Schwärmergeist und Freiheitsdenken: Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit 9783412213602, 9783412206161

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Schwärmergeist und Freiheitsdenken: Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit
 9783412213602, 9783412206161

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Schwärmergeist und Freiheitsdenken

Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte herausgegeben von joachim bahlcke Band 21

Jan Harasimowicz

Schwärmergeist und Freiheitsdenken Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit herausgegeben von Matthias Noller und Magdalena Poradzisz-Cincio

2010 Böhlau Verlag Köln Weimar Wien

Gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: „Gastmahl bei Herodes und die Enthauptung Johannes des Täufers“. Mittlerer Teil des Ölbildes von Bartholomäus Strobel dem Jüngeren, 1640–1642. Madrid, Museo del Prado. Foto: Museo del Prado, Madrid.

© 2010 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-20616-1

Inhalt Vorwort des Reihenherausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begleitwort des Verfassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Katholisch – evangelisch – schlesisch. Zur ,schlesischen Einmaligkeit‘ 1. Die Glaubenskonflikte und die kirchliche Kunst der Konfessionalisierungszeit in Schlesien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Altranstädter Konvention und die Kunstlandschaft Schlesiens um 1700 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Rolle der Zisterzienserklöster in der Bildung der Kulturidentität Schlesiens in der Frühen Neuzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die evangelische Schloßkirche St. Hedwig in Brieg als Zeugnis ständischer Repräsentation der Reformationszeit in Schlesien . . . . . . . 5. Die Haupt- und Pfarrkirche zu St. Elisabeth in Breslau, ,evangelischer Zion‘ einer multinationalen Metropole . . . . . . . . . . . . .

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,Blutige‘ und ,unblutige‘ Märtyrer. Zur Heiligen- und Heldenverehrung 6. Evangelische Heilige? Die Heiligen in Lehre, Frömmigkeit und Kunst in der evangelischen Kirche Schlesiens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Hl. Hedwig von Schlesien aus evangelischer Sicht . . . . . . . . . . . . 8. Johann Christian – ein unbeugsamer Fürst. Die „Europäische Allegorie“ von Bartholomäus Strobel dem Jüngeren im Museo del Prado in Madrid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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„Der sanfte Tod“. Zur ars moriendi und pompa funebris 9. Tod, Begräbnis und Grabmal im Schlesien des 16. und 17. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Der evangelische Begräbnisritus der Frühen Neuzeit in Schlesien . . . . 11. Schlesische Epitaphien und Grabmäler der Reformationszeit als ,Texte der Kultur‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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„Gott zu Ehren, uns allen zum ewigen Gedächtnis“. Zur Architektur und Kunst 12. „Paläste der Heiligen Dreifaltigkeit, Werkstätten des Heiligen Geistes“. Die Kirchen der evangelischen Schlesier in der habsburgischen Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Bernhard Niuron – ein Brieger Baumeister der Renaissance . . . . . . . .

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Inhalt

14. Caspar Berger – ein Liegnitzer Bildhauer des Manierismus . . . . . . . . . 15. Nicolaus Goldmann Vratislaviensis Silesius – ein Leidener Mathematiker und Architekturtheoretiker des 17. Jahrhunderts . . . . .

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Zusammenarbeit und Rivalität. Zur schlesisch-polnischen Nachbarschaft 16. Die schlesisch-polnischen Beziehungen im 16. und 17. Jahrhundert. Stand und Perspektiven der Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Valentinus Orpiszewski von Koschmin – ein schlesischer Priester aus der Zeit der tridentinischen Erneuerung der Kirche . . . . . . . . . . . . . . 18. „Etsi daremus non esse Deum“. Irenische und pazifistische Ideen unter den Exil-Schlesiern in Danzig während des Dreißigjährigen Kriegs . . . 19. Die ,nahe‘ und ,ferne‘ Vergangenheit in den ständischen Bildprogrammen der Frühen Neuzeit. Schlesien und Großpolen im historischen Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anhang Verzeichnis ausgewählter Schriften von Jan Harasimowicz (1979–2010) . . Verzeichnis und Nachweis der Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verzeichnis der Erstdrucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort des Reihenherausgebers Die von polnischen, tschechischen und deutschen Wissenschaftlern gemeinsam gestaltete Sektion auf dem Breslauer Historikertag 1999 über „Przełomy w dziejach Śląska“, Umbrüche in der Geschichte Schlesiens, zeigte auch einer breiteren Öffentlichkeit, daß Historiker heute diesseits wie jenseits von Oder und Neiße neue, gemeinsame Fragen an die schlesische Vergangenheit stellen, die nicht länger das Trennende betonen, sondern das Verbindende suchen.1 Weitere Beispiele einer solchen mittlerweile fast zur Selbstverständlichkeit gewordenen Zusammenarbeit in der Schlesienforschung ließen sich in beachtlicher Zahl auflisten. Neben Einzelinitiativen wären hier vor allem das von Breslauer Germanisten im Zusammenhang mit der 300-Jahr-Feier der Universität Breslau im Jahr 2002 initiierte, auf Fortsetzung hin angelegte Projekt „Śląska Republika Uczonych – Schlesische Gelehrtenrepublik – Slezská vědecká obec“2 sowie das interdisziplinäre Kooperationsvorhaben „Adel in Schlesien/Szlachta na Śląsku“ zu nennen, bei dem sich Historiker, Kunsthistoriker, Literatur- und Kulturwissenschaftler aus Deutschland, Polen und Tschechien mehrere Jahre lang über Formen adeliger Repräsentation und Lebensführung im Mittelalter, Aspekte der frühneuzeitlichen Wirtschafts- und Bildungsgeschichte sowie Fragen von Krisenerfahrung und Elitentransformation im 20. Jahrhundert austauschten.3 Diese von Spezialisten für Spezialisten veranstalteten Forschungsprojekte und Tagungen können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Ergebnisse von Wissenschaftlern aus Ostmitteleuropa, die in der Regel in ihrer jeweiligen Muttersprache publizieren, im deutschsprachigen Raum unverändert selten wahrgenommen werden. Besonders deutlich läßt sich diese Entwicklung an der Anschaffungspolitik von Universitätsbibliotheken ablesen, wo häufig selbst grundlegende Quellensammlungen und Standardwerke in slawischen Sprachen fehlen, aber auch an der Auswahl von Buchbesprechungen, die in Fachzeitschriften und überregionalen Zeitungen Deutschlands erscheinen. Aus diesem Grund sollen in die seit 1985 existierende Schriftenreihe „Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte“, in der bisher schon vereinzelt Wissenschaftler aus Polen und Tschechien 1 2 3

Kawalec, Krzysztof u. a. (Hg.): Przełomy w historii. XVI Powszechny Zjazd Historyków Polskich we Wrocławiu 15–18 września 1999, Wrocław 1999, 68–70. Hałub, Marek/Mańko-Matysiak, Anna (Hg.): Śląska Republika Uczonych – Schlesische Gelehrtenrepublik – Slezská vědecká obec, bisher Bd. 1–4, Wrocław 2004–2010. Vgl. bisher Harasimowicz, Jan/Weber, Matthias (Hg.): Adel in Schlesien, Bd. 1: Herrschaft – Kultur – Selbstdarstellung, München 2010 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 36); Bahlcke, Joachim/Mrozowicz, Wojciech (Hg.): Adel in Schlesien, Bd. 2: Repertorium. Forschungsperspektiven – Quellenkunde – Bibliographie, München 2010 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 37).

VIII

Vorwort des Reihenherausgebers

publiziert haben,4 in Zukunft verstärkt Editionen, Monographien und Sammelbände aufgenommen werden, die in diesen Staaten erarbeitet wurden oder dort in einer ersten Fassung erschienen. Dem vorliegenden Band, der sich dieser Zielsetzung verdankt, sollen in absehbarer Zeit weitere folgen. Daß einer der führenden polnischen Kunsthistoriker eine Aufsatzsammlung in der Stuttgarter Schriftenreihe veröffentlicht, die bisher hauptsächlich auf politik-, religions- und gesellschaftsgeschichtliche Themen und Fragestellungen ausgerichtet war, hat sachliche wie persönliche Gründe. Professor Dr. Jan Harasimowicz, Inhaber des Lehrstuhls für Kunstgeschichte der Renaissance und Reformation an der Universität Breslau, gilt zu Recht als einer der besten Kenner der gesamten Kultur- und Kunstgeschichte der schlesischen Frühen Neuzeit. Auch von Historikern, die sich mit dem Zeitalter der Konfessionalisierung in Mitteleuropa beschäftigen, werden seine inspirierenden, quellennahen Studien seit langem hoch geschätzt. „Die moderne kunsthistorische Forschung lehnt die traditionellen Bindungen an andere geisteswissenschaftliche Fächer selbstverständlich nicht ab, im Gegenteil: Immer stärker tendiert sie zur Interdisziplinarität, zum intensiven Gedankenaustausch über die engeren Fachgrenzen hinaus“, so der Autor in einem Beitrag über den Stand der kunsthistorischen Forschung in Schlesien, der 2005 in einem der früheren Bände dieser Schriftenreihe erschien. Gleichzeitig gab er zu bedenken, daß die Ansätze der älteren Forschung dringend modernerer Fragestellungen und Methoden bedürften. Notwendig sei „eine moderne, interdisziplinäre Vorgehensweise“; alle Bemühungen der Kunsthistoriker müßten sich auch „den Feldern der politischen, der Wirtschafts-, Rechts-, Kirchen- und Kulturgeschichte, des Bibliothekswesens sowie der Literatur- und Musikwissenschaft“ öffnen.5 Diese Überlegungen sind auch für den hier vorgelegten Band programmatisch. Zu den sachlichen Gründen, eine Auswahl der kunst- und kulturgeschichtlichen Aufsätze des Breslauer Ordinarius zur Geschichte Schlesiens in der Stuttgarter Schriftenreihe zu veröffentlichen, kommen persönliche. Ich kenne Jan Harasimowicz seit den Jahren in Berlin und Leipzig, wo wir seit den 1990er Jahren im Umfeld des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleu4

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Cerman, Ivo: Aufgeklärtes Ständetum? Die Verfassungsdiskussion in Böhmen 1790/91. In: Gehrke, Roland (Hg.): Aufbrüche in die Moderne. Frühparlamentarismus zwischen altständischer Ordnung und monarchischem Konstitutionalismus 1750–1850: Schlesien – Deutschland – Mitteleuropa, Köln/Weimar/Wien 2005 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte 12), 179–204; Makiłła, Dariusz: Erstes modernes Parlament oder letzte ständische Repräsentation? Der Sejm der polnischen Adelsrepublik auf dem Weg in die Moderne (1768– 1793). Ebd., 297–315; Mrozowicz, Wojciech: Handschriftenkunde. In: Bahlcke, Joachim (Hg.): Historische Schlesienforschung. Methoden, Themen und Perspektiven zwischen traditioneller Landesgeschichtsschreibung und moderner Kulturwissenschaft, Köln/Weimar/Wien 2005 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte 11), 29–52; Czarnecka, Mirosława: Frauen- und Geschlechterforschung. Ebd., 527–541; Harasimowicz, Jan: Kunstgeschichte. Ebd., 649–679. Harasimowicz: Kunstgeschichte, 675f.

Vorwort des Reihenherausgebers

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ropas, aber auch an Projekten wie der Ausstellung „Welt – Macht – Geist. Das Haus Habsburg und die Oberlausitz 1526–1635“ in Zittau 2002 oder zuletzt bei der internationalen Tagung „Das Haus Schaffgotsch. Konfession, Politik und Gedächtnis eines schlesischen Adelsgeschlechts vom Mittelalter bis zur Moderne“ 2007 im schlesischen Warmbrunn bei Hirschberg zusammenarbeiteten. Darüber hinaus ist Jan Harasimowicz dem Projektbereich Schlesische Geschichte an der Universität Stuttgart seit langem verbunden; mit Unterstützung der VolkswagenStiftung konnte er hier bereits im Wintersemester 1991/92, kurz nach der mit dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems in Ostmittel- und Osteuropa eingeleiteten Epochenwende, mehrere Monate in Ruhe forschen und die Bestände dieser in Deutschland einmaligen Fachbibliothek nutzen.6 Zur Auswahl der hier versammelten Aufsätze wird sich Jan Harasimowicz in seinem Vorwort selbst zu Wort melden. An dieser Stelle sollen lediglich die wichtigsten Stationen seines beruflichen Werdegangs und Schwerpunkte seines wissenschaftlichen Werkes in aller Kürze vorgestellt werden. Geboren 1950 in Breslau als Sproß einer Lehrerfamilie, wurde Jan Harasimowicz nach einem Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und evangelischen Theologie in Breslau und Zürich 1984 mit einer Studie zur protestantischen Kunst in Schlesien während des 16. und 17. Jahrhunderts promoviert.7 1991 folgte – im Fach Geschichtswissenschaft – die Habilitation, die den schlesischen Epitaphien und Grabmälern der Reformationszeit galt.8 Nach verschiedenen beruflichen Stationen, unter anderem an der Nikolaus-Kopernikus-Universität in Thorn, ist Jan Harasimowicz seit 2004 Inhaber des renommierten Lehrstuhls für Kunstgeschichte der Renaissance und Reformation an der Universität Breslau. In dieser Funktion betreute er bisher rund hundert Magisterarbeiten und dreißig Dissertationen, die, versehen mit deutschen und englischen Zusammenfassungen, zum Teil in der von ihm herausgegebenen Schriftenreihe „Bibliothek des alten Breslau“ im Druck erscheinen.9 Mit dem Titel dieses Reihenwerkes ist bereits ein Schwerpunkt der Forschungstätigkeit von Jan Harasimowicz angedeutet: die Kunst- und Kulturgeschichte Breslaus vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert. Zwei monumentale Nachschlagewerke, die sich diesem Interesse verdanken – ein zweibändiges Handbuch über die Architekturdenkmäler und eine mittlerweile bereits in dritter Auflage vorliegende 6

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Conrads, Norbert: Zehn Jahre Projektbereich Schlesische Geschichte. In: ders. (Hg.): Zehn Jahre Forschungen zur schlesischen Geschichte am Historischen Institut der Universität Stuttgart, Stuttgart 1995, 5–21, hier 13. Harasimowicz, Jan: Treści i funkcje ideowe sztuki śląskiej reformacji 1520–1650, Wrocław 1986 (Acta Universitatis Wratislaviensis 819, Historia Sztuki 2). Zu den Forschungsschwerpunkten des Autors vgl. allgemein die im Anhang veröffentlichte Auswahl der Publikationen der Jahre 1979 bis 2010. Ders.: Mors janua vitae. Śląskie epitafia i nagrobki wieku reformacji, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1098, Historia Sztuki 3). Ders. (Hg.): Biblioteka Dawnego Wrocławia, bisher Bd. 1–5, Wrocław 2007–2009.

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Vorwort des Reihenherausgebers

Enzyklopädie der Stadt Breslau10 – zeugen zugleich von den wissenschaftsorganisatorischen Fähigkeiten des Autors, der nicht zuletzt aus diesem Grund ein gefragter Kooperationspartner bei internationalen Forschungs- und Ausstellungsprojekten ist. Im Zentrum des eigenen Schaffens aber, für das die enge Verbindung verschiedener Disziplinen charakteristisch ist, steht der Beitrag des frühneuzeitlichen Schlesien zur europäischen Kunst und Kultur. In mehr als hundert Aufsatzstudien ist der 2002 zum Präsidenten des Polnischen Vereins für Reformationsforschung gewählte Breslauer Ordinarius dieser Frage nach dem Verhältnis von (kirchlicher) Kunst, Religion und Politik in einem Raum nachgegangen, dessen territoriale Vielgestaltigkeit Freiräume bot, die andernorts nicht oder nicht mehr bestanden. Denn die Bevölkerung, die sich in ihrer großen Mehrheit frühzeitig der Reformation zugewandt hatte, wurde zwar im 16. und 17. Jahrhundert von einem katholischen Herrscherhaus regiert, konnte ihren Glauben jedoch in der Zeit der Gegenreformation an vielen Orten bewahren. Jenseits protestantischer und katholischer Konfessionskulturen bildete sich, wie es Jan Harasimowicz auch in dieser Aufsatzsammlung mehrfach unterstreicht, eine ,schlesische Einmaligkeit‘ aus, die auch auf Politik und Geistesleben ausstrahlte. Der Autor ist insofern nicht nur ein Fachmann für künstlerische Traditionen, Architektur, Bildprogramme sowie Sepulkral- und Epitaphienkunst – er ist auch ein profunder Kenner der Politik- und Sozialgeschichte des konfessionellen Zeitalters. Für die wissenschaftliche Reputation von Jan Harasimowicz sprechen nicht nur die in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA erhaltenen Stipendien, Mitgliedschaften in bedeutenden Akademien, Gesellschaften und Kommissionen sowie die große Zahl von Gastvorträgen an auswärtigen Universitäten – sein Ruf als Gelehrter von internationalem Rang läßt sich auch an den Auszeichnungen und Ehrungen innerhalb wie außerhalb Polens ablesen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang vor allem der Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen (2004),11 das Goldene Verdienstkreuz der Republik Polen (2005) und der Ökumenische Preis der Evangelisch-Augsburgischen Diözese Kattowitz (2007). Im Herbst 2010 wurde Jan Harasimowicz die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg verliehen, mit der er – ebenso wie mit dem Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung – seit mehr als fünfzehn Jahren in engem und fruchtbarem Austausch steht.12 10 Ders. (Hg.): Atlas architektury Wrocławia, Bd. 1–2, Wrocław 1997–1998; ders. (Hg.): Encyklopedia Wrocławia, Wrocław 32006 [12000]. 11 Conrads, Norbert: Laudatio auf Prof. Dr. Jan Harasimowicz [am 19. Juni 2004 in der Aula Leopoldina der Universität Breslau] zum Kulturpreis Schlesien 2004. In: Schlesischer Kulturspiegel 34/3 (2004) 35–38. Der Beitrag auf Polnisch unter dem Titel: Laudacja dla laureata Nagrody prof. Jana Harasimowicza od prof. Norberta Conradsa. In: Zbliżenia Polska – Niemcy. Annäherungen Polen – Deutschland 2–3/38–39 (2004) 25–30. 12 Ich danke meinem Kollegen Professor Dr. Udo Sträter, Martin-Luther-Universität Halle/ Wittenberg, für alle Auskünfte zur Verleihung der Ehrendoktorwürde an Jan Harasimowicz.

Vorwort des Reihenherausgebers

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Eine der jüngsten Entdeckungen des Autors wird dem Leser dieses Buches bereits durch die Auswahl des Umschlagbildes vor Augen geführt. Denn erst Jan Harasimowicz vermochte nachzuweisen, daß das im Museo del Prado in Madrid befindliche Gemälde „Das Festmahl des Herodes und die Enthauptung Johannes des Täufers“, ein gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges vom Breslauer Maler Bartholomäus Strobel d. J. gefertigtes Meisterwerk des Manierismus, eine allegorisch getarnte Anklage gegen die habsburgische Rekatholisierungspolitik in Schlesien darstellt und sich damit geradezu als Schlüsselgemälde zur politischen Lage des Landes nach 1635 erweist.13 Die mit zahlreichen Figuren inszenierte Handlung des großformatigen Gemäldes, von dem hier nur ein Ausschnitt gezeigt werden kann, versteht der Breslauer Kunsthistoriker als Appell an die christliche Welt, die zum Untergang verurteilte Heimat zu retten: Im Despoten Herodes, hier in das Gewand des türkischen Sultans gekleidet, sieht er den katholischen Kaiser, den Fürsten, Feldherren und prominente Adlige umgeben, vor allem solche, die für ständische Libertät und evangelischen Glauben gegen das Haus Habsburg kämpften. Die Kernbotschaft des Bildes aber erkennt er im abgeschlagenen Haupt Johannes des Täufers, das auf einer Silberplatte hereingetragen wird. In ihm sieht er ein Sinnbild von Schlesien, ist doch Johannes seit alters her Schutzherr Schlesiens und sein Haupt Bestandteil des Breslauer Stadtwappens. Vielleicht symbolisiert es überdies das Haupt Herzog Johann Christians von Brieg, des Anführers des letzten antihabsburgischen Aufstandes in Schlesien, der 1639 als Verfemter im Exil gestorben war und in seiner Heimat als Märtyrer des Glaubens verehrt wurde. „Wann die Religion wird feindlich angetastet/ Da ist es nicht mehr Zeit daß jemand ruht und rastet“, heißt es in den „Trostgedichten in Widerwertigkeit deß Krieges“ von Martin Opitz, der seinem Freund Bartholomäus Strobel d. J. ins Exil nach Polen gefolgt war, „Viel lieber mit der Faust wie Christen sich gewehrt/ Als daß sie selbst durch List und Zwang wird umbgekehrt“.14 Auch an dieser Deutung des berühmten Gemäldes von Bartholomäus Strobel d. J. wird deutlich, warum Jan Harasimowicz die Begriffe Schwärmergeist und Freiheitsdenken für den Obertitel seiner Aufsatzsammlung gewählt hat. Dieses Buch, das den Austausch mit dem Autor während der vergangenen zwei Jahre nochmals intensiviert hat, versteht sich als Ausdruck des Respekts vor der bisherigen Forschungsleistung meines polnischen Kollegen und als Zeichen der Freude über die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Martin-LutherUniversität Halle/Wittenberg. Joachim Bahlcke 13 Harasimowicz, Jan: „Was kann nun besser seyn, dann fuer die Freyheit streiten und die Religion.“ Konfessionalisierung und ständische Freiheitsbestrebungen im Spiegel der schlesischen Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Bußmann, Klaus/Schilling, Heinz (Hg.): 1648. Krieg und Frieden in Europa. Textband 2: Kunst und Kultur, Münster 1998, 297–306. 14 [Opitz, Martin]: Trost Gedichte In Widerwertigkeit Deß Krieges, Leipzig 1633, 68.

Begleitwort des Verfassers Der Titel der vorliegenden Sammlung von Aufsätzen, die in den Jahren 1979 bis 2009 verfaßt und veröffentlicht wurden, knüpft an zwei fundamentale Elemente der kulturellen Identität Schlesiens in der Frühen Neuzeit an: an den Schwärmergeist, der seinen Ausdruck – unabhängig von der konfessionellen Zugehörigkeit – in der Neigung zu Spiritualismus und Mystizismus fand, und an das Freiheitsdenken, das Menschen zum Widerstand gegen alle Versuche der Obrigkeit, Rechte und Privilegien des Landes und seiner politischen Eliten einzuschränken, mobilisierte. Beide Elemente werden in der einen oder anderen Weise in der Mehrzahl der hier abgedruckten Texte thematisiert. Am deutlichsten kommen sie im ersten Themenblock unter dem Titel Katholisch – evangelisch – schlesisch. Zur ,schlesischen Einmaligkeit‘ zum Ausdruck. Hier finden sich Beiträge, die Aspekte der schlesischen Kultur und Kunst der Frühen Neuzeit aus der Perspektive der einzelnen Konfessionsgruppen beleuchten. Weder der zeitlich am frühesten verfaßte noch der letzte Beitrag knüpfen explizit an die Erkenntnisse Wolfgang Reinhards und Heinz Schillings an, die mit dem Paradigma der Konfessionalisierung eine wirkungsmächtige Theorie in die Frühneuzeitforschung eingeführt haben,1 argumentieren jedoch in einer ganz ähnlichen Form, auch wenn die benutzte Begrifflichkeit noch nicht über den Rahmen der in der polnischen Kunstgeschichte stark verwurzelten ikonologischen Methode hinausging.2 Der Dialog der Konfessionen in der Kunst – zunächst in Schlesien und anschließend auch in anderen Ländern Mittel- und Ostmitteleuropas – war von Anfang an, seit der in den Jahren 1972 bis 1974 an der Universität Breslau verfaßten Magisterarbeit im Fach Kunstgeschichte, Gegenstand meines besonderen For-

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Schilling, Heinz (Hg.): Die reformierte Konfessionalisierung in Deutschland. Das Problem der „Zweiten Reformation“, Gütersloh 1986 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 195); Rublack, Hans-Christoph (Hg.): Die lutherische Konfessionalisierung in Deutschland, Gütersloh 1992 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 197); Reinhard, Wolfgang/Schilling, Heinz (Hg.): Die katholische Konfessionalisierung, Münster 1995 (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 135); Bahlcke, Joachim/Strohmeyer, Arno (Hg.): Konfessionalisierung in Ostmitteleuropa. Wirkungen des religiösen Wandels im 16. und 17. Jahrhundert in Staat, Gesellschaft und Kultur, Stuttgart 1999 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 7); Harasimowicz, Jan (Hg.): Sztuka i dialog wyznań w XVI i XVII wieku, Warszawa 2000; ders.: Art. Konfesjonalizacja nowożytna. In: Gadacz, Tadeusz/Milerski, Bogusław (Hg.): Religia. Encyklopedia PWN, Bd. 6: Koncyliaryzm – Mędrcy ze Wschodu, Warszawa 2002, 11. Panofsky, Erwin: Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft, Berlin 1992; ders.: Studien zur Ikonologie der Renaissance, Köln 1997; ders.: Sinn und Deutung in der bildenden Kunst, Köln 2002; ders.: Ikonographie und Ikonologie. Bildinterpretation nach dem Dreistufenmodell, Köln 2006.

Begleitwort des Verfassers

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schungsinteresses.3 Um die hierbei zentralen Phänomene richtig verstehen und sachkundig auslegen zu können, mußte ich jedoch die im engeren Sinn kunsthistorischen Fragestellungen um allgemeinhistorische Überlegungen ergänzen, zunächst im Bereich der Politik- und Gesellschaftsgeschichte, später auch im Umfeld der Bildungs-, Kirchen-, Rechts- und Wirtschaftsgeschichte. Bei dem Entschlüsseln des versteckten Sinns zahlreicher Kunstwerke waren mir Kenntnisse, die ich während des Studiums der Philosophie im Nebenfach erlangte, hilfreich, insbesondere die Grundsätze der Naturphilosophie des Mittelalters und der Renaissance, die zum Verständnis der theologischen und philosophischen Ansätze Martin Mollers, Johann Arndts und Jakob Böhmes unverzichtbar sind.4 Auch die Anregungen, die ich 1978 an der Theologischen Fakultät der Universität Zürich bekam, erwiesen sich als wichtige Impulse für die spätere Arbeit. Die Quellentexte, die ich damals gelesen habe, und die Notizen jener Zeit waren mir noch jahrelang eine große Hilfe. Während der Arbeit an meiner Dissertation zur protestantischen Kirchenkunst in Schlesien in den Jahren 1520 bis 16505 erkannte ich von Jahr zu Jahr besser, welche Bedeutung das mittelalterliche Erbe für die schlesische Kultur des 16. und 17. Jahrhunderts besaß, und zwar sowohl das materielle – Altäre, Taufsteine, Abendmahlsgerät – als auch das geistige Erbe. Die zwei wichtigsten Beiträge, die ich zu diesem Thema gleich nach der Promotion verfaßte, bilden den Kern des zweiten Themenblocks des vorliegenden Bandes, der den Titel ‚Blutige‘ und ‚unblutige‘ Märtyrer. Zur Heiligen- und Heldenverehrung trägt. Der Titel knüpft weniger an die traditionelle Verehrung der Heiligen an (die sich generell in biblische, also jene, die in den Evangelien und in der Apostelgeschichte auftreten, und nichtbibli-

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Harasimowicz, Jan: Sztuka śląska lat 1520–1650 wobec konfliktu katolicko-protestanckiego, Magisterarbeit (masch.) Wrocław 1974. Koepp, Wilhelm: Johann Arndt. Eine Untersuchung über die Mystik im Luthertum, Berlin 1912; Wallmann, Johannes: Johann Arndt und die protestantische Frömmigkeit. Zur Rezeption der mittelalterlichen Mystik im Luthertum. In: Chloe 2 (1984) 62–70; Braw, Christian: Bücher im Staube. Die Theologie Johann Arndts in ihrem Verhältnis zur Mystik, Leiden 1986 (Studies in Medieval and Reformation Thought 39); Wollgast, Siegfried: Philosophie in Deutschland zwischen Reformation und Aufklärung 1550–1650, Berlin 1988, 65–127, 221–262, 601–806; Axmacher, Elke: Praxis Evangeliorum. Theologie und Frömmigkeit bei Martin Moller (1547–1606), Göttingen 1989 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 43); Gilly, Carlos/Heertum, Cis van (Hg.): Magia, alchimia, scienza dal ’400 al ’700. L’influsso di Ermete Trismegisto. Magic, Alchemy and Science 15th-18th Centuries. The Influence of Hermes Trismegistus, Florence 2002; Schneider, Hans: Der fremde Arndt. Studien zu Leben, Werk und Wirkung Johann Arndts (1555–1621), Göttingen 2005 (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus 48). Harasimowicz, Jan: Protestancka sztuka kościelna na Śląsku w latach 1520–1650, phil. Diss. (masch.) Wrocław 1984. Eine gekürzte Fassung der Dissertation wurde unter dem Titel Treści i funkcje ideowe sztuki śląskiej reformacji 1520–1650, Wrocław 1986 (Acta Universitatis Wratislaviensis 819, Historia Sztuki 2) in Buchform publiziert.

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Begleitwort des Verfassers

sche Heilige teilen, diejenigen, die keine unmittelbaren ‚Zeugen Christi‘ waren) als vielmehr an den neuzeitlichen Kult historischer Helden, die großer Taten wegen bzw. aufgrund herausragender Charaktereigenschaften berühmt wurden. Beide Kulte konnten einander durchdringen, wie das Beispiel der Schutzpatronin Schlesiens, der hl. Hedwig belegt. Denn deren mittelalterliche, nach dem traditionellen hagiographischen Schema konzipierte Legende wurde im 16. Jahrhundert neu interpretiert, indem die Werte, die den Anhängern der Reformation besonders entgegenkamen, und gleichzeitig die Beziehungen der Landesmutter zu ihren Nachfolgern aus der Piastenfamilie – den Herzögen von Liegnitz und Brieg – hervorgehoben wurden. Einer jener späten Enkel der hl. Hedwig, Herzog Johann Christian von Brieg, der infolge seiner aktiven Beteiligung am Ständeaufstand in Böhmen gezwungen war, seine Heimat zu verlassen und sich zunächst nach Polen und anschließend nach Preußen ins Exil zu begeben, wurde in den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts zum Märtyrer der schlesischen Sache erhoben. Seine unerschütterliche Ablehnung der ‚Tyrannei‘ machte ihn zu einem geistigen Patron zahlreicher junger Schlesier evangelischen Bekenntnisses, die zunächst an den berühmten Gymnasien in Thorn und Danzig und anschließend an den niederländischen Universitäten ausgebildet wurden. Der dritte Themenblock, der den Titel „Der sanfte Tod“. Zur ars moriendi und pompa funebris trägt, steht mit der Fragestellung meiner Habilitationsschrift in Verbindung.6 Die hier versammelten Beiträge gelten der evangelischen Grabkultur und dem Umgang mit dem Tod während der schlesischen Frühneuzeit. Sie behandeln sowohl die entsprechenden Vorbereitungen auf den Tod als auch Formen der Bestattungsriten, die, wie die gesamte Kultur der Epoche, von der Standeszugehörigkeit und vom materiellen Status des Verstorbenen abhängig waren. Betrachtet werden ferner der Schlußakt des Bestattungszeremoniells, die Leichenpredigt, sowie die unterschiedlichen Formen der Sepulkralkunst: Prunksärge, Grabplatten, Grabmäler, Bild- und Inschriftenepitaphien. Auch die Frage nach der eigentümlich begriffenen Hierarchie der Gedenkformen, die dem Kriterium der Erreichbarkeit für möglichst breite Gesellschaftsschichten untergeordnet war, wird mehrfach angesprochen. In der Auffassung der gelehrten Prediger des ausgehenden 16. und des beginnenden 17. Jahrhunderts hatten die Prunksärge, die in Grabkammern versteckt und praktisch für niemanden zugänglich waren, in dieser Hinsicht den geringsten Wert. Bedeutender waren Grabmäler und Epitaphien, die für alle Besucher der Kirche, in der sie sich befanden, zu erkennen waren. Den höchsten Wert besaßen jedoch die gedruckten Leichenpredigten, die weite Verbreitung fanden und ihren Lesern die „wahre Sterbekunst“ vermittelten. Der vierte Themenblock unter dem Titel „Gott zu Ehren, uns allen zum ewigen Gedächtnis“. Zur Architektur und Kunst umfaßt Beiträge aus dem Bereich der tradi6

Ders.: Mors janua vitae. Śląskie epitafia i nagrobki wieku reformacji, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1098, Historia Sztuki 3).

