of citizens and a grass wreath (corona obsidionalis) for having delivered the state from great danger, both expressing Caesar’s recognition as savior and father of the fatherland (parens patriae), and when a temple was dedicated for Divus Iulius and Clementia in which Caesar and the goddess stood clasping their hands – a temple also featured on a posthumous coin with the legend Clementia Caesaris.54 Typically, Caesar’s multiple triumphs in 46 celebrated victories over

50 Dignitatis contentio: Quint. Inst. 11.1.80. Inimici: Caes. BC 1.3.4, 1.4.1, 1.4.4, 1.7.1, etc.; Caesar’s opponents not hostes: Cic. Pro Marc. 13; Pro Lig. 19; Pro Deiot. 9. Civilis dissensio etc.: Caes. BC 1.67.3; 3.1.3 (bellum used only for military actions); Cic. Att. 10.8B.2; Pro Lig. 19. On all this, see Raaflaub 1974, pt. II . 51 See, e.g., Caes. BC 1.9.2, 1.32.3; Cic. Att. 7.7.6, 7.9.3, among many others: see Raaflaub 1974, 125–136. 52 See esp. Caes. BC 1.8 f.; Cic. Att. 7.11.1; Raaflaub 1974, 149–152. 53 All this is discussed in detail ibid. pt. III . 54 On Caesar’s clemency and leniency, see below nn. 64 ff. Temple of Divus Julius and Clementia: Plut. Caes. 57.4; App. BC 2.106; Dio 44.6.4. Posthumous coins celebrating clementia Caesaris and Caesar as parens patriae: BMCRR Rome 4177, 4187; Crawford 1974, no. 480,

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outside enemies: the Gauls, Egypt, Pharnaces, and Juba, and were silent about the defeated Romans.55 Let me add here, without discussing it in detail, that the denial of civil war is obvious as well in Augustus’ self-presentation in his report about his achievements (Res gestae). He mentions civil wars at the beginning and end but otherwise uses different terms (such as “civil disturbance”) and cloaks his civil war efforts in different and more acceptable terms: revenge for the murder of his father, defense of the res publica,56 and fight on behalf of Italy and the western provinces “in the war in which I was victorious at Actium.” Here as elsewhere Brutus, Cassius, and Antonius are not mentioned by name but alluded to anonymously: “those who murdered my father; he with whom I fought  a war.”57 Augustus too celebrated his multiple triumphs only for victories over outside enemies: the Illyrians, Cleopatra, and the conquest of Egypt. Monuments and rituals after his victory at Actium uniformly celebrated his achievement for the res publica.58 The violence and cruelty in his early career was, according to Tacitus, controversially discussed even at the time of his death; it also informs the anxiety Vergil dramatizes in the final scene of the Aeneid. Against this background, Augustus too emphasized his clemency: “as victor I spared the lives of all citizens who asked for mercy.”59 He was honored for it by the clupeus virtutis, the golden shield displayed in the Curia Julia, given him, as he proudly emphasizes, “by the senate and people of Rome on account of my courage, clemency, justice and piety.”60 Henceforth, clementia was firmly embedded among the canonical virtues of the emperors.61 I suggest that a detailed examination of the extant evidence would show that the same mechanisms of official denial of civil war and their consequences in ideology, self-representation, and political action (though more of crudelitas than clementia) were at work in the civil wars of the 80s and 30s. 19–21 (table LVII); cf. pp. 494 f. Corona civica, corona obsidionalis, and parens patriae: Weinstock 1971, 148–152; Alföldi 1978. 55 On Caesar’s triumph, see Gelzer 1968, 284 f. 56 Bella civilia: 3.1, 34.1; civilis motus: 10.2. Revenge and defense of res publica: 2 (typically, the murderers of Caesar are here presented as not only exiled but attacking the res publica, thus as equal to outside enemies). 57 Ibid. 25.2 (belli, quo vici ad Actium; trans. P. A. Brunt); 2 (Qui parentem meum trucidaver­ unt); 24.1 (is, cum quo bellum gesseram; my trans.). 58 Augustus’ triumphs: Kienast 1999, 76. Celebration of achievements for the res publica: see the list in Raaflaub 2007, 231 f. 59 Tac. Ann. 1.9–10; Vergil, Aen. 12.930–12.952 (see Putnam 1965, ch. 4); Aug. RG 3.1 (vic­ torque omnibus veniam petentibus civibus peperci). 60 RG 34.2: mihi senatum populumque Romanum dare virtutis clementiaeque iustitiae et pietatis caussa testatum est. On the shield and the individual virtues, see, e.g., Galinsky 1996, 80–90. 61 Fears 1981; Classen 1991.

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V Of course, the official self-representation of the warring parties did not prevent contemporaneous observers and later historians to call things by their real names: Cicero’s letters are highly instructive in this respect.62 But let me return to Caesar to highlight an important semantic difference in the terminology of clemency. In the Gallic War, Caesar misses few opportunities to emphasize the reputation of clemency he had acquired in dealing with defeated and repenting enemies. (Incidentally, in this too Augustus followed his adoptive father: “When foreign peoples could safely be pardoned, I preferred to preserve rather than to exterminate them.”)63 The Gauls soon recognized his disposition toward clemency and took advantage of it. As later in the civil war, the principle was that first offenders would be pardoned, unless special circumstances prevented this, but repeat offenders were liable to be punished most severely (by summary execution, collective sale into slavery, or, as Hirtius tells us, mutilation of all male fighters).64 The vocabulary describing this preference varies a great deal; it includes “mildness” (mansuetudo, lenitas), “commiseration” (misericordia), and “humanity” (humanitas) among others. Twice Caesar himself (both times in book 2) and twice Hirtius (in book 8) use clementia.65 This word is thus by no means a staple in the vocabulary of the Gallic War, but it occurs. This evidence, I should add, suggests that a preference for clemency was inherent in Caesar’s character; his policy both in the Gallic and especially in the civil war was thus not only the result of political calculation and expediency.66 In the civil war, however, Caesar avoided the word clementia; so did his supporters (Balbus, Oppius, and Sallust). Caesar mostly describes his acts of pardoning defeated enemies without making big pronouncements of principle.67 In his report, he mentions the vanquished opponents’ fear for their safety (salus), 62 See nn. 72, 74 below. 63 RG 3.2: Externas gentes, quibus tuto ignosci potuit, conservare quam excidere malui. 64 Clemency: e.g., BG 2.14.5, 2.31.4, 2.32.1; 6.4.2; 8.3.5, 8.21.2. Punishment: e.g., 2.33.6; 8.44.1. For discussion with more references, see Konik 1988 (rather weak); Campi 1997. 65 Campi 1997 tries to explain the strange concentration of these passages in only two books. 66 Even the rareness of Caesar’s own use of clementia in the Gallic War and his preference for terms that are more apt to describe a personal quality seems to me to support this conclusion. This issue, however, has been much debated, not least on the basis of statements of Caesar’s own supporters in the civil war that suggest otherwise: Cic. Att. 9A.1 ­(Caelius), 10.4 (Curio); but see, e.g., Cic. Fam. 6.6.8 f. (in Caesare haec sunt: mitis clemens­ que ­natura); Att. 9.16.2 (quoted below). For discussion, see, e.g., Dahlmann 1934; Wickert 1937, 234–244; Syme 1939, 159; Treu 1948. 67 But the author of B. Alex. 70.3 formulates such a principle.

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their appeal to his misericordia, his intention to avoid evil acts (maleficium) and show misericordia, and his concern for the lives of fellow citizens (whether in his own or the opponents’ army).68 The most telling statement follows upon the victory of Pharsalus: defeated and encircled on a hill, the enemy soldiers handed over their weapons, “threw themselves on the ground, and begged ­[Caesar] to save their lives. He encouraged them, made them get up, and, to reduce their fear, said  a few words to them about his leniency (de lenitate sua). He spared them all…, making sure that none of them was hurt or lost any of his possessions.”69 The words Caesar uses in the Bellum civile thus are misericordia, lenitas, and others of this sort. Cicero’s correspondence confirms this and offers valuable context. On Feb. 9, 49 (less than  a month after Caesar invaded Italy), Cicero wrote to Atticus: “You fear a massacre, and with good reason; not that it will help Caesar to achieve lasting peace and domination but I see under whose influence he is going to act.”70 Very soon after this followed the sensational large-scale pardon of defeated opponents at Corfinium, including a number of senators and equestrians.71 On March 4, Cicero commented on the dramatic swing in public opinion in Rome and Italy this act was causing: “The truth is that any evil this Pisistratus [Caesar] has not done is earning him as much popularity as if he were to have stopped someone else doing it. In him they hope to find a gracious power, while Pompey they think is an angry one… They are delighted with his artful clemency (insidiosa clementia) and fear the other’s wrath.”72 One day later, Caesar himself wrote to two of his assistants: I am glad that you approve of what happened at Corfinium… I had already decided on a policy to demonstrate as much leniency as possible (ut quam lenissimum me praeberem) and to make every effort to reconcile Pompey. Let’s try whether in this way we can regain the goodwill of all people and achieve lasting victory, because others have not been able by cruelty to escape hatred and to hold on to victory for any length of time – except only for Sulla whom I am not going to imitate. Let this

68 Salus: BC 1.22.3–6; 3.98.2; misericordia: 1.84.5; avoiding maleficium: 1.22.5; concern for lives of citizens: 1.72.1–3; 1.74.1; 1.85.1; 3.90.2. 69 Ibid. 3.98.2: proiecti ad terram … ab eo salutem petiverunt, consolatus consurgere iussit et pauca apud eos de lenitate sua locutus, quo minore essent timore, omnes conservavit militibusque suis commendavit, nequi eorum violaretur neuquid sui desiderarent; my trans. 70 Cic. Att. 7.22.1: Tu caedem non sine causa times, non quo minus quicquam Caesari expe­ diat ad diuturnitatem victoriae et dominationis, sed video, quorum arbitrio sit acturus. 71 Caes. BC 1.23. 72 Cic. Att. 8.16.2: sed plane, quicquid mali hic Pisistratus non fecerit, tam gratum est, quam si alium facere prohibuerit; hunc propitium sperant, illum iratum putant. … huius insidiosa clementia delectantur, illius iracundiam formidant.

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be our new way of conquering: to protect ourselves by mercy and generosity (mise­ ricordia et liberalitas).73

It is almost as if Caesar was responding to Cicero’s earlier comment. In a letter, Cicero congratulated Caesar for his clemency at Corfinium (clementia Corfi­ niensis) upon which Caesar responded by re-emphasizing his aversion to cruelty (crudelitas), adding: “Nothing pleases me better than that I should be true to my nature and they [the Pompeians] to theirs.”74 We witness here the formulation of a new policy, essentially unprecedented in Rome, based on clemency and radically opposed to the principle of crudelitas applied in such situations in the past and by Caesar’s opponents. The words emphasized for this purpose are lenitas, misericordia, and liberalitas, not cle­ mentia—the word Cicero uses. Scholars have long recognized the reason for this semantic difference. In De clementia, Seneca writes: “In a position of unlimited power, this is in the truest sense self-control and an all-embracing love of the human race even as of one-self—not to be perverted by any low desire, or by hastiness of nature, or by the precedent of earlier princes into testing by experiment what licence one may employ against fellow-citizens, but rather to dull the edge of supreme power.”75 Clementia is thus characteristic of a person who of his own volition limits the exercise of the power he holds over another person’s body, life, and property. It entails  a massive power difference between giver and recipient and is thus attributed to a judge, the father exercising his patria potestas, or a victor in an external war. Appeal to clementia implies awareness of inferiority, guilt, and regret for one’s action; its application suggests pardon for a wrong committed and restraint in not using a right to punish.76 Had the Pompeians used generosity in dealing with captured troops of Caesar, their political stance as defenders of the state against a rebel would have entitled them to proclaim clementia. In abandoning the political platform and choosing to use 73 Ibid. 9.7C.1 (to Balbus and Oppius): Gaudeo mehercule … quam valde probetis ea, quae apud Corfinium sunt gesta. … mea sponte facere constitueram, ut quam lenissimum me praeberem et Pompeium darem operam ut reconciliarem. temptemus, hoc modo si possi­ mus omnium voluntates recuperare et diuturna victoria uti, quoniam reliqui crudelitate odium effugere non potuerunt neque victorium diutius tenere praeter unum L.  Sullam, quem imitaturus non sum. haec nova sit ratio vincendi, ut miscericordia et liberalitate nos muniamus. 74 Ibid. 9.16.1 f. (trans. Shackleton Bailey): nihil enim malo quam et me mei similem esse et illos sui. 75 Sen. De clem. 1.11.2: haec est in maxima potestate uerissima animi temperantia et humani generis [comprendens ut sui] amor non cupiditate aliqua, non temeritate ingenii, non priorum principum exemplis corruptum, quantum sibi in ciues suos liceat, experiendo temptare, sed hebetare aciem imperii sui. 76 For further discussion, see Dahlmann 1934; Treu 1948; Voi 1972; Grimal 1984; Borgo 1985; Konstan 2005.

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that of personal enmity, Caesar had to avoid clementia and to choose words that were not loaded with implications of a political power differential. This explains the switch from clementia in the Bellum Gallicum to lenitas and similar words in the Bellum civile. Cicero and other observers, contem­ porary and later, of course, continued to use clementia, connecting it implicitly or explicitly (as in the letter quoted before) with alleged aspirations to sole power (regnum, tyrannis) – a stance emphasized demonstratively by Cato the Younger who refused to accept the tyrant’s clemency. It is thus revealing for the gradual shift in Caesar’s own self-perception that already in 46, in his speeches defending Caesar’s former opponents in front of the dictator as judge, Cicero did not hesitate to praise Caesar’s clementia in the civil war.77 The temple of Divus Julius and Clementia (mentioned earlier) sealed this change, even if after the dictator’s death, acknowledging, among many other things, that Caesar had become  a ruler. Quite appropriately, despite Augustus’s claim to have restored the res pu­ blica, it was clementia that was inscribed on his clupeus virtutis.

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77 Cicero’s praise of Caesar’s clementia: e.g., Pro Marc. 1.1, 3.9; Pro Lig. 4.10, 10.29; Pro Deiot. 3.8, 14.40, 15.43.

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Jan Timmer

Freundschaft, Patronage und die Sprache des Vertrauens

»Wir müssen neue Wörter schaffen und den neuen Gedanken neue Namen geben.«1 So formulierte Cicero 45 v. Chr., und es liegt nahe, die hier zum Ausdruck gebrachte (aktive) Veränderung der Sprache, die neuen Begriffe ebenso wie die neuen Begriffsinhalte, mit den gesellschaftlichen Veränderungen der späten Republik – insbesondere in Folge von Caesars Sieg in Munda – in Verbindung zu bringen.2 Seit der Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. lassen sich Prozesse der Ausdifferenzierung und zunehmenden Desintegration beobachten, die sich ab der Jahrhundertwende deutlich beschleunigten, und an deren Ende bekanntlich der Untergang der Republik stand. Dieser beschleunigte sozio-politische Wandel führt zu der Frage, wie die Akteure die sich verändernde soziale Realität erfassten bzw. versprachlichten. Dabei ist zunächst einmal anzunehmen, daß sich eine parallele Entwicklung zeigt, sich also gesellschaftliche Realität und Sprache wechselseitig beeinflußten und weitgehend gleichzeitig veränderten, wobei selbstverständlich im Einzelnen, um mit Reinhart Koselleck zu formulieren, sowohl Bedeutungsüberhänge wie Vorgriffe denkbar sind.3 Diese allgemeinen Überlegungen zur Gleichzeitigkeit von historischem und sprachlichem Wandel lassen sich – ebenfalls von Koselleck inspiriert – zu einer Leithypothese weiterentwickeln: Fast wie in einer kleinen ›Sattelzeit‹ führten Krise der Republik und anschließende Transformationsphase dazu, daß die unterschiedlichen beteiligten Parteien um die richtigen Inhalte von Begriffen rangen und ihre Positionen durchzusetzen suchten. Der beschleunigte gesellschaftliche Wandel ging damit einher, daß neue Begriffe entstanden, alte Begriffe mit neuen, dem neuen historischen Umfeld angemesseneren, Inhalten verbunden wurden, und sich die Verbindungen von Begriffen neu ordneten, wobei diese Neufassung der Begriffe,

1 Cic. fin. 3,3 (übers. v. O. Gigon / L. Straume-Zimmermann): Stoicorum autem non ignoras quam sit subtile vel spinosum potius disserendi genus, idque cum Graecis tum magis nobis, quibus etiam verba parienda sunt inponendaque nova rebus novis nomina. 2 Zur politischen Einordnung der Schrift vgl. etwa Collins 1995. 3 Koselleck 1972, XVIII; XXI; vgl. auch Steinmetz 2008, 174–197; 185.

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die Verbindung von ›neuen Wörtern‹ und ›neuen Gedanken‹ in der Regel nicht konfliktfrei vor sich ging.4 Diese Leithypothese soll im Folgenden am Beispiel der Semantik von Freundschafts- und Klientelbeziehungen geprüft werden. Bei der hohen Bedeutung, die diese Institutionen für die Gesellschaft der römischen Republik besaßen, ist zumindest ein Anfangsverdacht gegeben, daß sich sprachlicher Wandel ebenso wie Auseinandersetzungen um die ›richtigen‹ Bedeutungen von Kernbegriffen im Befund nachweisen lassen werden. ›Neue Wörter‹ und ›Neue Gedanken‹ sind nun immer auch der Anspruch – oder zumindest die Hoffnung  –, wenn es überhaupt darum geht, einen Gegenstand zu bearbeiten. Allerdings ist es im Fall der Semantiken von Freundschafts- und Klientelbeziehungen mit den ›neuen Gedanken‹ zum Thema nicht leicht. Es ist in unterschiedlichen Kontexten viele Male behandelt worden; sei es im Rahmen der Forschungen zu den römischen »Wertebegriffen«,5 sei es dort, wo »Freundschaft« oder »Patronage« selbst im Mittelpunkt der Untersuchung standen,6 sei es im Rahmen von Untersuchungen zur Interaktion innerhalb der Elite der Republik.7 Daher kann es lediglich darum gehen, einen Aspekt zu beleuchten, der bisher zumindest nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden hat. Es soll daher im Folgenden gefragt werden, welche Rolle ›Vertrauen‹ für das Funktionieren des politischen Systems der römischen Republik spielte bzw. wie durch Sprache und die verwendeten Begriffe die Grundlagen dafür gelegt wurden, daß ›Vertrauen‹ in sozialen Interaktionen entstehen konnte bzw. bestehendes ›Vertrauen‹ stabilisiert wurde und schließlich, welche Rolle die Krise der Republik dafür spielte, daß sich die Semantiken von Vertrauen innerhalb von Freundschafts- und Patronagebeziehungen veränderten. Dazu ist in einem ersten Schritt nach der Funktion von Vertrauen innerhalb der Gesellschaft der römischen Republik zu fragen; zum zweiten auf die sprachlichen Formen und die zentralen Begriffe einzugehen, mit denen Akteure versuchten, den jeweils anderen von ihrer Vertrauenswürdigkeit zu überzeugen, und schließlich soll nach Veränderungen der sprachlichen Form gesucht und – soweit vorhanden  – der semantische Wandel in der Zeit der späten Republik erklärt werden. * 4 Koselleck 2003. 5 Meister 1950; Steinberger 1955; Klein 1957; Heinze 1960; Pöschl 1980. 6 Ohne jedweden Anspruch auf Vollständigkeit vgl. zum Thema: Burton 2000; Burton 2004; Fürst 1997; Fürst 1999; Gotter 1996; Heil 2007; Konstan 2005; Lundgreen 2013; Powell 2005; Saller 1989; Verboven 2002; Verboven 2011; White 2007. 7 Schneider 1998.

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Die Grundlage für eine Analyse der ›Sprache des Vertrauens‹ müssen dabei Überlegungen zur Funktion von Vertrauen im politischen System und seiner Rolle innerhalb von Sozialbeziehungen bilden.8 Dabei können diese Überlegungen zu Strukturen und Funktionen allerdings lediglich thesenhaften Charakter besitzen. Das politische System der römischen Republik läßt sich als nicht-formalisiertes Verhandlungssystem beschreiben. Das ist weitgehend ein Synonym für den in der Alten Geschichte gebräuchlicheren Begriff des »Konsenssystems«, den Egon Flaig ausgehend von dem Konzept und in der Terminologie Giovanni Sartoris in die Diskussion eingebracht hat,9 vermeidet aber die allzu harmonischen Vorstellungen, die durch den Gebrauch des Begriffes »Konsens« bei einigen geweckt zu werden scheinen.10 Dies bedeutet, daß kollektiv verbindliche Entscheidungen dadurch getroffen werden, daß die relevanten, unabhängigen Akteure so lange miteinander verhandeln, bis es gegen die ausgewählte Handlungsoption keinen signifikanten Widerstand mehr gibt und Entscheidungen demzufolge nicht durch die bloße Herstellung einer wie auch immer gearteten Mehrheit produziert, geschweige denn legitimiert werden können. Gelingt es nicht, Entscheidungen über Verhandlungen, die mit Einmütigkeit enden, herzustellen, so bleiben, wenn man die Entscheidungsregel nicht für den Einzelfall suspendieren will – und dies ist nach dem Ende des 2. Punischen Krieges zunehmend weniger der Fall – das Nicht-Entscheiden oder die gewaltsame Durchsetzung als Möglichkeiten der Entscheidungsfindung.11 Der Ort, an dem sich in erster Linie zeigt, daß es sich um solch ein nicht-formalisiertes Verhandlungssystem handelt, ist dabei derjenige, an dem zwischen verschiedenen Handlungsoptionen ausgewählt wird, und das bedeutet nicht die Volksversammlung und auch nicht primär die dieser vorausgehende contio,12 sondern vor allem die Senatssitzung und die in ihrem Vorfeld angesiedelten Verhandlungen zwischen den Mitgliedern der Nobilität.13 8 Grundsätzlich zu Vertrauen und seiner Funktion vgl. etwa: Endreß 2010; Luhmann 2000; Möllering 2005; Möllering 2006; Nooteboom 2003; Offe 1999; Offe 2001; Schaal 2004; Scharpf 2000; Sztompka 1999. 9 Zu dem Konzept und den Differenzen zum Konsenssystem vgl. Timmer 2014. 10 Flaig 1995; Flaig 1997; Flaig 1998; Flaig 2003; Flaig 2013, bes. 29–51; 351–383; Flaig 2014. 11 Zur Entwicklung der Entscheidungsregel im 2. Jahrhundert v. Chr. vgl. jetzt: Märtin 2012; zur Rolle der Gewalt etwa: Lintott 1999; Nippel 1988. 12 Anders der Ansatz von Flaig, der in seinen Beiträgen zur römischen Republik als Konsenssystem vor allem die Rolle der contiones untersucht hat; vgl. so bereits Flaig 1995, 91 f. 13 Vgl. besonders die Darstellung Varros zur Entscheidungsfindung im Senat Gell. N. A. 14,7,9 f.: Docet deinde inibi multa: quibus diebus haberi senatum ius non sit; immolareque hostiam prius auspicarique debere, qui senatum habiturus esset, de rebusque diuinis prius quam humanis ad senatum referendum esse; tum porro referri oportere aut infinite de

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Die vergleichsweise hohe Wahrscheinlichkeit, daß das politische System nicht entscheidet bzw. gar nicht in der Lage ist zu entscheiden, geht dabei einher mit einer geringen Regelungsdichte und ausgeprägten Möglichkeiten dessen, was man wohl ›gesellschaftliche Selbstregulierung‹ nennen könnte, also der Möglichkeit der Familien bzw. ihres jeweiligen Oberhauptes, Probleme vor Ort selbstständig zu lösen.14 Insgesamt hat dieses System der Herstellung kollektiv verbindlicher Entscheidungen den Vorzug, daß es Entscheidungen produziert, die nahe des ParetoOptimums liegen und zudem dadurch, daß alle einbezogen werden, eine hohe Zustimmung wahrscheinlich ist.15 Nachteile liegen in den hohen Transaktionskosten und dem Umstand, daß das System dazu neigt, bestehende Ungleichheit nicht nur zu reproduzieren, sondern auf Dauer zu verstärken. Dies führt vor allem dann zu Problemen, wenn die Gruppe, die entscheidet, zumindest idealiter auf eine gewisse Homogenität hin angelegt ist.16 Wenn sich nun das politische System der römischen Republik als solch ›nichtformalisiertes Verhandlungssystem‹ beschreiben läßt, und demzufolge auch die diesen Systemen eigenen Nachteile besitzt, dann steht zu erwarten, daß es Mechanismen gibt, die die Funktion besitzen, die beschriebenen Nachteile zu begrenzen. Diese Mechanismen können dabei auf der Ebene der Ausgestaltung von Verfahren liegen, ebenso wie – und für die Stabilität des Systems ist dies auf Dauer wichtiger – auf der Ebene der Wahrnehmungs- und Handlungsdispositionen der beteiligten Akteure.17 Auf die Notwendigkeit einer »Disposition zum Nachgeben« innerhalb von »Konsenssystemen« hat besonders Egon Flaig wiederholt verwiesen.18 Mit dieser allein ist es aber nicht getan, bzw. die Formulierung bildet einen Überbau für verschiedene, prinzipiell durchaus unterscheidbare, Eigenschaften. Hierzu gehört zum ersten die eigentliche Bereitschaft, seinen eigenen Willen nicht mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen den Willen der Anderen durchzusetzen. Zum zweiten braucht es die davon strukturell zu unterscheidende Wahrnehmung des Vorteils, den der Andere gewinnt, als eigenen Gewinn und

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republica aut de singulis rebus finite; senatusque consultum fieri duobus modis, aut per discessionem, si consentiretur, aut, si res dubia esset, per singulorum sententias exquisitas; singulos autem debere consuli gradatim incipique a consulari gradu. Vgl. Timmer 2009. Zur Regelungsdichte nun grundlegend Lundgreen 2011; zum Zusammenhang des auf Konsens hin ausgerichteten politischen Systems und den umfangreichen Rechten des pater familias vgl. Martin 1984; Martin 2002. Grundlegend: Coase 1960; vgl. Buchanan – Tullock 1992; Scharpf 2000, 197 f.; zur Reduktion der Legitimitätsprobleme von Entscheidungen durch Anwendung der Entscheidungsregel auch Sartori 1997, 212–233. Sartori 1984, 85 f.; Sartori 1997, 215–222; Scharpf 2000, 198. Ebd., 229–236. Flaig 2003, bes. 105 f.; Flaig 2013, 42 f.

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damit verbunden eine Handlungsdisposition, die darauf ausgerichtet ist, daß der Standesgenosse seine eigenen Interessen befriedigen kann – also eine solidarische Interaktionsorientierung. Zum dritten beinhaltet der Oberbegriff eben nicht zuletzt das Vertrauen darauf, daß auch der jeweils Andere in seinem Handeln das eigene Wohl mitberücksichtigen wird. Die Bedeutung von Vertrauen geht hier über das hinaus, was es stets leistet: nämlich die Reduktion von Komplexität und die Ermöglichung von Kooperation.19 Diese Funktionen erfüllt es selbstverständlich auch. Darüber hinaus aber zielt es im Besonderen auf die spezifischen Nachteile des Verhandlungssystems. Es senkt die Transaktionskosten, indem es grundsätzlich die Sorge reduziert, von den Mitsenatoren (oder anderen Verhandlungspartnern) ausgenutzt zu werden,20 und zwar vor allem in zwei Konstellationen, die mit besonders hohen Transaktionskosten verbunden sind: Zum einen Verhandlungen über den zeitversetzten Austausch von Gütern und Leistungen, zum anderen im Rahmen des sogenannten Verhandlungsparadoxons. Dabei handelt es sich um das Problem, daß derjenige, der am meisten dazu beiträgt, daß es überhaupt etwas zu verteilen gibt, nicht notwendig entsprechend seines Beitrages bei der Verteilung Berücksichtigung findet, vor allem – und zwar strukturell bedingt – dann nicht, wenn die grundsätzliche Homogenität der Gruppe gesichert werden muß.21 Der Ort, an dem dieses benötigte Vertrauen entstehen und wirken kann, ist nun vor allem die persönliche Interaktion.22 Zwar gibt es auch generalisierte Formen von Vertrauen: Vertrauen in politische Organisationen, in die Verfassung, in das politische System als solches; aber Keimzelle des Vertrauens ist der möglichst regelmäßige Umgang einzelner Akteure miteinander. Hier lernt man sich kennen, hier entsteht die Grundlage dafür, das zukünftige Verhalten des Gegenübers einzuschätzen, hier entsteht gegebenenfalls auch eine Vertrauen befördernde Interaktionsorientierung, also die Wahrnehmung des Wohls des Anderen als eigenen Gewinn. Es sind ganz wesentlich Freundschafts- und Patronagebeziehungen, in denen Vertrauen wächst. * Gleichwohl ist Vertrauen aber nun  – auch in Formen persönlicher Interaktion – nicht selbstverständlich. Es ist vielmehr an Voraussetzungen gebunden, und zwar daran, daß derjenige, der Vertrauen schenkt, denjenigen, dem er sein Vertrauen schenkt, für vertrauenswürdig und verläßlich hält. Dies gilt umso 19 20 21 22

Luhmann 2000, 27–38. Offe 2001, 257; Möllering 2006, 24–43. Lax – Sebenius 1986; Scharpf 2000, 211. Luhmann 2000, 20–27; Möllering 2006, 94–99; Nooteboom 2003, 69–86.

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mehr, da es sich bei Vertrauen um eine riskante Vorleistung handelt, bei der die Defektion des Anderen einen größeren Schaden verursacht als die Kooperation Gewinn einbringt.23 Wenn aber Vertrauen daran gebunden ist, daß ego den Anderen für vertrauenswürdig und verläßlich hält und dies im wesentlichen aus der Erfahrung einer gemeinsamen Vergangenheit, also Vertrautheit, heraus,24 dann muß erwartet werden, daß die Bedeutung dieser beiden zentralen Eigenschaften im Begriffshaushalt der Gesellschaft sichtbar wird und es innerhalb von Sozialbeziehungen Zeichen  – sowohl sprachlicher wie nicht-sprachlicher Natur – gibt, über die der Vertrauensnehmer dem Vertrauensgeber eben seine Vertrauenswürdigkeit und Verläßlichkeit zu signalisieren vermag.25 Dies gilt vor allem dort, wo Vertrauen tatsächlich aktiv gestaltet wird, d. h. wo man sich darum bemüht, etwa aufgrund steigender Komplexität der Umwelt oder der Wahrnehmung bzw. der Zuschreibung des Zerfalls der Grundlagen sozialen Zusammenhalts, Vertrauen wachsen zu lassen, und dementsprechend Vertrauen bzw. seine Voraussetzungen thematisiert werden.26 Es gilt aber, wenn auch weniger ausgeprägt, auch für die häufigere Form, in der Vertrauen als weitgehend habitualisiertes und präreflexives Verhalten beobachtbar ist. Stets muß erkannt werden – und das bedeutet: es muß Zeichen geben –, wem man vertrauen kann und wem besser nicht.27 * Grundlage von Vertrauen ist Vertrautheit. Diese bewirkt, wie Niklas Luhmann formuliert hat, »relativ sicheres Erwarten«. Luhmann führt weiter aus: »In vertrauten Welten dominiert die Vergangenheit über Gegenwart und Zukunft. In der Vergangenheit gibt es keine ›anderen Möglichkeiten‹ mehr, sie ist stets schon reduzierte Komplexität.28 Die Orientierung am Gewesenen kann daher die Welt 23 Luhmann 2000, 27 f.; Eisenstadt 2001, 334; die Bedeutung des Risikos relativierend Endreß 2010, 94 f. 24 Möllering 2005, 20 f.; Offe 2001, 253 f. 25 Zum Problem der Kommunikation eigener Vertrauenswürdigkeit bzw. zur deren Erkennbarkeit durch den Vertrauensgeber vgl. Möllering 2006, 46–50; Gambetta 2001. 26 Möllering 2006, bes. 99–103; allerdings ist gerade die Thematisierung von Vertrauen nicht unproblematisch. Nicht allein, daß diese nicht selten eher als Indikator dafür fungieren kann, daß es mit dem Bestehen von Vertrauen nicht weit her ist, die Betonung von Vertrauen also häufig Ausdruck bestehenden Mißtrauens ist, vielmehr kann die Thematisierung von Vertrauen selbst dort, wo noch kein Mißtrauen besteht, durch die mit der Reflexion einhergehende Unterbrechung von Vertrauensroutinen für Irritationen bei den Kommunikationspartnern sorgen – Irritationen, die zur Keimzelle schwindenden Vertrauens werden können. 27 Gambetta 2001. 28 Insofern dient die in den letzten Jahren intensiv untersuchte Konstruktion von Vergangenheit in der römischen Republik nicht allein der Herstellung kollektiver Identität,

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vereinfachen und verharmlosen. Man unterstellt, daß das Vertraute bleiben, das Bewährte sich wiederholen, die bekannte Welt sich in die Zukunft hinein fortsetzen wird«,29 wobei man die tatsächlich zur Verfügung stehenden Informationen überzieht. Aus der Vergangenheit ist die Zukunft nie eindeutig ableitbar.30 Wenn nun Vertrautheit die Grundlage von Vertrauen ist und man annimmt, daß Vertrauen von den Mitgliedern der römischen Elite angestrebt wurde, so nimmt es nicht Wunder, wenn Ciceros Briefe geradezu davon strotzen, daß er auf eine gemeinsame Vergangenheit mit seinem jeweiligen Briefpartner verweist – nach Möglichkeit sogar über die Lebensspanne dessen hinaus: »Mein Plancus! Die freundschaftlichen Beziehungen zu Eurem Hause habe ich angeknüpft, lange bevor Du geboren wurdest, Neigung zu Dir schon von Deiner frühesten Kindheit an gefaßt; jetzt, wo du in gereiftem Alter stehst, gründet sich unsere Freundschaft auf Zuneigung von meiner und Achtung von Deiner Seite.«31

Dieser Rückgriff auf die Jugendjahre als Indikator für eine langjährige und d. h. eben idealiter feste Freundschaft ist häufig. »Du hast Dich mir schon als Knabe angeschlossen, und ich hatte das Gefühl, daß Du stets eine Zierde für mich sein würdest«, versichert Cicero etwa C.  Cassius.32 Das Alter der Freundschaft ist wichtig, und auf dieses wird selbst in den Fällen verwiesen, in denen es mit der tatsächlichen Vertrautheit hapert: »Soweit ich mir die Vergangenheit vergegenwärtigen kann, bist Du mein ältester, bewährtester Freund«, schreibt Cicero im August des Jahres 44 v. Chr. an Matius, den er offensichtlich Anfang 49 v. Chr. schätzen gelernt hatte,33 auch wenn er selbst nicht umhin kommt, mit Blick auf die bestehende Vertrautheit, Einschränkungen zu machen. Weiter heißt es nämlich: »Deine langjährige Abwesenheit, meine politische Tätigkeit und die

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gemeinsamer Normen und Werte oder der Legitimation von Herrschaft, sondern erfüllt gleichzeitig die Funktion, eine Grundlage für die Entstehung einer Vertrauenskultur zu legen; vgl. Hölkeskamp 1996; Flower 1996; Walter 2004. Luhmann 2000, 22 f. Ebd., 23 f. Cic. fam. 10,3,2 (Übers. v. H. Kasten): Ego, Plance, necessitudinem constitutam habui cum domo vestra ante aliquanto quam tu natus es, amorem autem erga te ab ineunte pueritia tua, confirmata iam aetate familiaritatem cum studio meo tum iudicio tuo constitutam. Cic. fam. 15,14,6 (Übers. v. H. Kasten) tu puer me appetisti, ego autem semper ornamento te mihi fore duxi. Die Bekanntschaft selbst ist allerdings älter. Eine erste Erwähnung des Matius stammt aus dem Jahr 53 v. Chr. aus einem Brief an Trebatius (Cic. fam. 7,15,2), wobei jener als suavissimus doctissimusque bezeichnet wird. Eine sich durch Vertrautheit auszeichnende freundschaftliche Beziehung läßt sich aber aus dem Brief noch nicht ableiten. Vgl. auch Kytzler 1960, zur Freundschaft der Beiden bes. 104 f. Zur Rolle der Vertrautheit im Argumentationsgang vgl. Hall 2005, 195 f.; zur Rolle der Freundschaft im Briefwechsel auch Lundgreen 2013, 39–42, der die Auseinandersetzung in Beziehung zu Ciceros Laelius setzt.

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Verschiedenheit unseres Lebenslaufes ließen es dann nicht zu, daß sich unsere gegenseitige Zuneigung durch täglichen Umgang befestigte.«34 Ansonsten wäre es bestimmt, so wird zumindest insinuiert, zum vertrauten Umgang gekommen; zu einer besonderen Freundschaft, die je nach Gusto als ›alte‹ oder auch ›bekräftigte‹ Freundschaft bezeichnet werden kann.35 * Aus dieser Vertrautheit sind nun Aussagen über die Vertrauen ermöglichenden Eigenschaften ›Verläßlichkeit‹ und ›Vertrauenswürdigkeit‹ ableitbar, wobei auch in diesen Fällen der Erinnerung gegebenenfalls auf die Sprünge geholfen werden kann. Erinnert wird dabei zunächst in der Regel daran, daß man selbst alles getan habe, was sich aus der bestehenden Beziehung an Verpflichtungen ergab: »Alle meine Dienste sollen Dir gewißlich beweisen, daß Du mit gutem Gewissen glauben kannst, daß es so ist«,36 wobei gegebenenfalls – sollte die Versicherung nicht ohne weiteres glaubhaft sein  – auf ihrerseits möglichst vertrauenswürdige Zeugen zurückgegriffen werden kann. »Doch als Du Dich der Hauptstadt nähertest, oder vielmehr, sobald Du die Deinigen zu Gesicht bekamst, hast Du durch sie von meiner Treue während Deiner Abwesenheit, von meiner immer gleichbleibenden Aufmerksamkeit in Erfüllung aller meiner Verpflichtungen gehört.«37 Ohnehin spielen Gewährsleute zur Bestätigung eigener Verläßlichkeit eine wichtige Rolle: »Meine Zuverlässigkeit werden alle, meine Liebe zu Dir in der Ferne Deine Vertrauensleute hier erkennen,«38 schließt Cicero seinen ersten Brief an Publius Lentulus. Aber nicht nur mit Blick in die Vergangenheit  – als Beleg für Verläßlichkeit – spielt der Verweis auf eigene Leistungen eine Rolle. Häufig tritt dort, wo Vertrauen aufgebaut werden muß, eine Art von Selbstverpflichtung für die Zukunft hinzu:39 34 Cic. fam. 11,29,2 (Übers. v. H. Kasten): quantum memoria repetere praeterita possum, nemo est mihi te amicus antiquior. […] tuus deinde discessus isque diuturnus, ambitio nostra et vitae dissimilitudo non est passa voluntates nostras consuetudine conglutinari. 35 Cic. fam. 5,18,5; 3,5,1; 13,77,1. 36 Cic. fam. 3,8,6 (Übers. v. H. Kasten): profecto omnibus meis officiis efficiam ut ita esse vere possis iudicare. 37 Cic. fam. 3,9,1 (Übers. v. H. Kasten): ad urbem vero ut accesseris, vel potius ut primum tuos videris, cognosse te ex iis qua in te absentem fide, qua in omnibus officiis tuendis erga te observantia et constantia fuissem; vgl. mit einer ähnlichen Formulierung auch Cic. fam. 3,10,9. 38 Cic. fam. 1,1,4 (Übers. v. H. Kasten): nostram fidem omnes, amorem tu absens, praesentes tui, cognoscent. si esset in iis fides in quibus summa esse debebat, non laboraremus. 39 Zu Selbstverpflichtungen und Versprechungen als Mittel der Reputationssteigerung vgl. etwa Gambetta 2001, 234 f.

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»Was mich angeht, so verspreche ich Dir hoch und heilig und rufe alle Götter zu Zeugen an: für Deine Ehre – so möchte ich lieber sagen als ›Rettung‹ – werde ich in dieser Deiner ehemaligen Provinz nach allen Seiten hin die Pflichten des Fürsprechers auf mich nehmen, indem ich für Dich bitte, die des Freundes, indem ich für Dich eintrete, die einer bei den Gemeinden hoffentlich beliebten Persönlichkeit, indem ich meinen Einfluß geltend mache, die des Statthalters, indem ich das Gewicht meiner Stellung einsetze. Alles darfst Du von mir fordern und erwarten; meine Dienste werden Deine Erwartungen in den Schatten stellen.«40

Schließlich – die Explikation der Grundlagen von Vertrauen ist ja kein Selbstzweck – geht mit der Betonung eigener Zuverlässigkeit eine Verpflichtung des Gegenübers einher, sich seinerseits verläßlich zu zeigen. Reziprozität spielt in den aus der späten Republik überlieferten Texten eine wichtige Rolle.41 »Ich werde bei der hohen Achtung, die ich Dir zolle, alle Deine Maßnahmen gutheißen; aber ich habe das Vertrauen, daß auch Du tun wirst, was, wie Du Dir sagen kannst, meinen Erwartungen am meisten entspricht.«42 * Neben dem Nachweis oder zumindest der Behauptung von ›Verläßlichkeit‹ ist es ›Vertrauenswürdigkeit‹, die die Grundlage von Vertrauen bildet. Im Gegensatz zur »Verläßlichkeit«, deren Inhalt recht genau zu bestimmen ist – sie zeigt sich eben darin, daß »Versprechen und Ankündigungen eingehalten werden« –,43 ist Vertrauenswürdigkeit ein sehr viel komplexerer Aspekt, der eine Reihe von Faktoren umfaßt. Vertrauenswürdigkeit meint sämtliche Zeichen und Eigenschaften eines Akteurs, die den Vertrauenschenkenden zu der Annahme veranlassen, sein Gegenüber werde seine riskante Vorleistung, also sein Vertrauen, nicht ausnutzen.44 Für dieses allgemeine Konzept von Vertrauenswürdigkeit gibt es auch durchaus eine lateinische Entsprechung, die zudem eine lange Karriere als »Wert­ begriff« hinter sich hat und mit Blick auf die Semantiken von Freundschafts- und Patronagebeziehungen als besonders gut beforscht gelten kann, nämlich fides.45 40 Cic. fam. 3,10,1 (Übers. v. H. Kasten): de me tibi si〈c〉 contestans omnis deos promitto atque confirmo, me pro tua dignitate (malo enim dicere quam pro salute) in hac provincia cui tu praefuisti rogando deprecatoris, laborando propinqui, auctoritate cari hominis, ut spero, apud civitates, gravitate imperatoris suscepturum officia atque partis. omnia volo a me et postules et 〈ex〉spectes. vincam meis officiis cogitationes tuas. Vgl. Cic. fam. 3,4,2. 41 Schneider 1998, 686–688; 692 f. 42 Cic. fam. 3,3,2 (Übers. v. H. Kasten): equidem pro eo quanti te facio quicquid feceris appro­ babo, sed te quoque confido ea facturum quae mihi intelleges maxime esse accommodata. 43 Bierhoff – Rohmann 2010, 78. 44 Bacharach – Gambetta 2001; Möllering 2005, 46–50. 45 Deißmann-Merten 1964; Freyburger 1986; Gruen 1982.

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Dieser Begriff, der ja häufig mit ›Vertrauen‹, ›Glaube‹, ›Treue‹ übersetzt wird, besitzt  – das ist seit den Arbeiten von Eduard Fraenkel und Richard Heinze communis opinio – eine seltsame Zweideutigkeit.46 Vor allem Fraenkel hat darauf hingewiesen, daß mit fides häufig nicht das aktive Verhalten durch den Begriff bezeichnet werde. »In allen diesen Fällen wird mit fides eine Eigenschaft dessen, dem man vertraut, oder genauer die Art seines Verhaltens dem andern gegen­über, nicht eine geistige Tätigkeit oder eine Stimmung des Vertrauenden bezeichnet.«47 Diese ›Eigenschaft dessen, dem man vertraut‹ kann nun verschiedene Wurzeln haben, Folge des Verhaltens des einzelnen Akteurs sein oder aus dessen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe entspringen, aus welcher dann Vertrauenswürdigkeit deduziert wird.48 Im Folgenden soll  – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf eine Reihe von Eigenschaften bzw. Verhaltensweisen eingegangen werden, auf die verwiesen werden konnte, um eigene Vertrauenswürdigkeit zu behaupten. * Die einfachste Form von Vertrauenswürdigkeit ist die Übereinstimmung von Interessen. Wenn ego annehmen kann, daß alter dieselben Ziele verfolgt, wie er selbst, und von denselben Ereignissen profitieren wird, dann kann er ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit trauen.49 So steht der Verweis auf das Gemeinsame häufig am Anfang: »Allerdings, mit Dir könnte ich leben und täte es auch sehr gern: langjährige Bekanntschaft, Liebe, Gewöhnung und gleiche Interessen; es fehlt wirklich kein Band, das uns verbinden könnte,«50 versichert Cicero etwa dem Lucius Lucceius, und Aulus Caecina gegenüber heißt es in vergleichbarer Weise: »Ich fürchte, Du vermißt ein Zeichen meiner Freundschaft, wie Du es 46 Heinze 1960; dieser wandte sich damit gegen Vorstellungen, wie sie von Eduard Fraenkel formuliert worden waren, der fides ursprünglich ganz im Sinne von »Vertrauenswürdigkeit«, also der Eigenschaft desjenigen, dem vertraut wird, verstanden hatte; Fraenkel 1916. Vgl. zum Begriff auch die neueren Arbeiten von Beneviste 1993; Verboven 2002, 40 f. und vor allem Hartmann 2011, 378: »Die fides kann tatsächlich Eigenschaften dessen meinen, dem vertraut wird, aber sie verweist auch auf dieses Vertrauen selbst, das über die Vertrauenswürdigkeit des anderen bestimmt, indem es sie anerkennt.« 47 Fraenkel 1916, 188. 48 Vgl. mit einem Überblick möglicher Gründe dafür, für vertrauenswürdig gehalten zu werden Offe 2001, 272; Sztompka 1999, 69–97. 49 Die Übereinstimmung von Interessen ist vor allem in derjenigen Ausprägung der Vertrauensforschung betont worden, die auf Vorstellungen rationaler Wahl nutzenmaximierender Akteure aufbaut; vgl. etwa Hardin 2001; vgl. auch mit Kritik an einer Beschränkung des Phänomens auf diesen Typ Möllering 2006, 13–50. 50 Cic. fam. 5,16,2 (Übers. v. H. Kasten): tecum vivere possem equidem et maxime vellem. ve­ tustas, amor, consuetudo, studia paria – quod vinclum, quaeso, deest nostrae coniunctioni?

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ange­sichts unserer auf vielfachen gegenseitigen Gefälligkeiten und gleichgerichteten Interessen beruhenden Verbundenheit erwarten darfst.«51 * Wenn nun aber auch die Gemeinsamkeit von Interessen bzw. der Verweis auf diese ein probates Mittel ist, Vertrauen zu begründen, so stellt sich doch das Problem, daß gemeinsame Interessen auch der von sich behaupten kann, der in Wirklichkeit auf ganz anderes aus und damit eigentlich gar nicht vertrauenswürdig ist, sondern, dies zu sein, lediglich vorgibt. Daraus folgt die Notwendigkeit, Offenheit und Transparenz zumindest als Werte inneraristokratischer Kommunikation zu benennen, bzw. wiederum in der Interaktion auf die Transparenz eigener Beweggründe zu verweisen.52 Floskeln wie: »Ich spreche das Dir gegenüber umso freimütiger aus«53 oder auch »Ich habe Dir nicht verschwiegen«54 dienen dazu, die Plausibilität der Behauptung eigener Vertrauenswürdigkeit zu erhöhen. »Ich will Dir auch nicht verhehlen, was ich in Deinem Schreiben vermisse, und ganz offen mit Dir reden, wie es meinem Charakter und unsrer freundschaftlichen Beziehung entspricht,«55 ist nicht allein in der Beziehung zwischen Cicero und Pompeius eine Grundlage vertrauensvollen Umgangs miteinander. Aber nicht allein die Versicherung, offen zu kommunizieren, sondern auch der gezielte Hinweis auf Probleme, die mit dem, was man vom Anderen will, einhergehen, kann dazu dienen, Transparenz zu erzeugen:56 »L. Valerius, den Rechtskundigen lege ich Dir warm ans Herz«, ist soweit eine klassische Formulierung in Empfehlungsschreiben, »selbst für den Fall, daß er nicht rechtskundig ist, denn ich möchte ihm besser Beistand leisten, als er es selbst anderen zu tun pflegt«,57 ist Offenheit, die an der Empfehlung nichts ändert, aber das Verhältnis der Briefpartner entlastet. *

51 Cic. fam. 6,5,1 (Übers. v. H. Kasten): Vereor ne desideres officium meum quod tibi pro nostra et meritorum multorum et studiorum parium coniunctione deesse non debet. 52 Zu Offenheit und Transparenz als Grundlagen einer Vertrauensgeschichte vgl. etwa Möllering 2005, 22 f. 53 Cic. fam. 1,8,8 (Übers. v. H. Kasten): quod eo liberius ad te scribo quia […]. 54 Cic. fam. 2,16,3 (Übers. v. H. Kasten): non enim te celavi sermonem T. Ampi. 55 Cic. fam. 5,7,3 (Übers. v. H. Kasten): Ac ne ignores quid ego in tuis litteris desiderarim, scribam aperte, sicut et mea natura et nostra amicitia postulat. 56 Zur »Wahl heikler Themen«, die gleichzeitig ein gewisses Maß an Vertrauen voraussetzt als auch wiederum Vertrauen zu begründen vermag Luhmann 2000, 49 f. 57 Cic. fam. 3,1,3 L. (Übers. v. H. Kasten): Valerium iureconsultum valde tibi commendo, sed ita etiam si non est iure consultus; melius enim ei cavere volo quam ipse aliis solet.

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Allerdings ist für das Funktionieren der politischen Ordnung bzw. der Interaktion zwischen Akteuren die Existenz gemeinsamer Interessen als Vertrauensgrundlage nicht ausreichend. Dies ist schon deswegen nicht der Fall, weil die Interessen tatsächlich nur begrenzt homogen sind, Interessenkonflikte innerhalb einer Gruppe, die ja nicht nur ihre Vorrangstellung gegenüber der plebs behaupten muß, sondern in der jeder in Konkurrenz um die Akkumulation gesellschaftlich knapper Güter mit seinen Standesgenossen steht, die Regel darstellen.58 Die Übereinstimmung von Interessen ist aber dann auch gar nicht zwingend notwendig, wenn sich die Beteiligten nicht wie rationale Nutzen­ maximierer verhalten, sondern – wenn auch gewiß in unterschiedlichem Ausmaß – das Wohl ihrer Standesgenossen mitberücksichtigen.59 So gehört zum Verweis auf die eigene Vertrauenswürdigkeit und Verläßlichkeit die Betonung der Tatsache, daß es nicht die Maximierung des eigenen Nutzens sei, die angestrebt werde. Diese ist ganz im Gegenteil im höchsten Maße verdächtig und moralisch fragwürdig. Es sei, so Cicero in einem Brief an Appius, Kennzeichen von allergrößter Verschlagenheit, wenn man seinen eigenen Nutzen verfolge.60 Diese Ablehnung der Maximierung eigenen Nutzens entspricht dem, was sich in normativen Texten wie etwa Ciceros de officiis finden läßt. Nun ist selbstverständlich auch nicht zu erwarten, daß man die Ausbeutung des Gegenübers zur Norm erhebt, aber das Ausmaß, in dem das Wohl des Anderen als handlungsleitende Maxime vertreten wird, überrascht. »Den Nächsten also um etwas zu kürzen und als Mensch durch des Mitmenschen Nachteil den eigenen Vorteil zu mehren, ist mehr gegen die Natur als der Tod, als die Armut, als der Schmerz, als das übrige, was dem Körper oder den äußeren Dingen zustoßen kann.«61 *

58 Hölkeskamp 2009, 5. 59 Zur Unterscheidung eines schwachen Vertrauens, das auf der Annahme beruht, daß alter offen ist, was eigene Präferenzen betrifft und explizit eingegangene Verpflichtungen erfüllen wird, sowie einem starken Vertrauen, das auf solidarisches Handeln des Anderen setzt, vgl. Scharpf 2000, 234 f. 60 Cic. fam. 3,10,9: Quod si id est maxime astuti, omnia ad suam utilitatem referre, quid mihi tandem erat utilius, quid commodis meis aptius, quam hominis nobilissimi atque honoratissimi coniunctio, cuius opes, ingenium, liberi, adfines, propinqui mihi magno vel ornamento vel praesidio esse possent? 61 Cic. off. 3,21 (Übers. v. K. Büchner): Detrahere igitur alteri aliquid et hominem hominis incommodo suum commodum augere magis est contra naturam quam mors, quam pau­ pertas, quam dolor, quam cetera, quae possunt aut corpori accidere aut rebus externis; vgl. Cic. off. 1,51; 2,29, 2,38 mit bes. Betonung der Rolle der benevolentia.

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Dies leitet über zu einem weiteren Faktor, der die Vertrauenswürdigkeit bzw. deren Behauptung untermauern kann: der moralischen Übersteigerung von Sozialbeziehungen, die durch Vertrauen charakterisiert sind.62 Hierzu gehört zunächst einmal die moralische gegebenenfalls sakrale Überhöhung von Freundschaft und Patronage selbst, für die sich in Ciceros Briefen zahllose Beispiele finden lassen. Freundschaft ist nicht irgendeine Sozialbeziehung, sie ist eine Tugend und steht damit – wie Alfons Fürst betont hat – quer zu den üblichen Kategorien, die den antiken Katalog zentraler Tugenden ausmachen wie Weisheit, Besonnenheit, Gerechtigkeit etc.63 Wahre Freundschaft besteht, im Gegensatz zu Formen des Zusammenlebens, die auf Nützlichkeit ruhen, unbegrenzt und zeichnet sich durch »die vollkommene Übereinstimmung der Absichten, Interessen und Meinungen« aus.64 Die Verbindung von Freundschaft und Tugend bildet auch den Zielpunkt der Diskussion in Ciceros Werk über die Freundschaft: »Die Tugend – ich wiederhole es –, Gaius Fannius und du, Quintus Mucius, die Tugend ist es, welche Freundschaften schließt und sie erhält.«65 Aber nicht allein die Formen der Sozialbeziehung an sich, sondern auch das Vertrauen bzw. die Vertrauenswürdigkeit selbst lassen sich moralisch aufladen, wie sich an der Rolle der fides und ihrer Verehrung deutlich zeigt.66 Und auf diese Komponente läßt sich auch verweisen. Sie kann dort herangezogen werden, wo es darum geht, eigene Vertrauenswürdigkeit plausibel zu machen bzw. die

62 Offe 2001, 253 f.; Pfannkuche 2012; Messick – Kramer 2001; Uslaner 2002. 63 Fürst 1997, 416. 64 Cic. Lael. 15 (Übers. v. M. Faltner): id in quo est omnis vis amicitiae, voluntatum, stu­ diorum, sententiarum summa consensio. 65 Cic. Lael. 100 (Übers. v. M. Faltner): Virtus, virtus, inquam, C. Fanni, et tu, Q. Muci, et conciliat amicitias et conservat. 66 Neben der Sprache, über die die Vertrauenswürdigkeit und Verläßlichkeit von Akteuren kommuniziert wurde, traten nicht-sprachliche Zeichen, die ebenfalls auf die Bedeutung des Phänomens verwiesen. Das beginnt mit der sakralen Überhöhung, die etwa in dem Tempel zum Ausdruck kommt, den man der fides widmete. Auch wenn der Tempelbau des Numa heute in der Regel für ahistorisch gehalten wird, ist eine frühe Verehrung der fides nicht auszuschließen. Sehr wahrscheinlich ist die Weihung eines fides-Tempels in der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. Am Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. wurde durch M. Aemilius Scaurus ein Neubau geweiht (zum fides-Tempel des Numa; Liv. 1,21,4; zum historischen fides-Tempel Cic. nat. deor. 2,61; zum archäologischen Befund und der Diskussion der Baugeschichte vgl. Reusser 1993, bes. 55–62). Zu verweisen ist darüber hinaus auf fides-Darstellungen auf Münzen, die in der späten Republik vorkommen. Dabei ist zwar als fides-Darstellung sicher nur diejenige auf einem Denar des A. Licinius Nerva zu identifizieren (Crawford 1974, 1, 469, Nr. 454/1), allerdings lassen sich Personifikationen ohne Beischrift in der Regel nicht eindeutig benennen. Schließlich kann auch ganz allgemein aus der engen Verbindung, die man zwischen sakralem Raum und fides als Eigenschaft zog, auf die moralische Überhöhung der mit der fides assoziierten Eigenschaften geschlossen werden (Cic. nat. deor. 1,3 f.).

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Gefahr der Defektion hoch ist und daher eine Absicherung jenseits der persönlichen Zusicherung, vertrauenswürdig zu sein, wichtig wird: »Deshalb also ist ein Verschulden dieser Art [sc. die Enttäuschung von Vertrauen] schimpflich, weil es zwei sehr ehrwürdige Dinge verletzt: die Freundschaft und die Treue. Denn fast niemand gibt einem anderen Aufträge als seinem Freunde, noch traut er jemandem, es sei denn, er hält ihn für treu. Nur ein ganz verworfener Mensch ist somit fähig, zugleich die Freundschaft aufzulösen und den zu täuschen, der nicht geschädigt worden wäre, hätte er nicht jemandem sein Vertrauen geschenkt.«67

* In dieselbe Richtung weist die Ausweitung des Kreises der an der Interaktion Beteiligten, und zwar dadurch, daß man auf Dritte verweist, die entweder die Funktion haben, als Zeugen für Vertrauenswürdigkeit und Verläßlichkeit in der Vergangenheit zu dienen oder – mit Blick auf die Zukunft der gewünschten Interaktion – einen Sanktionsmechanismus zu etablieren, der in Formen persönlicher Interaktion, die nicht vertragsförmig ausgestaltet sind, ansonsten nicht existiert.68 Die Funktionalität dieser Form von ›Öffentlichkeit‹ besteht darin, daß das Ausnutzen gewährten Vertrauens, das für den Defektierenden zunächst mit Vorteilen verbunden ist, dazu führt, daß er von weiteren Kooperationschancen ausgeschlossen werden wird, wenn bekannt wird, daß ihm nicht zu trauen ist.69 Daß es sich hierbei aber nicht allein um eine rhetorische Strategie handelt, wird man wohl aus dem Beispiel der Beziehung zwischen Scipio Aemilianus und Quintus Pompeius (cos 141) ableiten dürfen, das auch von Cicero als in dieser Hinsicht exemplarisch gebraucht wird. Plutarch berichtet über die Konstellationen im Wahlkampf für das Jahr 141 v. Chr.: »Er [Scipio Aemilianus] suchte den Caius Laelius, seinen besten Freund, bei seiner Bewerbung um das Konsulat zu unterstützen und fragte deshalb den Pompeius, 67 Cic. Sex. Rosc. 112 (Übers. v. M. Fuhrmann): Ergo idcirco turpis haec culpa est, quod duas res sanctissimas violat, amicitiam et fidem. Nam neque mandat quisquam fere nisi amico neque credit nisi ei quem fidelem putat. Perditissimi est igitur hominis simul et amicitiam dissolvere et fallere eum qui laesus non esset, nisi credidisset. 68 Offe 2001, 267; Messick – Kramer 2001, 95–103. 69 Besondere Bedeutung gewinnt hierbei die Ausbildung von Netzwerken, also institutionalisierten und weitgehend stabilen Beziehungen zwischen Akteuren. Mit F.  Scharpf (Scharpf 2000, 232) läßt sich feststellen: »Wichtig ist hier, daß Netzwerkbeziehungen die Gefahr des Opportunismus mir Hilfe zweier Mechanismen reduzieren, dem längeren ›Schatten der Zukunft‹ und der höheren Sichtbarkeit von Transaktionen für dritte Akteure. Folglich beeinflußt die Existenz eines Netzwerkes die Interaktionen zwischen seinen Mitgliedern, indem es manche Interaktionen wahrscheinlicher macht als andere«.

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ob auch er um das Konsulat sich bewerbe. Als nun dieser, der als der Sohn eines Flötenspielers galt, das Gegenteil versicherte und überdem den Laelius zu begleiten und seine Wahl zu unterstützen versprach, so [ver]trauten sie ihm und warteten auf ihn, sahen sich aber gänzlich getäuscht; denn sie hörten, daß er selbst auf dem Markte herumgehe und die Bürger für sich zu gewinnen suchte.«70

Die Folge des Vertrauensbruches durch Pompeius ist das Ende der Freundschaft; und dies ist umso mehr zu betonen, als bekanntlich politische Differenzen nicht, jedenfalls nicht notwendig, zu einem Ende der Beziehung führen mußten.71 * Selbst in einer so überschaubaren Elite wie derjenigen der römischen Republik kann aber Vertrauen in dem benötigten Maß nicht allein über persönliche Bekanntheit bzw. Interaktion hergestellt werden, ein Umstand, den Cicero reflektiert: »Mein Einfluß beruht ja nicht auf persönlichen Beziehungen (die können nicht weit reichen, weil es unmöglich ist, mit vielen vertraulichen Umgang zu pflegen) – sondern, wenn meine Stimme etwas gilt, dann deshalb, weil ich durch die Politik mit den Rechtschaffenen verbunden bin.«72 Tatsächlich spielt Gruppenzugehörigkeit für die Zuschreibung von Vertrauenswürdigkeit und Verläßlichkeit eine erhebliche Rolle. Anstatt die Vertrauenswürdigkeit aus der Erfahrung abzuleiten, was, da ist Cicero durchaus zuzustimmen, nur in begrenztem Umfang möglich ist, deduziert man sie aus der Mitgliedschaft in einer Gruppe, der man per se die entsprechenden Eigenschaften unterstellt.73 Versprachlicht werden können solche Formen der Begründung von Vertrauen direkt, indem die Zugehörigkeit zur Gruppe thematisiert wird, oder indirekt über Attribute, die auf eben diese Gruppen- spezifischer Standeszugehörigkeit verweisen.74 Der ausgebildete Geschmack, den man eben nicht so leicht erlernen kann, ebenso wie die Bildung, die sicherlich nicht nur Selbstzweck darstellt, können – eben indirekt – darauf verweisen, daß ihr Besitzer auch über

70 Plut. mor. 200bc (Übers. v. Chr. N. Osiander – G. Schwab): Γαΐῳ δὲ Λαιλίῳ τῷ φιλτάτῳ τῶν ἑταίρων ὑπατείαν μετιόντι συμπράττων ἐπηρώτησε Πομπήιον εἰ καὶ αὐτὸς ὑπατείαν μέτεισιν· ἐδόκει δ’ ὁ Πομπήιος υἱὸς αὐλητοῦ γεγονέναι· τοῦ δὲ φήσαντος μὴ μετιέναι, ἀλλὰ καὶ τὸν Λαίλιον ἐπαγγελλομένου συμπεριάξειν καὶ συναρχαιρε σιάσειν, πιστεύσαντες καὶ περιμένοντες ἐκεῖνον ἐξηπατήθησαν· ἀπηγγέλλετο γὰρ αὐτὸς ἐν ἀγορᾷ περιιὼν καὶ δεξιούμενος τοὺς πολίτας. 71 Brunt 1965, 10 f.; Gotter 1996, 343. 72 Cic. Mil. 21 (Übers. v. M. Fuhrmann): Non enim mea gratia familiaritatibus continetur, quae late patere non possunt, propterea quod consuetudines victus non possunt esse cum multis; sed, si quid possumus, ex eo possumus quod res publica nos coniunxit cum bonis. 73 Elster 2007, 347–350. 74 Möllering 2006, 359 f.

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die Bildung hinaus über diejenigen Eigenschaften verfügt, die ein Mitglied des ordo senatorius besitzen sollte, um politisch tätig sein zu können. Vertrauen war eine zentrale Ressource der römischen Meritokratie, im Umgang untereinander wie auch für das Verhältnis zur plebs. Vertrauen beim Anderen zu wecken, eigene Vertrauenswürdigkeit und Verläßlichkeit zu erweisen, mußte Ziel römischer Aristokraten sein. Die politische Sprache, über welche der Adel miteinander kommunizierte, war dementsprechend reich an Begriffen, die die Funktion besaßen, Vertrauenswürdigkeit zu dokumentieren, Offenheit zu behaupten und Vertrauensbrüche zu geißeln. * Im Folgenden soll es nun um eine mögliche Veränderung derjenigen Semantiken gehen, mit denen aktives Vertrauen wie auch die eigene Vertrauenswürdigkeit vermittelt wurden. Dabei ist die Vorstellung von einem solchen semantischen Wandel zunächst einmal plausibel: zum einen, weil mit der Krise der Republik eine Beschleunigung gesellschaftlichen Wandels einherging, die die Grundlage für Begriffswandel bilden könnte,75 zum anderen weil die Vorstellung der Bildung neuer Begriffe als Folge von so etwas wie ›strukturellem Wandel‹ durchaus zur Vorstellungswelt der zeitgenössischen Akteure gehörte, wie die eingangs zitierte Bemerkung Ciceros in de finibus belegt.76 Auch in Hinblick auf das ›Vertrauen‹ ist solch ein semantischer Wandel leicht vorstellbar: Die steigende Komplexität, mit der sich die Angehörigen der Elite in den Krisenjahren der Republik konfrontiert sahen, hätte ein Mehr an Vertrauen notwendig gemacht.77 Zugleich ließen es die erbitterten Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Mitgliedern der Nobilität nicht geraten scheinen, tatsächlich einem jeden zu vertrauen: Die Vertrauenswürdigkeit des Einzelnen wurde in den ständigen Konflikten in Mitleidenschaft gezogen.78 Unter solchen Bedingungen stände zu vermuten, daß es zu einem Ausbau der Zeichen gekommen wäre, die der Begründung von Vertrauen dienten. Mit Blick auf die Sprache des Vertrauens wäre eine Zunahme der Verweise auf Vertrauenswürdigkeit oder die Einführung neuer Begriffe moralischer Überhöhung vorstellbar. Denkbar wäre aber auch das Gegenteil: Aus fides hätte ›Torheit‹ werden können, ›Vertrauensseeligkeit‹ oder

75 Steinmetz 2008, 188–191. 76 Cic. fin. 3,3. 77 Zur Verbindung steigender Komplexität mit der Ausweitung von (generalisiertem) Vertrauen vgl. Luhmann 2000; Sztompka 1999. 78 Vgl. etwa: App. civ. 2,34; 2,5; Cic. Att. 10,15,2; Cass. Dio 42,27,4; 42,28,1; Sall. Catil. 31,2; dem entspricht eine zunehmende Reflektion der Rolle des Mißtrauens: Cic. Tusc. 4,80; 5,59 f.

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Vergleichbares. Die zentralen Begriffe inneraristokratischer Interaktion hätten als eng mit dem politischen System der Republik verbundene nach dessen Ende aussterben können. Nun muß festgehalten werden, daß sich Veränderungen in der Semantik von Freundschafts- und Patronagebeziehungen nicht nachweisen lassen. Das oben gezeichnete Bild, die Begriffe, ihre Bedeutungen und die Verbindungen zwischen ihnen, veränderten sich trotz des offensichtlichen gesellschaftlichen Umbruchs nicht. Sicher könnte man die These Fraenkels aufgreifen, der eine Bedeutungsverschiebung des Begriffes fides behauptet hatte: Der Begriff, der  – wie oben erwähnt – eher aktiv die Beziehung zwischen zwei Akteuren und eher passiv eine Eigenschaft im Sinne von Vertrauenswürdigkeit meinen kann, sei urs­ prünglich vornehmlich in letzterem Sinne gebraucht worden. Erst mit der Rhe­ torica ad Herrenium bzw. etwa zeitgleich Ciceros Schrift de inventione, also im Verlauf der 80er Jahre des 1. Jahrhunderts v. Chr., lasse sich der aktive Bedeutungsinhalt deutlicher fassen.79 Zugleich sei – so ebenfalls Fraenkel –80 die ursprüngliche passive Bedeutung moralisch nicht aufgeladen gewesen, ganz im Gegenteil zu der moralischen Überhöhung, die der fides-Begriff in der Spätzeit der Republik erfahren habe.81 Und sicher ließe sich dieser Wandel aus dem historischen Kontext der 80er Jahre erklären. Die Erfahrungen von Bundesgenossenkrieg, Bürgerkrieg und Proskriptionen hätten  – so ließe sich zweifellos argumentieren – die Basis der republikanischen Vertrauenskultur unterhöhlt, und dies habe zu einer Umgestaltung und Überhöhung von fides als angestrebtem Verhalten geführt. Ebenso könnte man auch versuchen, in der Möglichkeit einer negativen Konnotation von amicitia, wie sie in Ciceros Laelius vorkommt, wenn Cicero über die Freundschaft zwischen den improbi spricht und diese Freundschaft als deren Machtgrundlage identifiziert,82 eine grundsätzliche Begriffsverschiebung zu er79 Fraenkel 1916, 187: »Als Grundbedeutung von fides geben die Lexica von Freund, Klotz, Georges übereinstimmend an ›Vertrauen, Zutrauen, Glaube‹ […] [.] In Wahrheit ist diese Bedeutung, so häufig das Wort im alten Latein ist, vor Cicero de inv. und der Rhetorik an Herrenius überhaupt nicht, vor der Kaiserzeit nur ganz spärlich, als terminus technicus und in einer bestimmten Verbindung, zu belegen. Sonst heißt fides in der republikanischen Literatur durchaus: Gewähr, Bürgschaft, Versprechen; Zuverlässigkeit, Treue, Glaubwürdigkeit; bezeichnet also alles, worauf man sich verlassen kann«. 80 Ebd., 197 f. 81 Mit Blick auf die moralische Aufladung umgekehrt Heinze 1960, 66: »Ich glaube danach: wo immer wir moralisch indifferente fides antreffen, haben wir ein jüngeres Stadium der Begriffsentwicklung vor uns. […] fides ist das im Menschen, was seine gegenüber einem anderen eingegangene Bindung oder Verpflichtung zu einer sittlichen Bindung macht und so das Vertrauen des anderen begründet.« 82 Cic. Lael. 61: His igitur finibus utendum arbitror, ut, cum emendati mores amicorum sint, tum sit inter eos omnium rerum, consiliorum, voluntatum sine ulla exceptione communi­

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kennen, oder betonen, daß – ebenfalls mit Blick auf Ciceros Laelius – sich hier eine Veränderung der Ebene der Abstraktion des Begriffsinhalts zeigen lasse.83 Freundschaft wird hier als Abstraktum durch Verweis auf ihr Ziel beschrieben.84 Und auch in diesem Fall wird man ohne weitere Probleme eine Folie zur Erklärung des Wandels finden, sei es im ersten Fall unter Rückgriff auf die besondere Situation in den Monaten nach Caesars Ermordung,85 sei es im zweiten Fall als »Irritation des Wort- und Bedeutungsinhalts einer Sprache« durch den Kontakt mit einer fremden Kultur.86 Schließlich könnte man behaupten, daß sich die Verschiebung des Begriffsinhalts von amicitia auch in dem schon zitierten Brief Ciceros an Matius aus dem Sommer des Jahres 44 v. Chr. zeige:87 Die in diesem Brief zum Ausdruck kommende Differenz zwischen Cicero und seinem Briefpartner bezüglich der Frage, wie die Freundschaft zu Caesar sich mit der jeweiligen Haltung zu seiner Ermordung verbinden lasse, ruhe auf unterschiedlichen Freundschaftsbegriffen, die zu unterschiedlichen Phasen eines Entwicklungsprozesses gehörten. So hat Hellfried Dahlmann argumentiert, hinter der Kontroverse verberge sich das Aufeinandertreffen eines alten »politischen« und damit gleichzeitig »römischen« Freundschaftsbegriffes, der der Argumentation Ciceros zugrundeliege, mit einem neuen, rein menschlichen, unpolitischen und damit unrömischen Freundschaftsbegriff des Matius.88 Wenn man dieser Argumentation folgt, dann ließe sich der Gedanke in der Form weiter ausführen, daß sich hier ebenfalls die Hypothese bestätige, die Neufassung von Begriffen und die Neubestimmung von Begriffsinhalten gehe in der Regel nicht konfliktfrei vor sich, sondern sei zwischen den beteiligten Akteuren stets umstritten. Plausibel wären diese Versuche aber allesamt nicht: Fraenkels Thesen sind bereits von Heinze überzeugend zurückgewiesen worden,89 und aus (einmaliger) Begriffsverwendung im Laelius semantischen Wandel rekonstruieren zu wollen, hieße genau das zu tun, was der klassischen Begriffsgeschichte immer wieder vorgeworfen worden ist.90 In der Breite zeigen sich weder bei den verwendeten

tas, ut, etiamsi qua fortuna acciderit ut minus iustae amicorum voluntates adiuvandae sint, in quibus eorum aut caput agatur aut fama, declinandum de via sit, modo ne summa turpitudo sequatur; est enim, quatenus amicitiae dari venia possit. 83 Gotter 1996; Lundgreen 2013. 84 Gotter 1996. 85 Ebd. 86 Steinmetz 2008, 189–192; vgl. in Hinblick auf den Laelius Gotter 1996, 341 f.; 354 f. 87 Cic. fam. 11,29 f.; vgl. Lundgreen 2013, 39–42. 88 Dahlmann 1938. 89 Heinze 1960. 90 Steinmetz 2008, 174–183; vgl. bereits die Grenzen des klassischen Zugangs der Begriffsgeschichte reflektierend Koselleck 1992.

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Begriffen, noch bei deren Inhalten, noch bei den Beziehungen zwischen einzelnen Begriffen signifikante Veränderungen.91 * Nun ist es für den Historiker stets unangenehm, wenn die erwarteten bzw. gewünschten Phänomene nicht auftreten. Noch unangenehmer ist es, dieses Fehlen vermuteter Phänomene zu erklären. Es soll im Folgenden zumindest schlagwortartig versucht werden, mögliche Gründe für den Nicht-Befund zu benennen: 1) Es gibt keinen Wandel in der Semantik von Freundschafts- und Patronage­ beziehungen, weil die Krise der späten römischen Republik die grundsätzliche Verteilung von Ressourcen zwischen den sozialen Klassen, die Interaktionsformen innerhalb derselben und die Formen der Beziehung zwischen ihnen gar nicht betrifft. Damit soll ein Wandel der Bedeutung von Freundschaftsund Klientelbeziehungen in der späten Republik nicht grundsätzlich bestritten werden. Sicher ist, in der Begrifflichkeit Aloys Winterlings, festzustellen,92 daß in Hinblick auf die instrumentelle Funktion von Freundschaft und Klientel die Integrationskraft des Adels überdehnt wurde, gleichzeitig sich die reine Zahl solcher Beziehungen ausweitete. Diese Ausweitung führte zu bzw. ging einher mit neuen Formen  – bzw. zumindest der Umgestaltung alter Formen – der Inszenierung sozialer Beziehungen. Verwiesen sei beispielhaft auf die Vergrößerung der adligen domus, neuen Aufwartungsformen, der Veränderung der Gestalt der salutatio.93 Schließlich zeigt sich ebenfalls, daß die Existenz bzw. die Darstellung der Zahl von Freunden und Klienten – wie Winterling betont hat – zum eigentlichen Ziel der Beziehung wurde, während die Verteilung von Ressourcen zunehmend geringere Bedeutung besaß.94 Auch ließe sich vom Beispiel Caesars und der Kritik, die an dessen Bildung von Netzwerken aus ihm verpflichteten Freunden geübt wurde, auf strukturelle Veränderungen in den Formen der Interaktion innerhalb der römischen Elite schließen.95 Aber alle diese Veränderungen tangierten die Interaktionsformen sowohl innerhalb der Aristokratie als auch zwischen Aristokraten und plebs nicht in der Weise, daß sie eine Grundlage für die Neuschaffung 91 So auch Lundgreen 2013, 37: »Vor der Folie eines derart changierenden Freundschaftsbegriffs der römischen Aristokratie kann man die Abweichung Ciceros erkennen, der eine neue, nicht unbedingt der Sicht seiner Mitmenschen entsprechende Sicht auf die amicitia entwirft oder zumindest vertritt.« 92 Zum folgenden vgl. Winterling 2008. 93 Goldbeck 2010. 94 Winterling 2008, 308. 95 Gotter 1996; Heil 2005, 121; Lundgreen 2013.

