Selbstreparaturen im Deutschen: Syntaktische und interaktionale Analysen 9783110445961, 9783110444148

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Selbstreparaturen im Deutschen: Syntaktische und interaktionale Analysen
 9783110445961, 9783110444148

Table of contents :
Inhalt
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1 Einführung
1.1 Abgrenzung des Phänomens
1.2 Fragestellung und Zielsetzung
1.3 Die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen
1.4 Aufbau der Arbeit
2 Selbstreparaturen aus funktionaler, kognitiver und sprachstruktureller Perspektive
2.1 Konversationsanalyse
2.2 Psycholinguistik
2.3 Interaktionale Linguistik
3 Daten und Methode
3.1 Korpus
3.2 Analysemethode
4 Typen von Reparanda
4.1 Reparandum und Reparaturtypen
4.1.1 Definition von Reparandum
4.1.2 Selbstreparaturtypen
4.1.2.1 Prospektive Reparatur
4.1.2.2 Retrospektive Reparatur
4.1.2.3 Projektionsreparatur
4.1.3 Zusammenfassung: Reparandum und Reparaturtypen
4.2 Retrospektive Reparaturen
4.2.1 Korrekturen
4.2.1.1 Phonologische Korrektur
4.2.1.2 Syntaktische Korrektur
4.2.1.3 Semantische Korrektur
4.2.1.4 Pragmatische Korrektur
4.2.2 Elaborierungen
4.2.2.1 Syntaktische Elaborierung
4.2.2.2 Semantische Elaborierung
4.2.2.3 Pragmatische Elaborierung
4.2.3 Unklare semantische Reparaturen
4.3 Projektionsreparaturen
4.3.1 Reparatur des projizierten Nomens
4.3.2 Reparatur des projizierten Verbs
4.4 Prospektive Reparaturen
4.5 Reparatur des Sprecherwechsels
4.6 Zusammenfassung: Typen von Reparanda
5 Selbstreparaturoperationen
5.1 Selbstreparaturoperationen ohne Revision der projizierten syntaktischen Struktur
5.1.1 Wiederholung
5.1.2 Projektionserhaltende Substitution
5.1.3 Projektionserhaltende Insertion
5.1.3.1 Modifizierende Insertion
5.1.3.2 Nicht-modifizierende Insertion
5.1.4 Projektionserhaltende Tilgung
5.2 Selbstreparaturoperationen mit Revision der projizierten syntaktischen Struktur
5.2.1 Wiederholung mit Veränderung des Akzentmusters
5.2.2 Apokoinu-Substitution
5.2.3 Projektionsverändernde Substitution
5.2.4 Projektionsverändernde Insertion
5.2.5 Projektionsverändernde Tilgung
5.2.6 Konstruktionsabbruch
5.3 Selbstreparaturen mit zwei Operationen
5.4 Zusammenfassung: Selbstreparaturoperationen
6 Selbstreparaturstrukturen
6.1 Abbruch
6.1.1 Verzögerungslänge
6.1.1.1 Verzögerungslänge und Selbstreparaturoperation
6.1.1.2 Verzögerungslänge und Wortart des Reparandums
6.1.2 Position des Abbruchpunkts bei Substitutionen, Tilgungen und modifizierenden Insertionen
6.1.2.1 Position des Abbruchpunkts und Verzögerungslänge
6.1.2.2 Position des Abbruchpunkts und Selbstreparaturoperation
6.1.2.3 Position des Abbruchpunkts und Wortart des Reparandums
6.1.2.4 Position des Abbruchpunkts und Wortlänge
6.1.3 Position des Abbruchpunkts bei Wiederholungen und Insertionen
6.1.3.1 Position des Abbruchpunkts bei Einwort- und Mehrwortwiederholungen
6.1.3.2 Position des Abbruchpunkts und Wortart des wiederholten Wortes
6.1.3.3 Position des Abbruchpunkts und Wortlänge des wiederholten Wortes
6.1.3.4 Position des Abbruchpunkts und Wortart bei Insertionen
6.1.4 Zusammenfassung: Abbruch
6.2 Reparaturinitiierung
6.2.1 Explizite Reparaturmarker
6.2.1.1 Reparaturpartikeln und lexikalische Reparaturmarker
6.2.1.2 Prosodische Reparaturmarker
6.2.2 Implizite Reparaturmarker
6.2.3 Der Zusammenhang von Reparaturmarkern und strukturellen Faktoren
6.2.3.1 Reparaturmarker und Reparaturoperation
6.2.3.2 Reparaturmarker und Wortart des Reparandums
6.2.3.3 Reparaturmarker und Wortart des wiederholten Wortes
6.2.4 Zusammenfassung: Reparaturinitiierung
6.3 Retraktion
6.3.1 Retraktionsspanne
6.3.1.1 Retraktionsspanne und Selbstreparaturoperation
6.3.1.2 Retraktionsspanne und Wortart des Reparandums
6.3.1.3 Retraktionsspanne und Verzögerungslänge
6.3.2 Retraktionspunkt
6.3.2.1 Retraktionspunkt in Substitutionen, Tilgungen und modifizierenden Insertionen
6.3.2.2 Retraktionspunkt in Insertionen
6.3.2.3 Retraktionspunkt in Wiederholungen
6.3.3 Multiple Retraktionen
6.3.4 Zusammenfassung: Retraktion
6.4 Distribution der Reparanda und der Wiederholungen
6.4.1 Verteilung der Reparanda auf die Wortarten
6.4.2 Verteilung der Wiederholungen auf die Wortarten
6.4.3 Selbstreparaturen und topologische Felder
6.4.4 Zusammenfassung: Distribution der Reparanda und der Wiederholungen
6.5 Anbindung der Reparaturoperation
6.5.1 Anbindung durch präpositionierten syntaktischen Anker
6.5.2 Anbindung durch postpositionierten syntaktischen Anker
6.5.3 Anbindung ohne syntaktischen Anker
6.5.3.1 Anbindung durch syntaktische und semantische Übereinstimmung
6.5.3.2 Anbindung durch Projektionsübereinstimmung
6.5.4 Zusammenfassung: Anbindung der Reparaturoperation
7 Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum
7.1 Reparaturoperation und Reparandum
7.2 Abbruch und Reparandum
7.2.1 Verzögerungslänge und Reparandum
7.2.2 Abbruchpunkt und Reparandum
7.2.3 Zusammenfassung: Abbruch und Reparandum
7.3 Reparaturmarker und Reparandum
7.3.1 Niederfrequente Reparaturmarker und Reparandum
7.3.1.1 Der Reparaturmarker ja
7.3.1.2 Der Reparaturmarker hm
7.3.1.3 Der Reparaturmarker na + Schnalzlaut
7.3.1.4 Der Reparaturmarker ach
7.3.1.5 Metakommentare
7.3.2 Hochfrequente Reparaturmarker und Reparandum
7.3.3 Die interaktionalen Funktionen der Reparaturmarker
7.3.3.1 Vorwärtsgerichtete Reparaturmarker
7.3.3.2 Rückwärtsgerichtete Reparaturmarker
7.3.3.3 Zusammenfassung: Reparaturmarker und Reparandum
7.4 Retraktion und Reparandum
7.4.1 Retraktionsspanne und Reparandum
7.4.2 Retraktionspunkt und Reparandum
7.4.2.1 Reparaturen von Verben in Zweitstellung
7.4.2.2 Reparaturen von Nomen
7.4.2.3 Retraktionspunkt im Wort
7.4.3 Multiple Retraktionen und Reparandum
7.4.4 Zusammenfassung: Retraktion und Reparandum
8 Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen
8.1 Erklärungsmodell für die Position des Abbruchpunkts
8.1.1 Grammatischer Status des gerade artikulierten Worts
8.1.2 Problemstatus des gerade artikulierten Worts
8.2 Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts
8.2.1 Analyse von Uhmanns Kopfregel
8.2.1.1 Theoretische Analyse der Extended Head Rule
8.2.1.2 Empirische Überprüfung der Extended Head Rule
8.2.1.3 Empirisches Ungleichgewicht zwischen den Teilregeln
8.2.1.4 Fazit: Analyse der Kopfregel
8.2.2 Ein Erklärungsmodell aus funktionaler Perspektive
8.2.2.1 Reparaturtyp
8.2.2.2 Reparaturoperation
8.2.2.3 Reparierte syntaktische Konstituente
8.3 Zusammenfassung: Erklärungsmodell
9 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Index
Transkriptionskonventionen

Citation preview

Martin Pfeiffer Selbstreparaturen im Deutschen

Linguistik – Impulse & Tendenzen

Herausgegeben von Susanne Günthner, Klaus-Peter Konerding, Wolf-Andreas Liebert und Thorsten Roelcke

Volume 68

Martin Pfeiffer

Selbstreparaturen im Deutschen

Syntaktische und interaktionale Analysen

ISBN 978-3-11-044414-8 e-ISBN (PDF) 978-3-11-044596-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-043669-3 ISSN 1612-8702 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Printed on acid-free paper Printed in Germany www.degruyter.com

Danksagung Diese Arbeit wurde durch ein Promotionsstipendium im Promotionskolleg „Empirische Linguistik“ der Hermann Paul School of Linguistics Basel-Freiburg (Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg), durch ein Aufstockungsstipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und durch einen Druckkostenzuschuss der Wissenschaftlichen Gesellschaft Freiburg im Breisgau gefördert, wofür ich mich herzlich bedanken möchte. Mein größter Dank gilt Peter Auer, der durch seine klugen Hinweise und seine äußerst präzise und konstruktive Kritik entscheidend zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen hat. Ich danke ihm dafür, dass er mich seit meiner Studienzeit wissenschaftlich inspiriert, leitet und fördert. Außerdem möchte ich mich ganz herzlich bei Stefan Pfänder für seine Anmerkungen zu meiner Arbeit bedanken, die mir wichtige Impulse gegeben haben. Mein herzlicher Dank geht an Jana Brenning für die vielen Diskussionen über unsere Promotionsprojekte und die jahrelange gegenseitige Unterstützung. Kerstin Botsch bin ich für die zahlreichen Anregungen, die ich aus unseren Gesprächen zu sozialer Interaktion gewonnen habe, zu großem Dank verpflichtet. Auch Göz Kaufmann bin ich für wichtige Anmerkungen zu meiner Arbeit sowie für seine Einführung in SPSS sehr dankbar. Außerdem danke ich Pia Bergmann und Vanessa Siegel für ihre hilfreichen Kommentare zu Teilen meiner Arbeit und Ulrike Ackermann für ihre wertvolle Unterstützung bei der Formatierung dieses Buches. Ich bin Sandra Thompson sehr dankbar, dass sie mir einen Forschungsaufenthalt als Visiting Scholar am Department of Linguistics der University of California, Santa Barbara von Januar bis August 2010 ermöglicht hat. Ihre wissenschaftliche Expertise hat mich ebenso beeindruckt wie ihr liebenswürdiges und herzliches Wesen. Außerdem danke ich John Du Bois und den Teilnehmern der Dialogic Syntax Working Group, die mir einen neuen Blick auf meine Arbeit ermöglicht haben. Mein ganz besonderer Dank gilt Kerstin Botsch und meinen Eltern Ilse und Manfred Pfeiffer, die mir in allen Lebenslagen bedingungslos zur Seite standen und mich auf jede erdenkliche Weise unterstützt haben. Ihnen ist dieses Buch gewidmet.

Inhalt Abbildungs- und Tabellenverzeichnis|XIII 1 1.1 1.2 1.3 1.4

Einführung|1 Abgrenzung des Phänomens|1 Fragestellung und Zielsetzung|6 Die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen|8 Aufbau der Arbeit|11

2 2.1 2.2 2.3

Selbstreparaturen aus funktionaler, kognitiver und sprachstruktureller Perspektive|14 Konversationsanalyse|14 Psycholinguistik|18 Interaktionale Linguistik|22

3 3.1 3.2

Daten und Methode|28 Korpus|28 Analysemethode|33

4 Typen von Reparanda|37 4.1 Reparandum und Reparaturtypen|38 4.1.1 Definition von Reparandum|38 4.1.2 Selbstreparaturtypen|44 4.1.2.1 Prospektive Reparatur|44 4.1.2.2 Retrospektive Reparatur|46 4.1.2.3 Projektionsreparatur|48 4.1.3 Zusammenfassung: Reparandum und Reparaturtypen|51 4.2 Retrospektive Reparaturen|53 4.2.1 Korrekturen|55 4.2.1.1 Phonologische Korrektur|55 4.2.1.2 Syntaktische Korrektur|57 4.2.1.3 Semantische Korrektur|59 4.2.1.4 Pragmatische Korrektur|62 4.2.2 Elaborierungen|63 4.2.2.1 Syntaktische Elaborierung|63 4.2.2.2 Semantische Elaborierung|65 4.2.2.3 Pragmatische Elaborierung|72 4.2.3 Unklare semantische Reparaturen|83

VIII | Inhaltsverzeichnis

4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.5 4.6

Projektionsreparaturen|84 Reparatur des projizierten Nomens|85 Reparatur des projizierten Verbs|88 Prospektive Reparaturen|91 Reparatur des Sprecherwechsels|92 Zusammenfassung: Typen von Reparanda|94

5 5.1

Selbstreparaturoperationen|96 Selbstreparaturoperationen ohne Revision der projizierten syntaktischen Struktur|99 5.1.1 Wiederholung|99 5.1.2 Projektionserhaltende Substitution|102 5.1.3 Projektionserhaltende Insertion|104 5.1.3.1 Modifizierende Insertion|104 5.1.3.2 Nicht-modifizierende Insertion|106 5.1.4 Projektionserhaltende Tilgung|107 5.2 Selbstreparaturoperationen mit Revision der projizierten syntaktischen Struktur|110 5.2.1 Wiederholung mit Veränderung des Akzentmusters|110 5.2.2 Apokoinu-Substitution|111 5.2.3 Projektionsverändernde Substitution|113 5.2.4 Projektionsverändernde Insertion|116 5.2.5 Projektionsverändernde Tilgung|118 5.2.6 Konstruktionsabbruch|121 5.3 Selbstreparaturen mit zwei Operationen|122 5.4 Zusammenfassung: Selbstreparaturoperationen|125 6 Selbstreparaturstrukturen|128 6.1 Abbruch|129 6.1.1 Verzögerungslänge|129 6.1.1.1 Verzögerungslänge und Selbstreparaturoperation|131 6.1.1.2 Verzögerungslänge und Wortart des Reparandums|136 6.1.2 Position des Abbruchpunkts bei Substitutionen, Tilgungen und modifizierenden Insertionen|137 6.1.2.1 Position des Abbruchpunkts und Verzögerungslänge|140 6.1.2.2 Position des Abbruchpunkts und Selbstreparaturoperation|141 6.1.2.3 Position des Abbruchpunkts und Wortart des Reparandums|143 6.1.2.4 Position des Abbruchpunkts und Wortlänge|144

Inhaltsverzeichnis | IX

6.1.3 6.1.3.1 6.1.3.2 6.1.3.3 6.1.3.4 6.1.4 6.2 6.2.1 6.2.1.1 6.2.1.2 6.2.2 6.2.3 6.2.3.1 6.2.3.2 6.2.3.3 6.2.4 6.3 6.3.1 6.3.1.1 6.3.1.2 6.3.1.3 6.3.2 6.3.2.1 6.3.2.2 6.3.2.3 6.3.3 6.3.4 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4

Position des Abbruchpunkts bei Wiederholungen und Insertionen|147 Position des Abbruchpunkts bei Einwort- und Mehrwortwiederholungen|150 Position des Abbruchpunkts und Wortart des wiederholten Wortes|151 Position des Abbruchpunkts und Wortlänge des wiederholten Wortes|153 Position des Abbruchpunkts und Wortart bei Insertionen|158 Zusammenfassung: Abbruch|159 Reparaturinitiierung|160 Explizite Reparaturmarker|164 Reparaturpartikeln und lexikalische Reparaturmarker|164 Prosodische Reparaturmarker|167 Implizite Reparaturmarker|169 Der Zusammenhang von Reparaturmarkern und strukturellen Faktoren|171 Reparaturmarker und Reparaturoperation|175 Reparaturmarker und Wortart des Reparandums|176 Reparaturmarker und Wortart des wiederholten Wortes|178 Zusammenfassung: Reparaturinitiierung|179 Retraktion|180 Retraktionsspanne|180 Retraktionsspanne und Selbstreparaturoperation|184 Retraktionsspanne und Wortart des Reparandums|185 Retraktionsspanne und Verzögerungslänge|185 Retraktionspunkt|186 Retraktionspunkt in Substitutionen, Tilgungen und modifizierenden Insertionen|186 Retraktionspunkt in Insertionen|224 Retraktionspunkt in Wiederholungen|231 Multiple Retraktionen|235 Zusammenfassung: Retraktion|239 Distribution der Reparanda und der Wiederholungen|240 Verteilung der Reparanda auf die Wortarten|240 Verteilung der Wiederholungen auf die Wortarten|250 Selbstreparaturen und topologische Felder|256 Zusammenfassung: Distribution der Reparanda und der Wiederholungen|260

X | Inhaltsverzeichnis

6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.3.1 6.5.3.2 6.5.4

Anbindung der Reparaturoperation|262 Anbindung durch präpositionierten syntaktischen Anker|264 Anbindung durch postpositionierten syntaktischen Anker|265 Anbindung ohne syntaktischen Anker|271 Anbindung durch syntaktische und semantische Übereinstimmung|271 Anbindung durch Projektionsübereinstimmung|273 Zusammenfassung: Anbindung der Reparaturoperation|276

7 Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum|277 7.1 Reparaturoperation und Reparandum|278 7.2 Abbruch und Reparandum|280 7.2.1 Verzögerungslänge und Reparandum|280 7.2.2 Abbruchpunkt und Reparandum|282 7.2.3 Zusammenfassung: Abbruch und Reparandum|287 7.3 Reparaturmarker und Reparandum|287 7.3.1 Niederfrequente Reparaturmarker und Reparandum|288 7.3.1.1 Der Reparaturmarker ja|288 7.3.1.2 Der Reparaturmarker hm|291 7.3.1.3 Der Reparaturmarker na + Schnalzlaut|292 7.3.1.4 Der Reparaturmarker ach|293 7.3.1.5 Metakommentare|293 7.3.2 Hochfrequente Reparaturmarker und Reparandum|307 7.3.3 Die interaktionalen Funktionen der Reparaturmarker|312 7.3.3.1 Vorwärtsgerichtete Reparaturmarker|315 7.3.3.2 Rückwärtsgerichtete Reparaturmarker|317 7.3.3.3 Zusammenfassung: Reparaturmarker und Reparandum|320 7.4 Retraktion und Reparandum|321 7.4.1 Retraktionsspanne und Reparandum|321 7.4.2 Retraktionspunkt und Reparandum|324 7.4.2.1 Reparaturen von Verben in Zweitstellung|324 7.4.2.2 Reparaturen von Nomen|326 7.4.2.3 Retraktionspunkt im Wort|328 7.4.3 Multiple Retraktionen und Reparandum|331 7.4.4 Zusammenfassung: Retraktion und Reparandum|334 8 8.1

Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen|335 Erklärungsmodell für die Position des Abbruchpunkts|338

Inhaltsverzeichnis | XI

8.1.1 8.1.2 8.2 8.2.1 8.2.1.1 8.2.1.2 8.2.1.3 8.2.1.4 8.2.2 8.2.2.1 8.2.2.2 8.2.2.3 8.3 9

Grammatischer Status des gerade artikulierten Worts|344 Problemstatus des gerade artikulierten Worts|346 Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts|354 Analyse von Uhmanns Kopfregel|355 Theoretische Analyse der Extended Head Rule|355 Empirische Überprüfung der Extended Head Rule|362 Empirisches Ungleichgewicht zwischen den Teilregeln|371 Fazit: Analyse der Kopfregel|373 Ein Erklärungsmodell aus funktionaler Perspektive|376 Reparaturtyp|381 Reparaturoperation|385 Reparierte syntaktische Konstituente|391 Zusammenfassung: Erklärungsmodell|407 Fazit und Ausblick|409

Literaturverzeichnis|414 Index|426 Transkriptionskonventionen|431

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildungsverzeichnis Seite 9

Abb. 1:

Seite 51 Seite 97

Abb. 2: Abb. 3:

Seite 131 Seite 223

Abb. 4: Abb. 5:

Seite 243 Seite 251

Abb. 6: Abb. 7:

Seite 257 Seite 258 Seite 341

Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10:

Seite 371 Seite 372 Seite 372 Seite 377

Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14:

Die Struktur der selbstinitiierten Selbstreparatur. Darstellung und Teile der Terminologie sind Levelt (1983: 45) entnommen. Reparanda in Selbstreparaturen im Deutschen  Eine Typologie der Selbstreparaturoperationen im Deutschen (+/- A = mit/ohne Anker)  Verzögerungslänge in Selbstreparaturen  Verteilung der Retraktionspunkte nach Position des Reparandums in Reparaturen mit syntaktischem Anker  Relative Frequenz der Wortarten als Reparandum (Reparaturquotient)  Relative Frequenz der Wortarten als Wiederholung (Wiederholungsquotient) und als Reparandum (Reparaturquotient)  Reparaturquotient der topologischen Felder in Nebensätzen  Reparaturquotient der topologischen Felder in Hauptsätzen  Erklärungsmodell für den Abbruchpunkt in Selbstreparaturen im Deutschen  Gesamtverteilung der Reparaturen pro EHR und kontra EHR  Verteilung der Reparaturen pro EHR (a) und kontra EHR (a)  Verteilung der Reparaturen pro EHR (b) und kontra EHR (b)  Erklärungsmodell für den Retraktionspunkt in Selbstreparaturen im Deutschen 

Tabellenverzeichnis Seite 29 Seite 30 Seite 42 Seite 69 Seite 123 Seite 125 Seite 130 Seite 132 Seite 136 Seite 138 Seite 140 Seite 141 Seite 143 Seite 145

Tab. 1: Tab. 2: Tab. 3: Tab. 4: Tab. 5: Tab. 6: Tab. 7: Tab. 8: Tab. 9: Tab. 10: Tab. 11: Tab. 12: Tab. 13: Tab. 14:

Interviewdaten Psychotherapeutische Daten Die interaktionale und kognitive Ebene des Reparandums Beispiele für Spezifizierungen im Selbstreparaturkorpus Kombinationen von zwei Selbstreparaturoperationen Quantitative Verteilung der Selbstreparaturoperationen Verzögerungslänge in Selbstreparaturen Verzögerungslänge nach Selbstreparaturoperation Verzögerungslänge nach Wortart des Reparandums Position des Abbruchpunkts in Selbstreparaturen Position des Abbruchpunkts und Verzögerungslänge Position des Abbruchpunkts nach Selbstreparaturoperation Position des Abbruchpunkts nach Wortart des Reparandums Position des Abbruchpunkts bei einsilbigen Reparanda nach Wortart

             

XIV | Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Seite 145

Tab. 15:

Seite 146

Tab. 16:

Seite 149

Tab. 17:

Seite 151

Tab. 18:

Seite 152

Tab. 19:

Seite 152

Tab. 20:

Seite 153 Seite 153

Tab. 21: Tab. 22:

Seite 154

Tab. 23:

Seite 154

Tab. 24:

Seite 155

Tab. 25:

Seite 155

Tab. 26:

Seite 156

Tab. 27:

Seite 156

Tab. 28:

Seite 157

Tab. 29:

Seite 158 Seite 161 Seite 175 Seite 177 Seite 178 Seite 183 Seite 184 Seite 185 Seite 188

Tab. 30: Tab. 31: Tab. 32: Tab. 33: Tab. 34: Tab. 35: Tab. 36: Tab. 37: Tab. 38:

Seite 190

Tab. 39:

Seite 193

Tab. 40:

Seite 195

Tab. 41:

Seite 196

Tab. 42:

Position des Abbruchpunkts bei zweisilbigen Reparanda nach Wortart  Position des Abbruchpunkts bei mehrsilbigen Reparanda nach Wortart  Position des Abbruchpunkts in Wiederholungen und nicht-modifizierenden Insertionen  Position des Abbruchpunkts bei Einwort- und Mehrwort-Wiederholungen  Position des Abbruchpunkts bei Einwort-Wiederholungen nach Wortart (Inhalts- vs. Funktionswörter)  Position des Abbruchpunkts bei Einwort-Wiederholungen nach Wortart  Durchschnittliche Länge wiederholter Wörter nach Wortart  Position des Abbruchpunkts bei einsilbigen Wiederholungen nach Wortart  Position des Abbruchpunkts bei zweisilbigen Wiederholungen nach Wortart  Position des Abbruchpunkts bei mehrsilbigen Wiederholungen nach Wortart  Position des Abbruchpunkts für wiederholte einsilbige Inhaltswörter nach Wortart  Position des Abbruchpunkts für wiederholte einsilbige Inhaltswörter: Adverb vs. andere Inhaltswörter  Position des Abbruchpunkts für wiederholte zweisilbige Inhaltswörter nach Wortart  Position des Abbruchpunkts für wiederholte mehrsilbige Inhaltswörter nach Wortart  Exakte Position des Abbruchpunkts für wiederholte Inhaltswörter nach Wortlänge  Position des Abbruchpunkts bei nicht-modifizierenden Insertionen  Reparaturmarker in Selbstreparaturen  Reparaturmarker nach Reparaturoperation  Reparaturmarker nach Wortart des Reparandums  Reparaturmarker nach Wortart des wiederholten Wortes  Retraktionsspanne in Selbstreparaturen  Retraktionsspanne nach Selbstreparaturoperation  Retraktionsspanne nach Wortart des Reparandums  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Verben in Zweitstellung  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten infiniten Verben in Letztstellung  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten finiten Verben in Letztstellung  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Determinierern in Hauptsätzen  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Determinierern in Nebensätzen 

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis | XV

Seite 197

Tab. 43:

Seite 197

Tab. 44:

Seite 200

Tab. 45:

Seite 201

Tab. 46:

Seite 203

Tab. 47:

Seite 204

Tab. 48:

Seite 206

Tab. 49:

Seite 208

Tab. 50:

Seite 209

Tab. 51:

Seite 210

Tab. 52:

Seite 211

Tab. 53:

Seite 213

Tab. 54:

Seite 215 Seite 216 Seite 218 Seite 226 Seite 226

Tab. 55: Tab. 56: Tab. 57: Tab. 58: Tab. 59:

Seite 227 Seite 228 Seite 230

Tab. 60: Tab. 61: Tab. 62:

Seite 231

Tab. 63:

Seite 232 Seite 233 Seite 238 Seite 242

Tab. 64: Tab. 65: Tab. 66: Tab. 67:

Seite 250

Tab. 68:

Seite 278 Seite 279

Tab. 69: Tab. 70:

Seite 281

Tab. 71:

Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Nominalphrasen in Hauptsätzen  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Nominalphrasen in Nebensätzen  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Nomen in Nominalphrasen  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Adjektiven in Nominalphrasen  Verteilung der Retraktionspunkte in Reparaturen der Adjunktorphrase  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Präpositionalphrasen  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Determinierern in Präpositionalphrasen  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Nomen in Präpositionalphrasen  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Nominalphrasen in Präpositionalphrasen  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Adjektiven in Präpositionalphrasen  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Pronomen in Hauptsätzen  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Pronomen in Nebensätzen  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Adverbien  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Adjektiven  Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Partikeln  Verteilung der Retraktionspunkte bei der Insertion von Adverbien  Verteilung der Retraktionspunkte bei der Insertion von Präpositionalphrasen  Verteilung der Retraktionspunkte bei der Insertion von Pronomen  Verteilung der Retraktionspunkte bei der Insertion von Partikeln  Verteilung der Retraktionspunkte bei Insertionen von Nominalphrasen und Determinierern  Verteilung der Retraktionspunkte bei Insertionen mit syntaktischem Anker  Verteilung der Retraktionspunkte bei einfachen Wiederholungen  Verteilung der komplexen Wiederholungen  Multiple Retraktionen nach Selbstreparaturoperation  Häufigkeiten der Wortarten als Reparandum und in der gesprochenen Sprache  Häufigkeiten der Wortarten als Wiederholung und in der gesprochenen Sprache  Reparaturoperation nach retrospektivem Reparaturtyp  Reparaturoperation nach retrospektivem Reparaturtyp und sprachlicher Ebene des Reparandums  Verzögerungslänge nach retrospektivem Reparaturtyp 

XVI | Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Seite 281

Tab. 72:

Seite 283 Seite 284 Seite 284

Tab. 73: Tab. 74: Tab. 75:

Seite 286

Tab. 76:

Seite 288 Seite 294 Seite 308 Seite 309

Tab. 77: Tab. 78: Tab. 79: Tab. 80:

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Verzögerungslänge nach sprachlicher Ebene des retrospektiven Reparandums  Position des Abbruchpunkts nach Reparaturtyp  Position des Abbruchpunkts nach retrospektivem Reparaturtyp  Position des Abbruchpunkts nach sprachlicher Ebene des retrospektiven Reparandums  Position des Abbruchpunkts nach retrospektivem Reparaturtyp und sprachlicher Ebene des Reparandums  Niederfrequente Reparaturmarker in Selbstreparaturen  Metakommentare als Reparaturmarker in Selbstreparaturen  Reparaturmarker nach Reparaturtyp  Reparaturmarker nach sprachlicher Ebene des retrospektiven Reparandums  Reparaturmarker nach retrospektivem Reparaturtyp  Reparaturmarker nach retrospektivem Reparaturtyp und sprachlicher Ebene des Reparandums  Die Funktionen der Selbstreparaturmarker  Retraktionsspanne nach Reparaturtyp  Retraktionsspanne nach sprachlicher Ebene des retrospektiven Reparandums  Retraktionsspanne nach retrospektivem Reparaturtyp und sprachlicher Ebene des Reparandums  Retraktionspunkt bei Reparaturen des Nomens in Nominalphrasen nach retrospektivem Reparaturtyp und sprachlicher Ebene des Reparandums  Retraktionspunkt bei Reparaturen des Nomens in Präpositionalphrasen nach retrospektivem Reparaturtyp und sprachlicher Ebene des Reparandums  Retraktionspunkt im Wort bei retrospektiven Reparaturen  Retraktionspunkt im Wort bei Wiederholungen  Multiple Retraktionen nach Reparaturtyp  Multiple Retraktionen nach sprachlicher Ebene des retrospektiven Reparandums  Multiple Retraktionen nach Projektionsreparaturtyp  Position des Abbruchpunkts in wiederholten Inhaltswörtern, die mit Präfix, Verbpartikel oder Kompositumsglied beginnen 

1 Einführung In der sprachlichen Interaktion begegnen uns vielfältige Probleme. Sie reichen von Schwierigkeiten bei der Wortfindung über Versprecher und Missverständnisse bis hin zu gleichzeitigem Sprechen mehrerer Gesprächsteilnehmer. Um solche und andere „Probleme des Sprechens, Hörens und Verstehens“ (Schegloff et al. 1977: 361) zu vermeiden oder zu beseitigen, können Interagierende auf Ressourcen zurückgreifen, die als Reparaturen bezeichnet werden. Der Begriff ‚Reparatur‘ ist also sehr breit zu verstehen und bezieht sich nicht ausschließlich auf Korrekturen, die echte „Fehler“ verbessern (vgl. Schegloff et al. 1977: 363), sondern auch auf die Bearbeitung aller anderen potentiellen interaktionalen Probleme, die in Konversationen auftreten. Reparaturverfahren sind regelhaft organisiert, sodass die Gesamtheit dieser Verfahren auch als „Mechanismus“ (Schegloff et al. 1977: 381) oder „System“ (Liddicoat 2007: 177) bezeichnet wird. Das Reparatursystem erfüllt eine so wichtige Funktion, dass es als zentraler Bestandteil der „Infrastruktur“ (Schegloff 1992: 1338) der sozialen Interaktion gelten kann. Es stellt den Teilnehmern Mittel zur Verfügung, um das wechselseitige Verständnis zu sichern und dadurch die „Intersubjektivität“ (Schegloff 1992; Deppermann 2008: 230f.) bzw. den „common ground“ (Clark 1996: 93) der Gesprächsteilnehmer aufrechtzuerhalten. Reparaturen können zudem als soziale Praktiken des „face-work“ (Goffman 1967: 12) eingesetzt werden, mit denen Interagierende gesichtsbedrohenden konversationellen Handlungen entgegensteuern – beispielsweise indem sie eine in einem bestimmten sozialen Kontext unpassende Formulierung durch eine andere ersetzen. Vor dem Hintergrund der zentralen Bedeutung von Reparaturen für das Gelingen von Interaktion ist es wahrscheinlich, dass jede Sprachgemeinschaft über ein Reparatursystem verfügt (vgl. Levinson 2006: 46, 53f.; Enfield/Levinson 2006: 7; Schegloff 2006: 78f.; Enfield et al. 2013: 344) – die Verwendung von Reparaturen scheint zu den universalen Merkmalen sprachlicher Interaktion zu zählen.

1.1 Abgrenzung des Phänomens Schegloff et al. (1977) stellen die Unterscheidung zwischen der Person, die die Reparatur einleitet, und der Person, die die Reparatur durchführt, ins Zentrum ihrer Beschreibung des Reparatursystems. Aus dieser Unterscheidung ergibt sich die Einteilung in vier Grundtypen (vgl. Liddicoat 2007: 173):

2 | Einführung

– – – –

die selbstinitiierte Selbstreparatur, bei der die Reparatur vom Produzenten der Problemquelle eingeleitet und durchgeführt wird, die selbstinitiierte Fremdreparatur, bei der die Reparatur vom Produzenten der Problemquelle eingeleitet und vom Rezipienten durchgeführt wird, die fremdinitiierte Selbstreparatur, bei der die Reparatur vom Rezipienten der Problemquelle eingeleitet und vom Produzenten durchgeführt wird und die fremdinitiierte Fremdreparatur, bei der die Reparatur vom Rezipienten der Problemquelle eingeleitet und durchgeführt wird.1

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit einem dieser vier Reparaturtypen, der selbstinitiierten Selbstreparatur (vgl. Schegloff et al. 1977: 364). Der Begriff ‚selbstinitiierte Selbstreparatur‘ bezeichnet in dieser Arbeit ein vom Sprecher eingeleitetes und durchgeführtes Verfahren zur Bearbeitung eines (potentiellen) interaktionalen Problems, das mit dem eigenen Redebeitrag in Verbindung steht. Im Folgenden wird dieses Phänomen anhand von Beispielen näher bestimmt:2 (1) 01 k07: un wir sin immer hInter den RUSS-'* 02 hInter den ameriKAnern her,

Am Ende von Z. 01 leitet die Sprecherin durch Wortabbruch mit Glottalverschluss eine Reparatur ein. Anschließend kehrt sie zur Präposition hInter zurück und führt die Reparatur selbst durch, indem sie das abgebrochene Wort RUSS – interpretierbar als Beginn des Nomens RUSSen – durch das Nomen ame-

|| 1 Da die soziale Variable Geschlecht in der vorliegenden Arbeit keine Analysekategorie darstellt, wird im Folgenden der Einfachheit halber das generische Maskulinum verwendet, wenn auf Produzentinnen und Produzenten, Rezipientinnen und Rezipienten, Sprecherinnen und Sprecher, Hörerinnen und Hörer usw. Bezug genommen wird. 2 Die Transkripte folgen den Konventionen des Gesprächsanalytischen Transkriptionssystems 2 (GAT 2) (Selting et al. 2009). Zusätzlich wurde der Asterisk (*) in Anlehnung an Fox und Jasperson (1995: 78f.) zur Markierung des Abbruchpunkts und der Apostroph (') zur Kennzeichnung eines artikulatorischen (glottalen, alveolaren oder bilabialen) Verschlusses verwendet. Fettdruck markiert in Substitutionen die substituierte und die substituierende Konstituente, in Wiederholungen die wiederholte und die wiederholende Konstituente. In Insertionen wird lediglich das zu inserierende Element und in Tilgungen nur das zu tilgende Element fett markiert. Ein Pfeil am Zeilenbeginn weist auf den Teil des Redebeitrags hin, in dem die Reparatur durchgeführt wird. Einige Beispiele werden zur Analyse unterschiedlicher Aspekte mehrfach angeführt. Sie werden dabei fortlaufend nummeriert, sodass etwa Beispiel (1) in späteren Kapiteln nochmals als (143) und (241) zitiert wird.

Abgrenzung des Phänomens | 3

riKAnern ersetzt. Das Problem ist hier offenbar ein Wort mit „falscher“ Bedeutung. Dieses Problem wird von der Sprecherin durch die Substitution dieses Wortes mit dem „richtigen“ Wort bearbeitet. In sequentieller Hinsicht umfasst die selbstinitiierte Selbstreparatur zwei unterschiedliche Typen, die beide in der vorliegenden Arbeit untersucht werden. Es handelt sich um die redezuginterne Selbstreparatur (oder „same turn repair“, vgl. Schegloff et al. 1977: 366; Liddicoat 2007: 174), die mit Abstand den häufigsten Reparaturtyp darstellt, und die Selbstreparatur im übergaberelevanten Raum (oder „transition space repair“, vgl. Schegloff et al. 1977: 366; Liddicoat 2007: 174), die deutlich seltener auftritt.3 Diese beiden Typen der selbstinitiierten Selbstreparatur unterscheiden sich in Bezug auf die Position innerhalb des konversationellen Turn-Taking-Systems (Sacks et al. 1974), an dem die Reparaturinitiierung stattfindet.4 Im oben angeführten Beispiel (1) handelt es sich um eine redezuginterne Selbstreparatur, weil die Reparaturinitiierung vor einem potentiellen Abschlusspunkt des Redebeitrags stattfindet. Im folgenden Beispiel (2) hingegen leitet der Sprecher die Reparatur erst ein, nachdem sein Redebeitrag potentiell abgeschlossen ist: (2) 01 hh04: 02 03 i-hh04: 04 hh04: 05

und das ist also im im sysTEM begründet-* im steuersysTEM, [mhm-] [°h ] das is also NICH so(-) dass diese leute etwas !IL!legales machen.

|| 3 Manche Selbstreparaturen im übergaberelevanten Raum können – wie Uhmann (1997b: 81) zu Recht anmerkt – als „sehr subtile fremdinitiierte Selbstreparaturen“ (Hervorhebung im Original) angesehen werden, weil als Auslöser für die Reparatur ein Schweigen der Rezipienten in Frage kommt. Dieses Argument lässt sich auch auf redezuginterne Selbstreparaturen übertragen: Auch sie können prinzipiell durch eine bestimmte (ausbleibende) sicht- oder hörbare Rezipientenreaktion ausgelöst werden. Da solche Analysen mit den in dieser Arbeit verwendeten Audiodaten jedoch nicht möglich sind, folge ich dem traditionellen Verständnis (vgl. Schegloff et al. 1977; Liddicoat 2007) und fasse redezuginterne Selbstreparaturen und Selbstreparaturen im übergaberelevanten Raum mit der Bezeichnung ‚selbstinitiierte Selbstreparaturen‘ zusammen. 4 Auch in der dritten Position, d. h. im übernächsten Redebeitrag nach der Produktion eines Reparandums, sind prinzipiell selbstinitiierte Selbstreparaturen möglich. Diese Fälle werden nicht mit einbezogen, weil deren Analyse im Hinblick auf verschiedene strukturelle Merkmale, wie beispielsweise die Verzögerungslänge, nicht mit den anderen Typen der selbstinitiierten Selbstreparatur vergleichbar ist.

4 | Einführung

Nachdem er einen möglichen Abschlusspunkt des Redebeitrags erreicht hat (Ende Z. 01), initiiert der Sprecher zu Beginn von Z. 02 eine Selbstreparatur im übergaberelevanten Raum und ersetzt das ursprüngliche Nomen sysTEM durch das spezifischere Nomen steuersysTEM. Zur Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes wurde neben der Unterscheidung ‚selbst‘ vs. ‚fremd’ ein weiteres strukturelles Kriterium herangezogen: Die Arbeit nimmt ausschließlich selbstinitiierte Selbstreparaturen mit „Retraktionen“ (vgl. Auer 2000a: 49), d. h. mit Rücksprüngen innerhalb der syntaktischen Struktur, ins Untersuchungskorpus auf.5 Verzögerungen des Redebeitrags ohne anschließende Retraktion zu einer früheren syntaktischen Position (z. B. der Einsatz bloßer Pausen, Dehnungen, Zögerungspartikeln oder metakommunikativer Problemsignalisierungen), sind nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Diese Eingrenzung wird vorgenommen, obwohl diese Phänomene in der Konversationsanalyse (vgl. Schegloff et al. 1977: 363; Liddicoat 2007: 171) – etwa im Zusammenhang mit Wortsuchen – als selbstinitiierte Selbstreparaturen betrachtet werden. Der Grund für diese Auswahl liegt im Erkenntnisinteresse der Arbeit, das die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen betrifft, insbesondere die Durchführung von Retraktionen. 6 Zwar ist für die anderen Zögerungsphänomene ebenfalls ein direkter Bezug zur Syntax gegeben – man kann beispielsweise Sprechpausen und Zögerungspartikeln daraufhin untersuchen, zwischen welchen syntaktischen Konstituenten sie bevorzugt platziert werden (vgl. Schilperoord/Verhagen 2006; Schneider 2014) –, jedoch findet in diesen Fällen keine Retraktion ‚gegen die Zeit‘ statt. Stattdessen verzögert der Sprecher die Produktion der projizierten syntaktischen Gestalt durch ein Verweilen ‚an Ort und Stelle‘, ohne sich innerhalb der bereits produzierten syntaktischen Struktur ‚rückwärts‘ zu bewegen. Konstruktionsabbrüche, die in der Unterbrechung und der Entfernung einer syntaktischen Struktur bestehen, werden ebenfalls von der Untersuchung ausgeschlossen. In diesen Fällen stehen die ursprüngliche und die neue Version der Äußerung in keinem erkennbaren formalen Zusammenhang:

|| 5 Auch die Reparaturfunktion stellt ein mögliches Definitionskriterium zur Abgrenzung des Phänomens dar. Diese Vorgehensweise wählt beispielsweise Papantoniou (2012). Er richtet den Fokus auf Reparaturen, die „Probleme des Sprechens“ bearbeiten, und bezieht alle vier oben skizzierten Grundtypen der Reparatur in seine Analyse mit ein. 6 Wenn nicht anders erwähnt, wird im Folgenden die Bezeichnung ‚Selbstreparatur‘ gleichbedeutend mit ‚selbstinitiierte Selbstreparatur‘ verwendet.

Abgrenzung des Phänomens | 5

(3) 01 Hrm: aber wie dU eben schon SACHtes. 02 °h was is denn* würdste_s alles AUF disch nehm; 03 erstmal immer im HINtergedanken04 der hat AIDS, 05 der könnte misch ANstecken, 06 wann brischt die krankheit AUS, 07 was [sagen meine FREUNde,] 08 Etr: [es_s HA::RT; ]

Das syntaktische Material würdste_s alles AUF disch nehm tritt in Z. 02 an die Stelle der getilgten Struktur was is denn. Solche Reparaturen, in denen der syntaktische Rahmen der ursprünglichen Äußerung nicht aufrechterhalten wird, sind im Hinblick auf den Retraktionspunkt wenig interessant, weil eine Retraktion zum Beginn des syntaktischen Projekts erzwungen wird (siehe auch Kap. 5.2.6). Andere gesprochensprachliche Phänomene, in denen Retraktionen eingesetzt werden, wurden ebenfalls ausgeschlossen. Listen unterscheiden sich von Selbstreparaturen deutlich durch ihr zumeist dreiteiliges Format und die Wiederholung derselben Intonationskontur für alle Listenelemente (vgl. Selting 2004). Bei Selbstreparaturen unterscheidet sich hingegen die neue Version häufig durch Akzentuierung von der ursprünglichen Version der Äußerung (Levelt/Cutler 1983). Koordinationen können meistens dadurch von Selbstreparaturen mit dem Reparaturmarker oder unterschieden werden, dass die koordinierten Elemente Alternativen darstellen (was schwätzt du am meisten hochdeutsch oder dialekt), was bei Selbstreparaturen mit oder nicht der Fall ist. Hier beziehen sich beide Elemente auf denselben Referenten (is aber nix zu euch hochzogen oder so vom vom qualm* oder vom rauch). Zudem kommen häufig weitere Reparaturmarker (äh, nee, Wortabbruch, Lautdehnung, Metakommentar) oder eine zusätzliche Reparaturoperation (siehe Kap. 5.3) zum Einsatz.7 Wenn keine eindeutige Entscheidung getroffen werden konnte, wurde das entsprechende Beispiel nicht in das Korpus aufgenommen.8

|| 7 Das ist in 27 von 41 Selbstreparaturen mit oder der Fall (65,9 %). 8 Siehe Kindt/Laubenstein (1991: 14ff.) für eine ausführlichere Diskussion des Problems der Abgrenzung von Reparatur und Koordination.

6 | Einführung

1.2 Fragestellung und Zielsetzung9 Selbstreparaturen sind ein spezifisch gesprochensprachliches Phänomen. Anders als Reformulierungen in schriftlichen Texten, die für den Leser des Endprodukts im Verborgenen bleiben (vgl. Auer 2000a: 43), hinterlassen Selbstreparaturen in Konversationen „sprachliche Spuren“ (Gülich/Kotschi 1996: 38), die dem Rezipienten zugänglich sind. Folglich sind Selbstreparaturen, obwohl sie auch als eine „super-syntax“ (Schegloff 1979: 262) betrachtet werden können, die auf der „eigentlichen“ Syntax operiert und z. B. die Reihenfolge syntaktischer Konstituenten verändert, ein Bestandteil der syntaktischen Struktur gesprochener Sprache. Die empirische Erforschung der Syntax der gesprochenen Sprache ist in der Linguistik immer stärker in den Fokus gerückt (vgl. Auer 1993; Schwitalla 1997). Die Untersuchung spontansprachlicher Interaktion hat zu der grundlegenden Erkenntnis geführt, dass eine grammatische Beschreibung der gesprochenen Sprache den spezifischen interaktionalen und kognitiven Anforderungen Rechnung tragen muss, die Konversationen in Echtzeit mit sich bringen (vgl. Auer 2000a: 44; Ochs et al. 1996; Deppermann et al. 2006; Günthner/Imo 2006; Günthner 2011; Birkner 2008; Brenning 2013). Der Zeitlichkeit muss daher bei der Beschreibung der Syntax der gesprochenen Sprache eine zentrale Rolle zugewiesen werden (vgl. Auer 2000a, 2005a, 2007). Wie Auer (2000a) zeigt, greifen Sprecher bei der Konstruktion einer Äußerung „on line“ auf unterschiedliche syntaktische Grundoperationen zurück, die zeitlich gesehen einander entgegengesetzt wirken. Die syntaktische Operation, die eine Erwartung des Rezipienten bezüglich der Entwicklung nachfolgender syntaktischer Muster auslöst, bezeichnet man als Projektion. Projektionen greifen in der Zeit voraus und eröffnen eine syntaktische Gestalt, „die erst durch die Produktion einer mehr oder weniger präzise vorhersagbaren Struktur“ (Auer 2000a: 47) eingelöst wird. Eine zweite syntaktische Grundoperation, die entgegen der Sprechzeit eine schon bestehende syntaktische Struktur aufgreift und verändert, wird als Retraktion bezeichnet (Auer 2000a: 49). Die hier skizzierte „On line-Syntax“ (Auer 2000a) liefert den theoretischen Rahmen für die vorliegende Arbeit: Im Zentrum der Analyse stehen die Retraktionen, die in Selbstreparaturen durchgeführt werden, und die Projektionen, die bei der Durchführung von Selbstreparaturen aufgebaut und verändert werden.

|| 9 Teile dieses Unterkapitels wurden bereits in Pfeiffer (2010) publiziert.

Fragestellung und Zielsetzung | 7

Es ist bekannt, dass es hinsichtlich der syntaktischen Struktur von Selbstreparaturen Unterschiede zwischen den Sprachen gibt – je nach sprachspezifischer Grammatik wird das Selbstreparatursystem unterschiedlich implementiert. Das betrifft sowohl die Position des Abbruchpunkts (vgl. Fox et al. 2009b) als auch die Durchführung der Retraktion (vgl. Fox et al. 1996; Rieger 2003; Fox et al. 2009a; Birkner et al. 2010, 2012). Vor diesem Hintergrund verfolgt die vorliegende Untersuchung das Ziel, die Struktur von Selbstreparaturen für das Deutsche erstmals umfassend zu beschreiben und zu erklären. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die folgenden Fragen: 1. Wie wird die interaktionale Aufgabe, eine Selbstreparatur durchzuführen, im Deutschen syntaktisch gestaltet? An welcher Stelle unterbrechen Sprecher die Äußerung, wenn sie Selbstreparaturen einleiten? Zu welcher syntaktischen Position kehren Sprecher zurück, bevor sie die Selbstreparatur durchführen? Welche Projektionen werden durch Selbstreparaturen ins Spiel gebracht bzw. verändert? 2. Wie lässt sich die syntaktische Organisation von Selbstreparaturen im Deutschen erklären? Warum wird manchmal – wie in Beispiel (1) – im Wort abgebrochen und in anderen Fällen – wie in Beispiel (2) – an einer Wortgrenze? Warum werden manche syntaktische Positionen – wie die Präposition in den Beispielen (1) und (2) – besonders häufig als Startpunkt gewählt und andere Positionen nur selten? Neben der syntaktischen Struktur sollen weitere formale Aspekte der Selbstreparatur beschrieben und erklärt werden: 3. Welche Selbstreparaturmarker – wie der Glottalverschluss in Beispiel (1) – werden im Deutschen verwendet? Welche Funktionen erfüllen diese unterschiedlichen Marker in der sprachlichen Interaktion? 4. Welche unterschiedlichen Selbstreparaturoperationen – wie die Operation ‚Substitution‘ – werden im Deutschen eingesetzt? Diese Arbeit geht – entgegen der Auffassung von Schegloff (1987b: 216) und Drew et al. (2013: 75) – davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen der Form einer Selbstreparatur und dem zu bearbeitenden Problemtyp besteht. Um diese Fragen zu den verschiedenen strukturellen Aspekten von Selbstreparaturen beantworten zu können, rückt die Arbeit daher auch die Analyse der Problemtypen, die von Selbstreparaturen bearbeitet werden, in den Fokus:

8 | Einführung

5.

Welche unterschiedlichen Problemtypen werden von den Sprechern bearbeitet? Wie hängen diese Problemtypen mit den genannten strukturellen Aspekten von Selbstreparaturen zusammen?

Die vorliegende Untersuchung ist in der Interaktionalen Linguistik angesiedelt, die sich für den Zusammenhang von sprachlichen Strukturen und sozialer Interaktion interessiert (vgl. Selting/Couper-Kuhlen 2000: 78; Couper-Kuhlen/ Selting 2001). Selbstreparaturen liefern einerseits einen Beleg dafür, dass sprachliche Strukturen aus den Anforderungen sozialer Interaktion hervorgehen und zeigen andererseits, wie sprachliche Strukturen wiederum soziale Interaktion organisieren. Die aufgeworfenen Fragen sollen durch qualitative Analysen und – darauf aufbauend – durch den Einsatz quantitativer Methoden beantwortet werden. Als Datengrundlage dient ein Korpus von 2.574 Selbstreparaturen (2.529 redezuginterne Selbstreparaturen und 45 Selbstreparaturen im übergaberelevanten Raum) aus informellen offenen Interviews, psychotherapeutischen Gesprächen und Alltagskonversationen. Die vorliegende Untersuchung der Struktur von Selbstreparaturen folgt Günthners (2011) „Plädoyer für eine praxisorientierte Grammatikbetrachtung“ und leistet einen Beitrag zur Modellierung eines Aspekts einer „Interaktionalen Grammatik“ (Bergmann et al. 2012), die sprachliche Struktur als ein Produkt sozialer Interaktion begreift.

1.3 Die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen Im Folgenden wird die Struktur der selbstinitiierten Selbstreparatur detailliert beschrieben, um die terminologische Basis für die Analysen der vorliegenden Arbeit zu schaffen. Selbstinitiierte Selbstreparaturen weisen verschiedene strukturelle Merkmale auf, die in Abbildung 1 schematisch dargestellt sind (vgl. Levelt 1983):

Die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen | 9

Abbruchpunkt

Ursprüngliche Äußerung mh s DRITte hau'

Reparandum

Verzögerung

Initiierungsphase nee

Reparaturmarker

Reparaturdurchführung s VIERte haus:

Retraktionspunkt/

Reparans

Retraktionsspanne Abb. 1: Die Struktur der selbstinitiierten Selbstreparatur. Darstellung und Teile der Terminologie sind Levelt (1983: 45) entnommen.

Selbstreparaturen bestehen typischerweise aus drei Phasen (vgl. Levelt 1983: 44): der ursprünglichen Äußerung, der Initiierungsphase und der Reparaturdurchführung. Die erste Phase ist die ursprüngliche Äußerung. Sie enthält – wenn es sich bei der Selbstreparatur nicht um eine Wiederholung oder eine Reparatur des Sprecherwechsels handelt (siehe Kap. 4 und 5) – eine Problemquelle, die als Reparandum bezeichnet wird. Das Reparandum kann ein Wort (einfaches Reparandum) oder mehrere Wörter (komplexes Reparandum) umfassen. Das Reparandum, in Abbildung 1 das Adjektiv DRITte, ist das Element, das durch die Reparatur bearbeitet wird. Die ursprüngliche Äußerung endet mit dem Abbruchpunkt, also dem Zeitpunkt, an dem die Äußerung nicht wie projiziert fortgesetzt wird. In manchen Fällen kommt es jedoch nicht unmittelbar nach Auftreten des Reparandums zum Abbruch der Struktur. Den Teil der Äußerung, den der Sprecher – wie in Abbildung 1 – zwischen dem Reparandum und dem Abbruchpunkt produziert, bezeichnet man als Verzögerung. Die Verzögerung wird in dieser Arbeit in Anlehnung an Levelt (1983: 44) in Silben gemessen. Mit dem Abbruch der Äußerung beginnt die zweite Phase der Selbstreparatur, die Initiierungsphase. Diese Phase ist durch den Gebrauch unterschiedlicher Reparaturmarker gekennzeichnet, die den Rezipienten auf eine bevorstehende Reparaturdurchführung hinweisen und oftmals in Kombination miteinander auftreten. Eine solche Kombination mehrerer Reparaturmarker liegt in Abbildung 1 vor: Der Glottalverschluss, die Partikel nee und der Wortabbruch hau durchbrechen die projizierte Fortsetzung der Äußerung und bringen gleichzeitig die Projektion ins Spiel, dass eine Reparatur folgen wird. Während sich der Wortabbruch genau am Übergang von ursprünglicher Äußerung und Initiie-

10 | Einführung

rungsphase befindet und daher theoretisch betrachtet zu beiden Phasen zu rechnen ist, gehören der Glottalverschluss und nee nicht zur ursprünglichen Äußerung, sondern sind ausschließlich Teil der Initiierungsphase. Es kann auch eine Überschneidung von ursprünglicher Äußerung und Initiierungsphase auftreten, wenn die Selbstreparatur innerhalb eines Wortes der ursprünglichen Äußerung durch Lautdehnung initiiert wird. Die Lautdehnung ist in diesen Fällen gleichzeitig Teil der ursprünglichen Äußerung und der Initiierungsphase. Die dritte Phase ist die Reparaturdurchführung, in der das Reparandum bearbeitet wird. In Abbildung 1 ersetzt der Sprecher das Reparandum DRITte durch VIERte. In Substitutionen wird der reparierende Ausdruck als Reparans bezeichnet. Die Substitution ist nur dadurch möglich, dass sich der Sprecher durch eine Retraktion in der Äußerung ‚rückwärts‘ bewegt: Er kehrt zum Artikel s zurück und wiederholt diesen, bevor er mit der Substitution fortfährt. Die syntaktische Position, an die der Sprecher in der Reparaturdurchführung zurückkehrt, wird als Retraktionspunkt bezeichnet. Für die Distanz, die der Sprecher beim Rücksprung zurücklegt, wird der Begriff Retraktionsspanne verwendet; sie wird in dieser Arbeit wie die Verzögerung in Silben gemessen. Für den Teil der Äußerung, der im Anschluss an die Retraktion wiederholt wird (der Artikel s), verwende ich den Begriff syntaktischer Anker: An anchor is the word to which the speaker retracts and on which s/he restarts her contribution. [...] The anchor marks the paradigmatic slot in which the retraction is produced. (Auer/Pfänder 2007: 61)

Die Verwendung dieses Begriffs soll darauf hinweisen, dass solche Wiederholungen dem Hörer als Ressource zur Integration einer Veränderung in die ursprüngliche Äußerung dienen können. Wenn der Sprecher bei der Reparaturdurchführung direkt zum Reparandum zurückkehrt und keinen vorangehenden Teil der Äußerung wiederholt, liegt eine minimale Retraktionsspanne vor. In den meisten Arbeiten zur Syntax von Selbstreparaturen wird nicht der Begriff ‚Retraktion‘, sondern der Begriff ‚Recycling‘ verwendet, der auf Schegloff (1987a) zurückgeht. Die Verwendung des Begriffs ‚Retraktion‘ ist jedoch aus zwei Gründen vorzuziehen. Zum einen wird durch die Verwendung des Begriffs ‚Retraktion‘ als Gegenstück zur ‚Projektion‘ der Bezug der Analysen zur „On line-Syntax“ (Auer 2000a) ausgedrückt, die in dieser Arbeit als theoretischer Rahmen dient. Zum anderen wird der Begriff ‚Recycling‘ in verschiedenen Arbeiten im Bereich der Interaktionalen Linguistik nicht nur im Sinne von ‚Retraktion‘ – d. h. zur Bezeichnung eines Rücksprungs innerhalb der Struktur –, sondern auch im Sinne von ‚Wiederholung der Struktur‘ verwendet (vgl. Fox et al. 1996: 186f.; Egbert 2009: 61f.). Diese unpräzise Verwendung ist problematisch,

Aufbau der Arbeit | 11

weil Retraktionen sowohl mit als auch ohne eine darauf folgende Wiederholung syntaktischen Materials durchgeführt werden können (vgl. Auer/Pfänder 2007: 61f.). Durch die Verwendung des Begriffs ‚Retraktion‘ anstelle von ‚Recycling‘ zur Bezeichnung des Rücksprungs in der syntaktischen Struktur soll vermieden werden, dass auf zwei Aspekte der Reparaturorganisation gleichzeitig Bezug genommen wird. Um in der Lage zu sein, beide Prozesse präzise zu unterscheiden und getrennt voneinander zu benennen, werden in dieser Arbeit die Begriffe Retraktion und Wiederholung verwendet. Die Darstellung der Struktur von Selbstreparaturen soll mit einer Bemerkung zur Relation zwischen ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung – bzw. zwischen Reparandum und Reparans – abgeschlossen werden. Je nachdem, in welchem phonologischen, syntaktischen, semantischen und pragmatischen Verhältnis die beiden Phasen der Selbstreparatur zueinander stehen, liegen – unabhängig von der sequentiellen Position der Reparaturinitiierung – verschiedene Typen von Reparanda (siehe Kap. 4) und Selbstreparaturoperationen (siehe Kap. 5) vor. Die Rekonstruktion dieser Aspekte wird im empirischen Teil der Arbeit eine zentrale Position einnehmen.

1.4 Aufbau der Arbeit Die Arbeit ist wie folgt gegliedert. Kapitel 2 gibt einen Überblick über die drei wichtigsten Forschungsbereiche, die sich mit Selbstreparaturen beschäftigen: die Konversationsanalyse, die Psycholinguistik und die Interaktionale Linguistik. Für jedes Forschungsfeld werden die zentralen Arbeiten zu Selbstreparaturen vorgestellt und diskutiert. Der Fokus ist auf diejenigen Studien gerichtet, die für die Diskussion der empirischen Ergebnisse dieser Arbeit besonders relevant sind. Kapitel 3 stellt zunächst die Datengrundlage vor, auf die sich die Analysen in dieser Arbeit stützen. Anschließend wird auf die Analysemethode eingegangen. Zur Untersuchung der Selbstreparaturen werden qualitative Methoden der Interaktionalen Linguistik und der Konversationsanalyse verwendet. Zudem wird das Selbstreparaturkorpus einer statistischen Analyse unterzogen, mit deren Hilfe quantitative Zusammenhänge von Struktur und Problemtyp aufgezeigt werden können. Die Kombination qualitativer und quantitativer Analysemethoden ist für die Modellierung der syntaktischen Struktur von Selbstreparaturen (Kap. 8) unerlässlich. Die Typen von Reparanda und die mit ihnen verbundenen Reparaturtypen werden in Kapitel 4 vorgestellt. Retrospektive Reparaturen dienen entweder der Korrektur oder der Elaborierung eines Teils der bereits produzierten Struktur.

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Projektionsreparaturen werden eingesetzt, um die syntaktischen und semantopragmatischen Projektionen der Äußerung an die Erfordernisse der jeweiligen interaktionalen Aufgabe anzupassen. Prospektive Reparaturen sorgen für eine Verzögerung der Äußerungsfortsetzung, indem sie einen Teil der Struktur wiederholen. Mit Kapitel 5 beginnt die Beschreibung der strukturellen Aspekte von Selbstreparaturen. Dieses Kapitel präsentiert die verschiedenen Selbstreparaturoperationen, also die Verfahren des Eingriffs in die Äußerung, die durch Selbstreparaturen vorgenommen werden können: Wiederholung, Substitution, Insertion und Tilgung. Darüber hinaus werden diese Operationen danach differenziert, ob sie die syntaktische Projektion der Äußerung revidieren oder nicht. Kapitel 6 behandelt weitere strukturelle Aspekte von Selbstreparaturen, die im vorangegangenen Unterkapitel vorgestellt wurden: die Position des Abbruchpunkts und die Verzögerungslänge, die Reparaturinitiierung und die Verwendung verschiedener Reparaturmarker sowie den Retraktionspunkt und die Retraktionsspanne. Anschließend wird die Distribution der Reparanda in den Fokus gerückt: Welche Wortarten werden am häufigsten repariert? Darüber hinaus werden verschiedene Möglichkeiten vorgestellt, wie die Reparaturoperation an die ursprüngliche Äußerung angebunden werden kann, d. h. wie die Prozessierung der Reparatur durch den Rezipienten ermöglicht wird. Außerdem kommen quantitative Analysen zum Einsatz, um Zusammenhänge zwischen den formalen Eigenschaften von Selbstreparaturen zu ermitteln. Kapitel 7 beschreibt den Zusammenhang zwischen den Problemtypen und den strukturellen Merkmalen von Selbstreparaturen im Deutschen, indem es die Ergebnisse aus Kapitel 4 mit den Ergebnissen aus den Kapiteln 5 und 6 verbindet. Besonderes Augenmerk wird auf die Beschreibung der interaktionalen Funktionen der verschiedenen Reparaturmarker gelegt. Insgesamt offenbaren die Analysen eine sehr feine Abstimmung der eingesetzten Reparaturstruktur auf das zu bearbeitende Problem. Basierend auf den Ergebnissen zum Zusammenhang zwischen den strukturellen Faktoren untereinander sowie zwischen der Struktur und den Typen von Reparanda wird in Kapitel 8 ein Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen im Deutschen entwickelt. Das zweiteilige Modell, das Vorhersagen über die Reparaturstruktur macht, bezieht sich auf Abbruch- und Retraktionspunkt und basiert auf der Idee, dass die Struktur von Selbstreparaturen ein Produkt des Wettstreits konkurrierender Motivationen ist. Dieses Kapitel, das einen Beitrag zur Entwicklung einer Interaktionalen Grammatik leistet, stellt das Herzstück der vorliegenden Arbeit dar.

Aufbau der Arbeit | 13

Kapitel 9 fasst den Beitrag der vorliegenden Arbeit zu den Feldern der Syntax der gesprochenen Sprache und der Interaktionalen Linguistik zusammen. Die Analyse der Reparaturstruktur lässt einerseits Rückschlüsse auf die syntaktischen Verhältnisse im Deutschen ganz allgemein zu; andererseits modelliert die Arbeit einen Teilbereich der Syntax des gesprochenen Deutsch. Abschließend werden einige Perspektiven für zukünftige Forschung eröffnet.

2 Selbstreparaturen aus funktionaler, kognitiver und sprachstruktureller Perspektive10 Zur Hinführung auf meine empirische Untersuchung sollen die wichtigsten theoretischen Blickwinkel vorgestellt werden, die bei der Erforschung von Reparaturen eingenommen werden können: die konversationsanalytische (Kap. 2.1), die psycholinguistische (Kap. 2.2) und die interaktionallinguistische Perspektive (Kap. 2.3). Dabei soll deutlich werden, welchen Einfluss die jeweilige theoretische Positionierung auf die Wahrnehmung des Forschungsgegenstands hat. Ein solcher vergleichender Überblick ermöglicht zum einen, die Reparatur als funktionales, kognitives und sprachstrukturelles Phänomen möglichst ganzheitlich zu erfassen. Zum anderen ergibt sich aus den theoretischen Vorüberlegungen die Möglichkeit, Ansätze aus verschiedenen Disziplinen für die Erklärung der Selbstreparaturstruktur gewinnbringend miteinander zu verbinden. Im Folgenden werden für jede der drei Perspektiven diejenigen Untersuchungen vorgestellt, die für die Diskussion der empirischen Ergebnisse dieser Arbeit von zentraler Bedeutung sind.

2.1 Konversationsanalyse Die Konversationsanalyse widmet sich als stark empirisch orientierte Disziplin der Erforschung natürlicher Konversationen. Sie ist aus der Ethnomethodologie (Garfinkel 1967) hervorgegangen, einer soziologischen Forschungsdisziplin, deren Interesse dem Alltagshandeln einer sozialen Gemeinschaft gilt. Die Konversationsanalyse setzt sich zum Ziel, [...] die formalen Prinzipien und Mechanismen zu bestimmen, mittels derer die Teilnehmer an einem sozialen Geschehen ihr eigenes Handeln, das Handeln anderer und die aktuelle Handlungssituation in ihrem Tun sinnhaft strukturieren, koordinieren und ordnen. (Bergmann 1994: 3)

Bei der Untersuchung der „(Re-)Produktion sozialer Ordnung“ (Bergmann 1994: 3) richtet die Konversationsanalyse den Fokus vor allem auf zwei Aspekte: Die sequentielle und die inferentielle Ordnung von Face-to-Face-Interaktionen (Hutchby/Wooffitt 2004: 38f.). Die sequentielle Ordnung (vgl. Schegloff/Sacks

|| 10 Teile dieses Kapitels wurden bereits in Pfeiffer (2010) publiziert.

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1973; Schegloff 2007) bezeichnet die Organisation des Gesprächsverlaufs durch ein Regelsystem, an dem sich die Kommunikationsteilnehmer in der Interaktion orientieren, dem Turn-Taking System (Sacks et al. 1974). Die Untersuchung der inferentiellen Ordnung einer Konversation betrifft die kulturellen und interpretativen Ressourcen, auf die sich die Kommunikationsteilnehmer im Gesprächsverlauf stützen, um die Aussagen der Kommunikationspartner richtig zu verstehen und einzuordnen (Hutchby/Wooffitt 2004: 39). Aus der Perspektive der Konversationsanalyse stellen Reparaturen einen Mechanismus dar, der entscheidend zur Herstellung und zum Erhalt sozialer Ordnung beiträgt. Er stellt den Interagierenden Ressourcen bereit, um „Probleme des Sprechens, Hörens und Verstehens“ zu bearbeiten (Schegloff et al. 1977: 361). Bei ihrer Untersuchung des konversationellen Reparatursystems machen Schegloff et al. (1977: 377) die Beobachtung, dass Selbstreparaturen und Fremdreparaturen keine gleichberechtigten Alternativen darstellen. Vielmehr ist das Reparatursystem auf eine Art und Weise organisiert, die eine deutliche Präferenz der Konversationsteilnehmer für die Selbstinitiierung und Selbstdurchführung von Reparaturen zum Ausdruck bringt: Fremdinitiierungen werden möglichst spät vorgenommen. Rezipienten unterbrechen den Redebeitrag des Produzenten des Reparandums im Normalfall nicht, um eine Reparatur zu initiieren, und verzögern ihre Fremdinitiierung zumeist sogar noch über einen möglichen Abschlusspunkt des Redebeitrags hinaus (vgl. Liddicoat 2007: 177; Auer 1999: 144f.). Das deutet darauf hin, dass Selbstinitiierungen von Reparaturen präferiert sind. Außerdem führen sowohl Selbstinitiierungen als auch Fremdinitiierungen zumeist dazu, dass Selbstreparaturen durchgeführt werden (vgl. Schegloff et al. 1977: 376), was auf eine Präferenz für Selbstreparaturen hindeutet. Wie in Kapitel 1.1 erläutert, beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit selbstinitiierten Selbstreparaturen.11 Die erste Untersuchung zu Selbstreparaturen führt Jefferson (1974) durch. Sie beschreibt die systematische Verwendung der unterschiedlichen Formen des definiten Artikels im Englischen (thuh vs. thee) in Kombination mit der Partikel uh. Sie zeigt, dass die Verwendung bestimmter Kombinationen von Artikel, Partikel und darauffolgendem Nomen einen Fehler anzeigen, der vom Sprecher beinahe begangen, aber unmittelbar vor der Produktion korrigiert wurde. Jefferson (1974) führt Beispiele an, die zeigen, dass solche korrigierten Fehler dennoch vom Rezipienten erkannt und relevant gesetzt werden können. Jeffersons

|| 11 Fremdinitiierte Reparaturen (vgl. z. B. Selting 1987; Couper-Kuhlen 1992; Egbert 1996; Drew 1997; Schegloff 2000; Enfield et al. 2013) oder fremddurchgeführte Reparaturen (vgl. z. B. Haakana/Kurhila 2009) sind nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit.

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(1974) Beobachtung zum Englischen, dass der definite Artikel bestimmte Eigenschaften des darauffolgenden Nomens projiziert, gilt – wie die vorliegende Arbeit zeigt – auch für das Deutsche. Artikel projizieren im Deutschen die grammatischen Eigenschaften des folgenden Nomens; Reparaturen des Artikels sind daher als vorweggenommene Reparaturen des Nomens anzusehen. Solche Reparaturen werden in dieser Arbeit als Projektionsreparaturen bezeichnet (siehe Kap. 4.1.2 und 4.3). Bei seiner Analyse von „phrasal breaks, false starts, long pauses, and isolated ungrammatical fragments“ bezieht Goodwin (1980: 273) die Blickrichtungen der Interagierenden mit ein. Entgegen der vorherrschenden Auffassung in vorherigen Arbeiten, die solche Phänomene auf kognitive Probleme des Sprechers bei der Konstruktion einer Äußerung zurückführen, zeigt er, dass Sprecher Selbstreparaturen zu Beginn eines Redebeitrags regelmäßig als Ressource verwenden, um Blickkontakt mit dem Rezipienten herzustellen. Solche Selbstreparaturen gelten also der Aufmerksamkeit des Rezipienten und sind daher als Produkt der Interaktion zwischen Sprecher und Hörer anzusehen (Goodwin 1980: 294). Auch Schegloff (1987a) widmet sich der Untersuchung von Selbstreparaturen am Turnbeginn. Er identifiziert ein Verfahren, das zur Reparatur des Sprecherwechsels eingesetzt wird. Schegloff (1987a) zeigt, dass Sprecher häufig den Beginn des eigenen Redebeitrags wiederholen, wenn der ursprüngliche Beginn durch die Äußerung eines anderen Gesprächsteilnehmers überlappt wird. Solche Wiederholungen, die er als „recycling“ bezeichnet, beginnen regelmäßig mit dem Ende der überlappenden Rede. Dadurch wird der Beginn des Redebeitrags, der wichtige Informationen über das Format der Äußerung projiziert, hörbar gemacht. Die vorliegende Arbeit knüpft an Schegloffs (1987a) Beobachtung an, indem sie nachweist, dass bei Reparaturen des Sprecherwechsels mit zusätzlicher Reparatur des Verbs ebenfalls regelmäßig der Turnbeginn wiederholt wird (siehe Kap. 7.4.2.1 und 8.2.2.1). Lerner und Kitzinger (2007) untersuchen Reparaturen der Selbstreferenz, d. h. Selbstreparaturen in Bezug auf die Verwendung der englischen Personalpronomen I und we. Sie identifizieren zwei Reparaturverfahren: die Aggregation, also die Substitution der individuellen Form I durch die kollektive Form we und die Extraktion, also die Substitution von we durch I. Anschließend betrachten sie die interaktionale Verwendung dieser Reparaturverfahren im Zusammenhang mit Problemen der epistemischen Autorität und der Verantwortung des Sprechers für die beschriebene Handlung. Auch im vorliegenden deutschen Korpus wird die von Lerner und Kitzinger (2007) beschriebene Substitution der

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Personalpronomen der ersten Person zur Durchführung epistemischer Reparaturen eingesetzt (siehe Kap. 4.2.2.3). Drew et al. (2013) beschreiben Selbstreparaturen als eine Ressource für die Gestaltung sozialer Handlungen („action construction“). Wenn ein Sprecher eine Selbstreparatur durchführt, gestaltet er häufig den ursprünglichen Redebeitrag zugunsten einer neuen Version um. Durch den Vergleich der alten mit der neuen Version wird deutlich, so Drew et al. (2013), welche Gestaltung des Redebeitrags der Sprecher als am besten geeignet ansieht, um die Handlung in der jeweiligen sequentiellen Position durchzuführen. Auf diese Methode, die ursprüngliche Äußerung mit dem reparierten Redebeitrag zu vergleichen, wird auch in der vorliegenden Arbeit zurückgegriffen (siehe Kap. 3.2). Schegloff (2013) beschreibt zehn Operationen – „replacing, „inserting“, „deleting“, „searching“, „parenthesizing“, „aborting“, „sequence-jumping“, „recycling“, „reformatting“ und „reordering“ –, auf die Sprecher bei der Durchführung redezuginterner selbstinitiierter Selbstreparaturen zurückgreifen können. Er grenzt „operations that get implemented“ von den „components of the repair segments through which the operations are prosecuted“ und den „techniques employed in accomplishing those operations“ ab (Schegloff 2013: 41), liefert jedoch weder für „component“ und „technique“ noch für „operation“ eine Definition, sodass sein Verständnis von ‚Operation‘ recht vage bleibt. Obwohl Schegloff (2013: 41) auf eine strukturelle Beschreibung abzielt, die den „systemic or interactional import“ der Reparatur nicht berücksichtigt, orientiert er sich stark an interaktionalen und sequentiellen Kategorien (z. B. „searching“, „sequencejumping“). In der vorliegenden Arbeit werden Selbstreparaturoperationen als Verfahren des Eingriffs in die Äußerung verstanden. In Kapitel 5 wird eine Typologie der Selbstreparaturoperationen im Deutschen aus einer rein strukturellen Perspektive entwickelt, ohne interaktionale Aspekte mit einzubeziehen. Durch diese Vorgehensweise wird ein Überblick über das strukturelle Instrumentarium gewonnen, das den Sprechern zur Bearbeitung ihres Redebeitrags zur Verfügung steht. Wilkinson und Weatherall (2011) untersuchen die Insertion („insertion repair“) – eine Selbstreparaturoperation, die sowohl von Schegloff (2013) als auch in der vorliegenden Arbeit beschrieben wird. Das Verfahren der Insertion zeichnet sich dadurch aus, dass der Sprecher im begonnenen Redebeitrag zurückspringt, um der Struktur ein Element hinzuzufügen und den Redebeitrag anschließend fortzusetzen. Wilkinson und Weatherall (2011) identifizieren zwei besonders häufige Arten der Veränderung der ursprünglichen Äußerung: „specifying“ und „intensifying“, die die ursprüngliche Äußerung jeweils in semantischer Hinsicht verändern.

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Eine konversationsanalytische Arbeit, die explizit auf den Zusammenhang von Selbstreparaturen und Syntax eingeht, ist Schegloff (1979). Er zeigt, dass Selbstreparaturen und die syntaktische Struktur von Sätzen sich gegenseitig bedingen, und liefert erste Evidenz dafür, dass Selbstreparaturen „orderly and describable“ sind (Schegloff 1979: 262). Insbesondere weist er darauf hin, dass Selbstreparaturen normalerweise schnell – d. h. mit nur einem Reparaturversuch – durchgeführt werden und dass sich in der Gestaltung mehrerer aufeinanderfolgender Selbstreparaturen eine Orientierung an der Progressivität der Äußerung abzeichnet (Schegloff 1979: 277f.). Diese Erkenntnis wird in der vorliegenden Arbeit weiterentwickelt: Die Analysen zeigen, dass das Bedürfnis der Interagierenden nach möglichst schneller Bearbeitung eines konversationellen Problems die gesamte Selbstreparaturstruktur prägt – die Position des Abbruchpunkts, die Wahl der Reparaturmarker und die Position des Retraktionspunkts. Die syntaktische Organisation von Selbstreparaturen scheint demnach in entscheidendem Maße durch den interaktionalen Druck geformt zu werden, der von der Präferenz für Progressivität ausgeht.

2.2 Psycholinguistik Selbstreparaturen können nicht nur aus einer konversationsanalytischen Perspektive im Hinblick auf ihre interaktionalen Aufgaben in der Konversation und für die Herstellung sozialer Ordnung betrachtet werden. Sie können auch aus psycholinguistischer Perspektive als Phänomene untersucht werden, die Sprachproduktionsprozesse sichtbar machen. Reparaturen werden in der Psycholinguistik also nicht als soziale Phänomene begriffen, die die Bearbeitung interaktionaler Probleme ermöglichen, sondern als ein Prozess, der etwas über die Kognition des Sprechers aussagen. Aus diesem Grund spielen in diesem Forschungsbereich nicht alle vier Grundtypen der Reparatur (siehe Kap. 1.1) eine gleichermaßen große Rolle. Psycholinguisten beschäftigen sich in erster Linie mit selbstinitiierten Selbstreparaturen, weil hier alle entscheidenden kognitiven Prozesse – von der Produktion des Reparandums über dessen Identifizierung bis hin zur Planung der Reparaturdurchführung – im Kopf derselben Person ablaufen, sodass beispielsweise Rückschlüsse auf produktionsspezifische Monitoringprozesse möglich sind (vgl. Schade et al. 2003: 333). Das Interesse der Psycholinguistik bezieht sich auch nicht auf alle selbstinitiierten Selbstreparaturen gleichermaßen, sondern gilt vor allem Selbstkorrekturen von Fehlern. Diese Einschränkung hängt einerseits damit zusammen, dass die Untersuchung von Versprechern, sogenannten „slips of the tongue“, in der Psychologie und der sprachproduktionsorientierten Psycholinguistik eine lange

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Tradition hat (vgl. Meringer/Mayer 1895; Freud 1901; Nooteboom 1973; Fromkin 1973, 1980; Berg 1986a, 1987, 1988). Andererseits hat die Fokussierung auf Fehler auch einen methodologischen Grund: Versprecher und deren Korrektur können experimentell elizitiert werden (vgl. van Wijk/Kempen 1987). Es gilt jedoch insgesamt als schwierig, Experimente zur Sprachproduktion zu entwerfen (vgl. Nooteboom 1980: 87) – auch deswegen können Versprecher aus psycholinguistischer Perspektive als „Glücksfall für die Wissenschaft“ (Berg 1986b) betrachtet werden. Wenden wir uns nun den psycholinguistischen Studien zu, die für die vorliegende Arbeit die größte Rolle spielen. Levelt (1983, 1989) macht für das Auftreten von Selbstreparaturen ein kompliziertes Zusammenwirken von Wahrnehmungs- und Produktionsprozessen verantwortlich (Levelt 1983: 45). Eine entscheidende Rolle für die Bearbeitung von Problemen in der Sprachproduktion spielt der kognitive Prozess, den er als Monitoring bezeichnet (Levelt 1983: 42). Darunter ist eine Art Kontrollinstanz zu verstehen, die über die Angemessenheit produzierter Äußerungen wacht und dem Sprecher über eine Rückkopplungsschleife ständig Rückmeldungen über den Erfolg oder Misserfolg der Kommunikation gibt. Der Monitoring-Prozess ist hoch automatisiert und läuft unbewusst ab, sodass dessen Teilschritte dem Sprecher introspektiv nicht zugänglich sind.12 Erst die Ergebnisse des Monitorings gelangen ins Bewusstsein und stehen der „zentralen Exekutive“ des Arbeitsgedächtnisses (vgl. Baddeley 1986) zur Verfügung, sodass sie dem Sprecher als Ausgangspunkt für Entscheidungen wie die Durchführung einer Reparatur dienen können. Levelts (1983) strukturelle Analyse basiert auf einem niederländischen Korpus, das Selbstreparaturen aus einem experimentellen Setting zur Beschreibung visueller Muster umfasst. Er entwickelt eine Regel für Selbstreparaturen, die das syntaktische Verhältnis zwischen ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung zum entscheidenden Merkmal für die Retraktion erhebt, die so genannte Well-formedness rule (Levelt 1983: 78). Diese Regel besagt, dass die Wohlgeformtheit (bzw. die Grammatikalität) einer Selbstreparatur von den gleichen syntaktischen Beschränkungen abhängt, denen auch Koordinationen unterworfen sind (vgl. zur Diskussion dieser Regel auch Kempen/Hoenkamp 1987: 251ff.). Zwischen ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung besteht dieselbe strukturelle Beziehung wie zwischen den Sätzen, die von einer koordinierenden Konjunktion (z. B. und und oder) verbunden werden. Die Well-

|| 12 In den 80er Jahren wurde die Sichtweise entwickelt, dass viele geistige – also auch sprachliche – Prozesse in „Modulen“ organisiert sind und reflexartig ablaufen (vgl. Fodor 1983). Diese modulare Perspektive ist in der heutigen Psycholinguistik weit verbreitet.

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formedness rule macht deutlich, dass syntaktische Überlegungen für die Beschreibung der Reparaturstruktur und der in einer Reparatur auftretenden kognitiven Prozesse notwendig sind. Im Hinblick auf die Position des Abbruchpunkts kommt Levelt (1983) zum Ergebnis, dass Sprecher die Äußerung sofort nach Identifizierung des Problems abbrechen (vgl. „Main Interruption Rule“, Levelt 1983: 56). Es gilt jedoch die Einschränkung, dass nur Wörter, die einen offensichtlichen Fehler enthalten, abgebrochen werden (vgl. „pragmatic hypothesis“, Levelt 1983: 63). Levelts Analysen zum Abbruchpunkt stellen in der vorliegenden Arbeit einen wichtigen Referenzpunkt für die Entwicklung des Erklärungsmodells für die Position des Abbruchpunkts dar (siehe Kap. 8.1). Sowohl die „Main Interruption Rule“ als auch die „pragmatic hypothesis“ müssen vor dem Hintergrund der vorliegenden Ergebnisse zum Deutschen revidiert werden: Zum einen scheinen Sprecher die syntaktische Struktur nicht sofort, sondern lediglich so schnell wie möglich nach der Identifikation des Problems abzubrechen, da bei der Initiierung auch Faktoren eine Rolle spielen, die der Schnelligkeit entgegenlaufen. Zum anderen deutet ein Wortabbruch aus Hörersicht nicht – wie Levelt (1983: 63) annimmt – auf das Vorliegen eines fehlerhaften Wortes hin, sondern lediglich auf das Vorliegen eines problematischen (fehlerhaften oder nicht-fehlerhaften) Wortes. Kritik an der „Main Interruption Rule“ (Levelt 1983: 56) üben auch Seyfeddinipur et al. (2008). Sie untersuchen den Einfluss der konkurrierenden Motivationen „accuracy“ und „fluency“ (Seyfeddinipur et al. 2008: 840) bei der Entscheidung über den Zeitpunkt der Selbstreparaturinitiierung im Deutschen. Die Autoren kommen zum Ergebnis, dass Sprecher der „fluency“ einen höheren Stellenwert einräumen. Entgegen Levelts (1983: 56) Annahme, dass Selbstreparaturen eingeleitet werden, sobald der Sprecher das Problem identifiziert hat, zeigt die Untersuchung, dass Sprecher die emergente Struktur tendentiell erst dann unterbrechen, wenn die durchzuführende Reparatur bereits geplant ist. Verschiedene Aspekte von Levelts (1983) Studie bauen auf den Erkenntnissen auf, die Nooteboom (1980) zum Abbruch- und Retraktionspunkt in Selbstkorrekturen im Deutschen erlangt. Nooteboom (1980: 94) zeigt zum einen, dass Sprecher ihre Äußerung am häufigsten an der ersten Wortgrenze nach Auftreten des Fehlers abbrechen. Setzt der Sprecher die Äußerung über diesen Punkt hinaus fort, liegt der Abbruch in jedem Fall an einer weiteren Wortgrenze. Diese Beobachtung ist im Einklang mit den Ergebnissen dieser Arbeit: Wörter in der Verzögerung werden nicht abgebrochen (siehe Kap. 6.1 und 8.1). Zum anderen stellt Nooteboom (1980: 94) fest, dass die Retraktion in phonologischen Korrekturen fast immer zum Reparandum geht, während die Sprecher bei lexikalischen Korrekturen häufiger eine frühere Phrasengrenze als Startpunkt wählen.

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Auch diese Ergebnisse stimmen mit der vorliegenden Untersuchung überein (siehe Kap. 7.4.2.2 und 8.2). Nootebooms (1980) Analyse basiert auf Meringers (1908) Kollektion, die sowohl Versprecher als auch die jeweiligen Korrekturen umfasst. Meringer schrieb die Reparaturen aus dem Gedächtnis nieder (vgl. Levelt 1983: 57), sodass die Ergebnisse von Nooteboom (1980) kritisch zu betrachten sind – obwohl sie größtenteils in die Richtung der Ergebnisse der vorliegenden Arbeit deuten. Eine weitere Untersuchung zum Abbruchpunkt in Selbstreparaturen führt Brédart (1991) durch. Ausgangspunkt für seine Studie zum Französischen ist Levelts (1983: 64) Vermutung, dass fehlerhafte Wörter bei der Reparaturinitiierung häufig nicht abgebrochen werden, weil die Sprecher in diesen Fällen den Fehler erst nach abgeschlossener Wortproduktion bemerken. Brédart (1991) zeigt, dass der Anteil von Abbrüchen in fehlerhaften Wörtern mit zunehmender Wortlänge steigt. Dieses Ergebnis unterstützt Levelts Vermutung und steht im Einklang mit den Analysen der vorliegenden Arbeit (siehe Kap. 6.1.2.4 und 8.1.2). Clark und Wasow (1998) werfen die Frage auf, warum Sprecher in der Spontansprache Wörter wiederholen, wenn sie ihre Äußerung nach einer Sprechpause wieder aufnehmen. Als Begründung führen sie das Streben der Sprecher nach möglichst kontinuierlicher Produktion des Redebeitrags an – die sogenannte „continuity hypothesis“ (Clark/Wasow 1998: 206). Durch die Wiederholung wird ein größeres Maß an Kontinuität der Rede hergestellt, als wenn der Sprecher die Äußerung nach der Unterbrechung inmitten der Konstituente ohne Wiederholung fortsetzen würde. Andererseits führt das Streben nach Kontinuität der Rede dazu, dass Sprecher ihre Äußerung bevorzugt an einer Wortgrenze abbrechen. Diese Beobachtung, die auch auf meine Daten zutrifft, ist von zentraler Bedeutung für die Erklärung der Position des Abbruchpunkts in Selbstreparaturen (siehe Kap. 8.1). Das Bemühen um Kontinuität der Rede, so Clark und Wasow (1998: 207) bringt vermutlich drei Vorteile mit sich: Erstens behält der Sprecher besser den Überblick, an welcher Stelle innerhalb der Struktur er sich befindet, zweitens erleichtert er dem Rezipienten die Verarbeitung der Äußerung und drittens präsentiert er sich als umsichtig und redegewandt. Kapatsinski (2010) untersucht die Position des Abbruchpunkts bei Selbstreparaturen im Englischen, in denen ein Inhaltswort durch ein anderes ersetzt wird. Kapatsinski zeigt, dass niederfrequente Wörter bei diesen Reparaturen häufiger abgebrochen werden als hochfrequente Wörter. Dieses Ergebnis unterstützt die Annahme, dass der Produktionsprozess bei hochfrequenten Wörtern stärker automatisiert abläuft als bei niederfrequenten Wörtern und deswegen nur schwer unterbrochen werden kann (Kapatsinski 2010: 102). Kapatsinskis

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(2010) Ergebnis stimmt mit der vorliegenden Untersuchung überein. Inhaltswörter werden im Vergleich zu Funktionswörtern viel häufiger abgebrochen (siehe Kap. 6.1.2.4 und 8.1.1). Auch diese Beobachtung lässt sich auf den Frequenzunterschied zwischen Funktions- und Inhaltswörtern und die damit verbundenen unterschiedlichen Automatisierungsgrade zurückführen.

2.3 Interaktionale Linguistik Die ersten Forschungsarbeiten zur Reparatur fanden – wie oben erwähnt – nicht innerhalb der Linguistik statt, sondern wurden aus ethnomethodologischem Interesse heraus innerhalb der Konversationsanalyse durchgeführt. Diese Untersuchungen lieferten Evidenz dafür, dass es sich bei Reparaturen um präzise beschreibbare Phänomene handelt, die auch für die Linguistik von prinzipiellem theoretischen Interesse sind: An adequate theory of the organization of natural language will have to depict how a natural language handles its intrinsic troubles. Such a theory will, then, need an account of the organization of repair. (Schegloff et al. 1977: 381)

Im Gegensatz zur relativ breiten Forschungstätigkeit in der Konversationsanalyse und der Psycholinguistik wurde die Reparatur als Gegenstand syntaktischer Forschung jedoch lange Zeit vernachlässigt.13 Der Hauptgrund für dieses Versäumnis liegt zweifellos in der generativen Ausrichtung des Hauptzweigs der Grammatikforschung in den vergangenen Jahrzehnten. Gesprochene Sprache ist aus der mentalistischen Sicht der Generativen Linguistik von untergeordnetem Interesse, da die Untersuchung der Performanz (E-language) nur wenig aussagekräftige Rückschlüsse auf die Kompetenz des Sprechers (I-grammar), den eigentlichen Gegenstand sprachwissenschaftlicher Betrachtung, zulasse (vgl. z. B. Chomsky 1965: 4): A record of natural speech will show numerous false starts, deviations from rules, changes of plan in mid-course, and so on. The problem for the linguist, as well as for the child learning the language, is to determine from the data of performance the underlying system of rules that has been mastered by the speaker-hearer and that he puts to use in actual performance (Chomsky 1965: 4).

|| 13 Auch in der Computerlinguistik hat sich vergleichsweise früh ein Forschungsstrang etabliert, der sich mit Reparaturen beschäftigt (vgl. Weischedel/Sondheimer 1983; Schade/Laubenstein 1993; Nakatani/Hirschberg 1994).

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Selbstreparaturen stellen nach dieser Auffassung ein Paradebeispiel für das „Schrottformat“ (Uhmann 2006: 182) gesprochener Sprache dar und liefern Linguisten eine Begründung, sich zugunsten der Untersuchung einer idealisierten Sprecherkompetenz von der sprachlichen Performanz abzuwenden. Erst durch die Hinwendung der Linguistik zur korpusgestützten Empirie14 gelangten Phänomene der gesprochenen Sprache immer mehr in den Fokus linguistischer Forschung. Fox und Jasperson (1995) beschäftigen sich – aufbauend auf Schegloff (1979) – mit dem Wechselverhältnis von Reparatur und Syntax. Sie zeigen, dass selbstinitiierte Selbstreparaturen syntaktisch organisiert sind: „in effect there is a ‚grammar of repair’ in English, a way to be fluently dysfluent“ (Fox/Jasperson 1995: 79). Ihr Hauptergebnis besteht darin, dass das Verb tendenziell als Retraktionspunkt vermieden wird, wenn eine Selbstreparatur in einer auf das Verb folgenden Phrase eingeleitet wird. Als Erklärung führen sie an, dass die Verbindung zwischen dem Verb und einer darauffolgenden Nominal- oder Präpositionalphrase nicht besonders eng ist – eine Schlussfolgerung, die die kognitivinteraktionale Bedeutung der Kategorie ‚Verbalphrase‘ in Frage stellt (Fox/ Jasperson 1995: 113). Fox et al. (1996) weisen im Englischen und Japanischen Unterschiede in der Organisation von Selbstreparaturen nach. Sie zeigen, dass diese Unterschiede mit den „syntactic practices“ der jeweiligen Sprache zusammenhängen (Fox et al. 1996: 214). Ein Unterschied besteht darin, dass im Japanischen im Gegensatz zum Englischen morphologische Reparaturen möglich sind, wie beispielsweise die Substitution eines Suffixes, ohne dabei das gesamte Wort zu wiederholen. Dieser Unterschied deutet auf stärkere morphologische Verbindungen im Englischen hin. Im Englischen können Präpositionen und Artikel wiederholt werden, um Zeit für die Produktion des folgenden Nomens zu gewinnen, wohingegen dies im Japanischen aufgrund der nachgestellten Position dieser Elemente nicht möglich ist. Im Japanischen werden Reparaturen lediglich „constituentinternal“ durchgeführt, während im Englischen auch der „clause“ als Beginn der Reparaturdurchführung gewählt wird, was für eine schwache syntaktische Verbindung zwischen den Konstituenten des Japanischen spricht. Insgesamt besteht die zentrale Bedeutung dieser Studie in der Beobachtung, dass die Gestaltung von Selbstreparaturen durch den grammatischen Rahmen der jeweiligen Sprache beeinflusst wird.

|| 14 Eigentlich handelt es sich um eine erneute Hinwendung zur empirischen Forschung, deren Bedeutung ja bereits am Ende des 19. Jh. von der junggrammatischen Schule (vgl. Paul 1880) betont wurde. Siehe auch Auer (1999: 1f.) zur pragmatischen Wende in der Sprachwissenschaft.

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Fincke (1999) untersucht, welche syntaktischen Konstituenten Selbstreparaturen im Bikol organisieren, einer west-austronesischen Sprache, die auf den Philippinen gesprochen wird. Er kommt zum Ergebnis, dass lokale Konstituenten wie Prädikatorgruppen und Präpositionalphrasen Selbstreparaturen häufig organisieren, d. h., der Beginn dieser Einheiten dient oft als Retraktionspunkt. Bei Reparaturen in Präpositionalphrasen zeigt sich jedoch, dass Sprecher nicht immer mit der Präposition beginnen. Wenn eine syntaktisch komplexe Konstituente als Objekt der Präpositionalphrase auftritt, bevorzugen Sprecher eine nähere syntaktische Grenze (Fincke 1999: 261). Dieses Ergebnis steht in Kontrast zur engen Verbindung zwischen den Elementen der Präpositionalphrase im Deutschen: Hier werden phraseninterne Grenzen in der Regel zugunsten der Präposition als Retraktionspunkt ignoriert (siehe Kap. 6.3.2 und 8.2.2). Darüber hinaus stellt Fincke (1999: 265) fest, dass im Bikol nur selten zum Beginn von Nebensätzen retrahiert wird, was Bikol hinsichtlich der Reparaturorganisation in die Nähe des Japanischen rücken lässt. Wouk (2005) untersucht die Syntax von Selbstreparaturen im Indonesischen. Sie zeigt, dass die Mehrheit der Selbstreparaturen im Indonesischen innerhalb des Wortes oder innerhalb der lokalen Konstituente durchgeführt wird. In Bezug auf Reparaturen in der Präpositionalphrase stellt sie beispielsweise fest, dass Retraktionen zur eingebetteten Nominalphrase etwa gleich häufig auftreten wie Retraktionen zur Präposition. Das deutet darauf hin, dass die Einheit ‚Präpositionalphrase‘ im Indonesischen syntaktisch noch weniger eng organisiert ist als im Bikol (vgl. Wouk 2005: 251) – und viel lockerer als im Deutschen (siehe Kap. 8.2.2.3). Zhang (1998) führt eine Untersuchung des konversationellen Reparatursystems im Chinesischen durch. Sie stellt fest, dass zwischen Selbstreparaturen und Syntax ein enger Zusammenhang besteht. Während die Selbstreparaturinitiierung keinen syntaktischen Beschränkungen unterliegt, wird der Retraktionspunkt von syntaktischen Faktoren beeinflusst. Sie zeigt anhand von Reparaturen in Verbalkonstruktionen, dass Sprecher bevorzugt zur nächsten Konstituentengrenze retrahieren (Zhang 1998: 94) und kommt zum Ergebnis, dass Selbstreparaturen im Chinesischen tendenziell innerhalb der lokalen Phrase durchgeführt werden, die das Reparandum enthält (Zhang 1998: 95). Rieger (2003) rückt den Einsatz von Wiederholungen zur Durchführung von Selbstreparaturen in den Fokus. Sie untersucht bilinguale Sprecher des Deutschen und Englischen und stellt Unterschiede zwischen den beiden Sprachen fest: Im Englischen treten mehr Wiederholungen von Kombinationen aus ‚Pronomen + Verb‘ sowie von Personalpronomen und Präpositionen auf als im Deutschen. Umgekehrt werden Demonstrativpronomen im Deutschen häufiger

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wiederholt als im Englischen. Diese Ergebnisse führt sie auf die grammatischen Unterschiede zwischen den Sprachen zurück, wie beispielsweise die Tendenz zur Klitisierung von Pronomen und Verb im Englischen, die im Deutschen nicht auftritt. In einer sprachvergleichenden Studie untersuchen Fox et al. (2009a, 2010) den Zusammenhang zwischen den morphosyntaktischen Ressourcen des Englischen, Deutschen und Hebräischen und der Organisation von Selbstreparaturen. Es besteht ein Unterschied zwischen den Sprachen hinsichtlich der Häufigkeit, mit der Sprecher zum Subjektpronomen retrahieren. Während Sprecher des Englischen sehr häufig zum Subjektpronomen retrahieren, wird dieser Retraktionspunkt im Deutschen und Hebräischen seltener verwendet. Diese Beobachtung führen Fox et al. (2009: 284) unter anderem darauf zurück, dass im Englischen in fast jeder Äußerung ein „clause-initial subject pronoun“ auftritt, wohingegen das Deutsche und Hebräische in dieser Hinsicht größere Variabilität zeigen. Ein weiterer Unterschied betrifft Retraktionen zur Präposition: Im Deutschen und Hebräischen wird die Präposition viel häufiger als Retraktionspunkt verwendet als im Englischen. Dieses Ergebnis kann durch die Verbindung zwischen Präposition und Nominalphrase erklärt werden, die im Deutschen und Hebräischen enger ist als im Englischen. Birkner et al. (2012) untersuchen Retraktionen in Selbstreparaturen innerhalb der Präpositionalphrase im Deutschen und Schwedischen. Ein Hauptunterschied besteht darin, dass im Schwedischen Retraktionen zum Nomen häufiger sind als im Deutschen. Dieser Unterschied kann auf die unterschiedlichen morphosyntaktischen Eigenschaften der Nominalphrase in den beiden Sprachen zurückgeführt werden. Im Deutschen projizieren Artikel mehr grammatische Information und müssen deswegen häufiger ersetzt werden, sodass mehr Retraktionen zum Beginn der Präpositionalphrase nötig sind. Im Gegensatz dazu projizieren Artikel im Schwedischen weniger grammatische Information und werden weniger häufig ersetzt. Aus diesem Grund sind Sprecher des Schwedischen nicht so oft zu einer Retraktion zum Beginn der Phrase gezwungen und retrahieren häufiger zum Nomen. Die ersten Untersuchungen zur Syntax selbstinitiierter Selbstreparaturen im Deutschen wurden von Uhmann (1997a, 1997b, 2001, 2006) durchgeführt. Uhmann (2001) sieht die Retraktion in einer Reparatur als syntaktisch bestimmtes Phänomen an. Sie zeigt, dass die von Levelt (1983) für das Niederländische entwickelte Well-formedness rule für das Deutsche unterspezifiziert ist, und entwickelt die Kopfregel (Uhmann 2001, 2006). Diese Regel basiert auf der X-BarTheorie (vgl. Haegeman 1994) und macht für die Selektion des Retraktionspunkts in Selbstreparaturen ein einziges syntaktisches Merkmal verantwortlich,

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nämlich den funktionalen Kopf, der das Reparandum unmittelbar ckommandiert. Die ausführliche Diskussion dieser Regel in Kapitel 8.2.1 zeigt, dass sie aus theoretischer und empirischer Sicht kritisch zu bewerten ist. Auch Di Venanzio (2013) untersucht die Rolle des funktionalen Kopfes in Selbstreparaturen und wählt als theoretischen Rahmen das Minimalistische Programm (vgl. Chomsky 1993, Grewendorf 2002). Sie kommt zum Ergebnis, dass Sprecher des Deutschen keine Präferenz für einen Beginn der Selbstreparatur mit dem funktionalen Kopf zeigen (Di Venanzio 2013: 43). Aus diesem Grund beurteilt sie Uhmanns Kopfregel ebenfalls kritisch und plädiert dafür, die Rolle des funktionalen Kopfes in Selbstreparaturen neu zu überdenken (ibid.: 44). Während sich in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Arbeiten der Durchführung von Retraktionen in Selbstreparaturen gewidmet haben, sind andere Aspekte – wie der Zusammenhang zwischen Syntax und Prosodie, die Position des Abbruchpunkts und die Verwendung von Reparaturmarkern – nur selten untersucht worden. Im Hinblick auf den Zusammenhang von Syntax und Prosodie in Selbstreparaturen im Deutschen stellt Pfeiffer (2012) fest, dass bei der Substitution von Artikeln in Präpositionalphrasen ein Zusammenhang zwischen der Art der syntaktischer Veränderung und der Intonation besteht. Das Intonationsmuster, das der Reparatur unmittelbar vorausgeht, fällt tiefer, wenn das Genus des Artikels verändert wird, und ist eher gleichbleibend, wenn die Kategorien Numerus, Genus oder Definitheit verändert werden. Pfeiffer (2012) führt diesen Unterschied darauf zurück, dass mit einer Veränderung des Genus immer auch eine Veränderung des projizierten Nomens verbunden ist, wohingegen eine Veränderung der anderen Nominalkategorien nicht unbedingt eine Veränderung des projizierten Nomens impliziert. Er vermutet, dass die unterschiedlichen Intonationsmuster vom Rezipienten als projektive Ressource genutzt werden können, die eine bestimmte Art der Veränderung der emergenten Struktur erwartbar macht. Die meisten Studien zum Abbruchpunkt in Selbstreparaturen wurden in der Psycholinguistik durchgeführt (siehe Kap. 2.2). Die Arbeit von Fox et al. (2009b) ist die einzige Studie innerhalb der Interaktionalen Linguistik, die aus sprachvergleichender Perspektive die wortinternen Positionen untersucht, an denen Sprecher Selbstreparaturen initiieren. Ein Hauptergebnis besteht darin, dass die Wortlänge in sechs der sieben untersuchten Sprachen – Bikol, Sochiapam Chinantec, Englisch, Finnisch, Japanisch und Mandarin – einen Einfluss auf die Position des Abbruchpunkts ausübt: Einsilbige Wörter werden häufiger an der Wortgrenze und mehrsilbige Wörter häufiger innerhalb des Wortes abgebrochen. Diese Tendenz stimmt mit dem Deutschen überein (siehe Kap. 8.1.2).

Interaktionale Linguistik | 27

Laakso und Sorjonen (2010) führen die bislang einzige Studie durch, die systematische Verbindungen zwischen den Initiierungsressourcen einer Selbstreparatur und dem zu erwartenden Reparaturtyp in den Fokus rückt. Sie zeigen für das Finnische, dass Partikeln und „cut-offs“ mit unterschiedlichen Typen von Selbstreparaturen verwendet werden. Während „cut-offs“ mit jedem Reparaturtyp verwendet werden, dient die Partikel eiku (zusammengesetzt aus Partikel ei ‚nein‘ + Konjunktion ku(n) ‚als‘/‚da‘/‚wenn‘) zur Initiierung von Substitutionen. Die Partikel tai (‚oder‘), die in anderen Kontexten als Konjunktion verwendet wird, projiziert ebenfalls die Substitution eines Elements; das Reparandum kann jedoch immer noch eine Alternative darstellen. Die Partikel siis (‚also‘/‚demnach‘), die auch als Inferenzmarker verwendet wird, macht eine Spezifizierung oder Erklärung erwartbar. Die deutschen Entsprechungen dieser Reparaturmarker nein/nee, oder und also erfüllen im Deutschen vergleichbare Funktionen. Der „cut-off“ wird allerdings spezifischer eingesetzt – er leitet vor allem Korrekturen ein (siehe Kap. 7.3.3). Insgesamt zeigen die hier angeführten Studien zur strukturellen Organisation von Selbstreparaturen, dass insbesondere die Retraktion entscheidend durch die syntaktischen Ressourcen der jeweiligen Sprache beeinflusst wird. Die Stärke der Verbindung zwischen syntaktischen Konstituenten ist hierbei einer der wichtigsten Faktoren. Bislang ist jedoch noch nicht systematisch untersucht worden, welche anderen Faktoren neben dem Einfluss der sprachspezifischen Grammatik einen Einfluss auf die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen ausüben. An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit an und entwickelt ein Erklärungsmodell, das die strukturelle Gestaltung von Selbstreparaturen als Ergebnis des Zusammenspiels syntaktischer, aber auch anderer interaktionaler und kognitiver Faktoren betrachtet (siehe Kap. 8).

3 Daten und Methode Im folgenden Kapitel wird die Datengrundlage der vorliegenden Arbeit vorgestellt (Kap. 3.1). Zudem wird die Vorgehensweise bei der Kodierung der Daten erläutert und die Analysemethode beschrieben (Kap. 3.2).

3.1 Korpus Das Korpus, das für die Untersuchung herangezogen wird, umfasst 2.574 Selbstreparaturen von insgesamt 44 Sprechern aus ca. 23 Stunden spontansprachlicher Interaktion. Es werden drei verschiedene Typen von Audiodaten verwendet, um die Untersuchung auf eine möglichst breite empirische Basis zu stellen: informelle offene Interviews, psychotherapeutische Gespräche und Alltagsgespräche. An den Interaktionen sind ausschließlich deutsche Muttersprachler beteiligt, die sich hinsichtlich ihres Alters, ihrer regionalen Herkunft und ihres Bildungsgrads stark unterscheiden. Auf die verschiedenen Datentypen möchte ich im Folgenden etwas detaillierter eingehen. Die meisten Selbstreparaturen (n = 1.755; 68,2 %) stammen aus informellen offenen Interviews, die im Rahmen des DFG-Projekts „Untersuchungen zur Struktur und Funktion regionalspezifischer Intonationsverläufe im Deutschen (Dialektintonation)“ erhoben wurden. Dieses Forschungsprojekt wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Peter Auer und Prof. Dr. Margret Selting von 1998 bis 2005 an den Universitäten Freiburg und Potsdam durchgeführt.15 Aus diesem Projekt wurden acht Interviews mit einer Gesamtdauer von 11,1 Stunden ausgewählt, an denen insgesamt 23 verschiedene Sprecherinnen und Sprecher beteiligt sind. Es handelt sich um Gespräche mit älteren Sprechern (Durchschnittsalter: 58 Jahre) der Regionalvarietäten verschiedener deutscher Großstädte. An jedem Gespräch nehmen ein Interviewer und mindestens ein Informant teil, die in den meisten Fällen bereits im Vorfeld miteinander bekannt sind. Da sich manchmal auch die Ehepartner der Informanten oder andere Personen an der Konversation beteiligen, variiert die Anzahl der Interagierenden zwischen zwei und vier Personen. Die Teilnehmer der einzelnen Gespräche haben einen gemeinsamen dialektalen Hintergrund, sodass die Interaktion überwiegend regionalsprachlich geprägt ist. Die Interviews finden zumeist in der Wohnung der Informanten in einem

|| 15 Ich danke den Projektleitern sowie den Projektmitarbeitern Prof. Dr. Peter Gilles und Prof. Dr. Jörg Peters ganz herzlich für die Bereitstellung der Daten.

Korpus | 29

informellen Rahmen statt. Der Gesprächsgegenstand ist nicht festgelegt, sodass eine lockere und spontane Interaktion zustande kommt. In den Transkripten werden Sprecherkürzel verwendet, die der Herkunftsstadt der jeweiligen Informanten entsprechen. Die Zahlen im Anschluss an das Stadtkürzel markieren die verschiedenen Gespräche, die pro Stadt durchgeführt wurden. Sprecher mit identischem Stadtkürzel und identischer Zahl nehmen am selben Interview teil. Ein vorangestelltes ‚i‘ bezeichnet die interviewende Person und die nachgestellten Buchstaben (a, b, c) unterscheiden zwischen den interviewten bzw. weiteren anwesenden Personen. In Köln und München wurden jeweils beide Interviews von derselben Person (i-k bzw. i-mu) durchgeführt. Tab. 1: Interviewdaten Stadt

Aufnahme

Anzahl Sprecher/innen

Sprecherkürzel

Dauer (min)

Dresden

dd01

3

Interviewerin: i-dd01 Informant: dd01a Ehefrau: dd01b

112

Freiburg

fr01

4

Interviewerin: i-fr01 Informantinnen: fr01a, fr01b, fr01c

42

fr03

3

Interviewerin: i-fr03 Informantin: fr03a Ehemann: fr03b

88

Hamburg

hh04

2

Interviewer: i-hh04 Informant: hh04

115

Köln

k07

2

Interviewerin: i-k Informantin: k07

74

k10

4

Interviewerin: i-k Informant: k10a Ehefrau: k10b Tochter: k10c

73

mu02

4

Interviewerin: i-mu Informant: mu02a Ehefrau: mu02b weitere Sprecherin: mu02c

92

mu05

3

Interviewerin: i-mu Informant: mu05a Ehefrau: mu05b

73

München

30 | Daten und Methode

Neben diesen informellen offenen Interviews wurden auch Selbstreparaturen aus psychotherapeutischen Gesprächen – also einem formellen Interaktionstyp – ins Korpus aufgenommen (n = 447; 17,4 % aller Reparaturen). Die Daten stammen aus dem Projekt „Die psychotherapeutische Behandlung von somatoformen Störungen im Rahmen des psychosomatischen Konsil- und Liaisondienstes: Eine manualgestützte, kontrollierte und randomisierte Ergebnisstudie“, das unter der Leitung von Prof. Dr. Kurt Fritzsche an der Abteilung für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums Freiburg in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Klinik und der Neurologischen Klinik durchgeführt wurde.16 Es handelt sich um Gespräche mit Patientinnen und Patienten zwischen 18 und 69 Jahren, die unter somatoformen Störungen leiden, also unter Beschwerden, für die bislang keine organische Ursache festgestellt werden konnte. Die Gespräche dienen dazu, sowohl möglichen psychosomatischen Ursachen der Schmerzen nachzugehen als auch Möglichkeiten für die weitere Behandlung und den weiteren Umgang mit den Beschwerden zu erörtern (siehe Stresing 2009: 33–44 für eine detaillierte Beschreibung dieser Daten). Es wurden sechs Gespräche mit einer Gesamtdauer von 4,9 Stunden mit insgesamt zehn verschiedenen Sprecherinnen und Sprechern herangezogen. Bei fünf Interaktionen sind ausschließlich Patient und Therapeut anwesend; an einem Gespräch nimmt zusätzlich die Mutter eines Patienten teil. Eine Therapeutin (T14) führt Gespräche mit vier verschiedenen Patienten. Tab. 2: Psychotherapeutische Daten Aufnahme

Anzahl Sprecher/innen

Sprecherkürzel

Dauer (min)

0007

2

Therapeut: T Patientin: P

49

0014

3

Therapeutin: T14 Patient: P14 Mutter: M14

49

0022

2

Therapeutin: T14 Patientin: P22

51

0023

2

Therapeutin: T14 Patientin: P23

56

|| 16 Ich bedanke mich ganz herzlich beim Projektleiter Prof. Dr. Kurt Fritzsche für die Erlaubnis, die Daten zu verwenden und bei Dr. Anne-Maria Stresing für die Bereitstellung der Transkriptionen.

Korpus | 31

Aufnahme

Anzahl Sprecher/innen

Sprecherkürzel

Dauer (min)

0057

2

Therapeutin: T57 Patient: P57

49

0107

2

Therapeutin: T14 Patientin: P107

39

Neben den informellen offenen Interviews und den formellen psychotherapeutischen Gesprächen wurden auch Alltagsgespräche als Datenbasis gewählt. Insgesamt 372 Selbstreparaturen (14,5 % aller Reparaturen) stammen aus einer Reality-Show, die im Jahr 2000 im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Die Interaktionen aus dieser TV-Show wurden am Lehrstuhl für Germanistische Linguistik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Prof. Dr. Peter Auer) aufgezeichnet und transkribiert. Das Konzept der Sendung besteht darin, dass zehn Personen zwischen 23 und 37 Jahren 100 Tage lang abgeschottet in einem Wohncontainer leben, der mit Kameras und Mikrofonen ausgestattet ist. Es ist entscheidend, dass das Verhalten der Bewohner nicht durch ein Drehbuch festgelegt, sondern „natürlich“ ist. Die Bewohner gehen im Wohncontainer verschiedenen Alltagsaktivitäten nach (z. B. kochen, essen, diskutieren, putzen, basteln, spielen, Sport treiben, etc.). In regelmäßigen Abständen nominiert jeder Bewohner zwei Mitbewohner, die aus dem Container ausziehen sollen. Das Fernsehpublikum stimmt anschließend darüber ab, welcher der beiden Bewohner mit den meisten Nominierungen den Container verlassen muss. Die Person, die als letzte im Wohncontainer übrig bleibt, gewinnt ein im Voraus festgelegtes Preisgeld. Es wurden als Datengrundlage elf Ausschnitte zwischen 34 und 49 Minuten (Gesamtdauer: 6,8 h) ausgewählt, an denen insgesamt elf verschiedene Sprecher beteiligt sind.17 Jeder Ausschnitt der Reality-Show umfasst nicht eine einzelne kontinuierlich aufgezeichnete Konversation, sondern mehrere kürzere Interaktionen mit unterschiedlichen Teilnehmerkonstellationen, die von den Produzenten der Fernsehshow zusammengestellt werden.18 Es wurden lediglich „natürliche“ Interaktionen zwischen den Bewohnern einbezogen. Monologe oder Nominierungen, bei denen sich die Bewohner alleine in einem Raum befinden und in die Kamera zum Fernsehpublikum sprechen, wurden nicht berücksich-

|| 17 Im Laufe der Sendung wurden manche Bewohner, die den Container freiwillig verließen, durch andere Bewohner ersetzt, sodass die Gesamtzahl verschiedener Gesprächsteilnehmer über zehn Personen liegt. 18 Aus diesem Grund ist eine tabellarische Darstellung der einzelnen Ausschnitte nicht sinnvoll.

32 | Daten und Methode

tigt. Die Anzahl der Gesprächsteilnehmer variiert stark und liegt zwischen zwei und zehn Personen. Transkriptausschnitte, die aus diesen informellen Alltagsgesprächen stammen, können anhand der folgenden Sprecherkürzel identifiziert werden: – Etr (Esther) – Hko (Heiko) – Hrm (Hermann) – Ibl (Isabell) – Mna (Manuela) – Mro (Mario) – Svn (Sven) – Tba (Tabea) – Tja (Tanja) – Tms (Thomas) – Vld (Vladimir) Beim Erstellen des Korpus wurden immer alle Selbstreparaturen aus einem zeitlich zusammenhängenden Datenausschnitt ausgewählt, damit die durchschnittliche Häufigkeit von Selbstreparaturen ermittelt werden kann. Außerdem wurde dadurch gewährleistet, dass die Gesamthäufigkeiten der verschiedenen Arten von Selbstreparaturen nicht verzerrt werden. Über das gesamte Korpus hinweg führen die Sprecher durchschnittlich alle 94 Wörter eine Selbstreparatur durch (2.574 Selbstreparaturen, insgesamt 244.256 Wörter) – allerdings unterscheiden sich die drei Teilkorpora hinsichtlich der Selbstreparaturfrequenz. In den informellen Interviews treten am meisten Selbstreparaturen auf. Hier wird durchschnittlich alle 76 Wörter eine Reparatur durchgeführt (1.755 Reparaturen, insgesamt 134.113 Wörter). Etwas weniger häufig reparieren die Sprecher in psychotherapeutischen Gesprächen ihren Redebeitrag: Alle 103 Wörter tritt eine Selbstreparatur auf (447 Reparaturen, insgesamt 46.246 Wörter). In den alltagssprachlichen Daten werden am seltensten Selbstreparaturen durchgeführt. Die Sprecher reparieren ihre Äußerung lediglich alle 172 Wörter (372 Reparaturen, insgesamt 63.697 Wörter). Wie können diese Unterschiede hinsichtlich der Reparaturfrequenz erklärt werden? Da für jeden Datentyp eine ausreichende Anzahl verschiedener Sprecher im Korpus vertreten ist, sind die vorgefundenen Unterschiede zwischen den Datentypen vermutlich nicht auf individuelle Unterschiede zurückzuführen. Vielmehr scheinen der Gesprächskontext und die Gesprächsaktivität einen Einfluss darauf auszuüben, wie häufig Sprecher Selbstreparaturen durchführen. Sowohl in Interviews als auch in psychotherapeutischen Gesprächen neh-

Analysemethode | 33

men persönliche Erzählungen und Schilderungen viel Raum ein, wohingegen in der Alltagsinteraktion solche Aktivitäten, die eine Versprachlichung von komplexen, auf die eigene Person bezogenen Inhalten erfordern, tendenziell seltener sind. Die stärker vorstrukturierte Interaktionssituation im Interview bzw. im therapeutischen Gespräch, in der die verbalen Aspekte der Interaktion stärker im Vordergrund stehen, erfordert offenbar besonders häufig eine Bearbeitung des Redebeitrags.

3.2 Analysemethode Alle Audiodaten waren zum Zeitpunkt der Erstellung des Selbstreparaturkorpus bereits mit den zugehörigen Transkripten in die Datenbank moca (multimodal oral corpus administration), die an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg entwickelt und verwaltet wird, eingespeist worden. Der Vorteil von moca besteht darin, dass jede Zeile des Transkripts mit dem entsprechenden Tonausschnitt aligniert ist, sodass jeder beliebige Transkriptausschnitt auch unmittelbar auditiv zugänglich ist. In moca wurden zunächst alle im Datenmaterial vorliegenden Selbstreparaturen identifiziert und mit einem „Label“ markiert. Die „Labels“ ermöglichen einen schnellen Zugang zum Audioausschnitt, der die Reparatur enthält, sodass diese Gesprächsabschnitte beliebig oft auditiv analysiert und im Hinblick auf die strukturelle Gestaltung der Selbstreparaturen nach den Konventionen des Gesprächsanalytischen Trankriptionssystems 2 (GAT 2) (Selting et al. 2009) präzise „nachtranskribiert“ werden konnten.19 Mithilfe der in moca angelegten „Labels“ konnten nach Abschluss der Identifizierung der Selbstreparaturen alle entsprechenden Transkriptausschnitte zur Kodierung und zur späteren quantitativen Analyse in eine Excel-Tabelle exportiert werden. In der vorliegenden Arbeit werden qualitative Analysemethoden der Interaktionalen Linguistik und der Konversationsanalyse mit quantitativen Analyseverfahren kombiniert. Diese Vorgehensweise wurde gewählt, weil die Verbindung beider Analysemethoden für die Entwicklung eines Erklärungsmodells für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen (siehe Kap. 8) erforderlich ist. Die qualitative Analyse dient der präzisen Beschreibung der strukturellen Merkmale der Selbstreparaturen und der Rekonstruktion des jeweils bearbeiteten Problems. Die Ergebnisse der qualitativen Analyse, die als Kodierungen in

|| 19 Die Konventionen von GAT 2 wurden geringfügig erweitert: Der Asterisk (*) markiert in Anlehnung an Fox und Jasperson (1995: 78f.) den Abbruchpunkt und der Apostroph (') markiert einen artikulatorischen (glottalen, alveolaren oder bilabialen) Verschluss.

34 | Daten und Methode

der Excel-Tabelle festgehalten werden, liefern die Grundlage für die quantitative Auswertung des Reparaturkorpus. Statistische Analysen ermöglichen das Erkennen robuster und regelhafter Zusammenhänge zwischen den strukturellen Merkmalen von Selbstreparaturen sowie zwischen deren Struktur und dem bearbeiteten Problem. Das Erklärungsmodell basiert auf der Rekonstruktion dieser Zusammenhänge und erlaubt Vorhersagen über die strukturelle Gestaltung bestimmter Arten von Selbstreparaturen. Diese Vorhersagen machen den Erklärungswert des Modells quantifizierbar, sodass es überprüfbar und mit anderen Modellen – insbesondere Levelt (1983) zum Abbruchpunkt und Uhmann (2001, 2006) zum Retraktionspunkt – vergleichbar ist. Beginnen wir mit der Vorgehensweise bei der qualitativen Analyse. Das Verhältnis zwischen der ursprünglichen Äußerung und der Reparaturdurchführung wird zur Rekonstruktion des Reparaturtyps und der sprachlichen Ebene des Reparandums in phonologischer, syntaktischer, semantischer und pragmatischer Hinsicht analysiert (siehe Kap. 4; vgl. zu ähnlichem methodischen Vorgehen auch Levelt 1983; Wilkinson/Weatherall 2011; Drew et al. 2013). Zur Untersuchung der pragmatischen Selbstreparaturen (siehe Kap. 4.2.2.3), der Reparaturen des Sprecherwechsels (siehe Kap. 4.5) und der niederfrequenten Reparaturmarker (siehe Kap. 7.3.1) werden auch Analysen des Turn-Taking (vgl. Sacks et al. 1974) und Sequenzanalysen (vgl. Schegloff 2007) herangezogen. Die qualitative Analyse der syntaktischen Struktur umfasst die Frage, ob die Selbstreparatur die syntaktische Projektion der Äußerung (vgl. Auer 2000a, 2007) verändert oder nicht. Diese Analyse ist zur Bestimmung des Reparaturtyps (siehe Kap. 4.1.2) und der Reparaturoperation (siehe Kap. 5) erforderlich. Ein weiterer wichtiger Teil der syntaktischen Analyse besteht in der Bestimmung der topologischen Position, die vom Sprecher als Zielpunkt der Retraktion ausgewählt wird (siehe Kap. 6.3.2). In der Excel-Tabelle wurden die einzelnen Transkriptausschnitte am Zeilenbeginn angeordnet, sodass jede Zeile einer Selbstreparatur entspricht. In jede Spalte der Tabelle wurden die Ergebnisse der qualitativen Analyse zu Reparandum und Struktur der jeweiligen Selbstreparatur eingetragen. Folgende Merkmale (siehe Kap. 4) wurden hinsichtlich des Reparandums kodiert: – Reparandumstyp – Reparaturtyp – sprachliche Ebene des Reparandums

Analysemethode | 35

Die Kodierung der Reparaturstruktur (siehe Kap. 5 und 6) umfasst die folgenden Merkmale: – Selbstreparaturoperation – Komplexität des Reparandums oder der wiederholten Konstituente (ein Wort vs. mehrere Wörter) – Wortart des Reparandums bzw. eines wiederholten oder inserierten Wortes – Veränderung der syntaktischen Projektion durch die Reparatur – syntaktische Funktion des Reparandums – syntaktischer Kontext der Reparatur (z. B. Phrasentyp, Haupt- oder Nebensatz) – syntaktische Position der Reparatur – Verzögerung der Reparaturinitiierung in Silben – Position des Abbruchpunkts (im Wort vs. an der Wortgrenze) – syntaktische Position des Retraktionspunkts – Retraktionsspanne in Silben – Durchführung multipler Retraktionen – Durchführung zweier Reparaturoperationen nach einer Retraktion – Länge des Reparandums, des wiederholten Wortes oder des inserierten Wortes in Silben – rekonstruierte Wortlänge abgebrochener Reparanda in Silben – rekonstruierte Wortlänge abgebrochener wiederholter Wörter in Silben – Wahl der Reparaturmarker Die Reparaturmarker (siehe Kap. 6.2), die auch prosodische Aspekte umfassen, wurden zusätzlich zu den eigenen Analysen von einer studentischen Hilfskraft analysiert.20 Zweifelsfälle wurden diskutiert, abschließende Entscheidungen traf der Autor dieser Arbeit. Bei abweichender Einschätzung der Frage, ob eine Reparatur durch Glottalverschluss initiiert wird oder nicht, wurden akustische Analysen mit dem Computerprogramm „Praat“ (Boersma/Weenink 2010) durchgeführt. Zur statistischen Analyse des Selbstreparaturkorpus wurden die Daten aus der Excel-Tabelle in die Statistik-Software IBM SPSS Statistics (Version 21) importiert. Es wurden Chi-Quadrat-Tests, t-Tests für unabhängige Stichproben und einfaktorielle Varianzanalysen durchgeführt. Mit diesen statistischen Analyseverfahren konnte getestet werden, ob signifikante Unterschiede zwischen ein-

|| 20 Ich danke Kathrin Heidemann ganz herzlich für ihre Unterstützung. Außerdem bin ich der Hermann Paul School of Linguistics zu Dank verpflichtet, die diese Unterstützung finanziell ermöglichte.

36 | Daten und Methode

zelnen Gruppen vorliegen bzw. ob Zusammenhänge zwischen den strukturellen Merkmalen untereinander (siehe Kap. 6) sowie zwischen den strukturellen Merkmalen und den zu bearbeitenden Problemtypen (siehe Kap. 7) bestehen.

4 Typen von Reparanda Jede Selbstreparatur ist eine Reaktion auf ein Problem, das in der Interaktion zwischen den Gesprächsteilnehmern bereits besteht oder entstehen könnte. Die Probleme, auf die ein Sprecher reagiert, können die unterschiedlichsten Bereiche betreffen, wie beispielsweise die Gewinnung der Aufmerksamkeit des Gesprächspartners (vgl. Goodwin 1980), den Sprecherwechsel (vgl. Schegloff 1987a), die Adäquatheit der sozialen Handlung, die durch den Redebeitrag ausgeführt wird (vgl. Drew et al. 2013) oder die Phonologie, Morphologie, Syntax und Semantik der Äußerung. Die Funktion einer Selbstreparatur besteht darin, solche Probleme zu bearbeiten und zu beheben. Veränderungen des emergenten Redebeitrags durch eine Selbstreparatur offenbaren, dass der Sprecher sich von der ursprünglichen Gestaltung des Redebeitrags distanziert und die neue, durch die Reparatur gelieferte, Version des Redebeitrags zur Durchführung der jeweiligen Handlung als geeigneter ansieht (vgl. auch Drew et al. 2013: 74). Solche Selbstreparaturen erfüllen also die grundlegende Funktion, den Redebeitrag besser an die Erfordernisse der jeweiligen Interaktionssituation anzupassen. Selbstreparaturen orientieren sich folglich, genau wie andere konversationelle Handlungen, am Rezipienten und sind auf diesen zugeschnitten. Das Reparandum ist häufig aus dem phonologischen, syntaktischen, semantischen und pragmatischen Verhältnis von ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung – gewissermaßen aus der Rezipientenperspektive – erschließbar. Dies gilt nicht, wenn es sich bei der Selbstreparatur um eine Wiederholung handelt, bei der die Form der Äußerung nicht verändert wird. Dieses Kapitel widmet sich der Darstellung der verschiedenen Typen von Reparanda und der mit ihnen verbundenen Selbstreparaturtypen. Es kann dabei nicht der Anspruch erhoben werden, alle Typen von Reparanda erschöpfend abzubilden, weil diese je nach Interaktionskontext variieren können, sodass die Anzahl verschiedener Reparanda praktisch unbegrenzt ist. Ziel der Beschreibung in diesem Kapitel ist vielmehr, die Grundlage dafür zu schaffen, Zusammenhänge zwischen der Selbstreparaturstruktur und den verschiedenen Typen von Reparanda zu überprüfen (Kap. 7). Solche Zusammenhänge sind von größter Bedeutung für die Entwicklung eines Erklärungsmodells für die Selbstreparaturstruktur, weil die Identifikation regelmäßiger Verknüpfungen von Problemtyp und formaler Reparaturgestaltung bestimmte strukturelle Behandlungen der verschiedenen Typen von Reparanda erwartbar und vorhersagbar macht.

38 | Typen von Reparanda

4.1 Reparandum und Reparaturtypen Im folgenden Kapitel soll zunächst näher darauf eingegangen werden, was unter einem Reparandum zu verstehen ist (Kap. 4.1.1). Anschließend wenden wir uns der Beschreibung der verschiedenen Reparaturtypen zu, die unmittelbar mit der Art des Reparandums zusammenhängen (Kap. 4.1.2).

4.1.1 Definition von Reparandum Der Gegenstand, der Sprecher zur Durchführung einer Selbstreparatur veranlasst, wird in der deutschsprachigen Literatur zu Selbstreparaturen im Allgemeinen als Problemquelle oder Reparandum bezeichnet (vgl. Uhmann 2006: 184; Egbert 2009: 65ff.). Diese Begriffe und die entsprechenden englischen Bezeichnungen wie „trouble source“ (Lerner et al. 2012: 196), „reparandum“ (Levelt 1983: 44) und „repairable“ (Fox/Jasperson 1995: 81) gehen, ebenso wie das Verständnis dieser Begriffe, auf den Aufsatz von Schegloff et al. (1977) zurück: We will refer to that which the repair addresses as the ‘repairable’ or the ‘trouble source’. In view of the point about repair being initiated with no apparent error, it appears that nothing is, in principle, excludable from the class ‘repairable’. (1977: 363)

Wie diese Begriffsbestimmung zeigt, ist die Kategorie ‚Reparandum‘ aus der Sicht von Schegloff et al. (1977) nicht definierbar, weil Reparaturen auch ohne das Vorhandensein eines offensichtlichen Fehlers initiiert werden können. Wenn zum Zeitpunkt der Initiierung nicht sichtbar (bzw. hörbar) ist, aus welchem Grund die Reparatur durchgeführt wird, kann nach Schegloff et al. (1977) alles eine mögliche Problemquelle sein. Das Reparandum wird nach dieser Definition in seiner Erscheinungsform also nicht eingeschränkt, sodass beispielsweise auch offen bleibt, ob das zu bearbeitende Problem einem Teil der bereits produzierten sprachlichen Struktur entspricht oder nicht. Die Unbestimmtheit der Kategorie Reparandum kommt auch durch die Verwendung von „that“ zu Beginn des Zitats zum Ausdruck – ein Pronomen, das eine Leerstelle für jeden beliebigen Gegenstand eröffnet. Wie dieses Zitat verdeutlicht, herrscht in der Konversationsanalyse also das Verständnis vor, dass aus der Kategorie ‚Reparandum‘ prinzipiell nichts ausgeschlossen werden kann. In der Interaktionalen Linguistik und der Psycholinguistik wird das Reparandum stärker mit der Sprachstruktur in Verbindung gebracht. Dies wird in den folgenden exemplarischen Definitionen deutlich: Fox und Jasperson

Reparandum und Reparaturtypen | 39

(1995: 81) bezeichnen das Reparandum als „the unit which is the actual source of ‚trouble‘ which the speaker wishes to alter“ (Hervorhebung MP) und Levelt (1983: 44) umschreibt das Reparandum als „the trouble spot“ bzw. „the item to be replaced“ (Hervorhebung MP). Die linguistischen Definitionen von Reparandum haben zwar mit dem konversationsanalytischen Verständnis gemeinsam, dass das Reparandum aus Sicht des Rezipienten bei der Reparaturinitiierung unspezifiziert ist und erst im Nachhinein – durch die Reparatur selbst – rekonstruiert werden kann. Diese Definitionen betonen jedoch, dass das Reparandum ein Teil der sprachlichen Struktur ist, während die konversationsanalytische Definition auch die Möglichkeit zulässt, dass es sich beim Reparandum um ein interaktionales oder kognitives Problem handelt, das keinem Teil der produzierten Sprachstruktur entspricht. Das angeführte Zitat von Schegloff et al. (1977: 363) tritt zwar im Kontext der konzeptuellen Abgrenzung von ‚Korrektur‘ und ‚Reparatur‘ auf und zielt in erster Linie auf ein breites Verständnis von ‚Reparandum‘ ab, das neben offensichtlichen Fehlern auch andere Problemquellen umfasst. Gleichzeitig eröffnet die Definition aber auch die Möglichkeit, dass beispielsweise Wiederholungen eines Teils des Redebeitrags zur Herstellung von Blickkontakt (vgl. Goodwin 1980) oder Wiederholungen zur Reparatur des Sprecherwechsels (vgl. Schegloff 1987a; siehe auch Kap. 4.5), in denen es sich bei keinem Element der Sprachstruktur um das Reparandum handelt, als Reparaturen gelten können. In beiden Fällen liegt ein interaktionales Reparandum vor (fehlender Blickkontakt oder überlappende Rede), das nicht als Teil der ursprünglichen Äußerung identifizierbar ist. Zudem werden von der konversationsanalytischen Definition auch solche Wiederholungen von Elementen der Äußerung eingeschlossen, in denen das Reparandum auf der kognitiven Ebene des Sprechers angesiedelt zu sein scheint, auf der sprachlichen Ebene jedoch nicht in Erscheinung tritt. Diese Fälle treten in Konversationen sehr häufig auf: (4) 01 k10a: und äh: (.) das war f wohl früher auch mal ne eigene:* ne eigene STADT;= 02 =WEISS ich aber nicht.

In Z. 01 initiiert der Sprecher nach der Produktion eines Determinierers und eines Adjektivs eine Selbstreparatur durch Lautdehnung ne eigene:, retrahiert zum Beginn der Phrase, wiederholt den Determinierer und das Adjektiv ne eigene und fährt daraufhin mit dem projizierten Nomen STADT fort. In diesem Beispiel wird zwar eine Selbstreparaturoperation (Wiederholung) durchgeführt, das Reparandum ist jedoch auf der interaktionalen Ebene nicht vorhanden. Die ursprüngliche Äußerung erfährt keinerlei Veränderung, die eine exakte Rekon-

40 | Typen von Reparanda

struktion des vom Sprecher bearbeiteten Problems erlauben würde, sodass das Reparandum für den Rezipienten unklar bleibt. Es ist auf einer dem Rezipienten nicht direkt zugänglichen kognitiven Ebene angesiedelt und kann nicht mit dem wiederholten Wort selbst oder einem anderen Teil der sprachlichen Struktur der Äußerung gleichgesetzt werden. Obwohl der Rezipient über die genaue Ursache für die Reparatur in Wiederholungen wie Beispiel (4) im Unklaren bleibt, kann dennoch davon ausgegangen werden, dass in solchen Beispielen auf der kognitiven Ebene ein Reparandum vorliegt.21 Dafür sprechen vor allem drei Argumente. Das erste Argument ist ein theoretisches: Läge in diesen Fällen überhaupt kein Reparandum vor – mit anderen Worten, würde es sich nicht um eine Reparatur handeln –, liefen solche Wiederholungen der Präferenz für Progressivität (vgl. Schegloff 1979; Stivers/Robinson 2006) grundlos zuwider. Zweitens sind Wiederholungen häufig vor Inhaltswörtern platziert, was auf deren Verwendung zur Verzögerung der Äußerungsfortsetzung schließen lässt (siehe die Distribution der Wiederholungen in Kap. 6.4.2; vgl. außerdem Fox et al. 1996; Clark/Wasow 1998; Rieger 2003). Drittens treten im Kontext von Wiederholungen und anderen Verzögerungen Ko-Konstruktionen auf, in denen der Rezipient dem Sprecher mit einem Wort aushilft und der Sprecher dieses Aushelfen akzeptiert (vgl. Brenning 2013). In diesen Fällen zeigt sich, dass der Rezipient zu Recht ein Reparandum auf der kognitiven Ebene des Sprechers vermutet hat. Da die konversationsanalytische Definition, nicht aber die beiden linguistischen Definitionen, die Möglichkeit eröffnet, Wiederholungen wie (4) sowie die oben erwähnten Reparaturen des Sprecherwechsels und Reparaturen von fehlendem Blickkontakt22 als Reparaturen anzusehen, schließt sich die vorliegende

|| 21 In diesem Zusammenhang ist unter ‚Reparandum‘ nicht unbedingt ein Problem in einem kognitiv bereits vorliegenden Teil der sprachlichen Struktur zu verstehen, was Levelts (1983: 44) Konzept von „covert repair“ entsprechen würde. Man kann lediglich darüber spekulieren, ob Wiederholungen tatsächlich einen verborgenen Teil der Struktur bearbeiten und nicht einfach nur zur Verzögerung der Fortsetzung der Äußerung eingesetzt werden, ohne dass die Folgestruktur bereits geplant ist. Der Begriff „covert repair“ wäre eigentlich für die Beschreibung von Projektionsreparaturen (siehe Kap. 4.1.2.3) besser geeignet, weil hier tatsächlich erkennbar ist, dass ein Teil der sprachlichen Struktur auf der kognitiven Ebene repariert wird. Aufgrund dieser Problematik wird auf die Bezeichnung „covert repair“ in der vorliegenden Arbeit gänzlich verzichtet. 22 Von der Möglichkeit, dass es sich bei Wiederholungen um Reparaturen zur Herstellung von Blickkontakt im Sinne von Goodwin (1980) handeln kann – also um Reparaturen auf der interaktionalen Ebene –, wird in dieser Arbeit abgesehen, weil ausschließlich Audiodaten verwendet werden.

Reparandum und Reparaturtypen | 41

Arbeit dem konversationsanalytischen Verständnis von Reparandum (Schegloff et al. 1977: 363) an. Nach diesem Verständnis lassen sich neben der Wiederholung auch weitere Verzögerungsphänomene, wie beispielweise die Verwendung bloßer Lautdehnungen und Zögerungspartikeln, als Reparaturen klassifizieren (vgl. Schegloff et al. 1977: 363; Liddicoat 2007: 171). In der vorliegenden Arbeit werden aufgrund des syntaktischen Untersuchungsinteresses jedoch nur Wiederholungen mit einbezogen, weil diese im Gegensatz zu den anderen Verzögerungen eine Retraktion aufweisen (siehe auch Kap. 1.1). Anders als bei Wiederholungen verhält es sich beispielsweise bei Substitutionen. Hier ist das ersetzte Wort das zu bearbeitende problematische Element, das vom Rezipienten durch die Ersetzung selbst als Reparandum rekonstruiert werden kann. Bei solchen Reparaturen sind auch die oben erwähnten Definitionen von Fox und Jasperson (1995: 81) und Levelt (1983: 44) vollkommen zutreffend. (5) 01 Ibl: da hab ich so äh (---) den UNfall* ja:02 den (.) den Autounfall nachts um ZEHN dann gehabt,

In diesem Beispiel handelt es sich bei UNfall in Z. 01 um das Reparandum, das die Sprecherin bearbeitet. Nach der Reparaturinitiierung durch Lautdehnung und nach der Wiederholung des Artikels den retrahiert Isabell erneut zum Beginn der Nominalphrase und repariert schließlich auf der sprachlichen Ebene das Reparandum UNfall durch das Reparans Autounfall, indem sie die Operation ‚Substitution mit Anker‘ einsetzt (siehe Kap. 5 zur Darstellung der verschiedenen Selbstreparaturoperationen). Die Substitution des lexikalischen Materials erfüllt den Zweck, das Ereignis semantisch näher zu bestimmen, das durch das Reparandum ursprünglich unspezifischer ausgedrückt worden war. In diesem Beispiel ist das Reparandum also Teil der sprachlichen Struktur, während das Reparandum in Beispiel (4) ausschließlich auf der kognitiven Ebene angesiedelt ist. Um bei der Untersuchung von Selbstreparaturen die verschiedenen Typen von Reparanda – inklusive der Reparanda in Wiederholungen – möglichst umfassend einzubeziehen, bietet es sich an, zwei Ebenen zu unterscheiden, auf denen das Reparandum in Erscheinung treten kann: die interaktionale Ebene und die kognitive Ebene. Das Reparandum wird in der vorliegenden Arbeit definiert als ein von einer Selbstreparatur bearbeitetes interaktionales oder kognitives Problem, das sich als Teil der Sprachstruktur manifestieren kann, aber nicht muss. Die interaktionale und kognitive Ebene hängen zwar in der Interaktion zwischen den Gesprächspartnern untrennbar miteinander zusammen, können

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aber getrennt voneinander beschrieben werden, wie die folgende Tabelle in Anlehnung an die Beispiele (4) und (5) verdeutlichen soll. Tab. 3: Die interaktionale und kognitive Ebene des Reparandums Beispiel

Bsp. (5), Substitution

Reparandum

Reparaturtyp

interaktionale Ebene

kognitive Ebene

Nomen

evtl. potentielles Verständnisproblem

semantische Elaborierung

unklar, evtl. Wortfindungsstörung

unklar, evtl. Zeitgewinn für Wortsuche

Bsp. (4), Wiederho- nicht vorhanden lung

Im Zentrum der Tabelle steht das Reparandum, das eine interaktionale und eine kognitive Ebene umfasst. Es ist wichtig, festzuhalten, dass es sich bei der interaktionalen und der kognitiven Ebene des Reparandums nicht um voneinander getrennte Phänomene handelt, sondern um zwei Facetten desselben Phänomens. Auf der interaktionalen Ebene, die dem Rezipienten der Selbstreparatur direkt zugänglich ist, kann sich das Reparandum als Teil der sprachlichen Struktur manifestieren. Die interaktionale Ebene des Reparandums ist eng verbunden mit der Reparaturoperation, die zur Bearbeitung des Reparandums eingesetzt wird. Auf der interaktionalen Ebene kann das Reparandum mit linguistischen Kategorien beschrieben werden (Nomen, Beispiel (5)). Die kognitive Ebene des Reparandums, die den Grund für die Durchführung der Reparatur aus der Perspektive des Sprechers beschreibt, ist für den Rezipienten nur mittelbar zugänglich. Dem Reparandum auf der interaktionalen Ebene entspricht in Reparaturen wie (5) auf der kognitiven Ebene das Problem, das aus Sprechersicht für den Rezipienten mit der geäußerten sprachlichen Form verbunden ist und potentiell eine Störquelle für die Interaktion darstellt. In Beispiel (5) könnte es sich auf der kognitiven Ebene um ein potentielles Verständnisproblem handeln: Das Nomen UNfall scheint in Bezug auf das Ereignis, das durch das Nomen ausgedrückt wird, nicht genau genug zu sein. Wenn wie in Beispiel (4) auf der interaktionalen Ebene kein Reparandum vorhanden ist, ist auch die kognitive Ebene des Reparandums unklar. Es kommen dann verschiedene Möglichkeiten in Frage, beispielsweise ein Problem, das mit der Formulierung der Äußerung zusammenhängt und zu deren Bearbeitung der Sprecher Zeit gewinnen will. Ein solches kognitives Reparandum könnte in Beispiel (4) vorliegen.