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tionell begriffenen Kunstgeschichte. Sie sind sowohl der Baukunst – aus der Perspektive der Architekturtheorie oder der Baupraxis betrachtet – als auch den Bildenden Künsten, insbesondere der Plastik, gewidmet. Der Beitrag zum größten Liegnitzer Bildhauer des Manierismus, Caspar Berger, enthält eine Reihe klassischer kunsthistorischer Analysen der plastischen Formen, die zur Ermittlung der Urheberschaft einzelner Werke bzw. ihrer Fragmente führten. Zu der Zeit, als dieser Beitrag entstand, hatte ich in meiner Forschungspraxis viel mit solchen Analysen zu tun.7 Ohne diese Studien wäre die Formulierung weitergehender Schlußfolgerungen kaum möglich gewesen. Der fünfte und abschließende Themenblock der vorliegenden Aufsatzsammlung, Zusammenarbeit und Rivalität. Zur schlesisch-polnischen Nachbarschaft, enthält vier Beiträge zu den kulturellen Beziehungen Schlesiens und Polens, die schon in den vorhergehenden Abhandlungen hier und da eine Rolle gespielt hatten. Besonderes Augenmerk gilt dabei den schlesisch-großpolnischen Kontakten und Bezügen. Im Grenzbereich dieser beiden Regionen kristallisierte sich während der Frühen Neuzeit eine spezifische, aus dem Geist der lutherischen Reformation hervorgegangene bürgerliche Kultur heraus.8 Diese hatte zur Voraussetzung, daß das Wort Gottes in der jeweiligen Nationalsprache verkündet wurde. In den ausschließlich von Deutschen bzw. von Polen (Kreuzburg, Medzibor, Pitschen) bewohnten Gebieten wurde nur auf Deutsch bzw. auf Polnisch gebetet und gepredigt. An Orten dagegen, wo die polnische Bevölkerung eine relativ bedeutende Minderheit darstellte (Breslau, Brieg, Oels, Ohlau, Strehlen), wurden entweder polnische Kirchen errichtet oder zumindest an jedem Sonntag Gottesdienste in polnischer Sprache abgehalten. Die wichtigste Botschaft dieses Bandes ist die aufrichtige Begeisterung für den Reichtum des schlesischen Kulturerbes der Frühen Neuzeit. Die Gesellschaft, die alle diese prächtigen Bau- und Kunstwerke ins Leben rief, wies keinerlei Merkmale religiöser Starrheit auf: Die konfessionellen Standpunkte, die Formen der Frömmigkeit und die Sprachen, in denen diese Frömmigkeit zum Ausdruck gebracht wurde (Deutsch, Polnisch, Tschechisch), durchdrangen und inspirierten einander.

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Ders.: Typy i programy śląskich ołtarzy wieku reformacji. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 12 (1979) 7–27; ders.: Marcin Pohl – nieznany rzeźbiarz śląski z początku XVII wieku. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 14 (1986) 85–95; ders.: Mauzoleum Górków w Kórniku. In: Biuletyn Historii Sztuki 48 (1986) 277–299; ders.: Malarstwo około 1600 roku na Śląsku Cieszyńskim. In: Chojecka, Ewa (Hg.): O sztuce Górnego Śląska i Zagłębia Dąbrowskiego XV–XX wieku, Katowice 1989, 23–46; ders.: Die Kunst der Reformationszeit. 1520–1650 (Forschungsvorhaben: Hauptaufgabe). Deutsche Plastik 1550–1660 (Forschungsvorhaben: Nebenaufgabe). In: A. K. K. Architektur-, Kunst- und Kulturgeschichte in Nord- und Westdeutschland 1/2 (1990) 21–26. Ders.: Deutschland und Polen in der Frühen Neuzeit. Durchdringung der Kulturen und Dialog der Konfessionen. In: Barock. Geschichte – Literatur – Kunst. Sondernummer: Deutsch-polnische Kulturkontakte im 16.–18. Jahrhundert, Warszawa 2006, 9–31.

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Begleitwort des Verfassers

Über lange Zeit hinweg fühlte sich keiner von dieser Gemeinschaft ausgeschlossen – selbst die Anhänger Caspar von Schwenckfelds, die andernorts in geschlossenen Gruppen nicht einmal geduldet wurden, konnten hier unter der Obhut des lutherischen bzw. kryptocalvinistischen Adels leben. Als ich vor Jahren mit der Forschung zur evangelischen und katholischen Kirchenkunst in Schlesien begann, konnte ich kaum annehmen, daß sie mich mit den Jahren so weit in die ,schlesische Seele‘ hineinführen würde, daß ich eines Tages den Versuch wagen könnte, das genuin schlesische Brauchtum und das eigentümliche Wertesystem im Oderland zu interpretieren. Im Breslau der Nachkriegszeit geboren und groß geworden,9 wollte ich seit meinen frühen Kinderjahren alles begreifen, was mich umgab, zum Beispiel das Geheimnis der Schweidnitzer Friedenskirche lüften, die ich zum ersten Mal als Zehnjähriger mit einer von meinem Vater geführten Reisegruppe betrat. Um auf dem schlesischen Boden fest stehen zu können, hatte ich viel zu lernen. Die Kunstgeschichte in der Ausrichtung, wie sie in Polen von Jan Białostocki10 und Lech Kalinowski11 vertreten wurde, bildete in dieser Hinsicht einen hervorragenden Ausgangspunkt. Sie hinderte mich nicht, Ansätze und Leistungen anderer Forschungsgebiete zu würdigen und für die eigenen Arbeiten fruchtbar zu machen, im Gegenteil: Sie zwang mich nachgerade dazu. Dieses Buch verdankt sein Erscheinen dem Interesse von Professor Dr. Joachim Bahlcke, Ordinarius für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Stuttgart, an meinen Forschungen. Der Kontakt entstand bereits in Berlin und Leipzig, im Umfeld des Geisteswissenschaftlichen Zentrums für Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas, vor etwa fünfzehn Jahren. Der Herausgeber der Schriftenreihe „Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte“ ließ mir bei der Auswahl der zur Veröffentlichung bestimmten Beiträge volle Freiheit, und er akzeptierte auch, daß diese im Gegensatz zu anderen Bänden sehr viel reicher bebildert wurden. Unschätzbar war auch sein Beitrag zur redaktionellen Bearbeitung der einzelnen Studien dieses Bandes. Dafür gebührt ihm mein aufrichtiger Dank. An der endgültigen Form der hier vorgelegten Abhandlungen arbeiteten mit Mirjam Mayer und Matthias Noller sowohl Mitarbeiter am Stuttgarter Lehrstuhl als auch meine Doktorandin Magdalena Poradzisz-Cincio über nahezu zwei Jahre zusammen. Diese Arbeiten wurden durch die Historische Kommission für Schlesien, der ich seit 2000 als Korrespondierendes Mitglied angehöre, mitfinanziert. 9 Ders.: ,Wysoką Drogą‘ w świat. In: Orłowski, Hubert (Hg.): Moje Niemcy – moi Niemcy. Odpominania polskie, Poznań 2009 (Studium Niemcoznawcze 85), 239–252. 10 Białostocki, Jan: Pięć wieków myśli o sztuce, Warszawa 21976 [11959]; ders.: Refleksje i syntezy ze świata sztuki, Warszawa 1978; ders.: Stil und Ikonographie, Köln 21981 [11966]; ders.: Symbole i obrazy w świecie sztuki, Warszawa 1982; ders.: Refleksje i syntezy ze świata sztuki. Cykl drugi, Warszawa 1987; ders.: The Message of Images. Studies in the History of Art, Vienna 1988 (Bibliotheca Artibus et Historiae). 11 Kalinowski, Lech: Speculum artis. Treści dzieła sztuki średniowiecza i renesansu, Warszawa 1989.

Begleitwort des Verfassers

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Für die Auswahl und Druckaufbereitung des Bildmaterials war meine Mitarbeiterin am Kunsthistorischen Institut der Universität Breslau, Aleksandra KijaczkoDereń, zuständig, die Übersetzungen aus dem Polnischen ins Deutsche übernahm Agata Janiszewska. Ihnen allen, die diese Aufgaben mit großem Sachverstand und ebenso großer Leidenschaft übernommen haben, sei ebenfalls von Herzen gedankt. Besondere Worte des Dankes gebühren überdies allen Studenten und Doktoranden, die während der 35 Jahre meiner Forschungs- und Lehrtätigkeit an der Universität Breslau und an der Nikolaus-Kopernikus-Universität Thorn die dort angebotenen Vorlesungen und Seminare besuchten. Sie galten für mich immer als die wichtigste Kontrollinstanz und als der Personenkreis, der die Meßlatte der Anforderungen und Erwartungen immer höher legte. Daß ich viele von ihnen zur selbständigen Forschungsarbeit anzuregen vermochte, betrachte ich als meinen größten Erfolg. Jan Harasimowicz

Katholisch – evangelisch – schlesisch. Zur ,schlesischen Einmaligkeit‘

Die Glaubenskonflikte und die kirchliche Kunst der Konfessionalisierungszeit in Schlesien

I. Schlesien im 16. und frühen 17. Jahrhundert Zum Ende des zweiten Jahrzehnts des 16. Jahrhunderts traten in Breslau, Schweidnitz und Freystadt, in etlichen anderen Städten und an einigen schlesischen Fürsten- und Adelshöfen die ersten in Wittenberg ausgebildeten Anhänger des „reinen Evangeliums“ auf. Die Werke Martin Luthers hatten relativ früh den Weg nach Schlesien gefunden1 und bald schlossen sich nichtkatholische Gelehrte in den Städten zusammen; in Liegnitz gewannen sie dank der Tätigkeit Valentin Trotzendorfs und Caspar von Schwenckfelds sogar bald überregionalen Einfluß. Die Eingliederung Schlesiens in die habsburgische Vielvölkermonarchie im Jahr 1526 hatte den immer stärker werdenden Drang von Fürsten, Adel und Stadtbürgertum, die mittelalterliche Kirche grundlegend zu reformieren, nicht aufhalten können. Die zahlreichen gegen die Protestanten gerichteten Erlasse König Ferdinands I. beeinflußten die Glaubensverhältnisse in Schlesien kaum, lediglich gegen die Anabaptisten und Spiritualisten, die reformatorische ,Linke‘, ging man in aller Schärfe vor. Bei der Bekämpfung der radikalen chiliastischen Strömungen innerhalb der Reformation zeigten die protestantischen Ständevertretungen keinen geringeren Eifer als der katholische Herrscher. Die evangelisch-lutherische Kirche in Schlesien entstand noch vor Mitte des 16. Jahrhunderts.2 Das Luthertum wurde in den von Fürsten und Stadträten abge1 2

Maleczyńska, Kazimiera: Pisma Lutra we Wrocławiu w XVI i XVII wieku. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 39 (1984) 484–492. Schimmelpfennig, Carl Adolf: Die evangelische Kirche Schlesiens im 16. Jahrhundert. Ein geschichtlicher Vortrag, Strehlen 1877; Soffner, Johannes: Die Geschichte der Reformation in Schlesien, Breslau 1887; Eberlein, Gerhard: Die evangelischen Kirchenordnungen Schlesiens im 16. Jahrhundert. In: Silesiaca. Festschrift für Colmar Grünhagen, Breslau 1898, 215–234; Sehling, Emil: Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, Bd. 3: Die Mark Brandenburg. Die Markgrafentümer Oberlausitz und Niederlausitz. Schlesien, Leipzig 1909 (Nachdruck Aalen 1970), 389–483; Jessen, Hans/Schwarz, Walter (Hg.): Schlesische Kirchen- und Schulordnungen von der Reformation bis ins 18. Jahrhundert, Görlitz 1938 (Quellen zur Schlesischen Kirchengeschichte 1), 1–235; Eberlein, Hellmut: Schlesische Kirchengeschichte, Ulm 1962, 40–82; Harasimowicz, Jan: Śląski luteranizm wieku Reformacji – próba charakterystyki. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 39 (1984) 493–516; Weigelt, Horst: Anfänge und Verlauf der Reformation. In: Benrath, Gustav Adolf u. a. (Hg.): Quellenbuch zur Geschichte der evangelischen Kirche in Schlesien, München 1992 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 1), 1–55; Machilek, Franz: Schlesien. In: Schindling, Anton/Ziegler, Walter (Hg.): Die Territorien des Reichs

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Zur ,schlesischen Einmaligkeit‘

steckten Rahmen der kirchlichen Ordnung einbezogen und entwickelte sich schrittweise zur ,legalen religiösen Opposition‘, zu einer Ideologie, die zum Ausdruck des Selbstverständnisses der schlesischen Gesellschaft werden konnte. Die zentralistische Politik der Habsburger, auf eine Zerschlagung der verfassungsmäßigen Autonomie Schlesiens gerichtet, verfügte fast das ganze 16. Jahrhundert hindurch über keine ins Gewicht fallende Anhängerschaft. Selbst die Breslauer Bischöfe verstanden sich eher als Fürsten von Neisse-Grottkau denn als königliche Statthalter und geistliche Führer des katholischen Lagers. Indem sie für viele Jahre die Hauptstadt der Diözese verließen, sich der Teilnahme am Trienter Konzil entzogen und die Annahme seiner Beschlüsse bis 1580 verzögerten, trugen sie nicht unwesentlich zum schrittweisen Verfall des schlesischen Katholizismus bei.3 Gegen Ende des 16. Jahrhunderts lösten sich die innerkirchlichen Verwaltungsstrukturen in der Diözese Breslau faktisch auf; die großen Klöster standen am Rande des wirtschaftlichen Ruins, die kleineren waren völlig entvölkert. Dem römisch-katholischen Bekenntnis hingen in diesem Zeitraum schätzungsweise nur zwei bis fünf Prozent der Gläubigen in Niederschlesien und 12 bis 21 Prozent in Oberschlesien an; für die katholische Bevölkerung in den beiden südöstlichen Fürstentümern

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im Zeitalter der Reformation und der Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500– 1650, Bd. 2: Der Nordosten, Münster 1998 (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 50), 102–138. Jungnitz, Josef: Martin Gerstmann, Bischof von Breslau. Ein Zeit- und Lebensbild aus der schlesischen Kirchengeschichte des 16. Jahrhunderts, Breslau 1898; Engelbert, Kurt: Kaspar von Logau, Bischof von Breslau (1562–1574). Ein Beitrag zur schlesischen Reformationsgeschichte, Teil 1, Breslau 1926; Jedin, Hubert: Die Beschickung des Konzils von Trient durch die Bischöfe von Breslau. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 1 (1936) 60–74; Engelbert, Kurt: Maßnahmen des Bischofs Kaspar von Logau (1562–1574) zur Hebung des Katholizismus im Bistum Breslau. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 3 (1938) 127–151, 4 (1939) 149–164; ders.: Der Breslauer Bischof Kaspar von Logau und sein Domkapitel. Ebd. 7 (1949) 61–125; ders.: Beiträge zur Geschichte des Breslauer Bischofs Kaspar von Logau (1562–1574). Bischof Kaspar als Fürst von Neiße. Ebd. 10 (1952) 121–147; ders.: Beiträge zur Geschichte des Breslauer Bischofs Kaspar von Logau (1562–1574). Sein Tod und Begräbnis. Ebd. 11 (1953) 65–89; ders.: Beiträge zur Geschichte des Breslauer Bischofs Martin von Gerstmann (1574–1585). Adelsbrief 1570 und Testament 1584. Ebd. 15 (1957) 171–188; Köhler, Joachim: Das Ringen um die tridentinische Erneuerung im Bistum Breslau. Vom Abschluß des Konzils bis zur Schlacht am Weißen Berg 1564–1620. Köln/ Wien 1973 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 12); Sabisch, Alfred: Die Bischöfe von Breslau und die Reformation in Schlesien. Jakob von Salza (†1539) und Balthasar von Promnitz (†1562) in ihrer glaubensmäßigen und kirchenpolitischen Auseinandersetzung mit den Anhängern der Reformation, Münster 1975 (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 35); Dola, Kazimierz: Uwagi o stanie duchowieństwa śląskiego w latach 1520–1585. In: Studia Teologiczno-Historyczne Śląska Opolskiego 19 (1999) 121–133.

Glaubenskonflikte und kirchliche Kunst der Konfessionalisierungszeit

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Niederschlesiens, Neisse-Grottkau und Münsterberg, ist ein ähnlicher Prozentsatz anzunehmen.4 Die lutherische Reformation, legal und loyal wie sie war, beeinflußte die gesellschaftlichen Beziehungen in Schlesien kaum. Der Widerstand von Seiten des katholischen Regenten machte es unmöglich, Kirchengüter zu säkularisieren und auf diese Weise die wirtschaftliche Stellung von Fürsten, Adel und Städten zu stärken. Vielmehr erzwang der Kaiser sogar die verhältnismäßig rasche Rückgabe eigenmächtig besetzter Kloster- und Stiftsgüter, und gegen Ende des 16. Jahrhunderts verpfändete er auch Kammergüter immer seltener an den nichtkatholischen Adel. Die drohende Türkengefahr machte zwar zusätzliche Steuerleistungen notwendig und zwang Maximilian II. zu zahlreichen Zugeständnissen an die protestantischen Stände Schlesiens, ähnlich wie in Böhmen, Mähren, Ungarn und Österreich. Schon unter Rudolf II. aber konnte die kaiserliche Verwaltung wieder darangehen, die wirtschaftlichen Grundlagen für eine Dominanz der Habsburger in Schlesien zu festigen. In den ersten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts führte das insbesondere in Oberschlesien zu einer erheblichen Stärkung des katholischen und habsburgtreuen Lagers unter den Fürsten, Standesherren und dem Adel. Auch traten die beiden Breslauer Bischöfe Andreas von Jerin und Johannes von Sitsch um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert entschieden eifriger für eine Wiederherstellung der schlesischen katholischen Kirche ein als ihre Vorgänger.5 Ihre Tätigkeit konnte sich jedoch keineswegs mit den ,Erfolgen‘ des Kardinals Franz von Dietrichstein messen, des Bischofs der Breslauer Nachbardiözese Olmütz: Er leitete in den Jahren 1602 bis 1607 die Rekatholisierung von Troppau und befriedete die

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Eberlein: Schlesische Kirchengeschichte, 69; Karzel, Othmar: Die Reformation in Oberschlesien: Ausbreitung und Verlauf, Würzburg 1979 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte 20), 276f. Vgl. ferner Gottschalk, Joseph: Möglichkeiten zur Erforschung der kirchlichen Lage Schlesiens im 16. Jahrhundert. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 28 (1970) 221–233. Nägele, Anton: Der Breslauer Fürstbischof Andreas Jerin von Riedlingen (1540–1596). Bilder aus dem Leben und Wirken eines Schwaben in Schlesien, Mainz 1911; ders.: Documenta Jeriniana. Archivalische Beiträge zur Biographie des Breslauer Bischofs Andreas von Jerin (1585–1596). In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 1 (1936) 98–156; Wagner, Romuald: Beiträge zur Geschichte des Breslauer Bischofs Johannes von Sitsch (1600–1608). Ebd. 4 (1939) 209–221; Starzewska, Maria: Fundacje artystyczne Andrzeja Jerina, biskupa wrocławskiego 1585–1596. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 13 (1983) 67–86; Brag, Alois: Andreas von Jerin (1540/41–1596). Vom Riedlinger Bürgersohn zum Fürstbischof von Breslau. In: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach 8/2 (1985) 22–28; Sikorski, Marek: War der Breslauer Bischof Johannes von Sitsch ein Kunstmäzen? In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 64 (1988) 77–89; Neudecker, Gerhard: Andreas von Jerin, Fürstbischof im Zeitalter der Konfessionalisierung. In: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach 23/2 (2000) 15–29; Szewczyk, Aleksandra: Mecenat artystyczny biskupów wrocławskich w dobie reformacji i potrydenckiej odnowy Kościoła (1520–1609), phil. Diss. (masch.) Wrocław 2008, 40–44, 47–51.

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Zur ,schlesischen Einmaligkeit‘

Stadt mehrmals mit Hilfe von Militär.6 Die Wahl des Erzherzogs Karl von Habsburg auf den Bischofsstuhl von Breslau, die der Kaiser vom Kapitel erzwang,7 machte überdeutlich, daß eine konfessionelle Zersplitterung der Länder der Monarchie auf längere Sicht nicht geduldet würde, sondern daß der Rekatholisierung Tirols, der Steiermark, Kärntens und Österreichs unweigerlich diejenige der unter der böhmischen Krone stehenden Gebiete folgen würde. Die wachsende Bedrohung veranlaßte die protestantischen Stände, besagte ,legale lutherische Opposition‘, institutionelle Garantien für ihre Glaubens- und Gewissensfreiheit zu fordern. Unter geschickter Ausnutzung innerfamiliärer Zerwürfnisse unter den Habsburgern erlangten sie 1609 von Kaiser Rudolf II. einen Majestätsbrief, der die Gleichstellung der katholischen und lutherischen Konfessionen in Schlesien festschrieb.8 Das Dokument stellte alle diejenigen zufrieden, die an einem Erhalt des gesellschaftlichen und politischen Status quo interessiert waren. Es rief jedoch den Widerspruch derjenigen Kräfte hervor, die die bestehende Ordnung verändert sehen wollten: So des Breslauer Bischofs, der eine möglichst umfassende Rekatholisierung Schlesiens anstrebte, und der Calvinisten, die den offenen Kampf gegen den Absolutismus der Habsburger propagierten. Die Anhänger des Reformators aus Genf konnten, obwohl die Garantien des Majestätsbriefs für sie nicht galten, seit Anfang des 17. Jahrhunderts ihren Einfluß in Schlesien dank der Unterstützung der Herzöge Johann Christian von Brieg und Johann Georg von Jägerndorf-Beuthen, der wohlhabenden Familie Schönaich und eines Teils des Breslauer Patriziats stärken.9 In logischer Fortführung des radikalen Programms dieser Partei nahmen die Stände Schlesiens am Böhmischen Aufstand teil. Die Reise des ,Winterkönigs‘ Friedrich V. von der Pfalz nach Schlesien, um die Huldigung der Stände entgegenzunehmen, stärkte die Position der Calvinisten weiter, denn der neue Regent stellte ihnen den großen Saal des Breslauer Schlosses für ihre Gottesdienste zur Verfügung.10 6 Zeißberg, Heinrich von: Art. Dietrichstein, Franz, Fürst von. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 5, Leipzig 1877, 199–203; Balcárek, Pavel: Kardinál František z Dietrichštejna (1570–1636), Kroměříž 1990; ders.: Kardinál František Dietrichštejn 1570–1636. Gubernátor Moravy, České Budějovice 2007 (Osobnosti českých a moravských dějin 5). 7 Jedin, Hubert: Die Krone Böhmens und die Breslauer Bischofswahlen. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 4 (1939) 165–221. 8 Konrad, Paul: Der schlesische Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. vom Jahr 1609 in seiner Bedeutung für das städtische Konsistorium und die evangelischen Kirchengemeinden Breslaus, Breslau 1909. 9 Gillet, Johann Franz Albert: Crato von Crafftheim und seine Freunde: Ein Beitrag zur Kirchengeschichte, Bd. 1–2, Frankfurt a. M. 1860; Siegmund-Schultze, Ernst: Kryptocalvinismus in den schlesischen Kirchenordnungen: Eigenart und Schicksal des Kryptocalvinismus. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 5 (1960) 52–68; Grundmann, Günther: Die Herren von Schönaich auf Carolath. Ebd. 6 (1961) 229–330. 10 Fink, Erich: Geschichte der landesherrlichen Besuche in Breslau, Breslau 1897 (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv und der Stadtbibliothek zu Breslau 3), 96; Bruchmann, Karl: Die Hul-

Glaubenskonflikte und kirchliche Kunst der Konfessionalisierungszeit

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Die lutherische Bevölkerung Schlesiens verfolgte den wachsenden Einfluß des Calvinismus mit größtem Mißtrauen und distanzierte sich vom ,Winterkönig‘ gleich nach seiner Niederlage am Weißen Berg. Gegen eine hohe Tributzahlung erlangte man 1621 im sogenannten Dresdner Akkord eine nochmalige Bestätigung des Majestätsbriefs, doch die Hoffnung der ,legalen Opposition‘, sich dauerhafte Glaubensfreiheit und Standesprivilegien zu erhalten, schwanden in den folgenden Jahren des auszehrenden Krieges zusehends.11 Die Friedensschlüsse von Prag 1635 und Münster-Osnabrück 1648 besiegelten den Zusammenbruch Schlesiens in seiner aus dem Mittelalter stammenden Gestalt sowie den Sieg des habsburgischen Zentralismus und kaiserlichen Katholizismus. Der Preis für diesen Sieg allerdings war der wirtschaftliche Niedergang des Landes und eine auffällige Entvölkerung, teils infolge der kriegerischen Unruhen, teils infolge massenhafter Auswanderung des Adels sowie der Stadt- und Landbevölkerung evangelischer Konfession nach Polen, Sachsen und Brandenburg. Zahlreiche Schließungen evangelischer Kirchen in Niederschlesien in den Jahren 1653 bis 1654 machten die Niederlage der Reformation endgültig.12 Evangelische Gottesdienste konnten von nun an nur noch in der Stadt Breslau selbst, in den Fürstentümern Liegnitz, Brieg, Wohlau und Oels sowie in den drei sogenannten Friedenskirchen in Glogau, Jauer und Schweidnitz stattfinden.13 digungsfahrt König Friedrichs I. von Böhmen (des Winterkönigs) nach Mähren und Schlesien, Breslau 1909 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte 9), 86f.; Śliwowska, Anna: Uroczyste wjazdy monarsze do Wrocławia w latach 1527–1620, Wrocław 2008 (Biblioteka Dawnego Wrocławia 2), 193. 11 Jaeckel, Georg: Die staatsrechtlichen Grundlagen des Kampfes der evangelischen Schlesier um ihre Religionsfreiheit. Teile IV und V/1–3. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 40 (1961) 7–30, 41 (1962) 46–74, 42 (1963) 25–49, 43 (1964) 67–88; Wąs, Gabriela: Religionsfreiheiten der schlesischen Protestanten. Die Rechtsakte und ihre politische Bedeutung in Schlesien. In: Köhler, Joachim/Bendel, Rainer (Hg.): Geschichte des christlichen Lebens im schlesischen Raum, Münster 2002 (Religions- und Kulturgeschichte in Ostmittelund Südosteuropa 1), 451–482. 12 Berg, Julius: Die Geschichte der gewaltsamen Wegnahme der evangelischen Kirchen und Kirchengüter in den Fürstenthümern Schweidnitz und Jauer während des 17. Jahrhunderts. Mit zum großen Teil noch ungedruckten Urkunden und Belegen, Breslau 1854. 13 Worthmann, Ludwig: Die Friedenskirche zur Heiligen Dreifaltigkeit vor Schweidnitz, Schweidnitz 1902; Heuber, Gotthard: Die evangelische Friedenskirche in Jauer genannt zum Heiligen Geist. Festschrift zur Feier des 250–jährigen Bestehens der Kirche, Jauer 1906; Wiesenhütter, Alfred: Der evangelische Kirchbau Schlesiens von der Reformation bis zur Gegenwart, Breslau 1926, 13–21; Worthmann, Ludwig: Führer durch die Friedenskirche zu Schweidnitz, Schweidnitz 1929; Bunzel, Hellmuth: Die Friedenskirche zu Schweidnitz: Geschichte einer Friedenskirche von ihrem Entstehen bis zu ihrem Versinken ins Museumsdasein, Ulm 1958; Grundmann, Günther: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien, Frankfurt a. M. 1970 (Bau- und Kunstdenkmäler des deutschen Ostens C 4), 18–21; Banaś, Paweł: Studia nad śląską architekturą protestancką 2. połowy XVII wieku. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 8 (1971) 35–89; Hutter-Wolandt, Ulrich: Die evangelische Friedenskirche „Zum Heiligen Geist“ zu Jauer-Jawor, Meckenheim 1994; Seidel-Grzesińska, Agnieszka: Kościół

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Die schlesische Kirchenkunst der Jahre 1520 bis 1650 wurde in erster Linie vom lutherischen Stadtbürgertum und vom Adel getragen. Die katholische Geistlichkeit trat relativ selten als Auftraggeberin in Erscheinung, und Stiftungen katholischer Laien gehörten damals zu den Ausnahmen. Jeder Versuch, die Besonderheiten von Inhalt und ideologischer Funktion der Kunst dieser Zeit zu erfassen, und erst recht der Versuch, die gesellschaftlichen Hintergründe dieser Eigenarten aufzudecken, muß von einer Interpretation dreier einander durchdringender Ebenen ideologischer Konfrontation, ja ideologischen Konflikts, ausgehen. Auf der ersten Ebene standen sich Luthertum und Katholizismus gegenüber, wobei letzterer in der traditionellen mittelalterlichen wie auch in der durch das Trienter Konzil erneuerten Form auftrat. Die zweite Konfliktebene schufen die verschiedenen Glaubenslehren, auf denen die Reformation in Schlesien beruhte. Bestimmend war hier das sich allmählich verschärfende und im zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts in offene Feindschaft umschlagende Zerwürfnis zwischen Lutheranern und Calvinisten. Auf der dritten Ebene schließlich sind die Spannungen innerhalb der katholischen Minderheit zu berücksichtigen, die erst nach 1580 zahlenmäßig ins Gewicht fiel. Sie neigte bald zum Traditionalismus, bald zur programmatischen Kompromißbereitschaft, bald zu einer mehr oder weniger kämpferischen, kaiserlichen Gegenreformation.

II. Die lutherische Konfessionalisierung Die Reformation wurde in Schlesien nicht zwangsweise, als Willensakt eines Fürsten, Fürstentages oder Stadtrates eingeführt. Sie kündigte sich vielmehr schrittweise vor dem Hintergrund des mittelalterlichen Katholizismus an, machte sich die örtlichen hussitischen Traditionen zunutze und bezog ihre Inspirationen aus verschiedenen geistigen Quellen. Selbst als sie sich in der Lehre Martin Luthers endgültig konkretisiert hatte, bewahrte sie ein humanistisches, melanchthonsches Antlitz und blieb weitgehend unbeeinflußt von den nach dem Tod Luthers aufflammenden Auseinandersetzungen zwischen den Philippisten – den Anhängern Philipp Melanchthons – und den Flacianern, die Matthias Flacius Illyricus und Pokoju w Świdnicy. Architektura, wystrój i wyposażenie z lat 1652–1741, phil. Diss. (masch.) Wrocław 2000; Bormann, Michael: Die evangelischen Friedenskirchen in Jauer und Schweidnitz. Fachwerkgroßbauten aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. In: Materialien zu Bauforschung und Baugeschichte des Instituts für Baugeschichte der Universität Karlsruhe 2 (1991) 87–117; Harasimowicz, Jan: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien unter der habsburgischen Regierung. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 81 (2002) 79–87, hier 83–85; Seidel-Grzesińska, Agnieszka: Das „sichtbare Wort Gottes“ an der Decke der evangelischen Friedenskirche zu Schweidnitz. In: Garber, Klaus (Hg.): Kulturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit, Tübingen 2005 (Frühe Neuzeit 111), 911–924; Sörries, Reiner: Von Kaisers Gnaden. Protestantische Kirchenbauten im Habsburger Reich, Köln/Weimar/Wien 2008, 26–28.