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von Begriffen oder auch nur signifikante Bedeutungsverschiebungen hätten bilden können. 2) Es gibt keinen Wandel in der Semantik von Freundschafts- und Patronage­ beziehungen, weil selbst dann, wenn die Krise der Republik auf struktureller Ebene die Beziehung innerhalb der Elite und zwischen sozialen Klassen in Frage gestellt hätte, sich die Semantiken der Republik durch hohe Stabilität auszeichneten. Auch der entstehende Principat des Augustus mit seinem ständigen Rückbezug auf die ›wiederhergestellte Republik‹ bot in vielen Gesellschaftsbereichen keine Grundlagen für eine Neubestimmung von Begriffsinhalten. Selbst nach der Etablierung des Principats und den mit dieser einhergehenden weitergehenden Veränderungen – etwa durch die Monopolisierung der Klientel durch den Princeps – läßt sich ein Wandel der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung von Freundschafts- und Klientelbeziehungen nur schwer nachweisen. Veränderung der Strukturen bei Stabilität der Semantik führen insgesamt eher zu einer gewissen Unangemessenheit gesellschaftlicher Selbstbeschreibung.96 3) Aber nicht allein die grundsätzliche Stabilität von Semantiken in der späten Republik und der Transformationsphase hin zum frühen Principat ist zu nennen; ein spezifischer Aspekt von Freundschaftssemantiken tritt hinzu. Diese unterscheiden sich von anderen Begriffen, die zur Beschreibung von Sozialbeziehungen verwendet werden.97 Man könnte also sagen: Es gibt keinen Wandel in der Semantik von Freundschafts- und Patronagebeziehungen, weil es sich bei ›Freundschaft‹ um eine Residualkategorie handelt, unter welcher wiederum eine ganze Reihe unterschiedlicher Formen von Sozialbeziehungen subsumiert werden bzw. zumindest subsumiert werden können.98 Dementsprechend verweisen auch die Begriffe, die im Umkreis von ›Freundschaft‹ zu verorten sind, auf ganz unterschiedliche Formen von Beziehungen.99 Wenn aber die verwendeten Begriffe ohnehin so dehnbar sind, daß sie eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Phänomene abzudecken in der Lage sind, dann sind

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Winterling 2008, 315. Tenbruck 1964, 436. Lundgreen 2013, 36. Mit Blick auf die römische Republik ist dies besonders von Ulrich Gotter betont worden (Gotter 1996, 344): »Amicitia im politischen Bereich umfaßt Beziehungen auf ganz unterschiedlichen Niveaus, die jeweils verschiedene Erwartungshorizonte und Pflichten begründen. Diese definitorische Unschärfe ist keine intellektuelle Kapitulation vor dem diffusen Material, sondern spiegelt eine begriffliche Offenheit oder besser Unbegrifflichkeit wider, die die Ordnung Roms prägte und für sie außerordentlich funktional war.« Vgl. ähnlich auch Brunt, 1965, 11; Heil 2005, 110 f. Allerdings gilt der Befund nicht allein für die Republik. Vielmehr ist zu betonen, daß »Freundschaft« in der Regel unspezifisch gebraucht wird.

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Begriffsneubildungen, um neue Phänomene angemessen beschreiben zu können, gar nicht zu erwarten. Ebensowenig läßt sich aus den gleichen Gründen ohne weiteres eine Veränderung beim Begriffsinhalt nachweisen. Es würde einer erheblichen Menge an Material bedürfen um nachzuweisen, daß es innerhalb der vielen Bedeutungen, die die zentralen Begriffe besitzen können, zu einer meßbaren Verschiebung gekommen wäre. 4) Und damit zum letzten Punkt: Selbst aber in dem Fall, daß auf der Ebene der sozialen Phänomene ein signifikanter Wandel stattgefunden hätte, die Semantik der politischen und sozialen Sprache in der Transformationsphase zwischen später Republik und frühem Principat für den Wandel von Bedeutungen und Wortneuschöpfungen offener gewesen wäre, als dies offensichtlich der Fall gewesen ist, und Freundschaftssemantiken nicht schon deshalb, weil sie ausgesprochen unpräzise in Hinblick auf das Bezeichnete sind, ohnehin nicht das geeignetste Feld für die Untersuchung semantischen Wandels darstellen, sondern als Indikator brauchbar wären, so bliebe schließlich zu fragen, ob ein begriffsgeschichtlicher Zugang geeignet wäre, einen tatsächlich stattgefundenen semantischen Wandel auch zu erfassen. An der grundsätzlichen Leistungsfähigkeit des Ansatzes können schon mit Blick auf vorliegende Untersuchungen aus anderen Epochen wohl kaum Zweifel bestehen, und so liegt es nahe, ihn auf die Alte Geschichte zu übertragen, auch hier nach Begriffsneubildungen und inhaltlichen Verschiebungen zu suchen und durch Plausibilitätsverluste, Veränderungen des strategischen Gebrauchswerts oder Irritationen durch Kontakt mit anderen Kulturen und Sprachen zu erklären. Nicht außer Acht gelassen werden darf dabei aber die Voraussetzung, die der Ansatz besitzt. Wer semantischen Wandel jenseits einer klassischen Begriffsgeschichte, die anhand von Belegen aus Gipfelkammliteratur, die aus ihrem Kontext weitgehend herausgelöst sind, »Knotenpunkte im diachronen Begriffswandel«100 untersuchen möchte, der braucht Material, an dem er zu zeigen vermag, bei welcher Gelegenheit, aus welchen Gründen und in welcher Form sich die Begriffe wandeln. Er braucht genug Material für mikrodiachrone Untersuchungen, und das ist rar und steht jedenfalls für die späte Republik wohl leider nicht in ausreichendem Maß zu Verfügung.

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Kontinuität und Diskontinuität

Egon Flaig

Plebs und Princeps. Neue Praktiken und semantische Restrukturierungen im frühen Prinzipat

I. Vorüberlegung zur Emergenz neuer politischer Semantiken Die römische Monarchie mußte sich nicht verstecken, sondern zeigte ihr Gesicht ganz offen. Jedoch sollte dieses Gesicht ein zugewandtes sein und Zugänglichkeit suggerieren. Das erheischte besondere monarchische Performanzen, aber auch eine politische Symbolik, die auf die monarchische Herrschaft zugeschnitten war. Eine solche Symbolik entstand, indem Deutungseliten die vorhandenen semantischen Bestände umdeuteten und umorganisierten und ganz neue Elemente dergestalt in das neue Ensemble integrierten, daß sie als Adaptationen von Altbewährtem erschienen. Solche Prozesse gehen vonstatten durch ›semantische Kämpfe‹.1 Sie sind indes dann sehr schwierig nachzuzeichnen, geschweige denn zu erklären, wenn man von irrigen Vorannahmen ausgeht hinsichtlich der Tiefe und der zeitlichen Erstreckung einer historischen Zäsur. Eine typische Aporie stellt sich ein, wenn man ›die‹ Republik als homogene Entität begreift und sie dem Prinzipat entgegensetzt. Daß der römische Prinzipat eine politische und konstitutionelle Homogenität von 27 v. Chr. bis etwa 235 n. Chr. aufweist, steht außer Frage. Doch für die späte Republik trifft genau das nicht zu. Wenn man den Zeitraum des Umbruchs von der Republik zum Prinzipat ansetzt auf die Jahre zwischen 49 und 27, dann sitzt man der Illusion auf, die Republik etwa des Jahres 60 sei noch die Republik des Jahres 90 gewesen. Vieles wird dann unerklärbar. Für eine Kulturgeschichte des Politischen zerfällt die Zeit von 133 v. Chr. bis 27 v. Chr. in mindestens vier konstitutionell völlig verschiedene Abschnitte: a) Eine Epoche, in welcher die Senatsherrschaft trotz zunehmender Selbstblockaden noch einigermaßen funktionierte, weil ausscherende Senatoren – oft gegen die Senatsmehrheit – Lösungen für jene anstehenden Probleme durchsetzten, vor denen die Senatsmehrheit die Augen verschloß. b) Eine Phase schwerer kriegerischer Auseinandersetzungen, die 90 v. Chr. als bellum sociale begannen und in einen schweren bellum civile einmündeten, 1 Gedanken zu diesem Thema bei Tiersch – Müller – Schaal 2002.

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während derer große ländliche Gebiete Italiens und hunderte von Munizipien schwer heimgesucht und mehrere Myriaden von Römern und Neurömern sozial entwurzelt wurden; diese Phase bedeutete einen fast neun Jahre dauernden Zusammenbruch der institutionellen Regeln und Routinen, nach welchem die Institutionen nicht mehr so funktionieren konnten wie zuvor; Mommsen läßt mit guten Gründen hier die klassische Republik enden.2 c) Eine Phase (79 bis 60 v. Chr.), in welcher die schlagartige Integration der Italiker in den Bürgerverband eine zu geringe Integration mittels der Institutionen zuließ, weshalb diese Integration in zu großem Ausmaß auf extra-institutionelle Weise erfolgte; eine solche extra-institutionelle Integration eröffnete unkontrollierte Chancen zur Akkumulation sozialer Macht in den Händen sehr mächtiger Patrone. Die Senatsherrschaft suchte sich zu stabilisieren – mit großem militärischem Aufwand, in den Provinzen und in Italien selber, sowie mit unablässigen Suspendierungen der verfassungsmäßigen Konventionen. Nach Mommsen war »der souveräne Machthaber« des nachsullanischen Regimes »entweder ein einzelner Mann oder die geschlossene Oligarchie… Die Bürgerschaft hatte jeden rechtlichen Anteil am Regiment verloren.«3 d) Die nachfolgende Ära (60 bis 27) unterteilt sich in zwei Etappen. Die erste umspannt den Zeitraum zwischen dem ersten und dem zweiten Triumvirat. Wenn man die römische Republik definiert als die institutionalisierte Herrschaft des Senats, dann endete diese Republik mit dem ersten Triumvirat; Mommsen läßt hier die »Gesamtherrschaft« von Pompeius und Cäsar samt Crassus beginnen.4 Darüber mag man streiten. Klar ist jedoch, daß ab dem ersten Triumvirat der Senat selber als Leitungsorgan der herrschenden Klasse nicht mehr funktionierte, erstens, weil die geballte soziale Macht dreier Senatoren ausreichte, um die Institutionen entweder lahmzulegen oder aber im Sinne der informellen Machthaber agieren zu lassen, zweitens weil der Senat in Regel beschlußunfähig blieb, falls nicht ein übermächtiger Einzelner mit seinem Einfluß den Beschlüssen Nachdruck verlieh. Es war ein oligopolares System, in dem einige Übermächtige die wichtigen Entscheidungen trafen. Die zweite Etappe reicht von der Errichtung des zweiten Triumvirats bis zur Institutionalisierung des augusteischen Prinzipats (43 bis 27). Die Lex Titia beendete weniger eine ohnehin nicht mehr vorhandene Republik, sondern verschaffte einer zeitlich befristeten oligopolaren monarchischen Herrschaft die verfassungsmäßige Legitimation.5 Ab diesem Augenblick stellte sich nur noch die Frage, ob die sehr prekäre Oligopolarität bestehen bliebe – vielleicht 2 Er nennt das sullanische Regime die Wiederherstellung des alten Königtums und Sulla den ersten absoluten Monarchen (Mommsen, RG II, 337 u. 375). 3 Ebd. II, 379. 4 Ebd. III, 458. Zu den geschichtstheoretischen Fragen siehe nun Walter 2009. 5 Bleicken 1990.

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sogar das Imperium diadochenmäßig in separate Teile zerfiel – oder ob ein Machthaber sich gegen alle anderen durchsetzte und damit eine Monarchie herstellte. Letzteres geschah. Wenn wir jenes Gebilde, in dem übermächtige Kommandeure die Politik bestimmten, weiterhin als ›Republik‹ bezeichnen, dann liegt das daran, daß uns kaum Begriffe zur Verfügung stehen, um labile politische Systeme zu bezeichnen, die deswegen so prekär und notwendigerweise kurzlebig sind, weil sie nur noch von wenigen sozialen Gruppen getragen werden. Wir gebrauchen in diesem Falle keinen konstitutionell präzisen Begriff, sondern eine Metapher, günstigstenfalls gebrauchen wir dasjenige Wort, mit dem die optimistischsten Zeitgenossen beharrlich weiterhin ihre politische Ordnung bezeichneten, ahnend oder verleugnend, daß nicht mehr existierte was sie noch kennengelernt hatten. Genau in dieser Phase war es unvermeidbar, daß die Akteure unablässig neue Realitäten mit herkömmlichen Begriffen benannten; es blieb ihnen gar nichts anderes übrig, weil sie die politische Welt nur zu beschreiben und zu deuten vermochten innerhalb jenes Sinnsystems, mit dem sie aufgewachsen waren, und mittels jenes Vokabulars, das ihnen zur Verfügung stand. In dieser Zeit also müßten die härtesten Inkongruenzen aufgebrochen sein – zwischen dem traditionellen Gehalt wichtiger Begriffe und den neuen Signifikaten derselben. Wie sehr die politische Semantik der klassischen Republik davon tangiert wurde, läßt sich daran ablesen, daß Cicero eine Konzeption der römischen Republik entwarf, in welcher herausragende Principes neben den republikanischen Institutionen eine lenkende Rolle ausüben sollten.6 Die Errichtung des Prinzipats schuf nicht eine Monarchie als politisches Novum, sondern sie verschaffte der monarchischen Herrschaft, die mit der Lex Titia 43 v. Chr. sich sogar eine institutionelle Legitimität zugelegt hatte, eine dauerhafte und stabile Form. Das konstitutionelle Gefüge der politischen Ordnung und der sozialen Praktiken bestimmt in hohem Maße die Signifikate, den semantischen Gehalt, der Begriffe und Schlagworte. Es ist darum nötig, kurz einzugehen auf die politische Ordnung des römischen Prinzipats.

II. Der Prinzipat und die monarchielastigen Signifikanten Der augusteische Prinzipat ist eine Akzeptanzmonarchie. Was das heißt, will ich erläutern an Hand der berühmten These von Theodor Mommsen. Mommsen hat seine Theorie des Prinzipats gegründet auf die Behauptung eines totales Defizites an Legitimität: »Es hat wohl nie ein Regiment gegeben, dem der Begriff 6 Cic. rep. 1,45.

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der Legitimität so abhanden gekommen wäre wie dem augusteischen Prinzipat«.7 Freilich hat er der römischen Monarchie als solcher die Legitimität abgesprochen. Jeder Princeps beginnt mit einer Usurpation erneut die Monarchie.8 Es gibt also für Mommsen keine fortdauernde institutionalisierte Monarchie, sondern nur eine Sukzession von individuellen Prinzipaten. Diese ursprungsmythische Konstruktion ist logisch, aber empirisch falsch. Denn nach 27 v. Chr. gab es keinen Versuch, die Monarchie abzuschaffen. Folglich war die römische Monarchie selber im vollen Sinne legitim; denn sie wurde fraglos von allen wichtigen Sektoren akzeptiert. Trotzdem bleibt ein Haken. Denn der einzelne Kaiser konnte gestürzt werden. Diese Tatsache bedeutet, daß der einzelne Kaiser nicht legitim war. Ein römischer Princeps bleibt also solange an der Herrschaft, wie er akzeptiert wird. Verliert er die Akzeptanz, dann stürzt er. Die Begriffe Legitimität und Akzeptanz sind daher scharf gegeneinander abzugrenzen. Aus diesem Grunde gab es in der römischen Monarchie keine dynastische Legitimität, sondern nur einen dynastischen Vorteil. In Monarchien mit dynastischer Legitimität folgt der Sohn automatisch dem Vater; wird der Vater gestürzt, folgt der Sohn trotzdem. Das war in Rom anders. Stürzt der Vater, stürzt auch der Sohn. Rom unterscheidet sich darin grundsätzlich von Frankreich, Japan, oder dem osmanischen Sultanat. Eine widerrufbare Legitimität ist streng genommen keine Legitimität sondern Akzeptanz. Akzeptanz soll heißen: verlierbare Zustimmung bestimmter relevanter Gruppen zur Herrschaftsbefugnis einer bestimmten Person. Eine Akzeptanzmonarchie wird hauptsächlich davon charakterisiert, welche Gruppen einen Herrscher akzeptieren müssen, damit er sich hält. Es ist also zu fragen a) welche politisch maßgeblichen Gruppen den Kaiser akzeptieren müssen, b) in welcher Weise er sich auf diese relevanten Gruppen bezieht, um seine Akzeptanz zu halten. Im Prinzipat sind das drei maßgebliche Sektoren: die Senatorenschaft (als handlungsfähiger Teil der Reichsaristokratie), die Plebs urbana und die Bürgersoldaten in den Legionen und in der Prätorianergarde. Da es drei Sektoren waren, konnte sich keine Instanz herausbilden, welche die Herrschaftsbefugnis für die gesamte politische Gemeinschaft verbindlich zuerkennen oder aberkennen konnte. Dem Senat gelang es nicht, eine solche politische Instanz zu werden; der Plebs urbana gelang es nicht, und es gelang auch keiner privilegierten Heeresgruppe. Warum nicht? Der Senat konnte keinen Kaiser erheben und auch keinen absetzen, solange die Garde in Rom dem amtierenden Kaiser gehorchte. Und der Senat? Man muß im Kaiserreich unterscheiden zwischen Senat und Senatorenschaft. Die Senatoren waren für die Herrschaftsausübung im Reich sehr wichtig; der Kaiser hatte keine Bürokratie; 7 Mommsen, SR II /2, 844. 8 Denn mit dem Princeps sterbe immer der Prinzipat (ebd. II /2, 1143). Zu den Mythemen in dieser Konstruktion siehe Flaig 1993.

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die Senatoren blieben die Macht-Elite in diesem Imperium von 80 bis 100 Millionen Einwohnern. Doch der Senat als Organ war unwichtig; er war ohnehin weitgehend konsensunfähig und daher konstitutionell impotent; und er konnte  – wegen der innersenatorischen Rivalität – nie einen Kaiser wählen. Die Kaiser mußten zu diesen drei Sektoren eine besonders intensive Beziehung unterhalten. Daher wurden bei Regierungswechseln auch nur diese drei Sektoren beschenkt. Die Soldaten mit Bürgerrecht erhielten ihr Donativ, die Plebs urbana ihr congiarium, und die Senatoren bekamen Geschenke individuell, bei Gastmählern und anderen Anläßen. Doch es war schwierig für die Kaiser, zu allen drei Sektoren Beziehungen zu pflegen, weil das viel Zeit kostete. Am schlechtesten kam das Heer weg, die Legionen ohnehin, aber auch die Prätorianer. Für sie hatte der Kaiser am wenigsten Zeit und hier fehlten am fühlbarsten die zeremoniellen Räume und Rituale der Interaktion. In diesem politischen System war Nähe zum Kaiser ein Merkmal von Ehre. Aber Ehre mußte sichtbar sein; darum geriet Nähe in Zweifel, wenn der Kaiser sie nicht andauernd und gerade im ludischen Zeremoniell bekundete und betonte. Diese Erwartung war widersprüchlich. Die Senatoren schätzten an Tiberius, daß er auf Popularität nicht den mindesten Wert legte.9 Doch dann bemerkten sie entsetzt, welch hohe Kosten ein unpopuläres Regime in Rom erzeugte. An Nero störte die Überkommunikation mit der Plebs. Seither galt, ein Kaiser soll natürlich beliebt sein, aber er soll im Umgang mit der Plebs die rechte senatorische Würde bewahren.10 Nach den Erfahrungen mit Domitian, der herrisch mit der Plebs umgegangen war und sich am Ende verhaßt machte, rühmte Plinius an Trajan einerseits die civilitas, also seine Nähe zum Senat,11 doch anderseits unterstrich Plinius, die popularitas des neuen Kaisers.12 Der Kaiser mußte gegenüber jedem der drei Sektoren eine andere Imago präsentieren, diese Imagines waren konträr, oft kontradiktorisch.13 Er sollte Primus inter pares gegenüber dem Senat sein, gütiger und zugleich umfangreicher Interaktion zugänglicher Monarch gegenüber der Plebs urbana; den Truppen sollte er der beste Kommandeur sein.14 Diese Autoritätstypen und Gehorsams­ 9 Tac. ann. 3,69,5. 10 Suet. Tit. 8,2. 11 Paneg. 2,7: Iam quid tam civile tam senatorium, quam illud additum a nobis Optimi co­ gnomen? Dazu: Wallace-Hadrill 1982, 45 ff. 12 Paneg. 23 ff. 13 Flaig 1992/2019, 71 ff.; Seelentag 2004, 12 ff. 14 Dazu: Wallace-Hadrill 1981. Feldherrnqualitäten wurden erwartet, aber bis Domitian nicht deutlich eingefordert. Wuchs der Druck auf die Grenzen und häuften sich Nieder­ lagen änderte sich das schlagartig. Daher standen Domitian, Trajan und Marcus Aurelius unter stärkerem militärischen Streß als andere Kaiser. Im 3. Jahrhundert erwarteten die Truppen nicht bloß feldherrliche Performanzen, sondern auch die entsprechenden Qualitäten; und sie forderten solche Eigenschaften nun umfassend und dauerhaft ein. Das

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modalitäten waren latent oder offen unverträglich. Diese Unverträglichkeit erzeugte Situationen, in denen die Kaiser in Gefahr gerieten, einen der maßgeblichen Sektoren verprellen zu müssen. Um diesen Folgen zu entgehen hätte sich das Kaisertum gegen direkte Ansprüche an die Person immunisieren müssen. Doch das gelang nicht.15 Wie wirkte die schiere Existenz einer solchen Monarchie sich auf den Gebrauch der verbalen politischen Signifikanten aus? Gewiß, es veränderte sich erneut die politische Semantik der römischen politischen Welt – auf manchen Gebieten ganz erheblich, auf anderen kaum wahrnehmbar. Auf drei Gebieten ist der Wandel besonders deutlich: erstens in allen jenen Bereichen, die unmittelbar den Kaiser als Person und die kaiserliche Position berührten, zweitens im Bereich ›Rebellion‹ und Hochverrat, drittens im militärischen Bereich. 1. Es entsteht eine monarchische Ideologie speziellen Zuschnitts, das heißt ein Diskurs, wie die neue Herrschaft des Princeps zu verstehen sei. In diesem Diskurs werden traditionelle Begriffe weiter verwandt, verändern aber erheblich ihren Gehalt. Zu fassen ist die Suche nach einem neuen Diskurs selbstverständlich in der Vergilschen Poesie, teilweise auch bei Ovid. Doch die ist hier nicht Thema. Vielmehr ist es der Tatenbericht des Augustus selber, der zentrale Aussagen darüber enthält, wie Augustus seine monarchische Position rechtfertigt. In seinen Res Gestae betont Augustus insbesondere zwei Sachverhalte: Erstens habe er seinen Vater gerächt. Daß im Laufe dieser Rache die Senatsherrschaft definitiv beseitigt wurde, braucht er nicht zu erwähnen, weil es alle ohnehin wissen. Entscheidend ist, daß die neue Regierungsform sich der bedingungslosen Erfüllung einer familialen Pflicht verdankte. Zweitens zählt Augustus auf, welche Leistungen er für die Res publica erbrachte. Diese Aufzählung suggeriert, daß er mit gewaltigen Vorleistungen das gesamte römische Volk zur Dankbarkeit verpflichtete. Die Begriffe ›pietas‹ und ›gratia‹ erweitern sich so, daß sie in eine neue Dimension hineinragen, nämlich in jene des politischen Gehorsams gegenüber einem übermächtigen Einzelnen. Realiter ist es unmöglich, eine monarchische Herrschaft auf die Verpflichtung zur Dankbarkeit zu gründen; doch im Diskurs gelingt das sehr wohl, so lange dieser Diskurs nicht systematisch elaboriert werden muß.16 Eine gravierende Zäsur für die Umgangsformen der römischen Aristokraten ergab sich, als Augustus dem ägyptischen Präfekten Gallus die Freundschaft aufkündigte. Der Senat sah sich außerstande, eine solche ›renuntiatio ami­ citiae‹ anders zu definieren denn als eine hostis-Erklärung. Einen privaten hatte dramatische Auswirkungen auf die Chancen des Kaisers, überhaupt in Rom präsent zu sein und mit den beiden anderen Sektoren zu kommunizieren. 15 Die Gründen sind dargelegt in Flaig 1992, 174 ff.; sie machen den Unterschied zwischen Legitimität und Akzeptanz. 16 Flaig 2003c.

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Feind konnten alle anderen Römer haben, doch nicht der Kaiser: wem er die Freundschaft aufkündigte, wurde automatisch zum hostis publicus; und ein Prozeß gegen ihn konnte nur noch als Majestätsprozeß durchgeführt werden.17 Diese Semantik wurde noch weiter erhärtet, als 24 n. Chr. C. Silius unter Anklage geriet, weil er sich gebrüstet hatte, daß Tiberius seine Herrschaft nicht hätte behaupten können, wenn er, Silius, während der Meutereien im Herbst 14 nicht seine obergermanischen Legionen im Zaum gehalten hätte. Diesen Versuch, den Kaiser in die Rolle des zur Dankbarkeit Verpflichteten zu drängen, klärte ein Majestätsprozeß, an dessen Ende Tiberius sämtliche Geschenke, die Silius von Augustus erhalten hatte, aus dem Vermögen des Toten zurückforderte. So stellte er klar, daß Loyalität keine Gefälligkeit war, mit der man den Kaiser verpflichten konnte, sondern umgekehrt eine Pflicht, die der amtierende Kaiser bedingungslos einfordern konnte, weil sein Vorgänger bereits die Senatoren verpflichtet hatte. Der Tatbestand der ›impietas in principem‹ schuf Klarheit über die Position des Kaisers im Netz gegenseitiger Verpflichtungen. Nicht nur im Zentrum des Gabentausch-Systems, sondern von Anfang an der überlegene Geber, weil er sich auf die Verpflichtung gegenüber dem Vorgänger berufen konnte.18 Eine kohärente Prinzipatsideologie entwirft Seneca, obschon nur in Umrissen. Er identifiziert den politischen Gehorsam gegenüber dem Kaiser radikal mit der Verpflichtung zur Dankbarkeit. Diese Ideologie ist nicht ausgearbeitet zu einer systematischen Theorie, weil die Ausarbeitung rasch an den Tag gebracht hätte, wie aporetisch diese Begründung von monarchischer Herrschaft war.19 2. Die Semantik der Begriffe um die Themen ›Rebellion‹ oder ›Hochverrat‹ verändert sich grundsätzlich. In den Majestätsprozessen wird sofort klar, schon unter Augustus, spätestens aber in den ersten Phasen der Regierung von Tiberius, daß die maiestas populi Romani deckungsgleich wird mit der dignitas des Kaisers. Es geht um die maiestas des Princeps, wenn die Rede ist von der maiestas des römischen Volkes.20 Ein Motor für zusätzliche Differen­zierung der Begriffe waren die Usurpationen. Denn obwohl die Historiographen unentwegt von bellum civile sprechen, war doch vor aller Augen offenkundig, daß die Konfrontationen während einer Usurpation eher Duelle zwischen Heereskörpern waren und mit dem Bürgerkrieg alter Zeit fast gar nichts gemein hatten.21 Regelmäßig erklärt der Senat den Herausforderer des amtie17 Suet. Aug. 66. Bauman 1974, 110 ff. verweist darauf, daß der Kaisereid jede renuntiatio amicitae seitens des Kaisers automatisch den ›Entfreundeten‹ zu einem hostis publicus machte. Hierzu allgemein Flaig 2003b. 18 Flaig 1993 und 2003b. 19 Fuhrmann 1963; Griffin 1976. 20 Bauman 1974. 21 Flaig 1992/2019, 21 ff.

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renden Kaiser nicht nur zum hostis, sondern zum parricida – ein politisches Delikt, das erst aufkommen konnte, als der Kaiser als ›pater patriae‹ galt.22 Zudem tritt das Problem auf, ob die Truppen des besiegten Kaisers oder Gegenkaisers tatsächlich als hostes zu behandeln seien oder nicht. Vitellius hat in der Tat geschwankt, ob die gefallenen othonianischen Soldaten noch als Römer galten oder nicht.23 Dieser Kampf um die Semantik wurde durch den Sturz des Vitellius beendet und entschieden: hinfort galt, daß die Truppen des gegnerischen Imperators immer und fraglos Soldaten des Imperium blieben und zu Soldaten des siegreichen Kaisers wurden, der sie nicht diskriminieren durfte. 3. Ein besonderer Fall stellt der militärische Bereich dar. Nirgendwo war die politische Umwälzung, welche sich durch die Errichtung des Prinzipats vollzg, schwerwiegender und offensichtlicher als hier. Die neue totale Organisation eines stehenden Heeres brachte mit sich eine neue Sozialisationsweise, neue Karrieremuster und neue Leistungskriterien. Vor allem aber eine Ausrichtung des Dienstes und der Symbolik auf den Kaiser.24 Ehrenkodex, Selbstwahrnehmung und Ansprüche dieser vollkommen monarchisch ausgerichteten Großgruppe divergierten erheblich von den diskriminierenden Diskursen, welche die Eliten des Imperiums über das römische Heer führten. Über Jahrhunderte hielt sich die Imago eines Heeres, das käuflich und bestechlich war und das der jeweilige Princeps durch Kauf und Bestechung an sich band, um seine Herrschaft zu sichern.25 Bis zu Beginn der flavischen Ära blieb die Praxis der Kaiser umstritten, den Truppen bei Regierungsantritt ein Donativ auszuzahlen, weil einerseits der senatorische Diskurs just das Donativ als ›Bestechung‹ diffamierte, anderseits die Truppen dasselbe als jene symbolische Gabe betrachteten, die ihnen ihren Ehrenstatus als kaisernaher Sektor bestätigte. Derjenige Kaiser, der im Herbst 69 den senatorischen Diskurs ernst nahm und es ablehnte, die Truppen »zu kaufen«, ihnen also das Donativ verweigerte, stürzte genau deswegen.26 Damit war der semantische Kampf um das Donativ entschieden, obschon die diskriminierende Semantik niemals verschwand. Eine ganz neue politische Semantik kam auf, als die trajanischen Restitutionsprägungen für die republikanischen Reminiszenzen nur Silber gebrauchten, für die kaiserzeitlichen hingegen Gold, womit der Schnitt zwischen Republik und Monarchie nicht nur betont, sondern geradezu positiv konnotiert wurde: als ein 22 23 24 25 26

Tac. hist. 1,85,3. Flaig 1992/2019, 352ff. Keppie 1984 und Flaig 1992/2019, 161ff. Ebd. 161ff. Ebd. 438ff. und Flaig 1998.

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Einstieg in ein neues und besseres Zeitalter. Zur letzten Konsequenz schritt die Münzprägung unter Hadrian, indem sie die geschichtstheologischen Vorstellungen der augusteischen Poesie zu gekürzten Schlagworten umformte, die nun auf den Münzen prangten um den uneinholbaren Zustand der Gegenwart zu rühmen: PAX AETERNA und SAECULUM AUREUM gehören nicht ins Universum des politischen Vokabulars der Republik.27

III. Wie die Senatsherrschaft illegitim wurde Nach den Worten eines berühmten Revolutionärs bricht ein System dann zusammen, wenn die Herrschenden nicht mehr so weiterregieren können wie bisher, und wenn die Beherrschten sich nicht mehr so beherrschen lassen wollen wie bisher.28 Schon bevor das erste Triumvirat die Herrschaft des Senates beendete, hatte das Lenkungsorgan der Aristokratie bei weiten Teilen der römischen Bürgerschaft keine Autorität mehr. Die Plebs rustica, aus welcher sich der Großteil der Soldaten rekrutierte, war kaum noch durch einen verläßlichen institutionellen Gehorsam in die Res publica integriert, sondern zunehmend durch personalisierte Beziehungen. Auch die provinzialen Römer, abgeschnitten von allen Möglichkeiten, an den politischen Entscheidungsprozessen in der Hauptstadt teilzunehmen, waren mit dem institutionellen Gefüge der Republik nicht mehr verbunden. Die Legionen identifizierten sich seit dem sullanischen Bürgerkrieg oft heißherzig mit Rom, aber nicht mehr mit den politischen Institutionen der Republik; sie waren sicherlich die stärkste promonarchische Kraft innerhalb jenes Konglomerats, zu dem die römische Gesellschaft geworden war. Als das erste Triumvirat die Institutionen teils lahmlegte, teils steuerte, gab es nur noch eine Großgruppe, die dem Lenkungsorgan der Aristokratie loyal folgte, und das war die Plebs urbana. Während alle anderen sozialen Gruppen zu den Institutionen der Republik fast keine Bindungen mehr hatten, hielt einzig die Plebs der Hauptstadt dem Senat die Treue – trotz aller enttäuschenden Ereignisse in der Stadt. Die dichte Kommunikation zwischen Senatoren und der hauptstädtischen Bürgerschaft – vor allem bei den Ludi, aber auch bei den Leichenbegängnssen, bei den Wahlen und bei den Volksversammlungen – hatte immer wieder ausgereicht, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und die soziale Distanz zu überbrücken.29 Doch am 19. Januar 52 kündigte die hauptstädtische Bürgerschaft diese Folgebereitschaft spektakulär auf. An diesem Tag verbrannte die Plebs in 27 Seebacher 2012, 194 ff. 28 Mommsen hat das ähnlich formuliert wie Lenin: »Wenn aber eine Regierung nicht regieren kann, hört sie auf legitim zu sein und es hat wer die Macht, auch das Recht sie zu stürzen«. Das münzt er auf die nachsullanische Senatsherrschaft (Mommsen, RG III, 93). 29 Zur Dichte der Interaktionen: Jehne 2000; Jehne 2001; auch Beck 2005.

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Rom das Gebäude des Senates als Scheiterhaufen für den ermordeten ehemaligen Volkstribun Clodius. Wie das geschah, hat Wilfried Nippel 1988 brilliant analysiert. Ich gebe nur grobe Züge wieder und ziehe Schlußfolgerungen. Am Abend des 18. Januar stellte die Gattin des Ermordeten, Fulvia, den von Wunden entstellten Leichnam im Atrium des Hauses aus und begann mit der Totenklage. Ihre gellenden Schreie transformierten die Totenklage in ein Racheritual. Am frühen Morgen versammelte sich eine große Volksmenge vor und im Haus. Man trug den Ermordeten zum Forum, vor die Rednerbühne – ähnlich wie bei einer pompa funebris, und doch radikal invertiert; denn es gab keine feierlichen Ahnenmasken, keine laudatio funebris, sondern einen nackten Leichnam mit klaffenden Wunden. Die Menge brach in das Senatsgebäude ein; und dort bahrte sie den Leichnam auf. Das Senatsgebäude selber wurde zum Rahmen für diese Brandbestattung. Seit Jahrhunderten war es verboten, innerhalb der Stadt einen Toten zu bestatten; wissentlich und willentlich durchbrach die Plebs urbana dieses Verbot und beendete damit symbolisch eine lange Ära der römischen Geschichte. Als Brennmaterial nahm Bänke, Richtertribüne, Tische und Täfelchen der Schreiber. Die Requisiten der Justiz zu Brennmaterial machen hieß demonstrieren, daß die senatorische Herrschaft außerstande war, für Gerechtigkeit zu sorgen.30 Das entsprach aber just dem politischen Mythem römischer Neugründung: das alte Regime ist ungerecht; Recht kann überhaupt nur hergestellt werden, wenn das alte Regime fällt. Um die neunte Stunde desselben Tags hielt die Plebs urbana ein Leichenmahl auf dem Forum (silicernium),31 während die Trümmer der Kurie noch qualmten; die Plebs urbana wollte demnach einen Grabkult für den Ermordeten einrichten, just an der Stelle, wo einst der Senat getagt hatte. Ein Grabkult für den Ermordeten inmitten der Stadt hätte die Römer stets daran erinnert, welches Ereignis den Senat um seine Herrschaft gebracht hatte. Danach erfolgte der Angriff der Menge auf einzelne senatorische Häuser. Mit genauen Reminiszenzen aktualisierten die hauptstädtischen Römer das politische Mythem von Lucretia und Verginia. Dieses Mythem verschweißt den Sturz eines verhaßten Regimes mit der Rache für ein Verbrechen. Es gelang dem Senat zwar, den Grabkult zu unterdrücken. Aber die senatorische Aristokratie verlor den gedächtnispolitischen Kampf unter Augustus, welcher fast am selben Ort sein Forum als ein gewaltiges Mnemotop errichtete und darin die Rache zum zentralen Thema machte.32

30 Siehe dazu Nippel 1988, 129 ff.; Flaig 2003a, 140 ff. 31 Siehe Cass. Dio 40,49,2 f. 32 Die ›Neugründung‹ der Res publica wurde in Rom regelmäßig inszeniert als Racheritual. Siehe dazu Flaig 2009.

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Die Plebs vollstreckte eine Rache im allerhärtesten Sinne: Sie rächte den Ermordeten, indem sie den Senat schuldig sprach und seine Herrschaftsbefugnis widerrief. Auch wenn ein Großteil der Plebs sich mitreißen ließ von pressure groups, so ist doch diese Bereitschaft selber aussagekräftig; denn es bildeten sich spontan keine Gruppen, die der Vernichtung des Senatsgebäudes Einhalt geboten hätten. Ganz offensichtlich hatte sich die Inszenierung von Gemeinschaftlichkeit – von concordia zwischen Senat und Volk – erschöpft.33 Zwar hatte die römische Plebs über die Jahrhunderte bei heftigen Auseinandersetzungen mit der Oligarchie manchmal damit gedroht, das Tagungsgebäude in Brand zu setzen; aber es war stets bei der Drohung geblieben. Nun aber brannte der Tagungsort des Senates tatsächlich. Die Plebs erklärte damit die Existenz des Senats für null und nichtig; sie kündigte ihren institutionellen Gehorsam auf.34 Und ohne den Gehorsam der Plebs urbana war Rom nicht regierbar. Das heißt nicht, daß die Plebs nun unentwegt meuterte; um unentwegt zu meutern, hätte die Plebs urbana ihre Handlungskapazität erhöhen müssen, ständig Einigkeit bei kollektiven Aktionen herstellen müssen. Das konnte ihr aber nicht gelingen. Sie war durch scharfe Fraktionierungen der Klientelen zerrissen; und sie war seit der sullanischen Zeit immer nur zu sehr kurzfristigen kollektiven Aktionen imstande. Aufkündigung des institutionellen Gehorsams hieß in diesem Falle: die Loyalität gegenüber dem Senat als Organ der herrschenden Klasse ging auf Null. Die Plebs war nun bereit, Quasi-Monarchen zu akzeptieren. Damit verlor das Senatsregime seine letzte Stütze. Die Herrschenden konnten schon eine ganze Weile nicht mehr regieren wie zuvor; und nun wollte der letzte Sektor der Beherrschten nicht mehr in der Weise regiert werden wie bisher. Nie wieder nach dem 19. Januar hat das hauptstädtische Volk dem Senat als dem Leitungsorgan der Aristokratie gehorcht; es gehorchte hinfort nur noch übermächtigen Condottieri oder Quasimonarchen. Ein Regime, das nicht mehr akzeptiert wird, hat seine Legitimität verloren; es wird buchstäblich illegitim. Die Herrschaft des Senates über die politische Gemeinschaft aller Römer war nicht nur faktisch beendet, sondern sie war symbolisch ihrer Legitimität entkleidet. In der Tat ist der Senat nie wieder zur ›Quelle der Legitimität‹ geworden. Die augusteische Monarchie ruhte auf einer ganz anderen Basis. Aber worauf beruhte sie? In politischer Hinsicht ist die Antwort naheliegend: Die augus­ teische Monarchie beruhte auf einer enormen Zustimmung maßgeblicher Sektoren der Gesamtheit aller römischen Bürger. Doch in symbolischer Hinsicht läßt sich die Frage ganz anders beantworten. Die visuelle Antwort erteilt das 33 In der Rache für Clodius fehlte vollständig das familiale Moment. Nicht einmal metaphorisch evozieren die Senatoren der clodianischen Sache eine familiale Bindung mit Clodius; dieser ist kein pater patriae, nicht einmal ein metaphorischer Vater der Plebs. 34 Cicero hat das ungeschminkt eingestanden: Cic. Mil. 90.

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Augustus-Forum. Ein titanisches Rachemonument erhob sich im Herzen der Stadt; im Zentrum dieses Forums thronte nämlich der Tempel des Mars Ultor, des rächenden Mars. Auf beiden Längsseiten standen die Spaliere der berühmtesten Römer und visualisierten eine einfache politische Botschaft: Die römische Geschichte läuft auf den Rächer zu, auf Augustus, der den Vater rächt und die Senatsherrschaft beendet. Dies in der institutionalisierten Öffentlichkeit auszusprechen, mag inopportun gewesen sein, vielleicht auch unmöglich, zumal die akzeptierbaren Vokabeln noch fehlten. Doch was ›unsagbar‹ war, konnte visuell dargestellt werden: So wie die Rache für Lucretia das Königtum beendet hatte, so setzte die Rache für Cäsar der Senatsherrschaft ein Ende; und die daraus entstehende neue Monarchie vollendete die Geschichte Roms.35 Zurück zur politischen Ebene! Dort stellt sich die Basis der römischen Monarchie als Zustimmung dar. Gemeint ist die Zustimmung der Gesamtheit der nichtrömischen und römischen Provinzialen, dann die Zustimmung der italischen Munizipien, ferner das bedingungslose Einstehen des Heeres für eine monarchische Ordnung. Hinzu kommt die Zustimmung der ritterlichen Aristokratie zu einem Regime, das mit der Garantie innerer Stabilität die Laufbahnen und Aufstiegsmuster auf munizipaler, provinzialer und reichsweiter Ebene regulierte und verläßlich machte. Schließlich sogar die Zustimmung großer Teile der senatorischen Aristokratie, welche eine geordnete Konkurrenz mit zuverlässigen institutionellen Sicherungen – welche einzig ein Monarch noch gewährleistete – herbeisehnte.36 Und nicht zuletzt basierte diese Form der Monarchie auf der überwältigenden Zustimmung und Unterstützung der hauptstädtischen Bürger, der Plebs urbana. Diese Zustimmung vollzog sich in exotischer Unablässigkeit, wie unten zu sehen sein wird.

IV. Die Plebs urbana – konzeptionelle Überlegungen Nun ist die Beziehung zwischen dem Kaiser und den Bürgern seiner Hauptstadt näher zu besehen. Zunächst eine Vorüberlegung. Paul Veyne hat 1976 mit seinem Buch eine Wende von der Sozialgeschichte zur Kulturgeschichte vollzogen, die ich 1992 in meinem Buch ›Den Kaiser herausfordern‹ weitertreiben wollte bis zum Bruch. Eine der markantesten Trennlinien zwischen Sozialgeschichte und Kulturgeschichte ergibt sich aus dem Gebrauch der Kategorie des ›Interesses‹: Die Sozialgeschichte fragt nach den Interessen der historischen Akteure. Und die Interessen leiten sich ganz einfach ab von der sozialen Lage bestimmter Schichten. Daher ist es möglich und faktisch unentwegt der Fall, daß ganze soziale 35 Zu dieser Symbolik: Flaig 2009. 36 Pfeilschifter 2005.

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Gruppen ihr eigenes Interesse nicht erkennen, wohingegen der analysierende Soziologe oder Historiker es selbstverständlich erkennt. Hier wird deutlich, wie sehr die Konstruktion dieses Interessebegriffes dem Muster des Lukácsschen Klassenbewußtseins willfährt. Die Anfälligkeit für ideologische Vorannahmen ist evident. Die neue Kulturgeschichte kann dem nicht folgen. Schon Paul Veyne fragte in seinem Werk von 1976 immer wieder nach dem Ehrenkodex ganzer Gruppen. Das ist es. Menschen handeln nicht auf Grund von Interessen; sie handeln aus Motiven. Und Motive ergeben sich niemals direkt aus sozialen Lagen. Motive ergeben sich aus Sinnsystemen, innerhalb derer die Akteure ihre Situationen definieren. Wollen wir Motive eruieren, müssen wir uns um Semantiken bemühen, um politische Semiotik – um Gesten und Performanzen. Und dann könnte sich ergeben, um mit Juvenal zu sprechen, daß die Spiele wichtiger waren als das Brot. Kommen wir zum Brot. Von den etwa 200.000 männlichen erwachsenen Bürgern der Stadt Rom gehörten 150.000 zur Plebs frumentaria; das heißt sie waren berechtigt zum Empfang von kostenlosem Getreide; sie standen auf einer entsprechenden Liste. Und das Seltsame ist, diese privilegierten Dreiviertel und das nichtprivilegierte Viertel unterscheiden sich überhaupt nicht. Es gibt nirgendwo auch nur den geringsten Hinweis, daß dieses Privileg zu besonderen Reaktionen geführt hätte. Nun ist es wichtig zu wissen, daß nur diese 150.000 Plebeier vom Kaiser ein con­ giarium erhielten zu besonderen Anlässen – manchmal 75 Denare, manchmal 50 Denare. Die anderen Bürger Roms nicht. Stramme Sozialhistoriker müssen hier eine Interessensdivergenz vermuten, ja postulieren. Vergeblich. Es gibt keine partikularen kollektiven Reaktionen. Keine Spaltung. Das war römischen Autoren sehr bewußt. Ein Freund von Marcus Aurelius, Fronto, stellt eine Überlegung an, wieso der Plebs die Spiele wichtiger sind als Geldgeschenke. Nach der Social choice Theorie dürfte das nie und nimmer sein. Die rationalen Agenten wollen doch alle ihren individuellen Nutzen maximieren. Also sind ihnen doch 75 Denare wertvoller als zwei Nachmittage im Zirkus mit je 10 Wagenrennen. Doch Fronto bestätigt das Gegenteil: Congiaria werden weniger feurig gefordert als spectacula (minus acribus stimulis congiaria quam spectacula expeti).37 Fronto erklärt dies mit zwei Umständen: Mit congiaria erfreut man die plebs frumentaria einzeln und namentlich; aber mit spectacula gewinnt man das ganze Volk (congiariis frumentariam modo plebem singilla­ tim placari ac nominatim, spectaculis universum 〈populum conciliari〉). Frontos Diskurs setzt das Geschenk als ›materiell-privates‹ Element gegen die Spiele als ›öffentlichen‹ Vollzug von Gemeinschaftlichkeit. Der Konsular aus antoninischer Zeit trifft genau den Punkt:

37 Fronto, princ. hist. 17.

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1. Mit congiaria wird nicht die gesamte Plebs, sondern nur die plebs frumentaria beschenkt; die Spiele hingegen lassen die soziale Differenz in der politischen Eintracht verschwinden. 2. Die individuelle Zuteilung läßt kein Bewußtsein von Eintracht und Zusammengehörigkeit aufkommen. Dagegen können die Hauptstädter ihre Einheit als zivischen Körper im Circus, Amphitheater und Theater erfahren und spüren. Und diese Zusammengehörigkeit – als politisches Geschehnis – überwiegt deutlich die Beschenkung. Vor diesem Phänomen muß jede Sozialgeschichte kapitulieren; darum behilft sie sich mit Massenpsychologie. Aber der Griff in diese Trickkiste verrät, daß man nicht mehr weiterweiß.38 Die Sozialgeschichte hat sich redlich einen Grabstein mit einer lapidaren römischen Inschrift verdient. Nun eine zweite konzeptionelle Überlegung. Die Plebs urbana wurde in der Kaiserzeit für eine entpolitisierte Masse gehalten. Daß dies falsch ist, haben Zwi Yavetz und Paul Veyne zaghaft angedeutet. Folglich benötigen wir einen Begriff von Politik, der sich in Varianten aufspreizen läßt. Der ließe sich tentativ so formulieren: Politik in einem sehr radikalen Sinne heißt institutionalisierte Teilnahme an den Entscheidungen, die für die ganze Gemeinschaft gelten sollen. Das wäre ein für die griechische Polis zutreffender Politikbegriff. Gemessen an diesem Begriff wären die Bürger der Bundesrepublik ziemlich ›entpolitisiert‹; denn sie wählen bloß die Entscheidungsträger, sie entscheiden aber nicht selber. Wenn man auf der Skala des politischen Handelns sich entfernt von jenem Extrempunkt, welcher die maximale Partizipation an den Entscheidungsvorgängen markiert, dann füllt sich der Begriff der Politik mit anderen Gehalten, und darum wechselt er seine Definitionen. Er kann an einem bestimmten Punkt meinen: Interaktion zwischen Herrschenden und Beherrschten innerhalb eines definierten Feldes und erkennbarer Regeln. Innerhalb dieser Definition steigt der Grad der Politisierung in dem Maße wie die Interaktion zunimmt. Der Modus der Interaktion ist dann notwendigerweise ritualisiert; und er kann in der Regel nicht konflikthaft sein, sondern erheischt konsentische Formen. Daß dieser Modus der Interaktion in Rom dominierte, darauf verweist die große Menge konsentischer Vokabeln. Aus dieser Definition ergäbe sich für die Plebs urbana in Rom: Die Form der Politisierung hat sich im Übergang von der späten Republik auf die Kaiserzeit verändert, zumindest in der Hauptstadt. Denn die Partizipation am kollektiven Entscheiden verschwand. Die Volksversammlungen stimmten nur noch zu; und sie wählten die Magistrate, indem sie die Liste der Kandidaten absegneten. 38 Das neueste Beispiel eines simplifizierenden Rückgriffes auf ›social psychology‹ liefert Fagen 2011.

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Doch dafür wuchs ein anderes Machtpotential. Die Fähigkeit der Plebs, auf das Zentrum der Herrschaft Druck auszuüben, verstärkte sich. Während sie in der Republik nur mit extra-institutionellen Aktionen Zwang auszuüben vermochte, erübrigten sich im Kaiserreich die kollektiven Aktionen weitgehend. Denn für die Begegnung von Kaiser und Plebs existierte in Rom eine gigantische Infrastruktur, innerhalb welcher die Plebs intra-zeremoniell Druck auszuüben vermochte. Ihre Macht und ihre spezifische Politisierung war in dieser Hinsicht also gewachsen, und sie wuchs weiter bis zum Höhepunkt in Konstantinopel.

V. Ritualisierte Interaktion: Ambiguität der Zeichen und monarchische Semantik auf Kindesbeinen Die Kommunikation in den Institutionen der Republik war in hohem Maße eindeutig: Reden, Anträge, Abstimmung, Verkündigung des Ergebnisses. Die institutionellen Prozeduren vereindeutigen das Geschehen und das Resultat. Anders ist es in der Sphäre der ritualisierten Begegnung. Hier können erhebliche Ambiguitäten und auch Mißverständnisse sich auftun. Denn die Ritualität des Interagierens war ausgerichtet auf concordia; doch um die Eintracht zu erreichen, war gegenseitiges Nachgeben ein notwendiges Element des Spiels und Intensität ein in Grenzen zulässiger Faktor. Nehmen wir einen solchen Fall aus dem Jahre 22 v. Chr. Der Prinzipat war noch ganz jung. Es handelt sich um eine bizarre Bittgeste des Princeps. Im Jahre 22 v. Chr., nach Unruhen und Turbulenzen, teilweise verursacht von Engpässen bei der Versorgung Roms, trug die hauptstädtische Bürgerschaft dem Alleinherrscher Augustus die Diktatur an. Doch dieses Amt bestand nicht mehr. Man hatte es nach der Ermordung Caesars 44 v. Chr. abgeschafft. Augustus nahm Rücksicht auf die Empfindlichkeiten der Aristokratie; ihm schwebte eine Monarchie vor, in der die Senatorenschaft sich bequem einrichtete. Die Forderung des Volkes widerstrebte ihm ganz und gar. Aber die hauptstädtischen Bürger ließen nicht locker; sie brauchten einen Monarchen als Ansprechpartner, der sich nicht aus der Verantwortung stahl und sie auf andere abschob. Nun pflegten sie im zeremoniellen Rahmen der Spiele deutliche Forderungen zu äußern; davon machten sie jetzt Gebrauch. Sueton berichtet darüber: »Als ihm das Volk mit Vehemenz die Diktatur aufdrängen wollte, beschwor er es, sie ihm nicht aufzuerlegen, indem er auf die Knie fiel, die Toga von den Schultern riss und die Brust entblößte.«39 Ein knieender Princeps, mit entblößter Brust. Was soll das? Sicherlich hatte Augustus nicht sofort zu diesem Mittel gegriffen, sondern zuvor auf andere Weise abzulehnen versucht; es ist anzunehmen, dass er in einer 39 Suet. Aug. 52,2. Dazu: Flaig 2003a, 116 ff.

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contio auf dem Forum dem Volk erklärt hatte, er sei nicht willens, die Diktatur zu übernehmen. Doch wie konnten die römischen Bürger wissen, ob Augustus nicht insgeheim trotzdem das Amt wünschte? Seine Ablehnung konnte eine Geste der Bescheidenheit sein; damit hatte man seit Pompeius genügend Erfahrungen gemacht. Seit Pompeius war die recusatio eine mögliche Geste geworden; und zwar dann, wenn es um außerordentliche Vollmachten ging. Mit der recu­ satio provozierte Pompeius und andere auch, daß das Volk umso stürmischer ihn drängte, das Amt zu übernehmen. Als Augustus die Diktatur ablehnte, konnte das Volk nicht wissen, ob das eine recusatio war. Die Ablehnung war semiotisch nicht eindeutig. Vielleicht sollten sie ihn stürmischer bitten? Diesen Gefallen tat man ihm gerne. Freilich provozierte dann jede Ablehnung noch stärkere Akklamationen. Wollten die hauptstädtischen Römer herauszufinden, ob Augustus tatsächlich das Amt nicht wollte, kamen sie nicht umhin, die Angebote zu wiederholen, und das in immer heftigerer Weise. Gewiss, irgendwann merkte das Volk, dass Augustus keine recusatio – keine Bescheidenheitsgeste – übte, sondern die Diktatur tatsächlich nicht wollte. Und damit begann ein neues Spiel. Nun stellte sich automatisch die Frage, ob man ihn nicht überzeugen, das heißt drängen konnte. Dazu bedurfte es einer Kraftprobe. Wessen Präferenzen waren stärker: Sollte der Princeps nicht dem römischen Volk zu Gefallen das Amt übernehmen, auch wenn es ihm schwer fiel? Wollte er einen intensiv geäußerten Volkswillen übergehen? Intensitäten sind in der Politik schwer messbar. Aber gerade darum ging es: Wie intensiv war der Wille des Augustus, die Diktatur nicht zu übernehmen, angesichts eines nachhaltigen Volkswillens, welcher sich in den wiederholten Akten, ihm stürmisch die Diktatur anzubieten, allzu deutlich manifestierte? Der Princeps rang mit dem Volk um die symbolische Konnotation der neuen Monarchie: bloß keine Diktatur! Augustus antwortete mit der besagten Geste. Er inszenierte sie vielleicht auf dem Forum anlässlich einer contio; wahrscheinlicher ist es, dass er es im Circus tat, der immer mehr zum zeremoniellen Raum für die symbolische Kommunikation zwischen Kaiser und Plebs wurde. Das Knien und das Entblößen der Brust schufen definitive Klarheit. Denn alle Römer wußten, was eine solche Bittgeste bedeutete: Erstens zeigte das Knien und das visuell inszenierte Flehen, dass der Kaiser sich dem römischen Volke unterordnete; daher war die Geste aufgeladen mit politischer Symbolik von höchster Relevanz; und zweitens bedeutete die Geste, dass der Zwang, den das Volk ihm antat, das gute Verhältnis zwischen Kaiser und Volk zu irritieren drohte. Die Römer der Hauptstadt begriffen und hörten auf zu insistieren. Dafür übernahm der Kaiser in Person die cura annonae, also die Verantwortung für die Getreideversorgung. Kaiser und Volk spielten ein Pingpong von Gesten des Konsenses und einander beantwortenden Gefälligkeiten.

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VI. Die zeremoniellen Regeln der Interaktion Die sogenannten Spiele – ludi und munera – waren so begehrt, weil in ihrem Medium die Kommunikation mit dem Zentrum der Macht stattfand. Sie wurden schon in der mittleren Republik zu Konsensritualen, deren Häufigkeit pro­ portional zur römischen Expansion zunahm.40 Die perpetuierte Festlichkeit, in deren Genuß die Plebs in Rom kam, hat nichts zu schaffen mit den Vergnügungen der modernen Gesellschaft.41 Sie war semantisch determiniert vom politicosakralen Charakter der Feste in der antiken Kultur und war integriertes Element von Konsensritualen mit Götternähe.42 Die Ludi richteten sich semiotisch auf den Sieg und die Herrschaft Roms aus; ihre religiöse Einbettung, zeremonielle Ausgestaltung und politische Konnotierung determinierte ihren Charakter als in die Res publica eingegliederte Veranstaltungen. Im ludischen Ritual kam die symbolische Einheit des sozialen Körpers zur eindringlichsten Darstellung.43 Je mehr die Spiele sich mit politischer Semantik aufluden, desto mehr mußten sie reglementiert werden. Die Sitzordnung im Theater – dann auch im Zirkus und Amphitheater – schuf Trennlinien zwischen Senatoren, Rittern, der togatragenden Plebs und den pullati, Leuten ohne weiße Toga, die bei Sklaven und Frauen auf den hintersten Reihen saßen; überdies war der Sitzraum der Plebs gemäß den Tribus unterteilt; Verheiratete und Unverheiratete saßen getrennt; innerhalb der Sitzblöcke (cunei) vergaben die Korporationen exakt zugemessene Abschnitte der Sitzreihen an Mitglieder.44 »Der ludische Raum ist zugleich Ikone eines komplexen sozialen Raumes und ein Ensemble von kulturell konstruierten und historisch produzierten Zeichen.«45 Darum reagierten Ritterschaft und Senatoren immer irritiert auf Verstöße gegen die Sitzordnung. Als Domitian 89 ein Munus (Gladiatoren-›Spiel‹) gab, in welchem die Stände durcheinander 40 Siehe dazu Clavel-Lévêque 1984, 23 ff. 41 Veyne 1976, 283 ff., 292 ff.; 393; 724 f. 42 So schon Piganiol 1923, 75 ff.; ähnlich Piccaluga 1965 und Bayet 1969, 139. Die fran­ zösische Forschung seit Fustel de Coulanges und besonders seit Durkheim schenkte den Ritualen mehr Beachtung als die deutsche, siehe Flaig 1995, 100 A. 59. 43 Clavel-Lévêque 1984, 12 ff. Zur Ikonizität politisch wirksamer Rituale: Flaig 1995b, und Flaig 2003, S. 32 ff.; Itgenshorst 2005, 59 ff. Allgemein hierzu: Rappaport 1979; Geertz 1987, 52 ff.; Kertzer 1988; Kelly – Kaplan 1990; Bourque 1997. 44 Senatoren: Ungern-Sternberg 1975. Pullati, Frauen und Sklaven: Rawson 1987. Tribus: Das vermutete schon Mommsen; es kann nun als gesichert gelten; siehe Bollinger 1969, 14 f. Korporationen: ebd.; Rawson 1991, 472 und 511 ff.; ähnlich: Parker 1999. Die Sitzordnung des Theaters wurde sofort auf das Amphitheater übertragen. Schwieriger war es, im Zirkus eine ähnliche Übersichtlichkeit mittels derselben Trennlinien herzustellen (Scamuzzi 1969, 279 ff. und 283 ff.; Lilja 1985). Für das Kaiserreich: Bollinger 1969 und Tengström 1977. 45 Clavel-Lévêque 1984, 153.

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saßen, kommentierte Statius: libertas reverentiam remisit.46 Dieser Gebrauch des Wortes ›libertas‹ indiziert, daß immer noch neben der senatorischen Semantik eine populare weiterbestand. Kaiserliche Maßnahmen, die als Transgressionen empfunden wurden, setzten somit sofort semantische Kämpfe frei, nämlich Kämpfe um die Interpretation eines politischen Schlüsselwortes. Schlimm war es, wenn der Kaiser die politische Demarkation zwischen Zuschauern und auftretendem Personal47 mißachtete; eine solche Mißachtung entkräftete sofort die Trennlinien im politischen Körper; und sie war darum in der Hauptstadt besonders heikel. Bei dermaßen exakter Insertion des Individuums in seine jeweilige Statusgruppe und solcherweise hergestellter totaler sozialer Transparenz war Ano­ nymität ausgeschlossen. Die kollektiven Reaktionen der Plebs sind daher extrem ritualisiert. Die Historiographen berichten von keinerlei Ausschreitungen der römischen Zirkusparteien und keinerlei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen denselben. Auch vermelden sie nicht einen einzigen derartigen Vorfall im Amphitheater der Hauptstadt. An der Überlieferung kann das nicht liegen, denn Unruhen und Krawalle im Theater sind bezeugt. Wir stehen somit angesichts der Abwesenheit von Krawallen im Amphitheater und im Circus der Hauptstadt vor einem erstaunlichen Phänomen – zumal angesichts der Zuschauerzahlen. Die Quellen ergeben also ein grundsätzlich anderes Bild als die Forschung es lange Zeit behauptet hat: Die Plebs urbana bewahrte in Zirkus und Amphi­ theater eine außerordentlich hohe Disziplin. In seltenen Fällen – bei sehr schweren Konfrontationen mit den Machthabern – ging die Plebs von institutionalisiertem Verhalten zu kollektiven Reaktionen über. Aber bei den Spielen war jede ihrer Regungen kontrolliert und kodiert. Die Plebs urbana bei den Spielen war weder ›Masse‹ noch ›crowd‹ noch ›foule‹.48 Konzepte und Kate­gorien massen­ psychologischer Provenienz versagen folglich bei der Erklärung des kollektiven Verhaltens der römischen Plebs. Es läßt sich kaum bezweifeln, daß die Sitzordnung nicht bloß die Bürger hierarchisierte, sondern sie auch disziplinierte. Die politische Theologie der Säkularspiele durchdrang tendenziell jegliche ludische Veranstaltung überhaupt in Rom.49 Jedesmal feierte das versammelte Volk das Glück (felicitas) der Zeiten und die Ewigkeit (aeternitas) Roms, als deren Garant der Kaiser auftrat. Jedesmal gaben die Spiele den Rahmen ab, in46 Stat. silv. 1,6,45. Dazu: Bollinger 1969, 10 ff; Ville 1981, 433 ff. 47 Auftretendes Personal, egal ob im Theater, Amphitheater oder Zirkus, galt als ›infam‹; ihm war der Wehrdienst untersagt; davon ausgenommen waren die Atellanen-Schauspieler (Liv. 7,2,11 f.). 48 Smelser sondert grundsätzlich »kollektives Verhalten« von »institutionalisiertem Verhalten« großer Gruppen ab (Smelser 1962, 74 f.). Es bedarf einer nuancierten Skala von Varianten. 49 Clavel-Lévêque 1984, 126 f.; 141 ff.

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nerhalb dessen alle Schichten die allgemeine Eintracht (consensus universorum) erneuerten, bekräftigten und feierten. Die Figur des Kaisers war dabei stets im Zentrum, ob er anwesend war oder nicht.50 Dies alles hob den politischen Charakter der Spiele in Rom qualitativ heraus; in den anderen Metropolen des Imperiums waren die Spiele stärker auf die eigene Stadt, nur indirekt auf das Reich ausgerichtet. Daher wurden seit Augustus die Ausgaben der spielgebenden Magistrate straff reglementiert. Damit war auch sichergestellt, daß die Spiele des Kaisers stets die anderen übertrafen.51 Die Interaktion zwischen dem Kaiser und der Zuschauerschaft war Bestandteil der monarchischen Verfassung. Die kaiserliche Präsenz war es, was die Popularität der Spiele in Rom überdeterminierte.52 Es ist unfaßbar, wieviel Zeit die römischen Kaiser bei den Spielen verbrachten. Spiele gab es unter Tiberius an 90 Tagen, unter Trajan an 120 Tagen jährlich. Die Kaiser verbrachten mindestens die Hälfte, oft 2/3 des Tages im Zirkus, im Theater und im Amphitheater. Veyne schätzt, daß sie ab Domitian etwa 1/5 ihrer Regierungszeit zusammen mit seiner hauptstädtischen Bürgerschaft verbrachten. Das ist welthistorisch singulär. Keine andere Monarchie hat sich erlaubt, den Herrscher einer dermaßen den Bürgern seiner Hauptstadt auszusetzen. Hätten die römischen Kaiser hierin eine unsinnige Vergeudung gesehen, dann hätten sie die ›Spiele‹ einfach abgeschafft. Doch solange die städtischen Bürgerschaften des Imperiums sich als politische Träger des Reiches begriffen, war daran nicht zu denken. Denn genau diese Konsensrituale gab den Städten ihre außerordentlich hohe Identifizierung mit dem Imperium. Und nur durch diese hohe Identifizierung hielten diese Städte seit dem Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. schwerste Belastungen aus, um das Imperium Romanum abzustützen. Ohne diese Konsensrituale hätte das Imperium kaum so schwere Krisen so lange ausgehalten.

VII. Handlungsfähigkeit und politisierte Themen Die Plebs urbana war sozial stark stratifiziert, und sie war trotzdem imstande zu einmütigen kollektiven Reaktionen. Wie war das möglich ohne autonome Organisation? Zirkusparteien oströmischer Art gab es ja nicht. Des Rätsels Lösung lautet: Ein hoher Normenkonsens und eine hohe Normkonformität befähigt eine Gruppe bereits bei minimaler Organisierung zu spontanen einmütigen Reaktionen. Allerdings zeigen sich auch hier die Grenzen der Handlungsfähigkeit. 50 Millar 1977, 370 ff. 51 Veyne 1976, 685 ff. Hätte es sich um ›Vergnügungen‹ gehandelt, wäre eine solche Monopolisierung nicht notwendig gewesen. 52 Nach Ios. ant. Iud. 19,24 war der hauptsächliche Zweck der Spiele in Rom derjenige, einen zeremoniellen Rahmen zu bieten, innerhalb dessen die Plebs mit dem Kaiser interagieren konnte.

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Denn nur dann, wenn diese Gruppe zentrale Normen und Werte verletzt sieht, ist sie imstande, spontan zu reagieren. Eine große Menge von Themen, die bei uns als politische schlechthin gelten, wie z. B. die Außenpolitik, kann von einer solchen Gruppe nicht politisiert werden. Genau das war der Fall bei der Plebs urbana. Die Bandbreite der politischen Sachgebiete, die von der Plebs urbana politisiert wurde, ist mithin recht eng. Diese Enge sagt nur wenig aus über den Grad der Politisierung. Dieser Grad bemisst sich an der Kraft und an der Nachhaltigkeit der Reaktionen. Und in dieser Hinsicht übertraf die Plebs urbana viele antike Bürgerschaften. Die Plebs behielt bestimmte Themen stets in ihrer Aufmerksamkeit. Nun impliziert nicht jede öffentliche Thematisierung eine Politisierung des Thematisierten, wie der Starkult bezeugt. Doch wenn die Thematisierung an einem Ort geschieht, wo die Gemeinschaft sich offiziell zelebriert und wo Pressionen auf die Machthaber ausgeübt werden können, dann politisiert sich fast jedes Thema. Wenn also die Plebs urbana im offiziellen Rahmen der Ludi bestimmte Anliegen gegenüber dem Kaiser vorbrachte, dann politisierten dieselben sich automatisch.53 Es handelte sich um folgende54: 1. Die Plebs stellte selten materielle Forderungen. Eine seltene Ausnahme ereignete sich unter Augustus. Die Stadtrömer klagten, der Wein sei zu teuer, ­Augustus möge nicht bloß das Getreide verbilligen, sondern auch den Wein. Augustus lehnte ab und begründete: Rom ist bestens versorgt mit Aquädukten und Wasser sei kostenlos. Gelegentlich reklamierte die Plebs Fahrlässigkeiten bei der Versorgung der Riesenstadt. Es war demütigend, die kaiserliche Fürsorge extra einfordern zu müssen. Eine Knappheit demonstrierte der Plebs, daß keine andere Gruppe so sehr in ihrer physischen Existenz von der annona abhing. Antike Bürgerschaften ertrugen Versorgungskrisen ohne Murren, wenn sie es nicht als passives Erleiden verstanden, sondern als aktiven Beitrag zur Bewältigung einer Krise. Das bestimmte ihr Verhalten – ob es nämlich zur Revolte kam oder zur opfermütigen Entbehrung. Aber genau das hing davon ab, wie die Beziehung zum Kaiser war. Glaubte die hauptstädtische Bürgerschaft sich verachtet, dann stellte schon eine belanglose Knappheit einen Angriff auf ihre Würde dar. Der materielle Aspekt war tendenziell unwichtig, entscheidend war der symbolische: die Plebs urbana beanspruchte eine Ehrenstellung als Sektor der politischen Gemeinschaft und war in ihrem Status bedroht, wenn sie in die Rolle von Bettelnden gedrängt wurde.55 53 Dazu: Veyne 1976, 726 f. 54 Die folgende Liste ist angelehnt an den Katalog der »reactions of the crowd« bei Yavetz 1969, 33 ff. Anders: Sünskes Thompson 1993. 55 Claudius wurde im Jahre 51, als Hungersnot drohte, von einer aufgebrachten Menschenmenge auf dem Forum eingekeilt und bedroht (Tac. ann. 12,43,1). Dieses Agieren zeigt an, daß die Plebs es als Entwürdigung ansah, um die Einlösung einer staatlichen Aufgabe betteln zu müssen.

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2. Die Plebs trug Sorge für den familiären Status des Kaisers, seine Majestät56 und seine Sicherheit. So geriet auf das Gerücht, Claudius sei auf dem Weg nach Ostia ermordet worden, die Plebs57 in Wallung: sie beschimpfte die Prätorianer als Verräter und die Senatoren als parricidae (Vatermörder). D. h. sie betonte gegen die beiden anderen Sektoren ihre fides und ihre pietas, sie stilisierte sich als treuester Sektor der politischen Gemeinschaft. Um den regulären Gehorsam wiederherzustellen, mußten die Magistrate auf dem Forum versichern, der Kaiser lebe und sei schon unterwegs nach Rom. 3. Die Plebs nahm lebhaft Anteil an der Thronfolge. Erfolgte diese nicht gemäß ihren rechtlichen Vorstellungen, so mußten die Machthaber mit Reaktionen rechnen; der Senat hingegen fügte sich stets willfährig. Die Plebs urbana dachte »dynastisch«, d. h. sie vertrat Normen innerfamiliärer Rangordnung auch beim Herrscherwechsel. Als Claudius starb, wagten die Machthaber nicht, das Testament öffentlich verlesen zu lassen.58 Denn Britannicus als leiblicher Sohn hätte vor dem adoptierten Nero den Vorrang gehabt.59 Die Meinung des vulgus  – so bezeichnet verächtlich Tacitus hier die Plebs urbana – wurde von der Clique um Agrippina, Seneca, Burrus und Pallas mehr gefürchtet als die Meinung der Senatoren. 4. Sie prüfte gespannt das Verhalten des Thronfolgers. Dazu boten die Spiele einen geeigneten Rahmen, vor allem die Gladiatur. Denn das Amphitheater war der Schauplatz eines Spiels zwischen der iustitia der politischen Gemeinschaft und der virtus des Verfemten; dabei hatte der Monarch clementia zu üben. Alle vier Tugenden auf dem Ehrenschild für Augustus kamen hier zur Geltung. An der Bereitwilligkeit, die ›würdigen‹ Unterlegenen zu schonen, konnte die Plebs die moralischen Eigenschaften ablesen. Drusus, der Sohn des Tiberius und potentieller Nachfolger, erregte hingegen Widerwillen, als er wiederholt Besiegte töten ließ, während die Zuschauer die missio verlangten.60 Wer sich so verhielt hatte keinen Respekt vor der virtus der unterlegenen Gla56 Die Plebs trug Augustus den Titel eines pater patriae während eines Schauspieles an (Suet. Aug. 58,1). Wenn der Senat den Titel später sofort bei der Anerkennung eines Kaisers anbot, so liegt dies auch daran, daß die honorige Körperschaft nicht von der Plebs überholt werden wollte. 57 Sueton spricht diesmal von populus, Suet. Claud. 12,3. 58 Tac. ann. 12,69,3: Ne antepositus filio privignus iniuria et invidia animos vulgi turbaret. 59 Vgl. CJ 8,47,10 bzw. Dig. 1,7. 60 Tac. ann. 1,76,3: Edendis gladiatoribus, quos Germanici fratris ac suo nomine obtulerat, Drusus praesedit, quamquam vili sanguine nimis gaudens. Der Spielgeber entschied über das Leben des Unterlegenen; die Zuschauerschaft gab zu erkennen, ob ihrer Meinung nach der Besiegte sich würdig geschlagen habe (Ville 1981, 410 ff.). Aber die Urteile des Publikums erfolgten auf Grund der Beobachtungen des Kampfverhaltens und dessen Bewertung gemäß eines konventionellen Standards von Tapferkeit und Würde. Zur Symbolik der Interaktion zwischen Munerarius und Volk beim Entscheiden über das Leben des Besiegten, siehe Flaig 2000 und Flaig 2007.

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diatoren; wenn er diesen Respekt nicht hatte, dann mußte es ihm an p­ ietas fehlen; und obendrein war er nicht begabt mit clementia. Folglich durfte man auf seine iustitia gar nicht hoffen. Ein einziges solches Ereignis reichte aus, und die Bürger Roms wußten, mit was für einem Herrscher sie nach des Germanicus’ Ableben zu rechnen hatten.61 5. Sie traten stets für gefährdete oder benachteiligte Mitglieder der kaiserlichen Familie ein. Die Ehe des Kaisers unterlag ihrer besonderen ›Aufsicht‹. Augustus mußte seine nach Pandateria verbannte Tochter Julia zumindest auf italischen Boden zurückholen, weil die Plebs sich überhaupt nicht mehr beruhigen wollte. Als Tiberius begann, die Germanicus-Familie zurückzusetzen, hörten die Solidaritätsdemonstrationen der Plebs nicht mehr auf. Jedesmal, wenn ein Kaiser sich scheiden ließ, provozierte er massiven Unmut, auch wenn er ansonsten beliebt war. Wenn ein Kaiser die geschiedene Gattin verbannte, entlastete er sich nicht von Druck, sondern provozierte jähe Gerüchtewellen. Die waren gefährlich, denn sie lösten manchmal kollektive Aktionen von hoher Vehemenz aus; wie es Nero widerfuhr, als er Octavia verbannte.62 Es kam zu einem Opferstreik: Die Plebs hörte auf den Göttern zu opfern; sie kündigte also die Pax Deorum auf, um dem Kaiser zu schaden. 6. Die Plebs demonstrierte bei laufenden gerichtlichen Verfahren ein, teils um zu verhindern, daß Unrecht ungesühnt blieb,63 teils um senatorische Terrorjustiz zu durchkreuzen. Der schwerste Zusammenstoß zwischen dem Senatsgericht und der Plebs ereignete sich 61, als nach der Ermordung des Stadtpräfekten der Senat das SC Silanianum64 anwandte.65 400 Sklaven drohte die Hinrichtung. Die Rede des C. Cassius – eines berühmten Juristen – ist ein Paradestück oligarchischen Terrorismus: auch wenn nun unschuldige Sklaven sterben, so ist das notwendig, damit Senatoren ruhig schlafen können: »Dieses zusam61 Tac. ann. 1,76,3: Quod 〈in〉 vulgus formidolosum et pater arguisse dicebatur. Es ist völlig unerheblich, ob Tiberius den Sohn tatsächlich tadelte; entscheidend ist, daß man dies glauben machen wollte oder glaubte. Zumal der Vorfall schwer genommen und dem Fernbleiben des Kaisers von den Spielen zur Last gelegt wurde (ibidem). Dazu: Flaig 2000. 62 Cass. Dio LV,10,14 und 13,1; Tac. ann. 5,4 und 14,59 f. 63 Nach dem Tode des Germanicus wurde Cn. Piso des Mordes an dem populären Prinzen verdächtigt und verhört; die Plebs drohte während des Verfahrens, selber zur Voll­ streckung zu schreiten, falls der Senat den Angeklagten freisprach (Tac. ann. 3,14,4) und wurde mit Einsatz von Militär daran gehindert, Pisos Bildnisse auf der gemonischen Treppe zu zertrümmern. Für Milde gegenüber Verurteilten hingegen erntete der Kaiser in der Regel Lob, sogar in schweren Fällen: Als Claudius 46 den Verschwörer Asinius Gallus nicht hinrichten ließ, sondern ins Exil schickte, jubelte ihm die Plebs zu (Cass. Dio 60,28,1). 64 Dig. 29,5. 65 Siehe dazu: Yavetz 1969, 29 f.; 33 ff. Tacitus spricht vom concursus plebis (Tac. ann. 14,42,2) und davon, daß der Princeps sich tadelnd an die Plebs wandte: populum edicto increpuit (Tac. ann. 14,45,2).