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Da die kognitive Ebene des Reparandums nicht direkt zugänglich ist, können Rezipienten lediglich versuchen, sie zu rekonstruieren. Der Rekonstruktionsprozess ist jedoch immer mit Unsicherheiten verbunden, sodass aus Rezipientensicht keine Gewissheit darüber bestehen kann, welches Problem aus Sprechersicht die Ursache für die Reparaturdurchführung war. Der Rekonstruktionsprozess könnte in Beispiel (5) folgendermaßen ablaufen: Anhand der Reparaturoperation (Substitution) lässt sich zunächst das Reparandum auf der interaktionalen Ebene ableiten (Nomen). Aus dem Verhältnis von Reparans (substituierendes Nomen, Autounfall) und Reparandum auf der interaktionalen Ebene (substituiertes Nomen, UNfall) lässt sich der Reparaturtyp (semantische Elaborierung) rekonstruieren. Aus dem Reparaturtyp kann der Rezipient wiederum die kognitive Ebene des Reparandums (potentielles Verständnisproblem) erschließen. In (4) liegt auf der interaktionalen Ebene kein Reparandum vor, sodass der Rezipient die kognitive Ebene des Reparandums (und den Reparaturtyp bzw. die interaktionale Funktion der Wiederholung) nicht auf die oben dargestellte Weise rekonstruieren kann. Dennoch belegen beispielsweise die erwähnten KoKonstruktionen, dass auch ohne Vorliegen eines Reparandums auf der interaktionalen (sprachlichen) Ebene die Rekonstruktion des Reparandums auf der kognitiven Ebene – basierend auf der Reparaturoperation ‚Wiederholung‘ und Hinweisen aus dem Gesprächskontext – möglich sein kann. Es erscheint zwar plausibel, dass sich die Rezipienten einer Selbstreparatur an den hier beschriebenen Reparaturmerkmalen orientieren. Dennoch ist der oben dargestellte Ablauf des Rekonstruktionsprozesses hypothetisch, weil er als kognitiver Prozess keiner unmittelbaren Beobachtung zugänglich ist. Zum einen ist der Rekonstruktionsprozess des Rezipienten, ob in der hier beschriebenen oder einer anderen Form, immer mit Unsicherheiten verbunden. Zum anderen lässt sich, vorausgesetzt, dass der hier dargestellte Rekonstruktionsprozess zutreffend ist, nicht mit Sicherheit sagen, ob ihn die Rezipienten bei der Prozessierung jeder Selbstreparatur vollständig – oder auch nur so weit wie möglich – durchlaufen müssen, um eine erfolgreiche Interaktion zu sichern. Der unproblematische Interaktionsverlauf, der im Anschluss an praktisch alle Selbstreparaturen des Korpus zu beobachten ist, lässt jedoch darauf schließen, dass die Rekonstruktionsleistung der Rezipienten bezüglich des Reparandums für die Belange der laufenden Konversation ausreichend ist. Wenn in den folgenden Unterkapiteln die Rede von ‚Reparandum‘ ist, bezieht sich dieser Begriff, soweit nicht anders erwähnt, auf die interaktionale Ebene des Reparandums. Die kognitive Ebene des Reparandums wird in den Analysen hingegen keine große Rolle spielen, weil deren Rekonstruktion aus

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Rezipientensicht immer mehr oder weniger unsicher ist. Die kognitive Ebene des Reparandums wurde hier vor allem deswegen erwähnt, weil deren Existenz die Voraussetzung für die in dieser Arbeit vorgenommene Einordnung von Wiederholungen als Selbstreparaturen ist.

4.1.2 Selbstreparaturtypen Im Folgenden werden drei unterschiedliche Reparaturtypen präsentiert, die im Korpus auftreten. Wie in Kapitel 1.2 dargestellt wurde, muss bei der Analyse gesprochener Sprache deren Zeitlichkeit in besonderer Weise berücksichtigt werden. Eine solche „Online“-Perspektive (Auer 2000a), die der zeitlichen Emergenz gesprochensprachlicher Strukturen Rechnung trägt, wird auch bei der folgenden Analyse der Reparaturtypen eingenommen: Die Reparaturtypen können im Hinblick auf die zeitliche Relation zwischen Reparandum und Reparaturinitiierung voneinander unterschieden werden. Eine solche Vorgehensweise impliziert, dass das jeweilige sprachliche Phänomen in seiner Entstehung in Echtzeit aus der Perspektive der Teilnehmer betrachtet wird. Ein wichtiger Aspekt der Zeitlichkeit von selbstinitiierten Selbstreparaturen betrifft die Frage, ob zum Zeitpunkt der Reparaturinitiierung noch kein Reparandum produziert wurde und die Reparatur somit in die Zukunft weist oder ob die Reparatur ein bereits produziertes Element des Redebeitrags bearbeitet: Also in die Vergangenheit gerichtet ist. Erstere Fälle werden als „vorangestellte“, letztere als „nachgestellte“ Initiierungen bezeichnet (Schegloff 1979: 273). Diese beiden Positionierungsmöglichkeiten der Reparaturinitiierung führen zur Unterscheidung zwischen der prospektiven Selbstreparatur, in der kein erkennbares Reparandum vorliegt (siehe Bsp. (4)), und der retrospektiven Selbstreparatur, die ein bereits produziertes Element bearbeitet (siehe Bsp. (5)). Da diese Unterscheidung einen großen Teil der Selbstreparaturen im Deutschen nicht fassen kann, wird in der vorliegenden Arbeit neben diesen beiden Selbstreparaturtypen noch ein dritter Typ beschrieben, die Projektionsreparatur. Dieser Reparaturtyp bearbeitet die projizierte syntaktische Struktur und ist vorwärts- und rückwärtsgerichtet zugleich. Die drei Selbstreparaturtypen werden im Folgenden näher beschrieben.

4.1.2.1 Prospektive Reparatur Vorangestellte Initiierungen führen nach Schegloff zu prospektiven Selbstreparaturen, also zu Selbstreparaturen, die ‚vorwärts‘ gerichtet sind. Solche Repara-

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turen verzögern das Fortschreiten der syntaktischen Struktur und dienen somit dem Zeitgewinn. Bei prospektiven Reparaturen liegt auf der interaktionalen Ebene kein Reparandum vor. In der Konversationsanalyse werden unter diesem Typ der Selbstreparatur eine ganze Reihe verschiedener Phänomene zusammengefasst, wie beispielsweise der Einsatz von Zögerungspartikeln wie äh und ähm, Pausen, Lautdehnungen oder metakommunikativen Problemsignalisierungen bei der Suche nach einem fehlenden Element des Redebeitrags (vgl. Liddicoat 2007: 178; Papantoniou 2012). Eine weitere Form der prospektiven Selbstreparatur ist die Wiederholung eines Teils der Äußerung. Solche Wiederholungen werden häufig als „Recycling“ bezeichnet (z. B. Fox/Jasperson 1995; Fox et al. 1996; Rieger 2003; Uhmann 2001; Fox et al. 2009a, 2010; siehe Kap. 1.3 zur Problematisierung dieses Begriffs). Das folgende Beispiel zeigt eine solche Wiederholung: (6) 01 P23: ich mEin SO dass dann halt wenn der BAUCH (.) n bisschen flacher isch-= 02 =dann eh bin ich auch SELBSTbewusster oder so,= 03 =des MERK ich dann; 04 T14: [ja05 P23: [h° aber ich kAnn sagen DOCH ich kann mich gut beWEgen? 06 hh° und ich mEIn die* die WASseransammlungen oder so07 des mErk ich dann halt SCHON,

In Beispiel (6) erfolgt eine prospektive Selbstreparatur, indem die Sprecherin in Z. 06 nach der Produktion des Determinierers die eine Retraktion durchführt und den Determinierer wiederholt. Diese Wiederholung verzögert auf einer lokalen syntaktischen Ebene die Vervollständigung der begonnenen Nominalphrase, d. h. die Produktion des Nomens, das durch den Determinierer projiziert wird. Auf einer globalen syntaktischen Ebene verzögern solche Wiederholungen immer auch das Fortschreiten der Gesamtstruktur, da die Produktion obligatorischer syntaktischer Elemente (wie etwa des Verbs) aufgeschoben wird. In der vorliegenden Arbeit wird nur diese Form der prospektiven Selbstreparatur behandelt, wohingegen die anderen oben beschriebenen Formen der prospektiven Selbstreparatur, also die bloße Verwendung von Reparaturpartikeln, Pausen, Lautdehnungen und metakommunikativen Problemsignalisierungen, von der Untersuchung ausgeschlossen werden (siehe Kap. 1.1). Das Vorliegen einer Retraktion ist also in dieser Arbeit das entscheidende Kriterium für die Auswahl prospektiver Selbstreparaturen, wobei auch solche

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Reparaturen ins Untersuchungskorpus aufgenommen wurden, in denen zusätzlich zur Retraktion noch andere Zögerungsressourcen eingesetzt werden: (7) 01 Hrm: hEUtzutage kannste sowiesO alles schreiben wie du WILLST. 02 Etr: JA:. 03 [du hast ja] 04 Hrm: [ 05 Etr: du hast ja en* en_en äh: comPUter? 06 (-) und ne RECHTschreibübung da drIn; ne?

In diesem Beispiel führt Esther in Z. 05 eine prospektive Selbstreparatur durch. Im Gegensatz zu Beispiel (6) setzt sie aber nicht nur eine Retraktion ein, sondern retrahiert zweimal zum Beginn der Nominalphrase und wiederholt jeweils den Determinierer en. Zusätzlich verwendet sie die gedehnte Reparaturpartikel äh:, die die Produktion des projizierten Nomens comPUter zusätzlich verzögert. Es liegt also eine Reparatur vor, in der durch die Kombination mehrerer Ressourcen – Retraktionen, Reparaturpartikel und Lautdehnung – die Fortsetzung der syntaktischen Struktur aufgeschoben wird. Zusammenfassend kann man festhalten, dass Beispiele wie (6) und (7) für die vorliegende Studie interessant sind, weil sie auf die syntaktische Grundoperation der Retraktion zurückgreifen. Das Reparandum bleibt in Wiederholungen jedoch unklar, weil es in diesen Fällen auf einer dem Rezipienten nicht direkt zugänglichen kognitiven Ebene angesiedelt zu sein scheint (siehe Kap. 4.1.1). Obwohl sich aus der syntaktischen Positionierung der Wiederholungen Hypothesen über die Art des zu bearbeitenden Problems ableiten lassen (siehe Kap. 6.4.2), kann der Rezipient aus dem Verhältnis von ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung keinen klaren Reparaturtyp bzw. keine klare Reparaturfunktion erschließen.

4.1.2.2 Retrospektive Reparatur Im Gegensatz zu den Wiederholungen findet die Reparaturinitiierung in retrospektiven Selbstreparaturen nach der Produktion eines Reparandums statt. Solche Reparaturen sind also ‚rückwärtsgerichtet‘ und bearbeiten ein Problem in einem bereits produzierten Teil der Äußerung. Im folgenden Ausschnitt entwirft Heiko das fiktive Szenario der Konfrontation mit einer ungewollten Schwangerschaft:

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(8) 01 Hko: auf einmal kommt die drei wochen sch* äh: drei monate später und sagt zu DIR, 02 °h ey ich bin schwAnger im dritten MOnat; (.)

In Z. 01 unterbricht der Sprecher seine Äußerung in einem Wort, vermutlich innerhalb des Adverbs später. Er retrahiert zurück zum Beginn der Nominalphrase drei wochen, wiederholt das Adjektiv drei und ersetzt anschließend das Nomen wochen durch monate. Bei dieser Substitution handelt es sich um eine retrospektive Selbstreparatur, weil das Reparandum wochen zum Zeitpunkt der Reparaturinitiierung bereits produziert wurde und nachträglich verändert wird. Auch im folgenden Beispiel, das von Rechtschreibhilfen in Textverarbeitungsprogrammen handelt, liegt eine retrospektive Selbstreparatur vor: (9) 01 Hrm: nä es gibt doch auch comPUter,= 02 =da kannst_e schreiben wie du WILLST? 03 der ma'* [äh schreibt das auf jEden fall RISCH]tisch. 04 Ibl: [ja: (-) das MEINT sie ja. ]

Wie in (8) unterbricht der Sprecher auch in diesem Beispiel seine Äußerung innerhalb eines Wortes (ma'; Z. 03), um daraufhin eine Reparatur durchzuführen. Im Gegensatz zu (8), wo ein auf das Reparandum folgendes Wort unterbrochen wird, handelt es sich in (9) beim abgebrochenen Wort selbst um das Reparandum. Nach der Reparaturinitiierung, die durch einen Glottalverschluss und die Reparaturpartikel äh markiert wird, retrahiert der Sprecher zum Reparandum, möglicherweise dem Beginn des finiten Verbs macht, um es durch schreibt zu ersetzen. In den Beispielen (8) und (9) liegen retrospektive Selbstreparaturen vor, da ein bereits produzierter Teil der Äußerung verändert wird. Es ist für die Kategorisierung als retrospektive Selbstreparatur unerheblich, ob die Reparaturinitiierung innerhalb des Reparandums, direkt im Anschluss an das Reparandum oder erst innerhalb eines Wortes in der Verzögerung oder nach einem Wort in der Verzögerung liegt. Aus der Perspektive des Rezipienten ist die Problemquelle in all diesen Fällen zum Zeitpunkt der Reparaturinitiierung offen produziert und damit wahrnehmbar geworden. Auch wenn, wie in Beispiel (9), die ursprünglich intendierte Form eines abgebrochenen Wortes vom Rezipienten nicht mit Sicherheit rekonstruiert werden kann, so kann dennoch der produzierte Teil des Wortes (gerade auch durch dessen Abbruch; siehe Kap. 6.2.2 zur Verwendung von Wortabbrüchen bei der Reparaturinitiierung) rückblickend als reparaturbedürftiger Teil der Äußerung identifiziert werden.

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Retrospektive Reparaturen bearbeiten also ein zurückliegendes Element innerhalb des emergenten Turns. Es kann sich dabei um unterschiedliche Typen von Reparanda handeln, die in Kapitel 4.2 dargestellt werden.

4.1.2.3 Projektionsreparatur Beim dritten Selbstreparaturtyp besteht ein komplizierteres Verhältnis zwischen dem Zeitpunkt der Reparaturinitiierung und dem Reparandum. Bei Projektionsreparaturen wird eine Konstituente bearbeitet, die durch ihr Projektionspotential den weiteren Verlauf des Redebeitrags stark vorstrukturiert. Es wird zwar retrospektiv ein Element der bereits vorliegenden Äußerung bearbeitet, jedoch zielt die Reparatur eigentlich auf die Projektion ab, die mit diesem Element verbunden ist. Der folgende Ausschnitt, in dem die Gesprächsteilnehmer darüber sprechen, welche Folgen beim Fremdgehen innerhalb des eigenen Freundeskreises zu erwarten sind, zeigt eine Projektionsreparatur: (10) 01 Ibl: auch der'* oder_das UMfeld; 02 das HÄLT ja nichts mehr [von dir. ] 03 Etr: [ja vor allen_dingen] ey ich mein [was du die] mEnschen verLETZT oder, 04 Svn: [ja aber' ] 05 Tba:

.

In Z. 01 initiiert die Sprecherin durch einen Glottalverschluss im Anschluss an die Produktion des Determinierers der und durch die Produktion des Reparaturmarkers oder eine Selbstreparatur. Sie retrahiert anschließend zum Beginn der Nominalphrase und ersetzt den ursprünglichen definiten Artikel der durch das. Diese Substitution des Determinierers bringt die Veränderung einer Nominalkategorie mit sich: Das Genus des Determinierers wird von Maskulinum zu Neutrum verändert, sodass die Kongruenz von Determinierer (das) und Nomen (UMfeld) gewährleistet ist. Solche Selbstreparaturen werden von der Unterscheidung zwischen prospektiven und retrospektiven Selbstreparaturen (vgl. z. B. Papantoniou 2010, 2012) nicht auf befriedigende Weise erfasst. Auf den ersten Blick scheint es offensichtlich zu sein, dass die Substitution des Determinierers in Beispiel (10) als retrospektive Selbstreparatur angesehen werden sollte, weil eine nachgestellte Initiierung vorliegt und ein Element der emergenten syntaktischen Struktur retrospektiv ersetzt wird. Bei näherer Untersuchung stellt man jedoch fest, dass Substitutionen des Determinierers, die immer auch die Veränderung einer No-

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minalkategorie mit sich bringen, vorweggenommene Reparaturen des Nomens sind: Der Determinierer projiziert syntaktische Informationen über das folgende Nomen (Kasus, Numerus, Genus, Definitheit), sodass diese Reparatur nicht nur auf den Determinierer, sondern auf die gesamte Nominalphrase abzielt. Da die Substitution des Determinierers die Konsequenz der Veränderung einer Nominalkategorie ist, betreffen solche Selbstreparaturen den Determinierer und das Nomen gleichermaßen. Diese Fälle sollten daher als retrospektiv und prospektiv zugleich angesehen werden, weil sie zugleich ‚rückwärts‘ (Determinierer) und ‚vorwärts‘ (Nomen) gerichtet sind. Um sowohl dem retrospektiven als auch dem prospektiven Charakter dieser Selbstreparaturen gerecht zu werden, der auf die Substitution eines stark projizierenden Elements zurückzuführen ist, möchte ich zur Bezeichnung dieses Reparaturtyps den Begriff Projektionsreparatur einführen. Das Element, das bei diesen Reparaturen an der Oberfläche der Äußerung repariert wird (hier: der Determinierer), ist folglich nicht das eigentliche Reparandum, sondern vielmehr das Vehikel, das dem Sprecher Zugang zur Veränderung der projizierten Struktur verschafft. Das eigentliche Reparandum ist das Element, das vom an der Oberfläche manipulierten Element projiziert wird (hier: das Nomen). Dies ist ein zentraler Punkt für die Charakterisierung dieser Selbstreparaturen. Es wird nicht nur, wie in retrospektiven Selbstreparaturen, ein zurückliegendes Element bearbeitet, sondern es wird eine vorweggenommene Reparatur an einem Element durchgeführt, das noch nicht Teil des Redebeitrags ist, aber durch ein vorliegendes Element des Redebeitrags bereits projiziert ist. Man kann bei Projektionsreparaturen demnach zwischen einem sekundären Reparandum (hier: der Determinierer) und einem primären Reparandum (hier: das projizierte Nomen) unterscheiden. Das sekundäre Reparandum wird zwar von der Reparaturoperation bearbeitet und ist damit Teil des Reparandums, jedoch zielt die Reparatur primär auf das projizierte Nomen auf der kognitiven Ebene ab – den eigentlichen Auslöser der Reparatur. Wie lassen sich Projektionsreparaturen hinsichtlich der in Kapitel 4.1.1 getroffenen Unterscheidung zwischen der interaktionalen und der kognitiven Ebene des Reparandums einordnen? Betrachten wir zunächst die interaktionale Ebene des Reparandums, die für den Rezipienten direkt zugänglich ist. Projektionsreparaturen wie Beispiel (10) liegen im Hinblick auf die interaktionale Ebene des Reparandums zwischen den retrospektiven und den prospektiven Reparaturen. Im Gegensatz zu den retrospektiven Reparaturen ist bei Projektionsreparaturen nicht das eigentliche Reparandum (vgl. z. B. die retrospektive Reparatur des Nomens UNfall durch Autounfall in Beispiel (5)), sondern lediglich das sekundäre Reparandum interaktional zugänglich. Im Unterschied zu

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den prospektiven Reparaturen, bei denen das Reparandum auf der interaktionalen Ebene überhaupt nicht in Erscheinung tritt (vgl. z. B. die Wiederholung von ne eigene in Beispiel (4)), liegt bei Projektionsreparaturen immerhin das sekundäre Reparandum auf der interaktionalen Ebene vor. Für den Rezipienten ist bei Projektionsreparaturen also weniger Information über das zu bearbeitende Problem als bei retrospektiven Reparaturen, aber mehr als bei prospektiven Reparaturen interaktional zugänglich. Auch die kognitive Ebene des Reparandums unterscheidet sich bei Projektionsreparaturen von den beiden anderen Reparaturtypen. Da bei retrospektiven Reparaturen das eigentliche Reparandum auf der interaktionalen Ebene direkt zugänglich ist, kann der Rezipient aus der Reparaturdurchführung rekonstruieren, welches „tiefer liegende“ Problem auf der kognitiven Ebene des Sprechers der Grund für die Durchführung der Reparatur gewesen sein könnte (z. B. ein potentielles Verständnisproblem wie in Beispiel (5)). Bei prospektiven Reparaturen hingegen, in denen sich die Äußerung nicht verändert, bietet die sprachliche Form keine klaren Anhaltspunkte für die Rekonstruktion der kognitiven Ebene des Reparandums. Bei Projektionsreparaturen erlaubt das sekundäre Reparandum auf der interaktionalen Ebene (in Beispiel (10): der Determinierer) eine recht präzise Rekonstruktion der eigentlichen Problemquelle (in Beispiel (10): das projizierte Nomen), die auf der kognitiven Ebene angesiedelt ist. Diese Rekonstruktion ist möglich, weil vom sekundären Reparandum eine starke Projektion ausgeht. Während bei Projektionsreparaturen die Rekonstruktion der kognitiven Ebene des Reparandums darin besteht, das primäre Reparandum (z. B. ein projiziertes Nomen) zu ermitteln, kann die Rekonstruktion der kognitiven Ebene des Reparandums in retrospektiven Reparaturen direkt beim primären Reparandum ansetzen (z. B. bei einem Nomen), weil dieses in retrospektiven Reparaturen bereits artikuliert wurde und damit interaktional zugänglich ist. Aufgrund dieser Unterschiede bezüglich der interaktionalen Ebene der Reparanda bleibt die Rekonstruktion der kognitiven Ebene des Reparandums bei Projektionsreparaturen etwas „oberflächlicher“, wohingegen die Rekonstruktion der kognitiven Ebene des Reparandums bei retrospektiven Reparaturen häufig „tiefer“ gehen kann. In Projektionsreparaturen projiziert das sekundäre Reparandum zwar die syntaktische Form des primären Reparandums, nicht aber dessen genaue lexikalische Form bzw. dessen semantische Eigenschaften. Daher ist es für den Rezipienten schwierig, bei der Rekonstruktion der kognitiven Ebene des Reparandums in Projektionsreparaturen über die Rekonstruktion des primären Reparandums hinaus den eigentlichen Grund für die Durchführung der Reparatur (in Beispiel (10): den Grund für die Ersetzung des projizierten Nomens) aus Sprechersicht zu erschließen. Bei retrospektiven Reparaturen

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hingegen liegt das eigentliche Reparandum nicht nur als Projektion, sondern als artikulierter Bestandteil der Äußerung vor, sodass anhand der Semantik des Reparandums eine tiefer greifende Rekonstruktion des Reparandums auf der kognitiven Ebene (in Beispiel (5): ein potentielles Verständnisproblem, das aus Sprechersicht mit dem Nomen verbunden sein könnte) möglich ist. Projektionsreparaturen sind also ein hybrider Reparaturtyp, der sowohl Eigenschaften von prospektiven als auch von retrospektiven Reparaturen aufweist. Kapitel 4.3 beschreibt die unterschiedlichen Projektionsreparaturen, die im Korpus vorliegen.

4.1.3 Zusammenfassung: Reparandum und Reparaturtypen Abschließend soll ein zusammenfassender Überblick über die verschiedenen Reparanda gegeben werden, die von den Selbstreparaturtypen im Deutschen bearbeitet werden:

Reparanda in Selbstreparaturen

Unklares

Erkennbares

Reparandum

Reparandum

Projektives

Retrospektives

Reparandum

Reparandum

Abb. 2: Reparanda in Selbstreparaturen im Deutschen

Im vorangehenden Abschnitt wurden drei verschiedene Selbstreparaturtypen vorgestellt. An der sprachlichen Oberfläche ist allen Selbstreparaturtypen gemeinsam, dass eine Retraktion durchgeführt wird. Die Retraktion wird jedoch zur Bearbeitung unterschiedlicher Reparanda eingesetzt. Wenn lediglich eine Wiederholung durchgeführt wird, bei der die Äußerung keine Veränderung erfährt, ist das Reparandum aus Sicht des Rezipienten unklar. In allen anderen

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Selbstreparaturen wird ein Teil des Redebeitrags verändert, sodass an der sprachlichen Oberfläche ein erkennbares Reparandum vorliegt.23 In diesem Fall lassen sich zwei Typen von Reparanda voneinander unterscheiden. Wenn sich die Reparatur auf den Teil der Äußerung bezieht, der bei der Selbstreparatur verändert wird, liegt ein retrospektives Reparandum vor. Gilt die Reparatur jedoch nicht dem bearbeiteten Element selbst, sondern der Projektion, die von diesem Element ausgeht, liegt ein projektives Reparandum, d. h. eine Projektionsreparatur, vor. Egbert (2009: 65–69) trifft eine ähnliche Unterscheidung zwischen „erkennbaren“, „unklaren“ und „nicht erkennbaren“ Problemquellen. Die Kategorie „Problemquelle erkennbar“ (Egbert 2009: 66f.) entspricht in etwa den hier vorgestellten retrospektiven Reparanda, während die Kategorie „Problemquelle nicht erkennbar“ (Egbert 2009: 68f.) im hier vorgestellten Modell etwa den unklaren Reparanda entspricht. Die Fälle, in denen Egbert die Problemquelle als „unklar“ bezeichnet (2009: 67f.), weisen Ähnlichkeiten mit der Kategorie der projektiven Reparanda auf: Diese Kategorie umfasst Probleme auf der Ebene der Grammatik oder der Struktur. In der Bezeichnung dieser Reparanda als „unklar“ kommt jedoch zum Ausdruck, dass sich Egberts Perspektive von der hier eingenommenen unterscheidet: Im vorliegenden Modell wird davon ausgegangen, dass die Problemquelle bei Projektionsreparaturen aus Rezipientensicht nicht unklar bleiben muss, weil die Veränderung des Redebeitrags (das sekundäre Reparandum) Rückschlüsse auf die eigentliche Problemquelle (das primäre Reparandum) zulässt. Auch wenn bei Projektionsreparaturen das primäre Reparandum vom Hörer nicht mit derselben Sicherheit bestimmt werden kann wie das Reparandum bei retrospektiven Reparaturen, so ist dennoch klar erkennbar, dass die Reparatur der Veränderung der projizierten Fortsetzung des Redebeitrags dient. Die Darstellung der Reparaturtypen in diesem Unterkapitel hat gezeigt, dass ein grundlegender Unterschied zwischen den Reparanda in prospektiven Reparaturen, retrospektiven Reparaturen und Projektionsreparaturen besteht. Je nachdem, ob überhaupt kein Reparandum, das eigentliche (primäre) Reparandum oder das sekundäre Reparandum auf der interaktionalen Ebene vorliegt, stehen dem Rezipienten mehr oder weniger genaue Hinweise auf das Problem auf der kognitiven Ebene zur Verfügung, das aus Sprechersicht zur Durchführung der Reparatur geführt hat.

|| 23 Eine Ausnahme stellen Reparaturen des Sprecherwechsels dar (Kap. 4.5). Hier liegt zwar in Form der überlappenden Rede ein erkennbares Reparandum vor, aber die ursprüngliche Äußerung erfährt keine Veränderung.

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In den folgenden Abschnitten werden die Reparaturtypen im Hinblick auf die unterschiedlichen Problemtypen, die sie bearbeiten, etwas ausführlicher beschrieben. Zunächst wird untersucht, welche Typen von Reparanda von retrospektiven Reparaturen (Kap. 4.2) und Projektionsreparaturen (Kap. 4.3) bearbeitet werden. Anschließend wenden wir uns den prospektiven Reparaturen mit unklarem Reparandum zu (Kap. 4.4). Abschließend betrachten wir den Reparandumstyp der überlappenden Rede, der von Reparaturen des Sprecherwechsels bearbeitet wird (Kap. 4.5).

4.2 Retrospektive Reparaturen Bei den retrospektiven Reparaturen, die auf einen bereits artikulierten Teil der Äußerung abzielen (n = 658; 25,7 % aller Selbstreparaturen), können die beiden Grundtypen Korrektur und Elaborierung unterschieden werden. Korrekturen bearbeiten „echte“ Fehler, während Elaborierungen lediglich präzisere oder angemessenere Alternativen liefern und keine Fehler im engeren Sinne korrigieren. Eine ähnliche Unterscheidung zwischen Fehlerkorrekturen („error repair“) und nicht-korrigierenden Reparaturen („appropriateness-repair“) wird auch von Levelt (1983: 51–54) vorgenommen.24 Seine Kategorie „error repair“ schließt lexikalische, syntaktische und phonetische Korrekturen ein, wohingegen „appropriateness-repair“ zur Ambiguitätsreduktion, zur Präzisierung eines Ausdrucks oder zur Herstellung stärkerer Kohärenz eingesetzt wird. Obwohl die Beschreibung der Reparaturtypen in diesem Kapitel der Beschreibung von Levelt (1983: 51–55) in einigen Punkten ähnelt, so unterscheiden sich doch die beiden Klassifikationen grundlegend hinsichtlich des Erkenntnisinteresses. Der Ausgangspunkt von Levelts (1983) Beschreibung ist die Frage nach der Funktionsweise des Monitorings, das aus einer psycholinguistischen Perspektive die Grundlage für die Durchführung von Selbstreparaturen bildet. In der vorliegenden Arbeit hingegen wird das Selbstreparatursystem in erster Linie als ein Mechanismus angesehen, mit dem soziale Handlungen an die Gegebenheiten der Interaktion angepasst werden. Während Levelt beispielsweise die Unterscheidung zwischen „Fehler-Monitoring“ und „Angemessenheits-Monitoring“ in den Fokus rückt, steht in diesem Kapitel die Differenzierung der Reparanda im Zentrum, die aus Rezipientensicht von Selbstreparaturen bearbeitet werden.

|| 24 Vgl. auch die phonetische Analyse von Plug (2011), der die Selbstreparaturen ebenfalls in diese beiden Kategorien einteilt.

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Die Reparaturtypen Korrektur und Elaborierung lassen sich weiter danach differenzieren, auf welcher sprachlichen Ebene das zu bearbeitende Reparandum aus Rezipientenperspektive angesiedelt ist. Auf diese Weise können phonologische, syntaktische, semantische und pragmatische Reparaturen unterschieden werden. Diese Einteilung ergibt sich – genau wie die Unterscheidung von Korrektur und Elaborierung – aus dem Verhältnis von ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass eine Selbstreparatur normalerweise nicht eindeutig auf die Bearbeitung einer einzigen sprachlichen Ebene beschränkt ist. Beispielsweise kann durch eine syntaktische Veränderung der Äußerung auch die Semantik beeinflusst werden, wodurch sich wiederum die soziale Handlung (pragmatische Ebene) verändern kann. 25 Aus einer solchen Perspektive erfüllen alle Selbstreparaturen auch eine pragmatische Aufgabe, weil jede Selbstreparatur entweder die Art und Weise bearbeitet, wie eine soziale Handlung sprachlich umgesetzt wird oder aber die soziale Handlung selbst verändert, die durch den Redebeitrag durchgeführt wird. Bei der Analyse der Reparanda auf der phonologischen, syntaktischen und semantischen Ebene wird deswegen auch auf die pragmatische Ebene der Reparatur eingegangen. Bevor die Reparaturtypen im Einzelnen präsentiert werden, möchte ich noch auf die Analysemethode im folgenden Kapitel eingehen, die das Verhältnis von ursprünglicher Äußerung (Reparandum) und Reparaturdurchführung (Reparans) ins Zentrum stellt (vgl. auch Levelt 1983; Wilkinson/Weatherall 2011; Drew et al. 2013). Neben diesem Verhältnis stehen dem Rezipienten einer Selbstreparatur selbstverständlich noch eine Reihe weiterer Anhaltspunkte zur Interpretation der Reparatur aus dem Gesprächskontext zur Verfügung, wie etwa der vorangehende Konversationsverlauf, der Aktivitätstyp (Erzählen, Scherzen, Rechtfertigen, etc.) und die Sequenz, in die die Selbstreparatur eingebettet ist. Auf diese Bereiche wird zwar in verschiedenen Analysen eingegangen, jedoch steht bei der Rekonstruktion des Reparandums vor allem das Verhältnis von ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung im Fokus.

|| 25 Vgl. Kindt/Rittgeroth (2009: 60f.), die ebenfalls darauf hinweisen, dass „Sprachprobleme im engeren Sinne“, die formale Aspekte von Äußerungen betreffen, unter Umständen zu Problemen auf der semantischen und pragmatischen Ebene führen können.

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4.2.1 Korrekturen Im Folgenden werden diejenigen retrospektiven Reparaturen vorgestellt, die einen Fehler in einem zurückliegenden Teil der Äußerung bearbeiten. Diese Reparaturen werden als Korrekturen (n = 174; 26,4 % der retrospektiven Reparaturen) bezeichnet.

4.2.1.1 Phonologische Korrektur Beginnen wir mit den Reparaturen, die Fehler auf der phonologischen Ebene der Äußerung bearbeiten, den phonologischen Korrekturen (n = 58; 33,3 % der Korrekturen). In diesen Fällen werden Versprecher repariert, indem das Wort, das den Versprecher enthält, durch die phonologisch korrekte Version dieses Wortes ersetzt wird. Diese Reparaturen werden hier nicht als „phonetische Reparaturen“ (Levelt 1983: 54), sondern als phonologische Reparaturen bezeichnet, weil die Abweichungen von der korrekten Wortform auf der Phonemebene geschehen. Sie sind „hochgradig strukturiert“ (Laver 1973: 132) und folgen bestimmten Mustern: Es werden beispielsweise Phoneme weggelassen (Elision), vertauscht (Permutation) oder vorweggenommen (Antizipation). Die Fehlleistung, die für das Auftreten dieser Reparanda sorgt, findet also innerhalb des phonologischen Systems statt, sodass die Versprecher in den meisten Fällen durch den phonologischen Kontext erklärt werden können. Phonetische Reparaturen hingegen – d. h. Reparaturen der Artikulation, die unterhalb der Phonemebene angesiedelt sind – treten im Korpus nicht auf. Bei den hier behandelten Reparaturen auf der phonologischen Ebene handelt es sich ausschließlich um Korrekturen. Phonologische Elaborierungen, bei denen eine korrekte Version durch eine Alternative ersetzt wird, fungieren als Reparaturen der Varietät und werden daher der pragmatischen Ebene zugeordnet (siehe Kap. 4.2.2.3). Der nächste Ausschnitt aus einer Unterhaltung, die von der Verwendung von Essensresten handelt, gibt ein Beispiel für eine phonologische Korrektur: (11) 01 Tba: ich wusste nich dass man aus kartOffenscha'* kartOffelschalen ne SUPpe machen kann. 02 Hrm: ach SO ja.

In Z. 01 unterbricht Tabea ein Nomen, das einen Versprecher enthält, durch einen Glottalverschluss (kartOffenscha'). Sie retrahiert anschließend zum Wort-

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beginn und ersetzt das Reparandum durch die phonologisch korrekte Version kartOffelschalen. Im nächsten Beispiel berichtet der Patient von einem Kurs für den Wiedereinstieg in den Beruf, den er besucht hat: (12) 01 P57: un der war dann scho mehr richtung edeVAU,= 02 =also besser gesagt des WAR edevau,= 03 =des war der NETSCHner'* (.) ne' NETZwerkmanager, 04 T57: mhm,

In diesem Beispiel unterbricht der Sprecher ein Nomen, das gleich zwei phonologische Abweichungen enthält (NETSCHner'). Im Gegensatz zu (11) werden die Fehler aber nicht unmittelbar nach der ersten Retraktion behoben. P57 unterbricht das Nomen erneut (ne'), retrahiert noch einmal zum Wortbeginn und ersetzt schließlich das Reparandum durch die korrekte Wortform NETZwerkmanager. Interessanterweise treten in der gesprochenen Sprache – sehr selten – auch Fälle auf, in denen phonologische Fehler nicht korrigiert werden (vgl. Berg 1986a). Im nächsten Ausschnitt sprechen die Teilnehmer über die Entwicklung eines Kölner Stadtteils: (13) 01 i-k: 02 03 k10a:

nach' äh in der industraialiSIErung; da sin die lEute ja da HINjekommen; JA-

Auch in diesem Beispiel unterläuft der Sprecherin ein phonologischer Fehler innerhalb eines Nomens (industraialiSIErung). Der Fehler wird jedoch im Unterschied zu den Beispielen (11) und (12) nicht durch eine Selbstreparatur aufgegriffen und bearbeitet. Im weiteren Gesprächsverlauf zieht dieser Fehler bzw. das Ausbleiben einer Selbstreparatur weder eine fremdinitiierte Reparatur nach sich noch wird der nicht reparierte Versprecher auf irgendeine andere Weise von den Teilnehmern thematisiert. Durch das Zustimmungssignal in Z. 03 (JA-) wird der Redebeitrag von k10a trotz des Versprechers als sinnvoll behandelt – das Ausbleiben einer Selbstreparatur hat hier demnach keine Konsequenzen für die Interaktion. Phonologische Korrekturen zeigen in interaktionaler Hinsicht also eher die Orientierung an einer „linguistic norm of immaculate pronunciation“ (Linell 2013: 82) als die Bemühung um bessere Verständlichkeit. Der phonologische

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Fehler in Beispiel (13) scheint die Verständlichkeit der Äußerung nicht zu beeinträchtigen – was vermutlich auch für das Beispiel (11) gelten würde.

4.2.1.2 Syntaktische Korrektur Wenden wir uns nun den syntaktischen Korrekturen zu. Syntaktische Korrekturen, die grammatikalisch ungebräuchliche oder nicht akzeptable Strukturen bearbeiten, treten insgesamt nur recht selten auf (n = 22; 12,6 % der Korrekturen). Bei den meisten syntaktischen Korrekturen wird durch das Nachliefern einer „vergessenen“ Konstituente die lineare Abfolge der Konstituenten verändert (n = 14). Im folgenden Ausschnitt berichtet eine Patientin mit chronischen Schmerzen von den Reaktionen ihrer Freunde, wenn sie offen zeigt, dass sie Schmerzen hat. Sie geht davon aus, dass ihre Freunde wissen, dass sie dadurch nicht einfach nur Mitleid erregen will: (14) 01 P23: dass sie 02 °hh nich 03 ja lEute 04 und jetz

wIssen dass ich damit !KEIN!, irgendwie SAG- (.) mir geht_s jetz SCHLECHT; KÜMmert mal um* äh: eu' (--) euch um mich-

In Z. 03 und 04 animiert die Patientin ihre eigene fiktive Rede, die an die Freunde gerichtet ist. Wie das in Z. 01 in Bezug auf die Freunde verwendete Verb wIssen verdeutlicht, drückt sie mit der animierten Rede gleichzeitig aus, wie ihre Freunde ihr „Zurschaustellen“ von Schmerzen möglicherweise interpretieren könnten. Durch die Negation in der Einleitung der animierten Rede (nich irgendwie SAG-, Z. 02) distanziert sich P23 von der möglichen Interpretation ihres Verhaltens als ein Einfordern von Zuwendung und bringt zum Ausdruck, dass ihre Freunde ihr Verhalten richtig einschätzen können. In der Imperativkonstruktion in Z. 04 ist zum Zeitpunkt der Reparaturinitiierung innerhalb des Präpositionalobjekts (und jetz KÜMmert mal um*) zum einen das Komplement der Präposition in Form einer Nominalphrase syntaktisch projiziert. Zum anderen ist zusätzlich noch ein Reflexivpronomen projiziert, das eine obligatorische Ergänzung des Verbs kümmern darstellt. Die Sprecherin steht nun aber vor dem Dilemma, dass die Positionierung des Reflexivpronomens nach dem Präpositionalobjekt syntaktisch nicht akzeptabel ist (**und jetz KÜMmert mal um mich euch), sodass die beiden offenen syntaktischen Projektionen mit einer linearen Fortsetzung der Struktur nicht mehr geschlossen werden können. Zum Zeitpunkt der Selbstreparaturinitiierung innerhalb des Präpositionalobjekts steckt die Sprecherin bereits in einer „syntakti-

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schen Sackgasse“, die sie nur durch einen retraktiven Eingriff in die Struktur verlassen kann. Im Anschluss an die Initiierung durch den Reparaturmarker äh: retrahiert P23 vor das Präpositionalobjekt und inseriert das Reflexivpronomen, das sie zunächst abbricht (eu'), im zweiten Anlauf aber vervollständigt (euch). Im Anschluss ergänzt sie die vor der Initiierung begonnene Präpositionalphrase mit einem Personalpronomen (um mich-) und bringt dadurch die gesamte syntaktische Struktur zum Abschluss. Neben Fällen wie Beispiel (14), in denen der syntaktische Fehler in einer unmöglichen Linearisierung eigentlich „richtiger“ Konstituenten besteht und durch das Nachreichen einer Konstituente korrigiert wird, gibt es auch Fälle, in denen das syntaktische Problem auf die Selektion „falscher“ Elemente zurückzuführen ist (n = 8). Im nächsten Beispiel unterhalten sich Tanja und Thomas darüber, wer welchen Bewohner nominiert hat: (15) 01 02 03 04 05 06

Tja: äh von DIR [weiss ich ] sIcher;= Tms: [da braucht'] Tja: =und von:: MAnu weiss ich sI[cher.] Tms: [ja AL]so. (1.8) Tja: mmh: (.) ich werd svEn auch noch mal dirEkt drauf FRAgen;* (-) 07 drauf ANsprechen; (-) 08 Tms: ach (-) meinst_de, 09

In Z. 06 äußert Tanja die Absicht, Sven zu fragen, wen er nominiert hat (ich werd svEn auch noch mal dirEkt drauf FRAgen;). Bei dieser Äußerung unterläuft ihr ein syntaktischer Fehler: Das Verb FRAgen kann nicht mit der Präpositionalergänzung auf auftreten, weswegen die Formulierung drauf fragen als syntaktisch nicht akzeptabel angesehen werden muss. In Z. 07 reagiert Tanja auf diesen syntaktischen Fehler mit einer Selbstkorrektur. Sie retrahiert zurück ins Mittelfeld, wiederholt das Präpositionaladverb drauf und ersetzt FRAgen durch das Verb ANsprechen, das eine Präpositionalergänzung mit auf fordert. Syntaktische Korrekturen wie (15) unterscheiden sich dadurch von Beispielen wie (14), dass das Reparandum nicht einfach in der Linearisierung der Konstituenten, sondern in der syntaktischen Beziehung zwischen Konstituenten besteht. In Beispiel (15) handelt es sich beim Reparandum um eine nicht mögliche Rektionsbeziehung zwischen dem Verb und der Präpositionalergänzung, sodass sich mindestens drei Optionen für die Bearbeitung des Reparandums durch die Sprecherin ergeben: (i) Ersetzung des Verbs durch ein Verb, das das

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vorliegende Präpositionalobjekt als Ergänzung fordert, (ii) Tilgung des Präpositionalobjekts und Beibehaltung des Verbs oder (iii) Tilgung der Gesamtstruktur und Verwendung einer neuen syntaktischen Konstruktion. Im vorliegenden Beispiel entscheidet sich die Sprecherin für die erste Option. Aus interaktionaler Sicht zeigen syntaktische Korrekturen, dass Sprecher sich bei der Hervorbringung sprachlicher Handlungen an sozialen Normen orientieren, die dem Sprecher eine bestimmte syntaktische Gestaltung des Redebeitrags vorschreiben. Die Gesprächsteilnehmer halten diese Normen ein, obwohl in den meisten Fällen die Verständlichkeit des Redebeitrags durch das syntaktische Problem nicht ernsthaft gefährdet wird. Syntaktische Korrekturen scheinen demnach eine soziale Funktion zu erfüllen: Der Sprecher zeigt, dass er die gängigen Regeln für die syntaktische Konstruktion von Redebeiträgen beherrscht.

4.2.1.3 Semantische Korrektur Nachdem in den vorangehenden Unterkapiteln Reparaturen der phonologischen und syntaktischen Form der Äußerung analysiert wurden, wenden wir uns nun den Reparaturen auf der semantischen Ebene zu. Im Folgenden werden die semantischen Korrekturen (n = 93; 53,4 % der Korrekturen) behandelt, die semantische Fehler bearbeiten. Eine solche Reparatur liegt dann vor, wenn das Reparandum im jeweiligen semantischen Kontext nicht als „wahr“ interpretiert werden kann. Es lassen sich vor allem drei Typen semantischer Korrekturen unterscheiden, nämlich lexikalische Korrekturen, temporale Korrekturen und Korrekturen der Personenreferenz. Beginnen wir mit den lexikalischen Korrekturen, die innerhalb dieser Kategorie am häufigsten auftreten (n = 61). Im folgenden Beispiel beschreibt k10a die Lage eines Gebäudes im Kölner Stadtteil Hohenlind und liefert in Z. 02 und Z. 03 einen Bezugspunkt für seine Beschreibung: (16) 01 k10a: von von von hohenLIND? 02 von der pfarREI',* 03 äh von: unserm KRANkenhaus aus-

Am Ende von Z. 02 initiiert der Sprecher durch einen Glottalverschluss und einen Reparaturmarker (äh, Z. 03) eine Reparatur, retrahiert zum Beginn der Präpositionalphrase und führt eine Selbstkorrektur durch, indem er in seiner ursprünglichen Ortsangabe das Nomen pfarREI durch KRANkenhaus ersetzt, sodass seine Ortsbeschreibung auf den richtigen Referenten verweist. Die Erset-

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zung des definiten Artikels durch den Possessivartikel bewirkt eine zusätzliche semantische Veränderung. Das Krankenhaus wird auf diese Weise als ein sowohl dem Sprecher als auch dem Rezipienten bekannter Referent hervorgehoben. Ein besonderer Fall der lexikalischen Korrektur ist die Ersetzung eines lexikalischen Elements durch ein Heteronym – Reparandum und Reparans sind in diesen Fällen inkompatibel. Im nächsten Ausschnitt versucht der Informant hh04, dem Interviewer i-hh04 die komplexen Auswirkungen einer möglichen Gesetzesänderung im Steuerstrafrecht zu erklären. In diesem Beispiel stehen Reparandum und Reparans in „direktionaler Opposition“ (Lyons 1977: 281) zueinander: (17) 01 hh04: 02 03

und das hätte dazu geführt, ((schluckt)) °h dass erst (.) das (-) stEuerliche verfahren ABgeschlossen werden04 i-hh04: mhm, 05 hh04: müssen, 06 i-hh04: mhm, 07 hh04: bevor das strAfrechtliche verfahren in GANG (.) gesetzt-* 08 (.) nee g' (.) ABgeschlossen wird.

Innerhalb seiner Erklärung produziert hh04 in Z. 07 das Funktionsverbgefüge (in GANG (.) gesetzt), das offenbar nicht dem intendierten Verb entspricht. Daraufhin initiiert er in Z. 08 durch die Verwendung des lexikalischen Reparaturmarkers nee eine Selbstkorrektur, die in der Ersetzung von in GANG (.) gesetzt durch ABgeschlossen besteht. Temporale Korrekturen treten im Korpus etwas seltener auf (n = 19). Hier lassen sich wiederum zwei verschiedene Typen voneinander unterscheiden, nämlich Korrekturen des Tempus und Korrekturen der Zeitangabe. Das folgende Beispiel, in dem mu02c von den Streitereien der Enkelkinder darüber erzählt, wer neben den Großeltern sitzen darf, zeigt eine Korrektur des Tempus (n = 14): (18) 01 mu02c: 02 03 04 05 06 07

äh okay jetz is BESserjetz san_s GRÖßer;= =aber wo_s KLEIner warn;

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08 i-mu: 09 mu02c: 10 i-mu: 11 12

[mhm- ] und so geht des dann* [äh ] gIng des die gan[ze ] ZEIT. [hm;] [hm-] jetz wenn_s GRÖßer sanjetz is des NIMmer so;

In Z. 09 schließt mu02c ihre Schilderung ab, indem sie hervorhebt, wie lange die Streitereien der Enkelkinder dauerten. Im ersten Anlauf formuliert sie die Beschreibung im Präsens (und so geht des dann), wodurch der Streit der Enkelkinder als wiederkehrendes Ereignis formuliert wird, das immer noch eintritt und folglich bis in die Gegenwart hinein relevant ist. Durch ihre Selbstreparatur (äh] gIng des die gan[ze] ZEIT), mit der sie das Tempus von Präsens zu Präteritum korrigiert, stellt die Sprecherin die wiederkehrenden Streitereien jedoch als abgeschlossene Ereignisse dar, die in der Gegenwart nicht mehr vorkommen. Der Nebenakzent auf dem reparierenden Verb (gIng) hebt die Korrektur noch prosodisch hervor (vgl. Levelt/Cutler 1983), indem er einen zusätzlichen Kontrast zwischen dem Reparandum und dem Reparans herstellt. Anschließend liefert die Sprecherin eine Begründung dafür, dass die Streitereien der Enkelkinder mittlerweile aufgehört haben, indem sie auf das Älterwerden der Kinder verweist (jetz wenn_s GRÖßer san-/ jetz is des NIMmer so;, Z. 11 und Z. 12). Durch diese Bekräftigung, dass die Streitereien mittlerweile nicht mehr vorkommen, betont sie zum einen die Richtigkeit ihrer Aussage und unterstreicht zum anderen die interaktionale Relevanz ihrer Selbstkorrektur. Das nächste Beispiel, in dem Heiko das fiktive Szenario der Konfrontation mit einer ungewollten Schwangerschaft entwirft, illustriert den zweiten Fall der temporalen Korrektur, nämlich die Korrektur einer Zeitangabe (n = 5): (19) 01 Hko: auf einmal kommt die drei wochen sch* äh: drei monate später und sagt zu DIR, 02 °h ey ich bin schwAnger im dritten MOnat; (.)

In Z. 01 initiiert Heiko durch Wortabbruch und den Reparaturmarker äh eine Selbstkorrektur, die in der Substitution des Nomens wochen durch monate besteht. Wie sich in der Pointe des von ihm erzählten fiktiven Ereignisses herausstellt (im dritten MOnat;, Z. 02), handelt es sich beim Reparandum im Kontext der Erzählung um einen semantischen Fehler. Der nächste Beleg zeigt die Korrektur einer Personenreferenz. Dieser Typ semantischer Korrektur tritt nur selten im Korpus auf (n = 5). Die Teilnehmer unterhalten sich darüber, dass die Vorschläge zur Verbesserung des Produktionsflusses in einer Fabrik oft von den einfachen Arbeitern kommen:

62 | Typen von Reparanda (20) 01 02 03 04 05 06

i-dd01: °h und da war_s geNAUso ooch-= =also da ham die [o'-]* dd01a: . i-dd01: da ham wir Ooch manchmal geSAGT; ne wieso wird_n des nich so und SO ge[macht-] dd01a: [hm]

Nach dem Subjektpronomen die initiiert die Sprecherin in Z. 02 eine Selbstreparatur durch Wortabbruch, vermutlich – wie retrospektiv plausibel erscheint – innerhalb des Adverbs ooch. In Z. 04 retrahiert sie ins Vorfeld der syntaktischen Gestalt, wiederholt das Adverb da und das Verb ham und ersetzt das ursprüngliche Pronomen der 3. Person Plural die durch das Pronomen der 1. Person Plural wir. Das Verb muss bei dieser Reparatur nicht zusätzlich angepasst werden, weil die mit dem jeweiligen Subjektpronomen verbundenen Konjugationsformen der Verben identisch sind. Mit dieser Korrektur der Personenreferenz stellt die Sprecherin richtig, dass es nicht die Führungskräfte der Fabrik, sondern sie und die anderen Arbeiter waren, die Vorschläge zur Verbesserung der Produktionsabläufe gemacht haben (wieso wird_n des nich so und SO ge[macht-, Z. 05). Insgesamt stellen semantische Korrekturen inhaltliche Aspekte der Äußerung richtig. Sie sind somit eine wichtige Ressource, um Missverständnissen vorzubeugen und einen möglichst reibungslosen Ablauf der konversationellen Interaktion zu sichern.

4.2.1.4 Pragmatische Korrektur Es liegt im Korpus nur ein einziger Fall vor, der als pragmatische Korrektur angesehen werden kann, nämlich eine Reparatur der Anredeform (0,6 % der Korrekturen). Bei allen anderen pragmatischen Reparaturen handelt es sich um Elaborierungen. Im folgenden Ausschnitt führt hh04 Beispiele für Firmen an, bei denen sehr häufig Wirtschaftsprüfungen durchgeführt werden: (21) 01 hh04: na nimm'* (-) nehmen sie mal ESso oder SHELL.

Der Sprecher greift zur Nennung der Beispiele auf die Imperativform des Verbs zurück. Er wählt die „vertrauliche Form“ (Fabricius-Hansen 2006: 549) des Imperativs (nimm), die normalerweise nur in der Interaktion mit Personen verwendet wird, mit denen man sich duzt. Da die beiden Teilnehmer sich im bisherigen Gesprächsverlauf gesiezt haben, ist die Verwendung dieser Anredeform

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zunächst verwunderlich. Der Imperativ tritt in diesem Beispiel jedoch als Teil einer feststehenden Konstruktion zur Einführung von Gesprächsgegenständen auf (nimm + NP), sodass man davon ausgehen könnte, dass die darin enthaltene Anredeform von den Teilnehmern gewissermaßen als „blind“ für das soziale Verhältnis zwischen Sprecher und Rezipient behandelt wird. Dies ist nicht der Fall. Der Sprecher behandelt die Form des Imperativs als problematisch und ersetzt sie durch die Distanzform nehmen sie. Er repariert die Anredeform also trotz der Formelhaftigkeit der Äußerung, in der der Imperativ eingesetzt wird, und setzt damit die soziale Beziehung relevant, die zwischen ihm und seinem Gegenüber besteht.

4.2.2 Elaborierungen Kommen wir nun zu den elaborierenden retrospektiven Reparaturen (n = 453; 68,8 % der retrospektiven Reparaturen), die insgesamt viel häufiger auftreten als Korrekturen. Mit einer Elaborierung korrigiert ein Sprecher keinen „echten“ Fehler, sondern liefert lediglich eine präzisere oder angemessenere Alternative.

4.2.2.1 Syntaktische Elaborierung Syntaktische Elaborierungen (n = 46; 10,2 % der Elaborierungen) bearbeiten ein Linearisierungsproblem und greifen in die Reihenfolge der Konstituenten ein. Im Gegensatz zu den syntaktischen Korrekturen handelt es sich hier beim Reparandum um eine syntaktisch wohlgeformte Abfolge der Konstituenten und nicht um eine fehlerhafte, nicht akzeptable syntaktische Struktur. In fast allen Fällen formt der Sprecher die ursprüngliche syntaktische Struktur zur Behebung des Linearisierungsproblems dadurch um, dass er eine Konstituente in die bestehende Struktur einfügt. Im folgenden Ausschnitt, der eine syntaktische Elaborierung enthält, spricht die Patientin mit dem Therapeuten über ihre chronischen Schmerzen: (22) 01 P: es tut sehr WEH; 02 T: hm_hm, 03 das ham sie_sch* seit vIelen JAHren schon sagten sie?

Der Beginn des syntaktischen Projekts in Z. 03, der durch die Reparaturinitiierung unterbrochen wird, weist aus Rezipientensicht kein erkennbares syntaktisches Problem auf und es sind zum Zeitpunkt der Reparaturinitiierung eine

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ganze Reihe möglicher Fortsetzungen der Äußerung projiziert. Dennoch entscheidet sich die Sprecherin für eine Umgestaltung der syntaktischen Struktur, indem sie ein Wort abbricht und die Präpositionalphrase seit vIelen JAHren in die Struktur einfügt. Beim vor der Initiierung abgebrochenen Wort sch* könnte es sich um den Beginn des nach der Insertion wieder aufgenommenen Adverbs schon handeln. Wenn man von der Richtigkeit dieser Vermutung ausgeht, war bereits vor der Reparaturinitiierung eine Fortsetzung der Äußerung mit einer Zeitangabe projiziert (z. B. das ham sie schon seit vielen JAHren/lange/eine Ewigkeit), die zusammen mit dem Adverb schon als Temporaladverbial fungiert. Da die Sprecherin nur retrospektiv die Konstituentenabfolge verändert (schon + Zeitangabe vs. Zeitangabe + schon), ansonsten aber nicht in die Projektionen der Äußerung eingreift, handelt es sich bei dieser Reparatur um eine syntaktische Elaborierung. Im nächsten Beispiel erzählt die Sprecherin von ihrem Besuch auf einer Heim- und Handwerksmesse: (23) 01 i-mu: 02 03 mu05a: 04 i-mu: 05 mu05a: 06

i bin wirklich hab erstmal den* mir den MESseplan gnommenwo [sin äh he ] [an HOLZtürn,] und dann wirklich: [äh: (.) AB]gearbeitet; [HOLZtürn äh'] (.) mit die schÖnsten türn von de holztürn macht SÜDholztürn.(.)

In Z. 01 retrahiert die Sprecherin nach der Initiierung zurück vor den Determinierer den und inseriert das Pronomen mir. Die Insertion dieses freien Dativs greift nicht in die Projektionen der Äußerung ein, sondern liefert lediglich ein „vergessenes“ Element nach. Es handelt sich um eine Elaborierung und nicht um eine Korrektur, weil die syntaktische Struktur auch ohne diese Insertion völlig akzeptabel gewesen wäre. Aus der Rezipientenperspektive dienen Selbstreparaturen wie (22) und (23) der Umgestaltung der syntaktischen Struktur durch das Nachreichen einer Konstituente. Syntaktische Elaborierungen zeigen, dass Sprecher die Syntax der Äußerung nicht nur dann reparieren, wenn sie – wie im Falle syntaktischer Korrekturen – aufgrund eines eindeutigen Fehlers an die Norm angepasst werden muss. Die syntaktische Struktur wird offensichtlich auch dann umgestaltet, wenn dem Sprecher in einer bestimmten sequentiellen Position eine andere Konstituentenabfolge geeigneter erscheint (Bsp. (22)) oder wenn ein fakultatives Element nachgereicht werden soll (Bsp. (23)).

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4.2.2.2 Semantische Elaborierung Kommen wir nun zu den semantischen Elaborierungen (n = 338; 74,6 % der Elaborierungen). Diese Reparaturen dienen der semantischen Feinabstimmung des Redebeitrags, indem ein eigentlich „korrekter“ Teil der Äußerung präzisiert oder im Hinblick auf den Äußerungskontext und die durchzuführende soziale Handlung adäquater gestaltet wird. Im ersten Beleg für semantische Elaborierungen gibt die Sprecherin wieder, was sie von einem Bekannten zum Einsatz von Spritzmitteln im Weinbau erfahren hat: (24) 01 i-fr01: der hat gsagt des sprItze geht zuRÜCK, 02 mer spritzt nimmer so vie*_intenSIV,

In Z. 02 unterbricht die Interviewerin ein Wort (vie), vermutlich die unvollständige Form des Adverbs viel, und ersetzt dieses durch intenSIV. In dieser Sequenz sind sich die beiden Adverbien (Reparandum und Reparans) in ihrer Bedeutung sehr ähnlich, sodass sich durch diese Reparatur lediglich semantische Nuancen verändern. Im nächsten Beispiel, in dem die Teilnehmer über die gesellschaftlichen Probleme diskutieren, die durch das Ersetzen von menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen entstehen können, wird eine semantische Elaborierung am Verb durchgeführt: (25) 01 i-hh04: u:nd (.) wo dann (.) dann ANschließend auch; 02 wo dann von comPUtern (.) gerEdet wurde die da[nn:-] (--) 03 hh04: [hhh°] 04 i-hh04: äh::- (-) 05 die dann alles MAchen, 06 hh04: äh: (-) °hh ja zuEnde gedacht KANN es gar nicht gUt gehn;* 07 kAnn es ja nicht gut SEIN, 08 weil d äh- (---) es MÜSsen ja- (.) 09 es sind ja mEnschen die EINkaufen.

Durch die Substitution des Verbs gehn (Z. 06) durch SEIN (Z. 07) wird die Semantik der Äußerung leicht verändert. Während in der ursprünglichen Äußerung (KANN es gar nicht gUt gehn;, Z. 06) die Semantik des Verbs eher eine negative Entwicklung beschreibt, drückt die Wahl des ersetzenden Verbs (kAnn es ja nicht gut SEIN, Z. 07) einen negativen Zustand aus. Durch diese semantische Veränderung sowie durch die bloße Tatsache, dass hh04 in der Reparaturdurch-

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führung eine zweite Version derselben Behauptung liefert, verleiht er seiner Argumentation größeren Nachdruck. Eine besondere Form der semantischen Elaborierung, die häufig im Korpus auftritt, ist die Spezifizierung (n = 86). In diesen Fällen wird das Reparandum durch das Reparans spezifiziert. Eine Spezifizierung kann entweder auf der morphologischen Ebene (z. B. durch Komposition, siehe Beispiel (27)) oder auf der syntaktischen Ebene (durch Modifikation, siehe Beispiel (26)) durchgeführt werden. Das Reparandum drückt in diesen Beispielen zwar das richtige semantische Konzept aus, aber auf einer zu allgemeinen Ebene. Der Sprecher verändert durch die Reparatur nicht die Auswahl des Konzepts an sich, sondern reduziert lediglich das „Abstraktionslevel“26 des Konzepts (Rosch et al. 1976: 383), indem er sich für eine spezifischere Ebene entscheidet. Der folgende Ausschnitt, in dem sich der Vater (k10a) erkundigt, warum seine Tochter (k10c) so außer Atem ist, zeigt eine spezifizierende semantische Elaborierung: (26) 01 02 03 04 05 06 07

k10c: ((atmet hörbar)) k10a: wAt is LOS, k10c: hh° FAHRrad jefA:hrn;* SCHNELL jefAhrn. k10a: hAste: (.) UNtergestellt, k10c: ja: TÜRlich [((unverständlich))] k10a: [gUt ]

In Z. 04 inseriert die Sprecherin das Adverb SCHNELL und beschreibt auf diese Weise das Partizip jefAhrn näher. Durch diese Spezifizierung liefert sie eine adäquatere Erklärung dafür, dass sie außer Atem ist: Schnelles Fahrradfahren ist anstrengender als normales Fahrradfahren. Im nächsten Beleg für eine Spezifizierung spricht k07 über eine Bürgerbewegung, die in Köln Hilfe zum Thema Hochwasser leistet:

|| 26 Rosch et al. beziehen sich mit dem Terminus Abstraktionslevel auf Kay (1971). Laut Kay wird jede Kategorie innerhalb einer Taxonomie – es sei denn, es ist die höchste – von einer anderen Kategorie vollständig eingeschlossen, ohne dass sich die umfassendere Kategorie in dieser Kategorie erschöpft. Der Begriff Abstraktionslevel bezieht sich auf eine bestimmte Ebene der Inklusivität innerhalb einer Taxonomie: Je umfassender eine Kategorie, desto höher ist ihr Abstraktionslevel (Rosch et al. 1976: 383).

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(27) 01 k07: un:d ähm: (-) die haben ne broSCHÜre rausgegeben; 02 bei welchem wAsser* (.) hOchwasserstand sie ihr auto wo HINsetzen können,

K07 initiiert nach dem ersten Teil eines Kompositums eine Selbstreparatur (bei welchem wAsser*, Z. 02), sodass die Präpositionalphrase unvollständig bleibt. Das Genus des Determinierers zeigt an, dass ein maskulines oder neutrales Nomen als Kopf des Kompositums geplant ist, sodass zusammen mit dem semantischen Kontext der Konversation das Kompositum wAsserstand bereits bei der Reparaturinitiierung relativ stark projiziert ist. Die Sprecherin retrahiert zum Nomen und ersetzt dieses durch das spezifischere Kompositum hOchwasserstand, das in einer Hyponym-Relation zum Reparandum steht. Diese Reparatur hebt hervor, dass sich die Broschüre nicht auf die (ganz normalen) Parkmöglichkeiten bei regulärem Wasserstand der Flüsse bezieht, sondern auf die Parkmöglichkeiten bei Hochwasser, wenn also Teile der Stadt bereits überflutet sein können. Durch diese Reparatur unterstreicht die Sprecherin die Relevanz der Broschüre und damit die Relevanz ihrer eigenen Aussage. Deutlich seltener als Spezifizierungen treten Entspezifizierungen (n = 4) im Korpus auf, also Reparaturen, in denen ein semantisches Konzept nicht spezifischer, sondern allgemeiner ausgedrückt wird. Der folgende Beleg für eine Entspezifizierung ist einem informellen Interview entnommen, in dem die Teilnehmer sich über verschiedene Stadtteile von Köln unterhalten: (28) 01 i-k: 02 03 04 k10:

es gibt_es gibt en: ganzes HEFT glaub ich drübber, über_über verschiedene jeschichten wIe denn nippes zum NAmen;* oder überhAupt wie die stAdtteile °h zu ihren NAmen gekom[men sind. ] [((schnieft))]

Die lexikalischen Reparaturmarker oder überhAupt projizieren nach dem Abbruch am Beginn von Z. 03 eine generalisierende Reparatur. Diese Projektion wird in Z. 03 eingelöst, indem die Sprecherin das Nomen nippes, das einen Stadtteil von Köln bezeichnet, durch die Nominalphrase die stAdtteile ersetzt. Mit dieser Reparatur erweitert sie den Bezugsbereich, über den das HEFT Aussagen macht. Dadurch wird ihre Beschreibung präziser: Das Heft bezieht sich nicht nur auf den Stadtteil nippes, sondern auf alle Stadtteile von Köln. Die Sprecherin nimmt also eine Entspezifizierung vor, indem sie das Reparandum durch ein Hyperonym ersetzt.

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In diesem Zusammenhang muss hervorgehoben werden, dass Entspezifizierungen Äußerungen nicht unpräziser, sondern – wie in Beispiel (28) – präziser machen. Die beiden semantischen Reparaturrichtungen Spezifizierung (‚allgemein→spezifisch‘) und Entspezifizierung (‚spezifisch→allgemein‘) beziehen sich lediglich auf die konzeptuelle Ebene, die zur Präzisierung des Redebeitrags eingesetzt wird. Es ist jedoch auffällig, dass die semantischen Elaborierungen sehr viele Spezifizierungen umfassen (n = 86), während nur wenige Entspezifizierungen auftreten (n = 4). Dieses quantitative Ungleichgewicht ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass Hyponyme mehr semantische Merkmale aufweisen als die abstrakteren Hyperonyme. Je unspezifischer bzw. abstrakter eine Kategorie, desto größer ist die Menge möglicher Referenten, die sie umfasst. Es steht außer Frage, dass in manchen Kontexten – wie Beispiel (28) zeigt – die abstraktere Kategorie präziser ist. Da Präzisierungen aber häufig darin bestehen, die Menge möglicher Referenten zu verringern, um den Bezug zu einem ganz bestimmten Referenten herzustellen, scheinen spezifischere Begriffe intrinsisch besser geeignet zu sein, um Präzisierungen vorzunehmen, als unspezifischere. Die Daten zeigen also, dass Sprecher dazu tendieren, ihren Redebeitrag in semantischer Hinsicht vom Allgemeinen zum Spezifischen hin zu bearbeiten. Wie kann diese Tendenz erklärt werden? Psycholinguistische Studien haben ergeben, dass Menschen ihre Umgebung auf eine ganz bestimmte Weise kategorisieren. Es gibt unterschiedliche Abstraktionslevels, auf denen wir ein und dasselbe Objekt bezeichnen können, z. B. Möbelstück, Tisch oder Esstisch. Die Begriffe auf den verschiedenen Abstraktionslevels einer Taxonomie haben jedoch in kognitiver Hinsicht nicht denselben Status. Es liegen viele Hinweise vor, dass es eine „Basisebene“ (Rosch et al. 1976; Rosch 1978) gibt, auf der die Umgebung bevorzugt kategorisiert wird, weil auf dieser Ebene die grundlegendsten kategoriellen Abgrenzungen vorgenommen werden können. Dies ist die Ebene von Tisch, Auto und Hammer im Gegensatz zur übergeordneten (Möbelstück, Fahrzeug, Werkzeug) und untergeordneten Ebene (Esstisch, Kombi, Vorschlaghammer). Auf der Basisebene tragen Kategorien die meiste Information, unterscheiden sich am stärksten von anderen Kategorien (Rosch et al. 1976: 383) und werden am schnellsten identifiziert (vgl. Murphy/Smith 1982). Darüber hinaus werden Begriffe auf der Basisebene bevorzugt ausgewählt, um Gegenstände in der Umgebung zu benennen (Rosch et al. 1976: 423) und sie werden von Kindern in der Regel vor den über- und untergeordneten Begriffen erworben (ibid.: 425).

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Wie der folgende repräsentative Korpusausschnitt von 18 Beispielen (20,9 % der insgesamt 86 Spezifizierungen) zeigt, werden Konzepte häufig zunächst auf der Basisebene abgerufen und anschließend spezifiziert: Tab. 4: Beispiele für Spezifizierungen im Selbstreparaturkorpus Wortart

Reparandum (Basisebene)

Reparans (Untergeordnete Ebene)

Nomen

Rüben

Steckrüben

Stall

Kuhstall

Ring

Hohenstaufenring

Schaltung

Gangschaltung

Löcher

Zapfenlöcher

Grenze

Grundstücksgrenze

Verein

Fastnachtsverein

Reparaturen

Fahrradreparaturen

System

Steuersystem

Kapital

eigenes Kapital

Tradition

uralte kölsche Tradition

Verb

Adjektiv

laufen

weiterlaufen

einfrieren

schockfrosten

beeinflussen

richtig beeinflussen

erkennen

leichter erkennen

besser

wirtschaftlich besser

schlecht

wirklich schlecht

bekannt

ganz bekannt

Der Begriff ‚Basisebene‘ bezieht sich in der ursprünglichen Verwendung (vgl. Rosch et al. 1976: 383) ausschließlich auf die Kategorisierung konkreter Objekte, wie beispielsweise Rüben, Stall, Ring, Schaltung oder Löcher. Die anderen Beispiele in Tabelle 4 zeigen jedoch, dass es auch für abstrakte Gegenstände (Nomen wie System, Kapital und Tradition), Prozesse (Verben) und Eigenschaften

70 | Typen von Reparanda

(Adjektive) eine bevorzugte kategorielle Ebene zu geben scheint, auf der das Konzept häufig abgerufen wird, um anschließend spezifiziert zu werden.27 Ist die große Zahl der Spezifizierungen also allein auf die Bedeutung der Basisebene für die konzeptuellen Prozesse bei der Sprachproduktion zurückzuführen? Die Bedeutung der Basisebene liefert vermutlich einen wichtigen Teil, aber nicht die gesamte Erklärung, denn auch die Frequenz der Bezeichnungen scheint eine Rolle zu spielen. Rosch et al. (1976: 424) weisen zwar darauf hin, dass bei der spontanen Benennung von Objekten die Auswahl von Basisbegriffen unabhängig von der Wortfrequenz erfolgt.28 Als Evidenz führen sie an, dass die übergeordneten Begriffe, die in ihren Experimenten zur Benennung eines bestimmten Objekts verwendet werden konnten, meistens frequenter waren als die Begriffe auf der Basisebene, dass aber dennoch fast ausschließlich Basisbegriffe ausgewählt wurden. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass Rosch et al. (1976) die Frequenzen der Bezeichnungen auf der untergeordneten Ebene nicht zur Verfügung standen, weil es sich bei diesen „im Allgemeinen um Phrasen und nicht um einfache Wörter handelt“ (Rosch et al. 1976: 424, Übersetzung MP). Eine Bestimmung der Frequenzen anhand des „Wortschatz Universität Leipzig“ für die Begriffspaare in Tabelle 4, in denen das Reparans auf der untergeordneten Ebene ein Wort und keine Phrase ist, zeigt, dass die Begriffe auf der Basisebene sehr viel häufiger auftreten als die jeweiligen spezifischeren Ausdrücke auf der untergeordneten Ebene. Dieses Ergebnis gibt Anlass zur Vermutung, dass die Basisbegriffe auch aufgrund ihrer hohen Frequenz kognitiv schneller abrufbar sind und als eine erste Version des jeweiligen Konzepts produziert werden, woraufhin die weniger frequenten und damit schwerer zugänglichen spezifischeren Begriffe durch die Reparatur „nachgeliefert“ werden. Die Wortfrequenz scheint demnach ein Faktor zu sein, der zur Erklärung des hohen Anteils an Spezifizierungen beiträgt. Andererseits sind – wie bei Rosch et al. (1976) – auch in meinen Daten manche übergeordneten Begriffe (z. B. Gemüse oder Gebäude) noch frequenter als die tatsächlich auftretenden Basisbegriffe (z. B. Rübe und Stall), was wiederum die Bedeutung der Frequenz relativiert und auf einen Einfluss der Basisebene im Sinne von Rosch et al. (1976) hindeutet.29

|| 27 Es liegen beispielsweise Anhaltspunkte dafür vor, dass nicht nur Taxonomien konkreter Objekte, sondern auch Taxonomien von Ereignissen ein Basislevel aufweisen (vgl. Morris/Murphy 1990). 28 Eine ähnliche Vermutung äußert Levelt (1989: 223). 29 Der Hypothese, dass die hohe Frequenz von Basisbegriffen für deren häufige Verwendung ausschlaggebend ist, kann entgegengehalten werden, dass die hohe Frequenz dieser Begriffe

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Für die Verwendung von Basiskategorien anstelle von übergeordneten Kategorien gibt es nicht nur aus einer psycholinguistischen, sondern auch aus einer interaktionalen Perspektive gute Gründe. Eine hohe Wortfrequenz und die daraus resultierende leichtere kognitive Zugänglichkeit sind nämlich nicht die wichtigsten Kriterien für die Verwendung eines Begriffs, sondern in erster Linie die Adäquatheit des Begriffs für den Rezipienten in der jeweiligen Interaktionssituation. Die Daten sprechen dafür, dass die (hochfrequenten) übergeordneten Begriffe (also z. B. Gemüse statt Rübe oder Steckrübe; Gebäude statt Stall oder Kuhstall) in den Gesprächssituationen, in denen die Spezifizierungen auftreten, zu allgemein für einen angemessenen Verweis auf den Referenten wären und deswegen von vornherein als Bezeichnungen ausscheiden. Dies lässt sich dadurch belegen, dass bei Spezifizierungen fast immer Basisbegriffe durch untergeordnete Begriffe ersetzt werden, aber nur sehr selten übergeordnete Begriffe durch Basisbegriffe oder übergeordnete Begriffe durch untergeordnete Begriffe repariert werden.30 Zwischen Reparandum und Reparans besteht also bei Spezifizierungen in der Regel eine recht große semantische Nähe, die sich in einer großen Menge gemeinsamer Merkmale äußert: Die Kategorie Rübe weist mehr Gemeinsamkeiten mit Steckrübe auf als jede dieser beiden Kategorien mit der Kategorie Gemüse. Das ist deswegen der Fall, weil auf der Basisebene und der untergeordneten Ebene alle Mitglieder einer Kategorie eine gemeinsame Gestalt besitzen (Löbner 2003: 274), nicht aber auf der abstrakteren übergeordneten Ebene. Spezifizierungen sind als eine besonders „rezipientenfreundliche“ Form der semantischen Reparatur anzusehen, weil sie den Rezipienten zum einen von einem kognitiv bevorzugten und hochfrequenten Basisbegriff hin zu einem spezifischeren ungebräuchlicheren Begriff führen und dabei zum anderen keine große semantische Distanz zurücklegen. Die vorangehenden Abschnitte zeigen, dass die Analyse von Spontansprache ihren Beitrag zur Erforschung kognitiver Aspekte der Sprachproduktion leisten kann. Konversationelle Daten können dazu herangezogen werden, die Gültigkeit experimenteller Ergebnisse auch für die Verwendung von Sprache außerhalb des Labors – in spontaner Interaktion – nachzuweisen. Spezifizierungen liefern Evidenz dafür, dass sowohl das Basislevel konzeptueller Katego-

|| auf deren Status als Basiskategorie zurückzuführen sein könnte. Der Einfluss des Basislevels und die Wortfrequenz stehen also womöglich in enger Verbindung und bedingen sich gegenseitig. 30 Die einzigen Fälle, in denen im Korpus ein übergeordneter Begriff durch einen untergeordneten Begriff ersetzt wird, sind Reparaturen mit dem semantisch entleerten Platzhalter dings als Reparandum, siehe Beispiel (178) in Kapitel 6.5.2.

72 | Typen von Reparanda

rien als auch die Wortfrequenz eine wichtige Rolle bei der Auswahl von Begriffen spielen. Wenden wir uns nun noch der Frage zu, warum semantische Elaborierungen häufiger auftreten als die anderen retrospektiven Reparaturen. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass Sprecher besonders großen Wert darauf legen, Redebeiträge inhaltlich so präzise wie möglich zu gestalten, um die mit dem Redebeitrag verbundene soziale Handlung möglichst adäquat durchführen zu können. Diese Tendenz ist nicht selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass die Sprecher in Beispielen wie (26) und (27) die Durchführung einer Selbstreparatur in Kauf nehmen, um einen bereits „korrekt“ und verständlich ausgedrückten Sachverhalt noch zusätzlich zu präzisieren. Das Bestreben, auch in solchen Fällen eine Selbstreparatur vorzunehmen, in denen kein eigentlicher „Fehler“ vorliegt, der zu einem schwerwiegenden Missverständnis führen könnte, zeigt, dass das Streben nach einer semantisch präzisen Formulierung des Redebeitrags in manchen Fällen schwerer wiegt als die Präferenz für Progressivität (vgl. Stivers/Robinson 2006). Insgesamt zeigt die große Zahl semantischer Elaborierungen eine ausgeprägte Sensibilität der Sprecher für die semantischen Nuancen, die mit ihrer Äußerung verbunden sind und zur Durchführung einer bestimmten Handlung eingesetzt werden. Solche Reparaturen deuten daher auf die interaktionale Relevanz eines semantisch äußerst fein abgestimmten Turndesigns hin.

4.2.2.3 Pragmatische Elaborierung Während wir uns im vorangehenden Unterkapitel mit semantischen Elaborierungen beschäftigt haben, die vor allem zur Feinjustierung der lexikalischen Semantik eingesetzt werden, wenden wir uns nun den pragmatischen Elaborierungen (n = 70; 15,5 % der Elaborierungen) zu. Pragmatische Elaborierungen betreffen die Handlungsebene der Äußerung; sie bearbeiten beispielsweise die Selbstpositionierung des Sprechers oder zeigen eine Orientierung des Sprechers an der Berechtigung, bestimmte Handlungen durchzuführen.31 Da die zu bearbeitenden Probleme stark von kontextuellen Faktoren (Rahmenbedingungen des Gesprächs, Gesprächsteilnehmer, Gesprächsverlauf, se-

|| 31 Da die semantische und die pragmatische Sprachebene nicht klar voneinander abzugrenzen sind (vgl. etwa Levinson 1990: Kap. 1.2), ist auch die Grenzziehung zwischen semantischen und pragmatischen Reparanda schwierig. Für die Belange dieser Arbeit, die nicht das Ziel verfolgt, zur Diskussion über die Wechselbeziehungen zwischen Semantik und Pragmatik beizutragen, muss die hier angeführte Definition genügen.

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quentielle Position, Aktivitätstyp, etc.) abhängen, ist die folgende Darstellung der pragmatischen Reparaturtypen nicht exhaustiv. In anderen als den hier verwendeten Gesprächsdaten (siehe Kap. 3.1) können mit Sicherheit weitere pragmatische Reparaturtypen beschrieben werden. Außerdem ist eine weitere Untergliederung der im Folgenden beschriebenen Reparanda möglich. Da diese qualitative Analyse aber in erster Linie als Grundlage für die quantitative Auswertung des Zusammenhangs von Problemtyp und Struktur in Selbstreparaturen dienen soll (Kap. 7), beschränkt sich der folgende Überblick auf die grundlegendsten pragmatischen Reparaturtypen und verzichtet auf eine detailliertere Darstellung.

Reparatur der Modalität Mit Reparaturen der Modalität (n = 32) bearbeiten Sprecher die Art und Weise, wie sie zu dem im Redebeitrag ausgedrückten Sachverhalt Stellung nehmen. Solche Stellungnahmen werden durch die Insertion oder die Tilgung einer Modalpartikel oder eines Adverbs erreicht. Im folgenden Beleg diskutieren der Interviewer und der Informant über politische und gesellschaftliche Probleme: (29) 01 hh04: [der der springende PUNKT-] 02 i-hh04: [meinen sie dass_denn: ] das stAatssystem so jetzt WEIterlaufen kann. 03 oder kommen da IRgendwelche:-* 04 kommen da nich irgendwelche wAhnsinnigen proBLEme auf uns zu mit den- (-) 05 mit den RENten zum beispiel06 oder vielleicht dOch mit den AUSlän[dern-] 07 hh04: [also:] 08 i-hh04: dass sich das gar nicht mehr finanZIERT irgendwann. 09 hh04: m mit den ausländern seh ich eigentlich (-) KEIN so großes problem-

In diesem Ausschnitt stellt der Interviewer eine Alternativfrage, indem er die JaNein-Frage in Z. 02 ([meinen sie dass_denn:] das stAatssystem so jetzt WEIterlaufen kann.) durch die Konjunktion oder mit der Ja-Nein-Frage in Z. 03 und 04 kombiniert. Am Ende von Z. 03 unterbricht er die zweite Ja-Nein-Frage (kommen da IRgendwelche:-*), retrahiert zurück und beginnt diese Frage in Z. 04 erneut, wobei er die Modalpartikel nich inseriert (kommen da nich irgendwelche wAhnsinnigen proBLEme auf uns zu). Einerseits handelt es sich bei diesem Beispiel um eine syntaktische Reparatur, die – ähnlich wie in Beispiel (23) – dem Nachreichen eines „vergessenen“

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Elements dient. Andererseits stellt man bei näherer Betrachtung fest, dass der eigentliche Grund für die Reparatur auf der pragmatischen Ebene angesiedelt ist. Während der Interviewer die zweite Ja-Nein-Frage in Z. 03 zunächst neutral formuliert und somit die beiden durch oder verbundenen Alternativen als gleichwertig darstellt, drückt der Sprecher durch die inserierte Modalpartikel nich aus, dass er selbst die zweite Alternative bevorzugt. Der suggestive Charakter der Frage wird noch dadurch verstärkt, dass der Interviewer sie über einen möglichen Abschlusspunkt hinaus expandiert, um dem Rezipienten in Form von Beispielen (Z. 05, 06 und 08) mögliche Begründungen für eine Entscheidung für die zweite Alternative zu liefern.

Reparatur der Positionierung Unter Positionierung ist eine Handlung zu verstehen, mit der ein Sprecher sich selbst oder einer anderen Person „eine bestimmte ‚Position‘ im sozialen Raum“ zuweist (Lucius-Hoene/Deppermann 2004: 168). Reparaturen der Positionierung (n = 3) spielen eine wichtige Rolle für die Identitätskonstruktion in der sozialen Interaktion, weil sie den Teilnehmern die Möglichkeit geben, die Darstellung von sich selbst oder von anderen Personen zu bearbeiten. Der folgende Beleg für eine Reparatur der Positionierung ist einem Gesprächsausschnitt entnommen, in dem i-mu von der Tätigkeit ihres Mannes in der Versicherungsbranche erzählt. Er musste vor Kurzem den Arbeitgeber wechseln, weil der Standort, an dem er ursprünglich gearbeitet hat, von seinem ehemaligen Arbeitgeber abgebaut wurde: (30) 01 i-mu: 02 03 04 05 06 mu05a:

und einglich für ihn jetz auch insofern BESser isals s_geHALT als auch °hh vom äh:mjetz' (.) is_er net nur SACH fit, jetz is_er auch HAFTpflicht fit; weil er dort jetz eben hAftpflicht (.) sparte bet* [also: UN]ter sich hat[mhm_mhm-]

I-mu bewertet in diesem Abschnitt die berufliche Veränderung ihres Mannes als positiv. Als Grund für die positive Bewertung führt sie zum einen das geHALT (Z. 02) an, ein anderer Grund besteht darin, dass ihr Mann beim neuen Arbeitgeber zusätzliche Berufskompetenzen erwirbt (jetz is_er auch HAFTpflicht fit;, Z. 04). Den Erwerb zusätzlicher Kompetenzen begründet sie damit, dass ihr Mann jetzt auch in der hAftpflicht (.) sparte tätig ist (Z. 05). Die Sprecherin un-

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terbricht diese Begründung innerhalb des finiten Verbs in Letztstellung (bet*), vermutlich betreut, und ersetzt dieses Verb durch UNter sich hat. Durch die Veränderung der Semantik des Verbs positioniert die Sprecherin ihren Mann nicht als „beliebigen“ Angestellten, der eine Versicherungssparte in irgendeiner Form betreut, sondern als einen Abteilungsleiter, der eine Versicherungssparte UNter sich hat. Mit der Wahl des Verbs stellt die Sprecherin einen expliziten Bezug zur hierarchisch übergeordneten beruflichen Position ihres Mannes her und konstruiert dessen „soziale Identität“ (Lucius-Hoene/Deppermann 2004: 171) als ‚Chef‘. Die Selbstreparatur positioniert jedoch nicht nur ihren Mann auf eine bestimmte Weise, sondern wirkt sich auch auf ihre eigene Verortung im sozialen Raum aus: Die Sprecherin nimmt eine Selbstpositionierung als ‚Frau des Chefs‘ vor.

Reparatur der Varietät Reparaturen der Varietät (n = 10) stellen ein weiteres Verfahren dar, mit dem sich Gesprächsteilnehmer als Mitglied einer bestimmten sozialen Gruppe positionieren können. Die Reparaturen der Varietät, die im Korpus vorliegen, betreffen allesamt die Veränderung einer der Kategorien ‚Standarddeutsch‘ und ‚Dialekt‘, wobei die beiden Reparaturrichtungen ‚Standarddeutsch‘ → ‚Dialekt‘ und ‚Dialekt‘ → ‚Standarddeutsch‘ gleich häufig auftreten. Der folgende Beleg für die Reparatur eines standardsprachlichen Ausdrucks zum Dialekt hin entstammt einem informellen Interview zum Kölner Dialekt: (31) 01 02 03 04 05 06 07 08

k10a: i-k: k10a: i-k: k10a:

wenn einer sagt isch komm aus NIPpes, dat war ne URkölner. n_RICHtiger ja; dat WAR so:. ja°h und auch diese diese Innenstadtsch äh STRAßen; wenn: einer aus_m FRINGSvier* (.) veedel kam; der ha war ja auch nich so der VORnehmste;

Der Kölner Informant k10a erzählt der Interviewerin i-k, dass die Herkunft aus einem bestimmten Kölner Stadtviertel früher mit einem bestimmten sozialen Hintergrund verbunden war. Bei seiner Kategorisierung der Bewohner des Fringsviertels bricht er die Ortsbezeichnung FRINGSvier* (Z. 07) ab, retrahiert zur Grenze zwischen den Teilen des Kompositums und ersetzt die begonnene standarddeutsche Bezeichnung vier* durch die dialektale Bezeichnung veedel. Diese Reparatur vom Standard (FRINGSviertel) zum Dialekt (FRINGSveedel) kann vom Rezipienten auf verschiedene Weisen interpretiert werden. Zum einen

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demonstriert der Sprecher durch diese Selbstreparatur sein Wissen über die Namen der Stadtviertel im Kölner Dialekt und positioniert sich damit als Dialektsprecher, was wiederum seinen Status als Experte für die sprachlichen und sozialen Verhältnisse in Köln untermauert. Die Reparatur weist auch auf seine Eignung für die Teilnehmerrolle ‚Informant‘ hin, die ihm innerhalb des informellen Interviews, in dem auch die Stadtsprache von Köln behandelt wird, zugewiesen wird. Zum anderen kann die Verwendung der dialektalen Bezeichnung als Imitation der Bewohner des Fringsviertels gehört werden. Die Verwendung der Dialektbezeichnung, die die Ortsansässigen gebrauchen, unterstützt k10a dabei, dem Rezipienten den Status einer dort lebenden Person als Dialektsprecher und damit als nich so der VORnehmste; (Z. 08) vor Augen zu führen. Der nächste Ausschnitt demonstriert den Fall einer Selbstreparatur der Varietät vom Dialekt zum Standard hin. Der Patient erklärt, warum er auf eine höhere Schulbildung verzichtet hat: (32) 01 P57: bei mIr war des eigentlich SO dass ich:02 zwar: uff_a andere uff reAlschul oder gym[nAsium] hätt (-) GEhe könne, 03 T57: [mhm, ] 04 P57: aber ich WOLLT eigentlich net; 05 weil [meine] ganze FREUNde waret eigentlich-* 06 T57: [mhm, ] 07 mhm, 08 waren mir eigentlich WICHtiger;

In Z. 05 liefert der Patient – ein Sprecher des Schwäbischen – den Grund dafür, dass er nicht auf die Realschule oder das Gymnasium gehen wollte, sondern lieber auf die Hauptschule: Er wollte sich nicht vom Großteil seiner Freunde trennen, die ebenfalls die Hauptschule besuchten. Der Patient unterbricht seine Begründung nach dem Adverb eigentlich, retrahiert zur Kopula und ersetzt die ursprüngliche dialektale Form waret durch die standarddeutsche Form waren (Z. 08). Dies ist jedoch nicht die einzige Reparaturoperation, die der Sprecher durchführt. Im Anschluss an die Substitution der Kopula inseriert er zusätzlich das Pronomen mir und bringt die Begründung daraufhin durch das Adverb eigentlich und das Prädikativ WICHtiger zum Abschluss (Z. 08). Im Unterschied zu (31) findet diese Reparatur der Varietät also im Kontext einer weiteren Reparaturoperation statt (siehe Kap. 5.3 zu Selbstreparaturen mit zwei Operationen). Auch wenn man davon ausgeht, dass die Reparatur der Konstituentenabfolge im Mittelfeld der syntaktischen Struktur (also die Notwendigkeit, nach der linken Satzklammer das Pronomen zu inserieren) aus-

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schlaggebend für die Initiierung der Reparatur ist, stellt sich dennoch die Frage, warum der Sprecher zusätzlich die Form der Kopula verändert. Diese Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden. Als ein möglicher Erklärungsansatz kann die Tatsache herangezogen werden, dass Sprecher bei der Durchführung mancher Selbstreparaturen das Ziel verfolgen, die Form der Äußerung an eine bestimmte sprachliche Norm anzupassen (siehe Kap. 4.2.1.1 und 4.2.1.2 zu Korrekturen, die sich an phonologischen und syntaktischen Normen orientieren). Die Reparatursituation, in der sich der Sprecher aufgrund des zu inserierenden Pronomens befindet, sorgt möglicherweise für eine verstärkte Normorientierung und somit zur Auswahl der standarddeutschen Form der Kopula.

Epistemische Reparatur In Konversationen orientieren sich die Interagierenden an den epistemischen Rechten (vgl. Drew 1991; Raymond/Heritage 2006; Heritage 2012), die sie selbst und die anderen Teilnehmer im Hinblick auf bestimmte Wissensbereiche, Erfahrungen oder Gefühle besitzen. Um interaktionale Probleme zu bearbeiten, die im Zusammenhang mit epistemischen Rechten auftreten, können die Gesprächsteilnehmer auf Selbstreparaturen zurückgreifen. Solche Reparaturen werden im Folgenden als epistemische Reparaturen (n = 7) bezeichnet. Eine Möglichkeit, die Verletzung epistemischer Rechte anderer Personen zu vermeiden, ist die „Extraktion“ (Lerner/Kitzinger 2007). Extraktionen sind Selbstreparaturen, mit denen Sprecher Bezugnahmen auf sich selbst bearbeiten, indem sie sich als Individuum (ich) aus einer Kollektivität (wir) extrahieren (Lerner/Kitzinger 2007: 533). Im folgenden Beleg setzt Isabell eine Extraktion ein, um eine epistemische Reparatur durchzuführen. Esther, die neu ins Haus eingezogen ist, hat Isabell gerade geschildert, dass sie wegen der anstehenden Nominierungen, die darüber entscheiden, wer das Haus verlassen muss, nervös ist. Isabell beschreibt daraufhin, wie die anderen Hausbewohner und sie selbst emotional auf diese Situation reagieren: (33) 01 Ibl: 05 Etr:

06 Ibl:

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Isabell stellt Esthers Reaktion auf die anstehende Nominierung als norMAL (Z. 01) dar und verweist darauf, dass alle Hausbewohner nervös sind (das sind wir ALle-, Z. 02). Die folgende Fortsetzung ihres Turns mit der adversativen Konjunktion aber und dem Pronomen der 1. Person Plural wir in Z. 03 projiziert, dass Isabell nun einen Kontrast zum geschilderten emotionalen Zustand der Hausbewohner herstellen wird. Sie unterbricht ihren Redebeitrag jedoch nach dem Pronomen wir, das auf Isabell selbst und die anderen Hausbewohner (außer der „neuen“ Bewohnerin Esther) verweist, und ersetzt es durch das Pronomen der 1. Person Singular ich. Isabell führt durch diese Substitution des Pronomens eine Extraktion durch, die ihre Aussage nur für sie selbst als Individuum (ich), nicht aber für die anderen Hausbewohner (wir) gültig macht. Auf diese Weise besteht der eingeleitete Kontrast nicht länger zwischen Esther und den restlichen Hausbewohnern, sondern nur noch zwischen Esther und Isabell. Daraufhin fährt sie mit der Beschreibung des Kontrasts fort, der darin besteht, dass sie zwar aufgeregt ist, aber ihre Emotionen bis zum Tag der Nominierung verdrängt (dass ich das immer verDRÄNge bis zu dem tAg., Z. 04). Durch die Selbstreparatur vermeidet Isabell eine Aussage, die ihren eigenen Umgang mit Nervosität generalisieren würde. Sie behandelt ihre ursprüngliche Formulierung, die epistemische Autorität (vgl. Heritage/Raymond 2005) über die emotionalen Erfahrungen der anderen Hausbewohner beanspruchen würde, als problematisch. Die epistemische Reparatur erlaubt Isabell, die Schilderung der emotionalen Erfahrung ausschließlich sich selbst zuzuweisen, sodass die epistemischen Rechte der anderen Hausbewohner nicht verletzt werden.

Reparatur der Agentivität Ein zentrales Konzept in der konversationsanalytischen Forschung zur narrativen Herstellung von Identität ist das Konzept der Agentivität. Anhand dieses Konzepts kann beschrieben werden, „wie der Erzähler seine Handlungsmöglichkeiten und Handlungsinitiative in Hinblick auf die Ereignisse seines Lebens linguistisch konstruiert“ (Lucius-Hoene/Deppermann 2002: 59). Dies gibt wiederum Aufschluss darüber, ob sich der Erzähler „als handelnde Person, als Zentrum der Geschehnisse seines Lebens“ oder aber „von heteronomen Mächten dirigiert fühlt“ (ibid.). Durch eine Reparatur der Agentivität (n = 15) kann ein Sprecher bearbeiten, ob er sich selbst oder eine andere Person, über die er spricht, in der jeweils geschilderten Situation als handelnde Person darstellt oder nicht. Auf der sprachlichen Ebene ist die Vermeidung der Zuweisung von Agentivität durch den Gebrauch von unpersönlichen oder Passiv-Konstruktionen gekennzeichnet.

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Der folgende Auszug stammt aus einer psychotherapeutischen Sitzung. Die Patientin hat schlechte Erfahrungen mit Ärzten gemacht, die ihre Beschwerden als psychosomatisch abgetan oder nicht ernst genommen haben. Diese Erfahrungen wirken sich auch auf die Gespräche mit der Therapeutin (T14) aus. Die Therapeutin äußert ihren Eindruck, die Patientin wolle nur ungern mit ihr über ihre Beschwerden sprechen, weil sie Angst habe, wieder in die „psychosomatische Ecke“ gestellt zu werden. Daraufhin versucht die Patientin zu erklären, warum sie von sich aus so wenig über ihre Schmerzen spricht: (34) 01 02 03 04 05 06 07 08 09

P23: man MÖCHT halt irgendwie-= man kAnn des alles gar nich so SAgen, [was man] halt sagen [!MÖCH!]te, T14: [mhm ] [ja] P23: weil das würde alles zu LANG gehn,=un°h JA des:(---) T14: also (-) EInerseits, ähm (--) man mÖchte ge'* oder sie mÖchten gerne (--) mehr SAgen?

Die Patientin äußert die Beweggründe für ihre Zurückhaltung (Z. 01–06). Sie verwendet allerdings nicht die 1. Person, sondern eine unpersönliche Konstruktion in der 3. Person (man), die ihren Standpunkt „entpersonalisiert“ wiedergibt. Ihr Redebeitrag kann als Beschwerde gehört werden, dass in den Sitzungen nicht genügend Zeit zur Verfügung steht, um Dinge angemessen ansprechen zu können. Die Wahl des unpersönlichen Formats erlaubt es der Patientin, ihren persönlichen Standpunkt als „allgemein gültig“ darzustellen und auf diese Weise einen Teil der Verantwortung für diese interaktional problematische Handlung von sich zu weisen. Die Therapeutin reagiert in Z. 09 mit einer Paraphrasierung des Turns der Patientin. Dabei führt sie eine Selbstreparatur durch, die in der Substitution eines Pronomens und eines Verbs (man mÖchte durch sie mÖchten) besteht. Die Therapeutin übernimmt also zunächst das von der Patientin vorgegebene unpersönliche Format, um es dann durch das persönliche Format zu ersetzen, das die Patientin als handelnde Person darstellt. Vor dem Hintergrund ihrer professionellen Rolle ‚Therapeutin‘ kann diese Selbstreparatur als impliziter Hinweis an die Patientin verstanden werden, dass ihr eigenes Erleben und Handeln im Fokus des Gesprächs stehen. Die Art des Reparandums und die Reparaturfunktion sind somit aus den Teilnehmerrollen dieses institutionellen Settings heraus zu erklären, in dem die Interaktion einem übergeordneten Zweck dient, nämlich dem Therapieerfolg.

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Elaborierung der Personenreferenz Sacks und Schegloff (1979) beschreiben zwei unterschiedliche Präferenzen, die bei der Herstellung von Personenreferenz in der Konversation wirksam sind: die Präferenz für Minimierung, d. h. die Verwendung eines einzelnen Wortes als Referenzausdruck, und die Präferenz für die Verwendung von „recognitionals“ (1979: 17), d. h. von Ausdrücken, mit deren Hilfe der Rezipient vor seinem individuellen Wissenshintergrund die Person erfolgreich identifizieren kann. Häufig entspricht ein verwendeter Ausdruck, etwa ein Eigenname, beiden Präferenzen gleichzeitig. In manchen Fällen können jedoch nicht beide Präferenzen erfüllt werden, beispielsweise wenn dem Rezipienten ein Personenname nicht bekannt ist. In diesen Fällen lockern Sprecher die Präferenz für Minimierung (Sacks/ Schegloff 1979: 16). Die Herstellung von Personenreferenz ist eine komplizierte Aufgabe, weil der Sprecher bei der Wahl eines adäquaten Ausdrucks auf Inferenzen über das Wissen des Rezipienten angewiesen ist und ihm als Grundlage für diese Inferenzen nur das sprachliche Verhalten des Rezipienten zur Verfügung steht (Auer 1984: 629). Wie Auer (1984) beschreibt, können Fehlurteile des Sprechers (also das Über- oder Unterschätzen des Rezipientenwissens) dazu führen, dass der Referenzausdruck von den Teilnehmern als problematisch behandelt wird. Eine Möglichkeit für den Sprecher, einen von ihm selbst produzierten Referenzausdruck als problematisch zu behandeln, besteht in der Elaborierung der Personenreferenz durch eine selbstinitiierte Selbstreparatur (n = 2).32 Der folgende Ausschnitt ist einer Unterhaltung zwischen der Interviewerin i-mu und dem Informanten mu05a, einem Bekannten des Vaters von i-mu, entnommen. Die beiden Personen kennen sich nicht gut, was sich unter anderem darin widerspiegelt, dass im Gespräch Informationen über die persönlichen Lebensumstände (Beruf, Haustiere, Kinder, etc.) ausgetauscht und als neu behandelt werden.

|| 32 Auf diese Technik, Referenzausdrücke als problematisch zu behandeln, geht Auer (1984: 639) nicht weiter ein, weil es bei der Arbeit mit Audiodaten schwierig ist, zwischen selbst- und fremdinitiierten Reparaturen zu unterscheiden. Im folgenden Beispiel liegt aufgrund der frühen Reparaturinitiierung direkt im Anschluss an den Eigennamen jedoch recht starke Evidenz für eine selbstinitiierte Reparatur vor.

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(35) 01 mu05a: 02 03 i-mu: 04 mu05a: 05 i-mu:

die GITta-* äh mei fra[u k]auft ab und zU mol [wos ] vom kataLOG[mhm-] [mhm-] und wenn_s nIx is schickt sie_s halt wieder [ZRUCK,] [mhm; ]

In diesem Beispiel beschreibt mu05a die Einkaufsgewohnheiten seiner Frau. Er verwendet zur Herstellung der Personenreferenz zunächst den Eigennamen seiner Frau zusammen mit dem definiten Artikel (die GITta, Z. 01).33 Da i-mu aber weder mu05a noch seine Ehefrau gut kennt, zweifelt mu05a offenbar sofort daran, dass seine Gesprächspartnerin mit dem Vornamen seiner Frau etwas anzufangen weiß. Er initiiert daher eine Selbstreparatur und ersetzt den Eigennamen durch mei fra[u (Z. 02). Der Sprecher orientiert sich also am Prinzip des Rezipientendesigns, genauer gesagt an der Präferenz für „recognitionals“ und stellt sicher, dass die Gesprächspartnerin die Person identifizieren kann, von der die Rede ist. Wie die Rezipientensignale von i-mu zeigen (mhm–, Z. 03), ist der Sprecher mit der Elaborierung der Personenreferenz erfolgreich.

Reparatur des Handlungsformats Abschließend wenden wir uns dem Typ der pragmatischen Elaborierung zu, der das Handlungsformat bearbeitet (n = 1). Reparaturen des Handlungsformats können als eine Ressource zur Bewältigung der Aufgabe angesehen werden, die in der Konversationsanalyse häufig als „action construction“ (oder „action formation“) bezeichnet wird (vgl. Drew et al 2013). Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, beschreibt Heritage (2012: 2) als „the ways in which turns at talk are designed and produced so as to be recognizable as actions of a particular kind“. Sprecher können beispielsweise das syntaktische Format des Redebeitrags verändern, um eine soziale Handlung auf eine ganz bestimmte Weise auszuführen. Der nächste Ausschnitt, in dem Hermann und Esther über die Belastungen sprechen, die das Leben im Container mit sich bringt, zeigt eine solche Reparatur:

|| 33 Die Verwendung des definiten Artikels zusammen mit einem Eigennamen variiert im gesprochenen Deutsch zum einen regional, zum anderen kann sie der Steuerung des Gesprächsverlaufs dienen (vgl. Betz 2013).

82 | Typen von Reparanda (36) 01 Hrm: ich weiß ja nich wie DU so bist; 02 BISte;* (-) 03 ich_schätz dich mal NICH so ein dass du so_n laBIler TYP bist eigent[lich.=ne?] 04 Etr: [laBIL ] eigentlich nich [nö;] 05 Hrm: [nö.]

In Z. 02 beginnt Hermann eine Frage, indem er ein Verb in Spitzenstellung mit klitisiertem Personalpronomen (BISte) produziert. Gleich im Anschluss unterbricht er die Äußerung, retrahiert zum Beginn dieser syntaktischen Gestalt und tilgt sie durch die Produktion eines Deklarativsatzes, in dem das Verb an zweiter Position steht (ich_schätz, Z. 03). Mit dieser syntaktischen Veränderung ist eine Reparatur des Handlungsformats verbunden. Hermann bringt die begonnene Ja-Nein-Frage, die – wie die Kopula vermuten lässt – auf eine Eigenschaft von Esther abzielt, nicht zum Abschluss. Stattdessen entscheidet er sich für eine Bewertung von Esthers Charakter, die allerdings, wie Esthers Antwort in Z. 04 zeigt, als Frage behandelt wird. Die Handlungsformate ‚Frage‘ und ‚Bewertung‘ unterscheiden sich in verschiedener Hinsicht stark voneinander. Das liegt insbesondere daran, dass die durchzuführende Handlung persönliche Eigenschaften der Gesprächspartnerin betrifft. Das begonnene Frageformat würde Esther zu einer Selbstbewertung in Form einer Ja- oder Nein-Antwort auffordern. Diese Selbstbewertung würde Hermann somit von der heiklen Aufgabe befreien, eine Fremdbewertung durchzuführen. Vor dem Hintergrund, dass der erste Bewerter sich generell in einer „ungünstigen Situation“ befindet (Auer/Uhmann 1982: 5) und dass darüber hinaus im vorliegenden Beispiel die Fremdbewertung einer anwesenden Person ansteht, die immer mit gesichtsbedrohendem Potential verbunden ist (vgl. Goffman 1967 zum „face“-Begriff), erscheint Hermanns Entscheidung gegen ein JaNein-Frageformat zunächst wenig nachvollziehbar. Aber auch eine Ja-Nein-Frage ist in diesem Kontext potentiell problematisch, weil sie implizieren kann, dass beide Antwortmöglichkeiten vom Fragenden als gleich wahrscheinlich eingestuft werden. Diese Implikation wird dadurch noch verstärkt, dass sich Hermann in Z. 01 explizit als unwissend positioniert. Wenn man annimmt, dass sich Hermanns abgebrochene Frage (wie die tatsächlich vorgenommene Bewertung) auf die negative Eigenschaft ‚labil sein‘ bezogen hätte, hätte eine neutrale Position des Fragenden in Bezug auf die Antwortmöglichkeiten für Esther gesichtsbedrohenden Charakter. Beide Handlungsformate bergen also gewisse interaktionale Risiken. Im Falle der Frage nach einer negativen Eigenschaft des Gesprächspartners hat das

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Bewertungsformat gegenüber dem Frageformat jedoch einen Vorteil. Der Sprecher kann gleichzeitig mit der Hervorbringung der Frage eine gesichtswahrende Fremdbewertung vornehmen, indem er bei der Formulierung der Frage eine der beiden Antwortmöglichkeiten als erwartet und bevorzugt markiert. Im Beispiel markiert Hermann durch die Negation (ich_schätz dich mal NICH so ein, Z. 03) und durch die Fragepartikel ne? die verneinende Antwort als präferierte Alternative. Dadurch positioniert sich Hermann als Gesprächspartner, der Esther ausdrücklich nicht die Eigenschaft ‚labil sein‘ zuschreibt. Er zieht sich somit elegant „aus der Affäre“: Widerspricht sie ihm, trägt sie selbst die Verantwortung für die negative Zuschreibung und die damit verbundene Gesichtsbedrohung. Esther wählt jedoch die präferierte Antwortmöglichkeit und gibt dadurch eine gleichlaufende Bewertung ab, sodass die Sequenz ohne weitere Komplikationen beendet werden kann.

4.2.3 Unklare semantische Reparaturen Abschließend soll noch kurz auf diejenigen retrospektiven Reparaturen eingegangen werden, die weder eindeutig als Elaborierung noch als Korrektur eingestuft werden können. In allen Fällen handelt es sich um semantische Reparaturen, die aufgrund ihrer unklaren Zuordnung als unklare semantische Reparaturen (n = 31; 4,7 % der retrospektiven Reparaturen) bezeichnet werden. Solche Reparaturen treten dann auf, wenn die Wortform des Reparandums wegen eines frühen Abbruchs nicht rekonstruiert werden kann. Im nächsten Ausschnitt spricht k07 über die fehlenden Möglichkeiten für Immigranten, in den 1970er Jahren Deutschkurse zu besuchen: (37) 01 k07: die ham nie gele:rnt äh: die: SPRAche. 02 (ja dann) die jingen nich in die ro'* in die Abendschule, 03 und da waren auch keine KURse angeboten.

In Z. 02 unterbricht die Sprecherin das Reparandum bereits nach den ersten beiden Phonemen (ro'*) und ersetzt es durch Abendschule. Es ist unklar, ob es sich bei ro beispielsweise um den Namen einer Abendschule handelt, was für eine Kategorisierung der Selbstreparatur als Entspezifizierung sprechen würde, oder um den Beginn eines fehlerhaften lexikalischen Elements, was für eine semantische Korrektur sprechen würde. Aufgrund dieser Unklarheit werden solche Reparaturen einer eigenen Kategorie zugewiesen.

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4.3 Projektionsreparaturen Wenden wir uns nun den Projektionsreparaturen zu (n = 542; 21,2 % aller Selbstreparaturen). Im Gegensatz zu den retrospektiven Reparaturen ist die Problemquelle bei Projektionsreparaturen kein zurückliegendes Element, sondern die Projektion, die von einem zurückliegenden Element ausgeht (siehe auch Kap. 4.1.2.3 zur Abgrenzung von Projektionsreparaturen). Es gibt zwei Grundtypen von Projektionsreparaturen: die Reparatur des projizierten Nomens und die Reparatur des projizierten Verbs. Die beiden Typen unterscheiden sich hinsichtlich des primären Reparandums (projiziertes Nomen oder Verb), hinsichtlich des sekundären Reparandums, von dem die reparaturbedürftige Projektion ausgeht, und hinsichtlich des Projektionstyps („Adjazenzprojektion“ vs. „Distanzprojektion“, Auer 2007: 99f.), der bearbeitet wird. Bei Reparaturen des projizierten Nomens tritt ein Determinierer oder ein Adjektiv als sekundäres Reparandum auf und teilt mit dem primären Reparandum (projiziertes Nomen) denselben syntaktischen Slot, nämlich die Nominalphrase. In diesen Fällen werden also Adjazenzprojektionen repariert, die aus interaktionaler Sicht relativ stark sind, weil das sekundäre Reparandum die Wortart (Nomen) und die morphosyntaktische Form (Kasus, Numerus, Genus und Definitheit) des unmittelbar benachbarten Elements erwartbar machen. Bei Reparaturen des projizierten Verbs hingegen tritt ein Hilfsverb oder eine syntaktische Ergänzung als sekundäres Reparandum auf. Das sekundäre Reparandum und das primäre Reparandum (projiziertes Verb) liegen in verschiedenen syntaktischen Slots. Solche Reparaturen bearbeiten fast ausschließlich Distanzprojektionen, die nicht unmittelbar benachbarte Konstituenten erwartbar machen. Projektionsreparaturen werden wie retrospektive Reparaturen dazu eingesetzt, den Redebeitrag an die Erfordernisse der zu erfüllenden interaktionalen Aufgabe anzupassen. Dabei greifen Projektionsreparaturen nicht nur in die Morphosyntax ein – Egbert (2009: 67f.) analysiert beispielsweise Selbstreparaturen, die in dieser Arbeit als Reparaturen des projizierten Verbs klassifiziert werden, als Reparaturen der „grammatischen Form“ –, sondern bearbeiten gleichzeitig auch die semanto-pragmatische Ebene der Äußerung. Dem soll der umfassendere Begriff ‚Projektionsreparatur‘ Rechnung tragen.

Projektionsreparaturen | 85

4.3.1 Reparatur des projizierten Nomens Reparaturen des projizierten Nomens (n = 189; 34,9 % der Projektionsreparaturen) können danach unterteilt werden, ob es sich beim sekundären Reparandum um einen Determinierer (n = 182) oder um ein Adjektiv (n = 7) handelt. Im folgenden Beispiel für eine Reparatur des projizierten Nomens, in dem hh04 über seine Arbeit als Wirtschaftsprüfer spricht, tritt ein Determinierer innerhalb einer Präpositionalphrase als sekundäres Reparandum auf:34 (38) 01 hh04: wir müssen ja mit dEn gesetzen arbeiten die DA sind. 02 i-hh04: mhm_mhm03 hh04: wir ham ja keinen Einfluss auf das* °hh auf die entSTEhung der gesetze.

Hh04 unterbricht seine Äußerung nach dem definiten Artikel das (Z. 03) und initiiert eine Selbstreparatur, sodass die Projektion eines neutralen Nomens offen bleibt. Er retrahiert zum Beginn der Präpositionalphrase, wiederholt die Präposition und verändert das Genus des Determinierers (die, Z. 03). Dadurch wird die projizierte Form des Nomens von Neutrum zu Femininum verändert, was auf eine Substitution des ursprünglich geplanten Nomens hindeutet. Das Nomen entSTEhung schließt die offene Projektion. Im nächsten Beispiel repariert die Sprecherin ein projiziertes Nomen dadurch, dass sie ein Adjektiv morphosyntaktisch verändert. Adjektive kongruieren in Kasus, Numerus und Genus mit ihrem Bezugsnomen und projizieren deshalb, genau wie Determinierer, eine bestimmte morphosyntaktische Form des Nomens. Der folgende Beleg ist einer Sequenz entnommen, in der sich die Sprecherin darüber beschwert, dass die Innenstadt so schmutzig ist: (39) 01 fr03a: aber es ISCH halt ä so:; 02 nee aber des isch schon a große* ä:h (.)

°h a großes Ärgernis für MICH;

In Z. 02 unterbricht die Sprecherin die emergente syntaktische Gestalt nach dem Adjektiv große und initiiert eine Selbstreparatur. Sie wiederholt die dialektale (alemannische) Form des indefiniten Artikels a, die im Singular für alle Genera gleich lautet, und verändert anschließend das Genus der ursprünglichen Adjek|| 34 Siehe Beispiel (70) in Kapitel 5.2.3 für eine Reparatur des projizierten Nomens mit Veränderung des Genus, die nicht in eine Präpositionalphrase eingebettet ist.

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tivform von Femininum (große) zu Neutrum (großes).35 Durch diese Veränderung wird ein anderes Nomen projiziert. Da Reparaturen wie (38) und (39) auf das Nomen abzielen, dienen sie nicht nur der Veränderung der Morphosyntax, sondern aus Sprechersicht vor allem der Veränderung der Semantik der Äußerung, auch wenn die Art der semantischen Veränderung – gerade weil das primäre Reparandum ein projizierter Teil der Äußerung ist – für den Rezipienten nicht zu rekonstruieren ist. Dies trifft nicht nur auf Reparaturen des Genus zu, sondern auch auf Veränderungen der Nominalkategorien Numerus und Definitheit, weil auch diese Reparaturen die Semantik der Nominalphrase verändern. Im folgenden Beispiel, in dem sich die beiden Gesprächsteilnehmer über Wirtschaftspolitik unterhalten, wird bei der Substitution des Artikels die Definitheit verändert: (40) 01 hh04:

dass dAs denn in einem* in dem wirtschaftlichen bereich KURklinik; 02 °hh (-) dazu führt (-) dass die sich also EINschränken müssen;= 03 =vielleicht auch persoNAL entlassen müssen; 04 i-hh04: ja05 DAran [ hab]en die jetzt nich geDACHT. 06 hh04: [nech-]

Der Sprecher unterbricht seinen Turn in Z. 01 nach dem indefiniten Artikel einem, retrahiert zum Beginn der Präpositionalphrase und ersetzt den Artikel durch den definiten Artikel dem. Diese Reparatur greift in die Morphosyntax ein und verändert die Definitheit, was sich wiederum auf die Semantik der Nominalphrase auswirkt, weil ein in der ursprünglichen Äußerung unbestimmter Referent durch einen bestimmten Referenten ersetzt wird. Darüber hinaus gibt es auch Reparaturen des projizierten Nomens, die zwar nicht in die Morphosyntax eingreifen, aber durch die Substitution des Artikels eine semantische Veränderung herbeiführen, die auch das Nomen betrifft: (41) 01 02 03 04 05

hh04: es gibt ja au[ch DEUT]sche. i-hh04: [aha] ja. hh04: die (-) das'* unser sozial (.) system AUSnutzeni-hh04: ja-

|| 35 Bei einer Verwendung des standardsprachlichen indefiniten Artikels müsste dieser zusätzlich zum Adjektiv verändert werden, da sich hier die Formen in Femininum und Neutrum unterscheiden.

Projektionsreparaturen | 87

In Z. 04 leitet hh04 mit dem Relativpronomen die einen Relativsatz ein, den er in der darauf folgenden Nominalphrase nach dem Determinierer das durch Glottalverschluss abbricht. Dieser Artikel wird durch den Possessivartikel unser ersetzt, wodurch die Semantik der Nominalphrase verändert wird. Während der Referent in der ursprünglichen Äußerung durch den definiten Artikel lediglich als näher bestimmt gekennzeichnet wird, kommt durch den Possessivartikel zusätzlich ein Besitzverhältnis zum Ausdruck. Es wird in dieser Reparatur also keine Veränderung der morphosyntaktischen Kategorie Definitheit (definit vs. indefinit) vorgenommen. Beide Artikelformen drücken Definitheit aus, unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihrer Semantik. Mit Reparaturen des projizierten Nomens sind aus Rezipientensicht verschiedene Unsicherheiten verbunden. Zum einen ist nicht klar, ob das ursprünglich intendierte Nomen mit dem tatsächlich produzierten übereinstimmt. Hatte der Sprecher in den Beispielen (40) und (41) bereits vor der Reparaturinitiierung die Nomen bereich bzw. sozialsystem ausgewählt? Oder hatte der Sprecher ursprünglich ein anderes Nomen geplant? Mit einem Eingriff in eine der Nominalkategorien Numerus oder Definitheit muss im Gegensatz zu einer Veränderung des Genus wie in (38) und (39) nicht unbedingt eine lexikalische Substitution des Nomens verbunden sein; sie ist aber selbstverständlich möglich.36 Zum anderen bleibt in vielen Fällen ungewiss, ob das sekundäre Reparandum (z. B. das in Beispiel (41), Z. 04) vom Sprecher tatsächlich als Determinierer und nicht als Pronomen geplant war. Es besteht also die Möglichkeit, dass in Fällen wie (41) überhaupt kein Nomen vorgesehen war und der Sprecher die Äußerung ursprünglich syntaktisch völlig anders fortsetzen wollte. Solche Unsicherheiten sind ganz typisch für das Wesen von Projektionen in der sprachlichen Interaktion und damit auch für Projektionsreparaturen. Diese Reparaturen adjustieren die auszuführende sprachliche Handlung zu einem sehr frühen Zeitpunkt innerhalb des emergenten Turns – noch bevor das eigentliche Problem an der Oberfläche der Äußerung für den Rezipienten wahrnehmbar geworden ist. Dadurch vermeiden die Sprecher eine retrospektive Reparatur, die nicht nur auf ein projiziertes Element, sondern auf ein tatsächlich vorliegendes, umfangreicheres Element abzielt. Eine projizierte Konstituente ist auch semantisch und pragmatisch weniger stark „aufgeladen“ als eine tatsächlich produzierte Konstituente, weil Projektionen immer zu einem gewissen Grad vage sind und nicht erfüllt werden müssen, während ein tatsächlich vorliegendes Wort (bzw. Reparandum) in der Interaktion als gesichertes „soziales Ereig|| 36 Die Möglichkeit der Veränderung des Kasus wird hier nicht erwähnt, weil es sich in diesen Fällen um Reparaturen des projizierten Verbs handelt.

88 | Typen von Reparanda

nis“ behandelt werden kann. Die frühe Initiierung bei Projektionsreparaturen begrenzt also die Schwere des zu bearbeitenden Problems.

4.3.2 Reparatur des projizierten Verbs Reparaturen des projizierten Verbs (n = 353; 65,1 % der Projektionsreparaturen) treten noch häufiger auf als Reparaturen des projizierten Nomens. Die Beispiele in dieser Kategorie unterscheiden sich darin, ob ein Hilfsverb oder eine Ergänzung als sekundäres Reparandum auftritt. Im folgenden Beispiel, in dem ein Hilfsverb als sekundäres Reparandum bearbeitet wird, erzählt k10a, dass sich seit dem Beginn von Fernsehübertragungen die Aufführungen kölnischer Theaterstücke sprachlich stark ans Hochdeutsche angenähert haben: (42) 01 i-k: 02 03 k10a:

hat'* war das denn dann g' grundSÄTZlich so?= =oder war das nur bei den FERNsehaufzei[chnungen. ] [es war bei] den FERNsehaufzeichnungen so.

Die Sprecherin unterbricht ihre Frage nach der Produktion des Verbs in Spitzenstellung hat (Z. 01) und ersetzt dieses durch die Kopula war. Mit dieser Reparatur ist eine syntaktische Neuplanung der Äußerung verbunden, weil die rechte Satzklammer nun nicht mehr mit einem Vollverb besetzt werden kann, das haben als Hilfsverb fordert, bzw. nicht mehr leer bleiben kann, falls hat als Vollverb geplant war. Stattdessen ist nun ein Verb, dessen Perfekt mit der Kopula sein gebildet wird oder ein Prädikativ als Element der rechten Satzklammer projiziert. Auch im nächsten Ausschnitt tritt ein Hilfsverb als sekundäres Reparandum auf. Die Hausbewohner äußern sich zum Diskussionsthema, ob sie mit einer Person, in die sie sich verliebt haben, zusammenbleiben würden, auch wenn sie AIDS hat: (43) 01 Etr: ich denk mal wenn ich mich in jemanden richtig verLIEben würde, 02 und ich wüsste das WÄR_er, 03 dann: würd mir das Au nichts AUSmachen;

Projektionsreparaturen | 89

04 Tba: also ICH hab das* äh05 °h Ich seh das auch SO? 06 dass ich ja SELber betroffen sein kann.

Tabea beginnt ihren Diskussionsbeitrag in Z. 04 und unterbricht ihn, bevor sie einen Abschlusspunkt erreicht (also ICH hab das*), um eine Selbstreparatur durchzuführen. Sie ersetzt das sekundäre Reparandum – das Hilfsverb hab – durch das Vollverb seh, wodurch sich das projizierte Verb verändert. Während in der ursprünglichen Äußerung das Hilfsverb hab ein Partizip in der rechten Satzklammer projiziert, ist nach der Substitution eine leere rechte Satzklammer oder ein Prädikativ (Ich seh das als...) zu erwarten. Die Sprecherin verändert also das projizierte Verb und dadurch die syntaktische und semantopragmatische Projektion der Äußerung, indem sie das Hilfsverb durch ein Vollverb ersetzt. Häufig handelt es sich beim sekundären Reparandum um eine Kopula. Im folgenden Ausschnitt erzählt mu02c, wie schwierig es ist, in München eine Wohnung zu finden: (44) 01 mu02c: des war ja a katasTROphe; 02 i hab gar nit gwusst dass des so schlimm is; 03 °h i bin dann* hab dann_n MAkler angrufen und so,

Die Sprecherin unterbricht ihre Äußerung nach einem Adverb (i bin dann*, Z. 03), retrahiert zurück zum Verb und ersetzt die Kopula bin durch hab. Vor der Initiierung war ein Prädikativ oder das Partizip eines Verbs, dessen Perfekt mit sein gebildet wird, projiziert. Durch die Substitution der Kopula wird nun ein anderes Partizip projiziert, dessen Perfekt mit haben gebildet wird. Diese Projektion wird schließlich durch angrufen erfüllt. Ein projiziertes Verb kann auch durch eine Veränderung des Genus Verbi repariert werden. Im folgenden Ausschnitt unterhalten sich die Teilnehmerinnen über eine Telefonauskunft, an die man sich in Köln bei Fragen zum Hochwasser wenden kann: (45) 01 k07: und bei ner gewissen °h HÖhe? 02 wird dieses telefon geSCHALtet, 03 und dann ist dieses bÜro auch beSETZT.=ne04 dann wird das rund um die uhr wird* (.) können_se Anrufen und fragen05 den pEgel können se ja EH immer anrufen.=ne,

90 | Typen von Reparanda

In Z. 04 unterbricht k07 eine Apokoinu-Konstruktion unmittelbar nach dem Verb wird, das auf das Koinon folgt (dann wird das rund um die uhr wird*, Z. 04). Sie ersetzt dieses Verb, das das Partizip einer Passiv-Konstruktion projiziert, durch das Modalverb können, das den Infinitiv einer Aktiv-Konstruktion projiziert. Mit der Reparatur des projizierten Verbs ist hier also gleichzeitig eine Veränderung des Genus Verbi verbunden, die sowohl in die syntaktische als auch in die semantische Ebene der Äußerung eingreift. Im folgenden Beispiel handelt es sich beim sekundären Reparandum nicht wie in den bisherigen Fällen um ein Verb, sondern um eine Ergänzung.37 Der Beleg stammt aus einem psychotherapeutischen Gespräch, in dem der Patient vom Kontakt zu seinem Vater erzählt: (46) 01 P57: äh: zu meim VAter isch es Eigentlich eher; (--) 02 bis zu dem zEitpunkt äh WEniger gwäsa, 03 bis_er zur:* (.) bis_er den HAUSmeischderjob gmacht hot-

In Z. 03 beginnt P57 eine Präpositionalphrase und bricht sie nach der klitisierten Form von Präposition und Determinierer zur: ab. Die Selbstreparatur besteht darin, dass der Patient die begonnene Präpositionalphrase durch die Nominalphrase den Hausmeischderjob „überschreibt“. Dadurch verändert sich die projizierte Fortsetzung des Redebeitrags. An die Stelle des ursprünglich projizierten Verbs mit Präpositionalobjekt tritt ein Verb, das ein Akkusativobjekt fordert. Diese Projektion wird durch gmacht hot geschlossen. Reparaturen des projizierten Verbs betreffen – wie Reparaturen des projizierten Nomens – einerseits die syntaktische Ebene der Äußerung. Mit der Substitution des projizierten Verbs ist eine syntaktische Neuorganisation der gesamten emergenten Struktur verbunden, weil vom neuen Verb andere Ergänzungen gefordert werden. Wie die Analysen gezeigt haben, bringen die Veränderung des projizierten Verbs und der vom Verb geforderten Ergänzungen andererseits auch Veränderungen auf der semanto-pragmatischen Ebene mit sich. Der Redebeitrag wird also auf verschiedenen Ebenen angepasst, damit die jeweilige Handlung adäquat durchgeführt werden kann. Reparaturen des projizierten Verbs liefern – genau wie Reparaturen des projizierten Nomens – Evidenz dafür, dass die Gesprächsteilnehmer dazu tendieren, Probleme in ihrem Redebeitrag so früh wie möglich zu bearbeiten. Diese

|| 37 Für weitere Reparaturen des projizierten Verbs, in denen eine Ergänzung als sekundäres Reparandum auftritt, siehe die Beispiele (73) auf S. 116, (76) auf S. 119 und (167) auf S. 236.

Prospektive Reparaturen | 91

Strategie ist unter interaktionalen Gesichtspunkten sinnvoll, weil der Sprecher auf diese Weise nicht nach dem Abschluss der syntaktischen Gestalt (durch die Produktion des Verbs in der rechten Satzklammer) retrospektiv zur Bearbeitung der Gesamtstruktur (d. h. Hilfsverb, Vollverb und Ergänzungen) gezwungen ist, sondern lediglich vor einem möglichen syntaktischen Abschlusspunkt das Hilfsverb bzw. die bis zum Abbruchpunkt produzierten Ergänzungen reparieren muss. Einerseits vermeidet der Sprecher durch die frühe Reparatur des projizierten Verbs das Auftreten eines umfangreicheren, semantisch stärker aufgeladenen Reparandums und begrenzt damit die Schwere des zu bearbeitenden Problems. Andererseits verhindert er durch die frühe Reparaturdurchführung das Erreichen eines übergaberelevanten Punkts und damit einen möglichen Verlust des Rederechts, bevor das Problem beseitigt werden kann.

4.4 Prospektive Reparaturen Prospektive Reparaturen (n = 1.288; 50,3 % aller Selbstreparaturen), die ausschließlich Wiederholungen umfassen, sind die größte Gruppe im Korpus. Wiederholungen können zwar verschiedene interaktionale Funktionen erfüllen, wie beispielsweise das Gewinnen der Aufmerksamkeit des Rezipienten (vgl. Goodwin 1980) oder die Reparatur des Sprecherwechsels (siehe Kap. 4.5). Häufig ist jedoch bei Wiederholungen das Reparandum nicht zu rekonstruieren, sodass die Rezipienten (und Analysten) auf Vermutungen bezüglich ihrer Funktion angewiesen sind. Im folgenden Beispiel klärt der Therapeut die Patientin zu Beginn der Sitzung über den Zweck des Gesprächs über ihre chronischen Schmerzen auf: (47) 01 T: also ja_auch wEnn man vielleicht (-) nicht dEfinitiv alles KLÄren kann da[durch,] 02 P: [hm] 03 T: aber: °hh ähm:: wollen wir dOch wissen ob (-) ob das den: (-) betrOffenen eben GUT tut; (--) 04 T: ja? 05 und (-) dAs sOll eigentlich bei der* (.) der stUdie überPRÜFT werden.

In Z. 05 initiiert der Therapeut nach dem Determinierer in einer Präpositionalphrase eine Selbstreparatur, retrahiert zurück zum Determinierer, wiederholt diesen und bringt anschließend die syntaktische Struktur zum Abschluss. Der nächste Beleg stammt aus einem informellen Interview, in dem sich die Gesprächspartner über die Kommunalpolitik von Hamburg unterhalten:

92 | Typen von Reparanda (48) 01 i-hh04: ich mein ich hab den Eindruck das: (.) is jetz sehr libeRAL geworden, 02 sehr soZIAL in hamburch, 03 is* is vielleicht auch: (.) NOTwendig04 wegen ja_gut je[tz mit der:] (.) DROgengeschichte05 hh04: [mh::; hh° ]

Der Sprecher retrahiert nach der Produktion einer Kopula in Spitzenstellung (is, Z. 03) zurück zum Turnbeginn und wiederholt sie, bevor er mit dem Redebeitrag fortfährt. Wiederholungen ohne klar erkennbares Reparandum wie (47) und (48) werden häufig als Ressourcen für den Zeitgewinn interpretiert, weil sie häufig so eingesetzt werden, dass die Produktion von Inhaltswörtern verzögert wird (vgl. Rieger 2003; Fox/Jasperson 1995; Fox et al. 1996, 2009a, 2009b, 2010). Für die Analyse der Funktion von Wiederholungen scheint also die exakte Position innerhalb der syntaktischen Struktur eine wichtige Rolle zu spielen. Daher wird die funktionale Analyse dieser Reparaturen zusammen mit der Analyse der quantitativen Distribution der Wiederholungen innerhalb der syntaktischen Struktur vorgenommen (siehe Kap. 6.4.2). Dort zeigt sich in der Tat, dass die Interpretation von Wiederholungen als Strategien für den Gewinn von syntaktischer, semantischer und pragmatischer Planungszeit eine plausible Hypothese darstellt.

4.5 Reparatur des Sprecherwechsels Neben den bisher vorgestellten Reparandumstypen, die entweder den retrospektiven Reparaturen, Projektionsreparaturen oder prospektiven Reparaturen zugeordnet werden können, gibt es auch Reparanda, die unabhängig von diesen Reparaturtypen beschrieben werden müssen. Ein solches Reparandum liegt in Reparaturen des Sprecherwechsels (n = 72; 2, %) vor. Reparaturen des Sprecherwechsels können weder den retrospektiven Reparaturen noch den Projektionsreparaturen zugeordnet werden, weil kein Element der Äußerung verändert wird. Die Reparatur ähnelt zwar den prospektiven Reparaturen, weil eine Wiederholung als Reparaturoperation eingesetzt wird. Es liegt jedoch im Unterschied zu den prospektiven Reparaturen auf der interaktionalen Ebene ein Reparandum vor, sodass auch die Charakterisierung als prospektive Reparatur nicht zutrifft. Das Reparandum besteht bei Reparaturen des Sprecherwechsels in der Verletzung eines grundlegenden Organisationsprinzips des Turn-Taking-Systems, nämlich „one party talks at a time“ (Sacks et al. 1974:

Reparatur des Sprecherwechsels | 93

706). Wenn zwei (oder mehr) Teilnehmer gleichzeitig sprechen, entsteht überlappende Rede (vgl. Jefferson 2004; Schegloff 1987a; Oloff 2009, 2012), die von den Teilnehmern als problematisch behandelt und regelmäßig repariert wird. Ins Selbstreparaturkorpus wurden ausschließlich solche Fälle von Reparaturen des Sprecherwechsels aufgenommen, in denen ein Sprecher einen überlappten Teil seiner Äußerung wiederholt, um ihn in Nicht-Überlappung besser hörbar zu machen.38 Solche Fälle treten häufig am Turnbeginn auf (73,6 % der Reparaturen des Sprecherwechsels) und werden auch als „recycling“ (Schegloff 1987a) bezeichnet. Dem folgenden Abschnitt geht die Bemerkung der Interviewerin voraus, dass eigentlich kein Beruf so ist, wie man ihn sich wünscht. Dem widerspricht fr03a, indem sie ihren Beruf als „Idealberuf“ bezeichnet. Ihr Ehemann fr03b schließt sich ihr mit einer identischen Bewertung seines eigenen Berufs an: (49) 01 02 03 04 05 06 07

fr03a: i-fr03: fr03a: fr03b: i-fr03: fr03b: fr03a:

ich hAb mei ideALberuf; ja?

[mhm] [haha]ha [haha ] [und*] [ 08 fr03b: [un Ich hab_n*] 09 fr03a: [ haha][haha ] 10 i-fr03: ha[haha ] 11 fr03b: [un Ich ][hab_n* (-) un] Ich hab_n GHABT-=gell, 12 [mei ide]ALberuf; 13 i-fr03: ['hm_hm;] 14 i-fr03: [mhm,] 15 fr03a: [ ja] du [AU,] 16 fr03b: [ ha] ja:,

In Z. 03 unterstreicht fr03a die Bewertung ihres Berufs als ideALberuf (Z. 01), indem sie beteuert, dass sie ihn WIEder lerne; (Z. 03) würde. Im Anschluss an diese Beteuerung beginnt fr03b einen Redebeitrag (Z. 06), jedoch fängt die Interviewerin i-fr03 zeitgleich zu lachen an (Z. 05), sodass eine Überlappung entsteht und fr03b seinen Turn abbricht ([und*], Z. 06). Daraufhin schließt fr03a die Bewertung ihres Berufs mit einer Bemerkung ab, die – wie das Lachen zeigt – von den Teilnehmern als humorvoll interpretiert wird (Z. 07). Noch bevor ihr Redebeitrag einen Abschlusspunkt erreicht (und noch bevor ein Abschluss-

|| 38 In diesen Reparaturen werden Retraktionen eingesetzt. Das Vorliegen einer Retraktion ist ein zentrales Kriterium bei der Eingrenzung des Untersuchungsphänomens (siehe Kap. 1.1).

94 | Typen von Reparanda

punkt projiziert ist), beginnt ihr Ehemann fr03b in Z. 08 erneut seinen Turn. Da fr03a in Z. 07 nach wie vor das Rederecht besitzt und sie ihren Redebeitrag nicht abbricht, unterbricht fr03b seinen begonnenen Turn ([un Ich hab_n*], Z. 08) noch einmal, sodass fr03a ihren Redebeitrag ohne überlappende Rede zu Ende führen kann. Nachdem fr03a einen Abschlusspunkt erreicht hat, beginnt fr03b seinen Turn ein weiteres Mal. Obwohl er den Turnbeginn bei diesem Versuch an einem „transition-relevance place“ (Sacks et al. 1974: 703) platziert, an dem ein Sprecherwechsel legitim wäre, wird fr03b erneut zum Unterbrechen seines Redebeitrags gezwungen ([un Ich ][hab_n*, Z. 11), weil die Interviewerin als Reaktion auf die humorvolle Bemerkung von fr03a zu lachen beginnt (Z. 10) und auch fr03a ihren Redebeitrag durch Lachen über den potentiellen Abschlusspunkt hinaus expandiert (Z. 09). Durch diese Unterbrechung seines Redebeitrags verhindert fr03b, dass das Gesagte im überlappenden lauten Lachen untergeht und nicht gehört wird. Fr03b wartet kurz ab und unternimmt schließlich genau zu dem Zeitpunkt einen vierten Versuch, an dem das Lachen seiner Frau endet. Die Konjunktion im Vor-Vorfeld (un, Z. 11; vgl. Schegloff 1987a: 74 zur Funktion solcher „vorangestellter“ Elemente für den Sprecherwechsel) wird zwar noch von leisem Lachen überlappt, aber der substantielle Teil der syntaktischen Struktur, von dem das Verständnis des Turns abhängt, wird ohne Überlappung artikuliert (Ich hab_n GHABT-=gell,, Z. 11), sodass sein Redebeitrag, mit dem er sich ebenfalls als „Person mit Idealberuf“ positioniert, in Z. 11 zum Abschluss kommt. Die in Kapitel 4.4 erwähnten prospektiven Reparaturen und Reparaturen des Sprecherwechsels sind über die Operation der Wiederholung miteinander verbunden, die in beiden Fällen eingesetzt wird. Die interaktionale Funktion von Wiederholungen scheint insgesamt in der Verzögerung der Äußerungsfortsetzung zu bestehen. Die Sicherung des Rederechts durch Reparaturen des Sprecherwechsels kann als spezifische Funktion der allgemeinen Verzögerungsfunktion von Wiederholungen angesehen werden.

4.6 Zusammenfassung: Typen von Reparanda In diesem Kapitel wurden drei Selbstreparaturtypen unterschieden, die jeweils bestimmte Typen von Reparanda bearbeiten: die retrospektive Reparatur, die Projektionsreparatur und prospektive Reparaturen ohne klares Reparandum. Die ersten beiden Typen wurden näher beschrieben (Kap. 4.2 und 4.3). Retrospektive Reparaturen, die sich auf ein zurückliegendes Element der Äußerung beziehen, bearbeiten ein breites Spektrum unterschiedlicher Typen von Reparanda. Retrospektive Reparaturen wurden zum einen danach differen-

Zusammenfassung: Typen von Reparanda | 95

ziert, ob ein „echter“ Fehler korrigiert wird oder lediglich eine Elaborierung vorliegt und zum anderen danach, ob das Reparandum aus Rezipientensicht auf der phonologischen, syntaktischen, semantischen oder pragmatischen Ebene angesiedelt ist. Projektionsreparaturen sind das Ergebnis einer frühen Reparaturinitiierung und zielen auf die Projektion ab, die von einem Element der Äußerung ausgeht. Die Initiierung wird in diesen Fällen bereits durchgeführt, bevor der Sprecher das eigentliche Reparandum artikuliert. Es lassen sich zwei Grundtypen dieser Reparatur unterscheiden: Reparaturen des projizierten Nomens und Reparaturen des projizierten Verbs. Während Reparaturen des projizierten Nomens nur einen syntaktischen Slot der Äußerung bearbeiten, greifen Reparaturen des projizierten Verbs in syntaktischer und semanto-pragmatischer Hinsicht stärker in den Redebeitrag ein. Eine detaillierte Untersuchung der prospektiven Reparaturen ist nicht ohne eine syntaktische Analyse möglich, sodass diese Analyse auf Kapitel 6.4.2 verschoben werden musste. Darüber hinaus wurde auf Reparaturen des Sprecherwechsels eingegangen (Kap. 4.5), die keinem der drei Reparaturtypen zugeordnet werden können.