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seinen Kampf für eine orthodoxe Auslegung des Luthertums unterstützten. Liturgische Neuerungen wurden in Schlesien nur zögernd eingeführt, und nirgends kam es zu bilderstürmerischen Aktionen.14 Aus vielen Kirchen wurde der „päpstliche Götzendienst“ zwar verbannt, doch nur in Sagan entfernte man 1539 aus zwei Hauptkirchen gleichzeitig etwa 20 Retabeln: Auch sie wurden nicht zerstört, sondern im benachbarten Großpolen zum Verkauf angeboten.15 Vor allem auf dem Land blieben die mittelalterlichen Altäre unberührt, obwohl sie mit Ausnahme des Hauptaltars ihre liturgische Funktion eingebüßt hatten.16 Viele hoch- und spätgotische Triptychen wurden um 1600 erneuert, einige von ihnen in gewissem Sinn auch modernisiert, indem sie neue architektonische Rahmen, Flügel und Gesprenge erhielten und insbesondere in den Predellen Darstellungen des Heiligen Abendmahls angebracht wurden (Abb. 1). Als Beispiele mögen die vor Ort erhaltenen oder in Museen aufbewahrten Altäre von Brieg (1572), Konradswaldau (1595), Bankau (1601) und Kreisewitz (1614) dienen.17 Neue evangelische Altäre stiftete man fast ausschließlich für jüngst errichtete, grundlegend umgestaltete oder wiederaufgebaute Kirchen. Die Retabeln enthielten gewöhnlich ein Bildprogramm, das den im Gotteshaus versammelten Gläubigen die wichtigsten Stufen des Erlösungswerks Christi vor Augen führte: Kreuzigung, 14 Personen, die willkürlich sakrale Kunstwerke zerstörten, wurden bestraft; vgl. Knötel, Paul: Kirchliche Bilderkunde Schlesiens, Glatz 1929, 2. In allen Ländern, in denen die lutherische Reformation anzutreffen war, kam es relativ selten zu bilderstürmerischen Aktionen in ihrer extremsten Gestalt, d. h. zur materiellen Zerstörung von Gemälden oder Skulpturen religiösen Inhalts als öffentlicher, demonstrativer Handlung. Anders stellte sich die Situation in den Gebieten dar, die unter dem Einfluß der Zwinglianer, Calvinisten oder der reformatorischen ,Linken‘ standen. Vgl. Lieske, Reinhard: Protestantische Frömmigkeit im Spiegel der kirchlichen Kunst des Herzogtums Württemberg, München/Berlin 1973 (Forschungen und Berichte der Bau- und Kunstdenkmalpflege in Baden Württemberg 2), 9–14; Stirm, Margarethe: Die Bilderfrage in der Reformation, Gütersloh 1977 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 45), 17–129; Michalski, Sergiusz: The Reformation and the Visual Arts. The Protestant Image Question in Western and Eastern Europe, London/New York 1993 (Christianity and Society in the Modern World 246), 1–42; Wandersleb, Martin: Luthertum und Bilderfrage im Fürstentum Braunschweig-Wolfenbüttel und in der Stadt Braunschweig im Reformationsjahrhundert, Helmstedt 1996; Kaufmann, Thomas: Die Bilderfrage im frühneuzeitlichen Luthertum. In: Blickle, Peter u. a. (Hg.): Macht und Ohnmacht der Bilder. Reformatorischer Bildersturm im Kontext der europäischen Geschichte, München 2002, 407–454. 15 Schimmelpfennig: Die evangelische Kirche Schlesiens, 6. 16 Ziomecka, Anna: Śląskie retabula szafowe w drugiej połowie XV i na początku XVI wieku. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 10 (1976) 7–146; Białłowicz-Krygierowa, Zofia: Studia nad snycerstwem XIV wieku w Polsce, Teil 1: Początki śląskiej tradycji ołtarza szafowego, Warszawa/ Poznań 1981 (Prace Komisji Historii Sztuki Poznańskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk 12). 17 Chrzanowski, Tadeusz/Kornecki, Marian (Hg.): Katalog zabytków sztuki w Polsce, Bd. 7: Województwo opolskie, Warszawa 1960–1968, H. 1: Powiat brzeski, 47, H. 4: Powiat kluczborski, 1f.; Harasimowicz, Jan: Treści i funkcje ideowe sztuki śląskiej reformacji 1520–1650, Wrocław 1986 (Acta Universitatis Wratislaviensis 819, Historia Sztuki 2), 57–59, Abb. 33–35.

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Abb. 1. Der mittelalterliche Klappaltar in der Dorfkirche in Bankau, Kreis Kreuzburg, wurde im Jahr 1601 an der Predella um ein Bild des Abendmahls Christi ergänzt, das die Wappen seiner adeligen Stifter trägt. Es ist ein typisches Beispiel für das Verhältnis der evangelischen Schlesier zum altkirchlichen Erbe: Es sollte nicht abgelehnt, sondern bewahrt und vorsichtig umgestaltet werden.

Auferstehung und Himmelfahrt (Abb. 47).18 Die bildliche Umsetzung des Heiligen Abendmahls, meist direkt oberhalb des Altartischs in der Predella, ergänzte dieses Programm und stellte den biblischen Beweis für die Rechtsgültigkeit der reformatorischen Auffassung vom Abendmahl in beiderlei Gestalt dar.19 Deutlicher wurden die Besonderheiten der lutherischen Lehre – in Analogie zu den berühmten 18 Harasimowicz, Jan: Typy i programy śląskich ołtarzy wieku Reformacji. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 12 (1979) 7–27; ders.: Treści i funkcje ideowe, 62–70. 19 Thulin, Oskar: Reformatorische und frühprotestantische Abendmahlsdarstellungen. In: Kunst und Kirche 16/1 (1939) 30–34; Oertel, Hermann: Das protestantische Abendmahlsbild im niederdeutschen Raum und seine Vorbilder. In: Niederdeutsche Beiträge zur Kunstgeschichte 13 (1974) 223–270; Brückner, Wolfgang: Lutherische Bekenntnisgemälde des 16. bis 18. Jahrhunderts. Die illustrierte Confessio Augustana, Regensburg 2007 (Adiaphora. Schriften zur Kunst und Kultur im Protestantismus, Sonderausgabe), 61–118.

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Altarretabeln von Wittenberg und Weimar – in Schlesien nur ein einziges Mal zum Ausdruck gebracht: auf dem Altargemälde aus der Dorfkirche in Neukirch bei Goldberg (um 1570, heute im Erzdiözesanmuseum in Breslau).20 Neben dem predigenden Luther und Melanchthon, der eine Beichte abnimmt, tritt in dieser „Allegorie der reformatorischen Kirche“ zweimal die Gestalt des Georg von Zedlitz auf, eines eifrigen Vorkämpfers der Reformation unter dem niederschlesischen Adel. Einen Ausgleich, oder eher einen Ersatz für die auf ein äußerstes Minimum reduzierten Altarstiftungen stellten gemalte und plastische Epitaphien dar, die die Innen- und Außenwände der evangelischen Kirchen in Schlesien wohl fast lückenlos bedeckt haben mögen (Abb. 58). Es galt als fromme Tat, als Zeichen christlicher Gesinnung und Beitrag zum allgemeinen Priestertum der Gläubigen, ein solches aus einem oder mehreren Bildern bestehendes ,Glaubensbekenntnis‘ zu stiften.21 Mittels der an biblischen Themen orientierten Gemälde und Reliefs bekräftigten die lutherischen Familien in Breslau, Bunzlau, Liegnitz, Lüben, Brieg, Ohlau und Oels ihre durch nichts zu erschütternde, sich aus tiefem Glauben nährende Gewißheit, dereinst zum ewigen Leben erlöst zu werden. Mehrere Programme versuchen, diese Gewißheit umfassender zu belegen, indem sie auf das unter Beteiligung Martin Luthers entstandene Schema der „Gesetz- und Gnadentafel“ Bezug nehmen (Abb. 41).22 Die Kreuzigung Christi wird dabei mit typologischen Szenen, Gestal-

20 Steinborn, Bożena: Malarstwo śląskie 1520–1620. Katalog wystawy w Muzeum Śląskim we Wrocławiu, grudzień 1966 – marzec 1967 r., Wrocław [1966], 40f.; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 44, Abb. 28. 21 Steinborn, Bożena: Malowane epitafia mieszczańskie na Śląsku w latach 1520–1620. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 4 (1967) 7–139; Białostocki, Jan: Kompozycja emblematyczna epitafiów śląskich XVI wieku. In: Ze studiów nad sztuką XVI wieku na Śląsku i w krajach sąsiednich, Wrocław 1968, 77–93; Harasimowicz, Jan: Schlesische Epitaphien und Grabmäler der Reformationszeit. Ihre Typen und architektonisch-plastische Struktur. In: Grossmann, Georg Ulrich (Hg.): Renaissance in Nord-Mitteleuropa. Teil 1, München/Berlin 1990 (Schriften des Weserrenaissance-Museums Schloß Brake 4), 189–224; ders.: Lutherische Bildepitaphien als Ausdruck des „Allgemeinen Priestertums der Gläubigen“ am Beispiel Schlesiens. In: Tolkemitt, Brigitte/Wohlfeil, Rainer (Hg.): Historische Bildkunde. Probleme – Wege – Beispiele Berlin 1991 (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 11), 135–164; ders.: Mors janua vitae. Śląskie epitafia i nagrobki wieku reformacji, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1098, Historia Sztuki 3). 22 Das beste Beispiel ist das 1547 bis 1549 entstandene Bildepitaph des schlesischen Reformators Dr. Johannes Hess aus der Pfarrkirche St. Maria Magdalena in Breslau, heute im dortigen Nationalmuseum aufbewahrt. Förster, Richard: Die Bildnisse von Johann Hess und Cranachs „Gesetz und Gnade“. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift N. F. 5 (1909) 117–143; Steinborn: Malarstwo śląskie 1520–1620, 42f.; ders.: Malowane epitafia mieszczańskie, 25f., 82f.; Harasimowicz: Mors janua vitae, 133–135; Reinitzer, Heimo: Gesetz und Evangelium. Über ein reformatorisches Bildthema, seine Tradition, Funktion und Wirkungsgeschichte, Hamburg 2006, Bd. 1, 185f., Bd. 2, Abb. 188.

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ten und Zitaten verbunden.23 Auch die alt- und neutestamentlichen Verheißungen der Auferstehung von den Toten und der Erlösung zum Ewigen Leben werden nebeneinandergestellt (Abb. 54).24 Die ,Glaubensbekenntnisse‘ auf Epitaphien stellen nicht selten theologische Traktate in Wort und Bild dar, die Zeugnis ablegen von der Intensität und der intellektuellen Tiefe der religiösen Erlebnisse ihrer Stifter. Nur vereinzelt wurden dabei die Unterschiede zwischen dem Luthertum und dem Katholizismus bewußt hervorgehoben oder überspitzt. Die in der deutschen Kunst des 16. Jahrhunderts so häufigen polemisch zu interpretierenden Gleichnisdarstellungen vom „Weinberg des Herrn“, vom „Dieb im Schafstall“ oder vom „Christ und Antichrist“25 fanden in das ideelle Programm der schlesischen Grabmalskunst keinen Eingang. Lediglich auf dem Epitaph Georg Auersbergers aus der Pfarrkirche St. Maria Magdalena in Breslau (1587, heute im Nationalmuseum in Breslau) sind die negativ geschilderten Protagonisten der dargestellten biblischen Szene – ein Priester und ein Levit, die einem ausgeraubten und verwundeten Wanderer ihre Hilfe versagen – als katholische Geistliche gezeigt, bekleidet mit den charakteristischen Ordensgewändern.26 Das auf das Schema von der „Gesetz- und Gnadentafel“ gestützte umfangreiche Programm des großen Epitaphs der Familie Rühnbaum aus der Pfarrkirche St. Martin in Jauer (um 1575, heute im Museum in Jauer) spiegelt wiederum eine der schärfsten protestantisch-katholischen Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts auf schlesischem Boden wider: den Streit des Stadtrates von Jauer mit dem Bischof Kaspar von Logau um die Besetzung des städtischen Pfarramtes.27 Zu Weihnachten 1562 versuchte der vom Bischof eingesetzte Priester gegen den entschiedenen Widerstand der versammelten Stadtbürger, in der Pfarrkirche St. Martin eine katholische Messe zu zelebrieren; aus diesem Grund wurde auf dem Opferaltar Abels die Jahreszahl 1562 aufgeschrieben. Im oberen Bildteil, neben Judas, der sich an den abgestorbenen Ästen eines die ganze Komposition teilenden Baumes erhängt hat, ist das Panorama der Stadt Jauer mit der wiederholten Angabe des Jahres 1562 zu sehen. 23 Harasimowicz: Mors janua vitae, 137–144. 24 Ebd., 110–124. 25 Hoffmann, Konrad: Die reformatorische Volksbewegung im Bilderkampf. In: Bott, Gerhard (Hg.): Martin Luther und die Reformation in Deutschland. Ausstellung zum 500. Geburtstag Martin Luthers, Frankfurt a. M. 1983 (Kataloge des Germanischen Nationalmuseums), 219–254; Schuster, Peter-Klaus: Kunst als Waffe. In: Hofmann, Werner (Hg.): Luther und die Folgen für die Kunst. Katalog der Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle, München 1983, 152–203; Scribner, Robert W.: Reformatorische Bildpropaganda. In: Tolkemitt/Wohlfeil (Hg.): Historische Bildkunde, 83–106. 26 Steinborn: Malarstwo śląskie 1520–1620, 52f.; ders.: Malowane epitafia mieszczańskie, 104; Białostocki: Kompozycja emblematyczna, 88; Harasimowicz: Mors janua vitae, 144f. 27 Harasimowicz, Jan: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach wieku reformacji na Śląsku. In: Rocznik Historii Sztuki 18 (1990) 31–95, hier 57; ders.: Mors janua vitae, 135f.; Reinitzer: Gesetz und Evangelium, Bd. 1, 81–87, 274–276, Bd. 2, Abb. 116.

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Weder auf Epitaphien und Grabmälern noch auf anderen Ausstattungs- und Schmuckgegenständen in den lutherischen Kirchen Schlesiens, wie Altären, Kanzeln, Taufsteinen, Emporen und Patronatsbänken, Gewölben und Decken, wird die Andersartigkeit des neuen Bekenntnisses im bildlichen Programm betont, nirgendwo wird ein radikaler Bruch mit der Tradition vollzogen. Im Gegenteil: Die Übereinstimmung der reformatorischen Liturgie mit der Heiligen Schrift und dem kirchlichem Brauch sollen zahlreiche „Zeugen Christi“, Propheten, Apostel und Evangelisten auf Altären, Kanzeln und Taufsteinen belegen (Abb. 18, 19, 25).28 Mit der in Schlesien besonders populären bildlichen Darstellung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, mit Bilderzyklen, deren Programme auf dem zweiten christologischen Artikel des Credo aufbauten, stellte sich auch die Kunst in den Dienst einer Legitimierung des Luthertums als des vollberechtigten Erben der christlichen Tradition, als wahren Vertreters der Kirche Gottes, die nun, befreit von allen menschlichen Zusätzen, „gereinigt war durch das Wasserbad im Wort“ (Eph 5,26).

III. Gegen Täufer, Schwärmer und Calvinisten Die wichtigste ideologische Funktion der schlesischen Kunst in der Reformationszeit war ohne Zweifel die weitestmögliche Verbreitung des göttlichen Wortes in ,sichtbarer Gestalt‘.29 Im letzten Drittel des 16. und in den ersten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts zielte diese Verkündigung des ,sichtbaren Wortes‘ zunehmend auf eine Stärkung der konfessionellen Identität des Luthertums ab. Dabei konzentrierte man sich vor allem auf eine bildliche Begründung der beiden von der Confessio Augustana anerkannten Sakramente, der Taufe und des Abendmahls.30 28 Harasimowicz, Jan: Die Verehrung der „biblischen Heiligen“ in der evangelischen Kirche Schlesiens im 16. und 17. Jahrhundert. In: Derwich, Marek/Dmitriev, Michel (Hg.): Fonctions sociales et politiques du culte des saints dans les sociétés de rite grec et latin au Moyen Age et à l’époque moderne. Approche comparative, Wrocław 1999 (Opera ad historiam monasticam spectantia 1/3), 247–270. 29 Gertz, Ulrich: Die Bedeutung der Malerei für die Evangeliumsverkündigung in der evangelischen Kirche des 16. Jahrhunderts, Berlin 1937; Scharfe, Martin: Evangelische Andachtsbilder. Studien zu Intention und Funktion des Bildes in der Frömmigkeitsgeschichte vornehmlich des schwäbischen Raumes, Stuttgart 1968 (Veröffentlichungen des Staatlichen Amtes für Denkmalpflege Stuttgart C 5), 83–91; Christensen, Carl C.: Luther’s Theology and the Uses of Religious Art. In: The Lutheran Quarterly 22 (1970) 147–165; Kantzenbach, Friedrich C.: Bild und Wort bei Luther und in der Sprache der Frömmigkeit. In: Neue Zeitschrift für Systematische Theologie und Religionsphilosophie 16 (1974), 57–74; Harasimowicz, Jan: Rola sztuki w doktrynie i praktyce kultowej reformacji. In: Euhemer. Przegląd Religioznawczy 24/4 (1980) 71–86; Lindgren, Mereth: Att lära och att pryda. Om efterreformatoriska kyrkmålningar i Sverige cirka 1530–1630, Stockholm 1983; Harasimowicz, Jan: Kunst als Glaubensbekenntnis. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte der Reformationszeit, Baden-Baden 1996 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 359), 41–96. 30 Brückner: Lutherische Bekenntnisgemälde, 61–118.

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Abb. 2. An zahlreichen schlesischen Taufsteinen der Reformationszeit befanden sich Darstellungen Christi als Kinderfreund, die an die bekannten Verse aus dem Markus-Evangelium anknüpften (Mk 10,14). Darauf stützte sich die gesamte lutherische Rechtfertigung der Kindertaufe. Solche Darstellungen sind u. a. am Taufstein in der Pfarrkirche in Hohenfriedeberg, Kreis Jauer, sowie an zahlreichen anderen Taufsteinen im Westen Niederschlesiens, wo im ausgehenden 16. Jahrhundert die Bewegung der Wiedertäufer besonders intensiv war, zu sehen.

Die von Luther befürwortete traditionelle Form der Kindtaufe machte es unumgänglich, sich ausdrücklich von der in anabaptistischen Kreisen praktizierten Erwachsenentaufe abzugrenzen.31 Wichtigstes Argument in der Auseinandersetzung mit den Anhängern der ‚allgemeinen Wiedergeburt aus dem Wasser‘ war Kapitel

31 Goldammer, Kurt: Kultsymbolik des Protestantismus, Stuttgart 1967, 46–51; Trigg, Jonathan D.: Baptism in the Theology of Martin Luther, Leiden/New York/Köln 1994 (Studies in the History of Christian Thought 56).

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zehn des Markusevangeliums und hier insbesondere Vers 14, den Luther mit dem Ritual der Taufe in Verbindung gebracht hatte : „Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solcher ist das Himmelreich.“ Die daran anknüpfende Darstellung Christi als Kinderfreund findet sich auf fast jedem figürlich verzierten Taufstein aus der Reformationszeit Schlesiens (Abb. 2).32 Im Umkreis von Bolkenhain, Bunzlau, Goldberg, Löwenberg und Schönau ist gerade diese Szene neben der Darstellung der Taufe Christi im Jordan besonders häufig anzutreffen. Es war dies ein Gebiet, das in den Jahren 1580 bis 1590 von massenhaften Bauernunruhen erfaßt wurde – nicht zuletzt eine Folge des Auftretens radikaler anabaptistischer Prediger, die ihre chiliastischen Visionen unter das Volk getragen hatten.33 Die mit dem zweiten Sakrament, dem Abendmahl, verbundene Problematik rief besonders scharfe Kontroversen zwischen den einzelnen evangelischen Bekenntnissen hervor. Das gesamte lutherische Lager lehnte die eucharistischen Konzeptionen Zwinglis und Calvins entschieden ab, es sah im Abendmahl vielmehr ein „tatsächliches Zeichen“, ein „wirkliches Symbol“ der Anwesenheit Christi.34 Die Stärkung der calvinistischen Position in Schlesien mußte deshalb Befürchtungen um die Integrität dieser grundlegenden liturgischen Handlung hervorrufen. Ausdrückliches Zeugnis dafür ist eine Inschrift über der Predella des 1613 errichteten Altars in der Pfarrkirche zu Löwen bei Brieg.35 Der Ortspfarrer Nicolaus Anther stiftete das neue Retabel mit der Bitte, die Sakramente und liturgischen Handlungen unverändert „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ beizubehalten. Ähnlich ist wohl die Skulptur am steinernen Kanzelfuß (1619) in der Pfarrkirche St. Anna in Frankenstein zu interpretieren.36 Sie stellt einen Engel dar, der den Propheten Habakuk an 32 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 120–125. Vgl. ferner Ozarowska-Kibish, Christine: Lucas Cranach’s Christ Blessing the Children. In: The Art Bulletin 37 (1955) 196–203; Kruszelnicki, Zygmunt: Historyzm i dogmatyzm w sztuce reformacji. In: Teka Komisji Historii Sztuki 6 (1976) 5–82, hier 11–27; Schuster, Peter-Klaus: Christus als Kinderfreund. In: Hofmann (Hg.): Luther und die Folgen für die Kunst, 241–243. 33 Koffmane, Gustav: Die Wiedertäufer in Schlesien. In: Correspondenzblatt des Vereins für die Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens 3 (1887) 37–55. 34 Diestelmann, Jürgen: Actio sacramentalis. Die Verwaltung des heiligen Abendmahles nach den Prinzipien Martin Luthers in der Zeit bis zur Konkordienformel, Groß Oesingen 1995; Wandel, Lee Palmer: The Eucharist in the Reformation. Incarnation and Liturgy, Cambridge 2005; Diestelmann, Jürgen: Usus und Actio. Das heilige Abendmahl bei Luther und Melanchthon, Berlin 2007. 35 Liebeherr, Martin: Die Peter-Paulskirche zu Löwen. Mitteilungen über das Kirchgebäude, Löwen 1910, 24; Hoffmann, Hermann: Zwei Werke der Spätrenaissance als Zeugen der schlesischen Religionskämpfe. In: Schlesische Heimatpflege, Bd. 1, Breslau 1935, 25–31, hier 27–29; Chrzanowski, Tadeusz: Rzeźba lat 1560–1650 na Śląsku Opolskim, Warszawa 1974, 80; Harasimowicz: Typy i programy śląskich ołtarzy, 14, 21; ders.: Treści i funkcje ideowe, 64, 76; ders.: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 31–34, 41. 36 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 95, 109; ders.: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 58f.; ders.: Kunst als Glaubensbekenntnis, 36f.

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Abb. 3. Die Darstellung des Propheten Habakuk, der von einem Engel an den Haaren mit Nahrung für den in einer Höhle gefangenen Propheten Daniel getragen wird, an der Kanzelstütze in der Pfarrkirche St. Anna in Frankenstein. Daß hier auf eine alte eucharistische Allegorie zurückgegriffen wurde, muß im Jahr 1619, als Pfalzgraf Friedrich V. zum böhmischen König gewählt wurde, tiefere Bedeutung gehabt haben. Auf diese Art und Weise distanzierte sich die lutherische Stadtgemeinschaft von der durch den neuen Landesherrn verbreiteten calvinistischen Auffassung des Abendmahls, die die reale Präsenz Christi im Sakrament ablehnte.

den Haaren hält und dadurch trägt (Abb. 3). Nach der Bibel brachte dieser Prophet dem in der Löwengrube gefangenen Daniel „auf dem Luftwege“ Nahrung. Aus diesem Grunde ist er in der christlichen Ikonographie zu einer der wichtigsten Präfigurationen des Abendmahls Christi und der Eucharistie geworden.37

37 Fabricius, Ulrich: Die Legende im Bild des ersten Jahrtausends der Kirche. Der Einfluß der Apokryphen und Pseudoepigraphen auf die altchristliche und byzantinische Kunst, Kassel

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Der Calvinismus bedrohte nicht nur die Unantastbarkeit der Sakramente. Im Jahr 1616 zeigten die Vorfälle in Jägerndorf, wie eine ganze kultisch-liturgische Tradition, und insbesondere ihre bildliche Komponente,38 mit einer einzigen Verfügung eines fanatisierten Herrschers ausgelöscht werden konnte. Markgraf Johann Georg von Brandenburg-Ansbach, Herzog von Jägerndorf, gab in diesem Jahr „Artikel“ heraus, die die Entfernung sämtlicher Bilder, Altäre, Taufsteine, Epitaphien und Kruzifixe aus den Kirchen forderten.39 Aus den Gottesdiensten sollten die Hostien, die liturgischen Gewänder, das Kerzenlicht verschwinden und Niederknien oder Neigen des Kopfes vor dem Altar verboten werden. Zwar wurden die voreilig propagierten „Artikel“ infolge des gewaltsamen Protests der Einwohner von Jägerndorf gelegentlich ausgesetzt, doch warfen sie ihren Schatten auf die gesamte, der Tradition stark verhaftete lutherische Gemeinde in Schlesien. Verständlich werden in diesem Zusammenhang die gegen die calvinistische Bilderstürmerei ausgeführten aufwendigen Ausmalungen von Gotteshäusern, wie beispielsweise in der Dorfkirche zu Groß-Bresa bei Breslau im Jahr 1620.40 Ihre Berechtigung erhält so auch die Inschrift auf der 1616 bis 1617 in der Dorfkirche zu Schedlau bei Falkenberg angebrachten Glocke, die fleht: „Der liebe Gott steh uns bei/ Wider alle Calvinisterei.“41 Wie weitblickend war Pastor Anther aus Löwen im Hinblick auf die möglichen Konsequenzen gewesen, die sich aus einem Übertritt der Brieger Piasten zum Calvinismus ergeben hätten: Bereits 1613 hatte er in seiner Altarwidmung um eine Abwendung der bilderstürmerischen Gefahr gebeten! Die Brieger und Liegnitzer Piasten verfolgten allerdings eine recht vorsichtige Konfessionspolitik, sie drängten ihren Untertanen ihre calvinistischen Überzeugungen keineswegs auf. Sicher entsprang das ihrem Wissen um die Folgen, die radikales Vorgehen in

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1956, 15–18; Mai, Hartmut: Die Kanzel in der Hauptkirche zu Kamenz. Ein Denkmal Oberlausitzer Reformationsgeschichte. In: Sächsische Heimatblätter 18/1 (1972) 14–20. Stirm: Die Bilderfrage in der Reformation, 161–223; Wencelius, Léon: L’esthétique de Calvin, Genève 21979 [11937]; Michalski: The Reformation and the Visual Arts, 59–73; Cottin, Jérôme: Le Regard et la Parole. Une théologie protestante de l’image, Genève 1994; Hardy, Daniel W.: Calvinism and the Visual Arts. A Theological Introduction. In: Finney, Paul Corby (Hg.): Seeing beyond the Word: Visual Arts and the Calvinist Tradition, Grand Rapids (Mich.)/Cambridge 1999, 1–16; Joby, Christopher Richard: Calvinism and the Arts. A ReAssessment, Leuven/Paris/Dudley (Ma.) 2007 (Studies in Philosophical Theology 38). Eberlein, Gerhard: Anordnungen des Markgrafen Johann Georg von Jägerndorf. In: Correspondenzblatt des Vereins für Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens 4 (1895) 176– 178; Karzel: Die Reformation in Oberschlesien, 276f.; Harasimowicz: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 41f. Hoffmann, Hermann: Die Kirchen in Groß-Bresa, Nimkau und Nippern, Breslau 1934 (Führer zu schlesischen Kirchen 8), 12–14, 18–23; ders.: Zwei Werke der Spätrenaissance, 30f.; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 139–142, 148f.; ders.: Kunst als Glaubensbekenntnis, 37. Lutsch, Hans: Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesien, Bd. 1–4, Breslau 1886–1894, hier Bd. 4, 216.

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diesem Punkt nach sich ziehen mußte; den lutherischen Pastoren und ihren Gemeinden schien die mittelalterliche Tradition viel näher zu stehen, als der unbekannte, ,schreckliche‘ Gott der Calvinisten.42 Zeugnis davon mag die Neuinterpretation eines der bedeutendsten Werke der spätgotischen Malerei Schlesiens ablegen, das unter dem Eindruck des frühen Protestantismus entstanden war: Die Darstellung von Christus als Schmerzensmann und Maria, beide umgeben von den Leidenswerkzeugen, ist in der Pfarrkirche St. Nikolaus zu Brieg im Jahr 1443 zum Gedenken an die Entvölkerung von Stadt und Kirche durch die „hussitischen Ketzer“ gestiftet worden.43 1612 wurden zwei höchst aussagekräftige Inschriften hinzugefügt.44 Der kurze lateinische und der versifizierte, relativ lange deutsche Text warnen die „Anderen“ vor einem erneuten Anschlag auf das Gotteshaus, auf die Einheit der christlichen Gemeinde und die Reinheit der verkündeten Lehre. Unter der euphemistischen Bezeichnung der „Anderen“ sind ohne Zweifel die Calvinisten um Johannes Neumond zu verstehen, der gerade 1612 zum Hofprediger berufen worden war.

IV. Die katholische Konfessionalisierung Die polemischen Akzente in den verschiedenen Ausstattungsprogrammen schlesischer Kirchen, die mehr oder weniger deutlich hervortreten, lassen erkennen, wen die Anhänger Luthers in Schlesien am meisten fürchteten, wen sie als ihren wahren Feind und geistigen Gegner ansahen. Allein schon die Leidenschaft, mit der die Lutheraner ihr künstlerisches Mäzenatentum in den ersten beiden Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts wahrnahmen, und die Konsequenz, mit der sie sich dabei zu traditionellen Werten bekannten, brachten die Abgrenzung vom Calvinismus deutlich zum Ausdruck. Parallel zu einer Verschärfung dieser Auseinandersetzungen verstärkte sich das Bestreben, die Übereinstimmung der lutherischen Lehre mit dem Evangelium zu betonen. Die große Zurückhaltung der Lutheraner gegenüber dem Katholizismus rechtfertigt in gewissem Maß das Fehlen ausdrücklicher katholischer Glaubenspolemik sogar in den Werken, die von der Ordens- und Weltgeistlichkeit gestiftet wurden (Abb. 67).45 An Zahl waren diese bis zum Ausklang des 42 Lecler, Joseph: Geschichte der Religionsfreiheit im Zeitalter der Reformation, Stuttgart 1965, Bd. 1, 401–421. 43 Dobrzeniecki, Tadeusz: Malarstwo tablicowe. Katalog zbiorów Muzeum Narodowego w Warszawie, Warszawa 1972, 203–205; Karłowska-Kamzowa, Alicja: Malarstwo śląskie 1250– 1450, Wrocław u. a. 1979, 122. 44 Lorenz, Otto: Aus der Vergangenheit der evangelischen Kirchengemeinde Brieg, Brieg 1885– 1886, 99f.; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 168f.; ders.: Kunst als Glaubensbekenntnis, 32. 45 Harasimowicz, Jan: Funkcje katolickiego mecenatu artystycznego na Śląsku w dobie reformacji i „odnowy trydenckiej“ Kościoła. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 41 (1986) 561–581; ders.: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 64–89.