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mengelaufene Gesindel kann man nur durch Einschüchterung zum Gehorsam zwingen!«66 Ein solcher Terrorismus kollidiert mit römischen Wertekanon. Die Plebs drohte den Senatoren mit Steinigung und mit Brandlegung an der Curia. Nero schloß sich dem Urteil des Senates an und ließ sogar die Prätorianer aufbieten, um das Volk in Schach zu halten, damit die Massenhinrichtung vonstatten gehen konnte. Aber was ist hier ius und was mos? Denn laut Gesetz waren die Sklaven nur Sachen; und es lag ja ein gültiges SC vor. Anderseits war Römern klar, daß realiter Herrschaft nicht dauerhaft auf Terror (metus) gründen kann, sondern einzig auf fides, und zwar auch bei Sklaven. Worum ging es dann? Bestimmt ging es der Plebs nicht um »Menschlichkeit«. Aber immerhin um aequitas, um maßvolle Billigkeit. Das waren mitnichten universalistische Werte, sondern politische. Wenn man sie beachtete, sicherte man das Heil und Wohlergehen der politischen Gemeinschaft. Und hierbei war die Plebs ebenso engstirnig wie engherzig, wie andere Gemeinschaften auch. Wenn die römische Bürgerschaft 61 ein Terrorurteil zu verhindern suchte, so weniger aus Mitleid mit den abzuschlachtenden 400 Sklaven, sie wollte vielmehr eine blutige Manifestation der unbedingten Geltung oligarchischer Herrschaft zunichte machen: War das Leben eines Senators solche Blutbäder wert, was konnte dann noch alles passieren? Was durften sich Senatoren gegenüber den einfachen Römern in Zukunft herausnehmen? Die Oligarchie beanspruchte eine rigide und unbedingte Autorität, dafür brauchte sie fallweise Blutbäder, die abschreckten. Aber die Plebs war nicht bereit, der Oligarchie eine solche asymmetrische Überlegenheit zuzubilligen. Man kämpfte um Recht und Gerechtigkeit; doch in diesem semantischen Kampf führte man einen anderen Kampf, nämlich einen Kampf um das Ausmaß der Überlegenheit des senatorischen Status über den plebeischen. Das Leben der 400 Sklaven war mithin semiotisch der momentane Einsatz im stets wieder aufgenommenen Spiel um die Modalität des plebeischen Gehorsams gegenüber der Oligarchie.

VIII. Das ludische Zeremoniell verformen – die politische Semantik verändern An dieser Stelle ist zu fragen, ob bestimmte Kaiser den ludischen Raum signifikant verändern wollten. Das trifft zu. Drei extreme Fälle ragen hervor, erstens Tiberius, zweitens Nero, drittens Domitian. Tiberius mied ostentativ die Face-to-face-Begegnungen mit der Plebs so gut es ging. Die letzten 11 Jahre betrat er Rom nicht mehr. Die Bürgerschaft Roms entzifferte dieses Gebahren als Verachtung des Volkes. Obwohl der Kaiser sich vor66 Tac. ann. 14,44,3: Colluviem istum non nisi metu coercueris.

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bildlich um die materielle Lage der Stadt sorgte, schlug dies nicht als Popularität zu Buche. Hohe Getreidepreise erregten unter seiner Regierung weitaus stärker die Gemüter, als es der Lage angemessen war.67 Hier wird das Klientelkonzept untauglich. Tiberius benahm sich als fürsorglicher Patron; für Getreide war immer gesorgt. Aber die Plebs urbana verlangte ganz anderes vom Princeps, als lediglich seinen Pflichten zur Versorgung und zum Schutze der Stadt zu genügen. Sie war ein maßgeblicher Sektor der politischen Gemeinschaft. Und sie bestand darauf, daß der Kaiser diese Gemeinschaft im ludischen Ritual realisierte. Die Plebs stellte Anforderungen an das Verhalten des Kaisers, und hörte auf, ihren consensus zu manifestieren, wenn jener der erwünschten Imago eklatant und wiederholt zuwiderhandelte; sie war keine Klientel. Tiberius war dermaßen verhaßt, daß ein kaiserliches Begräbnis im März 37 nicht möglich war. Die Plebs forderte gar, daß seine Leiche in den Tiber geworfen würde: Tiberius in Tiberim. So ergab sich die Abnormität, daß Tiberius als einziger unter den nicht gestürzten Kaisern keine Vergöttlichung erhielt. Die Divinisierung war schlicht nicht möglich, weil das Ritual nicht stattfinden konnte. Die Plebs hatte es sabotiert.68 Nero glaubte, er könne die politische Semantik mit Einsatz politischer Macht verändern. Er beabsichtigte einerseits, die Demarkationslinie zwischen Zu­ schauern und auftretendem Personal wegwischen; damit hätten sich die römischen ludi zu Agonen hellenistischen Typs transformiert. Als Nero 57 n. Chr. mehr als 400 Senatoren und 600 Ritter als Gladiatoren auftreten ließ, sorgte er zwar für eine burleske Inszenierung,69 womit er das Geschehen zur saturnalischen Inversion verharmloste, was gerade noch glimpflich verlief. Indes, eine solche Inversion der Rollen und der Räume bedrohte den Status und das Ansehen der Aristokratie. Anderseits trachtete er danach, selber in Person aufzutreten. Er tat das auch, in den letzten Jahren sogar öffentlich obschon außerhalb Roms, sowohl als Wagenlenker wie auch als Schauspieler. Und das war ein Skandal, denn erstens benahm sich der Kaiser wie ein Ehrloser, zweitens transformierte er das ludische Zeremoniall von Grund auf. Denn die Plebs konnte dann mit ihm nicht mehr als mit einem Kaiser interagieren. Indem er auftrat, unterwarf er sich einer agonalen Situation; doch es war völlig unmöglich, ihm nicht den ersten Preis zu geben. Die agonale Situation mußte also negiert werden. Das Publikum wurde in seinem Urteil gezwungen, weil nun die politische Loyalität auf dem Spiele stand. Und das widersprach dem Sinn der Ludi. Dabei hatte Nero vorgesorgt und 5000 junge Ritter zu einer Claque organisiert, die alle seine Auftritte mit Beifall begleiteten, und dazu dienen sollten, die anderen Zuschauer mitzureißen. Eine dermaßen große Truppe von Claqueuren einset67 Dies ist ganz deutlich im Jahre 32: Tac. ann. 6,13. Siehe dazu Yavetz 1969a, 106 ff. 68 Suet. Tib. 75. 69 Suet. Nero 12,1 f.

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zend, gestand der Kaiser ein, daß er selber befürchtete, der spontane Beifall des Volkes könne ausbleiben. Sein Konzept ging einigermaßen auf, solange er jung war und die Plebs ihm die Eskapaden nachsah; doch dieses Wohlwollen endete nach dem Muttermord. Mit 5000 Augustiani konnte man zwar ¼ des PompeiusTheater füllen, aber nicht verhindern, daß die anderen Zuschauer sich gegen die Claque solidarisierten. Denn die Plebs urbana durfte es kaum gebilligt haben, daß Claqueure sie verdrängten und ersetzten. Als es bei den Neroniana 64 n. Chr. in der cavea des Theaters zu Unstimmigkeiten kam, mußte Nero Zuschauer herausgreifen und hinrichten lassen. Es ist Nero nicht gelungen, die römischen Ludi in Agone hellenistischen Typs zu transformieren. Er scheiterte an einem immer stärkeren Widerstand der Plebs urbana.70 Ganz anders Domitian. Während Tiberius sich der Interaktion durch Absenz entzogen hatte, verweigerte sich Domitian derselben, obwohl er anwesend war und reichlich Spiele gab. Er schlug in der Regel Bitten ab, ohne zu begründen. Und schließlich kam es zum extremen Vorfall. Als das Volk entweder im Zirkus oder im Theater eine Bitte an ihn richtete, hätte Domitian einfach ablehnen können. Doch statt die Bitte abschlägig zu bescheiden, befahl der Kaiser Schweigen. Dieser tacete-Befehl war eine Ungeheuerlichkeit. Wahrscheinlich machte Domitian dies mehrfach. Denn noch 150 Jahre später war das ›tacete‹ in Rom ein ›geflügeltes Wort‹, das »das Wort Domitians«. Die Plebs fürchtete dieses Gebot und wurde – bei Kaisern, mit denen sie nicht zerstritten war – still, bevor es ausgesprochen wurde. Alle Kaiser vermieden es, das »Wort des Domitian« im Circus oder im Amphitheater auszusprechen. Als Hadrian einmal drauf und dran war, im Amphitheater von diesem herrischen Gebot Gebrauch zu machen, da hob sein Herold die Hand; die Plebs wurde still um die Antwort zu hören; und der Herold – anstatt das ›Domitian-Wort‹ auszusprechen – rief: »Das wollte er!« Hadrian belohnte ihn dafür.71 Nichts könnte markanter das Ideal der Inter­ aktion zwischen Kaiser und Plebs charakterisieren als dieses Tabu – die Befürchtung beider Seiten, daß dies Wort fallen könnte. Denn mit diesem Befehl machte Domitian aus den ludi tatsächlich eine einseitige Veranstaltung der kaiserlichen Majestät, die über alle Interaktion erhaben war. Er bot das verschlossene Antlitz einer autarken Autorität. Das war nicht mehr nur eine Stilfrage. Das war eine neue Herrschaftsmodalität. Eine Herrschaftsmodalität, die nicht mehr auf dem unablässigen Konsens beruhte, nicht mehr auf den consensus universorum gestellt war. Doch anstatt daß sich die Herrschaftsmodalität veränderte, starb der Kaiser, der in der Hauptstadt seinen Rückhalt verlor, unterm Dolch.

70 Zum Zusammenbruch der Popularität Neros siehe Flaig 2002 und Flaig 2003d. 71 Suet. Dom. 13,1 und Cass. Dio 69,6,1 f. Zum Interaktionsstil Domitians siehe Flaig 1992/​ 2019, 121 ff.

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Marian Nebelin

Semantischer Extremismus? Asymmetrische Gegenbegriffe in Rom zwischen Republik und Prinzipat *

Sprache schafft und ordnet die Welt; sie »benennt, kategorisiert, differenziert und determiniert […] bis zu einem gewissen Grad, was und wie überhaupt gedacht werden kann«.1 Im politischen Raum erfüllt sie Funktionen der Koordination, dient der Durchsetzung von Interessen, der Vermittlung in Konflikten und der Neuausrichtung einer Gemeinschaft. Doch Sprache kann auch dazu dienen, Verwirrung zu stiften, Konflikte zu schüren, Einzelne herabzusetzen und Gemeinschaften zu destabilisieren. Insbesondere in Krisenzeiten radikalisieren sich die zugrunde gelegten politischen Semantiken; in semantischen Kämpfen schließlich werden Inhalte, aber auch Rollen und Positionen von Personen neu ausgehandelt – oder aber in eine neue Form gezwungen. Eine wesentliche Rolle spielen dabei asymmetrische Gegenbegriffe, die besondere Formen der Argumentation ermöglichen und damit zugleich eigensinnige Handlungshorizonte eröffnen. Um das damit skizzierte Problemverhältnis von Sprache, Krise und intellektuellem Extremismus exemplarisch zu untersuchen, wird im Folgenden die Diskurs- und Begriffsgeschichte eines Typs asymmetrischer Gegenbegriffe im Übergang von der ausgehenden Republik zum frühen Prinzipat nachvollzogen und erörtert, wobei deren besondere Brisanz durch die Berücksichtigung der praktischen Wirksamkeit, aber auch der Ohnmacht dieses Sprachgebrauchs verdeutlicht wird. Bei den in den Blick genommenen Gegensatzpaaren handelt es sich um den fundamentalen, in moralanthropologischen Vorstellungen verankerten Gegensatz von ›Guten‹ und ›Bösen‹, dessen destruktives Potential in den Auseinandersetzungen des letzten Jahrhunderts der Republik entfesselt und wohl erst im Verlauf der frühen Kaiserzeit wieder demobilisiert wurde. Die Möglichkeit, dass solche moral­anthropologischen Gegensätze politische Wir* Für Anregungen und Hinweise bin ich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Berliner Tagung sowie in besonderem Maße Eike Faber, Katarina Nebelin, Rene Pfeilschifter und Claudia Tiersch zu Dank verpflichtet. 1 Herlinger 2018, 17.

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kungsmacht entfalteten, hängt mit der fundamentalen Eigenheit der politischen Sprache Roms zusammen, Politik und Moral eng miteinander zu verweben.2 Dabei existierte das besagte Paar asymmetrischer Gegenbegriffe in zwei, auf der Ebene des Bezeichnenden partiell abweichenden, nichtsdestotrotz auf der Ebene des Bezeichneten im Wesentlichen nahezu gleichartig gebrauchten Begriffskombinationen: Die Rede ist vom Gegensatz von boni und mali, der sich in einem äußerst wirkungsmächtigen Einzelfall auch als der von boni und improbi darstellt.3 Bei dieser Untersuchung geht es weniger darum, wesentliche Etappen und Formen der Konzeptualisierung eines Antagonismus von Guten und Bösen in der römischen Geschichte zu identifizieren; dies würde den Rahmen der Abhandlung sprengen. Vielmehr soll einerseits das Konzept semantischer Kämpfe kategorial ausdifferenziert, methodisch erschlossen und praktisch erprobt werden, um fortan einer kulturgeschichtlich ausgerichteten, vergleichend verfahrenden Historischen Diskurssemantik zur Verfügung zu stehen. Andererseits soll exemplarisch eine semantische Spur der besagten asymmetrischen Gegenbegriffe paradigmatisch erschlossen und erhellt werden. Im Zentrum steht dabei die Frage nach der Praxisrelevanz dieser Konstrukte, also der praktischperformativen Wirkungsdimension der Sprache.4 Mit anderen Worten: Es geht

2 Vgl. bereits Earl 1967, 17: »Since politics at Rome were personal and social, the language of politics mirrors this condition. All Romans saw political issues in personal and social terms, that is, in terms of morality. Again the categories are ours, not theirs. The Romans did not distinguish morality sharply from politics or economics but looked at affairs from a point of view which may be termed ›social‹, reflecting the personal and social nature of political life itself. Thus, where we would see the working of the processes of economic change and sociological and political adjustment, they saw – or appear to us to have seen – only ethical issues«. 3 Zur Differenz von improbus und malus siehe unten, Abschnitt III . 4 Vgl. hier methodisch vor allem die Performanztheorien von Habermas 1988, bes. 118–135, und von Fischer-Lichte 2004, bes. 31–41; dies. 2012, bes. 37–44; vgl. auch die instruktiven Skizzen und Rekonstruktionen von Doris Bachmann-Medick 2006, 104–143 und Silvia Serena Tschopp – Wolfgang E. J. Weber 2007, 111–122. Unter dem ›Performativen‹ lassen sich im Anschluss an Erika Fischer-Lichte »bestimmte symbolische Handlungen« verstehen, »die nicht etwas Vorgegebenes ausdrücken oder repräsentieren, sondern diejenige Wirklichkeit, auf die sie bezogen verweisen, erst hervorbringen. Sie entsteht, indem die Handlung vollzogen wird« (Fischer-Lichte 2012, 44). Zur Wissenschaftsgeschichte der Performanztheorien vgl. Pfister 2008, 562 f. sowie die im Kern von dem grundlegenden Werk von Austin 1955/1962 ausgehenden Skizzen bei Wirth 2002a und Berns 2008b; zur Sprechakttheorie und ihrer Wissenschaftsgeschichte vgl. zudem Berns 2008a und Assmann 2017, 45 f. Vgl. auch die Sammlung von Grundlagentexten in Wirth 2002b. Als eine aktuelle Präzisierung performativer Zugriffe lässt sich das vom Dresdner SFB 1285 Invek­ tivität. Konstellationen und Dynamiken der Herabsetzung verwendete Konzept der ›Invektivität‹ auffassen, wobei dieses im besonderen Maße den Prozesscharakter diskursiver Abfolgen und Optionen herauszuarbeiten hilft; außerdem ist es auf Prozesse fokussiert, die ihren Ausgang von einem negativ ausgerichteten diskursiven Akt – etwa einer bestimmten

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um das, was geschieht, wenn man  – um die berühmte Formulierung John ­Austins abzuwandeln – etwas mit Worten tut.5 Konkret erfordert dies, zu klären, – welche Form der sprachlichen Konstituierung der In-Group sowie des unmittelbar damit zusammenhängenden Ausschlusses des Anderen vorliegt; – welche Folgen dieses Moment im Kontext der zeitgenössischen Politik besitzt und – welchen Zusammenhang es auf struktureller Ebene mit dem jeweiligen Krisendiskurs aufweist. Im Folgenden werden zunächst Voraussetzungen semiotischer Transformatio­ nen erörtert und dabei grundsätzlich nach möglichen Konfigurationen des Verhältnisses von Krise und kulturellem Wandel gefragt (I.). Dabei wird sich zeigen, dass die in der späten Republik wahrnehmbaren Destabilisierungen der bis dahin unhinterfragt gültigen Lebenswelt in einer ›Motivationskrise‹ begründet liegen, in der wesentliche kulturelle Krisendimensionen zusammenfinden. In diesem Zusammenhang kommt dann der politischen Sprache eine besondere Bedeutung zu. Insbesondere geraten drei Phänomene in den Blick, die im zweiten Abschnitt der vorliegenden Untersuchung erörtert und als Eskalationsphänomene einer zur Strukturkrise ausgeweiteten Motivationskrise vorgestellt werden (II.): Neben den asymmetrischen Gegenbegriffen sind dies die semantischen Kämpfe und der ihnen inhärente semantische Extremismus. Mittels der solcherart gewonnenen analytischen Kategorien werden zunächst einige Beispiele aus der Spätphase der römischen Republik untersucht (III.: Cicero; Sallust), dann folgen zwei Ausblicke in die Kaiserzeit (IV.: Velleius Paterculus; V.: Tacitus), wobei diese Autoren nicht allein aufgrund ihrer eigenen Begriffsverwendung, sondern aufgrund ihrer Verankerung im Zeitgeist in den Blick genommen werden.6

Form der Herabsetzung – nehmen. Vgl. dazu Ellerbrock – Koch – Müller-Mall u. a. 2017 (zur performativen Dimension bes. ebd. 4; 6–9; 12–16; 19 und passim); vgl. auch die althistorische Anwendung in Jehne 2019 (mit den adaptiven Vorüberlegungen ebd. 31 f.). 5 Austin 1955/1962. 6 Zum ›Zeitgeist‹ und seiner Verbindung gerade auch gleichzeitig bestehender, einander widerstrebender Tendenzen vgl. Schoeps 1970, 25–32. Zum Problem der Verallgemeinerbarkeit der Quellen vgl. auch die mit Hinweis auf Ciceros Schriften getroffene, freilich verallgemeinerbare Einschätzung von Annabelle Thurn 2018, 19, dass Schriften zum einen »Referentialität, d. h. einen Bezug zur Lebensrealität auf[weisen]«, zum anderen jedoch immer auch mehr oder weniger »durchkomponierte Erzählungen aus der Feder eines einzelnen Autors« sind.

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Voraussetzungen semiotischer Transformationen: Krisentendenzen und kultureller Wandel

Hinnerk Bruhns hat zu Recht darauf hingewiesen, dass »[u]n historien travaillant sur la fin de la République romaine n’a nul besoin de se transformer en théoricien des crises«.7 Allerdings sei bewusst wie unbewusst gehandhabtes Vergleichen Bestandteil aller Historie;8 vor diesem Hintergrund sei auch der Umgang mit dem Krisenbegriff in der althistorischen Forschung zu verorten.9 Bruhns’ eigentliche Pointe ist denn auch der Hinweis auf die Pluralität des Krisenbegriffs als moderne politische und als althistorische Kategorie, die eine kategoriale Präzisierung verlangt, welche sie handhabbar und für potentielle Vergleiche geeignet macht – letzteres nicht zuletzt deshalb, weil der Krisenbegriff als im modernen politischen Diskurs beheimatete und analytisch im Sinne Max Webers gewendete Kategorie an die Quellen herangetragen wird.10 Solche Formen für die Historische Komparatistik nutzbarer Krisenbegriffe hat Reinhart Koselleck als »iterative Periodenbegriff[e]« unter den ›semantischen Modellen‹ von ›Krise‹ bezeichnet.11 Krisenmodelle diesen Typs »frag[en] nach den Bedingungen möglicher Geschichtsverläufe, um aus ihrer Vergleichbarkeit Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten zu können. Das semantische Modell erhebt nicht den Anspruch, die Geschichte insgesamt oder dauerhaft zu deuten«.12 Demnach muss ein solches Krisenverständnis imstande sein, »anthropologische Konstanten aufzuweisen, die in ihren jeweiligen historischen Artikulationen verschiedene Krisenverläufe ermöglicht haben«.13 Krise wird dabei nicht als historische Begleiterscheinung, sondern als Moment besonderer Verdichtung von Impulsen, Prozessen und Konflikten aufgefasst, die in einen Umbruch einmünden.14 Denn wird eine Krise r­ ückblickenden Betrachterinnen und Betrachtern als Signum einer Umbruch- oder Übergangs7 Bruhns 2003, 376. 8 Ebd. 9 Vgl. ebd., 376 f. 10 Vgl. ebd.; vgl. Vierhaus 1978, 313 f. Dergestalt fungiert der Krisenbegriff auch als ein ›Schlüsselwort‹ im Sinne von Dorothee und Karl Dietrich Bracher 1978, 40–43; 88: Dabei handelt es sich um Begriffe, die nicht in den Quellen enthalten sein müssen, jedoch verwendet (und benötigt) werden, um diese zu deuten und in einem übergeordneten historischen Zusammenhang verorten zu können. Zur Pluralität des Krisenbegriffs (vorrangig in der deutschsprachigen) Semantik vgl. den begriffsgeschichtlichen Überblick von Reinhart Koselleck 1982 und die daran anschließenden Überlegungen in ders. 1986. 11 Ebd. 208; vgl. ebd. 210–212. 12 Ebd. 210 f. 13 Ebd. 211. 14 Zu den Kategorien von Impuls und Prozess vgl. Meier 1978, 11 und passim.

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phase ersichtlich,15 handelt es sich Walter L.  Bühl zufolge nicht um eine ›zy­ klische Krise‹, sondern um eine ›Strukturkrise‹: »Zyklische Krisen sind strenggenommen keine Krisen; denn der zyklische Wandel kommt nicht überraschend, er ist streng sequentiell und bewegt sich im Bereich auch früher schon gemachter Erfahrungen«.16 Anders verhalte es sich mit einer »Strukturkrise«; dieser Krisentypus sei dann gegeben, »wenn einer oder mehrere der kritischen Parameterwerte überschritten sind und wenn die ganze Parameterordnung ins Rutschen kommt«.17 Wesentliches Merkmal der Strukturkrise seien zudem erhebliche Kontrollverluste sowie substantielle Einschätzungsfehler der »Leitungsorgane«; zu einer »wirklichen Strukturkrise« komme es jedoch erst dann, »wenn tatsächlich die Makrostabilität des Systems bedroht ist«.18 Strukturkrisen sind mithin das Produkt eines Destabilisierungsvorgangs, in dem, wie man unter Anknüpfung an die Grundkategorien der Krisentheorie von Jürgen Habermas feststellen kann, eine oder mehrere ›Krisentendenzen‹ sich dergestalt verstärkt haben, dass sie eine strukturverändernde Wirkung entfalten.19 Die Strukturkrise im Übergang von der römischen Republik zum Prinzipat kennzeichnen drei verschiedene, miteinander verbundene Krisentendenzen. Der erste Krisentyp ist die Rationalitätskrise: Dieses zentrale Merkmal der Krise der römischen Republik hat bereits Montesquieu identifiziert. In seinen Consi­ dérations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur décadence (1749) 15 Zu solchen Konzepten von Umbruch- und Übergangs-, Sattel- und Schwellenzeiten vgl. Leonhard 2008; zur rückblickenden Konstituierung solcher Übergangszeiten vgl. ­Motzkin 2005, 342 f. 16 Bühl 1984, 69. 17 Ebd. 81. 18 Ebd. 81. 19 Die nachfolgenden Darlegungen basieren auf den ausführlicheren Erörterungen in M. Nebelin 2014b, 246–259. Das Konzept der Krisentendenzen nimmt Überlegungen Jürgen Habermas’ aus Habermas 1973a; ders. 1973b und ders. 1975 auf, die dieser mit Blick auf moderne Gemeinschaften entfaltet hatte (deshalb kritisch gegenüber den geschichtswissenschaftlichen Adaptionsmöglichkeiten: Vierhaus 1978, 320), obwohl der Anspruch seiner Überlegungen immer schon grundsätzlicher war: Habermas ging von »universale[n] Eigenschaften von Gesellschaftssystemen« (Habermas 1973a, 19) aus und thematisierte beispielsweise wiederholt die ›anthropologische‹ Dimension von Krisen (vgl. ebd. 63–65; ders. 1973b, 312 f), so dass dieser Krisenbegriff geschichtswissenschaftlich adaptiert und sogar komparativ genutzt werden kann. Die Einführung der Unterscheidung zwischen (Struktur-)Krise und Krisentendenzen hilft dabei, verschiedene Typen und Ebenen von Krisen zu unterscheiden. Vgl. zur Erforderlichkeit dieser Unterscheidung Vierhaus 1978, der zum einen betont, dass ein geschichtswissenschaftlicher »Krisen­ begriff […] Vorgänge auf verschiedenen Ebenen des geschichtlich-gesellschaftlichen Lebens übergreifen« können müsse (ebd., 321), und zum anderen davon ausgeht, dass sich ein »krisenhafter Vorgang« irgendwann zu einer »Systemkrise« auswachsen kann. Konkret in Hinblick auf die späte römische Republik vgl. die instruktive Auflistung von Hölkeskamp 2009/2017, 313–316, der verschiedene »potentielle und akute Krisenherde und die verschiedenen Ebenen, auf denen sie anzusiedeln sind«, unterscheidet.

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vertrat er die Auffassung, dass die Transformation der römischen Republik in eine Monarchie die Konsequenz einer dialektischen Wechselwirkung zwischen Zentrum und Peripherie des Politischen gewesen sei: »Si la grandeur de l’empire perdit la république, la grandeur de la ville ne la perdit pas moins«.20 Daran anschließend hat Christian Meier für den Vorgang der gleichzeitigen Ausdehnung von Reich und administrativem Aufwand den Begriff der ›Extensivierung‹ geprägt,21 um einen Vorgang zu beschreiben, in dem die hergebrachten administrativ-politischen Strukturen an ihre Leistungsgrenzen stießen. Mit der als temporäre Entlastung gedachten außerordentlichen Bevollmächtigung einzelner Feldherrn wurden diese hergebrachten Strukturen zugleich weiter unterhöhlt. Entstehende politischen Konflikte weiteten sich auf den sozialen Bereich aus, in dem wiederum andere Konflikte, die nun eine verstärkte Politisierung erfuhren, ihren Ursprung hatten. Dieser von Meier identifizierte, doppelte Extensivierungseffekt im konfligenten Spannungsfeld von Reichsbildung und Administration mitsamt seinen vielfältigen Wirkungen und Nebeneffekten lässt sich im Anschluss an Habermas unter den Begriff der Rationalitätskrise subsummieren; dahinter verbergen sich im konkreten Fall Probleme der Organisation von Herrschaft: Es gibt Effizienzstörungen und Reibungsverluste; »Steuerungsimperative«22 greifen ins Leere; gesellschaftliche Bedürfnisse können nicht mehr in hinreichendem Maße befriedigt werden.23 Die damit einhergehende Unzufriedenheit wiederum hat Folgen; es kommt zu einer Krise des zweiten Typs, zu einer Legitimationskrise. In diesem Sinne hat Jürgen von Ungern-Sternberg ohne ersichtliche Bezugnahme auf Habermas den mit dessen Konzept einer ›Legitimationskrise‹ eng verwandten Begriff einer ›Legitimitätskrise‹ geprägt, um damit einen breiten »Legitimitätsverlust« zu bezeichnen, den die aristokratische Herrschaft in der späten Republik erlitten habe.24 Dieser Verlust an Legitimität sei insofern die Konsequenz des Weltreiches, als dieses »die herrschende Elite, die Nobilität, des Zwangs zum Kompromiß aus außenpolitischen Rücksichten« enthob und infolge der »sich aufstauenden sozialen Probleme« überhaupt erst die Formierung bestimmter (neuer) Klientelgruppen – etwa der Soldaten – ermöglichte;25 ein Vorgang also, der zu einem »irreversiblen Verlust an Legitimität der politischen Ordnung insgesamt und des Senats als ihres zentralen Lenkungsorgans im besonderen« (Karl-Joachim

20 Montesquieu 1734/1748, 117. 21 Vgl. Meier 1966/1980, 151–161 und passim; vgl. aber auch beispielsweise Petzold 1972, 578 f.; Eder 1996, 441–447. Bernhard Linke 2006, 38 spricht von »›Dehnungseffekten‹«. 22 Habermas 1973a, 68; ders. 1973b, 316. 23 Vgl. Habermas 1973a, 68; 87–96; ders. 1973b, 316. 24 Ungern-Sternberg 1998, 404. 25 Ebd. 404; vgl. ebd. 402; ders. 1982, 383 f.

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Hölkeskamp)26 sowie zu einer »Desintegration aristokratischen Rollenverhaltens« (Hans Beck) führte,27 und am Ende, wie Walter Eder betont hat, in einen »process of militarizing politics« einmündete.28 Habermas zufolge lassen sich nun zwei Ursachen solcher Legitimationskrisen ausmachen: »Eine Legitimitätskrise entsteht, sobald die Ansprüche auf systemkonforme Entschädigungen schneller steigen als die disponible Wertmasse, oder wenn Erwartungen entstehen, die mit systemkonformen Entschädigungen nicht befriedigt werden können«.29 Eine Legitimationskrise bedeutete dann konkret eine Krise der Fügsamkeit – Habermas verwendete den noch deutlicher Affirmation ausdrückenden Begriff der ›Loyalität‹30 – gegenüber den politischen Institutionen und Verfahren;31 sie besagt, dass »legitimationswirksame normative Strukturen nicht in erforderlichem Maße aufrechterhalten oder her[ge]stell[t]« werden können:32 »Legitimationsbedarf« und »Legitimationsbeschaffung« sind nicht länger symbiotische Prozesse.33 Doch eine solche Legitimationskrise bedeutet nicht, dass damit die bestehende Ordnung obsolet geworden wäre; sie generiert vielmehr ein grundlegendes Unbehagen und die grundsätzliche Bereitschaft, mit etablierten Normen und Verfahren zu brechen – aber nicht notwendig auch eine (positive) Alternative zum bestehenden System.34 Auf solche 26 27 28 29 30 31 32 33 34

Hölkeskamp 2009/2017, 316. Beck 2009, 59. Eder 1996, 446. Dazu vgl. beispielsweise Schmitthenner 1960; Hellegouarc’h 1969, 40–42. Habermas 1973a, 104; ders. 1973b, 320. Habermas 1973a, 68; ders. 1973b, 316. Vgl. Habermas 1973a, 135. Nach ebd. 70. Ebd. 71. Vgl. die Diskussion der Optionen in Habermas 1975, 329: »Ein Legitimitätsglaube wird in dem Maße in Frage gestellt, wie die Rechtfertigungen unter den Beteiligten ihre Plausibilität verlieren. Legitimitätsverfall bedeutet Verknappung des verfügbaren Rechtfertigungspotentials. Dieser Schwund an Plausibilität, die zwanglos Konsens erzielt, kann durch Zwang kompensiert werden. Vielleicht kann es sich ein Herrschaftssystem auch leisten, mit etwas weniger Konsens und etwas mehr erzwungener Anerkennung (compliance) zu leben. Vielleicht tritt aber auch ein Verlangen nach einem neuen Niveau der Rechtfertigung auf, das nicht mit unauffälligen, also ideologisch wirksamen Mitteln unschädlich gemacht werden kann. In solchen Fällen wird sich ein Herrschaftssystem erst wieder auf Legitimitätsglauben stützen können, wenn seine Basisnormen mit dem nun verfügbaren Rechtfertigungspotential in Einklang gebracht worden sind. Das jeweilige Niveau der Rechtfertigung hängt ab von den Strukturen des akzeptierten Weltbildes«. Grundlegend für das Verständnis solcher Vorgänge im Allgemeinen und mit besonderem Blick auf die Krise der späten römischen Republik ist zudem Christian Meiers Theorem von der ›Krise ohne Alternative‹. Vgl. dazu Meier 1966/1980, 201–205; beachte auch die Einführung zur Neuausgabe 1980, besonders ebd. XLV (»Als Alternative im speziellen Wortsinn sei also eine letztlich in der Breite der Gesellschaft wirksame Kraft verstanden, die sich darin äußert, daß Überzeugungen von der Notwendigkeit einer neuen Ordnung sich derart institutionalisieren, daß sie in nennenswertem Ausmaß zu realisieren sind.

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Destabilisierungstendenzen können die Akteure der bestehenden Ordnung dann vergeblich mit dem reagieren, was Christoph Lundgreen mit Blick auf die ausgehende römische Republik als eine »Verregelung oder Normverhärtung« beschrieben hat.35 Der Preis dieser Stabilisierungsstrategie ist ein Verlust an Flexibilität: Das Problem der ›Verregelung‹ oder ›Normverhärtung‹ wird nämlich vor allem dann manifest, wenn es um eine »gewünschte Abweichung« geht.36 Dadurch kommt es zu einer erheblichen »Möglichkeitsverschließung« (Christian Meier).37 Infolgedessen brechen Folgekonflikte auf, die das legitimatorische System weiter destabilisieren. Was dann später unter der Herrschaft des Augustus die Realisierung einer Alternative zur republikanischen Ordnung möglich machte, waren jedoch letztlich die Auswirkungen einer tiefgreifenden Motivationskrise, die den dritten Krisentypus repräsentiert. Diese Krisenform steht mit der Legitimationskrise in einem engen Zusammenhang: Während sich die Legitimationskrise auf die politische Sphäre beschränkt, greift die Motivationskrise weit in den soziokulturellen Bereich der Lebenswelt hinüber,38 also in den Bereich jenes unhinterfragt geltenden Hintergrundwissens, das erst im Augenblick seiner Infragestellung

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Alles, was davor liegt, kann bestenfalls Ansatz zu einer Alternative sein.«) und XLVIII (über »die Dauer der Alternativlosigkeit. Sofern sich nämlich die Systeme, in denen Krisen tobten, nicht einfach aufgelöst haben respektive fremden Mächten anheimgefallen sind, hat sich in der Weltgeschichte auf die eine oder andere Weise noch immer eine Möglichkeit grundlegender Veränderung, also eine Kraft gefunden, die diese bewirkte. Insofern stellt die Krise ohne Alternative zumeist nur eine Phase einer Krise dar.«); außerdem ders. 1978, 34–40; ders. 1990; ders. 1997; Meier 2018, 39–42 (bes. 41: »So wurde die Republik vernichtet, ohne je verneint worden zu sein.«). Zu Meiers Konzept der ›Krise ohne Alternative‹ sowie zur zugrundeliegenden ›Theorie historischer Prozesse‹ (dazu siehe vor allem ders. 1966/1980, 201–205; ders. 1990 sowie ders. 1997) vgl. beispielsweise Christ 1982, 146 f.; Rilinger 1982, 132–148; Hölkeskamp 2004 passim; Jehne 2008; Winterling 2008, 219–230; Jehne 2009a; ders. 2009b, 32 f.; M. Nebelin 2009, 54–58; Jehne 2010, 8 f.; Morstein-Marx – Rosenstein 2010, 627 f.; Jehne 2011a, bes. 264–273; M. Nebelin 2014a, 163. Lundgreen 2011, 296; vgl. ebd. 43–50; 286–301. Jan Timmer sieht in diesen »Verregelungen« eine Form der »Institutionalisierung von Misstrauen« (Timmer 2018, 84) und einen »frühe[n] Krisenindikator« (ders. 2017, 267); zur Beschaffenheit des Verhältnisses von Verrechtlichung auf der einen und Misstrauen beziehungsweise Vertrauen auf der anderen Seite in Hinblick auf die römische Republik vgl. ebd. 229–246. Timmer geht davon aus, dass die Verrechtlichung letzten Endes vor allem die Handlungsmöglichkeiten des Senats beschränkte: »Wenn die Macht des Senats […] darauf beruhte, dass er zwischen gleichermaßen gültigen Prinzipien abwog, unterschiedliche Positionen versprachlichte und bei Regelkonflikten schließlich entschied, dann führten Verregelung und die Reduktion von Flexibilität zum Machtverlust des Gremiums. Die Normverhärtung – und damit die Erhöhung der Erwartungssicherheit – als Reaktion auf Regelkonflikte wurde von der Lösung zu einem Teil des Problems« Lundgreen 2011, 297. Meier 2018, 22; vgl. dazu ebd. 31–43. In Habermas 1973a, S. 67 (und passim) spricht Habermas vom »soziokulturelle[n] System« als Referenzbereich der Motivationskrise.

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überhaupt erfass-, artikulier- und kritisierbar wird.39 In der Motivationskrise zerbricht das »Vorverständigtsein« im Miteinander.40 Sie entspricht jener »Krise der Gültigkeit des gemeinsamen Wertehorizonts«, die Jan Timmer im Anschluss an Karl-Joachim Hölkeskamp in der späten Republik ausgemacht hat.41 Aus der Genese dieser Krisentendenz heraus erklärt sich, warum sich in solchen Transformationsphasen oft nicht nur eine geringe Handlungsbereitschaft zugunsten der hergebrachten politischen Ordnung, sondern später auch eine große Akzeptanz oder gar Zustimmung zur neuen Ordnung ausmachen lässt. Dementsprechend hat Jürgen Deininger mit Blick auf die Krise der späten römischen Republik konstatiert, dass nicht allein »die aufs ganze gesehen überaus geringe Bereitschaft eines Engagements für die republikanische Staatsform«, sondern auch »umgekehrt die […] überraschend große Akzeptanz, auf die der Prinzipat von Anfang an traf«, erklärungsbedürftig sind.42 Diese Akzeptanz des neuen Systems gehört zu den Fernwirkungen der Motivationskrise der späten Republik: In einer Motivationskrise weitet sich die Krise der politischen Institutionen und der politischen Führungsschicht zu einer Krise des Politischen und des Sozialen aus, wobei sich die Tiefenschichten der kulturellen Lebenswelt im Verlauf einer systemverändernden Motivationskrise dergestalt wandeln, dass sie die hergebrachte Ordnung zunächst nicht mehr selbstverständlich und unhinterfragt stützen, dann zunehmend mit ihr inkompatibel, gar konfligent werden und schließlich einen neuen Bestand an Normen und Motivationen ausbilden, der eine andere Ordnung stabilisieren hilft: Der »Verfassungssinn« wandelte sich.43 Doch wie hängen Legitimations- und Motivationskrisen genau zusammen? Habermas rekonstruiert den Prozess einer sich steigernden Legitimationskrise als den einer »Verknappung des verfügbaren Rechtfertigungspotentials«.44 Die Zweifel an der Ordnung können zu einer Infragestellung der zu ihrer Aufrecht39 Zum Begriff der Lebenswelt siehe Habermas 1981, Bd. 1, 449–452; Bd. 2, 182–228; ders. 1988, 85–95; vgl. M. Nebelin 2014a, 158 f. und passim. Habermas distanzierte sich später von seinem vormaligen Konzept der Motivationskrise in der Form, wie er es in Legiti­mationsprobleme im Spätkapitalismus vorgestellt hatte, und konzeptualisierte es auf Grundlage seines weiterentwickelten Lebensweltmodells neu. Siehe Habermas 1980, 565 f.; vgl. aber schon ders. 1973a, 14. 40 Habermas 1988, 85. 41 Timmer 2017, 192 unter Bezugnahme auf Hölkeskamp 2009/2017, 313–315. 42 Deininger 1998, 131. 43 Bracher 1985, 20. Vgl. auch die Betonung des Dringlichkeitsaspekts in der Krisendefinition von Stephen Benedict Dyson und Paul ’t Hart (2013, 397), die unter einer Krise einen Zustand verstehen, »when events occur that communities and / or their political elites interpret as a serious threat to the basic structures or fundamental values and norms underpinning the status quo, creating highly uncertain circumstances that call for urgent responses«. 44 Habermas 1975, 329; vgl. das vollständige Zitat der Passage oben, Anm. 32.

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erhaltung erforderlichen Handlungen führen: Die Krise erreicht die Ebene der Motivationen. Ein Motiv ist ein Grund, eine Handlung auszuführen; entfällt es, wird die Ausführung der Handlung zweifelhaft. Motivationen aber sind in den individuellen wie gesellschaftlichen Tiefenstrukturen verankert; sie liefern langfristig gültige Letztbegründungen, etwas zu tun oder zu unterlassen. Habermas zufolge werden sie »über die Verinnerlichung von symbolisch repräsentierten Erwartungsstrukturen aufgebaut«.45 Demnach sind Motivationen besondere Tiefenstrukturen, die sich einer einfachen Manipulation widersetzen; sie sind »unnachgiebige normative Strukturen«,46 deren Veränderung – so könnte man zugleich mit Fernand Braudel und Reinhart Koselleck folgern – auf einen mentalitätsgeschichtlichen Vorgang von ›langer Dauer‹ verweist.47 Insofern ist eine Motivationskrise eine Krise auf der Ebene der Lebenswelt: Der dort verortete, bis dahin unhinterfragt geltende Hintergrundkonsens wird erschüttert, seine Komponenten werden gleichsam an die Oberfläche des Denkens gespült und sind fortan diskursiv verfügbar; unhinterfragt Hingenommenes verliert auf einmal seine Selbstverständlichkeit und wird dadurch thematisierbar und hinterfragbar. Infolgedessen ist eine Motivationskrise auch gekennzeichnet durch die »Erosion bestandswichtiger Traditionen« und durch die Formierung »›neue[r]‹ Bedürfnisse«.48 Motivationskrisen sind folglich auch langandauernde, oft subkutan verlaufende und dennoch äußerst wirkungsmächtige Krisen der Identität.49 Auf diese Weise beeinflusst die Motivationskrise die Tiefenschich45 46 47 48 49

Habermas 1973a, 131. Ebd. 130. Vgl. dazu summarisch und mit weiteren Belegen M. Nebelin 2009, 59–76. Habermas 1973a, 73. Vgl. ebd. 13; 58; ders. 1973b, 310. Dabei geht es ebenso um individuelle wie um die sogenannte kollektive Identität – wobei letztere oftmals als nicht unproblematische Übertragung einer individualpsychologischen Kategorie auf Gruppen entfaltet wird, so dass die Gefahr einer »verdinglichenden Hypostasierung der Identität« besteht (Berger – Luckmann 1977, 185, Anm. 40), womit jede »Konstruktion einer kollektiven Identität […] stets prekär« bleibt (Straub 2011, 296). Vgl. Berger – Luckmann 1977, bes. 142–144 (bes. S. 142 f.: »Für uns ist die Tatsache entscheidend, daß der Einzelne nicht nur Rollen und Einstellungen Anderer, sondern in ein und demselben Vorgang auch ihre Welt übernimmt. Identität ist also objektiv als Ort in einer bestimmten Welt gegeben, kann aber subjektiv nur zusammen mit dieser Welt erworben werden. Anders gesagt: Identifizierung und Identifikation finden vor Horizonten statt, die eine besondere soziale Welt umschließen. […] Die subjektive Aneignung der eigenen Identität und die subjektive Aneignung der sozialen Welt sind nur verschiedene Aspekte ein und desselben Internalisierungsprozesses«.); 185–195; Glomb 2008; Horatscheck 2008; Hurrelmann 2002, 15 f.; 98–102; Niethammer 2000; Straub 2011, bes. 290–300 (mit einem operationalisierbaren Definitionsvorschlag ebd. 300: »Der Ausdruck der kollektiven Identität stellt eine Chiffre für dasjenige dar, was bestimmte Personen in der einen oder anderen Weise miteinander verbindet, diese also erst zu einem Kollektiv macht, dessen Angehörige zumindest streckenweise einheitlich charakterisiert werden können, weil sie selbst sich (in gewissen Hinsichten) einheitlich

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ten der Gesellschaft; sie wirkt sich von den Mechanismen der kulturellen Reproduktion im Gedankensystem jedes Einzelnen bis hin zu den Vorgängen der intergenerationellen Weitergabe von Wissen aus. Erfahrungen und Erwartungen können nicht mehr zur Deckung gebracht werden; Erwartungskonflikte führen zur Störung der Reproduktion von Verhaltensweisen – die intergenerationelle Vermittlung wird nicht mehr praktiziert, scheitert oder wird sogar erst gar nicht mehr angestrebt.50 Die Motivationskrise verkörpert mithin die kulturelle Dimension einer Strukturkrise. Im Anschluss an Eder und andere kann man mit Blick auf den Übergang von der Republik zum Prinzipat die Frage stellen, ob nicht dieser kulturelle Transformations- und Erosionsvorgang das Scheitern der politischen Institutionen vorwegnahm.51 In jedem Fall werden in solchen Zusammenhängen Semantiken auf neuartige Weise verfüg- und veränderbar:52 Die politische Sprache wandelt sich  – und zwar in einem Umfang, mit einer Geschwindigkeit und in einer Grundsätzlichkeit, die außerhalb der Krise nicht besteht.53 Denn im Zuge einer

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verhalten und sich selbst einheitlich beschreiben. […] Eine konkrete kollektive Identität impliziert keine totale Gleichheit und schließt Mehrfachzugehörigkeit einer Person zu verschiedenen Gruppen keineswegs aus.«), die immer noch instruktiven Beiträge in Marquard – Stierle 1979 sowie die logische Dekonstruktion des Identitätsbegriffs durch Heinz-Gerd Schmitz 2012, 38. Gefühle einer »Bedrohung der Identität« können »zu einer für die Selbstdefinition unerträglichen Situation« führen und damit auch die Ausbildung radikaler und extremistischer politischer Grundhaltungen und Verhaltensweisen ermöglichen (Hurrelmann 2002, 264), um durch solcherart gewonnene, »scheinbar eindeutige Perspektiven und soziale Rollensicherheit der völligen Irritation der eigenen Identität zu entgehen« (ebd. 265). In der Auseinandersetzung mit diesen Krisensymptomen identifizierte Jürgen Habermas sogar eine spezifisch historiographische Form der Krisenanalyse: »In der Geschichtsschreibung gilt ein Traditionsabbruch, mit dem identitätsverbürgende Deutungssysteme ihre sozial-integrative Kraft einbüßen, als Indikator für den Zusammenbruch sozialer Systeme. Aus dieser Perspektive hat eine Gesellschaft ihre Identität verloren, sobald sich die Nachgeborenen in der einst konstitutiven Überlieferung nicht mehr wiedererkennen« (Habermas 1973a, 13) Siehe etwa Eder 1996, 447: »As soon as the nobiles lost their sense of unity and consensus, the institutions were free to live their own life«. Dabei handelt es sich lediglich um eine Steigerung grundsätzlicher Eigenschaften und Wirkungen von Sprache – die natürlich im Fall einer rhetorisch geschulten und bewusst eingesetzten Sprachbeherrschung noch erhöht sind. Vgl. Clackson 2015, 1: »Language has the capacity to allow us to express new ideas or to interact with each other in new situations, and to structure the ways in which we understand events and institutions«. Zur kulturellen Verhaftung und Wirkungsdimension von Rhetorik vgl. Robling 2014; zum Zusammenhang von Rhetorik, Lebenswelt und Handlung(smotivation) vgl. Knoblauch 2000. Insofern drückt Batstone 2010b, 46 natürlich die zutreffende Beobachtung aus, dass »the word is always at war«; er irrt jedoch, wenn er daran die Behauptung anschließt, »contesting the content and limits of ethical terms is not a feature of stasis but a feature of culture, politics, argument, of psychology and the intertextuality of life«. In Krisenzeiten verändern sich vor allem die Geschwindigkeit und der Umfang semantischer Transfor-

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Motivationskrise formieren sich die motivationalen Voraussetzungen für eine Alternative zum bestehenden System. Besteht eine Gemeinschaft in gewandelter Form ›post-crisis‹ fort, so entstehen die lebensweltlichen Anker, auf denen dann die legitimatorische Ideologie der neuen Ordnung aufsitzt – jene legitimatorische Ideologie, die zur Grundlage der Fügsamkeit der Akteure und damit zur Basis der operativen Funktionsfähigkeit des neuen Systems wird. Dass der Übergang von der Republik zum Prinzipat durch eine Motivationskrise gekennzeichnet war, lässt sich in den rückblickenden Quellen wiedererkennen: So konstatierte Tacitus zu Beginn seiner Historiae bei den Angehörigen der römischen Bürgerschaft nach Actium eine »Unkenntnis des Gemeinwesens«, das diese gleichsam wie »ein fremdes Gebilde« auffassten (inscitia rei publicae ut alienae).54 Die Ursache dafür brachte Tacitus schließlich in seinen Annales vor, indem er konstatierte, dass die meisten Aristokraten, welche die Republik noch gekannt hatten, verstorben seien.55 Er konnte mithin rückblickend eine Strukturkrise identifizieren, die einen nachhaltigen Wandel im kulturellen Bereich zur Folge gehabt hatte: einen Wandel, den er auf materielle Gründe – und zwar konkret: auf das (gewaltsame) Sterben von Trägern kultureller Kenntnisse56 – zurückführte.57 Dadurch wurde die Kette der intergenerationellen Ver-

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mationen; vor allem aber wird vordem unhinterfragt Gültiges hinterfragbar. Wenngleich Sprache sich immer auch kombattiv fortentwickelt, wandelt sich die Sprache in Krisenzeiten doch auf besondere Weise – nämlich in ihren Tiefenschichten. Dies wirkt sich auf die mit ihr verbundenen gesellschaftlichen Praktiken aus. Von diesen Vorgängen werden auch solche Begriffe, Werte und Praktiken erfasst, die vordem unhinterfragt galten und denen eine in hohem Maße systemrelevante Funktion zukommt beziehungsweise zukam. Damit erhöht sich auch das invektive Potential und in solchen Konstellationen können Auseinandersetzungen an und mit Begriffen sich verletzend auswirken (dazu vgl. Ellerbrock – Koch – Müller-Mall u. a. 2017, bes. 4–5; 9; 12 und passim) – dann erst ist wirklich ›the word at war‹. Tac. hist. 1,1,1 (Übers.: H. Vretska). Zu Tacitus’ Wahrnehmung und Darstellung der Herrschaft des Augustus vgl. Devillers 2009; Hausmann 2009, 13–31. Siehe Tac. ann. 1,2–4. Vgl. auch die grundsätzliche Anmerkung zur politischen Anthropologie des Todes bei Flaig 2003, 53: »Jeder Tod schafft eine Lücke in einem Personenkreis, welcher sich nun neu strukturieren muss; insofern löst er immer eine Krise aus; und jede Kultur bewältigt diese anders«. Diese Beobachtung hat anhand des taciteischen Werkes vor allem Ronald Syme immer wieder artikuliert; vgl. Syme 1939, 194–208; 517–535; ders. 1970, 125; ders. 1986, 15–31. Zu diesem Vorgang vgl. zudem beispielsweise Christ 1978, 117 (»Für den sich entwickelnden Machtkampf ist entscheidend, daß nach dem Untergang der Caesarmörder keine publica arma mehr existierten, während auf Seiten der Caesarianer schließlich Octavian allein übrig blieb, als dux, um auch hier die Basis einer nicht verfassungskonformen Machtbildung konkret zu benennen.«); Brunt 1988, 5 f.; Rilinger 1991, 87; Stein-Hölkeskamp 2003, 318 f.; Osgood 2006, 257–260; Roller 2009, 170 f.; Ash 2010, 119 f.; Steel 2013, 129–131; M.  Nebelin 2014a, 163–165. Vgl. aber auch die Beobachtung von Bleicken 1962, 680 f.: »Die Aristokratie der Zeit des Triumvirats und der Regierung des Augustus war von an-

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mittlung von Kulturkenntnissen unterbrochen.58 Insofern hat die in den letzten Jahren wieder vielbeschriebene »révolution intellectuelle« (Claudia Moatti)59 beziehungsweise »cultural revolution« (Andrew Wallace-Hadrill)60 zwischen Republik und Prinzipat eine dunkle, sogar mörderische Seite; Rationalitäts- und Motivationskrise zeigen sich hier ineinander verschränkt,61 wobei der kulturelle Umbruch auf die Motivationskrise als Krisentendenz zurückzuführen ist.

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derem Schlag. Zu einem nicht geringen Teil zwar bestand sie noch aus Angehörigen der alten Geschlechter, Caesarianern oder solchen, die ihren Frieden mit Augustus gemacht hatten, oder aus jüngeren Adeligen der alten Geschlechter, die erst unter den Triumvirn das ämterfähige Alter erreichten und die Gnade vor den Augen ihrer Herren gefunden hatten. Aber sowohl der größte Teil dieser wie fast alle, die erst durch Caesar oder die Triumvirn den Adel ihrer Familie begründet hatten, trennte von der alten Nobilität doch der Bruch mit der Tradition. Sie waren nicht mehr im Kampf mit den Rivalen ihres Standes auf dem Forum zu ihren Ämtern und auf Grund ihrer Karriere im Senat zu Würde und Ansehen gelangt. Sie verdankten alles, was sie waren, ihren Herren. Und doch war in dieser neuen Aristokratie das Gefühl der Zugehörigkeit zur Republik außergewöhnlich stark und wich die Erinnerung an die Zeit der Herrschaft ihrer Klasse nie aus ihrem Gedächtnis. Mochten viele der alten Geschlechter aussterben, andere übernahmen ihr Erbe. Davon zeugen nicht nur die zahlreichen Verschwörungen gegen das Leben des Augustus. Dafür zeugt vor allem, daß Augustus bei der Aufrichtung seines neuen Staates auf diese Haltung der Aristokratie Rücksicht nahm. Wenn auch nicht den tatsächlichen Machtverhältnissen nach, so doch der Form nach wurde die Aristokratie durch Augustus an der Herrschaft beteiligt und hatte Augustus unter dem Bündel von Ämtern, das er in seiner Hand vereinigte, keines, das ihn vor den anderen Beamten ausgezeichnet hätte. Der Struktur des Staatsbaues nach sollte er der erste unter gleichen sein«. Zu unterscheiden ist freilich einerseits die Kontinuität des Selbstverständnisses der römischen Aristokratie und der politischen Institutionen vom realen Funktionieren letzterer und von den grundlegenden Machtlagerungen andererseits. In diesen Vorgang fügt sich auch der bereits 1935 von Edmond Remy für die Phase zwischen Cicero und Tacitus rekonstruierte Wandel der Vorstellungen von einer richtigen und machbaren ›vie civique‹ ein. Seiner Auffassung nach stellte Tacitus in seinen Werken zwei extreme Möglichkeiten vor, wie man in der Monarchie sein Leben leben könne (vgl. Remy 1935, 105 f.); am Ende habe er jedoch verdeutlicht, dass es nur einen gangbaren Weg gab, der das Überleben in Würde garantierte, meinte Remy: »Entre ces deux excès, il y a place pour une soumission qui, sans sacrifier ni la dginité ni la conscience, ne compromet pas la sécurité, et laisse un champ suffisamment ouvert à l’activité civique« (ebd., 106). Moatti 1997, 13 und passim. Wallace-Hadrill 1997; ders. 2008. Generell ist es aus transformationshistorischer Perspektive problematisch, Krisentendenzen losgelöst voneinander zu betrachten, da sich keine dieser Krisentendenzen als ›Letztursache‹ unabhängig von den anderen verstehen und beschreiben lässt (vgl. grundsätzlich Oesterdiekhoff 2011, bes. 303–309; vgl. aber darüber hinaus auch ebd. 306: »Die möglicherweise große Rolle von kulturellen und subjektiven Phänomenen bei der Entwicklung der Unterschiede von Gesellschaften ist zu unterscheiden von der kausalen Frage nach den ultimativen Faktoren sozialer Entwicklung.«). Allerdings kann man auf den Einzelfall und den Verlaufsprozess bezogen durchaus dominierende Tendenzen identifizieren, die ihre hervorgehobene Rolle innerhalb einer Krise gerade im spezifischen Zusammenwirken mit den anderen Krisentendenzen ausbilden.

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Besonders deutlich wird die Bedeutung von Motivationskrisen für Transformations- und Transitionsphasen, wenn man an Überlegungen Jörn Leonhards zur Beschreibung von »Übergangsgesellschaften« anschließt: Diese seien grundsätzlich durch »den beschleunigten und krisenhaften Umbruch von Erfahrungen und der damit verbundenen Deutungsmuster und Kommunikationsweisen charakterisiert«, wobei die »Transformation von tradierten Erfahrungsmustern« mit der »Suche nach neuen Formen, solche Umbrüche zu deuten,« einhergeht.62 Erst dadurch werden die Wandlungsvorgänge selbst »kommunizierbar« und der »Erfahrungswandel sinnhaft« ›aneigenbar‹.63 Die sprachliche Artikulation und Verarbeitung dieser Wandlungserfahrungen ist mithin zentral: »Für diese Formen der Erfahrungsdeutung spielen sprachliche Deutungsmuster eine fundamentale Rolle«.64 Diese Beobachtungen stützen die Annahme, dass gerade Übergangsgesellschaften in ihrer kulturellen Krisen- und Transformations­ dimension durch eine Motivationskrise ausgezeichnet sind. Doch wie lässt sich der Wandel politischer Semantik im Zuge der Motivationskrise einer solchen Übergangsphasen beschreiben? Was macht ihre Besonderheit aus?

II. Grundkategorien: Semantische Kämpfe – Asymmetrische Gegenbegriffe – Semantischer Extremismus Walter L. Bühl geht davon aus, dass gerade politische Strukturkrisen sich der zeitgenössischen Thematisierbarkeit entziehen: »Die politische Problematik der allgemeinen Struk­turkrise liegt gerade darin, daß sie nicht mehr diskutiert, sondern verdrängt wird«.65 Doch möglicherweise ist diese Position zu radikal verallgemeinernd, denn die für die Betroffenen und Beteiligten einer Strukturkrise aufgeworfene Problematik besteht weniger darin, die Form einer Krise zu thematisieren, als vielmehr darin, die für eine Strukturkrise relevanten Krisentendenzen zu identifizieren und auf ihre Ursachen hin zurückzuführen. Bedeutsamer ist jedoch, dass, wie bereits dargestellt wurde, die Motivationskrise als Krisentendenz der Strukturkrise selbst dadurch gekennzeichnet ist, dass in ihr das bis dahin Unhinterfragbare hinterfragbar wird – und die Motivationskrise als Krisentendenz also mithin auch durch einen erhöhten Aufwand an sprachlichem Austausch gekennzeichnet ist. Unter solchen sprachlichen Auseinander­

62 Leonhard 2008, 549. 63 Ebd. 64 Ebd. 65 Bühl 1984, 81.

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setzungen im Rahmen einer Motivationskrise sind semantische Kämpfe ein besonders bedeutender und wirkungsmächtiger Fall.66 Unter semantischen Kämpfen versteht man der weiten Definition des Linguisten Ekkehard Felder zufolge »unterschiedliche sprachliche Handlungsstrategien (beim Benennen und Bedeuten)«67, zu deren Besonderheit gehört, dass sie »Sprach-Normierungskonflikte, die unser gesamtgesellschaftliches Denken und Verhalten prägen«68, darstellen. Nach Felders Wahrnehmung setzen semantische Kämpfe dabei auf verschiedenen sprachlichen Ebenen an.69 Reinhart Koselleck, der den Begriff der ›semantischen Kämpfe‹ wahrscheinlich als einer der ersten verwandte,70 legte hingegen eine engere Auffassung zugrunde. Er verstand unter semantischen Kämpfen allerdings zunächst in grundsätzlich ähnlicher Weise wie Felder einen »Kampf um die ›richtigen‹ Begriffe«, der, wie Koselleck jedoch weiter ausführte, mit seiner »sozialen und politischen Brisanz« ein grundsätzliches Phänomen aller Krisenzeiten sei.71 Die Brisanz dieser semantischen Kämpfe erwächst, wie Koselleck weiter betonte, aus dem Umstand, dass sie Versuche darstellen, »politische oder soziale Positionen zu definieren und kraft der Definition aufrecht zu erhalten oder durchzusetzen«.72 Semantische Kämpfe sind folglich soziale und politische Auseinandersetzungen mit und um Begriffe; in der Theorieentwicklung Kosellecks repräsentieren sie den »Aspekt des Kampfes um Begriffe als Teil gesellschaftlicher Konflikte«.73 Sprache als Teil der kulturellen Sphäre beeinflusst dabei die soziale und die politische Sphäre – und wird

66 Dass ›semantische Kämpfe‹ ein Merkmal von Krisen sind, betont Koselleck 1972b, 113. Erstmals in den Altertumswissenschaften genannt wurde der Begriff vermutlich durch Egon Flaig 2003, 10 – freilich en passant und ohne Bezug auf Koselleck. Zu dem im vorliegenden Beitrag zugrunde gelegten Konzept semantischer Kämpfe siehe ausführlich die Einführung in die Thematik dieses Sammelbandes. 67 Felder 2006a, 13. 68 Ebd. 17. In ders. 2006b, 1 betont Felder, dass »der ›Streit um die Sache‹ gleichsam ein ›Streit um Worte‹ […], kurz ein ›semantischer Kampf‹« sei. 69 Siehe besonders Felder 2006a, 17; vgl. ders. 2006b, 1; ders. 2010, 544–546. 70 Dazu siehe die Einführung des vorliegenden Bandes sowie Dipper 2016 (die aktualisierte Fassung dieses Beitrags im vorliegenden Band). 71 Koselleck 1972b, 112. Dass es sich bei den semantischen Kämpfen um ein grundsätzliches Phänomen handelt, betont Koselleck ebd. 112; dazu siehe die Einführung in den vorliegenden Band. 72 Koselleck 1972b, 113. 73 Müller – Schmieder 2016, 319. Ernst Müller und Falko Schmieder sehen diese kombattive Ausrichtung von Kosellecks begriffsgeschichtlicher Konzeption im Anschluss an Thomas Etzemüller als Folge einer partiellen Neuausrichtung »um 1972«; fortan habe Koselleck »nicht mehr nur […] das Begreifen der Gegenwart, sondern […] [auch] die nur pragmatisch zu begreifende Funktion von Begriffen« interessiert, »Zukunft und Utopien zu beschreiben« – dafür aber habe Koselleck dieses konfliktorientierte Verständnis von Begriffen und Begriffsgeschichte ausbilden müssen (ebd.)

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umgekehrt aus ihr heraus auch geformt. Konkret werden mit ihr Auffassungen vom Sozialen und Inhalte der Politik durchzusetzen versucht. Mit anderen Worten: »Herrschaft und Macht werden auch über Semantik ausgeübt«.74 Dass dabei Sprache und außersprachliche Wirklichkeit zwar aneinander gekoppelt sind, dabei jedoch niemals gänzlich in Eins fallen und dass beide Bereiche mithin Überschusspotentiale enthalten, die bevorzugt aus einer rückblickenden Perspektive ersichtlich werden, ist selbstverständlich.75 Einen Extremfall semantischer Kämpfe stellen asymmetrische Gegenbegriffe dar, eine Begriffsform, die 1975 als erster Reinhart Koselleck identifiziert hat.76 Unter asymmetrischen Gegenbegriffen verstand Koselleck »nur einseitig verwendbare, auf ungleiche Weise konträre Zuordnungen«,77 in denen infolge »eine[r] abschätzigen Bedeutung« der »Bezeichnung« »die Gegenseite sich wohl angesprochen, aber nicht anerkannt finden kann«.78 Dass asymmetrische Gegenbegriffe ein – wenn auch besonderer – Teil semantischer Kämpfe sind,79 verdeutlichen die von Kay Junge identifizierten »two criteria for identifying asymmetrical concepts«: »First, there must be a status difference or a situation of conflict; second, the actual relation captured by the relevant pair of concepts must lack mutual ratification by those participating in the relation. Non-ratified but socially relevant status differentials and social conflicts – in case they persist throughout many encounters – engender asymmetric concepts«.80 Asymmetrische Gegenbegriffe sind also eine Kategorie des Konflikts; sie umgrenzen eine Gemeinschaft positiv und grenzen sie zugleich von negativen Anderen ab.81 Infolgedessen »indiziert« ein solcher Gegenbegriff »nicht nur die Handlungseinheiten, er prägt und schafft sie auch«; er ist mithin »nicht nur In74 Felder 2006a, 13 = ders. 2010, 543. 75 Vgl. dazu die Überlegungen Kosellecks zu den »nur vier Möglichkeiten […], nach denen sich der wechselseitige Wandel von Begriff und Sachverhalt gestalten kann: Erstens: Die Bedeutung eines Wortes sowie der erfassten Sachverhalte bleiben sich gleich, synchron und diachron. Zweitens: Die Bedeutung eines Wortes bleibt sich gleich, aber der Sachverhalt ändert sich. Drittens: Die Bedeutung eines Wortes ändert sich, aber die damit erfasste Wirklichkeit bleibt sich gleich. Viertens: Sachverhalte und Wortbedeutungen entwickeln sich völlig auseinander, so dass die ehemalige Zuordnung nicht mehr nachvollzogen werden kann. Nur noch mit der begriffshistorischen Methode lässt sich dann ermitteln, welche Wirklichkeit wie und auf welchen Begriff gebracht worden war« (so die Zusammenfassung von Müller  – Schmieder 2016, 309). Vgl. zudem beispielsweise ­Koselleck 1972a, XXIII; ders. 1972b; ders. 1975; ders. 2002; vgl. dazu Müller – Schmieder 2016, 305–312. 76 Siehe Koselleck 1975, 211–259. 77 Ebd. 211; vgl. ebd. 213. 78 Ebd. 211. 79 Dazu vgl. auch unten, Abschnitt II . 80 Junge 2011, 42. 81 Vgl. Koselleck 1975, 211 f.

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dikator, sondern auch Faktor politischer oder sozialer Gruppen«.82 Gerade wenn asymmetrische Gegenbegriffe als Kategorien in der Innenpolitik verwendet werden, offenbaren sie ihre Sprengkraft: Genauso wie asymmetrische Gegenbegriffe eine Inklusionsleistung erbringen können, vermögen sie gleichzeitig der Exklusion zu dienen. Etwas anderes ist auch kaum möglich, da, wie Niklas Luhmann betont hat, jede Integrationsideologie immer auch eine Exklusionsdimension aufweist  – und umgekehrt Exklusionsideologeme auch integrative Wirkungen entfalten können;83 entscheidend ist immer der Bezugspunkt von Sprechern und Betroffenen. Dabei müssen gerade die negativen Gegenbegriffe keinerlei Entsprechung in der sozialen oder politischen Wirklichkeit haben; sie sind zuvorderst kulturelle Konstrukte, die der Austragung eines Konfliktes dienen – in einem Stellvertreterkonflikt müssen sogar die als negative Andere Bezeichneten nicht der eigentlich gemeinte Gegner sein. Solche asymmetrischen Begriffe sollen nun Koselleck zufolge epochen- und kulturübergreifend in verschiedenen Ausformungen auftreten. Vermutlich geht dieses Modell ursprünglich auf das Gegensatzpaar von Freund und Feind zurück, mit dem Carl Schmitt zwar nicht das Politische, aber immerhin doch dessen Extremzustand beschrieben hatte.84 Koselleck wiederum sah in diesem Gegensatzpaar ein zentrales Kategorien­bündel seiner historischen Anthropolo­ gie, betonte jedoch gegen Schmitts einseitig auf die Feindschaft ausgerichtete Deutungspraxis die Komplementarität und mithin auch Gleichrangigkeit beider Extrempunkte.85 82 Ebd. 212. Gleichwohl beharrt Koselleck zu Recht darauf, dass »weder die soziale noch die politische Sprache identisch [ist; M. N.] mit ihrer begrifflichen Selbstartikulation. […] Diese Differenz zwischen der Geschichte und ihrem ›Begriffenwerden‹ wird mit der Methodik der historisch-politischen Semantik ausgemessen« (ebd. 214). 83 Vgl. Luhmann 1995, 244–246; ders. 1998, Bd. 2, bes. 631–633; ders. 1999, 146–150; dazu vgl. Corsi 1997 und Farzin 2006; dies. 2011, 51–92. 84 Vgl. Schmitt 1932, 26 f.; vgl. dazu Ladwig 2003, 46 f. Die Unterscheidung zwischen der (weitergefassten) Bestimmung des Politischen (vgl. Schmitt 1932, 38 f.) und den Konzepten von Freund und Feind als sich aus dieser Definition ergebenden Extrempunkten (vgl. ebd., 26 f.; 40) ist ein wesentlicher Aspekt, um die schmittsche Definition des Politischen analytisch fruchtbar machen zu können; dazu vgl. Münkler – Straßenberger 2016, 45–47. Die Adaptierbarkeit dieses Begriffs des Politischen für die Beschreibung antiker Gesellschaften haben vor allem Meier 1980a, bes. 15–17; 30–39 sowie Martin 1990, 283 f. unterstrichen; ähnlich auch Walter 2013. Vgl. in diesem Sinne auch M. Nebelin 2014a, 145, Anm. 19; ders. 2018, 111–113 mit Anm. 13 f. 85 Vgl. Koselleck 1975, 258 f. Neben der Kritik an Schmitts ungleichrangiger Behandlung der von ihm eigentlich symmetrisch konstruierten Gegenbegriffe von Freund und Feind ist ein weiterer wesentlicher Einwand gegen Schmitts Begriff des Politischen, an den zu Recht Steinmetz 2007, 11 erinnert, der einer asymmetrischen Konfrontation eines abstrakten Politischen als positivem Gemeinschaftssynonym mit einer negativ konnotiert und konkret als parlamentarische Demokratie gedachten (Tages-)Politik. Vgl. zur definitorischen Symmetrie Schmitt 1932, 26 f.; 38 f. und die entsprechenden Passagen in

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Vor diesem Hintergrund rekonstruierte Koselleck eine ›dunkle Spur‹, die sich durch die europäische Semantik zieht und von Herodots Abgrenzung von Hellenen und Barbaren bis zum nationalsozialistischen Gegensatz von Über- und Untermensch reicht und dabei nicht nur inhaltlich, sondern auch strukturell unterschiedliche Varianten von asymmetrischen Gegensätzen hervorgebracht haben soll.86 Dabei verhehlte Koselleck nicht die Eigensinnigkeit jedes dieser Begriffspaare; erst durch die retrospektive Konstruktionsleistung des Historikers werden sie zu Etappen auf einem fatalen Pfad hin zu Kategorien, die eine annihilatorische Politik rechtfertigen helfen können:87 »Drei Schwellen wurden gezeigt, die überschritten werden mußten, um den Anderen als Feind überhaupt zu begreifen oder als Feind neu zu begreifen. Über die Zeiten hinweg handelt es sich um eine Akkumulation und um eine Radikalisierung der Feindbegriffe: vom Barbaren über den Heiden und Ketzer zum Unmenschen und Untermenschen«.88 Ungeachtet seiner Radikalisierungsannahme erachtete Koselleck die Grundmuster der asymmetrischen Gegenbegriffe jedoch für »geschichtlich übertragbar«89 und durch ›Überlappungen‹90 gekennzeichnet; das heißt, er war der Auffassung, dass asymmetrische Gegenbegriffe in zahlreichen, zu Grund­t ypen

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der in nationalsozialistischer Diktion gefassten Schrift ders. 1936, 136 f.; zu ihrer praktischen Vereinseitigung durch Schmitt vgl. etwa ders. 1932, 26–40; 54 und passim; ders. 1963, bes. 53–66; 71–96; zur kritischen Wendung des Politikbegriffs gegen den Weimarer Parlamentarismus vgl. ders. 1936, 134 f.; zur Diskursgeschichte vgl. Weidner 2012. Doch Schmitts Wertungen müssen nicht mit seinen Definitionen übernommen werden. Ganz im Gegenteil: Eine Differenzierung zwischen der Politik und dem Politischen kann durchaus positiv gewendet werden, sofern man darunter – ›wertneutral‹ – unterschiedliche Felder versteht, die zwar Überschneidungen aufweisen, sich jedoch im Detail durch ihre Konstitution, ihre Ebenen- und Gegenstandsbezüge sowie die ihnen zugrunde­ liegenden Zeitstrukturen unterscheiden. Vgl. Meier 1980a,16 f.: »Der Vorzug des Begriffs des Politischen liegt […] darin, daß er im Einklang mit einem wesentlichen Strang der heutigen Wortbedeutung etwas erfassen kann, was nicht identisch ist mit der Vielfalt all dessen, was politisch und Politik meint: ein Beziehungs- und Spannungsfeld, nämlich das Feld oder das Element, in dem in und zwischen politischen Einheiten (und Untereinheiten) eine Ordnung des Zusammenlebens geschaffen und praktiziert, Entscheidungen über gemeinsam interessierende Fragen getroffen und Positionen umkämpft werden, von denen her diese Entscheidungen zu beeinflussen sind. In einer Theorie des Politischen ließen sich die je besonderen Weisen von Assoziation und Dissoziation begreifen und vergleichbar machen und in eine umfassendere Theorie gesellschaftlicher Struktur einbringen«. Ein solcher (oder zumindest ähnlicher) Begriffsgebrauch macht nicht nur die beiden Kategorien, sondern auch die zwischen ihnen bestehende Bedeutungsdifferenz für die historische Analyse nutzbar. Vgl. erneut M. Nebelin 2014a, 145, Anm. 19; ders. 2018, 111–113 mit Anm. 13 f. Vgl. Koselleck 1975, 213–259. Vgl. bes. ebd. 253–258. Koselleck 1993, 279. Koselleck 1975, 216. Ebd. 254.