5 Selbstreparaturoperationen Im Folgenden werden die verschiedenen Verfahren des Eingriffs in eine Äußerung beschrieben, die durch Selbstreparaturen vorgenommen werden können. Diese Verfahren werden als Selbstreparaturoperationen bezeichnet. Das vorliegende Kapitel liefert durch die Entwicklung wichtiger deskriptiver Kategorien eine Grundlage für das darauf folgende Kapitel 6, in dem eine detaillierte strukturelle Analyse des Reparaturkorpus vorgenommen wird. In den bisherigen, vor allem konversationsanalytisch ausgerichteten Beschreibungen von Selbstreparaturoperationen, lässt sich eine Tendenz feststellen, nicht-strukturelle Aspekte der Reparaturdurchführung hinzuzuziehen. So werden zum einen strukturelle Eingriffe wie beispielsweise Substitutionen und Insertionen als Operationen beschrieben (vgl. Schegloff 2013; Lerner et al. 2012; Wilkinson/Weatherall 2011) –, aber zum anderen sieht Schegloff (2013: 49f., 56ff.) auch „searching“ und „sequence-jumping“ als Operationen an, obwohl deren Beschreibung mit einer Bezugnahme auf interaktionale und sequentielle Aspekte der Selbstreparatur verbunden ist. Lerner et al. (2012: 196f.) bezeichnen ebenfalls verschiedene Verfahren der Referenzherstellung, also Aspekte der interaktionalen Funktion von Selbstreparaturen, als Reparaturoperationen. In der vorliegenden Arbeit wird ein anderer Weg eingeschlagen. Anstatt bei der Beschreibung der Selbstreparaturoperationen strukturelle und interaktionale Aspekte der Reparaturorganisation zu vermischen, stützt sich die folgende Typologie allein auf strukturelle Aspekte. In dieser Arbeit wird dennoch davon ausgegangen, dass dem Zweck einer Reparatur bzw. dem zu bearbeitenden Problemtyp (siehe Kap. 4 und 7) eine zentrale Bedeutung für die Erklärung der Selbstreparaturstruktur zukommt. Der Einfluss der Typen von Reparanda kann nicht überschätzt werden, weil die Problembehebung – d. h. die erfolgreiche Bearbeitung eines bestimmten Reparandums – gewissermaßen den Antrieb für die Durchführung von Reparaturen darstellt. Eine Selbstreparatur ist immer problemgerichtet und rezipientenorientiert, d. h., sie versucht ein interaktionales Problem zu beseitigen, das entstehen könnte oder bereits entstanden ist. Der sprachstrukturelle Fokus der folgenden Typologie der Selbstreparaturoperationen hat also nicht den Zweck, eine Darstellung von Selbstreparaturen zu liefern, die die Existenz von Reparaturfunktionen ausblendet. Vielmehr soll diese Beschreibung als Ausgangspunkt für die Analysen in Kapitel 7.1 dienen, in denen die einzelnen Operationen auf die Problemtypen abgebildet werden, die sie bearbeiten. Der Vorteil einer solchen Typologie ist, dass sie einen (mehr oder weniger) vollständigen Überblick über das Instrumentarium gibt, das zur Bearbeitung verschiedener Typen von Repa-

Selbstreparaturoperationen | 97

randa eingesetzt werden kann. Die Typologie, die hier entwickelt wird, ist also als eine erste Bestandsaufnahme des technischen Inventars zu verstehen, das den Sprechern bei der Durchführung von Selbstreparaturen zur Verfügung steht. Abbildung 3 gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Operationen, die im Korpus auftreten. Für jede der 2.574 Selbstreparaturen im Korpus wurde die durchgeführte Operation bestimmt, indem sie mit den bereits identifizierten Operationen in einem qualitativen Analyseverfahren abgeglichen wurde. Jede Operation, die sich sprachstrukturell von allen anderen Operationen unterschied, wurde in die Typologie aufgenommen. Bei insgesamt 14 Selbstreparaturen konnte die durchgeführte Operation aufgrund eines frühen Abbruchs innerhalb des Reparandums nicht eindeutig bestimmt werden. Diese Selbstreparaturen werden nicht berücksichtigt, sodass für die Untersuchung der Selbstreparaturoperationen 2.560 Selbstreparaturen zur Verfügung stehen. Im Folgenden werden die Selbstreparaturoperationen voneinander abgegrenzt und deskriptiv dargestellt. Die Reihenfolge der Darstellung orientiert sich an Abbildung 3 – die Typologie wird von oben nach unten (von allgemeineren zu spezifischeren Operationen) und von links nach rechts (zunächst die Operationen ohne, dann die Operationen mit Revision der projizierten syntaktischen Struktur) beschrieben. Eine tabellarische Darstellung der Häufigkeiten der einzelnen Operationen findet sich in Kapitel 5.4.

Abb. 3: Eine Typologie der Selbstreparaturoperationen im Deutschen (+/- A = mit/ohne Anker)

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Grundsätzlich kann man die Gesamtheit der Selbstreparaturoperationen danach unterteilen, ob sie die projizierte syntaktische Struktur verändern oder nicht. Diejenigen Verfahren, die die syntaktischen Projektionen der Äußerung nicht verändern, werden als Selbstreparaturoperationen ohne Revision der projizierten syntaktischen Struktur bezeichnet; diejenigen, die die syntaktischen Projektionen verändern, werden als Selbstreparaturoperationen mit Revision der projizierten syntaktischen Struktur bezeichnet. Diese beiden Gruppen von Operationen umfassen jeweils alle vier Grundoperationen: die Wiederholung, die Substitution, die Insertion und die Tilgung eines Teils der Äußerung. In Wiederholungen wird ein Teil der ursprünglichen Äußerung wiederholt, ohne diesen dabei in seiner morphosyntaktischen Form zu verändern. In Substitutionen wird eine Konstituente der ursprünglichen Äußerung durch eine Konstituente mit gleicher syntaktischer Funktion ersetzt; der etablierte syntaktische Rahmen der ursprünglichen Äußerung bleibt erhalten. Unter Insertion versteht man die Einfügung einer Konstituente in eine bestehende syntaktische Struktur im Anschluss an eine Retraktion, sodass die ursprüngliche Struktur erweitert wird. Tilgungen werden zum ersatzlosen Entfernen eines Teils der Äußerung eingesetzt; sie reduzieren die ursprüngliche syntaktische Struktur. Auf der Ebene der Grundoperationen liegt also eine Symmetrie zwischen der Gruppe mit und der Gruppe ohne Revision der projizierten syntaktischen Struktur vor. Erst auf den darunterliegenden spezifischeren Ebenen wird deutlich, in welchen Merkmalen sich die einzelnen Operationen unterscheiden: Die vier Grundoperationen können im Hinblick auf die Art des Reparandums, dessen syntaktischen Status und dessen Verhältnis zum Reparans näher spezifiziert werden. Manche dieser spezifischen Operationen können weiter danach differenziert werden, ob sie einen syntaktischen „Anker“ (Auer/Pfänder 2007: 61) aufweisen, d. h., ob vor der Substitution, Insertion oder Tilgung einer Konstituente ein Teil der Äußerung wiederholt wird oder nicht (+ A und − A auf der untersten Ebene von Abb. 3). Der Begriff ‚syntaktischer Anker‘ wird in der vorliegenden Arbeit folglich als eine Wiederholung von einem Wort oder von mehreren Wörtern verstanden, die vor der Durchführung der eigentlichen Reparaturoperation (Substitution, Insertion oder Tilgung) stattfindet. Aus dieser Perspektive können Wiederholungen keinen syntaktischen Anker aufweisen, weil sie keine zusätzliche Operation in der ursprünglichen Äußerung verankern.

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Zunächst kann festgehalten werden, dass Selbstreparaturen ohne Revision der projizierten syntaktischen Struktur (71,3 %) viel häufiger eingesetzt werden als Selbstreparaturen mit Revision der projizierten syntaktischen Struktur (28,7 %). Sprecher tendieren also bei der Durchführung von Reparaturen dazu, die bereits etablierte syntaktische Struktur zu erhalten. Innerhalb dieser beiden Gruppen gibt es sehr große Unterschiede im Hinblick auf die Häufigkeit der einzelnen Operationen. Bei den Operationen ohne syntaktische Revision treten Wiederholungen mit Abstand am häufigsten auf – sie machen mehr als die Hälfte (53,0 %) aller durchgeführten Selbstreparaturoperationen aus. Die Substitutionen sind in dieser Gruppe am zweithäufigsten (13,6 %), während inserierende Operationen (3,9 %) und tilgende Operationen (0,8 %) nur sehr selten eingesetzt werden. Bei den Operationen mit syntaktischer Revision liegt eine andere quantitative Verteilung vor. Substitutionen kommen hier am häufigsten zum Einsatz (23,3 %), wohingegen Wiederholungen (0,6 %), Insertionen (1,6 %) und Tilgungen (3,2 %) nur selten vorkommen.

5.1 Selbstreparaturoperationen ohne Revision der projizierten syntaktischen Struktur Die erste binäre Verzweigung der Typologie in Abbildung 3 unterscheidet die Operationen ohne Revision der projizierten syntaktischen Struktur von den Operationen mit Revision der projizierten syntaktischen Struktur. Wir wenden uns zunächst den Operationen ohne syntaktische Revision zu (n = 1.837; 71,3 %).

5.1.1 Wiederholung Die erste Selbstreparaturoperation, die nicht in die syntaktische Projektion der ursprünglichen Äußerung eingreift, ist die Wiederholung (n = 1366; 53,0 % aller Operationen).39 In Wiederholungen lässt sich in der Struktur der ursprünglichen Äußerung kein Reparandum identifizieren (siehe Kap. 4.1 zum Reparandum), weil in der Reparaturdurchführung kein Wort verändert wird. Die folgenden Transkriptauszüge enthalten solche Wiederholungen:

|| 39 Die Prozentzahlen in den folgenden Unterkapiteln beziehen sich, wenn nicht anders angegeben, auf den Anteil der jeweiligen Operation an allen Selbstreparaturoperationen.

100 | Selbstreparaturoperationen (50) 01 Tba: 02 (-) 03 Etr: haja ich hab jetzt DAS hier. 04 (0.9) 05 den*_den ABsatz hab ich erst.

(51) 01 dd01a: und (---) da ham wir (---) die produkTION uffgebaut02 mit unterstützung (.) von:* von DRÜben;: 03 mit firmen °h die uns dann EINgewiesn ham-

In Beispiel (50) beschreibt Esther, welchen Teil eines Textes sie bereits auswendig gelernt hat. In Z. 05 wiederholt sie zu Beginn ihrer TCU („turnconstructional unit“, Sacks et al. 1974: 704; vgl. auch Ford/Thompson 1996) den Determinierer den, vervollständigt die Nominalphrase und bringt anschließend den Turn zum Abschluss. Beispiel (51) handelt von der Unterstützung, die der Arbeitgeber von dd01a von westdeutschen Firmen erfahren hat. Der Sprecher wiederholt die Präposition von (Z. 02) und verzögert dadurch die Produktion des von der Präposition geforderten Komplements, das im Anschluss an die Wiederholung in Form des Adverbs DRÜben geliefert wird. Diese beiden Reparaturen repräsentieren einen der häufigsten Reparaturtypen, nämlich Wiederholungen von Funktionswörtern (siehe Kap. 6.4.2 für nähere quantitative Angaben). Es können jedoch auch Inhaltswörter wiederholt werden: (52) 01 i-hh04: und haben sie den eindruck dass das: sprechen von plAtt eher: ABnimmt? 02 [oder] wü (-) bleibt das durchaus [konSTANT;] 03 hh04: [hh° ] [nee also ] ich geh davon aus das nimmt* (-) nimmt Eher AB. 04 i-hh04: wird eher (.) WEniger. 05 hh04:

In Z. 03 unterbricht hh04 seine Äußerung nach dem finiten Verb nimmt. Nach einer kurzen Pause retrahiert er zurück zu diesem Verb und wiederholt es, bevor er die syntaktische Gestalt zum Abschluss führt. Neben der Wiederholung eines einzelnen Funktions- oder Inhaltsworts, wie in den Beispielen (50), (51) und (52), können auch mehrere Wörter wiederholt werden:

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(53) 01 02 03 04 05 06 07

i-k: k07: i-k: k07: i-k:

ja is ja WITzig;= =da in dem BAHN:ausbesserungs[werk,] [ja ] war alles nur FELder? ja auf der'* also auf der anderen SEIte da;=ne, ja

In Z. 06 unterbricht die Sprecherin die emergente Präpositionalphrase nach dem Determinierer der und setzt einen Glottalverschluss und den Reparaturmarker also zur Reparaturinitiierung ein. Anschließend vervollständigt sie die projizierte Phrase durch die Produktion von Adjektiv und Nomen (anderen SEIte). Es handelt sich bei dieser Reparatur also um die Wiederholung zweier Konstituenten zu Beginn einer Phrase, von der zum Zeitpunkt der Initiierung projizierte Elemente fehlen. Darüber hinaus kommt es auch vor, dass projizierte Konstituenten bei der Reparaturinitiierung bereits teilweise produziert worden sind, aber wortintern unterbrochen werden, um dann durch eine Wiederholung erneut aufgegriffen und vervollständigt zu werden: (54) 01 i-mu: 02 mu05a:

da hab_i natürli jetz nich den EIN* hihi den den EINblick;=ja, jaja

In diesem Auszug unterbricht die Sprecherin ihre Äußerung innerhalb eines Wortes, vermutlich nach dem Präfix eines Nomens, sodass das syntaktische Fragment den EIN zurückbleibt. Nach einem kurzen Lachen wiederholt i-mu den Determinierer der unterbrochenen Nominalphrase den, retrahiert erneut zum Phrasenbeginn und vervollständigt nach einer Wiederholung des Determinierers und des Präfixes die projizierte syntaktische Struktur. In solchen Fällen kann aus der Perspektive des Rezipienten (und des Analysten) weder der vollständige Wortlaut noch die syntaktische Kategorie der abgebrochenen Konstituente mit Sicherheit rekonstruiert werden. Deswegen ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass die ursprünglich intendierte Form des abgebrochenen Wortes in (54) eine andere als EINblick ist. Man kann keine Aussage darüber treffen, ob es sich auf der kognitiven Ebene des Sprechers nicht in Wirklichkeit um eine Substitution handelt, bei der es zwar zur Planung, aber nicht zur Artikulation des reparaturbedürftigen Wortteils kam. Um derartige Spekulationen zu vermeiden, orientiert sich die Kategorisierung der Reparaturoperationen ausschließlich an der vorliegenden sprachlichen Struktur.

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Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in allen Beispielen in dieser Gruppe Wiederholungen durchgeführt werden, bei denen die Struktur der Äußerung sowie die mit der Struktur verbundenen Projektionen in keiner Weise revidiert werden.

5.1.2 Projektionserhaltende Substitution Die zweite Selbstreparaturoperation, die eine Äußerung modifiziert, ohne in ihre Syntax einzugreifen, ist die projektionserhaltende Substitution (n = 350; 13,6 %), die ohne Anker (n = 210) oder mit Anker (n = 140) durchgeführt werden kann. Diese Operation, die sowohl vollständig produzierte als auch abgebrochene Elemente bearbeitet, greift nicht in die syntaktische Projektion der Äußerung ein, weil lediglich eine bereits vorhandene syntaktische Position mit einem anderen Element besetzt wird, das dieselbe syntaktische Form aufweist und dieselbe syntaktische Funktion erfüllt. Diese Substitutionen haben keine Auswirkungen auf die syntaktischen Kategorien der Äußerung und revidieren daher nicht deren syntaktische Projektion. Projektionserhaltende Substitutionen können mit semantischem und phonologischem Reparandum auftreten. Beispiel (55) zeigt die Bearbeitung eines semantischen Reparandums durch eine Substitution mit syntaktischem Anker: (55) 01 hh04: hatte mich da also auch so_n bißchen engaGIERT, 02 auf einem ganz schma:len* (.) °h oder auf einem ganz kleinen SEKtor-

Nach dem Adjektiv schma:len initiiert der Sprecher eine Reparatur, retrahiert zum Beginn der Präpositionalphrase und wiederholt den Beginn der Phrase auf einem ganz als syntaktischen Anker. Anschließend ersetzt er das Adjektiv durch kleinen, bei dem es sich um ein syntaktisch gleichwertiges Wort handelt. Als nachfolgende Konstituente wird nach wie vor ein Nomen projiziert, d. h., die Substitution verändert die Syntax der Äußerung nicht. Im nächsten Beispiel wird durch eine lexikalische Substitution mit Anker ebenfalls die Semantik repariert: (56) 01 k07: dann hab ich das geSCHÄFT gemacht? 02 °hh und SCHWIEgervater, (-) 03 hat die reparaTUren* die !FAHR!radreparaturen gemacht;

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In diesem Beispiel repariert k07 das Nomen reparaTUren, ohne die Selbstreparatur zuvor explizit zu initiieren. Sie retrahiert unmittelbar im Anschluss an die Produktion des Reparandums zum Beginn der Nominalphrase, wiederholt den Determinierer die, und ersetzt daraufhin das ursprüngliche einfache Nomen durch das Kompositum !FAHR!radreparaturen.40 Auch in diesem Beispiel wird ein lexikalischer Slot der bereits vorhandenen syntaktischen Struktur durch eine syntaktisch gleichwertige Konstituente neu besetzt, ohne dass in die syntaktische Struktur der Äußerung eingegriffen wird. Im Anschluss an die Nominalphrase wird sowohl in der ursprünglichen Äußerung als auch nach der Reparaturdurchführung ein Partizip projiziert. Im folgenden Beispiel wird ein phonologisches Reparandum bearbeitet. Die Selbstreparatur wird ohne Anker durchgeführt: (57) 01 Tba: ich wusste nich dass man aus kartOffenscha'* kartOffelschalen ne SUPpe machen kann. 02 Hrm: ach SO ja.

In (57) unterläuft Tabea bei der Produktion eines Nomens ein phonologischer Fehler. Sie unterbricht das fehlerhafte Wort mit einem Glottalverschluss (kartOffenscha', Z. 01) und retrahiert direkt zum Reparandum, um diese durch die korrekte phonologische Form des Nomens (kartOffelschalen, Z. 01) zu ersetzen. Auch das folgende Beispiel zeigt eine projektionserhaltende Substitution mit phonologischem Reparandum. Dieses Mal wird ein syntaktischer Anker eingesetzt: (58) 01 fr03b: was solle ma NOCH verzÄhle, 02 i-fr03: was sönne °h was kÖnne sie noch verZÄHle, 03 ((lacht))

In Z. 02 unterbricht i-fr03 ihre Äußerung nach dem finiten Verb sönne, das einen phonologischen Fehler enthält. Daraufhin retrahiert sie zum Turnbeginn, wiederholt das Fragepronomen was und produziert das Verb in der phonologisch korrekten Form könne.

|| 40 Aus einer morphologischen Perspektive könnte man diese Operation auch als eine Insertion verstehen, weil einem einfachen Nomen ein Determinans hinzugefügt wird. In dieser Arbeit wird jedoch eine syntaktische Perspektive eingenommen, die die Operationen oberhalb der Wortebene kategorisiert, sodass diese Operation als Substitution des Nomens anzusehen ist.

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In den Beispielen (57) und (58) wird eine syntaktische Konstituente, die in der Struktur der ursprünglichen Äußerung bereits angelegt ist, phonologisch verändert. Die syntaktischen Kategorien und die mit ihnen verbundenen Projektionen bleiben jedoch unverändert, sodass es sich bei diesen Substitutionen um Operationen handelt, die nicht in die Syntax der Äußerung eingreifen.

5.1.3 Projektionserhaltende Insertion Neben den bisher präsentierten Wiederholungen und Substitutionen gibt es auch inserierende Operationen, die die syntaktische Projektion der Äußerung nicht revidieren. Es lassen sich hier zwei Operationstypen unterscheiden: modifizierende Insertionen und nicht-modifizierende Insertionen.

5.1.3.1 Modifizierende Insertion Die modifizierende Insertion (n = 49; 1,9 %) tritt sowohl ohne syntaktischen Anker (n = 43) als auch mit syntaktischem Anker (n = 6) auf. Diese Operation zeichnet sich dadurch aus, dass Reparandum und Reparans adjazente Konstituenten sind und in einer Modifikationsrelation zueinander stehen. Das Reparandum ist in diesen Fällen diejenige Konstituente der ursprünglichen Äußerung, die durch die Insertion näher bestimmt wird. Im Korpus treten sowohl Nomen als auch Adjektive, infinite Verben, Präpositionen, Adverbien, eine Subjunktion und eine Negationspartikel als Reparanda auf und werden durch eine inserierte Konstituente modifiziert. Bei allen Formen der Insertion wird ein Teil der Äußerung, der bereits in der ursprünglichen Äußerung produziert wurde, nach der Durchführung der Insertion wiederholt, sodass ein postpositionierter syntaktischer Anker vorliegt (siehe Kap. 6.5.2). Im folgenden Transkriptausschnitt führt die Sprecherin eine modifizierende Insertion ohne syntaktischen Anker durch: (59) 01 fr03a:

ERSCHT wenn_s dene leut wirklich wieder' (.) SCHLECHter geht;* 02 (.) 03 [finan]ZIELL (.) schlechter; 04 i-fr03: [hm_hm] 05 fr03a: °hh dAnn halte se wieder ZAMme; (.)

Nach dem syntaktischen Abschluss des wenn-Satzes in Z. 01 retrahiert fr03a zur syntaktischen Position vor dem Adverb SCHLECHter und fügt ein weiteres Ad-

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verb (finanZIELL, Z. 03) ein. Das ursprüngliche Adverb SCHLECHter wird also vom inserierten Adverb finanZIELL modifiziert, sodass es sich beim ursprünglichen Adverb um das Reparandum handelt. An diesem Beispiel wird deutlich, warum diese Selbstreparaturoperation nicht in die projizierte Syntax der Äußerung eingreift: Das modifizierende Adverb wird eingebettet in die bereits vorhandene Adjektivphrase (deren Kopf das Reparandum ist). Die adverbiale Bestimmung finanZIELL schlechter wird also jetzt durch eine komplexe Phrase realisiert; die syntaktischen Projektionen der Äußerung bleiben jedoch unverändert.41 Auch im nächsten Beispiel (60) liegt eine solche Modifikationsrelation zwischen Reparans und Reparandum vor. Es unterscheidet sich jedoch insofern von (59), als es einen syntaktischen Anker aufweist: (60) 01 hh04:

also Ich könnte wahrscheinlich bestimmte dinge nich auf plattdeutsch AUSsprechen; 02 das:' (-) LIECHT aber- °h (-) 03 mEI:ne ich dann mehr daran daß mir also die vok'* (.) die plAttdeutschen voKAbeln; 04 °h das ist ja auch ((schluckt)) ne' tEilweise nehme ich an auch_ne eigene SPRAche; 05 i-hh04: mh 06 hh04: °h äh einfach nicht KENne.

In Z. 03 unterbricht der Sprecher eine Nominalphrase durch Wortabbruch im Nomen, retrahiert zum Beginn der Phrase und wiederholt den Determinierer die. Dieser fungiert als syntaktischer Anker für die darauf folgende Insertion des Adjektivs plAttdeutschen, das das zuvor abgebrochene Nomen voKAbeln näher bestimmt. Die Adjektivposition ist bereits in der Struktur der Nominalphrase als Option „angelegt“, sodass das nachträglich eingefügte Adjektiv die syntaktische Projektion der Äußerung nicht verändert. Anders ausgedrückt wird ein Adjektiv als fakultative Konstituente der Phrase durch den Artikel die projiziert – erst in der Reparaturdurchführung entscheidet sich jedoch der Sprecher dazu, diese offene Position zu besetzen.

|| 41 Interessanterweise wird bei der Reparaturdurchführung in Z. 03 das finite Verb geht nicht wiederholt. Solche Ausnahmen von der „No Gap Rule“ (Uhmann 2001: 396) werden ausführlich in Kapitel 6.5.2 diskutiert.

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5.1.3.2 Nicht-modifizierende Insertion Die zweite inserierende Selbstreparaturoperation, die die etablierten syntaktischen Projektionen der Äußerung nicht revidiert, ist die nicht-modifizierende Insertion (n = 51; 2,0 %). Auch diese inserierende Operation kann ohne syntaktischen Anker (n = 41) oder mit syntaktischem Anker (n = 10) durchgeführt werden. Die Konstituente, die bei dieser Reparaturoperation in die bestehende Struktur eingefügt wird, etwa ein Adverb oder eine Partikel, ist kein obligatorischer Bestandteil der syntaktischen Struktur. Fakultative Konstituenten werden von der Verbvalenz nicht gefordert und somit auch nicht durch die obligatorischen Konstituenten der Äußerung syntaktisch projiziert. Die nicht-modifizierende Insertion unterscheidet sich von der modifizierenden Insertion dadurch, dass in der ursprünglichen Äußerung kein Wort vorhanden ist, das als Reparandum gelten könnte. Bei nicht-modifizierenden Insertionen wird häufig eine Konstituente eingefügt, die sich auf die gesamte syntaktische Gestalt bezieht, sodass im Gegensatz zu den modifizierenden Insertionen keine benachbarte Konstituente als eindeutiger und einziger syntaktischer und semantischer Bezugspunkt der Reparaturoperation auszumachen ist. Im folgenden Beispiel wird bei der Reparaturdurchführung kein Anker eingesetzt: (61) 01 Ibl: aber äh °h (.) ich hab ja du arbeitest ja NUR mit dem oberkörper. 02 du STEHST ja praktisch nu'* immer nur;= 03 =du schmeißt die ZIEgel weißt_e-= 04 =du bist am HÄMmern; 05 °h bist am LATten;= 06 =ALles mit dem Oberkörper.

In Beispiel (61) initiiert Isabell in Z. 02 eine Selbstreparatur durch einen Wortabbruch, retrahiert vor das abgebrochene Wort (nu') und inseriert ein weiteres Adverb (immer). Im Gegensatz zu den modifizierenden Insertionen in den Beispielen (59) und (60) wird hier weder ein Wort durch das inserierte Element näher bestimmt, noch ist die bisher produzierte syntaktische Struktur zum Zeitpunkt der Insertion grammatikalisch nicht wohlgeformt, sodass sich hier in der ursprünglichen Äußerung kein Wort als Reparandum identifizieren lässt. Auch im folgenden Beispiel wird eine Modalpartikel nachträglich in die Äußerung eingefügt. Anders als in (61) liegt hier ein syntaktischer Anker vor: (62) 01 hh04: 02

nu:r (.) man muss das:* (--) man muss eben (.) das leGAL machen;=

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03 =und wenn man_s ILlegal macht04 dann muss man damit rechnen dass man AUFfliecht, 05 i-hh04: [mhm_mhm,] 06 hh04: [°hh ] und dass man also verURteilt wird.=nech. 07 i-hh04: mhm-

In Z. 01 unterbricht hh04 seine Äußerung nach dem Pronomen das, retrahiert zurück zum Subjektpronomen man, wiederholt dieses Pronomen und das Verb muss (Z. 02) und inseriert anschließend die Modalpartikel eben. In diesem Beispiel fungieren das Subjektpronomen und das Verb gemeinsam als (komplexer) syntaktischer Anker für die Insertion der Partikel. Auch in diesem Beispiel liegt kein klares Reparandum vor. Die inserierte Konstituente ist fakultativer Bestandteil der syntaktischen Struktur, sodass die Selbstreparaturoperation die syntaktischen Projektionen der Äußerung nicht revidiert.

5.1.4 Projektionserhaltende Tilgung Eine weitere Möglichkeit, in eine Äußerung einzugreifen, ohne deren projizierte syntaktische Struktur zu revidieren, liefert die projektionserhaltende Tilgung (n = 21; 0,8 %). In allen tilgenden Selbstreparaturoperationen lässt sich, im Gegensatz zu Insertionen, ein Wort bzw. eine Konstituente der ursprünglichen Äußerung als Reparandum identifizieren, nämlich derjenige Teil der Struktur, der getilgt wird.42 Von Substitutionen unterscheiden sich Tilgungen dadurch, dass sie kein klares Reparans aufweisen. Während bei Substitutionen immer eine in ihrer syntaktischen Funktion gleichwertige Struktur an die Stelle des Reparandums tritt, wird bei Tilgungen das Entfernen eines syntaktischen Elements gerade nicht durch das ersatzweise Einfügen eines gleichwertigen Elements kompensiert – die tilgende Konstituente weist stets eine vom Reparandum verschiedene syntaktische Funktion auf. Bei der projektionserhaltenden Tilgung wird ein fakultativer syntaktischer „Slot“ aus der ursprünglichen Struktur entfernt – das etablierte syntaktische Format und die anderen (fakultativen und obligatorischen) syntaktischen Konstituenten der ursprünglichen Äußerung bleiben erhalten. Diese Form der Tilgung betrifft ausschließlich Elemente im Mittelfeld der Äußerung, bei denen es || 42 Der Begriff ‚Tilgung‘ ist als struktureller Begriff zu verstehen, nicht im Sinne einer Löschung des jeweiligen Elements aus dem Arbeitsgedächtnis der Teilnehmer. Selbstverständlich können auch getilgte Elemente weiterhin interaktional relevant sein (siehe Bsp. (76)).

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sich häufig um Adverbien und Partikeln handelt. In dieser Hinsicht ähnelt diese Operation der nicht-modifizierenden projektionserhaltenden Insertion, die vor allem Partikeln und Adverbien ins Mittelfeld einfügt (siehe Kap. 5.1.3.2). Die projektionserhaltende Tilgung tritt regelmäßig mit syntaktischem Anker (n = 19) und nur sehr selten ohne syntaktischen Anker (n = 2) auf. In Beispiel (63) wird eine Partikel getilgt: (63) 01 Tba: wir können ja die au*_wir können die auch vOrher schon FAHren lassen;=ne, 02 Ibl: joh; 03 Hrm: hm_hm-

In Z. 01 tilgt Tabea die Modalpartikel ja aus ihrer Äußerung. Sie initiiert die Reparatur verspätet, indem sie nach der Produktion des Pronomens die des unvollständigen Adverbs au zurück zum Turnbeginn retrahiert. Sie wiederholt die ersten beiden Elemente des Turns (wir können) und fährt direkt mit der Produktion des Pronomens die fort, das bereits Teil der ursprünglichen Äußerung war. Auf diese Weise wird ein aus syntaktischer Sicht fakultativer Teil der Äußerung – die Partikel ja, die ursprünglich auf das finite Verb können folgte – getilgt. Bei Tilgungen lässt sich im Gegensatz zu Substitutionen kein klares Reparans identifizieren. Die „tilgende“ Konstituente, die an die Stelle des Reparandums tritt, ersetzt das Reparandum nur auf der Ebene der linearen zeitlichen Abfolge der Konstituenten (welche Konstituente folgt auf können?). Auf der syntaktischen Ebene ersetzt die tilgende Konstituente das Reparandum jedoch nicht gleichwertig (welchen syntaktischen Status hat die auf können folgende Konstituente?). Aus letzterer syntaktischer Perspektive betrachtet haben in (63) das Reparandum (die Partikel ja) und die tilgende Konstituente (das Pronomen die) unterschiedlichen syntaktischen Status, sodass die beiden Konstituenten nicht in einem Reparandum-Reparans-Verhältnis stehen, wie dies bei einer Substitution der Fall wäre. Es kann hier also nicht von einer Ersetzung gesprochen werden. Vielmehr wird der Slot, in dem die Partikel in der ursprünglichen Äußerung produziert wurde, bei der Reparaturdurchführung ersatzlos aus der syntaktischen Struktur getilgt. Beispiel (63) weist eine verzögerte Reparaturinitiierung auf. In (64) wird die Tilgung unmittelbar nach der Produktion des Reparandums initiiert:

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(64) 01 fr03a: 02

n_oder wenn als de vAter unterWEGS war, dann war jo dann noch* äh: °hh ts war jo dann die SPERRstund, 03 i-fr03: [hm_hm ] 04 fr03a: [dann hen] se müsse gucke dass sie jo DANN nochher05 w:enn sie vum HAMschtere kumme sin:- (.) °hh 06 so dass sie dann nochher vor de spErrstund daHEIM gwese sin, 07 i-fr03: hm_hm

In Z. 02 initiiert fr03a mit dem gedehnten Reparaturmarker äh: direkt im Anschluss an die Produktion des Reparandums noch eine Selbstreparatur. Nach einer Retraktion zum Verb wiederholt sie ihre bisherige Äußerung, produziert jedoch in der Reparaturdurchführung anstelle des Reparandums die Nominalphrase die SPERRstund. Das Reparandum (noch) und die tilgende Struktur (die SPERRstund) erfüllen unterschiedliche syntaktische Funktionen, sodass eine Tilgung (und keine Substitution) vorliegt. In einfachen Tilgungen tritt regelmäßig ein syntaktischer Anker auf, da nur durch die Wiederholung eines Teils der ursprünglichen Äußerung die Tilgung vom Rezipienten überhaupt prozessiert werden kann. Der Verzicht auf einen syntaktischen Anker wäre in diesen Fällen gleichbedeutend mit einer Fortsetzung der syntaktischen Struktur, ohne eine Reparatur durchgeführt zu haben. Einzige Ausnahme sind Tilgungen, in denen das Reparandum durch Abbruch markiert wird: (65) 01 02 03 04

i-k: k07: i-k: k07:

05 06 i-k: 07 k07:

wir [wohnen] auch in so Alten HÄUse[rn; °hh] [ja: ] [ja:, ] die schon aus der jahrHUNdert[wende sind;=und-] [ja und dann sind] UNtendie sin dann ja hier ZUgemauert wor[den;] [ja ] weil das ja nich mehr wirj'_äh: geBRAUCHT wurde.

In (65) unterbricht k07 ihre Äußerung in Z. 07 innerhalb der (undeutlich artikulierten) Konstituente wirj', die als Reparandum behandelt wird. Die Sprecherin retrahiert direkt vor das Reparandum und tilgt die abgebrochene Konstituente, indem sie diese mit dem Partizip geBRAUCHT „überschreibt“. Oftmals sind die Wortart und der syntaktische Status eines abgebrochenen Wortes – wie in diesem Beispiel – nur schwer (oder überhaupt nicht) zu rekonstruieren, sodass die exakte Bestimmung der vorliegenden Selbstreparaturoperation problematisch ist. Handelt es sich bei der abgebrochenen Konstituente in Z. 07 um ein Verb,

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liegt eine Substitution vor. Handelt es sich jedoch um den Beginn des Adverbs wirklich, wird das Reparandum nicht substituiert, sondern getilgt. Da letztere Interpretation zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, muss in der Typologie die Möglichkeit der projektionserhaltenden Tilgung ohne Anker bei Wortabbruch berücksichtigt werden. In diesen Fällen wird das Reparandum aus Rezipientenperspektive durch den Wortabbruch markiert, sodass der Anker in diesen Fällen nicht zwingend notwendig ist, um die Selbstreparatur als Tilgung prozessierbar zu machen.

5.2 Selbstreparaturoperationen mit Revision der projizierten syntaktischen Struktur Im Folgenden wenden wir uns den Selbstreparaturoperationen zu, die die projizierte syntaktische Struktur revidieren (n = 737; 28,7 %). Diese Operationen bringen also anders als die Selbstreparaturoperationen ohne Revision der projizierten Struktur eine syntaktische Neuorganisation der ursprünglichen Äußerung mit sich und stellen damit zusätzliche kognitive Anforderungen an Produzent und Rezipient der Reparatur.

5.2.1 Wiederholung mit Veränderung des Akzentmusters Die erste Selbstreparaturoperation, die mit einer Veränderung der projizierten Syntax verbunden ist, ist die Wiederholung mit Veränderung des Akzentmusters (n = 14; 0,6 %). Diese Operation tritt in meinem Korpus immer zusammen mit einer projektionsverändernden Substitution, Insertion oder Tilgung auf. Aus der Veränderung, die diese drei Operationen an der syntaktischen Projektion der Äußerung vornehmen, ergibt sich in manchen Fällen sekundär eine Verschiebung des Nukleusakzents:43 (66) 01 hh04: 02 03

wobei die illegalitÄt eigentlich DArin bestand°hh ((schnieft)) dass er verSCHWIEgen hat; (--)

|| 43 Nach Pierrehumbert (1980) versteht man unter dem Nukleusakzent den letzten Akzent einer Intonationsphrase unabhängig von dessen Prominenz. Der Nukleusakzent entspricht in Sätzen mit weitem Fokus dem Fokusakzent (Grice/Baumann 2001: 1; Uhmann 1991: 242; Välimaa-Blum 2005: 9).

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04

dass er mit diesen hOlländischen geSELLschaften;* (-) 05 dass ER dahintersteht. 06 i-hh04: ahja;

In Z. 04 beginnt hh04 den Komplementsatz dass er mit diesen hOlländischen geSELLschaften, der als Ergänzung zu verSCHWIEgen fungiert. Bei der Reparaturdurchführung in Z. 05 wird die Präpositionalphrase mit diesen holländischen geSELLschaften aus der Äußerung getilgt. Im Zuge dieser syntaktischen Revision (siehe (76) auf S. 119 zur Analyse dieser Tilgung) verändert sich das Akzentmuster, sodass sich die Position des Nukleusakzents auf das Personalpronomen ER verschiebt, das in der ursprünglichen Äußerung (Z. 04) unbetont war. Auch im folgenden Auszug (67), in dem eine Patientin ihren Umgang mit einer bevorstehenden Operation beschreibt, wird ein Teil der ursprünglichen Äußerung wiederholt, wobei sich die Position des Nukleusakzents verschiebt: (67) 01 02 03 04 05 06 07

P: T: P: T: P:

!HAL!bes jahr hab ich [das] bewusst HINziehn-*= [hm;] = HAB ich das hingezögert; hm_hm, un dann wie gesagt vIerundachtzig im MÄRZ, hat [man dann] die gebÄrmutter ent[FERNT;] T: [hm_hm- ] [mh_hm,]

In Z. 02 initiiert die Patientin durch den Reparaturmarker oder eine Reparatur, die in der Tilgung des Adverbs bewusst und in der Substitution des Partizips HINziehn durch hingezÖ:gert besteht. Zusätzlich wird der Nukleusakzent, der in der ursprünglichen Äußerung noch auf dem Partizip HINziehn liegt, auf das Hilfsverb HAB verschoben, das im Anschluss an die Retraktion wiederholt wird. Die beiden Beispiele (66) und (67) zeigen, dass die Position des Nukleusakzents und die projizierte syntaktische Struktur der Äußerung eng miteinander verbunden sind (vgl. Brenning 2012).

5.2.2 Apokoinu-Substitution Neben der bereits präsentierten projektionserhaltenden Substitution, die die Syntax der Äußerung nicht revidiert und mit oder ohne syntaktischen Anker auftritt, gibt es auch die Apokoinu-Substitution (n = 43; 1,7 %), die eine Revision der syntaktischen Projektionen mit sich bringt. Bei dieser Struktur handelt es sich um eine randständige Selbstreparaturoperation, weil hier keine Retraktion im eigentlichen Sinne zum Einsatz kommt. Vor

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dem Hintergrund der zu Beginn der Arbeit vorgenommenen Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands auf Selbstreparaturen mit Retraktion (siehe Kap. 1.1) mag es fragwürdig erscheinen, auch Apokoinu-Substitutionen als Selbstreparaturoperationen anzusehen. Apokoinu-Reparaturen wurden vor allem aus zwei Gründen in die vorliegende Typologie aufgenommen. Einerseits wird – ähnlich wie bei Substitutionen mit „echter“ Retraktion – ein syntaktischer Slot reaktiviert und retrospektiv verändert , was diese Operation in die Nähe der Retraktion im Sinne Auers (2000a: 49) rücken lässt. Andererseits verfolgt die Typologie das Ziel, einen möglichst umfassenden Überblick zu geben, sodass auch diese weniger prototypische Operation dargestellt wird. Bei der quantitativen Analyse des Abbruchpunkts (Kap. 6.1) und Retraktionspunkts (Kap. 6.3) werden Apokoinu-Substitutionen jedoch aufgrund des Fehlens eines Abbruchs und einer „echten“ Retraktion nicht mit einbezogen. Das folgende Beispiel zeigt eine Apokoinu-Substitution: (68) 01 Tba: n_bisschen grÜn bisschen BRAUN, 02 °h dann mach ich mir noch die schUhe bind ich mir noch damit ZU, 03 ganz [dicke ] KNUBbelschuhe, °h 04 Etr: [hm_hm.]

In (68) wird das finite Verb eines Verbzweitsatzes (mach) durch ein anderes (bind) ersetzt, das die angesprochene Tätigkeit präziser bezeichnet. Diese Substitution geschieht jedoch auf eine besondere Weise. Die emergente syntaktische Gestalt wird hier – anders als bei den bisher diskutierten Selbstreparaturoperationen – nicht unterbrochen und wieder aufgenommen. Vielmehr rückt die Nominalphrase die schUhe, die bei ihrer Produktion im Mittelfeld der syntaktischen Struktur steht, bei der Produktion des Reparans bind ins Vorfeld einer zweiten satzwertigen Einheit, deren Beginn sie gemeinsam mit dem neuen Verb bildet. Die Revision der syntaktischen Struktur besteht bei dieser Reparaturoperation darin, dass die Projektion der rechten Satzklammer als Nachfolgekonstituente von die schUhe nicht eingelöst wird und stattdessen mit der Produktion eines finiten Verbs eine weitere linke Satzklammer geöffnet wird. Strukturen dieser Art, sogenannte „Apokoinus“ oder „pivot constructions“, sind in der Forschung zur Syntax der gesprochenen Sprache mehrfach als ein Format beschrieben worden, das unter anderem der Durchführung von Reparaturen dient (vgl. Scheutz 1992, 2005; Norén 2007; Betz 2008). Die Besonderheit dieser Konstruktion besteht darin, dass eine Konstituente der Äußerung, im obigen Beispiel die Nominalphrase die schUhe, als Koinon (auch „Scharnier“ oder „pivot“) fungiert. Das Koinon steht strukturell sowohl im Mittelfeld einer ersten als auch

Selbstreparaturoperationen mit Revision der projizierten syntaktischen Struktur | 113

im Vorfeld einer zweiten syntaktischen Gestalt und verbindet auf diese Weise den ersten mit dem zweiten Teil der Äußerung. Da Reparandum und Reparans, die vom Koinon verbunden werden, dieselbe syntaktische Form und Funktion aufweisen, bieten Apokoinu-Konstruktionen die Möglichkeit, Substitutionen auf eine besonders elegante Weise durchzuführen, ohne die syntaktische Struktur unterbrechen und wiederaufnehmen zu müssen. Der folgende Transkriptausschnitt enthält eine weitere ApokoinuSubstitution: (69) 01 P57: ich hab Abends immer; (.) 02 NACH feierabend hen mir noch immer die WERKstatt, (-) 03 PUT[zen mü]ssen04 T57: [hm_hm,]

In diesem Beispiel stellt die Präpositionalphrase NACH feierabend (Z. 02) das Koinon dar, das sowohl als Fortsetzung des Äußerungsbeginns (Z. 01) im Mittelfeld einer ersten syntaktischen Gestalt als auch im Vorfeld einer zweiten syntaktischen Gestalt steht, die in Z. 03 zum Abschluss kommt. Gegenstand der Reparatur ist primär das Personalpronomen ich (Z. 01), das durch die Pluralform mir44 (Z. 02) ersetzt wird, wodurch der Patient die Zuständigkeit für die Reinigung der Werkstatt nicht allein sich selbst, sondern auch noch anderen Personen zuschreibt. Aufgrund der Kongruenz von Subjekt und Verb muss zusätzlich zum Pronomen auch noch das Verb hab durch hen45 ersetzt werden, sodass ein komplexes Reparandum (ich hab) und ein komplexes Reparans (hen mir) auftreten. Die Apokoinu-Reparaturen in (68) und (69) machen beobachtbar, wie Veränderungen des geplanten Redebeitrags auf „flüssige“ Weise während des Sprechens in Echtzeit vorgenommen werden können.

5.2.3 Projektionsverändernde Substitution Neben der Apokoinu-Substitution gibt es noch einen zweiten Substitutionstyp, der die syntaktische Projektion der Äußerung revidiert, nämlich die projektionsverändernde Substitution (n = 557; 21,6 %). Bei dieser Operation erfüllen Reparandum und Reparans dieselbe syntaktische Funktion, unterscheiden sich je-

|| 44 Hierbei handelt es sich um die Schwäbische Form der 1. Person Plural (wir). 45 Hierbei handelt es sich um die Schwäbische Form der 1. Person Plural (haben).

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doch in ihrer syntaktischen Form. Es wird mindestens eine syntaktische Kategorie der Äußerung verändert, was immer auch eine Veränderung der Projektion mit sich bringt. Hierin besteht der Unterschied zu den projektionserhaltenden Substitutionen, bei denen nicht nur die syntaktische Funktion, sondern auch die syntaktische Form von Reparandum und Reparans identisch ist. Auch bei diesem Substitutionstyp kann zwischen Operationen ohne Anker (n = 360) und mit Anker (n = 197) unterschieden werden. Das folgende Beispiel illustriert diese Reparaturoperation ohne syntaktischen Anker: (70) 01 k07: und wie mein schwiegervater nun so KRANK wurde, 02 und nich mehr das:* die WERKstatt machen konnte, 03 dann °hh wenn der_dann abends um sechs nach HAUse kam, 04 dann is der noch h° so bis neun zehn uhr in die WERKstatt jejangen, 05 und hat die anfallenden reparaTUren (.) äh gemacht.

In Z. 02 produziert k07 einen Determinierer (das:), initiiert durch Lautdehnung eine Selbstreparatur, retrahiert zum Beginn der Nominalphrase und verändert das Genus des Determinierers (die). Reparandum und Reparans sind zwar Bestandteil einer Nominalphrase, die als Akkusativobjekt fungiert, sodass Reparandum und Reparans als funktionsäquivalent betrachtet werden können, unterscheiden sich aber aufgrund der Veränderung des Genus in ihrer syntaktischen Form. Dieser formale Unterschied zwischen Reparandum und Reparans hat Auswirkungen auf die syntaktischen Projektionen: Während in der ursprünglichen Äußerung im Anschluss an den Determinierer das: noch ein neutrales Nomen als Fortsetzung projiziert wird, wird in der Reparaturdurchführung durch die Produktion des Determinierers die die Projektion eines femininen Nomens eröffnet, die durch die Produktion von WERKstatt geschlossen wird. Durch diese Operation wird also nicht die Art des projizierten Satzglieds verändert. Die Revision der projizierten syntaktischen Struktur findet innerhalb eines Satzglied-‚Slots‘ auf der Phrasenebene statt (welche andere syntaktische Form desselben Satzglieds wird durch die Reparaturdurchführung projiziert?). Wie die folgenden Unterkapitel zeigen werden, bewirken projektionsverändernde Insertionen und Tilgungen hingegen Veränderungen auf der Ebene der Satzglieder (welches andere Satzglied wird durch die Reparaturdurchführung projiziert?). In (71) wird ebenfalls eine projektionsverändernde Substitution ohne Anker durchgeführt:

Selbstreparaturoperationen mit Revision der projizierten syntaktischen Struktur | 115

(71) 01 02 03 04 05 06 07 08

hh04: [WISsen sie:-] i-hh04: [also es (.) ] hh04: staat[liche kon]TROLle,=äh ähi-hh04: [GEHT ja- ] °hh ist auch kein allHEILmittel. i-hh04: nee aber es geht [ja jetz] ZUnehmend dazuhh04: ] i-hh04: dass* äh alle sachen zu privatiSIEren,

In Z. 08 initiiert der Sprecher durch die Produktion der Reparaturpartikel äh eine Selbstreparatur und unterbricht dadurch einen begonnenen dassObjektsatz, der über das Korrelat dazu (Z. 06) mit dem Matrixsatz verbunden ist. Dieser dass-Satz wird durch den Infinitivsatz alle sachen zu privatiSIEren ersetzt, der syntaktisch an das Korrelat anknüpft und damit ebenfalls die Funktion eines Objektnebensatzes erfüllt. Reparandum und Reparans sind also in ihrer syntaktischen Funktion identisch, unterscheiden sich aber in ihrer syntaktischen Form. Dadurch verändern sich die syntaktischen Projektionen. Der Hauptunterschied zwischen den syntaktischen Projektionen von ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung besteht darin, dass die Subjunktion dass ein finites Verb projiziert, wohingegen die Fortsetzung der Äußerung mit der Nominalphrase alle sachen im Anschluss an das Korrelat einen Infinitiv projiziert. Während bei den Substitutionen in den Beispielen (70) und (71) kein syntaktischer Anker zum Einsatz kommt, wird die folgende Reparatur mit Anker durchgeführt: (72) 01 Ibl: das war ja beim SLADdi so ne,= 02 =beim slAddi un beim THOmas. 03 (-) 04 [ne, ] 05 Etr: [aha,] 06 Ibl: war ja sladdi und thomas waren auf der'* waren nomiNIERT.=ne,

Am Ende von Z. 06 produziert Isabell einen Glottalverschluss nach dem Determinierer einer Präpositionalphrase (auf der') und initiiert dadurch eine Selbstreparatur. Bei der Reparaturdurchführung retrahiert sie zur Kopula waren und wiederholt diese, sodass ein Anker vorliegt. Anschließend ersetzt sie die Präpositionalphrase, die als der Beginn eines Prädikativs gehört werden kann, durch das Adjektiv nomiNIERT, das ebenfalls als Prädikativ fungiert. Auch hier besteht also bei funktionaler Äquivalenz ein formaler Unterschied zwischen Reparandum und Reparans, der zu einer Veränderung der syntaktischen Projek-

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tion führt. Während in der ursprünglichen Äußerung ein Nomen projiziert wird, um die begonnene Präpositionalphrase (und damit das Prädikativ) zu vervollständigen, werden durch die Produktion des Adjektivs in der Reparaturdurchführung die offenen Projektionen eingelöst und die syntaktische Gestalt geschlossen.

5.2.4 Projektionsverändernde Insertion Bei der projektionsverändernden Insertion (n = 40; 1,6 %) werden Verben, Ergänzungen oder Teile von Ergänzungen in die bereits produzierte Äußerung eingefügt. Dadurch verändert sich die projizierte syntaktische Struktur. Bei der projektionsverändernden Insertion gibt es – genau wie bei der nichtmodifizierenden projektionserhaltenden Insertion – kein Wort der ursprünglichen Äußerung, das als Reparandum zählen könnte. Vielmehr ist in diesen Fällen die „Leerstelle“ innerhalb der ursprünglichen Struktur, die durch die inserierte Konstituente gefüllt wird und vom Rezipienten retrospektiv als Problemquelle rekonstruiert werden kann, als Reparandum anzusehen. Aufgrund ihres syntaktischen Status als (Teil einer) Ergänzung oder als Verb greift die inserierte Konstituente – im Gegensatz zu den inserierten Konstituenten in projektionserhaltenden Insertionen – in die syntaktischen Projektionen der Äußerung ein. Die projektionsverändernde Insertion ist im Gegensatz zur projektionsverändernden Substitution mit einer Veränderung der projizierten Satzglieder verbunden. Auch bei dieser Operation besteht die Möglichkeit der Reparaturdurchführung ohne Anker (n = 23) und mit Anker (n = 17). Im folgenden Beispiel wird kein Anker eingesetzt: (73) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10

P57: also von DEM her- (-) war des au alles geWÄHRleischtet-= =un HEM_mer da au; (-) mehr oder weniger so a kleine AUSbildung dann; (-) nebeHER so-; T57: hm_hm, P57: !SPASS!mäßig dann gmacht;= =also nix:: (.) [ERN]schtes;= T57: [ja-] P57: =also net dass mer da jetz irgendwo was* °h (.) zu_zu was ZWUNgen wär;

In Z. 10 initiiert der Sprecher nach dem Indefinitpronomen was eine Selbstreparatur, retrahiert zurück vor dieses Pronomen und inseriert die Präposition zu,

Selbstreparaturoperationen mit Revision der projizierten syntaktischen Struktur | 117

wodurch er das Indefinitpronomen was nachträglich zum Komplement einer Präpositionalphrase macht. Zunächst ist jedoch noch eine alternative syntaktische Anbindung projiziert, die zu als Teil eines Infinitivs interpretierbar macht. Diese alternative Lesart, die aufgrund der Reparaturdurchführung ohne syntaktischen Anker möglich ist, wird jedoch durch die Fortsetzung der Struktur mit was ausgeschlossen. Zum einen hätte in der Lesart ‚Infinitiv‘ auf zu das infinite Verb folgen müssen, zum anderen fungiert das Indefinitpronomen was bei der Reparaturdurchführung als ein retrospektiver syntaktischer Anker. Durch die Wiederholung von was – einem Element, das bereits vor der Reparaturinitiierung vorhanden war – wird die Insertion aus Sicht des Rezipienten retrospektiv als solche kenntlich gemacht und syntaktisch in die bestehende Struktur integriert. Durch die Insertion der Präposition verändert sich die syntaktische Struktur der Äußerung und damit deren projizierte syntaktische Fortsetzung. Anstatt eines (zu was passenden) Verbs mit Akkusativobjekt-Ergänzung wird nun ein Verb projiziert, das ein Präpositionalobjekt verlangt. Diese Projektion wird durch die Produktion von ZWUNgen geschlossen. Auch im nächsten Beispiel (74) verändert sich durch die Insertion die syntaktische Projektion der Äußerung. Diese Reparatur wird mit syntaktischem Anker durchgeführt: (74) 01 i-hh04: und wird man da gut Aufgenommen als: (.) HAMburger02 oder: °h (-) is dann:* ist man dann ein NORDlicht oder_n FISCHkopp;

In Z. 02 initiiert i-hh04 durch die Dehnung des Adverbs dann: eine Selbstreparatur, retrahiert zum finiten Verb is, wiederholt dieses und inseriert anschließend das Pronomen man. In diesem Beispiel werden – anders als bei der ankerlosen Insertion in (73) – bei der Reparaturdurchführung aufgrund des syntaktischen Ankers is keine alternativen syntaktischen Anbindungen projiziert. Zum Zeitpunkt der Reparaturinitiierung im Anschluss an dann werden ein Subjekt und ein Prädikativ projiziert, um die syntaktische Gestalt zu schließen. Die Veränderung der syntaktischen Projektion durch die Insertion des Subjektpronomens man besteht darin, dass nun im Anschluss an dann nur noch ein Prädikativ projiziert wird.

118 | Selbstreparaturoperationen

5.2.5 Projektionsverändernde Tilgung Neben der projektionserhaltenden Tilgung, die sich nicht auf die projizierte syntaktische Struktur auswirkt, gibt es auch die projektionsverändernde Tilgung (n = 83; 3,2 %), bei der sich der projizierte syntaktische Rahmen der ursprünglichen Äußerung verändert. Diese Operation, die ohne syntaktischen Anker (n = 57) und mit syntaktischem Anker (n = 26) auftreten kann, ist wie die projektionsverändernde Insertion mit Veränderungen auf der Satzgliedebene verbunden. In Beispiel (75) spricht Isabell über ihren Umgang mit der Angst vor dem Ausscheiden aus der TV-Show. Dabei führt sie eine projektionsverändernde Tilgung ohne syntaktischen Anker durch: (75) 01 Ibl: ich versuche das* [(.) n] nich dran zu DENken weil; 02 Etr: [ hm-] 03 Ibl: °h dann würde_weil ich auch ein ziemlich sen s sen[sIbler mensch] BIN,=ne, 04 Etr: [hm::; ]

In Z. 01 initiiert Isabell nach dem Pronomen das durch eine kurze Pause und ein kurzes Stocken bei der Produktion der Negationspartikel (n nich) eine Selbstreparatur, retrahiert zum Beginn des Pronomens und tilgt dieses, indem die Negationspartikel in der linearen Wortabfolge an dessen Stelle tritt. Bei der Produktion der Negationspartikel ist jedoch neben der Prozessierung als Reparatur zunächst noch eine alternative Projektion im Spiel – eine Eigenschaft, die vor allem projektionsverändernde Reparaturen ohne syntaktischen Anker aufweisen können. Die Negationspartikel ist vom Rezipienten nämlich auch als eine Fortsetzung der ursprünglichen Äußerung interpretierbar (ich versuche das nich), jedoch wird diese alternative Lesart durch die anschließende Produktion des Pronominaladverbs dran ausgeschlossen, weil dieses keine mögliche Fortsetzung der ursprünglichen Struktur darstellt. Isabells Äußerung muss also von den Rezipienten als Neuorganisation der syntaktischen Struktur prozessiert werden, bei der das Pronomen das, das in der ursprünglichen Äußerung als Akkusativobjekt fungiert, getilgt wird. Durch diese Reparatur verändert sich die syntaktische Projektion der Äußerung. Während die vor der Reparaturinitiierung begonnene Struktur ein Verb projiziert, das ein Akkusativobjekt fordert (wie etwa verdrängen oder vergessen), wird durch die Tilgung des Akkusativobjekts und durch die Fortsetzung der Äußerung mit dran ein Verb projiziert, das ein Präpositionalobjekt fordert. Diese Projektion wird durch die Produktion von DENken eingelöst. Es handelt sich bei

Selbstreparaturoperationen mit Revision der projizierten syntaktischen Struktur | 119

dieser Selbstreparatur also nur oberflächlich um eine Tilgung des Pronomens. Durch die Tilgung des Pronomens wird „online“ eine Veränderung der Valenzstruktur beobachtbar, die auf die Substitution des ursprünglich im Sprachproduktionsplan enthaltenen Verbs zurückzuführen ist. Aufgrund dieser Substitution des Verbs auf der Planungsebene muss das bereits produzierte Akkusativobjekt, das nicht mehr zu der neu geplanten Valenzstruktur passt, getilgt werden. Projektionsverändernde Tilgungen machen also Veränderungen des geplanten Redebeitrags beobachtbar. In den meisten Fällen – wie bei der Selbstreparatur in (75) – handelt es sich bei dieser Veränderung auf der kognitiven Ebene um eine Substitution des Verbs (siehe auch Kap. 4.3.2 zu Reparaturen des projizierten Verbs). Auch die nächste Selbstreparatur bezieht sich auf die syntaktische Rektionsbeziehung zwischen dem Verb und den Ergänzungen. Im Gegensatz zu (75) wird bei der Durchführung der Tilgung ein syntaktischer Anker eingesetzt. Dies führt aus Rezipientenperspektive dazu, dass bei der Wiederaufnahme der syntaktischen Struktur nach einer Unterbrechung in der Regel nur eine Möglichkeit der strukturellen Anbindung projiziert wird. Verschiedene Lesarten, die, wie die ankerlose Tilgung in (75) und die ankerlose Insertion in (73) zeigen, zur Projektion alternativer syntaktischer Anbindungen führen können, werden durch einen syntaktischen Anker im Allgemeinen ausgeschlossen: (76) 01 hh04: 02 03 04

wobei die illegalitÄt eigentlich DArin bestand°hh ((schnieft)) dass er verSCHWIEgen hat; (--) dass er mit diesen hOlländischen geSELLschaften;* (-) 05 dass ER dahIntersteht. 06 i-hh04: ahja;

In Z. 03 produziert hh04 eine Präpositionalphrase, bei der es sich – zumindest potentiell – um ein Präpositionalobjekt handelt (mögliche projizierte Fortsetzungen wären etwa zusammengearbeitet hat, Geschäfte gemacht hat etc.). Vor der Produktion des Verbs initiiert hh04 eine Selbstreparatur (Pause am Ende der Z. 04), retrahiert zurück zum Beginn des Komplementsatzes, wiederholt die Subjunktion dass sowie das nunmehr akzentuierte Pronomen ER und schließt die syntaktische Gestalt mit dem Verb dahIntersteht. Dadurch wird die Präpositionalphrase, die in der ursprünglichen Äußerung auf er folgte, aus der Struktur getilgt. Durch den Einsatz des syntaktischen Ankers dass ER, der für eine eindeutige syntaktische Anbindung der Reparaturdurchführung sorgt, werden in diesem Beispiel alternative Lesarten ausgeschlossen.

120 | Selbstreparaturoperationen

Es ist offensichtlich, dass dahIntersteht ursprünglich nicht als Verb projiziert war. Wie in (75) unterscheidet sich auch in (76) das projizierte Verb vom tatsächlich produzierten Verb. Die Tilgung ist also nicht die Ursache für die Veränderung der Valenzstruktur, sondern deren Konsequenz. Die Tilgung ist lediglich das Werkzeug, das die syntaktische Struktur gemäß dem Valenzrahmen umformt, den das neu geplante Verb mit sich bringt. Bei dieser Reparatur wird auch deutlich, dass ‚Tilgung‘ nicht als eine Löschung des Reparandums aus dem Gedächtnis der Teilnehmer zu verstehen ist, sondern dass auch ein reparierter Teil der Äußerung immer noch für konversationelle Zwecke relevant sein kann (vgl. Jefferson 1974; Fox/Jasperson 1995: 86). Das Präpositionaladverb dahinter bezieht sich nämlich auf den Referenten diesen hOlländischen geSELLschaften, der durch die getilgte Präpositionalphrase eingeführt wurde.46 Eine besondere Form der projektionsverändernden Tilgung ist die Tilgung der Satzform (n = 15). Diese Operation bewirkt, dass sich das einer Äußerung zugrunde liegende syntaktische Format verändert, sodass beispielsweise ein Verberstsatz an die Stelle eines Verbzweitsatzes tritt, wobei das ursprüngliche syntaktische Material teilweise wiederverwendet wird. Alle diese Operationen werden in meinem Korpus ohne syntaktischen Anker durchgeführt. Im folgenden Beispiel tritt ein Verbzweitsatz an die Stelle eines Verberstsatzes: (77) 01 Hrm: ich weiß ja nich wie DU so bist; 02 BISte;* (-) 03 ich_schätz dich mal NICH so ein dass du so_n laBIler TYP bist eigent[lich.=ne?] 04 Etr: [laBIL ] eigentlich nich [nö;] 05 Hrm: [nö.]

In Z. 02 beginnt Hermann einen Verberstsatz, indem er ein Verb mit klitisiertem Personalpronomen (BISte) produziert. Gleich im Anschluss unterbricht er die Äußerung, retrahiert zum Beginn dieser syntaktischen Gestalt und tilgt diese durch die Produktion einer neuen Struktur, in der Personalpronomen und Verb (ich_schätz, Z. 03) in umgekehrter Reihenfolge auftreten. Der ursprünglich begonnene Verberstsatz wird also durch einen Verbzweitsatz getilgt. Es liegt in diesem Beispiel eine Tilgung der Satzform und nicht etwa ein Konstruktionsabbruch vor, weil ein Teil des Materials der getilgten Struktur – nämlich das Per-

|| 46 Vgl. Auer (2007: 102–105) zum Begriff der Strukturlatenz.

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sonalpronomen der 2. Person Singular – in der tilgenden Struktur wiederverwendet wird.

5.2.6 Konstruktionsabbruch Ein weiterer Tilgungstyp, der die syntaktischen Projektionen der Äußerung verändert, ist der Konstruktionsabbruch.47 Dieser besteht in der Unterbrechung und der Entfernung eines syntaktischen Projekts und unterscheidet sich dadurch von der Tilgung der Satzform, dass das syntaktische Material, das an die Stelle der getilgten Struktur tritt, in keinem erkennbaren formalen Zusammenhang mit der getilgten Struktur steht: (78) 01 Hrm: aber wie dU eben schon SACHtes. 02 °h was is denn* würdste_s alles AUF disch nehm; 03 erstmal immer im HINtergedanken04 der hat AIDS, 05 der könnte misch ANstecken, 06 wann brischt die krankheit AUS, 07 was [sagen meine FREUNde,] 08 Etr: [es_s HA::RT; ]

In Z. 02 beginnt Hermann eine W-Frage, die er nach der Partikel denn unterbricht. Das darauf folgende Verb mit klitisiertem Pronomen würdste kann nicht als eine bloße Fortsetzung der Frage gehört werden, sondern entweder als Substitution des Verbs oder als Anfang eines neuen syntaktischen Projekts. Durch die Produktion von s alles im Anschluss an das Verb wird erstere Möglichkeit ausgeschlossen, weil die beiden Pronomina keine mögliche Fortsetzung der WFrage darstellen. Der Sprecher führt in Z. 02 also eine Retraktion zum Beginn der syntaktischen Struktur durch und tilgt die begonnene W-Frage. Im Gegensatz zu projektionsverändernden Tilgungen baut die Reparaturdurchführung aber nicht auf der ursprünglichen Äußerung auf, indem sie einen Teil des bereits vorhandenen Materials wiederverwendet, sondern startet ein völlig neues syntaktisches Projekt. Es liegt demnach trotz der Veränderung des syntakti|| 47 Unter Konstruktionsabbrüchen verstehe ich die Form von Anakoluthen, die Hoffmann (1991: 99) als Ausstiege bezeichnet. Diese Reparaturoperation wurde nicht in das Untersuchungskorpus aufgenommen (siehe Kap. 1.1 zur Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands), sodass keine quantitativen Angaben zu deren Frequenz gemacht werden können. Der Vollständigkeit halber wird im Rahmen der vorliegenden Typologie dennoch auf diese Selbstreparaturoperation eingegangen.

122 | Selbstreparaturoperationen

schen Formats von Verberst- zu Verbzweitstellung keine Veränderung des Satzplans (bzw. der Satzform) vor, sondern ein Abbruch. Abbrüche treten per definitionem ohne Anker auf, weil die tilgende Struktur ja gerade nicht in der ursprünglichen Struktur „verankert“ wird. Wegen des Bruchs mit der vorangehenden Struktur, die nicht bearbeitet und erhalten, sondern abgebrochen und als Ganzes getilgt wird, stellen Abbrüche die stärkste Form des Eingriffs in die Äußerung durch eine Selbstreparatur dar. Im folgenden Beispiel wird ein Deklarativsatz abgebrochen: (79) 01 i-mu: 02 mu05a: 03 i-mu: 04 05

!ZWEI! tüten katalOge ha[m_er ( )]hab_i mit HEIMgschleppt. [ach ja ] also des hat si WIRKlich-* °h äh: die stUnde ha_mer optimal AUSgenützt,

In Z. 03 unterbricht i-mu ihren Turn also des hat si wIrklich vor der Produktion des infiniten Verbs. Nach der Reparaturinitiierung durch den gedehnten Reparaturmarker äh: retrahiert die Sprecherin bis zum Vorfeld der emergenten syntaktischen Struktur und tilgt diese. An ihre Stelle tritt in Z. 05 ein neuer Deklarativsatz. Es ist hier zwar auf einer pragmatischen Ebene ein Zusammenhang zwischen ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung zu erkennen: Die erste syntaktische Gestalt in Z. 03 (eine Fortsetzung mit gelohnt wird stark projiziert) scheint genau wie die zweite in Z. 05 zur Evaluation des vorangehenden Turns in Z. 01 eingesetzt zu werden. Im Hinblick auf das verwendete syntaktische Material besteht jedoch kein erkennbarer Zusammenhang zwischen ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung, sodass diese Reparaturoperation als Konstruktionsabbruch anzusehen ist.

5.3 Selbstreparaturen mit zwei Operationen Die oben vorgestellte Typologie bezieht sich auf Selbstreparaturen, die eine einzige Operation durchführen.48 Diese stellen die überwiegende Mehrheit im

|| 48 Eine Ausnahme bildet die Wiederholung mit Veränderung des Akzentmusters, die immer gemeinsam mit einer anderen Operation auftritt, die die syntaktischen Projektionen der Äußerung revidiert. Es handelt sich beim Auftreten dieser Operation also stets um eine Kombination zweier Operationen. Wiederholungen mit Veränderung des Akzentmusters wurden dennoch der Vollständigkeit halber in die Typologie aufgenommen, gerade weil diese nicht in „Rein-

Selbstreparaturen mit zwei Operationen | 123

Korpus dar (n = 2.507; 97,4 %). Es gibt jedoch auch Fälle, in denen nach einer Retraktion zwei Operationen durchgeführt werden (n = 67; 2,6 %). Folgende Kombinationen treten im Korpus auf: Tab. 5: Kombinationen von zwei Selbstreparaturoperationen Kombinationen von zwei Selbstreparaturoperationen

Anzahl

Substitution und Tilgung

38 (56,7 %)

Substitution und Insertion

18 (26,9 %)

Substitution und Substitution

5 (7,5 %)

Tilgung und Insertion

3 (4,5 %)

Insertion und Insertion

2 (3,0 %)

Tilgung und Tilgung

1 (1,5 %)

insgesamt

67 (100 %)

Wie die Tabelle zeigt, liegen alle theoretisch möglichen Kombinationen der drei Grundoperationen Substitution, Insertion und Tilgung vor.49 Die Kombinationen unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihrer Frequenz stark voneinander: Insgesamt kommen Substitutionen in Verbindung mit einer tilgenden oder inserierenden Operation am häufigsten vor, während die Kombinationen gleicher Grundoperationen (Substitution und Substitution, Insertion und Insertion, Tilgung und Tilgung) sowie die Kombination von Tilgung und Insertion selten sind. Im Folgenden sollen die beiden häufigsten Kombinationen illustriert werden. Das Element, das durch die zweite Operation bearbeitet wird, ist im Transkript unterstrichen. Beginnen wir mit einem Beispiel für Substitution und Tilgung. Im Gesprächsausschnitt erklärt die Patientin (P23) der Therapeutin, von

|| form“ auftreten. Dies gilt nicht für die im Folgenden dargestellten Kombinationen zweier Operationen: Sie treten allesamt auch einzeln auf und sind daher nicht in der Typologie der Einzeloperationen vertreten. 49 Auch Wiederholungen ohne Veränderung des Akzentmusters treten selbstverständlich sehr häufig zusammen mit Substitutionen, Insertionen und Tilgungen auf. In diesen Fällen werden die Wiederholungen jedoch als syntaktische Anker für eine der drei Grundoperationen aufgefasst und nicht als zusätzliche Einzeloperation, sodass Kombinationen aus Wiederholung und einer anderen Grundoperation in der Typologie der Einzeloperationen behandelt werden.

124 | Selbstreparaturoperationen

welchen Maßnahmen der Ärzte sie erst im Nachhinein erfahren hat, weil sie während eines epileptischen Anfalls bewusstlos wurde: (80) 01 P23: oder dAss sie mich dann in f' narkose die ganze nacht verle äh:_also (-) verSETzen mussten; 02 T14: [hm_hm,] 03 P23: [weil ] (-) die krÄmpfe fast nicht zu stopp* also (--) der Anfall nicht zu STOPpen war;

In (80) initiiert die Patientin in Z. 03 eine Selbstreparatur durch Abbruch innerhalb des Verbs (stopp*) und den Einsatz des lexikalischen Reparaturmarkers also. Nach einer Pause retrahiert sie zum Reparandum die krÄmpfe und ersetzt diese Nominalphrase mit dem Reparans der Anfall. Zusätzlich zu dieser Substitution tilgt sie das Adverb fast (Z. 03, unterstrichen), das in der ursprünglichen Äußerung vor der Negationspartikel nicht produziert wurde, aus der Äußerung. In dieser Selbstreparatur tragen beide Operationen zu einer präziseren Beschreibung des Vorfalls bei. Bei der Substitution handelt es sich um eine semantische Elaborierung. Anstatt der Beschreibung eines Symptoms (krÄmpfe) wird eine umfassendere Bezeichnung für den gesamten Vorfall (Anfall) gewählt. Darüber hinaus wird durch die Tilgung des Adverbs fast die Relativierung der Schwere des Vorfalls aufgehoben. Während die ursprüngliche Formulierung mit fast die Möglichkeit impliziert, dass der Anfall gestoppt werden konnte, wird diese Möglichkeit durch die Tilgung des Adverbs ausgeschlossen. Im nächsten Beispiel, in dem die Interviewerin (i-mu) von der beruflichen Tätigkeit ihres Mannes und dessen beruflicher Veränderung berichtet, wird eine Substitution mit einer Insertion kombiniert: (81) 01 i-mu: der is jetz:* äh hat ja jetz geWECHselt?

Die Interviewerin initiiert eine Selbstreparatur durch Lautdehnung am Ende des Adverbs jetz: und retrahiert direkt zum Reparandum is, das durch hat ersetzt wird. Neben dieser Substitution inseriert die Sprecherin vor der erneuten Produktion des Adverbs jetz: die Modalpartikel ja (unterstrichen), die in der ursprünglichen Äußerung nicht vorhanden war. Während die Substitution des Hilfsverbs die syntaktische Projektion der Äußerung revidiert (ein anderes Vollverb und kein Prädikativ mehr erwartbar), verändert die Partikel die Äußerung auf der pragmatischen Ebene. Durch die Verwendung der Modalpartikel in der Reparaturdurchführung formuliert die Sprecherin ihren Redebeitrag weniger stark als Mitteilung einer Neuigkeit, sondern als Mitteilung einer Information,

Zusammenfassung: Selbstreparaturoperationen | 125

die ihrem Gegenüber bereits bekannt sein könnte. Die Insertion der Partikel ja könnte eine Reaktion auf eine vorangehende Bemerkung von mu05a sein (i glaub i hab_s scho mal ghört), mit der er einen höheren Kenntnisstand bezüglich der beruflichen Tätigkeit des Mannes von i-mu beansprucht als dies in seiner ursprünglichen Frage (äh was MACHT einglich dein mann,) der Fall war. Insgesamt kommt es bei der Kombination zweier Operationen in einer Selbstreparatur am häufigsten vor, dass die Substitution stärker in die Syntax (Bsp. (81)) und/oder die Semantik der Äußerung (Bsp. (80)) eingreift, während es sich bei der anderen Operation häufig um eine Tilgung oder eine Insertion eines Adverbs oder einer Partikel handelt, die zusätzliche Adjustierungen auf der semanto-pragmatischen Ebene vornimmt.

5.4 Zusammenfassung: Selbstreparaturoperationen Die hier vorgestellte Typologie stellt einen ersten Versuch dar, die Selbstreparaturoperationen des Deutschen umfassend darzustellen. Es hat sich gezeigt, dass es möglich ist, jede einzelne Operation aus einer rein syntaktischen Perspektive danach zu klassifizieren, ob sie die projizierte syntaktische Struktur revidiert oder nicht. Die verschiedenen Selbstreparaturoperationen unterscheiden sich neben der Frage nach der Revision der projizierten syntaktischen Struktur auch durch die Art des Reparandums, die Art des Reparans, die syntaktische Beziehung zwischen Reparandum und Reparans sowie durch den Einsatz syntaktischer Anker und die damit verbundenen Konsequenzen für den Rezipienten hinsichtlich der Reparaturprozessierung (siehe die Beispiele (73)–(76) zum Unterschied zwischen der Projektion alternativer syntaktischer Anbindungen vs. einer eindeutigen syntaktischen Anbindung und Kap. 6.5 zur allgemeinen Diskussion der Reparaturprozessierung durch den Rezipienten). Generell tendieren die Sprecher über alle Operationen hinweg dazu, die Reihenfolge der bisher produzierten strukturellen Elemente der ursprünglichen Äußerung soweit wie möglich beizubehalten, was in der Häufigkeit der jeweiligen Reparaturoperationen zum Ausdruck kommt (siehe Tab. 6). Tab. 6: Quantitative Verteilung der Selbstreparaturoperationen Selbstreparaturoperationen ohne syntaktische Revision (n = 1.837; 71,3 %) Wiederholung

1.366 (53,0 %)

Projektionserhaltende Substitution

350 (13,6 %)

126 | Selbstreparaturoperationen

Selbstreparaturoperationen ohne syntaktische Revision (n = 1.837; 71,3 %) Modifizierende Insertion

49 (1,9 %)

Nicht-modifizierende Insertion

51 (2,0 %)

Projektionserhaltende Tilgung

21 (0,8 %)

Selbstreparaturoperationen mit syntaktischer Revision (n = 739; 28,7 %) Wiederholung mit Veränderung des Akzentmusters

16 (0,6 %)

Apokoinu-Substitution

43 (1,7 %)

Projektionsverändernde Substitution

557 (21,6 %)

Projektionsverändernde Insertion

40 (1,6 %)

Projektionsverändernde Tilgung

83 (3,2 %)

insgesamt

2.576 (100 %)

Bei den Selbstreparaturoperationen ohne Revision der projizierten syntaktischen Struktur spiegelt sich in der quantitativen Verteilung eine Tendenz zum Erhalt der Abfolge der Konstituenten (und damit auch der Satzglieder) wider. Wiederholungen und Substitutionen, bei denen die Konstituentenabfolge nicht verändert wird, kommen in dieser Gruppe am häufigsten vor. Bei den Substitutionen wird zwar ein Element ersetzt, jedoch bleibt die ursprüngliche Konstituentenabfolge erhalten. Im Gegensatz dazu sind Insertionen und Tilgungen, die die Konstituentenabfolge (z. B. Insertion oder Tilgung einer Partikel) bzw. die Satzgliedfolge (z. B. Insertion oder Tilgung eines Adverbs in der Funktion einer adverbialen Bestimmung) verändern, am seltensten. In der Gruppe der Operationen mit Revision der projizierten syntaktischen Struktur zeigt sich in der quantitativen Verteilung eine Tendenz zum Erhalt der Satzgliedabfolge. Substitutionen werden in dieser Gruppe am häufigsten verwendet. Bei manchen projektionsverändernden Substitutionen verändert sich zwar die Konstituentenabfolge der ursprünglichen Äußerung aufgrund des Unterschieds zwischen Reparandum und Reparans hinsichtlich der syntaktischen Form (siehe Bsp. (71) und (72) auf S. 115), aber die syntaktische Funktion der ersetzten Konstituente(n) und damit die Abfolge der Satzglieder bleibt erhalten. Im Gegensatz dazu verändert sich bei den seltenen Insertionen und Tilgungen in dieser Gruppe die Satzgliedabfolge der ursprünglichen Äußerung. Auch Wiederholungen mit Veränderung der Akzentstruktur treten nur sehr selten auf. Die geringe Häufigkeit dieser Operation ist damit zu erklären, dass sie immer in Verbindung mit einer zweiten Operation auftritt, die in die Satzgliedabfolge eingreift und damit die syntaktische Struktur der Äußerung revidiert.

Zusammenfassung: Selbstreparaturoperationen | 127

In der quantitativen Verteilung der Selbstreparaturoperationen zeichnen sich also drei zusammenhängende Tendenzen ab: die Tendenz zum Erhalt der syntaktischen Struktur, die Tendenz zum Erhalt der Konstituentenabfolge und die Tendenz zum Erhalt der Satzgliedabfolge. Diese Tendenzen liefern Evidenz dafür, dass sich der Sprecher bei der strukturellen Gestaltung von Selbstreparaturen stark am Rezipienten orientiert, indem er vor allem solche Selbstreparaturoperationen einsetzt, die mit einem geringen Prozessierungsaufwand verbunden sind. Neben dem häufigen Gebrauch von Operationen ohne Revision der projizierten syntaktischen Struktur, bei denen für den Hörer kein zusätzlicher syntaktischer Verarbeitungsaufwand nötig wird, sorgt auch die Tendenz zur Vermeidung von Veränderungen der Konstituenten- und Satzgliedabfolge dafür, dass die Rezipienten bei der Verarbeitung einer Selbstreparatur in den meisten Fällen keine zusätzlichen Konstituenten bzw. Satzglieder in die bereits etablierte Struktur integrieren bzw. aus der etablierten Struktur entfernen müssen. Dasselbe gilt auch aus Sprechersicht: Die drei Tendenzen sorgen für einen möglichst geringen Produktionsaufwand bei der Bearbeitung der Reparanda.50

|| 50 Abgesehen von diesen Tendenzen und deren interaktionalen Auswirkungen hängt die Häufigkeit, mit der eine bestimmte Operation verwendet wird, auch von der Art des Reparandums ab, zu dessen Bearbeitung die jeweilige Operation eingesetzt werden kann (siehe Kap. 7.1).

6 Selbstreparaturstrukturen Nachdem im vorherigen Kapitel ein Überblick über die Operationen gegeben wurde, die bei der Durchführung von Selbstreparaturen eingesetzt werden können, wird im folgenden Kapitel das Selbstreparaturkorpus im Hinblick auf die übrigen strukturellen Aspekte analysiert. Im Zentrum der Analyse stehen die wichtigsten Merkmale der Reparaturstruktur: der Abbruchpunkt (Kap. 6.1), die Reparaturinitiierung (Kap. 6.2), der Retraktionspunkt (Kap. 6.3), die Distribution der Reparanda und Wiederholungen im Hinblick auf die Wortarten (Kap. 6.4) und die Anbindung der Reparaturoperation (Kap. 6.5). Darüber hinaus wird in den einzelnen Unterkapiteln der Zusammenhang dieser strukturellen Faktoren untereinander analysiert. Dieses Kapitel dient lediglich der deskriptiven Darstellung empirischer Befunde. Für eine Diskussion der vorgefundenen Strukturen sei auf die Entwicklung des Erklärungsmodells in Kapitel 8 verwiesen. Die Auswertung des Zusammenhangs zwischen Reparaturstruktur und Typen von Reparanda wird in Kapitel 7 vorgenommen. Bei der Beschreibung von Abbruch- und Retraktionspunkt ist die syntaktische Position des Reparandums entscheidend, weil sich diese beiden strukturellen Parameter am Reparandum orientieren. Der Sprecher gestaltet die Reparaturinitiierung und die Retraktion in Abhängigkeit von und relativ zum Reparandum – innerhalb der syntaktischen Struktur der Äußerung muss der Abbruchpunkt nach dem Reparandum, der Retraktionspunkt vor dem Reparandum liegen. Wie die Darstellung der Selbstreparaturoperationen in Kapitel 5 gezeigt hat, ist in manchen Selbstreparaturen (in Wiederholungen, projektionsverändernden Insertionen und nicht-modifizierenden projektionserhaltenden Insertionen) kein Wort der ursprünglichen Äußerung als Reparandum identifizierbar. Diese Reparaturoperationen werden in den jeweiligen Unterkapiteln gesondert behandelt, weil sie aufgrund des Status des Reparandums im Hinblick auf manche strukturellen Aspekte anders beschrieben werden müssen. Ziel der syntaktischen Analysen in diesem Kapitel ist, die verschiedenen strukturellen Aspekte der Reparaturdaten umfassend zu beleuchten und deskriptiv darzustellen. Die Analysen, die auch eine detaillierte quantitative Darstellung der strukturellen Aspekte des Korpus umfassen, werden die Grundlage für die Entwicklung des Erklärungsmodells für die Selbstreparaturstruktur in Kapitel 8 bilden.

Abbruch | 129

6.1 Abbruch Wenn ein Sprecher ein reparaturbedürftiges Problem in seiner Äußerung bemerkt, initiiert er in der Regel eine Selbstreparatur, was zu einem Abbruch der ursprünglichen Äußerung führt. Der Punkt innerhalb der syntaktischen Struktur, an dem die Äußerung aufgrund der Reparaturinitiierung nicht wie projiziert fortgesetzt wird, wird als Abbruchpunkt bezeichnet. Bei der Frage nach der Lage des Abbruchpunkts müssen zwei Aspekte berücksichtigt werden: die Verzögerungslänge zwischen dem Reparandum und dem Abbruchpunkt (Kap. 6.1.1) sowie die strukturelle Position des Abbruchpunkts (Kap. 6.1.2 und 6.1.3). 51 In den einzelnen Unterkapiteln wird der jeweilige Aspekt des Abbruchpunkts zunächst beschrieben und anschließend auf Zusammenhänge mit anderen strukturellen Faktoren hin untersucht.

6.1.1 Verzögerungslänge Die Distanz zwischen Reparandum und Abbruchpunkt wird als Verzögerungslänge bezeichnet und wurde in Anlehnung an Levelt (1983: 44) in Silben gemessen. Dieses Maß gibt an, wie schnell ein Sprecher eine Selbstreparatur initiiert, beziehungsweise wie lange er nach der Produktion der Problemquelle und vor der Reparaturinitiierung noch weiterspricht. Die Verzögerungslänge kann für Wiederholungen nicht berechnet werden, weil diese kein klares Reparandum aufweisen (siehe Kap. 5.1.1). Auch projektionsverändernde Insertionen und nicht-modifizierende projektionserhaltende Insertionen werden von der Untersuchung der Verzögerungslänge ausgeschlossen. Diese weisen zwar im Gegensatz zu Wiederholungen ein klares Reparandum auf, jedoch handelt es sich beim Reparandum nicht um ein Wort, sondern um eine „vergessene“ Konstituente (siehe Kap. 5.1.3.2 und 5.2.4). Es liegt also kein Wort vor, das als Bezugspunkt zur Bestimmung der Verzögerungslänge verwendet werden kann. Bei Substitutionen und Tilgungen liegt hingegen immer ein Wort als Reparandum vor, sodass hier die Verzögerungslänge problemlos bestimmt werden kann. Auch modifizierende Insertionen bearbeiten ein eindeutiges Reparandum

|| 51 Von der Analyse des Abbruchpunkts in diesem Kapitel sind Apokoinu-Reparaturen (n = 43) ausgenommen. Zwar brechen auch diese mit der aufgebauten syntaktischen Projektion, zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass sie ohne Abbruch der Äußerung produziert werden (vgl. Kap. 5.2.2).

130 | Selbstreparaturstrukturen

(nämlich diejenige Konstituente, die durch die inserierte Konstituente modifiziert wird, siehe Kap. 5.1.3.1), sodass bei diesen Reparaturen die Verzögerungslänge auf dieselbe Weise bestimmt werden kann wie bei Substitutionen und Tilgungen. Aufgrund der identischen Messweise sind die Verzögerungslängen von Substitutionen, Tilgungen und modifizierenden Insertionen direkt miteinander vergleichbar. Tabelle 7 und die grafische Darstellung in Abbildung 4 zeigen die Verzögerungslänge in Selbstreparaturen über alle Operationen hinweg: Tab. 7: Verzögerungslänge in Selbstreparaturen Verzögerungslänge in Silben

Anzahl Reparaturen (n = 1.060)

0

820 (77,4 %)

1

142 (13,4 %)

2

49 (4,6 %)

3

26 (2,5 %)

4

13 (1,2 %)

5

3 (0,3 %)

6

2 (0,2 %)

7

2 (0,2 %)

8

1 (0,1 %)

10

1 (0,1 %)

12

1 (0,1 %)

Mittlere Verzögerungslänge in Silben

0,47

Anzahl der Reparaturen

Abbruch | 131

900 800 700 600 500 400 300 200 100 0

820

142

0

1

49

26

13

3

2

2

1

1

1

2

3

4

5

6

7

8

10

12

Verzögerungslänge in Silben Abb. 4: Verzögerungslänge in Selbstreparaturen

Wie der Tabelle zu entnehmen ist, nimmt die Anzahl der Reparaturen mit zunehmender Verzögerungslänge stark ab. Es liegen im Korpus keine Verzögerungen von mehr als 12 Silben vor. Auch Verzögerungen von neun und elf Silben treten nicht auf. Drei Viertel der Selbstreparaturen werden ohne Verzögerung initiiert. In diesen Fällen liegt der Abbruchpunkt innerhalb des Reparandums oder unmittelbar nach dem Reparandum.52 13,4 % der Reparaturen werden mit einer Verzögerung von einer Silbe initiiert – Verzögerungen von zwei und mehr Silben treten nur sehr selten auf. Die Sprecher initiieren also Selbstreparaturen im Allgemeinen ohne oder mit nur minimaler Verzögerung.

6.1.1.1 Verzögerungslänge und Selbstreparaturoperation Ausgehend von diesem Gesamtbild stellt sich die Frage, ob es strukturelle Faktoren gibt, mit denen die unterschiedlichen Verzögerungslängen erklärt werden können.53 Dieser Frage wird im Folgenden Schritt für Schritt nachgegangen, indem der Einfluss einzelner struktureller Faktoren auf die Verzögerungslänge untersucht wird. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Häufigkeiten der verschiedenen Verzögerungslängen für die Selbstreparaturoperationen,

|| 52 Dem Unterschied zwischen Abbrüchen innerhalb des Reparandums und Abbrüchen nach dem Reparandum widmet sich Kapitel 6.1.2 zur strukturellen Position des Abbruchpunkts. 53 Für den Einfluss des Reparandums auf die Verzögerungslänge, siehe Kapitel 7.2.

132 | Selbstreparaturstrukturen

in denen ein Wort als Reparandum identifizierbar ist (bzw. mehrere Wörter als Reparandum identifizierbar sind): Tab. 8: Verzögerungslänge nach Selbstreparaturoperation Verzögerungslänge in Silben

Substitutionen (n = 907)

Tilgungen (n = 104)

modifizierende Insertionen (n = 49)

0

697 (76,8 %)

85 (81,7 %)

38 (77,6 %)

1

122 (13,5 %)

11 (10,6 %)

9 (18,4 %)

2

41 (4,5 %)

6 (5,8 %)

2 (4,1 %)

3

25 (2,8 %)

1 (1,0 %)

0

4

12 (1,3 %)

1 (1,0 %)

0

5

3 (0,3 %)

0

0

6

2 (0,2 %)

0

0

7

2 (0,2 %)

0

0

8

1 (0,1 %)

0

0

10

1 (0,1 %)

0

0

12

1 (0,1 %)

0

0

Mittlere Verzögerungslänge in Silben

0,44

0,29

0,27

Tabelle 8 bildet die Anzahl der Substitutionen, Tilgungen und modifizierenden Insertionen ab, die mit einer bestimmten Verzögerungslänge auftreten. Es gibt keinen Unterschied zwischen den Selbstreparaturoperationen (F(2) = 1,51; n.s.). In allen drei Kategorien nimmt die Anzahl der Beispiele mit zunehmender Verzögerungslänge rapide ab. Jeweils mehr als drei Viertel aller Selbstreparaturoperationen haben keine Verzögerung und die anderen Verzögerungslängen (3, 4, 5, 6, 7, 8, 10 und 12 Silben) kommen bei Substitutionen nur sehr selten (insgesamt 7,2 %) vor. Bei Tilgungen liegt nur jeweils ein Beispiel mit einer Verzögerung von drei und vier Silben vor; längere Verzögerungen treten hier nicht auf. Modifizierende Insertionen mit einer Verzögerung von drei Silben oder länger sind im Korpus überhaupt nicht vorhanden. Insgesamt kann festgehalten werden, dass bei allen Selbstreparaturoperationen die mittlere Verzögerungslänge unter einer halben Silbe liegt. Wie die ähnliche quantitative Verteilung der Verzögerungslängen für die einzelnen Reparaturoperationen zeigt, spielt der Faktor

Abbruch | 133

‚Selbstreparaturoperation‘ für das Auftreten verschiedener Verzögerungslängen keine Rolle. Bevor der Zusammenhang zwischen der Verzögerungslänge und weiteren Faktoren überprüft wird, sollen zunächst die verschiedenen Verzögerungslängen anhand einiger Beispiele veranschaulicht werden. Um einen möglichst umfassenden Überblick zu ermöglichen, werden für jede Verzögerungslänge Beispiele verschiedener Operationen angeführt. Die folgenden Gesprächsausschnitte (82)–(85) enthalten Reparaturen ohne Verzögerung: (82) 01 dd01a: weil ni °h des wa'* sin ja speZIALma[schinen,] 02 i-dd01: [hm_hm:, ]

In (82) unterbricht dd01a seine Äußerung innerhalb eines reparaturbedürftigen Verbs, sodass das Reparandum wa' entsteht, und ersetzt dieses durch die Präsensform. Die Reparaturinitiierung ist nicht verzögert und liegt sogar noch innerhalb der Konstituente, die repariert werden muss. Auch im nächsten Beispiel handelt es sich beim Reparandum um ein abgebrochenes Wort: (83) 01 hh04: der_war damals auch n_n b* ganz bekannter MANN; 02 i-hh04: ja,

Bereits nach der Produktion des ersten Lauts eines Wortes, vermutlich des Adjektivs bekannter, leitet der Sprecher eine Selbstreparatur ein und inseriert das modifizierende Adverb ganz vor das Reparandum b. Mit einer Reparandumslänge von nur zwei Phonemen bzw. einem Phonem demonstrieren sowohl (82) als auch (83), wie früh Selbstreparaturen eingeleitet werden können. Solche kurzen Reparanda, bei denen es sich um Wortfragmente handelt, müssen unterschieden werden von Beispielen wie (84) und (85), in denen vollständige Wörter als Reparanda auftreten (siehe Kap. 6.1.2 für die Analyse dieses Unterschieds): (84) 01 Tja: jA das is AUCH,* (.) 02 das is (.) das is mit seiner SPRAche; 03 ALles.

Am Ende von Z. 01 unterbricht Tanja ihre Äußerung ohne Verzögerung unmittelbar nach dem Adverb AUCH und retrahiert nach einer kurzen Pause zurück

134 | Selbstreparaturstrukturen

zum Beginn der syntaktischen Gestalt. Sie wiederholt zweimal das Pronomen und das Verb (das is) und fährt anschließend mit einer Präpositionalphrase fort, wodurch das Reparandum AUCH aus der Struktur getilgt wird. (85) 01 hh04: 02 03 04 i-hh04:

und da lassen sich die KASsen-* äh die KRANkenkassen; die lassen sich da also über_n TISCH ziehen. mhm_mhm.

Auch in (85) initiiert der Sprecher die Selbstreparatur direkt im Anschluss an die Produktion des Reparandums KASsen, retrahiert zurück zum Beginn der Nominalphrase, wiederholt den Determinierer die und ersetzt das ursprüngliche Nomen durch das Kompositum KRANkenkassen. Obwohl es sich bei manchen Reparanda um Wortfragmente und bei anderen um vollständige Wörter handelt, weisen beide Typen dieselbe Verzögerung auf. Dennoch wird die Reparatur bei letzteren Typen später eingeleitet: Das Reparandum wird hier nicht zugunsten einer noch früheren Reparaturinitiierung abgebrochen. Die zweithäufigste Verzögerungslänge, die bei Substitutionen und Tilgungen jeweils in 14 %, bei den modifizierenden Insertionen sogar in 18,4 % aller Fälle auftritt, beträgt eine Silbe. Zu dieser Gruppe zählen auch diejenigen Reparaturen, in denen – wie in (86) und (87) – zwischen Reparandum und Reparaturinitiierung keine vollständige Silbe produziert wird: (86) 01 Ibl: (.) dann saß der im STRAN* am STRAND, 02 SO ne-

In diesem Beispiel handelt es sich bei der klitisierten Form aus Präposition und Determinierer im um das Reparandum, das durch am ersetzt wird. Die Reparaturinitiierung liegt aber nicht wie in den vorherigen Beispielen innerhalb des Reparandums oder unmittelbar nach dem Reparandum, sondern innerhalb des Nomens, das im Anschluss an das Reparandum produziert wird. Noch bevor das einsilbige Nomen vollständig artikuliert ist, initiiert die Sprecherin die Selbstreparatur, ersetzt das Klitikon und vervollständigt das bereits in der ursprünglichen Äußerung begonnene Nomen STRAND. (87) 01 i-k: 02

die DOMtürmeda mu'* ich MUSS die sehn-

Abbruch | 135

In (87) tilgt i-k in Z. 02 das Adverb da durch das Pronomen ich. In diesem Beispiel handelt es sich beim Wort in der Verzögerung (also beim Wort, das zwischen Reparandum und Reparaturinitiierung produziert wird) um einen Teil des finiten Verbs mu'. Auch dieses Fragment besteht wie das Wort in der Verzögerung in (86) aus einer unvollständigen Silbe. Diese Fälle wurden, gemeinsam mit den Beispielen, in denen der Sprecher nach genau einer Silbe abbricht, als Verzögerungen von einer Silbe kategorisiert. In den folgenden Beispielen liegen Verzögerungen von genau einer Silbe vor: (88) 01 k07: da haben °hh äh meine eltern geBAUT, 02 nach dem* ach VOR dem kriech natürlich-=ne,

Bei der Substitution der Präposition in (88) produziert die Sprecherin im Anschluss an das Reparandum noch den Determinierer dem und retrahiert nach der Verwendung des Reparaturmarkers ach zum Beginn der Phrase. (89) 01 P23: dass man sie erKENnen kann* !LEICH!ter erKENnen kann;

In diesem Beispiel bestimmt der Sprecher das Verb erKENnen näher, indem er das modifizierende Adverb !LEICH!ter einfügt. Nach der Produktion des Reparandums und vor der Reparaturinitiierung produziert der Sprecher noch das Wort kann in der Verzögerung, mit dem er den dass-Satz zu einem syntaktischen Abschlusspunkt führt. In den Beispielen (88) und (89) liegt also jeweils eine Verzögerungslänge von exakt einer Silbe vor. In nur 4,7 % der Substitutionen, 6 % der Tilgungen und 2 % der modifizierenden Insertionen beträgt die Verzögerungslänge zwei Silben. Auch diese Kategorie umfasst Fälle, in denen die zweite Verzögerungssilbe unterbrochen wird: (90) 01 hh04: 02

dann würde ich::_v* (-) wÄ:re ich v_vielleicht nach STUTTgart gegan[gen] nech, 03 i-hh04: [mhm]

Die Substitution in (90) wird nicht unmittelbar nach der Produktion des Reparandums würde initiiert, sondern nach der Verzögerung ich::_v, die eine volle

136 | Selbstreparaturstrukturen

Silbe und den Anlaut einer zweiten Silbe umfasst. Nach dem Abbruch retrahiert der Sprecher zum Reparandum und ersetzt das finite Verb. In anderen Beispielen wird die zweite Silbe der Verzögerung vor der Reparaturinitiierung vollständig produziert: (91) 01 mu02c: aber die_is dann* sie ist dann nit in MÜNchen geblieben-

In diesem Beispiel unterbricht mu02c ihre Äußerung nach der Verzögerung is dann, retrahiert anschließend zum Reparandum die und ersetzt dieses durch ein anderes Pronomen (sie). (92) 01 i-hh04: und sie meinen das WIRD noch nich so:-* 02 oder wIrd nich so richtig geNUTZT.

In (92) handelt es sich um eine Tilgung des Adverbs noch. Der Abbruchpunkt liegt in diesem Beispiel nach nich so:, also zwei Silben nach dem Reparandum. Aufgrund der Seltenheit noch längerer Verzögerungen wird auf diese Fälle hier nicht näher eingegangen.

6.1.1.2 Verzögerungslänge und Wortart des Reparandums Unabhängig davon, welche Reparaturoperation zur Bearbeitung der Äußerung eingesetzt wird, lässt sich die Verzögerungslänge auch im Hinblick auf die Wortart des Reparandums untersuchen. Anhand von Tabelle 9 soll überprüft werden, ob im Hinblick auf die Verzögerungslänge ein Unterschied zwischen der Reparatur von Funktions- und Inhaltswörter besteht. Tab. 9: Verzögerungslänge nach Wortart des Reparandums Verzögerungslänge in Silben

Funktionswörter (n = 552)

Inhaltswörter (n = 376)

Mittlere Verzögerungslänge in Silben

0,40

0,46

Der Gruppe der Funktionswörter wurden Determinierer, Präpositionen, Pronomen, Partikeln, Junktionen sowie Hilfsverben zugeordnet. Die Gruppe der Inhaltswörter umfasst Adjektive, Adverbien, Nomen und Vollverben. Tabelle 9 zeigt, dass die mittlere Verzögerungslänge der beiden Gruppen fast identisch ist

Abbruch | 137

und dass die Verteilung der Reparaturen auf die verschiedenen Verzögerungslängen kaum voneinander abweicht. Es gibt also keinen Unterschied zwischen Funktions- und Inhaltswörtern hinsichtlich der Verzögerungslänge (F(11) = 1,63; n.s.). Neben der Selbstreparaturoperation und der Wortart des Reparandums wurde auch der Faktor ‚Komplexität des Reparandums‘ untersucht, also ob das Reparandum aus einem oder aus mehreren Wörtern besteht. Es konnte jedoch kein Zusammenhang zwischen der Komplexität des Reparandums und der Verzögerungslänge festgestellt werden.

6.1.2 Position des Abbruchpunkts bei Substitutionen, Tilgungen und modifizierenden Insertionen In diesem Unterkapitel wenden wir uns dem zweiten zentralen Aspekt des Abbruchpunkts zu, nämlich dessen struktureller Position. Bei Selbstreparaturen, in denen ein Teil der produzierten Struktur als Reparandum identifiziert werden kann (Substitutionen, Tilgungen und modifizierende Insertionen) gibt es je nach Zeitpunkt der Reparaturinitiierung vier Möglichkeiten für die Position des Abbruchpunkts (vgl. auch Levelt 1983: 60ff.): 1) innerhalb des Reparandums, 2) nach dem Reparandum, 3) innerhalb eines Wortes in der Verzögerung oder 4) nach einem Wort in der Verzögerung. Bei den Möglichkeiten 1) und 3) liegt der Abbruchpunkt innerhalb eines Wortes, bei den Möglichkeiten 2) und 4) an der Grenze zwischen zwei Wörtern. Als ‚Wörter in der Verzögerung‘ werden diejenigen Wörter bezeichnet, die zwischen dem Reparandum und dem Abbruchpunkt produziert werden (siehe Kap. 1.3). Das Reparandum besteht entweder aus einem Wort (einfaches Reparandum) oder aus mehreren Wörtern (komplexes Reparandum). Bei komplexen Reparanda bezieht sich die Positionsangabe innerhalb des Reparandums – genau wie bei einfachen Reparanda – immer auf einen Wortabbruch. Wenn ein komplexes Reparandum, beispielsweise eine Präpositionalphrase, nach dem Adjektiv abgebrochen wird und damit noch nicht vollständig produziert ist, wird die Position des Abbruchpunkts in diesem Beispiel nicht als ‚innerhalb des Reparandums‘ sondern als ‚nach dem Reparandum‘ gewertet. Das entscheidende Kriterium bei der Kategorisierung der Position des Abbruchpunkts besteht also nicht in der Frage nach der Vollständigkeit der emergenten syntaktischen

138 | Selbstreparaturstrukturen

Konstituente, sondern in der Frage nach der Vollständigkeit des gerade produzierten Wortes. Dieses Kriterium wurde vor dem Hintergrund der bisherigen Forschungsarbeiten ausgewählt, die im Hinblick auf Wortabbrüche bereits interessante Beobachtungen über die kognitiven (z. B. Levelt 1983; Kapatsinski 2010) und interaktionalen Bedingungen (z. B. Jasperson 1998; Fox et al. 2009b) der Sprachproduktion zutage gefördert haben. Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, ein Erklärungsmodell für den Abbruchpunkt in Selbstreparaturen zu entwickeln, das auf diesen Beobachtungen basiert und diese weiterentwickelt. Die folgende Tabelle zeigt die quantitative Verteilung der Position des Abbruchpunkts über die Selbstreparaturoperationen hinweg: Tab. 10: Position des Abbruchpunkts in Selbstreparaturen Position Abbruchpunkt

Anzahl Reparaturen (n = 1.060)

In Reparandum

236 (22,3 %)

Nach Reparandum

584 (55,1 %)

In Wort in Verzögerung

36 (3,4 %)

Nach Wort in Verzögerung

204 (19,2 %)

Wie Tabelle 10 zeigt, wird über die Hälfte aller Reparaturen unmittelbar nach dem Reparandum initiiert (55,1 %). Abbrüche innerhalb des Reparandums (22,3 %) sind etwa so häufig wie Abbrüche nach einem Wort in der Verzögerung (19,2 %), wohingegen innerhalb eines Wortes in der Verzögerung nur äußerst selten abgebrochen wird (3,4 %). Um den Unterschied zwischen den verschiedenen Positionen des Abbruchpunkts zu verdeutlichen, wird im Folgenden für jeden der vier möglichen Abbruchpunkte ein Beispiel gegeben. In (93) unterbricht die Sprecherin das Reparandum: (93) 01 k07: meine letzt* meine jÜngere schwester ist sechsundvierzig geBOren, 02 die is also schon NACH dem kriech jebOren;

In Z. 01 initiiert die Sprecherin innerhalb einer Nominalphrase eine Selbstreparatur und bricht dabei das zu reparierende Adjektiv ab (letzt). Nach einer kurzen Pause retrahiert sie zum Turnbeginn, wiederholt den Determinierer meine und

Abbruch | 139

ersetzt das abgebrochene Reparandum durch das Reparans jÜngere. Der Abbruchpunkt liegt in 22,3 % aller Fälle an dieser Position. Die nächste Selbstreparatur wird direkt im Anschluss an die Produktion des Reparandums initiiert: (94) 01 hh04: hatte mich da also auch so_n bißchen engaGIERT, 02 auf einem ganz schma:len* (.) °h oder auf einem ganz kleinen SEKtor-

In (94) beginnt hh04 in Z. 02 eine Präpositionalphrase, die er nach dem Reparandum schma:len abbricht. Nach einer kurzen Pause, Einatmen und dem Einsatz des Reparaturmarkers oder retrahiert der Sprecher zum Beginn der Phrase, wiederholt sie und substituiert das Reparandum durch das neue Adjektiv kleinen. Wie Tabelle 10 zu entnehmen ist, tritt diese strukturelle Position des Abbruchpunkts am häufigsten auf (55,1 %). Im nächsten Beispiel wird die Reparatur erst später initiiert: (95) 01 hh04: 02 03 i-hh04: 04 hh04:

die würden sagen GUTvielleicht ging es mir da BESser, jaaber die würden tr'* (.) die bleiben TROTZdem zu hause.

In Z. 04 unterbricht hh04 die emergente syntaktische Gestalt innerhalb des Wortes, das auf das Reparandum würden folgt. Bei diesem Fragment tr' handelt es sich vermutlich um den Beginn des Adverbs trotzdem, das in der Reparaturdurchführung im Anschluss an die Substitution des Verbs (bleiben ersetzt würden) produziert wird. Solche Abbrüche innerhalb eines Wortes in der Verzögerung kommen im Korpus nur äußerst selten vor (3,4 %). Das nächste Beispiel illustriert die vierte und letzte Möglichkeit für die strukturelle Position des Abbruchpunkts: (96) 01 i-mu: melanie is jetz:* wird jetz dann VIER- (.)

In (96) produziert die Sprecherin im Anschluss an das Reparandum is zunächst noch ein vollständiges Wort (jetz:), initiiert dann durch Dehnung des letzten Lauts eine Selbstreparatur, retrahiert zum Verb und ersetzt dieses. In diesen

140 | Selbstreparaturstrukturen

Fällen (19,2 %) wird die Reparatur also – genau wie bei Abbrüchen nach dem Reparandum – an einer Grenze zwischen zwei Wörtern initiiert.54 Im Folgenden soll untersucht werden, welche strukturellen Faktoren für die Variation der Position des Abbruchpunkts verantwortlich sind.55

6.1.2.1 Position des Abbruchpunkts und Verzögerungslänge Wir beginnen mit der Verzögerungslänge, deren Zusammenhang mit der strukturellen Position des Abbruchpunkts erwartbar und offensichtlich ist, wie Tabelle 11 veranschaulicht: Tab. 11: Position des Abbruchpunkts und Verzögerungslänge Position Abbruchpunkt

Verzögerungslänge in Silben 0

1

2

3

4

5

6

7

8

10

12

In Reparandum

236 28,8 %

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

Nach Reparandum

584 71,2 %

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

In Wort in Verzögerung

0

26 18,3 %

5 10,2 %

3 11,5 %

2 15,4 %

0

0

0

0

0

0

Nach Wort in Verzögerung

0

116 81,7 %

44 23 11 3 89,8 % 88,5 % 84,6 %

2

2

1

1

1

Diese Tabelle verdeutlicht den Zusammenhang zwischen den beiden Größen, die in Bezug auf den Abbruchpunkt erhoben wurden. Wie bereits im Kapitel zur Verzögerungslänge (Kap. 6.1.1) erläutert, bestehen bei Reparaturinitiierungen ohne Verzögerung genau zwei Möglichkeiten für die Position des Abbruchpunkts, nämlich innerhalb des Reparandums und nach dem Reparandum. Die Unterscheidung zwischen nicht verzögerten Abbrüchen innerhalb des Reparandums und nicht verzögerten Abbrüchen nach dem Reparandum führt zu einem differenzierteren Bild bezüglich des Zeitpunkts der Reparaturinitiierung.

|| 54 Es gibt auch seltene Fälle, in denen Sprecher erst nach mehreren auf das Reparandum folgenden Wörtern abbrechen. Da es an dieser Stelle aber lediglich um eine Illustration der strukturellen Positionen des Abbruchpunkts geht, wird auf ein solches Beispiel verzichtet. 55 Siehe Kapitel 7.2 für den Einfluss des Reparandums auf die Position des Abbruchpunkts.

Abbruch | 141

Bisher haben wir jedoch das quantitative Verhältnis zwischen diesen beiden Alternativen noch nicht näher betrachtet. Wie die erste Spalte in Tabelle 11 zeigt, besteht mit 28,8 % Abbrüchen innerhalb des Reparandums und 71,2 % Abbrüchen nach dem Reparandum ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Kategorien: Die Sprecher tendieren bei Initiierungen ohne Verzögerung also dazu, die syntaktische Struktur erst nach dem Reparandum abzubrechen. Auf diese Beobachtung wird im Laufe dieses Kapitels noch näher eingegangen. Wenn eine Selbstreparatur mit Verzögerung initiiert wird, existieren unabhängig von der Verzögerungslänge genau zwei Möglichkeiten für die Position des Abbruchpunkts, nämlich innerhalb eines Wortes in der Verzögerung und nach einem Wort in der Verzögerung. Wie Tabelle 11 zeigt, besteht für alle Verzögerungslängen ein deutlicher Unterschied zwischen diesen beiden Alternativen. Es ist für alle Verzögerungslängen (auch wenn man von den Verzögerungslängen von fünf bis zwölf Silben absieht, weil sie keine verlässlichen quantitativen Aussagen zulassen) eine klare Tendenz zu erkennen, erst nach dem Wort in der Verzögerung abzubrechen. Abbrüche innerhalb von Wörtern in der Verzögerung treten nur sehr selten auf.

6.1.2.2 Position des Abbruchpunkts und Selbstreparaturoperation Wenden wir uns nun dem Faktor ‚Selbstreparaturoperation‘ zu, um dessen Einfluss auf die Distribution des Abbruchpunkts zu untersuchen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die quantitative Verteilung der strukturellen Positionen des Abbruchpunkts je nach Selbstreparaturoperation: Tab. 12: Position des Abbruchpunkts nach Selbstreparaturoperation Position Abbruchpunkt

Selbstreparaturoperation Projektionserhaltende Substitution (n = 350)

Projektionsverändernde Substitution (n = 557)

Projektionserhaltende Tilgung (n = 21)

Projektionsverändernde Tilgung (n = 83)

Modifizierende Insertion (n = 49)

In Reparandum

144 (41,1 %)

52 (9,3 %)

3 (14,3 %)

15 (18,1 %)

22 (44,9 %)

Nach Reparandum

129 (36,9 %)

372 (66,8 %) 13 (61,9 %)

54 (65,1 %)

16 (32,7 %)

142 | Selbstreparaturstrukturen

In Wort in Verzöge- 20 (5,7 %) rung

13 (2,3 %)

Nach Wort in Verzögerung

120 (21,5 %) 4 (19,0 %)

57 (16,3 %)

1 (4,8 %)

2 (2,4 %)

0

12 (14,5 %)

11 (22,4 %)

Tabelle 12 weist auf einige Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Reparaturoperationen hin. Die Gemeinsamkeiten betreffen in erster Linie die verzögerten Abbrüche: Über alle Operationen hinweg ist zu beobachten, dass die Selbstreparaturen nur äußerst selten innerhalb eines Wortes in der Verzögerung initiiert werden. Zudem liegt der Anteil an Initiierungen nach einem Wort in der Verzögerung in allen Operationen in einer ähnlichen Größenordnung (etwa zwischen 15 % und 22 %). Im Gegensatz dazu gibt es bei den nicht-verzögerten Reparaturen (Abbruch im Reparandum oder nach dem Reparandum) sowohl Gemeinsamkeiten als auch interessante Unterschiede zwischen den Operationen. Die Position des Abbruchpunkts in projektionserhaltenden und projektionsverändernden Tilgungen ist sehr ähnlich verteilt.56 In beiden Operationen liegt der bevorzugte Abbruchpunkt unmittelbar nach dem Reparandum. Auch der Anteil an Abbrüchen innerhalb des Reparandums und im Anschluss an ein Wort in der Verzögerung ist bei den beiden Tilgungstypen in etwa gleich hoch. Projektionserhaltende Substitutionen und modifizierende Insertionen weisen ebenfalls eine starke Ähnlichkeit hinsichtlich der Position des Abbruchpunkts auf; es liegt kein statistischer Unterschied zwischen den beiden Kategorien vor (χ2(3) = 4,1; n.s.). Der bevorzugte Ort der Reparaturinitiierung liegt bei diesen beiden Operationen innerhalb des Reparandums, wohingegen das Reparandum in Tilgungen und projektionsverändernden Substitutionen deutlich seltener unterbrochen wird. Bemerkenswert ist auch der Unterschied zwischen den beiden Substitutionstypen (χ2(3) = 145,3; p < 0,01**; Cramer-V = 0,40).57 Die projektionsverän-

|| 56 Es liegen jedoch leider zu wenige Fälle für einen Chi-Quadrat-Test vor. Dasselbe gilt für den Vergleich von projektionserhaltenden Substitutionen und projektionserhaltenden Tilgungen und zwischen projektionsverändernden Substitutionen und projektionserhaltenden Tilgungen. 57 Bei den statistischen Auswertungen in der vorliegenden Arbeit wurde als Signifikanzniveau eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % gewählt. Nach Bortz (1999: 114) wird bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von höchstens 5 % von einem signifikanten Ergebnis und bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von höchstens 1 % von einem sehr signifikanten Ergebnis gesprochen. Signifikante Ergebnisse werden im Folgenden durch einen Asterisk (*) gekennzeichnet, sehr signifikante Ergebnisse durch doppelten Asterisk (**).

Abbruch | 143

dernde Substitution unterscheidet sich mit nur 9,3 % Abbrüchen im Reparandum stark von der projektionserhaltenden Substitution, bei der in 41,1 % der Fälle innerhalb des Reparandums abgebrochen wird. Diese unterschiedlichen quantitativen Distributionen der Position des Abbruchpunkts scheinen mit der Wortart des Reparandums zusammenzuhängen, das von der jeweiligen Operation bearbeitet wird (siehe das folgende Kap. 6.1.2.3).58

6.1.2.3 Position des Abbruchpunkts und Wortart des Reparandums Welchen Einfluss übt die Wortart des Reparandums auf die Position des Abbruchpunkts aus? Um dieser Frage nachzugehen, soll zunächst die Verteilung der Abbruchpunkte für Funktionswort- und Inhaltswort-Reparanda gegenübergestellt werden (Tab. 13). Die Auswertung beschränkt sich auf einfache Reparanda. Komplexe Reparanda werden gesondert behandelt, weil sie sowohl Funktions- als auch Inhaltswörter umfassen können. Tab. 13: Position des Abbruchpunkts nach Wortart des Reparandums Position Abbruchpunkt

Inhaltswort (n = 376)

Funktionswort (n = 552)

In Reparandum

173 (46,0 %)

28 (5,1 %)

Nach Reparandum

121 (32,2 %)

385 (69,7 %)

In Wort in Verzögerung

16 (4,3 %)

17 (3,1 %)

Nach Wort in Verzögerung

66 (17,6 %)

122 (22,1 %)

Obwohl die Abbruchpunkte bei verzögerten Reparaturinitiierungen für Inhaltsund Funktionswörter in Tabelle 13 etwa gleich verteilt sind, gibt es einen sehr signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen (χ2(3) = 234,1; p < 0,01**; Cramer-V = 0,50). Dieser Unterschied ist auf die großen Unterschiede hinsichtlich der Position des Abbruchpunkts bei nicht verzögerten Reparaturen zurückzuführen. In fast der Hälfte der Inhaltswort-Reparanda liegt der Abbruchpunkt innerhalb des Wortes, wohingegen Funktionswort-Reparanda in nur 5 % der Fälle abgebrochen werden. Folglich sind Abbrüche nach dem Reparandum bei Funktionswörtern viel häufiger (69,7 %) als bei Inhaltswörtern (32,2 %). || 58 Neben der Wortart des Reparandums spielt auch der Reparandumstyp eine Rolle (siehe Kap. 7.1).

144 | Selbstreparaturstrukturen

6.1.2.4 Position des Abbruchpunkts und Wortlänge Eine wichtige Frage, die angesichts des sehr signifikanten Unterschieds zwischen Funktions- und Inhaltswörtern in Bezug auf die nicht verzögerten Abbruchpunkte gestellt werden muss, ist die Frage nach dem Einfluss der Wortlänge auf den Abbruchpunkt. In Anbetracht der Tatsache, dass Funktionswörter häufig kürzer sind als Inhaltswörter, könnte die Wortlänge der entscheidende Faktor für den Unterschied zwischen den beiden Kategorien sein, und nicht deren Status als Funktions- oder Inhaltswort. Der vorgefundene Unterschied zwischen Funktions- und Inhaltswörtern wäre dann womöglich nur ein Artefakt der Wortlänge. Die Klärung dieses Punkts ist sehr wichtig für die Entwicklung eines Erklärungsmodells für den Abbruchpunkt bei Selbstreparaturen, weil sich je nach Ergebnis entscheidende Konsequenzen für die Annahme der Sprachproduktionsprozesse ergeben, die der Durchführung von Selbstreparaturen zugrunde liegen. Würde sich die Wortlänge als ausschlaggebender Faktor erweisen, würde das dafür sprechen, dass der Produzent der Selbstreparatur unabhängig von der Wortart des Reparandums die Äußerung so schnell wie möglich unterbricht. Man könnte dann davon ausgehen, dass die Monitoringprozesse bei der Reparatur von Funktions- und Inhaltswörtern für eine ähnlich schnelle Initiierung sorgen. Wenn der durchschnittliche Initiierungspunkt bei etwa einer Silbe nach Produktionsbeginn des Reparandums läge, würden Funktionswörter, die häufig einsilbig sind, weniger oft unterbrochen werden als Inhaltswörter, die häufig zwei- und mehrsilbig sind. Wenn jedoch Funktionsund Inhaltswörter unabhängig von der Wortlänge des Reparandums unterschiedlich häufig abgebrochen werden, kann man davon ausgehen, dass die Wortart des Reparandums (Funktions- vs. Inhaltswort) bei der kognitiven Prozessierung von Selbstreparaturen eine Rolle spielt. Für diese Analyse wurden ausschließlich Selbstreparaturen ohne Verzögerung (in denen innerhalb oder unmittelbar nach dem Reparandum abgebrochen wird) einbezogen, weil davon auszugehen ist, dass bei einem verzögerten Abbruch neben der Wortart des Reparandums auch die Wortart des Wortes in der Verzögerung eine Rolle spielen kann. Die Auswertung ist außerdem auf einfache Reparanda beschränkt. Komplexe Reparanda wurden ausgeschlossen, weil diese oftmals sowohl Funktions- als auch Inhaltswörter umfassen. Eine eindeutige Zuordnung zu einer der beiden Wortarten ist in diesen Fällen also nicht möglich. Die Auswertung der Frage, ob der Faktor ‚Wortlänge des Reparandums‘ eine Rolle für die Position des Abbruchpunkts spielt, ist außerdem mit einem Problem verbunden, das bei der Analyse der anderen Faktoren nicht auftritt: Im Gegensatz zur Länge des Reparandums, die in der tatsächlichen Anzahl der

Abbruch | 145

Silben besteht, die bis zum Abbruchpunkt produziert werden, besteht die Wortlänge des Reparandums in der Anzahl der Silben der intendierten Wortform. Die Wortlänge des Reparandums ist also nicht zu verwechseln mit der Länge des Reparandums. Zur Ermittlung der Wortlänge des Reparandums muss bei abgebrochenen Reparanda die Silbenanzahl des ursprünglich intendierten Wortes rekonstruiert werden. Reparaturen, bei denen die Silbenanzahl des abgebrochenen Reparandums nicht mit vertretbarer Sicherheit erschlossen werden konnte (41 Inhaltswort- und sechs Funktionswort-Reparanda), wurden von der Analyse ausgeschlossen. Dieses Vorgehen führt dazu, dass der Anteil abgebrochener Reparanda im Korpus für diese Auswertung sinkt. Da der Großteil abgebrochener Reparanda in der Gruppe der Inhaltswort-Reparanda zu finden ist (siehe Tab. 13),59 wird der quantitative Unterschied zwischen abgebrochenen und nicht abgebrochenen Reparanda bei den Inhaltswörtern im Vergleich zu den Gesamtdaten geringer. Tabelle 14, Tabelle 15 und Tabelle 16 zeigen die Position des Abbruchpunkts in Abhängigkeit von der Wortlänge und von der Wortart des Reparandums: Tab. 14: Position des Abbruchpunkts bei einsilbigen Reparanda nach Wortart Position Abbruchpunkt

Einsilbiges Reparandum (n = 399) Funktionswort (n = 338)

Inhaltswort (n = 61)

In Reparandum

15 (4,4 %)

17 (27,9 %)

Nach Reparandum

323 (95,6 %)

44 (72,1 %)

Tab. 15: Position des Abbruchpunkts bei zweisilbigen Reparanda nach Wortart Position Abbruchpunkt

Zweisilbiges Reparandum (n = 163) Funktionswort (n = 67)

Inhaltswort (n = 96)

In Reparandum

8 (11,9 %)

44 (45,8 %)

Nach Reparandum

59 (88,1 %)

52 (54,2 %)

|| 59 In vielen Fällen konnte zwar nicht die Silbenanzahl, aber die Zugehörigkeit des Reparandums zu einer der beiden Kategorien ‚Inhaltswort‘ oder ‚Funktionswort‘ bestimmt werden.

146 | Selbstreparaturstrukturen

Tab. 16: Position des Abbruchpunkts bei mehrsilbigen Reparanda nach Wortart Position Abbruchpunkt

Mehrsilbiges Reparandum (n = 103) Funktionswort (n = 3)

Inhaltswort (n = 100)

In Reparandum

0 (0 %)

75 (75,0 %)

Nach Reparandum

3 (100 %)

25 (25,0 %)

Wie die Auswertungen zeigen, übt die Wortlänge einen Einfluss auf die Position des Abbruchpunkts aus. Es gibt eine allgemeine Tendenz, längere Reparanda häufiger abzubrechen als kürzere. Diese Beobachtung allein greift allerdings zu kurz. Das Hauptergebnis besteht nämlich darin, dass bei einsilbigen Reparanda (χ2(1) = 38,5; p < 0,01**; Cramer-V = 0,31) und zweisilbigen Reparanda (χ2(1) = 20,9; p < 0,01**; Cramer-V = 0,36) jeweils ein sehr signifikanter Unterschied zwischen Funktionswörtern und Inhaltswörtern besteht.60 Bei den Funktionswort-Reparanda ist der Anteil an Wortabbrüchen sehr niedrig, während Inhaltswort-Reparanda unabhängig von ihrer Länge deutlich häufiger abgebrochen werden. Besonders aussagekräftig ist die geringe Anzahl an Abbrüchen innerhalb des Reparandums bei zweisilbigen Funktionswörtern (11,9 %). Wäre die Wortlänge der entscheidende Faktor, wäre hier ein deutlich höherer Anteil an Abbrüchen – etwa im Bereich der Abbruchquote bei zweisilbigen Inhaltswörtern (45,8 %) – zu erwarten. Das Ergebnis wird noch zusätzlich dadurch bekräftigt, dass durch den Ausschluss abgebrochener Reparanda, bei denen die Silbenanzahl der intendierten Wortform nicht rekonstruiert werden konnte, der Anteil abgebrochener Inhaltswort-Reparanda für diese Analyse „künstlich“ abgesenkt wurde.61 Der Unterschied zwischen Inhaltswort- und Funktionswort-Reparanda besteht also unabhängig von der Wortlänge des Reparandums. Ein Reparandum wird von den Sprechern tatsächlich aufgrund seines Status als Inhalts- oder Funktionswort unterschiedlich behandelt.

|| 60 Bei den mehrsilbigen Reparanda ist wegen der kleinen Zahl reparierter Funktionswörter eine statistische Auswertung nicht reliabel. 61 Der Gesamtanteil abgebrochener Inhaltswort-Reparanda liegt bei nicht verzögerten Reparaturen bei 58,8 % und bei Funktionswort-Reparanda bei 6,7 %. Der Gesamtanteil abgebrochener Inhaltswort-Reparanda ist also in Wirklichkeit mehr als doppelt so hoch wie die Werte in Tabelle 14, wohingegen der Gesamtanteil abgebrochener Funktionswort-Reparanda in etwa den Werten in Tabelle 15 entspricht.

Abbruch | 147

Dieses Ergebnis erklärt auch den hohen Anteil an Abbrüchen nach dem Reparandum bei der Durchführung von projektionsverändernden Substitutionen (siehe Tab. 12): Wenn eine Reparatur die syntaktische Projektion der Äußerung verändert, handelt es sich beim Reparandum häufig um ein Funktionswort. Es ist also erwartbar, dass eine große Anzahl von Initiierungen nach dem Reparandum bei der Reparatur von Funktionswörtern mit einer hohen Anzahl von Initiierungen nach dem Reparandum bei Reparaturen mit syntaktischer Revision einhergeht. Der hohe Anteil an Funktionswort-Reparanda (siehe Tab. 13) trägt wiederum dazu bei, dass Abbrüche nach dem Reparandum insgesamt so häufig auftreten (siehe Tab. 10). Zusätzlich zu der hier präsentierten Analyse einfacher Reparanda wurden auch die Abbruchpunkte bei komplexen Reparanda analysiert. Wie die Auswertungen zeigen, gilt der Einfluss der Wortart des Reparandums auf die Position des Abbruchpunkts für einfache und komplexe Reparanda gleichermaßen. Wenn das Reparandum mehrere Wörter umfasst, richtet sich die Position des Abbruchpunkts nach der Wortart des letzten Wortes: Inhaltswörter werden häufiger abgebrochen als Funktionswörter.

6.1.3 Position des Abbruchpunkts bei Wiederholungen und Insertionen Bisher haben wir lediglich Selbstreparaturen in Bezug auf die Position des Abbruchpunkts untersucht, in denen ein Wort oder eine Konstituente der ursprünglichen Äußerung als Reparandum identifiziert werden kann. Anders als bei der Untersuchung der Verzögerungslänge, die in Abhängigkeit vom Reparandum definiert wurde (siehe Kap. 6.1.1), können Selbstreparaturen, in denen kein Wort als Reparandum auftritt (Wiederholungen, projektionsverändernde Insertionen und nicht-modifizierende projektionserhaltende Insertionen), im Hinblick auf die Position des Abbruchpunkts untersucht werden, weil die Analyse des Abbruchpunkts das Vorhandensein eines Wortes als Reparandum nicht unbedingt erfordert. Diese Reparaturen können danach klassifiziert werden, ob bei deren Initiierung ein Wort unterbrochen wird oder nicht. Die folgenden Beispiele illustrieren diese möglichen Positionen des Abbruchpunkts sowohl für Wiederholungen als auch für Insertionen. Bei (97) handelt es sich um eine Einwort-Wiederholung mit Abbruch im Wort: (97) 01 P22: also nIt ähm (--) mit em reg'* (-) REgelmäßigen rhythmus-=

148 | Selbstreparaturstrukturen

02 03 04

=sondern (--) es sin ta:ge GUT, (-) un dann KOMMT der schmerz- (-) dann GEHT er widder-

Die Sprecherin unterbricht in Z. 01 ihre Äußerung innerhalb eines Wortes, sodass das Wortfragment reg' zurückbleibt. Sie retrahiert zurück zum Wortbeginn, wiederholt das Wortfragment und vervollständigt es. Retrospektiv kann der Rezipient (und der Analyst) erschließen, dass es sich beim ursprünglichen abgebrochenen Wort mit großer Wahrscheinlichkeit bereits um den Beginn des Adjektivs REgelmäßigen handelt, weil das Fragment und der Beginn des direkt im Anschluss produzierten vollständigen Adjektivs aus denselben Phonemen bestehen. Wie dieses Beispiel verdeutlicht, handelt es sich bei einer EinwortWiederholung mit Wortabbruch immer um die Wiederholung eines Wortteils. Das Beispiel (98) zeigt eine Wiederholung mit Abbruch nach dem Wort: (98) 01 M14: ich mein des is so_n THEma02 seine* seine EXfreundin-

In Z. 02 unterbricht die Sprecherin die Äußerung nach dem Possessivartikel seine, retrahiert zum Beginn der Phrase und wiederholt diesen Artikel. Da der Abbruchpunkt bei dieser Wiederholung erst nach dem Artikel liegt, umfasst die Wiederholung ein vollständiges Wort. In diesen Fällen ist die Wiederholung einer Konstituente offensichtlich. Wenden wir uns nun den Insertionen zu. Beim nächsten Beispiel handelt es sich um eine Insertion mit Abbruch im Wort: (99) 01 M14: er wollte also nIch mit ihr da RUNterfahren, 02 weil se ge* halt geTRENNT warn,= 03 =und das (-) wOllt er sich halt nich ANtun.

In (99) beginnt die Sprecherin in Z. 02 einen Kausalsatz und unterbricht diesen innerhalb eines Wortes, sodass das Fragment ge entsteht. Nach diesem Wortabbruch retrahiert M14 zur syntaktischen Position vor dem abgebrochenen Wort und inseriert die Modalpartikel halt. Anschließend fährt sie mit der Produktion des Partizips geTRENNT fort, bei dem das Präfix ge mit dem vor der Initiierung produzierten Wortfragment übereinstimmt und somit als Teilwiederholung und Fortsetzung der ursprünglichen Äußerung gehört werden kann. Das nächste Beispiel (100) zeigt eine Insertion mit Abbruch nach dem Wort:

Abbruch | 149

(100) 01 k10a: ja KALK war ja: äh'* 02 kalk war FRÜHer ja, 03 °hh n kleines arbeiterviertel durch die chemische faBRIK.

In Z. 01 unterbricht der Sprecher die Äußerung nach der Modalpartikel ja: und initiiert durch die Dehnung des Vokals sowie den Reparaturmarker mit Glottalverschluss äh’ eine Selbstreparatur. Nach einer Retraktion zur Vorfeldkonstituente KALK, einem Stadtviertel von Köln, wiederholt k10a den Beginn der syntaktischen Gestalt und inseriert nach dem Verb war das Adverb FRÜHer. Anschließend wiederholt der Sprecher die bereits in der ursprünglichen Äußerung produzierte Partikel ja und setzt daraufhin die syntaktische Struktur der Äußerung fort. Alle Insertionen zeichnen sich dadurch aus, dass nach der Durchführung der Insertion ein Teil der ursprünglichen Äußerung wiederholt wird (siehe Kap. 5.1.3). Nach diesem kurzen illustrativen Überblick über die möglichen Positionen des Abbruchpunkts wollen wir nun die Distribution des Abbruchpunkts über das Korpus hinweg betrachten. Für die beiden Operationen ergibt sich folgende quantitative Distribution: Tab. 17: Position des Abbruchpunkts in Wiederholungen und nicht-modifizierenden Insertionen Position Abbruchpunkt

Wiederholungen (n = 1.366)

Nicht-modifizierende Insertionen (n = 91)

Im Wort

183 (13,4 %)

33 (36,3 %)

Nach Wort

1.183 (86,6 %)

58 (63,7 %)

Wie aus Tabelle 17 hervorgeht, gibt es einen sehr signifikanten Unterschied zwischen Wiederholungen und nicht-modifizierenden Insertionen in Bezug auf den Abbruchpunkt (χ2(1) = 35,3; p < 0,01**; Cramer-V = 0,16). Während bei der Initiierung von Wiederholungen nur in 13,4 % aller Beispiele ein Wort unterbrochen wird, unterbrechen die Sprecher bei der Initiierung von nichtmodifizierenden Insertionen in über einem Drittel der Fälle ein Wort. Mit etwas Vorsicht, die aufgrund der geringen Assoziationsstärke zwischen den beiden Variablen bei der Interpretation dieses Ergebnisses geboten ist, lässt sich also festhalten, dass es bei Wiederholungen eine stärkere Tendenz der Sprecher gibt, die Äußerung an der Grenze zwischen zwei Wörtern zu unterbrechen.

150 | Selbstreparaturstrukturen

6.1.3.1 Position des Abbruchpunkts bei Einwort- und Mehrwortwiederholungen Aufbauend auf dieser ersten Beobachtung soll nun die Verteilung der Abbruchpunkte für Reparaturen, in denen kein Wort als Reparandum auftritt, etwas genauer beleuchtet werden. Zunächst wenden wir uns den Wiederholungen mit der Frage zu, ob es im Hinblick auf den Abbruchpunkt einen Unterschied zwischen Einwort- und Mehrwort-Wiederholungen gibt. Der folgende Transkriptauszug enthält eine Mehrwort-Wiederholung mit Abbruch im Wort: (101) 01 i-mu: 02 mu05b: 03

und dAnn hat sie_s nach mü* äh hat sie_s nach MÜNchen versch[lagen; ] [nee dann] erst nach NORDdeutschland, und DANN nach münchen.

In Z. 01 unterbricht die Sprecherin ihren Deklarativsatz, der als Frage fungiert, innerhalb einer Präpositionalphrase und unterbricht dabei ein Wort (nach mü). Sie retrahiert zum Verb und wiederholt von dort aus die bis zu diesem Zeitpunkt produzierte syntaktische Struktur, die neben dem Verb hat das Subjektpronomen mit klitisiertem Expletivum sie_s und den Beginn des Präpositionalobjektes umfasst, woraufhin dieses vervollständigt wird (nach MÜNchen). Auch diese Reparatur ist – wie die Einwort-Wiederholung in (97) – als Wiederholung zu kategorisieren. In (101) kann das abgebrochene Wort retrospektiv als Beginn des Nomens MÜNchen gehört werden. Im nächsten Auszug werden zwei Mehrwort-Wiederholungen durchgeführt, ohne dass bei der Reparaturinitiierung ein Wort unterbrochen wird: (102) 01 P57: gut [mir] hen* (.) mir hen schO mal ab und zu mal so a MEInungs[verschie]denheit;= 02 T57: [hm][hm_hm, ] 03 P57: =des geht dann* [°hh ] GEHT dann da drum04 T57: [hm_hm,] 05 wenn se bei mir irgendwas !UM!räumen [will;

In diesem Transkriptausschnitt relativiert P57 seine vorherige Aussage, dass er in einem perfekten Verhältnis zu seiner Mutter steht, und setzt zu einer Erklärung an. In Z. 01 unterbricht er die syntaktische Struktur nach dem Auxiliarverb hen62, retrahiert zum Subjektpronomen mir63,wiederholt diese beiden Konsti|| 62 Hierbei handelt es sich um die Schwäbische Form der 1. Person Plural von haben.

Abbruch | 151

tuenten und vervollständigt anschließend die syntaktische Struktur. In seiner nächsten TCU in Z. 03 beschreibt P57 die MEInungsverschiedenheit näher. Er unterbricht die syntaktische Gestalt nach dem Adverb dann, atmet ein, retrahiert bis zum Verb geht und wiederholt die beiden Wörter. Es liegen also zwei Wiederholungen von zwei Wörtern vor, die jeweils an einer Wortgrenze initiiert werden. Beim folgenden Vergleich von Einwort- und Mehrwort-Wiederholungen soll überprüft werden, ob Sprecher auch bei der Wiederholung mehrerer Wörter am häufigsten zwischen zwei Wörtern abbrechen, oder ob sich längere Wiederholungen hinsichtlich des Wortabbruchs von einfachen Wiederholungen unterscheiden. Tab. 18: Position des Abbruchpunkts bei Einwort- und Mehrwort-Wiederholungen Position Abbruchpunkt

Einwort-Wiederholung (n = 1.038)

Mehrwort-Wiederholung (n = 28)

Im Wort

147 (14,2 %)

36 (11 %)

Nach Wort

891 (85,8 %)

292 (89 %)

Wie Tabelle 18 zeigt, vermeiden die Sprecher in beiden Gruppen Wortabbrüche, sodass sich kein Unterschied zwischen Einwort- und Mehrwort-Wiederholungen feststellen lässt (χ2(1) = 2,2; n.s.).

6.1.3.2 Position des Abbruchpunkts und Wortart des wiederholten Wortes Nun stellt sich die Frage, ob es ein Merkmal gibt, durch das sich die wenigen abgebrochenen Wörter auszeichnen. Gibt es bestimmte Wörter, die häufiger abgebrochen werden als andere? Dazu wird im Folgenden der Frage nachgegangen, ob die Wortart des wiederholten Wortes mit der Position des Abbruchpunkts zusammenhängt. Auch für diese Analyse werden die Wiederholungen in Einwort- und MehrwortWiederholungen unterteilt. Bei Mehrwort-Wiederholungen bezieht sich die Analyse auf das letzte wiederholte Wort.

|| 63 Es handelt sich um die Schwäbische Form des Personalpronomens wir.

152 | Selbstreparaturstrukturen

Tab. 19: Position des Abbruchpunkts bei Einwort-Wiederholungen nach Wortart (Inhalts- vs. Funktionswörter) Position Abbruchpunkt

Einwort-Wiederholungen (n = 1.038) Inhaltswort (n = 218)

Funktionswort (n = 820)

Im Wort

107 (49,1 %)

40 (4,9 %)

Nach Wort

111 (50,9 %)

780 (95,1 %)

Wie die quantitativen Verteilungen in Tabelle 19 illustrieren, sind es fast ausschließlich Inhaltswörter, die bei Wiederholungen abgebrochen werden. Während die Abbruchquote für wiederholte Funktionswörter unter 5 % liegt, werden Inhaltswörtern in knapp der Hälfte der Beispiele abgebrochen. Es liegt also ein sehr signifikanter Unterschied hinsichtlich der Abbruchquote von Inhalts- und Funktionswörtern vor (χ2(1) = 276,8; p < 0,01**; Cramer-V = 0,52). Bei MehrwortWiederholungen ist dieser Unterschied (bezogen auf die Abbruchquote des letzten wiederholten Wortes) gleich stark ausgeprägt. Besteht dieser Unterschied zwischen Inhaltswörtern und Funktionswörtern gleichermaßen über alle Wortarten hinweg? Tabelle 20 zeigt, dass Adverbien aus dem Rahmen fallen: Tab. 20: Position des Abbruchpunkts bei Einwort-Wiederholungen nach Wortart Position Inhaltswörter AbbruchA Adv punkt n = 36

n = 107

Funktionswörter N

VV

Aux

Det

n = 37

n = 38

n = 44

n = 247 n = 174

P

Pron

Subj/

n = 160 Konj

Pn n = 27

n = 168

Im Wort

23

19

33

32

12

11

4

7

6

63,9 %

17,8 %

89,2 %

84,2 %

27,3 %

4,5 %

2,3 %

4,4 %

3,6 %

Nach Wort

13

88

4

6

32

236

170

153

162

27

36,1 %

82,2 %

10,8 %

15,8 %

72,7 %

95,5 %

97,7 %

95,6 %

96,4 %

100 %

0

Betrachtet man die Position des Abbruchpunkts bei allen EinwortWiederholungen für jede einzelne Wortart, so zeigt sich, dass die Adverbien nicht zur allgemeinen Tendenz ihrer Gruppe passen, weil sie besonders selten abgebrochen werden (17,8 %). In diesem Zusammenhang ist auffällig, dass

Abbruch | 153

wiederholte Adverbien im Untersuchungskorpus im Durchschnitt deutlich kürzer sind als die anderen Inhaltswörter (siehe Tab. 21). Tab. 21: Durchschnittliche Länge wiederholter Wörter nach Wortart Wortart

Durchschnittliche Wortlänge in Silben

Inhaltswörter

Funktionswörter

A

Adv

N

VV

Aux

Det

P

Pron Konj/ Subj

Pn

2,4

1,3

3,0

2,8

1,0

1,3

1,1

1,0

1,0

1,1

Adverbien passen hinsichtlich ihrer Länge (durchschnittlich 1,3 Silben) besser zu den Funktionswörtern als zu den Inhaltswörtern, deren durchschnittliche Länge etwa zwischen zweieinhalb und drei Silben liegt. Zudem handelt es sich bei vielen wiederholten Adverbien um einsilbige Pro-Formen (z. B. da oder dann), die auch von der Funktion eher Funktionswörtern (Pronomen) als Inhaltswörtern ähneln. Diese Beobachtungen und die Tatsache, dass Adverbien sich in Bezug auf die Position des Abbruchpunkts ebenfalls eher wie Funktionswörter verhalten, geben Grund zur Vermutung, dass die Wortlänge des zu wiederholenden Wortes ein ausschlaggebender Faktor für die Positionierung des Abbruchpunkts ist.