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16. Jahrhunderts ohnehin in der Minderheit. Einige Epitaphien kirchentreuer Priester unterscheiden sich hinsichtlich ihrer bildlichen Aussage in nichts von den evangelischen. Katholiken wie Protestanten statteten ihre Grabdenkmäler mit Darstellungen der Kreuzigung und Auferstehung Christi, des Gleichnisses vom Barmherzigen Samariter, der Heiligen Dreifaltigkeit46 und sogar des „Lebenden Kreuzes“ aus. So unterscheidet sich letzteres Motiv auf dem Epitaph des Domherrn Georg Mohl aus der Stiftskirche zum Heiligen Kreuz in Breslau (1558, heute Erzdiözesanmuseum in Breslau) nur in einigen unwesentlichen Einzelheiten vom „Lebenden Kreuz“ auf dem Epitaph Ambrosius Kerbers in der Pfarrkirche St. Nikolaus zu Brieg, das mindestens sechs Jahre später entstand.47 An der berühmten evangelischen Steinkanzel in der Pfarrkirche St. Maria Magdalena zu Breslau (1580 bis 1581) (Abb. 48) orientierte sich der Meister, der 1609 die Steinkanzel für die katholische Stiftskirche St. Matthias am gleichen Ort schuf, als er das Motiv der drei Engel wieder aufnahm.48 46 Die verbreitetste Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit, der sogenannte Gnadenstuhl, trat zu dieser Zeit in Schlesien in zwei Hauptversionen auf. Die „stehende“ Version erschien sowohl auf dem Epitaph des katholischen Glöckners Martin Frueauf in der Pfarrkirche St. Stanislaus und Wenzel in Schweidnitz (nach 1561), als auch auf dem Epitaph des protestantischen Adligen Hans von Peterswalde in der Dorfkirche zu Schwengfeld bei Schweidnitz (um 1569). In seiner „bewegt-dramatischen“ Version, Pitié-de-Nôtre-Seigneur beziehungsweise Not-Gottes genannt, zeigte sich das Motiv auf einem Votivbild des Abtes Adam Weisskopf in der Stiftskirche St. Maria am Sande in Breslau (um 1590, heute im Erzdiözesanmuseum in Breslau) und auf dem Epitaph einer unbekannten protestantischen Bürgerfamilie in der Pfarrkirche St. Stanislaus und Wenzel in Schweidnitz (um 1597). Vgl. Harasimowicz: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 71f., Abb. 38–41; ders.: Mors janua vitae, 132f. 47 Knötel, Paul: Schlesische Darstellungen des lebenden Kreuzes. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift N. F. 8 (1924) 79–83; Schaube, Adolf: Das zweite der wiederhergestellten Epitaphien vor der Gedächtnishalle. In: Evangelisches Gemeindeblatt für Brieg 13 (1925–1926) 152–157; ders.: Herkunft und konfessioneller Charakter des „lebenden Kreuzes“ in der Brieger Nikolaikirche. Ebd. 176–183; Steinborn: Malarstwo śląskie 1520–1620, 44; ders.: Malowane epitafia mieszczańskie, 26f., 85f.; Harasimowicz: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 73, Abb. 48f.; ders.: Mors janua vitae, 138f. Vgl. ferner Weber, Paul: Geistliches Schauspiel und kirchliche Kunst in ihrem Verhältnis erläutert an einer Ikonographie der Kirche und Sinagoge, Stuttgart 1894; Füglister, Robert L.: Das Lebende Kreuz. Ikonographisch-ikonologische Untersuchung der Herkunft und Entwicklung einer spätmittelalterlichen Bildidee und ihrer Verwurzelung im Wort, Einsiedeln 1964. 48 Schultz, Alwin: Die Breslauer Stadtbaumeister im sechzehnten Jahrhundert (Friedrich Groß – Hans Schneider von Lindau). In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 1 (1870) 115–137, hier 116–121; Burgemeister, Ludwig/Grundmann, Günther: Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien, Bd. 1: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau, Teil 2, Breslau 1933, 52–54, Teil 3, Breslau 1934, 46; Bimler, Kurt: Die schlesische Renaissanceplastik, Breslau 1934, 88; Pokora, Jakub: Sztuka w służbie reformacji. Śląskie ambony 1550–1650, Warszawa 1982, 265–273; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 90, 94f., 100, 104; ders.: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 72; ders.: Kunst als Glaubensbekenntnis, 60f.; Osz-

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Abb. 4. Der stattliche Steinaltar, der im Jahr 1584 in der Pfarrkirche St. Jakob in Neisse infolge eines Vermächtnisses des Breslauer Bischofs Martin von Gerstmann aufgestellt wurde, vertritt zutreffend die Idee des ‚Kompromißkatholizismus‘ zur Zeit der Regierung Kaiser Maximilians II., dessen enger Mitarbeiter und Berater der verstorbene Bischof war. Es befinden sich dort Darstellungen ausschließlich christologischen Inhalts, die sowohl von Katholiken als auch von Protestanten akzeptiert werden konnten.

Mit der von Maximilian II. und seiner Umgebung geförderten und verbreiteten Idee des „Kompromißkatholizismus“ muß wohl die Ikonographie des Steinaltars in der Pfarrkirche St. Jakob zu Neisse in Verbindung gebracht werden. Er wurde 1584 als Stiftung des Bischofs Martin von Gerstmann, einem vertrauten Mitarbeiters und Berater des Kaisers, errichtet (Abb. 4).49 Das Programm des Retabels stellt unzweifelhaft einen solchen Kompromiß dar, den Verzicht auf die römisch-katholische Konfessionsidentität bedeutet es jedoch nicht: Die Rahmenfiguren der Heiligen Petrus und Paulus sowie die Figur Johannes des Evangelisten in der Bekrönung weisen ausdrücklich auf den wahren Weg zum Ewigen Heil hin, der allein

czanowski, Piotr: Wrocław. Kościół św. Marii Magdaleny, Warszawa 2009 (Zabytki Polski 2), 46–50. 49 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 4, 93; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 94f.; Kębłowski, Janusz: Nysa, Wrocław u. a. 1972 (Śląsk w Zabytkach Sztuki), 70–73; Chrzanowski: Rzeźba lat 1560–1650, 43f., 100f., 121; Harasimowicz: Typy i programy śląskich ołtarzy, 11, 22; ders.: Funkcje katolickiego mecenatu artystycznego, 575f.; ders.: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 76f.; Szewczyk: Mecenat artystyczny biskupów wrocławskich, 104–106, 158f., 205f.

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über die katholische Kirche führt.50 In der Nachfolge dieses Altars entstand das von der Familie Maltitz gestiftete Steinretabel in der Pfarrkirche St. Johannes Evangelist zu Patschkau (1588).51 Beachtung verdient hier vor allem eine kleine Nebenfigur, die wie zufällig das Passionsprogramm zu ergänzen scheint: eine Mutter Gottes mit dem Kinde. Die traditionelle Marien- und Heiligenikonographie behauptete sich in Schlesien im gesamten betrachteten Zeitraum ebenso selten wie die aus mittelalterlichen Quellen schöpfenden Devotionsprogramme für Grabdenkmäler.52 Werke, die nach der Annahme der Beschlüsse des Trienter Konzils entstanden, kopierten die mittelalterlichen Muster nun nicht mehr, sondern betrachteten sie als ihren Ausgangspunkt.53 Dem berühmten, 1591 von Bischof Andreas von Jerin gestifteten silbernen Altar, der seinen Platz im umgebauten Chor der Breslauer Domkirche St. Johannes Baptist erhielt,54 gab man noch die traditionelle Form eines skulptierten 50 Kępiński, Zdzisław: Wit Stwosz w starciu ideologii religijnych Odrodzenia. Ołtarz Salwatora, Wrocław/Warszawa/Kraków 1969, 85–98. 51 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 4, 133; Chrzanowski/Kornecki (Hg.): Katalog zabytków, Bd. 7, H. 9: Powiat nyski, 148; Chrzanowski: Rzeźba lat 1560–1650, 38f.; Harasimowicz: Typy i programy śląskich ołtarzy, 11, 22; Steinborn, Bożena: Otmuchów. Paczków, Wrocław u. a. 21982 [11961] (Śląsk w Zabytkach Sztuki), 174–178; Harasimowicz: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 77f. 52 Harasimowicz: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 66–69. 53 Mâle, Émile: L’art religieux après le concile de Trente. Étude sur l’iconographie de la fin du XVIe siècle, du XVIIe et du XVIIIe siècle, Paris 1932; Knipping, John B.: De Iconografie van de Contra-Reformatie in de Nederlanden, Bd. 1–2, Hilversum 1939–1940; Göttler, Christine: Die Kunst des Fegefeuers nach der Reformation. Kirchliche Schenkungen, Ablaß und Almosen in Antwerpen und Bologna um 1600, Mainz 1996 (Berliner Schriften zur Kunst 7); Strecker, Freya: Augsburger Altäre zwischen Reformation (1537) und 1635. Bildkritik, Repräsentation und Konfessionalisierung, Münster 1998 (Kunstgeschichte 61). 54 Schultz, Alwin: Untersuchungen zur Geschichte der schlesischen Maler 1500–1800, Breslau 1882; 51; Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 1, 169; Burgemeister, Ludwig: Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien, Bd. 1: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau, Teil 1, Breslau 1930, 111, 114; Frey, Dagobert: Schlesiens künstlerisches Antlitz. In: Die Hohe Straße. Schlesische Jahrbücher für deutsche Art und Kunst im Ostraum 1 (1938) 12– 45, hier 35f.; Gündel, Christian: Die Goldschmiedekunst in Breslau, Berlin 1940 (Die Goldschmiedekunst der deutschen Städte), 28; Steinborn: Malarstwo śląskie 1520–1620, 54f.; Dębski, Jan: Ołtarz Główny Archikatedry Wrocławskiej 1591–1945. In: Colloquium Salutis 3 (1971) 123–136; Starzewska, Maria: Paweł Nitsch (1548–1609), złotnik wrocławski. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 11 (1977) 67–77, hier 69f., 74; Harasimowicz: Typy i programy śląskich ołtarzy, 10, 24; Starzewska: Fundacje artystyczne Andrzeja Jerina, 78f.; Harasimowicz: Funkcje katolickiego mecenatu artystycznego, 570–573; ders.: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 68; Oszczanowski, Piotr: Złotnictwo wrocławskie w czasach panowania cesarza Rudolfa II. Stan i perspektywy badań. In: Kapustka, Mateusz/Kozieł, Andrzej/ Oszczanowski, Piotr (Hg.): Śląsk i Czechy – wspólne drogi sztuki. Materiały konferencji naukowej dedykowane Profesorowi Janowi Wrabecowi, Wrocław 2007 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2953, Historia Sztuki 24), 189–202, hier 194–196; Szewczyk: Mecenat artystyczny biskupów wrocławskich, 106–108, 159f., 215, 218–220.

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Schreins mit beweglichen Flügeln. Nachtridentinisch sind jedoch die gemalten Szenen auf den Altarflügeln mit Darstellungen aus dem Leben Johannes des Täufers, des Patrons der Domkirche und der gesamten Diözese. Die mit dem Altar einsetzende Tendenz, die Verehrung heiliger Patrone erneut fest in den Bildprogrammen zu verankern, fand ihre Fortsetzung in dem Steinretabel in der Pfarrkirche St. Jakob zu Neisse, einer Stiftung des Bischofs Johann von Sitsch (1612) (Abb. 5).55 Neben der Darstellung der Mutter Gottes mit dem Kinde und den Heiligen Katharina und Hedwig erscheint hier die Gestalt des Hl. Heinrichs, des kanonisierten Kaisers Heinrich II. Auf diese Weise bekräftigte der Bischof die Übereinstimmung der Interessen von Kirche und Monarchie und sprach sich für eine Unterstützung der katholischen Sache durch den ,weltlichen Arm‘ aus. Energisch unterstrich er damit eine in Schlesien erstmals auf dem 1533 bis 1535 entstandenen Grabdenkmal für den Domherrn Stanislaus Sauer in der Stiftskirche zum Hl. Kreuz in Breslau vorgebrachte Forderung: Das Tympanon wird dort vom Porträt des König Matthias’ I. Corvinus beherrscht, eines Verfolgers der Hussiten.56 Sowohl Domherr Sauer, einer der wenigen im Kapitel, die die Reformation rückhaltlos bekämpften, als auch Bischof von Sitsch, der zu den Führern der schlesischen Gegenreformation gehörte, setzten ihre ganze Hoffnung auf die Herrschaft der katholischen Kirche mit der Idee eines kaiserlichen Katholizismus, einer unmittelbaren Unterordnung der Konfession unter die zentralistische Politik der Habsburger. Ausgangspunkt der gegenreformatorischen Offensive mußte für die katholische Kirche die Verbreitung und Propagierung der vom Konzil bestätigten Lehre sein. In vielen Gebieten Schlesiens schien diese ihren Siegeszug anzutreten, wobei eine tiefere Kenntnis der katholischen Glaubensartikel jedoch gering oder teilweise überhaupt nicht vorhanden war. Aus diesem Grund zog der nach 1621 in der von Katholiken und Protestanten gemeinsam genutzten Augustinerkirche zu Sagan errichtete Altar, eine Stiftung des dortigen Abtes Paul Weiner, einer Art ,bildliche 55 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 4, 96; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 100; Kębłowski: Nysa, 73; Chrzanowski: Rzeźba lat 1560–1650, 65f., 101, 127f.; Harasimowicz: Typy i programy śląskich ołtarzy, 12, 23; ders.: Funkcje katolickiego mecenatu artystycznego, 576; Sikorski: War der Breslauer Bischof Johannes von Sitsch ein Kunstmäzen?, 82f.; Harasimowicz: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 85; Szewczyk: Mecenat artystyczny biskupów wrocławskich, 109f., 159, 222f. 56 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 1, 180; Burgemeister: Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien, Bd. 1, Teil 1, 193; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 46– 49; Kębłowski, Janusz: Marmurowe płyty nagrobne Stanisława Sauera i Henryka Rybischa we Wrocławiu. In: Zeszyty Naukowe Uniwersytetu im. Adama Mickiewicza. Historia Sztuki 2 (1960) 2–77; ders.: Renesansowa rzeźba na Śląsku 1500–1650, Poznań 1967; 47–54; Zlat, Mieczysław: Sztuka renesansu i manieryzmu 1500–1650. In: Broniewski, Tadeusz/Zlat, Mieczysław (Hg.): Sztuka Wrocławia, Wrocław/Warszawa/Kraków 1967, 183–263, hier 210; ders.: Rzeźba i malarstwo w latach 1525–1650. In: Świechowski, Zygmunt (Hg.): Wrocław – jego dzieje i kultura, Warszawa 1978, 221–245, hier 224f.; Harasimowicz: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 85.

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Abb. 5. Der von dem Breslauer Bischof Johannes VI. von Sitsch gestiftete Steinaltar, der 1612 für die Pfarrkirche St. Jakob in Neisse entstand, zeigt ein entschieden gegenreformatorisch geprägtes Bildprogramm. Er hebt nicht nur die dominierende Rolle der Mutter Gottes stark hervor, sondern er fordert auch – durch Anknüpfung an den heiliggesprochenen Kaiser Heinrich – die weltliche Obrigkeit dazu auf, die durch Ketzerei gefährdete katholische Kirche ausdrücklich zu unterstützen.

Summe‘ des Katholizismus.57 Die Lehre von Trient erscheint hier in ihren hauptsächlichen Thesen: der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau und Gottesmutter Maria, der Gemeinschaft der Heiligen als Hort der Gnade der Kirche und des allein über die römisch-katholische Kirche führenden Weges zu Gott. In ausdrücklicher Ergänzung dieses Programms findet sich auf der Predella eine breit angelegte Darstellung der Bekehrung des Paulus auf dem Wege nach Damaskus – ein bildlicher Appell an die Lutheraner, der Häresie zu entsagen und in den Schoß der alleinseligmachenden Kirche zurückzukehren. Im Kampf um die ,Herrschaft über die Seelen‘ nahm die katholische Seite oft Zuflucht zu wörtlich-bildlichen Allegorien. Die „Allegorie der Kirche und des Segens der Sakramente“, im Jahr 1630 für die Pfarrkirche St. Michael zu Grottkau gestiftet,58 ist ein typisches Beispiel solcher 57 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 155; Harasimowicz: Typy i programy śląskich ołtarzy, 14, 23; ders.: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 85, Abb. 57. 58 Chrzanowski/Kornecki (Hg.): Katalog zabytków, Bd. 7, H. 3: Powiat grodkowski, 20; Chrzanowski, Tadeusz: Typus Ecclesiae – Hozjańska alegoria Kościoła. In: Sztuka pobrzeża Bałtyku.

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Abb. 6. Die allegorische Darstellung der Totenmesse, die 1651 an das Altarretabel in der Totenkapelle bei der Pfarrkirche St. Jakob in Neisse angebracht wurde, sollte die katholische Lehre vom Fegefeuer, die von sämtlichen Strömungen der Reformation strikt abgelehnt wurde, in Erinnerung rufen. Sie wurde durch das Tridentinische Konzil nicht nur aufrechterhalten, sondern sogar zu einem neuen und wesentlich höheren Rang erhoben.

Bildkompositionen. Die Darstellung ist allerdings zu kompliziert, wenig überschaubar und umständlich, um ihre Funktion, einen breiten Adressatenkreis zu erreichen, erfüllen zu können. Einfache Allegorisierungen grundlegender Glaubensartikel waren dieser Aufgabe besser gewachsen. Die „Allegorie der Totenmesse“ auf dem Altarbild der Totenkapelle bei der Pfarrkirche St. Jakob zu Neisse (1651)59 (Abb. 6) demonstriert beispielsweise auf ungewöhnlich eindringliche Art den ,Mechanismus‘, der wirksam wird, wenn durch das Meßopfer die im Fegefeuer gemarterten Seelen erlöst werden. Materiały sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki Gdańsk, listopad 1976, Warszawa 1978, 275–308; ders.: Działalność artystyczna Tomasza Tretera, Warszawa 1984, 45–51; Harasimowicz: Funkcje katolickiego mecenatu artystycznego, 580; ders.: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 85–89, Abb. 58. 59 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 4, 99; Chrzanowski/Kornecki (Hg.): Katalog zabytków, Bd. 7, H. 9, 84f.; Kębłowski: Nysa, 64; Harasimowicz: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach, 89.

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V. Die Intensivierung und Subjektivisierung religiöser Gefühle Nach dem Dreißigjährigen Krieg nahm die katholische Kirche schrittweise davon Abstand, die Schlüssigkeit ihrer Lehre mit Hilfe anspruchsvoller Allegorien unter Beweis zu stellen. Als die Argumente der Gewalt – Militärsteuern, Zwangseinquartierungen von Truppen, die zahlenmäßige Verminderung evangelischer Kirchen und die Schließung evangelischer Schulen – die Gewalt der Argumente zu ersetzen begannen, verlor die Kunst ihre Bedeutung als Mittel der Überzeugung. Sie wurde nun einerseits zu einem Werkzeug politisch-religiöser Indoktrination, andererseits zum aufwendigen visuellen Rahmen, zum angemessenen Festgewand für den kaiserlichen Katholizismus.60 Die in die Diaspora abgedrängte lutherische Bevölkerung, die jedoch noch immer in der Mehrheit war, erwartete von der Kunst dagegen etwas völlig anderes. Die Friedens-, Grenz- und Zufluchtskirchen waren zum begehrten Asyl für die verfolgten Gemeinden geworden. In ihrem Inneren wollte man die Tradition des Kirchbaus vergangener Epochen ebenso wie der unmittelbaren Vergangenheit fortgesetzt sehen (Abb. 51).61 Diese Gotteshäuser sollten zu eng mit der evangelischen und der schlesischen Überlieferung verbundenen Heiligtümern werden, und dem kaiserlichen Katholizismus durch ihre Existenz die Rolle eines kulturellen Erben vergangener Jahrhunderte streitig machen. Die Orientierung an der Vergangenheit, das hartnäckige Festhalten am Glauben der Väter, mußte sich in einen mehr oder weniger deutlich artikulierten Mystizismus auswachsen. Evangelische Frömmigkeit und Kirchenkunst knüpften an die Passionsandacht an und wiesen in Schlesien tatsächlich viel eher mystische Züge auf als in der Mehrzahl lutherischer Reichsterritorien.62 Der langandauernde Krieg und die brutalen Unterdrückungsmethoden beschleunigten den Prozeß der Intensivierung und Subjektivisierung religiöser Gefühle. Das Epitaph einer unbekannten Familie aus der Pfarrkirche St. Salvator zu Reichenstein (um 1625, heute im Nationalmuseum in Breslau) stellt mit seiner bildlichen Umsetzung der berühmten Erklärung des Paulus im achten Kapitel des Römerbriefes ein anschauliches Beispiel hierfür dar.63 Der sich ans Kreuz klammernde Mensch ist eine Personifizie60 Harasimowicz, Jan: Dialog wyznań w architekturze i sztuce śląskiej 1648–1742. In: Dánova, Helena/Klipa, Jan/Stolárová, Lenka (Hg.): Slezsko – země Koruny české. Historie a kultura 1300–1740, Praha 2008, Bd. B, 497–516. 61 Banaś: Studia nad śląską architekturą protestancką, 80f.; Harasimowicz, Jan: Die Eigenart der Renaissance- und Barockkunst in Schlesien. In: Garber (Hg.): Kulturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit, Bd. 2, 793–818, hier 796f. 62 Lieske: Protestantische Frömmigkeit, 198f., 247f.; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 65–70, 167; ders.: Mors janua vitae, 101–109; Wisłocki, Marcin: Sztuka protestancka na Pomorzu 1535– 1684, Szczecin 2005 (Biblioteka Naukowa Muzeum Narodowego w Szczecinie), 250–254. 63 Steinborn: Malowane epitafia mieszczańskie, 123; Kornecki, Marian: Złoty Stok. Srebrna Góra, Wrocław u. a. 1980 (Śląsk w Zabytkach Sztuki), 65; Harasimowicz: Mors janua vitae, 143f., Abb. 166.

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rung der gesamten evangelischen Bevölkerung Schlesiens, die sich den Prüfungen von „Schwert“, „Hunger“, „Angst“, „Trübsal“ und „Verfolgung“ ausgesetzt sah. Die evangelische Kirchenkunst des 16. und 17. Jahrhunderts in Schlesien kann die Charakteristik des Luthertums nur bestätigen, wie sie Max Weber vom soziologischen Standpunkt her definiert hat. Seiner Meinung nach fehlte es dem Luthertum an „Antrieben zu sozial oder politisch revolutionärer oder auch nur rationalreformerischer Haltung“.64 „Es gilt in der Welt und gegen sie“ – schrieb Weber weiter – „das Heilsgut des Glaubens zu bewahren, nicht sie rational ethisch umzugestalten. Wo nur das Wort rein und lauter verkündet wird, findet sich alles für den Christen Wesentliche von selbst, und es ist die Gestaltung der äußeren Ordnung der Welt, selbst der Kirche, ein Adiaphoron.“65 Der ideologische Konflikt zwischen schlesischen Lutheranern sowie Anabaptisten und Calvinisten, der so reiche künstlerisch-ideelle Früchte getragen hat, erklärt sich eben aus dieser Unlust, die Welt zu verändern, und aus dem Willen, den gesellschaftlichen und politischen Status quo zu erhalten. Die gegen Wiedertäufer und Calvinisten gerichteten Tendenzen in der Ausstattung und Ausschmückung lutherischer Kirchen bei gleichzeitigem Fehlen antikatholischer Züge zeigen eindringlich, daß religiöse Konflikte nur dann zu grundlegenden Änderungen im materiellen und ideellen Erscheinungsbild der Kunst führen können, wenn sie zugleich Ausdruck tiefer gesellschaftlicher Gegensätze sind.

64 Weber, Max: Die Erlösungswege und ihr Einfluß auf die Lebensführung. In: ders.: Grundriß der Sozialökonomik. 3. Abteilung: Wirtschaft und Gesellschaft, Halbbd. 1, Tübingen 21925 [11921], 303–330, hier 326. 65 Ebd., 327.

Die Altranstädter Konvention und die Kunstlandschaft Schlesiens um 1700 Der Sieg der Reformation in Schlesien stellte eine der eigentümlichsten Erscheinungen in der neuzeitlichen Geschichte Ostmitteleuropas dar, war dieses Land doch einem katholischen Landesherrn unterstellt und dazu noch – im Gegensatz zu den anderen dem Königreich Böhmen angegliederten Territorien – bis dahin der römischen Kurie grenzenlos treu.1 In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatten sich hier konfessionelle Neuerungen so stark eingewurzelt, daß dem in den Bruderkrieg mit Erzherzog Matthias verwickelten Kaiser Rudolf II. nichts anderes übrig blieb, als diesen Zustand rechtlich zu genehmigen. Der Majestätsbrief aus dem Jahr 1609, 1621 – bereits nach der Niederlage des böhmischen Aufstands – durch den sogenannten Dresdner Akkord bestätigt, gab den schlesischen Lutheranern Bürgschaften, die in keinem anderen formell katholischen Land ihresgleichen hatten.2 Selbst der zweifache Verrat evangelischer Stände im Dreißigjährigen Krieg – der Abschluß der Konjunktion mit den Befehlshabern der schwedisch-sächsischbrandenburgischen Truppen im Jahr 1633 und der Beitritt zur Heilbronner Konföderation ein Jahr später – hat im sogenannten Prager Frieden, 1635 von Kaiser Ferdinand II. mit dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. abgeschlossen, diese Bürgschaften nicht vollständig abgeschafft, sondern sie lediglich auf die Stadt Breslau und die unter der Herrschaft evangelischer Herzöge befindlichen Territorien eingeschränkt.3 Diese Bestimmungen wurden imWestfälischen Frieden 1648 wiederholt und zudem um die präzedenzlose Klausel über die Möglichkeit, in den Hauptstädten der schlesischen Erbfürstentümer der Krone Böhmen – Glogau, Jauer und Schweidnitz – drei neue evangelische Kirchen zu errichten, erweitert. Sie

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Maleczyński, Karol (Hg.): Historia Śląska, Bd. 1/2: Do roku 1763. Od połowy XIV do trzeciej ćwierci XVI w., Wrocław/Warszawa/Kraków 1961, 309–327; ders.: Historia Śląska, Bd. 1/3: Do roku 1763. Od końca XVI w. do r. 1763, Wrocław/Warszawa/Kraków 1963, 303– 321; Conrads, Norbert: Schlesiens frühe Neuzeit (1469–1740). In: ders. (Hg.): Schlesien, Berlin 1994 (Deutsche Geschichte im Osten Europas 3), 178–344; ders.: Książęta i stany. Historia Śląska 1469–1740, Wrocław 2005. Konrad, Paul: Der schlesische Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. vom Jahr 1609 in seiner Bedeutung für das städtische Konsistorium und die evangelischen Kirchengemeinden Breslaus, Breslau 1909; Wąs, Gabriela: Religionsfreiheiten der schlesischen Protestanten. Die Rechtsakte und ihre politische Bedeutung in Schlesien. In: Köhler, Joachim/Bendel, Rainer (Hg.): Geschichte des christlichen Lebens im schlesischen Raum, Teilbd. 1, Münster 2002 (Religions- und Kulturgeschichte in Ostmittel- und Südosteuropa 1), 451–482. Palm, Hermann: Die Conjunction der Herzöge von Liegnitz, Brieg und Oels, sowie der Stadt und des Fürstentums Breslau mit den Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg und der Krone Schweden in den Jahren 1633–35. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 3/2 (1861) 227–368.

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sollten außerhalb der Stadtmauern plaziert, turmlos und aus unbeständigen Baustoffen errichtet werden.4 Aus verständlichen Gründen kam dabei keinerlei finanzielle Unterstützung seitens des katholischen Landesherrn in Betracht (Abb. 7). In den Jahren 1653/54 wurden alle evangelischen Kirchen auf dem Gebiet der Erbfürstentümer, auch die neu errichteten oder grundlegend umgebauten, durch einen kaiserlichen Ausschuß gesperrt – ‚reduziert‘, wie man damals zu sagen pflegte.5 Sie sind formell katholisch geworden, auch wenn in vielen von ihnen katholische Gottesdienste gar nicht oder äußerst selten abgehalten wurden, denn das Volk blieb dem evangelischen Glauben treu, was zeitgenössische Vorschriften auch nicht verboten. Die Besuche der Gottesdienste in den Friedenskirchen in Glogau, Jauer und Schweidnitz sowie in den sogenannten Grenz- und Zufluchtskirchen, die sich entweder an den äußeren Grenzen zu Sachsen, Brandenburg und Polen oder den inneren Grenzen zu denjenigen schlesischen Gebieten, die die Freiheit der Augsburgischen Konfession beibehielten (die Fürstentümer Liegnitz, Brieg, Wohlau,

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Worthmann, Ludwig: Die Friedenskirche zur Heiligen Dreifaltigkeit vor Schweidnitz, Schweidnitz 1902; Heuber, Gotthard: Die evangelische Friedenskirche in Jauer genannt zum Heiligen Geist. Festschrift zur Feier des 250–jährigen Bestehens der Kirche, Jauer 1906; Wiesenhütter, Alfred: Der evangelische Kirchbau Schlesiens von der Reformation bis zur Gegenwart, Breslau 1926, 13–21; Worthmann, Ludwig: Führer durch die Friedenskirche zu Schweidnitz, Schweidnitz 1929; Bunzel, Hellmuth: Die Friedenskirche zu Schweidnitz. Geschichte einer Friedenskirche von ihrem Entstehen bis zu ihrem Versinken ins Museumsdasein, Ulm 1958; Eberlein, Werner: Die Friedenskirche zu Glogau, Ulm 1966; Grundmann, Günther: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien, Frankfurt am Main 1970 (Bau- und Kunstdenkmäler des deutschen Ostens C 4), 18–21; Banaś, Paweł: Studia nad śląską architekturą protestancką 2. połowy XVII wieku. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 8 (1971) 35– 89; ders.: Kościół Pokoju w Jaworze. In: Biuletyn Historii Sztuki 32 (1976) 218–222; Hutter-Wolandt, Ulrich: Die evangelische Friedenskirche „Zum Heiligen Geist“ zu Jauer-Jawor, Meckenheim 1994; Morawiec, Małgorzata: Die schlesischen Friedenskirchen. In: Duchhardt, Heinz (Hg.): Der Westfälische Friede. Diplomatie – politische Zäsur – kulturelles Umfeld – Rezeptionsgeschichte, München 1998 (Historische Zeitschrift, Beihefte N. F. 26), 741–756; Seidel-Grzesińska, Agnieszka: Kościół Pokoju w Świdnicy. Architektura, wystrój i wyposażenie z lat 1652–1741, phil. Diss (masch.), Wrocław 2000; Bormann, Michael: Die evangelischen Friedenskirchen in Jauer und Schweidnitz. Fachwerkgroßbauten aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. In: Materialien zu Bauforschung und Baugeschichte des Instituts für Baugeschichte der Universität Karlsruhe 2 (1991) 87–117; Harasimowicz, Jan: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien unter der habsburgischen Regierung. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 81 (2002) 79–87, hier 83–85; Seidel-Grzesińska, Agnieszka: Das „sichtbare Wort Gottes“ an der Decke der evangelischen Friedenskirche zu Schweidnitz. In: Garber, Klaus (Hg.): Kulturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit, Bd. 2, Tübingen 2005 (Frühe Neuzeit 111), 911–924; Sörries, Reiner: Von Kaisers Gnaden. Protestantische Kirchenbauten im Habsburger Reich, Köln/Weimar/Wien 2008, 26–28, 98–104. Berg, Julius: Die Geschichte der gewaltsamen Wegnahme der evangelischen Kirchen und Kirchengüter in den Fürstenthümern Schweidnitz und Jauer während des 17. Jahhrunderts. Mit zum großen Teil noch ungedruckten Urkunden und Belegen, Breslau 1854.

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Abb. 7. Die evangelische Kirche zur Heiligen Dreifaltigkeit in Schweidnitz wurde in den Jahren 1656 bis 1658 nach dem Entwurf des Breslauer Architekten Albrecht von Säbisch errichtet. Die Entscheidung über ihren Bau wurde gegen Ende des Dreißigjährigen Kriegs, während der Friedensverhandlungen in Münster und Osnabrück getroffen. Daher nannte man sie von Anfang an „Friedenskirche“. Unter diesem Namen wurde die Kirche 2001 in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes eingetragen.

Oels und die Stadt Breslau), befanden, festigten diese Einstellung.6 Sämtliche Versuche seitens der habsburgischen Obrigkeit, dieses ‚Auslaufen‘ einzuschränken, waren vergebens. In den Kirchen der evangelischen Diaspora, die mit großem Aufwand von den verarmten Gemeinden erbaut und ausgestattet wurden, pflegte man traditionelle 6

Eberlein, Gerhard: Die schlesischen Grenzkirchen im 17. Jahrhundert. Vorträge gehalten auf der VI. Generalversammlung des Vereins für Reformationsgeschichte am 11. April 1901 in Breslau, Halle a. d. S. 1901; Banaś, Paweł: Kościoły poewangelickie w Rudnej i Pogorzeliskach. Próba interpretacji. In: Treści dzieła sztuki. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki Gdańsk, grudzień 1966, Warszawa 1969, 235–249; Grundmann: Der evangelische Kirchenbau, 21–27; Schirge, Alfred: Grenz- und Zufluchtskirchen für evangelische Niederschlesier im 17. und 18. Jahrhundert. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 76/77 (1997/98) 205–226; Gibski, Daniel: ‚Iustus ut palma florebit‘. Poewangelicki kościół w Pogorzeliskach jako przykład śląskiej świątyni diasporalnej z XVII wieku. In: Harasimowicz, Jan (Hg.): Sztuka i dialog wyznań w XVI i XVII wieku. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki Wrocław, listopad 1999, Warszawa 2000, 307–323; Szupieńko, Stanisław: Dawne kościoły graniczne i ucieczkowe księstwa legnickiego jako problem badawczy i konserwatorski. In: Harasimowicz, Jan/Lipińska, Aleksandra (Hg.): Dziedzictwo reformacji w księstwie legnicko-brzeskim. Das Erbe der Reformation in den Fürstentümern Liegnitz und Brieg, Legnica 2007 (Źródła i Materiały do Dziejów Legnicy i Księstwa Legnickiego 4), 367–377; Sörries: Von Kaisers Gnaden, 29–32, 104–110.