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verdichtbaren Variationen vorhanden seien, auch wenn er selbst nur einen schmalen Ausschnitt dieser Spur nachverfolgt hat:91 »Was historisch je einmalig die Erfahrung prägte, wiederholt sich strukturell noch und noch. […] Man könnte fast sagen, was sich sprachlich einmal eingeschliffen hat – als Gegen­begrifflichkeit –, lebt ikonisch und semantisch munter fort, bleibt abrufbar«.92 In der Konsequenz solcher Erwägungen hat Koselleck in seinem Beitrag von 1993 über Feind­begriffe das Konzept der Gegenbegriffe stärker auf das Modell der Feindschaft ausgerichtet: »Gegenbegriffe sind geeignet, die Selbstbestimmung einer Handlungseinheit, das ›Wir‹ gegen die anderen nicht nur zu artikulieren, sondern als Unterscheidungsmerkmal festzuschreiben. Dahinter lauert die Feindschaft«.93 Des Weiteren unterstrich Koselleck noch einmal, was seines Erachtens die Neuheit der Feindbegriffe in der Neuzeit auszeichnete:94 Vor dem Hintergrund eines in dieser Form vorher nicht fassbaren Begriffs von »Menschheit« seien damals universale Oppositionsbegriffe ausgebildet worden, die in die Fassung »Mensch  – Unmensch, Übermensch  – Untermensch« gepresst und auf diese Weise dergestalt »radikalisiert« worden seien,95 dass eine bis dato nicht mögliche Form der ›Entmenschlichung‹96 sag- und machbar wurde. Kosellecks Konzept asymmetrischer Gegenbegriffe stellt einen dreifachen Sonderfall dar. Unter den Feindbegriffen sind die asymmetrischen Gegen­ begriffe nicht nur aufgrund ihrer fixierten Gegensatzstruktur eine seltene Ausnahme, sondern vor allem deshalb, weil sie die äußersten Pole einer Einheit markieren, von denen der eine Pol alles Positive und der andere alles Negative symbolisiert. Doch während andere Gegensatzmodelle wie etwa Freund und Feind eine gewisse, grundsätzlich denkbare Veränderbarkeit der negativen Rollen und Positionen suggerieren,97 ist dies bei asymmetrischen Gegenbegriffen 91 Es lassen sich zu dem nachfolgend vorgestellten Modell natürlich auch anders akzentuierte Gegenerzählungen entwickeln. So hat etwa Peter Strohschneider »kontrastiv« zu Kosellecks »Geschichte sukzessiver Aufheizung der Gegenbegrifflichkeiten« versucht, eine Erzählung der Gegenbegriffsbildungen zu entfalten, »deren Aixiologien mit dem Zeitverlauf immer ›kühler‹ werden«, so dass diese Variante einer Geschichte der Gegenbegriffe »Negierbarkeitsverluste« hervorheben soll (Strohschneider 2012, 394), »Unbekanntheitsgewinne« verzeichnet (ebd. 395) sowie »Verzweigungen begriffsgeschichtlicher Linien« und die »Pluralisierung semantischer Möglichkeiten« (ebd. 414) herausstellt. 92 Koselleck 1993, 277; vgl. ebd. 275. 93 Ebd. 276. 94 Siehe ebd. 278 f. 95 Ebd. 278. 96 Ebd. 279. 97 Deshalb ging Koselleck in Koselleck 1975, 258 davon aus, dass das ausdrücklich auf Schmitt zurückgeführte »Begriffspaar Freund und Feind […] sich durch seine politische Formalität aus[zeichne], es liefert ein Raster möglicher Antithesen, ohne diese selbst zu benennen. Wegen ihrer formalen Negation handelt es sich erstmals um rein symmetrische Gegenbegriffe, da für Freund und Feind eine Selbst- bzw. Fremdbestimmung

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nicht der Fall: Während der Feind zum Freund werden kann, bleiben Hellenen Hellenen und Barbaren Barbaren, Untermenschen Untermenschen und Übermenschen Übermenschen und es bedarf einiger, das begriffliche System letztlich sprengender Konstruktionsleistungen, um daran etwas zu ändern.98 Die Besonderheit der asymmetrischen Gegenbegriffe im Vergleich zu anderen Feindbegriffen besteht also in der maximalen Selbststilisierung der Wir-Gruppe und der äußersten Diskreditierung und Nicht-Anerkennung des negativen Anderen. Diese erste Besonderheit asymmetrischer Gegenbegriffe ist folglich zunächst eine sprachliche Einflussdimension dessen, was man als semantischen Extremismus bezeichnen kann. Semantischer Extremismus wiederum besteht gleichzeitig (a) inhaltlich in der Ausbildung von Begriffen und Begriffspaaren, deren Wirklichkeitsbezug auf Gegensatzverweisen basiert, die bis auf das Äußerste des zeitgenössisch Sag- oder sogar Denkbaren hin ausgedehnt sind; (b) praktisch in dem Versuch, diese extremal politisierten Begriffs- und Gegenbegriffskonstruktionen auch in der kulturellen, sozialen und politischen Wirklichkeit durch Sprechhandlungen (mehr) zur Geltung zu bringen. Angesichts dieser Eigenschaften des semantischen Extremismus verwundert es auch nicht, dass in dessen praktischer Einflussdimension eine weitere Besonderheit der asymmetrischen Gegenbegriffe auszumachen ist, die nachfolgend als dritte vorgestellt werden wird. Diese hängt jedoch ihrerseits mit dem zweiten, zuvor zu betrachtenden Sonderfall zusammen, den asymmetrische Gegenbegriffe für das Konzept semantische Kämpfe darstellen: Asymmetrische Gegenbegriffe kommen  – im Unterschied zu ›einfachen‹ semantischen Kämpfen  – ohne die reale Beteiligung des negativen Anderen aus. Doch inwiefern ist dies ein Sonderfall? Semantische Kämpfe sind nicht allein Auseinandersetzungen um oder auch mit Begriffen, sondern können vielmehr auch Auseinandersetzungen sein, in denen mit den Begriffen zugleich die inhaltlichen Positionen und die sozialen wie politischen Rollen der Beteiligten verhandelt werden – ein Umstand, der in Kosellecks Definition semantischer Kämpfe nur anklingt, jedoch in seinem ›Preußenbuch‹ konzeptuell eine wesentlich größere Bedeutung besaß: Dort zeigte Koselleck, wie das Allgemeine Landrecht die menschlichen Typologien, die es voraussetzte, rechtssetzend mittels des flankierenden politischen Handelns überhaupt erst schuf.99 Niklas Luhmann hat nun besonders hervorgehoben, dass

vorliegt, die von beiden Seiten gegenläufig verwendbar ist. Es sind Erkenntniskategorien, deren inhaltliche Besetzung gemäß der geschichtlichen Erfahrung einer asymmetrischen Auffüllung der beiden Wortfelder dienen kann«. 98 Für Zugriffe, die im letztgenannten Sinne verfahren, ließen sich beispielsweise – in freilich gänzlich unterschiedlicher Weise – Antiphon oder Isokrates heranziehen; dazu vgl. mit Belegen: K. Nebelin 2016, 288–295; 338 f. 99 Koselleck 1981, 18; 24 f.; 44; 52 und passim; vgl. dazu M. Nebelin 2013, 364 f.

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im Fall asymmetrischer Gegenbegriffe – die er »Ausgrenzungsbegriffe« genannt hat – der bezeichnete (negative) Andere gar nichts von dem ihm angehefteten Etikett wissen muss.100 Folglich stellen asymmetrische Gegenbegriffe auch deshalb einen Sonderfall im Bereich der semantischen Kämpfe dar, weil der negative Andere für das Funktionieren des Diskurses nicht einmal persönlich am Diskurs Teil zu haben braucht. In ihrer fokussierten Einseitigkeit besteht folglich die zweite Besonderheit asymmetrischer Gegenbegriffe. Die schon erwähnte dritte Besonderheit, die über ihre Sonderrolle in semantischen Kämpfen hinaus auf die praxeologische Einflussdimension des semantischen Extremismus verweist, knüpft hieran an: In asymmetrischen Gegen­ begriffen, die als ›Ausgrenzungsbegriffe‹ fungieren, sind Rollen und Positionen der negativen Anderen dergestalt zur Disposition gestellt, dass sie zu einer Reaktion unfähig sind; die Form ihrer Nicht-Anerkennung ist dann extremal, weil sich die negativen Anderen am Diskurs nicht mehr beteiligen können. Denn wer diskutiert schon mit dem unverbesserlichen Bösewicht? In diesem äußersten Fall sind die negativen Anderen also immer schon ausgeschlossen. Die dritte und fatale praktische Besonderheit asymmetrischer Gegenbegriffe besteht deshalb in ihrem Potential, im Extremfall zu einer praktischen Lösung zu drängen. Der mit asymmetrischen Gegenbegriffen einseitig geführte semantische Kampf kann den Weg bereiten für reale, oft für eine Seite tödlich endende Kämpfe.101 Die 100 Vgl. Luhmann 1998, 954: »Im Unterschied zu Namen oder Personalpronomina sind solche Ausgrenzungsbegriffe nicht auf beiden Seiten gleichsinnig verwendbar. Vielmehr kann, eben weil die Zentrum / Peripherie-Differenzierung realisiert ist, das Zentrum davon ausgehen, daß die eigene Beschreibung der Differenz zutrifft und die Ansichten der Peripherie oder der gänzlich ausgegrenzten Weltteile unberücksichtigt bleiben können. Das Zentrum wiederholt, nicht ohne dafür Gründe zu haben, in der eigenen Weltbeschreibung die eigene kulturelle Überlegenheit. Die durchgesetzte Ungleichheit wird in die eigene Beschreibung hineingenommen und zum Ausdruck gebracht. Wie in der Peripherie darüber gedacht wird, kann unbeachtet bleiben. Die Welt wird, entsprechend der Selbstdefinition als Zentrum, durch eine primäre zweiseitige Unterscheidung verletzt. Das ›Andere‹ wird ausgegrenzt. Dabei geht es nicht nur um die Anfertigung einer Negativ-Copie, sondern um das Aufbrechen einer Totalität in ein Dies und ein Anderes, und so für das Objekt Welt ebenso wie für das Objekt Gesellschaft. Mit einer solchen Scheide-Semantik konnte das paradoxe Ziel realisiert werden, eine Totalität zu entwerfen und sich selbst zugleich in dieser Totalität als etwas Besonderes zu isolieren«. Luhmann beruft sich in ebd. 954, Anm. 150 dezidiert auf Koselleck; in ebd. 955 beschreibt er diese Begriffsbildungen auch als »semantische Asymmetrien«. Vgl. aber schon Koselleck 1975, 215: »Es kennzeichnet die auf ungleiche Weise konträren Gegenbegriffe, daß die eigene Position gerne nach solchen Kriterien bestimmt wird, daß die daraus sich ergebende Gegenposition nur negiert werden kann«. 101 Koselleck verweist in ebd. 253 exemplarisch darauf, dass es mit der Einführung des Positivbegriffs der Menschheit machbar geworden sei, »daß heteronome Kategorien so konfrontiert wurden, daß es möglich wurde, mit der Negation des – scheinbaren – Gegenbegriffs die Annihilation des jeweils gemeinsamen Gegners zu betreiben. Der Totalbegriff der Menschheit zeitigte, einmal politisch gehandhabt, totalitäre Folgen«.

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Abgrenzungsbewegung, die asymmetrische Gegenbegriffe repräsentieren, wird dann zum Vorgang einer aktiven, einer praktischen, vielleicht sogar tätlichen Ausgrenzung, die annihilatorische Konsequenzen zeitigen kann: »Bedrohlich wird diese lebensnotwendige Innen-Außen-Abgrenzung erst, wenn die Kontakte blockiert, Kompromisse verhindert werden, wenn die Konsensbildungen nur noch einseitig dazu dienen, Konflikte zu schüren, Bürgerkriege zu entfesseln, Kriege zu führen, den Massenmord freizugeben. Die gesamte Geschichte, nicht jede einzelne Geschichte, läßt sich nach den jeweiligen Innen-Außen-Konstellationen gliedern. Eine Schwelle wird überschritten, wenn der Andere, der Fremde als Feind erfahren oder begriffen wird, der zu bekämpfen sei oder als Unmensch hinausdefiniert wird, um vernichtet zu werden«.102 Besonders schwerwiegend ist dies dann, wenn – wie etwa im Fall der Dichotomie von Christen und ›Häretikern‹ (als »Nicht-mehr-Christ[en]«) –103 die aufklaffende Differenz die ursprüngliche Gemeinschaft selbst zu zerteilen droht: Die Innen-Außen-Abgrenzung kehrt sich nach innen. Der semantische Extremismus der asymmetrischen Gegenbegriffe offenbart in solchen Fällen seine praktische Seite: Semantische Kämpfe betreffen nicht nur politische und soziale Inhalte; sie können sich auch auf soziale, politische und kulturelle Positionierungen von Menschen beziehen. Aufgrund solcher Bezugnahmen auf die Verortung von Menschen entlang der Differenzierungen von Ich und Du, Wir und Die wird durch den Gebrauch asymmetrischer Gegenbegriffe in der sozialen und politischen Welt mit der sprachlichen Artikulation dieses äußersten Gegensatzes immer auch eine unüberbrückbare Kluft in der Sprache wie in der außersprachlichen Wirklichkeit etabliert. Ein Rollenwechsel oder eine Rollenveränderung, die semantische Kämpfe auszeichnen und letztlich auflösen können, sind nicht möglich. Weil solche identitätsorientierte Begriffsbildungen immer auch eine – mehr oder weniger explizite – Zukunftsdimension in sich bergen (»constitutive futurity«),104 drängen sie zu einer praktischen und (vermeintlich) nachhaltig wirksamen oder gar finalen Lösung: Eine gewaltsame Lösung eines solcherart aufgeladenen Konflikts wird äußerst wahrscheinlich. Die massive praktische Wirkung, die Sprache erzielen kann, hängt damit zusammen, dass »human beings«, wie Herbert Blumer in der ersten Prämisse des Symbolischen Interaktionismus betont hat, »act toward things on the basis of the meaning that the things have for them«; und diese Bedeutung wiederum »is derived from, or arises out of, the social interaction that one has with one’s

102 Koselleck 1993, 274 f.; vgl. außerdem ebd. 274–276; 278 f. 103 Vgl. Koselleck 1975, 239. 104 Billig  – Condor  – Tileagă 2013, 280 unter Aufnahme einer Formulierung von David A. Frank.

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fellows«, wie Blumer in der zweiten Prämisse expliziert.105 Dass nun semantische Kämpfe und ihr Extremfall, asymmetrische Gegenbegriffe, im Besonderen in einer Motivationskrise auftreten, hängt natürlich damit zusammen, dass dies jene Krisentendenz ist, in der die kulturelle Dimension erschüttert wird. Im Grunde genommen hat bereits Christian Meier diesen Aspekt thematisiert, als er mit Blick auf die politische Kultur der späten römischen Republik nach dem »Verhältnis zwischen Strittigem und Unstrittigem« fragte.106 Für ihn war dies der Ort, an dem die Krise ohne Alternative virulent wird, also jene Konstellation, in der für die beteiligten Akteure keine ›Alternativen‹ – im Sinne grundsätzlich verwirklichbarer Möglichkeiten zum Ersatz des bestehenden System – denkbar sind.107 Für Rom bedeutete dies, dass die Krise im »[W]esentlich[en] dadurch bestimmt [gewesen sei; M. N.], daß die staatliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Ordnung fast nicht in Frage gestellt wurde«.108 Jedoch entsteht in solchen Motivationskrisen keine ›Krise ohne Alternative‹ im absoluten Sinne; vielmehr bleibt immer eine negative Option vorstellbar.109 Deshalb ist die Wahrnehmung struktureller Krisen nicht nur eine Keimzelle möglicher Kritik, sondern auch der Angst vor einem Umschlagen der Welt ins grundsätzlich Negative  – und mithin auch ein möglicher Ursprung von Gewalt.110

III. Gut(e) und Böse in der ausgehenden Republik Die Motivationskrise der römischen Republik ist Teil jener Strukturkrise, die vorläufig im Prinzipat des Augustus gelöst wurde – selbst wenn auf dem von Augustus eingeschlagenen Lösungsweg Konfliktstellen verblieben (oder neu ent­ standen), weil infolge der Weiterführung legitimatorischer Elemente des alten Systems diese mit Elementen der neuen Herrschaftsorganisation kollidieren 105 106 107 108 109

Blumer 1969, 2. Meier 1966/1980, 159. Zu Meiers Theorem vgl. mit weiteren Belegen und Literaturhinweisen oben, Anm. 32. Meier 1966/1980, 159. Meiers ›Krise ohne Alternative‹ ist zwar zumeist mit Blick auf diesen Mangel an positiven Alternativen aufgefasst worden (siehe etwa Jehne 2009b, 32), doch ist die Klarstellung, dass das Konzept keinen Mangel an negativen Alternativen voraussetzt, notwendig, weil folgenschwer: So hat Jehne darauf hingewiesen, dass in Ciceros »starken Formulierungen vom Verlust des Staates […] zum Ausdruck« »komm[e]«, »daß es für Cicero – und diese Haltung teilte er mit seinen Zeitgenossen – eigentlich nur die res publica in der traditionellen Form geben konnte oder gar keinen Staat« oder »nur de[n] Unstaat bzw. das Chaos« (ders. 2003, 379). 110 Das alleinige Vorhandensein negativer Alternativmöglichkeiten kann zudem eine negative, tendenziell zunächst angst-, dann auch aggressionsbeladene Grundstimmung schüren. Vgl. zur ›Krise ohne positive Alternative‹ M. Nebelin 2014b, 254 f.

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konnten.111 Diese neuen Krisentendenzen vereinigten sich jedoch nicht zu einer erneuten Strukturkrise  – zumindest nicht unmittelbar, auch wenn zyklische Krisen ein Charakteristikum der Kaiserzeit blieben. Zur spätrepublikanischen Motivationskrise hingegen gehörte eine Radikalisierung der politischen Rede, die sich schließlich bis hin zu einem semantischen Extremismus steigerte. Im Folgenden wird dies anhand einer der am klarsten und vielfältigsten bezeugten 111 Jochen Bleicken betonte zu Recht »das Mißverhältnis von äußerer Form (Prinzipatsverfassung) und machtpolitischer Wirklichkeit (Militärdespotie)« (Bleicken 1976, 160), um schließlich zu der in ihrer Absolutheit überzogenen Einschätzung zu gelangen, dass der Prinzipat »eine neue Ordnung« – genauer: eine neue »Rechtsordnung« – gewesen sei, in welcher die Republik »nicht mehr enthalten« war (ders. 1991, 815). Vgl. demgegenüber die Neufassung der mommsenschen Dyarchiethese durch Aloys Winterling 2005; vgl. bereits die Beobachtungen in ders. 2001. Vgl. zu diesem Verhältnisdiskurs aus anderen Blickwinkeln beispielsweise Wirszubski 1950, Kap. IV.; Earl 1967, ch. III; Pöschl 1980, 204; Eder 1990; Welwei 1996, 212–216; Eder 2005 sowie Gruen 2005; Wallace-Hadrill 2005; Hurlet 2009. Auffällig ist der wissenschaftsgeschichtliche Befund, dass insbesondere die deutsche Forschung vor 1945 unter dem Paradigmen der ›Wertbegriffe‹ und des ›Römertums‹ (zu diesen Konzepten vgl. Schneider 1988, 48–55; Thome 2000b, Bd. I, 8–14 sowie Haltenhoff 2005, 87–96; überzeugend historisierend: Rebenich 2005 und Schmidt 2005) dazu neigte, die historische Semantik der Republik und der Kaiserzeit als relativ geschlossene Einheit zu betrachten, wobei in der lateinischen Literatur der Kaiserzeit die Abrundung oder gar Vollendung vermeintlich altrömischer Wertvorstellungen vollzogen worden sein soll (vgl. beispielsweise die grundlegenden Beiträge zur Wertbegriffsforschung von Richard Heinze [1925; 1929], Ulrich Knoche [1934] und – trotz eines Schwerpunktes auf der republikanischen Semantik – Hans Drexler [1988] sowie die Grundtendenz der meisten Beiträge in Oppermann 1962 und vor allem in Oppermann 1967; vgl. auch noch Pöschl 1980). Die langfristige Ausstrahlung und breitenwirksame Adaption des Konzepts unterstreicht Büchner 1957, der im Rahmen seiner Erörterung des ›Römertums‹ ebd. 303 die Bedeutung »römische[r] Lebensbegriffe« (im Original vorhandene Hervorhebung durch gesperrten Druck nicht übernommen) betonte, um dann diese ›Lebensbegriffe‹ ebd. 303–326 katalogartig aufzulisten. Erst im Zuge der sozialgeschichtlichen Wende der lateinischen Begriffsgeschichte scheint diese Tendenz zu einer ungebrochenen Zusammenschau der politischen Semantik beider römischer Systeme preisgegeben worden zu sein; insbesondere Hellegouarc’h 1972 stellt zweifellos auch in Fragen der Differenzierung einen Meilenstein dar. Die letztlich apolitische Kontinuitätsvorstellung der philologisch fundierten älteren Begriffsgeschichte mag mit der von Pöschl 1987, 279 ausgedrückten Auffassung zusammenhängen, »[i]n der Tat war die Erhaltung und Wiederherstellung des mos maiorum für das Funktionieren der politischen und sozialen Ordnung Roms von entscheidender Wichtigkeit, wichtiger als die äußere Ordnung der Staatsverfassung«. Diese Annahme eines Vorrangs einer rein moralischen Dimension vor der institutionell-rechtlichen (und mithin: politischen) bricht freilich den Zusammenhang zwischen Kultur- und Institutionengeschichte dergestalt auf, dass die kulturgeschichtliche Dimension auf eine an dieser Stelle rein moralisch verstandenen Dimension reduziert wird. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Kultur- und Institutionengenese (a) – wie die sozialgeschichtliche Begriffsgeschichte erkannte – nicht ohne eine sozioökonomische Dimension und (b) – wie die kulturgeschichtlich ausgerichtete Begriffsgeschichte postuliert – nicht losgelöst voneinander zu verstehen und zu erklären sind.

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und dennoch innerhalb der Forschung als irritierend wahrgenommenen Gegensatzkonstruktionen des letzten vorchristlichen Jahrhunderts demonstriert: Die Rede ist vom moralanthropologisch fundierten personalen Gegensatz von ›Guten‹ und ›Bösen‹. Dieser begegnet in den Quellen in zwei Fassungen, die im Folgenden auch im Zentrum der Betrachtungen stehen sollen und deren eine vor allem bei Cicero und deren andere vor allem bei Sallust bezeugt ist: Das Oppositionsmodell von boni und improbi wird auf diese Weise später zur Gegenüberstellung von boni und mali, wobei der malus-Begriff im Unterschied zum improbus-Begriff stärker in der Semantik der Moral als in der der Politik und des Politischen verankert ist und der improbus-Begriff die »Aktionsseite« negativen Handelns besonders akzentuiert.112 Diese Differenz der Positiv-/Negativ-Scheidung entlang der möglichen Bedeutungsdimensionen politisch beziehungsweise moralisch lässt sich – im Anschluss an Joseph Hellegouarc’h – wie folgt veranschaulichen:113 Bedeutungsdimension \ Wertung

positive Wertung

negative Wertung

politische Bedeutungsdimension

bonus

improbus

moralische Bedeutungsdimension

probus

malus

Die Übersetzung des bonus-Begriffs ist in der vorgeschlagenen Form geläufig;114 die des improbus-Begriffs mit ›Bösen‹ eher unüblich  – zumeist werden wei-

112 Thome 1993, 72. Vgl. zum Oppositionsmodell mali gegen boni Hellegouarc’h 1972, 526 (»Malus s’opposant à bonus dans tous les sens de ce mot, il était naturel que nous le recontrions avec une acception politique. Dans ce domaine, il est le contraire de bonus.«); 528; vgl. auch Drexler 1961, 84 (»boni ist also […] erstens ein moralischer Begriff allgemeiner Art, es bedeutet zweitens gutgesinnt, staatserhaltend, da aber Staatstreue nur von den Gutsituierten zu erwarten ist, die egentes, vor allem die Verschuldeten fast mit Notwendigkeit novarum rerum cupidi sind, ist mali dasselbe wie seditiosi. Der Superlativ, meist in der Form optimus quisque, ist fast gleichbedeutend mit nobilis«.). Zum malus-Wortfeld vgl. Opelt 1965, 80; 102 und passim; Hellegouarc’h 1972, 526–528; Thome 1993, 23; 61–63; Cascione 2013; zur Etymologie von malus vgl. zudem Kaczor – Witczak 1992, 61. Zur Differenz der Oppositionsmodelle mit politischem beziehungsweise moralischem Schwerpunkt vgl. Hellegouarc’h 1972, 528: »Il faut d’ailleurs remarquer que dans le domaine politique, le contraire de bonus n’est pas le souvent malus, comme dans le vocabulaire moral, mais improbus; aucontraire, probus, s’il est un qualificatif du bonus, est, comme malus un terme plutôt moral. On peut donc poser l’équation bonus / improbus = probus / malus«. Dazu siehe unten, Abschnitt III .2. 113 Vgl. oben, Anm. 112. 114 Manfred Welti sah im vir bonus das »römische Männerideal schlechthin, ähnlich dem ›gentleman‹ vom englischen 18. bis ins 20. Jahrhundert« (Welti 1995, 52). Vgl. zum entsprechenden Bedeutungs- und Übersetzungsspektrum aus französischer Perspektive Hellegouarc’h 1972, 484–487.

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chere Formulierungen wie die Rede von den ›Schlechten‹ bevorzugt.115 Über die Gründe lässt sich nur spekulieren: Wahrscheinlich hängt diese Übersetzungstendenz damit zusammen, dass die Rede von den Bösen entweder als zu extrem wahrgenommen oder aber die Idee eines personalen und zugleich ins Metaphysische übergehenden Bösen erst für ein christliches Phänomen gehalten wird, so dass befürchtet wird, eine entsprechende Übersetzung könnte anachronistisch wirken – und in der Tat ist nicht zu leugnen, dass die Rede vom Bösen für moderne Leser immer auch die Konnotationen des christlichen Kulturraums mittransportiert. Doch zwei Aspekte sprechen für das übersetzerische Extrem: (a) Die Personen- und Handlungsbezogenheit: Der improbus-Begriff ist ein extremer, personenbezogener Begriff, der, wie bereits Gabriele Thomes Ausführungen zu diesem Begriff in ihrer Untersuchung der Vorstellungen vom Bösen in der lateinischen Literatur (1993) nahelegen und wie im Nachfolgenden demonstriert werden wird, mehr meint als bloße Schlechtigkeit:116 Als Begriff »enthält improbus ein grundsätzliches Verdammungsurteil über den Charakter der damit belegten Person bzw. häufig auch Personengruppe«, wobei dieser Charakterzug durch den improbus-Begriff auch als handlungsleitend eingeordnet wird.117 Thome hält den Begriff für »etwas Stereotypes«, das seine besondere »Durchschlagkraft […] durch Superlativ, Paarsetzung und Reihung erreicht«.118 In vergleichbarer Weise hat Ilona Opelt den Begriff unter die »Allerweltsadjektive« der ›Politischen Polemik‹ gezählt; improbus würde dabei das »moralisch verwerfliche, ja verbrecherische Wesen des Politikers kennzeichnen«, wobei zumeist »de[r] Staatsverbrecher oder de[r] 115 Eine Ausnahme ist beispielsweise Bringmann 2010, 94. 116 Zum improbus-Begriff vgl. Thome 1993, 71–73; vgl. zudem Drexler 1961, 83; Opelt 1965, 159 f.; Hellegouarc’h 1972, 528–530; Bleicken 1975, 222 mit Anm. 94; 281 f.; Achard 1981, 197–200. Bleicken 1981, 475 geht davon aus, dass der Begriff des improbus einen Bezeichneten als »Unperson« charakterisieren kann. Vgl. Thome 1993, 39–73 zum Wortfeld des Bösen, das nach Thomes Auffassung in das der Vertierung (belua / bestia) und das der ›Schlechtigkeit‹ (›malus-Gruppe‹; pravus / pravitas; nequam, nequitia / nequities; improbus / improbitas) unterteilt werden kann; vgl. auch Opelt 1965, 159–164. Bleicken 1975, 222, Anm. 94 (mit Belegen) nimmt an, dass seit den Zwölftafelgesetzen im Raum der politischen Institutionen verschiedentlich die Feststellung der improbitas die »Zeugnisunfähigkeit« zur Folge gehabt habe. Diese Bindung an den Raum der politischen Institutionen hat Bleicken ebd. 282, Anm. 77 noch radikalisiert: »Derjenige, in aller Regel stradtrömische Bevölkerungsteil, der unter den Führern der Opposition die Comitien beherrscht, wird sowohl durch den Begriff mali und improbi […] als auch durch Begriffe, die diesen Bevölkerungsteil von der römischen Bürgerschaft ausdrücklich ausschließen (latrones, servi, conducti facinerosi […]), als für die Stimmabgabe unfähig deklariert«. Beachte aber die im Haupttext stehende allgemeinere, wenn auch konkret aus einer Cicero-Deutung hervorgegangene Bestimmung (ebd. 281 f.; siehe das Zitat unten, Abschnitt III .1.). 117 Thome 1993, 71; vgl. ebd. 71 f. 118 Ebd. 71.

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Staatsfeind« gemeint sei.119 Andrew R. Dyck wiederum sieht mit ihm gar »the scoundrel, the man without rectitude«, bezeichnet.120 (b) Die Fokussierung auf das nicht-metaphysische Böse: Thome hat unterstrichen, dass grundsätzlich »[s]o gut wie alle auch mit dem zweiten, dem personell-metaphysischen Aspekt des Bösen [der erste ist Thome zufolge der einer ›ethisch-moralischen Größe‹; M. N.] verbundenen Vorstellungen und Phänomene […] bereits im vorchristlichen Rom nachweisbar [sind; M. N.]. Sie sind in der Vorstellung von Gestalt, Wirken und Wirkung des Bösen als Prinzip zum Teil sogar ausgesprochen römisch, entwickelt bzw. faßbar etwa ab dem zweiten Drittel des letzten vorchristlichen Jahrhunderts. Sie haben dann ihrerseits die christliche Vorstellung zumindest begrifflich entscheidend beeinflußt, in einzelnen Zügen sogar erst geprägt«.121 Folglich ist die Übersetzung von improbus adjektivisch als ›böse‹ beziehungsweise substantivisch als ›Böser‹ durchaus gerechtfertigt  – gerade weil dieser Begriff zur Ur- und Vorgeschichte moderner Vorstellungen des Bösen gehört, selbst wenn er nicht all jene Komponenten aufweist, die modernen Vorstellungen vom Bösen zu eigen sein können.122 Beide Begriffe – bonus wie improbus – gehören zu den ältesten der republikanischen Semantik.123 Rekonstruktion ihrer Einzelbedeutung(en) wie ihrer Bedeutung als Gegensatzpaar sind gelegentlich schon versucht worden; im Zentrum stand dabei vor allem die Suche nach einer soziologischen Dimension dieser beiden Begriffe.124 Während die Identifizierung einer mehr als nur fallibel konstituierten soziologischen Bezugsgruppe im Fall der improbus- oder malus-Kategorie 119 120 121 122

Opelt 1965, 159. Dyck 2008, 77. Thome 1993, 16. Einen Einblick in die Vielfalt moderner Diskurse über das Böse gibt Neiman 2002; dazu vgl. Schäfer 2014, 20–24. Neiman unterstreicht in Neiman 2002, 76 (und passim), dass in der Moderne seit dem verheerenden Erdbeben von Lissabon 1755 vor allem die Unterscheidung zwischen »natürlichem und moralischem Bösen« grundlegend und prägend geworden sei. 123 Zum improbus-Begriff vgl. oben, Anm. 112; vgl. hingegen vor allem zum (vir) bonus-Begriff und seiner Begriffsgeschichte (jeweils mit weiteren Belegen): Sinko 1903; Drexler 1961, 82–84; Lacey 1970, 10 und passim; Hellegourac’h 1972, 484–493; Koster 1974; Bleicken 1975, 281–285; 430 f. und passim; Achard 1981, 60 f.; 362–373; Heidermanns 1993, 165–169; Thome 1993, 71; Bispham 2006, 43; Conte 2010, 445–453; Fiori 2011, 108–118 sowie die Beiträge in Lovato 2011; zur Dichotomie vgl. Drexler 1961, 82 f.; Weische 1966, 58. 124 Insbesondere Jean Béranger vertrat grundsätzlich die Auffassung, dass Ciceros Semantik einerseits auf bestimmte »divisions sociales« rekurriert habe und dass diese Aspekte sozialer Differenz und ›Schichtung‹ andererseits von Cicero semantisch  – und zwar unter anderem vermittels der Gruppenkategorie der boni – »souvent par des antithèses, explicites ou implicites« zum Ausdruck gebracht worden seien (Béranger 1970, 93).

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zumeist von vornherein ausgeschlossen wurde, wie bereits die Verortungen von Joseph Hellegouarc’h und Thome verdeutlichen,125 wurde der Begriff der boni zwar immer als eine moralanthropologische Kategorie aufgefasst, dabei jedoch auch der Versuch unternommen, diese gleichzeitig als moralisch aufgeladene Bezeichnung bestimmter, sozial umrissener beziehungsweise identifizierbarer Gruppen aufzufassen.126 Die ausführlichsten und systematischsten unter den entsprechenden Überlegungen hat Joseph Hellegouarc’h in seiner ebenso monumentalen wie fundamentalen Studie Le vocabulaire Latin des relations et des partis politiques sous la République (1963/21972) vorgelegt. Dort unterstellte er einen Doppelcharakter des bonus-Begriffs: Dieser repräsentiere eine »interpénétration d’une valeur sociale et d’une valeur morale explique«,127 wobei die boni als Gruppe in der Mehrzahl der Belegstellen »sont conçus comme un groupe politique et non plus social«.128 In solchen Zusammenhängen erschien ihm im Verlauf der Begriffsgeschichte »la notion de bonus vers un concept exclusivement partisan« zu tendieren.129 Gegen Hermann Strasburgers These, das Oppositionsmodell »von den ›guten‹ und ›schlechten‹ Bürgern« sei lediglich ein »Schlagwort«130 und für etwaige dahinter stehende Realitäten – also eine wie auch immer geartete realexistierende Gruppe der boni und eine der improbi (oder mali) als ihrem Gegenpart  – sei dementsprechend von einer »origine purement rhétorique de cette opposition« auszugehen,131 setzte Hellegouarc’h den Versuch, eine soziologische Entsprechung auszumachen. Zwar musste er konzedieren, dass das Oppositionsmodell sich inhaltlich als äußerst situationsabhängig (»correspond à des réalités changeantes et souvent opposées«) und zudem autorenfixiert (»très différents suivant les auteurs«) erwies,132 doch vermeinte er  – insbesondere bei Sallust und Cicero133  – eine entscheidende Gemeinsamkeit identifiziert zu haben: Es 125 Vgl. Hellegouarc’h 1972, 528 (»[M]alus est resté un terme purement négatif; les mali n’ont jamais constitué un groupe politique susceptible d’une certain définition sociale.«); Thome 1993, 61 f. 126 Vgl. beispielsweise Béranger 1970, 93; Hellegouarc’h 1972, 484–493; Achard 1981, 61; Welti 1995, 51 (spekulativ!); Morley 2006, 305 (»In most cases social status involves more than one form of differentiation, which are mutually reinforcing: the rulers of Rome are ›good men,‹ boni, both morally and materially superior, since their wealth gives them the leisure to cultivate a higher sensibility«.). Zur komplexen, situationsabhängigen, jedoch immer sozial differenzierten Terminologie Ciceros vgl. mit Blick auf die plebs urbana Kühnert 1989. 127 Hellegouarc’h 1972, 487. 128 Ebd. 488. 129 Ebd.; vgl. ebd. 491. 130 Strasburger 1931, 13; vgl. ebd. 67, 71 und passim. 131 Hellegouarc’h 1972, 489; vgl. Strasburger 1931, 36 und passim. 132 Hellegouarc’h 1972, 489. 133 Ebd. 491.

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handle sich immer um reiche Personen, die als bonus beziehungsweise als boni bezeichnet würden;134 folglich verweise dies auf eine »classe moyenne«, »c’està-dire intermédiaire entre les plus grandes familles sénatoriales groupées dans la nobilitas et les pauci, et la plèbe misérable, une classe moyenne qui comprend donc à la fois des membres de l’ordre sénatorial, les equites et les principaux personnages de la plèbe, ceux, tout au moins qui constitutent les tribuni aerarii; leur dénominateur commun est la richesse«.135 Politisch sei diese Gruppe ›konservativ‹ eingestellt, senatstreu und auf Besitzstandwahrung hin ausgerichtet gewesen;136 bereits Friedrich Münzer hatte dementsprechend mit Blick auf diese Gruppe von einer »Ordnungspartei« gesprochen.137 In der Tat ist Hellegouarc’s Darstellung der mit dem bonus-Begriff verbundenen politischen Ausrichtung überzeugend; doch stellt sich die Frage, ob die Annahme eines Primats der soziologischen Dimension des Begriffes zutreffend ist. Immerhin waren reiche Leute ohnehin die primäre Bezugsgruppe in der politischen Lebenswelt von Autoren und Rednern wie Cicero und Sallust; in diesem Kontext erscheint die Kopplung mit Begriffen wie locuples, die Reichtum anzeigen, als unnötige Verdopplung, wenn der bonus-Begriff selbst schon sozio-ökonomische Konnotationen oder Markierungen transportieren sollte.138 134 Vgl. ebd. 491–493. 135 Ebd. 493. 136 Ebd. 492; so auch Strasburger 1931, 67 f.; 70. 137 Münzer 1920, 7.  138 Zu möglichen Belegen siehe die Sammlung bei Helleguarc’h 1972, 491, Anm. 11–13. Nach herrschender Meinung (vgl. beispielsweise ebd. 491, Anm. 12; Petersmann 1997, 321 [mit Anm. 2]) findet sich der klarste Hinweis auf die Reichtumsdimension des boni-Begriffs in Cic. Att. 8,1,3; dort werden die boni definiert als die »Vornehmen und Wohlhabenden« (lauti et locupletes; Übers. H. Kasten). Allerdings ist die Passage einerseits durch die Gleichrangigkeit der Eigenschaftszuschreibungen lautus und locuples gekennzeichnet. Demnach wären boni zugleich ›vornehm‹ und ›wohlhabend‹: Der erste Begriff würde dann auf »die ethische Komponente« hinweisen, die sich nach Auffassung von Hubert Petersmann »aus der Bedeutung ›schenkend‹ entwickelt hat«, während der zweite Begriff auf den »mit materiellen Gütern ›Beschenkten‹« verweist (Petersmann 1997, 321, Anm. 2). Ein Primat einer dieser Eigenschaften der anderen gegenüber lässt sich in Ciceros Brief nicht erkennen, es sei denn, man würde einen schwachen Vorrang des zuerst angeführten Begriffes unterstellen. Zudem ist es wenig überzeugend, die ganze Passage als ›Definition‹ aufzufassen, wie dies Petersmann (ebd. 321) vorschlägt; die im anschließenden Satz in Cic. Att. 8,1,3 erfolgenden Beleidigungen von Personen als ›dumm‹ (stultus) beziehungsweise als ›unbeständig‹ (inconstans), obwohl sie (wie auch Cicero selbst) in die boni-Gruppe eingeordnet werden, lässt eher eine ironische Akzentsetzung des gesamten Briefabschnitts vermuten. Den zeitgeschichtlichen Hintergrund dürfte Ciceros Enttäuschung über die boni in dieser Zeit gebildet haben; vgl. Lacey 1970, 11 f.; 14 sowie unten, Abschnitt  III .2. Gleichwohl gilt: Auch Ironie besitzt nicht-ironische Fundamente, die offenzulegen oder zumindest bewusstzumachen gerade ein Ziel ironischen Schreibens (und Sprechens) ist. Eine weitere Ausnahme, welche die These vom notwendigen Reichtum der boni aus der Perspektive eines anderen spätrepublikanischen

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Außerdem wäre der Versuch der Schaffung eines soziologisch fundierten Integrationsbegriffs wohl als gescheitert einzuschätzen, wie Jochen Bleicken aus dieser Perspektive heraus postuliert hat: »Die boni viri Ciceros bedeuten die Kapitulation davor, die in der res publica zusammengeschlossene Gemeinschaft objektiv zu bezeichnen«.139 Um Bedeutung und Sinn dieser Semantik erkunden zu können, muss ein Perspektivwechsel von einer rein soziologischen hin zu einer kulturwissenschaftlich ausgerichteten Perspektive vollzogen werden: Dann ist es nicht mehr notwendig anzunehmen, dass es zwischen der Bedeutung eines Begriffs und der außersprachlichen Wirklichkeit unmittelbare Übereinstimmungen gibt. Begriffe werden vielmehr selbst als Faktoren der Wirklichkeitskonstituierung angesehen: So werden boni wie improbi (oder mali) erst mit dem Aussprechen der Begriffe selbst geschaffen. Insofern ließe sich Strasburgers These von der rhetorischen Konstituierung dieser Teilgruppen aktualisieren,140 indem man sie um eine stärker performative Komponente erweitert.141 Im Folgenden soll der fixierte Gebrauch der Rede vom bonus und von den boni in Verbindung mit einem bestimmten negativen Gegenbegriff exemplarisch untersucht werden. Zwei Fassungen sollen im Folgenden vorgestellt und erörtert werden: Zunächst boni und improbi in zwei ausgewählten Entwicklungsphasen Ciceros (1./2.) und schließlich auch die abweichende Rede Sallusts von den boni und den mali in seiner Schrift über die Catilinarische Verschwörung (3.). Beide Autoren verwendeten diese Begriffe nicht nur in divergierenden Konstellationen und aus verschiedenen Perspektiven heraus, sondern sie platzierten sie auch in Texten unterschiedlicher literarischer Genres. Insofern besitzt das zur Verfügung stehende Quellenmaterial nicht nur eine qualitative Stärke, sondern es deckt auch eine gewisse quantitative Bandbreite ab. Dadurch wird sich nicht nur die wesentliche inhaltliche Komponente dieser Begriffe beziehungsweise dieses Begriffspaars in der politischen Sphäre offenlegen lassen, sondern es wird auch erörterbar, welche Funktionen diese Rede dort jeweils besaß. Denn Sprache markiert keinen Bereich jenseits des Handelns; sie ist vielmehr Teil mensch­ Autors zu untermauern scheint, findet sich in Sall. Catil. 37,3, obwohl dort eigentlich nur ausgesagt wird, dass »die Besitzlosen« (quibus opes nullae sunt) grundsätzlich neidisch auf die boni seien und deshalb die mali befördern würden: Ausgesagt ist damit jedoch lediglich, dass es sich bei den Besitzlosen um eine Gruppe handelt, die (zunächst) jenseits des moralanthropologischen Gegensatzes existiert – und doch dazu neigt, die mali zu unterstützen. 139 Bleicken 1975, 282, Anm. 76. 140 Vgl. dazu auch die Deutung von Ciceros Sestiana in ebd., 281 f., der ebenda die rhetorische Konstituierung der Bürgerschaft, deren Situationsgebundenheit und Neuheit, sowie die aus der extremen Unterscheidung von boni auf der einen und mali / improbi auf der anderen Seite resultierenden Definitionsprobleme betont. 141 Vgl. die Literaturhinweise oben, Anm. 4.

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lichen Tuns und Unterlassens. Darüberhinaus kann sie Handlungen Anderer ver­anlassen oder verhindern; auch auf diese Weise ist sie Teil der Handlungssphäre. Erst indem die außersprachlichen Konsequenzen sprachlicher Äußerungen in die Betrachtung mit einbezogen werden, kann erörtert werden, – inwieweit die besagten Begriffspaare als asymmetrische Gegenbegriffe fungierten, – inwiefern sie eine Form des semantischen Extremismus repräsentieren und schließlich – welchen Beitrag dieser Gesamtzusammenhang wiederum zur Motivationskrise der römischen Republik leistete.

1.

boni und improbi 63 v. Chr.: Cicero als Diskursivitätsbegründer

Cicero mag den Gegensatz von boni und improbi vielleicht nicht erfunden haben,142 doch machte er ihn für seine politische Weltbeschreibung wie auch für seine politischen Zielsetzungen in bis dahin wahrscheinlich beispielloser Weise systematisch nutzbar. Weil deshalb Ciceros schriftliche Hinterlassenschaften – nicht zuletzt auch aufgrund der Überlieferungslage – für den praktischen Gebrauch dieses Antagonismus wie auch für seine philosophische Unterfütterung und die damit einhergehende spätere ›Transformation‹ der improbi in die mali von unerlässlicher Bedeutung sind, muss Cicero in diesem Zusammenhang im foucaultschen Sinne als ›Diskursivitätsbegründer‹ aufgefasst werden:143 An ­Cicero arbeiteten sich die Nachgeborenen ab. Das hängt auch mit der Vielzahl und der Vielförmigkeit der Verwendung dieser Begriffe durch Cicero zusammen. Die hohe Bedeutung dieses dichotomen Konzepts für sein politisches Denken und Handeln macht eine Auswahl unumgänglich. Im Folgenden stehen deshalb zwei Zeitabschnitte im Zentrum, die für die Ausgestaltung von Ciceros boni-improbi-Dichotomie von besonderer Bedeutung waren: Zunächst das Jahr von Ciceros Konsulat (63 v. Chr.), in dem dieses Paar asymmetrischer Gegenbegriffe vollendet ausgebildet und praktisch zur Anwendung gebracht wurde, sowie die Phase von Ciceros Neupositionierung in den Vierziger Jahren, die eine 142 Strasburger 1931, 44 beispielsweise geht  – allerdings vor allem auf Grundlage seiner perspektivisch nicht unproblematischen Auswertung des (in nach-ciceronischer Zeit geschaffenen, aber in den erhaltenen Textabschnitten handlungszeitlich weitgehend vor-­ ciceronisch angesiedelten) livianischen Geschichtswerks – davon aus, dass ein Gegensatz von boni und mali ­cives »schon mindestens seit der Gracchenzeit […] von der Demagogie ausgenutzt wurde«. 143 Zum Konzept der ›Diskursivitätsbegründer‹ und dem Unterschied zwischen (wissenschaftsdisziplinärer) Diskursivitätsbegründung und (wissenschaftsparadigmatischen) ›Transformationen‹ vgl. Foucault 1969, 251–257.

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Neubewertung seines Gegensatzmodells mit sich brachte und im Folgeabschnitt erörtert wird. Das Jahr 63 wurde für Cicero zu einer entscheidenden Erfahrungsschwelle: Es war der niemals mehr – auch nicht während der zweiten großen politischen Wirkungsphase seines Lebens in den Jahren 44/43  – eingeholte Höhepunkt seines politischen Lebens.144 Das hat sich auch in Ciceros politischer Semantik niedergeschlagen, die damals die wesentlichen Grundzüge ihres Begriffs- und Bedeutungshaushalts ausbildete. Im Zentrum der Wahrnehmung dieses Biographieabschnitts Ciceros durch die altertumswissenschaftliche Forschung steht dabei häufig die auf Hermann Strasburger zurückgehende Annahme, Cicero habe damals ein Konzept der ›Eintracht der Stände‹ (concordia ordinum) als »realpolitisches« Programm entwickelt,145 das in der Folgezeit dann zu der idealistischeren Integrationsideologie der ›Übereinstimmung aller Guten‹ (consensus omnium bonorum) ausgebaut worden sei.146 Die Innovation von Strasburgers Modell bestand darin, gegenüber Theodor Mommsens Geringschätzung Ciceros als bedeutungslosem, weil im Wesentlichen auf das Mittel der Rede beschränkten Politiker gezeigt zu haben,147 dass gerade diese auf die Rede gestützte Politik die politischen Gegebenheiten und Traditionen berücksichtigte, Handlungsräume eröffnete und insofern (ebenfalls) eine Form von ›Realpolitik‹ war.148 Bereits Jean Béranger hat allerdings angemerkt, dass insbesondere die erforderliche Beleg144 Zur Bedeutung des Jahres 63 v. Chr., das immer im Gesamtzusammenhang des Zeitraums vom Jahr der Konsulwahl (64) bis etwa 60/59, als Cicero begann, politisch unter Druck zu geraten, gesehen werden muss, vgl. Smith 1966, 94–156; Atkins 2000, 485 f.; Jehne 2000a, 250 f. und passim; May 2002, 8–10; Bringmann 2010, 79–118; Hall 2013, 215–221; Hammar 2013, 169–226. Zur exponierten Stellung Ciceros nach Caesars Tod vgl. beispielsweise Smith 1966, 236–258; Gotter 1996b, 107–194; Pinkernell-Kreidt 1997; Atkins 2000, 502–514; Jehne 2000a, 264–267; May 2002, 15–17; Matijević 2006a; ders. 2006b; Bringmann 2010, 245–283; Hall 2013, 223–229; Hammar 2013, 286–322. 145 Vgl. Strasburger 1931, 1 (und passim). 146 Vgl. ebd. 47–77. 147 Dies betrifft vor allem Mommsens Cicerobild in seiner Römischen Geschichte (vgl. etwa Mommsen 1854–1856, Bd. 3, 392; 408; 579 f.; 619–624; dazu vgl. Christ 1972, 110; ders. 1983, 56; Fuhrmann 1988, 20–22; 27; Christ 1994a, 149 f.; Rebenich 2002, 87 f.); vgl. die kritische Bezugnahme in Strasburger 1931, 7, der von den »Stimmen gegen den Realpolitiker Cicero« aus dem »Drumann-Mommsenschen Lager« spricht. Zum Cicerobild Wilhelm Drumanns und dessen Vordenkereffekt auf Mommsen vgl. die Skizze von Canfora 1988 sowie Schmidt 1988. 148 Vgl. Strasburger 1931, 3; 6: »Die vorliegende Arbeit gilt dem realpolitischen Denken und Handeln Ciceros. Ihr Ziel ist es, in den engeren Grenzen eines Spezialthemas, Ciceros Politik möglichst genau unter den Bedingungen seiner Zeit zu verstehen. […] Das Stichwort concordia ordinum bot einen geeigneten Angriffspunkt, um aus der Fülle des Materials diejenige Teilfrage herauszugreifen, die Ciceros Realpolitik in ihrer singulären Eigenart enthüllt: die Auseinandersetzung mit den Interessen der Stände, die ja überhaupt für das innere Leben der römischen Republik die historische Politik darstellt«.

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masse für die von Strasburger angenommene ›Verschlagwortung‹ der concordia ordinum fehlt.149 Zudem sind das genaue Verhältnis sowie die zeitliche Staffelung beider Programmelemente umstritten.150 Am problematischsten ist jedoch, dass Strasburger vereinseitigend den Integrationsaspekt der ciceronischen Methode in den Vordergrund rückte; das war eine Konsequenz seines berechtigten Versuches, das einseitige mommsensche Negativbild zu korrigieren.151 Nimmt man stattdessen Ciceros Gebrauch des asymmetrischen Gegen­ begriffspaars von boni und improbi in den Blick, so zeigt sich, dass er immer zu­ gleich eine Integrations- und eine Exklusionspolitik verfolgt hat. Erst vor diesem Hintergrund lässt sich dann auch stärker das destruktive Element in Ciceros Politik und mithin auch sein spezifischer Beitrag zum Untergang der römischen Republik ausmachen.152 Denn Cicero trug, wie Harriet I.  Flower betont hat,

149 Vgl. Béranger 1970, 78; vgl. auch die schmale Auflistung in Strasburger 1931, 79 f. 150 Vgl. exemplarisch dazu die Alternativentwürfe von Lepore 1954, 23–34, 159–175 (sowie weitgehend Lepore folgend: Nicolet 1974, 648 f.); Ferrary 1982, 767–771; Temelini 2002; Lobur 2008, 50–54; Akar 2013, 240–329; und jüngst Zarecki 2014, 49–62; vgl. die Ergänzungen von Michel 1960, 543 f. sowie schließlich auch die grundsätzliche Kritik bei Bleicken 1995a, 60–71. 151 Darüber hinaus dürfte ebenfalls von Bedeutung sein, dass Strasburger 1931, 71 die boni trotz ihres tendenziell »unpolitisch[en]« Charakters positiv als die »bürgerlich Gutgesinnten« beschreibt, während er die improbi mit eher negativer Konnotation als die »Machtpolitiker« bezeichnet. 152 Exemplarisch für Ciceros Beitrag zur systemischen Destabilisierung der römischen Republik stehen seine Rechtfertigungen ihm genehmer Gewalt; vgl. dazu bereits – die zu Unrecht kaum beachtete Skizze von – Friedrich Cauer 1903, 22 f. (»Wo es galt, einen von ihm gebilligten Zweck durch ein rechtswidriges Mittel zu erreichen, ist seine [= Ciceros: M. N.] Scheu vor dem Buchstaben des Rechtes weniger groß. […] Ja selbst Gewalttat verabscheute er nicht, falls sie einer ihm gut scheinenden Sache diente. […] Bürger und Freunde unterscheidet er nicht nach dem Wohnort, sondern nach ihrer Gesinnung. […] [A]uf jeden Fall verstand er unter dem Rechte noch etwas anderes als eine äußere, in klaren Geboten und Verboten formulierte Ordnung. Diese andere Bedeutung ist ihm die höhere; sie schwebt ihm vor, wenn er in der Rechtspflege die Hauptaufgabe des Staates sieht.«); 115–117 (»Den gewaltsamen Tod schlechter Bürger billigte Cicero wiederholt in leidenschaftlicher Rede […] wie in ruhiger Erörterung. Er zählt […] eine Reihe von Männern auf, die, wie er meint, mit Recht getötet sind, darunter die Gracchen. […] Der Tod der schlechten Bürger schien Cicero das einzige Mittel, die gesetzliche Ordnung aufzurichten und neue Umsturzversuche unmöglich zu machen […]. [F]olgerichtig [ging sein Reden und Handeln; M. N.] freilich nur von einer irrigen Voraussetzung aus, in der ­Ciceros Verhängnis lag: Wohl und Wehe des Staates schien ihm vom Dasein und Tun einzelner Männer abhängig, nicht von einer Gesundung der staatlichen und gesellschaftlichen Zustände. Überall hatte er nur die Personen, nirgends die Verhältnisse im Auge«.) sowie Bleicken 1982, 487–490 (mit Bleickens Resümee in ebd., 490: »Da in der salus rei pu­ blicae und in dem bonum der boni viri natürlich die politische Konzeption der Optimaten steckt, rechtfertigt sich die Gewalt im Grunde aus dem Gegenstand der Politik, und ihm wird die Rechtsmacht hier untergeordnet«; letzte Hervorhebung durch Kursivdruck im

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»to a sense of insecurity in Rome« bei, weil gerade sein Konsulat »a crucial time of destabilization and fierce partisanship« gewesen ist.153 Dies wiederum hängt auch mit Ciceros politischer Semantik und Pragmatik zusammen. In deren Entwicklung markiert das Konsulat eine entscheidende Schwelle: So findet sich das Gegensatzpaar boni und improbi zwar vereinzelt schon vor 63, doch besitzt es dort weder eine vor- noch eine letztentscheidende argumentationslogische Bedeutung, sondern es dient vielmehr allgemein zur Charakterisierung der moralischen Qualität eines Charakters, eines Zustands oder einer Handlungsweise;154 es ist mithin ein wesentlicher Teil seiner »moralizing language«.155 Ähnliches gilt für die Rede von boni und mali, die als personaler Gegensatz in öffentlichen Äußerungen Ciceros niemals politisch signifikant wurde und mithin vor allem (wenn auch nicht ausschließlich) auf seine philosophischen Über­legungen beschränkt blieb.156 Erst im Konsulatsjahr wird demnach die Unterscheidung von boni und improbi zu einem zentralen Merkmal seiner Reden: Das gilt bereits für die erste Rede De lege agraria, in der dieser Gegensatz freilich noch ein nachrangiges Element der Argumentation war;157 und das gilt vor allem für wesentliche Original gesperrt.); Nippel 1988, bes. 142; Wood 1988, 185–193; Samotta 2009, 402; Wise­ man 2010, 42; mit Blick auf die Philippischen Reden vgl. Walter 2017a. Diese Bemühungen Ciceros stehen wahrscheinlich im Einklang mit der von Wilfried Nippel 1988, 144 hervorgehobenen Auffassung von erheblichen »Teilen der Nobilität, […] an einer Unterscheidung zwischen legitimen und illegitimen Formen irregulärer und regulärer Gewaltanwendung fest[zuhalten] […]. Dies ist wiederum nur vor dem Hintergrund einer über viele Generationen gewachsenen politischen Kultur zu verstehen, für die der Ausschluß militärischer Befehlsgewalt in der Stadt konstitutiv für eine Freiheit war, die immer auch gleichbedeutend war mit einer Machtbalance innerhalb der Aristokratie«. 153 Flower 2011, 145. 154 Vgl. beispielsweise die frühen Gegenüberstellungen in Cic. Q.  Rosc. 18 f.; Cic. Verr. 2,3,195. Vgl. zum Aufkommen des Gegensatzes von boni und improbi bei Cicero auch Sinko 1903, 270–275; Achard 1981, 363. 155 Bispham 2006, 43. 156 Vgl. unten, Abschnitt III .2. Eine dieser (zumeist frühen) Ausnahmen bildet Cic. inv. 1,5, wo mali und boni einander als Akteure im Politischen gegenübergestellt werden; vgl. dazu Schwameis 2014, 110–112. Eine weitere, welche die moralische Dimension des ­malus-Begriffs unterstreicht, findet sich in einem Brief aus Athen, den Cicero auf dem Weg in seine Provinz verfasste und der auf den 6. Juli 51 v. Chr. datiert wird. Darin empfahl Cicero dem Adressaten, M. Caelius Rufus, sich mehr im Umfeld des Pompeius aufzuhalten; mit diesem teile man nämlich die grundsätzliche Einschätzung über die personalpolitische Binnenlage: »Nachgerade hält er [= Pompeius; M. N.] dieselben Leute für gute oder schlechte Staaatsbürger [et boni et mali cives] wie wir beide zumeist« (Cic. fam. 2,8,2 [Übers.: H. Kasten]: iam idem illi et boni et mali cives videntur, qui nobis videri solent). 157 Vgl. die Kontrastierung in Cic. leg. agr. 1,23 (Übers. M. Fuhrmann: »ihr habt bei den Gewissenlosen Hoffnungen erweckt, bei den Rechtschaffenen Furcht hervorgerufen« = spem improbis ostendistis, timorem bonis iniecistis); vgl. dazu Lacey 1970, 12. Vgl. des Weiteren Cic. leg. agr. 1,22; 1,26 f.

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Passagen der Catilinarischen Reden, für die dieser Unterschied nunmehr nicht nur argumentations-, sondern auch handlungsleitend geworden war.158 In seinem Zyklus der Reden gegen Catilina vollzog Cicero eine bewusst öffentliche Hinwendung zu einem Argumentieren in extremen, kategorial klar profilierten Gegensätzen. Seither wurde insbesondere die Gruppe der negativen Anderen von Cicero verstärkt als Feindbild beschwören: »Improbi als Kategorie sind die staatsfeindlichen Elemente im Gegensatz zu den boni, der Ordnungspartei. Die improbi sind eine Art politischer böser Buben für Cicero«.159 Die geistesgeschichtlichen wie biographischen Grundlagen dieses bipolaren Denkens, wie Cicero es fortan beständig in seinen Reden, Briefen und Schriften artikulierte, lassen sich in Ciceros rhetorischer Theorie und seiner rednerischen Praxis

158 Zu diesem zentralen Motiv der Catilinarischen Reden siehe etwa Cic. Catil. 1,1 (concursus bonorum omnium gegen Catilina); 1,5 (omnes boni gegenüber dem improbus Catilina); 1,25 f. (Catilinas Anhänger sind improbi [1,25]; unter ihnen befindet sich nicht ein vir bo­ nus [1,26]); 1,32 f. (Forderung nach der auch physischen Trennung von boni und improbi [1,32 f.]; allgemeine und übergroße Übereinstimmung der Guten [1,32] gegen das impium bellum ac nefarium der Gegenseite); 2,28 f. (Zielbestimmung: Strafe für die improbi; Rettung des Lebens der boni); 3,27 f. (grundsätzliche Konfliktkonstellation: boni gegen im­ probi); 4,22 f. (Einmütigkeit und Eintracht der boni überwinden die vis improborum). Zur Catilinarischen Verschwörung vgl. Drexler 1976 (mit einer Sammlung der wesent­lichen Quellen); Mitchell 1979, 219–242; Ungern-Sternberg 1997; Heider 2000; Bringmann 2010, 90–103; Tatum 2010, 195 f.; Flower 2011, 146 f.; Hall 2013, 215–220; bes. wichtig sind die kritische Perspektiven von Kenneth H. Waters 1970 und Robin Seager 1973 (dazu vgl. Sauer 2013, 76 f.) und die Bedeutungsrelativierung der sogenannten Verschwörung durch Christian Meier 1962 angesichts der sich ankündigenden Rückkehr des Pompeius aus dem Mithridatischen Krieg; vgl. ergänzend speziell zu Ciceros Catilinarischen Reden Ungern-Sternberg 1971; May 1988, 49–58; Cape 1991; ders. 2002, 140–153; Dyck 2008, 1–21; 60–242. James M. May 1988, 55 hat anhand eines Vergleichs hervorgehoben, dass Cicero bereits »in other contexts« versucht habe, »to paint the characters of a speech in the same sharply contrasting colors of black and white, to reduce a judical dispute to the simple juxtaposition of two antipathetic characters or ways of life, one honorable, upright, in keeping with the mos maiorum, the other its un-Roman antithesis«; für die von May untersuchte zweite Catilinarische Rede lasse sich nun vor diesem Hintergrund konstatieren, dass »[i]n this instance Cicero has aimed the entire speech at creating such a gulf between the Roman state and Catiline and his followers; grey hues, so many of which in reality colored the Catilinarian affair, scarely enter the picture«  – eine Einschätzung, die sich auf alle Catilinarischen Reden ausdehnen lässt. 159 Opelt 1965, 160. Lacey 1970, 12 konstatiert, dass insbesondere während Ciceros Konsulat – grundsätzlich aber auch in der Phase »79 to 49 B. C.« – »boni and improbi take on most obviously the meanings of ›my supporters‹ and ›my opponents‹«. Vgl. zudem bereits Münzer 1920, 7: »Ähnlich stand Cicero auch zu den politischen Fragen der Gegenwart. Wo er sich in Wort und Schrift an weitere Kreise wendet, kennt er keine anderen Parteien als die gute der Ordnung und die böse des Umsturzes. Unermüdlich ruft er alle staatstragenden Elemente zur Eintracht auf und preist er diese herrliche, erhabene Eintracht. Er will an sie glauben, weil er muß. Daß er es nicht kann, ist die Tragik seines Lebens«.

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ausmachen.160 Konkret ist das zugrunde gelegte extremale Gegensatzkonzept von ihm jedoch erstmals systematisch im Vorfeld der Auseinandersetzung mit Catilina – und zwar konkret im Zusammenhang mit der vom Kontext her etwas kuriosen Verteidigungsrede für C. ­Rabirius – ausgeformt worden.161 In dieser Rede verteidigte Cicero Rabirius gegen den Vorwurf, dieser habe im Jahr 100 v. Chr., das heißt nahezu vier Jahrzehnte zuvor, an der Tötung des L. Appuleius Saturninus und des C. Servilius Glaucia mitgewirkt.162 Der Rabirius-Prozess ordnet sich ein in zeitgenössische Debatten um die Legitimität der ›Notstandsrechte‹, vor allem des senatus consultum ultimum (SCU), die Ciceros Konsulatsjahr mitprägten.163 Darauf bezieht sich Cicero schon im 160 Vgl. Strasburger 1931, 44. Aus seiner rhetorischen Praxis heraus dürfte neben der Verwendung von Antithesen auch Ciceros Neigung zur Konstruktion pseudo-dilemmatischer Probleme oder zur Verengung der Optionen auf möglichst wenige Möglichkeiten eine gewichtige Rolle bei der Ausbildung asymmetrischer Gegensätze gespielt haben; zu diesen vgl. Powell 2013, 66 f. Wesentlich ist auch, dass Cicero im Rahmen seiner Invektiven Verweise auf den ›grundsätzlich bösen Charakter‹ einer Person nutzte, um diese nicht nur in Hinblick auf eine konkrete Handlung, sondern prinzipiell zu diskreditieren, wie jüngst Annabelle Thurn betont hat: »Ein improbus animus erlaubt für Cicero […] eine Art ›Generalverdacht‹. Dieser bereitet die unabdingbare Grundlage dafür vor, um einen Gegner einer bestimmten (wenn auch anders gelagerten) Verfehlung zu überführen. Ein einziges Laster kann in dieser Theorie als Beweismittel für die Disposition zu kriminellem Verhalten dienen bzw. geradezu als Chiffre für ein auch in allen anderen Bereichen lasterhaftes Leben stehen« (Thurn 2018, 71). Das bedeutete auch, dass die Frage nach der genauen und eigentlichen Schuld nachrangig war, wie Anthony Corbeill betont hat; demnach war es der zeitgenössischen rhetorischen Theorie zufolge »acceptable to condemn a ›bad‹ man by showing his danger to society – again, regardless of his particular guilt« (Corbeille 2002, 199). Solche Diffamierungsverfahren ließen sich zudem beliebig ausdehnen, so werden »mitunter ›Anhänger‹ pauschal mit denselben Vorwürfen bedacht wie die Gegner selbst. Zugleich werden auch ganze Gruppen gesellschaftlich verachteter Milieus thematisiert, sodass der mit ihnen in Verbindung gebrachte Gegner aufgrund seines unangemessenen Umgangs mit Personen solcher verachteter Milieus diffamiert wird. Alternativ werden auch einzelne Personen im Umfeld der Individuen herabgesetzt und über diese eine Verbindung zu dem Gegner hergestellt, der dadurch wiederum selbst diffamiert wird« (Thurn 2018, 236; vgl. zu diesem Aspekt bei Cicero ebd. 236–257). 161 Zu diesem Prozess und seinen Hintergründen siehe neben der Rabirius-Rede selbst auch die Belegsammlung in Pepermans 1975, 10–15; vgl. Ooteghem 1964; Ungern-Sternberg 1970, 81–85; Pepermans 1975, bes. 26–64; Nippel 1988, 104–107; zur Rede selbst vgl. Ooteghem 1964; Mender 1966, 260–263; Enos 1988, 54 f.; Cape 2002, 129–140. 162 Vgl. Cic. Rab. perd. 18 f. und passim; zum Geschehen des Jahres 100 v. Chr. vgl. UngernSternberg 1970, 71–74; Pepermans 1975, 19–25; Nippel 1988, 75–79; 84 f. 163 Vgl. Ungern-Sternberg 1970, 86–111; Mitchell 1971; Bleicken 1975, 478 f.; Mitchell, 1979, 205–219; Burckhardt 1988, 157; Nippel 1988, 94–128; Hammer 2014, 67 f. Zum SCU vgl. grundsätzlich Plaumann 1913; Mender 1966; Ungern-Sternberg 1970; Bleicken 1975, 473–483; Burckhardt 1988, 86–158; Nippel 1988, 83–87 und passim; Ungern-Sternberg 2003; Lundgreen 2009, 59 f.; Straumann 2016, 88–94; Walter 2017b, 92–94 (mit aktuellem Literaturüberblick in ebd. 232–234). Zur Funktionsweise des SCU sind zudem die

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Eröffnungsteil seiner Rede;164 außerdem aber macht er in diesem Zusammenhang deutlich, dass der Prozess de facto als boni contra improbos geführt werde, freilich in der pervertierten Form, dass hier die boni gegen die Bestrebungen der improbi verteidigt und damit auch einem die res publica gefährdenden Damm­ bruch vorgebaut werden müsste.165 Es folgt dann die entscheidende Passage:166 Cicero erklärt, wie das damalige SCU erlassen wurde und die clarissimi,167 omnes omnium ordinum homines168 und schließlich schlicht: omnes169 für die salus rei publicae zu den Waffen griffen.170 Auf der Gegenseite wiederum habe sich der von Cicero durch die Eigenschaftszuschreibungen improbitas und furor zum Negativbild stilisierte Saturninus auf dem Kapitol verschanzt.171 Vor diesem Hintergrund habe Rabirius nun vor der Wahl gestanden, sich entweder für die improbi oder für die boni oder für die als feige bezeichnete Neutralität durch Nicht-Teilnahme oder Enthaltung am Geschehen zu entscheiden: »Vielmehr, wir sehen doch, daß es drei Möglichkeiten gab: er [= Rabirius; M. N.] konnte auf seiten des Saturninus« – also des durch improbitas gekennzeichneten Verstoßenen – »oder auf seiten der Rechtschaffenen [boni] stehen oder sich versteckt halten. Sich versteckt zu halten kam dem schimpflichsten Tode gleich, auf seiten des Saturninus zu stehen verbrecherischem Wahnsinn; Mut und Anstand und Ehrgefühl zwangen ihn, den Konsuln zu folgen«.172 Mit der Betonung der moralischen Alternativlosigkeit der Gemeinschaft mit den boni wurde an dieser

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zuvorderst philosophisch, nicht historisch angeleiteten Überlegungen von Agamben 2003, 52–63 von Interesse; dazu und zum wissenschaftsgeschichtlichen Hintergrund vgl. Lundgreen 2009, 64 f. Vgl. Cic. Rab. perd. 3 f. Vgl. Cic. Rab. perd. 4 (Übers.: M. Fuhrmann): »Denn in diesem Prozeß geht es um nichts anderes, Quiriten, als daß es hernach in unserem Gemeinwesen keine allgemeinverbindlichen Entschlüsse, kein Einverständnis aller Rechtschaffenen gegen das verantwortungslose Wüten von Frevlern, keine Zuflucht und Schutzwehr des Heils in äußerster Notlage des Staates mehr geben soll« (= Agitur enim nihil aliud in hac causa, Quirites, nisi ut nullum sit posthac in re publica publicum consilium, nulla bonorum consensio contra improborum furorem at audaciam, nullum extremis rei publicae temporibus perfugium et praesidium salutis). Vgl. Cic. Rab. perd. 20–24. Cic. Rab. perd. 21. Cic. Rab. perd. 20. Cic. Rab. perd. 20. Vgl. Cic. Rab. perd. 20–24. Die Rede von der salus rei publicae zieht sich durch die ganze Passage. Zum SCU vgl. Cic. Rab. perd. 20. Generell ist auffällig, dass, wie Guy Achard 1981, 199 beobachtet hat, die Bezeichnungen als improbus (wie auch als popularis) tendenziell »termes plutôt réservés aux chefs« der jeweiligen ›Bösen‹ seien. Cic. Rab. perd. 22. Cic. Rab. perd. 24: Atqui videmus haec in rerum natura tria fuisse, ut aut cum Saturnino esset, aut cum bonis, aut lateret. Latere mortis erat instar turpissimae, cum Saturnino esse furoris et sceleris; virtus et honestas et pudor cum consulibus esse cogebat.

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Stelle eine entscheidende Weichenstellung vorgenommen. Die Verhaltensvorgabe konstruierte ja nicht nur einen positiven Gemeinschaftsbezug, sondern forderte zeitgleich auch dezidiert die Ablehnung der Gemeinschaft mit den Bösen. Darüber hinaus schloss sie auch den Gang in die Neutralität ausdrücklich aus; über einen Mittelweg – etwa im Sinne einer Vermittlung – als situativ unwahrscheinliche, aber theoretisch mögliche vierte Option wurde scheinbar nicht einmal nachgedacht. Sie war nicht Teil des Möglichkeitsraums des Denkbaren. Die Wahl der neutralen dritten Option hingegen war offensichtlich nicht nur denkbar, sondern auch sagbar, jedoch nicht machbar; deshalb wurde sie in der Folge von Cicero als entscheidende Option für politisches Handeln ausgeschlossen. Allerdings begann er solche Handlungsoptionen später erneut zu erörtern (und versuchte sogar einmal, sie zu praktizieren); es handelt sich dabei um zwei kurz vorzustellende Ausnahmen von der diskursiven Regel der Nicht-Thematisierung. Die erste Ausnahme findet sich in einem Brief Ciceros an seinen Intimus Atticus vom 3. April 49: Damals überlegte Cicero, ob und gegebenenfalls wem er sich im Bürgerkrieg anschließen sollte. In diesem Brief bezog sich Cicero auf das sogenannte solonische Stasisgesetz,173 dem er offensichtlich grundsätzlich als politischem Verhaltensprinzip eine hohe normative Geltungskraft zuschrieb, in seiner konkreten Lage aber nicht zu folgen wünschte, so dass er Gewissensbisse empfand: »Ich für meine Person werde die Vorschrift Deines und doch wohl auch meines Landmannes Solon außer acht lassen, der den Kopf darauf gesetzt hat, wenn man bei einem Bürgerzwist nicht Partei ergreift, Deine Zustimmung vorausgesetzt, und werde mich weder dem einen noch dem anderen anschließen«.174 Es gibt nur eine direkte Bezugnahme Ciceros auf diese Solon zugeschriebene Regelung und eine weitere, mutmaßliche Adaption in den Ver­ rinen;175 allerdings kann beides immerhin als Hinweis auf Ciceros Vertrautheit 173 Die exakte Form und Funktion sind ebenso wie der Entstehungszeitpunkt dieses ›Gesetzes‹ in jüngster Zeit durch Debattenbeiträge von Winfried Schmitz wieder umstritten; vgl. exemplarisch die Rekonstruktionen von Meier 1980a, 209 f., Anm. 181; Stahl 1987, 229 f.; Raaflaub 1988, 239; Bleicken 1995b, 365 f. und W. Schmitz 2004, 82, Anm. 253; ders. 2011 (bes. die Kontrastierung der in ebd. 42 und 48 f. vorgestellten Deutungen); ders. 2013. Zum Inhalt dieses ›Gesetzes‹ siehe die spärlichen Quellenhinweise, vor allem [Ps.-Aristot.] Ath. Pol. 8,5; Plut. Sol. 20,1. Im Folgenden geht es jedoch einzig um Ciceros Auffassung von der Bedeutung des Gesetzes. 174 Cic. Att. 10,1,2: ego vero Solonis popularis tui (ut puto, etiam mei) legem neglegam, qui capite sanxit, si qui in seditione non alterius utrius partis fuisset, et nisi si tu aliter censes, et hinc abero et illim. Zu dieser Passage vgl. W. Schmitz 2011, 33. 175 Die direkte Bezugnahme findet sich in Cic. Att. 10,1,2. Meier 1980a, 209, Anm. 181 sieht wahrscheinlich nicht unbegründet eine inhaltliche »Nachwirkung noch« in den Verrinen, obwohl dort kein expliziter Verweis auf das solonische Stasisgesetz stattfindet: »Damals herrschte Zwist unter den Bürgern [dissensio civium]. Ich will nichts darüber sagen, welche Einstellung du dazu hättest haben sollen; ich sage nur das eine: in einer

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mit dem solonischen Stasisgesetz angesehen werden. Seiner Deutung zufolge verlangte es offensichtlich eine gewissermaßen parteiliche Stellungnahme in einem innergemeinschaftlichen Konflikt (in seditione); mit anderen Worten, es war Ciceros Lesart zufolge gleichsam ein innergemeinschaftliches Neutralitäts­ verbot.176 Der Hinweis auf Ciceros Kenntnis und Behandlung des sogenannten solonischen Stasisgesetzes ist nicht allein aufgrund seiner in diesen Zusammenhängen artikulierten Selbstzweifel von Bedeutung. Vielmehr verdeutlicht dieser Beleg, dass Ciceros neutralitätsfeindliche Bestimmung der Rabirius-Rede keine kontextlose creatio ex nihilo, sondern vielmehr ein Erbe war, das er aus der ihm verfügbaren Tradition politischen Denkens extrahieren konnte. Die zweite Ausnahme wird aus Ciceros Briefen ersichtlich und klingt beispielsweise schon in dem erwähnten Schreiben an Atticus an: Es geht um durch Erfahrungen von Notlagen oder Ohnmacht motivierte Überlegungen, sich der politischen Betätigung zu enthalten. Das Beispiel des solonischen Stasisgesetzes war in diesem Zusammenhang lediglich ein Argument innerhalb dieses Diskurszusammenhangs. Cicero selbst spielte, wie vor allem seine zahlreichen Briefe an Atticus belegen, in der Frühphase des Bürgerkriegs und auch noch während der Alleinherrschaft des Siegers Caesar mit dem Gedanken, sich der politischen Betätigung entweder vollständig oder zumindest soweit als irgend möglich zu enthalten; konkret versuchte er, sich räumlich zu entziehen.177 Hatte er im Zuge des derartigen Zeit und in einem solchen Amt hättest du dich entscheiden müssen, welche Seite du wählen und unterstützen wolltest« (Cic. Verr. 2,1,34 [Übers. M. Fuhrmann]: Erat tum dissensio civium, de qua nihil sum dicturus quid sentire debueris: unum hoc dico, in eius modi tempore ac sorte statuere te debuisse utrum malles sentire atque defendere). 176 Zum seditio-Begriff vgl. Helleguarc’h 1972, 135–137 (speziell zu Ciceros Begriffs­ gebrauch: 136) sowie jüngst weiterführend Robb 2010, 150–166 (zu Cicero: 152–160; vgl. zu Robbs Überlegungen die Besprechung M. Nebelin 2011). 177 Vgl. für die Zeit bis zu Ciceros Flucht: Cic. Att. 7,12,3; 7,21(20),2; 7,24(23),2; 7,27(26),2; 8,3; 8,12,3–5; 8,15,1 f.; 9,3(2a); 9,5,1; 9,6,1 f.; 9,6,6; 9,7(4),2; 9,11(10),2–10 (mit Referaten der Stellungnahmen von Atticus); 9,12(11)A,3 (Bitte in einem Brief an Caesar, Cicero Freiräume einzuräumen, die er angeblich für eine Versöhnung von Caesar und Pompeius nutzen wollte); 9,17(15,1–5),3; 9,23(19),2–4; 10,1; 10,10(9); 10,11(10),1–3 (mit dem Fragment eines Briefes des Antonius); 10,11(10),5. Vgl. auch Caesars bereits Ende März 49 artikulierten Wunsch, dass Cicero in Italien bei ihm verbleiben möge: Cic. Att. 9,19(16),3; vgl. dazu auch Cic. Att. 9,21(18),1 sowie drohend Cic. Att. 10,9(8)B,1 und mit den in der Semantik Ciceros gehaltenen Hinweis in Cic. Att. 10,9(8)B,2, dass für einen bonus civis, wie, so suggeriert Caesar, Cicero einer sei, während des Bürgerkriegs Zurückhaltung das einzig richtige Verhalten sei (»Was könnte im übrigen für einen ehrenwerten, friedlich gesonnen Mann und guten Staatsbürger angemessener sein, als sich bürgerlichen Streitigkeiten fernzuhalten?« = Postremo quid viro bono et quieto et bono civi magis quam con­ venit quam abesse acivilibus controversiis?). Für die Zeit von Ciceros Flucht bis zu seiner Rückkehr in das Umfeld Caesars: vgl. Cic. Att. 11,5(4); 11,7(6),2–6; 11,8(7),2–5; 11,13(12),1; 11,15(14),1 f.; 11,16(15),2; 11,17(16),1 f.; für den (gelegentlich artikulierten) Versuch, sich unter Caesars Herrschaft dem politischen Betrieb zu entziehen, vgl. Cic. Att. 12,23(21),5; 12,25(23),1; 12,30(28),2; 13,7(31),3; 13,22(10),1; 13,31(20),4; 13,44(47,2 f.),1; 13,46(37),2 –

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Rabirius-Prozesses Neutralität noch ausgeschlossen, so empfahl er selbst diesen Weg beispielsweise 46 v. Chr. M. Claudius Marcellus, dem Konsul von 51 v. Chr., der als Caesar-Gegner im Exil lebte und den Cicero zur Rückkehr überreden wollte, da eine Begnadigung des Exilanten wahrscheinlich erschien.178 Wenn er wieder in Rom leben würde, müsste er nur soweit wie unbedingt erforderlich am politischen Leben teilnehmen und könne sich vorrangig seinen Privatangelegenheiten widmen,179 schrieb er Marcellus und ergänzte: »Vielleicht darfst Du nicht sagen, was Du denkst, aber schweigen kannst Du auf jeden Fall«.180 Natürlich hinkt der Vergleich: Das Stasisgesetz bezog sich auf Bürgerkonflikte, während die Frage von Reden oder Schweigen sich für Marcellus als Gegner des siegreichen Machthabers nach dem Ende des Bürgerkriegs stellte. In beiden Fällen geht es um andere, jedoch im Kern vergleichbare Formen politischer Neutralität. Wesentlich ist dabei, dass sowohl Ciceros eigene Reflexionen wie auch der Aufwand, den er betreiben musste, um seinen Kollegen Marcellus zu überzeugen, nicht nur um Begnadigung zu ersuchen, sondern überhaupt die wobei die ersten drei Briefe auch im Kontext von Ciceros Trauerphase nach dem Tod seiner Tochter Tullia zu verorten sind. Ciceros Bedenken, sich nach Caesars Tod erneut politisch zu betätigen, sind in dem Briefwechsel mit Atticus hingegen nur schwach ausgeprägt, aber immerhin infolge seiner Bezugnahmen auf die Möglichkeiten, sich dem Konflikt räumlich zu entziehen oder Neutralität zu wahren, erahnbar, wenngleich Cicero sich schon sehr früh dagegen entschied; dazu vgl. Cic. Att. 14,6,2; 14,13,2 und 4; 14,18(19),1; 14,19(18),4; 14,22,2; 14,9(5),2 f.; 15,14(11),4; 15,21(20),2 f. (unter anderem 3: »Denn Neutralität gibt es bei Antonius nicht« = media enim tollit Antonius); 15,23; 15,27(25); 15,28(26),1; 16,1,3; 16,4(2),4; 16,5(3),4; 16,6,2; 16,7. 178 Vgl. die Briefe an Marcellus in Cic. fam. 4,7(8); 4,8(7); 4,9 sowie die Berichte von der Begnadigung an Ser. Sulpicius Rufus (cos. 51) in Cic. fam. 4,3(4),2–5 und Sulpicius’ Bericht vom Tod seines ehemaligen Mitkonsuls in Cic. fam. 4,12 (vgl. auch Cic. Att. 13,22[10]; 13,32[22],2); zu Marcellus, seinem Exil und dem Briefwechsel mit Cicero vgl. Krésic 1970; Büchner 1972; Vogt 1972; Kelly 2006, 204–206. Vgl. aber auch den Hinweis auf Marcellus’ Selbstzweifel und eine mögliche Denunziation Ciceros gegenüber Antonius durch Marcellus in Cic. Att. 10,17(15),2. 179 Vgl. Cic. fam. 4,9. 180 Cic. fam. 4,9,2: dicere fortasse, quae sentias, non licet, tacere plane licet. Vgl. aber auch Ciceros eigenen Widerspruch an Caesar, der ihn mit sich selbst »zufrieden« sein ließ, »was mir seit langem nicht passiert ist« (Cic. Att. 21,[18],1: at ego me amavi, quod mihi iam pridem usu non venit): »Entweder muß ich so sprechen oder wegbleiben, und manches sagen, was ich einfach nicht verschweigen kann, wenn ich zugegen bin« (= sed ego eo nolo adesse, quod aut sic mihi dicendum est aut non veniendum multaque, quae nullo modo possem silere, si adessem). Vgl. auch Cic. Att. 11,24,5 (über die Anpassung von Rede und Mimik in der Öffentlichkeit); 13,7(31),3 (über und gegen Caesar: »Denn das ist es natürlich, was er erwartet: bei allem, was er tut, will er sich auf meinen Rat berufen können. Zum Teufel! Weg damit! Laß mich wenigstens halbfrei sein! Das erreiche ich, wenn ich schweige und nicht auffalle« = hoc enim ille exspectat videlicet neque est facaturus quicquam nisi de meo consilio. obsecro, abiciamus ista et semiliberi saltem simus; quod adsequemur et tacendo et latendo.); 13,31(20),4; 16,8(XV,13),2 f.