6.1.3.3 Position des Abbruchpunkts und Wortlänge des wiederholten Wortes Angesichts dieser Vermutung stellt sich bei den Wiederholungen – wie auch schon bei den anderen Reparaturoperationen – die Frage, ob die Position des Abbruchpunkts tatsächlich vom Status des wiederholten Wortes als Inhaltsoder Funktionswort abhängt, oder ob in Wirklichkeit die Wortlänge die entscheidende Rolle spielt (Tab. 22, Tab. 23 und Tab. 24). Tab. 22: Position des Abbruchpunkts bei einsilbigen Wiederholungen nach Wortart Position Abbruchpunkt

Wiederholung einsilbiges Wort (n = 816) Funktionswort (n = 718)

Inhaltswort (n = 98)

Im Wort

29 (4,0 %)

15 (15,3 %)

Nach Wort

689 (96,0 %)

83 (84,7 %)

154 | Selbstreparaturstrukturen

Tab. 23: Position des Abbruchpunkts bei zweisilbigen Wiederholungen nach Wortart Position Abbruchpunkt

Wiederholung zweisilbiges Wort (n = 153) Funktionswort (n = 100)

Inhaltswort (n = 53)

Im Wort

9 (9,0 %)

32 (60,4 %)

Nach Wort

91 (91,0 %)

21 (39,6 %)

Tab. 24: Position des Abbruchpunkts bei mehrsilbigen Wiederholungen nach Wortart Position Abbruchpunkt

Wiederholung mehrsilbiges Wort (n = 69) Funktionswort (n = 2)

Inhaltswort (n = 67)

Im Wort

2 (100 %)

60 (89,6 %)

Nach Wort

0 (0 %)

7 (10,4 %)

Sowohl für einsilbige Wörter (χ2(1) = 21,5; p < 0,01**; Cramer-V = 0,16) als auch für zweisilbige Wörter (χ2(1) = 46,6; p < 0,01**; Cramer-V = 0,55) zeigt sich ein sehr signifikanter Unterschied zwischen Inhalts- und Funktionswörtern. Obwohl die Assoziationsstärke zwischen den Variablen ‚wiederholte Wortart‘ und ‚Position Abbruchpunkt‘ bei den einsilbigen Wörtern nur sehr gering ist, zeigen die Auswertungen, dass die Abbruchquote bei Funktionswörtern unabhängig von der Länge des wiederholten Wortes deutlich unter der Abbruchquote bei Inhaltswörtern liegt.64 Abgesehen von diesem Unterschied gibt es bei Inhaltswörtern einen Einfluss der Wortlänge auf die Position des Abbruchpunkts. Mit zunehmender Wortlänge steigt die Wahrscheinlichkeit für einen Abbruch innerhalb des Wortes: Zweisilbige Inhaltswörter werden etwa viermal so häufig abgebrochen wie einsilbige (60,4 % vs. 15,3 %), bei mehrsilbigen Inhaltswörtern liegt die Abbruchquote sogar bei knapp 90 %. Auch bei den Funktionswörtern werden zwar im Verhältnis doppelt so viele zweisilbige Wörter (9,0 %) abgebrochen wie einsilbige (4,0 %), jedoch ist dieser Unterschied viel geringer ausgeprägt als bei den Inhaltswörtern.

|| 64 Für mehrsilbige wiederholte Wörter ist wegen der wenigen Funktionswörter keine statistische Auswertung möglich.

Abbruch | 155

Warum werden zwei- und mehrsilbige Inhaltswörter viel häufiger abgebrochen als einsilbige? Tab. 25: Position des Abbruchpunkts für wiederholte einsilbige Inhaltswörter nach Wortart Position Abbruchpunkt

Einsilbige Inhaltswörter (n = 98) Adverbien (n = 80)

Nomen (n = 4)

Adjektive (n = 8)

Vollverben (n = 6)

Im Wort

7 (8,7 %)

4 (100 %)

2 (25,0 %)

2 (33,3 %)

Nach Wort

73 (91,3 %)

0 (0 %)

6 (75,0 %)

4 (66,7 %)

Tab. 26: Position des Abbruchpunkts für wiederholte einsilbige Inhaltswörter: Adverb vs. andere Inhaltswörter Position Abbruchpunkt

Einsilbige Adverbien (n = 80)

Andere einsilbige Inhaltswörter (n = 18)

In Wort

7 (8,7 %)

8 (44,4 %)

Nach Wort

73 (91,3 %)

10 (55,6 %)

Adverbien werden sehr selten unterbrochen (8,7 %), während in Adjektiven (25,0 %) und Verben (33,3 %) deutlich häufiger abgebrochen wird. Einsilbige Nomen werden sogar in allen Fällen abgebrochen – allerdings liegen in dieser Kategorie nur vier Beispiele vor. Der Effekt der Wortlänge auf die Position des Abbruchpunkts bei Inhaltswörtern hängt also entscheidend mit den Adverbien zusammen. Zum einen sind die meisten Adverbien einsilbig (siehe Tab. 21) und machen den Großteil wiederholter einsilbiger Inhaltswörter aus; zum anderen werden Adverbien – wie die geringe Abbruchquote zeigt – von den Sprechern grundsätzlich anders behandelt als andere Inhaltswörter. Angesichts dieser Beobachtung stellt sich die Frage, ob zwei- und mehrsilbige Inhaltswörter nur deswegen häufiger abgebrochen werden, weil diese Kategorien weniger Adverbien beinhalten. Wenden wir uns nun also der Analyse zu, ob auch bei zwei- und mehrsilbigen Inhaltswörtern hinsichtlich des Abbruchpunkts ein Unterschied zwischen den einzelnen Wortarten vorliegt.

156 | Selbstreparaturstrukturen

Tab. 27: Position des Abbruchpunkts für wiederholte zweisilbige Inhaltswörter nach Wortart Position Abbruchpunkt

Zweisilbige Inhaltswörter (n = 53) Adverbien (n = 21)

Nomen (n = 11)

Adjektive (n = 13)

Vollverben (n = 8)

Im Wort

9 (42,9 %)

8 (72,7 %)

8 (61,5 %)

7 (87,5 %)

Nach Wort

12 (57,1 %)

3 (27,3 %)

5 (38,5 %)

1 (12,5 %)

Tab. 28: Position des Abbruchpunkts für wiederholte mehrsilbige Inhaltswörter nach Wortart Position Abbruchpunkt

Mehrsilbige Inhaltswörter (n = 67) Adverbien (n = 6)

Nomen (n = 22)

Adjektive (n = 15)

Vollverben (n = 24)

Im Wort

3 (50 %)

21 (95,5 %)

13 (86,7 %)

23 (95,8 %)

Nach Wort

3 (50 %)

1 (4,5 %)

2 (13,3 %)

1 (4,2 %)

Bei den zweisilbigen Inhaltswörtern zeigt sich bezüglich der Abbruchquote über die vier Kategorien hinweg ein Kontinuum. Adverbien werden am seltensten abgebrochen (42,9 %), während Adjektive (61,5 %) und Nomen (72,7 %) etwas häufiger und Verben fast immer (87,5 %) abgebrochen werden. Bei den mehrsilbigen Inhaltswörtern zeigt sich ein Kontrast zwischen den Adverbien (50 %) einerseits und den Adjektiven (86,7 %), Nomen (95,5 %) und Vollverben (95,8 %) andererseits.65 Tabelle 27 und Tabelle 28 zeigen, dass nicht nur der kleinere Anteil an Adverbien dafür verantwortlich ist, dass zwei- und mehrsilbige Inhaltswörter häufiger abgebrochen werden. Die Tabellen deuten zwar darauf hin, dass es auch bei zwei- und mehrsilbigen Inhaltswörtern einen Unterschied zwischen Adverbien und den restlichen Inhaltswörtern gibt, der Einfluss der Wortlänge auf den Abbruchpunkt bei der Wiederholung von Inhaltswörtern bleibt aber bestehen, auch wenn man die einzelnen Wortarten gesondert betrachtet. Mit zunehmen-

|| 65 Bei diesen Auswertungen (Tab. 27 und Tab. 28) liegen zu wenige Fälle für einen ChiQuadrat-Test vor.

Abbruch | 157

der Wortlänge werden sowohl mehr Adverbien als auch mehr Nomen,66 Adjektive und Vollverben abgebrochen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Verteilung der Position des Abbruchpunkts bei der Wiederholung von zwei- und mehrsilbigen Inhaltswörter den Eindruck unterstreichen, der bereits für einsilbige Inhaltswörter (siehe Tab. 25) gewonnen wurde. Einerseits unterscheiden sich Adverbien unabhängig von der Wortlänge von den drei anderen Wortarten, andererseits unterscheiden sich einsilbige Inhaltswörter generell von zwei- und mehrsilbigen Inhaltswörtern. Im Folgenden wenden wir uns dem Zusammenhang zwischen der Wortlänge und dem Abbruchpunkt in Inhaltswörtern etwas detaillierter zu. Die folgende Tabelle veranschaulicht für die verschiedenen Wortlängen, an welcher exakten Position das Wort abgebrochen wird, d. h., innerhalb bzw. nach welcher Silbe des Wortes der Abbruchpunkt liegt. Die Kategorie der mehrsilbigen Inhaltswörter setzt sich aus den recht selten auftretenden dreisilbigen (n = 38), viersilbigen (n = 18) und fünfsilbigen (n = 10) Wörtern zusammen. In der Kategorie der sechssilbigen Inhaltswörter liegt nur ein Beispiel vor. Dieses wurde bei dieser Auswertung vernachlässigt. Tab. 29: Exakte Position des Abbruchpunkts für wiederholte Inhaltswörter nach Wortlänge Abbruchpunkt im Inhaltswort

einsilbig (n = 98)

zweisilbig (n = 54) mehrsilbig (n = 66)

In 1. Silbe

15 (15,3 %)

14 (25,9 %)

5 (7,6 %)

Nach 1. Silbe

83 (84,7 %)

15 (27,8 %)

33 (50,0 %)

In 2. Silbe

/

4 (7,4 %)

4 (6,1 %)

Nach 2. Silbe

/

21 (38,9 %)

10 (15,2 %)

In 3. Silbe

/

/

5 (7,6 %)

Nach 3. Silbe

/

/

7 (10,6 %)

Nach 4. Silbe

/

/

1 (1,5 %)

Nach 5. Silbe

/

/

1 (1,5 %)

|| 66 Der Anstieg der Abbruchquote zeigt sich bei Nomen lediglich beim Übergang von zwei zu mehreren Silben. Einsilbige Nomen fallen etwas aus dem Rahmen, was auf die geringe Beispielzahl zurückzuführen sein könnte.

158 | Selbstreparaturstrukturen

In Tabelle 29 sind einsilbige Wörter gesondert zu betrachten, da der Abbruch nach einer Silbe hier dem Abbruch nach Wortende entspricht, während er für alle anderen Wortlängen einen Abbruch innerhalb des Wortes darstellt. Zweisilbige Inhaltswörter unterscheiden sich von den mehrsilbigen Inhaltswörtern dadurch, dass bei ihnen der Anteil an Abbrüchen nach der ersten Silbe (27,8 %) etwa gleich hoch ist wie der Anteil an Abbrüchen innerhalb der ersten Silbe (25,9 %). Bei den mehrsilbigen Inhaltswörtern sind Abbrüche innerhalb der ersten Silbe deutlich seltener (7,6 %). Zusammenfassend kann festgehalten werden dass der bevorzugte Abbruchpunkt bei wiederholten Inhaltswörtern am Wortanfang liegt, d. h. nach beziehungsweise innerhalb der ersten Silbe. Zusätzlich zu den hier dargestellten Ergebnissen wurde auch ausgewertet, ob sich Einwort- von Mehrwort-Wiederholungen unterscheiden. Dies ist nicht der Fall: Einwort- und Mehrwort-Wiederholungen verhalten sich in Bezug auf die Position des Abbruchpunkts identisch.

6.1.3.4 Position des Abbruchpunkts und Wortart bei Insertionen Wenden wir uns nun den Insertionen zu, bei denen sich hinsichtlich des Einflusses der Wortart ein ähnliches Bild zeigt wie bei den Wiederholungen: Tab. 30: Position des Abbruchpunkts bei nicht-modifizierenden Insertionen Position Abbruchpunkt

Insertionen (n = 91) Wort vor Abbruch ist Inhaltswort (n = 48)

Wort vor Abbruch ist Funktionswort (n = 43)

Im Wort

30 (62,5 %)

3 (7,0 %)

Nach Wort

18 (37,5 %)

40 (93,0 %)

Es besteht ein sehr signifikanter Unterschied zwischen Funktionswörtern und Inhaltswörtern (χ2(1) = 30,3; p < 0,01**; Cramer-V = 0,58). In 62,5 % der Fälle wird bei nicht-inserierenden Insertionen ein Inhaltswort, das unmittelbar vor der Reparaturinitiierung produziert wird, abgebrochen. Funktionswörter werden sehr viel seltener, nämlich in nur 7,0 % der Fälle abgebrochen. Beide Werte entsprechen in etwa den Abbruchquoten für Wiederholungen von Inhaltswörtern und Inhaltswort-Reparanda. Es scheint also unabhängig von der Reparaturoperation eine allgemeine Tendenz zu geben, Inhaltswörter sehr häufig und Funktionswörter fast nie abzubrechen.

Abbruch | 159

Die Auswertung eines möglichen Einflusses der Wortart und der Länge der inserierten Konstituente auf die Position des Abbruchpunkts ist aufgrund der geringen Token-Anzahl nicht möglich.

6.1.4 Zusammenfassung: Abbruch In diesem Kapitel wurden zur Beschreibung des Abbruchpunkts in Selbstreparaturen zwei Messgrößen unterschieden: die Verzögerungslänge und die Position des Abbruchpunkts. Im Hinblick auf die Verzögerungslänge kann als Hauptergebnis festgehalten werden, dass über drei Viertel der Selbstreparaturen ohne Verzögerung initiiert werden. Sprecher tendieren im Allgemeinen dazu, die Äußerung so schnell wie möglich nach dem Auftreten einer Problemquelle abzubrechen. Diese Tendenz besteht über alle Selbstreparaturoperationen hinweg und unabhängig davon, ob die jeweilige Operation in die syntaktische Struktur der Äußerung eingreift oder nicht. Auch die Komplexität des Reparandums (Einwort- vs. Mehrwort-Reparandum) und der Status eines EinwortReparandums als Inhalts- oder Funktionswort haben keinen Einfluss auf die Verzögerungslänge. Bei der Analyse des Abbruchpunkts wurden vier verschiedene Positionen unterschieden, an denen die Sprecher ihre Äußerung unterbrechen können: innerhalb des Reparandums, nach dem Reparandum, innerhalb eines Wortes in der Verzögerung und nach einem Wort in der Verzögerung. Ganz allgemein zeigte sich, dass in über der Hälfte aller emergenten Strukturen nach dem Reparandum abgebrochen wird. Abbrüche innerhalb des Reparandums treten mit gut 20 % etwa genauso häufig auf wie Abbrüche nach einem Wort in der Verzögerung, während Abbrüche innerhalb eines Wortes in der Verzögerung – sowohl bei einfachen als auch bei komplexen Reparanda – fast nie durchgeführt werden. Ein weiteres interessantes Ergebnis besteht darin, dass InhaltswortReparanda unabhängig von der Wortlänge häufiger abgebrochen werden als Funktionswort-Reparanda. Es handelt sich hierbei um eine allgemeine Tendenz, die über alle Selbstreparaturoperationen (Substitutionen, Tilgungen und Insertionen) hinweg besteht. Bei den Wiederholungen konnte insgesamt festgestellt werden, dass häufiger an einer Wortgrenze abgebrochen wird als bei allen anderen Reparaturoperationen. Das liegt daran, dass vor allem Funktionswörter wiederholt werden, die – genau wie reparierte Funktionswörter – seltener abgebrochen werden als Inhaltswörter. Darüber hinaus übt die Wortlänge bei der Wiederholung von Inhaltswörtern einen Einfluss auf die Position des Abbruchpunkts aus: Je länger

160 | Selbstreparaturstrukturen

das Inhaltswort, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass es vor der Wiederholung abgebrochen wird. Im Hinblick auf die exakte Position des Abbruchpunkts innerhalb des wiederholten Inhaltsworts besteht das wichtigste Ergebnis darin, dass die Sprecher zwei- und mehrsilbige Inhaltswörter häufig in bzw. nach der ersten Silbe abbrechen. Für eine Interpretation der hier dargestellten empirischen Befunde sei auf das Erklärungsmodell in Kapitel 8.1 verwiesen.

6.2 Reparaturinitiierung Ein Sprecher, der ein reparaturbedürftiges Problem identifiziert hat, steht vor der grundlegenden Aufgabe, die Reparaturdurchführung einzuleiten. Der Prozess, durch den der Sprecher dem Hörer den Übergang von der Produktion der erwartbaren emergenten syntaktischen Struktur zur Reparaturdurchführung signalisiert, wird als Reparaturinitiierung bezeichnet (vgl. Schegloff et al. 1977). Da der Sprecher die emergente syntaktische Struktur zur Reparaturdurchführung unterbrechen muss, ist die Phase der Reparaturinitiierung eng mit dem Abbruch verbunden (siehe Kap. 6.1). Zur Einleitung von Selbstreparaturen kann ein Sprecher auf verschiedene Ressourcen zurückgreifen (vgl. Schegloff et al. 1977; Levelt 1983; Uhmann 2001, 2006; Jasperson 2002; Rieger 2003; Fox et al. 2009b), zu denen unter anderem Partikeln (z. B. äh, ähm), lexikalische Elemente (z. B. oder, also) und prosodische Mittel (z. B. Pausen, Lautdehnungen) zählen. In dieser Arbeit werden die Mittel, die der Initiierung einer Selbstreparatur dienen, als Reparaturmarker bezeichnet. Aus einer interaktionalen OnlinePerspektive erfüllen alle Reparaturmarker die Funktion, dem Rezipienten die Initiierung einer Selbstreparatur anzuzeigen, indem sie eine Unterbrechung der projizierten syntaktischen Struktur der Äußerung bewirken. Die Verwendung einer Initiierungsressource stellt für den Interaktionspartner ein mehr oder weniger unerwartetes Ereignis dar, weil das Auftreten einer projizierten Folgekonstituente zu jedem Zeitpunkt innerhalb eines syntaktischen Projekts wahrscheinlicher wäre als das Auftreten eines Reparaturmarkers. Diese Durchbrechung der vom Rezipienten erwarteten Fortsetzung der Struktur kann als Ressource genutzt werden, eine Selbstreparatur einzuleiten und den Hörer dadurch auf die potentiell notwendige Prozessierung von Veränderungen des Redebeitrags vorzubereiten. Tabelle 31 gibt einen Überblick über die verschiedenen Mittel, die im Untersuchungskorpus zur Initiierung von Selbstreparaturen verwendet werden.

Reparaturinitiierung | 161

Tab. 31: Reparaturmarker in Selbstreparaturen Reparaturmarker (n = 3.111; 100 %) explizite Reparaturmarker (n = 1.897; 61,0 %) Partikeln/lexikalische Reparaturmarker (n = 397; 12,8 %)

implizite Reparaturmarker (n = 1.214; 39,0 %) prosodische Reparaturmarker (n = 1.500; 48,2 %)

äh

220 (7,1 %)

Pause

985 (31,7 %)

nur Retraktion

740 (23,8 %)

also

57 (1,8 %)

Lautdehnung

345 (11,1 %)

Wortabbruch

474 (15,2 %)

oder

41 (1,3 %)

Verschluss

170 (5,5 %)

ähm

30 (1,0 %)

Metakommentar

25 (0,8 %)

ja

13 (0,4 %)

hm

5 (0,2 %)

na

3 (0,1 %)

Schnalzlaut 2 (0,1 %) ach

1 (0,03 %)

Die Ressourcen, die von den Sprechern im Untersuchungskorpus zur Initiierung von Selbstreparaturen eingesetzt werden, lassen sich in zwei große Gruppen unterteilen: die expliziten und die impliziten Reparaturmarker. Die expliziten Reparaturmarker (n = 1.897; 61,0 %) zeichnen sich dadurch aus, dass sie der bestehenden Struktur ein nicht projiziertes Element hinzufügen, das prosodisch, lexikalisch oder eine Partikel sein kann.67 Von den lexikalischen Reparaturmarkern und Partikeln, die insgesamt nur relativ selten zum Einsatz kommen (n = 397; 12,8 %), ist äh mit Abstand der frequenteste (n = 220; 7,1 %). Die Repa-

|| 67 Im Falle der Selbstreparaturinitiierung durch Lautdehnung ist es zutreffender, nicht vom Hinzufügen eines Elements, sondern von einer quantitativen Veränderung eines bereits vorhandenen Lauts zu sprechen. Der Reparaturmarker oder stellt insofern einen Sonderfall dar, als er auch an Positionen innerhalb der Äußerung auftreten kann, an denen die Konjunktion oder als eine mögliche syntaktische Fortsetzung projiziert ist.

162 | Selbstreparaturstrukturen

raturmarker also, oder und ähm gehören mit jeweils zwischen ein und zwei Prozent ebenfalls zu den etwas häufigeren lexikalischen Initiierungsressourcen bzw. Partikeln, wohingegen Metakommentare, ja, hm, na, Schnalzlaute68 und ach mit jeweils unter einem Prozent zu den seltenen Reparaturmarkern zählen. Bei den Metakommentaren handelt es sich um eine Sammelkategorie verschiedener Ausdrücke (z. B. sagen wir mal oder wie heißt das), die ebenfalls sehr selten auftreten. Prosodische Reparaturmarker (n = 1.500; 48,2 %) werden fast viermal so häufig eingesetzt wie Partikeln und lexikalische Elemente. Pausen treten am häufigsten auf (31,7 %), wohingegen Lautdehnungen (11,1 %) und Verschlüsse (5,5 %) seltener zum Einsatz kommen. Im Gegensatz zu den expliziten Reparaturmarkern greifen die impliziten Reparaturmarker (n = 1.214; 39,0 %) auf die bereits vorhandenen sprachlichen Ressourcen zurück, ohne der Struktur ein zusätzliches lexikalisches oder prosodisches Element oder eine Partikel hinzuzufügen. Bei der Verwendung des Reparaturmarkers ‚nur Retraktion‘ (n = 740; 23,8 %) fällt die Initiierung der Selbstreparatur mit der Reparaturdurchführung zusammen. Im Kontrast zu früheren Studien, die einen seltenen Gebrauch dieser Initiierungsressource beobachten (vgl. Egbert 2009: 58), wird sie von den Sprechern im vorliegenden Korpus in fast einem Viertel aller Selbstreparaturen eingesetzt. Sie ist somit nach dem Einsatz von Pausen der häufigste Reparaturmarker. Die Durchbrechung der erwartbaren syntaktischen Fortsetzung entsteht in diesen Fällen durch die Reparaturdurchführung selbst, die eine bestehende Struktur retraktiv bearbeitet, anstatt diese unmittelbar fortzusetzen. Die Reparaturdurchführung tritt in Konflikt mit der projizierten Konstituente, die eigentlich als Fortführung der ursprünglichen Äußerung erwartet wird (siehe auch Kap. 6.5 zur Anbindung der Reparaturoperation). Wortabbrüche (n = 474; 15,2 %) können ebenfalls als Initiierungsressource verwendet werden. In diesen Fällen nutzt der Sprecher die projizierte Form des gerade produzierten, aber nicht zu Ende geführten Wortes, um einen Bruch in der erwarteten Fortsetzung der Äußerung zu bewirken und dadurch die Selbstreparatur einzuleiten. Viele der lexikalischen Ressourcen und der Partikeln zur Initiierung von Selbstreparaturen aus Tabelle 31 werden in der Interaktion multifunktional eingesetzt, sodass die Verwendung als Reparaturmarker oft nicht deren einzige Funktion ist. So tritt etwa der lexikalische Reparaturmarker oder auch als Kon-

|| 68 Der Schnalzlaut besitzt im Deutschen weder Phonemstatus, noch ist er ein suprasegmentales Element, das zur Prosodie gezählt werden kann. Als Reparaturmarker scheint er jedoch eine recht klare Funktion (bzw. Semantik) aufzuweisen (siehe Bsp. (188) auf S. 292), die ihn in die Nähe von Partikeln und lexikalischen Reparaturmarkern rücken lässt.

Reparaturinitiierung | 163

junktion und als Diskursmarker auf, und der Reparaturmarker also wird auch als Adverb, Partikel oder Diskursmarker eingesetzt (vgl. Auer/Günthner 2003: 6, 14 zu den Verwendungsweisen als Diskursmarker). Die Partikeln äh und ähm können neben ihrer Funktion als Reparaturmarker auch turninitial zur Markierung einer dispräferierten Handlung verwendet werden (vgl. Pomerantz 1984 zur Verwendung von uh in Bewertungssequenzen im Englischen). Die Multifunktionalität der Initiierungsressourcen eröffnet für den Rezipienten verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, sodass sich die Frage stellt, wie der Hörer einen Reparaturmarker auch tatsächlich als solchen erkennen kann. Dieses Problem der Ambiguität wird durch mehrere Faktoren abgemildert. Zum einen stellt bereits die topologische Position des Reparaturmarkers ein mögliches Differenzierungsmerkmal dar, weil Diskursmarker und Konjunktionen sich oftmals in peripherer syntaktischer Stellung befinden (Auer/Günthner 2003: 1, 5), während Reparaturmarker meistens „innerhalb“ eines syntaktischen Projekts auftreten. Neben der disambiguierenden Rolle der syntaktischen Position des Reparaturmarkers gilt außerdem für alle untersuchten Selbstreparaturen, dass der Sprecher im Anschluss an die Produktion eines Reparaturmarkers auf eine Retraktion zurückgreift (siehe Kap. 1.1 zur Abgrenzung des Untersuchungsphänomens). Diese Ressource wird also nicht allein bei der impliziten Reparaturinitiierung ‚nur Retraktion‘ eingesetzt, sondern ist ein struktureller Bestandteil aller untersuchten Selbstreparaturen, der immer als zusätzlicher Reparaturmarker fungieren kann. Zudem trägt auch die Kombination zweier oder mehrerer Reparaturmarker, die in 21,3 % aller Selbstreparaturen (n = 549) zusätzlich zur ohnehin vorhandenen Retraktion verwendet wird, dazu bei, dass der Hörer eine Selbstreparaturinitiierung als solche erkennen kann.69 In der Initiierungsphase, also zwischen ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung, werden manchmal neben der Produktion von Reparaturmarkern auch andere Aktivitäten – wie beispielsweise Lachen, Einatmen, Schlucken, Räuspern, Schnauben, etc. – durchgeführt. Diese Aktivitäten wurden nicht als Mittel zur Reparaturinitiierung betrachtet, weil in diesen Fällen keine eindeutige Aussage darüber getroffen werden kann, ob die Funktion der Unterbrechung der Äußerung tatsächlich in der Durchführung einer Selbstreparatur besteht. Es ist unklar, ob die jeweilige Aktivität als Reparaturmarker zu werten ist, ob die Phase der Reparaturinitiierung lediglich für eine zusätzliche

|| 69 Aufgrund der recht häufigen Verwendung mehrerer Reparaturmarker pro Selbstreparatur zusätzlich zur Retraktion (die in allen Selbstreparaturen als Reparaturmarker dient) ist die Gesamtzahl der verwendeten Reparaturmarker (n = 3.100) höher als die Gesamtzahl der untersuchten Selbstreparaturen (n = 2.574).

164 | Selbstreparaturstrukturen

andere Aktivität genutzt wird oder ob nicht umgekehrt die Unterbrechung der Äußerung primär einer der genannten Aktivitäten dient, in deren Anschluss zur Wiederaufnahme der Äußerung ein Teil der Struktur wiederholt und eventuell verändert wird. Diese Aktivitäten wurden deswegen bei der Analyse der Reparaturmarker nicht berücksichtigt. Das vorliegende Kapitel liefert einen Überblick über die verschiedenen Selbstreparaturmarker im Deutschen, indem für jeden Marker ein Beispiel angeführt wird. Der jeweilige Reparaturmarker ist in den Transkripten unterstrichen.

6.2.1 Explizite Reparaturmarker Wir beginnen mit den expliziten Reparaturmarkern, die der Äußerung ein zusätzliches Element hinzufügen. Zunächst werden die Reparaturpartikeln und die lexikalischen Reparaturmarker, dann die prosodischen Reparaturmarker beschrieben.

6.2.1.1 Reparaturpartikeln und lexikalische Reparaturmarker Die Partikel, die zur Reparaturinitiierung am häufigsten verwendet wird, ist äh.70 Dieser Reparaturmarker soll anhand des folgenden Beispiels illustriert werden: (103) 01 mu05a: 02 03 i-mu: 04 mu05a: 05 i-mu:

die GITta-* äh mei [frau] kauft ab und zU mol [wos ] vom kataLOG[mhm-] [mhm-] und wenn_s nIx is schickt sie_s halt wieder [ZRUCK,] [mhm; ]

In Z. 02 initiiert der Sprecher durch die Produktion von äh eine Reparatur, retrahiert zum Turnbeginn und ersetzt die Nominalphrase. Der Reparaturmarker äh kann auch – genau wie Pausen und Lautdehnungen – lediglich zur Verzögerung der Fortsetzung der Äußerung eingesetzt werden, ohne dass im Anschluss an die Produktion des Reparaturmarkers eine Retraktion zur Reparaturdurchführung verwendet wird. Diese Fälle, die in der || 70 Obwohl die Vokalqualität bei der Verwendung der Reparaturmarker äh und ähm von Sprecher zu Sprecher in Rundungs- und Öffnungsgrad variiert, wird der Vokal der besseren Übersichtlichkeit halber in allen Fällen durch das Graphem „ä“ wiedergeben.

Reparaturinitiierung | 165

Konversationsanalyse ebenfalls als Reparaturen angesehen werden, wurden aufgrund des syntaktischen Interesses der vorliegenden Arbeit nicht in das Untersuchungskorpus aufgenommen (siehe Kap. 1.1). Es soll aber an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass es sich beim Einsatz von äh als Verzögerungspartikel und als Reparaturmarker wie in (103) nicht um grundsätzlich verschiedene Verwendungsweisen handelt. In beiden Fällen wird der Rezipient vom Sprecher auf ein Problem bei der Produktion der Äußerung hingewiesen, wobei die ursprüngliche Äußerung im Anschluss an die Produktion des Reparaturmarkers entweder verändert, wiederholt oder wie projiziert fortgesetzt werden kann. Insgesamt gibt es 41 Reparaturen im Korpus, zu deren Initiierung ausschließlich der Marker äh verwendet wird. Die Anzahl der Reparaturen, in denen äh alleine oder in Kombination mit anderen Reparaturmarkern auftritt, ist deutlich größer (n = 220; 7,1 %). Die quantitativen Auswertungen zu äh und den anderen Reparaturpartikeln oder lexikalischen Reparaturmarkern basieren in dieser Arbeit auf der Gesamtzahl aller verwendeten Marker allein oder in Kombination mit anderen Reparaturmarkern (siehe Kap. 6.2.3 und 7.3.2). Der lexikalische Reparaturmarker, der im vorliegenden Korpus am häufigsten verwendet wird (n = 57; 1,8 %), ist also: (104) 01 i-mu: 02 03 mu05a:

jetz' (.) is_er net nur sAch fit is ja auch HAFTpflicht fit; weil er dort jetz eben hAftpflicht (.) sparte bet* [also: UN]ter sich hat[mhm_mhm-]

In Beispiel (104), in dem die Interviewerin i-mu die Auswirkungen der beruflichen Veränderung ihres Mannes beurteilt, unterbricht sie in Z. 02 ein finites Verb in Letztstellung (bet), vermutlich betreut, und ersetzt dieses Verb durch UNter sich hat. Zur Initiierung wird in diesem Beispiel also die Kombination aus Wortabbruch, lexikalischem Marker also: und Lautdehnung verwendet. Neben also kommt auch oder (n = 41; 1,3 %) als lexikalische Ressource zum Einsatz, um eine Selbstreparatur zu initiieren: (105) 01 hh04: hatte mich da also auch so_n bißchen engaGIERT, 02 auf einem ganz schma:len* (.) °h oder auf einem ganz kleinen SEKtor-

Nach dem Adjektiv schma:len retrahiert der Sprecher zum Beginn der Präpositionalphrase und ersetzt dieses Adjektiv durch kleinen. Die Reparaturinitiierung

166 | Selbstreparaturstrukturen

wird dadurch für den Rezipienten erkennbar, dass der Sprecher im Anschluss an das Reparandum schma:len zunächst eine Pause – verbunden mit Einatmen – einfügt und zusätzlich den lexikalischen Reparaturmarker oder verwendet. Ein weiterer Reparaturmarker, der zu den Partikeln zählt, ist ähm (n = 30; 1,0 %). Dieser wurde gesondert von äh analysiert, weil aus einer interaktionallinguistischen Perspektive beim Vorliegen eines formalen Unterschieds nicht a priori von funktionaler Gleichheit ausgegangen werden kann.71 Das folgende Beispiel stammt aus einem psychotherapeutischen Gespräch: (106) 01 P23: und da mErk ich des_n (.) dEs macht mich dann UNsicher; 02 T14: ja und (.) die UNsicherheit, 03 ich möcht die gern verSTEHN04 weil ich denke dass °h da auch dann so ne: (.) MAUer oft (.) äh dA is, 05 ich brauch die mauer zum SCHUTZ; 06 ja [son:s*] °hh ä:hm (-) sons werd ich vielleicht wIrklich (--) FAL' äh 07 P23: [mhm- ] 08 T14: sons kOmmen die andern auf ne falsche [SPUR;] 09 P23: [mhm, ]

In Z. 05 initiiert die Therapeutin zu Beginn ihrer Äußerung eine Selbstreparatur. Nach der Produktion der Vorfeldkonstituente son:s atmet sie zunächst ein und produziert dann den gedehnten Reparaturmarker ä:hm, auf den eine Pause folgt. Im Anschluss an die Initiierung retrahiert der Therapeut zum Beginn des syntaktischen Projekts und wiederholt das Adverb (sons). Neben den oben vorgestellten etwas häufigeren Partikeln und lexikalischen Reparaturmarkern, liegen im Korpus noch verschiedene seltenere Initiierungsressourcen vor. Auf diese niederfrequenten Marker wird in Kapitel 7.3.1 im Rahmen einer qualitativen funktionalen Analyse näher eingegangen.

|| 71 Das Interesse der Interaktionalen Linguistik liegt gerade in der Untersuchung der interaktionalen Aufgaben sprachlicher Strukturen (Selting/Couper-Kuhlen 2000), sodass auch solche feinen formalen Unterschiede im Hinblick auf unterschiedliche Funktionen untersucht werden müssen. Die Analyse in Kapitel 7.3.2 deutet darauf hin, dass ein funktionaler Unterschied zwischen den beiden Markern besteht. Auch Untersuchungen zum Englischen zeigen einen Unterschied zwischen den Partikeln uh und um (vgl. Clark/Fox Tree 2002).

Reparaturinitiierung | 167

6.2.1.2 Prosodische Reparaturmarker Neben den im vorangehenden Unterkapitel vorgestellten lexikalischen Mitteln und Partikeln können auch prosodische Ressourcen eingesetzt werden, um eine Selbstreparatur zu initiieren. Zu diesen Ressourcen zählen Pausen, Lautdehnungen und Verschlüsse („closure cut-offs“, Jasperson 2002: 257). Wenden wir uns zunächst dem Einsatz von Pausen zu, die über alle Reparaturmarker hinweg am häufigsten eingesetzt werden (n = 985; 31,7 %). Alle Pausen ab 0,2 Sek., die zwischen ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung lagen, wurden als Reparaturmarker kategorisiert. Zwischen den Pausen unterschiedlicher Länge wurde nicht weiter differenziert, sodass kurze und lange Pausen derselben Kategorie zugeordnet wurden. Im folgenden Ausschnitt klärt der Therapeut die Patientin zu Beginn der Sitzung über den Zweck des Gesprächs über ihre chronischen Schmerzen auf: (107) 01 T: also ja_auch wEnn man vielleicht (-) nicht dEfinitiv alles KLÄren kann da[durch,] 02 P: [hm] 03 T: aber: °hh ähm:: wollen wir dOch wissen ob* (-) ob das den: (-) betrOffenen eben GUT tut; (--) 04 T: ja? 05 und- (-) dAs sOll eigentlich bei der* (.) der stUdie überPRÜFT werden.

In diesem Ausschnitt verwendet der Sprecher an zwei Stellen Pausen, um Selbstreparaturen einzuleiten. In Z. 03 wiederholt er die Subjunktion ob nach dem Einfügen einer kurzen Pause. In Z. 05 liegt vor der Reparaturdurchführung lediglich eine kurze Pause vor. In beiden Fällen handelt es sich bei der Reparaturoperation um eine Wiederholung (siehe Kap. 6.2.3.1 zum Zusammenhang zwischen den Reparaturmarkern und den Reparaturoperationen). Neben der Pause können die Sprecher auch auf die Möglichkeit zurückgreifen, die Selbstreparatur durch eine Lautdehnung zu initiieren. Der Begriff Lautdehnung bezeichnet die gedehnte – d. h. die im Vergleich zu den Phonemen des unmittelbaren Kontexts verlängerte – Produktion eines Phonems, zumeist des letzten Phonems vor dem Abbruchpunkt. Das folgende Beispiel aus einem informellen Interview zeigt die Verwendung einer Lautdehnung als Reparaturmarker: (108) 01 dd01a: 02 03

und und da hatte der mir DRINnen schon, °h noch en LEIStungs:* fuffzehnprozentigen LEIStungszuschlach; °h geGEbem.

168 | Selbstreparaturstrukturen

04 obwohl mir keene leis[tung MA]CHten, °h 05 i-dd01: [hm_hm, ]

In Z. 02 unterbricht der Sprecher ein Nomen an der Kompositumsgrenze, retrahiert vor das Nomen und inseriert das Adjektiv fuffzehnprozentigen. Diese Reparatur gilt dem Nomen, das durch das inserierte Element modifiziert wird. In diesem Beispiel wird der Rezipient durch verschiedene Mittel auf die Reparaturdurchführung vorbereitet. Zum einen wird die Äußerung innerhalb eines Kompositums unterbrochen, sodass ein Wortabbruch vorliegt, zum anderen wird das Fugenelement gedehnt, das das Determinans mit dem projizierten Determinatum verbindet (LEIStungs:). Solche Lautdehnungen werden recht häufig als Initiierungsressource eingesetzt (n = 345; 11,1 %). Bei den letzten Lauten der ursprünglichen Äußerung, die zur Initiierung von Selbstreparaturen gedehnt werden können, handelt es sich um Vokale sowie kontinuierliche Konsonanten (inklusive [l]). Liegt als letzter Laut der ursprünglichen Äußerung ein Vibrant vor, wird die Dehnung vokalisch realisiert. Außerdem kann es sich beim zu dehnenden Laut um einen Plosiv handeln: (109) 01 i-mu: 02 03 mu05a: 04 i-mu:

aber mir wollten net nach NÜRNberg; [und ] ähm: geHALT wär-* (.) [mhm,] wär net:* koa großer SPRUNG gewesen,

In Z. 04 wird die Reparatur durch die Dehnung der Negationspartikel initiiert (net:). Der letzte Laut ist hier ein alveolarer Plosiv, der nicht kontinuierlich und damit eigentlich auch nicht dehnbar ist. In diesem Fall wird die Dehnung homorgan durch den alveolaren stimmlosen Frikativ ([s]) realisiert. Die dritte und seltenste prosodische Initiierungsressource ist der Verschluss (n = 170; 5,5 %). Dieser wird in Anlehnung an Jaspersons Verständnis von „closure cut-off“ als eine Unterbrechung des Redeflusses definiert, die einen „artikulatorischen Verschluss“ (Jasperson 2002: 257) beinhaltet. Im vorliegenden Korpus werden hauptsächlich Glottalverschlüsse, aber auch bilabiale und alveolare Verschlüsse zur Reparaturinitiierung eingesetzt. Im folgenden Beispiel liegt ein Glottalverschluss vor: (110) 01 k10a: von von von hohenLIND? 02 von der pfarREI',* 03 äh von: unserm KRANkenhaus aus-

Reparaturinitiierung | 169

In Z. 03 ersetzt der Sprecher die Nominalphrase der pfarREI in seiner ursprünglichen Ortsangabe durch eine andere (unserm KRANkenhaus), sodass sich der Referent verändert. Zur Initiierung dieser Substitution setzt der Sprecher einen Glottalverschluss im Anschluss an das Reparandum ein (pfarREI'). Häufig ist eine Initiierung durch Verschluss mit einem Wortabbruch verbunden. Wie (110) jedoch zeigt, handelt es sich beim Verschluss und beim Wortabbruch um zwei Ressourcen, die unabhängig voneinander eingesetzt werden können.

6.2.2 Implizite Reparaturmarker Wie zu Beginn dieses Kapitels festgestellt wurde, teilen alle Reparaturmarker die Eigenschaft, die projizierte syntaktische Struktur zu durchbrechen und dem Rezipienten auf diese Weise die Initiierung einer Selbstreparatur anzuzeigen. Bisher haben wir betrachtet, welche expliziten Marker eingesetzt werden können, um diese Funktion zu erfüllen. Im Folgenden wenden wir uns den impliziten Reparaturmarkern zu. Die erste Möglichkeit, eine Selbstreparatur implizit zu markieren, besteht im Einsatz einer Retraktion, ohne auf zusätzliche Initiierungsmittel zurückzugreifen. Solche Selbstreparaturen werden nach van Wijk und Kempen (1987) auch als “repair on the fly” (Blackmer/Mitton 1991: 183) bzw. als „fließend” oder als Selbstreparaturen „ohne Initiierung” (Egbert 2009: 60) bezeichnet. Letztere Bezeichnung ist etwas irreführend, weil in diesen Reparaturen zwar keine Partikeln bzw. lexikalischen oder prosodischen Ressourcen eingesetzt werden, aber dennoch eine Initiierung stattfindet. Die Durchbrechung der syntaktischen Projektion, die aus Rezipientenperspektive für die Einleitung der Reparatur sorgt, wird in diesen Fällen durch die Retraktion zu einem Punkt in der bereits produzierten ursprünglichen Äußerung geleistet. In dem Moment, in dem die Reparaturdurchführung eine unwahrscheinliche oder keine mögliche syntaktische Fortsetzung der ursprünglichen Äußerung darstellt, findet für den Hörer der Übergang von der Prozessierung des ursprünglichen syntaktischen Projekts zur Prozessierung der Reparatur statt. Der Punkt der Reparaturinitiierung aus Rezipientensicht kann also zeitlich hinter der Reparaturinitiierung aus Sprechersicht liegen. Der nächste Gesprächsausschnitt, in dem sich die Teilnehmer über die Eingemeindung heutiger Kölner Stadtteile unterhalten, zeigt eine solche Reparaturinitiierung:

170 | Selbstreparaturstrukturen (111) 01 k10a: un dann kam* dann kAm: äh: °h OSsendorf dazu;

Das Adverb dann im Vorfeld der Struktur und das darauf folgende Verb kam werden in diesem Beispiel wiederholt. Zwischen ursprünglicher Äußerung und der Reparaturdurchführung wird kein expliziter Reparaturmarker eingesetzt. Stattdessen wird die Wiederholung ohne Unterbrechung des Redeflusses an die bisher produzierte syntaktische Struktur angeschlossen. Bei der Wiederholung des Adverbs dann liegt für den Rezipienten noch kein Hinweis vor, dass es sich um eine Reparatur handelt und nicht um eine einfache Fortsetzung der Äußerung (dann kam dann [+ NP]). Erst bei der Wiederholung des Verbs kAm besteht aus Rezipientensicht Klarheit darüber, dass eine Wiederholung vorliegen muss, weil die Konstituentenabfolge dann kam dann kAm nur dann akzeptabel ist, wenn sie als Ergebnis eines retraktiven Eingriffs in die emergente Struktur interpretiert wird. Bei Initiierungen durch ‚nur Retraktion‘ wird die Selbstreparatur – wie bei allen anderen Reparaturmarkern – also dadurch initiiert, dass die Fortsetzungserwartung des Rezipienten verletzt wird. Die Besonderheit impliziter Reparaturmarker in Beispielen wie (111) besteht jedoch im Vergleich zu expliziten Reparaturmarkern darin, dass die Reparaturinitiierung nicht bereits vor der Durchführung der Reparatur explizit angezeigt wird, sondern der Moment der Reparaturinitiierung mit dem Moment der Reparaturdurchführung zusammenfällt. Die zweite Möglichkeit, eine Reparatur implizit zu initiieren, besteht im Wortabbruch. Auch diese Form der Reparaturinitiierung basiert auf den bereits vorhandenen Projektionen, sodass der Äußerung kein expliziter Marker hinzugefügt werden muss, um die Initiierung anzuzeigen. Sprecher greifen hier auf die projizierte Form des gerade produzierten, aber nicht zu Ende geführten Wortes zurück, um beim Rezipienten eine Durchbrechung der Fortsetzungserwartung zu bewirken. Im folgenden Beispiel wird ein Wortabbruch eingesetzt. Es ist die Rede vom Einsatz von Spritzmitteln im Weinbau: (112) 01 i-fr01: der hat gsagt des sprItze geht zuRÜCK, 02 mer spritzt nimmer so vie*_intenSIV,

In Z. 02 unterbricht die Interviewerin ein Adverb (vie), vermutlich die unvollständige Form von viel und ersetzt dieses durch intenSIV. Die Reparaturinitiierung wird in diesem Beispiel dadurch erreicht, dass das Reparandum vie un-

Reparaturinitiierung | 171

vollständig bleibt. In dem Moment, in dem die Sprecherin mit der Produktion des Reparans intenSIV beginnt, wird die Fortsetzungserwartung des Hörers verletzt (die Projektion, dass vie vervollständigt wird, wird nicht eingelöst). Bei dieser Form der impliziten Reparaturinitiierung wird die Reparatur in dem Moment eingeleitet, in dem der Sprecher zur Reparaturdurchführung – in (112) zur Substitution des Adverbs – übergeht.

6.2.3 Der Zusammenhang von Reparaturmarkern und strukturellen Faktoren Im Folgenden soll für alle in ausreichender Zahl im Korpus vorhandenen Reparaturmarker (mindestens n = 30) quantitativ untersucht werden, mit welchen Reparaturstrukturen sie auftreten.72 Ein Problem bei der quantitativen Auswertung der Reparaturmarker besteht in der bereits erwähnten Tatsache, dass diese häufig nicht alleine, sondern in Kombination mit anderen Reparaturmarkern eingesetzt werden, sodass in diesen Fällen keiner der verwendeten Marker eindeutig mit den strukturellen Eigenschaften der Selbstreparatur in Zusammenhang gebracht werden kann. Da die einzelnen Kombinationsvarianten von Reparaturmarkern zu zahlreich sind (und weil für die meisten dieser Kombinationsvarianten zu wenige Tokens vorliegen), um jeweils gesondert betrachtet werden zu können, wird die Analyse der hochfrequenten Reparaturmarker auf eine andere Weise durchgeführt. Wenn genügend Beispiele von einem Reparaturmarker vorliegen, werden ausschließlich diejenigen Selbstreparaturen ausgewertet, in denen der Reparaturmarker alleine auftritt. Auf diese Weise kann die Häufigkeit der Verwendung eines Reparaturmarkers in direkten Zusammenhang mit den verschiedenen strukturellen Faktoren gebracht werden. Wenn für eine isolierte Betrachtung eines bestimmten Reparaturmarkers nicht genügend Daten zur Verfügung stehen – wie bei den selteneren lexikalischen Markern – werden stattdessen alle diejenigen Fälle zusammengefasst und untersucht, in denen der jeweilige Reparaturmarker entweder alleine oder in Kombination mit anderen Initiierungsressourcen auftritt. Eine solche Analyse kann zwar keine direkte Verbindung zwischen einem Reparaturmarker und einer Reparaturstruktur herstellen, erlaubt aber dennoch eine Aussage darüber, welche Reparaturstruktur beim Auftreten der zu untersuchenden Initiierungsressource – eventuell in Kombination mit

|| 72 Eine quantitative und qualitative Analyse zum Zusammenhang zwischen den verschiedenen (auch weniger häufigen) Reparaturmarkern und den Typen von Reparanda wird in Kapitel 7.3 durchgeführt.

172 | Selbstreparaturstrukturen

anderen Ressourcen – aus Rezipientensicht wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher ist.73 Auch bei den Verschlüssen und Wortabbrüchen werden alle im Korpus vorliegenden Verwendungen in die Auswertung einbezogen. Der Grund hierfür liegt jedoch nicht in der Seltenheit dieser Initiierungsressourcen, sondern darin, dass Verschlüsse und Wortabbrüche sehr häufig gemeinsam auftreten. Eine Beschränkung der quantitativen Auswertung auf Verschlüsse und Wortabbrüche, die jeweils alleine auftreten, würde die Mehrzahl der Verschlüsse (74,1 %) von der Analyse ausschließen und das häufige Zusammenfallen beider Initiierungsressourcen zu Unrecht ignorieren. Bei den Reparaturmarkern Pause und Lautdehnung wurden ausschließlich diejenigen Selbstreparaturen in die Auswertung einbezogen, in denen der jeweilige Marker alleine eingesetzt wird. Dasselbe gilt für den impliziten Reparaturmarker ‚nur Retraktion‘ – hier treten per definitionem keine zusätzlichen Reparaturmarker auf. Hinter den folgenden Auswertungen zu den Reparaturmarkern steht die Annahme, dass die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Reparaturmarkern und den strukturellen Merkmalen der Reparatur für den Rezipienten einer Reparatur relevant sein können. Es wird davon ausgegangen, dass die Reparaturmarker die Eigenschaften der Reparatur mehr oder weniger stark projizieren und diese damit für den Rezipienten erwartbar machen können – mit all den Unsicherheiten, die mit Projektionen in der gesprochenen Sprache verbunden sind. Dieser Annahme liegt die Hypothese zugrunde, dass ein bestimmtes Element X (hier: ein bestimmter Reparaturmarker) ein Element Y (hier: ein bestimmter Selbstreparaturtyp) umso stärker projiziert, je häufiger X und Y im Sprachgebrauch aufeinander folgen. Die Prozentzahlen in den folgenden Tabellen – also der Anteil an Verwendungen dieses Reparaturmarkers in Verbindung mit dem jeweiligen strukturellen Merkmal der Reparatur – drücken aus, wie stark aus der Rezipientenperspektive ein bestimmtes strukturelles Merkmal der Reparatur vom Reparaturmarker projiziert wird. Da sich die folgenden Auswertungen an dieser Teilnehmerperspektive orientieren, wurden die Prozentwerte pro Spalte für die Verteilung jedes einzelnen Reparaturmarkers auf das jeweilige strukturelle Merkmal berechnet (Beispiel:

|| 73 Ein Vergleich des Einflusses verschiedener struktureller und reparandumsbezogener Faktoren auf die Verwendung von äh als einzigem Reparaturmarker vs. äh in Kombination mit anderen Reparaturmarkern gibt Grund zur Annahme, dass das methodische Vorgehen, Kombinationen mehrerer Reparaturmarker zur Untersuchung eines ganz bestimmten darin enthaltenen Markers zu verwenden, valide ist: Beide Auswertungen ließen die gleichen Tendenzen erkennen.

Reparaturinitiierung | 173

wie häufig folgt auf äh eine Substitution?). Eine alternative Auswertungsweise wäre die Berechnung der Prozentwerte pro Zeile für die Verteilung der einzelnen strukturellen Merkmale auf die Reparaturmarker (Beispiel: Wie häufig tritt eine Substitution mit äh auf?). Letztere Art der Auswertung, die von der Reparaturstruktur ausgeht, entspricht nicht dem zeitlichen Verlauf der Rezeption einer Selbstreparatur. Für den Rezipienten steht die Produktion des Reparaturmarkers in der Interaktionssituation vor der strukturellen Gestaltung der Reparaturdurchführung. Die entscheidende Frage für den Rezipienten ist deshalb, welche Reparaturstruktur zum Zeitpunkt der Produktion eines bestimmten Reparaturmarkers zu erwarten ist, und nicht, welcher Reparaturmarker bei Vorliegen einer bestimmten Reparaturstruktur zu erwarten ist. Beide Fragestellungen mögen zunächst sehr ähnlich erscheinen, jedoch besteht zwischen ihnen ein entscheidender Unterschied: Die eine Fragestellung geht von einer bereits produzierten Selbstreparatur – von einem bereits festgelegten Endprodukt – aus, und versucht aus der Perspektive des Analysten retrospektiv einen Zusammenhang zwischen strukturellen Merkmalen und Reparaturmarkern zu rekonstruieren. Die andere Fragestellung hingegen orientiert sich am zeitlichen Prozess der Reparaturproduktion, den die Gesprächsteilnehmer in der Interaktion online durchlaufen. Eine Untersuchung, die den Grundsätzen der Interaktionalen Linguistik verpflichtet ist, sollte bei ihren Analysen dem zeitlichen Verlauf des zu untersuchenden Phänomens aus der Perspektive der Teilnehmer Rechnung tragen. Zur vorliegenden Untersuchung des Projektionspotentials von Reparaturmarkern muss dennoch kritisch angemerkt werden, dass nicht alle Projektionen, die von den Markern ausgehen, in die Analyse einbezogen wurden, sondern lediglich diejenigen Projektionen, die eine nachfolgende Selbstreparatur betreffen. Natürlich muss in der Interaktion auf die untersuchten potentiellen Initiierungsressourcen nicht zwangsläufig eine Selbstreparatur folgen – neben einer Reparatur oder einem Konstruktionsabbruch mit anschließendem Neubeginn sind immer auch andere Fortsetzungen der Struktur möglich. Eine Untersuchung des vollständigen Projektionspotentials der Marker würde eine umfangreiche Korpusanalyse erfordern, die sämtliche im Anschluss an potentielle Initiierungsressourcen mögliche Fortsetzungen der Äußerung einbezieht. Da eine solche Untersuchung im Rahmen der vorliegenden Studie nicht geleistet werden kann, beschränkt sich die folgende Analyse auf das bescheidenere Ziel, das Projektionspotential der Marker nur für den Fall zu untersuchen, dass eine Selbstreparatur folgt. Es wird in der vorliegenden Studie also nur ein kleiner Ausschnitt aus dem gesamten Projektionspotential der jeweiligen Marker betrachtet. Daher muss offenbleiben, wie stark eine Selbstreparatur im Vergleich

174 | Selbstreparaturstrukturen

zu anderen Fortsetzungsmöglichkeiten projiziert wird, d. h., welchen Anteil die Projektion von Selbstreparaturstrukturen an der Gesamtprojektion eines bestimmten Markers hat. Von dieser Einschränkung der Analyse bleiben die Relationen zwischen den hier dargestellten Projektionsstärken jedoch unberührt. Wenn beispielsweise in der folgenden Darstellung ein Marker X den Reparaturtyp Y doppelt so stark projiziert wie den Reparaturtyp Z, so gilt diese Relation der Projektionsstärke unabhängig davon, wie stark der Marker X neben Selbstreparaturen noch andere Fortsetzungen projiziert. Aufgrund dieser anderen Fortsetzungsmöglichkeiten sind die Projektionen der verschiedenen Reparaturmerkmale zwar in Wirklichkeit schwächer als hier dargestellt (d. h., die Prozentzahlen wären unter Einbezug des gesamten Projektionsspektrums eines Markers kleiner), aber die Kräfteverhältnisse zwischen den Projektionsstärken der Reparaturmerkmale werden in der folgenden Analyse dennoch korrekt abgebildet. Folglich erlauben die folgenden Analysen – trotz der Einschränkung durch die fehlende Berücksichtigung der weiteren Projektionen, die im Spiel sind – Aussagen darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit bestimmte Eigenschaften einer Selbstreparatur aus Hörerperspektive von einem Marker erwartbar gemacht werden. Es ist zudem davon auszugehen, dass die Projektionen, die ein Marker ins Spiel bringt, je nach Position des Markers innerhalb der emergenten Struktur unterschiedlich stark sind. Die Projektionen, die etwa von den Markern oder, also und äh ausgehen, variieren vermutlich je nachdem, ob sie am Anfang, „innerhalb“ oder am Ende eines syntaktischen Projekts geäußert werden (siehe auch den Beginn des Kap. 6.2 und die dort zitierte Literatur zur Verwendung von Diskursmarkern). Trotz der erwähnten Schwierigkeiten erscheint mir der Versuch, diesen neuen methodischen Weg einzuschlagen, gerechtfertigt, weil bislang die Stärke von Projektionen in interaktionslinguistischen Arbeiten vor allem introspektiv beurteilt wurde. An die Stelle intuitiver Einschätzungen soll in der vorliegenden Arbeit eine empirische Messung von Projektionsstärke treten.74

|| 74 Siehe auch Kapitel 7.3 zur Analyse der Verbindung zwischen Reparaturmarkern und bearbeiteten Reparanda. Dort wird sowohl die hier dargestellte quantitative Methode angewandt (Kap. 7.3.2) als auch eine qualitative Analyse durchgeführt (Kap. 7.3.1). An dieser Stelle findet sich zudem eine Zusammenstellung der interaktionalen Funktionen der Reparaturmarker (Kap. 7.3.3).

Reparaturinitiierung | 175

6.2.3.1 Reparaturmarker und Reparaturoperation Wenden wir uns zunächst dem Zusammenhang von Reparaturmarkern und Reparaturoperationen zu. Welche Operation ist aus Rezipientenperspektive zu erwarten, wenn ein bestimmter Reparaturmarker vorliegt? In den Spalten von Tabelle 32 sind die verschiedenen Reparaturmarker angeführt, die mit einer Anzahl von mindestens n = 30 im Korpus vorkommen. In den Zeilen sind die verschiedenen Grundoperationen angeführt, auf die der Sprecher bei der Durchführung einer Selbstreparatur zurückgreifen kann. Es wurde für jeden Reparaturmarker durch graue Markierung hervorgehoben, mit welcher Reparaturoperation er am häufigsten auftritt. Wenn ein Reparaturmarker darüber hinaus in über 30 % der Fälle mit einer zweiten Operation verwendet wird, wurde das entsprechende Feld ebenfalls grau hinterlegt. Tab. 32: Reparaturmarker nach Reparaturoperation Reparatur- Reparaturmarker operation explizit

implizit

Partikel/lexikalischer Marker

prosodisch

äh

ähm

also

oder

Nur

Nur Laut- Ver-

n = 218

n = 30

n = 57

n = 41

Pause

dehnung schluss Retrak-

n = 607

n = 174

n = 165

Nur tion

Wortabbruch n = 460

n = 740

Wiederholung

82

6

7

0

373

134

37

484

160

37,6 %

20,0 %

12,3 %

0%

61,4 %

77,0 %

22,4 %

65,4 %

34,8 %

Substitution

109

22

39

38

176

37

113

208

225

50,0 %

73,3 %

68,4 % 92,7 %

29,0 %

21,3 %

68,5 %

28,1 %

48,9 %

Insertion

7

1

5

1

35

1

8

28

53

3,2 %

3,3 %

8,8 %

2,4 %

5,8 %

0,6 %

4,6 %

3,8 %

11,5 %

20

1

6

2

23

2

7

20

22

9,2 %

3,3 %

10,5 %

4,9 %

3,8 %

1,1 %

4,2 %

2,7 %

4,8 %

Tilgung

Insgesamt fällt auf, dass die Mehrheit der Reparaturmarker mit Wiederholungen und Substitutionen verwendet wird, wohingegen nur ein kleiner Anteil der Initiierungsressourcen auf Insertionen und Tilgungen entfällt. Diese Verteilung ist darauf zurückzuführen, dass Wiederholungen (53,6 %) und Substitutionen (36,9 %) viel häufiger vorkommen als Insertionen (5,5 %) und Tilgungen (4,0 %)

176 | Selbstreparaturstrukturen

(siehe Kap. 4), sodass dieser Unterschied nicht überraschend ist. Interessanter ist die Frage, ob ein bestimmter Reparaturmarker häufiger mit Wiederholungen oder mit Substitutionen auftritt. Hier ergeben sich klare Unterschiede. Während nach äh und Wortabbruch sowohl häufig Wiederholungen als auch Substitutionen durchgeführt werden, zeigt sich bei den anderen Reparaturmarkern eine Präferenz für das Auftreten mit einer der beiden Operationen. Die Partikel ähm und die lexikalischen Marker also und oder sowie der prosodische Marker ‚Verschluss‘ kommen vor allem mit Substitutionen vor, wohingegen Pausen, Lautdehnungen und ‚nur Retraktion‘ am häufigsten mit Wiederholungen verbunden sind. Es ist auffällig, dass vor allem diejenigen Marker mit Wiederholungen verbunden sind, die den Redefluss am stärksten aufrechterhalten und die Selbstreparatur am wenigsten salient markieren.

6.2.3.2 Reparaturmarker und Wortart des Reparandums Im Folgenden soll untersucht werden, welcher Zusammenhang zwischen dem Einsatz eines Reparaturmarkers und der Wortart des Reparandums besteht.75 Welche Reparaturmarker treten besonders häufig mit reparaturbedürftigen Inhaltswörternauf – und welche mit Funktionswörtern? Die Auswertung bezieht sich ausschließlich auf Reparaturen mit erkennbarem Reparandum, nicht aber auf wiederholte Wörter. Da ein wiederholtes Wort nicht automatisch als Reparandum angesehen werden kann (siehe Kap. 4.1.1), werden diese Fälle im nächsten Unterkapitel behandelt (Kap. 6.2.3.3). Als Kriterium für die Einschätzung, dass ein bestimmter Reparaturmarker deutlich häufiger mit der einen Wortart verwendet wird als mit der anderen, wurde das Vorliegen eines quantitativen Verhältnisses von mindestens einem Drittel zu zwei Dritteln ausgewählt. Bei einer kleineren Differenz zwischen den Gebrauchshäufigkeiten eines Markers in Verbindung mit den beiden Wortarten wurde davon ausgegangen, dass dieser Unterschied für den Rezipienten nicht unbedingt eine Rolle spielen muss. Je stärker sich die Gebrauchshäufigkeiten eines Reparaturmarkers in Verbindung mit den beiden Wortarten einander annähern, desto schwächer ist aus Rezipientensicht die Projektion dieses Reparaturmarkers in Hinblick auf die Wortart des Reparandums, die im Anschluss an die Reparaturinitiierung zu erwarten ist. Die folgende Auswertung bezieht sich auf das oberflächlich veränderte Wort, d. h., Substitutionen von Determinierern

|| 75 Die Auswertung bezieht sich allein auf diejenigen Reparaturen, in denen ein einfaches Reparandum vorliegt. Wiederholungen, die kein klares Reparandum aufweisen, und komplexe Reparanda, die verschiedene Wortarten umfassen können, werden hier nicht berücksichtigt.

Reparaturinitiierung | 177

und Hilfsverben wurden zu den Funktionswörtern gezählt, obwohl diese sich auch auf das projizierte Nomen bzw. das projizierte Verb beziehen (siehe Kap. 4.3). Tab. 33: Reparaturmarker nach Wortart des Reparandums Wortart Repa- Reparaturmarker randum explizit

implizit

Partikel/lexikalischer Marker

prosodisch

äh

ähm

also

oder

Nur

Nur Laut- Ver-

n = 115

n = 19

n = 35

n = 29

Pause

dehnung schluss Retrak-

bruch

n = 187

n = 39

n = 230

n = 11

Nur tion

Wortab-

n = 212

Funktionswort 54 Inhaltswort

11

15

5

126

38

34

162

49

47,0 %

57,9 %

42,9 %

17,2 %

67,4 %

97,4 %

30,6 %

76,4 %

21,3 %

61

8

20

24

61

1

77

50

181

53,0 %

42,1 %

57,1 %

82,8 %

32,6 %

2,6 %

69,4 %

23,6 %

78,7 %

Wie aus Tabelle 33 hervorgeht, werden Pausen, Lautdehnungen und ‚nur Retraktion‘ hauptsächlich bei der Reparatur von Funktionswörtern verwendet. Interessanterweise handelt es sich bei diesen drei Reparaturmarkern genau um diejenigen, die auch besonders häufig mit der Durchführung von Wiederholungen verbunden sind (siehe Tab. 32). Der Reparaturmarker oder ist die einzige lexikalische Initiierungsressource, die hauptsächlich mit Inhaltswörtern auftritt. Die Partikeln und also werden etwa gleich häufig mit Funktions- und Inhaltswörtern verwendet. Wortabbrüche und Verschlüsse, die sehr häufig gemeinsam eingesetzt werden, treten ebenfalls am häufigsten mit Reparaturen von Inhaltswörtern auf. Dieses Ergebnis entspricht der hinsichtlich der Position des Abbruchpunkts vorgefundenen Tendenz, Inhaltswörter sehr viel häufiger abzubrechen als Funktionswörter (siehe Kap. 6.1.2.3). Insgesamt ist die Position des Abbruchpunkts auch dann als eine wichtige Ressource zur Projektion (der Wortart) des Reparandums einzuschätzen, wenn der Abbruchpunkt nicht innerhalb des problematischen Wortes liegt und dieses dadurch als Reparandum markiert. Der Abbruchpunkt liegt nämlich zumeist direkt nach dem Reparandum, sodass der Rezipient aufgrund dieser Regelmäßigkeit damit rechnen kann, dass es sich unabhängig von der Wahl des Reparaturmarkers beim letzten vor der Initiierung produzierten Wort häufig um das Reparandum handelt.

178 | Selbstreparaturstrukturen

6.2.3.3 Reparaturmarker und Wortart des wiederholten Wortes Nachdem im letzten Unterkapitel der Zusammenhang zwischen den Reparaturmarkern und der Wortart des Reparandums untersucht wurde, wollen wir uns nun der Frage zuwenden, welcher Zusammenhang zwischen den Reparaturmarkern und der Wortart wiederholter Wörter besteht. Diese wurden im letzten Unterkapitel nicht behandelt, weil ein wiederholtes Wort nicht automatisch als Reparandum angesehen werden kann (siehe Kap. 4.1.1). Bei der folgenden Auswertung werden ausschließlich Einwort-Wiederholungen einbezogen. Mehrwort-Wiederholungen wurden hingegen nicht berücksichtigt, weil diese – genau wie komplexe Reparanda – Funktions- und Inhaltswörter zugleich umfassen können. Tab. 34: Reparaturmarker nach Wortart des wiederholten Wortes Wortart wiederholtes Wort

Reparaturmarker

explizit

implizit

Partikel/lexikalischer Marker

prosodisch

äh

ähm

also

oder

Nur

Nur Laut-

Verschluss Nur

Wortab-

n = 56

n=5

n=4

n=0

Pause

dehnung

n = 28

Retrak-

bruch

tion

n = 127

n = 266 n = 97

n = 398

Funktions- 41 wort 73,2 %

3

2

0

221

84

13

361

36

60,0 %

50,0 %

0%

83,1 %

86,6 %

46,4 %

90,7 %

28,3 %

Inhaltswort

15

2

2

0

45

13

15

37

91

26,8 %

40,0 %

50,0 %

0%

16,9 %

13,4 %

53,6 %

9,3 %

71,7 %

Die lexikalischen Initiierungsmittel und Partikeln kommen insgesamt nur sehr selten (ähm, also) oder überhaupt nicht (oder) mit Wortwiederholungen vor. Die einzige Ausnahme bildet der Reparaturmarker äh, der auch mit Wiederholungen relativ häufig auftritt. Allerdings ist sein Gebrauch nicht auf beide Wortarten gleichmäßig verteilt. Die Wiederholung eines Funktionsworts ist deutlich häufiger mit äh verbunden als die Wiederholung eines Inhaltsworts. Dieses Ergebnis ist wenig überraschend, da Funktionswörter insgesamt viel häufiger wiederholt werden als Inhaltswörter (siehe Kap. 6.4.2). Ein deutliches Übergewicht zugunsten der Inhaltswörter zeigt sich nur bei den Wortabbrüchen. Dieses Ergebnis entspricht der in Kapitel 6.1.3.2 vorgefundenen Tendenz, die Unterbrechung wiederholter Funktionswörter zu vermeiden.

Reparaturinitiierung | 179

Ein anderes Bild zeigt sich bei den prosodischen Markern Pause und Lautdehnung sowie beim impliziten Marker ‚nur Retraktion‘. Im Zusammenhang mit den Reparaturoperationen (Tab. 32) wurde bereits festgestellt, dass diese Reparaturmarker vor allem mit Wiederholungen auftreten. Diese Beobachtung wird nun durch Tabelle 34 spezifiziert: Die drei Reparaturmarker werden allesamt viel häufiger mit wiederholten Funktionswörtern benutzt als mit wiederholten Inhaltswörtern. Dieses Ergebnis passt auch zu den Beobachtungen, die zur Verwendung dieser Reparaturmarker im Zusammenhang mit der Wortart des Reparandums (Tab. 33) gemacht wurden: Sie treten hauptsächlich bei der Reparatur von Funktionswörtern auf.

6.2.4 Zusammenfassung: Reparaturinitiierung Zur Initiierung von Selbstreparaturen greifen die Sprecher auf explizite Reparaturmarker (Partikeln sowie lexikalische und prosodische Marker) und implizite Reparaturmarker zurück, die sowohl unabhängig voneinander als auch in verschiedensten Kombinationen zum Einsatz kommen. Alle Reparaturmarker haben gemeinsam, dass sie die projizierte syntaktische Struktur durchbrechen und damit die zum Initiierungszeitpunkt gegebene Fortsetzungserwartung des Rezipienten mehr oder weniger stark verletzen. Dieser Bruch mit der projizierten Fortsetzung der Äußerung kann vom Rezipienten als Ressource genutzt werden, sich auf potentiell anstehende Veränderungen des Redebeitrags und damit verbundene Reprozessierungen der Äußerung einzustellen. Die Reparaturmarker durchbrechen also nicht nur die projizierte Fortsetzung der ursprünglichen Äußerung, sondern bringen selbst wiederum die Projektion ins Spiel, dass eine Selbstreparatur folgen wird. Über diese grundlegende funktionale Eigenschaft hinaus eröffnen die Reparaturmarker aber noch eine Reihe weiterer Projektionen, die dem Rezipienten verschiedene Hinweise über die strukturelle Gestaltung der nachfolgenden Reparaturdurchführung liefern: − ähm, also, oder und Verschlüsse sind mit Substitutionen verbunden. − äh tritt mit Substitutionen und der Wiederholung von Funktionswörtern auf. − Pausen und Lautdehnungen allein sowie ‚nur Retraktion‘ treten mit Wiederholungen sowie mit der Reparatur von Funktionswörtern auf. − Verschlüsse, Wortabbrüche und oder sind mit der Reparatur von Inhaltswörtern verbunden. − Wortabbrüche treten bei der Wiederholung von Inhaltswörtern auf.

180 | Selbstreparaturstrukturen

Diese Projektionen haben selbstverständlich keinen Regelcharakter, sondern sind aufgrund der Dynamik jeder Gesprächssituation und der Unvorhersehbarkeit der Entwicklung einer Interaktion immer mit Unsicherheiten verbunden, sodass jede Projektion eingelöst werden kann, aber nicht muss.

6.3 Retraktion Um eine Selbstreparaturoperation durchführen zu können, muss der Sprecher zu einem Punkt innerhalb der bereits produzierten Struktur zurückkehren. Dieser Prozess des Rücksprungs wird in Anlehnung an Auer (2000a) als Retraktion bezeichnet. In diesem Kapitel werden zwei Aspekte von Retraktionen unterschieden, die für die Untersuchung der syntaktischen Struktur von Selbstreparaturen zentral sind: die Retraktionsspanne (Kap. 6.3.1) und der Retraktionspunkt (Kap. 6.3.2). Im Folgenden werden diese beiden Aspekte beschrieben und der Einfluss verschiedener formaler Faktoren auf die Retraktionsspanne und den Retraktionspunkt analysiert.

6.3.1 Retraktionsspanne Wenn ein Sprecher ein problematisches Element in der bereits produzierten Struktur bearbeiten möchte, kann er sich mithilfe einer Retraktion „rückwärts“ bewegen. Um das Problem überhaupt bearbeiten zu können, ist der Sprecher bei der Durchführung der Retraktion dazu gezwungen, mindestens bis zu der syntaktischen Position in der Äußerung zu retrahieren, die das problematische Element enthält. Darüber hinaus besteht die Option, noch über das problematische Element hinaus in der Struktur zurückzugehen. In diesem Fall liegt ein syntaktischer „Anker“ (Auer/Pfänder 2007: 61) vor, d. h., es wird vor der Durchführung der eigentlichen Selbstreparaturoperation – einer Substitution, Insertion oder Tilgung – ein Teil der ursprünglichen Äußerung wiederholt. Die Retraktionsspanne bezeichnet diese optionale Distanz zwischen dem Reparandum und dem Retraktionspunkt, die der Sprecher bei der Rückwärtsbewegung in der syntaktischen Struktur zurücklegen kann.76 Sie wird wie die Verzögerungslänge

|| 76 Wiederholungen sind von der Untersuchung der Retraktionsspanne ausgeschlossen. Bei diesen kann keine Distanz zwischen dem Reparandum und dem Retraktionsspunkt gemessen werden, weil kein strukturelles Reparandum vorhanden ist. Auch Apokoinu-Substitutionen

Retraktion | 181

(siehe Kap. 6.1.1) in Anlehnung an Levelt (1983: 44) in Silben gemessen. Die folgenden Beispiele sollen den hier verwendeten Begriff der Retraktionsspanne verdeutlichen: (113) 01 Tba: ich wusste nich dass man aus kartOffenscha'* kartOffelschalen ne SUPpe machen kann. 02 Hrm: ach SO ja.

In diesem Beispiel substituiert Tabea das abgebrochene Nomen kartOffenscha', das einen phonologischen Fehler enthält, durch die phonologisch korrekte Form kartOffelschalen, wobei sie die minimale Retraktionsspanne wählt. Sie retrahiert direkt zum Reparandum und ersetzt dieses, ohne zuvor einen Teil der bereits produzierten Struktur zu wiederholen. Da Tabea auf diese Option verzichtet (also keinen syntaktischen Anker einsetzt) und unmittelbar zum problematischen Element der Äußerung retrahiert, liegt in dieser Selbstreparatur eine Retraktionsspanne von null Silben vor. Im nächsten Beispiel retrahiert der Sprecher zu einem Punkt hinter dem Reparandum: (114) 01 T: wollen sie die beschwErden nochmal* oder die SCHMERzen nochmal n bisschen- °h (-) 02 nochmal genAuer noch beSCHREIben,= 03 =[(wie)-] 04 P: [es is ] n DRUCKschmerz;

In (114) initiiert der Sprecher eine Reparatur, indem er den Reparaturmarker oder (Z. 01) produziert. Anschließend ersetzt er das Nomen beschwErden durch SCHMERzen, wobei er vor der Durchführung der Substitution zum Beginn der Nominalphrase retrahiert und den Determinierer die wiederholt. Die Einbeziehung des Determinierers ist optional, da dieser bei der Substitution des Nomens nicht verändert wird. Der Sprecher könnte also in diesem Beispiel auch direkt zum Reparandum beschwErden retrahieren (die Retraktionsspanne wäre dann null), entscheidet sich aber für eine Retraktion zum Determinierer, der noch weiter „zurückliegt“. Die Retraktionsspanne – also die Distanz zwischen Reparandum und Retraktionspunkt, die in diesem Fall der Länge des Determinierers

|| (Kap. 5.2.2) werden hier nicht einbezogen, weil sie keine Retraktion im eigentlichen Sinne aufweisen.

182 | Selbstreparaturstrukturen

die entspricht – beträgt eine Silbe. Im folgenden Beispiel beträgt die Retraktionsspanne zwei Silben: (115) 01 i-hh04: also ich denk es gibt bestimmt viele LEUte-* 02 viele ÄRZte- (-) 03 ähm (-) die sich (--) gAnz viel LEISten-

In Z. 02 ersetzt der Sprecher das Nomen LEUte durch ÄRZte. Er retrahiert jedoch nicht direkt zum Reparandum, sondern zum vorangehenden Adjektiv viele und wiederholt dieses vor der Durchführung der Substitution. Die Retraktionsspanne in diesem Beispiel beträgt somit zwei Silben. Die Definition der Retraktionsspanne als optionale Distanz, die bei der Rückwärtsbewegung in der Struktur zurückgelegt wird, soll an dieser Stelle etwas näher erläutert und begründet werden. Es wäre ja zunächst intuitiv naheliegend, die Retraktionsspanne als die gesamte Distanz zu definieren, die ein Sprecher bei der Durchführung einer Retraktion zurücklegt – also als die Distanz, die zwischen dem Abbruchpunkt und dem Retraktionspunkt liegt. Was ist also der Grund für die Wahl der engen Definition von Retraktionsspanne? Der Hauptgrund liegt darin, dass die Messung der Retraktionsspanne bei ihrer Definition als Gesamtdistanz zwischen Abbruchpunkt und Retraktionspunkt nicht besonders aussagekräftig wäre, weil sie ganz entscheidend von der Länge des Reparandums und der Verzögerung abhängen würde. Beispielsweise würde diese Gesamtdistanz in (113) und (115) jeweils vier Silben betragen (kartOffenscha' und viele LEUte), obwohl im ersten Fall gar keine kürzere Retraktionsspanne möglich wäre und im zweiten Fall die Retraktionsspanne (bei einer direkten Retraktion zum Reparandum LEUte) theoretisch auch zwei Silben betragen könnte. Bei einer Definition der Retraktionsspanne als Gesamtdistanz zwischen Abbruchpunkt und Retraktionspunkt könnte also für jede Selbstreparatur die insgesamt zurückgelegte „Strecke“ gemessen werden, jedoch ergäbe sich bei einer solchen Definition neben der Variation der Länge des Reparandums und der Verzögerungslänge noch ein weiterer entscheidender Nachteil. Der Unterschied zwischen der Selektion einer minimalen und einer nicht-minimalen Retraktionsspanne könnte bei einer solchen weiten Begriffsbestimmung nicht gefasst werden. Ein zentrales Erkenntnisinteresse der vorliegenden Arbeit besteht jedoch genau darin, die Faktoren zu bestimmen, die für die Wahl einer minimalen bzw. einer größeren Retraktionsspanne verantwortlich sind (siehe Kap. 8.2.2), sodass sich die Definition der Retraktionsspanne als optional zurückgelegte Distanz für die Zwecke dieser Arbeit anbietet: Wählt der Sprecher eine (minima-

Retraktion | 183

le) Retraktion direkt zum Reparandum, ist die Retraktionsspanne gleich null; wählt der Sprecher eine (optionale) Retraktion zu einem weiter zurückliegenden Punkt innerhalb der vorliegenden Struktur, ist die Retraktionsspanne größer als null. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die unterschiedlichen Retraktionsspannen über alle Selbstreparaturen hinweg: Tab. 35: Retraktionsspanne in Selbstreparaturen Retraktionsspanne in Silben

Anzahl Reparaturen (n = 1.165)

0

751 (64,5 %)

1

316 (27,1 %)

2

76 (6,5 %)

3

16 (1,4 %)

4

3 (0,3 %)

5

3 (0,3 %)

Mittlere Retraktionsspanne in Silben

0,47

Wie Tab. 35 zeigt, liegt die mittlere Retraktionsspanne über alle Selbstreparaturen hinweg bei 0,47 Silben. In fast zwei Dritteln der durchgeführten Selbstreparaturen wird die minimale Retraktionsspanne gewählt (64,5 %, siehe Beispiel (113)), wohingegen die Sprecher in nur etwa einem Drittel (35,5 %) weiter in der Struktur zurückgehen als theoretisch notwendig wäre. In gut einem Viertel aller Reparaturen gehen die Sprecher eine Silbe hinter das Reparandum zurück (27,1 %, siehe Beispiel (114)), während eine Retraktionsspanne von zwei Silben noch seltener auftritt (6,5 %, siehe Beispiel (115)). Die weiteren Retraktionsspannen (von drei bis fünf Silben) treten nur in äußerst geringer Zahl auf. Worauf ist die Variation bei der Selektion der Retraktionsspanne zurückzuführen? Wann wählen die Sprecher die minimale Retraktionsspanne und wann eine größere? Um uns diesen Fragen anzunähern, werden wir im Folgenden den Einfluss verschiedener struktureller Faktoren auf die Retraktionsspanne untersuchen. Der Einfluss des Reparandumstyps auf die Retraktionsspanne wird Gegenstand von Kapitel 7.4.1 sein.

184 | Selbstreparaturstrukturen

6.3.1.1 Retraktionsspanne und Selbstreparaturoperation Zunächst soll untersucht werden, ob die Retraktionsspanne von der Selbstreparaturoperation abhängt, die der Sprecher in der Reparaturdurchführung einsetzt. Eine Varianzanalyse zeigt, dass diese Frage bejaht werden kann (F(6) = 12,45; p < 0,01**). Wie Tabelle 36 bereits andeutet, gibt es zwei Operationen – die projektionserhaltende Tilgung und die modifizierende Insertion – die sich von den anderen Operationen abheben: Tab. 36: Retraktionsspanne nach Selbstreparaturoperation Selbstreparaturoperation

Mittlere Retraktionsspanne in Silben

Projektionserhaltende Substitution

0,56

Projektionsverändernde Substitution

0,40

Projektionserhaltende Tilgung

1,62

Projektionsverändernde Tilgung

0,47

Modifizierende Insertion

0,16

Nicht-modifizierende Insertion

0,39

Projektionsverändernde Insertion

0,48

Während alle anderen Operationen eine durchschnittliche Retraktionsspanne zwischen 0,39 und 0,56 Silben aufweisen, liegt bei projektionserhaltenden Tilgungen durchschnittlich eine besonders große (1,62 Silben) und bei modifizierenden Insertionen eine besonders kleine Retraktionsspanne (0,16 Silben) vor (siehe hervorgehobene Zeilen). Die Retraktionsspanne der projektionserhaltenden Tilgungen unterscheidet sich sehr signifikant von den Retraktionsspannen aller anderen Operationen. Im Gegensatz dazu unterscheiden sich die modifizierenden Insertionen lediglich von den projektionserhaltenden Substitutionen (und den projektionserhaltenden Tilgungen). Die Vergleiche mit den anderen Operationen ergeben keine signifikanten Unterschiede. Während die Retraktionsspanne bei modifizierenden Insertionen durchschnittlich besonders klein ist, weil diese fast nie einen syntaktischen Anker aufweisen (siehe Kap. 5.1.3.1), ist die Retraktionsspanne bei projektionserhaltenden Tilgungen im Durchschnitt besonders groß, weil hier der Einsatz eines Ankers fast immer obligatorisch ist (siehe Kap. 5.1.4). Auf diese beiden Beobachtungen wird im Rahmen des Erklärungsmodells für die Reparaturstruktur näher eingegangen (siehe Kap. 8.2.2).

Retraktion | 185

6.3.1.2 Retraktionsspanne und Wortart des Reparandums Wenden wir uns nun der Frage zu, ob die Retraktionsspanne von der Wortart des Reparandums abhängt. Tab. 37: Retraktionsspanne nach Wortart des Reparandums Retraktionsspanne in Silben

Funktionswörter (n = 552)

Inhaltswörter (n = 376)

0

366 (66,3 %)

223 (59,3 %)

1

166 (30,1 %)

105 (27,9 %)

2

18 (3,3 %)

32 (8,5 %)

3

1 (0,2 %)

11 (2,9 %)

4

1 (0,2 %)

2 (0,5 %)

5

0

3 (0,8 %)

Mittlere Retraktionsspanne in Silben

0,38

0,60

Wie aus Tabelle 37 hervorgeht, ist die Retraktionsspanne bei der Reparatur von Funktionswörtern (0,38 Silben) im Durchschnitt kürzer als bei der Reparatur von Inhaltswörtern (0,60 Silben). Dieser Unterschied ist sehr signifikant (F(12) = 4,46; p < 0,01**). Dieses Ergebnis hängt damit zusammen, dass die Retraktion in Selbstreparaturen häufig zu einer Phrasengrenze zurückgeht (siehe Kap. 6.3.2). Funktionswörter wie beispielsweise Präpositionen und Determinierer, die am Phrasenbeginn stehen, werden somit häufiger direkt repariert, wohingegen bei der Reparatur von z. B. Nomen und Adjektiven häufig der Phrasenbeginn wiederholt wird.

6.3.1.3 Retraktionsspanne und Verzögerungslänge Neben den Faktoren Selbstreparaturoperation und Wortart des Reparandums wurde auch überprüft, ob die Position des Abbruchpunkts einen Einfluss auf die Größe der Retraktionsspanne hat. Man könnte hier eine Korrelation zwischen der Verzögerungslänge und der Größe der Retraktionsspanne vermuten, da die Wiederholung eines Teils der ursprünglichen Äußerung dem Hörer bei der Identifikation des Reparandums und bei der Einbindung der Reparatur in den Kontext behilflich sein könnte (Levelt 1983: 84). Trotz ihrer intuitiven Plausibilität kann diese Vermutung jedoch nicht bestätigt werden; die Retraktionsspanne wird nicht durch die Verzögerungslänge beeinflusst. Diese Beobachtung steht im Einklang mit Levelts (1983: 87) Ergeb-

186 | Selbstreparaturstrukturen

nissen und deutet darauf hin, dass der syntaktische Anker zumindest nicht systematisch zur Kompensation einer langen Verzögerung eingesetzt wird.

6.3.2 Retraktionspunkt Im Folgenden wenden wir uns dem Retraktionspunkt zu, also dem Punkt in der bereits produzierten syntaktischen Struktur, zu dem der Sprecher vor der Durchführung der Reparaturoperation zurückkehrt. Bei der Analyse des Retraktionspunkts spielt auch das Konzept der Retraktionsspanne eine wichtige Rolle. Ein zentraler Aspekt bei der Untersuchung des Retraktionspunkts in diesem Kapitel ist die Frage, ob die Retraktion nur so weit zurückgeht wie nötig, d. h., ob eine minimale Retraktionsspanne vorliegt, oder ob der Sprecher bei der Durchführung der Reparatur an einem Punkt einsetzt, der im begonnenen syntaktischen Projekt noch weiter zurückliegt. Der folgenden Analyse von Retraktionen liegt die Annahme zugrunde, dass sich die Stärke der syntaktischen Verbindung zwischen Konstituenten in Retraktionsmustern niederschlagen kann (vgl. Fox/Jasperson 1995; Fox et al. 1996; Uhmann 2001, 2006; Fox et al. 2009a). Zunächst wenden wir uns den Reparaturen zu, die ein Reparandum auf der interaktionalen Ebene bearbeiten (Kap. 6.3.2.1). Dabei wird zwischen einfachen Reparanda, in denen ein einzelnes Wort als Reparandum vorliegt, und komplexen Reparanda, in denen mehrere Wörter repariert werden, unterschieden. Da in Wiederholungen und manchen Insertionen kein Wort als Reparandum vorliegt, werden diese getrennt von den anderen Reparaturen analysiert (siehe Kap. 6.3.2.2 und 6.3.2.3).

6.3.2.1 Retraktionspunkt in Substitutionen, Tilgungen und modifizierenden Insertionen Ein möglicher Zielpunkt bei der Durchführung der Retraktion ist das Reparandum selbst, sodass dieses als mögliche syntaktische Position des Retraktionspunkts in die Analyse einbezogen werden muss. Des Weiteren hängen die Alternativen, die dem Sprecher bei der Wahl des Retraktionspunkts zur Verfügung stehen, immer auch davon ab, in welchem syntaktischen Kontext die Selbstreparatur initiiert wird. Zu Beginn eines syntaktischen Projekts stehen weniger Zielpunkte für die Retraktion zur Verfügung als kurz vor dessen Abschluss, eine Adverbialphrase bietet andere mögliche Retraktionspunkte als eine Präpositional- oder Nominalphrase, etc. Daher muss eine Analyse des Retraktionspunkts

Retraktion | 187

in Selbstreparaturen immer in Abhängigkeit vom Reparandum und vom syntaktischen Kontext der Reparatur durchgeführt werden, was sich in der Gliederung dieses Kapitels nach topologischen Positionen und nach der Wortart des Reparandums widerspiegelt.77 Zunächst werden für jede Wortart und jeden syntaktischen Kontext die einfachen Reparanda und dann die komplexen Reparanda besprochen. In letzteren Fällen stellt immer das am frühesten produzierte (also am weitesten „links“ liegende) problematische Element den Punkt dar, zu dem der Sprecher bei der Selektion der minimalen Retraktionsspanne zurückkehren muss. Bei der Analyse der Retraktionspunkte in den folgenden Unterkapiteln werden zunächst die häufigeren, dann die weniger häufigen Reparanda untersucht.

Reparaturen von Verben Beginnen wir mit der Analyse des Retraktionspunkts bei der Reparatur von Verben, den häufigsten Reparanda im vorliegenden Korpus. Hier gilt es zu differenzieren, ob es sich beim Reparandum um ein Verb in Verberst-, Verbzweitoder Verbletztposition handelt. Das folgende Beispiel zeigt die Reparatur eines Verbs in Erstposition. In diesem Gesprächsausschnitt führt hh04 Beispiele für Firmen an, bei denen sehr häufig Wirtschaftsprüfungen durchgeführt werden: (116) 01 hh04: na nimm'* (-) nehmen sie mal ESso oder SHELL.

In (116) wird das Verb nimm in Spitzenstellung durch nehmen ersetzt. Nach der Reparaturinitiierung durch Glottalverschluss und einer Pause retrahiert hh04 direkt zum Reparandum, um die Reparatur vorzunehmen. Bei Verben in Erstposition besteht neben der Retraktion zum Reparandum prinzipiell die Möglichkeit, zu einer Konstituente im Vor-Vorfeld zu retrahieren – sofern diese Position besetzt ist. Bei den 32 Reparaturen von Verben in Erstposition ist das Vor-Vorfeld in sieben Fällen besetzt, jedoch geht die Retraktion in allen Fällen direkt zum reparaturbedürftigen Verb. In sechs der 32 Reparaturen liegt ein komplexes Reparandum vor, das zusätzlich noch ein auf das Verb folgendes Pronomen einschließt. Hinsichtlich des Retraktionspunkts unterscheiden sich diese Fälle nicht von den einfachen Reparanda, in denen lediglich das Verb repariert wird.

|| 77 Zur topologischen Organisation des deutschen Satzes vgl. Drach (1937).

188 | Selbstreparaturstrukturen

Deutlich häufiger wird ein Verb in Zweitstellung repariert (n = 229). Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die verschiedenen Retraktionspunkte bei der Reparatur dieser Verben: Tab. 38: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Verben in Zweitstellung Retraktionspunkt

Reparierte Verben in Zweitstellung (n = 229)

Reparandum (V2)

145 (63,3 %)

Vorfeld

81 (35,4 %)

Vor-Vorfeld

3 (1,3 %)

In fast zwei Dritteln aller Fälle geht die Retraktion direkt zum Reparandum. In den meisten anderen Beispielen retrahieren die Sprecher zurück ins Vorfeld und verwenden ein Pronomen (n = 64; 26,1 %) oder Adverb (n = 21; 8,6 %) als syntaktischen Anker. In nur zwei Fällen wird eine Konjunktion im Vor-Vorfeld als Retraktionspunkt gewählt. Die folgenden Beispiele illustrieren diese verschiedenen Retraktionspunkte. Im ersten Ausschnitt unterhalten sich die Teilnehmer über den Beruf des Manns von i-mu: (117) 01 i-mu: der is jetz:* äh hat ja jetz geWECHselt?

Die Interviewerin initiiert eine Selbstreparatur durch Lautdehnung am Ende des Adverbs jetz: und retrahiert direkt zum Reparandum is, das durch hat ersetzt wird. Die Retraktion geht direkt zum Verb, sodass die Substitution ohne syntaktischen Anker vorgenommen wird. Die folgende Reparatur wird mit syntaktischem Anker durchgeführt: (118) 01 k07: das ist* (-) °h das war ne SIEDlung ne,

In diesem Beispiel ersetzt die Sprecherin eine Kopula in Verbzweitstellung und verändert dabei das Tempus von Präsens (ist) zu Präteritum (war). Die Retraktion geht in diesem Fall allerdings nicht direkt zum Reparandum, sondern ins Vorfeld der Äußerung, wo vor der Durchführung der Substitution das Pronomen das wiederholt wird.

Retraktion | 189

Wie Uhmann (2006: 190) bemerkt, haben Sprecher bei Reparaturen des Verbs in Zweitstellung Optionen: Sie können entweder direkt zum Verb oder aber ins Vorfeld retrahieren. Diese Beobachtung entspricht auch den vorliegenden Daten. Die bloße Feststellung, dass beide Möglichkeiten bestehen, ist jedoch unbefriedigend, weil sie nichts darüber aussagt, unter welchen Umständen die Retraktion ins Vorfeld gehen kann und wann nicht. Uhmann wirft die Frage auf, ob die Komplexität der Vorfeldkonstituente im Hinblick auf das Einbeziehen des Vorfelds in die „syntaktische Schleife“ eine Rolle spielt (Uhmann 2006: 195). Die vorliegende Analyse zeigt, dass die Option, ins Vorfeld zu retrahieren, in der Tat einer strukturellen Restriktion unterliegt: Alle Konstituenten im Vorfeld, die bei der Substitution eines Verbs in Zweitstellung als syntaktischer Anker benutzt werden, sind einsilbig. Das zeigt, dass die „Schwere“ der Vorfeldkonstituente eine wichtige Rolle bei der Selektion des Retraktionspunkts spielt. Mehrsilbige Vorfeldkonstituenten werden im vorliegenden Korpus nie als syntaktischer Anker benutzt. Das folgende Beispiel, das die einzige Retraktion in ein mehrsilbig besetztes Vorfeld bei der Reparatur eines Verbs in Zweitstellung zeigt, unterstreicht die Existenz dieser Restriktion: (119) 01 k07: aber die kInder' (.) sin heute ALle-* 02 die SPIElen nich mehr auf der straße.

In dieser Reparatur eines Verbs in Zweitstellung ist das Vorfeld mit der mehrsilbigen Konstituente die kInder (Z. 01) besetzt. Die Sprecherin retrahiert bei der Reparaturdurchführung zwar ins Vorfeld der Struktur, aber wiederholt die Nominalphrase nicht, sondern ersetzt sie durch das Pronomen die, bevor sie mit der Substitution des Verbs fortfährt. Eine solche pronominale Wiederaufnahme des Vorfelds, die einer Linksversetzung ähnelt, scheint für den Sprecher eine Möglichkeit zu sein, eine mehrsilbige Vorfeldkonstituente in solchen Reparaturen zu reaktivieren. Neben dieser Einschränkung hinsichtlich der Verwendung der Vorfeldkonstituente als syntaktischen Anker ist es bemerkenswert, dass auch Wiederholungen von Konstituenten im Vor-Vorfeld vermieden werden. Das Vor-Vorfeld bei Reparaturen des Verbs in Zweitstellung ist in 91 Fällen (39,7 %) besetzt und stellt einen möglichen Retraktionspunkt dar. Die Seltenheit, mit der Retraktionen ins Vor-Vorfeld tatsächlich auftreten (n = 3; 3,3 % aller Fälle mit besetztem Vor-Vorfeld), deutet jedoch darauf hin, dass es eine starke syntaktische Grenze zwischen dem Vor-Vorfeld und dem Vorfeld gibt, die von den Sprechern nur äußerst selten übersprungen wird.

190 | Selbstreparaturstrukturen

In 15 Fällen werden zusätzlich zum Verb in Zweitstellung noch auf das Verb folgende Pronomen, fast ausschließlich Subjektpronomen, repariert. In diesen Fällen handelt es sich beim Pronomen um das eigentliche Reparandum: (120) 01 fr03a: 02

aber wie gsagt als KIND- (.) empfindsch du'* empfin:det ma des jo wieder anderscht wie als erwAch[sener MENSCH,=ne,] 03 fr03b: [ja::: klar, ] 04 i-fr03: ja-

In Z. 02 ersetzt die Sprecherin das Verb und das Subjektpronomen empfindsch du' durch empfin:det ma. Kognitiv gesehen wird zwar nur das Pronomen repariert, jedoch muss auch das Verb angepasst werden, weil es mit dem Subjektpronomen in Person und Numerus kongruiert. In 12 der 15 komplexen Reparanda (80,0 %) geht die Retraktion zum Verb, in drei Fällen geht die Retraktion ins Vorfeld, um dort eine einsilbige Konstituente als syntaktischen Anker zu wiederholen (20,0 %). Reparaturen von Verben in der rechten Satzklammer liegen in insgesamt 61 Fällen vor, wobei das Reparandum in 46 Beispielen ein infinites Verb und in 15 Fällen eine finites Verb ist. Bei den infiniten Verben treten die folgenden unterschiedlichen Retraktionspunkte auf: Tab. 39: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten infiniten Verben in Letztstellung Retraktionspunkt

Reparierte infinite Verben in Letztstellung (n = 46)

Reparandum (rechte Satzklammer)

30 (65,2 %)

Mittelfeld

12 (26,1 %)

Linke Satzklammer

2 (4,3 %)

Vorfeld

2 (4,3 %)

Der mit Abstand häufigste Zielpunkt der Retraktion ist das Reparandum selbst (65,2 %) – Retraktionen ins Mittelfeld (26,1 %) werden ebenfalls noch relativ häufig gewählt, wohingegen Retraktionen in die linke Satzklammer78 (4,3 %) und ins Vorfeld (4,3 %) nur selten auftreten.

|| 78 In der vorliegenden Arbeit wird im Anschluss an Zifonun et al. (1997: 1501) davon ausgegangen, dass auch einleitende Elemente eines Relativsatzes in der linken Satzklammer lie-

Retraktion | 191

Im folgenden Gesprächsausschnitt erzählt k07 von ihren Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg. Sie repariert ein infinites Verb und retrahiert direkt in die rechte Satzklammer: (121) 01 k07: und in dIesem tunnel °hh ham wir im krIech geLEBT; 02 der war: °h rEchts und lInks waren da lÖcher in den tUnnel °h äh geBAU'* geSCHLAgen worden03 und das war ja g' n_geWÖLbe? 04 und da ham wa geLEBT im kriech;

In Z. 02 ersetzt die Sprecherin ein abgebrochenes infinites Verb, das Reparandum geBAU, durch geSCHLAgen. Zur Durchführung der Substitution kehrt sie direkt zum Reparandum zurück, ohne zuvor einen Teil der ursprünglichen Äußerung zu wiederholen. Bei Retraktionen ins Mittelfeld (n = 12) handelt es sich in den meisten Fällen um Insertionen von Adverbien, die das infinite Verb modifizieren (n = 11): (122) 01 P23: dass man sie erKENnen kann* !LEICH!ter erKENnen kann;

In diesem Beispiel bestimmt der Sprecher das Verb erKENnen näher, indem er in das Mittelfeld retrahiert und das modifizierende Adverb !LEICH!ter einfügt. In nur einem Beispiel geht die Retraktion ins Mittelfeld, ohne im Anschluss eine modifizierende Insertion durchzuführen. Hier stellen Thomas und Tanja Vermutungen darüber an, wen die anderen Mitbewohner in dieser Woche nominiert haben: (123) 01 02 03 04 05 06

Tja: äh von DIR [weiss ich ] sIcher;= Tms: [da braucht'] Tja: =und von:: MAnu weiss ich sI[cher.] Tms: [ja al]so. (1.8) Tja: mmh: (.) ich werd svEn auch noch mal dirEkt drauf FRAgen;* (-) 07 drauf ANsprechen; (-) 08 Tms: ach (-) MEINST_de, 09

|| gen. Diese Annahme ergibt sich zum einen daraus, dass Relativpronomen genau wie Subjunktionen Verbletztstellung auslösen. Zum anderen deuten auch die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zur Durchführung von Retraktionen in Selbstreparaturen darauf hin, dass starke Ähnlichkeiten zwischen Relativ- und Subjunktionalsätzen bestehen.

192 | Selbstreparaturstrukturen

Am Ende von Z. 06 initiiert Tanja eine Selbstreparatur, retrahiert zum Präpositionaladverb drauf, das als Präpositionalobjekt fungiert und unmittelbar vor der rechten Satzklammer positioniert ist, wiederholt dieses und ersetzt das Reparandum FRAgen durch ANsprechen. Obwohl solche Fälle nur selten auftreten, zeigt dieses Beispiel dennoch, dass diejenigen Konstituenten des Mittelfelds, die besonders eng mit dem Verb verbunden sind, in die Reparaturdurchführung mit einbezogen werden können. Der nächste Auszug zeigt eine Retraktion ins Vorfeld der syntaktischen Gestalt (n = 2; 4,3 %). Die Teilnehmer unterhalten sich über verschiedene Bauarbeiten im Haus von i-mu: (124) 01 i-mu: 02 03 04 mu05a: 05 06 i-mu: 07 08 09 mu05a:

die war' (.) die ham ja mir erst NEIgmacht ebendiese verBINdung hAus gArten; (.) die war ja vOrher nur durch die Küche möglich. ja ja aber äh (.)da hat doch de:r (-) vom v[om BRUder] der_der [cousin hat doch des ] RAUSgschnitten. [couSIN von mir] (.) [mein couSIN JA genau] DER hat des nAus;* DER hat des rAusgschni[tten.] [ja i ] WOASS scho wie des hAus äh äh

In Z. 07 unterbricht i-mu das infinite Verb (nAus), wiederholt den Beginn ihrer Äußerung (DER hat des) und substituiert es (rAusgschnitten). Pronomen sind nur selten der Retraktionspunkt bei Reparaturen der rechten Satzklammer. Es ist auffällig, dass in diesem Beispiel die Retraktion zu der Konstituente geht, die den Fokusakzent trägt. Die Akzentuierung hebt hervor, dass dieses Pronomen semanto-pragmatisch besonders wichtig ist. Durch die Verwendung als syntaktischen Anker wird die interaktionale Bedeutung des Pronomens noch unterstrichen. Bei den beiden anderen Beispielen, in denen die Retraktion in die linke Satzklammer geht, wird die Akzentuierung des Verbs in der linken Klammer (zusätzlich zur Reparatur des Verbs in der rechten Satzklammer) verändert. Infinite Verben werden also in den meisten Fällen durch eine Retraktion in die rechte Klammer (unmittelbare Substitution) oder ins Mittelfeld (Insertion eines modifizierenden Adverbs) repariert. Wenn dies nicht geschieht, werden bevorzugt akzentuierte Konstituenten als Retraktionspunkte gewählt. Wenden wir uns nun den finiten Verben in Letztstellung zu:

Retraktion | 193

Tab. 40: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten finiten Verben in Letztstellung Retraktionspunkt

Reparierte finite Verben in Letztstellung (n = 12)

Reparandum (rechte Satzklammer)

10 (83,3 %)

Mittelfeld

2 (16,7 %)

Bei den finiten Verben geht die Retraktion ebenfalls in den meisten Fällen direkt zum Reparandum. Im nächsten Beispiel, das eine solche Retraktion zeigt, berichtet die Sprecherin von ihrer Tätigkeit als Vermesserin und vom Zweck, den die Vermessungsergebnisse erfüllen: (125) 01 dd01b: SCHULratsamt-= 02 =wenn_die jetzt mal WISsen will'* wOllen, 03 °h (1.3) 04 was ham die für SPORTanlagen,

In (125) ist das Reparandum ein Modalverb in Letztstellung (will'). Bei der Form dieses Verbs handelt es sich entweder um die abgebrochene Form der 3. Person Plural mit falschem Vokal (i statt o) oder um die vollständige Form der 3. Person Singular, die nicht zum Referenten SCHULratsamt passt. Diese Ambiguität liegt vor, weil das Pronomen die in Z. 02 als Singular- und auch als Pluralform verwendet werden kann. Das Reparandum wird durch die Form der 3. Person Plural wOllen ersetzt, wodurch auf die Gesamtheit der Personen, die der Institution SCHULratsamt angehören, Bezug genommen wird. In der ersten Lesart wird also durch diese Reparatur die phonologische Form, in der zweiten Lesart die syntaktische Kategorie Numerus verändert. Dieses Beispiel, in dem ein Verbcluster aus zwei Elementen in der rechten Satzklammer vorliegt, demonstriert, dass die Sprecher tatsächlich das problematische Element selbst als Retraktionspunkt auswählen und nicht die Feldgrenze zwischen rechter Satzklammer und Mittelfeld. Wäre Letzteres der Fall, müsste in Beispielen wie (125) regelmäßig das gesamte Verbcluster in die Reparaturdurchführung mit einbezogen werden. In den beiden Beispielen mit Retraktion ins Mittelfeld wird ein finites Verb durch die Insertion eines Adverbs modifiziert. Der Grund für die Retraktion ins Mittelfeld ist hier demnach derselbe wie bei den Reparaturen von infiniten Verben. Abgesehen von infiniten und finiten Verben, die in der rechten Satzklammer als einfache Reparanda auftreten, liegen auch drei komplexe Reparanda in

194 | Selbstreparaturstrukturen

der rechten Satzklammer vor, die jeweils ein finites und ein infinites Verb umfassen: (126) 01 hh04: als ich AUFgewachsen bin.* (-) 02 oder al' (-) als ich (.) Anfing zu SPREchen;= 03 =sagen_wer ma SO. (-) °hh 04 neunzehnhundertfünfunVIERzig; 05 da kamen viele FLÜCHTtlinge.

In (126) ersetzt der Sprecher das Verbcluster AUFgewachsen bin durch die Infinitivkonstruktion Anfing zu SPREchen, wobei die Retraktion hier interessanterweise zur Subjunktion geht. Dieses Beispiel ist der einzige Fall einer Retraktion zur linken Klammer, wenn eine Reparatur in der rechten Klammer eines Nebensatzes durchgeführt wird. Die 26 anderen Beispiele, in denen ein einfaches infinites oder finites Verb in einem Nebensatz repariert wird, weisen allesamt Retraktionen zur rechten Satzklammer auf. In den beiden anderen Fällen komplexer Reparanda geht die Retraktion ebenfalls nicht – wie aufgrund der allgemeinen Tendenz bei einfachen finiten und infiniten Verben zu erwarten wäre – in die rechte Klammer, sondern ins Vorfeld der Struktur. Das deutet darauf hin, dass Reparaturen von Verbclustern eher einen syntaktischen Anker aufweisen, während einfache Reparanda in der rechten Klammer hauptsächlich ohne syntaktischen Anker durch eine Retraktion direkt zum Reparandum bearbeitet werden.

Reparaturen der Nominalphrase Im Folgenden werden die Retraktionspunkte bei Selbstreparaturen in der Nominalphrase untersucht. Wenden wir uns zunächst den Fällen zu, in denen ein Determinierer repariert wird. In diesen Fällen stellt die Retraktion zum Determinierer die minimale Retraktionsspanne dar. Bei der Reparatur von Determinierern wird (mindestens) eine Nominalkategorie verändert, wodurch sich nicht nur der Determinierer selbst, sondern auch das projizierte Nomen verändert. Reparaturen des Determinierers sind also eigentlich vorweggenommene Reparaturen des Nomens (siehe hierzu ausführlicher Kap. 4.1.2.3 und 4.3.1). Es liegen im Korpus insgesamt 86 Reparaturen des Determinierers in der Nominalphrase vor, von denen 69 in Hauptsätzen und 17 in Nebensätzen durchgeführt werden. Bei den Reparaturen von Determinierern in Hauptsätzen verteilen sich die Retraktionspunkte wie folgt:

Retraktion | 195

Tab. 41: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Determinierern in Hauptsätzen Retraktionspunkt

Reparierte Determinierer in Hauptsätzen (n = 69)

Reparandum (Det)

61 (88,4 %)

Linke Satzklammer

5 (7,2 %)

Mittelfeld

2 (2,9 %)

Vorfeld

1 (1,4 %)

In den allermeisten Fällen retrahieren die Sprecher direkt zum Reparandum (88,4 %). Diejenigen reparierten Determinierer, bei denen die Retraktion zu einem anderen Punkt geht, stehen allesamt im Mittelfeld der syntaktischen Struktur. Die linke Klammer wird in 7,2 % aller Fälle als Retraktionspunkt verwendet, wohingegen Konstituenten im Mittelfeld (2,9 %) oder Vorfeld (1,4 %) nur äußerst selten als Startpunkt der Reparaturdurchführung dienen. Das Beispiel (127) zeigt einen der häufigen Fälle, in denen zum Reparandum retrahiert wird: (127) 01 Etr: wo is_n de::r*_ä:hm dein WASCHpulver;

Esther unterbricht ihre Äußerung nach der Produktion des definiten Artikels de::r und ersetzt diesen durch den Possessivartikel dein, wobei das Genus der Nominalphrase von Maskulinum zu Neutrum verändert wird. Diese Veränderung ist für den Rezipienten jedoch erst durch die Produktion des Nomens WASCHpulver zu erkennen, weil das Genus des Possessivartikels dein bei seiner Produktion in Echtzeit sowohl Maskulinum als auch Neutrum sein kann. In fünf Fällen retrahieren die Sprecher, wie das folgende Beispiel zeigt, über die Grenze der Nominalphrase hinaus in die linke Klammer der syntaktischen Struktur: (128) 01 hh04: bei diesen kassenärztlichen verRECHnungsstellen; 02 (-)da weiß der* (-) weiß die KRANkenkasse nicht- (.) 03 hat der arzt die leistung erBRACHT04 der patient weiß es AUCH nicht;

In Z. 02 initiiert der Sprecher nach der Produktion des Determinierers der – möglicherweise war dieses Element vor der Initiierung auch als Pronomen geplant – eine Selbstreparatur und retrahiert über die Phrasengrenze hinaus zum

196 | Selbstreparaturstrukturen

Verb in der linken Klammer der Äußerung, wiederholt dieses und ersetzt den Determinierer (bzw. das Pronomen) durch die. Auf Beispiele für Retraktionen ins Mittel- und Vorfeld wird aufgrund ihrer Seltenheit verzichtet. Beide Retraktionen ins Mittelfeld gehen zu einer Konstituente, die unmittelbar vor dem Reparandum steht – in einem Fall eine Modalpartikel, im anderen Fall ein Adverb. Bei der Retraktion ins Vorfeld wird ein einsilbiges Pronomen als syntaktischer Anker in die Reparaturdurchführung mit einbezogen. Nun soll untersucht werden, welche Retraktionspunkte bei der Reparatur von Determinierern in Nebensätzen gewählt werden. Insgesamt liegen 13 Reparaturen in Subjunktionalsätzen und vier Reparaturen in Relativsätzen vor: Tab. 42: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Determinierern in Nebensätzen Retraktionspunkt

Reparierte Determinierer in Nebensätzen (n = 17)

Reparandum (Det)

14 (82,4 %)

Linke Satzklammer

3 (17,6 %)

Die Sprecher retrahieren bei der Reparatur von Determinierern in Nebensätzen in etwa so häufig direkt zum Reparandum wie in Hauptsätzen. Auch bei den Nebensätzen wird in einigen Fällen eine Retraktion zur linken Klammer durchgeführt – andere Retraktionspunkte liegen hier nicht vor. Die Sprecher nutzen also nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie retrahieren zum Reparandum oder zum Beginn des Nebensatzes. Das folgende Beispiel, in dem hh04 gegen den übermäßigen Einsatz von Maschinen in der Industrie argumentiert, illustriert die Retraktion zum Reparandum: (129) 01 hh04:

wenn man (-) diese:* (--) äh: (-) den Einsatz von maSCHInen; 02 (-) bis: (.) zu ENde denkt; 03 i-hh04: ja 04 hh04: und SACHT also05 °h Alle menschliche arbeit wird durch maSCHInen getan; 06 i-hh04: ja 07 hh04: ja dann ist das: (-) das system kann nicht funktioNIEren.

Retraktion | 197

In Z. 01 unterbricht hh04 seinen Konditionalsatz nach dem Demonstrativartikel diese: und ersetzt ihn durch den definiten Artikel den, wobei – wie in den meisten Fällen – eine Retraktion unmittelbar zum Reparandum gewählt wird. Neben den einfachen Reparaturen des Determinierers treten auch komplexe Reparanda auf, die aus einem Determinierer und weiteren Elementen der Nominalphrase bestehen (n = 29). In diesen Reparaturen, von denen 19 auf Hauptsätze und zehn auf Nebensätze entfallen, muss die Retraktion ebenfalls mindestens bis zum Determinierer gehen. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Retraktionspunkte in den Hauptsätzen: Tab. 43: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Nominalphrasen in Hauptsätzen Retraktionspunkt

Reparierte Nominalphrasen in Hauptsätzen (n = 19)

Reparandum (Det)

15 (78,9 %)

Linke Satzklammer

3 (15,8 %)

Vorfeld

1 (5,3 %)

Die Retraktion zum Beginn der Nominalphrase wird bei der Reparatur von Nominalphrasen in Hauptsätzen deutlich bevorzugt (78,9 %), während Retraktionen zur linken Satzklammer (15,8 %) und ins Vorfeld (5,3 %) selten sind. Bei den komplexen Reparanda in Nebensätzen zeigt sich ein etwas anderes Bild: Tab. 44: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Nominalphrasen in Nebensätzen Retraktionspunkt

Reparierte Nominalphrasen in Nebensätzen (n = 10)

Reparandum (Det)

4 (40,0 %)

Linke Satzklammer

6 (60,0 %)

Es liegen zwar nur wenige Beispiele vor, aber dennoch scheinen die Retraktionspunkte, die mit der Reparatur von Nominalphrasen in Nebensätzen verbunden sind, von den Retraktionspunkten bei der Reparatur einfacher Determinierer abzuweichen: Retraktionen in die linke Satzklammer treten hier häufiger auf als Retraktionen zum Beginn der Nominalphrase.

198 | Selbstreparaturstrukturen

Im folgenden Beispiel, das eine Retraktion zum Beginn eines Subjunktionalsatzes zeigt, diskutieren die Bewohner darüber, ob Männer wehleidiger sind als Frauen: (130) 01 Tba: wenn mÄnner ma:l (-) zu_ne zUsätzliche ARbeit mAchen müssen; 02 sind die komPLETT überfOrdert. 03 [wenn_n KIND krank wird;]= 04 Hrm: [((lacht)) ] 05 Tba: und die MÜSsen dann-* °h 06 äh wenn_ne FRAU krank wird;07 und müssen dann das kInd dann noch nach der Arbeit versorgen; 08 °h und die WÄsche muss gewAschen werden; 09 und_und_UND; 10 (.) toTAler stress.

Am Ende von Z. 06 bricht Tabea ihre Äußerung ab und retrahiert zum Beginn des Konditionalsatzes in Z. 04. Sie wiederholt die Subjunktion und substituiert anschließend die Nominalphrase n KIND durch ne FRAU. In diesem Beispiel findet die Reparaturinitiierung erst sehr spät – innerhalb der Expansion des Konditionalsatzes (und die MÜSsen dann) – statt. Diese relativ große Distanz, die Tabea innerhalb ihres Redebeitrags bei der Retraktion zurücklegen muss, ist möglicherweise der Grund für den Einsatz eines syntaktischen Ankers in Form der Subjunktion wenn. Dieser Anker könnte dem Hörer helfen, den strukturellen Anknüpfungspunkt der Reparaturdurchführung innerhalb der etwas weiter zurückliegenden, kognitiv vermutlich weniger stark aktivierten Struktur leichter zu identifizieren. Bei vier der fünf anderen Retraktionen zur linken Satzklammer wird die Nominalphrase nicht ersetzt, sondern getilgt. Im folgenden Ausschnitt, der ein solches Beispiel präsentiert, unterhalten sich die Gesprächsteilnehmerinnen darüber, dass früher vor der Aufnahme in einen Karnevalsverein geprüft wurde, ob die jeweilige Person in der regionalen Kultur verwurzelt war: (131) 01 fr01b: un früher isch au Immer gePRÜFT worre, 02 ebe ob ma: dieses aleMANnische,* (--) 03 ob ma do NEI[passt-] 04 fr01a: [het ma] da WERT druff glegt, 05 fr01b: ja;

In Z. 02 initiiert die Sprecherin nach dem Akkusativobjekt dieses aleMANnische eine Reparatur, retrahiert zum Beginn des Nebensatzes, und tilgt die Nomin-

Retraktion | 199

alphrase, indem das Adverb do an deren Stelle tritt. Diese Reparatur ist bedingt durch einen Konstruktionswechsel im Sprachproduktionsplan: Das ursprünglich geplante Verb wird durch NEIpasst ersetzt, das ein Präpositionalobjekt verlangt, sodass das bereits produzierte Akkusativobjekt getilgt werden muss (siehe auch Kap. 4.3.2 zu Reparaturen des projizierten Verbs). Bei solchen Reparaturen, die eine syntaktische Neuorganisation des Nebensatzes mit sich bringen, scheinen Retraktionen zum Beginn des Nebensatzes bevorzugt zu werden. Darüber hinaus zeigt dieses Beispiel, dass eine getilgte Konstituente keineswegs aus den Köpfen der Teilnehmer gelöscht wird, sondern immer noch interaktionale Relevanz besitzen kann (vgl. Jefferson 1974; Fox/Jasperson 1995: 86). Die Nominalphrase wird zwar aus syntaktischer Sicht getilgt, ist aber immer noch latent vorhanden, sodass die adverbiale Proform do auf diese rekurrieren kann (vgl. auch Beispiel (76) in Kap. 5.2.5 zur interaktionalen Relevanz getilgter Strukturen). Insgesamt deutet die Distribution der Retraktionspunkte in Nominalphrasen darauf hin, dass der Beginn einer Nominalphrase eine starke syntaktische Grenze darstellt, die bei der Durchführung von Selbstreparaturen nur selten übersprungen wird. Im Folgenden wenden wir uns der Reparatur von Nomen zu. Diese Gruppe unterscheidet sich dadurch von den bisher behandelten Reparaturen, dass der Determinierer sich in der Reparaturdurchführung nicht verändert und somit nicht Teil des Reparandums ist. In diesen Fällen wird lediglich das ursprüngliche Nomen durch ein anderes Nomen mit gleichem Genus ausgetauscht. Neben dem Genus bleiben auch die anderen Nominalkategorien (Kasus, Numerus und Definitheit), die allesamt am Determinierer (und Adjektiv) markiert werden, unverändert. Aus diesem Grund unterscheiden sich diese Reparaturen des Nomens von den bisher analysierten Fällen in Bezug auf die minimale Retraktionsspanne: Diese besteht nicht in einer Retraktion zum Determinierer, sondern in einer Retraktion zum Nomen. Diese Unterscheidung zwischen Reparaturen der Nominalphrase mit obligatorischer und fakultativer Retraktion zum Determinierer ist wichtig, um zu untersuchen, ob die Sprecher nur dann zum Determinierer (bzw. zum Adjektiv) retrahieren, wenn dies durch die Veränderung der morphosyntaktischen Kategorien erzwungen wird oder ob die Sprecher generell Retraktionen zum Beginn der Nominalphrase bevorzugen. Die Gesamtauswertung umfasst reparierte Nomen (n = 82) in Hauptsätzen (n = 70) und in Nebensätzen (n = 12; sieben Subjunktionalsätze, drei Relativsätze, zwei Infinitivsätze). In 46 Fällen (56,1 %) retrahieren die Sprecher zum Reparandum. Davon stellen 18 Fälle (39,1 % der Retraktionen zum Reparandum) gleichzeitig eine Retraktion zur Phrasengrenze dar, weil die Nominalphrase in

200 | Selbstreparaturstrukturen

diesen Beispielen weder einen Determinierer noch ein Adjektiv aufweist. Da in diesen Reparaturen eine Retraktion zum Reparandum nicht von einer Retraktion zur Phrasengrenze unterschieden werden kann, können diese Fälle auch keinen Aufschluss über die zu Beginn des Abschnitts aufgeworfene Frage geben, ob die Sprecher eine minimale Retraktionsspanne im Vergleich zu einer Retraktion zur Phrasengrenze bevorzugen. Um dieser Frage nachzugehen, wurden in Tabelle 45 nur die Reparaturen von Nomen einbezogen, in denen die Nominalphrase neben dem Nomen noch andere Elemente umfasst (n = 64): Tab. 45: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Nomen in Nominalphrasen Retraktionspunkt

Reparierte Nomen in Nominalphrasen (n = 64)

Reparandum (N)

28 (43,8 %)

Phrasengrenze

34 (53,1 %)

Linke Satzklammer

2 (3,1 %)

Wie die Verteilung zeigt, gibt es keinen großen quantitativen Unterschied zwischen Retraktionen zum Reparandum und zur Phrasengrenze: In 43,8 % der Reparaturen, die in Nominalphrasen mit Determinierer oder Adjektiv stattfinden, retrahieren die Sprecher direkt zum Nomen. In über der Hälfte der Fälle (53,1 %) bevorzugen sie jedoch eine Retraktion zur Phrasengrenze, obwohl diese durch die Reparatur morphosyntaktisch nicht erzwungen wird. Retraktionen in die linke Satzklammer sind hingegen äußerst selten. Betrachten wir zunächst ein Beispiel für die Retraktion zum Reparandum: (132) 01 Ibl: °h 02 mit jemandem darüber zu REden; 03 nIch mal meinen bEsten leut'* FREUnden; °h 04 hab_isch darüber geSPROchen; 05 GAR nichts;=ne,

Isabell spricht über die Panikanfälle, die sie in der Vergangenheit hatte. In Z. 03 initiiert sie innerhalb einer Nominalphrase eine Selbstreparatur, bricht dabei das Reparandum ab (leut'), und ersetzt dieses Nomen anschließend durch FREUNden. Der Artikel und das Adjektiv bleiben unverändert, sodass eine Retraktion zu einer dieser Konstituenten fakultativ wäre und nicht der minimalen Retraktionsspanne entsprechen würde. Die Sprecherin wählt in diesem Beispiel

Retraktion | 201

jedoch die minimale Retraktionsspanne: Die Retraktion geht unmittelbar zum Nomen. Der nächste Gesprächsausschnitt zeigt eine der recht häufigen Retraktionen zur Phrasengrenze, für die es aus morphosyntaktischer Sicht keine Veranlassung gibt: (133) 01 k07: dann hab ich das geSCHÄFT gemacht? 02 °hh und SCHWIEgervater, (-) 03 hat die reparaTUren* die !FAHR!radreparaturen gemacht;

In (133) repariert k07 das Nomen reparaTUren, ohne die Selbstreparatur zuvor explizit zu initiieren. Sie retrahiert unmittelbar im Anschluss an die Produktion des Reparandums zum Beginn der Nominalphrase, wiederholt den Determinierer die und ersetzt daraufhin das ursprüngliche einfache Nomen durch das Kompositum !FAHR!radreparaturen. Kommen wir nun zu den Adjektiven (n = 28), die neben dem Determinierer und dem Nomen in der Nominalphrase als Reparandum auftreten. Diese Reparaturen treten fast immer in Hauptsätzen (n = 27) und nur einmal in einem Subjunktionalsatz auf. In 19 Fällen ist das Reparandum Zielpunkt der Retraktion (67,9 %), jedoch gilt es auch hier zu unterscheiden, ob das Reparandum mit der Phrasengrenze zusammenfällt, oder ob ein Determinierer (oder ein modifizierendes Adverb) vorhanden ist, der die Unterscheidung zwischen einer Retraktion zum Reparandum und einer Retraktion zur Phrasengrenze ermöglicht. Insgesamt treten zehn Reparaturen von Adjektiven in Nominalphrasen ohne Determinierer oder modifizierendes Adverb auf. Diese Fälle werden in Tabelle 46 nicht berücksichtigt: Tab. 46: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Adjektiven in Nominalphrasen Retraktionspunkt

Reparierte Adjektive in Nominalphrasen (n = 18)

Reparandum (A)

9 (50,0 %)

Phrasengrenze

8 (44,4 %)

Vorfeld

1 (5,6 %)

Bei der Reparatur von Adjektiven sind Retraktionen zum Reparandum (50,0 %) etwa so häufig wie Retraktionen zur Grenze der Nominalphrase (44,4 %). In

202 | Selbstreparaturstrukturen

einem Fall, in dem das zu reparierende Adjektiv im Mittelfeld steht, geht die Retraktion ins Vorfeld. Das folgende Beispiel, in dem hh04 über die negativen Konsequenzen der langen Dauer von steuerrechtlichen Strafverfahren spricht, zeigt eine Retraktion direkt zum Reparandum: (134) 01 hh04: 02

un wenn sie jetz beDENken dass ein dass:(-) ein stEuerricht'* rEchtliches verFAHren; 03 !ZEHN! JAHre dauern kann, 04 i-hh04: mhm, 05 hh04: un die leute so alle so mitte SECHzig waren, 06 i-hh04: mhm_mhm, 07 hh04: da wären Etliche drüber hinWEGgestorben; 08 [bevor der] strAfrichter überhaupt erst TÄtig geworden wäre. 09 i-hh04: [ja_ja]

Hh04 initiiert in Z. 02 eine Selbstreparatur, indem er das Reparandum mit einem Glottalverschluss unterbricht (stEuerricht'). Er wählt das Reparandum – genauer gesagt die Grenze zwischen Determinans und Determinatum des Kompositums – als Zielpunkt der Retraktion und ersetzt den phonologisch problematischen Beginn des Determinatums richt durch rEchtliches. Im nächsten Beispiel entscheidet sich die Sprecherin gegen die minimale Retraktionsspanne und retrahiert zur Phrasengrenze: (135) 01 k07: meine letzt* meine jÜngere schwester ist sechsundvierzig geBOren, 02 die is also schon NACH dem kriech jebOren;

In Z. 01 unterbricht k07 ein Adjektiv (letzt) und ersetzt dieses durch ein anderes (jÜngere). Die Sprecherin retrahiert jedoch nicht zum Adjektiv, sondern zum Determinierer und damit zum Beginn ihres syntaktischen Projekts.

Reparaturen der Adjunktorphrase Im folgenden Abschnitt wird untersucht, welche Retraktionspunkte bei Reparaturen in Adjunktorphrasen vorliegen. Adjunktorphrasen setzen sich aus einem Adjunktor (als oder wie) und einer eingebetteten Phrase zusammen, erfüllen eine eigenständige syntaktische Funktion und haben eine Nominalphrase oder ein Pronomen als Bezugsausdruck (vgl. Zifonun et al. 1997: 79f.; Eggs 2007). Reparaturen der Adjunktorphrase treten insgesamt nur sehr selten auf (n = 12),

Retraktion | 203

weswegen in der folgenden Auswertung die Reparanda, bei denen es sich um Pronomen oder Konstituenten einer Nominalphrase handelt, nicht zusätzlich nach Wortart (Pronomen: n = 3, Determinierer: n = 4, Nomen: n = 4, Adjektiv: n = 1) kategorisiert wurden. In den wenigen Beispielen, die im Korpus vorliegen, betreffen die Reparaturen jeweils die eingebettete Phrase und nicht den Adjunktor selbst. Tab. 47: Verteilung der Retraktionspunkte in Reparaturen der Adjunktorphrase Retraktionspunkt

Reparierte Adjunktorphrasen (n = 12)

Reparandum

1 (8,3 %)

Adjunktor

11 (91,7 %)

Obwohl die Reparaturen nicht dem Adjunktor gelten, gibt es eine sehr starke Tendenz der Sprecher, zum Beginn der Adjunktorphrase zu retrahieren (91,7 %). Diese Tendenz soll durch das folgende Beispiel illustriert werden, in dem eine Patientin von den traumatischen Erlebnissen ihres Vaters erzählt, der als Kind durch einen tragischen Unfall den Tod seiner Mutter verursacht hat: (136) 01 P23: h° also Ich mein er: tut jetz auch so allmÄhlich mal des alles verARbeiten; 02 auch seine schlechte KINDheit und so; 03 weil er (.) das IMmer verDRÄNGT hatte; 04 °hh [und jetz] so a:=allmÄhlich so im ALter, 05 T14: [ah ja; ] 06 P23: dass er jetz auch drüber REden kann; 07 T14: [] 08 P23: [ wenn] er mal als va'* äh als mUttermörder (.) dann die ganze zeit im dorf beSCHIMPFT wird-

In Z. 08 initiiert P23 die Reparatur einer Adjunktorphrase innerhalb eines Wortes (va'), bei dem es sich vermutlich um den Beginn eines Nomens (vatermörder) handelt. Sie retrahiert zurück zum Beginn der Adjunktorphrase, wiederholt den Adjunktor als und ersetzt daraufhin das – offenbar semantisch fehlerhafte – abgebrochene Nomen durch mUttermörder. Die Tendenz, bei der Reparatur von Nominalphrasen und Pronomen in Adjunktorphrasen zum Adjunktor zu retrahieren, deutet auf eine enge Verbindung zwischen Adjunktor und der eingebetteten Phrase hin.

204 | Selbstreparaturstrukturen

Reparaturen der Präpositionalphrase Bei der Untersuchung der Präpositionalphrase soll als erstes die Frage gestellt werden, welche Retraktionspunkte vorliegen, wenn es sich beim Reparandum um die Präposition handelt (n = 52). Für diese Reparaturen liegt eine eindeutige Verteilung vor: Die Retraktion geht in den vorliegenden Daten immer direkt zum Reparandum – d. h. zur Grenze der Präpositionalphrase und nie darüber hinaus. Das folgende Beispiel illustriert die Reparatur einer Präposition: (137) 01 Ibl: (.) dann saß der im STRAN* am STRAND, 02 SO ne-

In diesem Beispiel unterbricht Isabell ein Nomen innerhalb einer Präpositionalphrase und retrahiert zum Phrasenbeginn. Sie ersetzt die klitisierte Form aus Präposition und Determinierer im durch am und vervollständigt anschließend das Nomen STRAND, das sie vor der Reparaturinitiierung bereits begonnen hatte. Es wird in diesem Beispiel also lediglich die Präposition ersetzt, während der klitisierte Determinierer und das Nomen unverändert bleiben. Neben einfachen Reparaturen der Präposition treten im Korpus auch Reparaturen auf, bei denen die Präposition zusammen mit Elementen der eingebetteten Phrase repariert wird. Im Folgenden wollen wir uns diesen komplexen Reparanda zuwenden: Tab. 48: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Präpositionalphrasen Retraktionspunkt

Reparierte Präpositionalphrasen (n = 31)

Reparandum (P)

23 (74,2 %)

Linke Satzklammer

8 (25,8 %)

Auch bei den komplexen Reparanda geht die große Mehrheit der Retraktionen zur Grenze der Präpositionalphrase, jedoch liegt hier im Gegensatz zu den einfachen Reparaturen noch ein zusätzlicher Retraktionspunkt vor: In etwa einem Viertel der Fälle retrahieren die Sprecher in die linke Satzklammer. Wenden wir uns zunächst dem dominanten Muster zu, das in der Retraktion zur Präposition besteht. Im folgenden Beispiel berichtet k07, wie ihre Eltern mit Bauern Essen gegen Näharbeiten tauschten:

Retraktion | 205

(138) 01 k07: dann fuhr der in die:* (.) zu den BAUernhöfen,= 02 =da kriechte er dafür' dafür ESsen,

In Z. 01 unterbricht die Sprecherin die Präpositionalphrase und ersetzt das komplexe Reparandum in die:, das sowohl Präposition als auch Determinierer umfasst, durch zu den. Die Retraktion geht in diesem Beispiel direkt zum Reparandum. Das nächste Beispiel zeigt die Reparatur einer Präpositionalphrase im Subjunktionalsatz mit Retraktion zum Beginn des Nebensatzes. Hier äußert sich hh04 zum Skandal um einen Prominenten, der Steuerhinterziehung begangen hat: (139) 01 hh04: 02 03 04 05 06 i-hh04:

wobei die illegalitÄt eigentlich DArin bestand°hh ((schnieft)) dass er verSCHWIEgen hat; (--) dass er mit diesen hOlländischen geSELLschaften;*(-) dass ER dahIntersteht. ahja;

In Z. 03 produziert hh04 eine Präpositionalphrase, bei der es sich – zumindest potentiell – um ein Präpositionalobjekt handelt (mögliche projizierte Fortsetzungen wären etwa zusammengearbeitet hat, Geschäfte gemacht hat etc.). Vor der Produktion des Verbs initiiert hh04 eine Selbstreparatur (Pause am Ende von Z. 04), retrahiert zurück zum Beginn des Komplementsatzes, wiederholt die Subjunktion dass sowie das nunmehr akzentuierte Pronomen ER und schließt die syntaktische Gestalt mit dem Verb dahIntersteht.79 Dadurch wird die Präpositionalphrase, die in der ursprünglichen Äußerung auf er folgte, aus der Struktur getilgt. In (139) bestünde die minimale Retraktionsspanne in der Retraktion zum Pronomen er vor der Präpositionalphrase, weil diesem aufgrund der Revision der syntaktischen Struktur in der Reparaturdurchführung ein Akzent zugewiesen wird. Bei Reparaturen eines Pronomens in der Wackernagel-Position gibt es jedoch eine starke Motivation, zur Konstituente in der linken Satzklammer zu retrahieren.80

|| 79 Siehe Beispiel (66) auf S. 110 für die Analyse dieser Akzentverschiebung. 80 Die Wackernagel-Position bezeichnet die syntaktische Position direkt nach der linken Satzklammer. Sie ist benannt nach Jacob Wackernagel (1892), der entdeckte, dass schwach betonte Pronomen tendenziell in dieser Position stehen.

206 | Selbstreparaturstrukturen

Es ist auffällig, dass in allen Fällen, in denen ein komplexes Reparandum im Nebensatz bearbeitet wird (n = 6), die Retraktion in die linke Satzklammer geht, während in Hauptsätzen nur in zwei von 25 Fällen (8 %) die linke Klammer als Retraktionspunkt gewählt wird. Zwar liegen nur sehr wenige komplexe Reparanda in Nebensätzen vor, jedoch zeichnet sich hier ein deutlicher Unterschied zwischen Haupt- und Nebensätzen ab. Die sechs Reparaturen von Präpositionalphrasen in Nebensätzen werden allesamt in Form von projektionsverändernden Tilgungen durchgeführt. Da bei solchen Tilgungen ohne den Einsatz eines Ankers oftmals Ambiguitäten hinsichtlich der syntaktischen Anbindung der Reparatur entstehen können, wird häufig eine der reparaturbedürftigen Präpositionalphrase vorangehende Konstituente wiederholt, die für eine Disambiguierung der Anbindung sorgt. In einem Fall handelt es sich bei der vorangehenden Konstituente um das einleitende Element eines Nebensatzes, sodass in diesem Fall die frühe Positionierung der Präpositionalphrase unmittelbar nach der linken Klammer und die Reparaturoperation (Tilgung) für die Retraktion in die linke Klammer verantwortlich sind. In den anderen fünf Fällen handelt es sich – wie in Beispiel (139) – bei der vorangehenden Konstituente um ein Pronomen in der Wackernagel-Position. Dieses wird aufgrund der engen syntaktischen Verbindung zwischen Wackernagel-Position und linker Satzklammer bevorzugt gemeinsam mit der linken Klammer wiederholt, sodass die Sprecher bei diesen Tilgungen zum Beginn des Nebensatzes retrahieren. Neben den Reparaturen, die die Präposition als Reparandum einschließen, treten im Korpus auch Reparaturen der eingebetteten Nominalphrase auf. In diesen Fällen wird ausschließlich die Nominalphrase repariert, wohingegen die ursprünglich gewählte Präposition unverändert bleibt. Betrachten wir zunächst die Fälle, in denen ein Determinierer als einfaches Reparandum auftritt: Tab. 49: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Determinierern in Präpositionalphrasen Retraktionspunkt

Reparierte Determinierer in Präpositionalphrasen (n = 75)

Reparandum (Det)

9 (12,0 %)

Präposition

66 (88,0 %)

Bei der Reparatur von Determinierern in Präpositionalphrasen stellen Retraktionen zum Reparandum eine deutliche Minderheit dar (12,0 %). Der Großteil der Retraktionen geht zur Präposition (88,0 %), was auf eine enge syntaktische Verbindung zwischen Präposition und Determinierer hindeutet (vgl. Fox et al.

Retraktion | 207

2009a: 285). Retraktionen über die Phrasengrenze hinaus liegen überhaupt nicht vor. In 16 Fällen (24,2 % der Retraktionen zur Präposition) besteht die minimale Retraktionsspanne in der Retraktion zur Präposition. In diesen Fällen wird zwar nur der Determinierer repariert, jedoch kann dieser nicht unabhängig von der mit ihm verschmolzenen Präposition bearbeitet werden, sodass die Retraktion die Präposition einschließen muss. Es gibt also nur in insgesamt 59 Fällen (78,7 %) die Möglichkeit, direkt zum eigentlichen Reparandum, dem Determinierer, zu retrahieren. Eine solche Retraktion findet jedoch nur in neun Fällen statt, sodass die Retraktionsquote zum Determinierer bei 15,3 % liegt. Im nächsten Ausschnitt fordert die Therapeutin die Patientin auf, ihren chronischen Schmerz etwas genauer zu beschreiben. Die anschließende Beschreibung der Patientin enthält eine der recht seltenen Retraktionen zum Determinierer: (140) 01 02 03 04 05 06 07 08 09

T: P: T: P: T: P: T: P:

beSCHREIben sie_s mir ruhig nochmal; (-) hm_ja es zieht HIER (.) rÜber dann, mhm, das is hIer in dem beREICH, das [zieht] dann HIER über dieses-* (--) [ja; ] diesen ganzen beREICH, (--) m[hm, ] [dann] eben die !BEI!ne runter, (-)

In Z. 05 initiiert die Patientin eine Selbstreparatur innerhalb einer Präpositionalphrase (über dieses). Anschließend retrahiert sie zum Reparandum, dem definiten Artikel dieses, und ersetzt diesen durch die morphosyntaktisch veränderte Form diesen. Die Verwendung des deiktischen Adverbs hIer/HIER in den Zeilen 02, 04 und 05 sowie dessen Akzentuierung lässt erahnen, dass die Sprecherin gerade auf ein Körperteil verweist. Die Handlung, die die Patientin durchführt, besteht also darin, die Aufmerksamkeit der Therapeutin auf einen Bereich ihres Körpers zu lenken, d. h. einen bestimmten Referenzbereich an ihrem eigenen Körper identifizierbar zu machen.81 Die Markierung der Referenz herstellenden Nominalphrase als Teil einer Präpositionalphrase bzw. eines Präpositionalobjekts wird in diesem Fall von der Sprecherin als nicht notwendig behandelt.

|| 81 Vgl. Stukenbrock (2008) zum Zeigen am menschlichen Körper in der medizinischen Kommunikation.

208 | Selbstreparaturstrukturen

In den meisten Fällen liegt jedoch ein Retraktionsmuster wie im folgenden Beispiel vor: (141) 01 hh04:

dass dAs denn in einem* in dem wirtschaftlichen bereich KURklinik; 02 °hh (-) dazu führt (-) dass die sich also EINschränken müssen;= 03 =vielleicht auch persoNAL entlassen müssen; 04 i-hh04: ja 05 DAran [hab ]en die jetzt nich geDACHT. 06 hh04: [nech-]

In Z. 01 unterbricht der Sprecher die Präpositionalphrase nach dem Reparandum einem, retrahiert zum Beginn der Präpositionalphrase, wiederholt die Präposition und ersetzt den indefiniten Artikel durch den definiten Artikel dem. Auch bei Nominalphrasen, die in Präpositionalphrasen eingebettet sind, gibt es – genau wie bei nicht eingebetteten Nominalphrasen – Reparaturen, die nur das Nomen betreffen, aber nicht den Determinierer oder das Adjektiv (n = 61). Bei diesen Reparaturen handelt es sich um Substitutionen des Nomens ohne die Veränderung der Nominalkategorien Genus, Kasus, Numerus und Definitheit. Tab. 50: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Nomen in Präpositionalphrasen Retraktionspunkt

Reparierte Nomen in Präpositionalphrasen (n = 61)

Reparandum (N)

24 (39,3 %)

Präposition

35 (57,4 %)

Determinierer

2 (3,3 %)

Das Reparandum (das Nomen) dient in diesen Reparaturen nur in 39,3 % der Fälle als Retraktionspunkt – von der minimalen Retraktionsspanne wird also nur relativ selten Gebrauch gemacht. Viel häufiger nehmen die Sprecher hingegen eine größere Retraktionsspanne in Kauf und retrahieren zur Präposition (57,4 %). Nur zwei Retraktionen (3,3 %) gehen zum Determinierer. Retraktionen über die Grenze der Präpositionalphrase hinweg treten überhaupt nicht auf, was darauf hindeutet, dass der Beginn einer Präpositionalphrase eine starke syntaktische Grenze darstellt. Das folgende Beispiel illustriert die minimale Retraktionsspanne:

Retraktion | 209

(142) 01 Tba: ich wusste nich dass man aus kartOffenscha'* kartOffelschalen ne SUPpe machen kann. 02 Hrm: ach SO ja.