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Formen im Stil der Renaissance und des Manierismus, die relativ selten durch eine neue barocke, meistens auf das Motiv stilisierter Akanthusblätter zurückzuführende Ornamentik bereichert wurden. Die Notwendigkeit, zahlreichenen Glaubensbrüdern Platz anzubieten, erzwang den Einbau zusätzlicher Emporen in die Kirchen. Dadurch entstanden neue Entwicklungsmöglichkeiten für bildliche Erzählungen. So umfassen die Brüstungen der zwei ältesten Emporen der Friedenskirche in Jauer 143 Bilder aus dem Alten und Neuen Testament (Abb. 51),7 mit einem gereimten Wortkommentar versehen; fast genauso viele biblische Darstellungen wurden an den Brüstungen der drei Emporen in der Zufluchtskirche in Probsthain (Kreis Goldberg) angebracht.8 Die Quelle dieser Dekorationen, die angesichts der Schließung der meisten evangelischen Schulen wichtige didaktische und erbauliche Funktionen erfüllten, waren populäre bebilderte Bibelausgaben, insbesondere die sogenannte Merian-Bibel. Die katholische Partei – vor allem die großen Klöster der Zisterzienser, der Prämonstratenser und der Augustiner-Chorherren – versuchte seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts ihre auf dem Konzil von Trient erneuerte Doktrin mit Hilfe von Kunststiftungen in den stilistischen Formen der Renaissance und des Manierismus zu fördern.9 Die mehrere Bilder umfassenden narrativen Zyklen, die an den Emporenbrüstungen evangelischer Kirchen die Aufgabe einer ‚Laienbibel‘ bestens erfüllten, erwiesen sich jedoch an katholischen Altarretabeln, deren Programme wegen der unterschiedlichen Funktionen einzelner Altäre nicht zu einheitlichen Zyklen vereinigt werden konnten, als weniger nützlich. Man konnte zwar auf die Sprache der Allegorie zurückgreifen, und es wurden solche Versuche auch unternommen (Abb. 6).10 Alles das gewährte jedoch keinerlei Garantie dafür, daß die katholische Botschaft die dem Papsttum und der habsburgischen Obrigkeit gegenüber mißliebig gestimmten breiten Massen erreichte. Neue Möglichkeiten schuf erst die Kunst des Barock, die während der Endphase des Dreißigjährigen Krieges aus Prag, Wien

7 Banaś: Studia nad śląską architekturą, 53–61, 83–87; Radosz, Patrycja: Dekoracja biblijna II i IV empory w kościele Pokoju w Jaworze, Magisterarbeit (masch.), Wrocław 2006. 8 Chrzanowska-Pluta, Diana: Architektura i wystrój dawnego kościoła ucieczkowego w Proboszczowie, Magisterarbeit (masch.), Wrocław 2004. 9 Harasimowicz, Jan: Der Einfluß von Glaubenskonflikten auf die schlesische Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Acta Poloniae Historica 61 (1990) 117–139; ders.: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach wieku reformacji na Śląsku. In: Rocznik Historii Sztuki 18 (1990) 31–95; ders.: Die Glaubenskonflikte und die kirchliche Kunst der Konfessionalisierungszeit in Schlesien. In: Berichte und Beiträge des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e. V. 1997. Öffentliche Vorträge, Leipzig 1998, 149–169; ders.: Rywalizacja wyznań w architekturze i sztuce śląskiej czasów nowożytnych. In: Quart 2/2 (2007) 16–25. Vgl. ferner Jaroszewska, Anna: Fundacje artystyczne wrocławskich premonstratensów w XVI i XVII wieku, Magisterarbeit (masch.), Wrocław 1997. 10 Harasimowicz: Der Einfluß von Glaubenskonflikten, 136f.; ders.: Die Glaubenskonflikte, 164f.

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Abb. 8. Der Bau der stattlichen evangelischen Friedenskirche außerhalb der Stadtmauern von Schweidnitz zwang die katholische Partei zu zahlreichen großzügigen Kunststiftungen in der Stadt selbst. Dazu gehörte die Errichtung des neuen Hochaltars in der Pfarrkirche St. Stanislaus und Wenzel (1690–1694, Bildschnitzer Johann Riedel). Wegen seines Formenreichtums und der Komplexität des Inhalts bekam er den Beinamen Domus Sapientiae Svidnicensis.

und Krakau nach Schlesien gelangte.11 Die Jesuiten übertrugen den neuen Typ der Wandpfeiler-Basilika hierher, und das sowohl in der turmlosen, direkt an die Mutterkirche Il Gesù in Rom anknüpfenden, als auch in der den lokalen Vorlieben näherstehenden doppeltürmigen Variante.12 Zahlreiche Kirchen mittelalterlicher Herkunft wurden weitgehend barockisiert, entweder durch das Anbringen eines das Kircheninnere vereinheitlichenden Stuckdekors oder durch Aufstellung monumentaler Altarretabel, die manchmal die Form selbständiger Tempel einnahmen (Abb. 8).13 Die Regel passiver Übernahme fertiger Bildmuster in die Kirchen, die 11 Ders.: Der Eigenart der Renaissance- und Barockkunst in Schlesien. In: Garber: Kulturgeschichte Schlesiens, Bd. 2, 793–818, hier 796–798. 12 Kalinowski, Konstanty: Architektura barokowa na Śląsku w drugiej połowie XVII wieku, Wrocław u. a. 1974 (Studia z Historii Sztuki 21), 99–103, 134–175; ders.: Architektura doby baroku na Śląsku, Warszawa 1977, 53–56, 94–108. 13 Gumiński, Samuel: Domus Sapientiae Svidnicensis. In: Studniarkowa, Elżbieta (Hg.): Funkcja dzieła sztuki. Materiały Sesji Stowarzyszenia historyków Sztuki Szczecin, listopad 1970, Warszawa 1972, 243–260; Kalinowski, Konstanty: Rzeźba barokowa na Śląsku, Warszawa 1986, 87; Dziurla, Henryk: Christophorus Tausch, uczeń Andrei Pozza, Wrocław 1991 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1322, Historia Sztuki 5); Baumgarten, Jens: Konfession, Bild

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– wie es in Jauer ersichtlich ist – die Vergabe von Aufträgen an durchschnittlich oder gar unbegabte Künstler nicht ausschloß, wurde durch Kriterien künstlerischer Kompetenz und Kreativität ersetzt. So konnten bald die Talente Michael Leopold Willmanns14 und Thomas Weissfeldts,15 die der schlesischen Malerei und Plastik des Barock europäischen Rang verliehen, aufleuchten. Die Offensive der katholischen Kirche nahm deutlich zu, nachdem 1675 die herzogliche Dynastie der Piasten erloschen war und die Fürstentümer Liegnitz, Brieg und Wohlau in den Erbbesitz der Habsburger gelangt waren. Man hat jeden Anlaß genutzt, um protestantische Gottesdienste in den auf dem Gebiet dieser Fürstentümer befindlichen Kirchen zu verhindern.16 Die lokalen Stände leisteten dem mehr – wie in Liegnitz – oder weniger erfolgreich – wie in Brieg – Widerstand. Im ausgehenden 17. Jahrhundert und zu Beginn des 18. Jahrhunderts brachte es die kaiserliche Verwaltung zuwege, für den evangelischen Kultus dermaßen wichtige Gotteshäuser wie die städtischen Pfarrkirchen in Goldberg, Haynau, Lüben, Parchwitz, Ohlau, Nimptsch, Kreuzburg, Pitschen, Wohlau, Steinau, Raudten, Herrnstadt und Winzig zu sperren. Ein großer Triumph des ‚kaiserlichen Katholizismus‘ war auch die Stiftung – trotz des Widerstands des protestantischen Stadtrates – der Jesuiten-Universität durch Leopold I. in Breslau im Jahr 1702.17 Symbolische Bedeu-

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und Macht. Visualisierung als katholisches Herrschafts- und Disziplinierungskonzept in Rom und im habsburgischen Schlesien 1560–1740, Hamburg/München 2004 (Hamburger Veröffentlichungen zur Geschichte Mittel- und Osteuropas 11), 173–180. Kloss, Ernst: Michael Willmann. Leben und Werke eines deutschen Barockmalers, Breslau 1934; Lossow, Hubertus: Michael Willmann (1630–1706). Meister der Barockmalerei, Würzburg 1994; Kozieł, Andrzej: Rysunki Michaela Willmanna (1630–1706), Wrocław 2000 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2212, Historia Sztuki 14); Grimkowski, Rüdiger: Michael Willmann – Barockmaler im Dienst der katholischen Konfessionalisierung. Der Grüssauer Josephszyklus, Berlin 2005; Mikuda-Hüttel, Barbara: Michael Willmann und die Anfänge der deutschen Deckenmalereien des Barock. In: Garber: Kulturgeschichte Schlesiens, Bd. 2, 867–889; Kozieł, Andrzej: Angelus Silesius, Bernhard Rosa i Michael Willmann, czyli sztuka i mistyka na Śląsku w czasach baroku, Wrocław 2006 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2872, Historia Sztuki 23). Wiese, Erich: Thomas Weissfeldt, ein nordischer Barockbildhauer in Schlesien. In: Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen 55/2 (1934) 57–88; Kalinowski: Rzeźba barokowa, 159– 167; Organisty, Adam: Z Norwegii na Śląsk: problem genezy artystycznej Thomasa Weissfeldta (1671–1721). In: Harasimowicz, Jan/Oszczanowski, Piotr/Wisłocki, Marcin (Hg.): Po obu stronach Bałtyku. Wzajemne relacje między Skandynawią a Europą Środkową. On the Opposite Sides of the Baltic Sea. Relations between Scandinavian and Central European Countries, Bd. 1, Wrocław 2006, 225–239. Velsen, Dorothee von: Die Gegenreformation in den Fürstentümern Liegnitz-Brieg-Wohlau. Ihre Vorgeschichte und ihre staatsrechtlichen Grundlagen, Leipzig 1931. Patzak, Bernhard: Die Jesuitenbauten in Breslau. Ein Beitrag zur Geschichte des Barockstiles in Deutschland, Straßburg 1918 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 204); Dziurla, Henryk: Uniwersytet Wrocławski, Wrocław u. a. 1975; ders.: Uniwersytet Wrocławski. Kompleks Leopoldyński, Wrocław 1997; Rabe, Carsten: Alma Mater Leopoldina. Kolleg und

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tung hatte der Standort der neuen Hochschule: die ehemalige königliche und kaiserliche Burg, der einzige wichtige öffentliche Bau, der nicht der städtischen Jurisdiktion unterstand. An der Stelle des nach und nach abgerissenen Burgkomplexes ist bereits zuvor die Universitätskirche Zum Allerhöchsten Namen Jesu errichtet worden.18 Das monumentale Fresko in ihrem Gewölbe sollte der aus Wien angereiste Hofmaler des Kaisers Leopold, Johann Michael Rottmayr, schaffen. Der Zustand permanenter Bedrückung begünstigte die Verbreitung mystischer Neigungen unter den schlesischen Protestanten, er öffnete die voneinander isolierten Gemeinschaften für die Einflüsse neuer Ideenströmungen, mit dem Halleschen Pietismus an der Spitze (Abb. 16).19 Auch auf katholischer Seite, vielleicht die Jesuiten ausgenommen, waren triumphale Töne eher eine Seltenheit, zumal die seit 50 Jahren mit großem Aufwand an Kräften und Mitteln betriebene Gegenreformation keinen spektakulären Erfolg brachte, zumindest nicht in Form einer deutlich erkennbaren Welle von Konversionen. Das Programm der geistigen Erneuerung, in dem um den Abt der Grüssauer Zisterzienser Bernhard Rosa versammelten Kreis formuliert,20 dem unter anderen der Dichter und Mystiker Johannes Scheffler (Angelus Silesius) sowie der Maler Michael Leopold Willmann angehörten, erwies sich als allzu elitär, der Frömmigkeitspraxis und dem Brauchtum des schlesischen Volkes entrückt. Er versuchte darüber hinaus, den katholischen Glauben von politischen Dienstbarkeiten zu befreien. Damit konnte man die Gunst der habsburgischen Obrigkeit nicht gewinnen. Die Altranstädter Konvention – Kaiser Joseph I. Anfang September 1707 vom schwedischen König Karl XII. aufgezwungen21 – traf diesen merkwürdig verwickelten, erdrückend-repressiven Zustand wie ein Blitz aus dem heiteren Himmel. Bereits die erste Bestimmung des im Jahr 1709 nach lang andauernden und mühsamen Verhandlungen verabschiedeten Exekutionsrezesses brachte die Aufhebung der äußerst schmerzlichen Symbol- und Prestige-Restriktionen, die 1648 über die drei schlesischen Friedenskirchen verhängt worden waren: „Wie denn auch allerhoechst=erwehnte Ihro Kayserl. und Koenigl. Maj. auf speciale Intercession

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Universität der Jesuiten in Breslau 1638–1811, Köln/Weimar/Wien 1999 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte 7). Patzak: Die Jesuitenbauten, 1–18, 116–118; Kalinowski: Architektura barokowa, 155–158; Dziurla: Uniwersytet Wrocławski, 77–89; Kalinowski: Architektura doby baroku, 105–107; Baumgarten: Konfession, Bild und Macht, 180–191. Szupieńko, Stanisław: Mistyka oblubieńcza w programie dekoracji malarskiej kościoła poewangelickiego w Kościelcu koło Legnicy. In: Kozieł, Andrzej/Lejman, Beata (Hg.): Willmann i inni. Malarstwo, rysunek i grafika na Śląsku i w krajach ościennych w XVII i XVIII wieku, Wrocław 2002, 192–199. Rose, Ambrosius: Abt Bernardus Rosa von Grüssau, Stuttgart 1960; Kozieł: Angelus Silesius. Conrads, Norbert: Die Durchführung der Altranstädter Konvention in Schlesien 1707– 1709, Köln/Wien 1971 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 8).

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Seiner Koenigl. Maj. von Schweden/ die Erbauung der Thuerme/ Verstattung des Glocken=Klangs/ und den oeffentlichen Leichen=Conduct, jedoch salvis in omnibus Juribus Stolae, so denen daselbigen Catholischen Stadt=Parochis zukommen und gebuehren/ nicht difficultiren/ auch Allergnaedigst zulassen werden/ daß gemeldete drey Kirchen/ und neuaufgerichtete Schulen/ aus Mauren und Stein (jedoch wenn solche einen Stueck=Schuß weit von der Stadt hinaus entfernet wuerden) erbauet werden moechten.“22 Innerhalb einer relativ kurzen Zeit wurden an allen drei Kirchen Türme errichtet; der Klang der dort befindlichen Glokken verkündete seitdem in Gegenwart aller, daß sich in Schlesien vor den Toren dreier wichtiger königlicher Städte die Anlagen der ‚evangelischen Zione‘ erhoben. In die folgenden Bestimmungen des oben erwähnten Rezesses wurden die Beschlüsse über die Rückgabe mancher nach 1675 entzogener Kirchen und Kapellen in den Fürstentümern Liegnitz, Brieg und Wohlau an Protestanten (der eine vollständige Liste, die 125 Bauten umfaßte, als Anhang beilag23) sowie über die Wiederbelebung der durch den Piastenherzog Georg Rudolf gegründeten JohannesStiftung und die Nutzung ihres Kapitals für die Errichtung einer Ritterakademie in Liegnitz aufgenommen. Die Urkunde wurde durch eine Bestimmung abgeschlossen, die während der Verhandlungen wohl für die meisten Kontroversen sorgte: „Was endlich die verlangte Erlaubnueß uebr die/ nach dem Westphaelischen Friedens=Schlusse/ in denen Vorstaedten zu Schweidnitz/ Jauer/ und Glogau erbauete drey kirchen/ annoch eine groeßere Anzahl Kirchen und Schulen concerniret; So wollen Ihro Kayserl. und Koenigl. Maj. zu Bezeigung dero gegen Ihro Koenigl. Maj. von Schweden stets hegenden Freund=Bruederlichen Propension, und wie begierig Sie seyn/ alles dasjenige beyzutragen/ was zu ferner=weitiger Cultivirung bestaendig=guten Vernehmens und Freundschaft gereichen koente: Wie nicht minder um diesen so viel= und langjaehrigen Religions=Negotio einen vollkommenen Ausschlag zugeben/ mithin sich von allen weiteren dißfaelligen Angehen hinfuero zubefreyen/ Allergnaedigst erlauben und zulassen/ daß oefters erwehnten unveraenderten Augsp. Confessions-Verwandten/ ueber oben gemeldete drey Kirchen/ annoch eine Anzahl von andern sechs Kirchen/ und dazugehoerigen Schulen/ nach Art und Weise/ obgeruegter Schweidnitz= Jauer= und Glogauischen Kirchen/ und zwar dergestalten/ daß selbige keine Actus Parochialis zum Praejudiz der daselbigen Catholischen Pfarrer zu exerciren befugt seyn/ weniger denen Parochis locis an ihrer Stola, Zehenden/ oder andern Accidentiis einigen Eintrag thun/ auch

22 Der Exekutionsrezeß zur Altranstädter Konvention (Teil I): Schreiben der kaiserlichen Kommission zur Durchführung der Altranstädter Konvention an Hennig Freiherrn von Stralenheim. Breslau, 8. Februar 1709. In: Conrads: Die Durchführung, 355–360, hier 356. 23 Der Exekutionsrezeß zur Altranstädter Konvention (Teil II): Verzeichnis der zurückgegebenen Kirchen. Breslau, 8. und 28. Februar 1709. Ebd., 360–364.

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Abb. 9. Die Errichtung der evangelischen Gnadenkirche zum Heiligen Kreuz in Hirschberg (1709–1718), während der Verhandlungen über die Umsetzung der Beschlüsse der Altranstädter Konvention vereinbart, wurde zum Manifest der Beständigkeit und der Macht der evangelischen Kirche in Schlesien. Der Baumeister der Kirche, Martin Frantz aus Reval (Tallinn), griff auf das Vorbild der damals allgemein bewunderten St. Katharinenkirche in Stockholm zurück.

quod praesentationem Ministrorum auf gleiche Weise/ wie obige benahmsete drey Kirchen verfahren/ und die Praesentatos, zu allergnaedigsten Kayserl. Confirmation, so denn jedesmal einsenden sollen/ auf ihre selbst eigene Unkosten/ in denen

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ihnen denominirenden Oertern/ auf denen aussteckenden Plaetzen frey und ungehindert erbauen moegen.“24 Die neuen Kirchen, deren kirchenrechtlicher Status sich – wie es deutlich in dem Exekutionsrezeß stand – auf die Friedenskirchen stützen sollte, entstanden innerhalb einiger darauf folgender Jahre in Sagan, Freystadt, Hirschberg, Landeshut, Militsch und Teschen,25 wobei insbesondere die letztgenannte, von allen bisher existierenden evangelischen Kultstätten weit entfernt, die Lebendigkeit des lutherischen Glaubens unter dem oberschlesischen Adel und einfachen Volk förderte.26 Die Errichtung aller sechs Kirchen war von geradezu unerhörtem Enthusiasmus und Opferbereitschaft begleitet, deren Widerhall bis heute in zahlreichen im Druck veröffentlichten Predigten, die jeweils die einzelnen Bauetappen abschlossen, nachklingt.27 Dies sollte selbstverständlich niemanden verwundern: Es entstanden nämlich weitere ,evangelische Zione‘, die nicht nur die Kirche selbst, sondern auch das Pfarrhaus, die Schule und den Friedhof umfaßten. Für einen Großteil der Angehörigen der lutherischen Diaspora war die Zeit, in der sie lange Reisen auf sich nehmen mußten, um das ,lebendige Wort Gottes‘ zu hören, eindeutig zu Ende, für andere verkürzten sich diese hierfür zurückzulegenden Wegstrecken und waren nicht mehr so umständlich.

24 Ebd., 359f. 25 Grundmann: Der evangelische Kirchenbau, 27–36; Kalinowski: Architektura doby baroku, 209–212; Harasimowicz: Der evangelische Kirchenbau, 86f.; Sörries: Von Kaisers Gnaden, 35–37, 111–120. 26 Wagner, Oskar: Mutterkirche vieler Länder. Geschichte der Evangelischen Kirche im Herzogtum Teschen 1545–1918/20, Wien/Köln 1978. 27 Es seien nur drei Beispiele genannt: [Lucius, Samuel]: Freystadtisches Danck= und Denck=Mahl/ bey Legung des ersten Grund=Steins/ welcher auf Allergnädigste Erlaubniß […] Unsers Allergnädigsten Kaysers/ Königes/ und Landes=Fürsten/ in Gegenwart einer Volck=reichen Anzahl/ den 22. Maji. Anno MDCCIX. verrichtet wurde […]. Goerlitz/ gedruckt bey Michael und Jacob Zippern [1709]; [Sommer, Christoph]: Gratia Dei et Caesaris Gloria. Gottes und des Kaysers glorwürdige Gnade/ An. MDCCIX. Den V. Jun. vor Landeshutt/ Bey Legung des Grund= und Ersten Steins/ zu der aldar Von Ihro Röm. Kayser= und Königl. Majestät Josepho I. Denen Erster unveränderter Augspurgischen Confession-Verwandten/ Evangelischen Bürgerschaft und Glaubens=Genossen/ allergnädigst erlaubten/ und den 25. April vorher/ durch hohe Kayserliche Commission, zu erbauen angewiesenen und bestättigten Evangelischen Gnaden=kirche/ […]. Breßlau/ in der Baumann. Erben Druckerey/ druckts Joh. Jancke/ Factor [1709]; [Kopisch, Christian Ernst]: Eine in heiliger Freude Gott wohlgefaellige Cantzel=Weyhe. Ward nebst der, vermoege neu angefangener Sonn- und Fest=taeglichen Lehr=Art, Gott wohlgefaelligen Herzens=Weyhe zu einer Kirch und Tempel des lebendigen Gottes/ am IV. Sonntage des Advents/ war den 22. Dec. 1720. Bey Gelegenheit des gewoehnl. Sonntags=Evangelii Joh. I.19–28. der Evangelischen Gemeine bey der neuerbauten Kirchen zur Heil. Dreyfaltigkeit vor Landeshutt/ Als dießelbe von einem vornehmen Wohlthaeter mit einer schoenen Cantzel war gezieret worden, in der allerersten Predigt [..] in öffentlicher Versammlung gezeiget/ und ferner auf vieler Begehren zum Druck übergeben […]. Hirschberg [1720].

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Die Kraft der Altranstädter Konvention errichteten Kirchenbauten, die bald die Bezeichnung ‚Gnadenkirchen‘ bzw. ‚aus Gnade geschenkte‘ Kirchen erhielten, knüpften an unterschiedliche Vorbilder an. Die in Sagan, Freystadt und Militsch wiederholten in allgemeinen Grundzügen die Konstruktion und das räumliche Schema der Friedenskirchen, die in Hirschberg und Landeshut knüpften – als Dankzeichen für den schwedischen König – an die Katharinenkirche in Stockholm an.28 Die Kirche in Teschen schließlich, die seit Jahrzehnten erste evangelische Kirche in Oberschlesien, stützte sich auf das katholische Vorbild der Wandpfeiler-Basilika, jedoch unter Verzicht auf jegliche Dekoration und Pracht (Abb. 52).29 Die unkonventionelle Fensteranordnung im Chorabschluß, die das Innere der Teschener Jesus-Kirche mit eigentümlichem Licht durchtränkt, könnte mit der Idee der sogenannten Heilsordnung, die die aufeinanderfolgenden Stufen der mystischen Vereinigung mit Gott festlegte, in Zusammenhang stehen.30 Diese Denkweise stand dem Pietismus der Halleschen Prägung nahe, der damals gerade in Teschen, weit mehr als in den übrigen Zentren Schlesiens, stark Fuß faßte.31 28 Grundmann, Günther: Die Baumeisterfamilie Frantz. Ein Beitrag zur Architekturgeschichte des 18. Jahrhunderts in Schlesien, Schweden und Polen, Breslau 1937, 29–34, 98–118; Prüfer, Erich: Die Hirschberger Gnadenkirche, Ulm 1957; Grundmann, Günther: Karl XII. von Schweden und die Gnadenkirchen in Hirschberg und Landeshut in Schlesien. In: Schlesien 9 (1964) 14–25; Brügmann, Martin: Die Gnadenkirche zur Heiligen Dreifaltigkeit vor Landeshut in Schlesien, Düsseldorf 1969; Wacław, Magdalena: Kościół Łaski w Kamiennej Górze. Architektura i wyposażenie, Magisterarbeit (masch.), Wrocław 1997; Langer, Andrea: Protestantische Kunst im katholisch regierten Schlesien. Die Gnadenkirchen in Hirschberg und Landeshut. In: Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 5 (1997) 55–80; dies.: Die Gnadenkirche ‚Zum Kreuz Christi‘ in Hirschberg. Zum protestantischen Kirchenbau Schlesiens im 18. Jahrhundert, Stuttgart 2003 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 13); Oszczanowski, Piotr: ,Dziękując żarliwie na kolanach Bogu i Jego cesarskiej Wysokości‘ – kościół Trójcy Świętej w Kamiennej Górze jako pomnik historii, sztuki i religii. In: Zawiła, Gabriela (Hg.): Historia parafii ewangelickiej w Kamiennej Górze, Kamienna Góra 2007, 7–23; Sörries: Von Kaisers Gnaden, 113–115. 29 Biermann, Gottlieb: Geschichte der evangelischen Kirche Österreichisch-Schlesiens mit besonderer Rücksicht auf die Gnadenkirche vor Teschen. Denkschrift zum 150jährigen Jubelfeste der evangelischen Jesuskirche vor Teschen, Teschen 1859; Zahradnik, Paul: Die Jesuskirche vor Teschen. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 37 (1958) 97–102; Wojak, Tadeusz: Kościół Jezusowy na Wyższej Bramie w Cieszynie, Warszawa 1973; Czarnecka, Alicja: Ewangelicki kościół Jezusowy w Cieszynie, Magisterarbeit (masch.), Wrocław 2000; Sörries: Von Kaisers Gnaden, 115–117. 30 Harasimowicz, Jan: Architektur und Kunst. In: Lehmann, Hartmut (Hg.): Geschichte des Pietismus, Bd. 4: Glaubenswelt und Lebenswelten, Göttingen 2003, 456–485, hier 462f.; ders.: Der Pietismus und der evangelische Kirchenbau der Frühen Neuzeit im kontinentalen Europa. In: Sträter, Udo (Hg.): Interdisziplinäre Pietismusforschung. Beiträge zum Ersten Internationalen Kongreß für Pietismusforschung 2001, Bd. 1, Tübingen 2005 (Hallesche Forschungen 17), 83–105, hier 84–89. 31 Patzelt, Herbert: Der Pietismus im Teschener Schlesien 1709–1730, Göttingen 1969 (Kirche im Osten. Monographien 8); Wagner: Mutterkirche vieler Länder, 60–96; Meyer, Dietrich:

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Abb. 10. Selbst monumentale architektonische Formen und eine üppige Ausstattung konnten die Ansprüche der Stifter der Gnadenkirche in Hirschberg – wohlhabender Kaufleute – nicht befriedigen. Von 1734 bis 1751 schufen die Maler Felix Anton Scheffler und Johann Franz Hoffmann in ihrem Auftrag im Gewölbe der Kirche großangelegte Fresken biblischen Inhalts. Die Pracht der Dekoration war fortan derjeniger zeitgleich entstandener katholischer Bauwerke vergleichbar.

Den größten Ruhm, der weit über die Grenzen der Region hinausreichte, erlangte die monumentale Gnadenkirche zum Heiligen Kreuz in Hirschberg (Abb. 9). Ihr auf zahlreichen Zeichnungen und Radierungen verewigter Baukörper wurde für die schlesischen Protestanten – wie das Beispiel eines Bildes an einer der Emporen der Zufluchtskirche in Neudorf am Gröditzberg belehrt – zum Inbegriff des evangelischen Gotteshauses, das gemäß dem Dritten Gebot Gottes an jedem Sonnund Feiertag aufzusuchen ist.32 Das architektonische Ausmaß des Hirschberger Bauwerkes war das Resultat der Ambitionen der Kaufleute vor Ort, die zu damaliger Zeit aus dem Handel mit schlesischen und böhmischen Leinenstoffen riesige Erträge erzielten. Ihr Gotteshaus ließen sie mit einer beachtlichen Steinkanzel sowie mit einem reich geschnitzten Altar, der eine unzertrennliche Einheit mit dem Orgelprospekt darstellte, ausstatten (Abb. 10).33 Im Jahr 1734 erhielt der bekannte Der Einfluß des hallischen Pietismus auf Schlesien. In: Wallmann, Johannes/Sträter, Udo (Hg.): Halle und Osteuropa. Zur europäischen Ausstrahlung des hallischen Pietismus, Tübingen 1998 (Hallesche Forschungen 1), 211–229. 32 Dobrzyniecki, Arkadiusz/Seidel-Grzesińska, Agnieszka (Hg.): Agresorzy – obrońcy. Obecność szwedzka w Europie Środkowej XVII – XVIII wieku. Katalog wystawy, Wrocław 2003, 71– 77, Kat.-Nr. 36–45. 33 Langer: Die Gnadenkirche ‚Zum Kreuz Christi‘, 111–124; Broniewski, Maciej: Barokowy prospekt organowy w kościele Łaski w Jeleniej Górze, Poznań 2004.