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relative Neutralität (»a profound political quietism«181) als Option für das zukünftige politische Leben zu akzeptieren, verdeutlichen, dass politische Neutralität für Cicero (wie offensichtlich auch Marcellus) grundsätzlich eine eher negativ besetzte Handlungsweise war. Die Sympathie für das solonische Stasisgesetz bestätigt diese Einschätzung, verdeutlicht aber auch, dass es offenbar für Cicero normativ naheliegender war, nicht nur Neutralität auszuschließen, sondern auch die Polaritäten politischer Konflikte ebenso anzuerkennen wie den Zwang, sich in solchen Auseinandersetzungen für eine der Seiten zu entscheiden. Dieses Denken in Extremen bei gleichzeitigem Ausschluss, ja Negierung von Neutralität als politischer Handlungsoption galt offensichtlich nicht nur für ihn selbst, sondern seines Erachtens auch für andere und mithin sogar für alle Akteure im politischen Feld. Dass Cicero diesen Zwang zur Positionierung selbst nicht immer einhielt und gelegentlich auch seinen Freunden wie Marcellus zu einer anderen Verhaltensweise riet, ändert nichts am grundsätzlichen normativen Primat und an der grundsätzlichen Bevorzugung jener extremal polarisierten politischen Handlungstheorie, die Cicero bereits im Rabirius-Prozess skizziert hatte.182 Vor dem Hintergrund dieser Grundannahmen sind Ciceros Ausführungen in den Catilinarischen Reden zu verstehen: Sie sind nicht allein die Konsequenz rhetorischer Zuspitzungen, sondern vielmehr zugleich auch das Ergebnis bestimmter Auffassungen von Politik und von der Rolle des einzelnen Bürgers in innergemeinschaftlichen Konflikten. Es bedarf des Hinweises auf solche Verbindungspunkte von Sprache und Handeln, um zu erklären, wie Semantiken politisch wirksam werden, denn »nicht Sprachen selber stiften Feindschaft«, wie Reinhart Koselleck betont hat; das bewirkt vielmehr ihre »politische Instrumentalisierung«:183 Es kommt also darauf an, was man mit Begriffen macht und was aus Aussagen praktisch folgt. Dass im konkreten Fall der Bezug auf boni und improbi als asymmetrische Gegenbegriffe letale Konsequenzen haben konnte, verdeutlichen die römischen Bürger, die im Zusammenhang mit der Bekämpfung der sogenannten Catilinarischen Verschwörung getötet wurden. Dieser äußerste Fall des Umgangs mit den Feinden wurde von Cicero schon in der ersten Catilinarischen Rede antizipiert; in diesem Zusammenhang zeigt sich 181 Steel 2005, 99. 182 Auffällig ist zudem, dass die besagten Ausnahmen immer in privaten Kontexten fallen – in der öffentlichen Rede schien Cicero die Neutralitätsoption offensichtlich nicht sagbar (auch wenn sie machbar gewesen wäre). 183 Koselleck 1993, 282; vgl. außerdem die Feststellung: »Einmal eingespeichert in den Sprachhaushalt, öffnen und begrenzen sie zugleich die Wahrnehmung. Die Feindbegriffe bleiben, ob reflektiert oder unreflektiert, abrufbar, werden gleichsam zu Netzen, in denen sich die Sprechenden selbst verfangen. Strenggenommen handelt es sich dann gar nicht um Begriffe, die den Anderen, und sei es als Feind, begreifen können, sondern um Stereotypen, die nur abgerufen und angewendet werden können. Die Sprache wird von der Wirklichkeit des mörderischen Geschehens unterboten« (ebd.).

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die Berechtigung von Kosellecks Einschätzung, dass »erst in der gesprochenen Rede […] der Feindbegriff seine potentielle Wirklichkeit« gewinnt, »die auch realisierbar ist«.184 Ciceros gesamte Rhetorik ist bereits seit Beginn der Auseinandersetzung mit L. Sergius Catilina auf Eskalation und auf die physische Vernichtung seines Gegenübers ausgerichtet gewesen. Schon zu Anfang der Senatsrede vom 8. November suggerierte Cicero, dass der angemessene Umgang mit Catilina die Tötung gewesen wäre (Ad mortem te, Catilina).185 Die bisher ausgebliebene Hinrichtung begründete Cicero dann, indem er zunächst die Antizipation möglicher rückblickender Vorwürfe (unbegründetes oder verspätetes Handeln) als für seine Verfahrensentscheidung irrelevant zurückwies, um stattdessen einen vermeintlichen strategischen Hintergrund seiner Handlungsweise anzuführen »Wenn ich jetzt befehle, Catilina, man solle dich verhaften, man solle dich hinrichten, dann muß ich wohl befürchten, daß auch nur ein Rechtschaffener [bonus] sagt, ich hätte allzu scharf durchgegriffen, und nicht, vielmehr, daß alle behaupten, ich hätte zu spät gehandelt. Doch mich veranlaßt ein bestimmter Grund, noch nicht zu tun, was schon längst hätte getan sein sollen. Du wirst erst dann hingerichtet, wenn sich niemand mehr ausfindig machen läßt, so schlecht [inprobus], so verworfen, so sehr dir ähnlich, daß er nicht zugäbe, dies sei zu Recht geschehen. Solange jemand für dich einzutreten wagt, wirst du leben, und du wirst so leben, wie du jetzt lebst: von meinen zahlreichen und starken Mannschaften niedergehalten, so daß du keine Hand gegen den Staat zu rühren vermagst«.186 184 Ebd. 283. 185 Cic. Catil. 1,2. 186 Cic. Catil. 1,5 (Übers.: M. Fuhrmann): Si te iam, Catilina, comprehendi, si interfici ius­ sero, credo, erit verendum mihi, ne non potius hoc omnes boni serius a me quam quisquam crudelius factum esse dicat. Verum ego hoc, quod iam pridem factum esse oportuit, certa de causa nondum adducor ut faciam. Tum denique interficiere, cum iam nemo tam in­ probus, tam perditus, tam tui similis inveniri poterit, qui id non iure factum esse fateatur. Quamdiu quisquam erit, qui te defendere audeat, vives, et vives ita, ut nunc vivis. multis meis et firmis praesidiis obsessus, ne commovere te contra rem publicam possis. Vgl. dazu Dyck 2008, 76 f.; vgl. auch die vorhergehende Passage in Cic. Catil. 1,2: »Welche Zeiten, welche Sitten! Der Senat bemerkt’s, der Konsul sieht’s; doch dieser Mann lebt. Er lebt? Schlimmer noch: er kommt gar in den Senat, er nimmt teil am Staatsrat, seine Augen bezeichnen und bestimmen einen jeden von uns für den Mord. Doch wir mutigen Männer glauben dem Staatswohl genüge zu tun, wenn wir dem Wüten und den Waffen dieses Gesellen ausweichen. Zum Tode hätte man dich schon längst, Catilina, auf Befehl des Konsuls abführen, auf dich das Verderben lenken sollen, das du gegen uns alle anstiften willst« (= O tempora, o mores! Senatus haec intellegit. Consul videt; hic tamen vivit. Vivit? immo vero etiam in senatum venit, fit publici consilii particeps, notat et designat oculis ad caedem unum quemque nostrum. Nos autem fortes viri satis facere rei publicae videmur, si istius furorem ac tela vitemus. Ad mortem te, Catilina, duci iussu consulis iam pridem oportebat, in te conferri pestem, quam tu in nos omnes iam diu machinaris). Vgl. dazu Dyck 2008, 66–68.

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Weil demnach aus Demonstrations- und Beweisgründen heraus die eigentlich präventiv notwendige Tötung Catilinas nicht erfolgt sei,187 forderte Cicero seinen Gegner auf, nunmehr die Stadt zu verlassen, aber nicht allein: Catilina solle die Stadt mit allen anderen verlassen, die ebenso improbus seien wie er; die Stadt solle gereinigt werden – Purga urbem, verlangte Cicero.188 Zum Abschluss der Rede verdichtete Cicero seine Forderung erneut unter Rückgriff auf die asymmetrischen Gegenbegriffe von boni und improbi, indem er verlangte, die improbi sollten sich sammeln, um auf diese Weise zunächst sich von den boni zu separieren und daran anschließend die Stadt zu verlassen: »Daher sollen die Frevler [improbi] entweichen, sich von den Rechtschaffenen [boni] absondern und an einer Stelle versammeln, kurz, wie ich schon oft gesagt, sie seien durch die Mauer von uns geschieden«.189 Weil die improbi um Catilina den boni mit Gewalt gedroht hätten, hebt Cicero zum Schluss zu einer Beschwörung Jupiters an: Die ›Feinde der Guten‹ sollen schließlich »im Leben und im Tode

187 Zum ostentativen Nicht-Handeln in der Ersten Catilinarischen Rede vgl. Schauer 2011. 188 Cic. Catil. 1,10: »Nimm auch alle deine Leute mit, oder jedenfalls möglichst viele; säubere die Stadt. Du befreist mich von großer Furcht, wenn sich nur die Mauer zwischen mir und dir befindet. In unserer Mitte kannst du nicht länger weilen; ich ertrage, ich dulde, ich gestatte es nicht!« (= Educ tecum etiam omnes tuos, si minus, quam plurimos; purga urbem. Magno me metu liberabis, dum modo inter me atque te murus intersit. Nobiscum versari iam diutius non potes; non feram, non patiar, non sinam). Vgl. Dyck 2008, 86–88. Purgare fungiert hier, wie Andrew R. Dyck betont hat, als »hygienic« »metaphor« (ebd. 88) Allerdings ist es auch wahrscheinlich, dass Cicero diesen Begriff gerade aufgrund der mitschwingenden Konnotationen gewählt hat, die Dyck hervorgehoben hat: »[C]leaning or purging can be done for religious, hygienic, or medical reasons« (ebd.). Bedenkt man den von Cicero geführten medizinisch-epidemiologischen Diskurs, den beispielsweise Ingo Gildenhard 2011, 127–132 insbesondere mit Blick auf die Catilinarischen Reden in Ciceros rhetorischer Sprache ausgemacht hat, so dürften auch diese Anklänge nicht zufällig sein; weil Cicero zudem »[i]n the Catilinarians in particular […] claims divine support for his person and policies« (ebd. 272; vgl. ebd. passim), erscheint auch die religiöse Bedeutungsbeimischung des purgare aus Cic. Catil. 1,10 nicht gänzlich irrelevant: Ciceros Teilung der Gemeinschaft in boni und improbi und die Vertreibung der letzteren werden dort als eine Handlung dargestellt, deren metaphorische Umschreibung sie als die einer gemeinschaftlichen Reinigung (hygienisch), Heilung (medizinisch) und Konsekration (religiös) erscheinen lässt. Zusammenlaufen dürften diese Vorstellungen in dem als Ziel mitschwingenden Ideal einer von ›Bösen‹ gereinigten Gemeinschaft; die Vertreibung der improbi erscheint damit als eine Form der Purifizierung. In der Praxis konnte Cicero dann das Verlassen der Stadt durch Catilina als »a sign of abandonment of the moral center« erscheinen lassen (Konstan 1993, 29). 189 Cic. Catil. 1,32: Qua re secedant improbi, secernant se a bonis, unum in locum congre­ gentur, muro denique, quod saepe iam dixi, secernantur a nobis. Vgl. dazu beispielsweise Dyck 2008, 120 f.; Gildenhard 2011, 131 (bes.: »The first step towards remedying the potentially fatal affliction of the state thus consists in a radical segregation of friends and enemies: the externalization of the danger will reestablish well-defined boundaries between the domestic and the foreign«).

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mit ewigen Strafen heim[ge]such[t]« werden.190 Der Ausschluss der als »subhuman individuals«191 (Ingo Gildenhard) charakterisierten improbi soll also hier in mehreren Etappen ablaufen, die als Gesamtvorgang in ihrer Ausrichtung auf eine ›ewige Verdammnis‹ durchaus Züge dessen aufweisen, was Koselleck als ›Entmenschlichung‹192 bezeichnet hat. Die praktischen Konsequenzen dieser zu Beginn rein rhetorischen Strategie waren zunächst die Isolierung, dann die ›Vertreibung‹ Catilinas und zuletzt die Tötung der ›Catilinarier‹-Gruppe um Lentulus sowie Niederlage und Tod Catilinas in der Schlacht bei Pistoria im Jahr 62 v. Chr. Sein binäres Grundmodell von boni und improbi nutzte Cicero also in der ersten Catilinarischen Rede, um ein Ensemble von an den Senat, aber auch an Catilina gerichteten Handlungsaufforderungen zu begründen, die er aus der moralanthropologischen Prämisse des Gegensatzes ableitete. Ciceros Strategie war, wie Klaus Bringmann betont hat, die einer radikalen Polarisierung: »Er trug keine Bedenken, die Gesellschaft zu polarisieren, indem er gegen die ›Bösen‹, die improbi, die Einigkeit aller ›Gutgesinnten‹, der boni, beschwor«.193 Sein zugleich persuasives und performatives Ziel ist hierbei einerseits die Neukonstitutierung der politischen Gemeinschaft gewesen. Denn diese Form der Rhetorik vermochte, wenn sie auf hinreichende Resonanz stieß (oder wenigstens zu stoßen schien), eine Zwingkraft auf diejenigen auszuüben, die entweder nach Einschätzung Ciceros der positiven Gruppe angehörten oder aber ihr angehören sollten oder wollten, denn schließlich sollten die boni diejenigen sein, die mit Cicero nicht nur eine, sondern die einzig wahrhaftige römische Gemeinschaft an sich bilden sollten: »Ciceros viri boni sind nicht die guten Menschen, sondern die im Politischen rechtdenkenden Menschen, praktisch jene, die ungefähr die gleichen politischen Sympathien haben wie er, mit denen man doch wenigstens zusammen arbeiten kann«.194 Andererseits aber kam es, wie bereits Jochen Bleicken unterstrichen hat, infolge einer solchen Polarisierungsstrategie zum Ausschluss aller Gegner aus der bisherigen Gemeinschaft: »Von den Bürgern des verus ­populus, den boni viri, werden dann [später von Cicero auch in der Sestiana;

190 Vgl. Cic. Catil. 1,33: »[D]u [= Jupiter; M. N.] wirst die Widersacher der Wohlgesinnten, die Feinde des Vaterlandes, die Freibeuter Italiens, die sich durch das Band des Verbrechens und einen frevlerischen Pakt miteinander verschworen haben, im Leben und im Tode mit ewigen Strafen heimsuchen« (= homines bonorum inimicos, hostis patriae, latrones Italiae scelerum foedere inter se ac nefaria societate coniunctos aeternis suppliciis vivos mortuosque mactabis). Zur religiösen Dimension der Catilinarischen Reden vgl. Gildenhard 2011, 272–292; konkret zu Cic. Catil. 1,33 vgl. auch Dyck 2008, 122 f. 191 Gildenhard 2011, 131. 192 Vgl. Koselleck 1993, 279. 193 Bringmann 2010, 94; vgl. auch Leff 1973, 336 f. 194 Mann 1978, 11.

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M. N.] die mali (improbi) getrennt und damit ein neuer, institutionell nicht faßbarer und begrifflich nicht definierbarer (weil von der jeweiligen politischen Situation abhängiger) ›Bürgerverband‹ konstituiert«.195 Die Pointe asymmetrischer Gegenbegriffe – nämlich, dass der Andere sich in dieser Beschreibung nicht wiederfinden kann – ist mithin gegeben, denn die Annahme der ciceronischen Unterteilung hätte für die improbi den Selbstausschluss aus der politischen Gemeinschaft zur Folge. In dieser Kopplung von politisch extremen Positionen und Konzepten mit politisch radikalen Handlungen offenbart sich Ciceros semantischer Extremismus.

2.

boni und improbi 49–43 v. Chr.: Öffentlich-politischer vs. privatphilosophischer Begriffsgebrauch bei Cicero

Weil Cicero das kombattive Modell einer in boni und improbi gespaltenen Gemeinschaft entwickelt und damit 63 v. Chr. seinen größten politischen Erfolg erzielt hat, ist es nicht verwunderlich, dass er an diesem Modell eines semantischen Extremismus festhielt. In der Schrift De re publica und schließlich auch in der Sestiana verfeinerte er zunächst einzelne Aspekte seiner Variante der Dichotomie. In der Schrift De re publica legte er die Auffassung nieder, dass in Phasen schwerer innergemeinschaftlicher Konflikte den boni ein Primat gegenüber den übrigen Bürgern zugestanden werden müsse – selbst wenn letztere die Mehrheit bildeten: »In dieser Zwietracht der Bürger aber, meine ich, wenn die Guten mehr Macht haben als die Masse, müssen die Bürger gewogen werden, nicht gezählt«.196 In der Sestiana hingegen konstruierte Cicero einmal mehr eine Verhältnisbestimmung zwischen optimates und populares; dabei setzte er die Gruppe der boni immer wieder in enge Relation zu der der optimates.197 Die sozioökonomisch weitgefasste Gruppe der optimates wiederum bestimmte er in der Sestiana als die derjenigen,198 die weder von ›Natur‹ (natura) aus böse (improbi)

195 Bleicken 1975, 281 f. 196 Cic. rep. 6, 1 = Non. p. 519, 17 (Ed. & Übers.: Büchner): Et vero in dissensione civili, cum boni plus quam multi valent, expendendos civis, non numerandos puto. Dazu vgl. etwa Büchner 1984, 430 f.; Cape 2002, 136 f. 197 Vgl. bes. Cic. Sest. 93; 96–100; vgl. zur Mehrdeutigkeit der dortigen Bestimmung der boni: Lacey 1962, 68 f. Zum bonus-Begriff in der Sestiana, bes. Cic. Sest. 97, vgl. zudem Ottmann 2002, 89; zur in der Sestiana vorgelegten Rechtfertigungstheorie von durch boni ausgeübte Gewalt vgl. Bleicken 1975, 488. 198 Zur ökonomischen Breite der Gruppenangehörigen vgl. Cic. Sest. 97. Dabei verschwimmen ökonomische und politische Stellung; vgl. Meyer 2006, 27, die betont, dass Cicero »die genannten Gruppen in seiner Aufzählung nach sozialpolitischen Maßstäben [gliedert], d. h. [nach; M. N.] ihrer Teilnahme an der bzw. ihrem Einfluß auf die Politik«.

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noch deren häusliche Belange durch Übel gekennzeichnet seien (malis domesticis ­impediti),199 sondern die vielmehr »anständige, vernünftige und in geordneten Verhältnissen lebende Leute« seien.200 Innerhalb dieser Gruppe gäbe es dann noch die der »Verteidiger der Besten« (defensores optimatium),201 die zugleich als »die ersten Männer der Bürgerschaft« (principes civitatis)202 sowie als »die Lenker der res publica« (rei publicae gubernatores)203 fungierten. Deren Aufgabe sei die Durchsetzung der Ziele der optimates.204 Ihre Auffassung bestehe in dem, »[w]as allen Vernünftigen, Rechtschaffenen [boni] und Wohlhabenden höchster Wert und Wunsch ist: der mit Würde gewahrte Frieden [cum dignitate otium]«.205

199 Cic. Sest. 97. In dieser Passage der Sestiana werden öffentliche und private Belange, res publica und res privata, verzahnt gedacht: Ein optimus muss in beiden wesentlichen Sphäre eine wenigstens neutrale, wenn nicht sogar positive Bilanz aufweisen. Als dritter Punkt wird der Geisteszustand angeführt: Ein optimus darf nicht »von Raserei erfaßt« (furiosus) sein. Das vierte Kriterium – ein optimus dürfe kein »Schädling« (nocens) sein – ist grundsätzlicher Natur und wird durch die drei nachfolgenden Beschreibungselemente präzisiert. In ähnlicher Weise wird später die von Ciceros Gegenüber negativ verwendete Bezeichnung der optimates als natio positiv gewendet und durch die drei nachfolgenden positiven Charakterisierungselemente präzisiert. Diese Positivbestimmungen nehmen die besagte Dreiteilung wieder auf, so dass am Ende ein Ausschluss negativer und eine Bestimmung positiver Merkmale oder Eigenschaften einander in drei wesentlichen Lebensbereichen ergänzen und auf diese Weise die Anforderungen an einen optimus ausmachen. Das Ergebnis – gleichsam das moralanthropologische Raster eines optimus – lässt sich in Form eines zweiebigen Schaubilds darstellen: Merkmale /  Eigenschaften / ​ Lebensbereich

öffentliche Angelegenheiten

Geisteszustand

häuslicher Bereich / ​ Privatangelegenheiten

ausgeschlossene Merkmale

improbus

furiosus

malis domesticis impeditus

erforderliche Eigenschaften

integrus

sanus

bene de rebus domesti­ cis constitutus

200 Cic. Sest. 97 (Übers.: M. Fuhrmann): qui et integri sunt et sani et bene de rebus domesticis constituti. 201 Cic. Sest. 97 (hier Übers.: M. N.) 202 Cic. Sest. 97. 203 Cic. Sest. 98 (hier Übers.: M. N.). 204 Cic. Sest. 98. 205 Cic. Sest. 98: Id quod est praestantissimum maximque optabile omnibus sanis et bonis et beatis, cum dignitate otium. Dies ist natürlich die berühmte ›Programmformel‹, wenngleich oder gerade deswegen »a vague phrase« (Wirszubski 1954, 13), die allerdings im Kontext verschiedener ähnlicher Formelfassungen verortet werden muss; dazu vgl. bereits ebd., 5 f. Zur Programmformel vgl. Remy 1935, 93–96; Boyancé 1941; Wirszubski 1954; Balsdon 1960; Fuhrmann 1960; Thompson 1962; André 1966, 295–306; Wood 1988, 197–199; Dalfen 2000; Fechner – Scholz 2002, 134; Kaster 2006, 32; 333; Narducci 2009, 253 f.; Nótári 2009; Robb 2010, 55–64.

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Mit dieser Aussage wird zugleich die große Gemeinsamkeit, jedoch nicht notwendig Identität, der optimates mit den boni ersichtlich.206 Allerdings konstatierte Cicero in der Sestiana ebenfalls, dass die besondere Problematik der boni darin liege, dass sie sich aufgrund ihrer Friedliebigkeit nur unter äußerster Bedrängnis zum Handeln gegen jene entschließen könnten, denen man »nur einen Wink zu geben braucht, um sie in Aufruhr zu versetzen«:207 »Die res publica wird nämlich mit einem größeren Aufwand an Truppen und Machtmitteln bestürmt als verteidigt«.208 Vor dem Hintergrund dieses offensichtlich unter dem Eindruck der nach seinem Konsulat von Cicero selbst erfahrenen Bedrängnis, Hilflosigkeit und Verlassenheit stehenden,209 pessimistischer gefassten Annahmen konstatiert Claudia Tiersch, ausgehend von einer Analyse der Sestiana, dass Cicero immer noch ein »personalisiertes Kausaldenken« 206 Allerdings stellt die Semantik der Sestiana ein besonderes Problem dar, weil Cicero mit ihr nicht nur Begriffsbestimmungen für soziale Gruppen traf, sondern diese auch instrumentell nutzte, um bestehende Zuschreibungen umzuwerten – die Rede Pro P. Sestio zeugt mithin selbst von einem semantischen Kampf (und darf vor allem nicht als Wiedergabe gleichsam soziologisch fundierter Bestimmungen missverstanden werden). Vgl. zur Problematik der Semantik Robb 2010, ch. 2, bes. 65–68; vgl. auch Kaster 2006, 32–36; 319. 207 Zitat aus Cic. Sest. 100; die Passage lautet vollständig: »Der Staat wird nämlich mit größerem Aufwand an Truppen und Machtmitteln bestürmt als verteidigt, und zwar deshalb, weil man skrupellosen und verworfenen Menschen [audaces homines et perditi] nur einen Wink zu geben braucht [nutu impelluntur], um sie in Aufruhr [contra rem publicam] zu versetzen, und weil sich diese sogar aus eigenem Antrieb gegen den Staat erheben; die Rechtschaffenen [boni] dagegen neigen aus irgendeinem Grunde [nescio quo modo] zu allzu großer Bequemlichkeit und werden, nachdem sie die Anfänge nicht beachtet haben, schließlich im letzten Augenblick durch das zwingende Gebot der Umstände aufgerüttelt, wobei sie freilich nicht selten wegen ihres trägen Zauderns, während sie auch unter Preisgabe ihrer Würde am Frieden [otium sine dignitate] festhalten wollen, das eine wie das andere verspielen« (= Maioribus praesidiis et copiis oppugnatur res publica quam defenditur, propterea quod audaces homines et perditi nutu impelluntur et ipsi etiam sponte sua contra rem publicam incitantur, boni nescio quo modo tardiores sunt et principiis rerum neglectis ad extremum ipsa denique necessitate excitantur, ita ut non numquam cunctatione ac tarditate, dum otium volunt etiam sine dignitate retinere, ipsi utrumque amittant). Ein öffentlich artikulierter Hinweis auf das in den Briefen deutlicher ausgedrückte Unverständnis über die von Cicero konstatierte Untätigkeit der boni ist natürlich Ciceros Formulierung ›nescio quo modo‹, denn damit drückte Cicero ein Nicht-Verstehen der Handlungsweise seiner (selbsterklärten) eigenen In-Group aus. Wahrscheinlich spiegelt dieses Nicht-Verstehen die erste, vermutlich durch die Erfahrung des Exils eingetretene Stufe der Entfremdung von den boni wieder; die nächste und letzte wäre dann die der Existenzleugnung, also die Annahme, dass es eigentlich keine boni (mehr) gäbe: Das ist jene Position, die Cicero im zwischen den Polen Caesars und Pompeius’ formierten Bürgerkrieg ausbildete und vor allem in seinen Briefen artikulierte (siehe unten, III .2.). Vgl. Kaster 2006, 319; 324. 208 Cic. Sest. 100: Maioribus praesidiis et copiis oppugnatur res publica quam defenditur (Übers. angepasst durch M. N.). Vgl. Kaster 2006, 319; 324. 209 Zu Ciceros Wahrnehmung, Außendarstellung und Umdeutung seines Exils vgl. bereits Graff 1963, 31–37.

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mit einer gleichsam geschichtsphilosophischen Pointe zugrunde legte  – ein »Denken in den Kategorien eines antithetischen Dualismus, des stetigen Kampfes zwischen Verteidigern und Gegnern der Ordnung als eines essentiellen Bewegungsgesetzes der res publica«.210 Überraschend ist freilich, dass Cicero dieses Konzept auch dann noch vertrat, als er philosophisch eine alternative Semantik ausgebildet hatte und zugleich seine persönlichen Erfahrungen und Erwartungen mit seinem bisherigen bipolaren Grundmodell nicht mehr übereinstimmten. Einmal in die Welt gesetzt, konnte der semantische Extremismus nicht mehr reduziert werden, selbst wenn man inhaltliche Zweifel hegte – zu verführerisch war es offenbar, in den ideologischen Wirren der Motivationskrise durch die aus den semantischen Extremen abgeleiteten Konzepte an Einfluss und darüber auch an politischer Durchsetzungskraft zu gewinnen. Hinzu kommt, dass diese Bedeutungsdimensionen von Ciceros politischer Semantik auch seine philosophischen Erörterungen nicht unberührt ließen.211 Insofern ist der semantische Extremismus nicht allein ein Signum und ein Phänomen der Motivationskrise der späten römischen Republik; es scheint vielmehr auch ein sich selbst stabilisierendes und verstärkendes Element gewesen zu sein, dessen destabilisierende Auswirkungen auf das Politische zu einer Verschärfung der Strukturkrise beitrugen – ungeachtet aller mit ihm verbundenen inhaltlichen Widersprüche. Doch aus welchen Gründen begann Cicero an seinem bipolaren Grundmodell zu zweifeln? Welche Alternative entwickelte er? In den Jahren des Bürgerkriegs zwischen den Kreisen um Pompeius und Caesar, dann unter der Alleinherrschaft des »allmächtigen Diktators«212 und schließlich in der kurzen Umbruchphase von 44/43 nach dem Tod Caesars machte Cicero drei zum Teil interferierende Entwicklungen durch. Die erste Ver­ änderung hat bereits W. K. Lacey en passant in seinem grundlegenden Aufsatz über boni atque improbi festgestellt: Lacey zeigte biographiegeschichtlich auf, dass Cicero gerade im Bürgerkrieg zwischen Pompeius und Caesar zunehmend an der Existenz  – oder besser gesagt: an der moralischen Qualität  – der von

210 Tiersch 2002, 286. 211 So stellt Ulrich Gotter mit Blick auf die Freundschaftsauffassung in Ciceros Laelius fest, diese impliziere in Ciceros Konzeption »die totale Gemeinschaft« (Gotter 1996a, 347), »[d]enn wenn eine Definition in den Sog politisch-normativ aufgeladener Begriffe wie bonus und improbus gerät, ist die Abweichung davon nicht nur eine andere Meinung, sondern diskreditiert den, der sie vertritt, moralisch und sozial« (ebd. 356); vgl. dazu auch Lundgreen 2013 sowie die Reflexion der Position von Ciceros Laelius in Cic. off. 3, 43–46. Zu Ciceros These, dass wahrhaftige Freundschaft nur unter boni möglich sei (vgl. Cic. Lael. 18 [mit 20 f.]), vgl. auch Ottmann 2002, 119. Dazu vgl. auch Cic. off. 1,55–57 (mit Junghanß 2017, 64 f.). 212 So der Titel von Meier 1980b.

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ihm als boni bezeichneten Personenkreise gezweifelt hat.213 Einzig, weil ihm die Alternativen noch katastrophaler erschienen, weigerte er sich, den Glauben an diese Gruppierung und ihre Heilsaufgabe preiszugeben.214 Dieser Aspekt ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil nur wenig später in den Philippischen Reden der Kampf von boni und improbi erneut eine wichtige argumentationslogische Rolle spielte.215 Auch dort ging es darum, wie einst gegen Catilina jene 213 Vgl. beispielsweise Cic. Att. 7,7,5 (Übers. H. Kasten): »Denn wenn Du mir schreibst, man sei außerordentlich gespannt auf mich, doch sei niemand von den Guten oder halbwegs Guten im Zweifel, was ich tun würde, so weiß ich nicht, wen Du damit meinst. Ich kenne keine, jedenfalls nicht, wenn wir nach den Guten als Stand fragen. Gewiß, einzeln gibt es sie schon; aber bei Parteikämpfen fragt man nach den Guten als Stand und Klasse« (= nam quod scribis exspectationem esse mei neque tamen quemquam bonorum aut satis bonorum dubitare, quid facturus sim, ego, quos tu bonos esse dicas, non intellego. ipse nullos novi, sed ita, si ordines bonorum quaerimus; nam singulares sunt boni viri. verum in dissensionibus ordines bonorum et genera quaerenda sunt). Vgl. auch Cic. Att. 8,1,3 (unter anderem: »die man die Guten heißt« = qui dicuntur esse boni; Identifizierung von boni als die »Vornehmen und Wohlhabenden« [= lauti et locupletes]); 8,11,7; 9,1,4 (»das Gerede der Guten, die es gar nicht gibt« = sermo bonorum, qui nulli sunt); 9,14(13,1–7),6; 10,1,4. Vgl. dazu Sinko 1903, 275; Lacey 1970, 11 f.; 14. 214 Vgl. exemplarisch Cic. Att. 7,7,7: »Wie das Rind der Herde, so folge ich den Gutgesinnten oder denen, die man so nennt, und wenn sie in ihr Verderben rennen« (= ut bos armenta, sic ego bonos viros aut eos, quicumque dicuntur boni, sequar, etiam si ruent). Vgl. auch ­Ciceros Zweifel an der Möglichkeit, im Bürgerkrieg die boni (militärisch) zu mobilisieren: Cic. Att. 9,13(12),3. 215 So wird beispielsweise Antonius in Cic. Phil. 3,30 als »mit allen Rechtschaffenen verfeindet« (omnibus bonis fuerit inimicus) bezeichnet. Vgl. zudem etwa Cic. Phil. 2,18 (Antonius als improbus; vgl. – samt entsprechender Attribuierungen: – 2,62; 2,99; 7,3 und passim); 2,90 (»Doch leider: gut macht dich nur die Furcht, kein zuverlässiger Lehrmeister der Pflicht, und schlecht hat dich dann wieder die Eigenschaft gemacht, die dich, wenn du frei bist von Furcht, nicht verläßt: die Skrupellosigkeit« = Quamquam bonum te timor faciebat, non diuturnus magister offici, improbum fecit ea quae, dum timor abest, a te non discedit, audacia.); 3,34 (Kampf der optimi um Leben und Tod; vgl. 5,9 und passim); 3,19 (ein bonus kämpft für »das Heil und das Leben aller Rechtschaffenen sowie die Freiheit und Ehre des römischen Volkes« [= in eo salus et vita optimi cuiusque, libertas populi Romani dignitasque]); 5,42 (Vorwurf, »von Feindschaft gegen alle Rechtschaffenen erfüllt [sei; M. N.] mitsamt seinem Heere Antonius« = animo hostili in omnis bonos cum exercitu Antonius); 6,16 (Antonius ist als improbus civis kein civis mehr; vgl. 3,12: kein Bürger und kein Mensch mehr; 13,1–3; bes. 13,1: Antonius ist »aus der Zahl der Menschen auszuschließen«, es gälte, »ihn aus der Gemeinschaft menschlicher Wesen [zu] verbannen« [ex numero hominum eiciendum, ex finibus humanae naturae extermin­ andum]); 7,5 (boni und improbi als Gegensätze); 8,16 (Prinzip der Bösewichte: »›Heil den Schlechten, den Bösen, den Gewissenlosen; nieder mit allen Lauteren, Anständigen, Rechtschaffenen, mit dem ganzen Staat!‹« = ›Salvi sint improbi, scelerati, impii; deleantur innocentes, honesti, boni, tota res publica!‹); 11,12 (»die Absichten dieser Leute, die allen Rechtschaffenen übelwollen« = horum consilium qui omnibus bonis hostes sunt); 12,29 (Vorwurf: improbi verbreiten Lügen; vgl. 14,10); 13,16 (Definition des bonus civis); 13,47 (»Doch wie steht es jetzt mit Parteien, wo sich die eine Seite das Ansehen des Senats, die Freiheit des römischen Volkes und das Wohl des Staatsganzen zum Ziel gesetzt hat, die

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Aversionen zu wecken, die damals die physische Vernichtung seines Gegners zur Folge hatten;216 Vergleichbares sollte die bewährte asymmetrische Gegensatzbildung nun erneut ermöglichen – und das, obwohl Cicero zumindest zu diesem Zeitpunkt an das gute Wir selbst nicht mehr glaubte. Die öffentliche Kontinuität von Ciceros politischen Vorstellungen trotz privater Zweifel am materiellen Substrat des positiven Pols des asymmetrischen Gegenbegriffspaars ist die zweite Auffälligkeit. Sie führt zu einer interessanten Erkenntnis: Differenzen zwischen öffentlicher und privater Bewertung einer Sache durch ein- und dieselbe Person müssen nicht notwendig zur Preisgabe eines politischen Konzepts führen. Dies aber verrät den zutiefst internalisierten Charakter und den schwer zu ersetzenden argumentationslogischen Wert dieses extremen Gegensatzes, der einfach nicht preisgegeben werden durfte, selbst wenn neue biographische Erfahrungen und Erwartungen eigentlich ein Mehr an Ambivalenz eingefordert hätten: Waren die boni nicht vorhanden, so mussten sie als Gruppe über die Semantik erst geschaffen werden, um die zerrüttete Welt wieder in Ordnung zu bringen – und mithin auch Ciceros eigene Stellung zu restaurieren, die er als die eines Vorkämpfers in einer von boni dominierten Welt auffasste. Zu den beiden bisherigen Beobachtungen gesellt sich noch eine dritte Eigen­ tümlichkeit: Cicero intensivierte seine philosophische Reflexion darüber, was das Gute und was das Böse wären – freilich ohne dass dies signifikanten Einfluss auf seine politische Semantik gehabt hätte. Im Juli 45 veröffentlichte Cicero die andere hingegen die Beseitigung aller Rechtschaffenen sowie die Verteilung der Stadt und ganz Italiens?« = Hae vero quae sunt partes, cum alteris senatus auctoritas, populi romani libertas, rei publicae salus proposita sit, alteris caedes bonorum, urbis Italiaeque partitio?); 14,7 (über improbi und mali); 14,8 (boni und improbi als Gegensätze). Bereits Gabriele Thome 2000b, Bd. 1, 123 hat eine Verbindung zwischen Ciceros rhetorischer Strategie in seiner Auseinandersetzung mit Catilina und der mit Antonius gesehen und hierbei deren Exklusionscharakter hervorgehoben, der insbesondere aus der Verwendung der Lasterkataloge resultiere: »Eine besondere Rolle spielen die vitia in der Invektive; aus dem einzelnen Akt wird hier polemisch auf die grundsätzliche Eigenschaft, den moralischen Defekt geschlossen, ein rhetorisches Mittel zur Desavouierung des Gegners, das insbesondere Cicero zu immer größerer Meisterschaft entwickelt hat. Ein zentrales Beispiel für diese Verdammungsstrategie gegen eine ganze Gruppe ist der Kampf der Tugenden gegen die Laster in der zweiten, an das Volk gerichteten Rede gegen Catilina mit ihrer suggestiv-psychagogischen Wirkung auf die Hörer [….]; ähnlich, d. h. ins Grundsätzliche gehend mit dem Ziel der Ausgrenzung einer Gruppe aus der Gemeinschaft der boni und umgekehrt des Schulterschlusses der boni, ist sein Verfahren in den Philippischen Reden«. 216 Vgl. exemplarisch Cic. Phil. 2,37 f.; 4,7; 4,11–15; 5,29; 13,1 f. T. P. Wiseman 2010, 42 kann deshalb zurecht konstatieren, dass Cicero mit zahlreichen anderen zeitgenössischen führenden Politikern »shared the mindset that had led to civil war in the first place. As a senior senator, who believed, and asserted in public, that political assassination was sometimes necessary, he himself was part of the problem«.

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Schrift Über das höchste Gut und das größte Übel (De finibus bonorum et mal­ orum),217 in der es um die Suche nach dem »Letzte[n], Äußerste[n], Absolute[n] im Guten wie im Bösen« geht,218 wie Harald Merklin unterstrichen hat: »Nicht von Grenzen, sondern von Grenz- oder Extremwerten des Guten und des Bösen ist also hier die Rede. Diese Grenzwerte bezeichnen im positiven und negativen Sinne die beiden unverrückbaren, absoluten Fixpunkte, an denen sich der Mensch in seinem Tun und Lassen zu orientieren hat: das höchste Gut, auf das sein Streben im Letzten, Eigentlichen ausgerichtet sein muß, und das schlimmste Übel, das er in jedem Falle und um jeden Preis zu meiden hat«.219 Cicero bemühte sich dabei um eine Übersetzung und Adaption griechischer Modelle und Begriffe, um diese durch eine kritische, eklektische Auseinandersetzung für den römischen Kontext verfügbar zu machen.220 Am Ende legte er nahe, eine Auffassung zu wählen, die zwischen der in bestimmten normativen Punkten geschätzten stoischen und der von ihm praxeologisch grundsätzlich bevorzugten peripatetisch-akademischen Auffassung vermittelte – wobei er die von seinen Protagonisten erkannten logischen und semantischen Differenzen mit der simplen Behauptung einebnen ließ, ungeachtet divergierender Worte meinten beide Schulen in diesem Zusammenhang eigentlich dasselbe.221 Im Vordergrund der von Cicero in De finibus vorgenommenen Überlegungen stand die Frage nach dem ›richtig‹  – und das hieß in einem vielfältigen Sinne auch: ›gut‹ – geführten Leben; in der im Folgejahr entstandenen Schrift De officiis hingegen die nach den ›Pflichten‹ (officia)  und dem ›Schicklichen‹ (decorum) – mit anderen Worten: nach dem (sozial) angemessenen Verhalten.222 In der letztgenannten, seinem Sohn gewissermaßen als Vorlass gewidmeten 217 Zur Schrift De finibus vgl. Süss 1965, 52–64; Bringmann 1971, 138–157; Patzig 1979, 262–272; Merklin 1989; zur Datierung vgl. Süss 1965, 52 f.; Bringmann 1971, 138 (anders: Merklin 1989, 20). 218 Ebd. 3. 219 Ebd. 3 f. Patzig 1979, 263 betont, in der Schrift De finibus »geht [es] also um Extreme, nicht um Zwecke oder Ziele (obwohl man sich das einmal gefundene extremum bonum zum Ziel setzen soll)«. Dabei sei festzuhalten, dass es Cicero zufolge »nur einen finis bonorum und nur einen finis malorum gibt« (ebd.), der Titel mithin missverständlich sei. Er erkläre sich jedoch auch nicht aus dem naheliegenden Umstand heraus, dass »über das, was tatsächlich das höchste Gut sein könnte, in ständiger Beziehung auf die verschiedenen Lehrmeinungen der Hauptströmungen der Philosophie eine Sachdiskussion geführt werden« soll, sondern sei vielmehr dem Umstand geschuldet, »daß es je einen finis bonorum und einen finis malorum, also zwei fines, gibt« (ebd.). 220 Vgl. dazu mit unterschiedlichen Schattierungen etwa Bringmann 1971, 105–110; Gigon 1973, 250–257; Patzig 1979, 253–260; Powell 2002; Schofield 2013, 74 f.; vgl. auch Gotter 1996c, 549–552. Es handelte sich bei Ciceros Unternehmen um den Versuch der Ausbildung einer lateinischen ›Fachsprache‹; vgl. dazu Krenkl 2003, 14 f. 221 Vgl. bes. Cic. fin. 5,86–95. 222 Zu Ciceros De officiis vgl. Süss 1965, 143–161; Bringmann 1971, 229–250; Heilmann 1982; Dyck 1996; Atkins 2000, 505–513; Lefèvre 2001; Ottmann 2002, 122–124; Fiori 2011;

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Schrift griff Cicero auf die Pointe seines zuvor in De finibus vorgenommenen Vermittlungsversuchs zwischen Stoa und Peripatos zurück, setzte nunmehr jedoch den Begriff des bonum zur Idee des vir bonus sowie seines personalen Gegenteils in Beziehung: »Und ebenso, wenn wir zur Ehrenhaftigkeit [honestas] geboren sind und diese entweder allein zu erstreben ist, wie es Zenon richtig scheint, oder wenigstens für ganz entschieden gewichtiger anzusehen ist als alles übrige – was Aristoteles meint – so ist notwendigerweise das, was ehrenvoll ist [quod honestum sit], entweder das alleinige oder allergrößte Gut (bonum), was aber gut ist [quod autem bonum], sicherlich nützlich; folglich alles, was ehrenvoll ist, nützlich ist [quicquid honestum, id utile]. Deshalb trennt die irrige Meinung nichtrechtschaffener Leute [homines non probi], wenn sie etwas, was nützlich schien, errafft hat, dies sogleich vom Ehrenvollen«.223 Vor diesem Hintergrund lässt sich insbesondere im dritten Buch der Schrift De officiis eine Theorie des vir bonus ausmachen  – eine Theorie, die jedoch nicht aus der Theorie heraus in die Praxis strahlte, sondern, wie Ciceros apodiktische Formulierungen erkennen lassen, vielmehr als normative Theorie aus der Praxis gewonnen war.224 Dabei wird die Theorie entlang eines personalen Gegensatzes entwickelt: Zunächst wird der sapiens, bonus, fortis vir dem Tyrannen gegenübergestellt;225 dann folgen die bereits erwähnten Ausführungen, die zum Ideal des vir bonus in der Schrift De officiis vgl. bes. Gärtner 2003, 251 f.; Fiori 2013, 36–38; zum decorum vgl. hier Connolly 2007, 169–175. 223 Vgl. Cic. off. 3,35 f. (Übers.: H. Gunermann): Itemque, si ad honestatem nati sumus ea­ que aut sola expetenda est, ut Zenoni visum est, aut certe omni pondere gravior habenda quam reliquia omnia, quod Aristoteli placet, necesse est, quod honestum sit, id esse aut solum aut summum bonum, quod autem bonum, id certe utile, ita, quicquid honestum, id utile. Quare error hominum non proborum, cum aliquid, quod utile visum est, arripuit, id continuo secernit ab honesto. Dazu vgl. Heilmann 1982, 59 f.; Lefèvre 2001, 149; 155. 224 Dazu vgl. beispielsweise Scholz 2006, 146; Connolly 2007, 161 f.; Laconi 2014. 225 Bezeichnenderweise leitet diese Gegenüberstellung zu einer Tyrannicidrechtfertigung über, die vermittels epidemiologisierender, bestialisierender und schließlich entmenschlichender Argumente vorgenommen wird; vgl. Cic. off. 3,31 f.: »Deshalb wird das Naturgesetz selbst, das den Nutzen der Menschen bewahrt und beschützt, in der Tat entscheiden, daß von einem untüchtigen und unnützen Menschen auf einen weisen, gutgesinnten und tapferen Mann die zum Leben notwendigen Dinge übertragen werden, der, falls er umkäme, viel dem Gemeinnutz entzöge. Nur sollte er sich bei dieser Güterübertragung so verhalten, daß er nicht aus Selbstüberschätzung oder Eigenliebe dies als Vorwand zum Unrecht nehme. So wird er immer seiner Verpflichtung nachkommen, in Sorge für den Nutzen seiner Mitmenschen und der von mir erwähnten menschlichen Gesellschaft. […] Wir haben ja keine Gemeinschaft mit Tyrannen, vielmehr die entschiedenste Trennung, und so ist es nicht gegen die Natur, den zu berauben – falls du es könntest –, den zu töten ehrenvoll ist, und es ist der ganze verderbliche und gottlose Menschenschlag aus der menschlichen Gemeinschaft zu verbannen. Denn wie manche Glieder amputiert werden, wenn sie selbst keine Durchblutung und gleichsam keinen Lebensatem mehr haben und den übrigen Körperteilen schaden, so ist diese Rohheit und Brutalität eines Tieres in der Gestalt eines Menschen von der – ich darf so sagen – allen in der Gemein-

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der Differenzierung zwischen dem vir bonus auf der einen und jedem beliebigem Verbrecher bis hin zum illegitimen Herrscher auf der anderen Seite dienen;226 und schließlich wird eine positive Definition des vir bonus eingeführt, die einerseits entlang der Unterscheidung von »wahre[n] und scheinbare[n] viri boni« erfolgt227 und den ›wahren‹ vir bonus andererseits in erster Linie als Negation des verbrecherischen Anderen erscheinen lässt: Der bonus handelt gut,228 denn es gelte die Regel, »daß ein gutgesinnter Mann [vir bonus] ist, wer nützt, dem er kann, niemanden schadet, außer, herausgefordert durch ein Unrecht«.229 Diese Vorstellung verweist implizit auch zurück auf die von Cicero ebenfalls in der Schrift De officiis entfaltete Theorie des ›gerechten (oder gerechtfertigten) Krieges‹ (bellum iustum), die in der von Andrea Keller zutreffend rekonstruierten Auffassung einmündeten, »there are two exceptions as to when war is legitimate: firstly, when one has suffered injustice and cannot resolve the conflict by debate and secondly, when one is capable of defending someone from injustice«.230 Würde diese Kriegskategorie innenpolitisch gewendet, wären die boni notwendig diejenigen, die das bellum iustum erklären könnten, weil sie am Ende über die Frage entscheiden, was gerecht ist und was ungerecht – und dabei schaft zukommenden Menschlichkeit zu verweisen« (= Itaque lex ipsa naturae, quae utilitatem hominum conservat et continet, decernet profecto, ut ab homine inerti atque inutili ad sapientem, bonum, fortem virum transferantur res ad vivendum necessariae, qui si occiderit, multum de communi utilitate detraxerit, modo hoc ita faciat, ut ne ipse de se bene existimans seseque diligens hanc causam habeat ad iniuriam. Ita semper officio fun­ getur utilitati consulens hominum et ei, quam saepe commemoro, humanae societati. […] Nulla est enim societas nobis cum tyrannis et potius summa distractio est, neque est contra naturam spoliare eum, si possis, quem est honestum necare, atque hoc omne genus pesti­ ferum atque impium ex hominum communitate exterminandum est. Etenim, ut membra quaedam amputantur, si et ipsa sanguine et tamquam spiritu carere coeperunt et nocent reliquis partibus corporis, sic ista in figura hominis feritas et immanitas beluae a communi tamquam humanitatis corpore segreganda est). Dazu vgl. Heilmann 1982, 91–93; Lefèvre 2001, 148–150; speziell zur Tyrannicidtheorie vgl. Boes 1990, 245; 250 f.; Turchetti 2001, 155; auch Lefèvre 2001, 149 f. Eckard Lefèvre geht ebd. 168 davon aus, dass Cicero »mit den viri boni zunächst […] die sittlich Handelnden gemeint« habe, jedoch »später nur noch von den Politikern die Rede ist«. 226 Vgl. Cic. off. 3,35 f.; vgl. dazu Lefèvre 2001, 154 f. Zur Charakterisierung der beiden Gruppen gehört noch der Hinweis auf eine Differenz entlang der Pole von angestrebter Sichtbarkeit beziehungsweise Unsichtbarkeit des Handels in Cic. off. 3,38: »Ehrenhaftigkeit wird von gutgesinnten Leuten gesucht, nicht aber Verborgenheit« (= honesta […] bonis viris, non occulta quaeruntur). 227 Lefèvre 2001, 169. 228 Vgl. dazu Cic. off. 3,70. 229 Cic. off. 3,76: eum virum bonum esse, qui prosit, quibus possit, noceat nemini nisi laces­ situs iniuria. Dazu vgl. Bringmann 1971, 240 f.; Heilmann 1982, 44–49; Lefèvre 2001, 169–172. 230 Keller 2012a, 22; vgl. die Belege zu Ciceros Vorstellung vom bellum iustum bes. in ebd. 15–22.

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immer die Seite des Gerechten einnehmen. Damit aber könnten die viri boni letzten Endes auch als einzige über die Bewertung von Kriegsursachen entscheiden. Mochte mit Blick auf äußere Kriege somit gelten, dass »Cicero’s objective was to limit wars«,231 so offenbart die innenpolitische Wendung solcher Vorstellungen, unter welchen Voraussetzungen Cicero innere Auseinandersetzungen für gerechtfertigt halten konnte. Und in der Tat verfuhr Cicero vor wie nach der Abfassung der Schrift De officiis nach diesem Grundschema: Gegen Catilina werde, hatte der Konsul in seiner zweiten Catilinarischen Rede proklamiert, ein bellum iustum geführt, weil Catilina spätestens seit dem Verlassen Roms unverkennbar und selbsterklärt ein äußerer Feind (hostis) sei.232 Der zu führende Krieg richte sich dabei zugleich gegen verbliebene Feinde im Innern der Gemeinschaft und sei mithin notwendig auch ein bellum domesticum.233 Verursacht worden sei der Krieg jedoch durch das Verhalten Catilinas und seiner Verbündeten; diese hätten den Krieg durch ihre negativen Handlungen und vor allem durch ihre bösen Absichten eröffnet.234 Dieses Argumentationsmuster und die zugehörigen Kriegsbegriffe lassen sich später auch in Ciceros Agitationen gegen M. Antonius wiederfinden.235 Seltsamerweise wirkten Ciceros philosophischen Bemühungen demnach nicht auf seine politische Semantik zurück. In Hinblick auf Ciceros Semantik asymmetrischer Gegenbegriffe bedeutet dies: Es waren also nicht auf einmal die mali, die gegen die boni stritten, sondern es blieb in seinen öffentlichen Äußerungen bei dem bewährten Gegensatz von boni und improbi. Dass die politische Semantik im Vorder- wie Hintergrund präsent blieb, jedoch bewusst nicht systematisch in die philosophische Sprache überführt wurde, verdeutlicht eine zentrale Passage, in welcher die praktische Theorie des vir bonus, wie sie in der Schrift De officiis enthalten ist, mitentfaltet wird: Dort wird einer am bo­ num orientierten positiv eingeschätzten Handlungsweise die negativ bewertete der homines non probi gegenübergestellt – damit aber die knappere und nahe­ liegendere, weniger komplizierte und inhaltlich wahrscheinlich völlig identische 231 232 233 234

So ebd. 28. Cic. Catil. 2,1; vgl. auch Cic. Catil. 2,27 zu Catilinas Anhängerschaft als hostes. Cic. Catil. 2,11; vgl. Cic. Catil. 2, 28. In Cic. Catil. 2,14 wird Manlius vorgeworfen, er habe bereits vor jedem Zusammengehen mit Catilina dem populus Romanus den Krieg erklärt. Bereits in der ersten Catilinarischen Rede hat Cicero Catilina dazu aufgefordert, auszuziehen, um seinen ›verbrecherischen und ruchlosen Krieg‹ zu führen (und Catilina damit gerade unterstellt, einen solchen im Sinn zu haben); vgl. Cic. Catil. 1,32: proficiscere ad impium bellum ac nefarium. 235 So wurde Antonius beispielsweise in der dritten Philippischen Rede als hostis bezeichnet (Cic. Phil. 3,14), der dazu infolge seiner eigenen Handlungen geworden sei (vgl. Cic. Phil. 3,21): Immerhin habe er ein bellum nefarium gegen die res publica initiiert (vgl. Cic. Phil. 3,1). Und in der dreizehnten Philippischen Rede ist dann sogar im Superlativ vom Kampf gegen Antonius als »gerechtesten aller Kriege« (Cic. Phil. 13,35: bellum ius­ tissimum) die Rede (vgl. dazu Clavadetscher-Thürlemann 1985, 183; Keller 2012b, 207).

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Rede von den improbi augenscheinlich bewusst umgangen.236 Vielleicht war der in De finibus gewonnene Unterschied zwischen der philosophischen und der politischen Semantik für Cicero selbst auf inhaltlicher Ebene nicht gravierend genug, um eine Änderung einzuleiten: Ob man nun den boni die mali entgegenstellt oder die improbi, macht im Grunde genommen für die damit verbundenen rhetorischen Zielsetzungen und die erwartbaren Effekte keinen signifikanten Unterschied aus. Wahrscheinlich war es für ihn deshalb in der politischen Rhetorik sinnvoller, bei einem etablierten, biographisch wie zeitgeschichtlich mit seiner Person verbundenen Gegensatzmodell zu verbleiben, anstatt seine Wortwahl noch einmal zu ändern und an seine philosophischen Begrifflichkeiten anzupassen. Aus diesem Grund scheint die Schrift De finibus erst nachfolgende Auseinandersetzungen semantisch geprägt zu haben.237 Insofern war Cicero auch in diesem Zusammenhang eindeutig Diskursivitätsbegründer, wobei wieder einmal erst langfristig gesehen der Philosoph Cicero über den Politiker Cicero triumphierte.

3.

Präsenz und Perspektiven: boni und mali bei Sallust

Weil Sallusts ideologischer Standpunkt nicht mit dem Ciceros identisch ist,238 weist auch seine politische Semantik bezeichnende Differenzen zu der Ciceros auf – obwohl ihre Pragmatik durchaus ähnlich ist.239 Dass etwa die Verwendung der Begriffe bonus und malus bei Sallust eine bewusste Entscheidung gegen das politische und für das philosophische Vokabular Ciceros war, wird deutlich, 236 Vgl. Cic. off. 3,35 f. 237 Dazu vgl. unten. 238 Zu Gemeinsamkeiten und Differenzen vgl. Pöschl 1940, 2; 110 f. (in der Grundthese veraltet, aber im Detail immer noch interessant); Steidler 1958, 14–16 und passim; Büchner 1967b, 22 f.; Schmal 2009, 51; exemplarisch: Knopf 2013; zu Sallusts (positivem?) Cicerobild Stone 1999. Fundamental ist die Beobachtung von Iris Samotta, dass Sallusts Geschichtsbild im Unterschied zu dem Ciceros einen »Gemeinschaftsanspruch ohne prophylaktische Ausgrenzung eines postulierten ›Staatsfeindes‹« aufwies und mithin »die von Cicero bevorzugte, subjektiv-moralisch begründete Legitimierung einer Rechtsbeugung salutis rei publicae causa ablehnt« (Samotta 2009, 402). Allerdings ist Sallusts politischer Standpunkt nicht unbedingt so eindeutig, wie er auf den ersten Blick erscheinen mag – oft ist die Identifizierung mehr oder weniger subtiler kritischer Brechungen auszumachen. Das gilt vor allem in Hinblick auf sein Verhältnis zur sogenannten popularen Ideologie, die er zu bevorzugen oder der er zumindest nahezustehen scheint; vgl. dazu beispielsweise Weische 1966, 53–54; Helleguarc’h 1967, 29; Zecchini 1998, 162 (»ein Reformwerk, darauf angelegt, zugleich traditionell und popular zu sein«); Mouritsen 2017, 124 f. 239 Vgl. dazu beispielsweise Helleguarc’h 1967, 29 (konkret zu den einzelnen Begriffen und Begriffsnetzen: ders. 1972 passim).

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wenn man exemplarisch Passagen aus Ciceros vierter Catilinarischer Rede mit einigen Redepassagen aus Sallusts Darstellung der sogenannten Catilinarischen Verschwörung vergleicht:240 In beiden Fällen wird auf einen Argumentationsstrang der Senatsdebatte vom 5. Dezember 63 v. Chr. verwiesen, nämlich auf die Frage, was mit Guten und Bösen nach ihrem Tod geschieht. Cicero nutzte zur Beschreibung der Negativseite die Bezeichnung inprobi [sic!],241 Sallust hingegen ließ seine Protagonisten vom Gegensatz von boni und mali sprechen. Im Fall des Historikers lassen sich Funktion und Bedeutung dieses Kategorienpaares exemplarisch an der Schrift über die sogenannte Catilinarische Verschwörung ermessen. Diese Schrift eröffnet zudem die Chance einer unmittelbaren Konfrontation mit Ciceros Modell des Jahres 63. Grundsätzlich spielen in Sallusts historischen Schriften kollektive Gegensätze ebenso wie personale eine zentrale Rolle:242 So werden beispielsweise in der Schrift über die Catilina240 Zum Folgenden vgl. Cic. Catil. 4,7 f. (»Silanus meint, wer uns allen, wer dem römischen Volk das Leben zu rauben, wer das Reich zu zerstören, wer den Namen des römischen Volkes auszulöschen versucht hat, der dürfe sich keinen Augenblick mehr des Lebens und der allen gemeinsamen Atemluft erfreuen, und hierbei erinnert er sich, daß diese Art von Strafe in unserem Staate oft über gewissenlose Bürger verhängt worden ist. Caesar berücksichtigt, daß die unsterblichen Götter den Tod nicht als Strafe, sondern als Notwendigkeit oder zur Ruhe von Mühsal und Elend eingerichtet haben. […] Deshalb hat man einst, damit den Gewissenlosen bei Lebzeiten ein Schreckbild vor Augen stehe, angenommen, derartige Strafen seien in der Unterwelt über die Frevler verhängt; denn offensichtlich erkannte man, daß ohne sie der Tod an sich nichts Furchtbares habe« = Alter eos, qui nos omnis[, qui populum Romanum] vita privare conati sunt, qui delere imperium, qui populi Romani nomen extinguere, punctum temporis frui vita et hoc communi spiritu non putat oportere atque hoc genus poenae saepe in inprobos civis in hac re publica esse usurpatum recordatur. Alter intellegit mortem ab dis inmortalibus non esse supplicii causa constitutam, sed aut necessitatem naturae aut laborum ac miseriarum quietem esse. […] Itaque ut aliqua in vita formido inprobis esset posita apud inferos eius modi quaedam illi antiqui supplicia impiis constituta esse voluerunt, quod videlicet intellegebant his remotis non esse mortem ipsam pertimescendam.) mit Sall. Catil. 51,20 (Caesar); 52,13 (Cato: »In guter und wohlgesetzter Rede hat Gaius Caesar eben vorhin in dieser Versammlung eine Erörterung über Leben und Tod geboten; vermutlich hält er das für einen Schwindel, was man von der Unterwelt berichtet: daß die Bösen da abgeschieden von den Guten ihre abscheulichen, verwahrlosten, gräßlichen, grauenvollen Stätten bewohnen« = Bene et conposite C. Caesar paulo ante in hoc ordine de vita et morte disseruit, credo falsa exis­ tumans ea, quae de inferis memorantur: divorso itinere malos a bonis loca taetra, inculta, foeda atque formidulosa habere). 241 Zwischen den Begriffen inprobus und improbus scheint es keine signifikante Differenz auf der Bedeutungsebene gegeben zu haben; vgl. ThlL VII .1 s.v. improbus, 689. 242 Zu deren Rekonstruktion geht es nicht nur um die Identifizierung eindeutiger Konfrontationen der Begriffe, sondern auch von Begriffen des Wortfeldes. Im narrativen Gesamtzusammenhang ist dabei auch die inhaltliche Gesamtkorrelation der Begriffe von Bedeutung  – und darüber hinaus natürlich die Bedeutungsgehalte, die sich aus dem gesamtgesellschaftlichen Umfeld des Autors erschließen lassen. Auf diese Weise kann Begriffsgeschichte an dieser Stelle nur als Historische Diskurssemantik praktiziert werden.

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rische Verschwörung den amici die inimici gegenübergestellt,243 den nobiles die homines novi,244 den machtgierigen, aristokratischen pauci das Volk und die guten Aristokraten245 und wenigstens in einem Hinweis auch den Popularen

243 In Sall. Catil. 34,2 spricht Sallust beispielsweise von der factio inimicorum Catilinas; in Sall. Catil. 49,2 erwähnt er eine Belastung Caesars aus einer inimicitia-Konstellation heraus und in Sall. Catil. 51,1 wiederum lässt er Caesar selbst die Forderung erheben, bei politischen Entscheidungen (positive) amicitia-Faktoren aus der Politik zu verbannen – ebenso wie den Gegenaffekt ›Hass‹ (odium). Vgl. zudem Sall. Catil. 6,4 f. (als außenpolitische Kategorie: amici); 10,5 (Sallust über amicitia und inimicitia); 16,4 (über Catilinas amici sociique); 19,1 (über die politische Nutzung eines inimicus des Pompeius); 26,4 (amici atque clientes als Leibgarde Ciceros); 61,8 f. (in den gleichzeitig Distanz und Differenz sowohl zwischen den Kriegsparteien wie den Akteuren und dem Erzähler einreißenden letzten Sätzen: »Von den vielen aber, die aus dem Lager zum Gaffen oder Beutemachen herbeigekommen waren, fanden die einen, wenn sie die Leichen der Gegner umdrehten, einen Freund, andere einen Gast oder Verwandten; es gab auch welche, die ihre persönlichen Feinde erkannten. So herrschten im ganzen Heer unterschiedlich Jubel und Trauer, Klage und Freude« = multi autem, qui e castris visundi aut spoliandi gratia processerant, volventes hostilia cadavera amicum alii, pars hospitem aut cognatum reperiebant; fuere item, qui inimicos suos cognoscerent. ita varie per omnem exercitum laetitia maeror, luctus atque gaudia agitabantur). 244 Vgl. bes. Sall. Catil. 23,6; vgl. zudem die Gegenüberstellung der entsprechenden Politikstile in Sall. Catil. 38,2 sowie Einzelnennungen in Sall. Catil. 43,2 (filii familiarum, quo­ rum ex nobilitate maxuma pars erat); 48,5 (Crassus als homo nobilis); 52,24 (nobilissumi cives). Vgl. Goldmann 2002, 60 sowie die jüngste Rekonstruktion von Henrik Mouritsen, der in Sallusts Narrativ populus und nobilitas einander gegenüberstehen sieht (Mouritsen 2017, 124), so dass schließlich, »Sallust, in sum, presents a society split between a powerful elite and an oppressed populus, whose interests some nobles claimed to champion – for a variety of motives but usually to their own enhancement. All invoked similar lofty ideals and values, but most were in reality guided by self-interest. The dissenting nobles and their factions carried no particular labels, for the simple reason, that they lacked the common characteristics which would have enabled such a categorisation. However, while ideological demarcations seem absent, socio-economic distinctions were important. Thus, ›new men‹ occupy a prominent position in Sallust’s vision of Roman politics and are frequently presented as the real ›opposition‹ to the nobles« (ebd. 126). 245 Über die potentia paucorum beklagt Sallust sich in Sall. Catil. 39,1 und 58,11 (dazu vgl. Petzold 1971, 604; vgl. Pöschl 1940, 3), kontrastiert dies aber durch die Erklärung in Sall. Catil. 53,4, dass paucorum civium egregiam virtutem cuncta patravisse, das heißt, »daß die außergewöhnliche Tüchtigkeit einiger Bürger alles[, was die res publica groß und ›gut‹ gemacht habe; M. N.] vollbracht hat«. Vgl. zudem Sall. Catil. 18,1 (»Übrigens hatte sich schon früher einmal eine kleine Gruppe, zu der auch Catilina gehörte, ebenfalls gegen den Staat verschworen« = Sed antea item coniuravere paucis contra rem publicam, in quis Catilina fuit); 20,7; 30,4 (»die Machenschaften einer kleinen Clique« = calumnia paucorum); zu Sallusts vorherrschend kritischer Verwendung des pauci-Begriffs vgl. Büchner 1960, 136 f.; 165; 223 f.; Bleicken 1962, 670 f.; ders., 1972, 222 f.; Hellegouarc’h 1972, 444 f.; Mouritsen 2017, 124. Zu den verwandten Gegensatzkonstruktionen in den Epistulae (Ps.-?)Sallusts vgl. Zecchini 1998, 155 f.; zu den in den Historiae und der Schrift über den Iugurthinischen Krieg vgl. Wiseman 2010, 38 f.

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die Optimaten.246 In diese Reihe gesellt sich auch der Gegensatz von boni und mali,247 der auch in den übrigen Geschichtswerken Sallusts eine wichtige Rolle spielt,248 jedoch bis heute in der altertumswissenschaftlichen Forschung als moralisches Kategorienpaar nicht nur identifiziert, sondern bewusst oder unbewusst auch abqualifiziert und als Element eines Erklärungsmodells historischer Prozesse zurückgewiesen worden ist.249 Dabei ist gerade dies die Pointe der moralischen Geschichtsschreibung: Sie nutzt wertende Kategorien, um analytische Beschreibungen um eine politische Wertungsdimension zu ergänzen und 246 Vgl. Sall. Catil. 38,3; vgl. dazu Drexler 1961, 97–99. Vgl. jedoch Mouritsen 2017, 123 f.; Tiersch 2018, 63 sowie Weische 1966, 54, wobei letzterer ebd. darauf hinweist, dass »bei Sallust ›optimates‹ ganz« »fehlt«. Vgl. auch zu den verwandten Gegensatzkonstruktionen in der zweiten Epistula (Ps.-?)Sallusts Zecchini 1998, 155 f. 247 Vgl. zur Rede von den mali: Sall. Catil. 3,5 (implizit: ab reliquorum mali moribus; vgl. auch 18,4; 37,7 f.); 5,1 (Catilinas Charakter war malus). Dazu vgl. auch Thome 1993, 62, die Sallust einen Sonderstatus bei der Verwendung des malus-Begriffs attestiert: »Bei ihm ist malus an einigen Stellen durchaus Leitbegriff für ein spezifisches Bösesein, es bedarf aber für diesen Einsatz offenkundig der Verbindung, um Eindeutigkeit zu erzielen« – etwa in Form einer Gegensatzbildung mit dem bonus-Begriff. Zu den boni in Sallusts Schrift über die Catilinarische Verschwörung siehe Sall. Catil. 3,2; 19,2; 20,7; 21,4; 33,4; zu den optimi (als verwandtem Begriff; vgl. zu diesem Zusammenhang Helleguarc’h 1972, 496 und passim) siehe exemplarisch Sall. Catil. 8,5. Explizit genutzt wird der Gegensatz von boni und mali in Sall. Catil. 7,2; 37,3 (mit einer möglicherweise ökonomischen Komponente des Gegensatzes von boni und mali: »denn in einem Staat blicken die Besitzlosen von jeher mit Neid auf die Gutgestellten, sie erheben die Schlechten« = nam semper in civitate, quibus opes nullae sunt, bonis invident, malos extollunt); 51,30 (boni gegen mali); 52,13; 52,22; vgl. dazu Sinko 1903, 253 und passim. Zum Handlungs- und Ereigniszusammenhang vgl. Sall. Catil. 11,4 (»trotz guter Anfänge ein schlimmes Ende« = bonis initiis malos eventus); 20,3 (Catilina über geteilte bona malaque als Merkmal der gemeinsamen Zukunft mit seinen Anhängern). Beispielsweise in Sall. Catil. 11,2 findet sich schließlich auch die verwandte Rede vom Gegensatz von boni und ignavi. 248 Vgl. die entsprechenden, zumeist personalen Gegensatzkonstruktionen in Sall. Iug. 10,6 (hier: Handlungsoptionen); 31,15; 31,27 f.; 64,1 (Eigenschaftsbegriff); 67,2 (wo der per­ sonenbezogene Gegensatz von boni malique erwähnt wird, der in 67,3 dann anhand eines Beispiels mit der inprobus-Eigenschaft verknüpft wird); vgl. außerdem Sall. hist. frg. M 1,12; 1,77,13. 249 So ist Dieter Flach 1985, 113 der Auffassung, Sallust habe »Catilinas Umsturzplan« auf die »seelische Verfassung« des ›Verschwörers‹ zurückgeführt  – eine »Fehlleistung« in Form einer »Verteufelung, die einem Gruselroman entlehnt sein könnte« und »deren Geschichtlichkeit allein das Gerücht verbürgte«. Vgl. beispielsweise Syme 1964, 131 f.; Weische 1966, 62–65; Christ 1981, 247; Christ 1982, 138–141; Schmal 2009, 47–51; dazu vgl. die differenzierte Perspektive bei Petzold 1971, 604 und die überzeugende Lesart bei Batstone 2010b. Die Einlösung der Forderung nach einer konsequenten »Analyse unterschiedlicher Rationalisierungen von Moralverfall in den einzelnen Dekadenzvorstellungen« römischer Autoren, die Rolf Rilinger 1982, 142 angemahnt hat, ist – trotz Biesinger 2016 – bis heute immer noch ein Desiderat: Hier besteht ein Problem bei der Übersetzung kultureller Semantik und Pragmatik. Vor diesem Hintergrund verdient mit Blick auf Sallust und andere lateinische Autoren vor allem die Beobachtung von Gabriele Thome 2000a, 138 Aufmerksamkeit, derzufolge von diesen Autoren »[g]riechische De-

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damit zugleich Vorstellungen vom moralisch richtigen und falschen Verhalten zu transportieren. Es ist konsequent, dass diese Art von Geschichtsschreibung zuvorderst edukative Ziele verfolgt – ein Telos, dem sich Sallust selbst verpflichtet fühlte.250 Die moralisch-politische Wertungsdimension wird in Sallusts Schrift über die Catilinarische Verschwörung anhand der Verwendung des Gegensatzpaares von bonus und malus klar ersichtlich, da diese von ihm nicht nur personalisiert, sondern auch adjektiviert oder in substantivischen Verallgemeinerungen verwendet werden: So fällt zunächst auf, dass das Adjektiv malus und das Substantiv malum im Kontext der Beschreibung des Zustandes der civitas oder der res publica, aber auch bei Charakterisierungen verwendet werden:251 Die politische Situation in Rom zur Zeit der sogenannten Catilinarischen Verschwörung wird als besonders erbärmlich (miserabilis) beschrieben.252 Das malum publicum,253 die vermeintlichen mali mores254 sowie insgesamt das revolutionäre malum255 sind nach Sallusts Auffassung Kennzeichen des Zeitalters. Danach nimmt die mit moralischen Begriffen durchgeführte Strukturanalyse eine Wendung ins Personale: Die Zeitgeschichte scheint durch den personalen Gegensatz von boni und mali charakterisiert, denn es sei grundsätzlich so, erklärt Sallust, dass es zu einer dergestalt ›revolutionären‹ Situation wie der Catilinarischen Verschwö-

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pravationsthesen (Hesiod, Thukydides, Polybios, Poseidonios) […] aufgegriffen und mit kollektivem Schuldgefühl verbunden [worden sind; M. N.], d. h. der einzelne macht sich als Mitglied der Gemeinschaft zu deren Sprecher wie Ankläger«. Vgl. Sall. Catil. 3 f.; vgl. auch Sall. Iug. 4,1–4; vgl. dazu Syme 1964, 43–45; 81; Mehl 2001, 78 f.; Ottmann 2002, 147 f.; Mutschler 2003a, 281; ders. 2003b, 48; Schmal 2009, 21–23; 118. Vgl. zum in diesem Kontext relevanten Begriff des verum bei Sallust vgl. Büchner 1963; ders. 1967a. Schmal 2002, 93 geht sogar davon aus, dass Sallust nicht nur einen »pädagogischen Anspruch« erhob, sondern ihn zu einen »geradezu missionarischen Anspruch« steigerte, wobei dieser »in Verbindung mit seiner oppositionellen Haltung und dem damit suggerierten Blick von außen noch besonderes Gewicht gewinnt«. Diese Haltung Sallusts leitet Schmal aus einem mit dem römischen Historiker verbundenen, biographisch inszenierten historiographischen »Bruch« ab: »War für Cato (und seine Nachfolger) die Geschichtsschreibung untrennbar mit der Politik und den eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet positiv verbunden, so setzt Sallust die Historiographie nun gegen die Politik, da er sich von letzterer abgewandt hat«. Die Rede vom malum findet sich beispielsweise in Sall. Catil. 37,11; 40,2; die vom bonum beispielsweise in Sall. Catil. 9,1; die vom bonum und malum in Sall. Catil. 21,1; die von boni und mali in Sall. Catil. 37,3; die von einer als malus bewerteten Situation etwa in Sall. Catil. 40,3. Vgl. zum Koppelgebrauch der adjektivischen Eigenschaften auch Sall. Catil. 51,27 in der Rede Catos: »Alle schlechten Verfahrensweisen sind einmal aus guten Ansätzen hervorgegangen« (= omnia mala exempla ex rebus bonis orta sunt). Vgl. Sall. Catil. 36,4–39,5; Zitat Sall. Catil. 36,4. Sall. Catil. 37, 7. Sall. Catil. 3,5; 18,4; 37,8; 52,10 (in letzteren Fall allerdings als Gegensatzmodell: bonisne an malis moribus vivamus). Sall. Catil. 37,11.