In (142) verspricht sich Tabea innerhalb eines Nomens. Sie unterbricht das problematische Wort mit einem Glottalverschluss (kartOffenscha', Z. 01) und retrahiert direkt zum Reparandum, um dieses durch die korrekte phonologische Form des Nomens (kartOffelschalen, Z. 01) zu ersetzen. Im nächsten Beispiel wird – wie in den meisten Fällen – die Retraktion zur Präposition gewählt. Die Sprecherin berichtet hier von ihrer Flucht im Zweiten Weltkrieg: (143) 01 k07: un wir sin immer hInter den RUSS-'* 02 hInter den ameriKAnern her,

In diesem Gesprächsausschnitt wird ebenfalls ein Nomen abgebrochen und ersetzt. Die Reparatur betrifft lediglich die Semantik des Nomens, während die syntaktischen Nominalkategorien unverändert bleiben. Die Sprecherin könnte also theoretisch direkt zum Nomen retrahieren, um dieses zu ersetzen. Eine weitere Option wäre die Retraktion zum Determinierer. Dennoch wählt sie die Retraktion zur Präposition und damit den Anker hInter den, der die Substitution des Nomens an die ursprüngliche Struktur anbindet. Wenden wir uns nun denjenigen Fällen zu, in denen in einer Präpositionalphrase ein Determinierer und weitere Elemente der Nominalphrase repariert werden, sodass ein komplexes Reparandum vorliegt. In diesen Reparaturen stellt die Retraktion zum Determinierer die minimale Retraktionsspanne dar: Tab. 51: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Nominalphrasen in Präpositionalphrasen

Retraktionspunkt

Reparierte Nominalphrasen in Präpositionalphrasen (n = 17)

Reparandum (Det)

1 (5,9 %)

Präposition

15 (88,2 %)

Linke Satzklammer

1 (5,9 %)

Zum Reparandum wird nur in einem Fall retrahiert, genau wie in die linke Satzklammer, wohingegen 15 Retraktionen (88,2 %) zum Beginn der Präposition-

210 | Selbstreparaturstrukturen

alphrase gehen. In zwei Fällen muss die Retraktion aufgrund der Klitisierung von Präposition und Determinierer bis zur Präposition gehen, in den anderen 13 Fällen bestünde auch die Option, zum Determinierer zu retrahieren. Diese Verteilung bestätigt die Tendenz, die sich auch für die anderen Reparanda abgezeichnet hat: Die Retraktion geht bevorzugt zum Beginn der Präpositionalphrase. Neben der Reparatur der Präposition, des Determinierers und des Nomens werden in Präpositionalphrasen auch Adjektive repariert: Tab. 52: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Adjektiven in Präpositionalphrasen Retraktionspunkt

Reparierte Adjektive in Präpositionalphrasen (n = 5)

Reparandum (A)

2 (40,0 %)

Präposition

3 (60,0 %)

Da nur eine sehr kleine Zahl von Adjektiven in Präpositionalphrasen als Reparandum vorliegt (n = 5), können keine repräsentativen Aussagen getroffen werden. Das nächste Reparaturbeispiel zeigt eine Retraktion zur Präposition (60 %): (144) 01 hh04: hatte mich da also auch so_n bißchen engaGIERT, 02 auf einem ganz schma:len* (.) °h oder auf einem ganz kleinen SEKtor-

Nach dem Adjektiv schma:len initiiert hh04 durch eine Pause und den lexikalischen Marker oder eine Selbstreparatur, retrahiert zum Beginn der Präpositionalphrase, wiederholt den Beginn der Präpositionalphrase (auf einem ganz) als syntaktischen Anker und ersetzt anschließend das Adjektiv durch kleinen. Zusätzlich zu den hier besprochenen Reparaturen von eingebetteten Nominalphrasen werden in zwei Fällen auch Adverbialphrasen repariert, die als Komplement der Präposition fungieren. In einem dieser Fälle geht die Retraktion zum Reparandum, im anderen zur Präposition. Insgesamt liefert die häufige Retraktion zur Präposition Evidenz dafür, dass zwischen der Präposition und ihrem Komplement eine enge syntaktische Verbindung besteht, die unter anderem darin zum Ausdruck kommt, dass die Präposition den Kasus der eingebetteten Nominalphrase festlegt (vgl. Fox et al. 2009a: 285). Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass Retraktionen nur in Einzelfällen über die Präpositionalphrase hinausgehen. Dieses Ergebnis liefert Evidenz

Retraktion | 211

dafür, dass der Beginn der Präpositionalphrase eine starke syntaktische Grenze darstellt. Andererseits scheint der Beginn von Nominalphrasen, die in Präpositionalphrasen eingebettet sind, nur eine schwache syntaktische Grenze darzustellen, weil diese Grenze von den Sprechern regelmäßig übersprungen wird (vgl. Uhmann 2006: 189).

Reparaturen von Pronomen Auch bei der Untersuchung von reparierten Pronomen (n = 117) wird eine Unterteilung von Reparaturen in Haupt- und Nebensätze vorgenommen. Die Notwendigkeit dieser Unterscheidung ergibt sich schon allein daraus, dass Pronomen in Hauptsätzen häufig im Vorfeld der Äußerung stehen, wohingegen diese Möglichkeit bei Nebensätzen entfällt. Aus den verschiedenen syntaktischen Positionen des Reparandums ergeben sich wiederum unterschiedliche Möglichkeiten hinsichtlich des Retraktionspunkts. In Hauptsätzen verteilen sich die Retraktionspunkte bei Reparaturen von Pronomen folgendermaßen: Tab. 53: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Pronomen in Hauptsätzen Retraktionspunkt

Reparierte Pronomen in Hauptsätzen (n = 75)

Reparandum (Pron)

62 (82,7 %)

Mittelfeld

2 (2,7 %)

Linke Satzklammer

6 (8,0 %)

Vorfeld

2 (2,7 %)

Vor-Vorfeld

3 (4,0 %)

In der überwiegenden Mehrheit der Reparaturen retrahieren die Sprecher zum Reparandum (82,7 %), während Retraktionen über das Reparandum hinaus nur selten durchgeführt werden. Insgesamt stehen 61 (81,3 %) der reparierten Pronomen in Hauptsätzen im Vorfeld der syntaktischen Struktur. In fast allen diesen Reparaturen geht die Retraktion direkt zum Reparandum und in drei Fällen zu einer Konjunktion ins Vor-Vorfeld, obwohl das Vor-Vorfeld in 45 Fällen besetzt wäre. Dieses Ergebnis spricht für eine starke syntaktische Grenze zwischen dem Vor-Vorfeld und dem Vorfeld. Im Mittelfeld werden 13 Pronomen repariert (17,3 %). Die Retraktionspunkte verteilen sich hier auf das Reparandum, das Mittelfeld, die linke Satzklammer

212 | Selbstreparaturstrukturen

und das Vorfeld. Nur ein Pronomen (1,3 %) wird im Nachfeld repariert. Der Sprecher retrahiert hier ins Mittelfeld. Im folgenden Beispiel, das eine Retraktion zum Reparandum im Vorfeld zeigt, diskutieren die Gesprächsteilnehmer darüber, ob manche Ausländer den deutschen Sozialstaat ausnutzen: (145) 01 i-hh04: also (-) die frAge ist ob ob ich das verSTEhen könnte; 02 dass (.) dass der das MACHT; 03 um dann noch_n paar mark MEHR zu haben. 04 unter' unter [dem geSICHTS]punkt05 hh04: [°hhh ] 05 i-hh04: ja die DEUTschen; 06 die* dEnen geht_s sOundso GUT,

In Z. 06 führt der Interviewer i-hh04 nach der Produktion des Resumptivpronomens die, das auf die Prolepse die DEUtschen referiert, eine Selbstreparatur durch, indem er zum Resumptivpronomen retrahiert, dieses ersetzt und dabei den Kasus verändert (dEnen). Das nächste Beispiel illustriert das zweithäufigste Retraktionsmuster (Retraktion in die linke Satzklammer, 8,0 %). Hier steht das problematische Pronomen im Mittelfeld – genauer gesagt in der Wackernagel-Position: (146) 01 hh04: ja dann muss man:* muss der STAAT eben: (---) 02 auf ANdere weise zu gEld kommen,

In Z. 01 ersetzt hh04 das Personalpronomen man durch die Nominalphrase der staat. Er retrahiert zum finiten Verb muss, wiederholt dieses und führt anschließend die Substitution durch. Die Retraktion in die linke Satzklammer ist typisch für Reparaturen von Pronomen in der Wackernagel-Position. Von den 13 Pronomen im Mittelfeld stehen zehn in der Wackernagel-Position. In acht dieser Fälle geht die Retraktion nicht direkt zum Pronomen, sondern in die linke Klammer (n = 6) oder ins Vorfeld (n = 2). Das deutet auf eine enge Verbindung zwischen der linken Klammer und Pronomen in der Wackernagel-Position hin. Wenden wir uns nun den reparierten Pronomen in Nebensätzen zu:

Retraktion | 213

Tab. 54: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Pronomen in Nebensätzen Retraktionspunkt

Reparierte Pronomen in Nebensätzen (n = 42)

Reparandum (Pron)

4 (9,5 %)

Linke Satzklammer

38 (90,5 %)

Die Pronomen, die in Nebensätzen repariert werden, stehen hinsichtlich der Gesamtverteilung der Retraktionspunkte in großem Kontrast zu den Hauptsätzen. In nur 9,5 % aller Fälle retrahieren die Sprecher zum Reparandum, während die linke Satzklammer in den allermeisten Fällen als Retraktionspunkt dient (90,5 %). Dieser Unterschied zwischen Haupt- und Nebensätzen ist teilweise darauf zurückzuführen, dass alle Pronomen in Nebensätzen im Mittelfeld repariert werden.82 Insgesamt werden 33 Pronomen in Subjunktionalsätzen repariert, sodass mit 31 Retraktionen zur Subjunktion eine Retraktionsquote von 93,9 % vorliegt. Auch die Retraktionsquote zum Beginn von Relativsätzen (sieben von acht Retraktionen zum Relativpronomen) ist mit 87,5 % sehr hoch. In nur einem Fall wird ein Pronomen in einem Infinitivsatz repariert – hier geht die Retraktion zum Reparandum im Mittelfeld der Struktur. Im folgenden Beispiel geht die Retraktion innerhalb eines Subjunktionalsatzes direkt zum Reparandum: (147) 01 T14: aber dieses (--) MOTto; 02 wenn sie DES mal so:-* 03 (--) sich: da richtig REINversetzen;

In Z. 02 initiiert T14 ein Reparatur durch die Dehnung der Partikel so:. Er retrahiert zum Beginn des komplexen Reparandums DES mal so, das auch ein Pronomen umfasst. Bei der Reparaturdurchführung tritt das Reflexivpronomen sich an die Stelle von DES. Retraktionen zu reparaturbedürftigen Pronomen sind in Nebensätzen (n = 4) sehr selten. Es ist aufschlussreich, dass zu diesen vier Beispielen die einzigen Fälle zählen, in denen das Pronomen nicht in der Wackernagel-Position, sondern an einer späteren Position im Mittelfeld steht (n = 2). Wie Beispiel (147) zeigt, besteht offenbar keine enge Verbindung zwischen dem

|| 82 Reparaturen von Pronomen im Nachfeld eines Nebensatzes sind zwar theoretisch möglich, treten aber im Korpus nicht auf.

214 | Selbstreparaturstrukturen

Pronomen in der zweiten Position des Mittelfelds und der linken Satzklammer, sodass die Retraktion in diesen Fällen direkt zum Reparandum geht. Wenn das Pronomen hingegen in der Wackernagel-Position steht, was in 40 von 42 Reparaturen der Fall ist, retrahieren die Sprecher fast immer (in 38 von 40 Fällen) zum Beginn des Nebensatzes: (148) 01 P23: oder auch selbst we' auch dass ich auch mal PHAsen hab, 02 wenn ich dann* wenn_s mir manchmal wIrklich nich mehr !SO! toll isch zum leben03 dass ich dann nich mehr so viel L:Ebensfreude (mit)04 des sin nur KURze phasen05 T14: mhm,

In Z. 02 unterbricht die Patientin ihre Äußerung und retrahiert zur Subjunktion des Konditionalsatzes (wenn), woraufhin sie das Subjektpronomen ich, das auf die Subjunktion folgt, durch das Pronomen s ersetzt, das mit der Subjunktion klitisiert ist (wenn_s). Im nächsten Beispiel, in dem Sven von seinem früheren Dasein als Hausbesetzer erzählt, geht die Retraktion zum Beginn eines Relativsatzes: (149) 01 Svn: wir würden auch MIEte zahlen. 02 aber die stAdt kann keene miete von uns ANnehmen; 03 weil_se in den AUgenblick wo_se* °h (.) wo die mIete von dir ANnimmt? °h (.) 04 is_et leGAL, 05 und denn könn_se dich NICH mehr- (.) 06 [dAnn vor de] tÜr setzen wann_se WOLlen. 07 Hko: [RAUSkicken;]

Bei der Durchführung der Selbstreparatur in Z. 03 wiederholt Sven nach einer kurzen Pause die Relativpartikel wo und ersetzt das Pronomen se durch die. Insgesamt deutet die Verteilung der Retraktionspunkte über die Haupt- und Nebensätze hinweg darauf hin, dass eine enge Verbindung zwischen der linken Satzklammer und Pronomen in der Wackernagel-Position besteht.

Reparaturen von Adverbien Adverbien (n = 61) werden in den meisten Fällen im Mittelfeld (n = 51) und nur selten im Vorfeld (n = 10) repariert. Tabelle 55 fasst die Verteilung der Retraktionspunkte für Reparaturen im Mittelfeld und Reparaturen im Vorfeld zusammen:

Retraktion | 215

Tab. 55: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Adverbien Retraktionspunkt

Reparierte Adverbien (n = 61)

Reparandum (Adv)

32 (52,5 %)

Mittelfeld

4 (6,6 %)

Linke Satzklammer

15 (24,6 %)

Vorfeld

10 (16,4 %)

In allen Reparaturen von Adverbien, die im Vorfeld auftreten, geht die Retraktion zum Reparandum. Variation hinsichtlich des Retraktionspunkts tritt also ausschließlich bei Reparaturen von Adverbien im Mittelfeld auf. Auch bei diesen Reparaturen sind Retraktionen direkt zum Reparandum relativ häufig (n = 22; 43,1 % der Reparaturen im Mittelfeld), aber auch eine Retraktion in die linke Satzklammer oder ins Vorfeld wird recht oft eingesetzt. Retraktionen ins Mittelfeld sind jedoch recht selten. Im Folgenden sollen die häufigsten Retraktionspunkte bei Reparaturen von Adverbien im Mittelfeld – Retraktionen zum Reparandum sowie in die linke Klammer oder das Vorfeld – näher betrachtet werden. Die Reparatur in Beispiel (150), in dem die Rede vom Einsatz von Spritzmitteln im Weinbau ist, zeigt eine Retraktion zum Reparandum: (150) 01 i-fr01: der hat gsagt des sprItze geht zuRÜCK, 02 mer spritzt nimmer so vie*_intenSIV,

In Z. 02 unterbricht die Interviewerin ein Adverb (vie), vermutlich die unvollständige Form von viel und ersetzt dieses nach einer Retraktion zum Reparandum durch intenSIV. In 72,7 % der Fälle, in denen die Retraktion im Mittelfeld direkt zum Reparandum geht, steht das Adverb nicht unmittelbar nach der linken Satzklammer oder nach einem Pronomen in der Wackernagel-Position, sondern an einer späteren Position im Mittelfeld. Zudem werden fast ausschließlich Substitutionen durchgeführt, in denen bei der Reparaturdurchführung ohne Anker – wie in (150) – keine Ambiguitäten hinsichtlich der syntaktischen Anbindung der Reparatur entstehen. In nur einem Fall liegt eine Tilgung vor (siehe Beispiel (184) auf S. 275 zur ausführlichen Analyse dieser Reparatur). Die Reparaturen, in denen die Retraktion in die linke Klammer oder ins Vorfeld geht (n = 25), unterscheiden sich insofern von den Reparaturen mit Retraktion zum Reparandum, dass in den meisten Fällen (n = 22) ohne den Einsatz eines Ankers Probleme bei der syntaktischen Anbindung der Reparaturdurchführung auftreten würden:

216 | Selbstreparaturstrukturen (151) 01 i-mu:

jetz im nachhinein war_s: einglich:* äh::m war_s: die rIchtige entSCHEIdung;

Die Sprecherin unterbricht ihre Äußerung nach dem Adverb einglich:, retrahiert zurück in die linke Satzklammer, wiederholt das Verb sowie das darauf folgende klitisierte Pronomen war_s und fährt mit der Produktion des Prädikativs die rIchtige entSCHEIdung fort, sodass das Adverb aus der ursprünglichen Äußerung getilgt wird. Die Tilgung des Adverbs wäre in diesem Beispiel ohne den Einsatz eines syntaktischen Ankers für den Rezipienten gar nicht wahrnehmbar. Neben Tilgungen, die ohne einen Anker überhaupt nicht prozessierbar wären (siehe Kap. 5.1.4), werden auch bei manchen Substitutionen von Adverbien im Mittelfeld Anker eingesetzt. Dies geschieht vor allem dann, wenn das Reparans aufgrund der syntagmatischen Kombinierbarkeit von Adverbien im Mittelfeld als Fortsetzung der Äußerung verstanden werden könnte – und nicht ausschließlich als paradigmatische Substitution des Reparandums (siehe Erklärungsmodell für den Retraktionspunkt in Kap. 8.2.2.2). In 72,0 % der Fälle, in denen die Retraktion in die linke Klammer oder ins Vorfeld geht, steht das Adverb direkt nach der linken Satzklammer oder – wie in (151) – direkt nach einem Pronomen in der Wackernagel-Position. Die naheliegendste Option für einen Anker wäre also die Wiederholung der linken Klammer oder des vorangehenden Pronomens in der Wackernagel-Position. Da es eine starke Präferenz dafür gibt, das Pronomen in der Wackernagel-Position zusammen mit der Konstituente der linken Klammer zu wiederholen (in (151) ist eine Wiederholung allein des Pronomens aufgrund der Klitisierung gar nicht möglich), geht die Retraktion regelmäßig in die linke Klammer. Wenn bei der Reparatur eines Adverbs im Mittelfeld eines Hauptsatzes die Vorfeldkonstituente – anders als in (151) – einsilbig ist, kann die Retraktion auch ins Vorfeld gehen.

Reparaturen von Adjektiven Prädikative Adjektive, die nicht in eine Nominal- oder Präpositionalphrase eingebettet sind, werden nur selten repariert (n = 11). Tab. 56: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Adjektiven Retraktionspunkt

Reparierte Adjektive (n = 11)

Reparandum (A)

8 (72,7 %)

Retraktion | 217

Retraktionspunkt

Reparierte Adjektive (n = 11)

Mittelfeld

2 (18,2 %)

Linke Satzklammer

1 (9,1 %)

In den meisten Fällen retrahieren die Sprecher zum Adjektiv (72,7 %). Das Reparandum ist also auch hier – wie in vielen anderen syntaktischen Kontexten – der bevorzugte Retraktionspunkt. Außerdem liegen zwei Retraktionen ins Mittelfeld und eine Retraktion zum Beginn eines Nebensatzes vor. Der folgende Gesprächsausschnitt illustriert den häufigsten Retraktionspunkt. Die Reparatur in (152), die in einem Hauptsatz stattfindet, zeigt eine Retraktion zum Reparandum: (152) 01 hh04:

die sind hEute sind sie also durch die bank dreikl'* DRITTklassig. 02 i-hh04: DRITTklassig;=a[ha,] 03 hh04:

Bei seiner Bewertung heutiger Politiker unterbricht hh04 in Z. 01 die Äußerung innerhalb des prädikativen Adjektivs und ersetzt das entstandene Fragment dreikl' durch DRITTklassig. Der Sprecher bewegt sich bei der Durchführung der Substitution nur so weit in der Struktur zurück wie nötig und verwendet keinen syntaktischen Anker. In beiden Fällen, in denen der Sprecher ins Mittelfeld retrahiert, wird die Gradpartikel so wiederholt, die jeweils vor dem prädikativen Adjektiv steht. Die Patientin berichtet im folgenden Beispiel davon, dass ihr Mann lange nicht richtig einschätzen konnte, wie schwerwiegend ihre Probleme tatsächlich sind: (153) 01 P: erkAnnt vielleicht SCHON aber; 02 (--) er HAT es vielleicht nich so: öh (.) aggressi'* oder so a!KUT! gesehn, 03 T: mhm, 04 P: wie_s WIRKlich is; 05 T: ja;

In Z. 02 unterbricht die Patientin ein Adjektiv, retrahiert zur Gradpartikel so, wiederholt diese und ersetzt anschließend das Fragment aggressi' durch a!KUT!. Die Gradpartikel so tritt im Korpus nur in zwei Fällen vor einem reparierten Adjektiv auf. Es ist auffällig, dass die Partikel in beiden Fällen vor der Reparatur des Adjektivs wiederholt wird, während die Retraktion ansonsten fast immer

218 | Selbstreparaturstrukturen

zum Reparandum geht. Trotz der kleinen Fallzahl deutet dies auf eine Tendenz hin, Gradpartikeln vor der Reparatur von Adjektiven zu wiederholen.

Reparaturen von Partikeln Partikeln werden im vorliegenden Korpus in nur zehn Fällen repariert. Alle Reparanda, sowohl Modalpartikeln als auch Negationspartikeln, liegen im Mittelfeld der Äußerung. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Verteilung der Retraktionspunkte für beide Typen von Partikeln: Tab. 57: Verteilung der Retraktionspunkte bei reparierten Partikeln Retraktionspunkt

Reparierte Partikeln (n = 10)

Reparandum (Partikel)

1 (10,0 %)

Mittelfeld

1 (10,0 %)

Linke Satzklammer

1 (10,0 %)

Vorfeld

7 (70,0 %)

Interessanterweise spiegelt sich in der Verteilung der Retraktionspunkte der Unterschied zwischen der Negationspartikel und den Modalpartikeln wider. Bei allen Reparaturen von Modalpartikeln geht die Retraktion ins Vorfeld der syntaktischen Struktur (n = 7; 70,0 %), während die Sprecher bei der Reparatur der Negationspartikel (n = 3) einmal direkt zum Reparandum, einmal ins Mittelfeld zur Position vor dem Reparandum und einmal in die linke Satzklammer retrahieren. Das nächste Beispiel zeigt eine der Retraktionen zum Reparandum bei der Reparatur der Negationspartikel. Die Interviewerin i-mu erzählt von den Gründen, die gegen eine berufliche Veränderung ihres Mannes sprachen: (154) 01 i-mu: 02 03 mu05a: 04 i-mu:

aber mir wollten net nach NÜRNberg; [und ] ähm: geHALT wär- (.) [mhm,] wär net:* koa großer SPRUNG gewesen,

In Z. 04 initiiert die Sprecherin durch Lautdehnung eine Reparatur, retrahiert direkt zur Negationspartikel net und tilgt diese durch die Nominalphrase koa großer SPRUNG.

Retraktion | 219

Bei der zweiten Reparatur einer Negationspartikel, in der die Retraktion ins Mittelfeld geht, wird die Negationspartikel durch ein Adverb modifiziert (fast nicht). In der dritten Reparatur, die eine Retraktion in die linke Klammer aufweist, wird die Negationspartikel unmittelbar nach der linken Klammer getilgt. Den syntaktischen Anker, der für diese Reparaturoperation nötig ist, liefert in diesem Fall das Relativpronomen. Kommen wir nun zu den Modalpartikeln. Im folgenden Beispiel umschreibt die Interviewerin das Forschungsinteresse des Projekts, für das sie Daten erhebt. Die Retraktion bei der Reparatur der Modalpartikel geht hier ins Vorfeld: (155) 01 i-k: 02 03

un es gEht eben daRUM,* es geht ja auch Irgendwie mehr daRUM, wie_wie_wie die leut auf der STRAße reden.

Am Anfang von Z. 02 initiiert die Interviewerin eine Reparatur, indem sie ins Vorfeld retrahiert und den Beginn der syntaktischen Struktur (es geht) wiederholt. Die vor der Reparaturinitiierung im Mittelfeld der Äußerung produzierte Modalpartikel eben wird bei der Reparaturdurchführung durch die Modalpartikeln ja auch ersetzt. Zusätzlich zu dieser Operation werden die Adverbien Irgendwie und mehr inseriert. Negations- und Modalpartikeln, die sich syntaktisch sehr unterschiedlich verhalten, können also auch anhand des Retraktionspunkts, der bei der Reparatur des jeweiligen Partikeltyps eingesetzt wird, differenziert werden.

Reparaturen von Konjunktionen Eine Konjunktion im Vor-Vorfeld der syntaktischen Struktur wird in nur drei Fällen repariert. In allen Fällen geht die Retraktion zum Reparandum. In Beispiel (156) berichtet fr03a von ihren Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg: (156) 01 fr03b:

ja so: (.) bIlder hen sich wAhrscheinlik halt EIN[geprägt;=gell, ] 02 fr03a: [un dann weiß ich] au [vum BUN]ker, 03 i-fr03: [ja klar-] 04 fr03a: denn mei* un mei BRUder, 05 der i:sch jo drei johr JÜNger wie ich, 06 oder drEiähalb johr jünger' (.) wie ich07 i-fr03: hm_hm, 08 fr03a: un do weiß ich noch GUt,

220 | Selbstreparaturstrukturen

09 10

mit dem kInderwage wo mir do KHA hen, oder wenn_mer in de BUNker grennt isch,

In Z. 04 unterbricht die Sprecherin ihre Äußerung nach dem Determinierer mei, retrahiert zurück ins Vor-Vorfeld der Äußerung und ersetzt die kausale Konjunktion denn durch die additive Konjunktion un.

Reparaturen von Relativsätzen Wenden wir uns nun den Reparaturen von Relativsätzen zu (n = 13). In allen Fällen wird das einleitende Element des Relativsatzes ersetzt. Bei manchen Reparaturen werden zusätzlich noch weitere Elemente des Relativsatzes repariert, sodass ein komplexes Reparandum vorliegt, das aus mehreren Elementen besteht. Bei der Reparatur von Relativsätzen besteht keinerlei Variation hinsichtlich des Retraktionspunkts: Die Retraktion geht immer zum einleitenden Element des Relativsatzes und nie darüber hinaus, was darauf hindeutet, dass der Beginn eines Relativsatzes eine starke syntaktische Grenze darstellt. Das folgende Beispiel ist dem einführenden Teil eines psychotherapeutischen Gesprächs entnommen: (157) 01 T: und wir wollen eben SEhen, °hh 02 äh ob h° (--) wenn_wir miteinander REden- (--) 03 mEnschen die* (.) denen wir diese hIlfe (.) Zukommen lassen04 diese unterSTÜTZung, °h 05 äh davon profiTIEren;

In Z. 03 unterbricht der Therapeut einen Relativsatz direkt nach dem Relativpronomen die, retrahiert nach einer kurzen Pause zum Beginn des Relativsatzes und ersetzt das ursprüngliche Relativpronomen durch denen.

Reparaturen von Subjunktionalsätzen Bei der Reparatur von Subjunktionalsätzen (n = 10) wird immer die Subjunktion ersetzt und gegebenenfalls noch ein zusätzlicher Teil des Subjunktionalsatzes repariert. Auch bei der Reparatur dieser Nebensätze wird immer derselbe Retraktionspunkt gewählt: Die Sprecher retrahieren zur Subjunktion, nie darüber hinaus. Das deutet darauf hin, dass auch der Beginn eines Subjunktionalsatzes eine starke syntaktische Grenze ist.

Retraktion | 221

Im folgenden Beispiel erzählt k10b, dass er mit seinen Eltern regelmäßig nach Bad Münstereifel in den Urlaub gefahren ist. Dieses Urlaubsziel soll verdeutlichen, dass er aus bescheidenen Verhältnissen stammt: (158) 01 k10a: 02 03 04 k10b: 05 06 07 k10b: 08 i-k:

äh: nu_nu kOmm isch aus sEhr beschEidenen verHÄLTnissen; und_isch bin ja auch schon en paar jÄhrschen ÄLter. [°hhh ] [((kichert))] als ich:* wenn ich in URlaub fuhr; fuhren wir nach bAd münsterEifel in URlaub. ((lacht)) ((lacht))

In (158) unterbricht der Sprecher einen Temporalsatz, retrahiert zu dessen Beginn und ersetzt die Subjunktion als durch wenn, sodass sich die temporale Semantik des Nebensatzes verändert.83 Anstatt das „In-den-Urlaub-Fahren“ durch die Verwendung der Subjunktion als als einmaliges Ereignis darzustellen, entscheidet sich der Sprecher für wenn, wodurch die Regelmäßigkeit des Ereignisses hervorgehoben wird.

Zusammenfassung: Retraktionspunkt in Substitutionen, Tilgungen und modifizierenden Insertionen Das Hauptergebnis der Analysen besteht darin, dass die Retraktion in den meisten Fällen direkt zum Reparandum geht. Es gibt jedoch einige interessante Ausnahmen von dieser allgemeinen Tendenz. Bei Reparaturen von Nominalphrasen, die in eine Präpositionalphrase oder Adjunktorphrase eingebettet sind, retrahieren die Sprecher normalerweise nicht zum Reparandum, sondern zur Präposition oder zum Adjunktor. Auch bei Reparaturen von Pronomen in der Wackernagel-Position ist nicht das Reparandum der bevorzugte Retraktionspunkt, sondern das Element, das in der linken Satzklammer steht. Diese Beobachtungen, die auf enge Verbindungen zwischen den jeweiligen Konstituenten hindeuten, sind von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung eines Erklärungsmodells für die Retraktion in Selbstreparaturen (Kap. 8.2.2). Im Folgenden soll abschließend die Verteilung der Retraktionspunkte für alle Substitutionen, Tilgungen und modifizierenden Insertionen mit syntakti-

|| 83 Zur Problematik der Differenzierung zwischen temporaler und konditionaler Lesart der Subjunktion wenn, siehe Auer (2000b: 175ff.).

222 | Selbstreparaturstrukturen

schem Anker (n = 389; 36,7 % aller Substitutionen, Tilgungen und modifizierenden Insertionen) – also für diejenigen Reparaturen, in denen die Retraktion über das Reparandum hinausgeht – nach topologischen Feldern dargestellt werden. Eine solche Zusammenfassung gibt Aufschluss darüber, welche syntaktischen Positionen unabhängig von reparierter Konstituente und Satztyp insgesamt am häufigsten als Retraktionspunkte genutzt werden. Reparaturen, bei denen der Retraktionspunkt keinem topologischen Feld eindeutig zugeordnet werden konnte, wurden von dieser Auswertung ausgeschlossen (n = 7). Hierbei handelt es sich um Retraktionen in elliptischen84 syntaktischen Strukturen oder in Expansionen einer Äußerung des Gesprächspartners. Wenn solche syntaktischen Strukturen kein Verb umfassen, können sie nicht sinnvoll in topologische Felder gegliedert werden. Um die Verteilung der Retraktionspunkte auf die verschiedenen Felder richtig einordnen zu können, sind sie in der folgenden Abbildung nach der topologischen Position des Reparandums unterteilt. Jede Gruppe von Säulen bildet die Retraktionspunkte für eine bestimmte topologische Position des Reparandums ab:

|| 84 Der Terminus Ellipse ist bei der Beschreibung gesprochener Sprache problematisch, weil er impliziert, dass in so bezeichneten syntaktischen Strukturen ein aus schriftsprachlicher Sicht obligatorisches Satzglied fehle. Das „Weglassen“ eines Elements kann jedoch häufig anhand der sequentiellen Einbettung der Äußerung erklärt werden (vgl. Thompson et al. 2015).

Retraktion | 223

Abb. 5: Verteilung der Retraktionspunkte nach Position des Reparandums in Reparaturen mit syntaktischem Anker

Ganz links in der Abbildung sind die Reparaturen mit syntaktischem Anker im Vor-Vorfeld angeführt (n = 3). Für diese Reparaturen besteht für den Sprecher keine andere Möglichkeit, als einen Retraktionspunkt im Vor-Vorfeld zu wählen. Die nächsten beiden Säulen zeigen die topologischen Positionen des Retraktionspunkts für Reparaturen im Vorfeld (n = 16), die einen syntaktischen Anker aufweisen. Bei diesen Reparanda handelt es sich vor allem um Nominalund Präpositionalphrasen. Es gehen nur recht wenige Retraktionen ins VorVorfeld (n = 3), obwohl das Vor-Vorfeld in acht von 16 Fällen besetzt ist. In der linken Satzklammer liegen insgesamt 84 Reparaturen mit syntaktischem Anker vor. Auch hier retrahieren die Sprecher nur in drei Fällen ins VorVorfeld, obwohl es in 32 Fällen besetzt ist. Das deutet auf eine starke syntaktische Grenze zwischen Vor-Vorfeld und Vorfeld hin. In allen anderen Fällen (n = 81) wird eine einsilbige Konstituente im Vorfeld als syntaktischer Anker verwendet. Im Mittelfeld liegen insgesamt die meisten Reparaturen mit syntaktischem Anker vor (n = 239). Retraktionen ins Vorfeld sind bei Reparaturen im Mittelfeld recht selten (n = 22). In den meisten dieser Fälle handelt es sich beim Reparandum um ein Adverb (n = 10; 45,5 %) oder eine Partikel (n = 7; 31,8 %). Retraktionen in die linke Satzklammer treten bei Reparaturen im Mittelfeld deutlich

224 | Selbstreparaturstrukturen

häufiger auf (n = 92). Reparaturen von Pronomen in der Wackernagel-Position machen bei diesem Retraktionsmuster den größten Anteil aus (n = 44; 48,4 %), was auf eine enge Verbindung dieser Position mit der linken Satzklammer hinweist. Auch Reparaturen von Adverbien (n = 14; 15,4 %) und Präpositionalphrasen (n = 8; 8,8 %) im Mittelfeld weisen verhältnismäßig oft einen Anker in der linken Satzklammer auf. Diese Reparaturen sind in manchen Fällen ohne syntaktischen Anker überhaupt nicht zu verarbeiten; in anderen Fällen würden ohne Anker bei der Prozessierung Ambiguitäten entstehen. Diese Adverbien und Präpositionalphrasen stehen oftmals direkt nach der linken Satzklammer, sodass die Retraktion regelmäßig in die angrenzende linke Satzklammer geht, in anderen Fällen treten sie nach einem Pronomen in der Wackernagel-Position auf. Da diese Pronomen wiederum bevorzugt mit der vorangehenden Konstituente wiederholt werden, geht die Retraktion auch hier häufig in die linke Satzklammer. Die meisten Retraktionen bei Reparaturen mit syntaktischem Anker im Mittelfeld bleiben jedoch im Mittelfeld (n = 125). Dieses Retraktionsmuster betrifft fast ausschließlich Reparaturen in der Präpositionalphrase (n = 72; 57,6 %) und Nominalphrase (n = 42; 33,6 %), bei denen die Retraktion bevorzugt zur Phrasengrenze geht. Wenn Reparaturen in der rechten Satzklammer einen syntaktischen Anker aufweisen (n = 20), liegt dieser zumeist im Mittelfeld (n = 14; 70,0 %). In elf dieser Fälle wird ein Adverb inseriert, um ein Verb in der rechten Satzklammer zu modifizieren. Diese Fälle sind die einzigen modifizierenden Insertionen im Korpus, bei denen eine Feldgrenze übersprungen wird. Im Nachfeld werden insgesamt 27 Reparaturen mit syntaktischem Anker durchgeführt. Nur eine Retraktion geht zurück in die rechte Satzklammer, während alle anderen Anker innerhalb des Nachfelds liegen (n = 26). Den größten Anteil der Reparanda mit diesem Retraktionsmuster machen Präpositionalphrasen aus (n = 19; 73,1 %). Die Tatsache, dass bei Reparaturen im Nachfeld kaum in die rechte Satzklammer retrahiert wird, zeigt, dass der Übergang von der rechten Satzklammer zum Nachfeld eine starke syntaktische Grenze darstellt.

6.3.2.2 Retraktionspunkt in Insertionen In diesem Unterkapitel soll die Lage des Retraktionspunkts in nichtmodifizierenden projektionserhaltenden und projektionsverändernden Insertionen beschrieben werden. Bei diesen beiden Gruppen von Insertionen handelt

Retraktion | 225

es sich um die Fälle, in denen ein Wort oder eine Konstituente eingefügt wird, die keine benachbarte Konstituente modifiziert.85 In diesen Reparaturen ist das Reparandum also kein Wort, sondern vielmehr die nicht gefüllte syntaktische Position, die durch die Insertion besetzt wird (siehe Kap. 5 zur Abgrenzung der verschiedenen Reparaturoperationen). Das Problem, das in diesen Reparaturen bearbeitet wird, besteht also sozusagen in einer „vergessenen“ Konstituente, die mittels der Insertion für den Rezipienten nachgereicht wird. Da sich diese Insertionen also in Bezug auf das Reparandum, das eine entscheidende Rolle für die Analyse des Retraktionspunkts spielt, von den bisher besprochenen Reparaturen unterscheiden, müssen sie – genau wie Wiederholungen (siehe das nachfolgende Kap. 6.3.2.3) – gesondert betrachtet werden. Bei den hier untersuchten Insertionen (n = 91) besteht die minimale Retraktionsspanne in der Retraktion zum Insertionsslot – also zur syntaktischen Position, an der die Insertion durchgeführt werden soll. Die meisten Retraktionen (73,6 %) gehen direkt zum Insertionsslot, nur gut ein Viertel der Insertionen (26,4 %) weist eine Retraktion zu einem weiter zurückliegenden Punkt auf. Bei der Insertion einiger Konstituenten liegt keine Variation hinsichtlich des Retraktionspunkts vor. Bei allen inserierten Verben (n = 8), Adjunktorphrasen (n = 4), Determinierern (n = 4) sowie beim einzigen inserierten Adjektiv und beim einzigen inserierten Hauptsatz geht die Retraktion direkt zum Insertionsslot. Bei den Insertionen der anderen Konstituenten, die im Folgenden beschrieben werden, besteht Variation bezüglich des Retraktionspunkts. In diesen Fällen retrahieren die Sprecher manchmal direkt zum Insertionsslot und manchmal zu einem weiter zurückliegenden Punkt in der emergenten syntaktischen Struktur.

Insertion eines Adverbs In fast einem Viertel der Fälle wird ein Adverb in die Äußerung inseriert (n = 20; 22,0 %). Eine Insertion findet im Vorfeld und eine im Nachfeld statt, wobei der Retraktionspunkt in beiden Fällen der Insertionsslot ist. In den allermeisten Fällen wird die Insertion also im Mittelfeld der Äußerung durchgeführt (n = 18). Nur in diesen Fällen besteht Variation bezüglich des Retraktionspunkts. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick:

|| 85 Modifizierende Insertionen wurden im vorangehenden Unterkapitel behandelt, weil in diesen ein klares Reparandum vorliegt, nämlich das modifizierte Wort.

226 | Selbstreparaturstrukturen

Tab. 58: Verteilung der Retraktionspunkte bei der Insertion von Adverbien Retraktionspunkt

Inserierte Adverbien (n = 20)

Insertionsslot

17 (85,0 %)

Linke Satzklammer

1 (5,0 %)

Vorfeld

2 (10,0 %)

Bei der Insertion von Adverbien im Mittelfeld bevorzugen die Sprecher eindeutig den Insertionsslot als Retraktionspunkt (85,0 %), wohingegen das Vorfeld (10,0 %) und die linke Klammer (5,0 %) nur selten als Retraktionspunkt genutzt werden. Das folgende Beispiel zeigt eine der häufigen Retraktionen zum Insertionsslot. Der Interviewer bezieht sich auf die ehemaligen Hamburger Bürgermeister: (159) 01 i-hh04: un ich kenn die anderen au* natürlich AUCH nich,

Der Sprecher unterbricht hier ein Wort, vermutlich das Adverb auch, retrahiert vor dieses Wort im Mittelfeld der Äußerung und inseriert das Adverb natürlich.

Insertion einer Präpositionalphrase Präpositionalphrasen werden genauso häufig inseriert wie Adverbien (n = 20; 22,0 %). Über die identische Anzahl hinaus stimmt auch die Retraktionsquote zum Insertionsslot bei Insertionen von Präpositionalphrasen mit den Insertionen von Adverbien überein (85 %). Auch bei der Insertion von Präpositionalphrasen besteht nur bei den Insertionen im Mittelfeld (n = 18) Variation hinsichtlich des Retraktionspunkts: Tab. 59: Verteilung der Retraktionspunkte bei der Insertion von Präpositionalphrasen Retraktionspunkt

Inserierte Präpositionalphrasen (n = 20)

Insertionsslot

17 (85,0 %)

Mittelfeld

1 (5,0 %)

Linke Satzklammer

1 (5,0 %)

Vorfeld

1 (5,0 %)

Retraktion | 227

Auch hier geht die Retraktion in fast allen Fällen zum Insertionsslot. In den Beispielen, in denen der Sprecher nicht zum Insertionsslot retrahiert, geht er einmal zum Beginn eines Hauptsatzes (Vorfeld), einmal zum Beginn eines Nebensatzes (linke Satzklammer) und einmal ins Mittelfeld zurück. Letzterer Fall soll etwas näher betrachtet werden: (160) 01 k10a: als der mAinzer karneval hier REIN kam.* 02 hier nach KÖLN rein kam03 dursch das FERNsehen.

Nach dem syntaktischen Abschluss des Nebensatzes in Z. 01 retrahiert der Sprecher zurück zum deiktischen Lokaladverb hier, wiederholt es und spezifiziert es anschließend durch die Insertion der appositiven Präpositionalphrase nach KÖLN. Die Retraktion geht hier nicht direkt zum Insertionsslot, weil es offenbar eine Tendenz dazu gibt, das von einer Apposition zu spezifizierende Element gemeinsam mit der Apposition selbst zu wiederholen.

Insertion eines Pronomens Auch Pronomen werden relativ häufig inseriert (n = 17; 18,7 %), wobei alle Insertionen im Mittelfeld stattfinden. Die Verteilung der Retraktionspunkte entspricht hier nicht der allgemeinen Tendenz: Tab. 60: Verteilung der Retraktionspunkte bei der Insertion von Pronomen Retraktionspunkt

Inserierte Pronomen (n = 17)

Insertionsslot

5 (29,4 %)

Linke Satzklammer

10 (58,8 %)

Vorfeld

2 (11,8 %)

Im Gegensatz zur Insertion von Adverbien und Präpositionalphrasen ist bei der Insertion von Pronomen nicht der Insertionsslot der präferierte Retraktionspunkt (29,4 %), sondern die linke Satzklammer (58,8 %). Zudem treten zwei Retraktionen ins Vorfeld der Struktur auf (11,8 %). Im Folgenden wird ein Beispiel für die beiden häufigsten Retraktionspunkte gegeben. Beginnen wir mit der Retraktion zum Insertionsslot:

228 | Selbstreparaturstrukturen (161) 01 i-mu: 02 03 mu05a: 04 i-mu: 05 mu05a: 06

i bin wirklich hab erstmal den* mir den MESseplan gnommenwo [sin äh he ] [an HOLZtürn,] und dann wirklich: [äh: (.) AB]gearbeitet; [hOlztürn äh'] (.) mit die schÖnsten türn von de holztürn macht SÜDholztürn.(.)

In Z. 01 retrahiert i-mu nach der Produktion des Determinierers den zurück vor ebendiesen und inseriert das Pronomen mir, ohne dass eine explizite Reparaturinitiierung durchgeführt oder ein syntaktischer Anker eingesetzt wird. Das nächste Beispiel, in dem sich die Teilnehmer über den alten Boden im Haus der Interviewerin unterhalten, zeigt eine Retraktion zu einem Verb in der linken Satzklammer: (162) 01 i-mu: 02 03 mu05a: 04

wenn so noch so_a boden DA is, is eimfach:* (.) is des eimfach erHALten[swert;=ja-] [ja wenn_er] GUAT is der bodenwarum sollt ma den nit LASsen;

In (162) initiiert die Sprecherin in Z. 02 nach der Produktion des Adjektivs eimfach: eine Reparatur, retrahiert zur Kopula is, wiederholt diese und inseriert das Pronomen des. Im Unterschied zu (161) wird das Pronomen in diesem Beispiel in die Wackernagel-Position inseriert. Da die linke Klammer und die WackernagelPosition syntaktisch eng zusammenhängen, wird das Verb in die Reparaturdurchführung mit einbezogen.

Insertion einer Partikel Eine Partikel wird in nur neun Fällen inseriert (9,9 %). In einem Fall wird eine Negationspartikel inseriert, in allen anderen Fällen eine Modalpartikel. Aufgrund der kleinen Anzahl inserierter Partikeln sind in der Tabelle die Retraktionspunkte über alle Insertionen von Partikeln hinweg zusammengefasst: Tab. 61: Verteilung der Retraktionspunkte bei der Insertion von Partikeln Retraktionspunkt

Inserierte Partikeln (n = 9)

Insertionsslot

5 (55,6 %)

Retraktion | 229

Retraktionspunkt

Inserierte Partikeln (n = 9)

Linke Satzklammer

1 (11,1 %)

Vorfeld

3 (33,3 %)

Bei den Modalpartikeln wird neben dem Insertionsslot (55,6 %) auch das Vorfeld (33,3 %) als Retraktionspunkt genutzt. Bei der Insertion der Negationspartikel geht die Retraktion in die linke Satzklammer – genauer gesagt zu einem Verb in Erstposition, sodass das Vorfeld in diesem Fall nicht besetzt ist. Im Folgenden werden die beiden Retraktionsmuster vorgestellt, die bei der Insertion von Modalpartikeln auftreten. Das nächste Beispiel, in dem die Mutter des Patienten erzählt, dass er nicht mit seiner Ex-Freundin verreisen wollte, zeigt eine Retraktion zum Insertionsslot: (163) 01 M14: er wollte also nIch mit ihr da RUNterfahren02 weil se ge* halt getrEnnt waren-= 03 =und das (-) wOllt er sich halt nich ANtun.

In Z. 02 unterbricht M14 ein Wort (ge), vermutlich ein Partizip, retrahiert zurück ins Mittelfeld und inseriert die Modalpartikel halt, die die Offensichtlichkeit des Gesagten unterstreicht. Die Retraktion geht direkt zum Insertionsslot, ohne dass vor der Durchführung der Insertion ein Teil der ursprünglichen Äußerung wiederholt wird. Der folgende Gesprächsausschnitt zeigt eine der Retraktionen ins Vorfeld: (164) 01 hh04: 02 03 04 05 i-hh04: 06 hh04:

nu:r (.) man MUSS das:* (--) man muss eben (.) das leGAL machen;= =und wenn man_s ILlegal machtdann muss man damit rechnen dass man AUFfliecht, [mhm_mhm,] [°hh ] und dass man also verURteilt wird. =[nech-] 07 i-hh04: [mhm- ]

In Z. 02 retrahiert der Sprecher zurück zum Vorfeld der Struktur, wiederholt das Pronomen und das Verb (man muss) und inseriert die Modalpartikel eben, bevor er mit dem Pronomen das fortfährt, das bereits Teil der ursprünglichen Struktur war. Auch bei der Insertion von Partikeln sind alle Konstituenten, die im Vorfeld wiederholt werden, einsilbig.

230 | Selbstreparaturstrukturen

Insertion einer Nominalphrase oder eines Determinierers Nominalphrasen und Determinierer werden nur selten inseriert (n = 6; 6,6 %). Auch hier geht die Retraktion in den meisten Fällen zum Insertionsslot: Tab. 62: Verteilung der Retraktionspunkte bei Insertionen von Nominalphrasen und Determinierern Retraktionspunkt

Inserierte Nominalphrasen und Determinierer (n = 6)

Insertionsslot

5 (83,3 %)

Linke Satzklammer

1 (16,7 %)

Es werden insgesamt zwei Nominalphrasen und vier Determinierer inseriert. Bei der Insertion der Determinierer gehen alle Retraktionen zum Insertionsslot (83,3 %), während bei der Insertion einer Nominalphrase eine von beiden Retraktionen zu einem Verb in der linken Klammer geht. In Beispiel (165), bei dem es sich um die Insertion eines Determinierers mit Retraktion zum Insertionsslot handelt, wird über die Unterschiede zwischen Männern und Frauen diskutiert: (165) 01 Hrm: den hUt [zieh isch mir AN;] 02 Tba: [wenn mÄnner ma:l ] (-) zu*_ne zUsätzliche Arbeit mAchen müssen; 03 sind die komPLETT überfOrdert.

In Z. 02 initiiert Tabea eine Selbstreparatur – vermutlich innerhalb des Adjektivs einer Nominalphrase. Sie retrahiert vor dieses Adjektiv und inseriert den indefiniten Artikel ne.

Zusammenfassung: Retraktionspunkt in Insertionen Betrachten wir abschließend noch die Retraktionspunkte für alle Insertionen mit syntaktischem Anker – also für diejenigen Fälle, in denen die Retraktion nicht zum Insertionsslot geht. Diese Auswertung gibt Aufschluss darüber, welche syntaktischen Positionen unabhängig von reparierter Konstituente und Satztyp am häufigsten als Retraktionspunkte genutzt werden:

Retraktion | 231

Tab. 63: Verteilung der Retraktionspunkte bei Insertionen mit syntaktischem Anker Retraktionspunkt

Insertionen mit syntaktischem Anker (n = 24)

Vorfeld

11 (45,8 %)

Linke Satzklammer

11 (45,8 %)

Mittelfeld

2 (8,4 %)

Die meisten der in diesem Kapitel untersuchten Insertionen werden im Mittelfeld durchgeführt (79,1 %). In den wenigen Insertionen, in denen überhaupt ein syntaktischer Anker eingesetzt wird (26,4 %), retrahieren die Sprecher häufig ins Vorfeld (n = 11; 45,8 %), wobei das Vorfeld in zehn von elf Fällen (90,9 %) mit einem einsilbigen Element besetzt ist. Die andere Option, die gleich oft genutzt wird, ist die Retraktion zur linken Satzklammer (n = 11; 45,8 %). Insgesamt werden 19 Konstituenten direkt nach der linken Satzklammer – also in der Wackernagel-Position – inseriert (79,2 % der Insertionen mit syntaktischem Anker). Meistens handelt es sich in diesen Fällen beim inserierten Element um ein Pronomen (n = 12; 63,2 %). Die Retraktionen zum Element in der linken Satzklammer deuten auf eine enge Verbindung zwischen der linken Satzklammer und dem Pronomen in der Wackernagel-Position hin.

6.3.2.3 Retraktionspunkt in Wiederholungen Bei der Analyse des Retraktionspunkts in Wiederholungen entfällt die bisher getroffene Unterscheidung zwischen der minimalen Retraktionsspanne (Retraktion zum Reparandum bzw. zum Insertionsslot) und einer Retraktion zu einem weiter zurückliegenden Punkt in der bereits produzierten Struktur. Während die bislang analysierten Reparaturen (Substitutionen, Tilgungen und Insertionen) mit syntaktischem Anker auftreten können – in diesen Fällen entspricht die Position des eigentlich zu bearbeitenden Teils der Äußerung nicht dem Retraktionspunkt –, können Wiederholungen keinen syntaktischen Anker aufweisen, weil der syntaktische Anker selbst als Wiederholung definiert ist und nur in Kombination mit einer anderen Reparaturoperation auftreten kann (siehe Kap. 5). Es treten sowohl einfache Wiederholungen auf, die nur ein Wort umfassen (n = 1038; 76,0 %), als auch komplexe Wiederholungen, die mehrere Wörter umfassen (n = 328; 24,0 %). Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Retraktionspunkte bei einfachen Wiederholungen:

232 | Selbstreparaturstrukturen

Tab. 64: Verteilung der Retraktionspunkte bei einfachen Wiederholungen Retraktionspunkt

Anzahl der Wiederholungen

Determinierer

247 (23,8 %)

Präposition

174 (16,8 %)

Pronomen

134 (12,9 %)

Konjunktion

117 (11,3 %)

Adverb

107 (10,3 %)

Finites Verb (LK)

52 (5,0 %)

Subjunktion

51 (4,9 %)

Nomen

37 (3,6 %)

Adjektiv

36 (3,5 %)

Infinites Verb

30 (2,9 %)

Partikel

27 (2,6 %)

Relativpronomen

26 (2,5 %)

insgesamt

1038 (100 %)

Bei Einwort-Wiederholungen entspricht die Konstituente, zu der die Retraktion geht, auch immer der Konstituente, die wiederholt wird. Die Untersuchung der Einwort-Wiederholungen wird deswegen erst in Kapitel 6.4 im Hinblick auf die Häufigkeiten, mit denen die verschiedenen Wortarten wiederholt werden, vorgenommen. Dort wird auch der Frage nachgegangen, inwiefern sich die syntaktische Position der Wiederholungen von der syntaktischen Position der Reparanda unterscheidet. Die Untersuchung des Retraktionspunkts in Wiederholungen im folgenden Abschnitt bezieht sich lediglich auf komplexe Wiederholungen. Zwar ist auch bei den komplexen Wiederholungen der Retraktionspunkt identisch mit dem ersten Wort der wiederholten Elemente, jedoch lassen sich aus der gemeinsamen Wiederholung bestimmter Wörter sowohl Rückschlüsse auf die syntaktischen Verhältnisse im gesprochenen Deutsch als auch auf die bevorzugte Platzierung von Wiederholungen innerhalb der syntaktischen Struktur ziehen. Wie die folgende Tabelle 65 zeigt, retrahieren die Sprecher bei komplexen Wiederholungen vor allem zum Beginn von Präpositionalphrasen, Hauptsätzen, Nebensätzen und Nominalphrasen:

Retraktion | 233

Tab. 65: Verteilung der komplexen Wiederholungen Wiederholte Konstituente(n)

Anzahl

Präpositionalphrase

142 (43,3 %)

Pronomen + V2

53 (16,2 %)

Verb + X

39 (11,9 %)

Hauptsatz

21 (6,4 %)

Adverb + X

11 (3,4 %)

Konjunktion + X

8 (2,4 %)

Subjunktionalsatz

31 (9,5 %)

Relativsatz

11 (3,4 %)

Nominalphrase

12 (3,7 %)

insgesamt

328 (100 %)

Es zeigt sich, dass bei komplexen Wiederholungen der Beginn von Präpositionalphrasen absolut gesehen der häufigste Retraktionspunkt ist, wobei im Anschluss an die Retraktion fast ausschließlich Präposition und Determinierer wiederholt werden (n = 132; 93,0 %).86 Die große Zahl komplexer Wiederholungen zu Beginn der Präpositionalphrase, die fast der Häufigkeit von Wiederholungen der Präposition allein entspricht (siehe Tab. 64), zeigt, dass zwischen der Präposition und ihrem Komplement eine enge Verbindung besteht. Eine andere interessante Beobachtung besteht darin, dass es insgesamt nur vier Fälle gibt, in denen eine Präposition gemeinsam mit einem vorhergehenden Wort wiederholt wird. Anders ausgedrückt geht die Retraktion bei einer Reparaturinitiierung in der Präpositionalphrase fast nie über die Grenze der Präpositionalphrase hinaus. Das zeigt, dass die Präposition bei der Durchführung von Retraktionen eine starke syntaktische Grenze darstellt, die nur äußerst selten übersprungen wird. Der Status der Grenze einer Präpositionalphrase als starke Grenze bei der Durchführung von Retraktionen wird auch durch zwei Fälle un|| 86 In diesem Abschnitt werden lediglich die absoluten Häufigkeiten der Retraktionspunkte in Wiederholungen behandelt. Die Werte in Tabelle 65 eignen sich für eine Interpretation der syntaktischen Verhältnisse im Deutschen, die sich in der Verteilung widerspiegeln, sind aber für die Analyse der Häufigkeiten bestimmter wiederholter Konstituenten nicht geeignet. Für eine aussagekräftige Interpretation der Häufigkeit, mit der eine Wortart wiederholt oder repariert wird, sei auf Kapitel 6.4 verwiesen. Dort stützt sich die Analyse auf relative Frequenzen reparierter und wiederholter Wortarten, die sich aus einem Vergleich mit der allgemeinen Frequenz der Wortarten in der gesprochenen Sprache ergeben.

234 | Selbstreparaturstrukturen

terstrichen, in denen eine Wiederholung innerhalb einer Präpositionalphrase initiiert wird, die in eine Adjunktorphrase eingebettet ist. Trotz der ansonsten starken Tendenz, zum Beginn von Adjunktorphrase zu retrahieren, entscheiden sich die Sprecher in beiden Fällen für die Präposition als Retraktionspunkt. Neben Retraktionen zum Beginn von Präpositionalphrasen treten bei komplexen Wiederholungen Retraktionen zum Beginn eines Hauptsatzes auf. In den meisten Fällen werden ein Pronomen im Vorfeld und ein darauf folgendes Verb wiederholt (n = 53; 16,2 %). Verben in der linken Satzklammer werden jedoch auch in Verbindung mit nachfolgenden Konstituenten wiederholt (n = 39; 11,9 %), vor allem mit Pronomen (n = 26) und Adverbien (n = 7). Interessanterweise gibt es nur ein Pronomen in der Wackernagel-Position, das nicht in Verbindung mit dem vorausgehenden Verb wiederholt wird. In einigen Fällen werden auch mehrere Konstituenten zu Beginn eines Hauptsatzes wiederholt (n = 21). Um die Eröffnung vieler einzelner Kategorien mit wenigen Beispielen zu vermeiden und dadurch eine bessere Übersichtlichkeit zu erhalten, wurden alle Wiederholungen, die mindestens drei Wörter zu Beginn eines Deklarativsatzes umfassen, der Kategorie ‚Hauptsatz‘ zugeordnet. Alle Wiederholungen dieser Kategorie zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein Verb umfassen. Es handelt sich also in gewisser Weise auch um Verbindungen mit einem Verb, jedoch liegt der Unterschied zwischen beiden Kategorien darin, dass bei der Wiederholung von Hauptsätzen die Vorfeldkonstituente immer mit einbezogen wird. Auch Wiederholungen von Adverbien in Verbindung mit anderen Konstituenten (n = 11; 3,4 %) werden am häufigsten zu Beginn eines Hauptsatzes durchgeführt (n = 7). Dasselbe gilt für die Verbindung einer Konjunktion mit einer darauf folgenden Konstituente (n = 8; 2,4 %). Der Beginn von Nebensätzen wird ebenfalls als Retraktionspunkt genutzt, wenn die Sprecher komplexe Wiederholungen durchführen. Bei komplexen Wiederholungen zu Beginn eines Subjunktionalsatzes (n = 31; 9,5 %) handelt es sich zumeist um die Subjunktion und das nachfolgende Pronomen (n = 23). Abgesehen von dieser Kombination treten auch vereinzelt eine Subjunktion und ein Determinierer (n = 4) und Verbindungen von Subjunktion, Pronomen und einer weiteren Konstituente (Partikel, Determinierer, Adverb oder Pronomen; n = 4) auf. Auch komplexe Wiederholungen in Relativsätzen (n = 11; 3,4 %) betreffen größtenteils ein Relativpronomen (bzw. eine Relativpartikel) und ein Pronomen (n = 6). Zudem treten Wiederholungen von Relativpronomen in Verbindung mit Adverbien (n = 3) sowie Pronomen und Adverb (n = 2) auf. Insgesamt treten in Nebensätzen nur zwei Pronomen (eines in der Wackernagel-Position, eines an einer späteren Position) auf, die nicht gemeinsam mit dem einleitenden Element wiederholt werden. Das deutet auf eine enge Verbindung von lin-

Retraktion | 235

ker Satzklammer und Pronomen in der Wackernagel-Position hin. Außerdem werden in den meisten Fällen nur das einleitende Element und ein weiteres Wort wiederholt. Das zeigt, dass Wiederholungen zumeist sehr früh im Nebensatz initiiert werden. Bei Wiederholungen, die in Nebensätzen initiiert werden, geht die Retraktion in keinem Fall über das einleitende Element hinaus. Das deutet darauf hin, dass der Beginn von Nebensätzen eine starke syntaktische Grenze bei der Durchführung von Retraktionen darstellt. Komplexe Wiederholungen von Elementen einer Nominalphrase sind relativ selten (n = 12; 3,7 %). Der Beginn von Nominalphrasen ist zwar bei Wiederholungen insgesamt ein häufiger Retraktionspunkt, jedoch wird in den meisten Fällen (n = 247; siehe Tab. 64) im Anschluss an die Retraktion keine komplexe Wiederholung durchgeführt, sondern lediglich ein Determinierer wiederholt (siehe Kap. 6.4.2 für eine ausführliche Interpretation).

6.3.3 Multiple Retraktionen In der großen Mehrheit der Fälle (n = 2271; 89,7 %) genügt den Sprechern eine einzige Retraktion, um eine Selbstreparatur erfolgreich durchzuführen. Auf diesen Umstand hat bereits Schegloff (1979: 277) hingewiesen: „For the most part, a single repair effort deals with a trouble-source.“ Manchmal kommt es jedoch vor, dass ein Sprecher mehrere aufeinanderfolgende Reparaturen („successive repairs“, Schegloff 1979: 277) einsetzt, um ein Reparandum zu bearbeiten. In diesen Fällen liegen multiple Retraktionen (vgl. Auer/Pfänder 2007) vor (n = 260; 10,3 %). Bisher ist die strukturelle und quantitative Verteilung sowie die Funktion multipler Retraktionen noch nicht systematisch untersucht worden. Im Folgenden sollen zunächst einige Fälle multipler Retraktionen präsentiert werden, bevor wir uns anschließend der Analyse von Zusammenhängen zwischen multiplen Retraktionen und strukturellen Eigenschaften von Selbstreparaturen zuwenden (für eine Analyse des Zusammenhangs von multiplen Retraktionen und Typen von Reparanda, siehe Kap. 7.4.3). Der folgende Gesprächsausschnitt, in dem hh04 von Grauzonen im Steuersystem berichtet, die von manchen Personen zur persönlichen Bereicherung ausgenutzt werden, zeigt multiple Retraktionen: (166) 01 hh04: und das ist also im* im sysTEM begründet-* 02 im steuersysTEM, 03 i-hh04: [mhm-]

236 | Selbstreparaturstrukturen

04 hh04: 05

[°h ] das is also NICH so(-) dass diese leute etwas !IL!legales machen.

In diesem Beispiel retrahiert hh04 in Z. 01 zunächst zum Beginn der Präpositionalphrase und wiederholt die klitisierte Form aus Präposition und Determinierer (im), woraufhin er die Phrase und die gesamte syntaktische Gestalt zu einem syntaktischen Abschlusspunkt führt. In Z. 02 reaktiviert der Sprecher die syntaktische Struktur allerdings durch eine regressiv-paradigmatische Expansion (vgl. Auer 1991). Er retrahiert erneut zum Beginn der Präpositionalphrase und ersetzt das Nomen sysTEM durch das spezifischere Kompositum steuersysTEM. Dieses Beispiel zeigt also zwei Retraktionen zum selben Punkt in der syntaktischen Struktur. Nach der ersten Retraktion wiederholt hh04 lediglich den Phrasenbeginn (im), nach der zweiten Retraktion führt er neben der erneuten Wiederholung des Phrasenbeginns auch eine Substitution durch. Im nächsten Ausschnitt berichtet mu05, ein ehemaliger Bäcker, davon, wie er das Feuchtwerden von Brezeln vermieden hat. Auch dieses Beispiel zeigt zwei Retraktionen zum selben Retraktionspunkt, jedoch wird hier nach beiden Retraktionen die Äußerung verändert: (167) 01 mu05a: und des'* dem sind WIR,* 02 (.) um das sin WIR herUmgekommen-= 03 =insofern mir die bretzen GMACHT ham, 04 (.) geBACken ham, 05 und sie Alle in KÖRbe ge(schlechtet) ham-= 06 =und EINgefroren ham. 07 GSCHOCKfrostet.

Der Sprecher unterbricht seinen Redebeitrag gleich zu Beginn, retrahiert zurück zum Pronomen des im Vorfeld der Struktur und ersetzt dieses durch dem. Anschließend unterbricht er die Äußerung vor der rechten Satzklammer erneut, retrahiert ins Vorfeld und ersetzt das Pronomen durch die Präpositionalphrase um das. Diese Reparatur lässt erkennen, dass das ursprünglich geplante Verb mit Dativobjekt (dem) durch ein Verb mit Präpositionalobjekt (herUmgekommen) ersetzt wurde. Der nächste Gesprächsausschnitt enthält zwei aufeinanderfolgende Retraktionen mit verschiedenen Retraktionspunkten: (168) 01 i-mu: 02

aber mir wollten net nach NÜRNberg; [und ] ähm: geHALT wär-* (.)

Retraktion | 237

03 mu05a: 04 i-mu:

[mhm,] wär net:* koa großer SPRUNG gewesen,

In Z. 04 retrahiert die Sprecherin zunächst zurück zur Kopula wär, wiederholt diese und führt ihre Äußerung dann mit der Negationspartikel net fort. Die Negationspartikel ist der Zielpunkt der zweiten Retraktion. In dieser Reparatur wählt die Sprecherin ein neues Format für die Negation: Die Partikel net wird durch den Determinierer koa getilgt. Die Reparatur in (168) folgt einem Muster, das im Untersuchungskorpus regelmäßig auftritt und sich auch bei Schegloff (1979: 278f.) zeigt. Bei der Durchführung multipler Retraktionen tendieren die Sprecher dazu, bei nachfolgenden Retraktionen weniger weit in der syntaktischen Struktur zurückzugehen als bei vorherigen Retraktionen. Diese kaskadenartige Retraktionsstruktur, die die Äußerung sukzessive fortführt, offenbart die Bedeutung der Progressivität für die Organisation des Reparatursystems (vgl. Schegloff 1979: 279). In den meisten Fällen aufeinanderfolgender Reparaturen liegen zwei Retraktionen vor. Es finden sich aber auch – wenngleich deutlich seltener – drei oder vier aufeinanderfolgende Retraktionen im Korpus. Im nächsten Beispiel, in dem vier aufeinanderfolgende Retraktionen zum selben Punkt durchgeführt werden, unterhalten sich die Teilnehmer über die gesellschaftlichen Probleme, die durch das Ersetzen menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen entstehen: (169) 01 hh04: ja wer soll denn die ware KAUfen; 02 i-hh04: mhm_mhm, 03 hh04: die* (--) die produ'* die* die* die (.) von den compUtern produZIERT wird.

In Z. 03 beginnt der Sprecher einen Relativsatz, den er direkt nach dem Relativpronomen unterbricht. Nach einer Pause retrahiert er zum Beginn des Relativsatzes, wiederholt das Relativpronomen und führt die Äußerung zunächst fort. Nach einem Wortabbruch (produ') retrahiert hh04 weitere drei Mal zum Beginn des Relativsatzes und wiederholt nach jeder Retraktion das Relativpronomen, bevor er die syntaktische Struktur durch die Insertion der Präpositionalphrase von den compUtern und die Produktion des Verbalkomplexes produZIERT wird zum Abschluss bringt. Nach diesem kurzen Überblick über verschiedene Muster multipler Retraktionen, soll im Folgenden untersucht werden, ob ein Zusammenhang zwischen multiplen Retraktionen und bestimmten strukturellen Merkmalen von Reparaturen besteht. Wenden wir uns zunächst der Frage zu, ob es Reparaturoperatio-

238 | Selbstreparaturstrukturen

nen gibt, mit denen multiple Retraktionen besonders häufig oder besonders selten auftreten: Tab. 66: Multiple Retraktionen nach Selbstreparaturoperation Selbstreparaturoperation

Multiple Retraktionen

Einfache Retraktion

Wiederholung (n = 1.366)

120 (8,8 %)

1.246 (91,2 %)

Substitution (n = 907)

121 (13,3 %)

786 (86,7 %)

Insertion (n = 140)

9 (6,4 %)

131 (93,6 %)

Tilgung (n = 104)

11 (10,6 %)

93 (89,4 %)

Die Fälle, in denen eine der aufeinanderfolgenden Retraktionen der Durchführung einer Insertion dient, sind am seltensten (6,4 %; vgl. Beispiel (169)). Ebenfalls relativ selten kommen multiple Retraktionen vor, die ausschließlich der Wiederholung von Teilen der Äußerung dienen (8,8 %). Etwas häufiger sind die Fälle, in denen im Anschluss an eine der Retraktionen eine Tilgung durchgeführt wird (10,6 %; vgl. Beispiel (168)). Am häufigsten sind multiple Retraktionen im Kontext einer Substitution (13,3 %; vgl. Beispiel (166)).87 Der Anteil an multiplen Retraktionen, in denen alle aufeinanderfolgenden Retraktionen ausschließlich für Wiederholungen eingesetzt werden, ist relativ klein. Wiederholungen wird zwar häufig eine Verzögerungsfunktion zugeschrieben (vgl. Fox et al. 1996; Rieger 2003; Fox et al. 2009b), aber es stehen dem Sprecher neben Wiederholungen noch eine Reihe anderer Ressourcen zur Verfügung, um Zeit zu gewinnen, wie beispielsweise Zögerungspartikeln, Lautdehnungen, Pausen oder niedrige Sprechgeschwindigkeit. Sprecher scheinen für stärkere Verzögerungen des Fortschreitens der Struktur nicht auf multiple Retraktionen zurückzugreifen, sondern eher auf eine Kombination von einfacher Wiederholung und den erwähnten anderen Ressourcen (siehe Kap. 7.3.3). Multiple Retraktionen treten bei Wiederholungen zwar signifikant seltener auf als bei Substitutionen (χ2(1) = 11,9; p < 0,01**; Cramer-V = 0,07), jedoch wird dieses Ergebnis durch den äußerst geringen Cramer-V-Wert, der den statistischen Zusammenhang zwischen den Variablen Reparaturoperation und Anzahl der Retraktionen in Frage stellt, stark relativiert. Dennoch lässt sich aufgrund

|| 87 Es werden hier nur die vier Grundoperationen (Wiederholung, Substitution, Insertion, Tilgung) dargestellt, weil zwischen den spezifischeren Operationen (siehe Kap. 5) im Hinblick auf die Häufigkeit multipler Retraktionen kein signifikanter Unterschied besteht.

Retraktion | 239

der Verteilung multipler Retraktionen über alle Operationen hinweg feststellen, dass multiple Retraktionen häufig keine reine Verzögerungsfunktion erfüllen, sondern oftmals auf die Bearbeitung eines klaren Reparandums hin ausgerichtet sind.88

6.3.4 Zusammenfassung: Retraktion Bei der Untersuchung der Retraktion in Selbstreparaturen wurde zunächst zwischen zwei Aspekten unterschieden, der Retraktionsspanne und dem Retraktionspunkt. Im Hinblick auf die Retraktionsspanne hat sich gezeigt, dass die Sprecher in fast zwei Dritteln der Fälle (64,5 %) die minimale Retraktionsspanne wählen und direkt zum Reparandum retrahieren. In gut einem Viertel der Reparaturen (27,1 %) beträgt die Retraktionsspanne eine Silbe und in 6,5 % der Fälle zwei Silben – längere Retraktionsspannen kommen nur äußerst selten vor. Die Retraktionsspanne hängt zum einen von der Reparaturoperation ab. Projektionserhaltende Tilgungen weisen im Durchschnitt eine besonders große und modifizierende Insertionen eine besonders kleine Retraktionsspanne auf. Zum anderen spielt auch die Wortart des Reparandums eine Rolle. Inhaltswörter werden mit einer signifikant größeren Retraktionsspanne repariert als Funktionswörter. Das Hauptergebnis bezüglich des Retraktionspunkts überschneidet sich mit dem Hauptergebnis zur Retraktionsspanne: Die Sprecher retrahieren in den meisten syntaktischen Kontexten unmittelbar zum Reparandum bzw. bei Insertionen zum Insertionsslot. Es gibt jedoch einige interessante Ausnahmen: Bei Reparaturen von Nominalphrasen, die in eine Präpositionalphrase oder Adjunktorphrase eingebettet sind, retrahieren die Sprecher meistens nicht zum Reparandum, sondern zur Präposition bzw. zur Konjunktion. Auch bei der Reparatur von Pronomen in der Wackernagel-Position ist nicht das Reparandum der bevorzugte Retraktionspunkt, sondern das Element, das in der linken Satzklammer steht. Diese Beobachtungen, die auf enge Verbindungen zwischen den jeweiligen Konstituenten hindeuten, sind von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung eines Erklärungsmodells für die Retraktion in Selbstreparaturen (siehe Kap. 8.2.2).

|| 88 Neben der Selbstreparaturoperation wurden auch die strukturellen Merkmale ‚Wortart des Reparandums‘ und ‚Komplexität des Reparandums‘ auf einen Zusammenhang mit multiplen Retraktionen untersucht. Die Analyse führte zu keinem signifikanten Ergebnis.

240 | Selbstreparaturstrukturen

Retraktionen in Wiederholungen, die aufgrund des Fehlens eines klaren Reparandums gesondert untersucht wurden, gehen besonders häufig zum Beginn von Hauptsätzen, Nebensätzen, Präpositionalphrasen und Nominalphrasen. Es wurde darüber hinaus festgestellt, dass 10,3 % aller Reparaturen als Bestandteil multipler Retraktionen organisiert sind. Multiple Retraktionen kommen im Kontext von Substitutionen relativ häufig vor, wohingegen sie mit Insertionen und Wiederholungen seltener auftreten.

6.4 Distribution der Reparanda und der Wiederholungen Dieses Kapitel stellt die Häufigkeiten dar, mit denen die verschiedenen Wortarten im Deutschen repariert und wiederholt werden.89 Im Zentrum der Analyse stehen zwei Fragen. Zum einen soll geklärt werden, welche Wortarten und syntaktischen Positionen im Deutschen am stärksten von Selbstreparaturen betroffen sind. Zum anderen soll überprüft werden, inwiefern sich Selbstreparaturen mit klarem Reparandum von wiederholenden Selbstreparaturen unterscheiden. Gibt es Unterschiede hinsichtlich der Frequenz, mit der die einzelnen Wortarten als Reparandum auftreten bzw. wiederholt werden?

6.4.1 Verteilung der Reparanda auf die Wortarten Wenden wir uns zunächst den Selbstreparaturen mit klarem Reparandum zu. Im Selbstreparaturkorpus treten die Wortarten des Deutschen mit unterschiedlicher Häufigkeit als Reparandum auf.90 Diejenigen Selbstreparaturen, bei denen die Wortart aufgrund eines frühen Wortabbruchs nicht erschlossen werden kann (n = 14), sind in der Auswertung nicht enthalten. Beispiel (170), in dem Isabell ihren Gesprächspartnern Hintergrundinformationen zu ihrer Theaterrolle liefert, zeigt eine solche Selbstreparatur:

|| 89 Dieses Kapitel wurde, mit leichten Veränderungen und Ergänzungen, bereits als Pfeiffer (2014b) publiziert. 90 Von der Gruppe der inserierenden Reparaturen werden hier lediglich modifizierende Insertionen berücksichtigt. Andere Typen der Insertion (n = 91) werden nicht einbezogen. Bei diesen liegt zwar auch ein klar erkennbares Reparandum vor, jedoch handelt es sich in diesen Fällen beim Reparandum um eine „vergessene“ Konstituente, die nachgereicht wird. In diesem Fall kann kein Wort (und damit keine Wortart) als Reparandum identifiziert werden, weil das Reparandum eine „Leerstelle“ in der ursprünglichen Struktur ist.

Distribution der Reparanda und der Wiederholungen | 241

(170) 01 Ibl: aber ich lIebe halt lysAnder über ALles, °h 02 und dEshalb will mein vAter mich_äh sch'*(.) ganz doll beSTRAfen,

In Z. 02 bricht Isabell bei der Initiierung einer Selbstreparatur ein Wort ab, sodass das Fragment sch' entsteht. Es ist unklar, welcher Wortart dieses Fragment zuzuordnen ist. Neben einem Verb (z. B. schlagen oder strafen) ist zum Zeitpunkt der Reparaturinitiierung beispielsweise auch ein Adverb (z. B. schlimm) projiziert. Solche unklaren Reparanda wurden bei der folgenden Auswertung ausgeschlossen. Tabelle 67 gibt einen Überblick über die Frequenzen der verschiedenen Wortarten als Reparandum und bezieht sowohl einfache Reparanda, die nur ein Wort umfassen, als auch komplexe Reparanda, die mehrere Wörter umfassen, mit ein (linke Spalte). In der Tabelle werden zudem die Häufigkeiten der Wortarten in der gesprochenen Sprache angeführt (mittlere Spalte). Diese Frequenzen basieren auf ALCORP (Seiler/Murelli 2013), einem spontansprachlichen Korpus, das auf informellen Interviews mit Sprechern des Alemannischen basiert.91 Aus diesen beiden Werten wurde ein Reparaturquotient berechnet, indem die Frequenz einer Wortart als Reparandum (Prozentzahl) durch die Frequenz dieser Wortart in der gesprochenen Sprache (Prozentzahl) dividiert wurde (letzte Spalte). Der Quotient stellt ein Maß für die relative Frequenz der verschiedenen Wortarten als Reparandum dar (siehe auch Abb. 6). Der erwartete Reparaturquotient – d. h. die relative Häufigkeit als Reparandum, die aufgrund der Häufigkeit der Wortart selbst zu erwarten wäre – liegt für jede Wortart bei 1,0. Liegt der Wert darüber, wird die entsprechende Wortart überdurchschnittlich häufig repariert, liegt er darunter, wird sie unterdurchschnittlich häufig repariert. Dieses Vorgehen wurde in der Reparaturforschung bislang nicht angewandt, vermutlich u. a. aus Mangel an syntaktisch annotierten gesprochensprachlichen Daten. Eine Unterscheidung zwischen der absoluten Häufigkeit

|| 91 Ich danke Prof. Dr. Guido Seiler und Dr. Adriano Murelli herzlich für die Bereitstellung der Wortart-Häufigkeiten in ALCORP. Es ist dem Autor bewusst, dass sich die Korpora, aus denen die Selbstreparaturen stammen, und das alemannische Vergleichskorpus voneinander unterscheiden. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Ergebnisse durch die Unterschiede zwischen den Datentypen leicht verzerrt wurden. Da jedoch keine syntaktisch annotierten Vergleichskorpora zur Verfügung standen, die den für das Selbstreparaturkorpus verwendeten Datentypen vollkommen entsprechen, musste dieser Umstand in Kauf genommen werden.

242 | Selbstreparaturstrukturen

und der relativen Häufigkeit einer Wortart als Reparandum ist aber ganz entscheidend, um beurteilen zu können, ob eine Wortart lediglich aufgrund ihres häufigen Gebrauchs in der gesprochenen Sprache oft repariert wird oder ob die Wortart selbst der ausschlaggebende Faktor für das häufige Auftreten als Reparandum ist. Die folgende Auswertung (Tab. 67 und Abb. 6) gibt eine erste differenzierte Antwort auf die Frage, welche Wortarten im Deutschen am häufigsten und welche am seltensten repariert werden. Tab. 67: Häufigkeiten der Wortarten als Reparandum und in der gesprochenen Sprache Wortart

Frequenz als Reparandum

Frequenz in der gesprochenen Sprache

Reparaturquotient

Determinierer

196 (15,5 %)

9.202 (8,2 %)

1,9

Pronomen

216 (17,1 %)

11.768 (10,5 %)

1,6

Hilfsverb

248 (19,6 %)

14.790 (13,2 %)

1,5

Nomen

205 (16,2 %)

16.741 (14,9 %)

1,1

Präposition

85 (6,7 %)

6.693 (6,0 %)

1,1

Vollverb

141 (11,2 %)

13.644 (12,2 %)

0,9

Adjektiv

56 (4,4 %)

6.373 (5,7 %)

0,8

Relativum

2 (0,2 %)

421 (0,4 %)

0,5

Adverb

91 (7,2 %)

19.064 (17,0 %)

0,4

Subjunktion

9 (0,7 %)

2.288 (2,0 %)

0,4

Partikel

12 (0,9 %)

5.655 (5,0 %)

0,2

Konjunktion

3 (0,2 %)

5.445 (4,9 %)

0,04

insgesamt

1.264 (100 %)

112.084 (100 %)

Distribution der Reparanda und der Wiederholungen | 243

2 1,8 1,6 1,4 1,2 1 0,8 0,6 0,4 0,2 0

1,9

1,6

1,5 1,1

1,1

0,9

0,8 0,5

0,4

0,4

0,2

0,04

Abb. 6: Relative Frequenz der Wortarten als Reparandum (Reparaturquotient)

Wie die Tabelle und die Abbildung zeigen, kommen fünf Wortarten überdurchschnittlich häufig als Reparandum vor (Determinierer, Pronomen, Hilfsverb, Nomen und Präposition), während sieben Wortarten unterdurchschnittlich häufig repariert werden (Vollverb, Adjektiv, Relativum, Adverb, Subjunktion, Partikel und Konjunktion). Determinierer kommen am häufigsten als Reparandum vor (1,9), gefolgt von den Pronomen (1,6)92 und Hilfsverben93 (1,5), während Nomen (1,1) und Präpositionen (1,1) nur knapp über dem Durchschnitt liegen. Vollverben94 (0,9) und Adjektive (0,8) werden mit leicht unterdurchschnittlicher Frequenz repariert, wohingegen Relativa95 (0,5), Adverbien (0,4), Subjunktio-

|| 92 Während in den Reparaturdaten Possessivartikel- und Demonstrativartikel zu den Determinierern zählen, wurden diese in ALCORP zu den Pronomen gerechnet. Um eine Vergleichbarkeit der Häufigkeiten in ALCORP und im Reparaturkorpus zu gewährleisten, wurden die Possessiv- und Demonstrativartikel für diese Auswertung im Reparaturkorpus als Pronomen umkodiert. Insgesamt werden im Reparaturkorpus Possessiv- und Demonstrativartikel in 39 Fällen (17,0 %) repariert. Würde man für diese Auswertung die Possessiv- und Demonstrativartikel (sowohl in ALCORP als auch im Reparaturkorpus) zu den Determinierern zählen, läge die relative Häufigkeit der Determinierer vermutlich noch etwas höher und die relative Häufigkeit der Pronomen etwas niedriger. 93 Die Kategorie ‚Hilfsverb‘ umfasst finite Formen der Modal- und Kopulaverben sowie der Auxiliarverben haben, sein und werden. 94 Die Kategorie ‚Vollverb‘ umfasst sowohl finite als auch infinite lexikalische Verben. 95 Die Kategorie ‚Relativum‘ schließt nicht-flektierbare Relativpartikeln mit ein. Relativadverbien hingegen, die bei allen anderen Analysen in dieser Arbeit ebenfalls zur Kategorie der Relativa gezählt werden, werden für diese Auswertung zu den Adverbien gerechnet, weil dieselbe Kodierung auch in ALCORP vorgenommen wurde. Auf diese Weise kann eine Vergleichbarkeit der Daten sichergestellt werden.

244 | Selbstreparaturstrukturen

nen (0,4) und Partikeln96 (0,2) deutlich seltener als Reparandum auftreten. Konjunktionen werden nur extrem selten repariert (0,04). In dieser Verteilung kommen zwei allgemeine Tendenzen zum Ausdruck. Zum einen handelt es sich beim größten Anteil überdurchschnittlich häufig reparierter Wortarten um flektierbare Wortarten (mit sinkender relativer Häufigkeit: Determinierer, Pronomen, Hilfsverb, Nomen) und bei den vier am seltensten reparierten Wortarten um nicht flektierbare Wortarten (mit sinkender Häufigkeit: Adverb, Subjunktion, Partikel, Konjunktion). Dies ist nicht verwunderlich, da die flektierbaren Wortarten das syntaktische Grundgerüst einer Äußerung liefern, das aus Verb und Ergänzungen besteht und zur Erfüllung der wichtigsten syntaktischen Funktionen (Prädikat, Subjekt und Objekt) benötigt wird. Durch die Kongruenz zwischen Verb und Subjekt sowie innerhalb der Nominalphrase steigt die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Reparatur einer dieser Konstituenten zusätzliche flektierbare Konstituenten adjustiert werden müssen. Zudem stellen diese Wortarten auch in semantischer Hinsicht das Zentrum der Äußerung dar, indem sie im weitesten Sinne die „Prozesse“ (Verb) und „Dinge“ (Nominalphrasen) bezeichnen, auf die mit einer Äußerung Bezug genommen wird (Langacker 2008: 99f.). Die Frequenzen der Reparanda zeigen, dass diese Wortarten in der konversationellen Interaktion besonders häufig bearbeitet werden müssen, um die Sprachstruktur im Sinne des Handlungszwecks der Äußerung zu verändern. Zum anderen ist es bemerkenswert, dass einige Funktionswörter (u. a. Determinierer, Pronomen und Hilfsverb) im Deutschen häufiger repariert werden als Inhaltswörter (u. a. Nomen und Vollverb). Dieses Ergebnis bekräftigt einerseits frühere Studien, die darauf hinweisen, dass im Deutschen Funktionswörter häufiger von Reparaturen betroffen sind als im Hebräischen und Englischen (vgl. Fox et al. 2009a: 283) und Schwedischen (vgl. Birkner et al. 2012: 1431). Andererseits scheinen Sprecher des Deutschen nicht der allgemeinen Tendenz zu folgen, die Fox et al. (2009a: 246) sowohl für das Hebräische und Englische als auch für das Deutsche annehmen, Inhaltswörter überproportional häufig zu substituieren. Die Konstituenten, die am häufigsten als Reparandum auftreten, sind Determinierer. Determinierer werden häufiger repariert als Nomen, die nur knapp über dem Durchschnitt liegen. Wie kann dieses Ergebnis erklärt werden? Das Häufigkeitsverhältnis deutet darauf hin, dass Probleme in der Nominalphrase zumeist schon behoben werden, bevor das Nomen überhaupt produziert wird. || 96 Die Kategorie ‚Partikel‘ umfasst Modalpartikeln, Negationspartikeln und Steigerungspartikeln.

Distribution der Reparanda und der Wiederholungen | 245

Da Reparaturen des Determinierers aufgrund der Kongruenz in der Nominalphrase auch vorweggenommene Reparaturen des Nomens sind (vgl. Pfeiffer 2012: 47 und Kap. 4.3.1 zum Begriff der Projektionsreparatur), ist das Ergebnis auch ein Beleg dafür, dass die Sprecher dazu tendieren, Probleme in Nominalphrasen so schnell wie möglich zu beheben. Auch im Deutschen zielen also viele Reparaturen auf das Nomen ab – die Besonderheit des Deutschen besteht jedoch darin, dass sich diese Reparaturen vor allem in der Substitution des Determinierers niederschlagen. Wieso sind aber gerade Nominalphrasen am häufigsten von Reparaturen betroffen? Nomen sind die Elemente, die auf Äußerungsgegenstände referieren. Dasselbe gilt für Pronomen, die Nominalphrasen ersetzen. Die Bearbeitung eines Nomens, ob durch die Reparatur des Determinierers oder des Nomens selbst, und die Bearbeitung eines Pronomens zielen also immer auf die Bearbeitung der Bezugnahme zu einem Äußerungsgegenstand ab. Das überdurchschnittlich häufige Auftreten von Determinierern, Nomen und Pronomen als Reparandum zeigt, dass die Adäquatheit dieser Bezugnahme in der konversationellen Interaktion als besonders wichtig behandelt wird. Auch die häufige Reparatur von Hilfsverben im Vergleich zur selteneren Reparatur von Vollverben ist vor dem Hintergrund der bisherigen Reparaturforschung bemerkenswert. Es gibt zwei Hauptgründe für die Reparatur eines Hilfsverbs. Zum einen können durch dessen Substitution syntaktische Verbalkategorien (z. B. Tempus und Numerus) verändert werden, um die Äußerung an einen veränderten Produktionsplan des Sprechers anzupassen. In diesen Fällen wird lediglich die Form des ursprünglich selegierten Wortes verändert. Zum anderen eröffnen Auxiliar-, Modal- oder Kopulaverben zu Beginn des syntaktischen Projekts „Distanzprojektionen“ (Auer 2007: 99–100), die bereits zentrale syntaktische Aspekte der emergenten Äußerung festlegen. Indem ein Sprecher nicht nur die Form des ursprünglichen Hilfsverbs verändert, sondern für die linke Satzklammer ein völlig neues Hilfsverb selegiert, kann er verändern, wie die rechte Satzklammer gestaltet wird (Infinitiv, Partizip, Prädikativ oder Verbpartikel/leere Klammer, wenn das Hilfsverb durch ein entsprechendes Vollverb ersetzt wird). In den meisten Fällen (75,1 %) handelt es sich bei der Substitution eines Hilfsverbs um eine solche Projektionsreparatur. Die Substitution des Hilfsverbs wird also meistens dazu eingesetzt, ein geplantes Vollverb durch ein anderes on-line zu ersetzen. Die hohe Frequenz reparierter Hilfsverben im Vergleich zur kleineren Frequenz reparierter Vollverben deutet auf dieselbe Tendenz hin, die sich auch beim Vergleich der Frequenzen reparierter Determinierer und Nomen zeigt. Die Sprecher scheinen Probleme mit dem Vollverb so früh wie möglich in der Äuße-

246 | Selbstreparaturstrukturen

rung zu bearbeiten – meistens noch, bevor es zur Produktion des Vollverbs in der rechten Satzklammer kommt. Interessant ist auch die Tatsache, dass fast keine Tilgungen, sondern nur Substitutionen zur Bearbeitung von Hilfsverben eingesetzt werden. Das zeigt, dass die Entscheidung für ein syntaktisches Format mit Hilfsverb von den Sprechern praktisch nicht revidiert wird. Dieses Ergebnis weist auf die zentrale Bedeutung des Verbs bei der Konstruktion von Äußerungen hin. Präpositionen sind die einzige nicht-flektierbare Wortart, die überdurchschnittlich häufig repariert wird. Präpositionen stellen semantische Beziehungen zwischen den Äußerungsgegenständen her (vor allem räumliche und zeitliche, aber auch kausale, konzessive und finale; vgl. Pittner 2005: 507f.) und erfüllen zusammen mit ihrem Komplement verschiedene syntaktische Funktionen (Objekt, Prädikativ, Adverbial und Attribut). Die relativ hohe Frequenz, mit der Präpositionen als Reparandum auftreten, ist also zum einen dadurch zu erklären, dass nicht nur die Bezugnahme zu Gegenständen in der Interaktion häufig adjustiert werden muss (Reparatur von Determinierern, Nomen und Pronomen), sondern auch die Relation zwischen den Äußerungsgegenständen, die oft von einer Präposition ausgedrückt wird. Zum anderen sind Präpositionalphrasen im Hinblick auf die Erfüllung syntaktischer Funktionen relativ flexibel einsetzbar. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Präpositionen bei Veränderungen der syntaktischen Struktur als Reparanda auftreten. Im Gegensatz zu Nomen und Determinierern werden Adjektive nicht so häufig repariert. Adjektive können in syntaktischer Hinsicht als Attribute, Prädikative oder Adverbiale fungieren. Die Reparatur eines Adjektivs mit attributiver Funktion kann nötig werden, wenn ein Nomen ersetzt wird und das ursprüngliche Adjektiv mit dem neuen Nomen nicht mehr kongruiert. Solche syntaktischen Reparaturen sind bei Adjektiven jedoch recht selten (n = 6; 13,3 %), genau wie phonologische Reparaturen (n = 7; 15,6 %). Die meisten Reparaturen von Adjektiven betreffen die Semantik (n = 32; 71,1 %). In semantischer Hinsicht werden Adjektive zur Modifikation von Nomen verwendet. Sie bezeichnen also keinen Äußerungsgegenstand, sondern modifizieren ihn. Während Reparaturen des Nomens und Reparaturen des Determinierers (die ebenfalls auf das Nomen abzielen) die Bezugnahme zum Äußerungsgegenstand bearbeiten, dient eine Reparatur des Adjektivs hauptsächlich dazu, die Art der Modifikation dieser Gegenstände zu verändern. Da Determinierer und Nomen häufiger als Reparanda auftreten als Adjektive, kann also festgehalten werden, dass Selbstreparaturen die Art, wie ein Gegenstand modifiziert wird, seltener bearbeiten als die Art, wie auf diesen Gegenstand Bezug genommen wird.

Distribution der Reparanda und der Wiederholungen | 247

Adverbien fungieren ebenfalls als Modifikatoren, sind aber im Gegensatz zu Adjektiven nicht flektierbar. Während Adjektive also manchmal zur Herstellung von Kongruenz repariert werden, entfällt diese Möglichkeit bei den Adverbien, sodass hierin womöglich ein Grund für deren selteneres Auftreten als Reparandum liegt. Eine weitere Erklärung für die seltenere Reparatur von Adverbien könnte darin bestehen, dass durch eine Reparatur des Adjektivs die Modifikation eines Nomens (bzw. eines Äußerungsgegenstands) bearbeitet wird, während durch eine Reparatur des Adverbs die Modifikation eines Verbs, einer Präposition, eines Adjektivs oder eines anderen Adverbs verändert werden kann. Da Reparaturen von Nomen (und Determinierern, die ebenfalls auf Nomen abzielen) am häufigsten auftreten und somit eine besonders wichtige Ressource für die Anpassung des Redebeitrags sind, könnte ein Grund für die häufigeren Reparaturen des Adjektivs auch darin liegen, dass diese indirekt auch zur Bearbeitung des Nomens beitragen. Die häufigeren Reparaturen des Adjektivs stehen vermutlich auch mit dem Bestreben der Sprecher in Zusammenhang, Beschreibungen oder Bewertungen von Gegenständen präziser oder vorsichtiger zu gestalten. Obwohl es sich bei den Adverbien um die frequenteste Wortart im gesprochensprachlichen Vergleichskorpus handelt – 17,0 % aller Wörter, gefolgt von Nomen (14,9 %), Hilfsverben (13,2 %), Vollverben (12,2 %) und Pronomen (10,5 %) –, wird die Reparatur eines Adverbs also nur selten als Ressource genutzt, um einen Redebeitrag an die Erfordernisse der Interaktion anzupassen. Wenn sich Selbstreparaturen, wie sich bisher gezeigt hat, vor allem um die Gegenstände (Nomen) und Prozesse (Verben) drehen, auf die Sprecher in einer Äußerung verweisen, so ist die niedrige Frequenz, mit der Partikeln als Reparanda auftreten, wenig überraschend. Partikeln haben keinen Satzgliedstatus, sind nicht flektierbar und haben meistens keine lexikalische Bedeutung. Obwohl Partikeln vielfältige semantische und pragmatische Funktionen erfüllen (z. B. die Negation eines Teils der Äußerung oder die Positionierung des Sprechers zu einem Sachverhalt), die eine wichtige Rolle für das Verständnis der Äußerung spielen und somit von großer Bedeutung für die sprachliche Interaktion sind, zählen sie selbst nicht zum semantischen Kern der Äußerung. Zudem wird die Modalität der Äußerung vermutlich schon frühzeitig festgelegt. Diese Eigenschaften scheinen dafür verantwortlich zu sein, dass die Sprecher etwa die Entscheidung für eine bestimmte Modalpartikel im Gegensatz zur Entscheidung für ein bestimmtes Nomen oder Verb nur selten revidieren müssen.

248 | Selbstreparaturstrukturen

Besonders selten treten diejenigen Wortarten als Reparandum auf, die satzwertige97 Strukturen einleiten und miteinander verbinden können: Relativa, Subjunktionen und Konjunktionen. Wie kann die niedrige Frequenz solcher Reparanda erklärt werden? Offenbar erfordern diese Verbindungselemente verhältnismäßig wenig Planungsaufwand.98 Bei Relativa stehen, wie auch bei Subjunktionen, nur relativ wenige Formen zur Einleitung des Nebensatzes zur Verfügung. Genus und Numerus des Relativpronomens sind durch das bereits vorliegende Bezugselement festgelegt und verändern sich nicht, solange sich nicht auch das Bezugselement verändert. Der Kasus des Relativpronomens kann sich jedoch bei Reparaturen innerhalb des Relativsatzes verändern. Die Notwendigkeit der Veränderung des Kasus entsteht dann, wenn das Relativpronomen durch eine Veränderung des geplanten Verbs eine andere syntaktische Funktion zugewiesen bekommt: (171) 01 T: mEnschen die* (.) denen wir diese hIlfe (.)ZUkommen lassen-

In solchen Fällen, in denen das Relativpronomen zunächst als Subjekt bzw. Akkusativobjekt geplant war (die) und dann aufgrund der Ersetzung des geplanten Verbs als Dativobjekt fungieren soll (denen), ist eine Reparatur des Relativpronomens nötig. Die Möglichkeit solcher Reparaturen könnte womöglich dafür verantwortlich sein, dass Relativpronomen häufiger repariert werden als Subjunktionen. Diese Hypothese erscheint zumindest plausibel, auch wenn für diesen Vergleich nur eine sehr kleine Anzahl an Tokens zur Verfügung steht. Andererseits ist die „begrenzte“ Verwendungsweise des Relativpronomens, die sich in der partiellen Festgelegtheit der syntaktischen Form durch das Bezugsnomen niederschlägt, vermutlich ein Grund dafür, dass Relativpronomen weniger häufig repariert werden als andere Pronomen. Bei der Verwendung anderer Pronomen in der gesprochenen Sprache bestehen viele Möglichkeiten der Referenzherstellung, beispielsweise anaphorische Verweise zu weit zurückliegenden Gesprächsgegenständen oder deiktische Verweise auf außersprachliche Referenten, die nicht über einen anaphorischen Bezug innerhalb der syntaktischen Struktur vermittelt sind. Die Pronomen können daher sowohl in pragma|| 97 Konjunktionen können nicht nur satzwertige, sondern auch phrasenwertige Konstituenten koordinieren. 98 Unter ‚Planung‘ wird in dieser Arbeit die Gesamtheit der kognitiven Prozesse verstanden, die mit der pragmatischen, semantischen, morphosyntaktischen, phonologischen und artikulatorischen Ebene der Sprachproduktion verbunden sind.

Distribution der Reparanda und der Wiederholungen | 249

tischer als auch in syntaktischer Hinsicht „freier“ gewählt werden als Relativpronomen, was wiederum eine höhere Wahrscheinlichkeit mit sich bringt, dass das Pronomen bzw. die Bezugnahme des Pronomens reparaturbedürftig wird. Auch Subjunktionen treten nur selten als Reparandum auf. Diejenigen Subjunktionen, die zur Einleitung von Komplementsätzen verwendet werden, werden vom Verb projiziert. Sie können daher schon bei der Selektion des Verbs, die im Produktionsprozess früher stattfinden muss, vorausgeplant werden, sodass in diesen Fällen die Wahrscheinlichkeit für die Produktion einer reparaturbedürftigen Subjunktion sinkt. Diejenigen Subjunktionen, die Adverbialsätze einleiten, werden vom semanto-pragmatischen Äußerungskontext projiziert, sodass auch diese früh erwartbar und verhältnismäßig leicht planbar sind. Darüber hinaus gilt für die Auswahl von Subjunktionen ganz allgemein, dass für die Erfüllung einer bestimmten syntaktischen Funktion oft nur eine kleine Auswahl sprachlicher Formen zur Verfügung steht. Bei der Einleitung von Komplementsätzen gibt es häufig nur eine einzige Form, die regelmäßig mit einem bestimmten Verb verwendet wird (sie fragt, ob vs. sie sagt, dass). Andererseits ist bei Adverbialsätzen der Kontrast in Bezug auf die Semantik der verschiedenen Formen der Subjunktionen recht groß, sowohl zwischen zwei semantischen Kategorien (z. B. temporal: sobald vs. konditional: sofern) als auch innerhalb einer semantischen Kategorie (z. B. temporal: sobald vs. während), sodass die Wahrscheinlichkeit für einen „Fehlgriff“ bei der Selektion der Subjunktion weiter sinkt. Im Gegensatz dazu scheint z. B. die Selektion eines Nomens oder eines Verbs, das viele semantische Merkmale mit Lexemen desselben Wortfelds teilt, häufiger mit Problemen verbunden zu sein. Die genannten Gründe tragen dazu bei, dass bei der Auswahl der Subjunktion nur extrem selten reparaturbedürftige Probleme entstehen. Konjunktionen (es treten und, aber und oder als Reparanda auf) stehen häufig im Vor-Vorfeld der syntaktischen Struktur und erfüllen die Funktion, die Propositionen zweier Aussagen miteinander zu verknüpfen.99 Sie können vom Sprecher produziert werden, ohne die syntaktische Folgestruktur bereits vorausgeplant zu haben, weil sie syntaktisch gesehen lediglich die schwache Projektion ins Spiel bringen, dass die Struktur fortgesetzt wird, aber nicht auf welche Weise (vgl. Auer 2005a: 16). Die projektive „Offenheit“ der Konjunktionen hat zur Folge, dass diese nur in den seltensten Fällen zur Fortführung der Äußerung repariert werden müssen. Der geringe Planungsaufwand, der mit Konjunk-

|| 99 Es ist umstritten, welche Elemente das Vor-Vorfeld besetzen können. In dieser Arbeit wird in Anlehnung an Auer (1997: 74f.) davon ausgegangen, dass auch Konjunktionen diese Position einnehmen können.

250 | Selbstreparaturstrukturen

tionen verbunden ist, kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass Sprecher Konjunktionen zu Beginn eines Redebeitrags als Mittel zur Beibehaltung des Rederechts einsetzen können (vgl. Schegloff 1987a).

6.4.2 Verteilung der Wiederholungen auf die Wortarten Wenden wir uns nun den Reparaturen zu, in denen ein Teil der Äußerung wiederholt wird, sodass das Reparandum keinem Teil der syntaktischen Struktur entspricht. Für diese Gruppe von Reparaturen zeigt die folgende Auswertung, welche Wortarten häufig und welche selten wiederholt werden. Parallel zur Unterscheidung von einfachen und komplexen Reparanda treten einfache Wiederholungen auf, die nur ein Wort umfassen (n = 1038; 76,0 %), und komplexe Wiederholungen, die mehrere Wörter umfassen (n = 328; 24,0 %). Tabelle 68 bildet die relativen Häufigkeiten der wiederholten Wortarten ab, indem sie die absolute Häufigkeit, mit der die verschiedenen Wortarten von Wiederholungen betroffen sind (linke Spalte), auf die Verwendungsfrequenz der Wortarten in der gesprochenen Sprache bezieht (mittlere Spalte). Es werden hierbei sowohl einfache als auch komplexe Wiederholungen einbezogen. Daraus kann ein Wiederholungsquotient (vgl. Reparaturquotient im vorangehenden Abschnitt) berechnet werden, der die relative Frequenz der Wiederholung einer Wortart wiedergibt (rechte Spalte). Ein Wert über 1,0 bedeutet, dass die jeweilige Wortart überdurchschnittlich häufig wiederholt wird, während ein Wert unter 1,0 für eine unterdurchschnittliche Wiederholungsfrequenz steht. In Abbildung 7 wird der Wiederholungsquotient grafisch dargestellt (hell) und dem Reparaturquotient für die jeweilige Wortart gegenübergestellt (dunkel). Tab. 68: Häufigkeiten der Wortarten als Wiederholung und in der gesprochenen Sprache Wortart

Frequenz als wiederholtes Wort

Frequenz in der gesprochenen Sprache

Wiederholungsquotient

Präposition

323 (18,5 %)

6.693 (6,0 %)

3,1

Determinierer

356 (20,4 %)

9.202 (8,2 %)

2,5

Subjunktion

82 (4,7 %)

2.288 (2,0 %)

2,4

Relativum

15 (0,9 %)

421 (0,4 %)

2,3

Pronomen

345 (19,7 %)

11.768 (10,5 %)

1,9

Konjunktion

128 (7,3 %)

5.445 (4,9 %)

1,5

Hilfsverb

132 (7,5 %)

14.790 (13,2 %)

0,6

Distribution der Reparanda und der Wiederholungen | 251

Wortart

Frequenz als wiederholtes Wort

Frequenz in der gesprochenen Sprache

Wiederholungsquotient

Partikel

45 (2,6 %)

5.655 (5,0 %)

0,5

Adverb

158 (9,0 %)

19.064 (17,0 %)

0,5

Adjektiv

44 (2,5 %)

6.373 (5,7 %)

0,4

Vollverb

67 (3,8 %)

13.644 (12,2 %)

0,3

Nomen

54 (3,1 %)

16.741 (14,9 %)

0,2

insgesamt

1.749 (100 %)

112.084 (100 %)

3,5 3 2,5 2 1,5 1 0,5 0

3,1

2,5 1,9

2,4

2,3 1,6

1,1 0,4

0,5

1,9

1,5 1,5

0,04

Reparaturquotient

1,1 0,9 0,6 0,5 0,5 0,80,4 0,3 0,4 0,2 0,2

Wiederholungsquotient

Abb. 7: Relative Frequenz der Wortarten als Wiederholung (Wiederholungsquotient) und als Reparandum (Reparaturquotient)

Während bei den Reparanda kein Reparaturquotient über 1,9 hinausgeht und – abgesehen von der großen Abstufung zwischen den sehr selten reparierten Konjunktionen und allen anderen Reparaturquotienten – insgesamt verhältnismäßig kleine Abstufungen der relativen Häufigkeiten vorliegen, zeigen sich bei den Wiederholungen recht große Abstufungen zwischen den einzelnen Häufigkeiten. Das deutet darauf hin, dass einige Wortarten sehr häufig und andere sehr selten wiederholt werden. Bei den am häufigsten wiederholten Wortarten handelt es sich um Präpositionen (3,1), gefolgt von den Determinierern (2,5).100 Fast ebenso häufig wie die

|| 100 Beim Wiederholungsquotient ist wie beim Reparaturquotient zu beachten, dass wiederholte Possessiv- und Demonstrativartikel zu den Pronomen gerechnet wurden. Auf diese Weise wurde eine Vergleichbarkeit der Reparaturdaten mit den Annotationen in ALCORP (Seiler/Murelli 2013) sichergestellt. Der Wiederholungsquotient der Determinierer wäre also

252 | Selbstreparaturstrukturen

Determinierer werden Subjunktionen (2,4) und Relativa (2,3) wiederholt. Pronomen (1,9) und Konjunktionen (1,5) werden bereits deutlich seltener, aber dennoch überdurchschnittlich häufig wiederholt. Beim Übergang von den Konjunktionen zu den Hilfsverben, der den Übergang von den überdurchschnittlich zu den unterdurchschnittlich häufig wiederholten Wortarten markiert, zeigt sich ein deutlicher Bruch: Wiederholungen von Hilfsverben (0,6), Partikeln (0,5), Adverbien (0,5), Adjektiven (0,4), Vollverben (0,3) und Nomen (0,2) treten sehr selten auf. Ein erster Blick zeigt, dass vor allem vier Positionen innerhalb der syntaktischen Struktur besonders häufig wiederholt werden: der Beginn von Präpositionalphrasen (Präposition), Nominalphrasen (Determinierer), Nebensätzen (Subjunktion, Relativum) und Hauptsätzen (Pronomen im Vorfeld, Konjunktion im Vor-Vorfeld) (siehe zu dieser Beobachtung auch Kap. 6.3.2.3 zur Retraktion in Wiederholungen). Diese Verteilung unterscheidet sich stark von der Frequenz, mit der die Wortarten als Reparandum auftreten. Zwar werden Determinierer und Pronomen sowohl häufig repariert als auch wiederholt, jedoch werden Präpositionen, Subjunktionen, Relativa und Konjunktionen sehr viel häufiger wiederholt als repariert. Hilfsverben und Nomen weisen hingegen einen hohen Reparaturquotienten auf, werden aber nur sehr selten wiederholt. Diese Unterschiede kennzeichnen Wiederholungen als eine eigene Kategorie von Selbstreparaturen, die von den Reparaturen mit klar erkennbarem Reparandum abweicht. Wie ist diese Verteilung der Wiederholungen auf die Wortarten zu erklären? Es ist auffällig, dass Funktionswörter insgesamt häufiger wiederholt werden als Inhaltswörter. Auf diesen Unterschied zwischen Funktionswörtern und Inhaltswörtern ist in der Reparaturforschung wiederholt hingewiesen worden (vgl. Maclay/Osgood 1959; Clark/Wasow 1998; Rieger 2003; Fox et al. 2009a; Birkner et al. 2012). Er wird darauf zurückgeführt, dass in den untersuchten Sprachen auf ein Funktionswort häufig ein lexikalisches Element folgt. Durch die Wiederholung des Funktionsworts kann das folgende semantisch gewichtigere, vermutlich schwerer abzurufende lexikalische Element verzögert werden (vgl. Fox et al. 1996: 204). Dies scheint sich insofern für das Deutsche zu bestä-

|| höchstwahrscheinlich etwas höher (und der Wiederholungsquotient der Pronomen etwas niedriger), wenn die Possessiv- und Demonstrativartikel in den Reparaturdaten und in ALCORP zu den Determinierern gezählt würden. Bei diesem Vorgehen würde sich vermutlich auch der Abstand zwischen Präpositionen und Determinierern hinsichtlich der relativen Wiederholungshäufigkeit verkleinern.

Distribution der Reparanda und der Wiederholungen | 253

tigen, als Präpositionen und Determinierer, auf die ein Nomen101 folgt, am häufigsten wiederholt werden. Die häufige Wiederholung von Subjunktionen und Relativa, auf die oft ein Pronomen folgt (siehe Kap. 6.3.2.1 und 6.3.2.3), zeigt jedoch, dass Wiederholungen nicht ausschließlich vor der Produktion von lexikalischen Elementen durchgeführt werden. In diesen Fällen erscheint es plausibler, davon auszugehen, dass die Wiederholung nicht immer den Abruf eines ganz spezifischen nachfolgenden Elements unterstützt, sondern zu Beginn des Nebensatzes ganz allgemein zusätzliche Zeit für die syntaktische, semantische und pragmatische Planung zur Verfügung stellt. Neben dem Abruf des linear unmittelbar nachfolgenden Elements könnten diese Wiederholungen beispielsweise auch dazu dienen, das Verb des Nebensatzes (und die von ihm geforderten Ergänzungen) zu planen. Pronomen, die ebenfalls mit recht hoher Frequenz wiederholt werden, haben mit Präpositionen und Determinierern gemeinsam, dass meistens eine Konstituente mit relativ hohem Planungsaufwand auf sie folgt. Die Pronomen (ohne Possessiv- und Demonstrativartikel), die in Hauptsätzen wiederholt werden, besetzen hauptsächlich das Vorfeld der syntaktischen Struktur (82,6 %). Das nachfolgende Element ist in diesen Fällen also fast immer ein Verb, bei dem es sich in semantischer und syntaktischer Hinsicht ebenfalls um eine „gewichtige“ Konstituente handelt, mit der eine höhere kognitive Beanspruchung verbunden sein könnte. Folgt auf das Pronomen ein Vollverb, ist dieses genau wie ein Nomen mit einem hohen semantischen Planungsaufwand verbunden. Folgt ein Hilfsverb, besteht ebenfalls ein semantischer Planungsaufwand, weil bei der Produktion des Hilfsverbs oft bereits ein Vollverb projiziert wird, mit dem es das Prädikat bildet. Das Vollverb muss also bereits bei der Produktion des Hilfsverbs abgerufen sein, was semantische Planung verlangt. Gleichzeitig erfordert aber die Produktion eines Verbs auch den Abruf der Anzahl und der Form der Ergänzungen, die die Verbvalenz fordert, sodass die häufige Wiederholung von Pronomen im Vorfeld vermutlich auch auf einen erhöhten syntaktischen Planungsaufwand zurückzuführen ist. Die Pronomen, die in Nebensätzen wiederholt werden, stehen in 94,3 % der Fälle in der Wackernagel-Position und werden in 88,6 % der Fälle gemeinsam mit einem Relativum oder einer Subjunktion wiederholt. Zum einen werden diese Wiederholungen also ebenfalls zu Beginn des Nebensatzes durchgeführt und stellen Zeit für die Planung des restlichen

|| 101 Auf eine Präposition kann auch eine Adverb- oder Adjektivphrase folgen (Gallmann 2006: 849). Aufgrund der seltenen Verwendung in der gesprochenen Sprache werden diese Möglichkeiten hier jedoch nicht weiter berücksichtigt.

254 | Selbstreparaturstrukturen

Nebensatzes, vermutlich insbesondere des Verbs, zur Verfügung. Zum anderen zeigt die Tendenz zur gemeinsamen Wiederholung von Pronomen und Subjunktionen bzw. Relativa – d. h., die Retraktion geht in der Regel zum Beginn des Nebensatzes und nicht zum Pronomen, das auf das einleitende Element folgt – die enge Verbindung zwischen der linken Satzklammer und der WackernagelPosition. Die häufige Wiederholung von Konjunktionen kann auf ähnliche Weise erklärt werden. Wiederholte Konjunktionen stehen oft im Vor-Vorfeld der syntaktischen Struktur (47,2 %) und werden zur Koordination zweier satzwertiger Strukturen eingesetzt. In diesen Fällen kann die Wiederholung der Konjunktion als eine Ressource interpretiert werden, die dem Sprecher zusätzliche Zeit zur syntaktischen, semantischen und pragmatischen Planung der neuen sprachlichen Struktur verschafft. Zudem werden Wiederholungen von Konjunktionen im Mittelfeld (16,8 %) und Nachfeld (36,0 %) eingesetzt, wo sie eine andere Funktion erfüllen. Dort koordinieren sie nicht-satzwertige Strukturen, die oftmals lexikalische Elemente umfassen, sodass die Wiederholung in diesen Fällen vermutlich vor allem die semantische bzw. lexikalische Planung unterstützt. In 91,4 % der Fälle werden die Konjunktionen alleine wiederholt, während in 8,6 % der Fälle noch ein auf die Konjunktion folgendes Element mit wiederholt wird. Das deutet zum einen darauf hin, dass Konjunktionen, die keine Satzgliedfunktion erfüllen, nur relativ lose in die syntaktische Struktur eingebettet sind.102 Zum anderen kann es auch als ein Indiz dafür gedeutet werden, dass bei der Produktion einer Konjunktion die Folgestruktur oft noch nicht verfügbar ist, was wiederum die Interpretation solcher Wiederholungen als Ressource zum Gewinn von Planungszeit unterstützt. Kommen wir nun zu den Wortarten, die unterdurchschnittlich häufig wiederholt werden. Angesichts der allgemeinen Tendenz, Funktionswörter besonders häufig zu wiederholen, fallen die Hilfsverben aus dem Rahmen, da die Sprecher sie nur selten wiederholen. Die wiederholten Hilfsverben stehen ausschließlich in Erst- oder Zweitposition und werden in 66, 7% der Fälle gemeinsam mit der Vorfeldkonstituente wiederholt. Dies lässt – wie die Wiederholung von Pronomen im Vorfeld allein – auf einen erhöhten Planungsaufwand zu Beginn der Äußerung schließen. Dennoch zeigt der niedrige Wiederholungsquotient der Hilfsverben im Vergleich zum hohen Wiederholungsquotient der Pronomen, dass die Sprecher in den meisten Fällen ausschließlich eine Vorfeldkonstituente wiederholen, um zu Beginn eines Hauptsatzes zusätzliche Zeit || 102 Das gilt nicht für die Adjunktoren als und wie, die mit ihrer eingebetteten Phrase syntaktisch eng verbunden sind (siehe Kap. 8.2.2.3).

Distribution der Reparanda und der Wiederholungen | 255

zu gewinnen. In diesem Zusammenhang ist auch der Vergleich vom Reparaturquotient der Hilfsverben mit dem Wiederholungsquotient der Hilfsverben aufschlussreich. Hilfsverben in der linken Satzklammer gehören zu den Konstituenten, die am häufigsten repariert und am seltensten wiederholt werden. Demnach sinkt die Wahrscheinlichkeit für eine reine Wiederholung des Äußerungsbeginns, wenn ein Sprecher die linke Satzklammer eines Hauptsatzes erreicht hat. Stattdessen sind nach der Produktion des Verbs häufiger Substitutionen nötig, um den Beginn eines syntaktischen Projekts in die richtige Bahn zu lenken. Partikeln werden ebenfalls nur selten wiederholt. Es handelt sich vor allem um Negations- und Gradpartikeln, die fast ausschließlich im Mittelfeld der Äußerung stehen. Sie werden oft nicht direkt vor lexikalischen Elementen produziert, sondern auch vor Nominal- und Präpositionalphrasen, sodass weitere Funktionswörter auf sie folgen, die vor der Produktion eines Inhaltsworts für eine Wiederholung genutzt werden können, um das Fortschreiten des Redebeitrags zu verzögern. Adverbien werden im Allgemeinen als Inhaltswörter angesehen, nehmen jedoch aufgrund der sehr heterogenen Zusammensetzung der Kategorie ‚Adverb‘ einen Sonderstatus ein. Viele wiederholte Adverbien, wie z. B. dann und da, sind Pro-Formen und ähneln in ihrer Funktion eher Funktionswörtern (Pronomen) als Inhaltswörtern (siehe auch Kap. 6.1.3.2). Dennoch werden Adverbien nicht so häufig wiederholt wie Pronomen. Das könnte zum einen darauf zurückzuführen sein, dass in der Gruppe der Adverbien auch echte lexikalische Elemente vertreten sind, die schwerer abrufbar als Funktionswörter sind und deswegen nur selten wiederholt werden, um Planungszeit zu gewinnen. Zum anderen stehen Adverbien vor allem im Mittelfeld und nicht so häufig im Vorfeld wie beispielsweise Pronomen. Da Wiederholungen aber gehäuft zu Beginn eines syntaktischen Projekts auftreten, ist vermutlich auch die topologische Position von Adverbien für deren niedrige Wiederholungsfrequenz verantwortlich. Bei den drei Wortarten, die am seltensten wiederholt werden, handelt es sich um die lexikalischen Wortarten Adjektiv, Vollverb und Nomen. Dieses Ergebnis unterstützt die bisherigen Untersuchungen zum Deutschen (aber auch zum Englischen und Hebräischen), die gezeigt haben, dass Funktionswörter häufiger wiederholt werden als Inhaltswörter (vgl. Fox et al. 2009a: 285). Die allgemeine Tendenz zur Wiederholung von Funktionswörtern lässt die Hypothese plausibel erscheinen, dass Wiederholungen oft der Verzögerung der Fortführung des syntaktischen Projekts dienen – beispielsweise um Planungszeit zu gewinnen (vgl. Fox at al. 1996: 204–206; Rieger 2003: 58). Der erhöhte Pla-

256 | Selbstreparaturstrukturen

nungsaufwand scheint häufig mit dem Abruf von Inhaltswörtern verbunden zu sein, die im Deutschen oftmals auf Funktionswörter folgen. Diese Vermutung wird noch dadurch unterstrichen, dass es sich bei den wenigen Wiederholungen von Adjektiven, Vollverben und Nomen in 79,3 % der Fälle um Wiederholungen des Wortbeginns – also eines Präfix, einer Verbpartikel oder eines Kompositumglieds – handelt. Der Abbruchpunkt liegt in diesen Fällen häufig in oder nach der ersten Silbe des Inhaltsworts (siehe auch Kap. 6.1.3.3). Ein möglicher Grund für den regelmäßigen frühen Abbruch von Inhaltswörtern könnte aus der Produktionsperspektive darin liegen, dass Sprecher in manchen Fällen zusätzliche Planungszeit für die Produktion des nachfolgenden Wortstamms benötigen.

6.4.3 Selbstreparaturen und topologische Felder Wenden wir uns nun noch einmal den Selbstreparaturen zu, die einen Teil der syntaktischen Struktur verändern. Diese sollen im Folgenden im Hinblick auf die topologischen Felder betrachtet werden, in denen sie auftreten. Dieser Auswertung liegt die Hypothese zugrunde, dass die Häufigkeiten, mit denen Reparanda in einer bestimmten syntaktischen Position auftreten, Rückschlüsse auf die kognitive Beanspruchung des Sprechers und des Hörers über den Verlauf einer syntaktischen Gestalt hinweg zulassen. Es wird im Folgenden davon ausgegangen, dass Selbstreparaturen mit zusätzlichem Prozessierungsaufwand für Sprecher und Hörer verbunden sind, weil die Bearbeitung eines Reparandums eine Umgestaltung des Redebeitrags in Echtzeit impliziert. Die Analyse verfolgt das Ziel, die Hypothese Auers (vgl. 1996: 59, 2005a: 9) zu untersuchen, die besagt, dass der Beginn eines syntaktischen Projekts für Produzent und Rezipient mit einer erhöhten kognitiven Belastung verbunden ist und diese mit dem Fortschreiten des syntaktischen Projekts immer weiter abnimmt. Reparaturen werden in der folgenden Analyse als ein möglicher Indikator für eine bestimmte Form von kognitivem Aufwand bei der Sprachproduktion angesehen, nämlich für den Aufwand zur Anpassung der emergenten Äußerung an die Erfordernisse der durchzuführenden Handlung. Es wird also untersucht, an welchen Positionen in der syntaktischen Struktur des Deutschen dieser Aufwand am größten ist. Inwiefern die Untersuchung von Selbstreparaturen Rückschlüsse auf allgemeine Sprachproduktionsprozesse zulässt, muss jedoch offen bleiben. Die folgenden Abbildungen zeigen die Reparaturquotienten der topologischen Felder, die auf dieselbe Weise berechnet wurden wie die Reparaturquotienten der Wortarten. Für 935 satzwertige Einheiten (n = 700 Hauptsätze; n = 235

Distribution der Reparanda und der Wiederholungen | 257

Nebensätze) aus zufällig ausgewählten Abschnitten informeller offener Interviews wurden die topologischen Felder gezählt. Anschließend wurde – nach Haupt- und Nebensätzen getrennt – der prozentuale Anteil der Reparaturen pro Feld an der Gesamtzahl der Reparaturen durch den prozentualen Anteil des jeweiligen Felds an der Gesamtzahl der Felder dividiert. Um die Vergleichbarkeit von Vorfeld, in dem nur eine syntaktische Konstituente stehen kann, und Mittelfeld, in dem mehrere Konstituenten stehen können, zu gewährleisten, wurde als Grundlage zur Berechnung des Reparaturquotienten nicht die Anzahl der Mittelfelder, sondern die Anzahl vorfeldfähiger Konstituenten im Mittelfeld zugrunde gelegt. Dadurch wird ein Einfluss der „Länge“ des Mittelfelds ausgeschlossen (die nicht-vorfeldfähigen Elemente des Mittelfelds – wie beispielsweise Modalpartikeln – werden nur äußerst selten repariert und fallen daher nicht ins Gewicht). Da auch die Anzahl der Elemente in der rechten Satzklammer variieren kann, wurde zur Berechnung des Reparaturquotienten nicht die Anzahl rechter Satzklammern herangezogen, sondern die Anzahl der Elemente in der rechten Satzklammer. Auf diese Weise kann nicht nur die Vergleichbarkeit der verschiedenen topologischen Felder untereinander sichergestellt werden, sondern auch die Vergleichbarkeit der rechten Satzklammer in Haupt- und Nebensätzen, da diese Position in Nebensätzen oft mehr verbale Elemente enthält als in Hauptsätzen. Wenden wir uns zunächst den Nebensätzen zu:

2 1,6 1,5 1 1 0,5

Reparaturquotient 0,5

0,4

0 LK

MF

RK

NF

Abb. 8: Reparaturquotient der topologischen Felder in Nebensätzen

In Nebensätzen werden relativ gesehen die meisten Reparaturen im Mittelfeld durchgeführt (Reparaturquotient = 1,6). Das kann dadurch erklärt werden, dass in dieser Position vor allem Nominalphrasen, Präpositionalphrasen und Pro-

258 | Selbstreparaturstrukturen

nomen stehen, die – wie die Analyse der Wortarten in Kapitel 6.4.1 gezeigt hat – mit einem erhöhten Reparaturaufwand verbunden sind. Ausgeklammerte Elemente in Nebensätzen, bei denen es sich im Korpus ausschließlich um Präpositionalphrasen handelt, werden weniger häufig repariert. Dieses Ergebnis könnte damit zusammenhängen, dass bei der Produktion von Konstituenten im Nachfeld bereits ein potentieller syntaktischer Abschlusspunkt erreicht ist. Der Sprecher ist zu diesem Zeitpunkt möglicherweise kognitiv weniger stark belastet als bei der Produktion von Konstituenten im Mittelfeld, wo häufig noch offene syntaktische Projektionen im Spiel sind. Da im Nachfeld nur eine sehr kleine Zahl von Belegen (n = 5) vorliegt, ist diese Interpretation des Unterschieds zwischen den Reparaturquotienten im Mittelfeld und Nachfeld jedoch als vorläufig anzusehen. Einleitende Elemente des Nebensatzes stehen in der linken Klammer und werden viel seltener repariert – was den niedrigen Reparaturquotienten für Subjunktionen und Relativa entspricht (siehe Kap. 6.4.1). Auch die verbalen Elemente in der rechten Satzklammer werden nur selten repariert – in 80,8 % der Fälle handelt es sich dabei um ein Vollverb. Alle Reparaturen von Hilfsverben in dieser Position (19,2 %) verändern eine Verbalkategorie (Numerus, Tempus, Genus Verbi), d. h., es liegen keine Projektionsreparaturen vor, die sich eigentlich auf das Vollverb beziehen. Wenden wir uns nun den Hauptsätzen zu. Hier kann auch das Vorfeld bzw. das Vor-Vorfeld besetzt sein und repariert werden. Es liegt folgende Verteilung der relativen Reparaturhäufigkeiten auf die topologischen Felder vor: 1,8

1,6

1,6 1,4 1,2

1

1 0,8 0,6 0,4

0,9

0,8

Reparaturquotient

0,4

0,4

0,2 0 Vor-VF

VF

LK

MF

RK

NF

Abb. 9: Reparaturquotient der topologischen Felder in Hauptsätzen

Distribution der Reparanda und der Wiederholungen | 259

Im Vor-Vorfeld führen die Sprecher am seltensten Reparaturen durch (0,4). Bei den wenigen Reparanda im Vor-Vorfeld handelt es sich vor allem um Teile von „Voranstellungen“ (Selting 1993), hauptsächlich Nominal- und Präpositionalphrasen, die von einem resumptiven Element im Vorfeld wieder aufgegriffen werden. Insgesamt unterscheidet sich der Reparaturquotient des Vor-Vorfelds aber stark vom Vorfeld, Mittelfeld und Nachfeld, in denen ebenfalls nominale Bestandteile der Äußerung stehen können. Dieser Unterschied deutet auf die besondere Funktion des Vor-Vorfelds hin, die es von den anderen Feldern abhebt. Die Seltenheit von Reparaturen in der rechten Satzklammer (0,4), also am Ende der syntaktischen Struktur, steht in deutlichem Kontrast zur Häufigkeit von Reparaturen in der linken Satzklammer zu Beginn der Struktur (1,6). Dieses Ergebnis liefert Evidenz für Auers Hypothese (vgl. 1996: 59, 2005a: 9). Auch der Umstand, dass kein einziges Hilfsverb in der rechten Klammer als Reparandum auftritt, spricht für diese Annahme. Offenbar müssen die Sprecher in der Anfangsphase der Äußerungskonstruktion vor allem durch Reparaturen des projizierten Vollverbs einen relativ hohen kognitiven Aufwand betreiben, um ihr syntaktisches Projekt in die richtige Bahn zu lenken. Gegen Ende der syntaktischen Struktur – in der rechten Satzklammer – werden nicht mehr so viele Reparaturen durchgeführt, weil immer weniger syntaktische Projektionen im Spiel sind und der Planungsaufwand dadurch abnimmt. Daraus ergibt sich für den Rezipienten, dass er – analog zum Sprecher – zu Beginn einer syntaktischen Struktur häufiger Reprozessierungen vornehmen muss als gegen Ende. Dieses Ergebnis gilt auch für Nebensätze: Konstituenten des Mittelfelds, d. h. Konstituenten zu Beginn der syntaktischen Struktur, werden deutlich häufiger repariert als Konstituenten in der rechten Satzklammer, die die syntaktische Struktur potentiell abschließen. Die Hypothese des geringeren Prozessierungsaufwands gegen Ende einer syntaktischen Struktur wird noch dadurch bekräftigt, dass der Reparaturquotient für die rechte Satzklammer in Hauptund Nebensätzen – unabhängig von der Anzahl der verbalen Elemente in dieser Position – fast identisch ist. Haupt- und Nebensätze unterscheiden sich deutlich in Bezug auf den Reparaturquotienten des Mittelfelds. Die durch den Reparaturaufwand hervorgerufene zusätzliche kognitive Beanspruchung betrifft in Nebensätzen vor allem die nominalen Konstituenten im Mittelfeld, wohingegen der größte Reparaturaufwand in Hauptsätzen dem Verb gilt. Dieser Unterschied zwischen den Mittelfeldern in Haupt- und Nebensätzen könnte darauf zurückzuführen sein, dass Veränderungen des geplanten Verbs zu Beginn von Nebensätzen sich stärker in der Reparatur von Ergänzungen des Verbs im Mittelfeld niederschlagen als in

260 | Selbstreparaturstrukturen

Hauptsätzen, in denen solche vorweggenommenen Veränderungen des Vollverbs häufig bereits durch Reparaturen des Hilfsverbs in der linken Satzklammer durchgeführt werden. Zudem steht der hohe Reparaturaufwand in der linken Klammer von Hauptsätzen im Kontrast zur Seltenheit von Reparaturen der linken Klammer in Nebensätzen. Dieser Unterschied ist – wie bereits angedeutet – darauf zurückzuführen, dass in Nebensätzen die einleitenden Elemente in der linken Satzklammer stehen, in Hauptsätzen hingegen finite Verben, und diese Elemente im Gegensatz zu Verben sehr selten repariert werden. Für Hauptsätze kann zusammenfassend festgehalten werden, dass verbale Elemente in der linken Satzklammer, die häufig Distanzprojektionen eröffnen, mit dem höchsten zusätzlichen Prozessierungsaufwand verbunden sind. Elemente des Vor-, Mittel- und Nachfelds, die vor allem lokale Projektionen ins Spiel bringen, müssen hingegen weniger häufig reprozessiert werden. Am wenigsten zusätzliche kognitive Beanspruchung ist mit der Produktion und Rezeption der verbalen Elemente der rechten Satzklammer verbunden. Diese Elemente schließen die offenen Projektionen und projizieren keine neuen Elemente – höchstens ein weiteres infinites Verb, was in Hauptsätzen jedoch nur äußerst selten vorkommt.

6.4.4 Zusammenfassung: Distribution der Reparanda und der Wiederholungen Die syntaktische Distribution der Reparanda und der wiederholten Wörter gibt Einblick in die interaktionalen und kognitiven Bedingungen konversationellen Sprachgebrauchs. Im Hinblick auf die Häufigkeit der verschiedenen Wortarten als Reparandum lässt sich zusammenfassend festhalten, dass Selbstreparaturen hauptsächlich dem semantischen Kern der Äußerung gelten, nämlich den „Dingen“ und „Prozessen“ (Langacker 2008: 99f.), auf die ein Sprecher mit Nomen und Verben verweist. Die Interagierenden legen auf diesen semantischen Kern der Äußerung besonderes Augenmerk, wenn sie ihren Redebeitrag an die Erfordernisse der jeweils auszuführenden Handlung anpassen. Die Ermittlung der relativen Frequenz der Reparanda hat jedoch gezeigt, dass sich die Bearbeitung dieses Äußerungskerns vor allem in der Reparatur von Funktionswörtern (Determinierer, Pronomen und Hilfsverben) niederschlägt. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass problematische Nomen und Vollverben meistens schon repariert werden, bevor sie produziert werden: Reparaturen des Determinierers und des Hilfsverbs können als vorweggenommene Reparaturen des Nomens und des

Distribution der Reparanda und der Wiederholungen | 261

Vollverbs angesehen werden. Die Häufigkeit dieser Projektionsreparaturen stützt die Annahme, dass Sprecher Probleme in ihrer Äußerung so früh wie möglich bearbeiten (siehe auch Kap. 4.3). Hinsichtlich der Distribution der Wiederholungen hat sich gezeigt, dass vor allem der Beginn von Präpositionalphrasen, Nominalphrasen, Nebensätzen und Hauptsätzen wiederholt wird. Da an diesen syntaktischen Positionen von einem hohen Planungsaufwand ausgegangen werden kann, können Wiederholungen als Ressourcen interpretiert werden, die das Fortschreiten des Redebeitrags verzögern und dem Sprecher dadurch zusätzliche Zeit verschaffen. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Beobachtung von Clark und Wasow (1998: 209–218), dass am Beginn komplexer syntaktischer Konstituenten mehr Wiederholungen auftreten. Wiederholungen heben sich demnach sowohl hinsichtlich der syntaktischen Positionen, an denen sie auftreten, als auch hinsichtlich der interaktionalen Funktionen, die sie erfüllen, von den Reparaturen mit klarem Reparandum ab. Der Gewinn von Planungszeit ist vermutlich eine wichtige, aber selbstverständlich nicht die einzige Funktion von Wiederholungen. Es werden beispielsweise auch häufig Teile der Äußerung wiederholt, um einen überlappten Teil des Redebeitrags hörbar zu machen bzw. das Rederecht zu gewinnen. Diesen spezifischen interaktionalen Funktionen – dem Gewinn von Planungszeit, der Reparatur überlappender Rede und der Sicherung des Rederechts – scheint die allgemeine Funktion von Wiederholungen zugrunde zu liegen, die Äußerungsfortsetzung zu verzögern (siehe auch Kap. 4.5). Hinsichtlich der topologischen Distribution der Reparanda besteht das zentrale Ergebnis darin, dass Sprecher in der linken Satzklammer von Hauptsätzen viel häufiger Reparaturen durchführen als in der rechten Satzklammer. Dieses Ergebnis bekräftigt die Ausführungen Auers (1996: 59), der von einer besonders hohen kognitiven Belastung des Sprechers zu Beginn eines syntaktischen Projekts ausgeht. Neben der mit den Planungsprozessen verbundenen kognitiven Belastung ist der Sprecher am Beginn einer syntaktischen Struktur auch besonderen interaktionalen Anforderungen ausgesetzt, die mit dem Sprecherwechsel und der Gewinnung der Aufmerksamkeit des Rezipienten zusammenhängen.103

|| 103 Vgl. Schegloff (1987a) zur Bedeutung des „recyclings“ zu Beginn eines Redebeitrags, um die wichtigen initialen Elemente der Äußerung bei überlappender Rede zu wiederholen und besser hörbar zu machen. Goodwin (1980) weist auf die Bedeutung von Reparaturen am Turnbeginn hin, um Blickkontakt mit dem Rezipienten (als Zeichen der Aufmerksamkeitszuweisung) herzustellen.

262 | Selbstreparaturstrukturen

Selbstreparaturen machen die interaktionale Dynamik sichtbar, der Redebeiträge bei ihrer Hervorbringung in Echtzeit unterliegen. Das Selbstreparatursystem stellt den Sprechern eine Ressource zur Verfügung, mit der sie ihre Äußerung permanent an die interaktionalen Anforderungen der Gesprächssituation anpassen können. Die syntaktische Distribution der Reparanda und der Wiederholungen gibt uns Aufschluss darüber, welche Teile der Sprachstruktur besonders stark von solchen interaktionalen Adjustierungen des Redebeitrags betroffen sind.

6.5 Anbindung der Reparaturoperation Jede Selbstreparatur muss so gestaltet werden, dass sie zwei zentrale interaktionale Funktionen erfüllt: Sie muss dem Hörer vermitteln, 1) dass die Selbstreparatur keine Weiterführung der syntaktischen Struktur ist und 2) wie die Reparaturoperation an die ursprüngliche Äußerung angebunden ist (vgl. Fox/ Jasperson 1995: 106). Neben der Markierung des Übergangs vom „normalen“ Verlauf der Äußerung zur Selbstreparatur, die durch die Reparaturinitiierung vorgenommen wird, gilt es auch kenntlich zu machen, welcher Teil der ursprünglichen Äußerung als Reparandum behandelt wird und wie der Rezipient die Veränderung in den Verlauf der ursprünglichen Äußerung integrieren soll. Bisher ist allerdings nur wenig darüber bekannt, wie Selbstreparaturen vom Rezipienten verarbeitet werden (vgl. jedoch Levelt 1983: 89–95; Fox/Jasperson 1995: 81). Die Überlegungen in diesem Kapitel stellen einen Versuch dar, sich über die strukturelle Beschreibung der Reparaturdurchführung der Frage der Reparaturprozessierung anzunähern. Es ist nicht das Ziel dieses Kapitels, eine Regel aufzustellen, die die Verarbeitungsprozesse des Rezipienten je nach Reparaturtyp abbildet. Vielmehr soll anhand von Einzelfallanalysen ein Überblick über die verschiedenen strukturellen Merkmale gegeben werden, auf die sich die Rezipienten zur Anbindung der Reparatur an die ursprüngliche Äußerung potentiell stützen können. Die strukturellen Merkmale der Reparaturdurchführung, die im Folgenden vorgestellt werden, treten regelmäßig auf, sodass davon ausgegangen werden kann, dass diese Eigenschaften als zentraler Bestandteil der strukturellen Organisation von Selbstreparaturen dem Rezipienten bei der Verarbeitung von Reparaturen als Orientierungspunkte dienen können. Ein Merkmal, das für die Prozessierung einer Selbstreparatur vermutlich eine zentrale Rolle spielt, ist die kategorielle Übereinstimmung von Teilen der ursprünglichen Äußerung und der Reparaturdurchführung. Die eindeutigste Form der kategoriellen Übereinstim-

Anbindung der Reparaturoperation | 263

mung ist die lexikalische Übereinstimmung. Diese ist dann gegeben, wenn es sich bei einem Wort der Reparaturdurchführung und einem Wort der ursprünglichen Äußerung um dasselbe Wort handelt. Das identische Wort stellt in diesen Fällen einen syntaktischen Anker dar. Häufig kann ein Rezipient die Beziehung zwischen Reparaturdurchführung und ursprünglicher Äußerung auch daran erkennen, dass ein nach der Initiierung produziertes Wort mit einem Wort in der ursprünglichen Äußerung hinsichtlich der syntaktischen Form oder Funktion übereinstimmt oder diesem Wort semantisch ähnlich ist. Eine solche syntaktische und semantische Übereinstimmung betrifft das Reparandum und das Reparans bei der Durchführung von Substitutionen. Auf die Wichtigkeit der Übereinstimmung eines Teils der ursprünglichen Äußerung und des ersten Wortes der Reparaturdurchführung für die Prozessierung durch den Rezipienten weist auch Levelt (1983: 89–95) hin. Seine Annahme, dass die syntaktische Kategorie bzw. die lexikalische Form des ersten Wortes der Reparaturdurchführung dem Rezipienten bereits die wichtigsten Anhaltspunkte für die Reparaturprozessierung liefern, bestätigt sich in den folgenden Analysen genauso wie die Rolle von Akzenten für die Reparaturprozessierung (vgl. Levelt/Cutler 1983). An einigen Punkten werden Levelts Überlegungen jedoch auch ergänzt. So wird beispielsweise neben der lexikalischen und syntaktischen Übereinstimmung von ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung, die Levelt in den Fokus rückt, auch eine mögliche Rolle der semantischen Ähnlichkeit in Betracht gezogen. Zudem können die Regeln, die Levelt (1983: 89–95) bezüglich der Reparaturprozessierung aufstellt, nicht alle Anbindungen inserierender und tilgender Reparaturen im vorliegenden Korpus erklären. Bei der Diskussion der Anbindung von Insertionen müssen deswegen über Levelt hinausgehende Annahmen zur Rolle postpositionierter Anker gemacht werden (vgl. das Bsp. (174) in Kap. 6.5.2). Zur Erklärung der Anbindung von Tilgungen ohne präpositionierten syntaktischen Anker wird auf die potentielle Bedeutung syntaktischer Projektionen eingegangen (siehe Kap. 6.5.3.2). Bei den meisten Selbstreparaturen erscheint es wahrscheinlich, dass sich der Hörer bei deren Prozessierung auf mehrere der angesprochenen Faktoren gleichzeitig stützt. Während in den folgenden Beispielanalysen jeweils auf alle potentiell relevanten Faktoren eingegangen wird, steht jedoch der Übersichtlichkeit halber in jedem Unterkapitel ein bestimmtes Merkmal im Fokus. Zunächst werden Anbindungen mit präpositioniertem (Kap. 6.5.1) und postpositioniertem syntaktischen Anker (Kap. 6.5.2) vorgestellt, in denen eine lexikalische Übereinstimmung zwischen ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung eine wichtige Rolle für die Prozessierung zu spielen scheint. Abschließend wenden wir uns den Anbindungen ohne syntaktischen Anker zu (Kap. 6.5.3),

264 | Selbstreparaturstrukturen

bei denen syntaktische oder semantische Übereinstimmungen sowie syntaktische Projektionen dem Hörer vermutlich die wichtigsten Anhaltspunkte liefern.