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süddeutsche Freskenmaler Felix Anton Scheffler, der bis dahin ausschließlich Ausmalungen von Bauwerken der katholischen Kirche geschaffen hatte, einen Auftrag über die Malereien im Langhausgewölbe nach den in der Barockzeit allgemein geltenden Quadraturregeln.34 Auf spektakuläre Art und Weise kehrte man also der traditionellen Form flacher Deckenmalereien den Rücken, die erst unlängst mit großem Aufwand an Mitteln in der Friedenskirche in Schweidnitz geschaffen worden waren. Die Ereignisse der Jahre 1707 bis 1709 – die Unterzeichnung und Ratifizierung der Altranstädter Konvention, der Durchzug schwedischer Truppen durch Schlesien in Begleitung der ‚betenden Kinder‘,35 die Unterzeichnung und das Inkrafttreten des Exekutionsrezesses – enthüllten die bisher nicht völlig bewußt gewordene Tiefe der konfessionellen Spaltung; sie lösten eine Aufregung aus, die in ihrer Intensität der lange vergangenen Zeit des Reformationsdurchbruchs glich, als zwischen Luther und seinen Anhängern und den Verteidigern des altkirchlichen Universalismus ein hartnäckiger Propagandakampf ausbrach. Die evangelische Partei fing wieder an, Medaillen mit Darstellungen von Papst und Teufel auf dem Avers sowie von Kardinal und Narr auf dem Revers zu prägen, es tauchten auch Medaillen auf, die einen lutherischen Geistlichen darstellten, der dem Papst den Mund zuhält und einen katholischen Prediger vom Altar wegjagt.36 Die katholische Partei zahlte es mit gleicher Münze zurück: Der am 6. April 1708 errichtete Aufbau des Ostergrabes in der Stiftskirche St. Aegidius auf der Breslauer Dominsel zeigte das Kreuz mit Hostie und der konstantinischen Devise IN HOC SIGNO VINCES, und ein zu seinen Füßen liegendes Weib, das die besiegte und gedemütigte Gerechtigkeit symbolisierte (Abb. 11).37 Ihre Begleitung bildeten links Papst Clemens XI., der auf Tafeln mit Ansichten verlorengegangener Kirchen verweist, und rechts der ratlos thronende Kaiser Joseph I. Im Vordergrund wurden triumphierende ‚Wiedersacher‘ – unter anderem Lutheraner und Calvinisten – gezeigt. Manche katholischen Eiferer gingen zu damaliger Zeit noch weiter: Es ist zum Beispiel aus Quellenüberlieferungen bekannt, daß von der Sandinsel, die der Jurisdiktion des Domkapitels unterstand, im Jahr 1709 ein namentlich unbekannter Stecher abgeschoben wurde, 34 Langer, Die Gnadenkirche ‚Zum Kreuz Christi‘, 65–96; Kasperska, Agnieszka: Dekoracja malarska poewangelickiego kościoła pw. Podwyższenia Krzyża Świętego w Jeleniej Górze, Magisterarbeit (masch.), Wrocław 2005. 35 Gründliche Nachricht von derer Evangelischen Schlesier Kinder-Andacht/ Oder Denen/ von denen Kindern in Schlesien/ unter freyen Himmel/ auf offenen Felde haltenden Betstunden. Nebst Hrn. Caspar Neumanns/ Inspectoris bey der Evangelischen Kirche/ und Schule zu St. Elisabeth/ in Breslau/ und anderer führenden Gutachten/ über solches Betten dieser Kinder, [Breslau] 1708; Pawelitzki, Richard: Das ‚Schlesische Kinderbeten‘. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 65 (1986) 91–100. 36 Friedensburg, Ferdinand/Seger, Hans: Schlesiens Münzen und Medaillen der neueren Zeit, Breslau 1901, 78, Kat.-Nr. 4200. 37 Dobrzyniecki/Seidel-Grzesińska: Agresorzy – obrońcy, 80f., Kat.-Nr. 50.

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Abb. 11. Das Heilige Grab in der Stiftskirche St. Aegidius nahe dem Breslauer Dom, am 6. April 1708 errichtet, stellte die Altranstädter Konvention aus dem Jahr 1707 und ihre praktischen Folgen – die Rückgabe vieler schlesischer Kirchen an Protestanten – als eine große Niederlage Kaiser Josephs I. und der katholischen Kirche dar.

der Stiche vertrieb, die den Kaiser mit der Kirche auf dem Rücken als Wanderverkäufer, der mit katholischen Gotteshäusern schachert, darstellten.38 Angesichts einer dermaßen um sich greifenden Aufregung mußten die kaiserlichen Berater und Mitarbeiter an die große und schwierige Aufgabe der propagandistischen Neuinterpretation der Altranstädter Konvention herangehen, d. h., die offensichtliche Niederlage bisheriger Konfessionspolitik in Schlesien in einen Erfolg umzudeuten. Die Zweifel der katholischen Partei wurden mit Gründung der sogenannten Josephinischen Kuratien beseitigt, die die Seelsorge für die katholische Bevölkerung auf den der Jurisdiktion evangelischer Pfarreien unterstellten Gebieten gewährleisteten.39 Gegenüber der evangelischen Partei ist es dagegen gelungen, sämtliche Ereignisse, die aus dem Inkrafttreten der Altranstädter Konvention resultierten, als besondere kaiserliche Gnadenakte darzustellen. Es wurde ein detailliertes Zeremoniell der Abmessung der den Protestanten zugewiesenen Grundstücke für den Bau neuer Kirchen mit Hilfe der sogenannten Gnadenstäbe erarbeitet, derer Knöpfe, die unter anderem kaiserliche Miniaturporträts enthielten, nach38 Oszczanowski, Piotr: Śląskie kościoły Łaski – pomiędzy wiernością Bogu i sumieniu a lojalnością wobec władzy doczesnej. In: Dobrzyniecki/Seidel-Grzesińska, Agresorzy – obrońcy, 27–36, hier 28. 39 Swientek, Augustin: Die sogenannten josephinischen Kuratien in Schlesien und Friedrich der Große. In: Schlesische Provinzialblätter N. F. 4 (1865) 139–143.

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folgend als wertvolle Reliquien aufbewahrt wurden.40 In den Kirchen, zum Beispiel an den Orgelprospekten in Landeshut und Hirschberg, erschienen große Adler der Habsburger. Die Person des schwedischen Königs Karl XII., zum Zeitpunkt der Festlegung der künftigen Form beider Kirchen am allerwichtigsten, wurde während ihres Baus und ihrer Ausstattung auf keinerlei besondere Art und Weise geehrt.41 Die Kirchen haben sich im Gedächtnis der Gemeinschaft als ‚aus kaiserlichen Gnaden geschenkt‘ verankert, und dadurch trugen sie zweifellos zur Beruhigung der Gemüter und zur vorsichtigen Einbindung der Protestanten, insbesondere junger Adliger, in den Staatsdienst bei. Begünstigend wirkte die auf Konfessionsparität gestützte Ritterakademie in Liegnitz, deren monumentaler Sitz beinahe zeitgleich mit dem neuen Hauptgebäude der Breslauer Leopoldina errichtet wurde.42 Als klar wurde, daß der Prozeß des Wiederaufbaus des Protestantismus in Schlesien eine beständige Erscheinung war und die Rückgabe zahlreicher Kirchen sowie der Bau neuer Gotteshäuser eine Welle von Konversionen oder Rekonversionen hervorrufen konnte, gab die katholische Partei den fruchtlosen Propagandakampf auf und griff auf die raffinierteren Waffen der Kunststiftungen zurück. Als besonders bedroht fühlten sich zweifelsohne die Grüssauer Zisterzienser, deren Untertanen evangelischer Konfession, die bisher zu Gottesdiensten zu den weit entfernten Zufluchtskirchen im Kreis Goldberg wanderten, jetzt Predigten in den wesentlich näher befindlichen Gnadenkirchen in Hirschberg und Landeshut hören konnten. Unter diesen Umständen beschloß man definitiv, die mittelalterliche Abteikirche in Grüssau, die im 17. Jahrhundert relativ geringfügige Modernisierungen erfuhr, abzureißen. An ihrer Stelle entstand bald ein ganz neues, sowohl außen als auch

40 Denckmahl des ersten Evangelischen Jubel=Festes, welches A. 1759 den 8. October bey der Evangelischen Kirche vor Landeshutt […], Breslau und Landeshutt [1759], 6 (Gnadenstab in Landeshut); vgl. ferner Chojecka, Ewa/Harasimowicz, Jan (Hg.): Oblicza sztuki protestanckiej na Górnym Śląsku. Katalog wystawy w Muzeum Śląskim w Katowicach, Katowice 1993, 40, 91 (Gnadenstab in Teschen). 41 Oszczanowski: Śląskie kościoły Łaski, 29–33. 42 Wendt, Georg: Geschichte der Königlichen Ritter-Akademie zu Liegnitz, Teil 1: 1708–1840 (Beilage zum Programm der Königlichen Ritter-Akademie zu Liegnitz, Ostern 1893), Liegnitz 1893; Minkiewicz, Jan: Polacy w legnickiej Akademii Rycerskiej. In: Szkice Legnickie 4 (1967) 117–132; Dames, Theo: Zur Baugeschichte der Liegnitzer Ritterakademie: Der Baumeister Martin Frantz (Beiträge zur Liegnitzer Geschichte 3), Lorch 1973; Dziurla, Henryk: Akademia Rycerska w Legnicy, Wrocław/Legnica 1981; ders.: Józefińska Królewska Akademia Rycerska w Legnicy: Z badań nad jej założeniem i budową. In: Szkice Legnickie 11 (1985) 159–180; Harasimowicz, Jan: Akademia Rycerska. In: ders. (Hg.): Kultura artystyczna dawnej Legnicy, Opole 1991, 74–82; Hartmann, Alexander: Der Neubau der Ritterakademie Liegnitz (1728–1738). In: Nogossek, Hanna/Popp, Dietmar (Hg.): Beiträge zur Kunstgeschichte Ostmitteleuropas, Marburg 2001 (Tagungen zur Ostmitteleuropa-Forschung 13), 189–211.

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innen überaus ansehnliches Gotteshaus.43 Das moderne architektonische Schema, das an die Dientzenhofer-Strömung des österreichisch-böhmischen Barock anknüpfte, wurde hier mit einem kunstvollen Bildprogramm vereinigt, das sich auf die in der Prophezeiung Jesajas verkündete Ankunft des Messias-Emmanuel stützte. Der auf diese Art und Weise gewählte rhetorische scopus des Bildprogramms ermöglichte es, christologische und mariologische Ideen miteinander zu verknüpfen und diese im Rahmen eines strukturierten Vortrags von der Turmfassade in den Innenraum zu überführen (Abb. 15). Jedes Element der Ausstattung – der Hauptaltar, die Seitenaltäre, die Kanzel, das Gestühl und sogar die am Eingang stehenden Weihwasserbecken – wurde hier mit außergewöhnlicher Sorgfalt und großer Ausdruckskraft gestaltet. Nicht weniger ansehnliche Bauwerke entstanden auch in anderen Regionen des Landes, unter anderem in den Fürstentümern Liegnitz44 (die Propstei der Braunauer Benediktiner in Wahlstatt) (Abb. 12), Glogau45 (die Propstei der Leubuser Zisterzienser in Seitsch, Kreis Guhrau) und Brieg46 (die Jesuitenkirche in Brieg). Das wichtigste barocke Bauwerk österreichisch-böhmischer Provenienz in der schlesischen Hauptstadt war die Kapelle zum Allerheiligsten Sakrament, Kurfürstenkapelle genannt, am Breslauer Dom.47 Sie war als Mausoleum für den Fürstbischof Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg gedacht, der als Erzbischof von

43 Dziurla, Henryk: Krzeszów, Wrocław u. a. 1974 (Śląsk w Zabytkach Sztuki), 26–29, 57–74; Kalinowski: Architektura doby baroku, 186–189; Wrabec, Jan: Barokowe kościoły na Śląsku w XVIII wieku. Systematyka typologiczna, Wrocław u. a. 1986 (Studia z Historii Sztuki 37), 62–65; Kobielus, Stanisław: Wątek Emmanuela w dekoracji monumentalnej kościoła opakkiego w Krzeszowie. In: Rocznik Historii Sztuki 16 (1987) 159–212; Dziurla, Henryk: Wertykalizm i tożsamość barokowej architektury Krzeszowa. In: ders./Bobowski, Kazimierz (Hg.): Krzeszów uświęcony łaską, Wrocław 1997 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1782), 236–259; Wrabec, Jan: Kilka uwag o programie ideowym kościoła Najświętszej Maryi Panny Łaskawej w Krzeszowie oraz o okolicznościach jego powstania. Ebd., 260–271; Dziurla, Henryk/Kořán, Ivo/Wrabec, Jan: Krzeszów – europejska perła baroku. Grüssau – die europäische Barockperle, Legnica 2001. 44 Wrabec, Jan: Legnickie Pole, Wrocław u. a. 1974 (Śląsk w Zabytkach Sztuki), 57–117; Kalinowski: Architektura doby baroku, 169–174; Wrabec: Barokowe kościoły, 92–95; Rupprecht, Bernhard: Die Benediktinerkirche in Wahlstatt. Kunstwerk und Bildmonument. In: Schmilewski, Ulrich (Hg.): Wahlstatt 1241. Beiträge zur Mongolenschlacht bei Liegnitz und zu ihren Nachwirkungen, Würzburg 1991, 205–233. 45 Patzak, Bernhard: Die Jesuitenkirche zu Glogau und die Kirche zu Seitsch: zwei schlesische Barockbaudenkmäler, Glogau 1922; Gumiński, Samuel: Późnobarokowy kościół w Sicinach i problem jego autorstwa. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 9 (1971) 105–139; Kalinowski: Architektura doby baroku, 198–200; Wrabec: Barokowe kościoły, 122–126. 46 Kalinowski: Architektura doby baroku, 189–191; Wrabec: Barokowe kościoły, 47–49; Nowak, Romuald/Żaba, Antonina/Czajor, Jerzy: Magia iluzji: dzieło Jana Kubena, Opole 2000. 47 Mossakowski, Stanisław: Kaplica elektorska przy katedrze we Wrocławiu. In: Prace z Historii Sztuki, Bd. 1, Kraków 1962 (Zeszyty Naukowe Uniwersytetu Jagiellońskiego 45), 195–222; Kalinowski: Architektura doby baroku, 154–159; ders.: Rzeźba barokowa, 124f.; Wrabec: Barokowe kościoły, 105–107.

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Abb. 12. Die Antwort der Katholiken auf die Stärkung des schlesischen Protestantismus infolge der Durchführung der Altranstädter Konvention bestand in einer Welle von Stiftungen hervorragender Werke kirchlicher Architektur und Kunst. Zu dieser Zeit entstand die prachtvolle Propsteikirche der Braunauer Benediktiner in Wahlstatt, Landkreis Liegnitz, deren Gewölbe der berühmte süddeutsche Maler Cosmas Damian Asam mit farbenfrohen Fresken verzierte (1733).

Mainz und Trier die Kurwürde besaß. Ihren Entwurf schuf der hervorragendste Wiener Architekt der damaligen Zeit – Johann Bernhard Fischer von Erlach. Die vorhergehenden Ausführungen zusammenfassend, muß festgestellt werden, daß es in Schlesien in den Jahren 1707 bis 1740, nach dem durch den schwedischen Eingriff erzwungenen relativen Ausgleich der Kräfte, zur wahren Rivalität der Konfessionen auf dem Gebiet der Kunst kam. Diese Erscheinung war in ganz Europa, paritätische Reichstädte und konfessionell differenzierte Kantone der Schweiz inbegriffen, beispiellos. Darüber hinaus ließ sie auch nicht nach, nachdem die Armee des preußischen Königs Friedrich II. in Schlesien einmarschiert war. Gerade in den ersten Jahren unter preußischer Herrschaft beschlossen die evangelischen Gemeinden in Schweidnitz und Liegnitz, ihre Gotteshäuser mit ansehnlichen Altären auszustatten,48 wobei die erstgenannte mit dieser Aufgabe einen Bild48 Kalinowski: Rzeźba barokowa, 184–186, 250, 285–288; Harasimowicz, Jan: Chrzcielnica, ambona i ołtarz główny kościoła św. św. Piotra i Pawła. In: ders.: Kultura artystyczna, 55–62, hier 61f.; ders.: Taufstein, Kanzel und Hauptaltar in der Kirche St. Peter und Paul in Liegnitz. In: Silesia Nova. Vierteljahresschrift für Kultur und Geschichte 5/2 (2008) 57–67, hier 66f.

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Abb. 13. Die evangelische Friedenskirche zur Heiligen Dreifaltigkeit in Schweidnitz, Mitte des 17. Jahrhunderts erbaut, erhielt ihre Ausstattung und Dekoration Schritt für Schritt – je nach den gerade vorhandenen Mitteln. Der stattliche Altar mit der Taufe Christi entstand erst im Jahr 1752, nachdem die schlesischen Territorien dem Königreich Preußen einverleibt worden waren. Sein Urheber war der Bildschnitzer August Gottfried Hoffmann aus Dresden.

schnitzer aus Dresden beauftragte und den mit der habsburgischen Obrigkeit verbundenen Kunstformen damit demonstrativ den Rücken kehrte (Abb. 13). Bald sollte sich jedoch herausstellen, daß der neue Landesherr Schlesiens die abwechslungsreichen Ausdrucksformen konfessionellen Lebens, die unter anderem bei der Wahl der Raumschemata und Dekorationsarten evangelischer Gnadenkirchen zutage traten – von den auf italienische, österreichische, böhmische und sogar polnische Vorbilder gestützten katholischen Kirchen ganz zu schweigen – nicht respektieren wollte.49 Die evangelische Kirchenautonomie einzelner Territorien wurde allmählich durchbrochen, dem gesamten Schlesien wurden die strengen Regeln der reformiert geprägten brandenburgisch-preußischen Landeskirche aufgezwungen. Solange die Generation der Künstler aus den Zeiten des ‚Dialogs der Konfessionen‘ in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts noch am Leben blieb, waren künstlerische Folgen dieser Vereinheitlichung halb so schlimm; davon zeugen zum Beispiel die in ihrer klassizistischen Schlichtheit edlen evangelischen Kirchen von Carl Gotthard 49 Grundmann, Günther: Die Richtungsänderungen in der schlesischen Kunst des 18. Jahrhunderts. In: Tintelnot, Hans (Hg.): Kunstgeschichtliche Studien, Breslau 1943, 78–105; Kalinowski, Konstanty: Zwischen habsburgischem und preußischem Absolutismus. Der Stilwandel in der schlesischen Kunst um die Mitte des 18. Jahrhunderts. In: Möbius, Friedrich (Hg.): Stil und Gesellschaft. Ein Problemaufriß, Dresden 1984, 226–242.

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Langhans.50 Einige Jahrzehnte später konnte der schlesische Kirchenbau beider Hauptkonfessionen nur noch außerhalb Schlesiens – im katholischen Köln oder protestantischen Berlin – entstandene Vorbilder nachahmen.51

50 Hinrichs, Walter Theodor: Carl Gotthard Langhans, ein schlesischer Baumeister 1733–1808, Straßburg 1909 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 116); Grundmann: Der evangelische Kirchenbau, 67–71; Kos, Jerzy K.: Kościoły miejskie Carla Gottharda Langhansa. In: Harasimowicz, Jan (Hg.): Sztuka miast i mieszczaństwa XV–XVIII wieku w Europie Środkowowschodniej, Warszawa 1990, 457–470; ders.: Twórczość architektoniczna Carla Gottharda Langhansa na śląsku 1760–1808, phil. Diss. (masch.), Wrocław 1997; Sörries: Von Kaisers Gnaden, 129f. 51 Kos, Jerzy/Zabłocka-Kos, Agnieszka: Sakrale Architektur in Schlesien 1740–1945. In: Köhler/Bendel: Geschichte des christlichen Lebens, Teilbd. 2, 615–622.

Die Rolle der Zisterzienserklöster in der Bildung der Kulturidentität Schlesiens in der Frühen Neuzeit

I. Der bedeutende, wenn auch den Polen nicht besonders freundlich gesinnte deutsche Kunsthistoriker Dagobert Frey schrieb in einem 1938 veröffentlichten Beitrag über das derzeit im Nationalmuseum in Warschau aufbewahrte Gemälde Michael Leopold Willmanns „Die Weltschöpfung“ (Abb. 14)1 folgende Worte: „Der Schöpfer erscheint [hier] fast körperlos als das ,allgestaltende und allbelebende Urlicht‘; wie eine goldene Lichtwolke schwebt er durch die Himmel, wie ein geheimnisvolles silbriges Leuchten bricht er aus dem verdämmernden Dunkel des paradiesischen Urwaldes hervor und in seinem Scheine, der die Rosenlaube erfüllt, geht Eva, eine Lichtgeborene, aus Adam hervor. Jakob Böhmes ,Morgenröte im Aufgang‘ scheint aus dem Bilde zu leuchten. In den streng katholischen Kreisen, denen Willmann angehörte, dürfte er wohl schwerlich mit den Schriften des Görlitzer Schusters bekannt geworden sein, aber schlesischer Schwarmgeist, vielleicht durch Angelus Silesius vermittelt, hat zweifellos Anteil an seinem Schaffen.“2 Jener „Schwarmgeist“, der mystische Spiritualismus, der sich in der schlesischen Kultur der Frühen Neuzeit unterschiedlich manifestierte – und das ungeachtet ihrer konfessionellen Ausrichtung3 – prägte nicht nur die Werke der Wand- und Tafelmalerei. Mit gleicher oder vielleicht noch stärkerer Intensität kommt er in der Plastik, insbesondere in den Werken der sogenannten schlesischen Barockmanier,

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Das Bild stammt aus Leubus und wurde bis zum Zweiten Weltkrieg im Schlesischen Museum der Bildenden Künste in Breslau aufbewahrt. In der älteren Literatur hielt man es für ein gutes Beispiel des Willmannschen ,Feinstils‘. Kloss, Ernst: Michael Willmann. Leben und Werke eines deutschen Barockmalers, Breslau 1934, 60–70. Frey, Dagobert: Schlesiens künstlerisches Antlitz. In: Die Hohe Straße. Schlesische Jahrbücher für deutsche Art und Kunst im Ostraum 1 (1938) 12–45, hier 41. Vgl. ferner Kloss: Michael Willmann, 70. Wiśniewska, Kamila Janina: Teologia Angelusa Silesiusa (Jana Schefflera), Warszawa 1984; Piórczyński, Józef: Absolut – Człowiek – Świat. Studium myśli Jakuba Böhmego i jej źródeł, Warszawa 1991; Tomkowski, Jan: Mistyka i herezja, Wrocław 1993, 135–176; Böhme, Jakob: Ponowne Narodziny, übersetzt von Jerzy Kałążny und Andrzej Pańta. Kommentar von Adam Mickiewicz, Poznań 1993 (Dzieje Gnozy 7); Kosian, Józef: Mistyka śląska. Mistrzowie duchowości śląskiej: Jakub Boehme, Anioł Ślązak i Daniel Czepko, Wrocław 2001 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2131); Kozieł, Andrzej: Angelus Silesius, Bernhard Rosa i Michael Willmann, czyli sztuka i mistyka na Śląsku w czasach baroku, Wrocław 2006 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2872, Historia Sztuki 23).

Die Rolle der Zisterzienserklöster für die Kulturidentität Schlesiens

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Abb. 14. Das Ölgemälde der „Weltschöpfung“, im Jahr 1668 für das Zisterzienserkloster in Leubus von Michael Leopold Willmann geschaffen, gilt als eine der wichtigsten Ausprägungen des ‚schlesischen Schwärmergeistes‘ in den bildenden Künsten. Als Inspirationen dürften die Schriften von Jakob Böhme und Angelus Silesius gedient haben.

zum Ausdruck.4 Im Zeichen des „Schwarmgeistes“ stehen sowohl die acht Heiligenfiguren auf den Brüstungen des Chorgestühls in der Klosterkirche der Zisterzienser in Heinrichau (nach 1702),5 als auch die in der Klosterkirche desselben Ordens in Kamenz aufgestellten Vierzehn Nothelfer (1709–1717), ein Werk aus der Werkstatt Thomas Weissfeldts, des bedeutendsten Vertreters dieser ,Manier‘.6 Mystisch geprägt ist ebenso das Scheinkuppelfresko in der Vierung der Abteikirche der Zisterzienser in Grüssau (Abb. 15), das 1733 bis 1735 von Georg Wilhelm Neunhertz zusammen mit der gesamten reichen malerischen Dekoration dieser prächtigsten unter den schlesischen Barockkirchen geschaffen wurde.7 Den 4 5 6

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Kalinowski, Konstanty: Rzeźba barokowa na Śląsku, Warszawa 1986, 152–175. Frey: Schlesiens künstlerisches Antlitz, 38; Kalinowski: Rzeźba barokowa, 84–86, 168f. Wiese, Erich: Thomas Weisfeldt, ein nordischer Barockbildhauer in Schlesien. In: Jahrbuch der Preußischen Kunstsammlungen 55/2 (1934) 57–88; Kalinowski: Rzeźba barokowa, 159– 167; Organisty, Adam: Z Norwegii na Śląsk: problem genezy artystycznej Thomasa Weissfeldta (1671–1721). In: Harasimowicz, Jan/Oszczanowski, Piotr/Wisłocki, Marcin (Hg.): Po obu stronach Bałtyku. Wzajemne relacje między Skandynawią a Europą Środkową. On the Opposite Sides of the Balic Sea. Relations between Scandinavian and Central European Countries, Bd. 1, Wrocław 2006, 225–239. Kloster Grüssau. Beschreibung der Stiftskirche und Erklärung sämtlicher Malereien. Nach alten Quellen bearbeitet, Landeshut i. Schl. [ca. 1919]; Lutterotti, Nikolaus von: Kloster Grüssau in den Zeitaltern des Barock, Rokoko und Klassizismus. In: Heimatbuch des Kreises Landeshut i. Schl., Bd. 2, Landeshut i. Schl. 1929, 399–415; Dziurla, Henryk: Krzeszów, Wrocław u. a. 1974; Rose, Ambrosius: Kloster Grüssau, Stuttgart/Aalen 1974; Fitych, Tade-

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einzelnen Gewölbejochen sind jeweils Attribute Emmanuels, die in der Prophezeiung Jesajas genannt werden (Jes 9,6), zugeordnet. Die gemalte Scheinkuppel findet sich von Osten gesehen im fünften Joch und ist dem Attribut Pater futuri saeculi gewidmet. Im himmlischen Jerusalem erfolgt die feierliche mystische Vermählung, in der Christus sowohl für die in einiger Entfernung dargestellte Maria, als auch für die Kirche (Ecclesia) und die Seele (Anima), begriffen als Seele eines jeden frommen Christen, der Bräutigam ist.8 Diese Bräute wurden hier zwar nicht abgebildet, aber ihre Gegenwart steht im Kontext der räumlichen Verfügung des Kircheninneren nicht zur Diskussion. Christus richtet an Maria (die zugleich die Kirche und die Seele symbolisiert) die Worte aus dem Hohen Lied 2,10: „Surge propera, amica mea“ („Steh auf, meine Freundin, und komm her“). Maria scheint – gemäß dem Hohen Lied 2,5 – mit den Worten zu antworten, die durch den Verfasser der ersten poetischen Beschreibung der Grüssauer Kirche, Samuel Leopold Hahn, folgenderweise gereimt worden sind: „Ach zieret mich mit Rosen,/ Es will mein Seelen=Schatz, mein Jesus mir liebkosen,/ Besteckt mit Lilien mich, staerckt mich mit Aepfel Frucht,/ Cyper und Cassien und Zimmet werd gesucht,/ Ich bin vor Liebe schwach: der schoenste meiner Seelen/ Will bey des Vaters Thron mich ewig ihm vermaehlen,/ Er ist schoen weiß und roth vor allen auserwaehlt,/ Ach dieser hat ihn Lieb zu ihm, mich gantz entseelt,/ Sein Haupt ist bestes Gold, die Haare huebsch erhaben,/ Als wie des Palmen=Bad, ach was vor edle Gaben,/ Hat doch mein Seelen=Schatz.“9

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usz: Opactwo cystersów krzeszowskich – czołowy ośrodek śląskiej kontrreformacji. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 41 (1986) 539–559; Kobielus, Stanisław: Wątek Emmanuela w dekoracji monumentalnej kościoła opackiego w Krzeszowie. In: Rocznik Historii Sztuki 16 (1987) 159–212; Dziurla, Henryk/Bobowski, Kazimierz (Hg.): Krzeszów uświęcony łaską, Wrocław 1997 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1782); Dziurla, Henryk/Kořán, Ivo/ Wrabec, Jan: Krzeszów – europejska perła baroku. Grüssau – die europäische Barockperle, Legnica 2001. Kloster Grüssau, 34–39; Dziurla: Krzeszów, 69; Kobielus: Wątek Emmanuela, 186–192; Kozieł: Angelus Silesius, Bernhard Rosa i Michael Willmann, 273–325. Das wieder lebende Gruessau/ Oder Das Neu=eroeffnete Gnaden-Hauß der aller=seeligsten Jungfraeulichen Mutter Gottes Mariae, unter der hoechst=beglueckten Regierung Des Hochwuerdig= in Gott andaechtigen Hoch= und Wohlgebohrnen Herrn, Herrn BENEDICTl, Des Heil. Exempten Cistercienser=Ordens im Hoch=Fuerstlichen Gestiffte Gruessau aus Goettlicher Vorsehung regierenden Abbt und Herrn, Erb=Herrn der Burg Polckenhayn, und zugehoerigen Guettern, wie auch Probsten in Warmbrunn, Seinen Gnaedig=Gnaedig und Hochgebittenden Herrn, Am Tage Dero Hohen lnfulation und Dedication des so herrlich und bewunderns=wuerdig=erbauten Tempels, oder Basilica als den 2ten Julii in Gruessau mit ergebenster Veneration und Glueckwuenschung. […] dediciret von Einem gehorsambsten Knechte Samuel Leopold Hahn, p. t. Acc. Contraleur. in Schweidnitz. Anno 1735, 52. Vgl. ferner Dziurla, Henryk: Kościół klasztorny i mauzoleum Piastów w Krzeszowie w świetle XVIII-wiecznej interpretacji. In: Rokoko. Studia nad sztuką 1. połowy XVIII w. Materiały sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki zorganizowanej wspólnie z Muzeum Śląskim we Wrocławiu, Wrocław, październik 1968, Warszawa 1970, 149–158; ders.: Krzeszów, 86–90;

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Abb. 15. Das Fresko „Mystische Vermählung Christi mit Maria im himmlischen Jerusalem“ ziert die Scheinkuppel in der Vierung der Abteikirche der Zisterzienser in Grüssau (1733–1735, Maler Georg Wilhelm Neunhertz). Es bildet den Höhepunkt des reichhaltigen Bildprogramms dieser Kirche, das sich auf die in der biblischen Prophezeihung Jesajas (Jes 9,6) genannten Attribute Emmanuels stützt.

Die Grüssauer Darstellung der ,himmlischen Vermählung‘ wurde zweifellos durch mystische Schriften von Johannes Scheffler (Angelus Silesius) inspiriert, der zu seinen Lebzeiten mit den Zisterzienserkreisen, und insbesondere mit dem Abt Oszczanowski, Piotr: Kościół katolicki czasów kontrreformacji – oprawa literacka. Legnickie Pole – Brzeg Dolny – Krzeszów – Brzeg. In: Dziurla/Bobowski (Hg.): Krzeszów uświęcony łaską, 171–186, hier 182f.; Kozieł: Angelus Silesius, Bernhard Rosa i Michael Willmann, 321–324.