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rung nur kommen konnte, weil »in einem Staat […] die Besitzlosen [quibus opes nullae sunt] von jeher mit Neid auf die Gutgestellten [boni] [blicken; M. N.], sie erheben die Schlechten [mali]«.256 Sullas Wirken wird dann als (eine entscheidende) Wasserscheide ausgemacht: Alles sei geschehen, »[n]achdem aber Lucius Sulla die Macht im Staat mit Waffengewalt an sich gebracht und trotz guter Anfänge ein schlimmes Ende gehabt hatte [bonis initiis malos eventus habuit]«.257 Catilinas durch diese Zeitumstände mitgeformter Charakter wiederum wird als ingenium malum pravumque beschrieben.258 Darüber hinaus taucht ganz am Anfang der Schrift im Rahmen der Selbstvorstellung Sallusts die Behauptung auf, der Autor habe seine Tätigkeit als Politiker der mali mores reliquorum wegen aufgeben müssen.259 Hier zeigt sich etwas Bemerkenswertes: Letztlich ist auch der Autor selbst nicht unberührt geblieben von Effekten, die er negativ mit Kategorien aus dem malus-Wortfeld beschreibt und bewertet. Vor diesem diagnostischen Hintergrund nimmt es schließlich nicht Wunder, dass Sallust selbst als Erzähler-Ich auf Begriffe des Wortfeldes und insbesondere auch auf die personalisierten Fassungen der Kategorien von boni und mali als analytische Kategorien rekurriert;260 die Existenz dieser Gruppen erscheint als Symptom oder sogar als Ursache eines entsprechenden positiven beziehungsweise negativen Zustandes der Gemeinschaft. Das überschneidet sich auf den ersten Blick mit Perzeptionen und Vorstellungen Ciceros, der sich verschiedentlich als Opfer der Umtriebe der improbi gesehen und dargestellt hat; doch im Unterschied zu Cicero dominiert bei Sallust mit Blick auf seinen per-

256 Sall. Catil. 37,3: semper in civitate, quibus opes nullae sunt, bonis invident, malos extol­ lunt. In diesem Punkt weist der bonus-Begriff die von Hellegouarc’h 1972, 491 postulierte ökonomische Konnotation auf; dazu vgl. oben, Anm. 134. Die Passage lässt zwei Deutungen zu: Zum einen könnte man die Besitzlosen mit den mali identifizieren und dieser Gruppe die boni entgegenstellen; dem steht allerdings entgegen, dass eine gewisse Abhängigkeit des Zustandes der boni wie der mali von dem Verhalten der Besitzlosen behauptet wird. Das würde nur Sinn machen, wenn Besitzlose und mali nicht identisch wären. Wahrscheinlicher ist, dass es sich um drei Gruppen handeln sollte, wobei sich die Besitzlosen mit den mali (möglicher Weise vielleicht sogar mit den boni) überschneiden konnten, es aber nicht mussten: Beide Gruppen wurden vielmehr auf unterschiedlichen Ebenen konstituiert – die Besitzlosen sind eine sozialökonomisch, boni und mali hingegen moralanthropologisch fundierte Gruppen. Vgl. oben, Anm. 247. 257 Sall. Catil. 11,4: Sed postquam L. Sulla armis recepta re publica bonis initiis malos eventus habuit. Zu dieser »Zäsur« vgl. Kierdorf 2003, 72. 258 Sall. Catil. 5,1. 259 Nach Sall. Catil. 3,5. 260 Vgl. die Kontrastierungen in Sall. Catil. 37,3 (Reiche vs. Arme; boni vs. mali). Vgl. zudem etwa Sall. Catil. 3,2 (Geschichtsschreibung dient der Erinnerung an die boni); 3,5 (implizit: »obwohl ich mit dem schlechten Wandel der übrigen innerlich nicht einverstanden war« = quom ab reliquorum malis moribus dissentirem); 4,1 f. (adjektivisch); 11,4 (bonis initiis malos eventus).

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sönlichen Fall die Anklage der Umstände, nicht die von Personen – wenngleich auch er davon ausging, dass die Zeitumstände auch das Produkt des Handelns bestimmter (negativer) Einzelpersonen sind. Die eigentliche Besonderheit des Begriffsgebrauchs Sallusts aber ist, dass dieselben Kategorien, welche der Autor selbst als Kategorien für seine Analyse nutzt, auch von seinen Figuren in ihren Reden verwendet werden – und zwar von Catilina über Caesar bis hin zu Cato:261 In deren Reden und der berühmten Synkrisis der beiden letztgenannten nimmt dieser Gegensatz als Abstraktionsmittel für die personale Konstellation eine zentrale Rolle ein.262 Wie vielseitig anwendbar diese Kategorien waren, verdeutlicht exemplarisch der Umstand, dass Sallust seinen Catilina in einer Rede behaupten lässt, er und die Seinen repräsentierten die boni,263 um kurz darauf selbst als Erzähler in einem Kommentar zu behaupten, Catilina habe im weiteren Verlauf dieser Rede eine von Sallust als 261 Zu Catilinas Rede siehe unten mit Anm. 257; 259; zu seinen Reden vgl. auch Batstone 2010a. Catilina bezeichnet in Sall. Catil. 20,7 seine eigene Gruppe in direkter Rede als die der boni (vgl. aber auch die bezeichnenderweise nunmehr in indirekter Rede vorgenommene Erklärung, Catilina sei dann im weiteren Verlauf seiner Rede »mit Schmähworten über alle Gutgesinnten her(gefallen)« [Sall. Catil. 21,4: maledictis increpabat omnis bonis]). In ähnlicher Weise spricht C. Manlius von der eigenen Gruppe als der der boni; siehe Sall. Catil. 33,4; zu bonum und malum in Catos Rede siehe Sall. Catil. 52,10 sowie zu boni und mali Sall. Catil. 52,13 und 52,22; zu bonum und malum in Caesars Rede siehe Sall. Catil. 51,27 und zu boni und mali Sall. Catil. 51,30. In der zusammenführenden Bewertung in Sall. Catil. 54,6 schließlich wird Cato als jemand bezeichnet, der »lieber gut sein als gut scheinen« wollte (esse quam videri bonus malebat). Zu den Reden und zur Synkrisis vgl. beispielsweise Steidle 1958, 23–30; Büchner 1960, 168–181; Syme 1964, 100–116; Büchner 1967b, 17–21; Drexler 1970, 66–71; Pöschl 1970; Büchner 1976; Mitchell 1971, 56 f.; Becker 1973, 731–737; Flach 1985, 113–115; Goar 1987, 18–21; Bat­ stone 1988; Christ 1994b, 65–69; Drummond 1995; Zecchini 1998, 162–165; Stone 1999, 75 f.; Ottmann 2002, 150–153; Schmal 2009, 39–42; Batstone 2010b, 56 f. und passim; Hammer 2014, 161–165; zum Geschehen am 5. Dezember 63 v. Chr. selbst vgl. auch Cic. Att. 12,23(21),1. 262 Vgl. Caesar in Sall. Catil. 51,31 (mit der Erklärung, die Tötung der Catilinarier wäre ein exemplum, das sich gegen boni und mali richten könne); Cato in Sall. Catil. 52,10 (»Nun geht es nicht darum, ob wir sittlich gut oder schlecht leben« = nunc vero non id agitur, bonisne an malis moribus vivamus); 52,13 (boni und mali haben unterschiedliche postmortale Perspektiven); 52,22 (es gibt einen Unterschied zwischen boni und mali). Klar war dabei, dass Catilina und die Seinen die mali, der Senat und seine Gefolgschaft hingegen die boni repräsentieren sollten. Vgl. Sall. Catil. 20,3 und auch Sall. Catil. 48,4 wo im Zusammenhang mit der Paraphrase eines Berichts von Catilinas Mitverschwörer (?) L. Tarquinius behauptet wird, im ›Verschwörerkreis‹ seien Aussagen gemacht worden »über die Ermordung der Gutgesinnten, über den Anmarsch der Feinde« (de caede bonorum, de itinere hostium). 263 Sall. Catil. 20,7. Zur (freilich nur selten zutage tretenden Ambivalenz) der Charakterisierung Catilinas durch Sallust siehe die positive Erklärung, dass Catilina in seiner letzten Schlacht »die Pflichten eines tüchtigen Soldaten und eines guten Feldherrn zugleich« erfüllt habe (Sall. Catil. 60,4: strenui militis et boni imperatoris officia simul exequebatur).

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boni bezeichnete Personengruppe (weiter) verunglimpft.264 Der boni-Begriff fungiert also sowohl für die Binnenkommunikation und Selbstdarstellung der unterschiedlichen Personengruppen als Integrationsbegriff wie auch zugleich als eine grundsätzliche analytische Kategorie des Historikers. Zentrale Elemente dieser Vorstellung führen konzeptuell zurück zu Thukydides: Dessen Geschichtswerk hatte Sallust die Annahme einer Beschädigung der Sprache entlehnt; wie in Thukydides’ Werk ist diese Beobachtung auch Teil von Sallusts Pathologie einer Krisenzeit.265 Aber weder Thukydides noch Sallust vollzogen eine Wendung ins Selbstreflexive. Vielmehr offenbart die Analyse der Semantiken der Reden und ihrer eigenen analytischen Passagen in ihren 264 Unmittelbar im Anschluss an Catilinas Rede in Sall. Catil. 20,2–17 bezeichnet Sallust die Anhänger Catilinas als »die Leute, die alle Übel in Fülle, aber keine gute Gegenwart und keine gute Zukunftshoffnung hatten« (Sall. Catil. 21,1: homines, quibus male abunde omnia erant, sed neque res neque spes bona ulla); in Sall. Catil. 21,4 erklärt er dann, dass Catilina im weiteren Verlauf seiner Agitation »mit Schmähworten über alle Gutgesinnten her[gefallen]« (ad hoc maledictis increpabat omnis bonos) sei. 265 Vgl. einerseits Thuk. 3,82,4. Dazu vgl. Müri 1969; Wilson 1982 (bes. 19: »What changed was men’s use of the available descriptions: they abandoned the usual ones and adopted others, because they wanted to make different value-judgements about the phenomena described.«); Worthington 1982 sowie mit weiterführender Literatur: Hornblower 1991– 2008, Bd. I, 483 (bes.: »The point […] is not that the meanings of words actually changed […], but that the use which people made of the available descriptions changed as their evaluation of the relevant actions changed.«); Orwin 1988, 834 f. (»newspeak is a discovery of Thucydides. Indeed he presents it in an even more terrifying light: not as something imposed from above, but as altogether spontaneous, an authentic voice from out of the political whirlwind«; zu den Grenzen der Analogie vgl. Hornblower 1991–2008, Bd. I, 483); eigensinnig: Loraux 1986; zu möglichen Vorläufern und geistesgeschichtlichen Hintergründen der Überlegungen Thukydides’ zu den Transformationen politischer Semantik vgl. Müri 1969, 70–73. Vgl. andererseits Sall. Catil. 38,3 f. (als Teil der Epochencharakterisierung Sallusts: »Denn, um mit wenigen Worten die Wahrheit auszusprechen: alle, die seit jener Zeit politische Agitation treiben, taten das mit trefflichen Schlagworten, die einen, als wollten sie die Rechte des Volkes verteidigen, andere, um den Einfluß des Senats möglichst zu stärken; sie schützten das Allgemeinwohl vor, jeder kämpfte aber für seine eigene Macht. Bei der Auseinandersetzung kannte man weder Maß noch Ziel; kaltblütig suchten beide Gruppen ihren Sieg auszunutzen« = namque, uti paucis verum absolvam, post illa tempora quicumque rem publicam agitavere, honestis nominibus, alii sicuti populi iura defenderent, pars, quo senatus auctoritas maxuma foret, bonum publicum simulantes pro sua quisque potentia certabant. neque illis modestia neque modus conten­ tionis erat: utrique victoriam crudeliter exercebant; dazu vgl. Ramsey 1988, 165); vgl. auch Sall. Catil. 52,11 (ein Teil der Kritik des jüngeren Cato an Caesar in dessen Rede im Rahmen von Sallusts rednerischer Gegenüberstellung Catos mit Caesar). Zur letztgenannten Passage sowie grundsätzlich zu Sallusts Kritik der politischen Sprache und seinem Verhältnis zu Thukydides in diesem Punkt vgl. beispielsweise Pöschl 1940, 4–9; Steidle 1958, 26; Büchner 1960, 336 f.; Syme 1964, 113, 248–251; Becker 1967, 6; Pöschl 1970, 85–107; Becker 1973, 737 f.; Ramsey 1988, 208; Schmal 2009, 149; Batstone 2010b, 46–51 und passim; Hammer 2014, 157–161; 165. Hammer ist sogar grundsätzlich der Auffassung, Sallusts Darstellung der »Catilinarian conspiracy is a study in false words« (ebd., S. 219).

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Geschichtswerken, dass sie und ihre Protagonisten auf dasselbe politisch-soziale Vokabular zurückgriffen: Es gibt keine Differenz zwischen den Leitkategorien der analytischen und der erzählerischen Passagen.266 Die Unterschiede zwischen beiden Autoren wiederum sind dessen ungeachtet weitreichend, weil sie ihre leitenden Begriffe aus divergierenden semantischen Bezugswelten gewannen: Thukydides versuchte sich gleichsam an einer Historischen Soziologie und fokussierte sich auf die soziale, Sallust hingegen verwies auf die moralische Weltdimension. Für Sallust erfüllten seine Moralkategorien mehrere Funktionen: Sie entsprechen der Semantik seiner Protagonisten und sind zugleich seine Reflexionskategorien; sie beschrieben die Welt ebenso wie einzelne Personen oder ganze Gruppen. Das Inklusionsschema asymmetrischer Gegenbegriffe im Kontext semantischer Kämpfe ist dabei leicht erkennbar: Die boni sind die jeweils eigene Gruppierung; die mali die negativen Anderen. Ihre absolute Verworfenheit delegitimiert die mali vollständig; so wird zuletzt ihre Tötung gerechtfertigt.267 Dazu werden sie auch rechtlich aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Mit anachronistischen, aber in der Sache vielleicht doch gerechtfertigten, weil analytisch hilfreichen Begriffen lässt sich festhalten, dass die Annahme der Identifizierung der mali durch den im schmittschen Sinne souveränen Senat nicht nur die soziale Position der sogenannten Verschwörer vernichtete;268 vielmehr leitete 266 Dabei könnte es sich auch um ein Problem handeln, für das zeitgeschichtliche Darstellungen grundsätzlich in besonderem Maße anfällig sind. Zum geteilten Begriffshaushalt von Erzähler und Protagonisten vgl. für Sallust oben (mit Anm. 256–260). Für Thukydides siehe exemplarisch den in der thukydideischen Dialektik der Kategorien ›(gewalthafter) Macht‹ (δύναμις) und ›Furcht‹ (φόβος) angelegten, handlungstreibenden semantischen Faden, der eine wesentliche Komponente der von Thuykdides herausgestellten anthropologischen Wiederholungsstrukturen (dazu vgl. Thuk. 1,22,4) ist. Verdeutlichen lässt sich dies exemplarisch bereits anhand einiger Abschnitte des ersten Viertels des ersten Buches des thukydideischen Geschichtswerkes: Bereits für die Konflikte, die in der sogenannten Archäologie (Thuk. 1,1,1–1,23,3) erwähnt werden, ist Macht ein wesentlicher Triebfaktor (vgl. die narrativen Einbettungen der Begriffe des engeren Wortfeldes in Thuk. 1,2,4; 1,2,6; 1,5,5; 1,8,3; 1,9,2; 1,10,2 f.; 1,11,1; 1,13,5; 1,14,1; 1,18,2; zur Furcht vgl. Thuk. 1,9,2 f.; [1,17]; 1,23,6). Exemplifiziert werden kann der Zusammenfall von analytischen Kategorien und zeitgenössischer Semantik in den Reden bereits an der Auseinandersetzung um Kerkyra. Dort wird das Zusammenspiel von Macht und Furcht von Thukydides als handlungstreibendes Moment ersichtlich, wobei sich die entscheidenden Kategorien (oder wenigstens Begriffe aus dem engeren Wortfeld, ganz zu schweigen von konzeptuellen Bezugnahmen) sowohl in Thuykdides’ eigener Darstellung (vgl. Thuk. 1,24,3 f.; 1,25,4; 1,31,2) wie auch in den Reden, die er die Konfliktparteien vortragen lässt (vgl. Thuk. 1,22,1; 1,32,5; 1,33,3; 1,36,1; 1,44), auffinden lassen. 267 Christoph Lundgreen hat demonstriert, dass es in Sallusts Erzählung nicht allein um eine rechtliche, sondern vielmehr vorrangig um eine legitimatorische Frage geht; vgl. Lundgreen 2012. 268 Vgl. Schmitt 1922, 13 f.; dazu Agamben 2003, 7 f.; 11; 33; 40–51; 103 f.

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dieser Vorgang die Beendigung ihrer Leben ein. Angesichts dieses Geschehens tritt in den Hintergrund, dass Sallust in seiner Erzählung eine kategoriale Perspektiveneinebnung vornimmt: Sowohl er als Autor wie auch jede Gruppe oder Einzelperson, von der er erzählt, können diese Kategorien gleichermaßen verwenden – und sie alle wissen, was gemeint ist. Boni und mali erscheinen demnach als allgemein verfügbare und präsente Metakategorien; sie sind universal zugängige Kategorien, die aufgrund ihres moralischen Grundcharakters beliebig adaptiert werden können. Am Beispiel dieser Gegensatzbildung Sallusts lässt sich auch das Problem dieser asymmetrischen Gegenbegriffe und ihres semantischen Extremismus verdeutlichen: Solche Kategorien können nicht multiperspektivisch verwendet werden; die zugrundeliegenden Moralunterscheidungen basieren auf einem polarisierten Richtig-/Falsch-, Gut-/Böse-Schema. Sie benötigen  – anders als beispielsweise die soziologisch-anthropologische Konzeption des Thukydides – für ihr Funktionieren immer einen Gegenbegriff, da sie isoliert ihre Relevanz und Brisanz einbüßen. Aus diesem Grund wird die Möglichkeit, moralische Kategorien der Politik und des Politischen als Mittel zur Vermittlung in der Strukturkrise zu nutzen, notwendig vertan: Antagonistisch angelegte Moralkategorien wirken zwingend polarisierend und der ihnen inhärente semantische Extremismus kann die Motivationskrise nur verschärfen. Diese Krisentendenz wirkt in die Lebenswelt hinein, erodiert deren kulturelle Grundlagen und blockiert auf diese Weise die Möglichkeit, mit den hergebrachten Semantiken die Probleme der Legitimations- und Rationalitätskrise begreifen und kooperativ lösen zu können. Insofern könnte die oft betonte Umdeutung und Umwertung anderer bestehender Begriffe, die in augusteischer Zeit vorgenommen wurde (beziehungsweise sich vollzog), auch dem Versuch gedient zu haben, diesem negativen Phänomen der Motivationskrise zu begegnen. Dies wird insbesondere an Begriffen deutlich, die unmittelbar auf soziale Bereiche zurückbezogen waren, die infolge der Systemtransformation Wandlungsprozessen ausgesetzt gewesen sind. Einige Beispiele können dies verdeutlichen: – Infolge der Auffächerung möglicher ›Prominenzrollen‹269 für aristokratische Lebensentwürfe, die sich im Übergang von der Republik zum Prinzipat vollzog,270 veränderte sich die Bewertung des otium-Begriffs; es entstanden Optionen legitimer Lebensgestaltung, die gerade auf Muße basierten – und schließlich infolge einer seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. auszumachenden, sich gegen Ende der Republik beschleunigenden »Intellektualisierung der politi-

269 Zum Konzept der Prominenzrollen vgl. Hölkeskamp 2011. 270 Vgl. Stein-Hölkeskamp 2003; dies. 2011.

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schen Kultur« (Peter Scholz) neben die Vorstellung vom Ideal des politisch tätigen Aristokraten traten.271 – Roman Lapyrionok nimmt an,272 dass der factio-Begriff in der späten Repu­ blik (auch) verwendet worden sei, um die eigene Gemeinschaft zu beschreiben, während der Begriff im Prinzipat vorrangig eine illegitime Teilgruppe bezeichnete. Den Hintergrund dieser semantischen Transformation bildeten Wandlungen der politischen Gruppenbildung in der Aristokratie in der späten römischen Republik. – Der libertas-Begriff erlangte, wie Chaim Wirszubski bereits 1950 gezeigt hat,273 im Übergang zum Prinzipat eine sarkastische Komponente – zumindest, sofern es der Prinzeps war, der sich auf ›Freiheit‹ bezog: Er war unfähig, in seiner Freiheitspropaganda mit dem libertas-Begriff das radikal individualistische aristokratische Freiheitsverständnis wiederzugeben, das noch den inneraristokratischen Diskurs der späten Republik bestimmt hatte. Angesichts der Suprematie des Herrschers und der dadurch innerhalb der Aristokratie bestehenden Machtasymmetrie zerbrach das Primat hergebrachter Kopplungen von Konzepten wie dignitas und libertas; sie wurde durch Verbindungen wie die von libertas und pax ergänzt. Aus solchen Beobachtungen zum Verhältnis von Semantik und Motivationskrise folgt methodologisch zweierlei: Erstens, dass es zweifelhaft ist, Kategorien wie die Gegensätze von boni und mali (oder boni und improbi) vorrangig soziologisch verstehen zu wollen. Stattdessen müssen sie primär als Teil eines kultursemantischen Codes aufgefasst werden: Die jeweils eigene Parteiung ist die der boni, unabhängig von ihrer sozialen Mixtur; die mali sind immer die feindlichen Anderen, unabhängig von ihrer sozialen Struktur. Dieses Gegensatzpaar kann deshalb in Gänze nur kulturgeschichtlich, nicht allein sozialgeschichtlich erschlossen werden. Natürlich schließt dies soziologische Affizierungen nicht aus  – ist die eigene Bezugsgruppe innerhalb der Lebenswelt die der Reichen, so wird auch die Gruppe der ›Guten‹ mit größerer Wahrscheinlichkeit und Selbstverständlichkeit als reich beschrieben werden. Zweitens aber lässt sich der multiperspektivische Gebrauch dieses Begriffspaares auch aus dem Text heraus 271 Scholz 2007, 25; vgl. ders. 2006, 137–148. Vgl. zur Semantik Fechner – Scholz 2002, 124; 135 f.; 137; 140; 144 f.; zum Rollenwandel vgl. auch Scholz 2004, 25 f.; ders. 2006, 144; ders. 2007, 27. 272 Zum Nachfolgenden vgl. Lapyrionok 2008, 38 f.; vgl. zum factio-Begriff jedoch auch Hellegouarc’h 1972, 99–109; 114 f. 273 Vgl. Wirszubski 1950; zur Transformation des Freiheitsbegriffs vgl. darüber hinaus und weiterführend auch Kunkel 1958, 85 f.; 89 f. und passim; Bleicken 1962; ders. 1972; Hellegouarc’h 1972, 542–559; Bleicken 1976; Tiersch 2015. Vgl. auch Arena 2012 mit der Kritik von Walter 2017b, 194.

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lösen und – vorsichtig! – als Indikator für den gesellschaftlichen Gebrauch dieser Begriffe in der römischen Republik auffassen. Dann verdeutlicht gerade das Beispiel des Begriffsgebrauchs bei Sallust, dass die Oppositionsbegriffe boni und mali außerhalb des Textes allen Gruppen zur Verfügung standen, gerade weil sie als grundständig moralische Begriffe in der Lebenswelt der späten römischen Republik prinzipiell für jeden präsent waren – das gilt zumindest für die Öffentlichkeit, das heißt: jene schmale Oberschicht, deren Semantik allein sich in diesen Schriftzeugnissen erhalten hat.274 274 Vgl. zur Kategorie der literarischen Öffentlichkeit allerdings die äußerst kritische Perspektive von Eich 2000; vgl. demgegenüber die Identifizierung von »Räumen literarischer Kommunikation« durch Rüpke 2000, 32 f. sowie die Überlegungen zur ›Topographie literarischer Kommunikation‹ durch Heil 2003. Grundsätzlich zur Frage der Anwendbarkeit des modernen Begriffs der ›Öffentlichkeit‹ auf Phänomene der Kommunikationsbeziehungen im antiken Rom vgl. bspw. Imhof 2012; Kuhn 2012, 15–20 (bes. 15, derzufolge der Öffentlichkeitsbegriff in den Altertumswissenschaften »teils intuitiv als selbstverständlich vorausgesetzt, teils kritisch und mit Vorbehalten verwendet« wird). Vgl. zur informellen – auch Herabsetzungen einschließenden (vgl. Arena 2007, 156 f.) – Dimension der (politischen) Öffentlichkeit in Rom: Rosillo-López 2017; dies. 2018; dazu Walter 2017b, 209; 218 f. Für den Bereich der ›literarischen Öffentlichkeit‹ ist von besonderer Bedeutung, dass gerade die Angehörigen der ›Oberschicht‹ als diejenigen, an die Veröffentlichungen primär adressiert waren, die sie vervielfältigen und verbreiten lassen konnten und die Publikationen vornehmlich rezipierten (vgl. Heil 2003, bes. 8–10), auch die maßgeblichen politischen Akteure waren. Vgl. exemplarisch zur Adressierung und Verbreitung von Ciceros Schriften Murphy 1998; zur ›technisch-buchhandlerischen‹ Seite bereits Sommer 1926. Die Fokussierung auf die Aristokratie hing natürlich auch damit zusammen, dass, einer zutreffenden Beobachtung Christian Meiers zufolge in Rom, galt, »[w]er Politik trieb, gehörte zum Adel, und wer zum Adel gehörte, trieb Politik« (Meier 1966/1980, 47). Aufschlussreich sind zudem die überlieferten sprachlichen Äußerungen aus den Kontaktbereichen zwischen der aristokratischen Führungsschicht und dem weiteren Volk, wie sie beispielsweise in Ciceros Volksreden vorliegen. Ein Vergleich mit Ciceros Senatsreden zeigt, dass es dabei andere sprachliche Schwerpunktsetzungen und vor allem andere Motivdeutungen gab (vgl. bereits die – allerdings massenpsychologisch ausgerichtete und mithin unzulängliche – Untersuchung von Mack 1937 sowie Bücher 2006, 228–257). Für das letztgenannte Phänomen ist sicherlich der nach Publica differenzierte Umgang mit den Gracchen ein hervorstechendes Beispiel (vgl. van der Blom 2010, 104 mit weiterführender Literatur in Anm. 98). Zum »regelmäßige[n] Personal der zentralen Institutionen: Senat, Gerichte und Volksversammlungen« als Adressaten der unterschiedlichen Reden in der römischen Republik sowie zu den mit ihnen jeweils verbundenen »Arenen« vgl. Hölkeskamp 1995/2004, 231 f. und passim (Zitate 231) sowie Pina Polo 1995; Jehne 2000b; Morstein-Marx 2004; Alexander 2007; David 2010; Jehne 2011b; van der Blom 2017; Walter 2017b, 74 f.; 218 und die entsprechenden, noch nicht angeführten Beiträge in van der Blom – Steel 2013 und van der Blom – Gray – Steel 2018. Martin Jehne 2019, 46–53 hat jüngst vorgeschlagen, sogenannte »Populararenen« funktional von den anderen ›Arenen‹ zu unterscheiden. Dabei handelte es sich Jehne zufolge um die Volksversammlungen, das Theater und den Wahlkampf. Die Populararenen wären demnach institutionalisierte Räume, »in denen das Volk als ein Kollektiv präsent war, das als der populus Romanus galt«. Daraus folgte, dass, »[w]enn das Volk durch die Arenaregeln zur Inkarnation des Gemeinswesens wurde«, »es zwar kritisiert, aber nicht

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Problematisch bleibt, dass diese Semantik theoretisch wechselseitig zuschreib­ bar war, sie aufgrund ihrer asymmetrischen Gegensatzfigur jedoch praktisch keinerlei Vermittlungs- und mithin auch kein Konfliktlösungspotential barg. Der Beitrag der Motivationskrise zur Strukturkrise der späten römischen Republik tritt folglich anhand von Sallusts analytischer Semantik und Pragmatik noch deutlicher zutage als an der des politischen Praktikers Ciceros: Der semantische Extremismus und hierin vor allem die Sprachfigur der asymmetrischen Gegenbegriffe bilden eines jener Elemente, welche den Zeitgenossen die Krise der späten römischen Republik im meierschen Sinne als ›Krise ohne Alternative‹ erscheinen ließen – sie konnten auf Grundlage dieser Semantiken schlichtweg keine Alternative formulieren, weil ihnen aufgrund der extremen Aufladung der politischen Semantik im Voraus immer schon die Chance zur sprachlichen Vermittlung genommen war. Wie aber konnte nun ein Ausweg aus dieser Blockade gefunden werden?

IV. Der Kaiser als Erlöser: boni und mali bei Velleius Paterculus Das vorläufige Ende der von Cicero neu angelegten, weil praktisch ins Extrem gesteigerten semantischen Spur der krassen Gegensatzmodelle in der politischen Sprache der späten römischen Republik bildet deren Invisibilisierung im Übergang vom ersten Jahrhundert v. zum ersten Jahrhundert n. Chr. während der augusteischen Ära. Damit gerieten die Antagonismen von boni und improbi, boni und mali erst einmal in den Hintergrund, ohne freilich gänzlich zu verschwinden. Natürlich finden sich wiederholt Bildungen von Gegensätzen, die auch einen asymmetrischen Charakter annehmen können; so erwähnt etwa Augustus in seinem Tatenbericht seinen erfolgreichen Kampf gegen die namenlos bleibende Personengruppe, welche die res publica unterdrückt haben soll,275 massiv beleidigt werden« durfte (alle Zitate ebd. 48). Dass in den verschiedenen Arenen die in den dortigen Diskursen verwendete Semantik (nahezu) dieselbe blieb, und zwar selbst dort, wo die Wertungen gegenüber einzelnen Objekten und Themen divergierten, verdeutlicht, dass auf der Ebene der politischen Moralsemantik kaum eine Differenz zwischen den Angehörigen der beiden großen Hauptgruppen der Gesellschaft bestanden zu haben scheint. 275 Augustus rühmte sich, er habe »aus privater Initiative und aus eigenen Mitteln ein Heer aufgestellt, mit dem ich dem Staatswesen, das durch die Gewaltherrschaft einer politischen Machtgruppe unterdrückt wurde, die Freiheit wiedergab« (Aug. RG 1 [Übers. M.  Giebel]: exercitum privato consilio et privata impensa comparavi, per quem rem publicam a dominatione factionis oppressam in libertatem vindicavi.); vgl. dazu Bleicken 1962, 681; Welwei 1973, 221–225; Ramage 1987, 32 f.; 48; 66–69; Mutschler 2005, 279 f.; Scheid 2007, 28; Mutschler 2011, 24–26. Der erste Teil des Textes scheint sich auf Cic. Phil. 3,5 zu stützen; dort findet sich die auf Octavian bezogene Aussage, dieser habe aus eigenem Entschluss heraus durch sein initiatives Handeln die res publica befreit (privato con­

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hinter der sich realiter natürlich seine Feinde in den verschiedenen Bürgerkriegsphasen, vor allem aber die aus der ersten Phase in der Auseinandersetzung mit den Caesarmördern verbergen.276 Gerade diese Unbestimmtheit überwundener Feinde ist jedoch paradigmatisch für die Vereinseitigung des Politischen in augusteischer Zeit – oder wenigstens für dessen vom princeps selbst angestrebte Zentrierung. Eine Folge dieser Bemühungen war  – zumindest unter Augustus und mit Einschränkungen auch noch unter Tiberius –, dass die hergebrachte innenpolitische Feindsemantik weitgehend frei von in den Quellen anmessbaren, fixierten Gegensatzkonzepten war – egal ob diese symmetrischer oder asymmetrischer Natur waren. Das mag daran liegen, dass die ersten principes ungeachtet aller Krisen ihrer Herrschaft vergleichsweise unangefochten regierten. Ihre Herrschaftszeit markiert die Phase des endgültigen Übergangs zur Monarchie; die Generationen, die noch ein anderes System gekannt hatten, starben endgültig aus.277 Dadurch wurde die Monarchie in der eigentümlichen Form des Prinzipats zur Herrschaftsform, die Erfahrungsraum und Erwartungshorizont insbesondere der römischen Aristokratie bestimmte. Zudem veränderte sich mit der politischen Hierarchie auch der semantische Bezugspunkt; zwar bestand mit dem Übergang zur Monarchie die aristokratische Konkurrenz fort, doch wandelte sie an einigen Stellen ihren Charakter: Das vormals multipolare System wurde auf seiner obersten Ebene zu einem monopolaren. Zu den einschneidendsten Wandlungen gehörte dabei die Neuausrichtung des legitimatorischen Bezugssystems: War in der Republik das Volk jene schiedsrichterliche Instanz gewesen, die über die Wahlakte das entscheidende Maß an Ehre, um die Aristokraten untereinander konkurrierten, vergab,278 so übernahm diese Funktion fortan der princeps; dieser wiederum stand als Übersollerfüller gleichsam oberhalb der Ebene der aristokratischen Konkurrenz – und war gerade dadurch der entscheidende normative Bezugspunkt der Aristokratie.279

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silio rem publicam […] liberavit); vgl. dazu Ramage 1987, 48; 67; Scheid 2007, 28. Auffällig ist, dass sowohl Augustus in seinen Res gestae mit Blick auf die Caesarmörder wie auch Velleius mit Blick auf Antonius und Dolabella von einer überwundenen beziehungsweise zu überwindenden dominatio spricht (Aug. RG . 1; Vell. 2,60,4). Vgl. zu den Caesarmördern als Bezugspunkt Aug. RG 1 f.; ein Hinweis auf M. Antonius findet sich auch in Aug. RG 24; Verweise auf den letzten Bürgerkrieg auch in Aug. RG 27; 34. Vgl. Eder 1990, 72 sowie Scheid 2007, 28; 65–67; 84, letzterer bes. ebd. 28 zu den Problemen bei der Bestimmung der unbenamten factio in Aug. RG 1. Vgl. oben Abschnitt I (mit Belegen und Hinweisen auf die weiterführende Literatur). Zur Rolle des Volkes als schiedsrichterlichem Dritten im Rahmen der aristokratischen Konkurrenz grundlegend: Hölkeskamp 2006. Vgl. M. Nebelin 2014a, 163–166 (mit weiterführender Literatur) zur Transformation aristokratischer Konkurrenz im Übergang von der Republik zum Prinzipat. Dass die Aristokratie selbst natürlich auch in der Kaiserzeit ein wesentlicher Bezugspunkt aristokra­ tischen Konkurrenzverhaltens blieb, hat zurecht Künzer 2016 betont – allerdings bleibt

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Die Neuausrichtung des Institutionengefüges und der mit ihm verbundenen Praktiken musste auch Auswirkungen auf die politische Semantik und ihr Funktionieren haben: Innere Konflikte waren fortan nicht mehr zuvorderst inneraristokratische Auseinandersetzungen (die es natürlich weiterhin gab), sondern vielmehr solche zwischen dem princeps und den verschiedenen »Akzeptanzgruppen« (Senat; plebs urbana; römische Soldaten), die der Kaiser dazu bringen musste, seine Herrschaft zumindest passiv hinzunehmen und im Idealfall sogar aktiv mitzutragen.280 In solchen Konfliktkonstellationen konnten jedoch die herkömmlichen, moralisch polar gedachten asymmetrische Gegenbegriffe nur eingeschränkt funktionieren, weil diese ja auf einer Gegenüberstellung von Gruppen basierten – der Kaiser war jedoch ein Einzelner. So mochte man dem Kaiser die Qualität, Herrscher zu sein, absprechen; andere waren davon jedoch allenfalls sekundär tangiert. Und der Kaiser seinerseits konnte niemals allen Angehörigen einer der Akzeptanzgruppen in Gänze ihre moralische Qualität absprechen, wollte er nicht jede Hoffnung auf eine zukünftige Kooperation preisgeben.281

die Relevanz dieses Bezugspunktes unterhalb der für das Funktionieren des Konkurrenzsystems unhintergehbaren Entscheidungsfunktion des Kaisers: Er war es, der über die Verteilung aller umstrittenen Güter – und damit insbesondere des Gutes ›Ehre‹ – entschied. Vor diesem Hintergrund ist es wenig überraschend, dass sich im Gefolge des Übergangs von der Republik zum Prinzipat auch die Struktur möglicher (aristokratischer) Freundschaftsbeziehungen veränderte: »Reziproke amicitia wandelte sich so durch die neue kaiserliche Machtposition zu hierarchisch strukturierter Gunst, die einseitig von oben nach unten ver­geben oder verweigert wurde, die von unten nach oben utilitaristisch angestrebt wurde. […] Die Ungleichheit der Positionen der an den neuen Nahbeziehungen Beteiligten zeigt sich besonders anschaulich in der instrumentellen Dimension. Während die Kaiser durch Freundschafts- oder Klientelbeziehungen ihre Sonderstellung weder erwerben noch erhalten konnten, war der Erhalt der kaiserlichen Gunst für die Aristokratie Bedingung ihrer politisch-sozialen Existenz und Handlungsfähigkeit« (Winterling 2008, 309; vgl. ders. 2011, 216). Dabei ist auffällig, dass die »Semantik der zeitgenössischen Selbst­beschreibung« unverändert blieb (ders. 2008, 310). 280 Das Konzept der Akzeptanzgruppen geht auf Egon Flaig 1992, bes. Kap. I–IV, zurück; vgl. auch die Neufassung in Flaig 2019, Kap. 1.–5. 281 Eine eigenständige Frage stellt die nach möglichen Konflikten zwischen den verschiedenen Akzeptanzgruppen dar. Wie das Beispiel des spätantiken Konstantinopel zeigt, konnte unter einer im Vergleich zur frühen Kaiserzeit erheblich gewandelten Akzeptanzgruppenkonstellation (vgl. dazu Pfeilschifter 2013, 2–38; ders., 2014, 196–202) auch innerhalb gewisser Grenzen der Konflikt verschiedener Teilgruppen einer Akzeptanzgruppe institutionalisiert werden; allerdings – und das belegen besonders deutlich die sogenannten Zirkusparteien als Exponenten des konstantinopolitaner Volkes – konnte dies schnell auch den Kaiser selbst in gruppeninterne Konflikte involvieren; vgl. Cameron 1976, 101–104; 157–192; 271–296. Dass bereits im frühen Prinzipat einzelne Kaiser auch aus Inkompetenz oder anderen Gründen Provokationen aussprachen, steht auf einem anderen Blatt.

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Gleichwohl scheint sich noch in tiberianischer Zeit ein Bewusstsein für die Gefahren der Konfliktkonstellation der ausgehenden römischen Republik gehalten zu haben. Es ist Velleius Paterculus, der ›Hofhistoriker‹ des Tiberius (»a Tiberian loyalist«282), der in seiner Historia Romana gewillt war, zu demonstrieren, dass der anthropologische Gegensatz von ›Gut‹ und ›Böse‹ seit Augustus entschieden und seit Tiberius politisch schlichtweg irrelevant geworden sei.283 Das ist natürlich Teil einer ›Propagandaerzählung‹,284 dennoch bleibt die Be282 Smith 2006, 419. 283 Vgl. auch Lobur 2008, 98, der betont: »The structure of Velleius’ history mirrors early imperial culture by creating  a portrait gallery of ›good‹ and ›bad‹ Romans, gradually narrowing its focus to imperial personalities, and ending with a panegyric of Tiberius. The structural similarities between this feature and the official program as seen in the summi viri of the Forum of Augustus (and the literary compilations it reflects) are unmistakable«. 284 Zum komplizierten Verhältnis von Literatur und Politik in augusteischer und tiberianischer Zeit vgl. exemplarisch Quint 1993, ch. 1; Kienast 1999, 261–307; Riedel 2001, 46–49 (bes. 47: »Was nun die Meinungsfreiheit unter Augustus betrifft, so kann zunächst gesagt werden, daß ein grundsätzliches Bedürfnis, ›anders zu denken‹, wohl nicht bestand. Daß die instabilen Verhältnisse der späten Republik nur durch eine Alleinherrschaft überwunden werden konnten, ist  – wie auch immer man dies bewerten möchte  – im großen und ganzen akzeptiert worden. […] Das Bündnis von ›Geist‹ und ›Macht‹ (um es, mit aller Vorsicht, modern auszudrücken), die Verbindung von Literatur und Politik also, ist vielleicht der wichtigste neue Zug der Augusteischen Ära.«); Gall 2006, bes. 20–23; Mutschler 2011 (bes. 49 mit dem Ergebnis seiner Fallstudien zu einem zentralen potentiellen Kreuzungspunkt von Ideologie und Literatur: »Während Vergil und Horaz, aber bis zu einem gewissen Grad auch Ovid, viele der anderen Errungenschaften des Augustus anerkennen, findet sein Anspruch der verfassungsmäßigen Restitution der res publica bei ihnen keinen Anklang. Zugespitzt formuliert könnte man im Gegenteil sagen: Vergil ignoriert diesen Anspruch, Horaz widerspricht ihm, und Ovid macht sich über ihn lustig. Der Befund ist bemerkenswert und macht deutlich, daß die Dichter sich nicht einfach als Sprachrohre zentral gesteuerter Propaganda betätigten«  – und der Folgerung, es »dürfte der Verzicht auf die Artikulierung dieses Anspruch seitens der Dichter eher die Glaubwürdigkeit ihres ansonsten günstigen Urteils erhöht als zu skeptischen Vorbehalten gegenüber Augustus geführt haben. Was schließlich diesen selbst betrifft, so war für ihn der interpretatorische Freiraum, den Vergil und Horaz in Anspruch nahmen, offenkundig akzeptabel: Ihre kritische Zurückhaltung betraf nur einen einzelnen, wenn auch wesentlichen Punkt und wurde durch ihre überzeugte und deswegen überzeugende Unterstützung in den anderen Punkten aufgewogen. Dazu kam, daß ihm das Vorhandensein eines distanzierenden Momentes in den Präsentationen der Dichter nach außen hin einen Nimbus von Toleranz verschaffen konnte.«); zur Frage der ›intellektuellen Opposition‹: Raaflaub – Samons II 1990, 436–447; besonders für die Geschichtsschreibung: Timpe 1988, bes. 243 (»Die Historiker der augusteischen Zeit äußerten Kritik an Personen und Faktionen, an Entscheidungen und Vorgängen, aber keine systemoppositionelle Haltung.«) und Toher 1990, bes. 142. Zur Anwendung des modernen Begriffs der Propaganda auf Phänomene der Antike vgl. die Problemati­ sierung durch Weber  – Zimmermann 2003 und Lobur 2008, 1–7; eine »catch-all-De­ finition« des modernen Propagandaverständnisses bietet Bussemer 2005, 30, instruktiv

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sonderheit, dass der Kaiser selbst in dieser Erzählung ausdrücklich jenseits dieser moralanthropologischen Grundkonstellationen platziert wird.285 Damit sollte zwar nicht die vermeintlich anthropologisch verankerte Auseinandersetzung von Gut und Böse enden, sie erschien jedoch politisch nicht mehr relevant. Bereits vor einigen Jahren hat dementsprechend Alain M. Gowing darauf hingewiesen, dass im Narrativ von Velleius – und hier insbesondere bei seiner Darstellung des Tiberius – die »capacity to avert civil war« als »an imperial virtue« erscheint (»Velleius remarks it at several points«), wobei die besondere Leistung des princeps darin besteht, »[to] hold at bay the divisive forces that would foment civil war«.286 Gowing erkennt in dieser »capacity of the emperor to keep the peace […] not merely a Velleian fiction, by the way, but ties in with the notion of Concordia, a cornerstone of Tiberian ideology. Concordia (in an imperial context especially) was a prerequisite for keeping civil war in check, and Tiberius could in fact claim to have averted civil war on more than one occasion«.287 Um dies darzustellen, verknüpfte Velleius drei Entscheidungssituationen aus der Geschichte der Etablierung der Monarchie dergestalt miteinander, dass am Ende – in der dritten Episode dieser Sequenz – deutlich wird, dass die Zurückdrängung dieses Konfliktes eine Grundlage der neuen Herrschaftsform darstellt: a) Das erste Entscheidungsmoment verortet Velleius in dem bekannten Austausch, den Octavian mit seiner Mutter und seinem Stiefvater nach seiner Ankunft in Italien pflegte; damals entschied sich der damals junge Mann entgegen dem Rat der Älteren dafür, das Erbe Caesars anzunehmen und damit – rückblickend – die Grundlage für seine spätere Alleinherrschaft zu

dazu auch Gries 2005. Die Anwendung des Propagandabegriffs auf Phänomene insbesondere der Phase zwischen der Begründung des sogenannten Zweiten Triumvirats und der Herrschaft des Augustus ist in der Forschung seit Kenneth Scotts Pionierarbeit aus dem Jahr 1933 möglich und seit Symes Roman Revolution (1939) üblich; Grund dafür sind die spezifischen, durch die latenten und manifesten Bürgerkriegsverhältnisse hervorgetriebenen mediengeschichtlichen Eigenheiten dieses Zeitabschnitts. Grundsätzlich zur Anwendbarkeit des Propagandebegriffs mit speziellem Bezug auf die Transformationsepoche: M. Nebelin 2008, 152–158. 285 Dies unterscheidet im Übrigen auch sein Narrativ vom älteren des Livius, das eben die Republik ins Zentrum rückt (vgl. von Haehling 2007, 69–76), so dass sich für die hier entscheidende Frage, wie sich die Praxis des Umgangs mit asymmetrischen Gegenbegriffen im Verhältnis von der monarchischen Spitze gegenüber der aristokratischen Ebene darstellt, wenig gewinnen lässt. Eine Ausdeutung des livianischen Geschichtswerks in Hinblick auf die Konstruktion verschiedener Beziehungen innerhalb der Aristokratie sowie zwischen Aristokratie und Volk mag allerdings sowohl über zeitgenössische Rekonstruktionen wie Praktiken Informationen liefern. Aufgrund der thematischen Fokussierung der vorliegenden Untersuchung soll darauf jedoch an dieser Stelle verzichtet werden. 286 Gowing 2010, 256; er bezieht sich dabei vor allem auf Vell. 2,124,1 f. und Vell. 2,131,2. 287 Gowing 2010, 256.

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schaffen:288 »Seine Mutter Atia und sein Stiefvater Philippus waren nicht dafür, daß er den Namen Caesars annehmen solle, der mit solcher Feindschaft beladen war. Das Schicksal jedoch, das es gut meinte mit dem Staat wie mit der Welt [salutaria rei publicae terrarumque orbis fata], erhob Anspruch auf ihn als den Neugründer und Erhalter des römischen Namens [conditor con­ servatorque Romani nominis]«.289 b) Das zweite Entscheidungsmoment ist die Konstellation vor Actium.290 ­Velleius behauptete, das Ergebnis der Schlacht – der Sieg Octavians und die Niederlage Antonius’ und Kleopatras  – sei schon vorherbestimmt gewesen.291 Im Augenblick der Konfrontation schließlich sei sichtbar geworden, dass die Entscheidung zwischen den beiden Konkurrenten die zwischen Heil und Verderben gewesen sei: »Dann kam der Tag der großen Entscheidung, an dem Caesar und Antonius ihre Flotten aufstellten und, der eine für das Heil, der andere zum Verderben des Erdkreises, ihren Kampf ausfochten [pro salute alter, in ruinam alter terarrum orbis dimicavere]«.292 Der Sieg der Heilspartei war vorherbestimmt; der Untergang blieb der Welt erspart. Semantisch verweist dieses zweite Entscheidungsmoment auf das erste zurück: Der Sieg der Seite Octavians war ›Schicksal‹ (fatum) seit jenem Augenblick, in welchem Octavian das Erbe Caesars – ein wunderbares Wortspiel mit dem Begriff für Glück und Vermögen: fortuna Caesaris – angenommen hatte.293 c) Das dritte Entscheidungsmoment: Mit dem Tod des Augustus 14 n. Chr. droht erneut Ungemach. Nach dem Lebensende des ersten princeps breitet sich

288 Zu diesem Treffen vgl. Gotter 1996b, 57–60 (mit Belegen). 289 Vell. 2,60,1 (Übers. M. Giebel): Non placebat Atia matri Philippoque vitrico adiri nomen invidiosae fortunae Caesaris, sed adserebant salutaria rei publicae terrarumque orbis fata conditorem conservatoremque Romani nominis. 290 Vgl. bes. Vell. 2,84,1; 2,85,1; vgl. zu den Antonius-Passagen Christ 2003, 77. 291 Siehe Vell. 2,84,1: »Unter dem Konsulat des Caesar und Messalla Corvinus fand dann die Entscheidungsschlacht bei Aktium statt. Schon lange vor dem Kampf war der Sieg der julianischen Partei eine ausgemachte Sache« (= Caesare deinde et Messala Cor­ vino consulibus debellatum apud Actium, ubi longe ante quam dimicaretur, exploratis­ sima Iulianarum partium fuit victoria). Die Notwendigkeit des Sieges Octavians über Antonius wird semantisch auch dadurch vorbereitet, dass Velleius Paterculus, wie Joseph Hellegouarc’h betont hat, zwar Octavian Tugend (virtus) zuschreibt, »mais Lepide (II, 80, 1) aussi bien qu’ Antoine manifestent leur totale absence de uirtus« (Helleguarc’h 1964, 208). 292 Vell. 2,85,1: Advenit deinde maximi discriminis deis, quo Caesar Antoniusque productis classibus pro salute alter, in ruinam alter terarrum orbis dimicavere. 293 Vgl. Vell. 2,60,1. Zur fortuna Caesaris bes. in diesem Zusammenhang vgl. Schmitzer 2000, 206–209; zur fortuna im Narrativ des Velleius Paterculus und ihren historio­ graphischen Hintergründen vgl. Helleguarc’h 1964, 212–214 sowie allgemein zur fortuna Caesaris Erkell 1944; Bömer 1965; Weinstock 1971, 112–127; kritisch: Brutscher 1958 und (mit Blick ausschließlich auf Caesar:) Friedrich 1954.

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unter der Bevölkerung die Angst aus, dass dem orbis [terrarum] die Überführung [in] ruinam drohe, wie es in der Kommentierung des dritten Entscheidungsmoments durch Velleius in wörtlicher Anspielung auf die beiden vorhergehenden heißt: »Ich will mich damit begnügen, der allgemeinen Überzeugung Ausdruck zu geben: Wir hatten den Zusammenbruch unserer Welt befürchtet – nun aber sahen wir sie nicht einmal erschüttert, und die erhabene Persönlichkeit dieses Mannes war von solcher Wirkung, daß kein bewaffneter Einsatz nötig war, weder für die Gutgesinnten noch gegen ihre Widersacher [nec bonis neque contra malos]«.294 Da Tiberius glücklicherweise bereit war, die Herrschaft zu übernehmen, blieb den Zeitgenossen – Velleius spricht in diesem Fall von ›uns‹ – erspart, für die Guten – boni – und gegen die Bösen – mali – zu kämpfen.295 Das bedeutete, Velleius zufolge bestand der überkommene moralanthropologische Gegensatz fort, wurde jedoch praktisch nicht mehr wirksam – obwohl das in ihm eingelagerte Konfliktpotential weiterhin vorhanden war. Weiterhin also galt Velleius der Gegensatz von boni und mali als eine grundlegende, wenn auch äußerst gefährliche Komponente der Politik; der Kaiser wiederum sollte der Garant dafür sein, dass dieser Gegensatz nicht mehr die Politik beherrschte. Indem sie einen Bürgerkrieg zwischen boni und mali verhinderte, garantierte dieser Erzählung zufolge die Monarchie den Frieden und die Ordnung. Augustus erscheint als Heilsbegründer; Tiberius als Heilsgarant. Beide sind Repräsentanten des fatum, die fortuna gebändigt haben.296 Die mali, die negativen Anderen, die Ausgeschlossenen, hingegen bleiben in diesem Modell eine abstrakte Größe – selbst Antonius und Kleopatra sowie ihre Anhänger, 294 Vell. 2,124,1: Id solum voce publica dixisse satis habeo: cuius orbis ruinam timueramus, eum ne commotum quidem sensimus, tantaque unius viri maiestas fuit, ut nec bonis neque contra malos opus armis foret. 295 Vell. 2,124,1. 296 Die Bedeutung eines Begriffes kann durch seine Häufung angezeigt werden, sie hängt jedoch nicht davon allein ab; entscheidend ist immer die argumentationslogische Bedeutung. Vor diesem Hintergrund ist die Beobachtung von Schmitzer 2000, 191 wichtig, dass in Velleius Paterculus’ Historia Romana der Begriff fortuna 74 Mal – davon nur 2 Mal (Vell. 2,48,3; 2,64,2) »im Sinne von ›Vermögen‹ (bona)« (Schmitzer 2000, 191)  – und der lediglich pluralisiert als fata auftretende Begriff fatum nur sieben Mal vorkommen. Gerade die Passage Vell. 2,60,1 ist hier jedoch von besonderer Bedeutung, weil sie verdeutlicht, dass (1.) fatum fortuna übergeordnet und (2.) beides eng mit Personen – hier Caesar und Octavian-Augustus – verknüpft ist. Schmitzer zufolge ist zudem (3.) Caesar die »früheste in seinem [= Velleius’; M. N.] Geschichtswerk erwähnte Person«, die er, »und zwar wiederholt, mit der Prädikation fortuna sua ausstattet« (Schmitzer 2000, 208). Schließlich ist es so, dass (4.) Velleius zufolge mit der Annahme der Erbschaft Caesars durch Octavian eine fundamentale, heilsgeschichtliche Zäsur verbunden ist, der schließlich noch die Sukzession des Tiberius folgt.

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deren Beschreibung grundsätzlich dem Idealbild der mali entspricht, werden nicht ausdrücklich so genannt.297 Außer in der zentralen Passage im dritten Entscheidungsmoment ist nirgends die Rede von den boni und den mali in Form eines Paars asymmetrischer Gegenbegriffe; nicht einmal der Entscheidungskampf zwischen Octavian und Antonius wird mit diesen Begriffen beschrieben. Demzufolge ist diese Formulierung die Konkretisierung und Fokussierung von Velleius’ Versuch, zu zeigen, wie das fatum die res publica und den Erdkreis zum Heil durch Augustus und Tiberius bestimmte; der Gegensatz von boni und mali erweist sich hier als ein potentieller geschichtlicher Bewegungsfaktor hinter den konkreten Personalkonstellationen. Folgt man dem Narrativ von Velleius, so wurde der asymmetrische Gegensatz durch Octavians Sieg neutralisiert und infolge der Sukzession des Tiberius in die Abstraktion enthoben; er erscheint wieder vorrangig als ein rein moralanthropologischer Begriff, der zwar politisch konnotiert ist, aber in die Sphäre der Politik nicht mehr notwendig durchschlägt. Damit ist zugleich die Phase des semantischen Extremismus (vorerst) beendet. Doch natürlich ist dies Teil einer Erzählung, die mehr ein Ideal zeichnete als eine Realität wiedergab. Gleichwohl verweist sie auf (Sprech-)Praktiken jenseits der Schriftzeugnisse. Vor diesem Hintergrund bedeutete das Prinzipat auch das Ende der Geschichte des semantischen Extremismus der späten römischen Republik. Es beendete diese Phase durch die Invisibilisierung des semantischen Extremismus; dadurch

297 Zwar ist malus potentiell jeder, der sich gegen den Kaiser wendet, doch wird dies nicht mehr ausdrücklich ausformuliert. So erscheinen auch die revoltierenden Legionen in Germanien und Pannonien nicht als mali, denn die verzerrt geschilderte Beilegung des Aufstands wird von Velleius als Beleg für die Berechtigung der Entscheidung angesehen, Tiberius die Herrschaft zu übertragen. Das Bedrohungspotential dieser Situation nutzt Velleius erzählerisch als vermeintlich erfahrungsgesättigten Ausgangspunkt kontrafaktischer Überlegungen, indem er festhält, zu diesem Zeitpunkt sei deutlich geworden, welchen Nutzen »[d]ie Bürgerschaft […] alsbald […] aus ihrer nach Wunsch und Willen getroffenen Entscheidung«, Tiberius die Herrschaft zu übertragen, gezogen habe: »Es blieb nämlich nicht lange verborgen, was wir bei einer Ablehnung unseres Wunsches hätten durchmachen müssen und welchen Gewinn wir andererseits von seiner Gewährung hatten« (Vell. 2,125,1: Tulit protinus et voti et consilii sui pretium res publica, neque diu latuit aut quid non impetrando passuri fuissemus aut quid impetrando pro­ fecissemus). Die Erkenntnis der Bürgerschaft (Vell. 2,124,1; 2,125,1) rahmt in Velleius’ Darstellung Tiberius’ eigenen Erkenntnisvorgang, denn dieser »kämpfte darum, eher die Rolle eines Bürgers unter Bürgern als die des herausragenden ersten Mannes spielen zu dürfen. Endlich wurde er, mehr durch Vernunftgründe als durch die ihm angetragene Ehrenstellung, besiegt: Er sah nämlich ein, daß alles untergehen würde, wenn er es nicht unter seinen Schutz nähme« (aus Vell. 2,124,2: pugnantis cum Caesare senatus populique Romani, […] illius, ut potius aequalem civem quam eminentem liceret agere principem. Tandem magis ratione quam honore victus est, cum quidquid tuendum non suscepisset, periturum videret).

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wurde dieser zeitweilig gleichsam deaktiviert. Mit der vorläufig gelösten Strukturkrise endete zudem die Motivationskrise als eine ihrer Krisentendenzen – bis zu jenem Zeitpunkt, an dem sich die Konflikte neu formierten, alte oder neue Gegenbegriffe asymmetrisch strukturiert und die Potentiale des semantischen Extremismus erneut entfesselt wurden.

V. Ausblick: Tacitus und die kaiserzeitlichen Antagonismen Im weiteren Verlauf der römischen Kaiserzeit wurden die asymmetrischen Gegenbegriffe reaktiviert. In den Jahrhunderten, die auf die Etablierung der Monarchie durch Augustus folgten, scheint sich als Grundtendenz die erneute Ausbildung von extremen, personenbezogenen moralischen Antagonismen innerhalb der nunmehr auf den Kaiser (oder einen seiner Gegenspieler) fokussierten Kreise durchgesetzt zu haben.298 Dieses Gegensatzmodell findet sich mit dieser besonderen Einbindung in die Narration vor allem in den Historiae Tacitus’ – aber natürlich nicht allein im Werk des Historikers: Dass es sich bei seiner Differenzierung zwischen boni und mali um Elemente einer moralistisch fundierten historischen Anthropologie handelte, verdeutlicht der Umstand, dass Tacitus bereits in seinem Dialog über die Redner erklären ließ, die drei traditionell grundlegenden Themenbereiche, mit denen Redner umgehen können müsse, seien de bonis et malis, de honesto et turpi, de iusto et iniusto.299 Alle drei – die (positiven) Güter und die Übel, das Ehrliche und das Schändliche, das Gerechte und das Ungerechte – basieren offensichtlich auf binär konzipierten Oppositionsmodellen; die erstgenannte Unterscheidung ist jedoch die zwischen Gutem und Bösem (oder Schlechtem). Die Begriffe werden allerdings doppel­ deutig verwendet: Die Rede von bona und mala stellt nicht nur einen Bewertungsgegensatz dar (Positivgüter vs. Übel), sondern transportiert auch die Bedeutung der extremen moralischen Oppositionskategorien von ›Gut‹ und ›Böse‹. In den Historiae wird dann der Gegensatz von boni und mali vom Erzähler in narrativen Passagen als unhinterfragt genutztes, zuvorderst personales Kategorienpaar zur Beschreibung der politischen300 wie der psychologischen301 Wirk298 Das ist natürlich auch eine Folge des nunmehr auf den Kaiser fokussierten Systems aristokratischer Konkurrenz; dazu vgl. M. Nebelin 2014a, 163–166. Zu dieser Geschichte einer ›Souveränitätsverlagerung‹ vgl. Pfeilschifter 2012, 134; 137–139 und passim. 299 Tac. dial. 31. 300 Vgl. Tac. hist. 1,25,1 (mali im Heer, die eine seditio zu verantworten haben); 1,49,2; 1,73,1 (hier zeitlich: bonis malisque temporibus); 2,7,2; 4,25,4; (4,50,2). 301 Bezeichnenderweise konzipiert als widerstreitende Eigenschaften im Individuum (Tac. hist. 1,10,2), die sich dann über die aus der moralischen Konstitution resultierenden Handlungen als bonum oder malum nach außen hin manifestieren (Tac. hist. 1,16,4).

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lichkeit verwendet. In der direkten Rede dient es zur Beschreibung jeweils der eigenen positiven und der fremden negativen Seite,302 ohne dass damit vom Erzähler die vom Redner vorgenommene gruppenbezogene Zuweisung dieser Begriffe notwendig als berechtigt hingenommen wird. Dass sie jedoch ungeachtet der von den Akteuren selbst vorgenommenen Zuweisungen ein grundlegendes Element des Politischen reflektierten, auf das ein Politiker durch moralisch richtiges Verhalten reagieren sollte, verdeutlichte Tacitus selbst in seinem Agricola: Seinen Angaben zufolge verhielt sich sein Held so gesellig gegenüber den boni, wie er andererseits die mali ablehnte.303 Dass bei der Erkenntnis der ›wahren‹ boni und mali zudem die Perspektive des rückblickenden Historikers eine privilegierte sein musste, verdeutlicht Tacitus’ Differenzierung zwischen boni und mali principes: Der Historiker meinte beurteilen zu können, welcher Kaiser ›gut‹ und welcher ›schlecht‹ oder gar ›böse‹ gewesen ist.304 Folglich konnten aus Sicht von Tacitus auch potentiell alle Konfliktparteien die anderen mit den jeweils entgegengesetzten Begriffen versehen; die Perspek­ 302 Eindeutig: Tac. hist. 1,32,2; vgl. auch Tac. ann. 1,48,1 (wo der Inhalt eines Briefes referiert und dabei die Bezeichnung der Gegner als mali suggeriert wird). Das mag auch damit zusammenhängen, dass in Tacitus Narrativen, wie Dean Hammer 2014, 325 betont hat, »[w]ith the progress of despotism, every marker – whether distinctions of legal and illegal, honorable and dishonorable, or trustworthy and untrustworthy  – can mean its opposite«; vgl. auch ebd. 337. 303 Vgl. Tac. Agr. 22. 304 Interessant ist die in Tac. Agr. 42 anzutreffende Plural-Rede von den mali principes, die in Tac. Agr. 43 konkretisierend ausgebaut wird zu dem Gegensatz von bonus pater und malus princeps. Vgl. zum Konzept des malus princeps im Agricola: Sailor 2008, 97, Anm. 109. Das Gegenmodell ist das des guten Fürsten (bonus princeps); vgl. exemplarisch Tac. hist. 1,16,1; 1,46,4 (vgl. dazu Devillers 2012, 183). Diese Wertungen finden sich trotz der von Strocchio 1992 zu Recht hervorgehobenen Polyformität und -funktionalität des taciteischen Schweigens; vgl. dazu jedoch auch Hammer 2014, 355, der davon ausgeht, dass Tacitus’ Brechen des Schweigens durch seine Geschichtswerke Ausdruck einer »historiography« sei, die »not simply diagnostic or evaluative, but curative« sei. Philip A. Stadter 2009, 464 zufolge lässt sich aus Tacitus’ Überlegungen zum Verhältnis zwischen Kaiser und Individuum ein ethisches Prinzip für das Verhalten des ›guten Bürgers‹ in der politischen Sphäre herausdestillieren: »In autocracy, the function of the good citizen is to limit and direct the power of the princeps, if he dares to do so«. Sein differenzierteres »philosophisches Urproblem« (Schmal 2002, 98) hat Tacitus freilich in Tac. ann. 4,20,3 niedergelegt: »Dieser Umstand nötigt mich zu der Frage, ob wie alles andere so auch die Zuneigung der Herrscher gegen die einen, ihre Abneigung gegen andere durch Schicksal und Geburt bestimmt ist, oder ob es nicht auch eine Selbstbestimmung gibt, die es uns erlaubt, in der Mitte zwischen starrem Trotz und entehrender Willfährigkeit seinen Lebensweg zu gehen, frei von Ehrgeiz und Gefahren« (= unde dubitare cogor, fato et sorte nascendi, ut cetera, ita principum inclinatio in hos, offensio in illos, an sit aliquid in nostris consiliis liceatque inter abruptam contumaciam et deforme obsequium pergere iter ambitione ac periculis vacuum). Eine unmittelbare Antwort auf diese Frage blieb der Historiker freilich schuldig.

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tive des Historikers allein löst die Kategorien aus der daraus resultierenden Ambiguität – allerdings nicht aus dem gemeinsamen, selbstverständlich zeitgenössischen Moralkontext, von dem her diese Zuschreibungen erfolgen und den der Autor und seine Pro­tagonisten gleichermaßen teilen. Demnach gewannen diese inhaltlich ex­tremen und im höchsten Maße personalisierten Moralkatego­ rien im Verlauf des Prinzipats wieder an Bedeutung; doch scheinen sie als politische Differenzkategorien infolge der wechselseitigen Applizierbarkeit auch an kategorialer Schärfe und mithin an Klarheit eingebüßt zu haben: Als historische Kategorien haben die Gegensatzbegriffe hingegen für Tacitus ihre Bedeutung behalten. In der politischen Praxis verweist die nunmehr konstant vorhandene Referenz auf die diskursive Präsenz asymmetrischer Gegenbegriffe in der Kaiserzeit; allerdings scheinen sie in den Bereich der Topik abgesunken zu sein. Es ist deshalb zudem anzunehmen, dass sie aufgrund ihres veralltäglichten Vorkommens in innenpolitischen Konflikten an praxeologischer Wirkungsmacht eingebüßt hatten. Diese verklungene Wirkungsmacht legt auch die Einschätzung nahe, dass die Motivationskrise, die das politische System der römischen Republik umgewälzt hatte, im Prinzipat ihre Wirkungsmacht als vorrangige Krisentendenz verloren und sich mithin ein neues politisches System stabilisiert hatte.

Fazit und Schlussbetrachtungen: Semantischer Extremismus zwischen Republik und Prinzipat? Der Gegensatz von ›Guten‹ und ›Bösen‹ stellt offenbar eine moralanthropolo­ gische Unterscheidung dar, die spätestens im ersten Jahrhundert v. Chr. im politischen Diskurs anthropologisch und geschichtsphilosophisch so gewendet wurde, dass ihre Anwender die römische Bürgerschaft in zwei Lager spalten konnten: Fortan kämpfen – darin stimmen Sallust, Cicero und Velleius Patercu­ lus überein  – ›Gute‹ und ›Böse‹ gegeneinander. Diese Gegensatzbegriffe sind Integrationsbegriffe, weil sie die Inklusion und Kohäsion der ›Guten‹ befördern. Zugleich aber sind sie im äußersten Maße Exklusionsbegriffe: Die negativen Anderen können sich in den ›Bösen‹ nicht selbst wiedererkennen; hierin liegt die Asymmetrie dieses Begriffspaares. Es ist diese Spannung, die exemplarisch jenen semantischen Extremismus markiert, der in den Bürgerkriegen der späten römischen Republik die sie flankierenden semantischen Kämpfe prägte. Als Besonderheit der asymmetrischen Gegenbegriffspaare tritt der Ausschluss der negativen Anderen aus der Gemeinschaft zutage. Dieser stellt die äußerste Form der Nicht-Anerkennung dar. Wie insbesondere das Beispiel der Catilinarischen Verschwörung zeigt, gab es entgegen Kosellecks Einschätzung in der Antike mithin sehr wohl asymmetrische Gegenbegriffe, die auf der Nicht-Anerkennung der

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Anderen basierten, die Entmenschlichung des Feindes betrieben und schließlich auf dessen Annihilierung abzielten.305 Dieser Befund wird auch durch den Umstand eher gestützt als beschränkt, dass die Autoren, deren Schriften untersucht wurden, unterschiedliche strategische Verwendungsweisen mit diesem Begriffspaar übten: Sallust nutzte die Begriffe boni und mali als analytische Kategorien, mit denen er als Historiker eine geschichtliche Konstellation auf ihre hintergründigen Strukturen hin beschreiben wollte. Zugleich aber ließ er seine Figuren jene Form des Umgangs mit den Begriffen pflegen, die für Ciceros öffentlichen Begriffsgebrauch von boni und improbi charakteristisch gewesen ist: Für Cicero war der Gebrauch im politischen Gefecht und mithin der kombattive Charakter dieser Kategorie entscheidend. Das Moment des Kampfes wiederum war bei Velleius Paterculus nach dem großen Erfahrungsbruch der augusteischen Alleinherrschaft kaum mehr anmessbar. Für ihn wurde der Gegensatz von boni und mali zu einer historisier­ ten Kategorie, das heißt zu einer zwar grundsätzlich möglichen, von den Kaisern allerdings seit Actium – zum Glück! – strikt eingehegten Möglichkeit politischer Konflikte. Damit verlor dieser semantische Extremismus aus der Zeit, als die letzten Bürgerkriege in Roms Republik tobten, seine Schärfe. Dies mag einerseits dazu beigetragen haben, dass sich die Monarchie in Rom verfestigen konnte; andererseits bezeugt der Vorgang jedoch auch die zunehmende Stabilisierung und kulturelle Verankerung der neuen Ordnung. Das untersuchte Paar moralanthropologisch fundierter asymmetrischer Ge­ genbegriffe wurde im Prinzipat des Augustus ausdrücklich für neutralisiert erklärt und infolgedessen auch invisibilisiert; damit aber war auch seine politische Macht vorerst gebändigt. Das Prinzipat wurde fortan gerade dadurch bestimmt, dass in ihm der Konflikt von ›Gut‹ und ›Böse‹ durch den princeps immer schon entschieden war. Die semantischen Kämpfe verlegten sich folglich auf andere Felder. Das Geschichtswerk des Tacitus legt nahe, dass nicht einmal das wahrgenommene Versagen einiger Kaiser diese extremalen Kategorien als wirkungsmächtige gruppenbezogene Gegensatzbildungen in die politische Sprache zurückholen konnte: Sie waren in den Bereich der rhetorischen Topik abgesackt und hatten ihre Formierungsmacht wenigstens zeitweilig eingebüßt.306 305 Anders eben Koselleck 1975, 217–229 (bes. 222: »In diesem Sinne kennt die gesamte folgende Geschichte immer wieder simple duale Verschlüsselungen ethnischer, ständischer, völkischer oder staatlicher Handlungseinheiten, die unter Anerkennung ihrer – quasi – naturhaften Andersartigkeit den Fremden oder Untertan zwar verachten mochten, aber als Fremde hinzunehmen oder als Untertan für sich reklamierten«). 306 Dies scheint sich erst in der Spätantike wieder geändert zu haben, denn es gibt eine christliche Nachgeschichte, in der eine – auch durch eine entsprechende Cicero-Rezeption beeinflusste – Reaktivierung des Gegensatzes von ›Guten‹ und ›Bösen‹ stattfand, die in den Schriften Laktanz’ und Augustinus’ ihren Niederschlag gefunden hat (vgl. die Schlüsselstellen Lact. ira 5,10 beziehungsweise Aug. civ. 15,5). Doch zwischen Tacitus,

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Das Beispiel des Übergangs von der römischen Republik zum Prinzipat verdeutlicht, dass asymmetrische Gegenbegriffe auf die extremste Form mora­ lischer wie geschichtlicher Legitimation abzielen. Ihre Radikalität kann sich dabei auch gegen ihre Schöpfer wenden, so dass selbst in diesen Begriffsbildungen die Eigensinnigkeit der Sprache wirksam bleibt. Dabei erweisen sich diese Gegenbegriffsbildungen als Ausdrucksform semantischer Kämpfe, weil sie mit ihren Zuschreibungen nicht nur inhaltliche Positionen, sondern auch die sozialen und politischen Rollen der Betroffenen infrage stellen. Ihre Mobilisierungskraft ist eine Folge der ihnen zugrundeliegenden äußersten Unterscheidung entlang moralanthropologischer Antipoden; deshalb sind sie ein hervorragendes Beispiel semantischen Extremismus’. Asymmetrische Gegenbegriffe üben infolge ihrer binären Codierung und ihrer asymmetrischen Grundstruktur eine argumentative Zwingkraft auf die Angehörigen der zu integrierenden Gruppe aus, da jede abweichende Meinung einen Sprecher außerhalb der In-group stellen würde. Zugleich konstituieren sie eine klar konturierte Negativgruppe, deren Beschreibung leicht die Grenze zur Feindschaft überschreiten und mithin das Tor für physische Auseinandersetzungen öffnen kann. Das Auftreten solcher semantischer Extremismen fällt zudem oft mit Motivationskrisen zusammen – in zyklischen wie strukturellen Krisenzusammenhängen. In einer Krise, in der dieser Krisentendenz dominant wird, verlieren sozio-kulturell verankerte Gewissheiten und alltägliche Praxeologien ihre Selbstverständlichkeit. Dies führt zu erhöhtem Diskussionsbedarf, der nicht nur sprachliche Auseinandersetzungen, sondern auch ihre Radikalisierung und schließlich auch ihre praktische Wendung befördert. Gerade in solchen Strukturkrisen verstärkt deshalb der semantische Extremismus Destabilisierungsvorgänge, indem er bewirkt, dass einer Vermittlung oder Konfliktlösung bereits auf sprachlicher Ebene hohe Hürden gesetzt sind. Das hängt mit dem Laktanz und Augustinus liegen Jahrhunderte und mit diesen vielfältige Transformationen der politischen Kultur Roms. Der – noch ausstehende – Vergleich ihrer Überlegungen würde die geistes-, kultur- und ideengeschichtliche Longue durée des semantischen Extremismus in Rom sichtbar machen – mit all seinen Kontinuitäten und Brüchen. Auffällig ist, dass die drei genannten Autoren jeweils über einen spezifischen Krisenhorizont verfügen: Tacitus schrieb aus der Erkenntnis eines Aristokraten, der in einer Monarchie dem nie erfahrenen Ideal einer aristokratischen Gemeinschaft hinterhertrauerte; Laktanz schrieb in der Schrift De mortibus persecutorum mit der rückblickenden Wut eines Siegers der Geschichte, der erinnernd und wertend, zweifelnd und hoffend zugleich auf eine Phase des religionspolitischen Umbruchs (zurück-)schaute; und Augustinus suchte in der Schrift De civitate Dei seine Religion angesichts der Plünderung Roms im August 410 durch die Westgoten unter der Führung von Alarich gegen die Vorwürfe der politischen Schädlichkeit zu verteidigen. In all diesen Krisen stellte sich die Sinnfrage; es gab mithin immer auch eine signifikante Motivationskrise als Krisentendenz, von der die Mobilisierung des semantischen Extremismus durch die drei Autoren jeweils zeugt.