6.5.1 Anbindung durch präpositionierten syntaktischen Anker Eine sehr häufige Form der Anbindung der Reparaturdurchführung an die ursprüngliche syntaktische Gestalt ist der Einsatz eines präpositionierten syntaktischen Ankers (vgl. zum Begriff „Anker“ Auer/Pfänder 2007: 61). Ein präpositionierter syntaktischer Anker fungiert als Ressource zur Markierung syntaktischer Anbindung, indem er bereits vor der Durchführung der eigentlichen Reparaturoperation einen strukturellen Bezug zwischen Reparaturdurchführung und ursprünglicher Äußerung herstellt und den syntaktischen Eingriff dadurch in der ursprünglichen Struktur verankert (siehe auch Kap. 5 zu den Selbstreparaturoperationen). Der syntaktische Anker ist immer identisch mit einem Teil der ursprünglichen Äußerung. (172) 01 k07: dann hab ich das geSCHÄFT gemacht? 02 °hh und SCHWIEgervater, (-) 03 hat die reparaTUren* die !FAHR!radreparaturen gemacht;

In (172) ersetzt die Sprecherin das Nomen reparaTUren durch !FAHR!radreparaturen. Dabei verwendet sie den Determinierer die als präpositionierten syntaktischen Anker, indem sie ihn zu Beginn der Reparaturdurchführung wiederholt. Aus Rezipientensicht liegt in diesem Beispiel eine implizite Initiierung vor – die Reparaturinitiierung fällt mit der Reparaturdurchführung zusammen (siehe hierzu auch Kap. 6.2.2). Da die Nominalphrase die !FAHR!radreparaturen keine mögliche Fortsetzung der ursprünglichen Struktur darstellt, liegt für den Rezipienten eine Interpretation als Selbstreparatur nahe. Neben dem syntaktischen Anker die (lexikalische Übereinstimmung) dienen dem Rezipienten verschiedene weitere kategorielle Übereinstimmungen als Anhaltspunkte für die Anbindung der Reparaturoperation (Substitution) an die unterbrochene Äußerung. Zum einen stimmen Reparandum und Reparans syntaktisch überein (Nominalphrase, Akkusativobjekt) und sind sich semantisch ähnlich. Ein weiterer Anhaltspunkt bei der Reparaturprozessierung ist die starke Akzentuierung des bei der Substitution hinzugefügten Teils des Kompositums (!FAHR!rad), der den semantisch entscheidenden Teil der Reparaturdurchführung hervorhebt. Solche Akzente treten regelmäßig in der Reparaturdurchführung auf und markieren den Kontrast zwischen der „alten“

Anbindung der Reparaturoperation | 265

Version (Reparandum) und der „neuen“ Version (Reparans) des Redebeitrags (vgl. Levelt/Cutler 1983). Auch im nächsten Beispiel wird die Anbindung der Reparaturdurchführung an die ursprüngliche Äußerung durch einen präpositionierten syntaktischen Anker markiert: (173) 01 Tba: wir können ja die au*_wir können die auch vOrher schon FAHren lassen;=ne, 02 Ibl: joh; 03 Hrm: hm_hm-

Es handelt sich bei dieser Reparatur um eine Tilgung der Modalpartikel ja, die durch einen Wortabbruch (au) initiiert wird. Anstatt das Wort wie projiziert zu vervollständigen – es handelt sich vermutlich um das Adverb auch – fährt Tabea mit dem Pronomen wir fort, das den projizierten Äußerungsverlauf durchbricht, weil wir keine mögliche Fortsetzung des abgebrochenes Wortes au darstellt. Bei der Fortsetzung des Redebeitrags nach dem Wortabbruch muss es sich folglich aus Hörersicht um einen retraktiven Eingriff in die Äußerung handeln – das Pronomen und das Verb (wir können) sind problemlos als Wiederholung und damit als syntaktischer Anker identifizierbar. Da in Tilgungen die Problemquelle und die reparierende Struktur im Unterschied zu Substitutionen nicht dieselbe syntaktische Funktion aufweisen (vgl. Kap. 5.1.4), entfällt für den Rezipienten die kategorielle Übereinstimmung zwischen Reparandum und Reparans als möglicher Anhaltspunkt für die Reparaturprozessierung.

6.5.2 Anbindung durch postpositionierten syntaktischen Anker Neben der Verwendung eines präpositionierten syntaktischen Ankers, der vor der eigentlichen Selbstreparaturoperation eingesetzt wird und dadurch die Anbindung der Operation an die ursprüngliche Äußerung erleichtert, besteht auch die Möglichkeit der Verwendung eines postpositionierten syntaktischen Ankers. Bei dieser Form der Anbindung wird erst nach der Durchführung der Reparaturoperation ein Teil der ursprünglichen Äußerung wiederholt, sodass dadurch eine Ressource zur Verfügung steht, die den Rezipienten bei der Integration der Operation in die ursprünglich begonnene Struktur retrospektiv unterstützen kann. Solche Anker werden notwendigerweise in Insertionen eingesetzt. Eine Insertion zeichnet sich dadurch aus, dass eine Konstituente in eine bereits beste-

266 | Selbstreparaturstrukturen

hende Struktur nachträglich eingefügt wird (siehe Kap. 5.1.3). Daraus ergibt sich, dass auf jede inserierte Konstituente ein Wort folgt, das bereits als Teil der ursprünglichen Äußerung produziert wurde. Darüber hinaus treten fast alle Selbstreparaturen mit verzögerter Initiierung mit einem postpositionierten syntaktischen Anker auf, weil das Wort in der Verzögerung im Zuge der Reparaturdurchführung fast immer wiederholt wird. Im folgenden Beispiel, das einen postpositionierten syntaktischen Anker aufweist, erzählt Isabell von ihrem Berufsalltag als Dachdeckerin: (174) 01 Ibl: aber äh °h (.) ich hab ja du arbeitest ja NUR mit dem oberkörper. 02 du STEHST ja praktisch nu'* immer nur;= 03 =du schmeißt die ZIEgel weißt_e-= 04 =du bist am HÄMmern; 05 °h bist am LATten;= 06 =ALles mit dem Oberkörper.

In Z. 02 unterbricht sie ein Wort unter Verwendung eines Glottalverschlusses. Sie retrahiert direkt zum abgebrochenen Wort zurück, sodass kein präpositionierter Anker zum Einsatz kommt. Bei der Produktion von immer als erstes Wort der Reparaturdurchführung besteht die Möglichkeit, dass es sich bei der Reparatur um eine Substitution des abgebrochenen Wortes durch immer handelt. Die Tatsache, dass das abgebrochene Wort (nu') mit dem zweiten Wort der Reparaturdurchführung nur (bzw. mit dessen Beginn) übereinstimmt, lässt jedoch eine andere Interpretation der Reparatur plausibel erscheinen, in der das Adverb nur als postpositionierter syntaktischer Anker wiederholt wird: Die Insertion des Adverbs immer vor das Adverb nur. Die Unterscheidung einer Insertion von einer Substitution, die von Levelts Regeln zur Reparaturprozessierung (1983: 89–95) nicht berücksichtigt wird, ist hier also lediglich aufgrund des postpositionierten syntaktischen Ankers möglich. Dieser Anker besitzt folglich eine ganz entscheidende Bedeutung für die Prozessierung der Reparatur. In den folgenden Beispielen liegen für den Rezipienten zusätzlich zum postpositionierten syntaktischen Anker noch weitere Hinweise für die Art der Anbindung der Reparaturdurchführung vor. Im nächsten Gesprächsausschnitt stellt der Interviewer die Frage, ob man als Hamburger in Stuttgart gut aufgenommen wird. Es wird eine Reparatur durchgeführt, in der sowohl ein präpositionierter als auch ein postpositionierter syntaktischer Anker zum Einsatz kommen:

Anbindung der Reparaturoperation | 267

(175) 01 i-hh04: und wird man da gut AUfgenommen als: (.) HAMburger02 oder: °h (-) is dann:* ist man dann ein NORDlicht oder_n FISCHkopp;

In Z. 02 initiiert der Interviewer eine Reparatur durch Lautdehnung (dann:), retrahiert zum Beginn der syntaktischen Gestalt und wiederholt als Beginn der Reparaturdurchführung die Kopula ist in Spitzenstellung, die als präpositionierter syntaktischer Anker dient. Anschließend produziert der Sprecher das Pronomen man. Zu diesem Zeitpunkt besteht aus Rezipientenperspektive noch die Möglichkeit, dass eine Tilgung des Adverbs dann (durch das Pronomen man) vorliegt. Die Fortsetzung des Redebeitrags mit dann, das als Wiederholung des letzten Wortes der ursprünglichen Äußerung – und damit als retrospektiver syntaktischer Anker – gehört werden kann, eröffnet noch eine andere Anbindungsmöglichkeit. Die Reparatur kann jetzt als eine Insertion des Pronomens man zwischen die Kopula is und das Adverb dann wahrgenommen werden. Neben Insertionen – wie in den Beispielen (174) und (175) – treten postpositionierte Anker auch in Substitutionen auf, in denen die Reparaturinitiierung verzögert ist. Das folgende Beispiel zeigt einen solchen Fall: (176) 01 k07: da haben °hh äh meine eltern geBAUT, 02 nach dem* ach VOR dem kriech natürlich-=ne,

Die Sprecherin unterbricht in Z. 02 eine Präpositionalphrase nach dem Determinierer dem. Sie verwendet den Reparaturmarker ach und retrahiert zum Beginn der Phrase, um die Präposition nach durch VOR zu ersetzen. Neben der Verwendung des Reparaturmarkers wird die syntaktische Projektion noch auf eine andere Art unterbrochen. Die Präposition VOR folgt normalerweise nicht auf einen Determinierer, sodass diese lineare Wortabfolge nicht projiziert ist und für den Hörer die Interpretation naheliegt, dass es sich um eine Selbstreparatur handelt. Die Übereinstimmung zwischen nach und VOR in der syntaktischen Kategorie ‚Präposition‘ liefert einen starken Anhaltspunkt für das Vorliegen eines Reparandum-Reparans-Verhältnisses und die Durchführung einer Substitution. Zu dieser kategoriellen Übereinstimmung kommt die Wiederholung des Determinierers dem, der bereits vor der Reparaturinitiierung produziert wurde und so als postpositionierter syntaktischer Anker retrospektiv die syntaktische Position markiert, an der die Reparatur durchgeführt wird. Ein weiterer Anhaltspunkt für die Anbindung der Reparaturdurchführung an die ursprüngliche Äußerung besteht im Akzent auf dem Reparans (VOR), der

268 | Selbstreparaturstrukturen

einen Kontrast zwischen der Problemquelle und der korrigierenden Version der Äußerung herstellt (vgl. Levelt/Cutler 1983). Der Teil der ursprünglichen Äußerung, der zwischen Reparandum und Reparaturinitiierung liegt, wird – wie der Determinierer dem in (176) – in den Reparaturdurchführungen bei Reparaturen vor syntaktischem Abschluss im vorliegenden Korpus immer wiederholt. Es ist in der Tat schwierig, sich eine alternative Reparaturdurchführung vorzustellen, die eine Konstituente in der Verzögerung nicht wieder aufgreift (*nach dem ach VOR kriech natürlich-=ne,). Diese Regelmäßigkeit wurde bereits in einigen anderen Arbeiten zu Selbstreparaturen festgestellt (Levelt 1983: 89ff.; Fox/Jasperson 1995: 107f.; Uhmann 1997: 170f.). Uhmann fasst diese Erkenntnis folgendermaßen zusammen (Uhmann 2001: 396): No Gap Rule To avoid discontinuous structures, all constituents following the repairable up to the initiation of self-repair have to be repeated in the syntactic loop.

Es scheint also eine starke Motivation zu geben, bei verzögerten Reparaturinitiierungen einen postpositionierten syntaktischen Anker zu verwenden, der für den Hörer als Kontinuität herstellendes Merkmal zur Reparaturprozessierung genutzt werden kann. Es gibt insgesamt nur zehn Ausnahmen im Reparaturkorpus, in denen nach einer verzögerten Reparaturinitiierung kein postpositionierter Anker eingesetzt wird. In diesen Fällen wird lediglich das problematische Element bearbeitet, ohne die nachfolgenden Wörter in der Verzögerung, die zwischen dem Reparandum und der Initiierung liegen, zu wiederholen. Bei all diesen Ausnahmen handelt es sich um Reparaturen, die an einem syntaktischen Abschlusspunkt initiiert werden und ein abgeschlossenes syntaktisches Projekt expandieren.104 Nach Auer (1991: 144f.) werden solche Reparaturen als regressiv-paradigmatische Expansionen bezeichnet. Im Hinblick auf das konversationelle TurnTaking-System findet die Reparaturinitiierung in diesen Fällen im übergaberelevanten Raum statt – es handelt sich um sogenannte „transition space repairs“ (vgl. Liddicoat 2007: 174; Schegloff et al. 1977: 366). In allen zehn Fällen, in denen in einer verzögerten Reparatur auf einen postpositionierten Anker verzichtet wird, liegt eine semantische Spezifizierung des Reparandums durch das Reparans vor. || 104 Es liegen jedoch auch Selbstreparaturen nach syntaktischem Abschluss im Korpus vor, in denen nach dem Reparandum und vor der Initiierung produzierte Wörter als postpositionierter Anker genutzt werden (n = 13).

Anbindung der Reparaturoperation | 269

Der nächste Gesprächsausschnitt zeigt eine solche Reparatur. Die Mutter (M14) erzählt, wie ihr Sohn (P14) sich eine Urlaubsreise finanziert hat: (177) 01 M14: und er hatte irgendwie ähm (--) seine MICkeymäuse: (-) verkAuft-* 02 seine mickey[mausSAMMlung, ] 03 P14: [((lacht leise))] 04 M14: damit er sich äh diesen urlaub da in sardinien auch überhaupt LEISten kann-=ne-

In diesem Beispiel fällt die Reparaturinitiierung mit der Reparaturdurchführung zusammen. Nach dem Abschluss der syntaktischen Struktur in Z. 01 retrahiert die Sprecherin zurück zum Beginn der Nominalphrase, wiederholt den Artikel seine als präpositionierten syntaktischen Anker und ersetzt das Nomen MICkeymäuse durch mickeymausSAMMlung. Interessanterweise – und darin liegt die Besonderheit dieser Reparaturdurchführung – wiederholt die Sprecherin im Anschluss an die Substitution nicht das Verb verkAuft, das sie in der ursprünglichen Äußerung zwischen Reparandum und Reparaturinitiierung produziert hatte. Das nächste Beispiel weist ähnliche strukturelle Eigenschaften auf wie das vorherige. Es liegt ebenfalls eine semantische Spezifizierung vor: (178) 01 Ibl: und früher hab ich auch nur ähm ((schnalzt)) °hh äh DINGS getragen;* 02 t' äh TANgas.

Nach dem syntaktischen Abschluss der Äußerung am Ende von Z. 01 retrahiert Isabell direkt zum Nomen DINGS und ersetzt dieses durch TANgas. Zwar wird in dieser Reparatur – anders als in (177) – kein präpositionierter Anker eingesetzt, aber auch hier wird das Verb getragen, das nach dem Reparandum und vor der Initiierung produziert wird, im Anschluss an die Substitution nicht wieder aufgegriffen. Die semantische Spezifizierung ist in diesem Beispiel insofern ein Sonderfall, als das Reparandum DINGS lediglich eine Art semantisch entleerten Platzhalter darstellt. Die „semantische Distanz“ zwischen dem spezifizierten und dem spezifizierenden Element ist in solchen Fällen maximal. In beiden bislang präsentierten Beispielen handelt es sich bei dem nicht wiederholten Wort um ein einziges Element in der rechten Satzklammer. Dies ist in sieben Reparaturen der Fall. In den anderen drei Fällen stehen – wie im folgenden Beispiel – mehrere Wörter zwischen Reparandum und Reparaturinitiierung und werden in der Reparaturdurchführung nicht wiederholt:

270 | Selbstreparaturstrukturen (179) 01 k10a: also wie_ich hatte ne tAnte hier in gleich nebenan in DÜNNwald (-) wOhnen,* 02 ne GROSStante; 03 wenn wir da HINfuhren; 04 da fuhren se wir' (-) wirklich: stUndenLANG,

In Z. 02 retrahiert der Sprecher nach Erreichen eines syntaktischen Abschlusspunkts zurück in die produzierte Struktur, wiederholt den unbestimmten Artikel (ne) der Akkusativ-Nominalphrase und spezifiziert das ursprünglich verwendete Nomen tAnte durch GROSStante. Die Elemente, die zwischen Reparandum und Initiierung liegen (hier in gleich nebenan in DÜNNwald), werden in der Reparaturdurchführung nicht als postpositionierter syntaktischer Anker wiederholt. Das nächste Beispiel zeigt eine Insertion, die nach dem syntaktischen Abschluss eines Nebensatzes initiiert wird. Auch hier liegt also ein (vorläufiger) Abschlusspunkt vor, jedoch ist im Gegensatz zu den bisherigen Beispielen eine syntaktische Fortsetzung (in Form der Apodosis einer wenn-dann-Konstruktion) projiziert: (180) 01 fr03a: ERSCHT wenn_s dene leut wirklich wieder' (.) SCHLECHter geht;* 02 (.) 03 [finan]ZIELL (.) schlechter; 04 fr03: [hm_hm] 05 fr03a: °hh dAnn halte se wieder ZAMme; (.)

In Z. 03 spezifiziert die Sprecherin das Reparandum SCHLECHter durch die Insertion von finanZIELL. Sie retrahiert für die Insertion direkt zum Adjektiv SCHLECHter und verwendet keinen präpositionierten Anker. Sie wiederholt auch nicht das Verb geht, das zwischen Reparandum und Reparaturinitiierung produziert wurde, sodass kein postpositionierter Anker vorliegt. Das Reparandum selbst – das Adjektiv SCHLECHter – wird jedoch nach der Insertion als Teil der Reparaturdurchführung wiederholt. Diese strukturelle Organisation der Reparaturdurchführung deutet darauf hin, dass bei modifizierenden Insertionen auf die Wiederholung des Reparandums nicht verzichtet werden kann – auch dann nicht, wenn kein postpositionierter Anker eingesetzt wird.105 Vermut-

|| 105 Diese Annahme wird durch eine weitere modifizierende Insertion mit identischer struktureller Organisation gestützt.

Anbindung der Reparaturoperation | 271

lich stellt die Wiederholung des Reparandums in diesen Fällen einen wichtigen Orientierungspunkt bei der Reparaturprozessierung durch den Hörer dar. Alle hier angeführten Beispiele zeigen, dass die Strukturlatenz (vgl. Auer 2007: 102–105) projektionsschließender Elemente bei Reparaturen besonders häufig genutzt wird. Die nach dem Reparandum und vor der Initiierung produzierte und bei Produzent und Rezipient kognitiv noch latente Struktur wird in Selbstreparaturen nach syntaktischem Abschluss oftmals nicht wiederholt. Eine geschlossene syntaktische Gestalt scheint also in besonderer Weise kognitiv verfügbar zu sein und für interaktionale Zwecke wie die Durchführung von Reparaturen genutzt werden zu können. Der besondere kognitive und interaktionale Status geschlossener syntaktischer Gestalten scheint zu bewirken, dass es bei solchen Reparaturen keiner Beibehaltung von Kontinuität im Sinne der No Gap Rule bedarf, um problematische Elemente in der geschlossenen Gestalt zu bearbeiten. Es genügen allein die syntaktische Übereinstimmung und das semantische Spezifikationsverhältnis zwischen Reparandum und Reparans, um eine Anbindung der Reparaturdurchführung an die ursprüngliche Äußerung und damit eine erfolgreiche Reparaturprozessierung durch den Rezipienten zu ermöglichen.

6.5.3 Anbindung ohne syntaktischen Anker Neben den Reparaturen mit präpositioniertem und postpositioniertem Anker, die oben dargestellt wurden, gibt es auch Reparaturen ohne syntaktischen Anker. Ein Sonderfall, nämlich der Verzicht auf einen postpositionierten syntaktischen Anker bei verzögerten Reparaturen, die nach syntaktischem Abschluss initiiert werden, wurde bereits im vorangehenden Kapitel vorgestellt. In den folgenden Kapiteln werden noch zwei weitere Formen der Anbindung der Reparaturoperation präsentiert.

6.5.3.1 Anbindung durch syntaktische und semantische Übereinstimmung Eine Möglichkeit der Anbindung ohne syntaktischen Anker ist die Anbindung durch syntaktische Übereinstimmung: (181) 01 hh04: dann bin ich* also sind meine ELtern02 als ich klEinkind war nach EILbek gezogen? (-)

272 | Selbstreparaturstrukturen

In diesem Beispiel initiiert der Sprecher nach dem Pronomen ich durch die Verwendung des Reparaturmarkers also eine Reparatur. Er retrahiert zum Verb und ersetzt das komplexe Reparandum bin ich durch das Reparans sind meine ELtern. Aus Rezipientensicht ist der Beginn der Reparaturdurchführung – abgesehen vom Reparaturmarker – daran erkennbar, dass die Kopula sind, die nach der Initiierung produziert wird, nicht dem projizierten syntaktischen Verlauf der ursprünglichen Äußerung entspricht. Die Kopula sind kann also vom Hörer nur dann als sinnvoller Bestandteil des Redezugs interpretiert werden, wenn er sie als Bestandteil einer retrospektiven Bearbeitung der bereits vorhandenen Struktur ansieht. An diesem Punkt – also bei der Frage, wohin die Retraktion geht und welcher Teil der emergenten syntaktischen Gestalt bearbeitet wird – kommt die kategorielle Übereinstimmung ins Spiel. Mit welchem Element der bisherigen Struktur stimmt sind in einer syntaktischen oder semantischen Kategorie überein? Bei bin und sind handelt es sich jeweils um ein Kopulaverb, sodass aus Hörersicht die Interpretation naheliegt, dass diese Wörter in einem Substitutionsverhältnis zueinander stehen. Daraus ergibt sich retrospektiv, dass der Sprecher direkt zum Reparandum retrahiert (und keinen syntaktischen Anker verwendet). Die Notwendigkeit der zusätzlichen Substitution von ich durch meine ELtern ergibt sich aus Rezipientensicht wiederum daraus, dass das ursprüngliche Subjektpronomen (ich) nicht mehr zur „neuen“ Pluralform der Kopula (sind) passt. Auch im nächsten Beispiel werden die Identifikation des Reparandums und die Anbindung der Reparaturführung an die ursprüngliche Äußerung aus Rezipientensicht allein durch syntaktische Übereinstimmung ermöglicht, ohne dass ein syntaktischer Anker zum Einsatz kommt: (182) 01 k07: und wie mein schwiegervater nun so KRANK wurde, 02 und nich mehr das:* die WERKstatt machen konnte, 03 dann °hh wenn der_dann abends um sechs nach HAUse kam, 04 dann is der noch h° so bis neun zehn uhr in die WERKstatt jejangen, 05 und hat die anfallenden reparaTUren (.) äh gemacht.

Auch in (182) ist ein Bruch mit der projizierten syntaktischen Fortsetzungserwartung der Ausgangspunkt für die Identifikation der Reparaturdurchführung: In Z. 02 initiiert die Sprecherin bei der Produktion von das:, das als Pronomen (bzw. als Determinierer) die Funktion eines Akkusativobjekts (bzw. des Beginns eines Akkusativobjekts) erfüllt, durch Lautdehnung eine Reparatur. Die Fortsetzung die WERKstatt machen kann on-line zunächst noch als Fortführung der vor

Anbindung der Reparaturoperation | 273

der Initiierung projizierten syntaktischen Struktur interpretiert werden (es wäre theoretisch eine Konstruktion mit zwei Akkusativobjekten denkbar: und nich mehr das: die WERKstatt machen lassen konnte). Bei der Produktion des finiten Verbs konnte scheidet diese Möglichkeit jedoch aus, weil das Verb machen – im Gegensatz zu machen lassen nur ein Akkusativobjekt zulässt. Da sowohl das (in der Interpretation als Pronomen) als auch die WERKstatt nun um den Slot des Akkusativobjekts konkurrieren, müssen das: und die WERKstatt als Reparandum und Reparans interpretiert werden. Die Frage, wie die Reparaturdurchführung an die bisherige Struktur angebunden werden kann, wird in diesem Beispiel durch die kategorielle Übereinstimmung von Reparandum (das) und Reparans (die WERKstatt) in den Merkmalen syntaktische Form (Nominalphrase) und Funktion (Akkusativobjekt) beantwortet.

6.5.3.2 Anbindung durch Projektionsübereinstimmung Eine wichtige Eigenschaft, die nicht nur alle Reparaturinitiierungen, sondern auch alle Reparaturdurchführungen gemeinsam haben, ist das Durchbrechen der syntaktischen Projektionen der ursprünglichen Äußerung. Die Reparaturdurchführung ist aus Hörersicht zunächst dadurch gekennzeichnet, dass sie eine unwahrscheinliche oder keine mögliche syntaktische Fortsetzung der ursprünglichen Äußerung darstellt, sodass die Reparaturdurchführung – wie in den vorangehenden Beispielen bereits gezeigt – nur als retraktiver Eingriff in die „reguläre“ syntaktische Struktur prozessierbar ist.106 In diesem Kapitel wurden bisher ausschließlich Reparaturen dargestellt, in denen die Prozessierung entweder durch einen syntaktischen Anker, eine syntaktische Übereinstimmung oder eine semantische Ähnlichkeit zwischen Teilen der ursprünglichen Äußerung und der Reparaturdurchführung ermöglicht wurde. Bei diesen Reparaturen handelte es sich um Substitutionen, Insertionen und Tilgungen mit syntaktischem Anker. Im Folgenden soll abschließend noch auf Reparaturen eingegangen werden, in denen weder ein syntaktischer Anker vorliegt noch (wie etwa in Substitutionen) Reparandum und Reparans in einem syntaktisch oder semantisch aufschlussreichen Verhältnis zueinander stehen. In diesen Fällen, die von Levelts Regeln (1983: 89–95) zur Reparaturprozessierung nicht erfasst werden, spielt die syntaktische Projektion möglicher Fortsetzungen der ursprünglichen Struktur eine entscheidende Rolle für die Anbindung der Reparaturdurchführung. Diese Form der Anbindung tritt bei || 106 Vgl. hierzu auch die Ausführungen zur impliziten Reparaturinitiierung durch ‚nur Retraktion‘ (Kap. 6.2.2).

274 | Selbstreparaturstrukturen

Tilgungen auf, in denen kein präpositionierter syntaktischer Anker eingesetzt wird. Das folgende Beispiel handelt von Isabells Umgang mit möglichen „Nominierungen“ durch ihre Mitbewohner, die darüber entscheiden, ob sie das Haus verlassen muss: (183) 01 Ibl: ich versuche das* [(.) n] nich dran zu DENken weil; 02 Etr: [ hm-] 03 Ibl: °h dann würde_weil ich auch ein ziemlich sen s sen[sIbler mensch] BIN,=ne, 04 Etr: [hm:: ]

In Z. 01 initiiert Isabell nach dem Pronomen das eine Selbstreparatur. Während die Negationspartikel nich und das Präpositionaladverb dran zunächst noch eine Fortsetzung des ursprünglichen syntaktischen Projekts darstellen könnten, ist der Infinitiv zu DENken nicht mit der ursprünglichen Struktur vereinbar: Das Verb DENken kann nicht mit einem Präpositionalobjekt (dran) und einem Akkusativobjekt (das) gleichzeitig auftreten. Die Äußerung muss vom Rezipienten also als eine Reparatur interpretiert werden, in der die ursprünglich geplante Konstruktion mit Akkusativobjekt durch die reparierende Struktur mit Präpositionalobjekt ersetzt wird. Dazu ist die Tilgung des Pronomens das notwendig, das im Gegensatz zum ursprünglich geplanten Verb mit Akkusativobjekt bereits artikuliert wurde. Wie kann diese Tilgung vom Rezipienten prozessiert werden, wo doch weder eine syntaktischer Anker noch eine andere kategorielle Übereinstimmung zwischen reparierter und reparierender Struktur vorliegen? Eine plausible Erklärung besteht darin, dass der Hörer in solchen Fällen, in denen die syntaktische Struktur zwar aufgrund eines Bruchs in der Fortsetzungserwartung reprozessiert werden muss, aber im artikulierten Sprachmaterial keinerlei unmittelbare Anhaltspunkte für die Anbindung der Reparaturdurchführung vorliegen, auf verschiedene Projektionen möglicher struktureller Fortsetzungen zurückgreift. Eine Strategie des Rezipienten könnte darin bestehen, dass er zu dem Zeitpunkt, an dem die syntaktischen Projektionen durchbrochen werden (DENken), zunächst in der Struktur „zurückgeht“ und den Abbruchpunkt identifiziert, der die längstmögliche grammatikalisch akzeptable Struktur markiert. Dieser Abbruchpunkt liegt im vorliegenden Beispiel bei der Negationspartikel nich, weil die Struktur nich dran zu DENken akzeptabel ist, nicht aber die Struktur das nich dran zu DENken. Der Reparaturmarker in Form einer Mikropause und das kurze „Stammeln“ zu Beginn der Negationspartikel liefern weitere Anhaltspunkte für die Lage des Abbruchpunkts. Wenn dieser Punkt identifiziert ist, kann der Hörer weiter in der Struktur zurückgehen und

Anbindung der Reparaturoperation | 275

eine Konstituente nach der anderen „überschreiben“, bis eine syntaktische Anbindung der identifizierten akzeptablen Struktur möglich ist und dadurch eine sinnvolle Äußerung entsteht. Im Beispiel muss der Rezipient nur eine Konstituente zurückgehen und das Pronomen das überschreiben, sodass durch die Anbindung der Negationspartikel nich an das Verb versuche die syntaktische Gestalt ich versuche nich dran zu DENken entsteht. Für diesen Tilgungsprozess ist Wissen des Hörers darüber notwendig, welche Anbindungen syntaktisch möglich sind und welche nicht. Die verschiedenen syntaktischen Projektionen, die zu jedem Zeitpunkt der Äußerung im Spiel sind und sich ständig verändern, liefern die Grundlage für den beschriebenen Inferenzprozess bei der Prozessierung dieser Form der Reparaturdurchführung. Auch im nächsten Beispiel, in dem k07 von ihren beiden Reiterhöfen erzählt, liegt eine solche Tilgung vor: (184) 01 k07: 02 03 04 05 i-k: 06 07 08 k07: 09

aber man wOhnt ja hier sehr SCHÖN; sehr RUhisch; (--) [und trOtzdem LÄND]lisch;=ne, [ja es ist schon ] Eben; ich fänd dat AUCH [schön wenn man so] [ja:: wir ham ] U:nheimlich* zwei REIterhöfewo sEhr viel beTRIEB is;

In Z. 08 produziert die Sprecherin die Struktur wir ham U:nheimlich zwei REIterhöfe, die als bloße Konstituentenabfolge ohne eine Reprozessierung als Selbstreparatur nicht akzeptabel ist. Es liegen jedoch, genau wie in (183), keine Anhaltspunkte in Form von kategoriellen Übereinstimmungen vor, die den Hörer bei der Verarbeitung der Reparatur unterstützen könnten. Wie kann der Rezipient also aus dieser Äußerung eine akzeptable syntaktische Struktur ableiten? In diesem Beispiel findet der Projektionsbruch bei der Produktion des Adjektivs zwei statt, da ein Numerale nicht mit einem intensivierenden Adverb (U:nheimlich) verwendet werden kann. Im Gegensatz zum vorherigen Beispiel muss die Rezipientin nicht weit in der Struktur zurückgehen, um den Abbruchpunkt zu identifizieren, der die längstmögliche grammatikalisch akzeptable Struktur markiert: Er ist identisch mit dem Punkt, an dem die Projektion durchbrochen wird und liegt beim Adjektiv (zwei REIterhöfe ist akzeptabel, U:nheimlich zwei REIterhöfe nicht). Nun kann die Rezipientin von diesem Punkt an in der Struktur zum nächsten Punkt zurückgehen, an dem eine syntaktische

276 | Selbstreparaturstrukturen

Anbindung möglich ist und diejenigen Konstituenten überschreiben, die nicht für eine Anbindung in Frage kommen. Die Rezipientin muss lediglich das Adverb U:nheimlich tilgen, um die Nominalphrase zwei REIterhöfe an das Verb ham anbinden zu können.

6.5.4 Zusammenfassung: Anbindung der Reparaturoperation Es hat sich gezeigt, dass für den Rezipienten in den meisten Fällen verschiedene lexikalische, syntaktische, semantische und prosodische Hinweise für die Anbindung der Reparaturoperation zur Verfügung stehen. Da das Zusammenspiel dieser Faktoren vermutlich äußerst komplex ist und da sich aus Korpusdaten allein nur sehr schwer Rückschlüsse über die Rolle und die Hierarchie der unterschiedlichen Faktoren bei verschiedenen Reparaturtypen ziehen lassen, wurde in diesem Kapitel auf die Formulierung einer Regel zur Reparaturprozessierung im Stile Levelts (1983: 89–95) verzichtet. Stattdessen wurden in Einzelfallanalysen die verschiedenen strukturellen Merkmale vorgestellt, die bei der Verarbeitung der Reparaturdurchführung durch den Rezipienten potentiell von Bedeutung sind. Es wurde zwischen Reparaturen mit präpositioniertem und postpositioniertem syntaktischen Anker unterschieden. In diesen Fällen trägt eine lexikalische Übereinstimmung zwischen ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung dazu bei, dass die Veränderung der Äußerung vom Rezipienten prozessiert werden kann. Außerdem wurden Reparaturen ohne syntaktischen Anker präsentiert, in denen sich der Hörer bei der Verarbeitung der Reparatur auf syntaktische, semantische und prosodische Eigenschaften stützen muss. Bei den ankerlosen Reparaturanbindungen nehmen zwei Typen von Reparaturen eine besondere Stellung ein. Zum einen gibt es wenige Fälle verzögerter Reparaturen, die keinen postpositionierten Anker aufweisen. Diese stammen allesamt aus der Gruppe der Reparaturen nach syntaktischem Abschluss und erfüllen eine spezifizierende Funktion. Zum anderen steht der Rezipient bei Tilgungen ohne syntaktischen Anker vor der Herausforderung, die Reparatur ohne lexikalische, syntaktische und semantische Übereinstimmungen zu verarbeiten. In diesen Fällen kann der Hörer in einem Inferenzprozess, der auf verschiedene projizierte syntaktische Fortsetzungen der ursprünglichen Äußerung zurückgreift, die Art der Anbindung der Reparaturdurchführung an die ursprüngliche Äußerung ermitteln.

7 Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum In den vorangehenden Kapiteln wurden Selbstreparaturen im Deutschen im Hinblick auf die Typen von Reparanda (Kap. 4) und die strukturellen Merkmale (Kap. 5 und 6) ausführlich beschrieben. Im folgenden Kapitel wenden wir uns dem Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum zu, der von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung eines Erklärungsmodells für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen ist (Kap. 8). In der Konversationsanalyse herrscht die Annahme vor, dass kein Zusammenhang zwischen der Form von Reparaturen und dem zu bearbeitenden Problemtyp besteht (vgl. Schegloff 1987b: 216; Drew et al. 2013: 75). In Bezug auf Wortsubstitutionen stellt Schegloff (1987b: 217) beispielsweise fest: [...] word replacements take a largely undifferentiated form, whatever the considerations that have engendered the replacement of some part of the prior talk – whether errors in word selection, changes in what the talk is being used to do, recipient-designed shifts, etc.

Entgegen dieser Annahme wird das folgende Kapitel demonstrieren, dass systematische Zusammenhänge zwischen den formalen Eigenschaften von Selbstreparaturen und der Art des Reparandums bestehen. Diese Zusammenhänge werden vor allem – basierend auf der detaillierten qualitativen Analyse des Reparaturkorpus (siehe Kap. 4, 5 und 6) – durch quantitative Analysen ermittelt. Im Hinblick auf die Reparaturinitiierung (Kap. 7.3.1) und den Retraktionspunkt (Kap. 7.4.2) werden zusätzliche qualitative Analysen durchgeführt, weil eine quantitative Auswertung für einige Reparaturmarker und Retraktionsstrukturen aufgrund zu weniger Beispiele nicht reliabel ist. Das folgende Kapitel leistet auch einen Beitrag zur methodologischen Diskussion über den Einsatz quantitativer Forschungsmethoden bei der Analyse konversationeller Phänomene, dem die Konversationsanalyse skeptisch gegenübersteht. So wirft Schegloff (1993: 102) folgende Fragen auf: „Are quantitative studies of conversation possible? Are they desirable? What might their distinctive payoffs be?“ Indem das folgende Kapitel systematische Zusammenhänge zwischen Reparandumstyp und Selbstreparaturstruktur aufdeckt, liefert es ein Argument dafür, dass die Verbindung von qualitativen und quantitativen Analysen „distinctive payoffs“ liefern kann. Das zusätzliche Einbeziehen quantita-

278 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

tiver Methoden fördert Erkenntnisse zutage, die in der konversationsanalytischen Forschung nicht erzielt wurden.107 Für jedes strukturelle Merkmal wird der Zusammenhang mit reparandumsbezogenen Aspekten der Selbstreparaturen analysiert. Zu diesen Aspekten zählt der Reparaturtyp (retrospektive Reparatur vs. Projektionsreparatur), der retrospektive Reparaturtyp (Korrektur vs. Elaborierung), die sprachliche Ebene des retrospektiven Reparandums (phonologisch vs. syntaktisch vs. semantisch vs. pragmatisch) und die Typen der Projektionsreparatur (Reparatur des projizierten Nomens vs. Reparatur des projizierten Verbs). Prospektive Reparaturen, die auf der interaktionalen Ebene kein klares Reparandum aufweisen, werden von den folgenden Auswertungen – mit Ausnahme der Untersuchung der Reparaturmarker und der multiplen Retraktionen – ausgeschlossen.

7.1 Reparaturoperation und Reparandum Zunächst sollen die verschiedenen Reparaturoperationen auf ihren Zusammenhang mit den Reparanda in Selbstreparaturen untersucht werden. Gibt es Problemtypen, die besonders häufig durch eine bestimmte Operation bearbeitet werden? Die folgende Tabelle zeigt, für welche retrospektiven Reparaturtypen die Grundoperationen Substitution, Insertion und Tilgung vor allem eingesetzt werden: Tab. 69: Reparaturoperation nach retrospektivem Reparaturtyp Selbstreparaturoperation

Substitution

Retrospektiver Reparaturtyp Korrektur (n = 174)

Elaborierung (n = 447)

166 (95,4 %)

290 (64,9 %)

Insertion

6 (3,4 %)

129 (28,9 %)

Tilgung

2 (1,1 %)

28 (6,3 %)

|| 107 Ein weiteres Argument dafür, dass die Quantifizierung konversationeller Phänomene einen Nutzen bringen kann, liefert die Analyse von Retraktionen. Die Häufigkeit, mit der eine bestimmte syntaktische Grenze (nicht) übersprungen wird, liefert ein Maß für die Stärke dieser Grenze (siehe Kap. 6.3.2 und 8.2.2).

Reparaturoperation und Reparandum | 279

Der Unterschied zwischen der erwarteten und der beobachteten Häufigkeit ist für den Vergleich der retrospektiven Reparaturtypen mit den verwendeten Reparaturoperationen sehr signifikant (χ2(2) = 59,9; p < 0,01**; Cramer-V = 0,31). Wie aus Tabelle 69 hervorgeht, werden „echte“ Fehler fast ausschließlich durch Substitutionen bearbeitet, während für Elaborierungen recht häufig auch Insertionen und Tilgungen eingesetzt werden. Dennoch werden Substitutionen auch bei den Elaborierungen mit Abstand am häufigsten verwendet. Absolut betrachtet werden sogar mehr Substitutionen für Elaborierungen eingesetzt (n = 290) als für Korrekturen (n = 166). Dieses Ergebnis widerspricht der gängigen Annahme, dass die Operation „replacement“ vor allem zur Fehlerkorrektur eingesetzt wird (z. B. Lerner/Kitzinger 2007: 539). Betrachten wir den Zusammenhang zwischen Operation und retrospektiven Reparaturen noch einmal aus einer anderen Perspektive. Die folgende Auswertung unterscheidet ebenfalls Korrekturen und Elaborierungen, berücksichtigt aber zusätzlich die sprachliche Ebene, auf der das Reparandum angesiedelt ist. Tab. 70: Reparaturoperation nach retrospektivem Reparaturtyp und sprachlicher Ebene des Reparandums Selbstreparaturoperation

Retrospektiver Reparaturtyp Phonol. Korr. (n = 58)

Synt. Korr. (n = 22)

Sem. Korr. (n = 93)

Synt. Elab. (n = 46)

Sem. Elab. (n = 338)

Pragm. Elab. (n = 63)

Substitution

58 100 %

15 68,2 %

92 98,9 %

3 6,5 %

254 75,1 %

33 52,4 %

Insertion

0 0%

5 22,7 %

1 1,1 %

36 78,3 %

73 21,6 %

20 31,7 %

Tilgung

0 0%

2 9,1 %

0 0%

7 15,2 %

11 3,3 %

10 15,9 %

Die Gruppen unterscheiden sich insgesamt sehr signifikant voneinander (χ2(10) = 183,1; p < 0,01**; Cramer-V = 0,38).108 Phonologische und semantische Korrek-

|| 108 Auch die Vergleiche aller Typen untereinander sind abgesehen von drei Ausnahmen sehr signifikant. Die folgenden Vergleiche führen zu keinem signifikanten Ergebnis: phonologische vs. semantische Korrektur, syntaktische Korrektur vs. semantische Elaborierung und syntaktische Korrektur vs. pragmatische Elaborierung. Die Auswertung wurde nur für die Grundopera-

280 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

turen werden (fast) ausschließlich durch Substitutionen durchgeführt. Auch für semantische Elaborierungen und syntaktische Korrekturen werden vor allem Substitutionen eingesetzt, jedoch verwenden die Sprecher hier auch Insertionen. Substitutionen werden auf jeder Ebene eingesetzt und weisen demnach insgesamt das breiteste Spektrum auf. Der einzige Reparaturtyp, der hauptsächlich durch Insertionen abgedeckt wird, ist die syntaktische Elaborierung, bei der die Konstituentenabfolge verändert wird. Kein retrospektives Reparandum wird besonders häufig durch Tilgungen bearbeitet.

7.2 Abbruch und Reparandum Wenden wir uns nun dem Zusammenhang zwischen dem Reparandum und der Position des Abbruchs zu. Wie bei der Analyse der Reparaturstruktur allein (Kap. 6.1) wird auch im Folgenden zwischen zwei Aspekten des Abbruchs unterschieden, der Verzögerungslänge und der strukturellen Position des Abbruchpunkts.

7.2.1 Verzögerungslänge und Reparandum Bei der strukturellen Analyse der Verzögerungslänge in Kapitel 6.1.1 hat sich die allgemeine Tendenz gezeigt, dass Sprecher ihren Redebeitrag so schnell wie möglich nach dem Auftreten der Problemquelle abbrechen. Es konnten aber keine strukturellen Faktoren identifiziert werden, die diese Tendenz verstärken oder abschwächen. In diesem Unterkapitel steht die Frage im Fokus, ob die Art des zu bearbeitenden Problems einen Einfluss darauf ausübt, wie früh oder spät der Sprecher die Reparatur initiiert. Ein Vergleich der Reparaturtypen – also von retrospektiven Reparaturen und Projektionsreparaturen – ist hier wenig sinnvoll. Retrospektive Reparaturen und Projektionsreparaturen unterscheiden sich dadurch, dass die Initiierung bei retrospektiven Reparaturen nach dem Reparandum stattfindet, während bei Projektionsreparaturen die Initiierung vor dem eigentlichen Reparandum liegt. Diese Definitionskriterien legen bereits Unterschiede hinsichtlich der Verzögerungslänge fest. In Reparaturen des projizierten Nomens liegt der Abbruchpunkt nach dem Artikel (oder Adjektiv), aber noch vor

|| tionen vorgenommen. Der Zusammenhang der retrospektiven Reparaturtypen mit den spezifischeren Operationen kann aufgrund der wenigen Beispiele nicht überprüft werden.

Abbruch und Reparandum | 281

dem Nomen, sodass bei diesem Reparaturtyp überhaupt keine Verzögerung auftreten kann. Reparaturen des projizierten Verbs hingegen, in denen zwischen sekundärem Reparandum (z. B. Hilfsverb) und primärem Reparandum (z. B. Vollverb) eine größere Distanz liegt, sind hinsichtlich ihrer durchschnittlichen Verzögerungslänge (0,41 Silben) mit retrospektiven Reparaturen vergleichbar (0,54 Silben). Wenden wir uns daher direkt dem Vergleich der retrospektiven Reparaturtypen Korrektur und Elaborierung zu: Tab. 71: Verzögerungslänge nach retrospektivem Reparaturtyp Retrospektiver Reparaturtyp

Mittlere Verzögerungslänge in Silben

Korrektur (n = 168)

Elaborierung (n = 345)

0,43

0,65

Korrekturen werden zwar im Durchschnitt weniger stark verzögert als Elaborierungen, aber der Unterschied ist nicht signifikant (F(1) = 2,98; p = 0,085(*)). Da die Irrtumswahrscheinlichkeit unter 10 % liegt, lässt sich lediglich von einer statistischen Tendenz sprechen, die darauf hindeutet, dass Sprecher die Initiierung bei Korrekturen etwas weniger stark verzögern als bei Elaborierungen. Es muss jedoch beachtet werden, dass diese Auswertung nicht zwischen Abbrüchen im Reparandum und unmittelbar nach dem Reparandum differenziert (in beiden Fällen ist die Verzögerung null). Eine Untersuchung dieses Aspekts wird Gegenstand des folgenden Unterkapitels sein. Spielt hinsichtlich der Verzögerungslänge auch die sprachliche Ebene des retrospektiven Reparandums eine Rolle? Tab. 72: Verzögerungslänge nach sprachlicher Ebene des retrospektiven Reparandums Sprachliche Ebene des Reparandums

Mittlere Verzögerungslänge in Silben

Phonologische Korrektur (n = 58)

Semantische Repa- Pragmatische Reparatur (n = 386) ratur (n = 41)

0,12

0,62

0,56

282 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

Es besteht ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen (F(2) = 3,92; p < 0,05*).109 Dieses Ergebnis ist auf den Vergleich der phonologischen und semantischen Reparaturen zurückzuführen, zwischen denen hinsichtlich der Verzögerungslänge die größte Differenz besteht. Semantische und pragmatische Reparaturen unterscheiden sich nicht hinsichtlich der Verzögerungslänge. Auch zwischen phonologischen und pragmatischen Reparaturen besteht kein signifikanter Unterschied, vermutlich wegen der kleinen Fallzahlen. Wie diese Auswertung zeigt, hängt die Verzögerung der Reparaturinitiierung mit der sprachlichen Ebene zusammen, auf der das Problem angesiedelt ist. Es besteht eine Tendenz, phonologische Reparaturen besonders schnell zu initiieren, während semantische und pragmatische Reparaturen im Durchschnitt häufiger eine Verzögerung aufweisen. Diese Beobachtung wird im Rahmen des Erklärungsmodells für die Position des Abbruchpunkts diskutiert (siehe Kap. 8.1).

7.2.2 Abbruchpunkt und Reparandum Das Hauptergebnis der strukturellen Analyse des Abbruchpunkts in Kapitel 6.1.2 bestand darin, dass die Wortart des Reparandums entscheidenden Einfluss darauf ausübt, ob Sprecher die Äußerung innerhalb des Reparandums oder nach dem Reparandum abbrechen. In diesem Unterkapitel wird der Frage nachgegangen, ob neben dem strukturellen Faktor ‚Wortart‘ auch der Reparaturtyp und die sprachliche Ebene des Reparandums die verschiedenen strukturellen Positionen des Abbruchpunkts beeinflussen. Wird in manchen Fällen eher im Reparandum abgebrochen und in anderen eher nach dem Reparandum? Tabelle 73 zeigt die Positionen des Abbruchpunkts, die mit den beiden Reparaturtypen auftreten.

|| 109 Die syntaktischen Reparaturen sind in dieser Auswertung nicht enthalten, weil für 40 der 68 Beispiele die Verzögerungslänge nicht ermittelt werden kann. Das liegt daran, dass die meisten syntaktischen Reparaturen durch projektionsverändernde Insertionen und nichtmodifizierende projektionserhaltende Insertionen durchgeführt werden und diese kein Wort als Reparandum aufweisen, das als Ausgangspunkt für die Bestimmung der Verzögerungslänge dienen könnte (siehe Kap. 6.1.1).

Abbruch und Reparandum | 283

Tab. 73: Position des Abbruchpunkts nach Reparaturtyp Position des Abbruchpunkts

Reparaturtyp Retrospektive Reparatur (n = 544)

Projektionsreparatur (n = 516)

In Reparandum

200 (36,8 %)

36 (7,0 %)

Nach Reparandum

199 (36,6 %)

385 (74,6 %)

In Wort in Verzögerung

30 (5,5 %)

6 (1,2 %)

Nach Wort in Verzögerung

115 (21,1 %)

89 (17,2 %)

Wie die Tabelle veranschaulicht, wird das Reparandum bei retrospektiven Reparaturen viel häufiger abgebrochen als bei Projektionsreparaturen. Der sehr signifikante Unterschied zwischen den Reparaturtypen (χ2(3) = 191,9; p < 0,01**; Cramer-V = 0,43) ist vermutlich auf die unterschiedlichen kognitiven und interaktionalen Bedingungen der Reparaturinitiierung zurückzuführen, die mit den beiden Reparaturtypen verbunden sind. Da Projektionsreparaturen sehr früh initiiert werden, kann davon ausgegangen werden, dass die Konstituente, die sich im Nachhinein als sekundäres Reparandum herausstellen wird (z. B. das Hilfsverb), während ihrer Produktion in manchen Fällen aus Sprechersicht noch gar nicht mit einem Problem in Verbindung steht. Es liegt dann für den Sprecher überhaupt kein Grund für einen Abbruch dieser Konstituente vor. Andererseits ist selbst in den Fällen, in denen das Reparandum für den Sprecher kognitiv bereits entstanden ist, das sekundäre Reparandum in Projektionsreparaturen weniger problematisch als das Reparandum in retrospektiven Reparaturen, weil es semanto-pragmatisch weniger stark aufgeladen ist (siehe Kap. 4.1.2.3 und 4.3). Die Sprecher tendieren offenbar dazu, in den Fällen, in denen das zu bearbeitende Problem nicht so schwer wiegt, auf eine starke interaktionale Markierung des Problems durch Wortabbruch zu verzichten (siehe Kap. 7.3 zur Funktion von Wortabbrüchen als Reparaturmarker). Unterstützt wird diese Tendenz dadurch, dass bei Projektionsreparaturen mehr Funktionswörter (vor allem Determinierer und Hilfsverben) bearbeitet werden als bei retrospektiven Reparaturen und diese ohnehin seltener abgebrochen werden als Inhaltswörter (siehe Kap. 6.1.2.3 und 6.1.2.4).

284 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

Wie verteilen sich die strukturellen Positionen des Abbruchpunkts im Hinblick auf die retrospektiven Reparaturtypen Korrektur und Elaborierung? Tab. 74: Position des Abbruchpunkts nach retrospektivem Reparaturtyp Position des Abbruchpunkts

Retrospektiver Reparaturtyp Korrektur (n = 168)

Elaborierung (n = 345)

In Reparandum

87 (51,8 %)

83 (24,1 %)

Nach Reparandum

49 (29,2 %)

149 (43,2 %)

In Wort in Verzögerung

10 (6,0 %)

20 (5,8 %)

Nach Wort in Verzögerung

22 (13,1 %)

93 (27,0 %)

Der Unterschied zwischen Korrekturen und Elaborierungen ist in Bezug auf die Position des Abbruchpunkts sehr signifikant (χ2(3) = 41,7; p < 0,01**; Cramer-V = 0,29). Bei Korrekturen wird das Reparandum etwa doppelt so oft abgebrochen wie in Elaborierungen. Das deutet darauf hin, dass Sprecher „echte“ Fehler bereits bei der Initiierung durch einen Wortabbruch markieren. Darüber hinaus wird durch einen früheren Abbruch auch gewährleistet, dass das interaktionale Problem möglichst schnell bearbeitet und beseitigt werden kann. Vergleichen wir nun die sprachlichen Ebenen der retrospektiven Reparanda miteinander. Tab. 75: Position des Abbruchpunkts nach sprachlicher Ebene des retrospektiven Reparandums Position des Abbruchpunkts

Sprachliche Ebene des Reparandums Phonologische Semantische Repa- Pragmatische RepaKorrektur (n = 58) ratur (n = 386) ratur (n = 41)

In Reparandum

45 (77,6 %)

116 (30,1 %)

3 (7,3 %)

Nach Reparandum

10 (17,2 %)

151 (39,1 %)

26 (63,4 %)

Abbruch und Reparandum | 285

In Wort in Verzögerung

1 (1,7 %)

24 (6,2 %)

3 (7,3 %)

Nach Wort in Verzögerung

2 (3,4 %)

95 (24,6 %)

9 (22,0 %)

Es zeigt sich insgesamt ein sehr signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen (χ2(6) = 68,7; p < 0,01**; Cramer-V = 0,27).110 Darüber hinaus unterscheidet sich auch jede einzelne sprachliche Ebene sehr signifikant von jeder anderen. Während bei der Initiierung phonologischer Reparaturen sehr oft innerhalb des Reparandums und nur selten nach dem Reparandum abgebrochen wird (77,6 % vs. 17,2 %), ist bei semantischen Reparaturen das Verhältnis von Abbrüchen innerhalb des Reparandums und nach dem Reparandum etwa ausgeglichen (30,1 % vs. 39,1 %). Bei pragmatischen Reparaturen ist dieses quantitative Verhältnis zugunsten der Initiierungen nach dem Reparandum sehr stark ausgeprägt (7,3 % vs. 63,4 %), sodass diese Verteilung bei den pragmatischen Reparaturen der Verteilung bei phonologischen Reparaturen diametral entgegensteht. Es scheinen also bei retrospektiven Reparaturen zwei Faktoren eine Rolle für die Position des Abbruchpunkts zu spielen: der retrospektive Reparaturtyp (Korrektur oder Elaborierung) und die sprachliche Ebene, auf der das Reparandum angesiedelt ist (phonologisch vs. semantisch vs. pragmatisch). Man kann jedoch einwenden, dass die Unterschiede zwischen den sprachlichen Ebenen (siehe Tab. 75) möglicherweise nicht auf die sprachlichen Ebenen selbst zurückzuführen sind, sondern auf den Status phonologischer Reparaturen als Korrekturen und pragmatischer Reparaturen als Elaborierungen. Umgekehrt muss auch die Frage gestellt werden, ob tatsächlich der Status als Korrektur oder Elaborierung über den Abbruchpunkt entscheidet oder ob nicht in Wirklichkeit die jeweilige sprachliche Ebene, auf der das Reparandum angesiedelt ist, der einzige ausschlaggebende Faktor ist. Mit der nächsten – noch feinkörnigeren – Auswertung soll geklärt werden, ob die beiden Faktoren ‚retrospektiver Reparaturtyp‘ und ‚sprachliche Ebene des Reparandums‘ unabhängig voneinander einen Einfluss auf die Position des Abbruchpunkts ausüben.

|| 110 Auch in dieser Auswertung sind die syntaktischen Reparaturen nicht enthalten, weil sie zumeist kein Wort als Reparandum aufweisen (siehe auch Fußnote 109 in Kap. 7.2.1).

286 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

Tab. 76: Position des Abbruchpunkts nach retrospektivem Reparaturtyp und sprachlicher Ebene des Reparandums Position des Abbruchpunkts

Retrospektiver Reparaturtyp nach sprachlicher Ebene des Reparandums Phonologische Korrektur (n = 58)

Semantische Korrektur (n = 91)

Semantische Elaborierung (n = 295)

Pragmatische Elaborierung (n = 40)

In Reparandum

45 (77,6 %)

37 (40,7 %)

79 (26,8 %)

3 (7,5 %)

Nach Reparandum

10 (17,2 %)

34 (37,4 %)

117 (39,7 %)

25 (62,5 %)

In Wort in Verzögerung

1 (1,7 %)

7 (7,7 %)

17 (5,8 %)

3 (7,5 %)

Nach Wort in Verzögerung

2 (3,4 %)

13 (14,2 %)

82 (27,8 %)

9 (22,5 %)

Da es sich bei den phonologischen Reparaturen ausschließlich um Korrekturen und bei den pragmatischen Reparaturen – bis auf ein Beispiel – ausschließlich um Elaborierungen handelt, betrifft die Frage nach der Unabhängigkeit des Faktors ‚retrospektiver Reparaturtyp‘ ausschließlich die semantischen Reparaturen. Wie die quantitative Verteilung in der Tabelle bereits erahnen lässt, liegt ein signifikanter Unterschied zwischen semantischen Korrekturen und Elaborierungen vor (χ2(3) = 10,1; p < 0,05*; Cramer-V = 0,16). Obwohl eine relativ geringe Assoziationsstärke zwischen den Variablen Reparaturtyp und Position des Abbruchpunkts vorliegt, scheinen Korrekturen und Elaborierungen von den Sprechern hinsichtlich des Abbruchpunkts tatsächlich unterschiedlich behandelt zu werden, auch wenn man die Analyse auf die semantische Ebene beschränkt. Zudem ergibt sowohl der Vergleich von phonologischen und semantischen Korrekturen (χ2(3) = 20,1; p < 0,01**; Cramer-V = 0,37) als auch der Vergleich von semantischen und pragmatischen Elaborierungen (χ2(3) = 10,2; p < 0,05*; Cramer-V = 0,18) einen signifikanten Unterschied. Diese Ergebnisse zeigen, trotz der geringen Assoziationsstärke beim Vergleich semantischer und pragmatischer Elaborierungen, dass auch der Faktor ‚sprachliche Ebene des Reparandums’ unabhängig vom retrospektiven Reparaturtyp einen Einfluss auf die strukturelle Position des Abbruchpunkts ausübt.

Reparaturmarker und Reparandum | 287

7.2.3 Zusammenfassung: Abbruch und Reparandum Fassen wir die Hauptergebnisse zum Abbruch kurz zusammen. Die Analyse der Verzögerungslänge hat ergeben, dass bei Korrekturen die Initiierung insgesamt weniger stark verzögert wird als bei Elaborierungen. Phonologische Reparaturen werden zudem weniger häufig verzögert initiiert als semantische und pragmatische Reparaturen. Im Hinblick auf die strukturelle Position des Abbruchpunkts zeigt sich eine parallele Tendenz. Korrekturen sind häufiger mit einem Abbruch des Reparandums verbunden als Elaborierungen. In Bezug auf die sprachliche Ebene des Reparandums zeigt sich ein Kontinuum: In phonologischen Korrekturen wird das Reparandum sehr häufig, in semantischen Reparaturen weniger häufig und in pragmatischen Reparaturen sehr selten abgebrochen. Beide Aspekte des Abbruchs – die Verzögerungslänge und die strukturelle Position des Abbruchpunkts – werden folglich von denselben Faktoren beeinflusst, nämlich dem retrospektiven Reparaturtyp und der sprachlichen Ebene des Reparandums. Diese Ergebnisse werden im Rahmen des Erklärungsmodells für die Position des Abbruchpunkts ausführlich diskutiert (Kap. 8.1).

7.3 Reparaturmarker und Reparandum Dieses Kapitel untersucht den Zusammenhang zwischen Reparaturmarkern und den verschiedenen Reparaturtypen (retrospektive Reparatur vs. Projektionsreparatur vs. Wiederholung und Korrektur vs. Elaborierung auf den verschiedenen sprachlichen Ebenen). Zunächst wird eine qualitative Analyse der niederfrequenten Marker vorgenommen (Kap. 7.3.1). Für diese Marker ist aufgrund der geringen Fallzahlen eine statistische Analyse nicht reliabel. Anschließend folgt – basierend auf der qualitativen Analyse der Typen von Reparanda in Kapitel 4 – eine quantitative Analyse der hochfrequenten Marker (Kap. 7.3.2). Vor diesem Hintergrund wird ein Überblick über die interaktionalen Funktionen von Reparaturmarkern gegeben (Kap. 7.3.3). Wie bei der Analyse des Zusammenhangs zwischen Reparaturmarkern und strukturellen Faktoren (siehe Kap. 6.2.3) werden bei den weniger häufigen Reparaturmarkern all diejenigen Fälle zusammengefasst und untersucht, in denen der jeweilige Marker entweder alleine oder in Kombination mit anderen Initiierungsressourcen auftritt. Wenn von einem Reparaturmarker genügend Beispiele vorliegen, was bei Pausen und Lautdehnungen der Fall ist, werden ausschließlich diejenigen Selbstreparaturen ausgewertet, in denen der Marker alleine auftritt.

288 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

7.3.1 Niederfrequente Reparaturmarker und Reparandum Dieses Unterkapitel widmet sich der Funktion der Reparaturmarker, die aufgrund ihres seltenen Vorkommens in den bisherigen quantitativen Auswertungen nicht berücksichtigt werden konnten. In der Gruppe der niederfrequenten Reparaturmarker sind keine prosodischen und impliziten Reparaturmarker vertreten, da diese allesamt hochfrequent sind. Es handelt sich bei den seltenen Initiierungsressourcen ausschließlich um explizite, vor allem lexikalische Reparaturmarker (siehe Kap. 6.2 zur Abgrenzung der verschiedenen Reparaturmarker). Tabelle 77 fasst diese Marker zusammen. Tab. 77: Niederfrequente Reparaturmarker in Selbstreparaturen Reparaturmarker

Anzahl

ja

13

hm

5

na

3

Schnalzlaut

2

ach

1

Metakommentar

25

insgesamt

49

Im Folgenden werden diese Initiierungsressourcen anhand einzelner Beispiele vorgestellt und im Hinblick auf ihre interaktionale Funktion analysiert. Metakommentare, mit denen Sprecher explizit Bezug auf den vorliegenden Reparandumstyp nehmen, werden am Ende dieses Unterkapitels gesondert behandelt. Sie treten zwar relativ häufig auf, jedoch ist diese Kategorie sehr heterogen und umfasst eine Reihe verschiedener Reparaturmarker mit unterschiedlicher Funktion.

7.3.1.1 Der Reparaturmarker ja Beginnen wir mit der Verwendung von ja als Reparaturmarker (n = 13). Im folgenden Beispiel bewertet hh04 die aktuellen Politiker. Der zu analysierende Reparaturmarker ist in den Transkripten zur Hervorhebung unterstrichen.

Reparaturmarker und Reparandum | 289

(185) 01 hh04: 02 i-hh04: 03 hh04: 04 05 06 07

aber es sind auch NIEten dadrunter. [mhm ] mhm mhm, [nech-] die:-* (--) JA; (-) die nun (.) die poLItikerlaufoder sagen wir mal diese diese parTEIlaufbahn gewählt (--) [ha ]ben08 i-hh04: a [ja;]

In Z. 04 setzt der Sprecher mit der Produktion des Relativpronomens die zu einer näheren Beschreibung der Politiker an, die er abwertend als NIEten (Z. 01) bezeichnet. Nach dem Relativpronomen initiiert er durch Lautdehnung, eine Pause und den akzentuierten lexikalischen Reparaturmarker JA; eine Selbstreparatur. Die Reparaturoperation besteht in der Wiederholung des Relativpronomens, sodass das Reparandum aus dem Verhältnis von ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung nicht erschlossen werden kann. Die Verwendung von ja als Reparaturmarker unterscheidet sich vom Gebrauch als Modalpartikel (vgl. Weydt 1969), als Diskursmarker (vgl. Auer/ Günthner 2003; Meer 2009) und als Antwortpartikel oder Hörersignal (vgl. Imo 2013). Zwar wird JA; in diesem Beispiel – wie häufig auch in der Verwendung als Diskursmarker oder Antwortpartikel – als eigene prosodische Einheit produziert, jedoch unterscheidet sich JA; in (185) hinsichtlich seiner syntaktischen Position von den oben erwähnten Verwendungsweisen. Es steht nicht wie Diskursmarker, Antwortpartikeln oder Hörersignale im Vor-Vorfeld, sondern im Mittelfeld der Äußerung. Diese syntaktische Position könnte als Indiz für eine Verwendung als Modalpartikel gedeutet werden, jedoch sprechen verschiedene Punkte gegen eine solche Interpretation. Zum einen sorgen die Retraktion und die Wiederholung des Relativpronomens (ohne anschließende Wiederholung von JA;) dafür, dass der Reparaturmarker syntaktisch desintegriert ist; zum anderen wird der Reparaturmarker akzentuiert und prosodisch selbstständig produziert. Diese Merkmale schließen eine Interpretation als Modalpartikel aus und grenzen ja darüber hinaus von anderen lexikalischen Reparaturmarkern wie oder oder also ab, die häufig syntaktisch und prosodisch in die Äußerung integriert sind.111 Der Gebrauch von JA; scheint hier vielmehr der Verwendungs-

|| 111 Der Reparaturmarker ja wird in etwa der Hälfte der Fälle prosodisch desintegriert verwendet (n = 7), ist jedoch in fast ebenso vielen Fällen prosodisch in die Reparaturdurchführung integriert (n = 6).

290 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

weise zu ähneln, die Imo (2013: 181) als „Mischung aus Zögerungssignal und Diskursmarker“ beschreibt. Der folgende Auszug gibt ein weiteres Beispiel für die Verwendung von ja als Reparaturmarker. Der Patient spricht über die Unterschiede zwischen seinen eigenen beruflichen Zielen und denen seines Bruders: (186) 01 P57: er hat des au: NIE so:* (-) ähm02 (---)

er hot des au: (.) ganz andersch GNOMme wie ich;= 03 =ich war äh_g EHer' (-) bedacht dass ich des04 °h viellEicht mol in die SELBSTständigkeit brIng, 05 T57: mhm,

In Z. 01 beginnt der Patient mit der Beurteilung der beruflichen Einstellung seines Bruders, führt diese jedoch nicht zu Ende, sondern initiiert durch Lautdehnung, Pausen, ähm sowie den Reparaturmarker ↓↓ja, der durch einen großen Tonhöhensprung nach unten und niedrige Lautstärke gekennzeichnet ist, eine Selbstreparatur. Er retrahiert zum Turnbeginn, tilgt NIE so: aus der Struktur und schließt die Beurteilung daraufhin mit ganz andersch GNOMme wie ich ab. Im Gegensatz zu (185) wird in (186) also ein Teil der Äußerung verändert. Welche interaktionale Funktion erfüllt ja als Reparaturmarker in den Beispielen, die im Korpus vorliegen? Die häufig zu beobachtende prosodische Selbstständigkeit dieses Reparaturmarkers, die ihn in formaler Hinsicht in die Nähe der Antwortpartikel rückt, lässt plausibel erscheinen, dass ja auch in der Verwendung als Reparaturmarker eine bestätigende Semantik besitzt. Diese Hypothese wird durch zwei Beobachtungen gestützt. Es ist zum einen auffällig, dass der Reparaturmarker ja im Korpus ausschließlich innerhalb von Erstbewertungen112 oder Behauptungen auftritt. Der Reparaturmarker ja kann somit als vorausweisende Initiierungsressource verstanden werden, mit der der Sprecher die Bewertung oder Behauptung explizit als zutreffend herausstellt. Zum anderen treten vor dem Reparaturmarker ja regelmäßig Verzögerungsphänomene auf, wie etwa Lautdehnungen, Pausen oder andere Reparaturmarker (z. B. äh oder ähm) (vgl. Imo 2013: 182). Diese Verzögerungen deuten auf einen erhöhten Aufwand des Sprechers und somit auf sein Bestreben hin, eine adäquate Bewertung oder Behauptung abzugeben. Nach der Produktion von ja wird hingegen ohne weitere Verzögerung (oder höchstens mit kurzer Verzögerung) die

|| 112 Unter ‚Bewertung‘ sind hier bewertende oder beurteilende Turns im weitesten Sinne zu verstehen. Häufig folgt im nächsten Turn keine Zweitbewertung.

Reparaturmarker und Reparandum | 291

Selbstreparaturoperation durchgeführt. Der Reparaturmarker ja schließt also eine Zögerungsphase des Sprechers innerhalb der Bewertung oder Behauptung ab und erfüllt demnach auch die metapragmatische Funktion, den Übergang zurück zur Durchführung der begonnenen sprachlichen Handlung zu markieren.113 Der Sprecher bejaht gewissermaßen gegenüber dem Rezipienten, dass er die Bewertung oder Behauptung nun auf angemessene Weise zum Abschluss bringen kann. Die Funktion, die ja in diesen Beispielen erfüllt, scheint also über die bloße Signalisierung hinauszugehen, „dass der Sprecher mit seinem Redebeitrag fortfahren möchte“ (vgl. Nübling 2006: 601) und sich auch auf die durch den emergenten Redebeitrag durchgeführte Handlung zu beziehen. In etwa der Hälfte der Fälle verändern die Sprecher im Anschluss an ja die Bewertung oder die Behauptung durch eine Substitution oder Tilgung (siehe Bsp. (186)), in der anderen Hälfte der Beispiele wiederholt der Sprecher lediglich ein Element des ursprünglichen Turns und setzt die Äußerung wie projiziert fort (siehe Bsp. (185)). Unabhängig davon, ob der Sprecher die Reparatur dazu nutzt, die Bewertung umzugestalten oder nicht – mit der Selbstreparatur demonstriert der Sprecher, dass er bei der Durchführung seiner sprachlichen Handlung einen zusätzlichen Aufwand betreibt. Eine solche Strategie, die die Richtigkeit der eigenen Aussage unterstreicht, ist gerade im Zusammenhang mit Erstbewertungen und Behauptungen sinnvoll, weil diese besondere interaktionale Risiken bergen: Wer eine Erstbewertung (oder Behauptung) äußert, kann sich nie sicher sein, ob der Gesprächspartner sich seiner Meinung anschließen wird (vgl. Auer/Uhmann 1982).

7.3.1.2 Der Reparaturmarker hm Kommen wir nun zum Reparaturmarker hm, der im folgenden Gesprächsausschnitt eingesetzt wird. Die Patientin schildert hier das Verfahren, das auf ihren Antrag auf Frührente folgte. (187) 01 P: die fOrschen ja dann AUCH nach; 02 T: (-) m[hm,] 03 P: [bei] den ÄRZten;= 04 =is ja nich nur dass die dAs glauben das was ich denen SAG,

|| 113 Vgl. auch Zifonun et al. (1997: 376), die diese Funktion als „Überbrückung von Planungsoder Realisierungsproblemen des Sprechers“ bezeichnen.

292 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum 05

(--) die GLAU* die fOrschen ja dann auch NACH; die RENtenversicherung;

06

Die Sprecherin repariert in Z. 05 das Verb. Sie unterbricht das Vollverb (GLAU*), produziert den Reparaturmarker hm und ersetzt das Verb durch fOrschen, das im Gegensatz zum ursprünglichen Verb (vermutlich GLAUben) eine Verbpartikel in der rechten Satzklammer projiziert. Der Reparaturmarker steht hier also in Verbindung mit einer Reparatur des projizierten Verbs, bei der sich zum einen die syntaktische Struktur der Äußerung (Projektion der Verbpartikel und anderer Ergänzungen) und zum anderen die Semantik der Äußerung (anderes Vollverb, andere semantische Projektionen) verändert. Auch in drei der vier weiteren Reparaturen mit hm als Reparaturmarker wird eine semantische Reparatur am Verb durchgeführt.

7.3.1.3 Der Reparaturmarker na + Schnalzlaut Das nächste Beispiel zeigt die Verwendung von na + Schnalzlaut. Die Patientin spricht über ihre beruflichen Tätigkeiten, unter anderem als Näherin und als Angestellte im Archiv eines Krankenhauses: (188) 01 02 03 04 05 06 07 08 09

P: ja un REISetaschen [ins Aus]land hat man da geNÄHT, T: [mhm, ] mhm(1.80) P: ja un DANN: hatt ich:; (---) was hab ich DANN- (--) ja im KRANKen (-) hausim* (--) na (-) ((schnalzt)) (--) [im ] RÖNTgenarchivT: m[hm,]

Bei der Reparatur in Z. 08 handelt es sich um eine Wiederholung. Die Wiederholung selbst, der metapragmatische Kommentar was hab ich DANN- (Z. 06), die drei Pausen in Z. 08 und die Platzierung der Wiederholung vor einem projizierten Nomen liefern Anhaltspunkte dafür, dass diese Reparatur einer Wortsuche dient und na + Schnalzlaut diese Funktion markiert.114 In zwei weiteren Fällen, in denen na und/oder ein Schnalzlaut als Reparaturmarker verwendet wird, liegen ebenfalls starke Anhaltspunkte für Wortsu-

|| 114 Vgl. Ogden (2013), der zeigt, dass „clicks“ auch im Englischen unter anderem Wortsuchen projizieren.

Reparaturmarker und Reparandum | 293

chen vor. In einem Beispiel wird die Kombination von Schnalzlaut + na (die Marker treten also im Vergleich zu (188) in umgekehrter Reihenfolge auf) gemeinsam mit äh und mehreren Pausen als Reparaturmarker eingesetzt. Im anderen Beispiel (siehe (194)) wird na nicht mit Schnalzlaut, sondern zusammen mit dem Metakommentar ‚wie heißt + Ortsumschreibung‘ verwendet.115 Die Verwendung des Metakommentars, der das Reparandum explizit als „fehlende Bezeichnung“ benennt, liefert weitere Evidenz dafür, dass na (+ Schnalzlaut) zur Markierung von Wortsuchen verwendet werden kann.

7.3.1.4 Der Reparaturmarker ach Kommen wir zum Reparaturmarker ach, der im Korpus nur einmal verwendet wird. K07 berichtet im Kontext dieser Reparatur von ihren Kindheitserlebnissen: (189) 01 k07: da haben °hh äh meine eltern geBAUT, 02 nach dem* ach VOR dem kriech natürlich-=ne,

Die Sprecherin erwähnt in Z. 01 den Zeitpunkt, zu dem ihre Eltern ein Haus gebaut haben. Innerhalb der Präpositionalphrase initiiert sie eine Selbstreparatur, indem sie den Reparaturmarker ach verwendet. Daraufhin substituiert sie die Präposition nach durch VOR. Es handelt sich bei dieser Reparatur um eine semantische Korrektur, weil nur einer von beiden Zeitpunkten zutreffend sein kann. Der Reparaturmarker ach markiert hier also einen semantischen Fehler.

7.3.1.5 Metakommentare Wenden wir uns nun den Metakommentaren zu. Diese Reparaturmarker stellen eine metapragmatische Initiierungsressource dar, mit der die Sprecher direkt auf ihr sprachliches Handeln Bezug nehmen können. Metakommentare zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf den Problemtyp, der von der Reparatur bearbeitet wird, direkt hinweisen (vgl. Papantoniou 2012: 73). Das Reparandum muss in diesen Fällen also vom Rezipienten nicht aus der Projektion eines nicht-metasprachlichen Reparaturmarkers oder aus dem Verhältnis von Reparandum und Reparans erschlossen werden, sondern wird vielmehr vom Sprecher selbst explizit gemacht. Die metasprachlichen Reparaturmarker stehen

|| 115 Dieses Beispiel verdeutlicht, dass es sich bei na + Schnalzlaut um eine Kombination von zwei Reparaturmarkern handelt, die getrennt voneinander auftreten können.

294 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

somit im Kontrast zu den übrigen Reparaturmarkern, die in der großen Mehrheit der Selbstreparaturen zur Initiierung eingesetzt werden und den Rezipienten über die Natur des Problems stärker im Unklaren lassen. Die folgenden Metakommentare werden im Korpus verwendet: Tab. 78: Metakommentare als Reparaturmarker in Selbstreparaturen Metakommentar

Anzahl

sagen wir mal

6

sag ich mal

1

wie soll ich sagen

1

wo war das

1

wie heißt + Ortsumschreibung

1

wie heißt das

1

nee

6

quatsch

1

ich muss nochmal von vorne anfangen

1

was heißt X

1

X heißt die nicht mehr

1

nicht X

1

Wiederholung eines fehlerhaften Elements

1

nicht gerade X aber

1

ich mein schon X aber

1

insgesamt

25

Die Reparaturmarker in Tabelle 78 können in drei Gruppen unterteilt werden. Die oberste Gruppe von Metakommentaren ist ‚vorwärtsgerichtet‘. Diese Initiierungsressourcen werden vor allem zur Markierung von Problemen der Versprachlichung verwendet, die von Wiederholungen oder semantischen Elaborierungen bearbeitet werden. Die mittlere Gruppe von Reparaturmarkern ist ‚rückwärtsgerichtet‘ und tritt insbesondere bei der Reparatur semantischer Fehler auf.116 Die beiden untersten Metakommentare, die die dritte Gruppe bilden, werden zur Markierung von konzessiven Reparaturen (vgl. Couper|| 116 Eine vergleichbare Einteilung in „prospektive“ und „retrospektive“ Problemsignalisierung nimmt Papantoniou (2012) vor.

Reparaturmarker und Reparandum | 295

Kuhlen/Thompson 2003) eingesetzt. Bei diesen Reparaturen handelt es sich um eine Unterkategorie der semantischen Elaborierung. Im Folgenden werden die interaktionalen Funktionen dieser Metakommentare anhand von Einzelfallanalysen erläutert.

Vorwärtsgerichtete Metakommentare Wir beginnen mit den Metakommentaren zur Markierung von Versprachlichungsproblemen. Das erste Beispiel zeigt die Verwendung des Reparaturmarkers sagen wir mal und ist dem Beginn einer psychotherapeutischen Sitzung entnommen. Der Therapeut und der Patient, der in seinen bisherigen Interaktionen mit Ärzten noch keine Gelegenheit bekommen hat, ausführlich über seine chronischen Schmerzen zu berichten, besprechen, wie die Sitzung genutzt werden könnte: (190) 01 T: das könnte zum beispiel ein (--) ein eine sAche sein die wir uns eben VORnehmen;= 02 =dass äh dass (.) dass äh dass wi dass sie das mal ausführlich DARstellen können; 03 ohne-* 04 P: mhm, 05 T: (-) sagen_wir_ma ohne ZEITdruck; 06 (-) ja,

In Z. 03 beginnt der Therapeut eine Expansion der in Z. 02 abgeschlossenen syntaktischen Struktur und unterbricht sie nach dem ersten Wort (ohne), bei dem es sich aus Rezipientensicht entweder um eine Präposition oder um eine Subjunktion handeln kann. Er verwendet daraufhin die feststehende Wendung sagen wir ma (n = 6) als Metakommentar, bevor er ohne wiederholt und die Expansion mit dem Nomen ZEITdruck abschließt, das den Status von ohne retrospektiv als Präposition festlegt. Der Therapeut nimmt in diesem Beispiel also keine Veränderung an der Äußerung vor, sondern zögert lediglich die Fortsetzung der Äußerung hinaus. Welche interaktionale Funktion erfüllt dieser Metakommentar also, wenn er nicht auf ein Problem in der zurückliegenden Äußerung verweist? Die Semantik der einzelnen Bestandteile des Reparaturmarkers, die Abwesenheit eines retrospektiven Reparandums und die häufige Positionierung vor lexikalischen Elementen deuten darauf hin, dass sagen wir ma nach vorne weist und das folgende Element der Äußerung als einen möglichen Kandidaten für die Umsetzung der durchzuführenden sprachlichen Handlung markiert. In Beispiel (190) unterbreitet der Therapeut dem Patienten einen Vorschlag, wie

296 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

die Therapiesitzung genutzt werden könnte. Er markiert bei der Durchführung dieser Handlung die Formulierung ohne ZEITdruck als mögliche, aber vielleicht nicht vollkommen geeignete Bezeichnung für eine bestimmte intendierte Gesprächssituation, die dem Patienten die ausführliche Beschreibung seiner chronischen Schmerzen ermöglichen soll. Dem Reparaturmarker sagen wir ma kommt eine indexikalitätsmarkierende Funktion zu, weil er die nachfolgende Formulierung als eventuell nicht vollkommen zutreffend darstellt. Wie Auer (1981) ausführt, laden Indexikalitätsmarker den Rezipienten dazu ein, im Kontext oder im Alltagswissen – d. h. außerhalb der lexikalischen Bedeutung der ausgewählten Bezeichnung – nach dem „eigentlichen“ Referenten des potentiell problematischen Ausdrucks zu suchen. Auf diese Funktion des Metakommentars deutet auch das wir hin, das die Perspektive des Rezipienten explizit mit einbezieht.117 Neben der Verwendung mit Wiederholungen tritt sagen wir mal auch mit Veränderungen der ursprünglichen Äußerung auf. Als Beispiel dient derselbe Ausschnitt, der schon in (185) in Bezug auf ja als Reparaturmarker diskutiert wurde: (191) 01 hh04: 02 i-hh04: 03 hh04: 04 05 06 07

aber es sind auch NIEten dadrunter. [mhm ] mhm mhm, [nech-] die:- (--) JA; (-) die nun (.) die poLItikerlauf-* oder sagen wir mal diese diese parTEIlaufbahn gewählt (--) [ha ]ben08 i-hh04: ja [ja;]

In diesem Beispiel initiiert der Sprecher in Z. 07 eine Reparatur, indem er das Reparandum abbricht (poLItikerlauf) und eine Kombination der Reparaturmarker oder und sagen wir mal einsetzt. Er retrahiert zum Beginn der Nominalphrase und ersetzt sowohl den definiten durch den demonstrativen Artikel als auch das ursprüngliche Nomen durch parTEIlaufbahn. Bei dieser Substitution handelt es sich um eine semantische Elaborierung, weil das Reparandum im semantischen Kontext der Äußerung ebenfalls zutreffend wäre. Durch die Markierung der Reparatur mit sagen wir mal präsentiert der Sprecher das nachfolgende Nomen im Vergleich zum vorhergehenden als besseren, aber vielleicht nicht vollkommen zutreffenden Kandidaten. Zusätzlich hebt oder hervor, dass es sich

|| 117 In nur einem Fall wird sag ich mal als Metakommentar verwendet.

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bei Reparandum und Reparans um Alternativen handelt, die sich nicht gegenseitig ausschließen.118 Die indexikalitätsmarkierende Funktion von sagen wir mal wird in diesem Beispiel noch durch den demonstrativen Artikel unterstützt, der in diesem Kontext – es war bislang nicht die Rede von parTEIlaufbahn, sodass eine anaphorisch verweisende Funktion ausgeschlossen werden kann – ebenfalls als Indexikalitätsmarker dient.119 Der Sprecher behandelt also auch die zweite Version des Nomens als einen Begriff, der eventuell nicht ohne „Mithilfe“ des Rezipienten angemessen verstanden werden kann. Kommen wir nun zum Metakommentar wie soll ich sagen, der im folgenden Beispiel eingesetzt wird. Heiko spricht mit Hermann darüber, wie man während der Zeit im gemeinsam bewohnten Haus am besten zurechtkommt: (192) 01 Hko: ich muss mich n_bisschen (.) DIR-* (0.6) 02 [wie soll ich] SAgen- (3.0) 03 Hrm: [((schnieft))] 04 Hko: bisschen dEine einstellung ANnehmen. 05 (0.8) solange Ich h° (.) für hier DRIN bin. 06 (1.2) sons kanns irgendwann passieren dass ich AUSrasten tu.

Heiko formuliert zu Beginn des Ausschnitts die Einsicht, zu der er gelangt ist, unterbricht seine Äußerung jedoch am Ende von Z. 01. Nach einer Pause verwendet er den Metakommentar wie soll ich SAgen, der das Reparandum explizit als ein Formulierungsproblem darstellt. Nach einer weiteren langen Pause tilgt der Sprecher das Dativobjekt DIR aus der ursprünglichen Äußerung und produziert stattdessen das Akkusativobjekt dEine einstellung. Diese Veränderung der syntaktischen Struktur ist auf eine Reparatur des projizierten Verbs zurückzuführen, die einen weitreichenden Eingriff in die Formulierung des Redebeitrags darstellt. Das durch den Metakommentar angedeutete Problem und das tatsächlich bearbeitete Problem stimmen also überein. Der Metakommentar wo war das kommt ebenfalls nur in einem Beispiel vor. Hier berichtet hh04 über die Meinung, die verschiedene ihm bekannte Ostdeutsche kurz nach dem Mauerfall zur Wende hatten:

|| 118 In den vorliegenden Beispielen wird lediglich bei semantischen Elaborierungen – nicht aber bei Wiederholungen – zusätzlich zu sagen wir mal ein lexikalischer Reparaturmarker wie oder oder na eingesetzt. 119 Diese Reparatur folgt der von Auer (1981: 308) beobachteten Regelmäßigkeit, dass der indexikalitätsmarkierende demonstrative Artikel häufig erst beim zweiten Versuch der Referenzherstellung verwendet wird.

298 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum (193) 01 hh04: 02

und EIner hat uns denn auch mal- (-) den haben wir an der* (-) wo war das (-) °hh bei irgend_ner FÄHre. 03 in der DÖmitzer gegend. 04 i-hh04: ja05 hh04: und das war auch_ein VOLKSpolizist-

Der Sprecher unterbricht in Z. 02 eine Präpositionalphrase nach dem Artikel (an der*). Nach der Verwendung des Selbstreparaturmarkers wo war das ersetzt er die begonnene Präpositionalphrase durch bei irgend_ner FÄHre.120 Der Metakommentar weist explizit darauf hin, dass der Sprecher nach der Ortsbezeichnung sucht, die mit dem viele Jahre zurückliegenden Ereignis verbunden ist. Die Ersetzung des definiten Artikels der durch den Indefinitartikel irgend_ner deutet darauf hin, dass dem Sprecher die exakte Bezeichnung momentan nicht zugänglich ist und er sich deswegen mit einer unspezifischeren Umschreibung des Orts zufriedengibt. Auch der Metakommentar ‚wie heißt + Ortsumschreibung‘ erfüllt die interaktionale Funktion, das Reparandum explizit als eine fehlende Ortsbezeichnung zu benennen. Diese Initiierungsressource ist allerdings im Vergleich zu wo war das präziser, weil sie den Kreis der möglichen Kandidaten auf Eigennamen einschränkt.121 Im folgenden Ausschnitt erzählt die Sprecherin von den Fahrradtouren, die sie bereits unternommen hat: (194) 01 k07: 02 i-k: 03 k07: 04 05 06 07

wir machen °h im urlaub viele (.) FAHRradtouren; ja, den den donauradWANderwe:schund über über so ne ganze WOche rüber.=ne, und °h von den grimmeler fällen nach PASsauund ähm den ((schnalzt)) °hh äh (--) die GANze-:* na wie heißt der schlu' der fluss der in die DOnau geht-=

|| 120 Dieser Reparaturmarker, kombiniert mit einer anschließenden einsekündigen Pause, könnte theoretisch auch als Initiierung einer Fremdreparatur interpretiert werden. In diesem Fall ist eine solche Auslegung jedoch nicht möglich, weil es sich beim Redebeitrag von hh04 um die Schilderung eines persönlichen Erlebnisses handelt, das dem Interviewer unbekannt ist. Die Reparaturinitiierung wo war das ist nur der syntaktischen Form nach eine Frage, in Wirklichkeit teilt der Hörer mit dem Sprecher aber nicht das zur Beantwortung der Frage nötige Wissen. Der Ausdruck initiiert also keine Fremdreparatur, sondern eine Selbstreparatur. 121 Neben ‚wie heißt + Ortsumschreibung‘ existiert auch der Metakommentar wie heißt das (n = 1). Er ist weniger präzise bei der Lokalisierung des Problems, weil statt einer Umschreibung ein Pronomen eingesetzt wird.

Reparaturmarker und Reparandum | 299

08 09

=die ALTmühl;= =die ganze ALTmühltal runter;

In Z. 06 unterbricht die Sprecherin eine Nominalphrase (die GANze-:*) und initiiert anschließend durch wie heißt der schlu' der fluss der in die DOnau geht- eine Reparatur. Mit diesem Metakommentar macht die Sprecherin ihre Suche nach einem Flussnamen für den Rezipienten explizit. Auf diese Weise liefert die Sprecherin dem Hörer einen Grund für die dispräferierte Verzögerung bei der Gestaltung des Redebeitrags und weist gleichzeitig darauf hin, dass eine Vervollständigung vorgesehen ist. Der Metakommentar kann in diesem Beispiel auch als Initiierung einer Fremdreparatur gehört werden. Ob diese Initiierung eine Selbst- oder eine Fremdreparatur einleitet, hängt unter anderem vom Wissensstatus des Rezipienten ab (siehe auch Fußnote 120). Wenn der Rezipient über das nötige Wissen verfügt, kann er auf die Reparaturinitiierung reagieren und dem Sprecher mit dem gesuchten Element aushelfen. Im Beispiel produziert die Sprecherin den Ortsnamen jedoch direkt nach Abschluss des Metakommentars, sodass das Problem durch eine Selbstreparatur gelöst wird und eine (hörbare) Reaktion des Rezipienten auf die Reparaturinitiierung ausbleibt. Die Präferenz für Selbstreparaturen (vgl. Schegloff et al. 1977) zeigt sich in diesem Beispiel darin, dass die Initiierung der Fremdreparatur (wie heißt der schlu' der fluss der in die DOnau geht) erst nach Verzögerungen (ähm, äh, Pause, Einatmen und Lautdehnung in Z. 06) und einem Versuch zur Selbstreparatur (Substitution des Artikels in Z. 06) vorgenommen wird.

Rückwärtsgerichtete Metakommentare Kommen wir nun zur zweiten Gruppe von Metakommentaren, die zur Markierung semantischer Korrekturen eingesetzt wird. Die folgenden Selbstreparaturen sind rückwärtsgerichtet und beziehen sich auf einen fehlerhaften Teil der ursprünglichen Äußerung. In dieser Gruppe gibt es wiederum zwei verschiedene Formate. Die Reparaturmarker können den problematischen Teil des Redebeitrags bei dessen Kommentierung entweder explizit aufgreifen, indem sie ihn wiederholen (das wiederaufgegriffene Reparandum ist in der formelhaften Darstellung der Reparaturmarker als X markiert, siehe Tab. 78) oder nicht. Wir beginnen mit den Formaten ohne explizites Aufgreifen des Fehlers. In sechs Fällen wird – wie im folgenden Beispiel – nee als Reparaturmarker verwendet. Der Sprecher berichtet von den weitreichenden Folgen, die eine bestimmte Gesetzesänderung im Steuerrecht gehabt hätte:

300 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum (195) 01 hh04: 02 03

und das hätte dazu geführt, ((schluckt)) °h dass erst (.) das (-) stEuerliche verfahren ABgeschlossen werden04 i-hh04: mhm, 05 hh04: müssen, 06 i-hh04: mhm, 07 hh04: bevor das strAfrechtliche verfahren in GANG (.) gesetzt-* 08 (.) nee g' (.) ABgeschlossen wird.

In Z. 08 initiiert hh04 durch den Einsatz von nee im Anschluss an das Funktionsverbgefüge in GANG gesetzt eine Selbstreparatur. Er führt anschließend eine semantische Korrektur durch, indem er es durch ABgeschlossen ersetzt. Durch die Verwendung von nee in diesem Beispiel wird der inhaltlich fehlerhafte Teil der Äußerung explizit zurückgewiesen. Die interaktionale Funktion des Reparaturmarkers nee stimmt also mit der ablehnenden Semantik in der Verwendung als Antwortpartikel überein. Im nächsten Beispiel wird quatsch als Metakommentar verwendet. Esther berichtet von ihrer Arbeit als Stewardess, woraufhin Thomas eine Geschichte zu erzählen beginnt: (196) 01 Etr: hab dann auch n_biss[chen was geLERNT,] 02 Tms: [n_frEund von mir ] dessen freundin is äh dessen SCHWESter; (.) 03 QUATSCH04 is auch bei der stewar' äh lUfthansa STEWardess-

Zu Beginn seiner Erzählung initiiert Thomas durch äh eine Selbstreparatur, die in der Substitution des Nomens freundin durch SCHWESter besteht (Z. 02) und einen semantischen Fehler korrigiert. Der Reparaturmarker äh markiert hier die interaktionale Funktion, die er im Zusammenhang mit retrospektiven Reparaturen am häufigsten erfüllt (vgl. Tab. 82 in Kap. 7.3.2). Im Anschluss an die Substitution verwendet er in Z. 03 den Metakommentar QUATSCH, der als zusätzliches nachträgliches Zurückweisen der falschen Personenreferenz gehört werden kann. In diesem Fall steht der Metakommentar also nicht – wie die Reparaturmarker in fast allen anderen Beispielen – zwischen der ursprünglichen Äußerung und der Reparaturdurchführung. Aus diesem Grund ist ihm auch kein projektives Potential hinsichtlich der aus Rezipientensicht zu erwartenden Veränderung zuzuschreiben, sondern eine retrospektive Kommentarfunktion. Die nächste Selbstreparatur tritt zusammen mit dem Metakommentar ich muss nochmal von vorne anfangen auf. Hermann ist allein im Raum und spricht

Reparaturmarker und Reparandum | 301

mit der Kamera, d. h. mit den Zuschauern vor dem Fernseher, über einen Mottoabend, der am selben Tag stattfand. Selbstreparaturen in solchen quasimonologischen Situationen wurden nicht mit ins Korpus aufgenommen, weil hier im Gegensatz zu allen anderen (dialogischen) Beispielen kein Gesprächspartner anwesend ist. Dieses Beispiel ist die einzige monologische Reparatur, die – ausschließlich bei der Analyse der Reparaturmarker – als Ergänzung hinzugezogen wurde. Der Grund dafür ist, dass dieser Metakommentar in keiner anderen Reparatur im Korpus vorliegt, aber genau in solchen Situationen vorzukommen scheint, in denen der Produzent der Reparatur sein eigenes formelles Sprechen kommentiert:122 (197) 01 Hrm: 02 03 04

wir ham heute japAnischen Abend? (.) °h das heißt wir MUSSten uns;* äh (-) nee isch muss nochmal von VORne anfangen.

In Z. 01 produziert Hermann das Reparandum japAnischen und bringt danach das syntaktische Projekt zum Abschluss. Er eröffnet eine neue syntaktische Struktur und unterbricht diese, um die Selbstreparatur zu initiieren (Z. 02). Als Initiierungsressourcen setzt Hermann die Metakommentare nee und isch muss nochmal von VORne anfangen ein (Z. 03). Beide Kommentare markieren – in jeweils unterschiedlicher Weise – einen Teil des zurückliegenden Redebeitrags als semantisch fehlerhaft. Während nee einen semantischen Fehler zurückweist, deutet isch muss nochmal von VORne anfangen explizit auf die Notwendigkeit hin, den gesamten bisher produzierten Turn zu „löschen“ und durch eine neue, korrekte Version zu ersetzen. Zusätzlich wird in Z. 03 noch der Reparaturmarker äh verwendet, der im Zusammenhang mit retrospektiven Reparaturen ebenfalls eine semantische Korrektur projiziert (siehe Kap. 7.3.2). In Z. 04 wird schließlich das Reparandum durch chiNEsischen korrigiert. Wenden wir uns nun den Metakommentaren zu, die den problematischen Teil der ursprünglichen Äußerung durch eine Wiederholung explizit aufgreifen. Im folgenden Beispiel berichtet die Patientin von ihren chronischen Schmerzen und setzt den Metakommentar was heißt X ein:

|| 122 Grund zu dieser Annahme liefert ein weiteres Reparaturbeispiel, in dem der Reparaturmarker ich muss nochmal von vorne anfangen eingesetzt wird. Tabea gibt in diesem Fall den anderen Bewohnern den auswendig gelernten Text ihrer Theaterrolle zum Besten und macht dabei einen Fehler.

302 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum (198) 01 P: es beEinträchtigt auch beim LAUfen, 02 wenn ich jetz LAUF03 (-) is seit KURzem:-* 04 (-) was hEißt seit KURzem; 05 (-) seit_m viertelJAHR, 06 geht das mit dem BECKen, 07 dass das: jetz auch DA is,

In diesem Ausschnitt wird die Zeitangabe seit KURzem (Z. 03) durch seit_m viertelJAHR (Z. 05) ersetzt. Vor der Durchführung der Reparaturoperation weist die Sprecherin durch den Metakommentar was heißt seit KURzem darauf hin, dass die ursprüngliche Zeitangabe nicht zutreffend ist. Genauer gesagt korrigiert sie ihre subjektive Einschätzung der Länge der Zeitspanne, indem sie seit KURzem als nicht zutreffend markiert. Das Problem, das hier bearbeitet wird, scheint mit der Skalarität der Zeitangabe zusammenzuhängen.123 Zeitangaben aus einer subjektiven Perspektive sind potentiell ungenau. Eine Zeitangabe wie seit KURzem kann vom Rezipienten je nach individueller Einschätzung und je nach Äußerungskontext bei der semantischen Interpretation mit unterschiedlich langen objektiven Zeitspannen „angefüllt“ werden. Um dem Problem einer unzulänglichen Interpretation durch den Rezipienten zuvor zu kommen, können sich Gesprächsteilnehmer auch für eine objektive Zeitangabe entscheiden. Das scheint in diesem Beispiel zu passieren: Aus dem Metakommentar ergibt sich indirekt, dass die Patientin das Problem sieht, der Therapeut könnte den Zeitraum, seit dem die Schmerzen bereits bestehen, als kürzer interpretieren, als er aus ihrer Perspektive ist. Um dieses Problem zu lösen, ersetzt sie eine persönlich empfundene Zeitskala durch eine objektiv messbare Zeitskala. Sie liefert dem Therapeuten gewissermaßen die Fakten (anstelle ihrer Interpretation der Fakten), sodass er auf dieser Grundlage eine eigene subjektive Interpretation der Länge der Zeitspanne vornehmen kann. Ein weiterer Metakommentar, der das Reparandum durch Wiederholung aufgreift, wird im folgenden Beispiel verwendet. Hh04 spricht über die enormen Auswirkungen, die der Beschluss, ein bestimmtes Wort der Abgeordnetenordnung zu verändern, nach sich gezogen hätte:

|| 123 Die Semantik des Metakommentars was heißt X, die als was bedeutet X oder was ist mit X gemeint paraphrasiert werden kann, liefert bereits einen ersten Anhaltspunkt dafür, dass die Größe, die sich hinter dem von X bezeichneten Gegenstand verbirgt, Interpretationsspielraum bietet und verschieden skalierbar ist.

Reparaturmarker und Reparandum | 303

(199) 01 hh04:

das also da hätte man !EIN! wort AUStauschen müssen-= 02 =in der reichsABgeordnetenordnung;* 03 oder (.) nee rEichsabgeordnetenordnung HEISST die nich mehr. 04 °h in der ABgeordnetenordnung. 05 i-hh04: ja; 06 hh04: und dann wäre das Eingetreten was die WOLLten. 07 i-hh04: ha MANN;

Der Sprecher unterbricht seine Äußerung nach dem Nomen reichsABgeordnetenordnung (Z. 02) und initiiert durch eine Kombination der Reparaturmarker oder und nee sowie durch den Metakommentar rEichsabgeordnetenordnung HEISST die nich mehr (Z. 03) eine Selbstkorrektur. In Z. 04 ersetzt er das ursprüngliche Nomen durch ABgeordnetenordnung. Zunächst ist festzuhalten, dass der Begriff reich, der das Reparandum im engeren Sinne darstellt, im Deutschen negativ konnotiert ist, weil er von den Nationalsozialisten für Propagandazwecke missbraucht wurde. Der Reparatur kommt also auch – neben der bloßen Korrektur der faktisch unzutreffenden Bezeichnung – eine gesichtswahrende Dimension zu. Der Metakommentar erfüllt in diesem Beispiel verschiedene interaktionale Funktionen. Er weist den Rezipienten zum einen darauf hin, dass das problematische Nomen keinen völligen Fehlgriff darstellt, sondern in einem anderen zeitlichen Kontext die richtige Bezeichnung wäre. Zum anderen liefert der Sprecher dem (deutlich jüngeren) Gesprächspartner eine Erklärung für die Selbstreparatur und demonstriert gleichzeitig historisches Wissen. Der Metakommentar trägt also dazu bei, die Korrektur möglichst gesichtsschonend abzuwickeln. Im nächsten Ausschnitt wird das Reparandum durch den Metakommentar nicht X aufgegriffen. Die Gesprächspartnerinnen unterhalten sich über den Unterschied zwischen älteren, traditionellen Karnevalsvereinen und jüngeren Karnevalsvereinen ohne große Tradition: (200) 01 i-fr01: aber die Ich hab ghört die MERdinger02 ähm:

03 die GÜNdlin[ger-] 04 fr01a: [ja:,] 05 i-fr01: des isch noch GAR nit alt;

In Z. 01 unterbricht die Sprecherin ihre Äußerung nach der Bezugnahme auf die MERdinger und initiiert durch ähm: und den leise produzierten Metakommentar nit die MERdinger; eine Reparatur, die in der Substitution von MERdinger durch

304 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

GÜNdlinger besteht. Der Metakommentar mit der Negationspartikel nit ähnelt in funktionaler Hinsicht dem Einsatz des Reparaturmarkers nee, der ebenfalls einen Teil der Äußerung als fehlerhaft zurückweist. Anders als bei Selbstreparaturen mit nee, in denen das Reparandum nicht präzise lokalisiert wird und vom Rezipienten nur aus dem Verhältnis von ursprünglicher Äußerung und Reparaturdurchführung rekonstruiert werden kann, bringt der Metakommentar nicht X noch vor der Reparaturdurchführung offen zum Ausdruck, welcher Teil der Äußerung genau problematisch ist und von der Selbstreparatur bearbeitet werden soll. Wenden wir uns nun dem letzten rückwärtsgerichteten Metakommentar zu, der im Korpus vorliegt. Dieser besteht ausschließlich in der Wiederholung des Teils der Äußerung, der das problematische Element umfasst, ohne dass zusätzliche kommentierende Elemente hinzugefügt werden. Isabell macht sich im folgenden Beispiel über Hermanns Outfit lustig, das aus Handtuch, Badehose und Badeschlappen besteht: (201) 01 02 03 04 05

Ibl: Etr: Hrm: Ibl: Hrm:

dAs is BALlermann image;

[JA,] [dAs] is BALler[mann; ] [ja aber da] hast du noch n p' auf den schUhen noch n pa'* auf den SCHLAPpen-= 06

07 (-) auf den schlAppen noch n paar weiße TENnissocken an. 08 Etr: ((lacht))

Hermann stimmt in Z. 05 Isabells Erstbewertung seines Outfits zu, fügt aber hinzu, dass für ein richtiges BALlermann image (Z. 01) noch die TENnissocken (Z. 07) fehlen. In seiner Zweitbewertung führt Hermann eine Selbstreparatur durch, indem er schUhen durch SCHLAPpen ersetzt (Z. 05). Nach der Selbstreparatur unterbricht sich Hermann erneut, um in Z. 06 den leise artikulierten Metakommentar auf den SCHUhen; anzufügen. In Z. 07 nimmt er schließlich die syntaktische Struktur durch eine Wiederholung der reparierten Präpositionalphrase auf den schlAppen wieder auf und führt sie zum Abschluss. Der wiederholende Metakommentar erfüllt in diesem Beispiel, anders als die anderen Metakommentare, die einen problematischen Teil der Äußerung durch Wiederholung explizit aufgreifen, keine das Reparandum lokalisierende Funktion, weil er der Reparatur nachgestellt ist (siehe auch die Reparatur in (196) mit einer Nachstellung des Metakommentars quatsch). Vielmehr dient die Wiederholung des Fehlers, mit der Hermann sich gewissermaßen selbst „nachäfft“,

Reparaturmarker und Reparandum | 305

dazu, sich nachträglich von seinem Fehler zu distanzieren. Solche wiederholenden Kommentare, mit denen sich Sprecher auf ironische Weise über sich selbst lustig machen, sind typisch für einen humorvollen Gesprächskontext wie er im Beispiel vorliegt.

Konzessive Metakommentare Wenden wir uns nun der dritten Gruppe von Metakommentaren zu, die zur Markierung konzessiver Selbstreparaturen eingesetzt wird. In der Interaktionalen Linguistik wird die Grundform einer konzessiven sprachlichen Handlung als eine dyadische Sequenz angesehen, in der ein erster Sprecher eine Aussage macht und ein zweiter Sprecher mit dieser Aussage zwar übereinstimmt, aber eine potentiell kontrastierende Aussage hinzufügt (vgl. Couper-Kuhlen/ Thompson 2000; Barth-Weingarten 2003). Der zweite Sprecher gesteht also der Aussage des ersten Sprechers zum einen Gültigkeit zu, schränkt diese aber andererseits ein. Konzessive Relationen können auch zwischen Reparandum und Reparans in Selbstreparaturen bestehen (vgl. Couper-Kuhlen/Thompson 2003). Das folgende Beispiel zeigt eine konzessive Selbstreparatur, in der der Metakommentar nicht gerade X aber eingesetzt wird. Die Interviewerin und der Informant unterhalten sich über den breiten Dialekt, der in Köln-Ehrenfeld gesprochen wird. Ehrenfeld ist das Viertel, in dem der Informant aufgewachsen ist: (202) 01 k10a: 02 03 04 05 06 07 08 i-k:

ich kann mich erInnern dat ich mich ZEItenweise(-) je nachdem wo ich äh_äh wo ich WAR, in welcher umGEbung ich war, dat ich mich: äh:: geSCHÄMT* nicht grad geSCHÄMT hab,= =aber ähm (.) geZÖgert hab; äh zu sagen ich bin in köln EHrenfeld gebOren. echt?

In Z. 04 bricht der Sprecher nach dem Verb geSCHÄMT ab und initiiert eine Reparatur, indem er den Metakommentar nicht grad geSCHÄMT einsetzt. Die konzessive Funktion der Selbstreparatur zeigt sich bereits an dieser Position in der emergenten syntaktischen Struktur darin, dass der Metakommentar eine konzessive Konjunktion projiziert. Die Negationspartikel nicht weist die Gültigkeit des Verbs geSCHÄMT zwar einerseits zurück, aber andererseits schwächt die Modalpartikel grad die Verneinung ab und räumt dem Verb damit eine partielle Gültigkeit ein. In Z. 06 löst der Sprecher die Projektion des ersten Teils des Metakommentars ein, indem er ihn mit der konzessiven Konjunktion aber fort-

306 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

führt und schließlich das ursprüngliche Verb durch geZÖgert ersetzt. Die konzessive Reparaturfunktion zeigt sich deutlich in der semantischen Relation zwischen Reparandum und Reparans. Mit dem neuen Verb geZÖgert präsentiert der Sprecher einen adäquateren Kandidaten, der – wie die Konjunktion aber anzeigt – zwar mit der Semantik des ursprünglichen Verbs geSCHÄMT kontrastiert, aber dennoch zentrale Bedeutungsaspekte mit ihm teilt (beide Verben beschreiben das „Unwohlsein“ des Sprechers in Verbindung mit dem Dialektgebrauch) und dadurch dem Reparandum eine gewisse Richtigkeit zugesteht. Konzessive Reparaturen sind daher nicht als Fehlerkorrekturen, sondern als semantische Elaborierungen anzusehen (siehe Kap. 4.2.1.3 zur Unterscheidung der beiden Typen). Insgesamt wird die Aussage durch die Substitution des Verbs entschärft und abgeschwächt. Ein weiterer Metakommentar zur Markierung konzessiver Selbstreparaturen ist ich mein schon X aber. Dem folgenden Ausschnitt geht die Frage der Therapeutin an die Patientin voraus, was die Ursache für die aktuellen Schmerzen gewesen sein könnte. Bei der Beantwortung der Frage nimmt die Patientin Bezug auf einen Besuch ihrer Tochter und deren Kinder: (203) 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10

P22: ich hab eigentlich KEIne,* ich MEIN schOn ANstrengung; (--) ich hab (.) bin schon Angstrengt durch die KINder; T14: ja, P22: (--) un des isch mir einfach (--) UNgewohnt; ich bin aus meinem RHYTHmus bissl raus-=un; (--) aber es macht au SPASS-=also; (--) die KINDer mache mir SCHON frEude [au; ] T14: [ja:,]

Zu Beginn des Ausschnitts unterbricht die Patientin ihre Aussage nach dem Artikel KEIne (Z. 01), sodass es nicht zur Artikulation des projizierten Nomens kommt. Stattdessen leitet die Patientin mit ich MEIN (Z. 02) eine konzessive Selbstreparatur ein. Dies ist eine Funktion, die der Diskursmarker ich mein – neben einer Reihe anderer Funktionen – in der sprachlichen Interaktion relativ häufig erfüllt (vgl. Auer/Günthner 2003: 10; Günthner/Imo 2003). Nach einer kurzen Verzögerung durch den Reparaturmarker äh: fährt die Sprecherin mit dem nächsten Element des Metakommentars schOn fort, der eine konzessive Konjunktion projiziert. Auf die Partikel schOn, die den ersten Teil des konzessiven Metakommentars abschließt, folgt das Nomen ANstrengung (Z. 03). Der Metakommentar ich mein schon X weist eine explikative Semantik auf und greift ein zurückliegendes Element als Reparandum auf. Da das Nomen ANstrengung

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bislang nicht produziert wurde, die Semantik der Partikel schOn jedoch eine vorangehende Aussage einschränkt, kommt als aufgegriffenes Element nur das von KEIne (Z. 01) projizierte Nomen in Frage. Mit anderen Worten deutet der Metakommentar darauf hin, dass das von KEIne projizierte Element das Nomen ANstrengung ist. Die Sprecherin distanziert sich also von der ursprünglichen Nominalphrase KEIne (anstrengung), indem sie diese durch die artikellose Nominalphrase (ANstrengung) mit gegenteiliger Bedeutung ersetzt. Anschließend begründet die Patientin in den Zeilen 03–06 ihre Anstrengung und liefert damit gleichzeitig auch eine Begründung für die vorgenommene Selbstreparatur. In Z. 07 löst die Sprecherin schließlich durch den zweiten Teil des Metakommentars – die konzessive Konjunktion aber – die Projektion des ersten Teils ein. Die folgenden positiven Bewertungen des Umgangs mit ihren Enkelkindern es macht au SPASS-=also; (Z. 07) und die KINDer mache mir SCHON frEude [au; (Z. 08) weisen auf eine – wenn auch, wie die relativierenden Partikeln au, also und SCHON zeigen, eingeschränkte – Gültigkeit der ursprünglich begonnenen Aussage von Z. 01 hin.124

7.3.2 Hochfrequente Reparaturmarker und Reparandum Die folgende quantitative Auswertung des Zusammenhangs zwischen den hochfrequenten Reparaturmarkern und den Typen von Reparanda basiert auf den qualitativen Analysen in Kapitel 4. Bei dieser Auswertung gilt es zwei Perspektiven voneinander zu unterscheiden. Zum einen kann ausgehend von einem bestimmten Reparaturtyp (z. B. semantische Korrektur) quantitativ untersucht werden, wie häufig dieser Reparaturtyp mit einem bestimmten Reparaturmarker (z. B. äh) auftritt. Diejenigen Marker, die am häufigsten mit einem Reparaturtyp auftreten, könnten dann als besonders typisch für diesen Typ angesehen werden. Bei dieser Perspektive, die von einem Reparaturtyp ausgehend untersucht, welche Initiierungsmittel ihn markieren, handelt es sich um eine deduktive

|| 124 Neben der Anführung des Kontrasts in den Zeilen 07–08 spricht auch die Pause in Z. 06, auf die eine nicht projizierte Fortsetzung folgt (durch den freien Dativ wird ein Prädikativ mit zu – z. B. zu viel – stark projiziert), dafür, dass die Patientin bemüht ist, den Umgang mit ihren Enkelkindern nicht als übermäßig belastend darzustellen. Dieses Bestreben hat vermutlich mit „face-work“ (Goffman 1967) zu tun. Der Umgang mit Enkelkindern wird von Großeltern in der Regel als beglückend empfunden, sodass die Darstellung dieses Umgangs als mögliche Ursache für körperliche Schmerzen mit einem Verstoß gegen eine soziale Norm verbunden ist, die sich negativ auf das „face“ der Patientin auswirken könnte.

308 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

Perspektive, die nach den Mitteln sucht, mit denen ein a priori definierter Reparaturtyp markiert wird. In den folgenden Analysen soll jedoch eine andere Perspektive eingenommen werden, nämlich die der Rezipienten in der Interaktion. Es wird vom Reparaturmarker ausgehend untersucht, mit welchem Reparaturtyp dieser typischerweise verbunden ist. Diese Vorgehensweise ergibt sich aus der Hypothese, dass die verschiedenen Initiierungsmittel zur Markierung unterschiedlicher reparandumsbezogener Aspekte der Reparatur eingesetzt werden. Es soll geklärt werden, ob die Reparaturmarker aus Rezipientensicht eine Ressource darstellen können, um Rückschlüsse auf den zu erwartenden Reparaturtyp zu ziehen. Für eine ausführliche und kritische Diskussion der Methode, die in der vorliegenden Arbeit für die Analyse des Projektionspotentials der Reparaturmarker gewählt wurde, sei auf Kapitel 6.2.3 verwiesen – diese Ausführungen sollen hier nicht wiederholt werden. Dieses Kapitel dient lediglich der Beschreibung von Zusammenhängen; eine ausführliche Diskussion der Analyseergebnisse erfolgt erst im darauffolgenden Unterkapitel 7.3.3. Tabelle 79 gibt einen Überblick über den Zusammenhang der Reparaturmarker mit den drei Reparaturtypen. Wenn ein Reparaturmarker in über der Hälfte der Fälle mit einem bestimmten Reparaturtyp auftritt, ist das jeweilige Feld grau hinterlegt. In diesem Fall wird davon ausgegangen, dass der Marker den jeweiligen Reparaturtyp stärker projiziert als die beiden anderen. Diese Projektion steht wiederum für den Rezipienten potentiell als Ressource zur Verfügung, um die anstehende Art der Veränderung des Redebeitrags zu antizipieren (siehe auch Kap. 6.2.3 zur Anwendung dieses Auswertungsverfahrens). Tab. 79: Reparaturmarker nach Reparaturtyp Reparaturtyp

Reparaturmarker

explizit

implizit

Partikel/ lexikalischer Marker

prosodisch

äh n= 218

VerNur Nur schluss Pause Lautn = 165 n = 607 dehnung n = 174

ähm n= 30

also oder n = 57 n = 41

Nur Retraktion n = 740

Wortabbruch n = 460

Reparaturmarker und Reparandum | 309

Retro70 11 36 38 spektive 32,1 % 36,7 % 63,2 % 92,7 % Reparatur

139

15

104

130

261

22,9 %

8,6 %

63,0 %

17,6 %

56,7 %

Projektionsreparatur

131

30

32

148

45

21,6 %

17,2 %

19,4 %

20,0 %

9,8 %

337

129

29

462

154

55,5 %

74,1 %

17,6 %

62,4 %

33,5 %

67

13

30,7 %

43,3 % 24,6 % 7,3 %

14

3

Wiederho- 81 6 7 0 lung 37,2 % 20,0 % 12,3 % 0 % (Prspektive Reparatur)

Die beiden Reparaturmarker äh und ähm werden über alle drei Reparaturtypen hinweg etwa gleich häufig eingesetzt. Für jeden anderen Marker besteht jedoch eine recht klare Tendenz zur Verwendung mit einem bestimmten Reparaturtyp. Die lexikalischen Marker also und oder sowie Verschlüsse und Wortabbrüche treten vor allem mit retrospektiven Reparaturen auf. Pausen, Lautdehnungen und ‚nur Retraktion‘ werden hingegen hauptsächlich mit Wiederholungen eingesetzt. Projektionsreparaturen stehen mit keinem der Reparaturmarker in besonders engem Zusammenhang. Im Folgenden wird ausgewertet, welche Reparaturmarker die Sprecher bei der Bearbeitung retrospektiver Reparanda auf den verschiedenen sprachlichen Ebenen einsetzen. Der Marker, der in Verbindung mit der jeweiligen sprachlichen Ebene des Reparandums am häufigsten eingesetzt wird, ist grau hervorgehoben. Wenn die Häufigkeit eines Markers auf einer weiteren Ebene bei über 30 % liegt, wird das entsprechende Feld ebenfalls grau hinterlegt. Tab. 80: Reparaturmarker nach sprachlicher Ebene des retrospektiven Reparandums Sprachliche Reparaturmarker Ebene des Reparanexplizit dums

Phonologische Korrektur

implizit

Partikel/ lexikalischer Marker

prosodisch

äh

ähm

also

oder

Nur

Nur Laut-

Ver-

Nur Re-

Wortab-

n = 70

n = 11

n = 36

n = 38

Pause

dehnung

schluss

traktion

bruch

n = 139

n = 15

n = 104

n = 130

n = 261

8

0

0

0

6

0

33

4

43

11,4 %

0%

0%

0%

4,3 %

0%

31,7 %

3,1 %

16,5 %

310 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

Syntaktische Reparatur

5

0

3

1

15

1

8

12

23

7,1 %

0%

8,3 %

2,6 %

10,8 %

6,7 %

7,7 %

9,2 %

8,8 %

Semantische Reparatur

53

9

31

34

66

8

50

78

176

75,7 %

81,8 % 86,1 %

89,5 %

47,5 %

53,3 %

48,1 %

60,0 %

67,4 %

Pragmatische Reparatur

4

2

2

3

52

6

13

36

19

5,7 %

18,2 %

5,6 %

7,9 %

37,4 %

40,0 %

12,5 %

27,7 %

7,3 %

Unabhängig davon, welcher Reparaturmarker bei einer retrospektiven Reparatur verwendet wird, ist die Wahrscheinlichkeit für eine semantische Reparatur immer am größten. Das ist darauf zurückzuführen, dass semantische Reparaturen mit Abstand die häufigsten retrospektiven Reparaturen sind (siehe Kap. 4.2.1.3). Die Marker äh, ähm, also und oder projizieren semantische Reparaturen jedoch besonders stark. Darüber hinaus werden Pausen und Lautdehnungen häufig auch mit pragmatischen Reparaturen eingesetzt. Verschlüsse markieren in beinahe einem Drittel der Fälle phonologische Reparaturen. Wenden wir uns nun dem Vergleich der retrospektiven Reparaturtypen zu. Welche Initiierungsressourcen markieren eher Korrekturen, welche eher Elaborierungen? In Tabelle 81 werden die Reparaturmarker hervorgehoben markiert, die in mehr als zwei Dritteln der Fälle mit einem der beiden Typen verbunden sind. Bei der feinkörnigeren Auswertung in Tabelle 82, die die retrospektiven Reparaturtypen mit der sprachlichen Ebene des Reparandums verbindet, wird für jeden Marker der häufigste Reparaturtyp hervorgehoben. Darüber hinaus wird auch der zweithäufigste Typ markiert, wenn der Reparaturmarker in mehr als einem Viertel der Fälle mit ihm auftritt. Tab. 81: Reparaturmarker nach retrospektivem Reparaturtyp Retrospektiver Reparaturtyp

Reparaturmarker

explizit

implizit

Partikel/ lexikalischer Marker

prosodisch

äh

ähm

also

oder

Nur

Nur Laut- Ver-

Nur

Wortab-

n = 69

n = 11

n = 36

n = 38

Pause

dehnung schluss

Retrak-

bruch

n = 139

n = 15

tion

n = 233

n = 88

n = 128

Reparaturmarker und Reparandum | 311

Korrektur Elaborierung

44

2

4

2

21

0

65

8

99

63,8 %

18,2 %

11,1 %

5,3 %

15,1 %

0%

73,7 %

6,3 %

42,5 %

25

9

32

36

118

15

23

120

134

36,2 %

81,8 %

88,9 %

94,7 %

84,9 %

100 %

26,1 %

93,7 %

57,5 %

Tab. 82: Reparaturmarker nach retrospektivem Reparaturtyp und sprachlicher Ebene des Reparandums

RetrospektiReparaturmarker ver Reparaturtyp explizit

implizit

Partikel/ lexikalischer Marker

prosodisch

äh

ähm

also

oder

Nur

Nur

Ver-

Nur

Wortab-

n = 69

n = 11

n = 36

n = 38

Pause

Laut-

schluss

Retrak-

bruch

n = 139

deh-

n = 87

tion

n = 233

nung

n = 128

n = 15

Phonologi8 sche Korrektur 11,6 %

0

0

0

6

0

33

4

0%

0%

0%

4,3 %

0%

37,9 %

3,1 %

18,5 %

Syntaktische Korrektur

4

0

1

0

7

0

3

0

9

5,8 %

0%

2,8 %

0%

5,0 %

0%

3,4 %

0%

3,9 %

Semantische Korrektur

32

2

3

2

8

0

28

4

47

46,4 %

18,2 %

8,3 %

5,3 %

5,8 %

0%

32,2 %

3,1 %

20,2 %

Syntaktische Elaborierung

1

0

2

1

8

1

5

12

14

1,4 %

0%

5,6 %

2,6 %

5,8 %

6,7 %

5,7 %

9,4 %

6,0 %

Semantische Elaborierung

20

7

28

32

58

8

6

72

101

29,0 %

63,6 %

77,8 %

84,2 %

41,7 %

53,3 %

6,9 %

56,3 %

43,3 %

Pragmatische Elaborierung

4

2

2

3

52

6

12

36

19

5,8 %

18,2 %

5,6 %

7,9 %

37,4 %

40,0 %

13,8 %

28,1 %

8,2 %

43

Wie Tabelle 81 zeigt, werden die Reparaturmarker äh und Wortabbruch sowohl bei Korrekturen als auch bei Elaborierungen recht häufig eingesetzt. Bei allen anderen Markern zeigt sich eine klare Tendenz für einen der beiden Typen. Es gibt zwei Marker, die hauptsächlich mit Korrekturen verwendet werden, der Verschluss und äh, jedoch besteht beim Gebrauch von äh nicht ganz das Verhältnis von zwei Dritteln zu einem Drittel. Die anderen Initiierungsressourcen treten vor allem mit Elaborierungen auf.

312 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

Die Verbindung des retrospektiven Reparaturtyps mit der sprachlichen Ebene des Reparandums in Tabelle 82 liefert weiteren Aufschluss über den Einsatz der Reparaturmarker. Während äh vor allem mit semantischen Korrekturen auftritt, wird ähm hauptsächlich mit semantischen Elaborierungen verwendet. Der Vergleich basiert zwar auf relativ wenigen Beispielen, aber die Auswertung deutet dennoch auf einen funktionalen Unterschied zwischen den beiden formal sehr ähnlichen Reparaturmarkern äh und ähm hin. Pausen, Lautdehnungen und ‚nur Retraktion‘ werden sowohl für semantische als auch für pragmatische Elaborierungen eingesetzt. Verschlüsse treten etwa gleich häufig mit phonologischen und semantischen Korrekturen auf. Die Auswertung zeigt außerdem, dass neben ähm auch also, oder und ‚Wortabbruch‘ vor allem der Initiierung von semantischen Elaborierungen dienen. Im folgenden Unterkapitel verlassen wir die deskriptive Ebene und wenden uns der Diskussion der Zusammenhänge zwischen Reparaturmarkern und den bearbeiteten Problemtypen zu.

7.3.3 Die interaktionalen Funktionen der Reparaturmarker In diesem Kapitel werden die interaktionalen Funktionen der Selbstreparaturmarker im Deutschen, die sich aus den Analysen in den vorangehenden Kapiteln ableiten lassen, zusammenfassend dargestellt und systematisch gegliedert. Es ist bislang nur ansatzweise untersucht worden, wie sich die Reparaturmarker voneinander unterscheiden und wie sie in verschiedenen Sprachen eingesetzt werden (vgl. Laakso/Sorjonen 2010). 125 Es ist daher größtenteils unklar, welche Faktoren die Wahl bestimmter Initiierungsmittel bedingen und und was die Konsequenzen des Gebrauchs unterschiedlicher Reparaturmarker sind (vgl. Fox/Jasperson 1995: 82). Egbert (2009: 61) formuliert dieses Forschungsdesiderat folgendermaßen: Wenn also SprecherInnen zwischen unterschiedlichen Formen wählen können, die offensichtlich dieselbe generelle Funktion erfüllen, stellt sich immer die Frage, ob die Formen austauschbar sind oder ob es feinere Auswahlkriterien gibt. Dieses zu erfahren erweist sich allerdings als schwierig, da interne mentale Prozesse nicht direkt beobachtbar sind.

|| 125 Es gibt jedoch Hinweise, dass je nach Sprache unterschiedliche Ressourcen zur Initiierung von Selbstreparaturen eingesetzt werden. Im Ilokano, das auf den Philippinen gesprochen wird, treten „cut-off“ und „uh“ nur selten als Reparaturmarker auf; Lautdehnungen werden mit Abstand am häufigsten zur Initiierung von Selbstreparaturen verwendet (vgl. Streeck 1995: 95).

Reparaturmarker und Reparandum | 313

Mentale Prozesse sind zwar empirisch nicht direkt zugänglich, aber sehr wohl Kookkurrenzen von Form und Funktion. Auf der Basis dieser Zusammenhänge verfolgt die folgende Diskussion das Ziel, eine erste Antwort auf die Frage nach den Unterschieden zwischen den einzelnen Selbstreparaturmarkern im Deutschen zu geben. Es wird dabei kein Modell angestrebt, das den Sprachproduktionsprozess abbildet und für jede Selbstreparatur eine Vorhersage zur Verwendung eines bestimmten Markers oder einer Kombination von Markern macht. Ein solches Modell wäre wenig sinnvoll, weil es eine zu große Anzahl verschiedener Kombinationen von Markern gibt und jeder Marker bzw. jede Kombination von Markern in unterschiedlichen Kontexten verwendet wird. Es ist vielmehr das Ziel der Diskussion, ausgehend von der Verwendung eines bestimmten Markers aus Rezipientensicht Aussagen darüber zu machen, welche Merkmale der nachfolgenden Selbstreparatur er am stärksten projiziert. Es soll also vor allem auf die Rezeption der Reparaturmarker eingegangen werden. Ergänzend werden einige grundlegende Beobachtungen zur Verwendung der Reparaturmarker aus Sprechersicht diskutiert. Wie die bisherigen Analysen zeigen, haben alle Reparaturmarker gemeinsam, dass sie die projizierte syntaktische Struktur durchbrechen und damit die zum Initiierungszeitpunkt gegebene Fortsetzungserwartung des Rezipienten mehr oder weniger stark verletzen. Dieser Bruch mit der projizierten Fortsetzung der Äußerung kann vom Rezipienten potentiell als Ressource genutzt werden, sich auf eine anstehende Veränderung des Redebeitrags und die damit verbundene Reprozessierung der Äußerung einzustellen. Die Reparaturmarker durchbrechen also nicht nur die projizierte Fortsetzung der ursprünglichen Äußerung, sondern bringen selbst wiederum die Projektion ins Spiel, dass eine Selbstreparatur folgen wird. Sie markieren somit für den Rezipienten den Übergang von der eigentlichen Äußerung zur Reparaturdurchführung. Über diese grundlegende funktionale Eigenschaft hinaus eröffnen die Reparaturmarker aber noch eine Reihe weiterer Projektionen, die dem Rezipienten verschiedene Hinweise über die Art des Reparandums und die strukturelle Gestaltung der nachfolgenden Selbstreparatur liefern können.

314 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

Tab. 83: Die Funktionen der Selbstreparaturmarker Reparaturmarker

Funktion des Reparaturmarkers

Vorwärtsgerichtet

schwache Projektion: wenn retrospektive Reparatur, dann

nur Pause

starke Projektion: Wiederholung semantische oder pragmatische Elaborierung

nur Lautdehnung

starke Projektion: Wiederholung schwache Projektion: wenn retrospektive Reparatur, dann semantische oder pragmatische Elaborierung

nur Retraktion

starke Projektion: Wiederholung schwache Projektion: wenn retrospektive Reparatur, dann semantische oder pragmatische Elaborierung

na + Schnalzlaut

Anzeigen einer Wortsuche

Metakommentar

Anzeigen eines Problems der Versprachlichung

ja

Bestätigung der Adäquatheit einer Bewertung im Kontext einer Verzögerung oder Reparatur

Rückwärtsgerichtet

also

starke Projektion: semantische Elaborierung

oder

starke Projektion: semantische Elaborierung

ähm

starke Projektion: semantische Elaborierung

Wortabbruch

starke Projektion: semantische Elaborierung schwache Projektion: semantische oder phonologische Korrektur

Konzessiver Metakommentar

Projektion einer konzessiven Selbstreparatur

äh

starke Projektion: semantische Korrektur schwache Projektion: semantische Elaborierung oder Wiederholung

Verschluss

starke Projektion: phonologische oder semantische Korrektur

ach

Projektion einer semantischen Korrektur126

Metakommentar

Explizite Zurückweisung eines semantischen Fehlers und Projektion einer semantischen Korrektur

Tabelle 83 präsentiert die interaktionalen Funktionen der Reparaturmarker. Sie fasst die Beobachtungen zum Zusammenhang der Reparaturmarker mit struktu|| 126 Wie stark dieser Reparaturmarker semantische Korrekturen projiziert und ob er andere Reparaturtypen eventuell noch stärker projiziert, ist nicht klar, weil nur ein Beispiel vorliegt.

Reparaturmarker und Reparandum | 315

rellen Faktoren (Kap. 6.2.3) und mit reparandumsbezogenen Faktoren der Selbstreparatur (Kap. 7.3.1 und 7.3.2) zusammen. Es sind alle Selbstreparaturmarker aufgelistet, die im vorliegenden Korpus vorkommen.127 Für jeden Reparaturmarker in der linken Spalte der Tabelle ist in der rechten Spalte die interaktionale Funktion angeführt. Es lassen sich aus Sicht des Rezipienten zwei große Gruppen von Reparaturmarkern unterscheiden, die durch die fettgedruckte Linie und die Farbhinterlegung voneinander getrennt werden: vorwärtsgerichtete Reparaturmarker in der oberen Hälfte der Tabelle (weiß) und rückwärtsgerichtete Reparaturmarker in der unteren Hälfte (grau). Die vorwärtsgerichteten Marker (obere Hälfte) projizieren vor allem Wiederholungen, während die rückwärtsgerichteten Marker (untere Hälfte) am stärksten Reparaturen projizieren, bei denen das Reparandum bereits als Teil der sprachlichen Oberfläche vorliegt. Die rückwärtsgerichteten Marker lassen sich wiederum in zwei Gruppen gliedern (verschiedene graue Hinterlegung), die sich bezüglich der projizierten retrospektiven Reparaturtypen unterscheiden. Insgesamt scheint es einen Zusammenhang zwischen der Schwere des Reparandums und der Schwere des Reparaturmarkers zu geben: Je schwerwiegender das zu bearbeitende Problem, desto schwerwiegender ist der Eingriff in die Äußerung durch den Reparaturmarker.

7.3.3.1 Vorwärtsgerichtete Reparaturmarker Die prosodischen Reparaturmarker ‚nur Pause‘ und ‚nur Lautdehnung‘ sowie der implizite Reparaturmarker ‚nur Retraktion‘ in den ersten drei Zeilen der Tabelle projizieren am stärksten Wiederholungen. Diese Reparaturmarker zeichnen sich durch eine gewisse „Leichtigkeit“ aus, weil sie der emergenten Struktur kein artikuliertes Material hinzufügen. Die Wiederholung hat mit diesen Reparaturmarkern gemeinsam, dass sie als „leichteste“ Reparaturoperation anzusehen ist, da sie nur minimal in die emergente Struktur eingreift. Diese Parallele deutet darauf hin, dass die Motivation ‚Kontinuität der Rede‘ (vgl. Clark/Wasow 1998: 206) bei der Selektion der Reparaturmarker eine Rolle spielt: Sprecher setzen bei der Initiierung von Wiederholungen, die die Äußerung nicht verändern, bevorzugt Ressourcen ein, die den Redefluss maximal aufrecht erhalten. Dies wird auch durch das Ergebnis unterstrichen, dass sich bei der Durchführung von Wiederholungen eine Tendenz zur Vermeidung von Wortabbrüchen zeigt (siehe Kap. 6.1.3). Es handelt sich bei den prosodischen Initiie|| 127 Der Reparaturmarker hm ist in der Tabelle nicht enthalten, da in den wenigen vorliegenden Beispielen keine eindeutige Funktion erkennbar ist.

316 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

rungsressourcen ‚Pause‘ und ‚Lautdehnung‘ außerdem um diejenigen Elemente, die häufig auch ohne Retraktion zur Verzögerung des Redebeitrags eingesetzt werden. Diese Reparaturmarker sind offenbar aus Sprechersicht besonders geeignet für die Verwendung mit Wiederholungen, deren Funktion ebenfalls die Verzögerung der Äußerungsfortsetzung zu sein scheint (siehe Kap. 6.4.2). Neben der starken Projektion einer Wiederholung bringen die Reparaturmarker ‚nur Pause‘, ‚nur Lautdehnung‘ und ‚nur Retraktion‘ auch die schwache Projektion ins Spiel, dass im Falle einer retrospektiven Reparatur am ehesten eine semantische oder pragmatische Elaborierung folgen wird. Neben diesen drei Ressourcen gibt es noch einige andere vorwärtsgerichtete Reparaturmarker, die allerdings sehr selten vorkommen. Diese Marker projizieren keine Wiederholungen, sondern weisen explizit auf Probleme der Versprachlichung hin (siehe die Metakommentare wie soll ich sagen in (192), wo war das in (193), wie heißt + Ortsumschreibung in (194) in Kap. 7.3.1.5) oder zeigen eine Wortsuche an (siehe na + Schnalzlaut in (188) in Kap. 7.3.1.3). Die Analysen zeigen, dass Sprecher diese umfangreicheren vorwärtsgerichteten Reparaturmarker hauptsächlich im Kontext starker Verzögerungen des Redebeitrags einsetzen – also dann, wenn sie zur Bearbeitung des Reparandums besonders viel Zeit benötigen. In den oben genannten Beispielen scheinen die Sprecher einen expliziten Hinweis auf die Art des Problems zu bevorzugen, anstatt allein prosodische Reparaturmarker einzusetzen, die der emergenten Struktur kein Material hinzufügen. Ein solcher expliziter Hinweis verlagert die Bearbeitung des Reparandums von der individuellen kognitiven Ebene stärker auf die interaktionale Ebene. Zwar kann auch ein prosodischer Hinweis wie eine Pause oder eine Lautdehnung dazu führen, dass ein Rezipient dem Sprecher bei der Konstruktion der Äußerung behilflich ist (vgl. Brenning 2013), die oben genannten umfangreicheren expliziten Hinweise erleichtern jedoch dem Rezipienten die Identifizierung des Reparandums und verstärken damit seine Option, dem Sprecher bei der Bearbeitung des Problems auszuhelfen. Zudem sichert sich der Sprecher durch diese Reparaturmarker für den Fall, dass der Rezipient sich an der Bearbeitung des Reparandums nicht beteiligt, das Rederecht, indem er anzeigt, dass er gewillt ist, den Redebeitrag zu Ende zu führen. Der Metakommentar sagen wir mal (siehe (190) und (191) in Kap. 7.3.1.5) unterscheidet sich bereits durch die Verberststellung von den anderen vorwärtsgerichteten Metakommentaren, bei denen es sich um W-Fragen handelt. Dieser Metakommentar erfüllt eine indexikalitätsmarkierende Funktion und kann daher, ähnlich wie die oben erwähnten vorwärtsgerichteten Metakommentare, vom Rezipienten als Aufforderung zur „Mithilfe“ behandelt werden. Diese besteht im Fall von sagen wir mal allerdings weniger in einer Ko-Konstruktion der

Reparaturmarker und Reparandum | 317

Äußerung als in der Suche nach dem gemeinten Referenten im Hintergrundwissen (vgl. Auer 1981). Der Reparaturmarker ja tritt, wie die meisten vorwärtsgerichteten Metakommentare, im Kontext von Verzögerungen auf (siehe Kap. 7.3.1.1). Er scheint jedoch vor allem in Bewertungen eingesetzt zu werden, um deren Adäquatheit vorab zu bekräftigen, sodass seine Verwendung auf bestimmte konversationelle Handlungen beschränkt zu sein scheint. Für die anderen vorwärtsgerichteten Reparaturmarker, für die allerdings noch weniger Beispiele vorliegen, zeichnet sich im Korpus keine solche Beschränkung ab.