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Bernhard Rosa aus Grüssau (1660–1696), eng verbunden war.10 Nach der Quelle für das Fresko des zentralen Jochs der Kirche muß daher sowohl im „Cherubinischen Wandersmann“,11 dem bekanntesten Werk des Dichters, als auch in den zwei wohl weniger bekannten, aber ebenso wertvollen Büchern unter den Titeln „Köstliche Evangelische Perle“12 und „Heilige Seelen=Lust“13 gesucht werden. In einem der zahlreichen Lieder, aus denen sich das letztgenannte Buch zusammensetzt, ruft die Braut Psyche den Bräutigam Christi mit folgenden Worten herbei: „Morgen=Stern der finstren Nacht/ Der die Welt voll Freuden macht/ Jesulein/ Kom[m] herein/ Leucht‘ in meines Hertzens Schrein./ Schau dein Himmel ist in mir/ Er begehrt dich seine Zier;/ Saeum dich nicht/ O mein Licht/ Kom[m] kom[m] eh der Tag anbricht.“14 Die Einführung derartiger „Ausrufe einer gottesdurstigen Seele“ in die Kultur des schlesischen Barock ist jedoch, entgegen der in der Forschungsliteratur vertretenen Meinung, nicht allein auf Angelus Silesius zurückzuführen. Bereits im Jahr 1595 erschien nämlich in Görlitz ein Werk des evangelischen Predigers und Theologen Martin Moller, der damals noch Pfarrer im niederschlesischen Sprottau war, unter dem Titel „Mysterium magnum“ im Druck, dem „großen Mysterium der himmlischen geistigen Vermählung unseres Herrn Jesu Christi mit seiner Braut, der treuen christlichen Gemeinde“ gewidmet.15 Wir finden dort den „Ausruf der 10 Ellinger, Georg: Angelus Silesius. Ein Lebensbild, Breslau 1927; Lutterotti, Nikolaus von: Bernhard Rosa. In: Andreae, Friedrich (Hg.): Schlesier des 17. bis 19. Jahrhunderts, Breslau 1928 (Schlesische Lebensbilder 3), 89–95; Rose, Ambrosius: Abt Bernardus Rosa von Grüssau. Nach Notizen des P. Nikolaus von Lutterotti, Stuttgart 1960; Kozieł: Angelus Silesius, Bernhard Rosa i Michael Willmann, 62–116. 11 Johannis Angeli Silesij Cherubinischer Wandersmann oder Geist=Reiche Sinn= und Schluß=Reime zur Goettlichen beschauligkeit anleitende. Von dem Urheber aufs neue uebersehn/ und mit dem Sechsten Buche vermehrt/ den Liebhabern der geheimen Theologie und beschaulichen Lebens zur Geistlichen Ergoetzligkeit zum andernmahl herauß gegeben. Glatz/ auß Neu auffgerichter Buchdruckerey Ignatij Schubarthi Anno 1675. Vgl. ferner die vollständige kritische Ausgabe: Silesius, Angelus (Scheffler, Johannes): Cherubinischer Wandersmann. Hg. v. Louise Gnädiger, Stuttgart 1984 (Reclams Universal-Bibliothek 8006). 12 Joh. Angeli Silesij Koestliche Evangelische Perle. Zue Vollkommener ausschmueckung der Braut Christi. Gedruckt zu Glatz Auff etlicher Fromer Geistlichen Verlegung durch Ignatium Schubart Buchdruckem daselbst. Anno 1676. 13 Heilige Seelen=Lust/ Oder Geistliche Hirten=Lieder/ Der in ihren Jesum verliebten Psyche/ Gesungen von JOHANN ANGELO SILESIO, Und von Herren GEORGIO JOSEPHO mit außbuendig schoenen Melodeyen geziert. Anjetzo auffs neue uebersehn/ und mit dem Fuenfften Theil vermehrt. Allen denen die nicht singen koennen statt eines andaechtigen Gebet=Buchs zu gebrauchen. Breßlaw/ In der Baumannischen Erben Druckerey druckts Joh. Christoph Jacob/ Factor, Im Jahr Christi 1668. 14 Ebd., 80f. 15 MYSTERIUM MAGNUM. Fleißige und andaechtige Betrachtung des großen Geheimniß der Himlischen Geistlichen Hochzeit und Verbuendniß unsers Herrn Jesu Christi/ mit der Christgleubigen Gemeine seiner Braut/ und wie man dasselbe nuetzlich und mit frewden bedencken/ und troestlich gebrauchen sol. Durch MARTlNUM MOLLERUM von Witten-

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Seele“, der in seiner mystischen Erregung den ein halbes Jahrhundert späteren Werken des Verfassers von dem „Cherubinischen Wandersmann“ nicht nachsteht: „O kom[m] Herr Jesu/ Kom[m] mein allerschoenester Breutigam/ Kom[m] du ewiger Hertzog des Lebens/ Du mein ewiger Erloeser unnd Seligmacher/ kom[m] und sey nicht lange/ Kom[m] und stoß in hauffen/ die arge schnoede Welt/ Verbrenne ihr Suendliches Wesen mit Fewer/ und mache es mit ihrer Boßheit ein ende./ O wie verlanget meine Seele nach deiner Erscheinung!/ Wie frewe ich mich deiner herrlichen Zukunfft!/ O mein Herr Jesu/ kom[m] nur heut/ das ich eingehe zu deiner Frewde/ Amen.“16 Das „Mysterium magnum“ übte zusammen mit den anderen Werken Mollers, der in seinen letzten sechs Lebensjahren (1600–1606) das Amt des Pastor primarius in Görlitz versah, großen Einfluß auf die evangelische Frömmigkeit des 17. Jahrhunderts in Schlesien aus.17 Die auf Erbauung und Meditation zielende Brautmystik spiegeln die Bilder an den Emporenbrüstungen in der ehemaligen evangelischen Zufluchtskirche in Hochkirch bei Liegnitz (1698) wider (Abb. 16);18 und von der eschatologisch orientierten Brautmystik sind Grabdichtung und -prosa Andreas Gryphius‘ erfüllt.19 Es sind sogar evangelische Grabdenkmäler bekannt,

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berg/ Diener des heyligen Euangelij zur Sprotta. Ephes. 5. Das Geheimniß ist groß/ Ich sage aber von Christo und die Gemeine. Gedruckt zu Goerlitz/ bey Johann Rhambaw. CUM PRIVILEGIO [M.D.XCV.]. Ebd., fol. 217r-v. Axmacher, Elke: Praxis Evangeliorum. Theologie und Frömmigkeit bei Martin Moller (1547– 1606), Göttingen 1989 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 43); dies.: Die Rezeption mittelalterlicher Mystik durch Martin Moller. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 68 (1989) 7–26; Brecht, Martin: Neue Frömmigkeit und Gemeindesituation bei Martin Moller. In: Hagenmeier, Monika/Holtz, Sabine (Hg.): Krisenbewußtsein und Krisenbewältigung in der Frühen Neuzeit. Crisis in Early Modern Europe. Festschrift für HansChristoph Rublack, Frankfurt a. M. u. a. 1992, 217–229. Vgl. ferner Koepp, Wilhelm: Johann Arndt. Eine Untersuchung über das Mystik im Luthertum, Berlin 1912 [ND Aalen 1973]; Zeller, Winfried: Luthertum und Mystik. In: Reller, Horst/Seitz, Manfred (Hg.): Herausforderung: Religiöse Erfahrung. Vom Verhältnis evangelischer Frömmigkeit zu Meditation und Mystik, Göttingen 1980, 79–125; Wallmann, Johannes: Johann Arndt und die protestantische Frömmigkeit. Zur Rezeption der mittelalterlichen Mystik im Luthertum. In: Chloe 2 (1984) 62–70; Braw, Christian: Bücher im Staube. Die Theologie Johann Arndts in ihrem Verhältnis zur Mystik, Leiden 1986 (Studies in Medieval and Reformation Thought 39). Kirschke, Friedrich: Zur Geschichte der Zufluchts- und Grenzkirchen des Kreises Liegnitz. In: Heimatbuch der beiden Liegnitzer Kreise. Hg. v. der Arbeitsgemeinschaft für Heimatpflege in Stadt- und Landkreis Liegnitz mit Unterstützung der Kommunalbehörden, Liegnitz 1927, 185–190, hier 189; Szupieńko, Stanisław: Mistyka oblubieńcza w programie dekoracji malarskiej kościoła poewangelickiego w Kościelcu koło Legnicy. In: Kozieł, Andrzej/Lejman, Beata (Hg.): Willmann i inni. Malarstwo, rysunek i grafika na Śląsku i w krajach ościennych w XVII i XVIII wieku, Wrocław 2002, 192–199. Gryphius, Andreas: Dissertationes funebres, Oder Leich=Abdanckungen/ Bey Unterschiedlichen hoch= und ahnsehnlichen Leich=Begaengnuessen gehalten. Auch Nebenst seinem letzten Ehren=Gedaechtnueß und Lebens=Lauff, Breßlau/Leipzig 1666.

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die den Tod als den Akt der „himmlischen Vermählung“ auslegen. U. a. ist auf dem emblematischen Inschriftenepitaph für Anna Rosina Lange in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Liegnitz20 folgendes zu lesen: „[Es] ward Ihr Sterbe Tag […] Ihr Hochzeit Tag;/ darauf zwar der Leib in diese[r] Erden Kammer,/ an dem aber die Seele in das Bräutigams Kammer gebracht/ zur Ewigen Freude in der unaufhörlich süße[n] Liebe.“ Hierbei kommen uns berühmte Verse von Andreas Gryphius aus seinen „Dissertationes funebres“ in den Sinn: „Last frey um meinen Sarg die Hochzeit-Fackeln glaentzen;/ Streut Blumen auff mein Grab! Umgebt mit PerlenKraentzen./ Die marmor-weiße Stirn/ ziert meine Locke auß./ Ich bin des Hoechsten Braut/ so eyl ich in sein Hauß/ Und prang in weißer Seid’ auß seinem Blut gewaschen/ In dem der Erden Schmuck vergeht in Mott und Aschen.“21 Vater der christlichen Brautmystik war bekanntlich der Hl. Bernhard von Clairvaux, Doctor mellifluus genannt, der unübertroffene Exeget des Hohen Liedes.22 Gerade die breite Rezeption seiner Schriften in beiden konfessionellen Kreisen muß zur Durchdringung der schlesischen Kultur mit dem erwähnten „Schwarmgeist“ beigetragen haben. Die große Rolle des Hl. Bernhard in der Ausbildung und der geistigen Formierung der lutherischen Geistlichkeit in Schlesien bekräftigt eine Urkunde höchsten Ranges – erlassen von der lokalen evangelischen Kirche: die 1592 von Herzog Joachim Friedrich von Liegnitz-Brieg verabschiedete Kirchenordnung.23 Zwar sollten, neben der Bibel, die Werke Martin Luthers, Phillip Me20 Harasimowicz, Jan: Wkład Legnicy w kulturę artystyczną Śląska od średniowiecza do końca XIX wieku. In: ders. (Hg.): Kultura artystyczna dawnej Legnicy, Opole 1991, 9–26, hier 19, Abb. 46. 21 Gryphius: Dissertationes funebres, 193. 22 Schuck, Johannes: Das Hohe Lied des Hl. Bernhard von Clairvaux. Dokumente zur mittelalterlichen Christus- und Brautmystik, Paderborn 1927 (Dokumente der Religion 10); Gilson, Étienne: La théologie mystique de Saint Bernard, Paris 1947 (Études de philosophie médiévale 20). Vgl. ferner Lerch, David: Zur Geschichte der Auslegung des Hohenliedes. In: Zeitschrift für Theologie und Kirche 54 (1957) 257–277; Ohly, Friedrich: Hohelied-Studien. Grundzüge einer Geschichte der Hoheliedauslegung des Abendlandes bis um 1200, Wiesbaden 1958 (Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M. Geisteswissenschaftliche Reihe 1); Scheper, Louis: The Spiritual Marriage. The Exegetic History and Literary Impact of the Song of Songs in the Middle Ages, phil. Diss. Princeton 1971; Küsters, Urban: Der Verschlossene Garten. Volkssprachliche Hoheliedauslegung und monastische Lebensform im 12. Jahrhundert, Düsseldorf 1985 (Studia humaniora. Düsseldorfer Studien zu Mittelalter und Renaissance 2); Müller, Susanne: „Fervorem discamus amoris.“ Das Hohelied und seine Auslegung bei Gregor dem Großen, St. Ottilien 1991 (Dissertationes. Theologische Reihe 46); Böning, Adalbert: Das Hohelied. Eine Einführung in die Auslegung des Hohenliedes mit der sprachlichen und inhaltlichen Erklärung ausgewählter Texte nach der jüdischen und christlichen Tradition, Schwerte 2005 (Katholische Akademie Schwerte. Texte und Thesen 41). 23 Jessen, Hans/Schwarz, Walter (Hg.): Schlesische Kirchen- und Schulordnungen von der Reformation bis ins 18. Jahrhundert, Görlitz 1938 (Quellen zur Schlesischen Kirchengeschichte 1), 75–81; Weber, Matthias: Die Kirchenordnungen für Brieg (1592) und Liegnitz (1594).

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Abb. 16. An den Emporenbrüstungen der evangelischen Zufluchtskirche in Hochkirch, Landkreis Liegnitz, brachte man im späten 17. Jahrhundert allegorische Darstellungen an, die von Abbildungen in den „Pia Desideria“ des niederländischen Jesuiten Hermann Hugo inspiriert wurden. Die Brautmystik in der Auslegung Bernhards von Clairvaux überschritt in Schlesien offensichtlich alle konfessionellen Grenzen. Sie bildete ein unverzichtbares Element des geistigen Lebens lokaler Eliten.

lanchthons und anderer Vertreter der reformatorischen Theologie zum geistigen Fundament des Brieger Luthertums werden, man hielt jedoch das Studium der Schriften der „alten Kirchenväter“ für nicht weniger wichtig. In der Kirchenordnung ist nämlich zu lesen, daß der Prediger, der sich auf die Ausübung seines Amtes vorbereitete und „sein Fundament aus diesen obengezogenen büchern gelegt“ hat, wie folgt vorgehen soll: „So mag er ihme Orthodoxam antiquitatem zulegen […], auch Bernhardum, welcher wegen der schönen dicta, deren er sehr viel hat, wohl zulesen ist.“24 In: Harasimowicz, Jan/Lipińska, Aleksandra (Hg.): Dziedzictwo reformacji w księstwie legnicko-brzeskim. Das Erbe der Reformation in den Fürstentümern Liegnitz und Brieg. Materiały międzynarodowej konferencji naukowej zorganizowanej w dniach 8–10 grudnia 2005 r. w Muzeum Miedzi w Legnicy. Protokollband der internationalen Fachtagung veranstaltet am 8. bis 10. Dezember 2005 im Kupfer-Museum zu Liegnitz, Legnica 2007 (Źródła i Materiały do Dziejów Legnicy i Księstwa Legnickiego 4), 143–151. 24 Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 80.

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Den Erlaß dieser Kirchenordnung beeinflußte mit Sicherheit die Veröffentlichung ausgewählter Schriften der „heiligen Väter“ – darunter einiger Werke des Hl. Bernhard von Clairvaux – in den Jahren 1584 bis 1591 durch den bereits erwähnten Martin Moller.25 Die „Meditationes sanctorum Patrum“ enthalten unter anderem die Übersetzung seines berühmten „Jubilus rhytmicus de nomine Jesu“.26 Eine andere, vollkommenere Fassung der Übersetzung dieser Hymne veröffentlichte 1630 in Liegnitz der damalige lutherische Pfarrer in Köben an der Oder, Johannes Heermann, der führende deutsche Liederdichter des 17. Jahrhunderts.27 Die Verehrung des Namens Jesu mit den Worten des Hl. Bernhard von Clairvaux mußte zu dieser Zeit, ein Jahr nach dem kaiserlichen Restitutionsedikt, offensichtlich gegen die Jesuiten gerichtet worden sein. Andererseits aber hob sie die in der Meinung der Lutheraner unbegründeten und voreiligen Beschuldigungen wegen Ablehnung der besonderen Verehrung des Namens des Gottessohns auf. Für diese Ablehnung sprach sich seinerzeit entschieden Johannes Calvin aus, der Anführer des radikaleren Flügels der Reformation.

II. Die Werke des Hl. Bernhard von Clairvaux fanden unter schlesischen Protestanten nicht nur wegen der darin gepriesenen Brautmystik Akzeptanz. Die Bekenner der Regel solus Christus – sola fide – sola scriptura mußten sich schon von der christologischen Orientierung der Theologie des Doctor mellifluus angesprochen gefühlt haben. Daher ist die weitgehende Übereinstimmung der christologisch-typologischen Bildauslegung einer Miniatur des Leubuser Antiphonars28 aus dem späten 13. Jahrhundert mit dem Programm des großen Wandgrabmals für Wladislaw und Helene von Stosch nicht verwunderlich; das Grabmal wurde im Jahr 1591 im Chor der lutherischen Dorfkirche in Mondschütz, Landkreis Wohlau, das nur wenige Kilometer von Leubus, dem in Schlesien größten Zentrum der Zisterzienser-Kul25 Moller, Martin: Meditationes sanctorum Patrum, [Teil 1]: Schoene/ andaechtige Gebete/ troestliche Sprueche/ Gottselige gedancken/ trewe Bußvermahnungen/ hertzliche Dancksagungen/ und allerley nuetzliche Uebungen des Glaubens. Aus den heyligen Altvaetern: Augustino, Bernhardo, Taulero und andern/ fleißig und ordentlich zusammen getragen und verdeutschet, Goerlitz 1584; [Teil 2]: […] Aus den heyligen Altvaetern: Cypriano, Hieronymo, Augustino, Bernhardo. Anshelmo, und andern, Goerlitz 1591. 26 S. Bernardi, Clarae-Vallensis Abbatis Primi, Opera Omnia, Bd. 3, Paris 1854 (Patrologiae Cursus Completus. Series Latina 184), 1317–1320. 27 Deß H. Bernhardi Frewden=Gesang von dem Namen JESU. In Deutsche Reimen verfasset/ Durch Johann Heerman: P. L. C. Pfarrn zu Köben, [Liegnitz 1630]. 28 Universitätsbibliothek Breslau [Biblioteka Uniwersytecka we Wrocławiu], Handschriftenabteilung [Oddział Rękopisów], Sign. I F 401, fol. 78r. Vgl. ferner Jażdżewski, Konstanty Klemens: Lubiąż. Losy i kultura umysłowa śląskiego opactwa cystersów 1163–1642, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1081), 220–222.

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tur entfernt war, aufgestellt.29 „Die prachtvolle Communitas des Bernhard Mellifluus“30 sorgte damals an der Oder, im Gegensatz zu der vorausgehenden Periode der Hussitenkriege, für kein besonderes Aufsehen. Die Regel des Hl. Benedikt von Nursia bot nämlich keine ausreichenden Grundlagen für Beschuldigungen wegen „Beleidigung Gottes durch das Nichtstun der Hände“,31 die auf den allmählichen Verfall beinahe sämtlicher schlesischer Bettelorden entscheidenden Einfluß ausübten. Die Aufnahme der Zisterzienserklöster in die konfessionelle Landschaft des von der Reformation erfaßten Schlesien hatte anfänglich den Charakter einer konfessionellen Tarnung. Auf eine spontane, wohl nicht ganz bewußte Art und Weise wurden Klischees von doktrinellen und mentalen Strukturen des sich herausbildenden Luthertums übernommen. Davon zeugen die aus dem Jahr 1539 stammenden Rollenprägungen auf dem Ledereinband der mittelalterlichen Bibel aus Heinrichau,32 die das für die Ikonographie der Reformationszeit typische soteriologische Programm mehrmals wiederholen.33 Prägnant sind auch die auf dem Einband des Leubuser Pontifikales aus dem Jahr 155534 geprägten Medaillons mit der Kreuzigung Christi, Erhöhung der Ehernen Schlange und Opferung Isaaks, die an eine Abbildung in den in Wittenberg gedruckten, damals sehr verbreiteten Kate-

29 In beiden Kunstwerken wiederholen sich Darstellungen des Auferstandenen Christus, Simsons mit dem Stadttor von Gaza, Davids mit dem Haupt von Goliath und sogar des symbolischen Pelikans, der durch das Öffnen seiner Brust mit dem eigenen Blut seine toten Jungen zum Leben erweckt. Harasimowicz, Jan: Mors janua vitae. Śląskie epitafia i nagrobki wieku reformacji, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1098, Historia Sztuki 3), 140f., Abb. 104; ders.: Kunst als Glaubensbekenntnis. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte der Reformationszeit, Baden-Baden 1996 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 359), 112–114. 30 So nannte Michał Kazimierz Jarmundowicz 1745 den Zisterzienserorden, als er anläßlich des 600. Jahrestages der Gründung der Zisterzienserabtei Ląd in Großpolen predigte. Kaczmarek, Romuald/Witkowski, Jacek: Historia i tradycja średniowieczna w sztuce cystersów Europy Środkowo-Wschodniej XVII–XVIII w. In: Strzelczyk, Jerzy (Hg.): Cystersi w kulturze średniowiecznej Europy, Poznań 1992 (Uniwersytet im Adama Mickiewicza w Poznaniu. Historia 165), 387–414, hier 412. 31 Auf diese Weise soll zur Zeit der Reformation das Verlassen des Franziskanerklosters in Breslau durch die Konventbrüder begründet worden sein. Pol, Nikolaus: Jahrbücher der Stadt Breslau, Bd. 3, Breslau 1816, 96. 32 Universitätsbibliothek Breslau [Biblioteka Uniwersytecka we Wrocławiu], Handschriftenabteilung [Oddział Rękopisów], Sign. I F 13. 33 Es sind folgende, sich wiederholende Darstellungen: 1. Ein Mensch unter der erhöhten ehernen Schlange knieend, mit der Inschrift: MO[RS]: EX: SER[PENTEM]; 2. Adam und Eva unter dem Paradiesbaum, mit der Inschrift: PECCATUM; 3. Der auferstandene Christus, mit der Inschrift: 1539/IUSTIFlCA[TIO]; 4. Die Kreuzigung Christi mit Maria und Johannes, mit der Inschrift: SATISFACTI[O]. Vgl. ferner Jażdżewski: Lubiąż, 230f. 34 Universitätsbibliothek Breslau [Biblioteka Uniwersytecka we Wrocławiu], Handschriftenabteilung [Oddział Rękopisów], Sign. I F 382. Jażdżewski: Lubiąż, 237.

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chismen Martin Luthers anknüpfen35 und in Schlesien zahlreiche Analogien in den Epitaphien und Grabmälern des protestantischen Adels und Bürgertums haben.36 Angesichts der allmählichen Ausprägung der dogmatisch- und praktisch-theologischen Eigenheiten des Luthertums wurde es zunehmend schwierig, individuelle religiöse Überzeugungen, wenn auch nur unterbewußt, mit der angestammten Treue zur traditionellen, hierarchisch aufgebauten katholischen Kirche in Einklang zu bringen. Manche schlesische Zisterzienseräbte haben die Grenze der Konversion erreicht oder sogar überschritten – zum Beispiel Nikolaus VII. aus Grüssau, der im Jahr 1576 unter geheimnisvollen Umständen in Schweidnitz Selbstmord beging (er verließ davor sein Kloster und brach mit dem Zölibat). Franziskus Ursinus aus Leubus (1594–1607) wurde wohl nur durch seinen Tod daran gehindert, öffentlich zum Luthertum zu konvertieren. Am spektakulärsten war selbstverständlich die Klosterflucht der Äbtissin von Trebnitz, Maria von Luck, und ihre Hochzeit im Jahr 1610 mit dem Förster Hans von Seidlitz.37 Die zweideutige bzw. entschieden pro-lutherische Haltung mancher Vorsteher schlesischer Zisterzienserklöster sowie die relativ deutlich sichtbare Abneigung, in offenen Streit mit der siegreichen Reformation zu geraten, dürfen das mühsame und vielseitige Werk der Erneuerung nicht verschleiern, das in Grüssau, Heinrichau, Kamenz und Leubus zu Beginn des 17. Jahrhunderts aufgenommen wurde.38 In diesem Werk, das unabhängig von der Breslauer Bischofskurie und insbesondere von dem den Zisterziensern nicht wohlwollend gesinnten Domkapitel umgesetzt wurde, spielte die Visitation Schlesiens durch Nikolaus Boucherat, den Generalabt von Cîteaux, im Jahr 1616 eine entscheidende Rolle.39 Am 22. Februar leitete er persönlich die Beratungen des Kapitels der Ordensprovinz Böhmen in Prag, dem

35 Schiller, Gertrud: Ikonographie der christlichen Kunst, Bd. 4/1: Die Kirche, Gütersloh 1976, 144, Abb. 347. 36 Harasimowicz: Mors janua vitae, 102f.; ders.: Kunst als Glaubensbekenntnis, 100–102, 136– 140, Abb. 55, 120. 37 Knauer, Paul: Klosterleben und Klosterreform der schlesischen Zisterzienser in der Zeit der Reformation und Gegenreformation. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 4 (1939) 239–252, hier 242–245; Grüger, Heinrich: Leubus. Zisterzienserabtei. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 22 (1981) 1–32, hier 7–9; ders.: Trebnitz. Zisterzienserinnenabtei. Ebd. 23 (1982) 55–83, hier 59f. 38 Knauer: Klosterleben und Klosterreform, 245–250; Grüger, Heinrich: Heinrichau. Geschichte eines schlesischen Zisterzienserklosters 1227–1977, Köln/Wien 1978 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 16), 44–61; ders.: Kamenz. Augustiner-Propstei, dann Zisterzienserstift. In: Jahrbuch der schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 21 (1980) 84–109, hier 89; ders.: Leubus. Zisterzienserabtei, 8f.; ders.: Heinrichau. Zisterzienserabtei. In: Jahrbuch der Schlesischen FriedrichWilhelms-Universität zu Breslau 23 (1982) 27–54, hier 31f. 39 Knauer: Klosterleben und Klosterreform, 250–252; Grüger, Heinrich: Der Orden der Zisterzienser in Schlesien (1175–1810). Ein Überblick. In: Jahrbuch der Schlesischen FriedrichWilhelms-Universität zu Breslau 23 (1982) 84–145, hier 129.

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die schlesischen Klöster seit 1577 angehörten. Durch die Inspektion und die Erneuerung der direkten Bindung an Cîteaux gestärkt, begannen die schlesischen Zisterzienser einen harten Kampf, sich von jeglicher – mit Ausnahme des Generalkapitels – externen kirchlichen Macht zu befreien. Bereits 1651 verweigerten sie dem Vikar der böhmischen Provinz das Recht auf Inspektion, indem sie in der Folge eine eigene, also auf die Breslauer Diözese beschränkte Ordensprovinz gründeten. Im Jahr 1677 setzte das Abkommen zwischen den Äbten und dem Bischof dem über ein Jahrhundert lang andauernden Exemptionsstreit ein Ende.40 Schlesische Zisterzienser durften demzufolge völlig legitim das von ihnen entwickelte, von der damaligen Praxis des gesamten Ordens abweichende Modell des monastischen Lebens weiter entfalten. Ihre Klöster wurden allmählich zu Zentren von Verwaltung und Gerichtsbarkeit der territorialen Herrschaft, die zugleich gegenüber den hauptsächlich außerhalb der Konvente als Seelsorger der Pfarrgemeinden und Güterverwalter tätigen Brüdern die Funktion von Seminar, Stammhaus und Refugium erfüllten.41 Das ,schlesische‘ Modell der Organisation einer Zisterziensergemeinschaft, erstmals in den Satzungen des Leubuser Konvents im Jahr 1607 formuliert, setzte eine starke Einbindung des jeweiligen Klosters in die vorhandene Realität, sein ,Hineinwachsen‘ in die in ihrer Mehrheit konfessionell abweichende Standesgesellschaft voraus. Es fehlt auch nicht an Beweisen für eine einvernehmliche Zusammenarbeit der Zisterzienseräbte mit den protestantischen Herzögen und dem protestantischen Adel – eine Kooperation jedoch, in der die konfessionellen Unterschiede respektiert wurden. Zum Beispiel stellten die adligen Besitzer von Michelau bei Brieg, einer evangelischen Pfarrgemeinde unter dem Patronat des Klosters Kamenz, das Recht des Abts auf die Präsentation des jeweiligen Kandidaten für das Pfarramt niemals in Frage.42 Jenes Kloster in Kamenz erwarb am Anfang des 17. Jahrhunderts vom evangelischen Adel der Grafschaft Glatz einige mittelalterliche Altäre, die im lutherischen Gottesdienst in unzähligen Mengen überflüssig geworden waren.43 Und es gab wohl auch keine feierliche Beerdigung in den evangelischen Herzogsfamilien von Liegnitz und Oels, an der nicht Gesandte aus den Zisterzienserklöstern in Trebnitz und Leubus teilgenommen hätten.44 40 Nentwig, Heinrich: Zum Exemptionsstreite zwischen den Bischöfen von Breslau und den Zisterzienseräbten in Schlesien. In: Studien zur schlesischen Kirchengeschichte, Breslau 1907 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte 3), 111–136; Grüger, Heinrich: Ursachen und Folgen der Trennung Schlesiens von der Ordensprovinz Böhmen. In: Citeaux 27 (1976) 29–55. 41 Grüger, Heinrich: Die schlesischen Zisterzienser und die Pfarrseelsorge. In: Citeaux 32 (1981) 253–288; ders.: Der Orden der Zisterzienser, 127–137. 42 Grüger: Kamenz, 98f. 43 Volkmer, Franz/Hohaus, Wilhelm (Hg.): Geschichtsquellen der Grafschaft Glatz, Bd. 3, Habelschwerdt 1884, 168. 44 Harasimowicz, Jan: Ewangelicki rytuał pogrzebowy na Śląsku w XVI i XVII wieku. In: Szaraniec, Lech (Hg.): Ziemia Śląska, Bd. 3, Katowice 1993, 69–88, hier 85.

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Die Anpassung an eine Tätigkeit unter geänderten Umständen zog die Notwendigkeit nach sich, die eigene Präsenz in der schlesischen Landschaft öffentlich bemerkbar zu machen – sogar um den Preis, gegen das Verbot des Überflusses und der übermäßigen Pracht der Kirchen- und Klosterbauten zu verstoßen. Infolge der relativ guten materiellen Lage einzelner Konvente konnte bereits in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts das große Vorhaben der Modernisierung der schlesischen Zisterzienserkirchen beginnen. Den einzigen Überrest der ersten Phase dieses Vorhabens, in Leubus durch den Abt Matthias Rudolph (1608–1636), in Grüssau durch den Abt Adam (1622–1632) und in Heinrichau durch den Abt Nikolaus Hübner (1577–1611) eingeleitet, bildet lediglich die Stiftung des Letztgenannten – der große Kirchturm aus dem Jahr 1608.45 Sein Bau – errichtet noch vor dem erwähnten Besuch des Generalabts, seit dem das Streben der schlesischen Zisterzienser nach Selbständigkeit deutlich an Kraft zunahm – veranschaulicht die feste Überzeugung der ,grauen Brüder‘ von ihrem beständigen Platz in der schlesischen Ständegesellschaft. Das Kapitel der böhmischen Ordensprovinz in Prag und sogar der Breslauer Bischof, vom Kaiser abhängig und politischen Zwecken der gesamten Monarchie untergeordnet, wurden lediglich als ,externe‘ Faktoren wahrgenommen. Es sollte also keinen verwundern, daß die schlesischen Zisterzienser – genauer der Leubuser Abt Arnold Freiberger (1636–1672) – in ihrem Kampf um Unabhängigkeit so weit gegangen sind, daß sie im Jahr 1670 ein Geheimabkommen mit den Piasten von Liegnitz und Brieg schlossen,46 das das mittelalterliche Patronatsrecht dieser Herzöge – zu damaliger Zeit reformierten Bekenntnisses – auf das Kloster in Leubus zum Teil wiederbelebte.

III. Die einheimische Dynastie der Herzöge von Liegnitz und Brieg bildete naturgemäß das stärkste Bollwerk einer gewissen Autonomie Schlesiens innerhalb der Habsburgischen Monarchie.47 Zur Festlegung der Grenzen dieser relativen Selbständigkeit trug weitgehend der Streit bei, der zwischen dem Anführer der Reformation in Schlesien, Herzog Friedrich II., und dem ersten Habsburger auf dem böhmischen Thron, Ferdinand I., ausbrach. Es ging nämlich um das herzogliche Patronatsrecht auf Kloster Leubus, das vom König nicht anerkannt wurde, weil das Fürstentum Wohlau, in dessen Grenzen das Kloster lag, von der Liegnitz-Brieger

45 Grüger: Heinrichau. Geschichte eines schlesischen Zisterzienserklosters, 275; ders.: Heinrichau. Zisterzienserabtei, 44. 46 Ders.: Leubus. Zisterzienserabtei, 8–10. 47 Bahlcke, Joachim: Eckpfeiler der schlesischen Libertaskultur. Die Liegnitz-Brieger Piasten in der Frühen Neuzeit. In: Harasimowicz/Lipińska (Hg.): Dziedzictwo reformacji w księstwie legnicko-brzeskim, 23–42.