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Gewaltpotential zusammen, das den asymmetrischen Gegenbegriffen inhärent ist – immerhin suggeriert die Vernichtung der negativen Anderen zugleich das Heil der Guten und die Reinigung oder gar Rettung der Welt. Zwar kann mit den asymmetrischen Gegenbegriffen sprachlich die Alternativlosigkeit der bestehenden Ordnung oder die Angst vor einer negativen Alternative artikuliert werden; doch infolge der Gestaltungsblockade, die semantische Extremismen erzeugen können, wird es auch möglich, dass sich noch während der schwelenden Auseinandersetzung jenseits des Bewusstseins der (meisten) Beteiligten eine politische Alternative formiert. Auf diese Weise wurde in der späten römischen Republik die Monarchie zur Lösung der Krise der Aristokratie.307

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Semantischer Extremismus?­   

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Paul M. Martin

L’évolution de la notion de regnum entre la République et le Principat Iampridem equidem nos uera uocabula rerum amisimus. Sall. Cat. 52,11

Il y  a quelque quarante et vingt-cinq ans, j’ai publié les deux volumes d’un ouvrage1 dont le primum mouens avait été cette question, né d’un étonnement délibérément naïf : comment un peuple qui, selon la tradition2, avait tété pendant cinq siècles le lait amer de l’odium regni avait-il pu retourner, très vite et définitivement, à la monarchie ? Ma question était « comment », non « pourquoi ». Demander « pourquoi » relevait de l’enquête historique, et c’eût été bien présomptueux de la part d’un philologue. En revanche, le « comment » n’est pas étranger à la sphère de la philologie. L’occasion m’est aujourd’hui donnée de revenir sur cette question, à travers le biais privilégié du vocabulaire. Le passage de la République au Principat, ne s’est pas posé en termes de fractures brutales et monolithiques. L’évolution de la notion de regnum l’atteste. Rappelons d’abord que l’idéologie républicaine romaine3 opposait sommairement libertas à regnum et à ses dérivés sémantiques – seruitus, dominatio… C’est une idéologie familière aux Français, car la Révolution française, à partir de 1792, en a directement hérité : ou l’on est en République, et c’est la liberté, ou l’on est en régime monarchique, et c’est l’esclavage. Attestée dès Ennius4, cette idéologie a trouvé son expression privilégiée dans le domaine oratoire, de Caton l’Ancien à Cicéron, en passant par la Rhétorique à Herennius. Devenue quelque peu galvaudée par l’excès même de son utilisation rhétorique, elle fut réactivée brutalement par la mort de César5. C’est à ce moment que nous commencerons 1 Martin 1981 ; Martin 1994. 2 Mais cette tradition est-elle fiable ? Nous l’avons pensé. D’autres  – notamment Ferrary 1982, 761 sq. – pensent que l’odium regni est une conséquence de la conquête romaine, et qu’il n’est pas antérieur au IIème siècle av. J. C. Pour notre préoccupation de ce jour, la chose est de peu d’importance. 3 Nous entendons « idéologie » au sens où la définit Inglebert 2002, d’abord comme idéologie civique (ensemble de valeurs communes aux citoyens), puis comme idéologie politique (concernant les citoyens dans leurs rapports avec le pouvoir). 4 Enn. Scaen. 404 V2 = Cic. Off. 1,8,26 ; cf. Rep. 1,49 ; Luc. 1,92. 5 Cf. Arena 2007 ; Cogitore 2011.

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notre enquête, parce que c’est alors que le doute a commencé à s’insinuer, dans l’esprit des Romains, sur la pertinence de cette idéologie. Certes, Cicéron, dans le De republica6, avait fait, pour la première fois dans la philosophie politique romaine, la distinction entre royauté et tyrannie7, tout en réaffirmant l’opposition libertas-regnum8 et la validité de l’odium regni tout au long de l’histoire de Rome9. L’idée que la monarchie puisse être envisagée comme possédant un contenu positif, que le roi soit bon, ou que le régime le soit théoriquement10, était une grande première à Rome. Seul l’épicurisme osait l’affirmer, mais ce mouvement était resté marginal. Cependant, dans les prémices de la guerre civile, en 51, la publication du De Republica n’eut guère de retentissement11.

I.

Après les Ides de mars, résurrection et faillite de l’opposition libertas-regnum

Six années plus tard, après le regnum césarien, la « divine surprise » des Ides de mars porta à son comble l’exaspération anti-monarchique : l’odium regni connut, dans les mois qui suivirent le meurtre de César, des sommets inégalés, non seulement sous la plume de Cicéron, mais aussi ailleurs. La preuve en est qu’Horace n’hésitait pas encore, en début de carrière, à rappeler le meurtre de César d’une manière positive. Une de ses premières Satires raconte le débat qu’eut à arbitrer Brutus, en Asie, entre l’ancien préteur Rupilius Rex et un homme d’affaires grec, Persius : Persius exclamat : « Per magnos, Brute, deos te oro, qui reges consueris tollere, cur non hunc Regem iugulas ? Operum hoc, mihi crede, tuorum est.12

C’est sur cette note violente que reste le lecteur, car là s’achève abruptement le poème. Que l’anecdote soit réelle ou fictive, on y retrouve tout le contenu de la récente propagande cicéronienne en faveur de Brutus : le rappel des Ides de mars, l’affirmation du lien génétique entre les deux Brutus, le devoir familial de s’opposer au regnum. Le plus surprenant est que cette Satire n’ait pas été autocen-

6 Cf. Cic. Att. 4,14,1 ; Q. fr. 2,12,1. 7 Cic. Rep. 1,65 ; 2,47–49. 8 Cic. Rep. 1,42 sq. ; 47. 9 Cic. Rep. 2,52 ; cf. 49 ; 60. 10 Cic. Rep. 1,65 ; 2,47 sq. ; 3,46 sq. 11 Cf. Martin 2015c. 12 Hor. Sat. 1,7,33–35.

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surée par l’auteur, qu’elle ait été maintenue dans le premier livre du recueil, publié vers 36–3513, alors que Horace avait failli succomber à la proscription en 4114. Qu’en mettant ces propos dans la bouche d’un personnage déconsidéré le poète établisse peut-être une certaine distance avec eux15 n’ôte rien à leur violence intrinsèque, au caractère « politiquement incorrect » du propos. Chez Cicéron, le jugement négatif porté a posteriori sur le règne de César apparaît dès le De diuinatione, commencé en décembre 45, mais achevé ou modifié après le 15 mars 44. Il y dénonce la fausse prophétie des livres Sibyllins relative à l’octroi à César du titre de rex, dont il avait déjà en fait le pouvoir : … eum quem re uera regem habebamus, appellandum quoque regem, si salui esse uellemus.16 Donc les choses sont bien claires : César était tyrannus et ses assassins sont tyran­ noctoni17. La transcription du grec permet une plus forte stigmatisation, tout en renvoyantà la sphère culturelle hellénique18. On retrouvera, avec le vocabulaire latin du regnum, la même dénonciation dans les Philippiques19. Mais aussitôt après la première dénonciation de la tyrannie césarienne, est soulignée dans la correspondance l’absurdité d’une situation  – dont Cicéron est d’ailleurs largement responsable – où, tandis que sont loués les meurtriers de César, les actes du tyran sont par ailleurs ratifiés : Viuit tyrannis, tyrannus occidit !20 Cette idée d’une sorte de Nachleben de César, du maintien inchangé de son regnum, revient à plusieurs reprises dans les mois d’avril et mai 44 : Sublato enim tyranno tyrannida manere21 Quid mihi attulerit ista domini mutatio praeter laetitiam quam oculis cepi iusto interitu tyranni ? 22 … non regno sed rege liberati uidemur ; interfecto enim rege regios omnis nutus tuemur.23

13 Cf. Du Quesnay 1986, 21–23. 14 Cf. Acro ad Hor. Epist. 2,2,41. Sur la date, voir Hinard 1990. 15 Ledentu 2009 ; Ledentu 2012, 154 sq. 16 Cic. diuin. 110. 17 Cic. Att. 14,6,2 (12/04/44) ; 14,14,2 & 4(04/44) ; 14,17,6 (03/05/44) ; Fam. 12,22,2 (03/10/44) ; Att. 15,20,2 (20/06/44) ; 16,15,3 (10/44). 18 C’est en grec aussi que Cicéron appelle les meurtriers de César des « héros » : Att. 14,4,2 (10/04/44). Et rappelons que les césaricides eurent la satisfaction de se voir statufiés à Athènes à côté d’Harmodios et d’Aristogiton : Dio 46,51 ; 47,20,4 ; cf. Cic. ad Br. 1,15,9. 19 Cic. Phil. 1,4 ; 2,29 ; 85 ; 87 ; 91 ; 108 ; 114 ; 116 sq. ; 3,12 ; 8,13 ; 10,7 ; cf. ad Br. 1,14,2 (14/07/43). Voir Martin 2010b. 20 Cic. Att. 14,9,2 (17/04/44). 21 Cic. Att. 14,14,2 (28–29/04/44). 22 Cic. Att. 14,14,5. 23 Cic. Fam. 12,1,2 (à Cassius, le 03/05/44).

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C’en est au point qu’il estime bientôt plus dangereux de parler librement, aujourd’hui que le tyran est mort, que du vivant de celui-ci24. Bref, les « Libérateurs » méritent ce titre, mais ils n’ont rien libéré ! …libertatem populo Romano non dederunt.25 Ne nos et liberati ab egregiis uiris nec liberi sumus.26

Il convient de s’arrêter un peu sur cette aporie, sur laquelle Cicéron revient à plusieurs reprises. On a fait remarquer que le terme liberator avait été pratiquement inventé par Cicéron pour désigner les césaricides27. Il est utilisé pour la première fois dans une lettre à Atticus28, donc dans un contexte qui n’a rien de rhétorique ni d’idéologique. Quelque temps après, le terme est devenu couramment admis, même ironiquement, comme l’atteste une lettre du césarien Matius parlant des libertatis auctores29. Le terme, sans doute, lui plut, puisqu’il l’utilise à plusieurs reprises, notamment dans la Philippique II 30, faux discours et vrai traité politique, publié en novembre 44, où Cicéron s’attache à démontrer que les Ides de mars doivent initier un processus de reconquête complète de la liberté. Pour la première fois en effet, la fruste et efficace idéologie libertas vs regnum était démentie par la réalité. Depuis l’exactio regum, chaque tentative de regnum avait, selon la tradition, été étouffée dans l’œuf, comme Cicéron le rappelle complaisamment31. Treize ans auparavant, Cicéron avait fait le bilan des pouvoirs personnels qui s’étaient succédé récemment à Rome32. Il y constatait qu’à l’issue de chacun d’entre eux, la libertas – à savoir l’exercice régulier des institutions républicaines oligarchiques  – avait été rétablie. L’abolition des mesures de Cinna après son élimination, le démantèlement de la réforme syllanienne après l’abdication du dictateur semblaient conforter les optimates dans cette illusion. C’est elle qui arma le bras de Brutus… et c’est elle que dénonce à l’envi Cicéron à partir d’avril 44 : Cicéron découvre que le regnum n’est pas le fait d’un homme, qu’il suffit d’abattre pour voir refleurir la libertas, mais d’un système, et donc qu’abattre l’homme ne sert à rien si le système demeure en place. Ce système est incarné par les acta Caesaris. Sur le moment, après la mort de César, leur maintien était apparu comme une voie médiane permettant d’éviter 24 Cic. Att. 14,17,6 (03/05/44). 25 Cic. Att. 14,14,3 (28–29/04/44). 26 Cic. Att. 14,14,5. 27 Cogitore 2011, 191–194. 28 Cic. Att. 14,12,2 (12/04/44). 29 Fam. 11,28,3, en réponse à une lettre où Cicéron qualifiait prudemment César de rex… quod mihi quidem uidetur (Fam. 11,27,8). Il y a hésitation sur la date de ces lettres : août ou octobre 44 ? 30 Cic. Phil. 2,31 ; 36 ; 89 ; 114 ; cf. 10,8. 31 Cic. Phil. 2,114. 32 Cic. har. resp. 54.

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la guerre civile, et Cicéron avait soutenu cette démarche. Mais l’exécuteur de ces acta Caesaris, c’est le consul en charge de 44, Marc Antoine33. Du coup, par un étrange aveuglement idéologique qui trouve sans doute sa source dans une haine personnelle profonde34, Cicéron va se bercer de la même illusion que Brutus vis-à-vis de César : si l’on arrive à éliminer un seul homme, Marc Antoine, cet obstacle unique à la libertas, celle-ci va renaître spontanément. Rien n’est plus révélateur de sa confusion mentale que l’adresse faite à D.  Brutus fin janvier 43 :  …ut antea rege, sic hoc tempore regno te rem publicam liberaturum.35 Cet appel, qu’il renouvellera presque dans les mêmes termes en avril36, vient après toute une série d’injonctions à faire cesser le regnum antonien. Dès mai 44, il dénonce en Antoine regni heredem37. Jugée communément modérée, la Philippique I, prononcée le 2 septembre 44, n’en contient pas moins une menace de mort feutrée38. Et cette menace fait écho à celle que contenait la lettre envoyée un mois auparavant par Brutus et Cassius au même Antoine : …quam non diu regnarit [Caesar] fac cogites.39 Revenant sur le « festin » des Ides de mars, Cicéron regrette de n’y avoir pas été invité, car, dit-il, « il n’y aurait pas eu de restes »40 ; il va jusqu’à prétendre avoir été, en attaquant Antoine le premier, « le seul homme libre » au milieu de la servitude générale !41 D’abord désigné comme conseruus du dominus Caesar42, Antoine est bientôt abondamment accusé d’exercer un véritable regnum. La sélection des seuls termes exprimant cette notion en fait apparaître au moins six occurrences, entre la Phi­ lippique II et la VIII 43, c’est-à-dire entre le début de l’attaque de Cicéron contre Antoine et le moment où cette attaque finit par porter ses fruits, à la séance du 2 février 43. Pour obtenir gain de cause, Cicéron, afin de montrer en Antoine un être pire que Cinna, que Sylla, que César, que Tarquin le Superbe même, n’hésitera même pas à falsifier les données historiques44. La remarquable coïncidence thématique entre les Philippiques, éditées et prononcées entre novembre 44 et février 43, et la correspondance contemporaine, où Antoine est dénoncé comme exerçant un dominatus regius contre lequel le devoir de libération est 33 Cf. Ferriès 2012. 34 Cf. Martin 2009a. 35 Cic. Fam. 11,8,1. 36 Cic. ad Br. 2,5,1: …non rege solum sed regno liberari rem publicam. 37 Cic. Att. 14,21,3 (11/05/44). 38 Cic. Phil. 1,33 sq. 39 Fam. 11,3,4 (04/08/44). 40 Cic. Fam. 12,4,1 ; 10,28,1 (02/02/43). 41 Cic. Fam. 12,25,4 (03/43). 42 Cic. Fam. 12,3,3 (10/44). 43 Cic. Phil. 2,35 (regnas) ; 117 (dominandi cupiditate) ; 3,10 (regni) ; 12 (seruire) ; 5,44 (Antoni dominatus) ; 8,12 (dominationis Antoni… regno). 44 Cic. Phil. 2, 8–11 ; 5,17; cf. Martin 2013a.

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exigé45, ne saurait étonner : cette dénonciation du regnum antonien ne se trouve que dans les lettres adressées à des liberatores (M. Brutus, D. Brutus, Cassius, Trebonius) ou à des gens que Cicéron pense pouvoir attirer de son côté (Lépide, Cornificius). Et Cassius lui répond sur le même registre, en qualifiant Antoine et Dolabella de crudelissimis tyrannis46. Pourtant, deux échos nous sont parvenus qui attestent que la myopie de la rhétorique cicéronienne était perçue par ses correspondants. Le premier est une lettre de l’ancien Césarien Asinius Pollion qui, après avoir rappelé de manière très « politiquement correcte » quam iucunda libertas et quam misera sub do­ minatione uita esset47 répond aux sollicitations de Cicéron à propos d’Antoine : Ita, si id agitur ut rursus in potestate omnia unius sint, quicumque est, ei me profiteor inimicum ; nec periculum est ullum quod pro libertate aut refugiam aut deprecer.48

Le recours au si hypothétique, le vague du quicumque et le ton général cauteleux du propos montrent à l’évidence que, selon son habitude au demeurant, Asinius Pollion n’est pas prêt à s’engager en aveugle dans une croisade contre le prétendu regnum antonien. L’autre écho est plus grave et rejoint ce que nous avons dit sur la confusion mentale de Cicéron. Un homme avait bien vu le problème, Brutus, qui, le 15 mai 43, écrit à Cicéron : Itaque timeo de consulatu, ne Caesar tuus altius se ascendisse putet decretis tuis quam inde, si consul factus sit, descensurum. Quod si Antonius ab alio relictum regni instrumentum occasionem regnandi habuit, quonam animo fore putas, si quis auctore non tyranno interfecto, se ipso senatu putet se imperia quaelibet concupiscere posse ? 49

Lui a bien compris qu’en se faisant le vecteur et l’appui d’un nouveau pouvoir césarien, Cicéron minait de l’intérieur la défense qu’il croyait prendre de la liberté républicaine. Les dernières lignes qui nous soient parvenues de Cicéron, sorte de testament politique, montrent d’ailleurs que tardivement, celui-ci avait commencé à prendre conscience du fait que le changement politique opéré par César n’était pas un « accident de l’histoire », mais bel et bien une « mutation génétique ». Il s’adresse à Brutus et, à travers lui, aux césaricides :

45 Cic. Fam. 11,5,3 (09/12/44) ; cf. 11,7,2 (12/44) ; 11,8,1 sq. (01/43) ; 10,27,1 (20/03/43). 46 Fam. 12,12,2 (07/05/43). 47 Fam. 10,31,3 (16/03/43). 48 Fam. 10,31,4. 49 Ad Br. 1a,2 sq. Sous réserve que la lettre ne soit pas apocryphe.

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Magna pestis erat depulsa per uos, magna populi Romani macula deleta […] sed instrumentum regni delatum ad Lepidum et Antonium….50

L’expression instrumentum regni, qui désigne la législation césarienne, montre bien que Cicéron a conscience qu’avoir abattu César a été insuffisant, puisque son système est resté en place, à la disposition de premier ambitieux briguant sa succession. Quelque chose d’irrémédiable, avec César, s’est produit, quelque chose d’inédit dans l’histoire de la République : Nullum enim bellum ciuile fuit in nostra republica omnium quae memoria mea fuerunt, in quo bello non, utracumque pars uicisset, tamen aliqua forma esset futura rei publicae: hoc bello uictores quam rem publicam simus habituri non facile adfirmarim, uictis certe nulla umquam erit.51

Cicéron constate la mutation définitive que le système césarien a mis en place et l’impossibilité, désormais, de revenir purement et simplement au statu quo politique antérieur, même en cas de victoire des Républicains. L’État qui naîtrait alors ne serait certainement plus la res publica traditionnelle. Ce serait quelque chose d’autre, on ne sait quoi. C’est l’aveu que les critères idéologiques sur lesquels a fonctionné la République sont désormais obsolètes : le problème ne se pose plus en simples termes d’opposition entre libertas et regnum, entre légalité républicaine et pouvoir personnel. La numismatique contemporaine illustre cette mutation : accablés par la coalition triumvirale, les républicains frappent des séries monétaires dont une au moins, produite en Grèce, contient en elle-même la contradiction interne qui déchire l’idéologie républicaine. Il s’agit des deniers et des aurei représentant d’un côté un thème de propagande – Brutus l’Ancien ou le pilleus et les poignards – et de l’autre le profil de M. Brutus52. Hormis ceux justement qui avaient accédé au pouvoir personnel – Sylla et César – nul magistrat romain n’avait jusqu’alors osé émettre de monnaie le représentant de profil. L’association de cet acte régalien avec les symboles de la Liberté illustre parfaitement le grand écart auquel même les Républicains sont contraints.

50 Cic. ad Br. 1,15,4 (07/43). 51 Cic. ad Br. 1,15,10. 52 Sydenham 1952, 1295 ; 1297 ; 1301.

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II. Salluste : la libertas par le regnum Dans le silence d’une Rome bâillonnée par la tyrannie triumvirale, Salluste poursuit silencieusement une réflexion sur la politique – seule manière, dit-il, d’en faire encore utilement. Cette réflexion l’amène à revenir sur les notions opposées de regnum et de libertas. Pour lui, l’origine de tout le mal se trouve dans la domination syllanienne. Toute l’œuvre historique de Salluste est « un brûlot antisyllanien »53, qui martèle à l’envi la dénonciation de la dominatio54, de la tyrannie55 du scaeuos Romulus entre les mains de qui furent tous les pouvoirs56, le premier qui a réduit les Romains en seruitium57. Certes le couple dominatio-seruitium est plus propre au vocabulaire politique popularis, comme le montre le discours qu’il prête à Memmius58. Mais Salluste en élargit l’usage et, surtout, récuse l’utilisation du terme regnum par les optimates dès qu’il s’agit des tribuns populaires et de leur action : les mêmes qui dénonçaient le prétendu regnum de Ti. Gracchus59, vont, avertissait-il César à l’aube de la guerre civile, taxer de regnum la mise en œuvre par César des réformes qu’il préconise : antiquis ciuibus seruitutem imponi, regnum denique et libera ciuitate futurum60. Alors que le véritable regnum, c’est la pratique oligarchique du pouvoir : iu­ dices a paucis probari regnum est61. Ne nous y trompons pas : derrière un usage classique, républicain, des termes, Salluste mène une réflexion qui permet de comprendre pourquoi ce popularis est devenu césarien : César était pour lui l’anti-Sylla, le seul qui, au lieu de conforter, comme l’avait fait Sylla, le regnum de l’oligarchie dirigeante, était capable d’imposer les réformes nécessaires à l’État. Les valeurs de la libertas, c’était lui qui les portait. César, dans le Bellum ciuile, paru peu de temps après sa mort, ne disait pas autre chose62. Dépassant le clivage libertas vs regnum, il distingue entre une tyrannie néfaste – Sylla – et la nécessité salutaire d’un pouvoir personnel seul capable d’imposer à une oligarchie à la fois toute puissante et sclérosée les réformes salutaires à la République. Quant à savoir si le règne 53 Martin 2009b, 84–91. 54 Sall. Cat. 5,6 ; H 1,55,3 ; 57 ; 3,48,3 ; 9 sq. ; 23 M… 55 Sall. H 1,55,2 M. 56 Sall. H 1,55,4; 13 M. 57 Sall. H 1,55,3 ; 25 ; 48,3 ; 9 ; 20  M. 58 Sall. BJ 31,11 ; 20 ; cf. 7 ; 16 ; 22 ; 23. 59 Sall. BJ 31,7 : Ti. Graccho, quem regnum parere aiebant… 60 Sall. ad Caes. 2,6,1. Pour nous, il ne fait pas de doute que la seconde Lettre à César au moins est bien de Salluste. 61 Sall. ad Caes. 2,7,11. 62 Caes. BC 1,7 ; 22,5 ; 32 ; 3,97,2. Sur la date de parution du Bellum ciuile, voir Martin 2000, 86–90.

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de César lui donna satisfaction … À lire sa Lettre II à César, on peut en douter : probablement devait-il considérer que César, en ne réalisant pas les réformes qu’il lui conseillait, ou bien avait donné des gages à l’oligarchie, ou bien avait laissé dériver son pouvoir vers le regnum63.

III. Le triumvirat : un regnum qui se réclame de la libertas Temporibus triumuiralibus Pollio, cum Fescenninos in eum Augustus scripsisset, ait : « At ego taceo, non est enim facile in eum scribere qui postest proscribere. »64

Cette réflexion humoristique, qu’on peut mettre en rapport avec le « mot » du juriste Cascellius se félicitant d’être vieux et sans enfant parce que cela préservait sa liberté de parole65, illustre le climat de terreur66 qui régna sous la « révolution »67 triumvirale. Cette monstruosité juridique, qui, sans abolir formellement les institutions républicaines, les mettait sous le boisseau en se plaçant au-dessus d’elle, inaugurait une nouvelle forme, inédite, de regnum. Jusqu’alors, le regnum avait été le fait d’un homme seul, et même ce qu’on appelle improprement le « premier triumvirat » n’était en fait que l’entente privée de trois hommes. Avec le triumvirat « légal » institué par la lex Titia en novembre 43, non seulement le fonctionnement régulier des institutions républicaines était suspendu, mais il l’était au nom de la libertas, puisque c’était, officiellement, pour rétablir celle-ci, opprimée par les assassins de César, qu’il était institué. On eut donc, à Philippes, à Nauloques, l’affrontement de deux forces qui se réclamaient toutes deux de la libertas, même si, avec le recul, Dion Cassius dénonce cette chimère et rétablit la réalité des faits68. De cette réalité témoignait déjà le remplacement, par C. Antonius, du Brutus d’Accius – pièce aux implications politiques évidentes – par le Térée du même auteur69, même si la pièce à sujet mythologique n’empêcha pas les manifestations en faveur des Libérateurs70. Il y avait bien un enjeu, senti comme tel, aux lendemains des Ides de mars et, de ce point de vue, les Philip­ piques n’étaient pas la parole isolée d’un nostalgique de la liberté. Le malheur est que, des mémoires et ouvrages historiques qui fleurirent sous le triumvirat et 63 Sur cette distanciation à l’égard de César, sensible dans la Conjuration de Catilina, voir Martin 2018. 64 Macr. Sat. 2,4,21. 65 Val. Max. 6,2,12. 66 Sur la terreur triumvirale, voir Martin 2015c ; Martin 2016. 67 Terme emprunté à Millar 1999. 68 Cf. Dio 47,39,2. 69 Cic. Att. 15,12,1 ; 16,5,9 ; 2,3 ; Dio 47,20,2. 70 Cic. Phil. 10,8. Sur tout cet épisode, voir Cogitore 2011, 194–200.

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après lui et qui traitaient de cette période71, il ne reste pratiquement rien. Nous ne saurons donc, de ce que les contemporains du triumvirat ont pensé sur ce regnum inédit, que ce qu’en disent les pauvres épaves subsistant de cette période, lesquelles portent des témoignages obliques, obscurs, décalés dans le temps ou cryptés72. Pour le sujet qui nous intéresse aujourd’hui, nous en retiendrons un : les Bucoliques, où, pour remercier celui qui lui a permis de conserver son bien, Virgile-Tityre l’appelle, obstinément, deus73. L’appellation, en soi, serait banale pour exprimer avec emphase sa gratitude, si le poète ne précisait pas qu’il lui rend un culte74, comme à son divin père Daphnis-César, élevé aux astres75. Et, comme en écho, l’Épode 13 d’Horace préfère taire cette époque troublée, que seul un dieu pourrait restaurer : Cetera mitte loqui : deus haec fortasse benigna reducet in sedem uice.76

IV. Être dieu pour régner Ainsi, dès les débuts de l’ascension d’Octavien se dessine le vecteur d’une nouvelle forme de regnum : par la divinisation. Tant il est vrai qu’à Rome, « il était plus facile d’être dieu que d’être roi »77. Pour Virgile, l’espoir ténu qu’il mettait en 37, au plus noir des guerres civiles, dans le iuuenis78, s’est réalisé : dès 29, il chante en lui le deus, descendant de Tithon, appelé un jour à siéger parmi les dieux, et qui doit s’habituer à être prié dans le temple que, en premier, lui élèvera le poète79. Annonce de l’épopée future certes, mais comment ne pas rapprocher cette promesse de temple de la dédicace contemporaine du temple au Diuus Iulius, père d’Octavien ? Il est révélateur que Virgile, dans les Géorgiques, puise son inspiration du côté de l’encomium ptolémaïque illustré par Callimaque80.

71 Dont témoigne App. BC 4,16, qui les utilisa. 72 Cf. Ledentu 2012 ; Martin 2015c ; Martin 2016. 73 Verg. Buc. 1,6 sq. ; 18 ; 5,64. Est-ce parce qu’il en a été spolié que Properce, 4,1,127–130, vingt-cinq ans après les événements, en souffre toujours ? 74 Verg. Buc. 1,42 sq. 75 Verg. Buc. 5,56–80 ; 9,46–50. 76 Hor. Epod. 13,7 sq. 77 Martin 1994, 318. 78 Verg. Georg. 1,500. 79 Verg. Georg. 1,24–42 ; 3,12–38 ; 48 ; 4,502. Rappelons que l’ouverture du premier chant a été rajoutée après coup. 80 Cf. Agosta-Hugues – Stephens 2012, 233–244.

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Et quand une lutte pour le pouvoir est évoquée, c’est entre des rois, le « bon » roi des abeilles, contre le « mauvais »81– écho transposé de la dernière guerre civile. Peu de temps après, Horace, dans ses odes civiques, annonce aussi la divinisation d’Auguste, second de Jupiter, mais comme un événement à venir : Caelo tonantem credidimus Iouem Regnare : praesens diuus habebitur Augustus…82

L’affirmation de la divinité du Prince encore vivant est exprimée par lui de la manière la plus obvie quand il place Auguste au bout d’une chaîne de héros-princes divinisés : Romulus, bien sûr, mais aussi Dionysos, les Dioscures et Hercule – tous hommes qui, par l’excellence de leurs bienfaits, ont mérité d’être divinisés83. Cicéron, déjà, ne disait-il pas la même chose ?84 Après tout, pourquoi un dieu, ou un futur dieu, ne pourrait-il pas vivre dans un état républicain ? Dieu, futur ou déjà présent, Auguste l’est également chez Properce, qui l’appelle deus Caesar et s’adresse à lui comme au Latio Ioui85. Après eux, cette représentation de la divinité d’Auguste trouve son aboutissement culminant dans la mythologie des recueils écrits par Ovide en exil, quand celui-ci, repenti, manifeste une orthodoxie trop ostentatoire pour être crédible86. Auguste, de ce fait, n’a rien à voir avec les rois « ordinaires », dont Horace rappelle qu’ils sont soumis à Jupiter87, donc aussi à son second sur terre ; et le visage de la tyrannie née des troubles civils draine toujours dans ses vers l’odium regni, tant chez Horace : Iustum et tenacum propositi uirum non ciuium ardor praua iubentium, non uoltus instantis tyranni mente quatit solida…88

que chez Properce, reliant le sort de Cléopâtre à celui de Tarquin : Quid nunc Tarquinii fractas iuuat esse secures, nomine quem simili uita superba notat, si mulier patienda fuit ? 89 81 Verg. Georg. 4,67–102. 82 Hor. Od. 3,5,1–3 ; cf. 3,3,11 sq. ; Ep. 1,16,29. 83 Hor. Ep. 2,1,5–17 ; 3,3,9–16 ; 4,8,22–30. 84 Cf. Cic. Rep. 1,64. 85 Prop. 3,4,1 & 6. 86 Cf. notamment Ov. Trist. 4,4 ; Pont. 2,2 ; 2,8 ; 4,8 ; cf. Mc Gowan 2009, 63–92. 87 Hor. Od. 3,1,5–8. 88 Hor. Od. 3,3,1–4; cf. le poème de « l’expiation » : Od. 3,6. 89 Prop. 3,11,47–49.

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V. La libertas sous le Princeps : la res publica restituta Lorsque Auguste, sur la fin de sa vie, en 13 ap. J. C., évoquera son action à l’orée de cette période, il la qualifiera ainsi : Annos undeuiginti natus exercitum priuato consilio et priuata impensa compa­ raui per quem rem publicam  a dominatione factionis oppressam in libertatem uindicaui.90

Il ne fait aucun doute que cette phrase, qui ouvre ses Res gestae, est un clin d’œil appuyé en direction de Cicéron :…ex dominatu Ti. Gracchi priuatus in libertatem rem publicam uindicauit…91 On ne peut pas, du coup, ne pas songer au princeps cicéronien : Sit huic oppositus alter, bonus et sapiens et peritus utilitatis dignitatisque ciuilis, quasi tutor et procurator rei publicae ; sic enim appelletur quicumque erit rector et gubernator ciuitatis. Quem uirum facite ut adgnoscatis ; iste est enim qui consilio et opera ciuitatem tueri potest.92

Qu’Octavien y ait pensé, c’est certain : la récupération de l’idée cicéronienne faisait partie de son programme politique93. Cicéron qualifiait ainsi l’action bénéfique de Scipion Nasica, dans un traité où, au moins autant que la liste des orateurs latins, il dressait celle des défenseurs de la liberté94. Auguste détournait et déformait l’idée à son profit, comme il l’avait fait pour le mot princeps  – « invention » cicéronienne, destinée à porter remède à la République malade, et dont Auguste changea la signification pour en faire le fondement de sa monarchie nouvelle95. Mais l’on  a moins remarqué que la formule augustéenne renvoyait aussi à César : …ut se et populum Romanum factione paucorum oppressum in libertatem uindicaret.96 César avait donc placé son action contre Pompée sous le signe, cher aux populares, de la libertas. La guerre civile achevée, il poursuivit dans la proclamation d’une liberté recouvrée grâce à lui97. Auguste a su s’en souvenir.

90 RGDA 1,1. Sur les RGDA , voir en dernier lieu Ridley 2011 ; Scheid 2016. 91 Cic. Brut. 212 ; cf. Cat. 3,1 ; dom. 145 sq. ; post red. in sen. 36 ; post red. ad Quir. 14 ; Cato Mai. 20 ; Marc. 2 ; Fam. 12,13,1. Voir Vanotti 1999 ; Citroni 2012. 92 Cic. Rep. 2,51. 93 Cf. Martin 1994, 450 sq. ; Citroni 2012. 94 Cf. Martin 2014. 95 Cf. Martin 1994, 450–452. 96 Caes. BC 1,22,5. 97 Cf. Cogitore 2011, 120 sq.

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Or, renvoyer par la même formule à la fois à Cicéron et à César98, c’était revendiquer la double obédience, à la République et à l’héritage césarien. En s’en prévalant, Auguste justifie  a posteriori l’action d’Octavien : comme son « père », il  a pris les armes pour libérer Rome de l’oppression des tenants de l’oligarchie, qui, après avoir assassiné César, auraient voulu faire revivre ce régime néfaste qu’ils affublaient du nom de libertas. Il faut remarquer que le mot libertas disparaît ensuite complètement du texte des RG – ce qui ne signifie pas qu’Auguste le reniait99, mais simplement que la République ayant été restaurée par ses soins, la liberté l’avait été du même coup100. Le retour à la libertas, c’est donc la « restitution » de l’État au sénat et au peuple romain, le 13/01/27, qui en marque le début, par un nouveau fonctionnement régulier des institutions101. In consulatu sexto et septimo, postquam ciuilia bella exstincteram, per consensum uniuersorum potitus rerum omnium, rem publicam ex mea potestate in senatus populique Romani arbitrium sustuli.102

Le rappel de l’extinction des guerres civiles va de pair avec celui du serment universel de l’Italie : s’il  a eu tout pouvoir (potitus, potestate)  pour éteindre l’incendie, c’est parce que l’ensemble des citoyens le lui avaient accordé. Contrairement donc à une idée reçue, on voit qu’Auguste n’a jamais nié le caractère à la fois civil et extérieur de l’action d’Octavien ; il a assumé son caractère de guerre civile, en justifiant son action par sa mission rei publicae constituendae, qui impliquait le recours aux armes contre des concitoyens dévoyés jusqu’à ce que la république soit de nouveau constituée103. Le rappel de la restitutio rei publicae a pour pendant l’affirmation qu’il n’a jamais exercé de pouvoir autre que républicain et que sa préséance ne provient que de son auctoritas : Post id tempus auctoritate omnibus praestiti, potestatis autem nihilo amplius habui quam ceteri qui mihi quoque in magistratu conlegae fuerunt.104

Un aureus contemporain montre Octavien assis sur la sella curulis entouré par la légende LEGES ET IURA P. R. RESTITUIT 105. Il faut la replacer dans le contexte 98 À moins que César, déjà, n’ait fait là un clin d’œil à Cicéron – ce qui serait un élément, non vu jusqu’à présent, en faveur d’une datation tardive du BC . 99 Comme le pensait Ramage 1987. 100 Cf. R. G. D. A. 34,1. 101 Cf. Dio 53,2,5. Sur la notion de res publica restituta, voir en dernier lieu Hurlet – Mineo 2009. 102 Aug. RG 34,1. 103 Cf. Lange 2009, 79 sq. 104 Aug. RG 34,3. 105 Cf. Rich–Williams 1999. Qu’on interprète P. R. comme un génitif ou un datif ne change rien au sens.

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comme l’affirmation de la fin de l’institution triumvirale qui, officiellement, n’avait jamais été abrogée, et aussi des guerres civiles – mais, de cela, sur l’instant, on était moins sûr. À ce moment, personne ne pouvait savoir ce qu’allait impliquer, dans les années à venir, le cognomen Augustus attribué trois jours après à Octavien. La Satire 6 du livre I d’Horace définit de manière originale cette liberté retrouvée. Dans le contexte de sa revendication d’homo nouus, Horace oppose la lointaine époque royale, ouverte, au monde fermé de l’oligarchie républicaine : … ante potestatem Tulli atque ignobile regnum multos saepe uiros nullis maioribus ortos et uixisse probos, amplis et honoribus auctos ; contra Laeuinum, Valeri genus, unde Superbus Tarquinius regno pulsus fugit, unius assis non unquam pretio pluris licuisse, notante iudice quo nosti populo, qui stultus honores saepe dat indignis et famae seruit ineptus, qui stupet in titulis et imaginibus.106

Notons d’abord que l’exactor regum n’est plus Brutus, mais Valerius Publicola. Surtout, le rappel de l’origine humble de Servius Tullius contraste avec l’aberration politique d’un peuple qui donne ses suffrages aux seuls titulaires de grands noms. On trouve ici la condamnation claire du fonctionnement des institutions républicaines que les césaricides rêvaient de rétablir. L’Horace ami de Mécène et d’Auguste se désolidarise de l’Horace tribun militaire à Philippes. Une royauté qui faisait monter les talents jusqu’au trône ne fut-elle pas meilleure qu’une République qui promeut les nuls parce qu’ils sont dotés d’imagines ? Horace se réjouit du mouvement socio-démographique auquel il participe et qui est en train de substituer aux représentants des grandes familles républicaines, décimées par les guerres civiles, une classe nouvelle montée de toute l’Italie. Et si Rome était sur le point de revivre l’heureux temps du roi populaire Servius Tullius ?107 En tout cas, il est clair que la libertas d’un fils de libertus n’a plus grand-chose à voir avec la libertas revendiquée par les deniers des Libérateurs. Ce qui est en train de naître, c’est une libertas qui, pour être diminuée, notamment par l’autocensure que s’impose à elle-même la parole orale ou écrite108, n’en est pas moins sentie comme réelle, au sortir des guerres civiles, non seulement parce que la première des libertés est de ne plus trembler pour sa vie, mais encore parce que c’en est fini de l’inuidia infelix109, autrement dit des compétitions exacerbées de 106 Hor. Sat. 1,6,9–17. 107 Sur cette révolution culturelle, voir la somme de Le Doze 2014. 108 C’est le sujet traité par Ledentu 2012. 109 Verg. Georg. 1,37.

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l’ancienne République, qui avaient abouti aux guerres civiles. Quand Cicéron déplorait le silence du forum sous César, Horace est satisfait de le voir « dénué de procès »110. La forme de la République, SPQR , est respectée ; simplement, sénateurs et Quirites chantent désormais la primauté d’Auguste : Quae cura patrum quaeue Quiritium plenis honorum muneribus tuas, Auguste, uirtutes in aeuum per titulos memoresque fastus aeternet, o qua sol habitabilis inlustrat oras maxime principum ?111

Properce lui-même ne doute pas qu’à Actium les armes d’Auguste étaient placées sous les enseignes à la fois de César divinisé et de la liberté : At pater Idalio miratur Caesar ab astro : “Sum deus ; est nostri sanguinis ista fides” Prosequitur cantu Triton, omnesque marinae plauserunt circa libera signa deae.112

On retrouve la même ambiguïté assumée dans la Préface du De Architectura de Vitruve, qui affirme conjointement la divinité toute-puissante de l’Empereur et la libération du sénat et du peuple : Cum diuina tua mens et numen, imperator Caesar, imperio potitetur orbis terrarum […] populusque Romanus et senatus, liberatus timore…113

Auguste est donc à la fois le souverain tout-puissant, divin, et celui qui a libéré les Romains de la peur de la guerre civile. Pour qui se souvient de la période antérieure, c’est une liberté dont le prix est goûté par tous. C’est cette forme nouvelle de libertas qui vainquit à Actium. Quand Horace écrit l’Épode 9, c’est moins la figure d’un chef charismatique qu’il loue que le vainqueur républicain dont la victoire est comparée à celle de Marius sur Jugurtha, de Scipion sur Carthage114. D’Antoine, il n’est point question115 ; Actium est l’ouverture d’une liberté retrouvée. Même Properce, tout en déplorant nostra ossa roulés par la mer 110 Hor. Od. 4,2,43 sq. : forumque / litibus orbum. 111 Hor. Od. 4,14,1–6. 112 Prop. 4,6,59–62; cf. Ledentu 2016. 113 Vitr. Arch. 1 Praef. 1. 114 Hor. Epod. 9,7–26. Marius et les Scipions apparaissent aussi chez Virgile, Georg. 2,169 sq., mais avec les Decii et Camille, dans la récupération des gloires républicaines par l’idéologie augustéenne. 115 Plus tard, Horace osera envisager que l’issue de la bataille ait pu être différente, mais sous une forme ludique qui en désamorce la charge subversive : Hor. Ep. 1,18,58–66 ; cf. Bodwitch 1994.

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à Actium116, présente Cléopâtre abattue, « les cous des rois enchaînés de chaînes d’or »117 et trouve juste la victoire d’Octavien contre Antoine118. Cependant, au-delà des nuances qu’on peut déceler dans les poèmes qui chantent Actium, tous ont une finalité commune : mettre en place une mythologie politique autour de cette victoire comme acte fondateur du régime119. Outre les nombreuses allusions qu’on peut en relever chez les poètes120, le mythe actien fait l’objet, dans les années 20, d’un morceau de bravoure chez chacun des trois plus grands : Virgile, Horace et Properce121. Or, souligner ainsi qu’Actium fut l’épiphanie d’Octavien-Auguste, c’est créer un parallèle avec les monarchies hellénistiques, fondées elles aussi sur l’épiphanie de la victoire militaire122. Nous sommes bien dans un contexte monarchique. En 20 précisément, Horace qualifie la Rome d’Auguste de regia Roma123, et il admet que ses relations avec Auguste sont celles qu’on peut avoir avec un rex124. Plus subtilement, Ovide associera les termes augustus et regalis pour peindre un Jupiter qui a tous les traits d’Auguste, à commencer par la grauitas : Bis sex caelestes medio Ioue sedibus altis augusta grauitate sedent ; sua quemque deorum inscribit facies ; Ioui est regalis imago.125

Et, alors que Tite-Live vante la supériorité militaire de la République romaine sur Alexandre le Grand126, Horace préfère louer la supériorité des goûts artistiques d’Auguste sur le Macédonien127 : de la comparaison entre un peuple de citoyens et un roi, on passe à la comparaison d’un monarque avec un autre monarque, dans le cadre d’une vie artistique qui n’a pas honte de s’affirmer « de cour »128. Rien n’est plus révélateur cet état d’esprit que la manière dont Virgile évoque l’action fondatrice de la liberté de L. Brutus, avec une réticence qui contient une condamnation implicite des violences qu’entraîne l’amour trop exclusif de la libertas : 116 Prop. 2,15,44. 117 Prop. 2,1,33 (regum auratis circumdata colla catenis) ; cf. 3,11,29–50. 118 Prop. 2,16,37–41. Malgré sa commisération pour le destin d’Antoine : 3,9,56. 119 Cf. RGDA 3,1. 120 Cf. Hor. Epod. 9 ; Prop. 2,1,30–34 ; 15,43–48 ; 16,37–42; 34,61 sq. ; 3,9,47 sq. ; 11,39–58. 121 Verg. Aen. 8,671–713 ; Hor. Od. 1,37 ; Prop. 4,6 ; cf. Foulon 2009. Voir aussi l’anonyme Élégie à Mécène 45–48. 122 Cf. Biaggio 2003. 123 Hor. Ep. 1,7,35–45. 124 Hor. Ep. 1,17,43 f. 125 Ov. Met. 6,72–74. 126 Liv. 9,16,11–19,17. 127 Hor. Ep. 2,1,229–250. 128 Cf. Hor. Ep. 2,1,250–257.

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Vis et Tarquinios reges animamque superbam ultoris Bruti, fascisque uidere receptos ? Consulis imperium hic primus sauasque securis accipiet natosque pater noua bella mouentis ad poenam pulchra pro libertate uocabit.129

Pour être proclamée pulchra, la libertas n’en a pas moins conduit le fondateur de la République à la même hybris que le tyran qu’il a chassé ; derrière le qualificatif ultor se cache la condamnation des excès auxquels avait conduit l’action vengeresse contre ceux qui avaient commis sur César un parricide – crime aussi grave que l’exécution cruelle des fils de Brutus par leur père. Dans la guerre civile, tout le monde finit par être coupable. Même Énée finit par tuer Turnus130. Aussi bien Virgile préfère-t-il clore l’ecphrasis du bouclier d’Énée sur la vision apaisée des triomphes inaugurant, après Actium, l’ère de la paix civile131, dont l’aboutissement idéologique sera matérialisé, en 9, avec l’Ara Pacis Augustae : Frondibus Actiacis comptos redimita capillos, Pax, ades…132

VI. Tite-Live, chantre de la liberté et soutien d’Auguste On retrouve la même réticence que chez Virgile quand Tite-Live parle des excès de la liberté à l’aube de la République133. Très probablement écrit vers 28–27, le livreI témoigne lui aussi de cette ambiguïté134. D’un côté, il comporte un vibrant hommage à la libertas et une condamnation sans appel de l’oppression monarchique du dernier roi de Rome. Alors qu’il rend compte de deux cent cinquante années de l’histoire de Rome, les quinze derniers chapitres, qui narrent la fin de la royauté, couvrent moins de trente années. À l’approche de la libération du joug monarchique, Tite-Live ralentit le rythme de son récit pour décrire la marche vers la liberté. Le mot libertas apparaît alors pour la première fois135 et lui-même ou des mots de même racine scandent 129 Verg. Aen. 6, 817–821. 130 Verg. Aen. 12,919. Notre interprétation s’oppose à celle de Barchiesi 1984, 119 sq., qui voit dans le meurtre de Turnus l’amorce d’une épopée de la réconciliation. 131 Verg. Aen. 8,714–723. 132 Ov. F 1,711 sq. 133 Liv. 2,2,2 ; 5,5–8. Elle trahit la dégradation de la figure de L. Brutus, le brouillage idéologique produit par la surimpression avec le souvenir récent de M. Brutus ; cf. Martin 2010a, 44 sq. 134 Cf. Martin 2015a. 135 Liv. 1,46,3.

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ensuite le récit à un rythme de plus en plus soutenu136. Parallèlement le livre I dessine le tableau d’une dégradation de la royauté lente, mais continue, à partir de la période étrusque. Ainsi, à mesure que s’enfonce le regnum, la libertas se lève. Lente dégradation de la royauté d’un côté, lente maturation de la liberté de l’autre s’inscrivent dans la conception livienne d’une histoire « organiciste » et cyclique de Rome137, où la royauté est décrite comme « enceinte », si l’on peut dire, de la res publica138. C’est donc un Tite-Live très républicain qui ressort du livre I – d’autant plus que, n’ayant jamais vu la République fonctionner, ce citoyen « de la première génération » à tendance à l’idéaliser. Achever le livre I en 509 constitue, de ce point de vue, une nouveauté historico-idéologique. On s’accordait en effet à juger que la République ne fonctionna qu’une fois mis en place le cadre juridique de la loi des XII Tables, plus d’un demi-siècle après139. Clore le livre I sur l’élection des premiers consuls de la République relève donc du parti pris idéologique de la République romaine, qu’il actualise : libertas vs regnum140. De son « républicanisme », les preuves abondent, qui expliquent l’épithète de « pompéien » que lui lança plaisamment Auguste141. Il faut notamment souligner sa complaisance à faire état de données empruntées à la « légende noire » de Romulus142. Tite-Live aurait pu les taire ; qu’il ne l’ait pas fait montre qu’il tenait à marquer la distance avec cet exercice premier du pouvoir royal, dont pourtant Auguste avait failli se réclamer143. Et, alors qu’a été créé, probablement dès 42144 le culte au Diuus Iulius, marquer une distance aussi manifeste à l’égard des traditions sur la divinisation des « prototypes » du Prince, Enée et Romulus  – qu’il n’appelle jamais Quirinus –145 témoigne d’une réelle réticence, comparable à celle qu’il exprime sur l’incertitude relative à l’ascendance de la gens Iulia146. Tite-Live est manifestement rétif à la prétention au « droit divin » qui se profile à travers ce culte, ainsi qu’à une domination familiale contre laquelle, à la chute de la royauté, s’était construite l’identité civique romaine147.

136 Liv. 1,48,9 ; 56,8 ; 60,2 & 3. 137 Cf. Mineo 2006, 19 sq. ; 101 sq. ; 425 sq. 138 Cf. Liv. 2,1,1–6; voir Heldmann 1987 ; Martin 2013b ; Martin 2015a. 139 Cf. d’ailleurs Liv. 3,34,6. Voir Timpe 1972. 140 Cf., par ex., Liv. 2,12,2. 141 Tac. Ann. 4,34,3. Sur les limites de cette appellation, voir les mises au point de Mineo 2006, 109–134 ; Mineo 2008. 142 Liv. 1,14,3 ; 15,8 ; 16,4 ; voir Ver Eecke 2008, 181–188 ; 193–240 ; 425–431. 143 Suet. Aug. 7. 144 Dio 47,18,3. 145 Cf. Liv. 1,2,6 ; 15,6 ; 16. 146 Liv. 1,3,2 ; voir Nesselrath 1990 ; Salamon 2009. 147 Feldherr 1997 ; Feldherr 1998, 189 sq.

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Enfin, L.  Brutus est appelé par lui liberator148  – terme lourdement connoté, depuis que Cicéron l’avait abondamment utilisé pour désigner les césaricides, insignis uiros149. Et l’éloge qu’il fera de Caton150 va dans le même sens151, comme son interrogation sur César : …in incerto esse utrum illum magis nasci aut non nasci reipublicae profuerit.152 Tite-Live devait sans doute porter un jugement réservé sur l’autocratie de César, sur sa généalogie mythique, sur sa divinisation, et donc sur cet aspect du legs césarien assumé par Octavien-Auguste. Pourtant, en même temps, les indices de l’adhésion de Tite-Live à l’entreprise d’Auguste ne manquent pas dans le livre I, à commencer par la Préface. Nous ne citerons que deux passages : celui où Évandre est dit avoir régné par sa seule auctoritas, comme le Prince s’en vantera aussi153, et celui où l’historien rappelle qu’Auguste a fermé le temple de Janus pour la deuxième fois depuis Numa, post bellum Actiacum154. Cette précision est importante. Tite-Live a vécu jeune les convulsions de la dernière guerre civile ; il sait le prix de la paix155, et il sait gré à Auguste de l’avoir ramenée. Un passage peu remarqué du l. I semble y faire écho : la prière adressée par les Sabines aux combattants : … orantes ne se sanguine nefando soceri generique respergerent, ne parricidio macularent …156 Ces deux propositions introduites par ne semblent résumer les deux guerres civiles récentes : celle qui opposa César et Pompée, et celle qui fut consécutive à ce que les césariens considérèrent comme un « parricide » à venger : l’assassinat de César. En effet, bien avant que Lucain ne fasse un usage outrancier de l’expression « le beau-père et le gendre » – plus de cinquante fois – elle avait été utilisée par Catulle et Cicéron157, avant d’être reprise par Virgile, puis par d’autres158 ; on ne peut donc douter que le lecteur ait perçu l’allusion. D’autant plus que le mot parricidium, lui aussi, avait fait l’objet, après la mort de César, d’une âpre polémique, dont les échos se font entendre longtemps après, sur la question de savoir si ses meurtriers étaient des 148 149 150 151

Cf. Liv. 1,56,8 ; 60,2 ; 2,5,6 ; 7,8 ; 4,15,3 ; 7,32,13. Liv. F 67 Jal (= 67 WM = Tac. Ann. 4,34,3). Liv. F 55 Jal (= 55 WM = Hieron. Pamm. Prologue l. 2 Comm. Os. 6 sq.). Mais l’image de Caton n’avait-elle pas été récupérée par Auguste ? Cf. Cogitore 2011, 185 sq., à propos de Hor. Od. 1,12,35 sq. ; 2,1,24. 152 Liv. F 58  WM (= Sen. NQ 5,18,4). Seul Jal 1979, F 20, 214 ; 253 sq., pense que le personnage visé est Marius. 153 Liv. 1,7,8 ; cf. RGDA 34,2. 154 Liv. 1,19,3. 155 L’importance de ce retour à la paix est illustrée, à la même époque, par un poète pourtant détaché de toute implication politique, Tibulle, dans l’élégie 1,10. Il sera encore souligné par Tac. Ann. 3,29,1. 156 Liv. 1,13,1. 157 Catul. 29,24 ; Cic. Att. 10,4,3 ; Off. 3,21,82. 158 Verg. Aen. 6,830–831, cf. Anth. Lat. 462,12 ; 847,2 ; 849,3 ; App. BC 2,77,323 ; Dio 41,57,4 ; 44,44,3.

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parricides ou des libérateurs159. Du coup, la suite du récit, s’il s’applique bien au synoecisme latino-sabin, Nec pacem modo, sed ciuitatem unam ex duabus faciunt. Ex bello tam tristi laeta repente pax…160

n’en résonne pas moins aussi comme un rappel du bienfait de la paix et de la concorde revenues grâce à Auguste. Et l’on n’a pas assez souligné que le début de la Préface du livre II : (Liberi iam hinc populi Romani res pace belloque gestas, annuos magistratus imperiaque legum potentiora quam hominum peragam.161) indique clairement que Tite-Live, sous un Principat désormais installé, vers 25, pense bien qu’il vit dans une Rome libre, que la res publica existe toujours, ou de nouveau, grâce à Auguste, par le rétablissement des magistratures et des lois. La description qu’il fait enfin, dans cette Préface du livre II162, d’un pouvoir monarchique nécessaire au peuple quand celui-ci n’est pas encore organisé – ou quand, par suite de longs troubles civils, il ne l’est plus – peut s’appliquer sans difficulté au nouveau pouvoir. Tite-Live pouvait le voir, à cette date, comme une sorte de béquille soutenant provisoirement une République chancelante au sortir d’un siècle de guerres civiles163. Auguste pouvait lui apparaître alors comme un avatar du bon roi ou du princeps républicain, un nouveau Servius Tullius ou un nouveau Camille164. Si Tite-Live, selon nous, pensait aussi à Auguste en rédigeant cette Préface, c’est qu’il voyait le nouvel état de Rome comme à la fois un changement et une continuité par rapport à l’état antérieur : après être passée de la royauté à la République, Rome, pour se retrouver, devait à nouveau passer par un état monarchique transitoire. Et la restitution contemporaine de la res publica lui faisait penser que cet état transitoire allait un jour prendre fin. Nous ne saurons jamais, parce que nous avons perdu la plus grande partie de son œuvre, si Tite-Live fut déçu par l’évolution du régime, et encore moins s’il exprima sa déception165.

159 Cic. Phil. 2,31 ; cf. Flor. 2,17 ; App. BC 4,134 ; Sen. Contr. 10,3,15. 160 Liv. 1,13,4 & 6. 161 Liv. 2,1,1. 162 Cf. Martin 2013b. 163 Ainsi s’explique que Tite-Live semble donner sa caution à la préfecture urbaine, ressuscitée par Auguste en 26, après César (Dio 42,30,1), en la faisant endosser à Sp. Lucretius au moment de la chute des rois (Liv. 1,59,12) – charge royale (cf. D. H. 2,12,1) récusée par Messala Corvinus comme inciuilem potestatem (Tac. Ann. 6,11 ; Hier. Chron. 1991). 164 Cf., dans le même sens, Mineo 2006, 131 sq. 165 Cf. Mineo 2016.

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VII. Status rei p. : le tournant dynastique Car, dès 25–23, Horace se fait le premier écho de cette nouvelle tendance du régime, dans l’Ode 1, 12. Après avoir sauté directement des Tarquini fasces au C ­ atonis nobile letum166, le poète associe à quelques grandes gloires de la République l’image monarchique de César Auguste, régnant « en second » de Jupiter167 ; entre ces deux évocations se trouve cette strophe : Crescit occulto uelut arbor aeuo fama Marcelli ; micat inter omnis Iulium sidus, uelut inter ignis luna minores.168

On pourrait penser que Horace évoque ici la figure du vainqueur de Syracuse, si le présent crescit ne désignait une gloire en devenir, sorte de lune montante : le Marcellus évoqué ici est le neveu d’Auguste, devenu son gendre en 25, sur qui reposait l’espoir dynastique du régime. En effet, dans un poème contemporain, Horace, répudiant les erreurs de sa jeunesse, affirme sans état d’âme la primauté dans l’État de la domus principis169. La mort prématurée du jeune homme éteignit les espoirs dynastiques. Mais il est révélateur que cette mort, pour Properce, ouvre à Marcellus les chemins du ciel, à la suite, il est vrai, de son illustre ancêtre. On pourrait croire à un contexte républicain, où les deux Marcellus siègeraient dans l’empyrée avec les Scipions et autres gloires du passé, si l’évocation du sidus Iulium ne plaçait pas cette divinisation dans l’ambiance monarchique du régime : Qua Siculae uictor telluris Claudius et qua Caesar, ab humana cessit in astra uia.170

Pourtant l’année 23, rendue critique par la maladie d’Auguste, avait vu un apparent rééquilibrage du régime en faveur de la République : pour la première fois depuis huit ans, Auguste abandonne le consulat, en faveur – qui plus est – d’un admirateur de Brutus, L. Sestius Albinus171. Mais, en même temps, il remet son sceau à son collega pari potestate Agrippa. Or ce geste, qui reproduit celui d’Alexandre sur son lit de mort172, peut difficilement passer pour républicain, 166 Hor. Od. 1,12,34 sq. 167 Hor. Od. 1,12,50 sq. ; 56. 168 Hor. Od. 1,12,45–48. 169 Hor. Od. 3,14,5–8; 25–28 ; cf. 4,4,1–36. 170 Prop. 3,18,31 sq. 171 Dio 53,32. 172 Dio 53,30,1 sq. ; cf. Roddaz 1984, 313.

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qui instaure une sorte de régence du régime, voire de succession. En outre le Prince, autorisé à franchir le pomerium sans perdre son imperium, cumule désormais pouvoir civil et pouvoir militaire ; sans parler de la uis tribunicia à vie, puis de la cura morum, du pouvoir consulaire à vie, etc.173. Qu’il y ait eu alors une modification profonde la réalité politique du pouvoir, et qu’elle ait été sentie, le vocabulaire officiel l’atteste. Apparaît en effet à ce moment, pour désigner la nature du régime, un mot nouveau, qui implique à la fois la stabilité et le caractère définitif de la situation nouvelle : status. En 23, au plus fort de sa maladie, le Prince publie un édit en forme de testament politique, où il affirme l’excellence du régime qu’il a fondé et le souci qu’il perdure après lui : Ita mihi saluam ac sospitem rem p. sistere in sua sede liceat atque eius rei fructum percipere, quem peto, ut optimi status auctor dicar et moriens ut feram mecum spem, mansura in uestigio suo fundamenta rei p. quae iecero.174

Une couronne de termes exprimant la stabilité – sistere, sede, mansura, funda­ menta – entoure la justification de ce souhait : l’État fondé par Auguste est le meilleur : optimi status. Une lettre, adressée plus tard à son petit-fils Gaius, à une date postérieure à son adoption en 17, confirme ce jugement : Deos autem oro ut mihi quantumcumque superest temporis, id saluis nobis traducere liceat in statu reipublicae felicissimo ἀνδραγαθούντων καί διαδεχομένων stationem meam.175

On retrouve la même affirmation d’excellence, augmentée encore de l’approbation divine contenue dans felicissimo. Quand on se souvient de l’utilisation de ce terme par Sylla, puis par Auguste dans ses Commentarii de uita sua176, on ne saurait douter qu’Auguste présente son action comme voulue et approuvée par les dieux. Et l’on retrouve le même mot status, renforcé par statio pour indiquer la stabilité retrouvée de l’État. Il est significatif enfin que Tacite reprenne le mot status pour définir le régime impérial177. Au demeurant, que le pouvoir d’Auguste ait été présenté comme légitime dans son autobiographie De uita sua est une évidence : Nicolas de Damas, qui

173 Sur ces pouvoirs nouveaux d’Auguste, voir Ferrary 2001a ; Ferrary 2001b ; Ferrary 2003. 174 Aug. ap. Suet. Aug. 28,3. Cf. aussi le denier de L. Mescinius Rufus (16 av. J. C.) (RIC I2. 68 n° 358) : per eum res p. in ampliore atque tranquilliore statu est. 175 Aug. ap. Gell. 15,7,3. 176 Cf. Thein 2009. 177 Tac. Ann. 1,4,1 ; 4,33,2 ; cf. Sen. ben. 2,20,1. Auparavant, r.p. status était utilisé par Cicéron surtout dans les cas où la statiblité de l’État était menacée: cf. Cic. har. resp. 60 ; leg. agr. 2,8; in Pis. 4.

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s’en inspira sûrement pour sa « Vie de César (Auguste) »178, désigne ce pouvoir par le mot utilisé en grec pour une magistrature : ἀρχή. Mais, pour l’historien, et sans doute aussi pour Auguste, la légitimité du pouvoir tient au moins autant au fait qu’il est l’héritier de César. Rappelons que, contrairement au latin, le grec a deux mots pour désigner l’héritier des biens (κληρονόμος) et l’héritier du pouvoir (διάδοχος), le second sens provenant de la monarchie hellénistique. Or, chez Nicolas de Damas, quand, au début de l’ascension d’Octave, les vétérans de César se rallient à lui, ils expliquent leur choix par le fait qu’ils font partie de l’héritage de César (κληρονομία)179, mais, développant les raisons du dit choix, ils se disent « persuadés que celui-ci est bien son fils [de César], qu’il a désigné comme successeur (διάδοχον) dans ses dernières volontés et à qui il a donné son nom. »180 On voit que, dès qu’il s’agit de succession en termes politiques, c’est l’aspect dynastique qui est mis en avant, par l’adoption et l’identité du nom. Dans ce contexte, l’utilisation par Auguste, dans sa lettre au Prince de la Jeunesse, du terme διαδεχομένων, indique sans aucun doute la visée dynastique du régime : la succession dynastique est le seul moyen trouvé par Auguste pour conserver la stabilité de l’État nouveau. Le tournant du régime, amorcé en 23, continué en 19, quand furent institués les Augustalia – festival et culte rendus, pour la première fois à Rome, à une personne vivante181 –, s’acheva en effet en 17 avec l’adoption de ses petits-fils182. Il ne fait plus de doute désormais que le Principat soit une monarchie, mais une monarchie « de droit divin », ce qui permet au Prince de continuer d’attiser, sans contradiction aucune, l’odium regni contre les rois étrangers, potentiellement soumis à lui comme le sont tous les rois à Jupiter, dont il est le second sur terre, en attendant de le rejoindre dans le ciel. Cette légitimité issue de la filiation césarienne, nous l’avons vue affirmée sans ambages par Properce, pour qui Actium ne fut pas seulement l’épiphanie d’Auguste, mais l’acte fondateur d’une dynastie monarchique « de droit divin », la victoire du fils garantissant en quelque sorte la divinisation du père. Le lien entre généalogie mythique et divinisation est bien exprimé par Ovide, parlant de G. César : Marsque pater Caesarque pater, date numen eunti ! Nam deus e uobis alter es, alter eris.183

Cette légitimité dynastique inscrit d’autre part le Prince dans une vision de Rome où l’histoire de la cité se confond avec la généalogie de la gens Iulia. Bien 178 Cf. Dobesch 1978. 179 Nic. Dam. F 130 FGH XXIX , 117, p. 415. 180 Nic. Dam. F 130 FGH XXX , 120, p. 416. Cf. Martin 2012 ; Devillers 2016. 181 Cf. Scheid 2001, 92; 103. 182 Cf. Hurlet 1997, 446–484. 183 Ov. A. A. 1,203 sq.

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mieux que l’impur Romulus184, fils de Mars, et simple maillon de la chaîne héréditaire, Énée, fils de Vénus, est l’ancêtre idéal, à la fois du nom Romain et du Prince artisan de la paix. C’est tout le sens de l’épopée virgilienne185, tel que l’a explicité le Carmen Saeculare d’Horace186. Et, avec une feinte piété, Ovide récite le catéchisme de cette filiation dynastique187. Quoi de plus naturel qu’un membre de cette gens continue, après Auguste, à gouverner le nouvel État ? À défaut de Marcellus, trop tôt disparu188, ce seront les petits-fils d’Auguste189, et, à défaut d’eux, Tibère. La présence de la domus Augusta sur la frise de l’Ara Pacis affirmera bientôt avec exaltation la dimension héréditaire du régime, garante de la pérennité de la paix : Vtque domus quae praestat eam cum pace perennet190, tout comme l’attribution, en 2, du titre de Pater patriae, dont Suétone rapporte en quels termes il fut proposé par Valerius Messala : Quod bonum, inquit, faustum sit tibi domique tuae, Caesar Auguste !191 Et Suétone donne la lettre de l’édit promulgué par Auguste à l’occasion de l’inauguration du Forum Augusti et des statues des summi uiri avec leurs elogia. L’ambition dynastique du Prince y est affirmée sans ambiguïté : …commentum id se, ut ad illorum *** uelut ad exemplar et ipse, dum uiueret, et insequentium aetatum principes exigerentur a ciuibus192. Ce tournant dynastique s’est accompagné d’un durcissement du régime ; celui-ci était inscrit dans le transfert de la notion de maiestas du populus Romanus au Princeps, comme une conséquence de ce transfert. Plusieurs témoignages postérieurs témoignent de ce durcissement193. Au sein même la domus Augusti, la voix de Drusus s’élevait : …de cogendo ad restituendam libertatem Augusto194. Nous voilà loin de la res publica restituta ! L’antique identité entre libertas et ciuitas est abolie. On peut admettre que les ciues Romani vivent désormais dans une res publica, mais celle-ci est réduite à la paix civile et au fonctionnement des institutions, et ils l’ont payée de la perte de la libertas195. L’ont-ils ressentie comme un manque ? Pour quelques nostalgiques de la République, sans doute. Mais la plupart d’entre eux n’avaient jamais vu fonctionner cet état républicain, 184 Cf. Martin 2013c. 185 Cf. notamment Verg. Aen. 1,286–294. Voir Quint 1993, 62 sq. 186 Hor. CS 37–60 187 Cf. Ov. Met. 15,818–821 ; 831–839 ; F. 1,527–534… ; cf. Millar 1993. 188 Cf. Verg. Aen. 6,883 : tu Marcellus eris… 189 Cf. Dio 55,40,1–8. 190 Ov. F 1, 721 ; cf. Sauron 2000, 64. 191 Suet. Aug. 58,2 ; cf. Severy 2003, 161. 192 Suet. Aug. 31,8. Sur ces statues, voir en dernier lieu Geiger 2008. 193 Cf. Sen. Contr. 10, Praef. 5–8 ; Ben. 3,27 ; Tac. Ann. 1,72,2 sq. ; Suet. Aug. 51,3 sq. ; 55… 194 Suet. Tib. 50,1. 195 Comme le constate Tac. Ann. 3,29,2 sq.

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et les derniers à l’avoir vu n’avaient été témoins que de ses dysfonctionnements sanglants finaux : Iuniores post Actiacum uictoriam, etiam senes plerique inter bella ciuium nati ; quotus quisque reliquus, qui rem publicam uidisset ?196

L’unique allusion qu’on trouve chez Ovide à la tragique année 43, c’est que c’est cette année-là qui l’a vu naître !197 Et il résumera la carrière d’Octave-Auguste en rappelant ses débuts comme chef de guerre civile198. Mais il n’y a plus d’interrogation sur le meurtre de César : ses assassins sont des impies qui, en le tuant, ont failli tuer Rome : Sic, cum manus impia saeuit sanguine Caesareo Romanum extinguere nomen…199

C’est dire à quel point cette génération, qui a vécu le véritable regnum augustéen, était détachée des préoccupations de la précédente et libérée de ses traumatismes. Pour le meilleur et pour le pire ! Car, si elle pouvait s’accommoder volontiers des contraintes du nouveau régime, elle n’avait plus la retenue de la génération précédente  – laquelle, ayant vécu les guerres civiles, n’avait aucune envie de déstabiliser le régime qui lui avait apporté l’inestimable bienfait de la paix civile. Dans cette nouvelle génération, en revanche, certains joueront avec le feu, au point de s’y brûler les ailes, comme Ovide. Il n’est pas question de reprendre ici le dossier épineux des rapports entre le poète et le pouvoir augustéen200. Nous rappellerons simplement quelques passages en rapport avec notre sujet :l’épisode de Picus d’abord, réactivation de l’odium regni républicain autour d’une figure – inventée par l’auteur ? – qui est l’exacte antithèse du Prince201 ; coincé entre l’ecphrasis du temple Palatin de Juppiter Victor et l’anniversaire de la bataille de Modène, le rappel ensuite de la dédicace de l’Atrium Libertatis, qui sonne comme un oxymore politique202 ; le récit enfin du viol de Lucrèce et du soulèvement qui mit fin à la royauté203. Ainsi, une génération après la res publica restituta, Ovide osait en faire éclater le mythe comme une bulle de savon. Peut-il y avoir un regnum sine ui sine caede204 ? Ou bien regia res scelus est205 ? Qu’Ovide exilé ose 196 Tac. Ann. 1,3,7. 197 Ov. Trist. 4,10. 198 Ov. Met. 15,22–28. 199 Ov. Met. 1,200 sq. ; cf. F. 3,697–710 ; 5,567–578. 200 Cf., en dernier lieu, Ledentu 2012 ; Le Doze 2014, 125–129. 201 Ov. Met. 15,565–621 ; cf. Martin 2009c. 202 Ov. F. 4,621–628 ; cf. Ledentu 2012, 142 sq. 203 Ov. F 2,685–850 ; cf. Ledentu 2012, 145–148. Rappel aussi du crimen regni de Manlius Capitolinus (Ov. F. 6,189). 204 Ov. Met. 11,270. 205 Ov. F. 6,595.

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comparer, fût-ce pour l’en distinguer, le pouvoir d’Auguste avec celui de tyrans sanguinaires semble bien indiquer que la distance est ténue entre le regnum accepté et l’insupportable tyrannie206. Du fond de sa relégation, le poète, en deux morceaux de vers séparés, exprime crûment la réalité du régime : …res est publica Caesar 207 …priuati nil habet domus208

Quand l’État se confond avec un homme et quand la famille de cet homme est du domaine public, on est, sans aucun doute, en monarchie. Les passages des RG commentés supra, et qui attestaient du parfait républicanisme des charges assumées par le Prince, contrastent fortement avec la complaisance avec laquelle Auguste, dans le même temps, détaille les honneurs qui lui ont été octroyés209. La progression même de sa marche à la monarchie se trahit à lecture du texte, qui le fait passer de dux à princeps, puis à Augustus, et enfin à Pater Patriae210. Quant à l’espoir dynastique, si les Princes de la jeunesse, dont le titre et l’adoption par Auguste indiquaient clairement que le pouvoir devait leur revenir, lui ont été ravis par la Fortune, Tibère est clairement désigné, par l’adoption, comme le recours dynastique211. En s’assumant à la fois comme restaurateur de la liberté et comme fondateur d’une dynastie, Auguste tentait encore de tenir les deux bouts de la chaîne. Ses successeurs n’auront pas cette prudence… ou cette hypocrisie politique.

VIII. Conclusion : la monarchie comme normalité de la res publica L’évolution de la notion de regnum commence immédiatement après les Ides de mars. Le paradoxe est que le moment où l’odium regni fut à son paroxysme fut aussi celui où la vieille opposition idéologique entre libertas et regnum fut pour la première fois mise en doute. La mutation césarienne de la res publica la rendait en effet inopérante. À partir de là, la confusion entre les deux notions va être totale, durant toute la période située entre la mort de César et la victoire d’Actium : tout le monde se réclamait de la libertas et, en même temps, le regnum, dans la pratique, s’imposait à tous. Sous le Principat, on vit s’installer, non plus une opposition entre libertas et regnum, mais une coexistence affirmée des

206 Ov. Pont. 1,2,119–126 ; 3,6,41–44 ; cf. Ledentu 2012, 160–162. 207 Ov. Tr. 4,4,15. 208 Ov. Pont. 2,1,18. 209 Aug. RG 34 sq. 210 Aug. RG 25,2 ; 30,1 ; 34,2 ; 35,1. 211 Aug. RG 8,4.

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deux notions, dont le contenu va, en même temps, changer. La libertas n’est plus l’antique république oligarchique, mais le simple fonctionnement régulier des institutions et l’exercice d’une liberté individuelle retrouvée grâce à la paix intérieure. Quant au regnum, tout en conservant sa connotation négative dans le domaine extérieur, il acquiert un contenu positif, par l’assimilation du charisme augustéen à celui de la divinité. De la res publica restituta à la domus Augusta dynastique, il n’y a pas contradiction, mais évolution d’un régime qui prétendait réconcilier les deux notions dont l’opposition avait constitué le dogme idéologique de la République.