7.3.3.2 Rückwärtsgerichtete Reparaturmarker Im Gegensatz zu den vorwärtsgerichteten Reparaturmarkern projizieren Reparaturpartikeln (äh, ähm), lexikalische Reparaturmarker (oder, also, ach), der implizite Reparaturmarker ‚Wortabbruch‘ und der prosodische Reparaturmarker ‚Verschluss‘ vor allem retrospektive Reparaturen, sodass diese Ressourcen als rückwärtsgerichtete Reparaturmarker bezeichnet werden können. Diese Marker sind als „schwerer“ anzusehen als die vorwärtsgerichteten Reparaturmarker ‚nur Pause‘, ‚nur Lautdehnung‘ und ‚nur Retraktion‘, weil sie der emergenten Struktur artikuliertes Material hinzufügen oder die phonologische (Wortabbruch) oder intonatorische (Verschluss) Struktur der Äußerung durchbrechen. Wenn ein Problem als Teil der produzierten Struktur vorliegt und daher aus einer interaktionalen Perspektive als schwerwiegender betrachtet werden kann als ein Reparandum in Wiederholungen, scheinen Sprecher auch vermehrt schwerwiegendere Reparaturmarker einzusetzen. Die rückwärtsgerichteten Reparaturmarker lassen sich danach unterteilen, ob sie Elaborierungen (hellgrau), oder Korrekturen (dunkelgrau) am stärksten projizieren. Die rückwärtsgerichteten Reparaturmarker also, oder und ähm projizieren am stärksten semantische Elaborierungen. Die Semantik, die oder und also außerhalb des Reparatursystems als koordinierende Konjunktion und als kausales Adverb besitzen, scheint auch bei der Reparaturinitiierung „mitzuschwingen“ und von den Sprechern genutzt zu werden. Gerade für die Initiierung semantischer Elaborierungen scheinen die beiden Marker besonders geeignet zu sein: Während oder das Reparandum und das Reparans als zwei semantische Alternativen präsentiert (siehe Bsp. (105) in Kap. 6.2.1.1), können das Reparandum und das Reparans durch die Verwendung von also als Reparaturmarker (Bsp. (104) in Kap. 6.2.1.1) in eine begründende oder erklärende Relation gestellt werden. Die Verwendung dieser Reparaturmarker liefert weitere Evidenz für den geordneten Charakter von Selbstreparaturen. Sprachliche Elemente, die außer-

318 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

halb des Reparatursystems semantische Relationen zwischen Bestandteilen der Äußerung herstellen, können diese strukturierende Funktion auch innerhalb des Reparatursystems erfüllen. Die beiden Marker können aufgrund ihrer Verwendungsweise außerhalb des Reparatursystems auch benutzt werden, um die Reparatur als „normale Äußerung“ zu camouflieren. Die Camouflage-Funktion kommt besonders deutlich in einigen Beispielen zum Vorschein, in denen oder und also in Korrekturen eingesetzt werden (siehe (199) in Kap. 7.3.1.5). In solchen Fällen besteht die Camouflage-Funktion der beiden Marker darin, ein Fehler-Reparandum als weniger gravierend darzustellen. Die Verwendung dieser beiden Reparaturmarker in Korrekturen weist auf den gesichtsbedrohenden Charakter von Selbstreparaturen hin. Sprecher beginnen in diesen Fällen die Bearbeitung des Reparandums nicht erst mit der Reparaturoperation, sondern bereits mit der Reparaturinitiierung, indem sie versuchen, den Fehler „herunterzuspielen“. Wortabbrüche projizieren ebenfalls am stärksten semantische Elaborierungen. Im Gegensatz zu den Markern also, oder und ähm bringen Wortabbrüche jedoch noch eine zweite, etwas schwächere Projektion ins Spiel; sie projizieren auch semantische und phonologische Korrekturen (siehe auch Kap. 8.1.2). Die selten verwendeten Metakommentare, die konzessive Selbstreparaturen projizieren, gehören ebenfalls zu dieser Gruppe von Initiierungsressourcen, weil konzessive Reparaturen als semantische Elaborierungen anzusehen sind (siehe Kap. 7.3.1.5). Kommen wir nun zur zweiten Gruppe rückwärtsgerichteter Reparaturmarker (dunkelgrau hinterlegt), die in erster Linie Korrekturen projizieren. Wie die Analysen zeigen, projiziert die Reparaturpartikel äh am stärksten semantische Korrekturen. Darüber hinaus bringt sie die schwächere Projektion einer semantischen Elaborierung oder einer Wiederholung ins Spiel (siehe Kap. 7.3.2). Vergegenwärtigt man sich darüber hinaus, dass die Partikel äh häufig auch als Zögerungspartikel ohne anschließende Retraktion verwendet wird, so wird deutlich, dass äh von allen Reparaturmarkern vermutlich das breiteste Funktionsspektrum besitzt und über die verschiedensten Reparaturkontexte hinweg zum Einsatz kommen kann. Darüber hinaus zeigt sich auch ein feiner funktionaler Unterschied zwischen den formal sehr ähnlichen Partikeln äh und ähm. Beide Reparaturmarker projizieren am stärksten Reparaturen auf der semantischen Ebene, aber äh macht eher eine Korrektur erwartbar, während ähm häufiger mit Elaborierungen auftritt. Dieses Ergebnis weist in dieselbe Richtung wie Untersuchungen zur Verwendung von uh und um im Englischen (vgl. Clark/Fox Tree 2002), die ebenfalls einen funktionalen Unterschied zwischen den beiden Markern feststellen: Sie dienen den Sprechern als Ressource, um die Länge

Reparaturmarker und Reparandum | 319

einer erwarteten Verzögerung des Redebeitrags als kürzer (uh) oder länger (um) zu markieren. Der Verschluss ist derjenige Reparaturmarker, der Korrekturen von allen Initiierungsressourcen am stärksten projiziert. Verschlüsse machen sowohl phonologische als auch semantische Korrekturen erwartbar. In diesem Zusammenhang wird ein interessanter Unterschied zwischen Wortabbrüchen und Verschlüssen deutlich. Während Verschlüsse aus Rezipientensicht eindeutig mit Korrekturen verbunden sind, projizieren Wortabbrüche Elaborierungen sogar etwas stärker als Korrekturen. Das zeigt, dass ‚Wortabbruch‘ und ‚Verschluss‘, obwohl sie häufig gemeinsam verwendet werden (74,1 % der Verschlüsse treten zusammen mit einem Wortabbruch auf), zwei Ressourcen sind, die bei der Reparaturinitiierung unabhängig voneinander eingesetzt werden können. Ein Wortabbruch ist nur dann ein sehr starker Hinweis auf eine Korrektur, wenn er mit einem Verschluss verbunden ist. Umgekehrt ist ein Verschluss jedoch auch dann ein Hinweis auf eine Korrektur, wenn er an einer Wortgrenze eingesetzt wird (siehe Bsp. (16) in Kap. 4.2.1.3). Der lexikalische Reparaturmarker ach tritt nur einmal auf – in diesem Beispiel markiert er eine semantische Korrektur (siehe Kap. 7.3.1.4). Rückwärtsgerichtete Metakommentare treten ebenfalls nur sehr selten auf. Wenn sie eingesetzt werden, weisen sie einen semantischen Fehler explizit zurück und unterscheiden sich darin, wie präzise sie das Reparandum für den Rezipienten lokalisieren (siehe Kap. 7.3.1.5). Metakommentare können darüber hinaus die Durchführung sozialer Handlungen unterstützen, die von scherzhaften Bemerkungen (siehe Bsp. (201) in Kap. 7.3.1.5) bis hin zu „face-work“ (Goffman 1967) (siehe Bsp. (199) in Kap. 7.3.1.5) reichen. Es gibt also vorwärtsgerichtete Reparaturmarker, die Wiederholungen am stärksten projizieren und rückwärtsgerichtete Reparaturmarker, die zumeist mit retrospektiven Reparaturen verbunden sind. Es ist aber bemerkenswert, dass der dritte Reparaturtyp, die Projektionsreparatur, von keiner der Initiierungsressourcen am stärksten projiziert wird. Was ist der Grund für diese „Lücke“ im System der Funktionen der Reparaturmarker? Projektionsreparaturen werden so früh initiiert, dass das eigentliche Problem noch nicht artikuliert ist. Eine Markierung dieser Reparaturen durch stark projizierende Marker scheint nicht nötig zu sein, weil ohnehin noch kein „handfestes“ konversationelles Problem vorliegt, auf dessen Bearbeitung sich der Rezipient einstellen müsste. Ein größerer Vorteil wird für den Rezipienten vermutlich dann geschaffen, wenn der Reparaturmarker ihn auf die anstehende Verarbeitung eines bereits produzierten Problems vorbereitet, das in retrospektiven Reparaturen als artikulierter Teil der Äußerung vorliegt. Die „leichten“ Reparaturmarker, die regelmäßig mit

320 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

Wiederholungen auftreten, scheinen regelmäßig als Ressourcen für zusätzlichen Zeitgewinn eingesetzt zu werden. Diese Funktion der „leichten“ Marker scheint dafür verantwortlich zu sein, dass Wiederholungen im Gegensatz zu Projektionsreparaturen von manchen Markern projiziert werden – und nicht ein Bestreben des Sprechers, das Reparandum in Wiederholungen interaktional stärker zu markieren als das Reparandum in Projektionsreparaturen.

7.3.3.3 Zusammenfassung: Reparaturmarker und Reparandum Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Reparaturmarker ihre interaktionale Arbeit im Allgemeinen auf äußerst effiziente Weise verrichten. Sprecher können sich bei der Reparaturinitiierung zum einen bereits vorhandene sprachstrukturelle Eigenschaften zunutze machen, ohne der Struktur ein Element hinzuzufügen (implizite Reparaturmarker; siehe Kap. 6.2.2). Außerdem können prosodische Mittel eingesetzt werden, die ihre interaktionale Aufgabe ebenfalls ohne großen Produktions- und Rezeptionsaufwand erfüllen (siehe Kap. 6.2.1.2). Andererseits können Reparaturpartikeln (z. B. äh, ähm) und lexikalische Marker (z. B. oder, also, ach) eingesetzt werden (siehe Kap. 6.2.1.1), die zumeist nur eine Silbe oder zwei Silben umfassen. Umfangreichere metasprachliche Kommentare werden nur äußerst selten verwendet. Ein Grund für deren Seltenheit könnte darin liegen, dass die Initiierung einer Selbstreparatur auf der metasprachlichen Ebene mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Verwendung der anderen Initiierungsressourcen und somit der Präferenz für Progressivität (vgl. Schegloff 1979; Stivers/Robinson 2006) zuwiderläuft. Ein solcher erhöhter Produktions- und Rezeptionsaufwand scheint nur in denjenigen Fällen in Kauf genommen zu werden, in denen das vorliegende Reparandum oder die im Augenblick der Reparaturinitiierung durchzuführende soziale Handlung aus Sprechersicht eine Explizierung des Problems erfordert. Wie Kapitel 7.3.1.5 gezeigt hat, reichen die Probleme, zu deren Bearbeitung Metakommentare eingesetzt werden, von momentan nicht abrufbaren Begriffen bis hin zu semantischen Fehlern, die auf eine für den Sprecher nachteilige Weise missverstanden werden können. Vor allem in Situationen formellen Sprechens scheint der Versuch, einen Fehler durch die korrekte Version zu „überschreiben“, einer der Hauptgründe für die Verwendung von Metakommentaren zu sein (siehe Bsp. (197) in Kap. 7.3.1.5). Insgesamt liefern die Auswertungen Hinweise dafür, dass Reparaturmarker bestimmte Typen von Selbstreparaturen projizieren. Sie stellen somit eine Ressource dar, die dem Rezipienten Informationen über die zu erwartende Veränderung des Redebeitrags liefern kann, noch bevor die Reparatur selbst durchge-

Retraktion und Reparandum | 321

führt wird. Dadurch kann sich der Rezipient bereits im Voraus auf die Reparaturprozessierung einstellen, was wiederum dazu führt, dass das Reparandum potentiell schneller erkannt und beseitigt werden kann. Die Realität grammatischer Projektionen kann beim Phänomen der Selbstreparatur – anders als beispielsweise bei syntaktischen Ko-Konstruktionen (vgl. Brenning 2013) – nicht durch eine Rezipientenreaktion auf der interaktionalen Ebene nachgewiesen werden. Obwohl das Projektionspotential von Reparaturmarkern somit hypothetisch bleibt, tragen die nachgewiesenen Form-Funktions-Zusammenhänge dennoch zu einer Erklärung für die Ausdifferenziertheit des Systems der Reparaturmarker im Deutschen bei und deuten auf eine zentrale Rolle von Projektionen für die sprachliche Interaktion hin.

7.4 Retraktion und Reparandum Dieses Kapitel untersucht, in welchem Zusammenhang die Retraktionen mit den unterschiedlichen Typen von Reparanda in Selbstreparatur stehen. Wie in Kapitel 6.3 wird auch bei den folgenden Analysen zwischen der Retraktionsspanne und dem Retraktionspunkt unterschieden.

7.4.1 Retraktionsspanne und Reparandum Die Analyse der Retraktionsspanne in Kapitel 6.3.1 hat ergeben, dass die Sprecher in fast zwei Dritteln der Fälle direkt zum Reparandum retrahieren; in diesen Fällen ist die Retraktionsspanne null. In nur einem Drittel der Fälle retrahieren die Sprecher nicht zum Reparandum, sondern weiter in der Struktur zurück, als dies eigentlich nötig wäre. Wann genau ist das der Fall? Hängt die Größe der Retraktionsspanne davon ab, welche Art von Problem die Sprecher bearbeiten? Diese Fragen stehen im Fokus der folgenden Auswertung. Tab. 84: Retraktionsspanne nach Reparaturtyp Reparaturtyp

Mittlere Retraktionsspanne in Silben

Retrospektive Reparatur (n = 631)

Projektionsreparatur (n = 520)

0,53

0,40

322 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

Es liegt im Hinblick auf die Retraktionsspanne ein sehr signifikanter Unterschied zwischen den beiden Reparaturtypen vor (F(1) = 8,85; p < 0,01**). Dieser Unterschied ist vermutlich auf die syntaktischen Kontexte zurückzuführen, in denen die beiden Reparaturtypen auftreten. Während von retrospektiven Reparaturen alle Teile der syntaktischen Struktur betroffen sind, sodass das ganze Spektrum an (auch längeren) Retraktionsspannen auftritt, beziehen sich Projektionsreparaturen vor allem auf Artikel und Verben, bei deren Reparatur die möglichen Retraktionsspannen stärker eingeschränkt und insgesamt kürzer sind. Bei der Reparatur eines Artikels beträgt die Retraktionsspanne in Nominalphrasen meistens null, weil fast immer direkt zum Reparandum retrahiert wird. In Präpositionalphrasen, in denen die Präposition fast immer mit einbezogen wird, ist die Retraktionsspanne meistens eins und seltener (bei zweisilbigen Präpositionen) zwei. Bei Reparaturen des Verbs beträgt die Retraktionsspanne null oder eins, weil die Retraktion entweder zum Reparandum geht oder maximal eine einsilbige Konstituente im Vorfeld der Struktur wiederholt wird (siehe Kap. 6.3.2.1). Wie weitere statistische Auswertungen zeigen, unterscheiden sich die beiden Typen der Projektionsreparatur – Reparaturen des projizierten Nomens und Reparaturen des projizierten Verbs – im Hinblick auf die Größe der Retraktionsspanne nicht signifikant voneinander. Auch der Unterschied zwischen den beiden retrospektiven Reparaturtypen Korrektur und Elaborierung ist nicht signifikant. Die Entscheidung, wie weit ein Sprecher in der Struktur zurückgeht, wird also nicht allein dadurch beeinflusst, ob ein „echter“ Fehler vorliegt oder nicht. Wie verhält es sich bei den retrospektiven Reparaturen mit der sprachlichen Ebene, auf der das Reparandum angesiedelt ist? Beeinflusst dieser Aspekt der Selbstreparaturen die Retraktionsspanne? Tab. 85: Retraktionsspanne nach sprachlicher Ebene des retrospektiven Reparandums Sprachliche Ebene des Reparandums

Mittlere Retraktionsspanne in Silben

Phonologische Korrektur (n = 58)

Syntaktische Reparatur (n = 68)

Semantische Reparatur (n = 413)

Pragmatische Reparatur (n = 61)

0,10

0,43

0,56

0,79

Retraktion und Reparandum | 323

Die Retraktionsspanne in phonologischen Reparaturen ist sehr klein, weil die Sprecher hier besonders häufig direkt zum Reparandum retrahieren (vgl. auch Nooteboom 1980: 92–93). Bei pragmatischen Reparaturen ist die Retraktionsspanne sehr groß, weil diese einen relativ hohen Anteil an projektionserhaltenden Tilgungen von Adverbien und Modalpartikeln mit obligatorischem syntaktischen Anker enthalten (n = 10; 16,4 %; sieben der zehn Anker umfassen zwei Silben). Der Unterschied zwischen den sprachlichen Ebenen ist insgesamt sehr signifikant (F(3) = 7,88; p < 0,01**). Dieses Ergebnis ist darauf zurückzuführen, dass zwischen phonologischen und semantischen Reparaturen sowie zwischen phonologischen und pragmatischen Reparaturen ein sehr signifikanter Unterschied besteht. Die anderen Gruppen unterscheiden sich nicht signifikant. Bei semantischen und pragmatischen Reparaturen wird also häufiger ein syntaktischer Anker eingesetzt als bei phonologischen Reparaturen. Da es sich bei den phonologischen Reparaturen ausschließlich um Korrekturen handelt, bei den pragmatischen Reparaturen jedoch – bis auf ein Beispiel – nur um Elaborierungen und bei den semantischen Reparaturen sowohl um Korrekturen als auch um Elaborierungen, muss – wie bei der Untersuchung des Abbruchpunkts – noch eine zusätzliche, feinkörnigere Analyse vorgenommen werden. Mit der folgenden Auswertung, die den retrospektiven Reparaturtyp (Korrektur vs. Elaborierung) mit der sprachlichen Ebene des Reparandums (phonologisch vs. syntaktisch vs. semantisch vs. pragmatisch) verbindet, soll überprüft werden, ob die sprachliche Ebene des Reparandums unabhängig vom retrospektiven Reparaturtyp eine Rolle spielt. Tab. 86: Retraktionsspanne nach retrospektivem Reparaturtyp und sprachlicher Ebene des Reparandums Retrospektiver Reparaturtyp

Mittlere Retraktionsspanne in Silben

Phonol. Korrektur (n = 58)

Synt. Korrektur (n = 22)

Sem. Synt. Korrektur Elaborierung (n = 92) (n = 46)

Sem. Pragm. Elaborierung Elaborierung (n = 321) (n = 60)

0,10

0,36

0,74

0,51

0,46

0,82

Es besteht insgesamt ein sehr signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen (F(5) = 6,00; p < 0,01**), der auf drei Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen

324 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

zurückzuführen ist. Erstens unterscheiden sich phonologische Korrekturen und pragmatische Elaborierungen sehr signifikant voneinander. Diese Auswertung ist identisch mit dem Vergleich der phonologischen Korrekturen und pragmatischen Reparaturen in Tabelle 85 – es wurde in Tabelle 86 lediglich eine pragmatische Korrektur ausgeschlossen (n = 61 in Tab. 85 vs. n = 60 in Tab. 86). Zweitens besteht ein signifikanter Unterschied zwischen phonologischen Korrekturen und semantischen Elaborierungen. Drittens, und das ist das entscheidende Ergebnis, unterscheiden sich phonologische und semantische Korrekturen sehr signifikant voneinander. Dieser Unterschied deutet darauf hin, dass die sprachliche Ebene des Reparandums unabhängig vom Reparaturtyp (Korrektur vs. Elaborierung) einen Einfluss auf die Retraktionsspanne ausübt: Sprecher retrahieren in phonologischen Korrekturen besonders häufig unmittelbar zum Reparandum, während sie bei semantischen Korrekturen tendenziell weiter in der Struktur zurückgehen.

7.4.2 Retraktionspunkt und Reparandum Bei der Analyse des Retraktionspunkts (siehe Kap. 6.3.2) hat sich gezeigt, dass bei der Reparatur bestimmter Elemente, beispielsweise Determinierer und Pronomen, in den verschiedenen syntaktischen Umgebungen eine äußerst kleine Variation bezüglich der Position des Retraktionspunkts vorherrscht: Sprecher retrahieren regelmäßig zur gleichen syntaktischen Position. Bei der Reparatur anderer Elemente, vor allem Verben in Zweitstellung und Nomen, haben die Sprecher jedoch keine eindeutige Präferenz bei der Selektion des Retraktionspunkts und wählen verschiedene syntaktische Positionen als Zielpunkte aus. Im Folgenden soll untersucht werden, inwiefern Reparandum und Reparaturtyp mit diesen heterogenen Verhältnissen hinsichtlich der Lage des Retraktionspunkts zusammenhängen.

7.4.2.1 Reparaturen von Verben in Zweitstellung Wenden wir uns zunächst den Reparaturen von Verben in Zweitstellung zu, bei denen zwei präferierte Retraktionspunkte zu beobachten sind: das Reparandum (Verb) und die Konstituente, die das Vorfeld besetzt (Pronomen oder Adverb). In Kapitel 6.3.2 konnte festgestellt werden, dass die Lage des Retraktionspunkts bei der Reparatur von Verben in Zweitstellung ganz entscheidend durch einen strukturellen Faktor bestimmt wird, nämlich die Komplexität der Vorfeldkonsti-

Retraktion und Reparandum | 325

tuente. Während einsilbige Vorfeldkonstituenten vor der Ersetzung des Verbs als syntaktischer Anker fungieren können, werden mehrsilbige Vorfeldkonstituenten nicht in die Reparaturdurchführung einbezogen. An diese Beobachtung anknüpfend wird im Folgenden untersucht, welche reparandumsbezogenen Aspekte der Reparatur einen Einfluss darauf ausüben, ob eine einsilbige Vorfeldkonstituente als syntaktischer Anker genutzt wird oder nicht. Wie die statistischen Auswertungen zum Zusammenhang zwischen Retraktionsspanne und Reparandum zeigen, spielen weder der Reparaturtyp (retrospektive Reparatur vs. Projektionsreparatur) noch die sprachliche Ebene der retrospektiven Reparanda (phonologisch vs. syntaktisch vs. semantisch vs. pragmatisch) oder der retrospektive Reparaturtyp (Korrektur vs. Elaborierung) eine Rolle. Auch die Auswertung der Sequenztypen, in denen die Reparaturen des Verbs auftreten, führt zu keinem Ergebnis. Ein anderer interaktionaler Aspekt aus dem Bereich des Sprecherwechsels scheint aber eine Rolle zu spielen. Wenn ein Verb in Zweitstellung in überlappender Rede repariert wird (n = 11), geht die Retraktion regelmäßig ins Vorfeld (n = 9; 81,8 %), d. h., die Reparatur wird mit syntaktischem Anker durchgeführt. Im folgenden Beispiel unterhalten sich die Teilnehmerinnen über Fastnachtszünfte: (204) 01 fr01b: 02

und dann sin_s ebe au d' viel zu viele ZÜNfte,= =und was sIn_s jetz für zünfte wenn sie komme sin_s !HE!xe; 03 i-fr01: ja:, 04 ja_ja; 05 fr01b: [die nemme überHAND06 und des find ich* (.)] des GFÄLLT_ma [net. ] 07 fr01a: [ja gibt MEHrere hExe;=ja_jA,] 08 [ja_ja,] 09 i-fr01: [mhm- ]

In Z. 06 unterbricht die Sprecherin ihren Redebeitrag, der von der Äußerung einer anderen Interviewteilnehmerin überlappt wird. Bei der Reparaturdurchführung retrahiert sie ins Vorfeld der begonnenen Struktur, wiederholt das Pronomen des und ersetzt das Reparandum find ich durch GFÄLLT_ma. Dieses Retraktionsmuster passt zu den Ergebnissen von Schegloff (1987a), die zeigen, dass der Turnbeginn, der als interaktional wichtige Position den weiteren Turnverlauf projiziert, bei Überlappung häufig wiederholt wird. Während Schegloffs (1987a) Beobachtung sich ausschließlich auf Wiederholungen bezieht, die als Reparaturmechanismus für Probleme des Sprecherwechsels interpretiert werden können, deuten die vorliegenden Ergebnisse darauf hin,

326 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

dass die Tendenz zur Wiederholung überlappter Turnbeginne auch auf diejenigen Fälle übertragbar ist, in denen der Redebeitrag verändert wird. In diesen Fällen liegt neben dem Problem des Sprecherwechsels ein zusätzliches Problem vor, das die Gestaltung des Redebeitrags betrifft. Auch bei der Überlappung reparaturbedürftiger Turnbeginne versuchen die Sprecher regelmäßig, den Beginn des Redebeitrags und damit auch die Reparatur hörbar zu machen, indem sie die Durchführung der Reparatur durch die Wiederholung der Vorfeldkonstituente verzögern. In diesen Fällen verzichten die Sprecher auf eine möglichst schnelle Bearbeitung des Reparandums (durch eine Retraktion direkt zum Verb) zugunsten einer besseren Prozessierbarkeit der Reparatur durch den Rezipienten. Die zwei Ausnahmefälle, in denen die Retraktion bei der Substitution des Verbs trotz Überlappung direkt zum Verb geht, lassen sich durch andere Faktoren erklären, die sich in den bisherigen Analysen bereits abgezeichnet haben, nämlich das Streben nach Schnelligkeit der Reparaturdurchführung und die Tendenz, komplexe Vorfeldkonstituenten nicht als syntaktische Anker zu verwenden (siehe Erklärungsmodell für den Retraktionspunkt in Kap. 8.2.2.1).

7.4.2.2 Reparaturen von Nomen Auch bei der Reparatur von Nomen in Nominal- und Präpositionalphrasen gibt es zwei Retraktionspunkte, die häufig verwendet werden: das Reparandum (Nomen) und die Phrasengrenze. Bei Reparaturen von Nominalphrasen werden die Sprecher häufig durch morphosyntaktische Veränderungen der Nominalkategorien Genus, Kasus, Numerus und Definitheit, für die auch der Determinierer angepasst werden muss, zu einer Retraktion zum Determinierer (oder zu einem weiter zurückliegenden Punkt in der syntaktischen Struktur) gezwungen. In anderen Fällen, wenn eine Nominalphrase ohne Determinierer und Adjektiv vorliegt, ist die Retraktion zum Reparandum mit der Retraktion zur Phrasengrenze identisch. In den folgenden Auswertungen der Retraktionspunkte in Nominal- und Präpositionalphrasen werden nur diejenigen Reparaturen des Nomens einbezogen, in denen keine der Nominalkategorien verändert wird, sodass eine Retraktion zum Determinierer nicht obligatorisch ist. In Nominalphrasen werden zudem nur Beispiele berücksichtigt, bei denen die Phrase neben dem Nomen noch mindestens ein weiteres Element (Determinierer oder Adjektiv) enthält. In diesen Fällen ist sowohl eine Retraktion zum Reparandum als auch zur Phrasengrenze möglich, sodass überprüft werden kann, ob sich die Art des Reparandums auf den Retraktionspunkt auswirkt.

Retraktion und Reparandum | 327

Die folgende Tabelle zeigt die Retraktionspunkte bei der Reparatur von Nomen in Nominalphrasen nach Reparaturtyp (Korrektur vs. Elaborierung) und sprachlicher Ebene des Reparandums (phonologisch vs. semantisch). Unklare semantische Reparaturen werden nicht berücksichtigt. Tab. 87: Retraktionspunkt bei Reparaturen des Nomens in Nominalphrasen nach retrospektivem Reparaturtyp und sprachlicher Ebene des Reparandums

Retraktionspunkt

Retrospektiver Reparaturtyp Phonologische Korrektur (n = 15)

Reparandum (N)

14 (93,3 %)

Phrasengrenze (A/Det) 1 (6,7 %)

Semantische Korrektur (n = 9)

Semantische Elaborierung (n = 32)

2 (22,2 %)

11 (34,4 %)

7 (77,8 %)

21 (65,6 %)

Wie die Tabelle zeigt, retrahieren die Sprecher in phonologischen Reparaturen fast ausschließlich direkt zum Reparandum, während sowohl für semantische Korrekturen als auch für semantische Elaborierungen die Phrasengrenze der bevorzugte Retraktionspunkt ist. Die phonologischen Korrekturen unterscheiden sich sehr signifikant sowohl von den semantischen Korrekturen (χ2(1) = 12,8; p < 0,01**; Cramer-V = 0,73) als auch von den semantischen Elaborierungen (χ2(1) = 14,3; p < 0,01**; Cramer-V = 0,55). Zwischen den beiden semantischen Reparaturtypen liegt kein signifikanter Unterschied vor. Dieselben Tendenzen gelten auch für Reparaturen des Adjektivs in Nominalphrasen: Bei phonologischen Reparaturen geht die Retraktion zum Reparandum, bei semantischen Reparaturen hauptsächlich zur Phrasengrenze. Eine statistische Auswertung ist für diese Fälle nicht möglich, weil zu wenige Beispiele vorliegen. Kommen wir nun zu den Reparaturen des Nomens in der Präpositionalphrase.Von dieser Analyse werden unklare semantische Reparaturen ausgeschlossen. Zudem werden zwei semantische Reparaturen, bei denen die Retraktion zum Determinierer geht, nicht berücksichtigt. Bei diesen beiden Fällen handelt es sich um Ausnahmefälle, die keiner der beiden Haupttendenzen entsprechen, zum Nomen oder zum Beginn der Präpositionalphrase zu retrahieren. In allen anderen Reparaturen geht die Retraktion zur Phrasengrenze oder zum Reparandum.

328 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

Tab. 88: Retraktionspunkt bei Reparaturen des Nomens in Präpositionalphrasen nach retrospektivem Reparaturtyp und sprachlicher Ebene des Reparandums Retraktionspunkt

Retrospektiver Reparaturtyp Phonologische Korrektur (n = 15)

Semantische Korrektur (n = 14)

Semantische Elaborierung (n = 24)

Reparandum (N)

13 (92,9 %)

1 (7,1 %)

5 (22,7 %)

Phrasengrenze (P)

1 (7,1 %)

13 (92,9 %)

17 (77,3 %)

Wie bei den Reparaturen des Nomens in der Nominalphrase, zeigt sich auch bei den phonologischen Korrekturen die Tendenz, direkt zum Reparandum zu retrahieren, während semantische Reparaturen mit Retraktionen zur Präposition verbunden sind. Phonologische Korrekturen unterscheiden sich sehr signifikant sowohl von semantischen Korrekturen (χ2(1) = 20,6; p < 0,01**; Cramer-V = 0,86) als auch von semantischen Elaborierungen (χ2(1) = 16,8; p < 0,01**; Cramer-V = 0,68). Zwischen semantischen Korrekturen und Elaborierungen besteht auch in der Präpositionalphrase kein Unterschied. Die Retraktionspunkte bei Reparaturen von Nomen in Nominal- und Präpositionalphrasen werden durch denselben Faktor bestimmt: die sprachliche Ebene des Reparandums. Diese Ergebnisse für die Reparatur von Nomen bestätigen die allgemeine Tendenz, die sich bei der Analyse der Retraktionsspanne über alle Reparaturen hinweg gezeigt hat: Sprecher retrahieren bei phonologischen Reparaturen viel häufiger zum Reparandum als bei semantischen Reparaturen (siehe Kap. 8.2.2 für eine Diskussion dieses Ergebnisses).

7.4.2.3 Retraktionspunkt im Wort In manchen Selbstreparaturen geht die Retraktion nicht zum Beginn eines Wortes, sondern zu einem Punkt innerhalb des Wortes (n = 19). Retraktionspunkte im Wort betreffen ausschließlich Inhaltswörter und liegen sowohl bei retrospektiven Reparaturen als auch bei Wiederholungen vor. Wenden wir uns zunächst den retrospektiven Reparaturen zu (n = 11). Tabelle 89 gibt einen Überblick:

Retraktion und Reparandum | 329

Tab. 89: Retraktionspunkt im Wort bei retrospektiven Reparaturen Beispiel

Sprachliche Ebene des Reparandums

Wortart

halbtö'* (.) tote

phonologisch

Nomen

katzenko'* (.) klo

phonologisch

Nomen

one night schta* stand

phonologisch

Nomen

fringsvier* (.) veedel

phonologisch

Nomen

efeuscht-* (.) ding

phonologisch

Nomen

lernerfer* fehler

phonologisch

Nomen

steuerricht'* (.) rechtliches phonologisch

Adjektiv

[gefrier]fa* schrank

semantisch

Nomen

gesichtsausk'* druck

phonologisch

Nomen

ause'* (.) wegslos

phonologisch

Adjektiv

ert'* (.) picht

phonologisch

Adjektiv

Retraktionspunkt

Kompositionsgrenze

Derivationsgrenze

In all diesen Reparaturen geht die Retraktion zu einer Morphemgrenze,128 wobei es sich sowohl um eine Grenze zwischen den Elementen eines Kompositums (n = 8) als auch eines Derivats (n = 3) handeln kann. In fast allen Beispielen wird an dem Morphem, zu dem der Sprecher retrahiert, eine phonologische Reparatur durchgeführt – in nur einem Fall eine semantische. In phonologischen Reparaturen geht also die Tendenz, die Retraktionsspanne zu minimieren, in manchen Fällen so weit, dass nur das Morphem, das den phonologischen Fehler enthält, als Reparandum behandelt wird, nicht aber das gesamte Wort. Die Morpheme, die vor dem reparaturbedürftigen Morphem liegen und phonologisch korrekt artikuliert wurden, werden in diesen Fällen von der Reparatur ausgespart. Von Retraktionspunkten im Wort sind ausschließlich Nomen und Adjektive betroffen. Retraktionspunkte in Verben liegen bei den retrospektiven Reparaturen im Korpus überhaupt nicht vor. Es treten zwar drei phonologische Reparaturen in Partizipien auf, in denen die Retraktion zu einer Derivationsgrenze mög-

|| 128 Diese Beobachtung macht auch Nooteboom (1980: 92) in seiner Analyse von lexikalischen und phonologischen Korrekturen.

330 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

lich wäre, jedoch wird in diesen Fällen der Wortbeginn als Retraktionspunkt gewählt.129 Es kann davon ausgegangen werden, dass viele Morphemgrenzen, die als Retraktionspunkte angesteuert werden, für die Sprecher transparent sind. Das gilt zumindest für die in Tabelle 89 angeführten Komposita. Eine Ausnahme bildet die Reparatur im Derivat ert'* (.) picht, bei dem mit einiger Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die Grenze zwischen dem Präfix er und der Wurzel pich (die auf das von Pech abgeleitete Verb erpichen zurückgeht, vgl. Pfeifer 2005: 296) einen hohen Opazitätsgrad aufweist. Hier bleibt die Frage offen, warum die Retraktion dennoch zur Morphemgrenze und nicht zur Wortgrenze geht. Ein Erklärungsansatz könnte darin bestehen, dass nicht (allein) die Transparenz einer Morphemgrenze, sondern die Produktivität des Derivationselements ausschlaggebend für die „Retraktionsfähigkeit“ einer Morphemgrenze ist. Die Grenze zwischen er- und picht wäre dann deswegen ein möglicher Retraktionspunkt, weil das Präfix er- in vielen anderen Derivationen vorkommt.130 Kommen wir nun zu den Wiederholungen, die in der folgenden Tabelle aufgelistet sind: Tab. 90: Retraktionspunkt im Wort bei Wiederholungen Beispiel

Wortart

innenstadtst* äh straßen

Nomen

parkettbö*

Nomen

reingef:* (.) gefahren

Partizip

kirchenaustritte* tritte

Nomen

reingesch*_sprungen

Partizip

abge[sch* stellt ]

Partizip

Retraktionspunkt

Kompositionsgrenze

Derivationsgrenze

|| 129 In diesen drei Beispielen (gewos'* gewEsen / gelebt* äh gelegt / gehel'* (.) geholfen) handelt es sich bei der Derivationsgrenze um die Grenze zwischen dem Verbalpräfix ge- und dem Verbstamm. Eine Hypothese zur Erklärung der Retraktion zur Wortgrenze könnte darin bestehen, dass diese Morphemgrenze für die Sprecher aufgrund der häufigen Benutzung der Partizipien nicht mehr transparent ist, sodass sie bei der Durchführung von phonologischen Reparaturen ignoriert wird. Diese Hypothese wird jedoch durch die zwei Beispiele reingesch*_sprungen und abge[sch* stellt ] in Tabelle 90 in Frage gestellt. Mehr Beispiele werden nötig sein, um zu überprüfen, ob eine größere Opazität der Morphemgrenze ein häufigeres Ignorieren dieser Grenze als möglichen Retraktionspunkt zur Folge hat. 130 Diese Hypothese läuft der in Fußnote 129 formulierten Hypothese entgegen.

Retraktion und Reparandum | 331

Beispiel

Wortart

vorgestell* gestellt

Partizip

prole' (.) tar* äh tariat

Nomen

Retraktionspunkt

Silbengrenze

Im Gegensatz zu den retrospektiven Reparaturen betreffen die Wiederholungen vor allem Partizipien, aber auch Nomen. Auch bei diesen Reparaturen werden fast ausschließlich Morphemgrenzen als Retraktionspunkte verwendet; in nur einem Fall wird eine Silbengrenze als Retraktionspunkt ausgewählt. Allerdings handelt es sich hier um ein Fremdwort (prole' (.) tar* äh tariat), dessen morphologische Struktur ohnehin nicht vollständig transparent sein dürfte. Die Silbengrenze scheint die „unterste“ Grenze für die Durchführung von Retraktionen sein – keine Retraktion geht zu einem Punkt innerhalb einer Silbe. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Sprecher Selbstreparaturen in den meisten Fällen an Wort- bzw. Phrasengrenzen beginnen. Wenn die Sprecher nicht bis zu einer solchen Grenze zurückkehren, sondern zu einem Punkt innerhalb des Wortes retrahieren, gelten zwei Beschränkungen: 1) In retrospektiven Selbstreparaturen ist das Wort, in dem der Retraktionspunkt liegt, fast immer ein phonologisches Reparandum. 2) Über alle Selbstreparaturen hinweg wird fast immer eine Morphemgrenze als Retraktionspunkt gewählt. Die Daten zeigen zum einen, dass Retraktionspunkte innerhalb des Wortes gehäuft in einem bestimmten Kontext auftreten und unterstreichen somit die Tendenz der Sprecher, bei phonologischen Reparaturen eine möglichst kurze Retraktionsspanne einzusetzen. Zum anderen liefern diese Ergebnisse Evidenz dafür, dass Retraktionen auch unterhalb der Wortgrenze nicht willkürlich durchgeführt werden, sondern durch die morphologische Struktur des Wortes motiviert sind.

7.4.3 Multiple Retraktionen und Reparandum Zum Abschluss der Analyse des Zusammenhangs zwischen Retraktion und Reparandum werden im folgenden Kapitel multiple Retraktionen untersucht. Bei der Bearbeitung welcher Probleme benötigt ein Sprecher mehrere ‚Versuche‘? Die folgende Tabelle stellt die multiplen Retraktionen nach Reparaturtyp dar:

332 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

Tab. 91: Multiple Retraktionen nach Reparaturtyp Anzahl Retraktionen

Reparaturtyp Retrospektive Repa- Projektionsreparatur Wiederholung (Prosratur (n = 709) (n = 520) pektive Reparatur) (n = 1.288)

Multiple Retraktionen

83 (11,7 %)

69 (13,3 %)

109 (8,5 %)

Einfache Retraktion

626 (88,3 %)

451 (86,7 %)

1.179 (91,5 %)

Es besteht zwar ein signifikanter Unterschied zwischen retrospektiven Reparaturen und Wiederholungen (χ2(1) = 5,5; p < 0,05*; Cramer-V = 0,05) sowie zwischen Projektionsreparaturen und Wiederholungen (χ2(1) = 9,6: p < 0,01**; Cramer-V = 0,07), jedoch sind diese Ergebnisse aufgrund der geringen Assoziationsstärke zwischen dem Reparaturtyp und der Anzahl der Retraktionen nicht aussagekräftig. Zwischen retrospektiven Reparaturen und Projektionsreparaturen besteht kein signifikanter Unterschied. Im Folgenden soll jeder der beiden Reparaturtypen, die häufiger von multiplen Retraktionen betroffen sind, retrospektive Reparaturen sowie Projektionsreparaturen, etwas detaillierter untersucht werden. Bei den retrospektiven Reparaturen unterscheiden sich die beiden Typen ,Korrektur‘ und ,Elaborierung‘ im Hinblick auf den Anteil an multiplen Retraktionen nicht signifikant. Wie die folgende Tabelle zeigt, wirkt sich jedoch die sprachliche Ebene, auf der das retrospektive Reparandum angesiedelt ist, auf den Anteil an multiplen Retraktionen aus. Tab. 92: Multiple Retraktionen nach sprachlicher Ebene des retrospektiven Reparandums Anzahl Retraktionen

Sprachliche Ebene des Reparandums Phonologische Korrektur (n = 58)

Syntaktische Reparatur (n = 68)

Semantische Reparatur (n = 413)

Pragmatische Reparatur (n = 67)

Multiple Retraktionen

4 (6,9 %)

2 (2,9 %)

53 (12,8 %)

5 (7,5 %)

Einfache Retraktion

54 (93,1 %)

66 (97,1 %)

360 (87,2 %)

62 (92,5 %)

Semantische Reparaturen sind besonders häufig mit multiplen Retraktionen verbunden und unterscheiden sich daher signifikant von syntaktischen Repara-

Retraktion und Reparandum | 333

turen, die fast immer nur mit einer Retraktion durchgeführt werden (χ2(1) = 5,6; p < 0,05*; Cramer-V = 0,11). Auch dieses Ergebnis ist allerdings mit Vorsicht zu betrachten, weil die Assoziationsstärke zwischen den Variablen ‚Anzahl Retraktionen‘ und ‚sprachliche Ebene des Reparandums‘ recht gering ist. Alle anderen Vergleiche der einzelnen Gruppen untereinander liefern keine signifikanten Ergebnisse. Die folgende Tabelle zeigt, dass auch zwischen den Typen der Projektionsreparatur ein Unterschied besteht: Tab. 93: Multiple Retraktionen nach Projektionsreparaturtyp Anzahl Retraktionen

Projektionsreparaturtyp Reparatur des projizierten Nomens Reparatur des projizierten Verbs (n = 188) (n = 332)

Multiple Retraktionen

40 (21,3 %)

29 (8,7 %)

Einfache Retraktion

148 (78,7 %)

303 (91,3 %)

Diese Auswertung belegt, dass der hohe Anteil an multiplen Retraktionen in Projektionsreparaturen auf die große Zahl multipler Retraktionen in Reparaturen des projizierten Nomens zurückzuführen ist. Bei Reparaturen des projizierten Verbs hingegen, die nicht nur mit der Neuplanung eines syntaktischen Slots, sondern häufig mit der Umgestaltung der gesamten syntaktischen Struktur verbunden sind, treten multiple Retraktionen deutlich seltener auf. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass multiple Retraktionen insbesondere für die Planung der Nominalphrase eingesetzt werden. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die semantische Planung des Nomens häufig mit einem erhöhten Zeitaufwand verbunden ist. Diese Erklärung steht im Einklang mit der Untersuchung der retrospektiven Reparaturen (Tab. 92), bei denen sich – wenn auch bei schwachem statistischem Zusammenhang zwischen den untersuchten Variablen – ein relativ häufiger Einsatz multipler Retraktionen für semantische Reparanda gezeigt hat. Sie erscheint auch vor dem Hintergrund plausibel, dass die Sprecher bei Selbstreparaturen ganz besonderes Augenmerk auf das Nomen als semantischen Kern der Äußerung legen (siehe Kap. 6.4.1). Multiple Retraktionen könnten in diesem Kontext zur Zeitgewinnung eingesetzt werden. Zwar stehen dem Sprecher eine ganze Reihe von Ressourcen zur Verzögerung des nächsten Elements der Äußerung zur Verfügung, jedoch erhält die Wiederholung eines Wortes (in diesem Fall vor allem des Artikels) im Gegensatz zu Deh-

334 | Der Zusammenhang von Reparaturstruktur und Reparandum

nungen, Zögerungspartikeln oder Pausen die Kontinuität der Rede in besonderem Maße aufrecht (vgl. Clark/Wasow 1998).

7.4.4 Zusammenfassung: Retraktion und Reparandum Der Reparandumstyp beeinflusst die Durchführung von Retraktionen in verschiedener Hinsicht. Eine ganz entscheidende Rolle für die Auswahl des Retraktionspunkts spielt die sprachliche Ebene, auf der das Reparandum angesiedelt ist. Insgesamt tendieren Sprecher über alle Selbstreparaturen hinweg dazu, bei phonologischen Reparaturen direkt zum Reparandum zu retrahieren, während sie bei semantischen und pragmatischen Reparaturen häufiger einen syntaktischen Anker einsetzen. Dieselbe Tendenz zeichnet sich bei Reparaturen des Nomens ab: Phonologische Reparanda werden durch eine Retraktion direkt zum Nomen bearbeitet, wohingegen Sprecher bei semantischen Reparanda vor allem zur Phrasengrenze retrahieren. Dieses Ergebnis wird im Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts ausführlich diskutiert (8.2.2). Wenn Retraktionspunkte innerhalb von Wörtern auftreten, scheint ebenfalls die sprachliche Ebene des Reparandums eine Rolle zu spielen; es handelt sich häufig um phonologische Reparaturen. Retraktionen treten auch unterhalb der Wortgrenze nicht willkürlich auf, sondern sind durch die morphologische Struktur des jeweiligen Wortes motiviert: Fast immer liegt der Retraktionspunkt an einer Morphemgrenze. Bei Reparaturen von Verben in Zweitstellung beeinflusst die Gestaltung des Sprecherwechsels die Retraktionsspanne. Wenn das Reparandum in überlappender Rede produziert wird, gibt es eine Tendenz zur Wiederholung einsilbiger Vorfeldkonstituenten. Multiple Retraktionen treten über alle Reparaturtypen hinweg auf. Die meisten multiplen Retraktionen setzen die Sprecher zur Bearbeitung von Problemen auf der semantischen Ebene ein, insbesondere bei der Planung des Nomens.

8 Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen Im folgenden Kapitel werden die empirischen Ergebnisse zum Zusammenhang der strukturellen Faktoren untereinander (siehe Kap. 6) und zum Zusammenhang von Struktur und Reparandumstyp (siehe Kap. 7) diskutiert und in ein Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen integriert. Das Modell umfasst zwei Teile, die sich jeweils auf einen der zentralen Aspekte der Selbstreparaturstruktur beziehen: die Position des Abbruchpunkts (Kap. 8.1) und die Position des Retraktionspunkts (Kap. 8.2). Das hier vorgeschlagene Erklärungsmodell basiert auf der Annahme, dass die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen auf den Einfluss wettstreitender Motivationen zurückzuführen ist. Verschiedene Arbeiten aus dem Bereich der funktional orientierten Linguistik zeigen, dass sprachliche Strukturen als Ergebnis von „competing motivations“ (Du Bois 1985) betrachtet werden können (vgl. MacWhinney et al. 2014).131 Aus dieser Perspektive ist Sprache im Allgemeinen – und die Struktur von Selbstreparaturen im Speziellen – in entscheidendem Maße durch verschiedene grundlegende Bedürfnisse der Interagierenden geprägt, die miteinander in Konflikt stehen: Answers to the why-questions about the nature, distribution, and the very existence of competing motivations are sought in conflicting high-level desiderata in human behavior, such as the speaker’s needs versus the listener’s demands, faithfulness to code versus economy, and, ultimately, in the various conflicting factors embedded in the multiple timeframes that underlie the functioning of complex objects in the world. (Moravcsik 2014: 3)

Auch in dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass der Ursprung der verschiedenen Motivationen in den interaktionalen und kognitiven Bedingungen des Sprachgebrauchs liegt. Die sprecher- und hörerseitigen Bedürfnisse schaffen einen Druck, dem Sprecher bei der Gestaltung ihrer Äußerung zu entsprechen versuchen: die Motivationen konkurrieren auf einer bewussten oder – im Falle der Selbstreparaturen wohl häufiger – unbewussten kognitiven Ebene miteinander.

|| 131 Ein weiterer, generativ orientierter Ansatz, der auf wettstreitenden Motivationen basiert, ist die Optimality Theory (Prince/Smolensky 2004). Dieser Ansatz interpretiert sprachlichen Output als Ergebnis verschiedener konfligierender Wohlgeformtheits-Constraints.

336 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

Wettstreitende Motivationen werden im vorliegenden Modell, in Anlehnung an Moravcsik (2014: 2), recht breit als „Generalisierungen“ verstanden, die konfligierende Vorhersagen machen und daher miteinander konkurrieren. Beispiele für solche Generalisierungen sind im Bezug auf den Retraktionspunkt in Selbstreparaturen etwa die beiden Tendenzen ‚repariere zeitsparend‘ und ‚bewahre enge syntaktische Verbindungen‘, da die erste auf eine minimale Retraktionsspanne hinwirkt (z. B. eine Retraktion zum Nomen bei der Reparatur eines Nomens in der Präpositionalphrase, siehe (205)) und die zweite häufig für eine nicht-minimale Retraktionspanne sorgt (z. B. eine Retraktion zur Präposition bei der Reparatur eines Nomens in der Präpositionalphrase, siehe (206)). (205) 01 Tba: ich wusste nich dass man aus kartOffenscha'* kartOffelschalen ne SUPpe machen kann. 02 Hrm: ach SO ja.

(206) 01 k07: un wir sin immer hInter den RUSS-'* 02 hInter den ameriKAnern her,

Die beiden Generalisierungen stehen im Wettstreit miteinander, da sie jeweils eine unterschiedliche strukturelle Gestaltung der Reparatur motivieren. Von den vier logischen Möglichkeiten, wie der Konflikt zwischen wettstreitenden Motivationen gelöst werden kann – „separation“, „compromise“, „override“, und „deadlock“ (vgl. Moravcsik 2010) –, trifft in Bezug auf die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen die Lösung „compromise“ zu. Alle Motivationen sind gleichzeitig wirksam, werden aber zur Konfliktauflösung verschieden gewichtet. Die im jeweiligen Fall am stärksten gewichtete Motivation bestimmt die Struktur. Welche Motivationen stehen bei der strukturellen Gestaltung von Selbstreparaturen miteinander in Konflikt? Verschiedene Arbeiten haben gezeigt, dass die sprachspezifischen syntaktischen Eigenschaften einen entscheidenden Einfluss auf die syntaktische Gestaltung von Selbstreparaturen ausüben (vgl. Fox et al. 1996; Fincke 1999; Uhmann 2001, 2006, Rieger 2003; Fox et al. 2009a; Fox et al. 2009b; Birkner et al. 2012). Bislang wurde jedoch nicht systematisch untersucht, welche anderen Faktoren die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen motivieren (vgl. Pfeiffer 2014a). Die Darstellung des Zusammenspiels aller zentralen syntaktischen und nicht-syntaktischen Faktoren, die einen Einfluss auf die Selbstreparaturstruktur ausüben, ist das Ziel des hier präsentierten Erklärungsmodells.

Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen | 337

Das zweiteilige Modell kann nicht alle Strukturen, die im Korpus auftreten, korrekt vorhersagen. In diesen Fällen ist es einerseits möglich, dass die Sprecher anderen Motivationen folgen, die in der vorliegenden Arbeit nicht rekonstruiert werden konnten. Andererseits besteht die Möglichkeit, dass eine Gewichtung der (rekonstruierten) Motivationen vorliegt, die vom Modell nicht erklärt werden kann. An dieser Stelle soll vorab auf eine Motivation eingegangen werden, die die gesamte Struktur von Selbstreparaturen prägt: das Streben nach möglichst kleinem Zeitaufwand bei der Reparaturdurchführung. Die Motivation ‚Schnelligkeit‘ kann als Grundmotivation für die Struktur von Selbstreparaturen angesehen werden. Da konversationeller Sprachgebrauch gemeinsames Handeln ist und es sich daher bei Gesprächszeit immer um gemeinsame Zeit aller Gesprächsteilnehmer handelt (vgl. Clark 1996: 266), können sich Sprecher bei der Bearbeitung von Problemen nicht beliebig viel Zeit lassen. Sie zeigen vielmehr ein Bestreben, bei der Durchführung von Selbstreparaturen mit der gemeinsamen Ressource Gesprächszeit möglichst sparsam umzugehen. Bereits Schegloff (1979: 277) macht die Beobachtung, dass Sprecher dazu tendieren, Selbstreparaturen schnell durchzuführen: „repair aims for success and is overwhelmingly successful at achieving it quickly. For the most part, a single repair effort deals with a single trouble-source.” Die Schnelligkeit der Reparaturdurchführung kommt nicht nur in der Beobachtung zum Ausdruck, dass einfache Retraktionen zur Bearbeitung eines Reparandums zumeist ausreichen und multiple Retraktionen nur selten auftreten (vgl. Schegloff 1979: 277; siehe auch Kap. 6.3.3). Die Motivation ‚Schnelligkeit‘ schlägt sich auch in der syntaktischen Organisation von Selbstreparaturen nieder, d. h. in der Position des Abbruch- und des Retraktionspunkts. Sprecher tendieren sowohl zu einer möglichst schnellen Selbstreparaturinitiierung, die im häufigen Abbruch der emergenten Struktur nach dem Reparandum oder noch innerhalb des Reparandums zum Ausdruck kommt (siehe Kap. 6.1 und 8.1), als auch zu einer möglichst schnellen Reparaturdurchführung, die sich in der häufigen Verwendung minimaler Retraktionsspannen zeigt (siehe Kap. 6.3). Darüber hinaus werden ein- und zweisilbige und prosodische Reparaturmarker, mit denen ein geringer Produktions- und Rezeptionsaufwand verbunden ist, viel häufiger eingesetzt als umfangreichere Reparaturmarker wie Metakommentare (siehe Kap. 6.2 und 7.3). Neben dem gehäuften Einsatz prosodischer Reparaturmarker gibt es auf der prosodischen Ebene noch weitere Anzeichen für das Streben des Sprechers nach einer möglichst schnellen Durchführung von Selbstreparaturen: Sowohl im Deutschen (vgl. Uhmann 1992: 316) als auch im Niederländischen (vgl. Plug 2006) sind selbstini-

338 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

tiierte Selbstreparaturen tendenziell mit erhöhter Sprechgeschwindigkeit verbunden. Worin liegt der Ursprung der Motivation ‚Schnelligkeit‘ für die Struktur von Selbstreparaturen? Es liegt nahe, dass hinter dieser Motivation das Bedürfnis der Interagierenden nach einer möglichst zügigen Beseitigung eines potentiellen interaktionalen Problems steht. Dieses Streben ist eng verbunden mit der Präferenz für Progressivität, die in der Interaktion auf verschiedenen Granularitätsebenen wirksam ist (vgl. Schegloff 2007: 14, 2013: 43). Sie zeigt sich einerseits darin, dass sich die Gesprächsteilnehmer um das Voranschreiten des Redebeitrags durch die Produktion des jeweils nächsten Elements bemühen (vgl. Schegloff 1979: 277f.; Lerner 1996: 261ff.; Goodwin/Goodwin 1986); andererseits Streben die Interagierenden auf sequentieller Ebene nach dem Abschluss der begonnenen Aktivität (vgl. Stivers/Robinson 2006). Die Motivation, Selbstreparaturen möglichst schnell zu initiieren und durchzuführen, steht also im Dienste einer allgemeinen konversationellen Präferenz, die Sprecher und Rezipienten gleichermaßen betrifft: Je schneller das Problem durch die Selbstreparatur beseitigt werden kann, desto schneller kommt es zur Fortsetzung des Turns und damit zum Voranschreiten der gemeinsamen Aktivität. Die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen scheint entscheidend durch den von der Präferenz für Progressivität ausgehenden interaktionalen Druck geformt zu werden. Vor dem Hintergrund der hier skizzierten zentralen Rolle, die die Motivation ‚Schnelligkeit‘ für die Gestaltung der Selbstreparaturstruktur einnimmt, werden im Folgenden die beiden Teile des Erklärungsmodells präsentiert.

8.1 Erklärungsmodell für die Position des Abbruchpunkts Beginnen wir mit dem ersten Aspekt der Selbstreparaturstruktur: dem Abbruchpunkt. Das Ziel des Modells, das in diesem Kapitel präsentiert wird, ist die Erklärung der Position des Abbruchpunkts. Dieser Teil des Erklärungsmodells erlaubt Vorhersagen darüber, ob ein Sprecher bei der Reparaturinitiierung innerhalb des Wortes oder nach dem Wort abbricht. Es basiert auf der Annahme, dass bei der Auswahl des Abbruchpunkts verschiedene wettstreitende Motivationen involviert sind, die je nach Wortart und Problemstatus des gerade produzierten Wortes verschieden stark gewichtet werden. Die jeweils stärkste Motivation bestimmt die Position des Abbruchpunkts. Die wichtigste Motivation bei der Selektion des Abbruchpunkts ist die Schnelligkeit der Reparaturinitiierung. Sie stellt die Grundmotivation dar, auf der das Erklärungsmodell für die Position des Abbruchpunkts basiert. Die Sprecher folgen insgesamt der Tendenz, die Äußerung so schnell wie möglich nach Er-

Erklärungsmodell für die Position des Abbruchpunkts | 339

kennen des Reparandums abzubrechen. Diese Tendenz kommt in verschiedenen empirischen Beobachtungen zum Ausdruck. Zum einen handelt es sich bei etwa der Hälfte der Selbstreparaturen um Wiederholungen und bei über 20 % um Projektionsreparaturen, während retrospektive Reparaturen nur in etwa einem Viertel aller Fälle auftreten (siehe Kap. 4). Sprecher tendieren also dazu, die Reparatur zu initiieren, bevor das eigentliche Reparandum phonetisch realisiert wird. Zum anderen wird auch sehr früh abgebrochen, wenn das Reparandum bereits erkennbar ist – zumeist direkt nach dem Reparandum oder sogar noch innerhalb des Reparandums (siehe Kap. 6.1). Die Motivation ‚Schnelligkeit‘ scheint also für die Position des Abbruchpunkts insgesamt eine zentrale Rolle zu spielen. Selbstreparaturen mit verzögerter Initiierung scheinen dieser Motivation jedoch zunächst zu widersprechen. Bei diesen Fällen handelt es sich vor allem um Projektionsreparaturen, genauer gesagt um Reparaturen des projizierten Verbs mit einem Hilfsverb in Zweitposition als sekundärem Reparandum. Es ist davon auszugehen, dass das Reparandum bei der Artikulation des Hilfsverbs aus Sprechersicht in vielen Fällen noch gar nicht vorliegt (vgl. Kap. 7.2.2). Das Problem, das mit dem Vollverb verbunden ist, tritt vermutlich häufig erst zu einem späteren Zeitpunkt auf, an dem die Struktur schon weiter fortgeschritten ist, und macht das Hilfsverb nachträglich zum sekundären Reparandum. Auch bei verzögerten Initiierungen retrospektiver Reparaturen erscheint es plausibel, dass Sprecher nach einer möglichst schnellen Reparaturinitiierung streben, aber in diesen Fällen das Reparandum erst relativ spät identifizieren (siehe zur Begründung das Kap. 8.1.2). Die Beobachtung, dass Sprecher die Äußerung möglichst schnell nach Erkennen des Reparandums abbrechen, ähneln den Ergebnissen Levelts zum Niederländischen, der daraus die „Main Interruption Rule“ (1983: 56) ableitet: „Stop the flow of speech immediately upon detecting the occasion of repair.“ Aus der beobachteten schnellen Reparaturinitiierung folgt, dass die Sprecher ein potentiell problematisches Element in ihrem Redebeitrag in der Regel unmittelbar nach, während oder – im Falle von Projektionsreparaturen – sogar noch vor der Produktion des eigentlichen Reparandums bemerken. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass Sprecher in der Lage sind, die Maßnahmen für die Problembehebung äußerst schnell einzuleiten (vgl. Blackmer/Mitton 1991). Durch einen frühen Abbruch wird zum einen die Anzahl potentieller Reparanda möglichst klein gehalten und damit aus Rezipientensicht die Suche nach dem Reparandum vereinfacht (Hutchby/Wooffitt 2004: 66). Zum anderen erleichtert bereits das Wissen des Rezipienten um die regelmäßige Positionierung der Reparaturinitiierung in unmittelbarer Nähe des Reparandums dessen Identifizie-

340 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

rung. Insgesamt bringt eine möglichst schnelle Reparaturinitiierung den Vorteil mit sich, dass das Problem, das die sprachliche Interaktion stören könnte, so schnell wie möglich beseitigt werden kann. Die Motivation ‚Schnelligkeit‘ übt also in den vorliegenden Daten einen entscheidenden Einfluss auf die Position des Abbruchpunkts aus. Es muss jedoch betont werden, dass das hier präsentierte Modell entgegen der „Main Interruption Rule“ nicht davon ausgeht, dass Sprecher die Äußerung in jedem Fall sofort nach der Identifizierung des Reparandums abbrechen, sondern lediglich nach einer möglichst schnellen Reparaturinitiierung streben. Dies ist ein entscheidender Unterschied. Er trägt der Beobachtung Rechnung, dass Sprecher in bestimmten Fällen anderen Motivationen folgen, die der Schnelligkeit entgegenlaufen. Auch in Nootebooms (1980) Daten wird am häufigsten direkt nach dem problematischen Wort abgebrochen, was einerseits auf einen schnellen Abbruch hindeutet. Er stellt jedoch andererseits fest: “[...] stopping for a new start is not simply determinined by the moment of error detection, but by an inhibition to discontinue the production of a word.” (Nooteboom 1980: 91)

Die hier angesprochene Tendenz, die Produktion eines Wortes nicht abzubrechen, zeigt sich auch in den Daten der vorliegenden Arbeit. Sie wird bei der Entwicklung des folgenden Erklärungsmodells aufgegriffen. Das Modell bezieht sich auf den Zeitpunkt, an dem der Sprecher das Reparandum gerade erkannt hat.132 Es basiert auf der aus den oben präsentierten empirischen Beobachtungen abgeleiteten Hypothese, dass der Sprecher zu diesem Zeitpunkt nach einem möglichst schnellen Abbruch der Äußerung strebt.

|| 132 Für eine Beschreibung der Monitoringprozesse, die zur Identifikation von Reparanda führen, vgl. Levelt (1983), Blackmer/Mitton (1991), Postma (2000), Hartsuiker/Kolk (2001), Nooteboom (2005), Nooteboom/Quené (2008).

Erklärungsmodell für die Position des Abbruchpunkts | 341

Grammatischer Status des gerade artikulierten Worts

Inhaltswort

Funktionswort Automatisierung

Problemstatus des gerade artikulierten Worts

fehlerhaftes Inhaltswort Markierung

Abbruch im Wort

nicht-fehlerhaftes wiederhol-

anderes nicht-

tes Inhaltswort, das mit Prä-

fehlerhaftes Inhalts-

fix, Verbpartikel oder Kompo-

wort

situmsglied beginnt Kontinuität

Kontinuität

Abbruch an

Abbruch an

Morphemgrenze

Wortgrenze

Abb. 10: Erklärungsmodell für den Abbruchpunkt in Selbstreparaturen im Deutschen

Neben der Motivation ‚Schnelligkeit‘ sind für das Erklärungsmodell drei weitere Faktoren von zentraler Bedeutung: 1. Automatisierte Wortproduktion 2. Markierung eines Problems 3. Kontinuität der Rede Diese Faktoren, zu deren Bezeichnung im Modell die Begriffe Automatisierung, Markierung und Kontinuität verwendet werden, sind ausschlaggebend für die Wahl, die ein Sprecher in Bezug auf die Position des Abbruchpunkts trifft. Der Begriff ‚Automatisierung‘ bezieht sich in der Kognitionswissenschaft ganz allgemein auf die kognitiven Veränderungen, die sich „mit eingehender Übung“ (Neumann 1996: 45) einer bestimmten Tätigkeit einstellen (vgl. auch Anderson 2001: 101). Wenn ein Prozess automatisiert abläuft, entzieht er sich „weitgehend der [bewussten] Kontrolle“ und ist „schwer zu unterdrücken oder zu verändern“ (Shiffrin/Schneider 1977: 156; Übersetzung MP). Der häufige Gebrauch eines Wortes führt dazu, dass dessen Produktion stärker automatisiert abläuft (vgl. Hooper 1976; Bybee 2002, 2006), sodass ein Abbruch dieses Wortes schwieriger

342 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

ist (vgl. Kapatsinski 2010). Der Faktor automatisierte Wortproduktion zielt auf die Beschreibung dieses Prozesses ab. Die Motivation Markierung eines Problems bezieht sich auf die Tendenz der Sprecher, problematische Wörter durch Wortabbruch zu markieren. Aus der Perspektive des Rezipienten projiziert eine solche Markierung einerseits einen bestimmten Reparaturtyp und vereinfacht andererseits die Identifikation des problematischen Elements des Redebeitrags. Die Markierung ermöglicht es dem Rezipienten, sich schon im Voraus auf eine entsprechende Reprozessierung der Äußerung einzustellen. Der Ursprung dieser Motivation liegt also im Bedürfnis der Interagierenden, die Beseitigung eines konversationellen Problems auf möglichst einfache Weise zu erreichen: Durch die Markierung des Problems kommt der Sprecher einerseits dem Bedürfnis des Rezipienten entgegen, das problematische Element und die Art des Problems möglichst einfach identifizieren zu können. Anderseits kommt der Sprecher dadurch, dass er eine möglichst einfache Identifizierbarkeit des Problems sicherstellt, auch seinem eigenem Ziel näher, die Problemquelle in seinem Redebeitrag, für die er die „Verantwortung“ trägt, zu beseitigen. Die Motivation Kontinuität der Rede bezeichnet – in Anlehnung an die „continuity hypothesis“ (Clark/Wasow 1998: 206) – die Tendenz der Sprecher, Konstituenten ihres Redebeitrags auf kontinuierliche Weise zu produzieren und Abbrüche im Wort zu vermeiden. Diese Tendenz zeigt sich zum einen darin, dass Sprecher nach einer Unterbrechung des Redebeitrags (z. B. durch eine Pause oder eine Zögerungspartikel) häufig auf die Wiederholung eines Teils der Äußerung zurückgreifen, um die gesamte begonnene Konstituente, beispielsweise eine Phrase, „an einem Stück“ zu produzieren. Durch die Wiederholung wird ein größeres Maß an Kontinuität der Rede hergestellt, als wenn der Sprecher die Äußerung nach der Unterbrechung inmitten der Konstituente ohne Wiederholung fortsetzen würde. Zum anderen bezieht sich die „continuity hypothesis“ (Clark/Wasow 1998: 206) auf die Beobachtung, dass Sprecher häufiger zwischen Konstituenten pausieren als innerhalb von Konstituenten (vgl. Maclay/Osgood 1959; Boomer 1965). Die bevorzugte Positionierung des Abbruchpunkts an einer Wortgrenze, die sich im vorliegenden Korpus in etwa 75 % aller Selbstreparaturen zeigt, ist im Einklang mit diesen früheren Studien. Der Ursprung der Motivation ‚Kontinuität der Rede‘ liegt vermutlich in den Anforderungen sprachlicher Interaktion begründet. Zum einen sind Konstituenten für den Rezipienten einfacher zu verarbeiten und zu verstehen, wenn sie nicht unterbrochen werden; zum anderen stehen abgebrochene Konstituenten im Kontrast zum Bestreben des Sprechers, sich als redegewandt zu präsentieren (Clark/Wasow 1998: 207).

Erklärungsmodell für die Position des Abbruchpunkts | 343

Die drei Motivationen stehen teilweise miteinander in Konflikt und wirken in unterschiedliche Richtungen. Die Faktoren automatisierte Wortproduktion und Kontinuität der Rede führen beide zu einem Abbruch der Äußerung an der Wortgrenze, wohingegen die Motivation Markierung eines Problems auf einen Abbruch innerhalb des Wortes zielt. Die Motivationen sind – genau wie die Grundmotivation ‚Schnelligkeit‘ – bei jeder Entscheidung über einen Abbruchpunkt wirksam und werden je nach Eigenschaft des gerade produzierten Wortes unterschiedlich gewichtet. Die jeweils stärkste Motivation entscheidet, welcher Abbruchpunkt gewählt wird. Die Grundmotivation ‚Schnelligkeit‘ taucht im Modell selbst nicht auf, weil sie zwar eine möglichst schnelle Reparaturinitiierung bewirkt, aber nicht erklären kann, warum der Sprecher innerhalb eines Wortes oder nach einem Wort abbricht. Das Modell (siehe Abb. 10) beschreibt von oben nach unten den Prozess, den der Sprecher bei der Selektion des Abbruchpunkts durchläuft. Es bildet die kognitiven Routinen ab, denen Sprecher bei der Wahl des Abbruchpunkts folgen, und führt für jeden Einzelfall die wichtigste Motivation an. Die Grafik stellt nicht den Gewichtungsprozess selbst, sondern das Ergebnis des gelösten Konflikts zwischen den beschriebenen Motivationen dar. Die Erläuterungen im Fließtext sind daher ein wichtiger Bestandteil des Modells. Dort wird die Gewichtung der Motivationen, die zur Wahl eines bestimmten Abbruchpunkts führt, erklärt. Die verschiedenen Positionen des Abbruchpunkts werden durch die Kästen am unteren Rand des Erklärungsmodells symbolisiert. Die grau unterlegten Balken stellen die motivationsgewichtenden Faktoren dar, die nach ihrem Einfluss im Selektionsprozess hierarchisch geordnet sind: grammatischer Status des gerade artikulierten Worts und Problemstatus des gerade artikulierten Worts. Die spezifischen motivationsgewichtenden Merkmale sind als Ellipsen unterhalb des entsprechenden motivationsgewichtenden Faktors abgebildet. Für den motivationsgewichtenden Faktor ‚grammatischer Status des gerade artikulierten Worts‘ bewirkt beispielsweise das Merkmal ‚Funktionswort‘, dass die Motivation ‚automatisierte Wortproduktion‘ stärker gewichtet wird als die anderen. Die Bezeichnung für die am stärksten gewichtete Motivation (‚Automatisierung‘) ist an der Stelle im Modell positioniert, an der sie den Sprecher zur Entscheidung für eine bestimmte Position des Abbruchpunkts (‚Abbruch an Wortgrenze‘) veranlasst. Mit dieser Entscheidung wird der Selektionsprozess abgeschlossen – dargestellt durch die Verbindung des ausschlaggebenden motivationsgewichtenden Merkmals mit einer der Positionen des Abbruchpunkts.

344 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

Bei jeder Selektion des Abbruchpunkts ist auf jeder Ebene genau ein Merkmal zutreffend (es sei denn, der Selektionsprozess „überspringt“ die zweite Ebene, wenn das gerade artikulierte Wort ein Funktionswort ist). Die oberste Ebene des Modells umfasst auch ein „unwirksames“ motivationsgewichtendes Merkmal (,Inhaltswort‘). In diesem Fall ist der Faktor ‚grammatischer Status des gerade artikulierten Worts‘ nicht relevant und der Selektionsprozess wird mit dem darunterliegenden motivationsgewichtenden Faktor fortgesetzt. Auf dieser Ebene führt wiederum die Gewichtung der Motivationen durch das jeweils zutreffende motivationsgewichtende Merkmal zur Auswahl eines Abbruchpunkts. Das Modell sagt insgesamt 85,0 % (2.113 von 2.487) der Positionen des Abbruchpunkts korrekt vorher, während 15,0 % (374 Beispiele) nicht erklärt werden können.133 Von den Beispielen, die dem Modell widersprechen, entfallen 3,7 % (n = 92) auf das Merkmal ‚Funktionswort‘, 2,0 % (n = 49) auf das Merkmal ‚fehlerhaftes Wort‘, 0,8 % (n = 20) auf das Merkmal ‚ nicht-fehlerhaftes wiederholtes Wort mit Präfix oder phonologischem Wort als erstem Morphem‘ und 8,6 % (n = 213) auf das Merkmal ‚anderes nicht-fehlerhaftes Wort‘. Im Folgenden werden die motivationsgewichtenden Faktoren und die einzelnen Motivationen, die auf der jeweiligen Ebene zur Selektion des Abbruchpunkts führen, genauer betrachtet. Um den Erklärungswert des Modells zu demonstrieren, soll insbesondere darauf eingegangen werden, wie die Hierarchisierung der motivationsgewichtenden Faktoren und die Wirksamkeit der einzelnen Motivationen sowie deren Gewichtung aus den empirischen Beobachtungen dieser Arbeit abgeleitet werden können.

8.1.1 Grammatischer Status des gerade artikulierten Worts Der wichtigste motivationsgewichtende Faktor ist der grammatische Status des gerade artikulierten Worts. Auf dieser Ebene sorgt das Merkmal ‚Funktionswort‘ dafür, dass der Faktor ‚automatisierte Wortproduktion‘ am stärksten gewichtet wird, was zur Positionierung des Abbruchs an der Wortgrenze führt. Das Merkmal ‚Funktionswort‘ trifft auf insgesamt 1.719 Fälle (69,1 % aller Selbstreparaturen) zu, wovon 1.627 (94,6 %) dem Faktor ‚automatisierte Wortproduktion‘ fol-

|| 133 Siehe zur Erläuterung dieses Gesamtergebnisses die quantitativen Auswertungen von bestätigenden und widersprechenden Beispielen zu Beginn der folgenden Kapitel 8.1.1 und 8.1.2. Apokoinu-Substitutionen (n = 43) und Reparaturen, die wegen des frühen Wortabbruchs nicht eindeutig als modellkonform oder widersprüchlich eingeordnet werden können (n = 45), sind in dieser Auswertung nicht enthalten.

Erklärungsmodell für die Position des Abbruchpunkts | 345

gen, sodass der Abbruchpunkt in diesen Fällen an der Wortgrenze liegt. Die restlichen 92 Reparaturen (5,4 %), in denen ein Wortabbruch innerhalb eines Funktionsworts vorliegt, widersprechen dem Modell. Diese quantitative Auswertung, die zeigt, dass Funktionswörter fast nie abgebrochen werden, deutet auf die Wirksamkeit des Faktors ‚automatisierte Wortproduktion‘ hin. Die Tendenz zum Abbruch an der Wortgrenze gilt sowohl für Funktionswörter, die als Reparandum auftreten (siehe Kap. 6.1.2.3) – unabhängig von der Art des Reparandums –, als auch für wiederholte Funktionswörter (siehe Kap. 6.1.2.3) und Funktionswörter, die unmittelbar vor der Durchführung einer Insertion produziert werden (siehe Kap. 6.1.3.4). Inhaltswörter hingegen können abgebrochen werden – und der Unterschied zu den Funktionswörtern besteht unabhängig von der Wortlänge (siehe Kap. 6.1.2.4). Warum werden Funktionswörter insgesamt weniger häufig abgebrochen als Inhaltswörter? Eine mögliche Erklärung hat mit der unterschiedlichen Frequenz zu tun, mit der Inhalts- und Funktionswörter auftreten. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass die Token-Frequenz einzelner Funktionswörter im Sprachgebrauch viel höher ist als die Token-Frequenz einzelner Inhaltswörter. Für eine Ermittlung der Wortfrequenzen wurden verschiedene Korpora der Datenbank Gesprochenes Deutsch des IDS Mannheim zusammengestellt.134 Für die Funktionswort-Reparanda (n = 530; sowohl Fehler-Reparanda als auch nicht-fehlerhafte Reparanda, Abbruchpunkt im Reparandum oder nach dem Reparandum) ergab sich eine durchschnittliche Token-Frequenz von ca. 62.000, während für eine zufällige Stichprobe von Inhaltswort-Reparanda (n = 162; sowohl FehlerReparanda als auch nicht-fehlerhafte Reparanda, Abbruchpunkt im Reparandum oder nach dem Reparandum) eine durchschnittliche Token-Frequenz von ca. 1.100 vorlag. Die Funktionswort-Tokens, die in meinem Korpus repariert werden, treten demnach im Sprachgebrauch durchschnittlich etwa 55-mal häufiger auf als die reparierten Inhaltswort-Tokens. Dieser Häufigkeitsunterschied liegt vor allem daran, dass die Gruppe der Funktionswörter eine geschlossene Wortklasse darstellt, die eine relativ kleine Anzahl von Elementen umfasst, die jedoch über verschiedenste Äußerungsinhalte hinweg regelmäßig zum Einsatz

|| 134 Folgende Korpora wurden für die Auswertung herangezogen: Biographische und Reiseerzählungen (BR), Dialogstrukturenkorpus (DS), Elizitierte Konfliktgespräche (EK), Forschungsund Lehrkorpus Gesprochenes Deutsch (FOLK), Grundstrukturen: Freiburger Korpus (FR), Deutsche Mundarten: ehemalige deutsche Ostgebiete (OS), Deutsche Umgangssprachen: Pfeffer-Korpus (PF), Deutsche Mundarten: Zwirner-Korpus (ZW). Gesamtzahl der Tokens: 6.798.300.

346 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

kommen. Im Gegensatz dazu ist die Zahl der Inhaltswörter offen und umfasst eine vielfache Anzahl von Elementen, deren Gebrauch auf ganz bestimmte Äußerungsinhalte beschränkt ist. Wie bereits erwähnt, führt der häufige Gebrauch eines Wortes dazu, dass die Produktion dieses Wortes stärker automatisiert abläuft (vgl. Hooper 1976; Bybee 2002, 2006). Dies zeigt sich neben einer schnelleren Abrufgeschwindigkeit (vgl. Rubenstein et al. 1970) unter anderem auch darin, dass ein begonnener Produktionsprozess bei hochfrequenten Wörtern schwer zu unterdrücken ist, sodass das Wort während der Artikulation nur schwer abgebrochen werden kann (vgl. Kapatsinski 2010). Dies ist bei den Funktionswörtern der Fall. Der hohe Automatisierungsgrad der Produktion von Funktionswörtern führt dazu, dass die Äußerung fast immer erst nach Abschluss des gerade artikulierten Worts, aber nicht innerhalb des Wortes abgebrochen wird. Der hohe Automatisierungsgrad der Wortproduktion erklärt zwar die Seltenheit von Wortabbrüchen, liefert aber keine Begründung dafür, warum der Sprecher nach abgeschlossener Wortproduktion nicht noch weiterspricht und erst innerhalb des nächsten Wortes oder an der nächsten Wortgrenze abbricht. Zur Selektion des Abbruchpunkts trägt also in diesen Fällen nicht allein die automatisierte Wortproduktion bei, sondern auch die Grundmotivation ‚Schnelligkeit der Reparaturinitiierung‘. Neben dem Einfluss der Wortart könnten auch die unterschiedlichen Reparaturtypen und -funktionen, die mit Inhaltswort- und Funktionswort-Reparanda verbunden sind, für die Unterschiede bezüglich der Position des Abbruchpunkts verantwortlich sein. Wie die folgenden Überlegungen zeigen werden, ist die hier angeführte Erklärung durch Automatisierungsprozesse jedoch als plausibler anzusehen.

8.1.2 Problemstatus des gerade artikulierten Worts Der Faktor ‚Problemstatus des gerade artikulierten Worts‘ betrifft die Inhaltswörter (n = 768; 30,9 % aller Reparaturen). Wenn das gerade artikulierte Inhaltswort das Merkmal ‚fehlerhaft‘ aufweist (n = 136; 5,5 % aller Reparaturen), wird die Motivation ‚Markierung eines Problems‘ am stärksten gewichtet. Der Einfluss dieser Motivation führt dazu, dass das fehlerhafte Wort abgebrochen wird, ohne dass dabei phonologische oder morphologische Grenzen berücksichtigt werden. Dieser Motivation folgen 87 Beispiele (64,0 %), während 49 Selbstreparaturen (36,0 %) der Motivation nicht folgen.

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Wenn das gerade artikulierte Inhaltswort nicht-fehlerhaft ist, wiederholt werden soll und mit einem Präfix, einer Verbpartikel oder einem Kompositumsglied beginnt (n = 57; 2,3 % aller Reparaturen), wird die Motivation ‚Kontinuität der Rede‘ am stärksten gewichtet und führt zu einem Abbruch an der Morphemgrenze. Dieser Motivation folgen 37 Reparaturen (64,9 %), während das Modell in 20 Fällen (35,1 %) nicht zutrifft. Wenn es sich um ein anderes nicht-fehlerhaftes Wort handelt (n = 575; 23,1 % aller Reparaturen), ist ebenfalls die Motivation ‚Kontinuität der Rede‘ am stärksten und sorgt für einen Abbruch an der Wortgrenze. Dieser Teil des Modells trifft auf 362 Beispiele (63,0 %) zu, wohingegen er 213 Fälle (37 %) nicht erklären kann. Im Folgenden wird die zweite Ebene des Modells anhand einiger Ergebnisse, die in früheren Kapiteln präsentiert wurden, empirisch untermauert und kritisch diskutiert. Eine grundlegende Beobachtung bei der Untersuchung des Abbruchpunkts besteht darin, dass Reparanda häufig abgebrochen werden – Wörter, die zwischen Reparandum und Reparaturinitiierung produziert werden (sogenannte ‚Wörter in der Verzögerung‘), jedoch nicht (siehe Kap. 6.1.2). Dieses Ergebnis liefert Evidenz dafür, dass neben dem Faktor Zeit, der sich in der Grundmotivation ‚Schnelligkeit der Reparaturinitiierung‘ niederschlägt, noch andere Motivationen zur Erklärung des Abbruchpunkts beitragen. Die Abbruchquote ist unmittelbar nach dem Reparandum mit 55,1 % zwar am höchsten und sinkt danach insgesamt deutlich ab, jedoch nicht proportional zum Fortschreiten der syntaktischen Gestalt. Wenn nicht im Reparandum oder direkt danach abgebrochen wird, sinkt die Wahrscheinlichkeit für einen Abbruch mit Beginn des ersten Wortes in der Verzögerung stark ab und steigt erst an der nächsten Wortgrenze wieder an; dasselbe gilt für jedes darauf folgende Wort in der Verzögerung, wobei die Gesamtwahrscheinlichkeit für eine verzögerte Initiierung mit jeder Silbe stark abnimmt (siehe Tab. 10). Dieses Ergebnis, das den Beobachtungen von Nooteboom (1980: 94) und Levelt (1983: 62) entspricht, deutet auf die Tendenz der Sprecher hin, unproblematische Wörter nicht abzubrechen. Neben Wörtern in der Verzögerung gibt es jedoch noch weitere unproblematische Wörter, nämlich wiederholte Wörter. Um zu belegen, dass sich die Tendenz zum Abbruch an der Wortgrenze tatsächlich auf unproblematische Wörter insgesamt und nicht allein auf Wörter in der Verzögerung bezieht, sollte auch in diesen Fällen ein Wortabbruch vermieden werden. Wie Kapitel 6.1.3 zeigt, ist dies der Fall. Die Tendenz zum Abbruch an der Wortgrenze gilt sowohl für einfache wiederholte Wörter als auch für die Wiederholung mehrerer Wörter. Darüber hinaus werden auch sekundäre Reparanda in Projektionsreparatu-

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ren, bei denen es sich nicht um das eigentliche Reparandum handelt, nicht abgebrochen (siehe Kap. 7.2.2). Es ist entscheidend, dass diese Beobachtung nicht nur für Funktionswörter als sekundäres Reparandum gilt. Hier wäre ohnehin kein Wortabbruch zu erwarten, weil deren Produktion stark automatisiert ist. Auch in Phrasen, die als sekundäres Reparandum auftreten und ein Inhaltswort enthalten, wird ein Wortabbruch vermieden. Die Untersuchung des Abbruchpunkts sowohl bei Wiederholungen als auch bei Projektionsreparaturen bekräftigt somit, dass die Tendenz zum Abbruch an der Wortgrenze für alle unproblematischen Wörter gilt. Aus den bisherigen Beobachtungen könnte man folgern, dass ein Wort nur dann abgebrochen wird, wenn es problematisch ist, d. h. wenn es sich bei ihm um das Reparandum handelt. Die Untersuchung des Abbruchpunkts bei retrospektiven Reparaturen zeigt jedoch, dass nicht alle Reparanda gleich häufig abgebrochen werden. Reparanda in Korrekturen werden sehr oft abgebrochen (51,8 %), Reparanda in Elaborierungen jedoch deutlich seltener (24,1 %) (siehe Kap. 7.2.2). Die Sprecher folgen also in über der Hälfte der Fälle der Motivation, fehlerhafte Elemente ihrer Äußerung durch Abbruch zu markieren, während sie bei nicht-fehlerhaften Reparanda in den meisten Fällen auf eine starke Markierung des Reparandums durch Wortabbruch verzichten. Vor diesem Hintergrund muss die Aussage, dass unproblematische Wörter nicht abgebrochen werden, revidiert werden: Sprecher brechen auch Reparanda in Elaborierungen, in denen kein Fehler bearbeitet wird, zumeist nicht ab. Alle bisherigen Beobachtungen zur Position des Abbruchpunkts münden also in der Feststellung, dass ein Wort vor allem dann abgebrochen wird, wenn es einen wichtigen Grund dafür gibt: die Markierung eines fehlerhaften Elements für den Rezipienten. Eine besonders frühe Initiierung von Korrekturen erscheint aus interaktionaler Perspektive sinnvoll, weil dadurch eine schnellere Behebung „echter“ Fehler ermöglicht wird, die im Gegensatz zu nicht-fehlerhaften Reparanda entweder das Verständnis stark beeinträchtigen können (semantische Fehler) oder gegen soziale Normen verstoßen (phonologische und syntaktische Fehler) (siehe Kap. 4.2.1). Levelts (1983: 63) Untersuchung des Niederländischen deutet zwar in die gleiche Richtung, was die unterschiedlichen Abbruchquoten bei fehlerhaften und nicht-fehlerhaften Reparanda angeht, allerdings werden in seiner Studie insgesamt viel weniger Reparanda abgebrochen als im vorliegenden Korpus, nämlich nur 23 % der fehlerhaften und 7 % der ungenauen bzw. unangemessenen Wörter. Es ist davon auszugehen, dass dieser Kontrast zwischen den beiden Untersuchungen nicht auf den Unterschied zwischen Niederländisch und Deutsch, sondern auf den Unterschied zwischen den Daten zurückzuführen ist,

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auf denen die Studien basieren.135 Levelts Daten sind einer experimentellen Untersuchung zur Beschreibung von visuellen Mustern entnommen, sodass Selbstreparaturen von Richtungsangaben (z. B. links, rechts) und Farbwörtern (z. B. blau, grün, gelb) im Korpus extrem häufig vertreten sind. Korrekturen von Farbwörtern treten beispielsweise 218-mal auf und machen 54,6 % aller Korrekturen aus (Levelt 1983: 63, 65), wohingegen in den vorliegenden spontansprachlichen Daten kein einziges Farbwort repariert wird. Da Farbwörter im Niederländischen hauptsächlich einsilbig sind und einsilbige Reparanda weit weniger häufig abgebrochen werden als zwei- und mehrsilbige Reparanda (siehe Kap. 6.1.2.4), trägt diese Eigenschaft von Levelts (1983) Daten vermutlich entscheidend zur niedrigen Wortabbruchquote bei. Die Abbruchquote bei nichtfehlerhaften Reparanda liegt in der vorliegenden Untersuchung von Spontansprache mit 24,1 % sogar noch etwas höher als die Abbruchquote bei FehlerReparanda in Levelts (1983: 63) Untersuchung (23 %).136 Das Modell bildet den Selektionsprozess für den Abbruchpunkt insgesamt relativ präzise ab, berücksichtigt aber nicht die empirische Beobachtung, dass auch bei semantischen Elaborierungen das Reparandum in etwa einem Viertel der Fälle abgebrochen wird. Offenbar trifft die Tendenz, problematische Elemente durch Wortabbruch zu markieren, nicht allein auf Fehler zu, sondern zu einem gewissen Maß auch auf semantische Probleme im Allgemeinen. Anders ausgedrückt wird die Motivation ‚Markierung eines Problems‘ nicht nur für das Merkmal ‚fehlerhaftes Wort‘ am stärksten gewichtet, sondern auch für einen Teil der nicht-fehlerhaften semantischen Reparanda. Sprecher verhalten sich in der Interaktion demnach flexibler als es auf der zweiten Ebene des Modells dargestellt wird. Es handelt sich hierbei um eine Beobachtung, die aus Rezipientensicht von großer Bedeutung ist. Da semantische Elaborierungen (n = 338) fast doppelt so häufig auftreten wie alle Fehlerkorrekturen zusammen (n = 174) (siehe Kap. 4.2), ist die absolute Anzahl abgebrochener nicht-fehlerhafter Reparanda

|| 135 Vgl. auch Schegloff (1991: 54f.), Schegloff et al. (1996: 25f.) und Uhmann (2001: 398) zu verschiedenen Kritikpunkten an Levelts (1983) Studie. 136 Bei den nicht-fehlerhaften Reparanda handelt es sich größtenteils um Reparanda in semantischen Elaborierungen mit einer Abbruchquote von 26,8 %. In pragmatischen Elaborierungen liegt die Abbruchquote bei nur 7,5 %. Allerdings ist das Reparandum in diesen Fällen sehr oft ein (hoch automatisiertes) Funktionswort, sodass keine höhere Abbruchquote zu erwarten ist und diese Fälle auf der zweiten Ebene des Modells keine Rolle spielen. Die wenigen verbleibenden Fälle von pragmatischen Inhaltswort-Reparanda sind zu vernachlässigen, sodass ich mich in der folgenden Diskussion von Abbrüchen in nicht-fehlerhaften Reparanda ausschließlich auf semantische Elaborierungen beziehe.

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(n = 83) fast so hoch wie die absolute Anzahl abgebrochener (phonologischer und semantischer) Fehler-Reparanda (n = 87). Aus der Perspektive des Rezipienten hat das zur Folge, dass ein abgebrochenes Reparandum eine semantische Elaborierung etwa genau so stark projiziert wie eine Korrektur. Aus diesem Grund kann Levelts (1983: 62–64) Interpretation der Funktion des Wortabbruchs nicht zugestimmt werden, obwohl die deutlich höhere Abbruchquote bei Fehler-Reparanda in der vorliegenden Untersuchung seine Ergebnisse teilweise bestätigt. Levelt (1983: 63) fasst seine Schlussfolgerungen, die er als „pragmatic hypothesis“ formuliert, folgendermaßen zusammen: „Interrupting a word signals that that word is wrong.“ Wie die Analysen jedoch zeigen, markiert ein Wortabbruch aus Hörersicht ein fehlerhaftes Wort oder ein nicht-fehlerhaftes semantisches Reparandum. Bezieht man nicht nur die Wortabbrüche im Reparandum, sondern auch die Abbrüche in unproblematischen Wörtern mit ein, so werden Elaborierungen von Wortabbrüchen sogar noch etwas stärker projiziert als Korrekturen (siehe Kap. 7.3.2, Tab. 81 und Tab. 82 sowie Kap. 7.3.3, Tab. 83). Levelts „pragmatic hypothesis“ muss also zumindest für das Deutsche insofern modifiziert werden, dass ein Wortabbruch aus Rezipientensicht zwar ein Problem markiert, aber nicht zwangsläufig einen Hinweis auf einen Fehler darstellt. Ein Wortabbruch erfüllt die interaktionale Funktion, das abgebrochene Wort bereits vor der Durchführung der Reparaturoperation als problematisch zurückzuweisen. Der Rezipient kann das Reparandum in diesen Fällen nicht nur besonders einfach identifizieren, sondern sich auch auf eine Veränderung der emergenten Struktur einstellen. Die vorliegende Analyse geht noch in einem weiteren Punkt über Levelt (1983) hinaus. Während Levelt (1983: 63) ausschließlich Korrekturen und Elaborierungen in Bezug auf den Abbruchpunkt miteinander vergleicht, wurde in dieser Arbeit zusätzlich zur Unterscheidung zwischen Korrekturen und Elaborierungen die sprachliche Ebene des Reparandums mit ausgewertet (siehe Kap. 7.2.2, Tab. 75 und Tab. 76). Die Analysen zeigen, dass die tatsächlichen Verhältnisse komplexer sind als sie durch das Modell ausgedrückt werden. Nicht alle Fehler-Reparanda sind gleich häufig mit einem Abbruch verbunden. Phonologische Fehler-Reparanda werden extrem häufig abgebrochen (77,6 %), wohingegen semantisch fehlerhafte Wörter in nur 40,7 % der Daten unterbrochen werden.137 Das deutet darauf hin, dass phonologische Fehler von Sprechern anders

|| 137 Diese Beobachtung kann nicht ohne Weiteres ins Modell integriert werden. Die Vorhersage, dass alle fehlerhaften Wörter abgebrochen werden, kann nämlich nicht – unter Ausschluss der semantisch fehlerhaften Wörter – auf phonologisch fehlerhafte Wörter eingeschränkt werden, weil das Modell dann sowohl für semantische Elaborierungen als auch für semanti-

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behandelt werden als semantische Fehler. Es gibt mindestens zwei mögliche Erklärungen für diesen Einfluss der sprachlichen Ebene des Reparandums auf die Abbruchquote. Entweder werden phonologische Fehler von den Sprechern als schwerwiegendere Probleme angesehen als semantische Fehler und die höhere Dringlichkeit, das Reparandum zu beseitigen, kommt in einer noch schnelleren Reparaturinitiierung zum Ausdruck. In diesem Fall würden Sprecher einen Verstoß gegen die soziale Norm fehlerloser Artikulation als schwerwiegender bewerten als ein potentielles Missverständnis. Eine andere mögliche Erklärung besteht darin, dass das Monitoring des Sprechers phonologische Probleme schneller identifiziert als semantische Probleme, sodass phonologisch fehlerhafte Wörter häufiger abgebrochen werden können. Auf der Basis der vorliegenden Daten kann keiner der beiden Erklärungen eindeutig Vorrang vor der anderen eingeräumt werden. Es erscheint jedoch plausibel, dass beim Monitoring der Artikulation – einem motorischen Prozess – weniger kognitive Ressourcen beansprucht werden und daher ein schnelleres Feedback möglich ist als beim Monitoring der Semantik der Äußerung, das auch Konzeptualisierungsprozesse umfasst. Zur Plausibilität dieser Erklärung trägt die Beobachtung bei, dass multiple Retraktionen, die dem Sprecher zusätzliche Zeit verschaffen, bei semantischer Planung gehäuft auftreten (Kap. 7.4.3). Im Zusammenhang mit Korrekturen soll noch auf diejenigen Fälle eingegangen werden, in denen ein fehlerhaftes Wort nicht abgebrochen wird. Sprecher brechen in 36,9 % der Fälle entgegen der Motivation, das fehlerhafte Element zu markieren, nicht innerhalb des fehlerhaften Wortes ab, sondern erst unmittelbar nach dem Wort oder zu einem noch späteren Zeitpunkt. Levelt (1983: 64) vermutet, dass die Sprecher in diesen Fällen den Fehler erst nach abgeschlossener Produktion des Reparandums bemerken, sodass kein Wortabbruch mehr möglich ist. Er liefert jedoch keine Evidenz für diese Hypothese (vgl. auch Brédart 1991: 125). Die Analyse des Einflusses der Wortlänge auf die Position des Abbruchpunkts in Kapitel 6.1.2.4 unterstützt Levelts Vermutung. Mit zunehmender Wortlänge steigt der Anteil abgebrochener InhaltswortReparanda deutlich an (einsilbig: 27,9 %; zweisilbig: 45,8 %; mehrsilbig: 75,0 %). Der Sprecher scheint in der Lage zu sein, mehr Reparanda abzubrechen, wenn ihm während der Produktion des Reparandums mehr Zeit für die Identifizierung des Problems zur Verfügung steht (vgl. Brédart 1991).138 Eine

|| sche Korrekturen unter Missachtung des signifikanten Unterschieds zwischen diesen beiden Gruppen (siehe 7.2.2, Tab. 76) einen Abbruch an der Wortgrenze vorhersagen würde. 138 Vgl. auch Fox et al. (2009b), die ebenfalls einen Einfluss der Wortlänge auf den Abbruchpunkt nachweisen: In sechs der sieben untersuchten Sprachen stellen sie eine Tendenz fest,

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zusätzliche Ursache für den seltenen Abbruch kurzer Reparanda könnte darin bestehen, dass Sprecher eher dazu neigen, an der Wortgrenze abzubrechen, wenn die Produktion des Wortes fast abgeschlossen ist (vgl. Kapatsinski 2010: 102). Ergänzend soll an dieser Stelle noch einmal hervorgehoben werden, dass Fehler-Reparanda – Gleiches gilt für Reparanda in Elaborierungen – nur dann abgebrochen werden, wenn sie Inhaltswörter sind. Diese Beobachtung ist entscheidend für das Erklärungsmodell, weil in ihr die Hierarchisierung der beiden motivationsgewichtenden Faktoren ‚grammatischer Status des gerade artikulierten Worts‘ und ‚Problemstatus des gerade artikulierten Worts‘ zum Ausdruck kommt. Anders formuliert liefert diese Beobachtung Evidenz dafür, dass die Automatisierung der Produktion von Funktionswörtern stärker ist als die Motivation, fehlerhafte Wörter durch Abbruch zu markieren. Wenden wir uns nun denjenigen Fällen zu, in denen nicht-fehlerhafte Wörter in Übereinstimmung mit dem Modell nicht abgebrochen werden. Hier folgen die Sprecher durch einen Abbruch an der Wortgrenze der in diesem Fall am stärksten gewichteten Motivation ‚Kontinuität der Rede‘, indem sie die phonologische und morphologische Struktur der Äußerung unversehrt lassen und den Redefluss stärker aufrechterhalten als durch einen Abbruch im Wort. Wie Clark und Wasow (1998: 206) mit ihrer „continuity hypothesis“ ausdrücken, gibt es eine Tendenz der Sprecher, Konstituenten ihres Redebeitrags auf kontinuierliche Weise zu produzieren. Dies erfüllt vermutlich den Zweck, die Konstituenten einfacher prozessierbar zu machen und sich den Gesprächspartnern gegenüber als „prepared, thoughtful, and articulate“ (Clark/Wasow 1998: 207) zu präsentieren. Die Vermeidung von Wortunterbrechungen kann also als Teil der sozialen Praktiken angesehen werden, die gesichtsbedrohenden Handlungen entgegensteuern und somit zum „face-work“ (Goffman 1967: 12) beitragen. Diese Erklärung passt auch zur Beobachtung, dass Sprecher fehlerhafte Wörter verstärkt abbrechen. Die Sprecher zeigen den Rezipienten in diesen Fällen durch den schnellen Abbruch einerseits, dass sie den Fehler als solchen erkannt haben und andererseits, dass sie den potentiell gesichtsbedrohenden Teil des Redebeitrags möglichst zügig revidieren wollen. Auch an dieser Stelle muss – wie bei der Diskussion des Einflusses der Wortart – darauf hingewiesen werden, dass der Abbruch an der nächsten Wortgrenze nicht durch die Motivation ‚Kontinuität der Rede‘ allein erklärt werden kann, sondern nur durch den gleichzeitigen Einfluss der Motivation ‚Schnellig|| einsilbige Wörter an der Wortgrenze und mehrsilbige Wörter innerhalb des Wortes abzubrechen.

Erklärungsmodell für die Position des Abbruchpunkts | 353

keit der Reparaturinitiierung‘. Würde der Sprecher nicht nach einem möglichst schnellen Abbruch streben, wäre ein höherer Anteil an Abbrüchen nach Wörtern in der Verzögerung zu erwarten. Einen Sonderfall stellen Wiederholungen von Inhaltswörtern dar, die mit einem Präfix, einer Verbpartikel oder einem Kompositumsglied beginnen. Bei diesen Selbstreparaturen tendieren Sprecher dazu, an der Morphemgrenze abzubrechen. Man muss in diesem Zusammenhang beachten, dass es sich bei den meisten wiederholten Wörtern um Funktionswörter handelt (n = 820; 79,0 %) und Inhaltswörter nur sehr selten wiederholt werden (n = 218; 21,0 %). Von den wiederholten Inhaltswörtern, vor allem Nomen und Verben, beginnen nur 57 (26,1 %) mit einem Präfix (un-, be-, ver-, dis-, be-, ge-, aus-, ein-, er-, ob-), einer Verbpartikel (zurück, ab-, hin-, ein-, aus-, an-, runter-, raus-, rein-, um-) oder einem Kompositumsglied. In diesen Fällen ergibt sich folgende quantitative Verteilung des Abbruchpunkts: Tab. 94: Position des Abbruchpunkts in wiederholten Inhaltswörtern, die mit Präfix, Verbpartikel oder Kompositumsglied beginnen erstes Morphem

Abbruchpunkt an Morphemgrenze (pro)

nicht an Morphemgrenze (kontra)

Präfix

15 (68,2 %)

7 (31,8 %)

Verbpartikel

10 (71,4 %)

4 (28,6 %)

Kompositumsglied

12 (57,1 %)

9 (42,9 %)

gesamt

37 (64,9 %)

20 (35,1 %)

Wie Tabelle 94 zeigt, brechen Sprecher bei der Wiederholung dieser Inhaltswörter in fast zwei Dritteln an einer Morphemgrenze ab. Diese Tendenz existiert über alle drei wortinitialen Morphemtypen hinweg. Abbrüche an der Morphemgrenze sind insofern mit Abbrüchen an der Wortgrenze vergleichbar, als auch das Wortende eine Morphemgrenze darstellt. Die Tendenz zum Abbruch an dieser Position kann ebenfalls damit erklärt werden, dass die Sprecher nach maximaler Kontinuität der Rede streben. In fast allen Fällen (35 von 37; 94,6 %) fällt die Morphemgrenze mit einer Silbengrenze zusammen, sodass die Kontinuität der Rede maximiert wird, indem der Sprecher bei der Reparaturinitiierung sowohl die morphologische als auch die phonologische Struktur des Wortes so gut wie möglich erhält.

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Abschließend soll noch auf eine Gruppe von Selbstreparaturen eingegangen werden, die zwar dem Modell widerspricht, die aber dennoch die Tendenz der Sprecher unterstreicht, bei nicht-fehlerhaften Wörtern die Kontinuität der Rede zu maximieren. Bei dieser Gruppe handelt es sich um spezifizierende Reparaturen, in denen der Abbruch laut Modell an der Wortgrenze stattfinden müsste. Diese Vorhersage trifft zwar in der überwiegenden Mehrheit der Fälle zu, aber in den Fällen, die dem Modell widersprechen, wird häufig die Morphemgrenze – genau wie in wiederholten morphologisch komplexen Inhaltswörtern – als Abbruchpunkt gewählt. Insgesamt kann man festhalten, dass das hier präsentierte Modell die Position des Abbruchpunkts in 85 % der Fälle korrekt vorhersagt. Ein Modell, das auf wettstreitenden strukturbestimmenden Motivationen basiert, scheint demnach gut geeignet zu sein, um den Selektionsprozess für den Abbruchpunkt in Selbstreparaturen abzubilden. Über die Entwicklung des Modells hinaus konnten auch in den Daten, die dem Modell widersprechen, verschiedene Regelmäßigkeiten festgestellt werden, die zur Erklärung der Position des Abbruchpunkts beitragen.

8.2 Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts Der Retraktionspunkt stellt neben dem Abbruchpunkt einen zentralen Aspekt der syntaktischen Struktur von Selbstreparaturen dar. In dem Moment, in dem ein Sprecher eine Selbstreparatur initiiert, bieten sich ihm hinsichtlich der Selektion des Retraktionspunkts im Normalfall verschiedene Optionen. Neben der Möglichkeit einer Retraktion direkt zum Reparandum kann ein Sprecher – je nachdem, wie weit die emergente syntaktische Gestalt zum Zeitpunkt der Reparaturinitiierung fortgeschritten ist – zu verschiedenen weiter zurückliegenden syntaktischen Positionen retrahieren. Wodurch wird festgelegt, für welche der Alternativen sich der Sprecher entscheidet? Welche Faktoren beeinflussen die Selektion des Retraktionspunkts?

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 355

8.2.1 Analyse von Uhmanns Kopfregel139 Eine Antwort auf diese Frage gibt Uhmann (2001, 2006) in Form der „Kopfregel“, die den Retraktionspunkt in Selbstreparaturen im Deutschen vorhersagt. Um uns einer Erklärung dieses Aspekts von Selbstreparaturen anzunähern, soll im vorliegenden Kapitel die von Uhmann (2001, 2006) entwickelte Regel analysiert werden. Diese Regel versucht, den Retraktionspunkt in Selbstreparaturen im Deutschen durch ein einziges syntaktisches Merkmal zu erklären.

8.2.1.1 Theoretische Analyse der Extended Head Rule Als entscheidendes Merkmal für die Retraktion innerhalb von Selbstreparaturen identifiziert Uhmann (2001: 388) den funktionalen Kopf einer Phrase, der das Reparandum c-kommandiert: Head Rule Self-repairs are preferred if the accomplishment of repair starts with the repetition of the functional head which immediately c-commands the repairable.

Die Hypothese, dass Selbstreparaturen im Deutschen mit dem funktionalen Kopf beginnen, der das Reparandum unmittelbar c-kommandiert, wird zentraler Diskussionsgegenstand dieses Kapitels sein. Es folgen daher zunächst einige Bemerkungen zum theoretischen Konzept, das hinter dieser Präferenzregel steht, und zur Terminologie, die zu deren Formulierung verwendet wird. Um die Aussage der Kopfregel angemessen beurteilen zu können, soll anschließend die Entstehung der Extended Head Rule (EHR) aus einem theoretischen Blickwinkel nachvollzogen werden. Die EHR ist Uhmanns endgültige Präferenzregel für die Durchführung selbstinitiierter Selbstreparaturen und stellt eine Weiterentwicklung der Head Rule dar. Die Head Rule stützt sich auf Grundannahmen der X-Bar-Theorie. Unter Berufung auf Haegeman (1994) definiert Uhmann (2001: 388) ihr wichtigstes theoretisches Konzept, den funktionalen Kopf, folgendermaßen: „Functional heads are those non-complex constituents in head position which (simplifying somewhat) carry grammatical meaning” (Uhmann 2001: 388). Als Beispiele für funktionale Köpfe nennt Uhmann (2001: 389f.) die Präposition in Präpositionalphrasen (PP), den Determinierer in Nominal- bzw. Determiniererphrasen (NP,

|| 139 Das vorliegende Kapitel wurde bereits in leicht abweichender Form als Pfeiffer (2010) publiziert.

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DP) und das finite Verb in Complementizerphrasen (CP). Funktionale Köpfe sind bei Uhmann also allesamt overt realisierte Konstituenten der syntaktischen Struktur einer Äußerung. Diese Verwendung des Terminus ‚funktionaler Kopf‘ ist vor dem Hintergrund anderer Studien zu funktionalen Köpfen etwas verwirrend. Oftmals wird nämlich in der Generativen Grammatikforschung unter diesem Begriff etwas anderes verstanden. Cinque (1999) geht beispielsweise davon aus, dass Adverbialphrasen in der Spezifikatorposition von phonetisch nicht realisierten funktionalen Köpfen stehen, wobei der Adverbtyp in semantischer Hinsicht dem jeweiligen funktionalen Kopftyp (z. B. modal, temporal, aspektuell) entspricht. Bale/Barner (2009: 234) unterscheiden in Nominalphrasen zwischen einem „count-noun functional head“ und einem „mass noun functional head“. Diese nicht realisierten funktionalen Köpfe gehen Verbindungen mit lexikalischen Elementen ein und bilden dadurch zählbare und nicht-zählbare Nomen. Die theoretischen Auffassungen vom funktionalen Kopf in diesen beiden Studien weisen auf die verbreitete Vorstellung vom funktionalen Kopf als phonetisch nicht realisierter syntaktischer Einheit hin. Diese Sichtweise ist nicht mit dem Konzept der EHR in Einklang zu bringen, dass der funktionale Kopf ein Teil der syntaktischen Oberfläche ist und als Startpunkt der Reparaturdurchführung genutzt werden kann. Das vorliegende Kapitel zielt jedoch auf die Analyse der Gestaltung von Retraktionen vor dem Hintergrund der EHR ab – und nicht auf die Diskussion verschiedener Konzeptionen des funktionalen Kopfes. Die oben angeführten Bemerkungen sollen daher lediglich dazu dienen, scheinbar ähnliche theoretische Konzeptionen voneinander abzugrenzen und dadurch terminologischen Missverständnissen vorzubeugen. In der folgenden Analyse bezieht sich der Begriff ‚funktionaler Kopf’ ausschließlich auf Uhmanns Definition (2001: 388). Im Laufe von Uhmanns (2001) Analyse erfährt die ursprüngliche Head Rule bestimmte Erweiterungen, weil sie sich mit manchen Reparaturen bzw. der intuitiven Bewertung konstruierter Reparaturbeispiele (z. B. Uhmann 2001: 395, Bsp. 28b) als nicht kompatibel erweist. Diese Ausdehnung führt schließlich zur Formulierung der Extended Head Rule (EHR) (2001: 395), der endgültigen Version der Präferenzregel für Selbstreparaturen: Extended Head Rule (a) If the repairable Y is not a functional head, the self-repair preferably starts with the repetition of the cascade of functional heads X1, … , Xn (n ≥ 1) which immediately ccommands the repairable.

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(b) If the repairable Y is a functional head in a cascade of functional heads X1, … , Xn (n ≥ 1), then if Y ≠ X, [sic!]140 the self-repair preferably starts with the repetition of X1 or its specifier; if Y = X1, the repair preferably starts with the ‘new’ X1 or its specifier.

Die Formulierung der EHR wirft mehrere Probleme auf, deren Diskussion im Zentrum des vorliegenden Unterkapitels stehen wird. Zunächst sollen jedoch die Vorhersagen der EHR anhand einiger Beispiele verdeutlicht werden: (207) 01 hh04: wir fahren viel in die GÖRle, 02 da kann einem [das ] pasSIEren03 i-hh04: [mhm-] 04 hh04: dass einem* (-) °h äh: dass man von mOrgens un: bis Abends05 (-) im wald läuft und man TRIFFT nie[manden.] 06 i-hh04:

Die Reparatur in (207) entfällt auf EHR (a), weil es sich beim Reparandum, dem Indefinitpronomen einem, nicht um einen funktionalen Kopf handelt. Im Anschluss an die Reparaturinitiierung in Z. 04 durch eine Pause, kurzes Einatmen und das Einfügen des Reparaturmarkers äh: retrahiert der Sprecher zur Subjunktion dass und ersetzt das Indefinitpronomen einem durch das Indefinitpronomen man. Diese Selbstreparatur entspricht den Voraussagen der EHR (a), weil die Reparaturdurchführung mit der Wiederholung der Subjunktion dass beginnt, die als funktionaler Kopf der Complementizerphrase fungiert. Das nächste Beispiel entfällt auf die Bedingung Y = X1 der EHR (b), da es sich beim Reparandum um einen funktionalen Kopf handelt und keine „Kaskade funktionaler Köpfe“ vorliegt: (208) 01 hh04: also das das SCHLIMme si'* (.) ist ja02 dass dass man WEISS03 wie manche dinge in diese gesetze geKOMmen sind,

In (208) unterbricht der Sprecher das finite Verb, vermutlich die Kopula sein in der 3. Person Plural, sodass das Reparandum si' entsteht (Z. 01). Die darauf folgende Retraktion geht direkt zum Reparandum, dem funktionalen Kopf der Complementizerphrase, um das Merkmal Numerus zu verändern. Es ist zu be|| 140 In der zweiten Zeile der EHR (b) liegt offenbar ein Druckfehler vor. Dieser Teil der Regel (b) erscheint nur für die Bedingung Y≠X1 sinnvoll, nicht aber für Y≠X, da Y ja in jedem Falle einem X innerhalb der Kaskade funktionaler Köpfe entsprechen muss. In meiner Argumentation werde ich deswegen von der Richtigkeit der Formulierung Y≠X1 ausgehen.

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achten, dass der Sprecher hh04 den Spezifikator der Complementizerphrase das SCHLIMme nicht mit in die Reparaturdurchführung einbezieht, was gemäß EHR (b) ebenfalls zulässig wäre. Wie die Analyse in Kapitel 6.3.2.1 gezeigt hat, wiederholen Sprecher nur einsilbige, aber keine mehrsilbigen Vorfeldkonstituenten. Die folgende Reparatur entfällt auf die Bedingung Y≠X1 der EHR (b), da es sich beim Reparandum um einen funktionalen Kopf in einer „Kaskade funktionaler Köpfe“ handelt: (209) 01 i-hh04: aber ich denk da in_der* (.) in_dem HAUPTgebäude02 ich WEISS nicht wer da ist; 03 die theoLOgen hauptsächlich-

In Übereinstimmung mit den Vorhersagen von EHR (b) geht die Retraktion in (209) zur Präposition in, wobei das Reparandum (der definite Artikel der) als möglicher Startpunkt der Reparaturdurchführung übersprungen wird. Die Reparaturdurchführung beginnt also mit dem ersten funktionalen Kopf der aus Präposition und Determinierer bestehenden Kaskade, um das Reparandum der durch einen definiten Artikel mit verändertem Genus (dem) zu ersetzen. Nach dieser kurzen Illustration der Vorhersagen der EHR können wir uns nun der theoretischen Diskussion der EHR zuwenden. Im Wesentlichen werden hier drei Veränderungen im Vergleich zur ursprünglichen Head Rule vorgenommen: 1) die Berücksichtigung des Falles, dass das Reparandum selbst ein funktionaler Kopf ist, 2) die Einführung des Konzeptes der „Kaskade funktionaler Köpfe“ und 3) die Einbeziehung des Spezifikators als möglicher Startpunkt der Reparaturdurchführung. Die erste Erweiterung lässt sich leicht nachvollziehen. Die Möglichkeit, dass das Reparandum ein funktionaler Kopf ist, stellt einen Sonderfall dar, der mit der ursprünglichen Head Rule noch nicht erklärt werden kann und deshalb in den erweiterten Regelentwurf mit einbezogen werden muss. Diesem Zweck dient Teil (b) der EHR. Uhmann (2001: 395) unterscheidet jetzt also den Fall, dass das Reparandum kein funktionaler Kopf ist, von dem Fall, dass das Reparandum ein funktionaler Kopf ist. Durch diese Formulierung wird das Reparandum in EHR (b) mit dem funktionalen Kopf gleichsetzt, der als „non-complex“ (Uhmann 2001: 388) definiert ist. Damit wird die Möglichkeit ausgeschlossen, dass es sich beim Reparandum um eine komplexe Konstituente mit mehreren Wörtern (wie

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z. B. eine Phrase) handelt. Wie sich zeigen wird, tauchen dadurch Probleme hinsichtlich der Anwendbarkeit der EHR auf, da das Reparandum häufig aus mehreren Wörtern besteht. Die zweite Erweiterung betrifft die Einführung des Konzepts der „Kaskade funktionaler Köpfe“: A cascade of functional heads, X1, …, Xn (n ≥ 1), in which Y is embedded, is defined as follows: The maximal projection of Xi+1 is a sister constituent of Xi (for all i: i between 1 and n (1 ≤ i ≤ n)), and Y is part of the maximal projection of Xn. (And if n = 1, this amounts to the provisional Extended Head Rule, above.) (Uhmann 2001: 395).

Wenn man diese Definition der Kaskade konsequent auf alle funktionalen Köpfe gleichermaßen anwendet, widerspricht folgendes Beispiel der EHR: (210) (aus Uhmann 2001: 384) 01 X: und vorne drauf liegt ein grünes* äh ein blaues dreieck

In (210) ist das Reparandum grünes Teil der maximalen Projektion sowohl des Determinierers ein als auch des Verbs liegt. Nach obiger Definition handelt es sich bei liegt ein um eine Kaskade funktionaler Köpfe, sodass die Reparaturdurchführung laut EHR (a) mit dem X1 der Kaskade (liegt) beginnen müsste. Uhmann betrachtet Reparaturen wie (210) jedoch als regelkonform, da sich das Konzept der Kaskade lediglich auf das hierarchische Verhältnis zwischen Präposition und Determinierer in Präpositionalphrasen beziehen soll (Uhmann, persönliche Mitteilung). Dies ist jedoch in der oben zitierten Definition nicht zu erkennen. Auch die dritte Erweiterung verdient eine ausführliche Betrachtung. Die EHR (b) wird so formuliert, dass nunmehr nicht der funktionale Kopf allein die Retraktion einer Reparatur bestimmt, sondern dass auch dessen Spezifikator als Retraktionspunkt in Frage kommen kann. Diese Erweiterung wird beiläufig damit begründet, dass der Spezifikator von seinem Kopf syntaktisch abhängt und von ihm regiert wird (vgl. Uhmann 2001: 392). Betrachtet man aber die syntaktischen Beziehungen zwischen dem funktionalen Kopf und den anderen Konstituenten einer Phrase, so reicht diese Begründung nicht aus, um daraus eine besondere Bedeutung des Spezifikators für die Gestaltung der Reparaturstruktur abzuleiten: Nicht nur der Spezifikator hängt vom Kopf einer Phrase syntaktisch ab, sondern auch die Komplemente. Die Verbindung zwischen dem Spezifikator und dem Kopf einer Phrase ist in gewisser Hinsicht sogar weniger stark als die Verbindung zwischen Kopf und Komplement, weil zwischen diesen eine Selektionsbeziehung besteht, zwischen Kopf und Spezifikator jedoch nicht. Das unmittelbare c-Kommando, das in der EHR (a) die Beziehung zwischen

360 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

funktionalem Kopf und Reparandum definiert und damit in der EHR von entscheidender Bedeutung für die Vorhersage der Selbstreparaturstruktur ist, besteht nicht zwischen Spezifikator und Reparandum (und ebenso wenig zwischen Spezifikator und funktionalem Kopf). Eine Selbstreparatur, die mit dem Spezifikator beginnt, ist deshalb im Rahmen einer Regel, die den funktionalen Kopf als entscheidendes syntaktisches Merkmal betrachtet, nicht auf befriedigende Weise zu begründen. Ein weiterer kritischer Punkt besteht darin, dass die beschriebene Spezifikator-Erweiterung nur für Teil (b) der Regel vorgenommen wird, also für den Fall, dass das Reparandum ein funktionaler Kopf ist. Teil (a) der EHR bleibt von dieser Ausdehnung unberührt, obwohl Uhmann in ihren Ausführungen keine theoretische Unterscheidung zwischen den funktionalen Köpfen in EHR (a) und EHR (b) vornimmt. Im Gegenteil: Die Wahl gleicher Variablen in beiden Teilregeln suggeriert identische konzeptionelle Voraussetzungen. Bei der Beurteilung dieser einseitigen Regelerweiterung ist zu berücksichtigen, dass die EHR nicht nur eine bloße empirische Generalisierung darstellt. Vielmehr misst Uhmann dem funktionalen Kopf in verschiedener Hinsicht einen Erklärungswert bei. Einerseits sieht Uhmann (2001: 397) in Sprachen wie dem Deutschen mögliche Vorteile in einer Orientierung an einem abstrakten Merkmal wie dem funktionalen Kopf, weil das Deutsche aufgrund seiner freien Wortstellung dem Rezipienten keine „typischen Muster“ (wie SVO im Englischen) für das Parsing einer emergenten TCU bereitstellt. Andererseits geht sie davon aus (vgl. Uhmann 2001: 398), dass der funktionale Kopf auch für die adäquate Beschreibung anderer sprachlicher Aktivitäten wie z. B. CodeSwitching relevant ist. Darüber hinaus nimmt Uhmann (2006: 198) an, dass Selbstreparaturen aufgrund ihrer Orientierung am funktionalen Kopf eine Rolle im Erstspracherwerb spielen können, weil sie dazu geeignet sind, „Kindern Hinweise auf die syntaktische Struktur ihrer Muttersprache zu geben“. Die Frage, warum die Retraktion in einem Fall ausschließlich zum funktionalen Kopf gehen sollte, im anderen Fall aber auch optional zum Spezifikator gehen kann, bleibt unbeantwortet. Vor dem Hintergrund der oben genannten Annahmen zum theoretischen Status des funktionalen Kopfes in Uhmanns Regel erscheint die unterschiedliche Behandlung desselben theoretischen Konzepts fragwürdig. Für die weitere Diskussion des Spezifikator-Problems unter Einbeziehung empirischer Ergebnisse sei auf die folgenden Unterkapitel verwiesen. Die EHR kann bestimmte Gruppen von Selbstreparaturen – Insertionen ohne klares Reparandum und Wiederholungen – nicht fassen, weil sie ein Wort als Reparandum verlangt. Das Korpus zur Überprüfung der Extended Head Rule

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 361

(n = 1.074) schließt daher nur Substitutionen, Tilgungen und modifizierende Insertionen mit ein – inklusive sekundärer Reparanda in Projektionsreparaturen. Wiederholungen und nicht-modifizierende Insertionen wurden nicht berücksichtigt, da bei ihnen kein Wort als Reparandum vorliegt (siehe Kap. 5.1.1 und 5.1.3.2). Konstruktionsabbrüche (siehe Kap. 5.2.6), die ohnehin nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind, werden ebenfalls nicht berücksichtigt, weil die EHR diese nicht mit einbezieht. Der enge Fokus der EHR, auf den Uhmann (2001: 396) explizit hinweist, wird dadurch zum Problem, dass Uhmann auch solche Reparaturen als regelkonform ansieht, die kein klares Reparandum aufweisen und daher im Widerspruch mit der Formulierung der EHR stehen. Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen nach der Reparaturinitiierung Teile der ursprünglichen Äußerung nur wiederholt und nicht verändert werden. Es ist problematisch, in solchen Reparaturen einen bestimmten Teil der ursprünglichen Äußerung als Reparandum anzusehen, selbst wenn ein Wortabbruch vorliegt: (211) (aus Uhmann 2001: 383) 01 F: ich mein die g-* die grenzgebiete gehen halt(ü)(.) ü:ber 02 ins: .hh (.) mh(h) religiöse oder so,

Beispiele wie (211) enthalten keinerlei Hinweise für eine Interpretation des abgebrochenen Wortes als Problemquelle. Über den Grund für die Reparaturinitiierung kann in solchen Wiederholungen, in denen die ursprüngliche Äußerung in ihrer Form nicht verändert wird, nur spekuliert werden: Probleme bei der Artikulation des abgebrochenen Wortes kommen als Auslöser für die Reparatur genauso in Betracht wie Probleme bei der Konzeptualisierung oder Formulierung eines Sachverhalts (die Zögerungsmarker in der Verbpartikel in Z. 01 und in der Präpositionalphrase in Z. 02 lassen diese Interpretation plausibel erscheinen) oder interaktionale Motivationen wie die Sicherung der Aufmerksamkeit des Gesprächspartners (vgl. Goodwin 1980) – um nur einige Möglichkeiten zu nennen. Bei Fällen wie (211) handelt es sich zwar um Selbstreparaturen (siehe Kap. 4.1) –, aber aufgrund der Unklarheit über die zugrunde liegende Problemquelle und der daraus resultierenden Unmöglichkeit, diese mit einer syntaktischen Konstituente in Verbindung zu bringen, nicht um solche Reparaturen, die von der EHR erfasst werden können. Ein weiteres allgemeines Problem besteht darin, dass die EHR keine Aussage zu Fällen macht, in denen der funktionale Kopf phonetisch nicht realisiert ist (wie beim Plural des unbestimmten Artikels) oder in denen die Position des funktionalen Kopfes unbesetzt ist (wie in artikellosen Nominalphrasen) (n = 119; 10,8 % aller Substitutionen, Tilgungen und modifizierenden Insertionen). Wel-

362 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

che Faktoren bedingen die Reparaturstruktur, wenn das von der EHR postulierte einzige strukturbestimmende Merkmal nicht vorhanden ist? Zu dieser Frage wird von der EHR keine Aussage gemacht, sodass auch diese Fälle nicht erfasst werden.

8.2.1.2 Empirische Überprüfung der Extended Head Rule Nach den theoretischen Ausführungen zur EHR im letzten Abschnitt ist es das Ziel der folgenden Datenanalyse, die Basis für eine empirisch fundierte Aussage über die Annahmen der EHR zur strukturellen Gestaltung von Selbstreparaturen im Deutschen zu schaffen. Neben den oben erwähnten Reparaturoperationen werden zur Überprüfung der EHR weitere Selbstreparaturen von der Untersuchung ausgeschlossen, weil sie von der EHR nicht erfasst werden. Hierbei handelt es sich um Substitutionen der Vorfeldkonstituente, bei denen die Retraktion zum Beginn der syntaktischen Struktur geht (bzw. gehen muss) (n = 31; 2,9 % aller Substitutionen, Tilgungen und modifizierenden Insertionen). Uhmann (2006: 186) geht zwar davon aus, dass die Reparatur mit dem Spezifikator beginnt, wenn es sich bei diesem um das Reparandum handelt. Diese Vorhersage ist jedoch nicht aus der Kopfregel herzuleiten, da sich EHR (b) nicht auf den Fall bezieht, dass der Spezifikator das Reparandum ist. Die EHR macht also zum einen keine Aussage bezüglich der Struktur dieser Reparaturen, zum anderen ist eine alternative Retraktionsstruktur ohnehin nicht zu erwarten: Der Sprecher hat in diesen Fällen, wenn das Vor-Vorfeld nicht besetzt ist, nicht die Möglichkeit, zu irgendeiner anderen vorausgehenden Konstituente zu retrahieren. Diese Reparaturen sollten aus formalen Gründen dennoch in ein Erklärungsmodell für den Retraktionspunkt aufgenommen werden (siehe Kap. 8.2.2). Für die Gliederung der Regelüberprüfung bietet es sich an, beide Teilregeln gesondert zu betrachten und jede Reparatur der EHR (a) oder der EHR (b) entweder als bestätigendes (pro) oder als widersprechendes (kontra) Beispiel zuzuordnen.

Pro Extended Head Rule (a) Auf die EHR (a) entfallen insgesamt 411 Reparaturen (46,2 % der Reparaturen, die von der EHR gefasst werden), wovon 167 Beispiele diese Teilregel bestätigen. Das bedeutet, dass die EHR (a) 40,6 % der auf sie entfallenden Daten korrekt vorhersagen kann. Im Folgenden sollen eine Substitution, eine Insertion und eine Tilgung vorgestellt werden:

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 363

(212) 01 hh04: 02 03 04 i-hh04:

und da lassen sich die KASsen-* äh die KRANkenkassen; die lassen sich da also über_n TISCH ziehen. mhm_mhm.

In (212) liegt eine Substitution vor, in der das Reparandum KASsen durch KRANkenkassen ersetzt wird (Z. 02). Beim Nomen KASsen handelt es sich nicht um den funktionalen Kopf der Phrase, sodass diese Reparatur auf Teil (a) der EHR entfällt. Die EHR (a) wird durch dieses Beispiel bestätigt, weil der Sprecher gemäß der Vorhersage der EHR zum Kopf der Determiniererphrase, dem Determinierer die, retrahiert und mit diesem die Reparaturdurchführung beginnt. Beim nächsten Beispiel handelt es sich um eine Insertion: (213) 01 hh04:

also Ich könnte wahrscheinlich bestimmte dinge nich auf plattdeutsch AUSsprechen; 02 das:' (-) LIECHT aber- °h (-) 03 mEI:ne ich dann mehr daran dass mir also die vok'* (.) die plAttdeutschen voKAbeln; 04 °h das ist ja auch ((schluckt)) ne' tEIlweise nehme ich an auch_ne eigene SPRAche; 05 i-hh04: mh 06 hh04: °h äh einfach nicht KENne.

In (213) unterbricht der Sprecher die Produktion des Nomens, um ein Adjektiv einzufügen. Es handelt sich um eine Reparatur mit syntaktischem Anker, da hh04 nicht direkt zum Adjektiv-Slot retrahiert, sondern den Determinierer in die Reparaturdurchführung mit einbezieht. In dieser Reparatur fungiert das Adjektiv plAttdeutschen (Z. 03) als Modifikator des Nomens voKAbeln und präzisiert dieses. In folgenden Ausschnitt liegt eine Tilgung des Adverbs noch vor. Der Sprecher retrahiert zum unmittelbar vorangehenden finiten Verb wird als Kopf der Complementizerphrase, wo er die Reparaturdurchführung beginnt: (214) 01 i-hh04: und sie meinen das WIRD noch nich so:-* 02 oder wIrd nich so richtig geNUTZT.

Die Prozessierbarkeit der Tilgung seitens des Rezipienten erfordert, dass der Sprecher in diesem Beispiel nicht direkt zum Slot des Reparandums (in diesem Fall noch in Z. 01) retrahiert. Nur durch die Präsenz des syntaktischen Ankers wIrd (Z. 02) kann der Rezipient überhaupt erkennen, dass die Reparaturdurch-

364 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

führung im Vergleich zur ursprünglichen Äußerung eine Tilgung enthält (siehe auch Kap. 5.1.4).

Kontra Extended Head Rule (a) Im nächsten Abschnitt werden Beispiele aus der Gruppe von Reparaturen vorgestellt, die der EHR (a) widersprechen. Insgesamt handelt es sich um 244 Reparaturen (59,4 % der auf die EHR (a) entfallenden Reparaturen). In den meisten Fällen (73,5 %) geht die Retraktion in Reparaturen, die der EHR (a) widersprechen, direkt zu einem reparaturbedürftigen Inhaltswort. In (215) wird vorl (wahrscheinlich der Beginn des Infinitivs vorlesen) durch RUNterbeten ersetzt: (215) 01 hh04: also ich könnte ihnen also die kabiNETTSliste02 heute auch nich mehr vorl*_so [so RUNterbeten.] 03 i-hh04: [ja ja. ]

Solche Reparaturen, bei denen die Retraktion nach der Reparaturinitiierung nicht weiter zurückgeht als bis zur Grenze des zu reparierenden Inhaltsworts, widersprechen regelmäßig der EHR (a). Die EHR sieht zwar die Möglichkeit vor, dass der Sprecher direkt zu einem Reparandum retrahiert, allerdings nur, wenn es sich dabei um einen funktionalen Kopf handelt. Die Möglichkeit einer zeitsparenden Retraktion direkt zu einem reparaturbedürftigen Inhaltswort wird in der EHR nicht berücksichtigt. Wenn es sich beim Reparandum um ein Inhaltswort handelt, sagt die EHR vorher, dass zusätzlich auch ein funktionaler Kopf (in diesem Fall das finite Verb könnte) wiederholt werden muss. In vielen Reparaturen an infiniten Verben, Nomen oder Adjektiven ist dies aber nicht der Fall, sodass die EHR zentrale strukturelle Aspekte von Selbstreparaturen ausblendet. Als weitere der EHR (a) widersprechende Retraktionspunkte (26,5 %) dienen Spezifikatoren des funktionalen Kopfes und weiter zurückliegende funktionale Köpfe. Es folgt ein Beispiel für ersteren Fall. In diesem Beispiel bezieht sich die Münchnerin i-mu auf einen Bekannten, der sich vor Arbeit „gedrückt“ hat. (216) 01 i-mu: ja: geNAU; 02 und der hat ja:* ä:h [der hat sich da DRUCKT?=ge,] 03 mu05a: [ja: (-) i hob gs' ]

Der EHR (a) zufolge müsste die Reparatur in (216), bei der die Partikel ja getilgt wird, mit dem finiten Verb hat beginnen, das als funktionaler Kopf der CP

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 365

(Complementizerphrase) fungiert. Tatsächlich beginnt sie aber mit SpecCP (Spezifikator der Complementizerphrase), dem Pronomen der, welches das Vorfeld besetzt. Hier stellt sich erneut die bei der theoretischen Überprüfung der EHR bereits aufgeworfene Frage (siehe Kap. 8.2.1.1), warum die Retraktion zum Spezifikator – in diesem Fall zur Vorfeldkonstituente eines Verbzweitsatzes – nur in EHR (b) als mögliche Reparaturstruktur angesehen wird. Zusätzlich zu den angeführten theoretischen Argumenten widersprechen auch die empirischen Daten einer solchen einseitigen Erweiterung der Regel und belegen, dass die EHR bestimmte von Sprechern verwendete Strukturen nicht erklären kann. Auch im nächsten Beispiel findet die Reparaturdurchführung mit syntaktischem Anker statt: (217) 01 mu05a: 02 03 i-mu:

äh is der (.) ZWOAte stock-* is der spEicher AUSgebaut;=[äh-] [ja-]

In (217) geht die Retraktion zur Kopula is, bei der es sich nach Uhmanns Definition (2001: 388) um einen funktionalen Kopf handelt. Allerdings steht zwischen dem Reparandum ZWOAte stock und dem Retraktionspunkt noch der funktionale Kopf der der Determiniererphrase, der das Reparandum ZWOAte stock unmittelbar c-kommandiert. Die Retraktion in dieser Reparatur erfolgt aber – über diesen funktionalen Kopf hinaus – zum finiten Verb in Spitzenstellung und widerspricht somit der EHR (a). Im Folgenden sollen abschließend noch die Insertionen und Tilgungen diskutiert werden, die dem Teil (a) der EHR widersprechen. Bei modifizierenden Insertionen zeigen Sprecher eine starke Tendenz, zur Position direkt vor dem Reparandum – d. h. direkt zur Position, an der die Insertion stattfinden soll – zu retrahieren: (218) 01 hh04: also wenn_ich an meine TÖCHter denke; 02 (-) nech von daher (.) ha_hab_ich das MIT*_äh- (.) 03 so_n BISSchen mIterlebt.

In (218) soll das Partizip mIterlebt näher bestimmt werden. Dazu unterbricht der Sprecher die Äußerung noch innerhalb des Reparandums, woraufhin die anschließende Retraktion laut EHR (a) zum vorangehenden funktionalen Kopf gehen müsste. Entgegen der Kopfregel retrahiert der Sprecher aber zur Position direkt vor dem Reparandum, um eine Verschmelzungsform aus Partikel und

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Determinierer so_n sowie das Numerale BISSchen einzufügen, die gemeinsam ein Adverb bilden. Das folgende Beispiel enthält eine Tilgung: (219) 01 hh04: nech und das DARF man nicht; 02 das [is also ] sch* äh verBOten, 03 i-hh04: [mhm_mhm-]

In (219) liegt das abgebrochene Wort sch als Reparandum vor. Vermutlich handelt es sich bei diesem postalveolaren Frikativ entweder um den Anfang des Adverbs strengstens oder des Adverbs schon, das getilgt werden soll.141 Die Retraktion geht entgegen der EHR (a) nicht zum funktionalen Kopf ist. Stattdessen „überschreibt“ der Sprecher das Reparandum, ohne einen Teil der ursprünglichen Äußerung zu wiederholen. Solche Tilgungen, bei denen direkt zum Reparandum retrahiert wird und nicht zu einem früheren Punkt in der Äußerung, sind nur dann vom Rezipienten prozessierbar, wenn der Abbruchpunkt innerhalb des Reparandums liegt, sodass dieses als Gegenstand der Tilgung erkenntlich wird. Wird erst an der Wortgrenze abgebrochen, so muss ein Teil der ursprünglichen Äußerung wiederholt werden, damit die Reparaturdurchführung nicht als bloße Fortsetzung der Rede interpretiert wird (siehe Bsp. (214)).

Pro Extended Head Rule (b) Alle Reparaturen, bei denen das Reparandum ein funktionaler Kopf im Sinne Uhmanns (2001: 388) ist, entfallen auf die EHR (b). Es handelt sich hierbei um insgesamt 479 Reparaturen (53,8 % der Reparaturen, die von der EHR gefasst werden). In 457 Beispielen retrahieren die Sprecher entweder zum funktionalen Kopf (n = 370; 81,0 %) oder zum Spezifikator (n = 87; 19,0 %) und folgen somit der EHR (b). Das bedeutet, dass die Voraussagen der EHR (b) von 95,4 % der auf sie entfallenden Reparaturen erfüllt werden.

|| 141 Dass dem so ist, lässt sich selbstverständlich nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Diese Reparatur wird dennoch als Beispiel angeführt, weil sie auch für den Fall der EHR (a) widerspricht, dass es sich beim abgebrochenen Wort um ein prädikatives Adjektiv handelt, das durch verboten substituiert wird. Solche Fälle, in denen das Reparandum nicht sicher zu rekonstruieren ist, deuten auf ein weiteres allgemeines Problem der EHR hin: Wenn das Reparandum nicht sicher rekonstruiert werden kann, besteht auch Unklarheit über dessen syntaktische Position, sodass die EHR auf diese Fälle nicht angewandt werden kann.

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 367

Betrachten wir zunächst zwei Beispiele, in denen die Retraktion zum funktionalen Kopf geht: (220) 01 i-mu: und °h des is jetz heut mei:* äh des FÜNFte gespräch-

In (220) retrahiert die Sprecherin gemäß der EHR (b) zum Possessivartikel mei, dem funktionalen Kopf der Nominalphrase, um ihn durch den definiten Artikel des zu ersetzen. Beim nächsten Beispiel handelt es sich um eine Reparatur in der Präpositionalphrase: (221) 01 hh04:

wir müssen ja mit dEn gesetzen arbeiten die DA sind. 02 i-hh04: mhm_mhm03 hh04: wir ham ja keinen Einfluss auf das* °hh auf die entSTEHung der gesetze.

In (221) bricht der Sprecher unmittelbar nach der Produktion des Determinierers ab, um anschließend – beginnend mit der Präposition auf – die Reparatur durchzuführen, die in der Veränderung des Genus des finiten Artikels besteht. In beiden Phrasentypen ist also der Determinierer das Reparandum, wobei die Retraktion in der Nominalphrase direkt zum Reparandum geht, in der Präpositionalphrase aber zur Präposition. In Fällen wie (221) wird der Determinierer als möglicher Startpunkt für die Reparaturdurchführung regelmäßig ignoriert. Dieser Beobachtung trägt Uhmanns „Kaskade funktionaler Köpfe“ (2001: 395) Rechnung, die in Phrasen mit mehreren aufeinander folgenden funktionalen Köpfen den ersten funktionalen Kopf als Startpunkt für die Reparaturdurchführung vorhersagt (siehe die folgenden Unterkapitel zur kritischen Diskussion dieses Konzepts). In den Beispielen (220) und (221) geht die Retraktion direkt zum funktionalen Kopf, der gleichzeitig das Reparandum darstellt. Die EHR (b) lässt aber auch Retraktionen zum Spezifikator des zu reparierenden funktionalen Kopfes zu: (222) 01 hh04: die kam* äh (.) die kommt aus sachsen ANhalt;

In (222) retrahiert der Sprecher nicht zum Reparandum, dem Verb kam, sondern zum Pronomen die, dem SpecCP (Spezifikator der Complementizerphrase).

368 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

In der Diskussion der Spezifikator-Erweiterung (siehe Kap. 8.2.1.1) wurde bereits auf die Problematik hingewiesen, die diese Ausdehnung von EHR (b) aus einer theoretischen Perspektive mit sich bringt. In empirischer Hinsicht führt die Spezifikator-Erweiterung dazu, dass Reparaturen wie (222), in denen der Abbruchpunkt innerhalb oder nach der linken Satzklammer liegt, den Vorhersagen von EHR (b) nicht widersprechen können: Sowohl das finite Verb als auch der Spezifikator im Vorfeld werden in EHR (b) als mögliche Startpunkte für die Reparaturdurchführung angesehen. Durch das Einbeziehen der Retraktionen zum Spezifikator scheint die EHR (b) statistisch gesehen eine erhöhte Erklärungskraft zu besitzen, jedoch erleidet sie in diesen Fällen durch die fehlende Orientierung am funktionalen Kopf in Wirklichkeit eine Schwächung der Aussagekraft. Bei bestimmten Beispielen, die bei oberflächlicher Betrachtung die Voraussagen der EHR (b) erfüllen, stößt man auf Probleme bei der Anwendung der EHR. Wie aus ihrer Formulierung hervorgeht, bezieht sie sich ausschließlich auf nicht komplexe Reparanda (siehe Kap. 8.2.1.1). Uhmann betrachtet dessen ungeachtet auch Beispiele, in denen eine Phrase als Reparandum auftritt, als regelkonform: (223) (Uhmann 2006: 192) 01 S: irgendwie in der (.) R[ATHAUS* ] eh quatsch nee 02 L: [räuspern] 03 S: in den CITYarkaden.

Wie Uhmann (2006: 192) erläutert, fordert die Flexionsmorphologie des Deutschen zur Herstellung von Kongruenz in manchen Fällen die Einbeziehung des Determinierers in die Reparaturdurchführung. In (223) könnte man deshalb argumentieren, dass das reparaturbedürftige Nomen der eigentliche Auslöser für die Reparatur des Determinierers ist. Das ändert jedoch nichts daran, dass das Reparandum gerade wegen der Kongruenzbeziehung aus Determinierer und Nomen besteht und somit als komplexes Reparandum die formalen Kriterien der EHR nicht erfüllt. Auch im folgenden Fall liegt ein komplexes Reparandum vor: (224) 01 i-hh04: ach sie meinen jetzt die po* DEN politikern fällt nichts ein;

Beispiele wie (224) unterscheiden sich in einem wichtigen Punkt von Reparaturen wie (223): Das Nomen ist in diesen Fällen nicht der Auslöser für die Reparaturdurchführung. In (224) ändert sich offenbar bei der Planung der Äußerung

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 369

deren Valenzstruktur – von der Veränderung des Kasus sind Determinierer und Nomen gleichermaßen betroffen. Abgesehen von reparierten Nominalphrasen finden sich auch Beispiele im Korpus, bei denen das Reparandum eine Präpositionalphrase ist: (225) 01 hh04: 02 03 04

wobei die illegalitÄt eigentlich DArin bestand°hh ((schnieft)) dass er verSCHWIEgen hat; (--) dass er mit diesen hOlländischen geSELLschaften;* (-) 05 dass ER dahintersteht. 06 i-hh04: ahja;

In (225) wird der Beginn des Objektsatzes dass er mit diesen hOlländischen geSELLschaften vor der Produktion eines Verbs abgebrochen. Nach einer Retraktion zum Beginn des Objektsatzes tilgt der Sprecher die Präpositionalphrase mit diesen hOlländischen geSELLschaften aus dem Objektsatz, indem er nach dem Pronomen ER anders fortfährt (dahintersteht). Dieses Beispiel liefert weitere Evidenz dafür, dass eine umfassende Beschreibung und Erklärung von Reparaturstrukturen ohne die Berücksichtigung komplexer Reparanda nicht möglich ist. Versucht man – unter Inkaufnahme des dargestellten Widerspruches – die EHR auf Beispiele wie (224) und (225) trotz des komplexen Reparandums anzuwenden, so bleibt unklar, ob diese der EHR (a) oder (b) zugeordnet werden sollten, da die komplexen Reparanda in allen oben angeführten Beispielen (mindestens) einen funktionalen Kopf und (mindestens) ein lexikalisches Element enthalten. Das Problem komplexer Reparanda betrifft insgesamt 138 Fälle (12,8 % aller Substitutionen, Tilgungen und modifizierenden Insertionen).