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Gegensätze

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­Optimates und populares als politische Kampfbegriffe?

Die Krise der Römischen Republik in angemessene Kategorien zu fassen, bleibt eine Herausforderung für die althistorische Forschung. Diese Kategorisierung wird gerade auch dadurch erschwert, dass die zeitgenössischen Quellen selbst weder eindeutige noch einheitliche Begriffe für die politischen Turbulenzen Roms verwenden. Zwar ist ein tiefes Unbehagen über die eingetretene Situation in nahezu allen Zeugnissen dieser Zeit spürbar, doch die hierfür verwendeten Begrifflichkeiten erweisen sich als eher alltagssprachlich beschreibend, durchaus auch emotional normativ wertend, auf jeden Fall als hochgradig heterogen und wenig innovativ. Cicero etwa schrieb die sich verschlechternden Zustände dem Wirken aufrührerischer und vom mos maiorum abweichender seditiosi zu, die sich den boni widersetzten und hierdurch nicht nur ähnlich Entwurzelte aufhetzten, sondern den Staat insgesamt dem Untergang entgegen führten.1 Sallust benannte als Ursache Habgier und innere Zwistigkeiten, ausgelöst durch den Sieg über Karthago als letzten größeren äußeren Feind, welcher alsdann Volk und Nobilität in erbitterte Auseinandersetzungen gestürzt habe.2 Und Livius kam im Vorwort seines Werkes zu dem ernüchterten Urteil, man habe damals in Rom weder die Laster noch die Heilmittel dagegen mehr verkraften können.3 Insofern sind die Beobachtungen republikanischer Quellen zur Lage Roms semantisch nicht einfach als metaphorisch verschiedene Konnotationen einer weitgehend geteilten Krisensicht zu bewerten, sondern Ausdruck tiefgreifend divergierender Krisenwahrnehmungen. Zwar kam es hier, anders als in den von Reinhart Koselleck thematisierten revolutionären Achsenzeiten des 18. und 19. Jahrhunderts in Europa,4 offenbar nicht zu innovativen Wortprägungen, durch welche konkurrierende politische Leitvorstellungen der jeweiligen Protagonisten semantisch zugespitzt wurden. Rom erweist sich hier sehr klar als Gesellschaft der Vormoderne, für die die gemeinsamen Leitnormen des mos maiorum und traditionale Begrifflichkeiten 1 2 3 4

Z. B. Cic. Off. 1,85; Rep. 6,1; Att. 10,1,2; weitere Quellenbelege gibt Robb 2010, 152–158. Sall. Cat. 10; 38. Liv. praef. 9. Koselleck 1989b.

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verbindlich blieben, sowohl während der Phase der Römischen Republik als auch partiell darüber hinaus, und dessen Begrifflichkeit noch im letzten Jahrhundert der Republik eingeschränkt war. Diese Spezifik entspricht auch Beobachtungen zeitgenössischer Autoren.5 Allerdings bedeutet dieser Tatbestand noch keineswegs, dass die geringer ausgeprägte Intensität innovativer Schlagwortbildung semantische Kämpfe konkurrierender Gruppen im Koselleckschen Sinn unmöglich gemacht hätte. Koselleck hat diesen Terminus definiert als Kämpfe verfeindeter Gruppierungen um die inhaltliche und semantische Deutung aktueller Konflikte, d. h. letztlich auch als Positions- und Normierungsstreitigkeiten um inhaltliche Sachverhalte, politische Agenden, oder aber die eigene Rolle bzw. die des politischen Gegners in diesen Auseinandersetzungen.6 Gerade weil Begriffe als Indikatoren für politisch-sozialen Wandel dienen können – seien es begriffliche Neuprägungen oder Bedeutungsverschiebungen bereits bekannter Worte – bleiben historische Begriffsanalysen ein fruchtbarer Schlüssel, um diesen Wandlungsprozessen  – auch in Gestalt gewandelter Erfahrungs- oder Erwartungshorizonte – nachzugehen. Für eine hermeneutische Fruchtbarkeit des Begriffs der semantischen Kämpfe unter Berücksichtigung der spezifischen Bedingungen der späten Römischen Republik spricht folgender Umstand: Die politische Kultur der Römischen Republik war einerseits durch ein traditionell hohes Maß an öffentlicher Kommunikation geprägt, welche in der Krise der Republik grundsätzlich erhalten blieb und sogar noch an inhaltlicher Tiefenschärfe gewann.7 Zeitgenössische Autoren bezeugen, dass für und gegen die politischen Projekte jener Jahrzehnte mit einer zuweilen höchst emotionalen Sprache, zahlreichen inhaltlichen Argumenten und unter Aufbietung aller Fertigkeiten römischer Rhetorik gestritten wurde.8 Dass dieser rhetorische Einsatz Einfluss auf die Meinungen und Einstellungen der Römer hatte und auch deren Mobilisierbarkeit beeinflusste, steht außer Zweifel. Deshalb stellt sich die Frage, ob es nicht auch in vormodernen Gesellschaften und deren geringer ausdifferenzierten Begriffsapparaten unter besonderen Bedingungen durchaus zu heftigen semantischen Kämpfen politischer Kontrahenten kommen konnte, und ob die späte römische Republik ein Beispiel hierfür ist.9 5 Plaut. Asin. 11; Trin. 19; Lukr De rer. nat. 3,1–8; Cic. De orat. 1,7–11; 14 f.; Brut. 110 f.; vgl. Fögen 2000, 41–49; 112–114; Müller-Wetzel 2000, 134. 6 Koselleck 1989a, 112 f. 7 Tiersch 2009, 54–68; Pina Polo 1996, 173. 8 Zahlreiche Belege hierfür bietet Mackie 1992, 52–59. Beispiele hierfür sind aber auch nicht zuletzt programmatische Schriften zur Verbesserung der Redekunst wie die Rhetorica ad Herennium oder Ciceros Brutus bzw. die Schrift De Oratore; vgl. zur Rhetorik jener Jahre exemplarisch Russell 2013 bzw. Steel 2013. 9 Vgl. auch die treffenden Bemerkungen von Steinmetz 1993, 18 f., dass erst eine Analyse von Sprachhandlungen aller politisch Mitspracheberechtigten erweist, wie Zuständigkeiten und Grenzen politischen Handelns permanent neu verhandelt werden, und daß es hier

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Die vorliegende Untersuchung möchte diesem Problem anhand einer Fokussierung auf die Begriffe von Optimaten und Popularen nachgehen, gerade weil beide Begriffe, v. a. der Letztere, in der damaligen politischen Debatte eine erhebliche Rolle bei der Fremd- bzw. Selbstbeschreibung der politischen Kontrahenten spielten. Republikanische Quellen machten als zentrale Konfliktlinie der späten Republik einen Gegensatz zwischen konservativen Vertretern des Senats und opponierenden, stärker auf die Entscheidungsfindung über die Volksversammlung setzenden Einzelpolitikern manifest, und kleideten dies sowohl in die Begriffe von Optimaten und Popularen als auch in analoge Kategorien.10 Am weitesten getrieben hat diesen kategorialen Gegensatz jedoch Cicero in seiner Rede für Sestius, in welcher er die geschilderte Dichotomie als prägend für die gesamte Geschichte der römischen Republik behauptet: »Seit jeher hat es in unserer Bürgerschaft zwei Arten (duas partes) von Leuten gegeben, die danach strebten, in der Politik aufzugehen und sich darin hervorzutun: hiervon wollten ihren Zielsetzungen entsprechend die einen für Volksfreunde (populares), die anderen für die Besten (optimates) gelten. Diejenigen, die in Worten und Taten der Menge zu willfahren suchten, wurden als Volksfreunde angesehen, die hingegen, die sich so einrichteten, dass ihre Absichten die Billigung aller Guten zuteil wurde, als die Besten. Wer ist das: alle Guten? Der Zahl nach, wenn du das wissen willst, unendliche viele (sonst würden wir uns ja nicht behaupten können): da sind die ersten Männer in der Staatsführung und deren Anhänger, da sind die Angehörigen der höchsten Stände, die Zugang zum Senat haben, da sind die Römer aus den italischen Städten und vom Lande, da sind Geschäftsleute und auch Freigelassene – sie alle gehören zu den Besten.«11 Folgt man dieser Lesart, so erscheint eine Spaltung der Nobilität in Optimaten und Popularen nicht nur als festumrissene, sondern auch als lang wirkende Prägung der römischen Politik. Kennzeichnend hierfür sei demnach die Orientierung an den Interessen bestimmter Bevölkerungsgruppen, einerseits denen der Menge, andererseits denen der sozialen Oberschichten Roms und Ita-



oft kleine, eher beiläufig eingeführte semantische Innovationen sind, die den Spielraum des Sagbaren und damit auch die Definition des Machbaren allmählich verschieben. 10 Beispiele hierfür bietet Hanell 1945, 265–274. 11 Cic. Sest. 96 f. : Duo genera semper in hac civitate fuerunt eorum qui versari in re publica atque in ea se excellentius gerere studuerunt; quibus ex generibus alteri se popularis, alteri optimates et haberi et esse voluerunt. Qui ea quae faciebant quaeque dicebant multitudini iucunda volebant esse, populares, qui autem ita se gerebant ut sua consilia optimo cuique probarent, optimates habebantur. Quis ergo iste optimus quisque? Numero, si quaeris, innumerabiles, neque enim aliter stare possemus; sunt principes consili publici, sunt qui eorum sectam sequuntur, sunt maximorum ordinum homines, quibus patet curia, sunt municipales rusticique Romani, sunt negoti gerentes, sunt etiam libertini optimates.

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liens.12 Im weiteren Verlauf der Rede lässt Cicero keinen Zweifel daran, dass es allein die Optimaten seien, welchen eine positiv besetzte Wertigkeit zufalle: Sie umfassten nicht nur den größten und relevantesten Teil des römischen Volkes, sie allein hätten auch das Wohl der res publica im Sinn, während die Popularen nicht nur unter quantitativer Auszehrung und politischem Akzeptanzverlust litten, sondern auch für die zerstörerischen Turbulenzen der vergangenen Jahre ausschließlich verantwortlich seien. Verstanden in diesem Sinne würden die Kategorien der Optimaten und Popularen sogar asymmetrische Gegenbegriffe im Sinne Kosellecks bilden, d. h. die Reklamierung eines exklusiven kategorialen Anspruchs auf Allgemeinheit seitens einer Gruppe bei Hervorbringung eines Gegenbegriffs, welcher die Vertreter der anderen Gruppierung ausgrenzt und diskriminiert.13 Diese spezifische Verwendung fällt unter die Sachgruppe von Kategorien der Selbst- und Fremdbeschreibung. Generell sind Kategorien der Selbst- und Fremdbeschreibung konstitutiv bzw. höchst aussagekräftig für jede menschliche Gemeinschaft: In ihnen artikuliert sich die Identität einer Person bzw. Gruppe, aber auch deren Beziehung zu anderen, gefasst als Bewertung anderer. Insofern kommt solchen Kategorien ein besonderes analytisches Potential zu, denn sie werfen die Fragen auf, ob zwischen verschiedenen Gruppen Übereinstimmungen im wechselseitigen Begriffsgebrauch herrschen oder – wie hier – eine Verwendung, welche die andere Gruppe ausgrenzt und herabwürdigt, vorliegt, und wo jeweils die Gründe dafür liegen.14 Allerdings hat gerade die neuere Forschung zu Recht darauf verwiesen, dass die hier benannten scharfen kategorialen Dichotomien innerhalb der römischen Republik eher den Ausnahmefall darstellen und beide Begriffe von den republikanischen Quellen ansonsten mit deutlich vielfältigeren, weniger einschlägigen, ja z. T. sogar widersprüchlich wirkenden Bedeutungsnuancen gebraucht wurden.15 Insbesondere Margaret Robb verwies in ihrer Dissertationsschrift zu Recht darauf, dass sich eine durchgehende Dichotomisierung des Begriffs­ gebrauchs von Optimaten und Popularen innerhalb der zeitgenössischen Quellen nicht ausmachen lasse: Sei der Optimatenbegriff generell »a synonym of 12 Auch Sallust spricht in ähnlicher Weise von einer Spaltung der res publica in zwei Teile, wobei die Nobilität wegen ihrer Organisationskraft mehr vermöge als die trotz ihrer Größe gespaltene Menge, und mit ihrer Willkür die Innen- wie Außenpolitik beherrsche: Sall. Iug. 41: Ita omnia in duas partes abstracta sunt, res publica, quae media fuerat, dilacerata. Ceterum nobilitas factione magis pollebat, plebis vis soluta atque dispersa in multitudine minus poterat. Paucorum arbitrio belli domique agitabatur; penes eosdem aerarium provinciae magistratus gloriae triumphique erant; populus militia atque inopia urgebatur; praedas bellicas imperatores cum paucis diripiebant: interea parentes aut parui liberi militum, uti quisque potentiori confinis erat, sedibus pellebantur. 13 Koselleck 1989c, 212. 14 Ebd., 211 f. 15 Robb 2010, v.a 113–146.

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aristocracy«, also eine Selbstbezeichnung der regierenden Elite, werde der Popularenbegriff höchst vielschichtig, ja widersprüchlich verwendet.16 So verwende ihn Cicero selbst kontextabhängig sowohl mit positiven als auch mit negativen Semantiken. Die Ursachen solch mangelnder Trennschärfe hat z. B. Robert Morstein-Marx beleuchtet. Morstein Marx zeigte z. B., dass populare Politiker keineswegs auf eine explizite normative Selbstabgrenzung zu ihren Kontrahenten setzten, sondern beide Politikertypen vielmehr grundsätzlich um die gleichen und bei allen Römern positiv besetzten Leitnormen konkurrierten17. Offenbar besaßen beide Begriffe also durchaus vielschichtigere Bedeutungen, die selbst in den emotional aufgeladenen Zeiten der späten Republik erhalten geblieben waren. Ciceros ausführliche Schilderungen zeigen jedoch, dass es auf Grund zusätz­ licher semantischer Aufladungen mittlerweile möglich war, beide Kategorien als asymmetrische Gegenbegriffe zu verwenden. Tim Wiseman und Robin Seager haben denn auch zu Recht den Blick auf den zutiefst parteiischen Gebrauch dieser Kategorien durch Cicero sowohl in der Sestius-Rede als auch in zahlreichen weiteren Schriften gelenkt.18 Dies verweist auf die Relevanz beider Kategorien im politischen Behauptungskampf dieser Zeit. Deshalb ist zu fragen: Welche Bedeutungen tragen beide Begriffe, welche Begriffsgeschichte ist für sie auszumachen? Worin liegen die Ursachen dafür, dass sich in der Spätphase der Republik Bedeutungsausweitungen herausbildeten, welche beide Begriffe als polarisierende Kampfbegriffe nutzbar werden ließen? Sind insofern beide Begriffe möglicherweise nicht nur zentral für die politische Kommunikation Roms, wie Maggie Robb zu Recht betonte, sondern auch aussagekräftig für die Art der semantischen Kämpfe innerhalb der späten Römischen Republik? Ich möchte diesen Fragen anhand von Methoden der historischen Semantik nachgehen.19 Diese befasst sich mit der Bedeutungsgeschichte von Wörtern v. a. unter den Aspekten, wie Sprecher einer Sprache das vorhandene Bedeutungspotential sprachlicher Ausdrücke zur erfolgreichen Kommunikation verwenden, und welche Umstände zu Bedeutungsveränderungen, etwa zur Verschiebungen von Gebrauchsregeln führen, die z. T. veränderten Erfahrungen der Zuhörer entsprechen, aber auch deren Erwartungen verschieben. Im hier geschilderten Zusammenhang ist v. a. die Beobachtung der historischen Semantik entscheidend, 16 Ebd., 67–93, 95–111; 91; 145; Zitat 91–93. 17 Morstein-Marx 2004, 280–284; vgl. z. B. C.  Gracchus: ORF fr. 22 (Malcovati, p. 130): Pessumi Tiberium fratrem meum optimum interfecerunt. In ähnlicher Weise Crassus, In Papirium Carbonem ap. Cic. De Or. 2,170; Cic. Har. Resp. 41; Brut. 103; bei Livius eher Traditionskonservative; Liv. 3,35,10; 9,46,13; bei Sallust eher Anhänger der Popularen, z. B. Memmius redet Publikum so an; Iug. 31,27; Zuhörer des Marius, Iug. 85,5; 42; 48. 18 Wiseman 2002, 287; Seager 1972, 328. 19 Vgl. hierzu etwa Fritz 2006, v. a. 11–84; ders. 2005; Keller – Kirschbaum 2003.

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dass Ausdrücke mehrere Verwendungsweisen haben, zwischen denen oft Zusammenhänge bestehen. Wittgenstein etwa spricht von sogenannten Familienähnlichkeiten bzw. besonders hervorgehobene ›Zentren der Variation‹ als möglicher Art des Zusammenhangs zwischen Verwendungsweisen.20 Ich möchte den Argumentationsgang deshalb in Form einer Begriffsgeschichte in drei Schritten vollziehen: Dieser betrifft erstens eine Begriffsgeschichte der Kategorie popula­ ris, zweitens eine gleichgelagerte Analyse für die Kategorie optimates, um hieran drittens schließlich zu ermitteln, welche Verschiebungen in der Spätphase der Republik deren Verwendung als asymmetrische Gegenbegriffe im obigen Sinne ermöglichten oder aber auch behinderten. Schließlich bleibt zu fragen, was diese Verwendung über die politischen Auseinandersetzungen jener Zeit aussagt.

1.

Popularis

Der Begriff popularis stellt keine Neuprägung aus der Krisenphase der Republik dar – ganz im Gegenteil. Er findet sich vom Beginn der lateinischen Literatur an, d. h. in der Lyrik seit Naevius, Plautus und Terenz, in den Prosaschriften seit Cato d. Ä. und bei nahezu allen römischen Autoren.21 Diese frühe und weite Verbreitung überrascht insofern nicht, als die Grundbedeutung durch seinen Derivativcharakter zum Wort populus bestimmt ist, einer für die römische res publica wahrhaft konstitutiven Kategorie: Damit trägt er grundsätzlich die Bedeutung: ›das Volk betreffend‹ oder ›zum Volk gehörig‹. Der Begriff selbst wird deshalb meist substantivisch verwendet als Bezeichnung für Bewohner eines konkreten Gebiets, Angehörige eines bestimmten (zumeist des römischen Volkes), Dinge, welche dem Volk eigentümlich sind, u. ä. Gerade deshalb erstaunt es ebenso wenig, dass diese Kategorie stark positiv konnotiert ist, impliziert sie doch immer Nuancen von Vertrautheit, Verbundenheit, gemeinsamer Zugehörigkeit sowie geteilten Interessen und Identitäten.22 Der Begriff ›popularis‹ signalisierte, dass der andere zum gleichen Volk gehörte bzw. Teil des Volkes war oder aber in topographischer Hinsicht als Bewohner zur gleichen Region gehörte. Diese gemeinsame Zugehörigkeit, die oft noch zusätzlich durch Possessivpronomen unterstrichen wurde, besaß weitreichende Folgen und Verpflichtungen: Es waren seine Landsleute, die ein König mit Beute erfreute23 bzw. die Mitbürger, zu welchen Soldaten nicht mit Schande beladen zurückkehren wollten.24 Die Semantik der zahlreichen Verwendungen verweist 20 Wittgenstein 1967, § 77; ders. 1970, 190; Fritz 2006, 4; 101. 21 ThLL 10.1 2696,70; Hellegouarc’h 1963, 518–525. 22 ThLL 10.1 2696,72–2697,5; hierauf verweist auch Robb 2010, 114 f. am Beispiel Sallusts. 23 Plaut. Amphit. 193: dux praeda … adfecit populares suos. 24 Naev. carm. fr. 42: milites nolunt cum stupro redire ad suos popularis.

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auf eine zutiefst positive Konnotation, ja auf eine emotionale Verbundenheit, welche auf der Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Bürgergemeinde beruhte. Als Beispiel hierfür mag eine Bemerkung in Terenz’ Phormion gelten, in der ein Redner einen Mann namens Geta als Landsmann und besten Freund zugleich ansprach.25 Der Begriff signalisierte des Weiteren eine vom Bewusstsein der Zusammengehörigkeit getragene Wahrnehmung durch andere bzw. die Sorge um sie.26 Es war die Menschengruppe, an die man sich mit Aufforderungen zu gemeinsamem Handeln oder gemeinsame Auffassungen richtete, weil das gemeinsame Handeln auf Basis von Übereinstimmung entscheidend für den Zusammenhalt und den Erfolg der Gemeinschaft war, und die Gruppe, deren Urteil und Wohlwollen wichtig für den Beurteilten blieb, sowie das Forum, vor dem man bekannt sein wollte.27 In diesem Kontext bezog sich die Kategorie ›po­ pularis‹ dann sogar auf die Attribuierung von Institutionen und manifestierte hier deren Vertrautheit sowie deren konstitutiven Charakter für die gemeinsame Identität.28 Insofern erscheint es durchaus folgerichtig, dass der Begriff sogar auf Dinge übertragbar war, die zu einer Region oder einem vertrauten Sachverhalt gehörten, etwa ›heimische Flüsse, die sich zum Peneon vereinigen‹ oder ›Cephalus, mit sich führend einen Zweig mit Oliven seines Heimatlandes‹,29 und dass damit auch generell Menschen bezeichnet werden konnten, die Beteiligte der gleichen Gruppe waren, sei es eine Verschwörung oder eine gemeinsame Philosophie.30 In dieser Bedeutung, als Heimat, als Vertrautes, als miteinander verbundene Einwohnerschaft einer Stadt, ist der Begriff dann bis in die Spätantike in Quellen unterschiedlichster Provenienz vertreten, seien es historiographische Schriften oder Gesetzeskodices.31 In diesen Kontext fügt sich ebenso schlüssig eine weitere Bedeutung des Begriffs popularis als ›öffentlich‹, seien es Pflichten, Reden oder auch Dinge, die in den Bereich der Öffentlichkeit gehörten. Auch hier läßt sich eine lange dia25 Ter. Phorm. 35: amicus summus meus et popularis Geta. 26 Cato or. 42: inspectantibus popularibus suis; Cic. Att. 10,1,2: Solonis, popularis tui; Liv. 25,41,2: Numidae nuntiantes Marcello populares suos …. quieturos in pugna. 27 Enn. ann. 306: Cornelius Cethegus dictust ollis popularibus olim … flos delibatus populi; Liv. 8,27,6 clari… inter populares (ähnlich Liv. 23,15,11; Curt. 8,9,21; Tac. ann. 11,10,3); Sall. Iug. 7,1 über das Ansehen Jugurthas bei seinen Landsleuten als Grund der Beunruhigung für Micipsa: neque per vim neque insidiis opprimi posse hominem tam acceptum -bus. 28 Plaut. 1268: Popularis Palaestra est? 29 Ov. met. 1,577: conveniunt … popularia flumina ad Peneon; Ov. met. 7,54: Cephalus ra­ mum … tenens popularis Olivae. 30 Sall. Cat. 22,1: quom ad ius iurandum -īs sceleris sui adigeret; Cat. 24,1: quod factum … popularīs coniurationis concusserat; Sen. dial 7,13,1: in ea … sententia sum, invitis hoc nostris -bus, sc. Stoicis, dicam, sancta Epicurum et recta praecipere; ThLL 10,1 2697,65–75. 31 Z. B. Macr. Sat. 1,15,12; Cth 1,10,4; ThLL 10,1,2698,15.

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chrone Ausfaltung dieser semantischen Aufladung nachweisen. Bereits Plautus benennt mit dem Begriff popularis öffentliche Pflichten.32 Eine andauernd hohe Geltung von Öffentlichkeit als Resonanzraum für Prestige und Statuswahrung bezeugen Quellen unterschiedlichster Zeiten und Provenienz. Sehr wahrscheinlich erscheint deshalb die Kategorie vorwiegend inklusiv. Als Abgrenzungen treten zur Zeit der römischen Republik v. a. Differenzierungen zwischen zivil und militärisch – also populares vs. milites – hervor.33 Allerdings markiert die Zeit der späten Republik eine höchst aufschlussreiche Veränderung und partielle Neuaufladung der Kategorie ›popularis‹ im Sinne einer Fokussierung, die neben den bisherigen weitgehend inklusiven, d. h. alle Bürger oder Landsleute gemeinschaftlich umfassenden Begriffsgebrauch tritt. Nun finden sich erstmals Zuweisungen, die konkrete Taten, Aktionen, Politiker, Gruppen bzw. Faktionen als popularis im Sinne von ›volksnah‹ etikettierten bzw. von der öffentlichen Reputation eines Politikers im Sinne von ›populär‹ sprachen.34 Das hierunter subsumierte Volk umfasste in vielen dieser Fälle nicht mehr alle Römer, sondern die Bürger mit Ausnahme der boni bzw. des Senats, wie entsprechende Begriffspaare belegen. Es war also dieser Teil der römischen Bürgerschaft, welcher als Resonanzforum oder Legitimationsinstanz in dieser spezifischen Weise zählte. Interessanterweise treten hierbei im Begriffsgebrauch der verschiedenen Autoren jedoch signifikante Differenzen hervor. So sprechen etwa Livius, der den Begriff über einhundert Mal verwendet, oder Lucan eher neutral-affirmativ von Personen der römischen Geschichte und Gegenwart, die bzw. deren Taten bei den Bürgern populär waren.35 Ihr Begriffsgebrauch folgt einer seitens der Forschung schon seit längerem herausgearbeiteten Tendenz von Verfassern der späten Republik und frühen Kaiserzeit, politische Phänomene und Semantiken in die römische Frühzeit zurückzuprojizieren,36 doch sind sie auch ein Indiz dafür, dass diese Autoren hier in der Tat keine essentielle Differenz zwischen der römischen Frühgeschichte und ihrer eigenen Zeit sahen.

32 Plaut. Trin.: si in aedem ad cenam veneris … et adposita cena sit, popularem quam vocant. Cic. Off. 2,56: magnificentia … popularium munerum; Cic. Off. 2,58: si aliqua res maior atque utilior populari largitione adquiritur. 33 Liv. 24,27,2: erat confusa contio non populari modo, sed militari quoque turba. 34 Zahlreiche Belegstellen bei ThLL 10,1,2700,15–2702,42; vgl. auch Hellegouarc’h 1963, 518 ff.; Meier 1965, 549 ff.; Mackie 1992, 52–59. 35 Liv. 6,20,3: opprimi popularem virum, quod primus a patribus ad plebem defecisset. Liv. 2,24,3: ingenium magis populare erat. Liv. 6,11,7: M. Manlius Capitolinus primus omnium ex patribus -is factus. Lucan. 6,795: popularia nomina, Drusos. Lucan. 7,694: Pompei nomen, populare per orbem. Liv. 3,44,7: Vergini patris sponsique Icili populare nomen celebraratur. 36 Wiseman 2002, 295.

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Cicero hingegen bietet das bereits von Robb konstatierte, deutlich ambivalentere Bild:37 Seine Schriften, insbesondere die Traktate und Briefe, zeugen zwar von einem Begriffsverständnis, welches die große Bedeutung von öffentlicher Reputation und Popularität kennt und sich hier integriert.38 Der Redner selbst zitiert mehrfach die römischen maiores, für welche die positive öffentliche Resonanz und v. a. das öffentliche Interesse ein entschiedenes Antriebsmotiv gewesen seien. Auch manche seiner Reden nehmen hierauf Bezug, etwa wenn Cicero sich immer wieder als Politiker stilisiert, dem das öffentliche Wohl essentiell am Herzen liege und der all sein Tun darauf ausrichte. Dass Cicero diesem Begriff generell eine hohe Bedeutung beimaß, belegt auch die Häufigkeit seines Begriffsgebrauchs. In den uns überlieferten Schriften Ciceros kommt der Begriff ›popularis‹ ungefähr 220 Mal vor. Dennoch diffamierte er häufig Politiker, die innerhalb der römischen Öffentlichkeit als popular anerkannt worden waren, indem er sie als levis oder seditiosus kritisierte, oder ihnen ausschließlich eigennützige Motive zusprach. Eine positive Semantisierung dieser Kategorie kommt bei Cicero vor, geschieht allerdings relativ selten.39 Cicero ist deshalb als Autor für die Semantik des Begriffs ›popularis‹ in mehrfacher Hinsicht bedeutsam: Denn kann der veränderte Gebrauch der Kategorie ›popularis‹ innerhalb der späten Republik auch bei mehreren Autoren nachgewiesen werden, zeugt die ambivalente Nutzung des Begriffs durch Cicero bei gleichzeitig extrem häufiger Nutzung sowohl von der immensen Bedeutung des Begriffs als auch von dessen semantischem Potential. Cicero arbeitete sich an diesem Begriff regelrecht ab. Es wird zu klären sein, welche Motive ihn dazu bewogen haben bzw. ob ähnliches auch für den Optimatenbegriff nachweisbar ist.

2. Optimates Die Kategorie der ›optimates‹ steht in bezeichnendem Kontrast zur soeben analysierten Popularenkategorie, vor allem wegen ihrer fehlenden Anciennität und ihres durchweg seltenen Gebrauchs. Obzwar sprachliche Bildungen mit -at-, im Sinne von Zugehörigkeit zu einem Ort, einer Gruppe oder einer Kategorie im Lateinischen durchaus üblich waren und sogar das Wort ›optimates‹ durchaus 37 Vgl. hierzu auch Seager 1972, passim. 38 Cic. fam. 15,14,4: si potes, sc. post recentem victoriam Romam properare, laudabile atque -e est. Cic. Att. 12,4,1: ad nos concurritur, factique iam in re salutari populares sumus. Cic. Leg. 2,9: antequam ad -es leges venis, vim istius caelestis legis explana. Cic. rep. 1,42: illa … est civitas -is, … in qua in populo sunt omnia. Cic. Brut. 188: specimen est -is iudici, in quo numquam fuit populo cum doctis … dissensio. Cic. Brut. 321: praetor … incredibili populari voluntate sum factus. 39 Vgl. hierzu ausführlich Achard 1981, passim.

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schon im 2. Jh. v. Chr., etwa bei Ennius, vereinzelt nachweisbar ist, ist dessen einschlägige Verwendung eine späte Bildung, die sicher erst für die sullanische Zeit nachweisbar ist, und bestenfalls für die Phase der Gracchen angenommen werden kann.40 Tatsächlich wird der substanziierte Begriff ›optimates‹ relativ selten verwendet, zumindest in normativ aufgeladener Form. So gebrauchen ihn Sallust und Caesar überhaupt nicht, und selbst Cicero spricht nur in fünf seiner Reden41 bzw. an siebzehn Stellen seiner Briefe von Optimaten.42 Zur Semantik dieser Kategorie stimmen die Analysen etwa von Hellegouarc’h, Strasburger und auch Maggie Robb weitgehend überein: Sie verweisen darauf, dass es sich hierbei primär um eine positiv semantisierte Selbstbezeichnung der regierenden Schicht gehandelt habe.43 Diese fokussierte auf die soziale Exklusivität bzw. die wirtschaftliche Prosperität dieser Schicht und machte geltend, dass allein die Vertreter dieser Gruppierung geeignet für die verantwortungsvolle Führung des Staates seien.44 Hieran knüpften sich semantische Aufladungen, welche die Optimaten klar von populus und plebs abgrenzten.45 Zugleich wurden dieser Gruppe spezifische politische Grundüberzeugungen zugeschrieben, welche die Wahrung des Bestehenden zum Credo erklärten. Auf derartige Zusammenhänge verweist etwa eine Bemerkung Sallusts, wonach in seiner Zeit die Bezeichnung der Bürger als boni oder mali nicht auf Basis von Leistungskategorien vorgenommen wurden, d. h. auf Grund ihrer Verdienste um den Staat, sondern nach sozialen Kategorien, an die man politische Erwartungen knüpfte, weil man davon ausging, dass solcherart Privilegierte das Bestehende mit aller Kraft verteidigen würden.46 Dass diese Kategorie bereits vor Cicero als Argument und Kampfbegriff im heftigen politischen Wettstreit der damaligen Debatten genutzt wurde, deutet ein in der Rhetorica ad Heren­ nium überliefertes Beispiel an, welches den politischen Verheißungshorizont aufspannt, mit welchem Anhänger der Optimaten für deren besondere Geltung 40 Enn. trag. 294 (Vahl): Quae Corinthum arcem altam habebant Matronae opulentae opti­ mates. Die früheste Erwähnung ist Rhet. Her. 4,34,45. 41 Cic. Har. Resp. 40; 45; 50; 53; 54; Sest. 96–98; 103; 119; 132; 136; 138; 188; Flacc. 54; 58; 63; Cat. 1,7; Or. Frag. 9,25. 42 Cic. Att. 1,13,2; 14,5; 20,3; 2,5,1; Q.f. 1,1,25; Fam. 1,9,17; Cael. ap. Fam. 8,16,2; Att. 8,16,1; 2; 9,1,2; 5,3; 7,6; 9,1; 11,3; Att. 14,21,4. Zehn dieser Stellen beziehen sich auf das Jahr 49. 43 So völlig zu Recht bereits Strasburger 1939, 773. 44 Enn. trag. 284: Quae Corinthum arcem altam habebant / Matronae opulentae, optimates: Serv. Ad Aen. 4,682. Cic. Rep. 1,42; 2,23 Mitglieder des Senats des Romulus; Suet. Tib. 2,4. Bezeichnet auch Führungsschichten anderer Städte, Hellegouarc’h 1963, 501 Anm. 4. Z. T. mit principes gleichgesetzt; Cic. Flac. 54; 58; Har. Resp. 40; 54. 45 Cic. Inv. 2,52; Rep. 1,50; 55; 65; 69; Leg. 2,30; 3,33; Nep. Alcib. 5,3; Phoc. 3,1; Cic. Tusc. 1,108; Leg. 3,10; Liv. 4,9,8; 11;10,18,8; 24,2,8; 3,9; 23,10; 32,3; Cic. Flac. 58. 46 Sall. hist. fr. 1,12 M: bonique et mali cives appellati non ob merita in rem publicam om­ nibus pariter corruptis, sed uti quisque locupletissimus et iniuria validior, quia praesentia defendebat, pro bono ducebatur.

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in der res publica warben: »Einmal werden die Verhältnisse des Staates, die durch die Schlechtigkeit von Übeltätern ausgetrocknet sind, durch die Tüchtigkeit der Optimaten wieder grünen«.47 Auch spätere Quellen manifestieren den tiefsitzenden Überlegenheitsanspruch dieser Gruppe.48 Allerdings ist damit noch nicht die bereits erwähnte auffallende Diskrepanz erklärt, welche mit der Kategorie der Optimaten einhergeht, d. h. der Umstand, dass der Begriff zwar spät entstand und eher selten verwendet wurde, offenbar aber das Bedürfnis nach einem solchen spezifischen Begriff zu einem bestimmten Zeitpunkt trotzdem aufkam. Immerhin existierten für die Bezeichnung der führenden Gruppe der römischen Republik bereits Kategorien, seien es Begriffe wie senatus, nobiles oder auch boni. Warum wurden diese in der Krise der römischen Republik offenkundig nicht mehr allein als hinreichend zur Selbst- oder Fremdbezeichnung der Senatsaristokratie erachtet? Die vermutliche Entstehung des Begriffs zu Ende des 2. bzw. zu Beginn des 1. Jh. v. Chr. liefert m. E. entscheidende Indizien:49 Die tiefe Spaltung, welche sich seit dem Wirken der Gracchen innerhalb der römischen Politik und ihrer Führungsschicht manifestierte, hatte Konsequenzen nicht nur für die Gruppenidentität der Nobilität, sondern auch für deren öffentliche Wahrnehmung und Legitimation. Einen Beleg dafür stellt bereits ein Redefragment des C. Gracchus dar. Hierin betont er gegen den Anspruch der Mörder seines Bruders, diese hätten keinesfalls als boni durch die Ermordung eines präsumptiven Tyrannen die Interessen des Staates verteidigt, sie seien vielmehr Schurken (improbi), welche seinen guten Bruder (bonum fratrem) Tiberius umgebracht hätten.50 Die traditionell häufige ethisch qualifizierende und dazu noch auf binäre Gegensatzpaare setzende Terminologie der Römischen Republik – die schon von Zeitgenossen so bezeichnete patrii sermonis egestas –,51 welche wenige Differenzierungen entwickelt hatte, erwies sich hier als Problem. Sie verdeutlicht jedoch zugleich, dass beide Seiten erbittert um ihre öffentliche Reputation kämpften. Mit den sich zunehmend vertiefenden Spaltungen innerhalb der Nobilität steigerte sich der Behauptungskampf darum, wer, bzw. wessen Anliegen, als bonus bzw. malus (oder mit einem entsprechenden Begriffsäquivalent) zu bezeichnen seien. 47 Rhet. Her. 4,34,45: Ornandi causa, sic: Aliquando rei publicae rationes, quae malitia nocen­tium exaruerunt, virtute optimatium revirescent; Übersetzung nach Nüßlein 1994, 265. 48 Cic. Rep. 1,50 f.; 55; 3,23; Sall. Hist. 1,12. 49 Für eine Entstehung des Gegensatzpaares optimates-populares als differenzierendem Äquivalent für den Kontrast nobilitas-plebs zur Zeit der Gracchen vgl. auch Hellegouarc’h 1963, 438; Afzelius 1945, 199; Wiseman 2002, 288 f. 50 C. Gracchus: ORF fr. 22 (Malcovati, p. 130): Pessumi Tiberium fratrem meum optimum interfecerunt. 51 Lucret. De rer. nat. 1,832; 3,260.

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Hinzu kam, dass die wachsende Frustration über die Reformverweigerung bzw. den als zutiefst ungerecht empfundenen Umgang der konservativen Senatsmehrheit mit den römischen Bürgern dieser Gruppe Bezeichnungen einbrachten, die sich von neutralen Semantiken wie senatus zu negativeren Semantiken wie factio oder pauci wandelten, d. h. den quantitativen Minderheitenstatus und die selbstbezogene Interessenpolitik dieser Gruppe zum Ausdruck brachten.52 Die Entstehung des Optimatenbegriffs ist als Reaktion auf diese verschärfte Behauptungssituation zu deuten, m.a.W. als Versuch, die eigene Gruppierung, welche eben keineswegs den ganzen Senat umfasste, mit präziserer Identität und verstärkter Strahlkraft zu versehen.53 Dass sowohl Cicero als auch Livius bereits den Optimaten alter Zeit bestimmte Merkmale der Senatsnobilität ihrer Zeit beifügten, wie etwa den politischen Konservatismus, deutet auf entsprechende semantische Aufladungen der Optimatendebatte ihrer Tage, die hier historisch zurückprojiziert wurden.54 Insgesamt weisen die Begriffe optimates und optimi bzw. bonus55 zahlreiche Gemeinsamkeiten auf.56 Die Angehörigen dieser Gruppen werden im umfassenden Sinne als positiv herausgestellt: Menschen die durch virtus ebenso überzeugen wie durch fides und fortitudo. Sie sind tapfere Krieger,57 doch auch ehrenhafte, mächtige und starke Persönlichkeiten, die zur höchsten Gesellschaft gehören.58 Sie sind weise, haben den besten Rat und verfügen über Einsicht. Die hiermit verbundene Geltungsbehauptung lautete, dass soziale und moralische Qualifikationen einander bedingten, wobei die eine Qualifikation mithin die andere nach sich ziehen sollte. Der Begriff ›optimas‹ steigerte in diesem Sinne nicht nur den Begriff des ›bonus‹, er substanziierte auch dessen Steigerung des ›optimus‹, indem er den damit Bezeichneten mit einer Qualitätsbehauptung versah, und ihn zugleich auch als Teil einer Gruppe kennzeichnete. Zudem ist er als Mechanismus eines Überlegenheitsbewusstseins zu deuten und als Kategorie der Selbstvergewisserung, welche dem Gefühl Ausdruck verlieh, trotz aller Angriffe doch die richtige Sache zu vertreten und qua Exzellenz dazu autorisiert 52 Caes. BC 1,22,5; Sall. Cat.; 20,7; BJ 31,1; 41,6; Syme 1964, 18; Morstein-Marx 2009, 139; Hanell 1945, 268–273 mit Belegen; Mackie 1992, 56. 53 In diesem Sinne auch Straßburger 1939, 773. 54 Liv. 3,35,3: C. Claudius, constantissimus vir in optimatium causa; 5,24,9: ›Optimaten‹ als Gegner des von einem Teil der plebs geplanten Umzugs in das eroberte Veii 395; ›Optimaten‹ als Gegner der Tribunen C. Licinius und L. Sextius Liv. 6,39,5; bzw. als Gegner der lex. Flaminia; Cic. Inv. 2,52; Wiseman 2002, 295; Seager 1977. 55 Gleichsetzung besonders bei den Tullii Cicerones: Q. Cic. Comm. Pet. 4 f.; Att. 1,14,5; 20,3; 9,7,4. Sinko 1903. 56 Cic. Quinct. 11; 16; 19; Har. Resp. 51; Sall. Cat. 2,6. 57 Plaut. Capt. 68; Cic. Cat. 2,20; Dom. 82; Sest. 1; 12; 39; Pis. 25; Mil. 44; 74; 104 f.; Phi. 3,4; 7, 10; 38; 10,10; 11,21; 14,34.; Cic. Rep. 3,27; Cic. Q.f. 1,1,12. 58 Plaut. Pers. 566 f.; As. 681.

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zu sein, als politische Führungsgruppe an der Spitze aller Römer zu stehen und politische Leitlinien vorzugeben. Als weitere Analogie erkennbar ist, dass ›optimus‹ und ›bonus‹ oft den gleichen und klar definierten Kategorien entgegengesetzt werden und zwar ›plebs‹, ›multitudo‹, ›vulgus‹, ›populares‹.59 Zu verstehen ist dies, gerade in Gestalt der historischen Rückprojektion, als Resultat einer seit langem hierarchisch gegliederten Gesellschaft. Entsprechende Abgrenzungen werden mit dieser Semantik in mehreren Quellen unterschiedlicher Prägung verwendet. Neben etlichen Gemeinsamkeiten werden jedoch auch Unterschiede im Gebrauch beider Begriffe erkennbar. So wird die Bezeichnung optimus deutlich enger verwendet, wohl um den Superlativ dieser Kategorie zu unterstreichen. Durch diesen Terminus werden diejenigen boni bezeichnet, die zur sozialen Elite der boni, mithin zur sozialen Oberschicht gehören.60 Entscheidend ist hierbei jedoch, dass die optimi nicht einfach die Steigerung der boni umfassen. Vielmehr gehören die optimi / optimates zu einer eigenen Liga: Es sind die Reichen, die Senatoren, diejenigen, denen die Ämterkarriere offensteht – zumindest diejenigen unter ihnen, die nicht die Einzelmacht anstreben oder Popularen sind. In diesem Sinne verweist der Begriff des optimus auf die Spuren seiner sozialen Ursprünge, d. h. optimus ist der Mann, der Reichtum (opes) besitzt, eine große Klientel und die Mittel, diese zu unterhalten, sowie die Macht, die daraus folgt. Derartige Differenzierungen werden bereits bei Plautus erkennbar. Dieser bezeichnet durch optumi die Reichsten und Mächtigsten, während er die Kategorie der boni noch allgemein den besonders Tugendhaften zubilligt. In ähnlicher Weise verfährt Cicero, der unter optimi die Mächtigsten und Reichsten subsumiert, also diejenigen, denen eine Ämterkarriere und entsprechende Ehrungen offenstehen.61 Dies manifestieren auch seine Assoziationen mit Begriffen wie nobilissimus, clarissimus, praestantissimus, amplissimus, gravissimus.62 Solche Assoziationen werden für den Begriff bonus nicht fassbar, gerade weil er offenkundig auch im allgemeinen Verständnis umfassende Qualitäten implizierte, als Eigenschaften eines Mannes, der seine Pflichten besonders gut erfüllte und damit seine Qualitäten als vir herausragend verkörperte.63 Wegen seiner weniger bestimmten sozialen Aufladung bot er Cicero jedoch die Chance auf eine 59 Cic. Att. 4,2,5; Phil. 1,19; Liv. 9,33,5; Cic. Off. 1,85. 60 Cic. De Or. 2,198; Mil. 21; Cael. 14; Ursprünge bereits CIL 1,9; Plaut. Men. 571–575; vgl. auch Cic. Rep. 1,51: Opulentos homines et copiosos, tum genere nobili natos esse optimos putant. 61 Cic. Imp. Pomp. 1; Sull. 49; Arch. 26.; Rep. 2,15; Cluent. 198; Mil. 37; Phil. 11,1; Liv. 25,4,7.; Sall. Cat. 34,2; Iug. 22,2; Cic. Brut. 251; Dom. 82. 62 Cic. Rosc. 142; Verr. 2,2,66; 149; 4,76; Cael. 72, Phil. 13,26; Div. 1,59; Rab. Post. 13; Phil. 7,6; Flac. 104; Leg. 3,39; Off. 3,79. 63 Plin. NH 18,11; Cic. Tusc. 5,28; Sall. Cat. 3,2; Hellegouarc’h 1963, 485.

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situative soziale Erweiterung der optimi, wenn es der Argumentationskontext erforderte: Selbstverständlich sprach er in öffentlicher Rede nicht vom consensus omnium optimatium, sondern vom consens omnium bonorum.64 Allerdings wird anhand seiner Ausführungen klar erkennbar, dass diese Erweiterung als Zugeständnis seitens der konservativen Senatsmehrheit geschah und nicht mit einer adressatenspezifischen Erweiterung der politischen Agenda einhergehen sollte. Die Aufgabe der boni band somit darin, als eigentlich exklusiv verstandene Gefolgschaft der Senatsgruppierung, der optimates, zu erweitern und ihr dadurch die nötige Legitimation zu verleihen. Hellegouarc’h hat das auf die zutreffende Formel gebracht: »Leur point commun cependant, c’est qui’ils sont les tenants d’une politique conservatrice s’appuyant sur l’autorité du Sénat et les adversaires de toute modification de l’état de choses existant… le groupe englobe aussi tous ceux qui suivent ce mouvement dont la nobilitas est le moteur.«65 Zudem ist der Begriff noch durch eine weitere Spezifik gekennzeichnet. Während seine Rückprojektion in die römische Vergangenheit durch so unterschiedlich Autoren wie Livius oder Cicero, aber auch seine spätere, eher unparteiliche Verwendung für Angehörige der römischen Oberschicht innerhalb der Kaiserzeit davon zeugt, dass der Begriff mit entsprechenden Konnotationen in gewissem Maße Eingang in die römische Begriffssprache gefunden hatte, ist seine Verwendung für Phänomene der zeitgenössischen Politik innerhalb der Krise der römischen Republik offenkundig eine Sache höchster Parteilichkeit: Wenn man diesen Begriff übernahm, der ja immer die positive Selbstbezeichnung der konservativen Senatsmehrheit trug, identifizierte man sich zugleich mit deren Anliegen. So charakterisieren Autoren wie Cicero nur konkrete politische Gruppen der Auseinandersetzungen ihrer Zeit als optimi und schließen Personen bzw. Gruppen mit dieser Qualifikation explizit aus, obgleich diese derselben sozialen Stufe angehörten: Es sind für ihn nur die Verteidiger des Senats und die Anhänger seiner Politik, die folglich zugleich Gegner von Catilina, Clodius und Antonius, während des Bürgerkriegs Anhänger des Pompeius und Gegner Caesars waren,66 denen er dieses Attribut zubilligt. Selbst als boni bezeichnet werden durch Cicero explizit nur Männer wie L. Opimius, C. Marius, L. ­Flaccus, die beim Kampf gegen Populare wie Ti. und C. Gracchus, Saturninus und Glaucia sowie Catilina erfolgreich waren.67 Oft verbindet sich hiermit eine klare

64 Cic. Sest. 36. 65 Hellegouarc’h 1963, 492; vgl. auch Cic. Off. 1,124; Rab. Perd. 3; Sest. 103; Har. Resp. 60; Sest. 21; Planc. 18. 66 Cic. leg. agr. 2,70; Sest. 32; 39; Planc. 99; Att. 1,16,7; 4,2,5; Flac. 94; Prov. 18; Phil. 3,38; 4,6; 7,27; 10,10; 14,34; Fam. 13,12,2. 67 Cic. Planc. 88; Leg. 3,20; Mil. 40 f.; Att. 4,8,2; Q.f. 3,6,4; Fam. 1,9,12; Quir. 13; Sen. 12; 33; Dom. 54 etc. vgl. Hellegouarc’h 1963, 490 mit zahlreichen weiteren Stellen.

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politische bzw. parteiliche Zuschreibung, z. B. optime sentire,68 die in gleichem Maße auch die Verwendung des Worts bonus betraf.69 Teilte man diese politische Sichtweise nicht, vermied man folglich auch den dahinterstehenden Begriff. So z. B. ist zu erklären, dass weder Sallust noch ­Caesar diesen Begriff verwenden, sondern eher auf neutralere Kategorien zurückgreifen.70 Insofern ist die seltene Verwendung des Begriffs für zeitgenössische Phänomene m. E. auch als Indiz dafür zu bewerten, dass diese Eigen­ bezeichnung in der öffentlichen Debatte nur auf sehr begrenzte Akzeptanz stieß. Eine Verwendung des Begriffs hätte auch die Übernahme der Selbstdeutung dieser Gruppe durch andere Kommunikationsträger impliziert, was offenbar vielfach verweigert wurde. Aus dem bisher Gesagten ergeben sich zwei Schlussfolgerungen. Es zeigte sich zum einen, dass der Optimatenbegriff zur kategorialen Beschreibung der konservativen Senatsmehrheit in der Krise der Römischen Republik durchaus geeignet ist, denn er ist bereits Bestandteil der zeitgenössischen Terminologie, mit präzisen Semantiken aufgeladen und an Begriffsschärfe durch keinen Alternativbegriff ersetzbar. Allerdings belegt seine begrenzte und höchst parteiliche Verwendung, dass der Begriff selbst Teil der erbitterten Kontroversen dieser Zeit war. Zudem macht ihn gerade diese geringe Akzeptanz eigentlich ungeeignet für eine Nutzung als asymmetrischer Gegenbegriff im Sinne Kosellecks, für den eine breite Akzeptanz und vielfach inklusive Semantik eigentlich die Voraussetzung wäre. Ciceros Konstruktion einer größtmöglichen Aufweitung des Begriffs stellt somit eine absolute Minderheitenmeinung dar und lief dem anhand zahlreicher Quellen rekonstruierbaren Begriffsgebrauch sogar explizit zuwider. Weshalb entschloss er sich dennoch dazu?

3. Optimates / Populares als asymmetrische Gegenbegriffe? Die bisherigen semantischen Analysen haben gezeigt, daß sich die politische Legitimationskrise der konservativen Senatsmehrheit in der späten römischen Republik partiell auch in politischen Begrifflichkeiten niederschlug. So fand die traditionelle Kategorie ›popularis‹ im umfassenden Sinne als ›zum Volk gehörig‹ eine weite Verbreitung über alle Quellen hinweg und war hier mit wenigen Ausnahmen positiv konnotiert. Der deutlich rezentere Optimatenbegriff, entstanden als prestigesteigernde Selbstbezeichnung der konservativen Senatsmehrheit 68 Cic. Att. 2,1,6; 6,1; Har. Resp. 43; Att. 2,16,4; 7,25; Phil. 3,31; 14,18; Fam. 6,1,3; 4,2; Att. 14,20,4; Balb. 60; Phil. 14,60; Phil. 1,19; 1,2 69 Ascon. In Mil., p. 27; Cic. Att. 3,23,5; Fam. 7,2,2; Cic. Mur. 90; Cael. 13; Cic. Cat. 2,25; Rhet. Her. 4,54; Cic. Sest. 36; Planc. 87; Fam. 7,5,2. 70 Hellegouarc’h 1963, 507; Hanell 1945, 266 f.

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wahrscheinlich erst Ende des 2. Jh. v. Chr., fand hingegen nur eingeschränkte Verbreitung und stieß wohl jenseits dieses Kreises häufig auf entschiedene Ablehnung, wie Ciceros Sestiana, Sallust sowie Caesar übereinstimmend belegen. Dennoch ist Ciceros Umgang mit beiden Begriffen – sowohl seine geradezu obsessive Abarbeitung am Popularenbegriff als auch seine spezifische Verwendung des Optimatenbegriffs – keineswegs von diffuser Semantik, sondern vielmehr von hoher Plausibilität. Sein Umgang mit beiden Kategorien ist sowohl erhellend für das Selbstverständnis des Politikers als intendierter Leitfigur senatorischer Politik als auch für die erbitterten Legitimationsstreitigkeiten innerhalb der öffentlichen politischen Kommunikation der späten Republik. Er erhellt zugleich, welch enormem kommunikativem Druck Politiker in dieser Zeit ausgesetzt waren und wie gering ihre Spielräume tatsächlich waren. Ciceros Vorgehensweise spiegelt sehr deutlich die erodierende öffentliche Akzeptanz wider, der sich die Vertreter der konservativen Senatsmehrheit auf Grund ihrer jahrzehntelangen Blockadepolitik ausgesetzt sahen. Viele von ihnen hatten sich daraufhin aus der öffentlichen Kommunikation zurückgezogen.71 Cicero jedoch nahm die öffentliche Debatte auf, die von der weitgehend positiven Semantisierung des Begriffs ›popularis‹ sowie der eingeschränkten Akzeptanz des Optimatenbegriffs geprägt war und versuchte, diese beiden Geltungsmomente nachhaltig zu verändern. Hiervon zeugt vor allem sein intensivierter Umgang mit dem Popularenbegriff. Ciceros Ansatz ist dabei von der Intention geprägt, diesem Begriff den Nimbus zu nehmen bzw. ihn im eigenen Verständnis umzucodieren. Hierfür bediente er sich komplexer Strategien. Diese umfassten zum einen die Diffa­ mierung von allgemein als popular anerkannten Politikern. Cicero sprach diesen ab, mit ihren Initiativen die Interessen des Volkes bzw. die ›wahren‹ Interessen des Staates zu verfolgen. Vor allem aber behauptete er, dass die Initiativen seiner Konkurrenten ausschließlich selbstsüchtigen Motiven entsprängen, weshalb er immer wieder seine ironische oder kritische Distanz zu den aktuellen Ausfaltungen des Begriffs ›popularis‹ im zeitgenössischen Gebrauch zu erkennen gab.72 Deutlich wird dies z. B. an seinen Bemühungen um eine möglichst negative Semantisierung des Popularenbegriffs,73 durch dessen häufige semantische Koppelung mit Negativkonnotationen wie levis, seditiosus oder turbulentus.74 71 Cic. leg. agr. 2,6; Cic. Quint. fr. 1,2,15. 72 Cic. leg. agr. 2,10: non, Quirites, illud vobis iucundum aut populare debet: ironisch Cic. leg. agr. 2,15. Cic. Rab. per. 12: popularis vero t. pl., custos defensorque iuris et libertatis! 73 Cic. Cluent. 113: illa … omnia Quinctiana … turbulenta, popularia, seditiosa iudicaverunt. 74 Cic. Cluent. 94: hic tribunus plebis … non modo non seditiosus, sed etiam seditiosis adver­ sarius, ille autem acerbus, criminosus, popularis homo ac turbulentus; ähnlich Cic. Rab. per. 13. Cic. Sest. 104: ut popularis cupiditas  a consilio principum dissideret. Cic. Sest. 141: propositis tot exemplis iracundiae levitatisque popularis. Cic. Cluent. 93: contiones cotidianas seditiose ac populariter concitatas; 134: invidiae populariter excitatae.

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Darüber hinaus finden sich mehrere Belegstellen, in denen Cicero den Begriff ›popularis‹ als solchen in seiner Berechtigung bzw. öffentlichen Semantik offensiv hinterfragte oder ihn mit neuen Bedeutungszuweisungen versah.75 Die Summe dieser Zitate deutet darauf hin, dass es Cicero sehr nachdrücklich darum ging, Zweifel an den in Rom zu seiner Zeit gebräuchlichen Ausdeutungen des Worts ›popularis‹ zu erwecken76 und Akzeptanz für seine diametral andersgearteten Vorstellungen zu erzeugen.77 Am deutlichsten verweist hierauf seine Formulierung aus den Atticusbriefen: populare nunc nihil tam est quam odium popularium,78 doch finden sich ähnliche Auslassungen noch mehrfach. Dass er in seltenen Fällen populare Politiker wie Ti. Gracchus. oder Saturninus lobender Urteile würdigte, ändert daran nichts, denn in den betreffenden Kontexten geschah dies, um diese popularen maiores im Vergleich mit gegenwärtig aktiven popularen Politikern noch als vergleichsweise besser zu bewerten,79 mit dem Argument, die gegenwärtigen Popularen verdienten diese Bezeichnung im Gegensatz zu ihren älteren Vorgängern einfach nicht.80 Sein eigentliches Bemühen galt einer Umdefinition des Popularenbegriffs. So betonte Cicero wiederholt, er bzw. seine optimatischen Mitstreiter seien eigentlich die wahren Popularen, weil allein sie die wahren Interessen des Volkes, genauer gesagt – Ruhe und Frieden – im Blick hätten.81 Insofern ist die Beobachtung von Maggie Robb zu präzisieren: Cicero konnotierte den Popularenbegriff nicht dann positiv, wenn Politiker im Interesse des Staates handelten, sondern 75 Cic. leg. agr. 1,23: circumspiciamus omnia, quae populo grata atque iucunda sunt, nihil tam -e quam pacem … reperiemus; ähnlich Cic. leg. agr. 2,9: quid … est tam populare quam pax? bzw. Cic. leg. agr. 2,102. Cic. Phil. 1,20 f.: mulgata lex est, ut et de vi … damnati ad populum provocent) ›at res [popular]is‹; utinam quidem aliquid velletis esse –[popular]-e! 76 Cic. dom. 77: potest … damnati poenam sustinere indemnatus? est hoc tribunicium, est [popular]e? 77 Cic. Lael. 96: lex popularis suffragiis populi repudiata est. Cic. Brut. 97 über den Redner L. Cassius: hic non liberalitate, ut alii, sed ipsa … severitate popularis. Cic. dom. 80. Cic. Cat. 4,9: quid interesset inter levitatem contionatorum et animum vere popularem saluti populi consulentem. Cic. Sest. 114: populum ipsum, ut ita dicam, iam non esse popularem, qui … eos, qui populares habentur, respuat. Cic. Cluent. 139: istam rem, quae tam popula­ riter esset agitata praeterire non potui. 78 Cic. Att. 2,19,2; 20,4. 79 Z. B. Cic. Sest. 105. 80 Cic. leg. agr. 1,25 über Rullus: insidias, quae ipsi populo Romano a -bus tribunis plebis fiant, ostendero. Cic. leg. agr. 2,7: nonnulli cum populi … commoda … impediunt, oratione adsequi volunt, ut populares esse videantur. Cic. dom. 77: maioribus nostris, qui non ficte et fallaciter populares, sed vere et sapienter fuerunt. Cic. dom. 24: C. Gracchus qui unus maxime popularis fuit. Cic. Dom. 77: (an Clodius) ubi tu te popularem, nisi cum 〈pro〉 populo fecisti, i. Bonae Deae sacris adfuisti, potes dicere? Cic. Phil. 8,19: Calene, ante deterrere te, ne -is esses, non poteramus; exorare nunc, ut sis -is, non possumus. Cic. Sest. 37 positiv über Saturninus: tribuno plebis, … in causa populari si non moderate, at certe populariter apstinenterque versato. 81 Cic. Dom. 77: qui non ficte et fallaciter popularis, sed uere et sapienter fuerunt.

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lediglich dann, wenn sie dies aus der Perspektive Ciceros taten. Sein Bemühen, Wertungen von wahren und falschen Popularen zu etablieren, ist im gesamten Verlauf seines Schaffens erkennbar. Die Unterstellung war, dass es sich hierbei nicht um eine soziale Bewegung mit realen Interessen handelte, sondern um eine sozial und politisch marginalisierte und deshalb zu vernachlässigende Gruppe sozial Depravierter und ihrer Anführer. Die vielfältigen Möglichkeiten und mit perfider Meisterschaft durch Cicero angewandten Strategien zur Kriminalisierung und Marginalisierung seiner popularen Gegner hat Guy Achard umfassend erhellt. Als Beispiele hierfür können Ciceros Schweigen über die populare Tradition gelten, seine Behauptungen zur geringen Unterstützung seiner Gegner, sowie deren generelle Diffamierung als improbi, als Männer von niedriger oder fremder Herkunft, von mangelnden Fähigkeiten, unbeherrschten Leidenschaften, Maßlosigkeit sowie von perfiden Absichten gegenüber der res publica.82 Da diese Bemühungen offenbar nur eingeschränkt fruchteten, trachtete C ­ icero jedoch zweitens danach, den Popularenbegriff insgesamt zu entwerten, indem er den Begriff wiederholt diskutierte und diskreditierte. Am deutlichsten zeigt dies seine mehrfach vorkommende Äußerung, wahrhaft popular sei es, nicht mehr popular zu sein, und das Volk habe an diesen Popularen keinerlei Interesse mehr. Man müsse das Wohl des Volkes stärker im Blick haben als dessen Willen.83 Der wahre popularis müsse sich gerade durch seine severitas kenntlich machen.84 Allerdings zeigen die Quellen, dass auch hier die Spielräume Ciceros begrenzt blieben. So spiegeln gerade die spätesten Quellen, u. a. die Philippischen Reden, wieder eine offensivere Eigenlegitimation Ciceros durch den Popularenbegriff, da offenbar vor allem diese Kategorie und deren öffentliche Anerkennung die für einen Politiker unerlässliche Legitimation durch das Volk beschrieb. Zudem verdeutlichen die häufigen Verwendungen dieser Kategorie durch kaiserzeitliche Quellen, dass der Popularenbegriff zwar seine politische Aufladung verlor, nicht jedoch seinen positiven Klang – allen Entwertungsversuchen Ciceros zum Trotz. Komplementär hierzu sind seine Bemühungen um eine Aufwertung und Ausweitung des Optimatenbegriffs zu sehen. Wie nachhaltig die positive Selbstsicht der konservativen Senatsmehrheit gerade in der Öffentlichkeit bestritten wurde, zeigt bereits die Defensivsituation, die Cicero bei der fast trotzig wirkenden Etablierung des Optimatenbegriffs in der Sestiana erkennen lässt. Er begründet seine längere Erläuterung damit, dass die Anklage ihn gefragt habe, was diese ›Sippschaft der Besten‹ (natio optimatium) eigentlich sei, m. a. W. woraus diese segmentäre Gruppierung eigentlich das Recht ableite, einen die öffentliche 82 Achard 1981, 112 ff.; 124 ff.; 201 ff.; 213 ff.; 230–260. 83 Cic. Pro Sulla 25: populi utilitati magis consulere quam voluntati. 84 Cic. Brut. 97: homo non liberalitate ut alii, sed ipsa tristitia et seueritate popularis; ähnlich: Rep. 2,54; Har. Resp. 43; leg. agr. 1,23; 2,102; Off. 2,78; Sest. 105; 109; 113; 114; 119; Rab. perd. 12–15; Phil. 1,21; 37; 7,4.

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Ordnung bedrohenden Mann wie P.  Sestius als staatstragenden Politiker zu verteidigen.85 Dem implizit dahinter stehenden Argument, die Optimaten seien eben doch nur eine natio, also eine begrenzte Gruppierung mit eng definierten Interessen, versucht Cicero durch eine enorme quantitative wie qualitative Aufweitung des Begriffs zu begegnen: Seiner Meinung nach umfasste diese keineswegs nur konservative Angehörige des Senats, sondern deren Klienten, die Angehörigen der höheren Stände, weitere römische Bürger, Geschäftsleute und sogar Freigelassene.86 Da sich jedoch auch hieraus noch manifestierte, dass es eher die Oberschichten waren, welche den Optimaten selbst in dieser vagen Beschreibung zugehörten, und das Volk hierbei keine Erwähnung fand, griff der Redner zu dem Trick, die Optimaten ethisch zu erweitern, indem er sie als legitimen Ansprechpartner für all diejenigen konstruierte, welche nicht durch eigene Schulden oder aufrührerische Ambitionen Interesse an der Zerstörung von Staat und öffentlicher Ordnung hätten.87 Nach den Worten Ciceros hätten die Optimaten somit als alleinige legitime Interessenvertreter für alle Römer gelten müssen, die nicht terroristischer Gesinnung waren. Eine Konstruktion im Sinne eines allumfassenden asymmetrischen Gegenbegriffs ist in dieser Rede unverkennbar. Dennoch stand diese Charakterisierung der Optimaten vor einem entscheidenden Problem. Cicero bemühte sich um eine höchstmögliche Aufweitung des Optimatenbegriffs, die jedoch auf klare Konturen setzte. Die von ihm skizzierte Identität setzte nicht nur auf die soziale Exzellenz der Beteiligten, sondern auch auf politische Signifikanten. Diese speisten sich sowohl aus personalen Exempla, d. h. den Verweisen auf Männer, die hierfür als vorbildhaft und nachahmenswürdig seien, als auch auf abstraktere Verweise. Hierunter zählten die Wahrung des Bestehenden, die Abwehr neuer Tendenzen, die Wahrung aristokratischer Standesprivilegien bzw. der Vorrangansprüche des Senats, gefasst unter der Formel ›otium cum dignitate‹ und der Schutz konkret bezeichneter Institutionen, und zwar Kulte und Auspizien, die Befugnisse der Beamten und die Geltung des Senats, die Gesetze und das Herkommen, die Straf- und Zivilgerichtsbarkeit, die Treuepflicht, die Provinzen und die Bundesgenossen, der Ruhm der römischen Herrschaft, das Heer und die Finanzen.88 Es ist keineswegs als Zufall zu betrachten, dass in den von Cicero hier als schützenswert benannten Institutionen die Volksversammlung fehlt und damit eine der ältesten und bedeutendsten Institutionen der römischen Geschichte. Diese Auslassung ist vielmehr ein klarer Indikator dafür, dass die Optimaten sowohl hinsichtlich ihrer Zusammensetzung als auch hinsichtlich ihrer Programmatik eine Staatssicht verkörperten, 85 86 87 88

Cic. Sest. 96; vgl. hierzu auch Tiersch 2002. Cic. Sest. 97. Cic. Sest. 97. Cic. Sest. 98.

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die eindeutig von den Interessen und Vorrangansprüchen des Senats her dachte und für alle Schichten darunter letztlich nur die gehorsame Gefolgschaftsrolle vorsah, ihnen jedoch weder eigene Interessen zubilligte noch spezifische politische Programmpunkte vorsah. Die hier von Cicero skizzierten Charakteristika der Optimaten stimmen mit Angaben anderer Quellen überein, bis hin zu der hier von ihm mit tiefem Lob bedachten Ahnenreihe von Politikern mit echtem optimatischen Geist, an denen man sich orientieren müsse.89 Die Folgen dieser auf Besitzstandswahrung begrenzten Programmatik bestanden jedoch nicht nur in deren begrenzter Attraktivität für Nachwuchspolitiker, wie Cicero selbst einräumen musste, sondern v. a. in deren mangelnder Akzeptanz vor dem römischen Volk.90 Die Sestiana selbst verweist darauf, dass es die verhassten Popularen waren, welche nun die Herren der Gesetze und Versammlungen seien.91 Ciceros leidenschaftliches Gegenplädoyer, welches auf die Grundüberzeugung setzt, dass die weithin als popular geschätzten Politiker keineswegs die echten Popularen seien, welche die Interessen des Volkes im Auge hätten,92 wirkt hiergegen vergleichsweise schal. Denn der Redner stand sowohl vor dem Problem, dass es eine Volksversammlung war, welche seiner Exilierung zugestimmt hatte, trotz all seiner Bekundungen, ein wahrhaft popularer Politiker zu sein, als auch vor der unveränderten optimatischen Programmatik, welche für breite Schichten wenig Anknüpfungspunkte bot. Folgerichtig konnte Cicero nur mit Hilfe einiger eher gewaltsam wirkender Konstrukte die Programmatik der Optimaten mit der öffentlichen Legitimität wieder versöhnen: Er behauptete zum einen, dass im Gegensatz zu früheren Interessen des Volkes an konkreten Gesetzen über verbesserte Abstimmungsmöglichkeiten, Land- oder Getreideverteilungen, die Römer jetzt auf Grund der permanenten Turbulenzen nur noch Interesse an politischem Frieden hätten, und damit genau an dem, was die Optimaten ihnen offerierten.93 Allerdings stand der Plausiblität seiner Ausführungen ein entscheidendes Problem im Weg und zwar Cicero selbst. Obzwar gerade er beanspruchte, mit seinen Aktionen als Optimat zugleich die wahren Interessen zu vertreten, hatte ihm das römische Volk die Akzeptanz für diese Behauptung versagt, indem es durch den Beschluss der Volksversammlung seiner Exilierung zugestimmt hatte und eher den politischen Offerten seiner Gegner gefolgt war. Wenn Cicero daraufhin kurzerhand die relevanten politischen Legitimationsforen umdefinierte, manifestierte sich dies als politischer Offenbarungseid. Seiner Meinung nach säßen in den Volksversammlungen ohnehin nur noch gekaufte Mietlinge. Das 89 90 91 92 93

Cic. Sest. 101; Cic. Att. 10,9a,2 [= fam. 8,16]; Att. 1,20,3. Cic. Sest. 99 f.; 102; 136–139. Cic. Sest. 125. Cic. Sest. 119. Cic. Sest. 104; 106.

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wahre Volk sei hingegen nur noch im Theater zu finden, denn es habe bei seiner Rückkehr begeistert gejubelt und dadurch die Wiederherstellung der mit ihm verknüpften traditionellen Ordnung begrüßt.94 Umso wichtiger sei es, daß die Richter mit ihrem Freispruch für P. Sestius, einen engagierten jungen Mann aus der Gruppe der Optimaten, ein Beispiel dafür gäben, dass sich Engagement für die Bewahrung der res publica inmitten dieser Gruppe lohne. Selbstverständlich sind seine umfänglichen programmatischen Ausführungen innerhalb der Sestiana stark im juristischen Kontext dieser Rede zu verorten: Cicero musste die Geschworenen davon überzeugen, dass P. Sestius, der angeklagte Volkstribun, Gewalt nicht im Namen einer segmentären terroristischen Vereinigung, sondern zum Wohl einer breiten Mehrheit der Römer ausgeübt hatte. Dennoch finden sich ähnliche Semantiken, welche die Kategorie der Optimaten in höchstmöglicher Weise auch auf andere Stände, Schichten und Interessen als Integration aller ›boni‹ ausweiten, durchaus auch in weiteren Reden, Briefen und sonstigen Schriften. Sie sind als öffentliches Statement Ciceros zu interpretieren, welches als Instrument der Selbstvergewisserung und Ermunterung auf eine Gruppe abzielte, über deren Geschlossenheit und Bereitschaft zum Engagement sich auch der Redner selbst keine Illusionen machte. War Ciceros Einsatz auch in diesem Falle erfolgreich, so zeigen sowohl seine Verteidigungshaltung bei Etablierung und Rechtfertigung der Optimatenkategorie als auch die Folgeereignisse, wie wenig seine Behauptungen vom überwältigenden öffentlichen Ansehen der Optimaten und dem freiwilligen Verzicht der Bevölkerung auf jegliche politische Initiativen tatsächlich zutrafen. Dies zeigen etwa die Ereignisse im Zusammenhang mit der Übertragung von außerordentlichen Befugnissen auf Pompeius zur Lösung der Versorgungkrise im Jahre 57 v. Chr.95 Zudem ist eine Übernahme der Opposition Optimates vs. Populares im Sinne der von Cicero intendierten Konstruktion als asymmetrische Gegenbegriffe, welche die Optimaten als sozial und politisch herausgehobene bzw. die res pu­ blica zu Recht führende Gruppe mit den Popularen kontrastierte, unter denen der Redner wahlweise Politiker verstand, die mit billigen Mitteln in unverantwortlicher Weise nach der Gunst des Volkes haschten, oder deren Anhänger als angeblich sozial Depravierte oder politische Umstürzler, in den Quellen in den Folgejahren gerade nicht nachweisbar. Typisch für die späteren Quellen ist eher der deutlich wertneutralere Begriffsgebrauch, auf den Margaret Robb hingewiesen hat. Diese projizierten die Konflikte der späten Republik terminologisch in Auseinandersetzungen der römischen Frühzeit (Livius), bezeichneten mit optimates die Gegner von Ti. Gracchus, Cinna und Pompeius (Velleius Pater94 Cic. Sest. 107–117. 95 Vgl. etwa zu Debatte um außerordentliche Befugnisse für Cn. Pompeius zur Lösung einer Versorgungskrise in Rom 57 v. Chr. Cic. dom. 11; 14; Plut. Pomp. 49,5; Nippel 1988, 124 f.

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culus) bzw. allgemeiner die konservative Senatsmehrheit (Livius) und nutzten die Kategorie popularis etabliertem Gebrauch folgend zur Bezeichnung von Popularität oder Unterstützung für die Sache des Volkes (Asconius, Commentariolum Petitionis).96

Zusammenfassung Die eingangs aufgeworfene Frage, ob die von Cicero bei seiner Rede für Sestius prominent platzierten Begriffe Optimaten und Popularen als begriffliche Indizien für die politischen und semantischen Kämpfe der späten römischen Republik zu bewerten seien, kann bejaht werden, wenngleich nicht in dem von Cicero intendierten Sinn. Ciceros Ansatz, beide Begriffe als asymmetrische Gegenbegriffe im Sinne einer hoch integrativen semantisch positiven Konnotierung des Optimatenbegriffs einem marginalisierten Popularenbegriff gegenüberzustellen, konnte anhand einer breiteren diachronen semantischen Untersuchung beider Begriffe als singulär und wirkungslos aufgezeigt werden. Dennoch lieferte gerade Ciceros Konstruktion deutliche Indizien für die Heftigkeit der begrifflichen und semantischen Auseinandersetzungen. Denn die semantische Analyse der Kategorien ›optimates‹ und ›populares‹ wies zum einen tatsächliche Bedeutungsverschiebungen innerhalb der Spätzeit der römischen Republik nach. Diese umfasste einerseits den Begriff ›popularis‹ im Sinne einer verstärkten Fokussierung auf spezifische Gruppen der römischen Bürgerschaft, welche die konservative Senatsmehrheit ausschloss, sowie andererseits die Neuprägung des Begriffs der ›optimates‹ als Selbstbezeichnung und Exklusivierungssteigerung dieser konservativen Senatsmehrheit, ohne dass dieser zweite Begriff jedoch ähnlich breite Resonanz gefunden hätte wie der erste. Es zeigte sich vielmehr, wie fundamental der Redner hier dem allgemeinen Begriffsverständnis vor allem in der Sestiana, aber auch in seinem gesamten sonstigen Oeuvre, entgegenzuwirken versuchte. Sowohl die Intensität als auch die Wirkungslosigkeit seiner Bemühungen deutet zugleich darauf, welch erhebliche öffentliche Legitimationsprobleme die Senatsmehrheit besaß, der es lediglich um die Wahrung der bestehenden Ordnung sowie ihrer eigenen Besitzstände ging, während sich die öffentliche Meinung weitgehend unbeeinflussbar Politikern zuneigte, die durch politische Initiativen hervortraten. In diesem Sinne sind beide Begriffe, unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen komplexen Semantiken, zur Charakteristik der oppositionellen Gruppierungen in der späten römischen Republik durchaus geeignet, und sie belegen zugleich, daß diese Kämpfe auch von erheblicher semantischer Intensität waren. 96 Vgl. zu den Belegstellen Robb 2010, 113–145.

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Claudia Tiersch

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­­Optimates und populares als politische Kampfbegriffe?

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M. A. Robb

Seditio and seditiosi: Political Opposition and Violence in the Works of Cicero

‘In this state, there have always been two kinds of men who have wanted to engage—and distinguish themselves—in public affairs. One of these types wanted to be considered, and to be, populares, the other, optimates. Those who wanted their words and deeds to be pleasing to the many were considered populares and those who acted in such a way that their policies were approved of by the best sort of men were considered optimates.’1

With these words Cicero provid