Kontra Extended Head Rule (b) Die EHR (b) steht mit insgesamt 22 Reparaturen, also mit 4,6 % der auf sie entfallenden Beispiele, in Konflikt. Diese recht kleine Gruppe von Reparaturen, die sich ausschließlich aus Substitutionen zusammensetzt, ist strukturell sehr heterogen. Die größte Gruppe stellen die Retraktionen zum Determinierer bei Reparaturen in der Präpositionalphrase dar (n = 8). Es handelt sich hierbei um Reparaturen, die der „Kaskadenregel“ widersprechen. Im folgenden Beispiel beschreibt und lokalisiert die Patientin ihre Schmerzen:

370 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen (226) 01 02 03 04 05 06 07 08 09

T: P: T: P: T: P: T: P:

beSCHREIben sie_s mir ruhig nochmal; (-) hm_ja es zieht HIER (.) rÜber dann, mhm, das is hIer in dem beREICH, das [zieht] dann HIER über dieses-* (--) [ja; ] diesen ganzen beREICH, (--) m[hm, ] [dann] eben die !BEI!ne runter, (-)

In Z. 05 initiiert die Patientin eine Selbstreparatur innerhalb einer Präpositionalphrase (über dieses). Anschließend retrahiert sie zum Reparandum, dem Demonstrativartikel dieses, und ersetzt diesen durch die morphosyntaktische veränderte Form diesen. Die zweitgrößte Untergruppe stellen die Fälle dar, in denen der Sprecher bei einer Reparatur des Determinierers (n = 4) oder einer Präposition (n = 1) in die linke Satzklammer retrahiert. In diesen Beispielen wird der Artikel (bzw. die Präposition) direkt nach der linken Klammer produziert, die einen funktionalen Kopf darstellt: (227) 01 hh04: bei diesen kassenärztlichen verRECHnungsstellen; 02 (-)da weiß der* (-) weiß die KRANkenkasse nicht- (.) 03 hat der arzt die leistung erBRACHT04 der patient weiß es AUCH nicht;

Diese Reparatur verletzt die Vorhersagen der EHR (b), weil der Sprecher den funktionalen Kopf der nicht direkt durch den neuen Determinierer die ersetzt, sondern als Startpunkt für die Reparaturdurchführung das Verb weiß wählt. Dieses Beispiel erfüllt im Prinzip die formalen Bedingungen für Uhmanns „Kaskadenregel“ (siehe auch (210) in Kap. 8.2.1.1 und (217) in Kap. 8.2.1.2). Uhmann geht jedoch davon aus, dass die Gültigkeit dieser Regel auf Präpositionalphrasen beschränkt ist (Uhmann, persönliche Mitteilung), was zu einem Dilemma führt: Wendet man die „Kaskadenregel“ so an, wie sie formuliert ist, handelt es sich bei (227) um ein regelkonformes Beispiel. Wendet man die „Kaskadenregel“ in Uhmanns Sinne nur auf Präpositionalphrasen an, kann (227) nicht als regelkonformes Beispiel gewertet werden. Angesichts der vielen Beispiele, die der EHR widersprechen würden,142 wenn man von einer generellen Gültigkeit der

|| 142 Hierbei würde es sich vor allem um Reparaturen in einer auf das finite Verb folgenden Nominalphrase handeln, in denen die Retraktion nur bis zum Determinierer geht.

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 371

„Kaskadenregel“ auch außerhalb der Präpositionalphrase ausgehen würde, wurden die recht seltenen Fälle wie (227) als Verstöße gegen EHR (b) gewertet. Die weiteren Untergruppen sind Retraktionen zu einer Konjunktion bei der Reparatur von Determinierern, die als Komplement der Adjunktorphrase fungieren (n = 3), Retraktionen ins Vor-Vorfeld bei der Reparatur eines Verbs in Zweitposition (n = 3), Retraktionen ins Vorfeld bei der Reparatur von Determinierern (n = 2) und eine Retraktion zu einem Adverb im Mittelfeld bei der Reparatur eines Determinierers (n = 1). Bei der Überprüfung der EHR ist deutlich geworden, dass beide Teilregeln in theoretischer Hinsicht und vor allem die EHR (a) auch in empirischer Hinsicht als problematisch anzusehen sind. Es liegen für beide Teilregeln verschiedene Typen von Gegenbeispielen vor, wobei EHR (b) deutlich mehr zutreffende Voraussagen macht als EHR (a). Im Folgenden soll das Verhältnis zwischen den beiden Teilregeln, die in einem empirischen Ungleichgewicht zueinander stehen, etwas genauer beleuchtet werden.

8.2.1.3 Empirisches Ungleichgewicht zwischen den Teilregeln Insgesamt betrachtet sagt die EHR 70,1 % der Reparaturen korrekt vorher. Dieses Gesamtergebnis täuscht aber über das empirische Ungleichgewicht hinweg, das sich bei der Überprüfung der EHR zeigt. Das Hauptproblem der EHR besteht nämlich darin, dass die Vorhersagen der beiden Teilregeln in sehr unterschiedlichem Maße mit den tatsächlich durchgeführten Reparaturstrukturen übereinstimmen. EHR (a) kann nur 40,6 % der auf sie entfallenden Reparaturen erklären, wohingegen die Vorhersagen von EHR (b) in 95,4 % aller Fälle zutreffend sind.

EHR insgesamt

29,9 % pro EHR kontra EHR 70,1 %

Abb. 11: Gesamtverteilung der Reparaturen pro EHR und kontra EHR

372 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

EHR (a)

40,6 %

pro EHR (a) kontra EHR (a)

59,4 %

Abb. 12: Verteilung der Reparaturen pro EHR (a) und kontra EHR (a)

EHR (b) 4,6 %

pro EHR (b) kontra EHR (b)

95,4 % Abb. 13: Verteilung der Reparaturen pro EHR (b) und kontra EHR (b)

Für diesen großen Unterschied bezüglich der Bestätigung der beiden Teilregeln sind vor allem zwei Gründe verantwortlich. Erstens bewirkt der zusätzliche Retraktionspunkt in EHR (b), die den Spezifikator des funktionalen Kopfes als regelkonformen Startpunkt für Reparaturdurchführungen einschließt, dass mehr Beispiele von der EHR erfasst werden können. Es wurden bereits theoretische Argumente angeführt (siehe Kap. 8.2.1.1), warum die SpezifikatorErweiterung für eine Regel, die den funktionalen Kopf als entscheidendes Kriterium für die Retraktion ansieht, generell abgelehnt werden muss. Darüber hinaus lieferte die empirische Analyse zusätzliche Argumente gegen die einseitige Erweiterung der EHR. Einerseits führt die Spezifikator-Erweiterung häufig dazu, dass der EHR (b) widersprechende Reparaturstrukturen unmöglich werden (siehe (222) auf S. 367). Andererseits retrahieren auch auf Teil (a) entfallende Reparaturen zum Spezifikator des funktionalen Kopfes, der das Reparandum

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 373

unmittelbar c-kommandiert (siehe (216) auf S. 364). Es handelt sich also nicht nur um eine allgemeine Schwächung der Erklärungskraft der EHR durch das Einbeziehen des Spezifikators, sondern es liegt auch eine inkonsistente einseitige Ausdehnung der EHR im Speziellen vor, die – wenn auch nicht in besonders starkem Ausmaß – zum Ungleichgewicht beiträgt. Zweitens ist es auffallend, dass 73,5 % der Kontra-EHR (a)-Reparaturen nicht erklärt werden können, weil der Sprecher direkt zum Reparandum (bzw. bei modifizierenden Insertionen zur Position direkt vor dem Reparandum) retrahiert. Solche Retraktionen, die eine schnellere Behandlung interaktionaler Probleme ermöglichen können, sind nämlich nur dann regelkonform, wenn es sich beim Reparandum um einen funktionalen Kopf handelt: Reparaturen mit Retraktion zum Reparandum, die auf EHR (b) entfallen, bestätigen diese ausnahmslos. Dieselbe Retraktionsstruktur ist für EHR (a) nicht möglich: Alle auf sie entfallenden Reparaturen mit Retraktion zum Reparandum widersprechen ihr, da das Reparandum in diesen Fällen niemals ein funktionaler Kopf ist. Es zeichnet sich demzufolge im Korpus eine ökonomische Tendenz ab, die mit den Vorhersagen von EHR (b), nicht aber mit denen von EHR (a) zu vereinbaren ist. Dieser Umstand ist in entscheidendem Maße verantwortlich für das empirische Ungleichgewicht zwischen den Teilregeln.

8.2.1.4 Fazit: Analyse der Kopfregel Insgesamt haben sich bei der theoretischen und empirischen Analyse der EHR vor allem folgende Punkte als problematisch erwiesen: − Die fehlende Berücksichtigung von Retraktionen zum Reparandum in EHR (a). − Die Einführung des Spezifikators als möglichen Startpunkt in EHR (b). − Die fehlende Berücksichtigung von komplexen Reparanda sowie von Reparaturen ohne eindeutiges Reparandum (z. B. nicht-modifizierende Insertionen) in EHR. − Die theoretische Fundierung der Einschränkung, dass die Kaskaden-Regel nur für Präpositionalphrasen gültig ist. Die Analyseergebnisse lassen Zweifel daran aufkommen, dass es sich beim funktionalen Kopf wirklich um das entscheidende Kriterium für die Gestaltung der Reparaturstruktur handelt. Das starke empirische Ungleichgewicht zwischen den Teilregeln und die verschiedenen Reparaturstrukturen, die der EHR widersprechen oder nicht von ihr erfasst werden, legen nahe, dass bei der Her-

374 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

ausbildung der Reparaturstruktur andere Faktoren eine Rolle spielen, die in der EHR nicht beachtet werden. Uhmann schließt durch die Formulierung der EHR als „Präferenzregel“ nicht aus, dass die Reparaturstruktur in einzelnen Fällen von den Voraussagen der EHR abweichen kann – jedoch sollten Regelverletzungen zwei Bedingungen erfüllen: „Sie sollten entweder intuitiv unnatürlich, und/oder auch quantitativ deutlich seltener sein als Selbstreparaturen, die die Präferenz-Kopfregel beachten“ (Uhmann 2006: 190). Entgegen dieser Voraussage hat die Analyse gezeigt, dass alle Selbstreparaturen im Korpus uneingeschränkt ihre Funktion in der Konversation erfüllen, ohne dass irgendeine Reaktion der Teilnehmer oder die Intuition als Rechtfertigung dienen könnte, bestimmte Reparaturstrukturen als unnatürlich anzusehen. Zudem treten Abweichungen von der EHR (a) häufiger auf (59,4 %) als Bestätigungen der EHR (a) (40,6 %), sodass vor dem Hintergrund der vorliegenden Studie beide zitierten Annahmen zurückgewiesen werden müssen. Angesichts ihres häufigen Auftretens im Sprachgebrauch sollten Retraktionen direkt zu reparaturbedürftigen Inhaltswörtern nicht als Verstöße gegen EHR (a), sondern als zentrale strukturelle Bestandteile des Reparatursystems angesehen werden. Uhmann (2006: 193) weist zwar darauf hin, dass der Verzicht auf eine Retraktion zum funktionalen Kopf eine Option ist, die „funktional effektiv“ ist, jedoch trifft diese Beschreibung der von EHR (a) abweichenden Reparaturstrukturen als funktional zweckmäßig auch auf alle anderen vorliegenden Reparaturstrukturen zu, die – wie oben erwähnt – allesamt ihre interaktionale Funktion erfüllen. In der häufigen Retraktion zum Reparandum kommt nicht nur eine funktional effektive Struktur zum Vorschein, sondern vielmehr eine ökonomische Tendenz zur Verringerung der Retraktionsspanne. Diese zeitsparende Alternative scheint angesichts der geringen Erklärungskraft von EHR (a) wichtiger zu sein, als Uhmann einräumt. Einen Beleg dafür, dass auch die funktionale Motivation ‚Schnelligkeit‘ die Struktur bestimmter Typen von Selbstreparaturen beeinflusst, liefert das folgende Beispiel: (228) 01 i-mu: 02 mu05b: 03

also [des is einfach zu ZEITaufwendich] [ könn_se höchstens ne (.) ne ] KATze nehmen die auf_s KATzenko'* (.) klo geht

Unabhängig von der Wortart des Reparandums und dessen syntaktischer Umgebung liegen in phonologischen Korrekturen mit großer Regelmäßigkeit ein früher Abbruch und eine kleine Retraktionsspanne vor – die Retraktion in (228)

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 375

geht sogar nur bis zur Grenze zwischen Determinans und Determinatum. Retraktionen zum Reparandum sind also nicht als Ausreißer aus einem rigiden formalen Schema anzusehen, sondern als zentraler Bestandteil eines durch Funktionalität geformten Reparatursystems, in dem Effizienz eine wichtige Rolle zu spielen scheint. Die Bedeutung dieses funktionalen Faktors ist bei bestimmten Reparaturtypen wie der Korrektur von Versprechern, die häufig mit einer Retraktion direkt zum Reparandum verbunden sind, besonders deutlich zu erkennen. Die Bedeutung der Motivation ‚Schnelligkeit‘ kann auch durch Selbstreparaturen an Verben in Letztstellung veranschaulicht werden (siehe (215) auf S. 364). Unabhängig davon, ob es sich bei einem Reparandum im Verbalkomplex um ein infinites oder ein finites Verb handelt (nur letztere werden von Uhmann als funktionale Köpfe angesehen), geht die Retraktion in diesen Beispielen zumeist nicht zu einer vorangehenden Konstituente innerhalb der syntaktischen Konstruktion, sondern direkt zum Reparandum. Für finite Verben wird diese Reparaturstruktur von EHR (b) vorhergesagt, wohingegen die Retraktion zu einem infiniten Verb in Letztstellung der EHR widerspricht, da die Retraktion in diesem Fall laut EHR zum vorausgehenden funktionalen Kopf gehen müsste. Im Gegensatz zur EHR, die nur eine Struktur korrekt vorhersagt, kann die funktionale Motivation ‚repariere zeitsparend‘ zur Erklärung beider Strukturen herangezogen werden. Die Ergebnisse der theoretischen und empirischen Analyse der EHR machen deutlich, dass eine Beschreibung der Struktur von Selbstreparaturen wenig Erfolg versprechend ist, wenn sie sich lediglich auf ein einziges syntaktisches Merkmal stützt. Auch Uhmann (2006: 197) kommt zum Ergebnis, dass „formale Eigenschaften das sprachliche Handeln der Teilnehmer nicht determinieren“ und zieht folgenden Schluss: „Gefragt ist also eine Theorie, die das Verhältnis von Grammatik und Interaktion differenziert abbildet“ (Uhmann 2006: 198). Eine Erklärung des Selbstreparatursystems in seiner Gesamtheit erscheint nur dann möglich, wenn strukturbestimmende Faktoren aus verschiedenen Bereichen berücksichtigt werden. Das bedeutet, dass funktionale Faktoren wie ‚Schnelligkeit‘ oder ‚Prozessierbarkeit‘ (siehe Bsp. (214) auf S. 363 und (219) auf S. 366) genauso einbezogen werden müssen wie syntaktische Faktoren. Die Analyse der EHR hat eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die große Herausforderungen für die Entwicklung eines Erklärungsmodells für die Selbstreparaturstruktur darstellen. Dazu zählt neben weiterführenden Überlegungen zur Position des Retraktionspunktes auch die Berücksichtigung komplexer Reparanda sowie die Integration weiterer Selbstreparaturtypen (z. B. alle Arten von Insertionen), die von der EHR nicht erfasst werden. Diese Anforde-

376 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

rungen können nicht allein dadurch erfüllt werden, dass die EHR konsistenter formuliert wird, um einen bestimmten Teil ihrer Probleme zu beheben. Vielmehr deuten die Ergebnisse darauf hin, dass ein rein strukturorientiertes Erklärungsmodell grundsätzlich zu kurz greift. Vor dem Hintergrund dieser Analyse erscheint die Entwicklung eines adäquaten Erklärungsmodells nur dann möglich, wenn es sowohl den sprachspezifischen syntaktischen Faktoren als auch den interaktionalen bzw. kognitiven funktionalen Faktoren Rechnung trägt, die zur Herausbildung der Reparaturstruktur beitragen.

8.2.2 Ein Erklärungsmodell aus funktionaler Perspektive Im Zentrum des Erklärungsmodells, das in diesem Unterkapitel präsentiert wird, steht die Annahme, dass die Selektion des Retraktionspunkts auf verschiedenen wettstreitenden Motivationen beruht (vgl. Du Bois 1985; MacWhinney et al. 2014). Es unterscheidet sich von Uhmanns (2001, 2006) Kopfregel dadurch, dass nicht nur ein einziger formaler Faktor als strukturbestimmend angesehen wird, sondern ein Zusammenspiel verschiedener formaler und funktionaler Faktoren. Das Modell entspricht somit in seiner Grundannahme dem ersten Teil des Erklärungsmodells für die Position des Abbruchpunkts (Kap. 8.1). Es basiert auf den Ergebnissen der Analyse des Retraktionspunkts (Kap. 6.3 und 7.4) und auf den Erkenntnissen, die bei der Überprüfung von Uhmanns (2001, 2006) Kopfregel erzielt wurden (Kap. 8.2.1). Abbildung 14 zeigt das Erklärungsmodell für den Retraktionspunkt. Dieses Modell schließt insgesamt 1.165 Selbstreparaturen ein und bezieht sich im Gegensatz zu Uhmanns Kopfregel sowohl auf nicht-modifizierende Insertionen als auch auf komplexe Reparanda. Wenn das Reparandum aus mehreren Konstituenten besteht, bezieht sich das Modell auf die am frühesten produzierte Konstituente des Reparandums. Das Modell umfasst zudem Fälle, in denen nach einer Retraktion zwei Selbstreparaturoperationen durchgeführt werden (n = 67; siehe Kap. 5.3). Dazu zählen auch Reparaturen, in denen eine nicht akzentuierte Konstituente zusätzlich zu einer anderen Operation akzentuiert wird (siehe Kap. 5.2.1). Auch in diesen Fällen bezieht sich das Modell auf diejenige reparierte Konstituente, die im Redebeitrag am weitesten zurückliegt. Es werden lediglich Apokoinu-Substitutionen (n = 43), die ohne Unterbrechung und Wiederaufnahme der syntaktischen Gestalt durchgeführt werden (siehe Kap. 5.2.2), und Wiederholungen (n = 1.366), in denen kein klar identifizierbares Reparandum vorliegt, nicht eingeschlossen (siehe jedoch Kap. 6.4.2 zur Erklärung der Distribution von Wiederholungen auf die verschiedenen Wortarten).

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 377

Reparaturtyp

Reparatur des Sprecherwechsels bei

anderer

Phonologische

Substitution V2, einsilbiges VF

Reparaturtyp

Korrektur Schnelligkeit

Prozessierbarkeit

Reparaturoperation

Projektionserhaltende Tilgung oder

andere

modifizierende

anbindungsambige Operation

Operation

Insertion in NP Schnelligkeit

Prozessierbarkeit

reparierte syntaktische Konstituente

Pronomen in

Komplement

Wackernagel-

Komplement

Nomen oder

andere

in AJKP

Adjektiv

Konstituente

in PP

Position

in NP Enge Verbindung

Enge Verbindung

Retraktion

Retraktion

Retraktion

Retraktion

Retraktion

ins VF

zu LK oder

zu

zu

zu

zu

einsilbigem

Präposition

Adjunktor

Phrasen-

Reparandum

VF

Enge Verbindung

Analogie

Schnelligkeit Retraktion

beginn

Abb. 14: Erklärungsmodell für den Retraktionspunkt in Selbstreparaturen im Deutschen

Die folgenden vier Motivationen spielen im Erklärungsmodell eine entscheidende Rolle: 1. Schnelligkeit der Reparaturdurchführung 2. Prozessierbarkeit der Reparatur 3. Bewahrung enger syntaktischer Verbindung 4. Analogie zu obligatorischem Retraktionsmuster

378 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

Diese Motivationen, die im Modell fett und kursiv gedruckt sind, sind ausschlaggebend für die Selektion des Retraktionspunkts. Die Motivation Schnelligkeit der Reparaturdurchführung ist – wie bereits zu Beginn dieses Kapitels beschrieben – als Grundmotivation für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen anzusehen. In der zentralen Bedeutung der Motivation ‚Schnelligkeit‘ gleicht das Erklärungsmodell für den Retraktionspunkt daher dem Modell für den Abbruchpunkt (Kap. 8.1). Der Ursprung dieser Motivation liegt im Streben der Teilnehmer nach möglichst schneller Beseitigung interaktionaler Probleme. Diese Motivation ist eng verbunden mit der Präferenz für Progressivität (vgl. Schegloff 1979; Stivers/Robinson 2006). Vor diesem Hintergrund wird im hier präsentierten Erklärungsmodell für den Retraktionspunkt davon ausgegangen, dass eine zeitsparende Retraktion zum Reparandum der Normalfall ist, von dem Sprecher nur in bestimmten Fällen abweichen. Der Normalfall der Retraktion zum Reparandum wird durch die Grundmotivation ‚Schnelligkeit der Reparaturdurchführung‘ erklärt. Die Fälle, in denen Sprecher entgegen der Grundmotivation ‚Schnelligkeit‘ einen syntaktischen Anker verwenden, können durch die drei anderen Motivationen erklärt werden, die im Folgenden vorgestellt werden. Die Motivation Prozessierbarkeit der Reparatur umfasst zwei Facetten. Zum einen bezieht sie sich auf das grundlegende Bedürfnis des Rezipienten, die Selbstreparatur kognitiv verarbeiten zu können. Das bedeutet, dass die Reparatur strukturell so gestaltet sein muss, dass das Reparandum identifizierbar ist. Zum anderen muss der Sprecher bei der Durchführung einer Selbstreparatur sicherstellen, dass die Reparatur vom Rezipienten auditiv prozessiert werden kann – sie muss hörbar sein. In den Fällen, in denen die Reparatur bei einer zeitsparenden Retraktion zum Reparandum nicht prozessierbar wäre (d. h. bei projektionserhaltenden Tilgungen und anbindungsambigen Operationen, siehe Kap. 8.2.2.2), überwiegt die Motivation ‚Prozessierbarkeit‘ die Grundmotivation ‚Schnelligkeit‘ und führt zum Einsatz eines syntaktischen Ankers. Diese Motivation schafft somit die Voraussetzung dafür, dass die Gesprächsteilnehmer ihrem Bedürfnis nach der Beseitigung interaktionaler Probleme überhaupt nachkommen können. Der Faktor Bewahrung enger syntaktischer Verbindung bezieht sich auf die Tendenz der Sprecher, bestimmte Konstituenten bei der Durchführung von Selbstreparaturen nicht zu trennen. Diese Tendenz existiert in verschiedenen Sprachen und kann mit sprachspezifischen grammatischen Eigenschaften erklärt werden (vgl. Fox et al. 1996; Fox et al. 2009a; Uhmann 2001, 2006; Rieger 2003). Die Auswahl des Retraktionspunkts berücksichtigt enge Verbindungen zwischen Konstituenten, die beispielsweise auf die Kongruenz grammatischer

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 379

Merkmale, auf ein Rektionsverhältnis oder auf die häufige lineare Abfolge von Konstituenten zurückzuführen sind. Auch die enge Verbindung zwischen Elementen, die zur Klitisierung tendieren, wird bei der Wahl des Retraktionspunkts berücksichtigt (vgl. Fox et al. 2009a). Es deutet einiges darauf hin, dass sich im phonologischen Prozess der Klitisierung – zumindest im Deutschen – auch eine enge syntaktische Verbindung zwischen den betroffenen Elementen widerspiegelt (siehe Kap. 8.2.2.3). Der Faktor ‚Bewahrung enger syntaktischer Verbindung‘ hat vermutlich – wie die anderen Motivationen – nicht nur einen sprecherbezogenen, sondern auch einen hörerbezogenen Ursprung. Es erscheint plausibel, dass die Aufrechterhaltung besonders häufig verwendeter Konstituentenabfolgen (Präposition → Komplement, Determinierer → Nomen, Adjunktor → Komplement, Element der linken Satzklammer → Pronomen) dem Rezipienten die Prozessierung der Reparatur vereinfacht. Die Motivation Analogie zu obligatorischem Retraktionsmuster bewirkt, dass sich die obligatorische Selektion eines ganz bestimmten Retraktionspunkts, die bei manchen Selbstreparaturen zu beobachten ist, auf andere Selbstreparaturen im selben syntaktischen Kontext überträgt. Ein Beispiel für ein obligatorisches Retraktionsmuster liefern Substitutionen von Nomen mit Veränderung einer Nominalkategorie (Genus, Numerus, Kasus, Definitheit). (229) 01 P23: oder dAss sie mich dann in f' narkose die ganze nacht verle äh:_also (-) verSETzen mussten; 02 T14: [hm_hm,] 03 P23: [weil ] (-) die krÄmpfe fast nicht zu stopp* also (--) der Anfall nicht zu STOPpen war;

Da die Nominalkategorien, wie in diesem Fall das Numerus, am Determinierer markiert werden, muss der Sprecher bei der Wahl des Retraktionspunkts (mindestens) bis zum Determinierer zurückkehren. Es ist wichtig, sich vor Augen zu führen, dass bei solchen Substitutionen des Nomens mit Veränderung einer Nominalkategorie immer auch die Semantik der Äußerung verändert wird – unabhängig davon, ob das Lexem ausgetauscht oder beibehalten wird. Bei Substitutionen des Nomens ohne Veränderung einer Nominalkategorie ist auch die Retraktion direkt zum Nomen möglich, d. h., die Retraktion zum Determinierer ist fakultativ. In diesen Fällen wird jedoch – in Analogie zum obligatorischen Retraktionsmuster – regelmäßig die Retraktion zum Determinierer gewählt. Dieses Phänomen kann nicht allein durch die oben beschriebene Tendenz erklärt werden, die enge syntaktische Verbindung zwischen Determinierer und Nomen zu markieren, weil die Tendenz zur Retraktion zum Determinierer auf semantische Reparaturen des Nomens beschränkt ist. In phonologischen Repa-

380 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

raturen des Nomens geht die Retraktion in fast allen Fällen – unter Berücksichtigung der Motivation ‚Schnelligkeit‘ – direkt zum Nomen (siehe Kap. 8.2.2.1). Der Ursprung für die Motivation ‚Analogie‘ liegt vermutlich darin begründet, dass die Verwendung ähnlicher Reparaturstrukturen für ähnliche Probleme einen Vorteil für den Hörer mit sich bringt: Die Veränderung der Äußerung ist aus Rezipientensicht nicht ausschließlich durch die Ersetzung selbst – d. h. durch den semantischen Vergleich des alten Nomens mit dem neuen Nomen – zu rekonstruieren. Vielmehr projiziert bereits die Auswahl des Retraktionspunkts – gemeinsam mit der Selektion des Abbruchpunkts und der Reparaturmarker – die zu erwartende Veränderung der Äußerung. Die Motivation ‚Analogie zu obligatorischem Retraktionsmuster‘ scheint also auf das allgemeinere Prinzip ‚gleiche Form für gleiche Funktion‘ zurückzuführen zu sein. Das Modell (siehe Abb. 14) beschreibt von oben nach unten den Prozess, den der Sprecher bei der Wahl des Retraktionspunkts durchläuft. Es bildet die kognitiven Routinen ab, denen Sprecher bei der Wahl des Retraktionspunkts folgen, und führt für jeden Einzelfall die wichtigste Motivation an. Die Grafik stellt nicht den Gewichtungsprozess selbst, sondern das Ergebnis des gelösten Konflikts zwischen den beschriebenen Motivationen dar. Die Erläuterungen im Fließtext sind daher ein wichtiger Bestandteil des Modells. Dort wird die Gewichtung der Motivationen, die zur Wahl eines bestimmten Retraktionspunkts führt, erklärt. Die verschiedenen Retraktionspunkte werden durch die Kästen am unteren Rand des Modells abgebildet. Die grau hinterlegten Balken stellen die motivationsgewichtenden Faktoren dar, die nach ihrem Einfluss im Selektionsprozess hierarchisch geordnet sind. Sie stellen die Kriterien dar, die für die Gewichtung der Motivationen von Bedeutung sind. Jeder motivationsgewichtende Faktor umfasst spezifische motivationsgewichtende Merkmale, die als Ellipsen unterhalb des jeweiligen motivationsgewichtenden Faktors abgebildet sind. Für den motivationsgewichtenden Faktor ‚Reparandum‘ bewirkt beispielsweise das motivationsgewichtende Merkmal ‚phonologische Korrektur‘, dass die Motivation ‚Schnelligkeit‘ am stärksten gewichtet wird. Diese durch das jeweilige Merkmal am stärksten gewichtete Motivation ist für die Wahl des Retraktionspunkts ausschlaggebend. Die Bezeichnung der Motivation (‚Schnelligkeit‘) wird im Modell an der Stelle positioniert, an der sie den Sprecher zur Entscheidung für einen bestimmten Retraktionspunkt (‚Retraktion zu Reparandum‘) veranlasst. Mit dieser Entscheidung wird der Selektionsprozess abgeschlossen, was durch die Verbindung des jeweiligen motivationsgewichtenden Merkmals mit einem der Retraktionspunkte dargestellt wird.

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 381

Wie im Modell für den Abbruchpunkt (Kap. 8.1) trifft auch im Erklärungsmodell für den Retraktionspunkt auf jeder Ebene genau ein Merkmal zu. Im gerade erwähnten Beispiel „überspringt“ der Selektionsprozess die beiden unteren Ebenen, weil bereits das zutreffende Merkmal des einflussreichsten Faktors ‚Reparaturtyp‘ eine der Motivationen am stärksten gewichtet. Wenn jedoch auf den beiden oberen Ebenen eines der „unwirksamen“ Merkmale ‚anderer Reparaturtyp‘ oder ‚andere Operation‘ zutrifft‚ wird auf der jeweiligen Ebene keine Motivation stärker gewichtet als die anderen. Das bedeutet, dass der entsprechende motivationsgewichtende Faktor für die jeweilige Selbstreparatur nicht relevant ist. In diesen Fällen wird der Selektionsprozess mit dem nächsten motivationsgewichtenden Faktor auf der jeweils darunterliegenden Ebene fortgesetzt, bis es zur Auswahl eines Retraktionspunkts kommt. Insgesamt kann man festhalten, dass alle vier Motivationen bei jeder Entscheidung über einen Retraktionspunkt wirksam sind und je nach Reparaturtyp, Reparaturoperation und reparierter syntaktischer Konstituente unterschiedlich stark gewichtet werden. Die jeweils am stärksten gewichtete Motivation bestimmt, welcher Retraktionspunkt gewählt wird. Das Modell sagt insgesamt 86,1 % (n = 1.003) der Retraktionspunkte korrekt vorher, während 13,9 % (n = 162) vom Modell nicht erklärt werden können.143 Im Folgenden werden die motivationsgewichtenden Faktoren und die Motivationen, die auf den verschiedenen Ebenen zur Auswahl des Retraktionspunkts führen, im Detail vorgestellt. Es wird insbesondere darauf eingegangen, wie die Hierarchisierung der motivationsgewichtenden Faktoren und die Wirksamkeit der einzelnen Motivationen sowie deren Gewichtung aus den empirischen Beobachtungen dieser Arbeit abgeleitet werden können.

8.2.2.1 Reparaturtyp Der einflussreichste motivationsgewichtende Faktor ist der Reparaturtyp. Dieser Faktor umfasst zwei motivationsgewichtende Merkmale (d. h. zwei Reparaturtypen), die jeweils eine der Motivationen stärker gewichten als die anderen: die phonologische Korrektur und die Reparatur des Sprecherwechsels bei gleichzeitiger Substitution des Verbs in Zweitstellung und einsilbig besetztem Vorfeld.

|| 143 Siehe zur Erläuterung dieser Gesamtauswertung die quantitativen Angaben zu bestätigenden und widersprechenden Beispielen zu Beginn der folgenden Absätze.

382 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

Phonologische Korrektur Wir beginnen mit dem motivationsgewichtenden Merkmal ‚phonologische Korrektur‘, das die Motivation ‚Schnelligkeit der Reparaturdurchführung‘ am stärksten gewichtet. Dieses Merkmal trifft auf 58 Reparaturen zu, von denen 54 (93,1 %) eine Retraktion zum Reparandum aufweisen und somit der Motivation ‚Schnelligkeit‘ folgen, während vier Reparaturen (6,9 %) entgegen der Vorhersage des Modells mit syntaktischem Anker durchgeführt werden. Die häufige Retraktion zum Reparandum in phonologischen Reparaturen entspricht Nootebooms (1980: 92–93) Beobachtungen. Es ist wichtig, festzuhalten, dass in phonologischen Korrekturen die Retraktion über alle syntaktischen Kontexte hinweg fast immer zum Reparandum geht – also unabhängig davon, ob beispielsweise ein Nomen in einer Nominal- oder Präpositionalphrase (siehe Kap. 7.4.2.2), ein Verb in Erst-, Zweit- oder Letztposition oder ein Adverb von der Reparatur betroffen ist. Im folgenden Beispiel wird eine phonologische Korrektur an einem Nomen in einer Präpositionalphrase durchgeführt: (230) 01 P57: un der war dann scho mehr richtung edeVAU,= 02 =also besser gesagt des WAR edevau,= 03 =des war der NETSCHner'* (.) ne' NETZwerkmanager, 04 T57: mhm,

Die Beobachtung, dass Sprecher bei phonologischen Korrekturen regelmäßig zum Reparandum retrahieren, liefert Evidenz dafür, dass der motivationsgewichtende Faktor ‚Reparaturtyp‘ einflussreicher ist als der Faktor ‚reparierte syntaktische Konstituente‘, der die Motivationen nach syntaktischen Merkmalen des Reparaturkontexts gewichtet (siehe Kap. 8.2.2.3). Vier der fünf syntaktischen Merkmale auf der untersten Ebene des Modells sorgen für eine Gewichtung der Motivationen, die zur Verwendung eines syntaktischen Ankers führt. Nun stellt sich die Frage, warum gerade Reparaturen auf der phonologischen Ebene mit Retraktionen zum Reparandum verbunden sind, aber nicht Reparaturen auf einer anderen – beispielsweise der semantischen – Ebene der Äußerung. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass phonologische Reparaturen ausschließlich die artikulatorische Ebene betreffen, während Reparaturen auf den anderen sprachlichen Ebenen auch eine Veränderung der syntaktischen Struktur der Äußerung bewirken können. Bei letzteren Reparaturen kann die Notwendigkeit bestehen, bei der Bearbeitung des Reparandums über das Reparandum hinaus zu retrahieren. Beispielsweise ist bei einer semantischen Reparatur des Nomens, die die Veränderung einer Nominalkategorie mit sich bringt – wie oben erwähnt –, die Retraktion zum Determinierer obligatorisch. Bei phonologischen Reparaturen, die nur ein Problem der Artikulation bearbeiten, ist

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 383

hingegen die syntaktische Form der Äußerung kognitiv bereits festgelegt und muss nicht verändert werden. Es kann daher ausgeschlossen werden, dass die Bearbeitung eines phonologischen Problems erfordert, in der Äußerung weiter „zurückzugehen“ als bis zum Reparandum. Im Fall der phonologischen Reparatur, bei der in syntaktischer Hinsicht kein Anlass für den Einsatz eines syntaktischen Ankers besteht, dominiert die Grundmotivation ‚Schnelligkeit der Reparaturinitiierung‘ und führt in fast allen Fällen zu einer Retraktion zum Reparandum. Diese Motivation führt bei phonologischen Reparaturen in manchen Fällen sogar dazu, dass der Sprecher direkt zum fehlerhaft artikulierten Morphem innerhalb eines Wortes retrahiert, ohne korrekt artikulierte wortinitiale Morpheme zu wiederholen, sodass eine noch schnellere Bearbeitung des Reparandums möglich ist (siehe Bsp. (228) auf S. 374). Retraktionen in phonologischen Reparaturen liefern starke Evidenz gegen die Kopfregel (Uhmann 2001, 2006). Trotz des klaren Bilds, das sich bei den phonologischen Reparaturen hinsichtlich des Retraktionspunkts abzeichnet, soll noch auf ein Beispiel eingegangen werden, das dem Modell widerspricht: (231) 01 02 03 04

dd01a: der is aber nIscht wieder ge[KOMmen;] i-dd01: [mhm, ] dd01a: [des is::] °h im fa'* äh im SANde verloofn;=ne, i-dd01: [mhm:, ]

Die Dresdner Sprecherin erzählt vom verlorenen Kontakt zu einem Austauschschüler. In Z. 03 führt sie eine phonologische Korrektur durch und verwendet entgegen der Vorhersage des Modells einen syntaktischen Anker. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass es sich bei im SANde verlaufen um eine feststehende Redewendung handelt. Offenbar kann der Faktor, die Elemente einer Kollokation bei der Durchführung von Retraktionen nicht zu trennen, stärker gewichtet werden als die Motivation, die Reparatur möglichst schnell durchzuführen.

Reparatur des Sprecherwechsels bei gleichzeitiger Substitution des Verbs in Zweitstellung und einsilbig besetztem Vorfeld Das zweite motivationsgewichtende Merkmal auf der Ebene des Reparaturtyps ist die Reparatur des Sprecherwechsels bei gleichzeitiger Substitution des Verbs in Zweitstellung und einsilbig besetztem Vorfeld. Dieses Merkmal gewichtet die Motivation ‚Prozessierbarkeit der Reparatur‘ am stärksten und betrifft neun Reparaturen. Die Motivation ‚Prozessierbarkeit‘ bewirkt in allen neun Fällen,

384 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

dass die Sprecher – wie bei der Reparaturdurchführung in der folgenden Unterhaltung über Fastnachtszünfte – die einsilbige Vorfeldkonstituente als syntaktischen Anker benutzen: (232) 01 fr01b: 02

und dann sin_s ebe au d' viel zu viele ZÜNfte,= =und was sIn_s jetz für zünfte wenn sie komme sin_s !HE!xe; 03 i-fr01: ja:, 04 ja_ja; 05 fr01b: [die nemme überHAND06 und des find ich* (.)] des GFÄLLT_ma [net.] 07 fr01a: [ja gibt MEHrere hExe;=ja_jA,] 08 [ja_ja,] 09 i-fr01: [mhm- ]

In dieser Reparatur werden zwei Probleme bearbeitet: Neben überlappender Rede wird auch das Verb repariert. Die Sprecher versuchen in solchen Fällen regelmäßig, den Beginn des Redebeitrags und damit auch die Substitution des Verbs hörbar zu machen, indem sie die Durchführung der Reparatur durch die Wiederholung der Vorfeldkonstituente verzögern (siehe Kap. 7.4.2.1). In diesen Selbstreparaturen verzichten die Sprecher auf eine möglichst schnelle Bearbeitung des Reparandums (durch eine Retraktion direkt zum Verb) zugunsten einer besseren Prozessierbarkeit der Reparatur durch den Rezipienten. Es gibt außerdem zwei Fälle, in denen die Retraktion bei der Substitution des Verbs trotz überlappender Rede direkt zum Verb geht, sodass hier die Motivation ‚Prozessierbarkeit der Reparatur‘ offenbar nicht am stärksten gewichtet wird. Diese Beispiele lassen sich durch andere Motivationen erklären, die sich in den bisherigen Analysen bereits abgezeichnet haben. Bei einem Beispiel handelt es sich um eine phonologische Korrektur des Verbs, in der die Motivation ‚Schnelligkeit‘ für eine Retraktion direkt zum Reparandum sorgt (siehe oben).144 Im anderen Beispiel wird das Vorfeld von einer mehrsilbigen Konstituente besetzt. Hier kommt die Motivation zum Tragen, komplexe syntaktische Anker im Vorfeld zu vermeiden (siehe Kap. 6.3.2.1). Gleichzeitig zeigen diese

|| 144 Die phonologische Korrektur des Verbs in Zweitstellung bei gleichzeitiger Reparatur des Sprecherwechsels ist das einzige Beispiel im Korpus, auf das zwei Merkmale auf einer Ebene des Modells zutreffen. Hier scheint das Merkmal ‚phonologische Korrektur‘ einflussreicher zu sein und die Gewichtung der Motivationen vorzunehmen, die wiederum für eine Retraktion zum Reparandum sorgt. Da jedoch nur ein Beispiel vorliegt und somit nicht ausgeschlossen werden kann, dass andere Fälle mit einer Retraktion ins Vorfeld verbunden sind, wurde auf eine hierarchische Anordnung der beiden Merkmale im Modell verzichtet.

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 385

beiden Beispiele, welche Motivation sich bei einem Konflikt zweier widerstreitender Motivationen durchsetzt und die Struktur der Reparatur bestimmt. Die schnelle Bearbeitung phonologischer Reparanda und die Vermeidung komplexer syntaktischer Anker im Vorfeld, die ebenfalls auf die Motivation ‚Schnelligkeit‘ zurückzuführen ist, scheinen jeweils ein größeres Gewicht zu besitzen als die Motivation, in Überlappung zum Beginn der syntaktischen Struktur zu retrahieren, um den Beginn der Struktur und die darin enthaltene Reparatur besser hörbar zu machen.

8.2.2.2 Reparaturoperation Wenden wir uns nun dem motivationsgewichtenden Faktor ‚Reparaturoperation‘ auf der zweiten Ebene des Erklärungsmodells zu. Diese Ebene des Modells betrifft insgesamt 1.098 Selbstreparaturen – also diejenigen Fälle, auf die auf der obersten Ebene des Modells das Merkmal ‚anderer Reparaturtyp‘ zutrifft. Der Faktor ‚Reparaturoperation‘ umfasst die motivationsgewichtenden Merkmale ‚projektionserhaltende Tilgung oder anbindungsambige Operation‘ und ‚modifizierende Insertion in der Nominalphrase‘.

Modifizierende Insertion in der Nominalphrase Betrachten wir zunächst das Merkmal ‚modifizierende Insertion in der Nominalphrase‘, das die Motivation ‚Schnelligkeit‘ am stärksten gewichtet. Es trifft auf 15 Reparaturen zu, wovon 13 (86,7 %) der Motivation durch eine Retraktion zum Reparandum folgen und zwei (13,3 %) einen syntaktischen Anker verwenden, sodass sie dem Modell widersprechen. Die Häufigkeit der Retraktionen zum Reparandum ist bei modifizierenden Insertionen in Nominalphrasen besonders aussagekräftig. Hier besteht oft die Möglichkeit (n = 12), den Artikel als syntaktischen Anker zu verwenden – eine Tendenz, die in substituierenden semantischen Reparaturen in Nominalphrasen sehr ausgeprägt ist. Die Beobachtung, dass nur in zwei dieser Fälle (16,7 %) eine Retraktion zum Artikel durchgeführt wird, liefert starke Evidenz dafür, dass modifizierende Insertionen sich in der Nominalphrase anders verhalten als substituierende Reparaturen (siehe die nachfolgende Diskussion der motivationsgewichtenden syntaktischen Merkmale in Kap. 8.2.2.3). Warum retrahieren Sprecher bei modifizierenden Insertionen in Nominalphrasen direkt zum Reparandum? Betrachten wir zunächst folgendes Beispiel:

386 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen (233) 01 dd01a: 02

und und da hatte der mir DRINnen schon, °h noch en LEIStungs:* fuffzehnprozentigen LEIStungszuschlach; °h 03 geGEbem. 04 obwohl mir keene leis[tung MA]CHten, °h 05 i-dd01: [hm_hm, ]

In Z. 02 retrahiert der Sprecher bei der Insertion des modifizierenden Adjektivs direkt zum Insertionsslot, ohne vorher den Determinierer zu wiederholen. Wie bereits erwähnt, ist bei substituierenden semantischen Reparaturen des Nomens, in denen sich eine Nominalkategorie verändert, auch eine Reparatur des Determinierers bzw. des Adjektivs nötig, sodass die Retraktion in diesen Fällen mindestens bis zum Phrasenbeginn gehen muss. Bei der retrospektiven Modifikation einer Konstituente in der Nominalphrase ist der Sprecher jedoch – genau wie bei phonologischen Reparaturen – nie zu einer zusätzlichen syntaktischen Veränderung der Äußerung gezwungen. Die syntaktische Position der modifizierenden Konstituente ist bereits in der ursprünglichen Nominalphrase als fakultative Position „angelegt“ und wird im Nachhinein – in der Reparaturdurchführung – besetzt (siehe Kap. 5.1.3.1). Die modifizierende Konstituente kann in die ursprüngliche Phrase eingebettet werden, ohne dass eine Veränderung des Artikels oder eines anderen Elements der Phrase notwendig ist, die eine Retraktion zum „funktionalen Kopf“ (Uhmann 2001, 2006) erfordern würde. Bei modifizierenden Insertionen in Nominalphrasen liegen – genau wie bei phonologischen Korrekturen – keine besonderen Umstände vor, die den Sprecher zur Verwendung eines syntaktischen Ankers veranlassen, sodass sich in den meisten Fällen die Grundmotivation ‚Schnelligkeit‘ durchsetzt und zu einer Retraktion zum Reparandum führt. Die Tendenz, bei modifizierenden Insertionen direkt zum syntaktischen Slot zu retrahieren, in das die modifizierende Konstituente eingefügt wird, zeigt sich auch außerhalb der Nominalphrase, etwa bei der Modifikation von Verben (siehe Bsp. (122) auf S. 191), Präpositionen und Adverbien. Bei der Reparatur dieser Konstituenten besteht jedoch im Gegensatz zur Nominalphrase hinsichtlich des Retraktionspunkts kein Unterschied zwischen modifizierenden Insertionen und anderen Reparaturoperationen – die Retraktion geht fast immer zum Reparandum. Aus diesem Grund werden diese modifizierenden Insertionen nicht in Bezug auf die eingesetzte Operation, sondern in Bezug auf die reparierte syntaktische Konstituente auf der untersten Ebene des Modells behandelt. Das Merkmal ‚modifizierende Insertion in der Nominalphrase‘ bezieht sich ausschließlich auf einfache Nominalphrasen, nicht aber auf Nominalphrasen, die in eine Präpositional- oder Adjunktorphrase eingebettet sind. Im Korpus

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 387

liegen zwar nur drei modifizierende Insertionen in Präpositional- (n = 2) und Adjunktorphrasen (n = 1) vor, jedoch geht die Retraktion in allen Fällen zum Phrasenbeginn, d. h. zur Präposition bzw. zum Adjunktor. Dies steht in Kontrast zur Tendenz, in nicht eingebetteten Nominalphrasen direkt zum Reparandum zu retrahieren. Zusätzliche Daten werden nötig sein, um eine verlässliche Aussage darüber zu treffen, ob die Motivation ‚Schnelligkeit‘ nicht nur bei modifizierenden Insertionen in einfachen Nominalphrasen am stärksten gewichtet wird, sondern auch in Nominalphrasen innerhalb von Präpositional- und Adjunktorphrasen. Die wenigen vorliegenden Daten deuten jedoch darauf hin, dass in diesen Phrasen der Faktor ‚Bewahrung enger syntaktischer Verbindung‘ überwiegt, sodass diese Fälle ebenfalls der untersten Ebene des Modells zugeordnet werden, auf der die syntaktische Umgebung des Reparandums als motivationsgewichtender Faktor untersucht wird. Die Retraktionspunkte in den wenigen modifizierenden Insertionen in Präpositional- und Adjunktorphrasen geben Anlass zur Vermutung, dass die syntaktische Verbindung zwischen Präpositionen bzw. Adjunktoren und deren Komplementen stärker ist als die syntaktische Verbindung zwischen Determinierern und Nomen.

Projektionserhaltende Tilgung oder anbindungsambige Operation Kommen wir nun zum zweiten motivationsgewichtenden Merkmal ‚projektionserhaltende Tilgung oder anbindungsambige Operation‘. Dieses Merkmal betrifft diejenigen Selbstreparaturoperationen, die ohne die Verwendung eines syntaktischen Ankers vom Rezipienten überhaupt nicht (projektionserhaltende Tilgung) oder nicht eindeutig (anbindungsambige Operation) prozessiert werden könnten (n = 39). In projektionserhaltenden Tilgungen (n = 21) ist der Anker notwendig, um den Unterschied zwischen der ursprünglichen und der neuen Version der Äußerung, der in der Tilgung einer Konstituente besteht, für den Rezipienten überhaupt wahrnehmbar zu machen. Der Verzicht auf einen syntaktischen Anker wäre in diesen Fällen gleichbedeutend mit einer Fortsetzung der syntaktischen Struktur, ohne eine Reparatur durchgeführt zu haben (siehe Bsp. (63) auf S. 108 und Bsp. (64) auf S. 109). Bei dieser Reparaturoperation, die ausschließlich zur Bearbeitung von Konstituenten im Mittelfeld der syntaktischen Struktur eingesetzt wird, geht die Retraktion regelmäßig entweder zur linken Satzklammer oder – wenn das Vorfeld einsilbig besetzt ist – ins Vorfeld. Es gibt nur zwei Ausnahmen, die von diesem Muster dadurch abweichen, dass die Retraktion direkt zum Reparandum im Mittelfeld geht. In beiden Fällen wird das zu tilgende Element durch Wortabbruch markiert, sodass auch hier die Prozessierbarkeit gewährleistet ist (siehe Bsp. (65) auf S. 109).

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Als ‚anbindungsambige Operationen‘ werden im vorliegenden Modell solche Substitutionen und projektionsverändernde Tilgungen bezeichnet, die ohne syntaktischen Anker zwar als retraktiver Eingriff prozessierbar wären, aber auch als „reguläre“ Fortsetzungen der syntaktischen Struktur missverstanden werden könnten (n = 18). In diesem Punkt unterscheiden sie sich von Selbstreparaturen ohne syntaktischen Anker, bei denen ein Durchbrechen der projizierten syntaktischen Struktur dem Rezipienten als klarer Hinweis für die Anbindung der Reparaturoperation an die ursprüngliche Äußerung dient (siehe Kap. 6.5.3). Sechzehn dieser Reparaturen werden – wie die projektionserhaltenden Tilgungen – im Mittelfeld durchgeführt, zwei im Nachfeld. Das folgende Beispiel zeigt eine anbindungsambige Substitution. Hier sprechen die Teilnehmer darüber, dass Kölner dazu tendieren, lange Vornamen abzukürzen. Die Sprecherin bezieht sich auf einen relativ langen Vornamen, der ihrer Meinung nach auch abgekürzt werden sollte: (234) 01 k10a: 02 i-k: 03

ja: ge' [is RICHTtig.] [stimmt aber ] is AUCH;* äh is wieder so LANG,

Bei der Substitution von AUCH; durch wieder in Z. 03 setzt die Sprecherin als syntaktischen Anker die Kopula is ein. Ohne Verwendung eines Ankers – also bei einer Retraktion zum Reparandum – könnte die Äußerung von Rezipienten als „reguläre“ Fortsetzung (is AUCH;/ wieder so LANG) prozessiert werden. In dieser Lesart läge eine Kombination beider Wörter und keine Ersetzung des einen durch das andere vor. Wie dieses Beispiel zeigt, tritt ein solcher Einsatz eines syntaktischen Ankers vor allem dann auf, wenn das Reparans aufgrund der syntagmatischen Kombinierbarkeit der Elemente im Mittelfeld als Fortsetzung der Äußerung verstanden werden könnte – und nicht ausschließlich als paradigmatische Substitution des Reparandums. In den Fällen, in denen eine solche potentielle Ambiguität durch den Einsatz eines syntaktischen Ankers verhindert wird, liegen keine anderen eindeutigen Hinweise für eine Reparatur vor, wie beispielsweise ein Wortabbruch oder eine Verzögerung der Reparaturinitiierung, die als postpositionierter syntaktischer Anker fungiert (siehe Kap. 6.5.2).145

|| 145 Selbstverständlich spielt bei der Anbindung der Reparaturoperation auch die Prosodie eine wichtige Rolle. In Beispiel (234) wäre die Reparatur bei einer Betonung des Reparans (WIEder) auch ohne syntaktischen Anker prozessierbar (siehe Kap. 6.5 für die verschiedenen Verfahren der Anbindung der Reparaturoperation).

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 389

Obwohl die beiden syntaktischen Lesarten in semanto-pragmatischer Hinsicht sehr ähnlich erscheinen, kann nicht a priori davon ausgegangen werden, dass dieser Unterschied für die Teilnehmer keine Rolle spielen würde. Deswegen sollte ‚Prozessierbarkeit‘, d. h. eine Vermeidung ambiger syntaktischer Anbindung, als Motivation für diese Reparaturstruktur angenommen werden und keine rein syntaktische Motivation. Im nächsten Beispiel wird in Z. 10 eine anbindungsambige projektionsverändernde Tilgung durchgeführt. Die Sprecherin dd01b erzählt von einer Wanderung: (235) 01 dd01b:

un da war_n fEuerroter großer BALL:; (0.5) 02 so ham_mer das emPFUNden; 03 also ä rIesen (.) DING, äh_äh 04 feu_LEUSCHtend ro:t, 05 [und da] kamen mir HIN, (.) 06 i-dd01: [hm_hm-]. 07 dd01b: immer nÄher immer NÄHer, 08 und da war des_n BROMbeerstrAuch09 der °h noch NIE:-=hier;* 10 de:r (.) eben rOte [BEErn] drAn hatte. 11 i-dd01: [ja? ]

In Z. 10 tilgt die Sprecherin die Adverbien noch NIE:-=hier; innerhalb eines Relativsatzes aus der ursprünglichen Struktur, indem sie den Relativsatz stattdessen mit der alternativen Konstruktion eben rOte BEErn drAn hatte fortführt. Durch die Wiederholung des Relativpronomens der als syntaktischen Anker wird die Möglichkeit vermieden, die tilgende Struktur als Fortsetzung der ursprünglichen Äußerung zu interpretieren (der °h noch NIE:-=hier;/eben rOte BEErn drAn hatte). In diesem Beispiel scheinen die beiden Lesarten in semanto-pragmatischer Hinsicht recht unterschiedlich zu sein, was die Annahme der Motivation ‚Prozessierbarkeit‘ bekräftigt. Die Interpretation, dass die Retraktionspunkte in den Beispielen (234) und (235) durch Prozessierbarkeit motiviert sind, wird auch dadurch gestützt, dass Reparaturen von Adverbien im Mittelfeld, in denen die Prozessierbarkeit ohne Anker gewährleistet ist, regelmäßig ohne syntaktischen Anker durchgeführt werden (siehe das nachfolgende Kap. 8.2.2.3). Die Motivation ‚Prozessierbarkeit‘ bewirkt zwar, dass ein Anker eingesetzt wird, legt aber nicht fest, wie weit der Sprecher in der Äußerung „zurückgeht“. Die Prozessierbarkeit einer Selbstreparatur ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Beseitigung eines Reparandums; sie ermöglicht, dass eine Bearbeitung des Problems überhaupt durchgeführt werden kann. Die Motivation ‚Pro-

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zessierbarkeit‘ führt zwar, indem sie nicht prozessierbare Strukturen ausschließt, zu einer klaren Begrenzung des Spielraums bei der Gestaltung von Selbstreparaturen, schränkt aber die große Menge aller möglichen Strukturen nicht weiter ein. Dies steht im Gegensatz zu den anderen drei Motivationen, deren Einfluss jeweils auf die Auswahl einer ganz bestimmten Struktur aus der Menge aller möglichen Selbstreparaturstrukturen abzielt. Bei der Selektion des Retraktionspunkts in projektionserhaltenden Tilgungen und anbindungsambigen Operationen müssen also neben der Motivation ‚Prozessierbarkeit‘ noch andere Motivationen eine Rolle spielen. Wäre ‚Schnelligkeit‘ die zweitstärkste Motivation, würde man davon ausgehen, dass der Sprecher immer nur das Wort wiederholt, das der zu tilgenden Konstituente vorangeht. In den meisten Fällen besetzen die zu tilgenden Elemente zwar die erste Position im Mittelfeld, sodass eine Wiederholung der linken Klammer nicht von einer Wiederholung des vorangehenden Wortes zu unterscheiden ist. In den wenigen Fällen, in denen das Reparandum nicht die erste Position des Mittelfelds besetzt (n = 4), geht die Retraktion aber nicht zum vorangehenden Wort, sondern zur linken Satzklammer oder ins Vorfeld (siehe Bsp. (64) auf S. 109). Das spricht dafür, dass neben der stärksten Motivation ‚Prozessierbarkeit‘ eine syntaktische Motivation den zweitgrößten Einfluss hat: Syntaktische Positionen, von denen starke Projektionen ausgehen, sind bei der Durchführung dieser Operationen präferierte Retraktionspunkte. Diese Präferenz hängt wohl einerseits damit zusammen, dass die Wiederholung einer stark projizierenden Konstituente die Anbindung der Reparaturoperation aus Hörersicht erleichtert. Andererseits dienen der Beginn der syntaktischen Struktur und die linke Satzklammer vermutlich auch dem Sprecher als wichtige Orientierungspunkte. Der Beginn einer syntaktischen Struktur ist im Gegensatz zu den oftmals fakultativen syntaktischen Konstituenten des Mittelfelds in jeder Äußerung – und eine linke Satzklammer in vielen Äußerungen – vorhanden, sodass diese Punkte routinemäßig als Ausgangspunkt für die Reparaturdurchführung angesteuert werden können. Vier Selbstreparaturen mit anbindungsambiger Operation widersprechen dem Erklärungsmodell insofern, dass der Sprecher nicht zur linken Satzklammer oder ins Vorfeld, sondern zur Konstituente direkt vor dem zu tilgenden Element retrahiert und diese als syntaktischen Anker wiederholt. Auch hier wird also die Motivation ‚Prozessierbarkeit der Reparatur‘ am stärksten gewichtet, jedoch scheint ‚Schnelligkeit‘ in diesen Fällen die oben erwähnte syntaktische Motivation als zweitstärkste Motivation zu überwiegen. Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass auch die Motivation ‚Schnelligkeit‘ eine Rolle bei der Durchführung projektionserhaltender Tilgungen und anbindungsambiger Ope-

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 391

rationen spielt, ist die Tendenz zur Vermeidung komplexer syntaktischer Anker im Vorfeld, die sich in diesen Reparaturen zeigt.

8.2.2.3 Reparierte syntaktische Konstituente Kommen wir nun zum motivationsgewichtenden Faktor ‚reparierte syntaktische Konstituente‘ auf der dritten Ebene des Erklärungsmodells. Diese Ebene betrifft 1.044 Selbstreparaturen – also diejenigen Fälle, auf die die Merkmale ‚anderer Reparaturtyp‘ und ‚andere Operation‘ auf den beiden oberen Ebenen des Modells zutreffen. Der Faktor ‚reparierte syntaktische Konstituente‘ umfasst fünf verschiedene motivationsgewichtende Merkmale, bei denen es sich jeweils um ein Reparandum in einer bestimmten syntaktischen Umgebung handelt. Vier der Merkmale – ‚Pronomen in der Wackernagel-Position‘, ‚Komplement in der Präpositionalphrase‘, ‚Komplement in der Adjunktorphrase‘ und ‚Nomen oder Adjektiv in der Nominalphrase‘ – gewichten die Motivationen so, dass es zum Einsatz eines syntaktischen Ankers kommt. Das fünfte Merkmal – die Kategorie ‚andere Konstituente‘ – gewichtet die Grundmotivation ‚Schnelligkeit‘ am stärksten, sodass in diesen Fällen eine Retraktion zum Reparandum durchgeführt wird. Die folgenden Ausführungen erläutern, wie die Selbstreparaturstruktur durch die syntaktischen Verhältnisse im Deutschen organisiert wird.

Pronomen in der Wackernagel-Position Wenden wir uns zunächst den Selbstreparaturen von Pronomen in der ersten Position des Mittelfelds zu, der sogenannten Wackernagel-Position. Im Rahmen seiner Studie zur Wortstellung in indogermanischen Sprachen weist Wackernagel (1892: 405) auf die „Behandlung der schwach betonten Personalpronomina im Neuhochdeutschen“ hin: Diese und andere schwach betonte Pronomen nehmen tendenziell die Position direkt nach der linken Satzklammer ein (vgl. auch Gallmann 2006: 884; Lenerz 1977; Abraham 1985). Bei Reparaturen von Pronomen in der Wackernagel-Position wird der Faktor ‚Bewahrung enger syntaktischer Verbindung‘ am stärksten gewichtet, was zu einer Retraktion zur linken Satzklammer oder – wenn es einsilbig besetzt ist – ins Vorfeld führt. Es werden insgesamt 74 Pronomen in der Wackernagel-Position repariert. Dazu zählen neben Substitutionen und Tilgungen auch Insertionen eines Pronomens in die Wackernagel-Position. Insgesamt 70 Selbstreparaturen (94,6 %) entsprechen der Vorhersage des Modells – nur vier Retraktionen (5,4 %) gehen direkt zum reparaturbedürftigen Pronomen. Interessanterweise werden deutlich mehr Pronomen in der Wackernagel-Position in Nebensätzen repariert (n = 56;

392 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

75,7 %) als in Hauptsätzen (n = 18; 24,3 %).146 Dies ist der wichtigste Grund dafür, dass der Anteil an Retraktionen in die linke Satzklammer deutlich höher ist (n = 66) als der Anteil an Retraktionen ins Vorfeld (n = 4). Warum wird bei der Reparatur eines Pronomens in der WackernagelPosition – entgegen der Grundmotivation ‚Schnelligkeit‘ – fast immer ein syntaktischer Anker eingesetzt? Da die Konstituentenabfolge ‚linke Satzklammer → unbetontes Pronomen‘ in der gesprochenen Sprache häufig auftritt, kann davon ausgegangen werden, dass die häufige gemeinsame Produktion durch den Prozess des „entrenchment“ (Langacker 1987: 59f.) auch kognitiv stark repräsentiert ist und von den Sprechern bei der Reparaturdurchführung berücksichtigt wird: Je häufiger zwei Elemente in unmittelbarer Nachbarschaft benutzt werden, desto stärker wird deren Konstituentenstruktur, d. h. die Verbindung zwischen ihnen (Bybee/Scheibman 1999). Die starke syntaktische Verbindung (bzw. die schwache syntaktische Grenze) zwischen finiten Verben, Subjunktionen oder Relativa und darauf folgenden Pronomen kommt auch im phonologischen Prozess der Klitisierung von Konstituenten der linken Satzklammer mit Pronomen zum Ausdruck (n = 10; 13,5 % aller Pronomen in der WackernagelPosition). An der Klitisierung sind sowohl Subjunktionen und Relativa als auch Hilfsverben und Vollverben beteiligt. In sieben Fällen kommt es zur Enklise des Pronomens es, dem häufig aufgrund des frühen Abbruchs der emergenten Struktur keine eindeutige syntaktische Funktion zugeordnet werden kann (n = 4). In zwei Fällen erfüllt es eindeutig die Funktion des Subjekts und in einem Fall eindeutig die Funktion des Akkusativobjekts (siehe Bsp. (148) auf S. 214). Des Weiteren treten zwei Klitisierungen von sie (siehe Bsp. (149) auf S. 214) und eine Klitisierung von du in Subjektfunktion auf. Auch in den Fällen, in denen keine Klitisierung vorliegt, wird die enge Verbindung von den Sprechern bei der Durchführung von Selbstreparaturen markiert, indem sie die beiden Konstituenten bevorzugt gemeinsam produzieren, wie in den folgenden Beispielen: (236) 01 hh04: ja dann muss man:* muss der STAAT eben: (---) 02 auf ANdere weise zu gEld kommen,

|| 146 Ob diese quantitative Distribution nur daran liegt, dass in Nebensätzen insgesamt mehr Pronomen in der Wackernagel-Position auftreten oder ob es eine stärkere Tendenz zur Reparatur von Pronomen in der Wackernagel-Position in Nebensätzen gibt, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht beantwortet werden.

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 393

(237) 01 i-mu: 02 03 mu05a: 04

wenn so noch so_a boden DA is, is eimfach:* (.) is des eimfach erHALten[swert; =ja] [ja wenn_er] GUAT is der bodenwarum sollt ma den nit LASsen;

In (236) wird das Pronomen man: in der Wackernagel-Position durch eine Nominalphrase ersetzt. In (237) inseriert die Sprecherin das Pronomen des in die Wackernagel-Position. In beiden Fällen wird die Konstituente in der linken Satzklammer, das finite Verb, bei der Reparaturdurchführung wiederholt, obwohl die Retraktion auch direkt zum Reparandum bzw. zum Insertionsslot gehen könnte (siehe auch den Abschnitt ,Reparatur von Pronomen‘ und ,Insertion eines Pronomens‘ für eine Analyse dieser Beispiele). Neben der oben erwähnten engen Konstituentenstruktur, die durch häufige direkte Abfolge zweier Elemente entsteht (vgl. Bybee/Scheibman 1999), könnte eine weitere Erklärung für den Einsatz eines syntaktischen Ankers darin bestehen, dass sich das obligatorische Retraktionsmuster, das bei klitisierten Formen in einer Retraktion bis mindestens zur linken Satzklammer besteht, durch Analogie auch auf die nicht klitisierten schwach betonten Pronomina übertragen hat (siehe zum Einfluss der Motivation ‚Analogie zu obligatorischem Retraktionsmuster‘ auch die folgende Diskussion der Präpositional-, Adjunktor- und Nominalphrase). Konstituenten der linken Satzklammer und Pronomen werden also bei der Durchführung von Retraktionen als eine Einheit behandelt. Dies trifft auf alle Pronomen zu, die in der Wackernagel-Position repariert werden – unabhängig davon, ob es sich um ein Personalpronomen, Demonstrativpronomen, Indefinitpronomen oder Reflexivpronomen handelt und unabhängig von der syntaktischen Funktion, die das Pronomen erfüllt. Reparaturen von Pronomen im Mittelfeld, die nicht in der WackernagelPosition stehen, werden hingegen in neun von elf Fällen ohne syntaktischen Anker durchgeführt. In zehn Fällen ist das Pronomen unbetont, in einem Fall betont (siehe Bsp. (147) auf S. 213). In einem der Beispiele, in denen ein Anker vorliegt, geht die Retraktion zu einem Adverb im Mittelfeld. Im anderen Beispiel liegt eine anbindungsambige Tilgung vor und die Retraktion geht gemäß der Vorhersage des Modells ins Vorfeld. Zwar werden auch diese später produzierten Pronomen – wie die Pronomen in der Wackernagel-Position – vom finiten Verb regiert. Es scheint aber zwischen der linken Satzklammer und den Pronomen in der Wackernagel-Position dennoch eine stärkere syntaktische Verbindung zu bestehen als zwischen der linken Satzklammer und den später positionierten Pronomen im Mittelfeld, sodass sich bei der Reparatur letzterer

394 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

Pronomen die Grundmotivation ‚Schnelligkeit der Reparaturdurchführung‘ durchsetzt und den Retraktionspunkt bestimmt. Diese Beobachtung spricht dafür, dass die lineare Abfolge der Konstituenten und die damit verbundenen Frequenzeffekte sowie Klitisierungs- und Analogieprozesse von entscheidender Bedeutung für die Sprachproduktion sind. Die enge Verbindung von finiten Verben, Subjunktionen und Relativa mit Pronomen in der Wackernagel-Position weist Ähnlichkeiten mit Beobachtungen zu Selbstreparaturen im Englischen auf. Im Englischen besteht die enge Verbindung allerdings zwischen dem Subjektpronomen zu Beginn der Äußerung und dem darauf folgenden Verb – eine Konstituentenabfolge, die im Englischen sehr häufig auftritt (vgl. Fox et al. 1996: 213; Fox at al. 2009a: 258). Diese enge Verbindung schlägt sich in der Klitisierung von Pronomen und Hilfsverben sowie der Häufigkeit von Retraktionen zum Subjektpronomen nieder. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass Sprecher nur dann einen syntaktischen Anker einsetzen, wenn die Konstituente, die auf die linke Satzklammer folgt, ein Pronomen ist. Wenn es sich beispielsweise um ein Adverb handelt, retrahieren die Sprecher regelmäßig zum Reparandum – unabhängig davon, ob das Adverb direkt nach der linken Satzklammer (siehe Bsp. (184) auf S. 275 und das folgende Bsp. (238)) oder an einer anderen Position im Mittelfeld steht (siehe Bsp. (150) auf S. 215). (238) 01 Tba: gestern Abend war haarKNAPP;* 02 haarscharf dran vorBEI-= 03 =dass ich nich die BULlen geholt hab. 04 Hrm: ja; 05 Ibl: ((lacht))

Am Anfang von Z. 02 retrahiert Tabea direkt zum Adverb haarKNAPP und ersetzt dieses durch die gebräuchlichere Form haarscharf. Sie verwendet keinen syntaktischen Anker, obwohl das finite Verb dem Reparandum direkt vorangeht. Bei den 38 Reparaturen von Adverbien im Mittelfeld (Substitutionen, Tilgungen und Insertionen von Adverbien) geht die Retraktion in 34 Fällen (89,5 %) zum Reparandum und in nur vier Fällen (10,5 %) entgegen der Vorhersage des Modells ins Vorfeld. Es gibt mindestens drei Faktoren, die zur Erklärung dieses Retraktionsmusters beitragen. Erstens sind Adverbien im Gegensatz zu den meisten Pronomen häufig keine Komplemente des Verbs, sodass die syntaktische Verbindung zwischen linker Klammer und Adverbien in dieser Hinsicht nicht so stark ist wie zwischen linker Klammer und Pronomen. Zweitens können sich Adverbien mit

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 395

Konstituenten der linken Satzklammer nicht enklitisch verbinden, sodass es im Gegensatz zu den Pronomen nicht zur analogischen Übernahme dieses Retraktionsmusters kommen kann. Drittens – dieser Punkt kann im Rahmen dieser Arbeit nicht empirisch belegt werden – treten Adverbien direkt nach der linken Satzklammer vermutlich nicht so häufig auf wie Pronomen, sodass Frequenzeffekte hier wohl nicht zu einer so starken Verbindung der beiden Elemente führen können. Reparaturen von Adverbien im Mittelfeld und die oben erwähnten Reparaturen von Pronomen im Mittelfeld, die nicht in der Wackernagel-Position stehen, liefern starke Evidenz dafür, dass der „funktionale Kopf“ (Uhmann 2001, 2006) nicht das entscheidende Kriterium für die Retraktion ist. Nur bei der Reparatur von Pronomen in der Wackernagel-Position geht die Retraktion in die linke Satzklammer oder ins Vorfeld, während Sprecher direkt zum Reparandum retrahieren, wenn sie Pronomen an einer anderen Position im Mittelfeld oder Adverbien reparieren.

Nomen oder Adjektiv in der Nominalphrase Im Folgenden werden Reparaturen des Adjektivs und des Nomens in Nominalphrasen (n = 76) genauer betrachtet. Wie in der Diskussion der beiden oberen Ebenen des Modells dargestellt wurde, spielt sowohl der Reparaturtyp als auch die Reparaturoperation eine Rolle für die Position des Retraktionspunkts in Nominalphrasen. Bei phonologischen Korrekturen des Nomens oder Adjektivs können Sprecher direkt zum Reparandum retrahieren, weil keine Nominalkategorie verändert wird. Das Problem liegt allein auf der artikulatorischen Ebene, sodass bei phonologischen Reparaturen der Determinierer bzw. das Adjektiv nicht morphosyntaktisch angepasst werden muss (siehe Kap. 8.2.2.1). Auch bei modifizierenden Insertionen in der Nominalphrase müssen keine zusätzlichen syntaktischen Veränderungen vorgenommen werden, sodass die Sprecher der Grundmotivation ‚Schnelligkeit‘ folgen können und direkt zum Reparandum retrahieren (siehe Kap. 8.2.2.2). In den übrigen Reparaturen des Nomens, bei denen es sich in der großen Mehrheit um semantische Reparaturen handelt, besteht hingegen die Möglichkeit, dass sich (mindestens) eine Nominalkategorie (Kasus, Numerus, Genus, Definitheit) verändert. In diesem Fall ist eine Retraktion zum Phrasenbeginn obligatorisch, um durch die morphosyntaktische Anpassung des Determinierers bzw. des Adjektivs Kongruenz mit dem „neuen“ Nomen herzustellen (siehe Bsp. (229) auf S. 379). Diese Reparaturen der gesamten Nominalphrase mit obligatorischer Retraktion zum Phrasenbeginn fallen

396 | Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen

unter das Merkmal ‚andere Konstituente‘ und werden am Ende des Kapitels diskutiert. Im Folgenden wollen wir uns den Fällen zuwenden, in denen das neue und das alte Nomen dasselbe Genus aufweisen und auch sonst keine Nominalkategorie verändert wird, sodass keine zusätzlichen morphosyntaktischen Anpassungen vorgenommen werden müssen und die Sprecher auch direkt zum Nomen retrahieren können (siehe Bsp. (132) auf S. 200). Zudem werden Reparaturen von Adjektiven untersucht, in denen die Retraktion ebenfalls direkt zum Adjektiv gehen kann und nicht zum Determinierer gehen muss. Auf diese Fälle trifft das Merkmal ‚Nomen oder Adjektiv in der Nominalphrase‘ zu (n = 76). Es werden 56 Nomen und 20 Adjektive repariert. In fast allen Fällen (n = 67; 88,2 %) handelt es sich um semantische Reparaturen.147 Insgesamt gibt es nur sehr wenige Retraktionen, die bei der Reparatur eines Nomens oder Adjektivs über den Beginn der Nominalphrase hinausgehen (n = 4; 5,3 %). Dieses Ergebnis bestätigt die früheren Analysen (siehe Kap. 6.3.2.1) und zeigt, dass der Beginn einer Nominalphrase, die nicht in eine Präpositionalphrase eingebettet ist, eine starke syntaktische Grenze darstellt. In 21 Fällen ist das Reparandum identisch mit dem Phrasenbeginn, weil entweder ein Nomen in einer Nominalphrase ohne Artikel und Adjektiv (siehe Bsp. (178) auf S. 269) oder weil ein Adjektiv in einer Nominalphrase ohne Artikel repariert wird. In 19 dieser Reparaturen retrahieren die Sprecher in Übereinstimmung mit der Vorhersage des Modells zum Reparandum, das identisch mit dem Phrasenbeginn ist. Drei Beispiele widersprechen dem Modell, weil die Retraktion über die Phrasengrenze hinausgeht. In den restlichen 55 Reparaturen, in denen dem Reparandum ein weiteres Element der Nominalphrase vorangeht – ein Determinierer oder ein Adjektiv (evtl. mit modifizierendem Adverb) –, besteht die Möglichkeit, entweder direkt zum Reparandum oder zu einem vorangehenden Element der Nominalphrase zu retrahieren. Die Sprecher retrahieren in 38 Fällen (70,4 %) in Einklang mit dem Modell zum Beginn der Nominalphrase, in 14 Fällen (25,5 %) zum Reparandum, lediglich in einem Fall über die Nominalphrase hinaus und in einem Fall zu einem Adjektiv, das weder Reparandum noch Phrasenbeginn ist. Die folgenden

|| 147 In der Gruppe der reparierten Adjektive sind auch sechs Reparaturen des projizierten Nomens (siehe Bsp. (39) auf S. 85) enthalten, bei denen sich die morphosyntaktische Form des Adjektivs verändert. Diese Reparaturen werden in diesem Zusammenhang dennoch behandelt, weil die Form des alten und des neuen Determinierers identisch ist, sodass eine Retraktion zum Phrasenbeginn nicht obligatorisch ist.

Erklärungsmodell für die Position des Retraktionspunkts | 397

Beispiele zeigen die allgemeine Tendenz, zum Beginn der Phrase zu retrahieren, auch wenn die Retraktion direkt zum Reparandum gehen könnte: (239) 01 T: wollen sie die beschwErden nochmal* oder die SCHMERzen nochmal n bisschen- °h (-) 02 nochmal genAuer noch beSCHREIben,= 03 =[(wie)-] 04 P: [es is ] n DRUCKschmerz;

(240) 01 k07: dann hab ich das geSCHÄFT gemacht? 02 °hh und SCHWIEgervater, (-) 03 hat die reparaTUren* die !FAHR!radreparaturen gemacht;

Die Tatsache, dass bei Substitutionen des Nomens regelmäßig die gesamte Nominalphrase wiederholt wird, liefert Evidenz dafür, dass die Elemente der Nominalphrase syntaktisch eng zusammengehören. Diese enge Verbindung kommt auch in der morphosyntaktischen Kongruenz der Elemente der Nominalphrase (in Kasus, Numerus und Genus) zum Ausdruck. Die Distribution der Retraktionspunkte zeigt also, dass die Sprecher tendenziell nicht der Grundmotivation ‚Schnelligkeit der Reparaturdurchführung‘ folgen, die zu einer Retraktion zum Reparandum führen würde, sondern dem Faktor ‚Bewahrung enger syntaktischer Verbindung‘. Dieser Faktor kann jedoch nicht allein ausschlaggebend sein. Auch die Motivation ‚Analogie zu obligatorischem Retraktionsmuster‘ scheint eine entscheidende Rolle für die Selektion des Retraktionspunkts zu spielen. Reparaturen des Nomens können – wie oben erwähnt – die Veränderung von Nominalkategorien mit sich bringen, sodass zusätzlich zur Substitution des Nomens eine Substitution des Artikels bzw. des Adjektivs zur Herstellung von Kongruenz notwendig ist. In diesen Fällen ist die Retraktion zum Phrasenbeginn obligatorisch. Das bloße Potential semantischer Substitutionen des Nomens, die Veränderung einer Nominalkategorie zu bewirken, hat bei semantischen Reparaturen des Nomens offenbar zu einer Generalisierung der Retraktion zum Phrasenbeginn geführt. Die Retraktion zum Phrasenbeginn, die für eine bestimmte Gruppe semantischer Reparaturen obligatorisch ist, scheint sich durch Analogie auch auf diejenigen semantischen Reparaturen des Nomens und Adjektivs übertragen zu haben, in denen überhaupt keine Nominalkategorie verändert wird. In phonologischen Reparaturen des Nomens liegt jedoch ein anderes Retraktionsmuster vor, weil keine phonologische Reparatur das Potential zur Veränderung von Nominalkategorien mit sich bringt. Diese Verbindung unterschiedlicher Retraktionsstrukturen mit unterschiedlichen Problemtypen (bzw. gleicher

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Strukturen mit gleichen Problemtypen) bringt vermutlich einen Vorteil für den Rezipienten mit sich, weil dadurch auch der Retraktionspunkt – wie Abbruchpunkt und Reparaturmarker – Projektionen über die Art der zu erwartenden Veränderung des Redebeitrags eröffnet. Eine weitere Motivation, die zur Erklärung der Retraktionen zum Beginn der Nominalphrase in semantischen Reparaturen beitragen kann und mit dem bisherigen Erklärungsansatz kompatibel ist, betrifft die kognitive Ebene der Sprachproduktion. Angesichts der unterschiedlichen Retraktionsspannen in semantischen und phonologischen Reparaturen in der Nominalphrase (siehe Kap. 7.4.2.2) erscheint es plausibel, dass Sprecher für semantische Reparaturen, die Konzeptualisierungsprozesse umfassen, mehr Zeit benötigen als für Reparaturen der Artikulation, die lediglich die motorische Ebene betreffen. Die Retraktion zum Phrasenbeginn verschafft dem Sprecher mehr Zeit als eine Retraktion zum Reparandum. Zu dieser Interpretation der größeren Retraktionsspanne passt auch die Beobachtung, dass multiple Retraktionen vor allem mit semantischer Planung in Verbindung zu stehen scheinen (siehe Kap. 7.4.3). Die Annahme dieser zusätzlichen Motivation bedeutet jedoch nicht, dass die syntaktischen Faktoren ‚Bewahrung enger syntaktischer Verbindung‘ und ‚Analogie zu obligatorischem Retraktionsmuster‘ vom Modell ausgeschlossen werden sollten. Nur sie können erklären, warum Sprecher zum Phrasenbeginn retrahieren – und nicht nur bis zum Adjektiv (bei gleichzeitigem Vorhandensein eines Determinierers) oder zu einer Konstituente vor der Nominalphrase. Die syntaktische Funktion, die die reparierte Nominalphrase erfüllt, scheint keinen Einfluss auf den Retraktionspunkt auszuüben: Nominalphrasen mit Subjektfunktion, Objektfunktion und Prädikativfunktion unterscheiden sich nicht hinsichtlich der Retraktionsmuster.

Komplement in der Präpositionalphrase Kommen wir nun zu den Reparanda, auf die auf der dritten Ebene das Merkmal ‚Komplement in der Präpositionalphrase‘ zutrifft. Es geht also ausschließlich um Reparaturen in der Präpositionalphrase, bei denen die Präposition nicht Teil des Reparandums ist und unverändert bleibt – einzige Ausnahme ist die Veränderung der Präposition durch Klitisierung mit einem Artikel. Insgesamt liegen 142 Reparaturen des Komplements einer Präposition vor. Bei diesen Komplementen handelt es sich bis auf zwei Adverbialphrasen ausschließlich um Nominalphrasen. In fast all diesen Reparaturen besteht die theoretische Möglichkeit, über die Grenze der Präpositionalphrase hinaus zu einer früher produzierten Konstituente zu retrahieren. Diese Option wird jedoch nur in einem Fall ge-

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wählt. Diese Beobachtung deutet – wie die Analysen der Reparaturen in Präpositionalphrasen in Kap. 6.3.2.1 und 6.3.2.3 – darauf hin, dass der Beginn der Präpositionalphrase eine starke syntaktische Grenze darstellt. Innerhalb der Präpositionalphrase bestehen unterschiedliche Optionen bei der Selektion des Retraktionspunkts, die von den Elementen abhängen, die das Komplement umfasst (vgl. Birkner et al. 2012). Die einzige Option, die bei jeder Reparatur gegeben ist, ist die Retraktion zur Präposition. Wenn das reparaturbedürftige Komplement eine artikellose Nominalphrase ist, kann der Sprecher neben der Präposition auch direkt zum Nomen retrahieren (siehe Bsp. (142) auf S. 209). Umfasst das Komplement einen Determinierer, liefert dieser eine dritte Option bei der Selektion des Retraktionspunkts. Wenn sich bei Reparaturen von Komplement-Nominalphrasen mit Artikel eine Nominalkategorie verändert, muss aufgrund der Kongruenz in der Nominalphrase auch der Determinierer ersetzt werden. Damit entfällt das Nomen als möglicher Retraktionspunkt und der Sprecher kann entweder zum Determinierer (siehe Bsp. (140) auf S. 207) oder zur Präposition (siehe Bsp. (141) auf S. 208) zurückkehren. Wenn die Komplement-Nominalphrase ein Adjektiv umfasst, stellt dieses einen weiteren potentiellen Retraktionspunkt dar. Insgesamt ist die Präposition eindeutig der präferierte Retraktionspunkt: 119 Reparaturen (83,8 %) weisen eine Retraktion zur Präposition auf. Diese Retraktionen folgen dem am stärksten gewichteten Faktor ‚Bewahrung enger syntaktischer Verbindung‘ und entsprechen somit dem Erklärungsmodell. Von den anderen 23 Fällen (16,2 %), die dem Modell widersprechen, geht die Retraktion in 12 Fällen zum Determinierer und in neun Fällen zum Nomen. In den verbleibenden zwei Gegenbeispielen retrahieren die Sprecher je einmal zu einem Adjektiv und einmal zu einer Subjunktion. Warum retrahieren Sprecher bei Reparaturen des Komplements in Präpositionalphrasen bevorzugt zur Präposition? Eine mögliche Erklärung für das Retraktionsmuster liefern – wie in der Nominalphrase – die grammatischen Verhältnisse innerhalb der Phrase. Im Deutschen besteht eine enge morphosyntaktische und phonologische Verbindung zwischen der Präposition und ihrem Komplement, weil die Präposition der Nominalphrase den Kasus zuweist und die Präposition und der Determinierer zur Klitisierung tendieren (vgl. Fox et al. 2009a: 285). Die vorliegenden Daten bestätigen, dass – wie bei der Reparatur von Pronomen in der Wackernagel-Position – auch in der Präpositionalphrase der phonologische Prozess der Klitisierung eine Rolle spielt. Von den 119 Retraktionen zur Präposition wird in 38 Fällen (31,9 %) durch die Klitisierung von Präposition und Determinierer eine Retraktion zur Präposition erzwungen. Nur in zwei Fällen, in denen bei der Reparatur eine Entklitisierung von Präposition

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und Determinierer durchgeführt wird, sodass eigentlich eine Retraktion zur Präposition erwartbar wäre, entziehen sich Sprecher diesem Zwang und retrahieren direkt zum Determinierer. In 86 Reparaturen wird eine Nominalkategorie verändert. In diesen Fällen muss die Retraktion aufgrund der Kongruenz innerhalb der Nominalphrase mindestens bis zum Determinierer gehen. Wenn man in dieser Gruppe von den 34 Beispielen absieht, bei denen die Klitisierung eine Retraktion zur Präposition erzwingt, so bleiben 52 Fälle, bei denen der Sprecher zum Determinierer retrahieren könnte. Warum geht die Retraktion dennoch in 44 von 52 Fällen (84,6 %) zur Präposition, während der Determinierer als möglicher Retraktionspunkt nahezu ignoriert wird (vgl. Uhmann 2006: 189)? Die Konstituentenabfolge ‚Präposition + Determinierer‘ tritt in der gesprochenen Sprache sehr häufig auf, was zu einer engen Verbindung der beiden Elemente führt (vgl. Bybee/Scheibman 1999), die vermutlich auch kognitiv stark repräsentiert ist. Außerdem bestimmen alle Präpositionen den Kasus der Nominalphrase, was ebenfalls auf eine enge syntaktische Verbindung zwischen Präposition und Komplement hindeutet: Präposition und Determinierer werden bei der Durchführung von Retraktionen von den Sprechern als eine Einheit markiert. Eine weitere mögliche Erklärung besteht – wie bei der Reparatur von Pronomen in der WackernagelPosition – darin, dass sich das obligatorische Retraktionsmuster für klitisierte Formen, das in der Rückkehr zur Präposition besteht, durch Analogie auch auf diejenigen Fälle übertragen hat, in denen keine Klitisierung vorliegt. Das Deutsche ist hinsichtlich der Klitisierung mit dem Hebräischen vergleichbar, wo die Präposition und ein folgender definiter Artikel ebenfalls verschmelzen können (vgl. Fox et al. 2009a: 265). Im Englischen, wo keine besonders enge morphologische oder phonologische Verbindung zwischen Präposition und Nominalphrase besteht, retrahieren die Sprecher seltener zur Präposition als im Deutschen oder Hebräischen (vgl. Fox et al. 2009a: 285). Bisher haben wir zum einen Selbstreparaturen betrachtet, in denen die Klitisierung den Sprecher zur Retraktion zur Präposition zwingt. Zum anderen wurden die Beispiele diskutiert, in denen keine Klitisierung vorliegt und der Sprecher wegen der Veränderung einer Nominalkategorie mindestens bis zum Determinierer zurückkehren muss. In diesen Fällen geht die Retraktion fast immer bis zur Präposition. Mögliche Erklärungen für dieses Retraktionsmuster liefern die Tendenz, die enge syntaktische Verbindung zwischen Präposition und Komplement zu bewahren und die Motivation, die Retraktion in Analogie zur Reparatur klitisierter Formen zu gestalten.

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Wenden wir uns nun einem dritten Typ von Reparaturen des Komplements in Präpositionalphrasen zu, nämlich Reparaturen des Nomens, in denen keine Nominalkategorie verändert wird. (241) 01 k07: un wir sin immer hInter den RUSS-'* 02 hInter den ameriKAnern her,

In diesen Fällen kann die Retraktion theoretisch direkt zum Nomen gehen, weil sich die morphosyntaktische Form des Determinierers nicht verändert, jedoch ist auch in diesen Reparaturen die Retraktion zur Präposition die klar präferierte Alternative (37 von 50 Fällen; 74,0 %). Hier stellt einerseits die ‚Bewahrung enger syntaktischer Verbindung‘ eine mögliche Erklärung dar. Es besteht eine enge syntaktische Verbindung zwischen Präposition und Nomen, weil die Präposition dem Nomen (und damit auch dem Determinierer und dem Adjektiv, die mit dem Nomen kongruieren) einen Kasus zuweist. Diese enge syntaktische Verbindung scheint dazu beizutragen, dass der Sprecher zur Präposition retrahiert. Andererseits ist es möglich, dass auch die Motivation ‚Analogie zu obligatorischem Retraktionsmuster‘ darauf hinwirkt, dass Sprecher zur Präposition retrahieren. Zwar ist die Retraktion zum Determinierer in Fällen wie (241) nicht obligatorisch, sodass keine Analogie zum obligatorischen Retraktionsmuster in Reparaturen klitisierter Formen vorliegen kann. Dennoch könnte die Motivation, diese semantischen Reparaturen strukturell wie die semantischen Reparaturen in der Präpositionalphrase mit Veränderung einer Nominalkategorie zu gestalten, zu einer analogischen Übertragung der Position des Retraktionspunkts geführt haben. Sowohl bei Reparaturen mit Veränderung einer Nominalkategorie als auch bei Reparaturen des Nomens ohne Veränderung der Nominalkategorie sind die beiden Faktoren ‚enge Verbindung‘ und ‚Analogie‘ mögliche Erklärungen für die Wahl der Präposition als Retraktionspunkt. Letztlich ist es aus der Rezipientenperspektive nicht entscheidend, welcher dieser Faktoren den größeren Einfluss ausübt. Fakt ist, dass es – in der Präpositionalphrase wie in der Nominalphrase – eine Tendenz zur identischen strukturellen Gestaltung aller semantischen Reparaturen gibt, die diese Gruppe von den phonologischen Reparaturen abgrenzt. Wie in der Nominalphrase liefert auch in der Präpositionalphrase die Motivation, für die semantische Veränderung der Phrase zusätzliche Zeit zu gewinnen, eine mögliche Erklärung für die Retraktion zur Präposition. Auch in der Präpositionalphrase darf die Annahme dieser zusätzlichen Motivation jedoch nicht zum Ausschluss syntaktischer Faktoren führen, denn nur die Bewahrung

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der engen syntaktischen Verbindung zwischen Präposition und Komplement kann erklären, warum der Sprecher nicht zum Determinierer oder zu einer Konstituente vor der Präpositionalphrase retrahiert. Die Retraktionsmuster scheinen nicht mit der syntaktischen Funktion zusammenzuhängen, die die Präpositionalphrase erfüllt. Von den 23 Gegenbeispielen erfüllen 14 Präpositionalphrasen (60,9 %) Komplementfunktion – in neun Fällen (39,1 %) handelt es sich um eine adverbiale Bestimmung. Bei den Beispielen, die das Modell bestätigen (n = 119), liegt dieselbe quantitative Verteilung vor: 71 Präpositionalphrasen (59,7 %) sind Komplemente, 48 (40,3 %) sind adverbiale Bestimmungen.

Komplement in der Adjunktorphrase Wenden wir uns nun der Reparatur von Komplementen in der Adjunktorphrase zu (n = 13). Es werden vier Pronomen und neun Elemente von Nominalphrasen repariert – vier Nomen, vier Determinierer und ein Adjektiv. Das folgende Beispiel zeigt die Substitution eines Nomens: (242) 01 P23: dass er jetz auch drüber REden kann; 02 T14: [] 03 P23: [ wenn] er mal als va'* äh als mUttermörder (.) dann die ganze zeit im dorf beSCHIMPFT wird-

In zwölf Fällen (92,3 %) retrahieren die Sprecher – wie in (242) – zum Adjunktor wie oder als. Nur in einem Fall (7,7 %) geht die Retraktion zu einem eingebetteten Nomen, das eigenständig eine Nominalphrase bildet. Diese Verteilung der Retraktionspunkte deutet darauf hin, dass die ‚Bewahrung enger syntaktischer Verbindung‘ auch in diesem syntaktischen Kontext einen starken Einfluss ausübt. Auf Adjunktoren folgen zumeist Determinierer oder Pronomen, sodass von einer engen Verbindung dieser beiden syntaktischen Konstituenten ausgegangen werden kann (vgl. Bybee/Scheibman 1999). Ein weiterer Hinweis auf die enge Verbindung zwischen Adjunktor und Komplement ist die Tendenz von Pronomen, sich mit dem vorangehenden Adjunktor enklitisch zu verbinden. In einem Beispiel wird das klitisierte Pronomen es (wie_s) durch ein anderes Pronomen ersetzt (wie der). Bei dieser Reparatur ist der Sprecher aufgrund der Klitisierung zur Verwendung des Adjunktors als syntaktischen Anker gezwungen. In den anderen drei Fällen von Reparaturen des Pronomens in der Adjunktorphrase liegt keine Klitisierung vor. Da die Retraktion dennoch ebenfalls zum Adjunktor geht, ist auch hier – wie bei der Repa-

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ratur von Pronomen in der Wackernagel-Position und bei Reparaturen des Komplements in Präpositionalphrasen mit Veränderung einer Nominalkategorie – ein Einfluss der Motivation ‚Analogie zu obligatorischem Retraktionsmuster‘ plausibel. Das Muster der obligatorischen Retraktion zum Adjunktor bei der Reparatur klitisierter Pronomen scheint sich auch auf Reparaturen von nicht klitisierten Pronomen übertragen zu haben, in denen die Retraktion zum Adjunktor fakultativ ist. Ein dritter Aspekt, der zur Erklärung der Retraktion zum Adjunktor beitragen kann, hängt mit der vorangehenden Konstituente zusammen, auf den sich Adjunktorphrasen beziehen. Adjunktoren weisen der eingebetteten Phrase zwar nicht – wie Präpositionen – eigenständig einen Kasus zu, jedoch übernimmt die Adjunktorphrase – wenn diese kasusfähig ist – den Kasus des Bezugsausdrucks (Eggs 2007: 193). Die Kasuszuweisung findet in diesen Fällen vermittelt „über den Adjunktor als operatives Anschlussmittel“ (Zifonun et al. 1997: 80) statt. Der Adjunktor sorgt also für eine „Kasusabgleichung“ (Zifonun et al. 1997: 80) – er gibt den Kasus der Präposition an sein Komplement weiter. Diese kasusvermittelnde Eigenschaft, die Adjunktoren in die Nähe von Präpositionen rücken lässt, scheint ebenfalls dazu beizutragen, dass Adjunktoren von den Sprechern hinsichtlich der Retraktion gleich behandelt werden wie Präpositionen.

Andere Konstituente Der letzte Teil des Erklärungsmodells betrifft die Reparatur der übrigen syntaktischen Konstituenten (n = 739). In diesen Fällen liegen keine besonderen Umstände vor, die den Sprecher zur Verwendung eines syntaktischen Ankers veranlassen, sodass die Sprecher der Grundmotivation ‚Schnelligkeit der Reparaturdurchführung‘ folgen und in den meisten Fällen direkt zum Reparandum retrahieren (n = 636; 86,1 %). Reparaturen mit dem Merkmal ‚andere Konstituente‘, die entgegen der Motivation ‚Schnelligkeit‘ zu einem früheren Punkt in der Äußerung retrahieren, treten nur selten auf (n = 103; 13,9 %). Die folgende Darstellung orientiert sich an der zeitlichen Emergenz der syntaktischen Struktur. Wir beginnen daher mit den reparierten Konstituenten im Vorfeld, bei denen es sich vor allem um Pronomen handelt. Eine interessante Beobachtung bei der Reparatur von Pronomen im Vorfeld besteht darin, dass die Sprecher fast immer direkt zum Reparandum und fast nie zu einer vorangehenden Konstituente im Vor-Vorfeld retrahieren (siehe auch Kap. 6.3.2.1): (243) 01 i-hh04: ja die DEUTschen; 02 die* dEnen geht_s sOundso GUT,

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In (243) ist das Vor-Vorfeld mit die DEUTschen besetzt. Der Sprecher retrahiert direkt zum Reparandum ins Vorfeld. Dieselbe Tendenz gilt für die seltener auftretenden Reparaturen von Adverbien und Nominalphrasen im Vorfeld. Dieses Ergebnis spricht für eine starke syntaktische Grenze zwischen dem Vor-Vorfeld und dem Vorfeld und ähnelt der Beobachtung von Fox und Jasperson (1995: 94) zum Englischen, dass turninitiale Diskursmarker (vgl. Schiffrin 1987) bei Reparaturen einer SubjektNominalphrase nicht wiederholt werden. In den meisten Fällen handelt es sich bei den Konstituenten im Vor-Vorfeld um Konjunktionen. Die Tatsache, dass und und aber bei Reparaturen der Vorfeldkonstituente nicht als syntaktischer Anker genutzt werden, spricht gegen Gallmanns (2006: 900) Hypothese, dass solche Konjunktionen „kein eigenes Feld“ besetzen und sich ans Vorfeld „anlehnen“, wohingegen „Parakonjunktionen“ wie weil im Vor-Vorfeld stehen. Angesichts ihrer seltenen Verwendung als Retraktionspunkt, die sie mit allen anderen dem Vorfeld vorangehenden Konstituenten teilen, sollten die Konjunktionen und und aber ebenfalls als Konstituenten des Vor-Vorfelds angesehen werden. Kommen wir nun zu den reparierten Konstituenten in der linken Satzklammer. Wenn ein Verb in Erstposition repariert wird, geht die Retraktion in den vorliegenden Daten immer zum Reparandum (siehe Kap. 6.3.2.1): (244) 01 hh04: na nimm'* (-) nehmen sie mal ESso oder SHELL.

Die Beobachtung, dass das Verb als Beginn der syntaktischen Gestalt von Sprechern nicht übersprungen wird, deutet ebenfalls darauf hin, dass Konstituenten im Vor-Vorfeld – wie der Diskursmarker na in (244) – nur schwach mit der nachfolgenden syntaktischen Struktur verbunden sind. Bei Reparaturen von Verben in Zweitposition greift ebenfalls die Motivation ‚Schnelligkeit‘. Die Retraktion geht in den meisten Fällen zum Reparandum (n = 151; 69,6 %), seltener wird eine einsilbige Vorfeldkonstituente als Retraktionspunkt genutzt (n = 66; 30,4 %) (siehe Kap. 6.3.2.1). Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass zwischen Vorfeld und linker Satzklammer keine besonders enge syntaktische Verbindung besteht. Das ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass aufgrund der recht freien Satzgliedstellung im Deutschen das Vorfeld von jedem Satzglied besetzt werden kann (vgl. Fox et al. 2009a: 275f.). Die schwache Verbindung zeigt sich auch darin, dass Pronomen und darauf folgende Hilfsund Kopulaverben nicht zur Klitisierung tendieren (vgl. Fox et al. 2009a: 276). Die Verbindung zwischen dem Verb und der vorangehenden Konstituente ist somit nicht so stark wie beispielsweise im Englischen, wo dem Verb in der ge-

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sprochenen Sprache fast immer ein Subjektpronomen vorangeht (vgl. Fox et al. 2009a: 284f.). An dieser Stelle bleibt die Frage zu klären, warum ausschließlich einsilbige Vorfeldkonstituenten wiederholt werden. Einerseits scheint die Motivation ‚Schnelligkeit‘ bei der Vermeidung mehrsilbiger Anker im Vorfeld eine wichtige Rolle zu spielen. Andererseits übt vermutlich auch die Frequenz der Kombination von Vorfeldkonstituente und darauf folgendem Verb einen Einfluss darauf aus, ob Sprecher die Vorfeldkonstituente und das folgende Verb bei der Durchführung von Retraktionen als Einheit behandeln oder nicht. Bei den wiederholten einsilbigen Konstituenten im Vorfeld handelt es sich ausschließlich um Pronomen und Adverbien, die allesamt zu den hochfrequentesten Wörtern zählen. Im Korpus liegt bei den Reparaturen des Verbs in Zweitposition nur ein niederfrequentes einsilbiges Nomen (ohne Artikel) im Vorfeld vor – es wird nicht wiederholt. Ein größeres Korpus, das mehr niederfrequente einsilbige Vorfeldkonstituenten umfasst, wird nötig sein, um bei diesen Reparaturen den Einfluss der Wortfrequenz auf die Position des Retraktionspunkts näher zu beleuchten.148 Weitere Reparaturen in der linken Satzklammer betreffen Relativpronomen und Subjunktionen, die selten auch zusammen mit anderen Konstituenten im Mittelfeld des Nebensatzes repariert werden. In allen Fällen geht die Retraktion in die linke Klammer, aber nicht darüber hinaus (siehe Bsp. (157) auf S. 220 und Bsp. (158) auf S. 221). Das spricht dafür, dass der Beginn dieser Nebensätze eine starke syntaktische Grenze darstellt. Im Mittelfeld werden vor allem Nominal- und Präpositionalphrasen repariert. Das Merkmal ‚andere Konstituente‘ trifft nur auf diejenigen Fälle zu, in denen in Nominalphrasen der Determinierer und in Präpositionalphrasen die Präposition das Reparandum bzw. Teil eines komplexen Reparandums ist. Unabhängig davon, ob diese Reparaturen von Nominal- und Präpositionalphrasen im Mittelfeld oder – seltener – im Vor-Vorfeld, Vorfeld oder Nachfeld durchgeführt werden, geht die Retraktion fast immer zum Phrasenbeginn, also zum Determinierer (n = 94; 90,4 %) bzw. zur Präposition (n = 76; 97,4 %). Nur extrem selten geht eine Retraktion in diesen Reparaturen über die Grenze einer Nominalphrase (n = 10; 9,6 %) oder Präpositionalphrase (n = 2; 2,6 %) hinaus. Dieses Ergebnis zeigt, dass auch die Beginne von Nominalphrasen und Präposition-

|| 148 Es ist möglich, dass auch prosodische Faktoren wie Rhythmus und Akzent beeinflussen, ob einsilbige Vorfeldkonstituenten bei der Reparatur von Verben in Zweitstellung wiederholt werden. Eine Untersuchung dieser Faktoren kann im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht geleistet werden.

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alphrasen den Status einer starken syntaktischen Grenze haben (siehe auch Kap. 6.3.2). Selten wird im Mittelfeld auch ein prädikatives Adjektiv repariert (n = 11). In diesen Fällen folgen die Sprecher ebenfalls zumeist der Motivation ‚Schnelligkeit‘ und retrahieren direkt zum Reparandum (n = 8; 72,7 %; siehe Kap. 6.3.2.1). Dasselbe gilt für die Reparatur von Adverbien im Mittelfeld und für Pronomen, die im Mittelfeld – aber nicht in der Wackernagel-Position – repariert werden. Diese Reparaturen liefern starke Evidenz dafür, dass der „funktionale Kopf“ (Uhmann 2001: 388) in der linken Satzklammer nicht der entscheidende Faktor für die Selektion des Retraktionspunkts ist. Bei der Reparatur von Verben in der rechten Satzklammer wird fast immer direkt zum Reparandum retrahiert, unabhängig davon, ob es sich um ein finites Verb oder ein infinites Verb handelt (siehe Kap. 6.3.2.1). Von den insgesamt 44 Reparaturen finiter und infiniter Verben in der rechten Satzklammer, auf die das Merkmal ‚andere Konstituente‘ zutrifft, folgen die Sprecher in 41 Fällen (93,2 %) der Motivation ‚Schnelligkeit‘ und retrahieren direkt zum Reparandum: (245) 01 dd01b: SCHULratsamt-= 02 =wenn_die jetzt mal WISsen will'* wOllen, 03 °h (1.3) 04 was ham die für SPORTanlagen,

(246) 01 k07: und in dIesem tunnel °hh ham wir im krIech geLEBT; 02 der war: °h rEchts und lInks waren da lÖcher in den tUnnel °h äh geBAU'* geSCHLAgen worden03 und das war ja g' n_geWÖLbe? 04 und da ham wa geLEBT im kriech;

Wie diese Beispiele zeigen, besteht die Tendenz, zum Reparandum zu retrahieren, unabhängig davon, ob ein finites oder infinites Verb repariert wird. In nur drei Fällen (6,8 %) kehren die Sprecher zu einem früheren Punkt in der syntaktischen Struktur zurück. Eines der Gegenbeispiele weist darauf hin (siehe das folgende Beispiel (247)), dass eine besonders enge Verbindung des Verbs mit einer Konstituente im Mittelfeld zur Einbeziehung dieser Konstituente als syntaktischer Anker führen kann. Dies ist beispielsweise bei Präpositionalkomplementen der Fall:

Zusammenfassung: Erklärungsmodell | 407

(247) 01 Tja: mmh: (.) ich werd svEn auch noch mal dirEkt drauf FRAgen;* (-) 02 drauf ANsprechen; (-)

Das andere Gegenbeispiel steht exemplarisch für die allgemeine Tendenz der Sprecher, zu einer akzentuierten Konstituente zu retrahieren und diese zu wiederholen, wenn sie zusätzlich hervorgehoben werden soll (siehe Bsp. (124) auf S. 192). Im Nachfeld der syntaktischen Struktur werden fast ausschließlich Nominal- und Präpositionalphrasen repariert. In diesen Fällen geht die Retraktion – wie oben bereits erwähnt – unabhängig von der topologischen Position der reparaturbedürftigen Phrase – zum Phrasenbeginn. Das Merkmal ‚andere Konstituente‘ bezieht sich auch auf diejenigen Fälle, in denen die oben erwähnten Konstituenten (Adverbien, Determinierer, Präpositionen, Nominal- und Präpositionalphrasen, Modal- und Negationspartikeln, Adjektive, Pronomen, Verben und Konjunktionen) inseriert werden (n = 106). Die Retraktion geht bei Insertionen fast immer zum Insertionsslot (n = 100; 94,3 %) und nur selten zu einer anderen syntaktischen Position (n = 6; 5,7 %) (siehe Kap. 6.3.2.2). Die einzige Ausnahme sind Pronomen, die in die Wackernagel-Position inseriert werden. In diesen Reparaturen, die auf der zweiten Ebene des Modells angesiedelt sind (siehe Kap. 8.2.2.2), geht die Retraktion regelmäßig in die linke Satzklammer (siehe Bsp. (162) auf S. 228) oder ins Vorfeld.

8.3 Zusammenfassung: Erklärungsmodell In diesem Kapitel wurde ein erstes umfassendes Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen im Deutschen präsentiert. Es umfasst zwei Teile, die sich jeweils auf einen Aspekt der Selbstreparaturstruktur beziehen: den Abbruchpunkt und den Retraktionspunkt. Im Zentrum des Modells steht das Streben der Sprecher nach einer möglichst schnellen Bearbeitung des Reparandums. Die Grundmotivation ‚Schnelligkeit‘, die eng mit der Präferenz für Progressivität (vgl. Schegloff 1979; Stivers/Robinson 2006) verbunden ist, schlägt sich in der syntaktischen Organisation von Selbstreparaturen nieder. Sie sorgt für einen möglichst frühen Abbruch der emergenten syntaktischen Struk-

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tur und für die Tendenz zur Minimierung der Retraktionsspanne.149 Das Modell erklärt die Selektion des Abbruchpunkts und des Retraktionspunkts als Ergebnis wettstreitender Motivationen. Das Modell für die Position des Abbruchpunkts sagt 85,0 % der Fälle korrekt vorher. Im Hinblick auf den Abbruchpunkt hat sich gezeigt, dass die Entscheidung des Sprechers für oder gegen einen Wortabbruch bei der Reparaturinitiierung vor allem von drei Motivationen bestimmt wird, nämlich der automatisierten Wortproduktion, der Markierung eines Problems und der Kontinuität der Rede. Je nach grammatischem Status (Funktionswort vs. Inhaltswort) und Problemstatus (fehlerhaft vs. nicht-fehlerhaft) des zum Zeitpunkt der Reparaturinitiierung produzierten Wortes wird eine der Motivationen am stärksten gewichtet, sodass der Sprecher im Wort oder nach dem Wort abbricht. Das Modell für die Position des Retraktionspunkts kann 86,1 % der Daten erklären. Bei der Selektion des Retraktionspunkts sind vor allem vier Motivationen involviert, nämlich die Schnelligkeit der Reparaturdurchführung, die Prozessierbarkeit der Reparatur, die Bewahrung enger syntaktischer Verbindung und die Analogie zu einem obligatorischen Retraktionsmuster. Je nach Reparandum bzw. Reparaturtyp, Reparaturoperation und reparierter syntaktischer Konstituente wird eine dieser Motivationen am stärksten gewichtet und führt zur Wahl eines bestimmten Retraktionspunkts. Im Normalfall folgen die Sprecher der Grundmotivation ‚Schnelligkeit‘ und retrahieren direkt zum Reparandum. Die starke Gewichtung einer der drei anderen Motivationen bewirkt jeweils die Verwendung eines syntaktischen Ankers.

|| 149 Darüber hinaus bewirkt sie die häufige Verwendung von impliziten und prosodischen Reparaturmarkern sowie von Reparaturpartikeln, mit denen nur ein geringer Produktions- und Rezeptionsaufwand verbunden ist.

9 Fazit und Ausblick Basierend auf der Analyse eines umfangreichen Reparaturkorpus wurde in der vorliegenden Arbeit ein erstes umfassendes Erklärungsmodell für die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen im Deutschen entwickelt. Dieses Modell sagt die Position des Abbruchpunkts und des Retraktionspunkts mit hoher Präzision vorher. Im Folgenden wird die Bedeutung der Ergebnisse für die Felder der Syntax der gesprochenen Sprache und der Interaktionalen Linguistik abschließend reflektiert. Zudem wird auf einige offene Fragen hingewiesen, die Perspektiven für zukünftige – vor allem sprachvergleichende – Forschung eröffnen. Das Erklärungsmodell leistet in doppelter Hinsicht einen Beitrag zur Erforschung der Syntax des gesprochenen Deutsch. Erstens lassen sich aus den Retraktionen in Selbstreparaturen – also aus dem sprachlichen Handeln der Interagierenden selbst – Erkenntnisse über die syntaktischen Verhältnisse im Deutschen ableiten (siehe Kap. 8.2.2.3). Selbstreparaturen liefern empirische Evidenz für eine enge Verbindung zwischen Präposition und Komplement, zwischen Adjunktor und Komplement, zwischen Determinierer und Nomen und zwischen der linken Satzklammer und Pronomen in der Wackernagel-Position. Außerdem sprechen die Retraktionen in Selbstreparaturen für eine starke Grenze zwischen dem Vor-Vorfeld und dem Vorfeld und zwischen dem Vorfeld und der linken Satzklammer und deuten darauf hin, dass der Beginn von Nominalphrasen, Präpositionalphrasen und Nebensätzen jeweils eine starke syntaktische Grenze darstellt. Selbstreparaturen folgen also, wie auch frühere Arbeiten belegen (vgl. Fox/Jasperson 1995; Fox et al. 2009a), den syntaktischen Regularitäten der jeweiligen Sprache und sind daher als geordnete, präzise beschreibbare Phänomene anzusehen. Selbstreparaturen erschweren nicht – wie manche generativistisch orientierte Linguisten annehmen (vgl. Grewendorf 1993) – die Untersuchung syntaktischer Strukturen oder stellen gar die syntaktische Regelhaftigkeit gesprochensprachlicher Äußerungen in Frage, sondern ermöglichen ganz im Gegenteil einen Einblick in die einzelsprachlichen Regularitäten: Das Wissen, das Sprecher bei der strukturellen Gestaltung von Selbstreparaturen anwenden, umfasst zentrale Aspekte ihres allgemeinen syntaktischen Wissens. Diese Erkenntnis liefert ein entscheidendes Argument gegen die als „poverty of the stimulus“ bezeichnete Hypothese, die von der Unzulänglichkeit gesprochensprachlichen Inputs für den Spracherwerb ausgeht (vgl. Chomsky 1965: 58). Dabei ist von besonderer Bedeutung, dass Selbstreparaturen sich von den meisten anderen Formen sprachlichen Inputs unterscheiden. Selbstreparaturen sind Verfahren, die auf der syntaktischen Struktur einer Sprache operie-

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ren. Aus diesem Grund präsentieren sie dem Kind nicht einfach nur grammatische Strukturen und überlassen ihm selbst das Herausfiltern bestimmter Merkmale für den Aufbau syntaktischen Wissens, sondern geben ihm durch die Wahl des Retraktionspunkts explizite Hinweise, welche syntaktischen Verbindungen und Grenzen zwischen den Konstituenten besonders stark sind. Gerade Selbstreparaturen, die häufig als Paradebeispiel für die Deformiertheit sprachlicher Performanz angesehen werden (vgl. Chomsky 1965: 4), scheinen also bestens geeignet, Sprachlernenden den Erwerb syntaktischen Wissens zu ermöglichen (vgl. Auer 2005b: 99; Uhmann 2006: 198). Kommen wir nun zum zweiten Beitrag zur Erforschung der Syntax des gesprochenen Deutsch. Selbstreparaturstrukturen spiegeln nicht nur die „eigentliche“ Syntax wider, sondern sind auch ein eigener Bestandteil der Syntax der gesprochenen Sprache. Mit der Entwicklung eines Erklärungsmodells für die Struktur von Selbstreparaturen beschreibt und erklärt die vorliegende Arbeit daher auch ein spezifisch gesprochensprachliches syntaktisches Phänomen. Die allgemeinen syntaktischen Verhältnisse des Deutschen beeinflussen zwar, wie eben erwähnt, die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen in entscheidender Weise; andererseits reichen syntaktische Faktoren zur Erklärung der Selbstreparaturstruktur aber nicht aus. In manchen syntaktischen Kontexten, beispielsweise bei der Reparatur von Adverbien im Mittelfeld oder von Nomen in Nominal- und Präpositionalphrasen, kann die Selektion des Retraktionspunkts nur unter zusätzlicher Einbeziehung anderer Faktoren – nämlich der Prozessierbarkeit der Reparatur und insbesondere der Schnelligkeit der Reparaturdurchführung – erklärt werden. Die spezifische Zeitlichkeit der gesprochenen Sprache, die in der Literatur wiederholt betont wird (vgl. Hausendorf 2007; Auer/Pfänder 2011; Günthner/Hopper 2011), spielt also auch bei der syntaktischen Organisation von Selbstreparaturen eine entscheidende Rolle. Die interaktionale Notwendigkeit, ein (potentielles) Problem möglichst schnell zu beseitigen, die eng mit der Präferenz für Progressivität verbunden ist (Schegloff 1979; Stivers/Robinson 2006), beeinflusst neben der Position des Retraktionspunkts auch die beiden anderen strukturellen Aspekte der Selbstreparatur: die Position des Abbruchpunkts und die Verwendung von Reparaturmarkern. Der zentrale Beitrag der vorliegenden Arbeit zur Interaktionalen Linguistik besteht in der Beschreibung und Erklärung der syntaktischen Strukturen, mit denen Sprecher die zentrale interaktionale Aufgabe umsetzen, konversationelle Probleme zu bearbeiten. Diese Strukturen wurden durch die Modellierung des Zusammenspiels verschiedener Motivationen erklärt, die ihren Ursprung in den interaktionalen und kognitiven Bedingungen des Sprachgebrauchs haben und auf den Sprachproduktionsprozess einwirken (siehe Kap. 8). Die konkurrieren-

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den Motivationen haben zur häufigen Verwendung bestimmter Selbstreparaturmuster geführt, sodass diese Muster sich als „sedimentierte Konventionen“ (Hopper 1998: 163) im Sprachgebrauch etabliert haben und Sprechern und Rezipienten bei der Durchführung und Verarbeitung von Reparaturen zur Verfügung stehen. Der regelmäßige Erfolg von Selbstreparaturen – das Aufrechterhalten gelingender Interaktion „unter hohem Zeit- und Handlungsdruck“ (Auer 2007: 96) – scheint also auch dadurch sichergestellt zu werden, dass Sprecher bei der Durchführung von Selbstreparaturen konventionalisierte Muster reproduzieren. Diese „Routinen“ (Hopper 1998: 159), die vom Erklärungsmodell abgebildet werden, sind als wichtiges Instrument zur Bewältigung der Kontingenzen sprachlicher Interaktion anzusehen und tragen somit entscheidend zur Herstellung sozialer Ordnung in Konversationen bei. Durch die strukturelle Beschreibung und Erklärung eines Teils des Reparatursystems, mit dem Interagierende den „intrinsischen Problemen“ (Schegloff et al. 1977: 381) natürlicher Sprachen begegnen, leistet das präsentierte Modell einen Beitrag zur Entwicklung einer „Interaktionalen Grammatik“ (vgl. Bergmann et al. 2012) und zum Verständnis von Selbstreparaturen aus einer interaktionslinguistischen und konversationsanalytischen Perspektive. Neben den Konsequenzen der Motivation ‚Schnelligkeit‘ für die syntaktische Organisation von Selbstreparaturen beleuchtet die vorliegende Arbeit noch einen weiteren Aspekt der Zeitlichkeit gesprochensprachlicher Äußerungen, nämlich die Rolle von Projektionen bei der Durchführung von Reparaturen. Es hat sich gezeigt, dass der Abbruchpunkt (Kap. 8.1), die Reparaturmarker (Kap. 7.3.3) und der Retraktionspunkt (Kap. 8.2.2) bestimmte strukturelle und funktionale Eigenschaften der nachfolgenden Selbstreparatur projizieren.150 Rezipienten erhalten also bereits vor der eigentlichen Reparaturdurchführung potentielle Hinweise über den zu erwartenden Selbstreparaturtyp. Diese Projektionen eröffnen ihnen die Möglichkeit, sich im Voraus auf die Prozessierung entsprechender Veränderungen der emergenten Struktur einzustellen, wodurch wiederum die Problemquelle potentiell schneller beseitigt werden kann. Die Realität grammatischer Projektionen kann jedoch beim Phänomen der Selbstreparatur – anders als beispielsweise bei syntaktischen Ko-Konstruktionen (vgl. Brenning 2013) – nicht durch eine Rezipientenreaktion auf der interaktionalen Ebene nachgewiesen werden. Aus diesem Grund sind die Ausführungen zu Projektionen in dieser Arbeit als Hypothesen zu betrachten. Eine

|| 150 Auch das Intonationsmuster, das vor der Initiierung von Selbstreparaturen in Präpositionalphrasen produziert wird, kann Eigenschaften der folgenden Reparaturdurchführung projizieren (vgl. Pfeiffer 2012).

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Möglichkeit, die Frage nach der Realität von Projektionen auch für dieses gesprochensprachliche Phänomen zu klären, besteht darin, experimentelle Studien zu Priming-Effekten verschiedener Selbstreparaturstrukturen durchzuführen. Die kognitive Realität von Projektionen könnte beispielsweise dadurch nachgewiesen werden, dass Rezipienten manche Veränderungen der Syntax oder der Semantik der Äußerung schneller verarbeiten können, wenn der jeweiligen Veränderung ein bestimmter Reparaturmarker (äh, oder, also, etc.) vorausgeht. Insgesamt kann man festhalten, dass Selbstreparaturen, die oftmals für den chaotisch anmutenden Charakter gesprochener Sprache verantwortlich gemacht werden (vgl. z. B. Grewendorf 1993; Chomsky 1965), nicht als ein Defizit oder ein Makel gesprochensprachlicher syntaktischer Strukturen angesehen werden sollten. Vielmehr stellt das Selbstreparatursystem ein Inventar an Werkzeugen bereit, das dem Sprecher die Flexibilität verschafft, während der Hervorbringung einer Äußerung in Echtzeit Veränderungen an der Sprachstruktur – und damit an der sozialen Handlung, die mit der sprachlichen Äußerung verbunden ist – vorzunehmen. Selbstreparaturen ermöglichen es Sprechern, potentielle kommunikative Probleme noch vor oder unmittelbar nach deren Entstehung zu behandeln. Auf diese Weise können sie der Dynamik von Sprache in der Interaktion gerecht werden, die eine permanente Anpassung des Redebeitrags an die Gegebenheiten der Interaktionssituation erfordert. Diese Arbeit hatte zum Ziel, in einer einzelsprachlichen Untersuchung die syntaktische Struktur von Selbstreparaturen zu beschreiben und zu erklären. Zukünftige Reparaturforschung sollte auch verstärkt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Implementierungen des Selbstreparatursystems in verschiedenen Sprachen beschreiben. Während Enfield et al. (2013) durch die Untersuchung der Ressourcen zur Fremdinitiierung huh? und what? in 21 Sprachen den Grundstein für diese Art von Forschung bereits gelegt haben, gibt es bisher keine komparative Untersuchung zu selbstinitiierten Selbstreparaturen, die eine vergleichbare Anzahl typologisch unterschiedlicher Sprachen einbezieht. Das Interesse der vorliegenden komparativen Arbeiten zur Struktur von Selbstreparaturen gilt hauptsächlich dem Retraktionspunkt (vgl. Fox et al. 1996; Rieger 2003; Auer/Pfänder 2007; Fox et al. 2009a; Birkner et al. 2012). Zudem liegt der Schwerpunkt dieser Untersuchungen vor allem auf Wiederholungen und Substitutionen, sodass eine Erweiterung des Fokus komparativer Untersuchungen des Retraktionspunkts auf inserierende und tilgende Reparaturoperationen wünschenswert ist. Ein weiteres Desiderat besteht in komparativer Forschung zur Position des Abbruchpunkts in Selbstreparaturen. Es besteht noch Unklarheit darüber,

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durch welche sprachunabhängigen und sprachspezifischen Faktoren die Position des Abbruchpunkts beeinflusst wird (vgl. jedoch Fox et al. 2009b). Auch der Einsatz von Reparaturmarkern ist bislang noch nicht detailliert für einzelne Sprachen, geschweige denn sprachvergleichend untersucht worden. In einer komparativen Studie zu Selbstreparaturmarkern könnte auch Levelts (1989: 483) Vermutung hinsichtlich des Reparaturmarkers äh (bzw. engl. er) überprüft werden: „it exists, with only minor phonetic variations, in many if not all languages“. Welches Spektrum an (Kombinationen von) Reparaturmarkern tritt in verschiedenen Sprachen auf? Welche interaktionale Funktion erfüllen Reparaturpartikeln wie äh (bzw. engl. er) oder prosodische Reparaturmarker in unterschiedlichen Sprachen? Erfüllen formal ähnliche Reparaturmarker sprachübergreifend auch ähnliche Funktionen? Zudem ist die Frage, wie Sprecher und Rezipienten bei der Durchführung von Selbstreparaturen Blick, Mimik und Gestik einsetzen, noch wenig erforscht, obwohl die Untersuchung visueller Ressourcen zunehmend in den Fokus der Interaktionalen Linguistik rückt (vgl. Stukenbrock 2015). Besteht beispielsweise die enge zeitliche Koordination von Selbstreparaturinitiierung und Abbruch einer Geste, die Seyfeddinipur und Kita (2001) beobachten, über alle Selbstreparatur- und Gestentypen hinweg? Und betrifft sie alle Sprachen gleichermaßen? Künftige Forschung, die zumindest einige Aspekte der oben skizzierten Fragen beantwortet, kann uns Hinweise darauf geben, welche Aspekte der Selbstreparaturstruktur potentiell universal sind und welche von Sprache zu Sprache variieren. Es ist anzunehmen, dass die strukturellen Merkmale, die auf den Einfluss der Motivation ‚Schnelligkeit‘ zurückzuführen sind (häufiger Abbruch direkt nach dem Reparandum oder im Reparandum, häufige Verwendung prosodischer Reparaturmarker und wenig umfangreicher Reparaturpartikeln und häufige Retraktion zum Reparandum), die Gestalt von Selbstreparaturen in vielen Sprachen prägen. Zur Plausibilität dieser Hypothese trägt die Überlegung bei, dass die Notwendigkeit, ein konversationelles Problem so schnell wie möglich zu beheben, wohl nicht von den grammatischen Eigenschaften einzelner Sprachen abhängt, sondern sich vielmehr aus den allgemeinen Bedingungen sprachlicher Interaktion ergibt. Zu diesen entscheidenden Bedingungen zählt vermutlich die Präferenz für Progressivität.

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Index Abbruchpunkt 7, 9, 12, 18, 20f., 26, 33f., 91, 128f., 131, 136ff., 167, 177, 182, 256, 274f., 280, 282, 285f., 338, 341, 343, 345, 349ff., 353f., 366, 368, 378, 381, 398, 407f., 411 Abstraktionslevel 66, 68 Action construction 17, 81 Adjazenzprojektion 84 Adjektiv 9, 39, 47, 69, 84ff., 101, 105, 137, 155f., 185, 199ff., 208, 210, 216f., 225, 232, 242f., 246, 251, 255, 275, 280, 326f., 329, 366, 391, 395f., 398f., 401f., 406 Adjunktorphrase 202, 221, 225, 234, 239, 387, 391, 402 Adverb 73, 76, 104, 106f., 124ff., 136, 152, 155f., 186, 188, 193, 201, 210, 214, 216, 223, 225f., 234, 243, 246f., 249, 255, 317, 323, 356, 371, 386, 389, 394, 398, 402, 405, 410 Agentivität 78 Aggregation 16 Akzent 5, 61, 110, 122f., 126, 192, 205, 263, 405 Akzeptabilität 57, 170, 274f. Ambiguität 53, 163, 193, 206, 215, 224, 378, 385, 387f., 393 Analogie 377, 379f., 393, 397, 400, 408 Angemessenheits-Monitoring 53 Anker – postpositioniert 104, 263, 265, 268, 271, 276, 388 – präpositioniert 263ff., 269, 276 – syntaktisch 10, 98, 103f., 109, 117, 119, 125, 189, 196, 223, 231, 264f., 270, 272, 323, 325, 385, 388, 391, 404, 406 Apokoinu 112 – Apokoinu-Konstruktion 90, 112 – Apokoinu-Reparatur 111, 113, 129 – Apokoinu-Substitution 111, 126, 344, 376 appropriateness-repair 53 artikulatorischer Verschluss 2, 33, 168 Automatisierung 22, 341, 343, 346, 352

Basisbegriff 70 Basisebene 68ff. closure cut-off siehe artikulatorischer Verschluss competing motivations siehe wettstreitende Motivationen continuity hypothesis siehe Kontinuität der Rede covert repair 40 Derivat 329f. Derivation 330 Derivationsgrenze 329f. Disambiguierung 163, 206 Distanzprojektion 84, 245, 260 Effizienz 375 Elaborierung – pragmatisch 72, 279, 311, 316, 324 – semantisch 43, 65, 72, 124, 279f., 296, 306, 311, 317f., 327, 349f. – syntaktisch 63f. Entspezifizierung siehe Spezifizierung epistemische Autorität 16, 78 epistemische Rechte 77f. epistemische Reparatur 17, 77f. Erklärungsmodell 27, 34, 138, 282, 335f., 338, 341, 352, 354, 376f., 381, 385, 390f., 399, 403, 407, 409 error repair siehe Fehlerkorrektur Extended Head Rule (EHR) siehe Kopfregel Extraktion 16, 77f. face-work 1, 82f., 303, 307, 318f., 352 Fehlerkorrektur 53, 279, 306, 349 Fehler-Reparandum 318 Fremdinitiierung 15, 412 Fremdreparatur 15, 298f. – fremdinitiiert 2, 15 – selbstinitiiert 2 funktionaler Kopf 26, 355ff., 360, 363ff., 372ff.

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Funktionswort-Reparandum 143, 145ff., 159, 345f. Generativismus 22, 335, 356, 409 Glottalverschluss 3, 7, 9f., 35, 47, 55, 87, 101, 103, 115, 149, 168, 187, 202, 266 Handlung 37, 53f., 65, 72, 81, 317, 320 Handlungsformat 81f. Indexikalitätsmarker 296f., 316 Inhaltswort-Reparandum 143, 145f., 158f., 345, 349, 351 Initiierungsphase 9f., 163 Initiierungsressource 160, 162f., 166, 168, 171, 173, 175, 177, 287f., 290, 293f., 298, 301, 310f., 316, 318ff. Insertion 12, 73, 98 – modifizierend 104, 125, 129, 132, 142, 184, 191, 239, 361, 385f. – nicht-modifizierend 105ff., 116, 125, 128, 147, 149, 158, 184, 282, 373, 376 – projektionserhaltend 104, 116, 128 – projektionsverändernd 114, 116, 126, 147, 184, 282 Insertionsslot 225, 227, 229f., 239, 386, 393 interaktionale Funktion 43, 91, 94, 262, 288, 290, 295, 298, 300, 303, 314, 350, 374, 413 Interaktionale Linguistik 8, 10f., 33, 166, 173, 305, 409, 413 Introspektion 19, 174 Intuition 356, 374 Ja-Nein-Frageformat 82 Kaskade funktionaler Köpfe 357ff., 367, 369f., 373 kategorielle Übereinstimmung 262, 264f., 272ff. Ko-Konstruktion 40, 43, 321, 411 komparativ 412 Komposition 66 Kompositionsgrenze 329f. Kompositum 67, 75, 103, 168, 202, 256, 329, 347, 353

Kongruenz 48, 113, 244f., 247, 368, 378, 395, 397, 399f. Konjunktion 19, 163, 188, 211, 219, 232ff., 239, 242, 244, 248ff., 254, 306, 371, 404 Konstruktionsabbruch 120, 122, 173 Kontinuität der Rede 21, 315, 334, 341ff., 352f., 408 Konversationsanalyse 4, 11, 14f., 22, 33, 38, 45, 81, 165, 277 Kopfregel 26, 355f., 358ff.,362, 364, 366, 369, 373f., 376, 383 Korrektur – lexikalisch 59f. – phonologisch 55f., 284, 311, 318, 322, 324, 328, 332, 380, 382ff. – pragmatisch 62, 324 – semantisch 59, 62, 83, 280, 293, 300f., 311, 318, 324, 327, 351 – syntaktisch 57ff., 279f., 311 – temporal 59f. Linke Satzklammer 190, 192, 195ff., 200, 204, 206, 209, 211, 213, 215, 217f., 223f., 226ff., 245, 255, 260, 370, 390, 392, 395, 405 Main Interruption Rule 20, 339f. Markierung eines Problems 283, 294, 341ff., 346, 349, 408 Metakommentar 293 – konzessiv 305f. – rückwärtsgerichtet 299, 304, 319 – vorwärtsgerichtet 294f., 316f. Mittelfeld 76, 107, 190ff., 195, 211f., 215ff., 223, 225ff., 231, 255, 257, 259f., 387, 390f., 405 moca (multimodal oral corpus administration) 33 Modalität 73, 247 Modalpartikel 73, 124, 218, 228f., 247, 323 Modell 52, 335, 343f., 347, 349, 376, 380, 408ff., siehe auch Erklärungsmodell Monitoring 19, 53, 351 Morphemgrenze 329f., 334, 353 – opak 330 – transparent 330f. morphologische Struktur 331, 334, 352

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morphosyntaktische Veränderung 25, 84f., 87, 98, 199, 207, 326, 395f. Motivation 335f. motivationsgewichtender Faktor 343f., 352, 380ff., 385, 387, 391 motivationsgewichtendes Merkmale 385, 391 Nachfeld 224, 254, 258ff., 407 Negationspartikel 104, 218, 229, 304 No Gap Rule 105, 268, 271 Nominalphrase 48, 186, 194f., 197, 199, 201ff., 206, 208ff., 221, 224, 230, 233, 244, 326, 356, 385f., 395ff., 404f., 409 On line-Syntax 6, 10, 44, 118, 160, 173 Opazität 330 Personenreferenz – Elaborierung der 80f. – Korrektur der 59, 61, 300 phonetische Reparatur 55 phonologische Reparatur 55, 282, 287, 310, 323, 329, 334, 382, 397 Phrasengrenze 20, 185, 199, 224, 326f., 331, 334 pivot constructions siehe Apokoinu Planung 92, 101, 118, 248f., 253ff., 261, 291, 333 Positionierung 74f., 153, 295, 339, 342, 344 Präferenz für Minimierung 80 Präferenz für Progressivität 18, 40, 72, 320, 338, 378, 407, 410, 413 Präferenz für recognitionals 80f. Präferenz für Selbstreparaturen 15, 299 pragmatic hypothesis 20, 350 pragmatische Reparatur 54, 281f., 284 Präpositionalphrase 23ff., 204, 206, 208, 210, 223, 226, 232f., 246, 326ff., 355, 367, 369f., 373, 398f., 401, 405, 407, 409 primäres Reparandum 52, 49f., 84, 86, 281 Problemquelle 2, 38, 47, 52, 267 Problemtyp 7f., 96, 278 Progressivität siehe Präferenz für Progressivität

Projektion 34f., 48, 50, 84, 95, 99, 102, 110, 113, 118, 147, 174, 176, 179, 249, 273, 293, 308, 316, 318 Projektionspotential 48, 173, 308, 321 Projektionsreparatur 16, 44, 48ff., 52, 84, 95, 280, 283, 319, 322, 333, 339, 348 projizierte Fortsetzung 9, 90, 179, 313 Pronomen 16, 24, 188, 190, 192, 196, 202, 211, 213, 221, 224, 227, 234, 243, 245, 248, 250, 252f., 258, 391ff., 403f. Prosodie 26, 388 prospektive Reparatur 12, 44f., 49, 91f., 95, 278, 309, 332 Prozessierbarkeit 326, 375, 377f., 383, 389f., 410 Prozessierung 12, 127, 144, 160, 169, 256, 259, 262f., 265f., 268, 271, 275, 321, 342, 379 Psycholinguistik 18f., 38, 53, 68 qualitative Analyse 33f. quantitative Analyse 12, 287, 307 Rechte Satzklammer 190, 193, 224, 245, 257, 259 recognitional siehe Präferenz für recognitionals Recycling 10f., 16f., 45, 93 Relativpronomen 232, 234, 243, 248, 253, 405 Relativsatz 190, 213, 220, 233f., 248 Relativum 250f., 255, 259 ff., 407 Reparandum 9 – einfach 9, 137, 159, 206 – komplex 9, 137, 159, 187, 206, 209, 220, 368 – primär 49f., 84, 281 – sekundär 49, 52, 84f., 88, 283, 348 Reparandum-Reparans-Verhältnis 108, 267, 293 Reparandumstyp 34, 37, 41, 52, 92, 94, 96, 321, 334 Reparans 10, 54, 71, 98, 125 Reparatur des projizierten Nomens 84f., 333 Reparatur des projizierten Verbs 84, 88, 91, 333

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Reparaturdurchführung 9f., 19, 50, 160, 162, 173, 262f., 273, 325, 337, 356, 358f., 377, 411 Reparaturfrequenz 32 Reparaturinitiierung 21, 24, 35, 44, 128, 160, 163, 179, 268, 283, 318, 337ff., 346, 351, 353 Reparaturmarker 160, 162f., 171f., 175f., 179, 287, 308, 312, 314, 320, 410, 412f. – explizit 161, 164, 167 – hochfrequent 307 – implizit 161, 169f., 315, 317 – niederfrequent 288 – rückwärtsgerichtet 317 – vorwärtsgerichtet 315 Reparaturoperation 17, 35, 42, 96ff., 102, 105, 107, 110, 123, 125, 159, 175, 180, 385, 387 Reparaturquotient 241, 243, 250, 256 Reparatursystem 1, 15, 24, 53, 262, 374f., 412 Reparaturtyp 3, 34, 44, 46, 48, 53f., 92, 278, 287, 307, 334, 342, 377, 381, 395 Retraktion 4, 6, 11, 20, 25, 27, 45, 51, 111, 180, 185, 193, 210, 220f., 333f., 354f., 372, 377 Retraktionspunkt 10, 128, 194, 199, 202, 204, 211, 214, 217f., 220f., 225ff., 229ff., 239, 324, 354f., 376, 380, 387, 390, 398, 408 Retraktionsspanne 10, 35, 180, 182ff., 208, 239, 321, 324, 334, 398 – minimal 10, 183, 186, 194, 200f., 207ff., 231, 239, 329, 336 – nicht-minimal 188, 348 retrospektive Reparatur 46f., 52, 278, 281, 284, 286, 323, 327f., 332 Rezipientendesign 81 Schnelligkeit 20, 337ff., 343, 374f., 377, 382, 390, 407 searching siehe Wortsuche Selbstinitiierung 15 Selbstreparatur 7 – fremdinitiiert 2f., 15 – selbstinitiiert 2ff., 8, 23, 338 Selbstreparaturmarker siehe Reparaturmarker

Selbstreparaturoperation siehe Reparaturoperation semantische Reparatur 68, 281, 284, 310, 322f., 332, 395, 397 Silbengrenze 331, 353 slip of the tongue siehe Versprecher Spezifikator 359f., 362, 368, 372 Spezifizierung 66f., 71 Spracherwerb 360, 409 Sprachproduktion 18f., 71, 118, 144, 256, 394, 410 Sprecherwechsel 3, 9, 15, 37, 92ff., 261, 268, 334, 381, 383 Subjunktion 213, 220, 232, 242, 248ff., 394, 405 Subjunktionalsatz 196, 220, 233f. Substitution 10, 12, 41f., 98 – projektionserhaltend 102, 125, 141ff., 184 – projektionsverändernd 110, 113, 126, 142f., 184 successive repairs 235 syntagmatische Kombinierbarkeit 216, 388 syntaktische Grenze 24, 189, 199, 208, 211, 220, 224, 233, 235, 278, 396 syntaktische Reparatur 73, 310, 322, 332 syntaktische Schleife 189 syntaktische Verbindung 23, 206, 210, 336, 387, 392f., 401, 404 Syntax der gesprochenen Sprache 6, 232, 391, 409f., 412 Tilgung 12, 73, 98 – projektionserhaltend 107, 125, 141, 184, 239, 387 – projektionsverändernd 117f., 126, 141, 184, 388 Transparenz siehe Morphemgrenze: transparent turn-constructional unit (TCU) 100 Turn-Taking-System siehe Sprecherwechsel Varietät 55, 75f. Verb – finit 190, 192ff., 232, 356, 365, 375, 406 – infinit 104, 190, 192ff., 232, 375, 406 Verbcluster 194, 375

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Verberststellung 121, 187, 229, 254, 365, 382, 404 Verbletztstellung 75, 165, 190f., 192f, 375, 382 Verbzweitstellung 121, 188f., 254, 324f., 382f., 404 Versprecher 18f., 55 Verzögerung der Äußerungsfortsetzung 12, 40, 164, 316 Verzögerungsfunktion 94, 238f. Verzögerungslänge 129ff., 134, 136, 141, 159, 185, 280, 287 Vollverb 91ff., 141, 159ff., 243, 250ff., 253ff., 260ff., 266ff., 269 Vorfeld 189f., 194ff., 202, 211, 215f., 218, 223, 226, 231, 257, 259, 324, 384, 390, 404, 409

Vor-Vorfeld 187, 211, 223, 249, 259, 404, 409 Wackernagel-Position 205, 212, 214, 216, 221, 228, 231, 239, 253, 392ff. Well-formedness rule 19, 25 wettstreitende Motivationen 12, 20, 335f., 338, 376, 385, 408 Wiederholung 12, 21, 39, 45, 98, 232f. – einfach 148, 151f., 231, 238, 250, 347 – komplex 150f., 231f., 234, 250 Wiederholungsquotient 250f., 254 Wissen 80, 275, 296, 299, 339 Wohlgeformtheit 19, 63, 106 Wortgrenze 20f., 26, 159, 319, 331, 342, 344, 347, 352f., 366 Wortsuche 4, 17, 292, 314

Transkriptionskonventionen Im Folgenden wird ein Überblick der wichtigsten Konventionen des Gesprächsanalytischen Transkriptionssystems 2 (GAT 2) nach Selting et al. (2009) gegeben. Die zwei in dieser Arbeit zusätzlich verwendeten Symbole (für den Abbruchpunkt und den artikulatorischen Verschluss) sind unter ‚Sonstige Konventionen‘ aufgeführt.

Sequenzielle Struktur/Verlaufsstruktur [ [ =

] Überlappungen und Simultansprechen ] schneller, unmittelbarer Anschluss neuer Sprecherbeiträge oder Segmente (latching)

Ein- und Ausatmen °h / h°

Ein- bzw. Ausatmen von ca. 0,2–0,5 Sek. Dauer

°hh / hh°

Ein- bzw. Ausatmen von ca. 0,5–0,8 Sek. Dauer

°hhh / hhh° Ein- bzw. Ausatmen von ca. 0,8–1,0 Sek. Dauer

Pausen (.)

Mikropause, geschätzt, bis ca. 0,2 Sek. Dauer

(-), (--), (---)

kurze, mittlere und längere geschätzte Pause

(0.5)

gemessene Pausen

Dehnung :, ::, :::

Dehnung je nach Länge

Tonhöhenbewegung am Ende von Intonationsphrasen ?

hoch steigend

,

mittel steigend



gleichbleibend

;

mittel fallend

.

tief fallend

432 | Transkriptionskonventionen

Akzentuierung akZENT

Fokusakzent

ak!ZENT! extra starker Akzent akzEnt

Nebenakzent

Auffällige Tonhöhensprünge 

kleiner Tonhöhensprung nach oben



kleiner Tonhöhensprung nach unten

 großer Tonhöhensprung nach oben  großer Tonhöhensprung nach unten

Intralineare Notation von Akzenttonhöhenbewegungen `SO

fallend

´SO

steigend

SO

gleichbleibend

ˆSO

steigend-fallend

ˇSO

fallend-steigend

Lautstärke- und Sprechgeschwindigkeitsveränderungen mit Angabe der Reichweite

forte, laut



piano, leise

allegro, schnell

diminuendo, leiser werdend

accelerando, schneller werdend

Veränderung der Stimmqualität und Artikulationsweise