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Linie der Piastenfamilie nicht geerbt, sondern durch Kauf erworben worden war.48 Die endgültige Anerkennung des Übergangs des Patronatsrechtes auf Leubus mitsamt des abgelaufenen Glogauer Lehens auf die böhmische Krone im Jahr 1565 schloß die Erweiterung der Macht der schlesischen Herzöge auf Kosten eines wohlhabenden Zisterzienserklosters aus. Daß sich die Leubuser Zisterzienser nach einhundert Jahren dennoch den Piasten von Liegnitz und Brieg zuwandten, war das Ergebnis einer dermaßen weit fortgeschrittenen Abneigung gegenüber der zentralistischen Politik der Habsburger, daß selbst die konfessionellen Unterschiede zwischen den Bündnispartnern zugunsten der Erhaltung des politischen status quo in Schlesien in den Hintergrund traten. Das Abkommen zwischen Zisterziensern und Piasten im Jahr 1670, das – als es bekannt wurde – vom Generalkapitel des Ordens scharf verurteilt wurde, hatte seinen Ursprung in der konsequent antihabsburgischen, wenn auch in der Regel relativ vorsichtigen Haltung der Herzöge gegenüber den wichtigsten Problemen der böhmischen Krone auf sozialer und staatlicher Ebene. Die politischen Ambitionen der schlesischen Piasten fanden in erster Linie im Bereich kultureller Investitionen ihren Ausdruck, deren Höhepunkt – der unter Georg II. durchgeführte Umbau des Schlosses in Brieg im Stil der Renaissance – an die historischen Verdienste der Dynastie und ihre seit langem vorhandenen Machtprivilegien erinnern sollte (Abb. 72).49 Gerade diese politischen Ansprüche, die einer der wichtigsten Befürworter des Kampfes der evangelischen Schlesier gegen den katholischen Kaiser – Herzog Johann Christian von Brieg – während des Dreißigjährigen Kriegs umzusetzen versuchte,50 sind in der Zeit des allmählichen Verfalls der alten ständischen Verfassung Schlesiens – nachdem die Pfandrechte der Familie Wasa auf Op48 Wutke, Konrad: Der Streit um Leubus zwischen König und Herzog. 1534–1565. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 33 (1899) 107–170; Velsen, Dorothee von: Die Gegenreformation in den Fürstentümern Liegnitz-Brieg-Wohlau. Ihre Vorgeschichte und ihre staatsrechtlichen Grundlagen, Leipzig 1931 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 15), 8; Grüger: Der Orden der Zisterzienser, 101–103. 49 Kunz, Hermann: Das Schloß der Piasten zum Briege. Ein vergessenes Denkmal alter Bauherrlichkeit in Schlesien, Brieg 1885; Bimler, Kurt: Das Piastenschloß zu Brieg, Breslau 1934; Schönaich, Gustav: Die Piastenresidenz zum Briege: Eine städtebauliche Studie, Brieg 1935; Zlat, Mieczysław: Brama zamkowa w Brzegu. In: Biuletyn Historii Sztuki 24 (1962) 284–322; Kozakiewicz, Helena/Kozakiewicz, Stefan: Renesans w Polsce, Warszawa 1976, 121–123; Zlat, Mieczysław: Brzeg, Wrocław u. a. 21979 [11960] (Śląsk w Zabytkach Sztuki), 44–116; ders.: Zamek piastowski w Brzegu, Opole 1988 (Encyklopedia Wiedzy o Śląsku). 50 Krebs, Julius: Art. Johann Christian, Herzog von Brieg. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 14, Leipzig 1881, 189–200; Kisza, Andrzej: Jan Chrystian, ewangelicki książę piastowski, Warszawa 1981; Jaeckel, Georg (Hg.): Geschichte der Liegnitz-Brieger Piasten. Von Georg Thebesius Stadtschreiber und Syndikus der Fürstentumshauptstadt Liegnitz, Bd. 2, Lorch 1982, 24–74; Prokop, Krzysztof R.: Art. Jan Chrystian. In: Szczur, Stanisław/Ożóg, Krzysztof (Hg.): Piastowie. Leksykon Biograficzny, Kraków 1999, 536–540; Harasimowicz, Jan: Jan Chrystian – książę niezłomny. Nowe spojrzenie na obraz Bartłomieja Strobla Młodszego w Museo del Prado w Madrycie. In: Arx Felicitatis. Księga ku czci profesora Andrzeja Rotter-

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peln und Ratibor abgelaufen waren – zum größten Hindernis für die in Wien ergriffenen Zentralisierungsmaßnahmen geworden. Die habsburgische Propaganda mußte also auf die Einschränkung des Rangs der schlesischen Piasten abzielen, der – davon zeugt zum Beispiel das bereits erwähnte Abkommen mit dem Zisterzienserkloster in Leubus – eine objektiv eher steigende Tendenz aufwies. Ganz im Sinn dieser Propaganda arbeitete der Dichter Johann Christian Hallmann, einer jener relativ wenigen schlesischen Intellektuellen der Barockzeit, die vom Luthertum zum Katholizismus konvertierten. Im Jahr 1672, gleich nach dem Tod Herzog Christians, als nur noch ein Erbe der Familie – der minderjährige Prinz Georg Wilhelm – am Leben war, trat Hallmann mit einem historischen Werk unter dem Titel „Schlesische Adlers Flügel“ hervor, das sogar in zwei Auflagen veröffentlicht wurde: einer Breslauer51 – wie der Verfasser selbst in der Einführung schreibt, im Auftrag eines namentlich nicht genannten „Hohen und Gnaedigen Patrons“52 – und einer Brieger „in Eigenauflage“.53 Dieses Werk – mit einem Stich, der „Alle Koenige/ Ober=Regenten/ und Obrigsten Hertzoge/ ueber das gantze Land Schlesien von PIASTO an biß auf Unsern Regierenden Allergnaedigsten Kaiser/ Koenig/ und Obristen Hertzog LEOPOLDUM“ darstellte, versehen – machte die jahrhundertemunda w sześćdziesiątą rocznicę urodzin od przyjaciół, kolegów i współpracowników, Warszawa 2001, 217–223. 51 Schlesiche Adlers Fluegel/ oder Warhaffte Abbild= und Beschreibung aller Koenige/ Ober=Regenten/ und Obristen Hertzoge/ ueber das gantze Land Schlesien von PIASTO an biß auf Unsern Regierenden Allergnaedigsten Kaiser/ Koenig/ und Obristen Hertzog LEOPOLDUM; welche Der Gelehrten Welt mit sonderbahrem Fleiße in gebund= und ungebundener Rede vorgestellet Johann Christian Hallmann. Breßlau/ Verlegts Jesaias Fellgibel/ Buchhaendler alldar. 52 Kurtzer/ jedoch noethiger Vorbericht. Von dem Alterthume deß Landes Schlesien vor Piasto. Ebd., 6r-8v, hier 7v. Hallmann erklärt das Ziel seiner Schrift folgendermaßen: „In Ansehung dessen habe ich nun in meiner gegenwaertigen Beschreibung aller Obristen Hertzoge ueber das gantze Land Schlesien […] von ietzt erwehnten Piasto den Anfang machen/ und in selbter biß auf Unsern Regierenden Aller Genaedigsten Kaiser LEOPOLDUM (dessen Glorwuerdigsten Zepter die Himmlische Majestaet mit immerbluehender Glueckseeligkeit ferner begnadigen wolle!) derogestalt fortfahren wollen/ damit der Geschichtliebende Leser so wol vermittelst derer auß den besten originalien abcopirten Kupffer/ als auch der in gebund= und ungebunder Rede beygefuegten Historischen Erzaehlung von iedem Blate gleichsam in einem Laconischen Zirckel das jenige erfahren koenne/ womit sonsten andere viel Bogen anfuellen moechten. Der ungezweifelten Zuversicht lebend/ es werde/ weil auff derogleichen Art meines wissens diese materie noch nie ausgefuehret worden/ Zu dem auch der ietzigen Hochgelehrten und mit allzuvielen Schrifften ohne diß beladenen Welt nicht mit weitlaeufftigen/ sondern kurtzen Sachen gedienet ist/ sothane wolgemeinte und zu meines vielgeliebten Vaterlandes unsterblichen Ruhme angesehene Arbeit von allen aufrichtigen Patrioten (denn die mißguenstigen Zoilos achte ich nicht einer Bohnen werth!) wol auffgenommen und zum besten gedeutet werden. Gott mit Unß!“ 53 Die Titelangabe in der Brieger Auflage hat am Ende folgenden Wortlaut: […] Johann Christian Hallmann von Breßlau JCtus. In der Fuerstlichen Residentz Stadt Brieg/ druckts Christoph Tschorn/ in verlegung des Autoris. 1672.

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lang gewachsene Legende der schlesischen Piasten zunichte, indem es sie mit einer langen Reihe „Ober-Herrscher“ Schlesiens, unter denen der polnische König Wladislaw I. Ellenlang als letzter Vertreter der Piastenfamilie genannt wurde, ersetzte.54 Um sämtlichen Versuchen zur Marginalisierung der schlesischen Piasten ausreichenden Widerstand zu leisten, initiierte die ehrgeizige Herzogin Luise – geborene Prinzessin von Anhalt-Dessau, Witwe Christians und Mutter Georg Wilhelms – mehrere Stiftungen im Bereich der Kunst und setzte somit gewissermaßen die Traditionen der Familie fort. Ihr erstes großes Vorhaben war der Ahnensaal im Schloß in Ohlau (1673–1675),55 ein weiteres – das bereits nach dem vorzeitigen Tod ihres Sohns errichtete Piastenmausoleum an der Schloßkirche St. Johannes in Liegnitz (1667–1678) (Abb. 70, 71).56 Das hierbei vorgestellte, deutlich antihabsburgische Programm fand gerade bei den Zisterziensern weitgehende Unterstützung. Der Leubuser Abt Johannes Reich (1672–1681), Nachfolger und Fortsetzer der Politik Arnold Freibergers, ließ die mittelalterliche Fürstenkapelle an der Klosterkirche barockisieren, indem er in der emblematisch-heraldischen Ausmalung ihres Gewölbes der Bindung Leubus’, des größten Zisterzienserklosters in Schlesien, an die Stifter aus der einheimischen Herrscherfamilie Ausdruck verlieh.57 Ein Besuch Georg Wilhelms im ,Patronatskloster‘ gegen Ende August 1675, währenddessen der junge Herzog dem Grabmal Boleslaws III. – des Begründers der Liegnitz-Brieger Linie der Piasten – besondere Aufmerksamkeit schenkte,58 bestätigte gewissermaßen jene für die damalige Zeit verhältnismäßig seltene, konfessionelle 54 Zwei bedeutende polnische Germanisten, Marian Szyrocki und Zdzisław Żygulski, haben in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts einige Auszüge aus dem Werk Hallmanns in polnischer Übersetzung publiziert. Es scheint, daß sie sich dessen propagandistischer und im Grunde genommen ,anti-piastischer‘ Aussage nicht bewußt waren. Szyrocki, Marian/ Żygulski, Zdzisław (Hg.): Silesiaca. Wybór z dzieł pisarzy śląsko-niemieckich XVII wieku w tekstach oryginalnych i polskich przekładach, Warszawa 1957, 192–199. 55 Kalinowski, Konstanty: Gloryfikacja panującego i dynastii w sztuce Śląska XVII i XVIII wieku, Warszawa/Poznań 1973 (Prace Komisji Historii Sztuki Poznańskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk 9/2), 33–39. 56 Lepiarczyk, Józef: Legnickie „Monumentum Piasteum“. In: Szkice Legnickie 1 (1962) 99– 111; Kalinowski: Gloryfikacja panującego i dynastii, 55–73; Grossmann, Dieter: Das letzte Gespräch der Piasten. In: Schlesien 21 (1976) 215–221; Kalinowski, Konstanty: Architektura doby baroku na Śląsku, Warszawa 1977, 43f.; Spellerberg, Gerhard: Lohensteins Beitrag zum Piasten-Mausoleum in der Liegnitzer Johannis-Kirche. In: Daphnis 7 (1978) 647–687; Kostowski, Jakub: Mauzoleum Piastów. In: Harasimowicz, Jan (Hg.): Kultura artystyczna dawnej Legnicy, Opole 1991, 63–73, 123–125; Harasimowicz, Jan u. a.: Mauzolea Piastowskie na Śląsku, Wrocław 1993, 122–125; Waterman, Joshua P.: Daniel Casper von Lohenstein’s LobSchrift (1676) and the Construction of the Piast Mausoleum in Legnica. In: Harasimowicz/ Lipińska (Hg.): Dziedzictwo reformacji w księstwie legnicko-brzeskim, 317–329. 57 Kalinowski, Konstanty: Lubiąż, Wrocław/Warszawa/Kraków 1970 (Śląsk w Zabytkach Sztuki), 83–88; ders.: Gloryfikacja panującego i dynastii, 40–46. 58 Kraffert, Adalbert Hermann: Chronik von Liegnitz, Zweiter Theil zweite Abtheilung: Vom Tode Friedrichs II. bis zum Aussterben des Piastenhauses. 1547–1675, Liegnitz 1871, 275.

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Grenzen überschreitende Bindung. Weit selbstverständlicher – infolge des Verzichts auf den evangelischen Glauben und die Konversion zum Katholizismus – war die später erfolgte Beerdigung der letzten schlesischen Piastentochter, Herzogin Charlotte von Holstein-Sonderburg-Wiesenburg (gestorben 1707),59 am Fuß des Grabmals der Hl. Hedwig in Trebnitz.60 Sie setzte die Tendenz zur Übernahme der Rolle der „Wächter der Piastenlegende“ durch schlesische Zisterzienser fort, die man dem regionalen schlesischen Erbe als solchem gleichsetzte. Das größte Denkmal der Piastenfamilie ist deren in den Jahren 1727 bis 1738 an der neuen Abteikirche der Zisterzienser in Grüssau errichtetes Mausoleum.61 Es sollte nicht nur an die Klosterstiftung durch die Herzöge aus der Linie von Schweidnitz und Jauer erinnern, sondern auch Ansprüche der Grüssauer Äbte auf die Übernahme zumindest eines Teils des ehemaligen herzoglichen Erbes legitimieren. Diese Ansprüche, die unter anderem im Erwerb der alten Piastenburg Bolkenhain und anliegender Güter durch das Kloster ihren Ausdruck fanden, wurden auf dem Fresko in der südlichen Kuppel des Mausoleums detailliert dargestellt (Abb. 17). Die Funktion eines Arguments in dem sorgfältig durchdachten Vortrag der Beweggründe des Klosters übernahm das nur scheinbar vom Mausoleum völlig unabhängige manieristische Grabmal Wladislaw von Zedlitz-Nimmersatts (gestorben 1628), das aus der Familiengrabkapelle an der alten mittelalterlichen Klosterkirche hierher verbracht worden war.62 Der mit diesem Denkmal verewigte eifrige Katholik, Kommandant der Leibgarde Kaiser Rudolfs II., Komtur der Striegauer Johanniter und Kammerherr des Breslauer Bischofs – Erzherzog Karl von Habsburgs – bildete aus den von seinem Onkel väterlicherseits – Jakob – vererbten Bolkenhainer Gütern einen sogenannten Fideikomiß – ein unteilbares und unverkäufliches Vermögen, das nur von einer Person katholischen Bekenntnisses geerbt werden konnte.63 Weil die Familie von Zedlitz beinahe in allen Linien evangelisch war und die Güter selbst – im Dreißigjährigen Krieg ausgeplündert – potenziellen Käufern als nicht besonders attraktiv erschienen, gelang es dem Kloster relativ pro59 Münch, Gotthard: Charlotte von Liegnitz, Brieg und Wohlau, die Schwester des letzten Piasten. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 10 (1952) 148–188, 11 (1953) 127–168, 12 (1954) 112–169, 13 (1955) 172–227; Prokop, Krzysztof R.: Karolina. In: Szczur/Ożóg (Hg.): Piastowie, 567–569. 60 Harasimowicz u. a.: Mauzolea piastowskie, 71; Kaczmarek, Romuald/Witkowski, Jacek: Mauzoleum Świętej Jadwigi w Trzebnicy, Wrocław 1993, 51. 61 Kalinowski: Gloryfikacja panującego i dynastii, 74–100; Dziurla: Krzeszów, 74–79; Harasimowicz (Hg.): Mauzolea piastowskie, 99–104; Hołownia, Ryszard: Krzeszowskie Mauzoleum Piastów Świdnicko-Jaworskich w aspekcie sukcesji książęcej. In: Dziurla/Bobowski (Hg.): Krzeszów uświęcony łaską, 272–312. 62 Dziurla: Krzeszów, 76; Hołownia: Krzeszowskie Mauzoleum Piastów, 306. 63 Zedlitz und Neukirch, Eberhard Freiherr von: Familiengeschichte der Grafen, Freiherren und Herren von Zedlitz, Glatz 1919/20, 66; ders.: Das Geschlecht der Herren, Freiherren und Grafen von Zedlitz in Stammtafeln vom ersten Auftreten bis zur Gegenwart, Berlin 1938, Tafel 31.

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Abb. 17. Das Fresko in der südlichen Kuppel des Piastenmausoleums bei der Abteikirche der Zisterzienser in Grüssau, 1727 bis 1738 von Georg Wilhelm Neunhertz geschaffen, zeigt eine Allegorie der Bedeutung und der Macht des Grüssauer Klosters. Zu sehen sind u. a. Abt Innozenz Fritsch bei der Entscheidung über die Form der neuen Kirche, die von Abt Dominicus Geyer wiederaufgebaute Propstei in Warmbrunn sowie die von Engeln getragene herzogliche Burg Bolkenhain, die Anfang des 18. Jahrhunderts von den Grüssauer Zisterziensern erworben worden war und seitdem deren Anspruch als Erben der Piasten von Schweidnitz und Jauer begründete.

blemlos, sie zu erwerben. Die dafür notwendigen Mittel sammelte Abt Dominicus Geyer (1696–1726), der zusammen mit einer Ansicht der Propstei Warmbrunn – dem Zentrum der Grüssauer Besitztümer im Fürstentum Jauer – an der südlichen Kuppel des Mausoleums abgebildet wurde. Der Titel „Erb-Herr der Burg Polckenhayn“ in der Überschrift des angeführten Werks von Samuel Leopold Hahn64 stand jedoch erst Abt Innozenz Fritsch (1717–1733) zu,65 nachdem 1732 Karl Caspar Freiherr von Zedlitz-Nimmersatt auf das ihm gebührende Vorkaufsrecht der Bolkenhainer Güter verzichtet hatte. 64 Siehe Anm. 9. 65 Lutterotti, Nikolaus von: Abt Innozenz Fritsch (1717–1733), der Erbauer der Grüssauer Abteikirche, Schweidnitz 1935.

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Zusammenfassend ist festzustellen, daß an der Grüssauer Abteikirche und dem angebauten Piastenmausoleum alle Aspekte des Beitrags der Zisterzienserklöster zur kulturellen Identität Schlesiens in der Frühen Neuzeit abgelesen werden können: 1. Die Neigung zu einem mystischen Spiritualismus, der seine Lebenskraft aus der Bibel und ihrer Auslegung durch Bernhard von Clairvaux schöpfte und Vertretern aller Konfessionen sowie bedeutenden, über alle religiösen Streitigkeiten erhabenen Persönlichkeiten, wie etwa Martin Moller, Jakob Böhme und Angelus Silesius, gemeinsam war. 2. Ein durch die Kunst vermittelter interkonfessioneller Dialog, der auf der gesellschaftlichen Ebene der Bildungseliten mit theologisch-biblischer Kompetenz geführt wurde – verbunden mit einer für die ,kernschlesische‘, in der Geschichte verankerten Tradition sehr charakteristischen Präferenz der Macht der Argumente gegenüber den Argumenten der Macht. 3. Schließlich das Bestreben, die symbolische, aber zum Teil auch tatsächliche Nachfolge der ausgestorbenen einheimischen Dynastie anzutreten und einen Ersatz für den herzoglichen Hof zu schaffen. So wurde eine Tradition gepflegt, die zusammen mit den sonstigen ,kernschlesischen‘ Einrichtungen des öffentlichen Lebens zum Bestandteil des allein für dieses Land typischen ,Schwebezustandes‘ zwischen dem absolutistischen Herrscher und den Ständen wurde, die mit Erfolg – wenn auch ohne ausreichende rechtliche Grundlage – die Rechtsordnung des konfessionell gespalteten Reiches zum eigenen Vorteil auszunutzen wußte.66 Es ist wohl kein Zufall, daß diese Eigenart der in Schlesien seit dem Mittelalter bestehenden sozialen und politischen Ordnung, die mit gewissen Einschränkungen noch bis in die Frühphase der preußischen Herrschaft andauerte,67 gleich zu Beginn des 19. Jahrhunderts von den großen Reformen und den mit ihnen einhergehenden Systemveränderungen verdrängt wurde. Sie hat – mit einer gewissen zeitlichen Verschiebung gegenüber anderen Ländern Mitteleuropas – zur Säkularisierung sämtlicher schlesischer Klöster der „grauen Brüder“ geführt. Diese Maßnahme der preußischen Regierung setzte der mehrere Jahrhunderte lang andauernden fruchtbaren kulturellen Tätigkeit des Zisterzienserordens in Schlesien ein Ende.

66 Weber, Matthias: Das Verhältnis Schlesiens zum Alten Reich in der Frühen Neuzeit, Köln/ Weimar/Wien 1992 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte l), 219–280. 67 Jaeckel, Georg: Zur fridericianischen Kirchenpolitik in Schlesien. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 54 (1975) 105–155; Grüger: Der Orden der Zisterzienser, 103f.

Die evangelische Schloßkirche St. Hedwig in Brieg als Zeugnis ständischer Repräsentation der Reformationszeit in Schlesien Von den schlesischen Fürsten aus dem Geschlecht der Piasten, die die Fürstentümer Liegnitz, Brieg, Wohlau und Teschen im 16. und 17. Jahrhundert regierten, fand der jüngere Sohn Friedrichs II. von Liegnitz und Brieg, Georg II. von Brieg, die größte Anerkennung. Er wurde allgemein „Vater der Heimat“ genannt, denn seine lange Herrschaft, von 1547 bis 1586, brachte dem Fürstentum eine positive wirtschaftliche Entwicklung, politische Stabilität und ein geordnetes Verhältnis zwischen den Konfessionen.1 Der von Georg II. praktizierte patriarchalische Regierungsstil war zwar sehr umständlich, er ließ ihn jedoch das Geschehen völlig kontrollieren und ermöglichte es, nahende Konflikte und Spannungen im Keim zu ersticken. Georg II. bemühte sich seit Beginn seiner Herrschaft um einen möglichst vornehmen Ausbau der Brieger Residenz, die bereits unter Friedrich II. modernisiert worden war. Dank der Beschäftigung einer Gruppe von Architekten und Steinmetzen aus der Gegend um den Luganer See im Tessin unter Führung von Jacob Parr aus Bissone, umfaßte das Brieger Schloß um das Jahr 1550 bereits drei Wohnflügel mit einem Arkadenhof, deren Innenräume mit Stuckarbeiten geschmückt waren.2 Der Eingang zum Schloß führte durch das mit einem Turmbelvedere bekrönte Torhaus, dessen Fassade in den Jahren 1551 bis 1553 zwei lebensgroße, Herzog 1

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Schönwälder, Karl Friedrich: Die Piasten zum Briege oder Geschichte der Stadt und des Fürstenthums Brieg, Bd. 2: Von der Kirchenreformation bis zur Verleihung des Majestätsbriefes (1521–1609), Brieg 1855, 100–199, 222–229; Krebs, Julius: Art. Georg II., der Schwarze, Herzog von Brieg. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 8, Leipzig 1878, 689–693; Eichbaum, Gerda: Georg II. Herzog von Brieg. In: Andreae, Friedrich/Graber, Erich/Hippe, Max (Hg.): Schlesier des 16. bis 19. Jahrhunderts, Breslau 1931 (Schlesische Lebensbilder 4), 59–68; Pieradzka, Krystyna: Jerzy II (1523–1586), książę brzeski i oławski. In: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 11, Wrocław 1964/65, 184–186; Rudkowski, Tadeusz: Mecenat artystyczny Jerzego II księcia brzeskiego. In: Funkcja dzieła sztuki. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki Szczecin, listopad 1970, Warszawa 1972, 193–206; Jaekkel, Georg: Geschichte der Liegnitz-Brieger Piasten, Bd. 1: Die geschichtliche Entwicklung bis zu Herzog Georg II. von Liegnitz-Brieg-Wohlau (1547–1586), Lorch 1980 (Beiträge zur Liegnitzer Geschichte 10), 124–131; Prokop, Krzysztof R.: Art. Jerzy II. In: Szczur, Stanisław/ Ożóg, Krzysztof (Hg.): Piastowie. Leksykon biograficzny, Kraków 1999, 511–515. Kunz, Hermann: Das Schloß der Piasten zum Briege. Ein vergessenes Denkmal alter Bauherrlichkeit in Schlesien, Brieg 1885; Bimler, Kurt: Das Piastenschloß zu Brieg, Breslau 1934; Schönaich, Gustav: Die Piastenresidenz zum Briege: Eine städtebauliche Studie, Brieg 1935; Zlat, Mieczysław: Brama zamkowa w Brzegu. In: Biuletyn Historii Sztuki 24 (1962) 284–322; Kozakiewicz, Helena/Kozakiewicz, Stefan (Hg.): Renesans w Polsce, Warszawa 1976, 121–123; Zlat, Mieczysław: Brzeg, Wrocław u. a. 21979 [11960] (Śląsk w Zabytkach Sztuki), 44–116; ders: Zamek piastowski w Brzegu, Opole 1988 (Encyklopedia Wiedzy o Śląsku).

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Georg II. und seine Gemahlin Barbara von Brandenburg darstellende Figuren zierten (Abb. 72). Darüber war ein Doppelfries mit den Büsten von 24 Herrschern aus dem Piastengeschlecht, den Vorgängern des Herzogs, angebracht: Fürsten und Könige ganz Polens, Herrscher des schlesischen Teils des polnischen Staats sowie des souveränen Herzogtums Schlesien.3 Das Bildprogramm des Torhauses resultierte aus einer besonderen politischen Situation in Schlesien. Nämlich aus der Zeit, nachdem der schlesische Fürstentag 1546 unter dem Druck König Ferdinands I. von Habsburg das Abkommen über das gegenseitige Erbe, die sogenannte Erbverbrüderung, für nichtig erklärt hatte. Letztere war 1537 zwischen Herzog Friedrich II. und dem brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. geschlossen worden.4 Friedrich III. von Liegnitz und Georg II. von Brieg mußten zwar nach dem Tode des Vaters im Jahr 1547 – unter Androhung einer Ablehnung ihrer Investitur – die Originale der Urkunden dem König aushändigen. Sie waren jedoch infolge des Testaments Friedrichs II. verpflichtet, den Absichten des Vertrags treu zu bleiben. Die in den öffentlichen Raum agierenden Figuren Georgs und Barbaras, eines aufgrund der „Erbverbrüderung“ vermählten Ehepaares, sind damit als bildlicher Ausdruck des Vertrags zu interpretieren5 – zumal die Büsten polnischer und schlesischer Ahnen Alter und Macht des Geschlechts zu bezeugen scheinen. Nach dem Abschluß der Arbeiten am Schloß wurde damit begonnen, die Ruhestätte für den Herzog und seine Nachkommen, also das Familienmausoleum, zu errichten. Diesem Zweck sollte die ehemalige Schloßkapelle dienen, die neben dem 3

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Zlat: Brzeg, 71–77; Jakimowicz, Teresa: Temat historyczny w sztuce epoki ostatnich Jagiellonów, Warszawa/Poznań 1985 (Prace Komisji Historii Sztuki Poznańskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk 15), 65–69; Zlat: Zamek piastowski w Brzegu, 34–41; Popp, Dietmar: Das Skulpturenprogramm des Schloßportals in Brieg/Schlesien (um 1550–1556). Zur Selbstdarstellung eines Fürsten im Spannungsfeld der territorial-politischen Interessen der Großmächte Mitteleuropas. In: Beyer, Andreas (Hg.): Bildnis, Fürst und Territorium, München/Berlin 2000, 111–125; Harasimowicz, Jan: Die ,nahe‘ und ,ferne‘ Vergangenheit in den ständischen Bildprogrammen der Frühen Neuzeit. Schlesien und Großpolen im historischen Vergleich. In: Bahlcke, Joachim/Strohmeyer, Arno (Hg.): Die Konstruktion der Vergangenheit: Geschichtsdenken, Traditionsbildung und Selbstdarstellung im frühneuzeitlichen Ostmitteleuropa, Berlin 2002 (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 29), 221–244, hier 228– 236; ders.: Historia idei – historia prawa – historia sztuki. Polityczno-dynastyczne programy obrazowe doby nowożytnej jako ,teksty kultury‘. In: Fabiański, Marcin (Hg.): Dzieło sztuki. Źródło ikonograficzne czy coś więcej? Materiały sympozjum XVII Powszechnego Zjazdu Historyków w Krakowie, 15–18 września 2004, Warszawa 2005, 79–94, hier 85–93. Grünhagen, Colmar: Die Erbverbrüderung zwischen Hohenzollern und Piasten vom Jahre 1537. In: Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde 5 (1868) 337–366; Schönborn, Theodor: Die Liegnitzer Erbverbrüderung. In: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins zu Liegnitz 16 (1936/38) 209–218; Jaeckel, Georg: Die Liegnitzer Erbverbrüderung von 1537 in der brandenburgisch-preußischen Politik bis zum Frieden zu Hubertusburg 1763, Lorch 1988 (Beiträge zur Liegnitzer Geschichte 18). Harasimowicz: Historia idei – historia prawa – historia sztuki, 90–93.

Die evangelische Schloßkirche St. Hedwig in Brieg

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Bergfried vor der Mitte des 14. Jahrhunderts auf Veranlassung Herzog Boleslaws III. errichtet und anschließend, in den 1360er Jahren, durch Herzog Ludwig I. in gotischen Formen umgebaut worden war. Dieser Kunstmäzen – zugleich ein Liebhaber der Heimatgeschichte6 – verlieh dem Bau eine Form, die jener der Grabkapelle für die Hl. Hedwig in Trebnitz nahestand. Seiner großen Ahnin und Schutzheiligen Schlesiens widmete er nicht nur die Schloßkapelle selbst, sondern auch ein 1368 gegründetes Kollegiatsstift. Alle Bauten und das reiche Stiftsvermögen, die durch Herzog Friedrich II. im Jahr 1534 mit Einführung der Reformation beschlagnahmt worden waren, bestimmte Georg II. für die Bedürfnisse des von ihm gegründeten humanistischen Gymnasiums, das bald ein hohes Niveau erreichte und überregionalen Rang gewann.7 Im Jahr 1567 wurde unter der ehemaligen Stiftskirche eine Gruft erbaut, in der die sterblichen Reste der Piasten aus der Brieger Linie ruhen sollten, die bisher – zusammen mit den Piasten aus der Liegnitzer Linie – in der Kirche St. Johannes in Liegnitz bestattet worden waren.8 Das Innere der Kapelle wurde in zwei Bereiche unterteilt: Ein Ziergitter trennte den für das Mausoleum vorgesehenen Chor von dem Querschiff, in dem sich die Hofgemeinde versammeln sollte. In der Mitte des Chorraums befand sich ein Steinaltar, an den Seitenwänden des Chors brachte man zwei große Grabmäler mit den knienden Figuren Georgs II. und seines Sohns Joachim Friedrich mit Gattinnen und Kindern an. Im polygonalen Chorabschluß wurde der Stammbaum der Piastenfamilie dargestellt, daneben befanden sich gemalte Wappen und Epitaphien für die bedeutendsten Adelsfamilien Schlesiens. Das wichtigste Ausstattungsstück des Kirchenschiffes, das ansonsten insbesondere Logen und das Gestühl umfaßte, bildete die große steinerne, auf die Figur des Mose gestützte Kanzel. Neben ihr stand das ebenso reichverzierte Taufbecken. Die Wände waren mit Gemälden geschmückt, die die Stammbäume der Dynastien der Hohenzollern und der Habsburger zeigten.9 6 7 8

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Karłowska-Kamzowa, Alicja: Fundacje artystyczne księcia Ludwika I brzeskiego. Studia nad rozwojem świadomości historycznej na Śląsku XIV–XVIII w., Opole/Wrocław 1970. Nieländer, Franz: Das Brieger Gymnasium, Brieg 1931; Zlat: Brzeg, 137–144. Przała, Jan: Sarkofagi Piastów w Brzegu i Legnicy. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 9 (1973) 39– 65; Harasimowicz, Jan u. a.: Mauzolea piastowskie na Śląsku, Wrocław 1993, 116–119, 122–125. Schickfuß, Jacob: New Vermehrte Schlesische Chronica und Landes Beschreibung, Darinnen Weyland H. Joach. Curaeus Der Artzney D. Einen Grundt geleget. Itzo Biß an das 1619 Jahr/ da sich der Oesterreichischen Wienerischen Linien Regierung gantz endet. Mit sehr vielen Nothwendigen Sachen vermehret und gebessert. […] Das ander Buch. Leipzigk [1625], 67; Lucae, Friedrich: Schlesiens curieuse Denckwuerdigkeiten oder vollkomene Chronica von Ober- und Nieder-Schlesien […]. Franckfurt a. M. 1689, 1371–1374; Burgemeister, Ludwig: Die Hedwigskirche und das Schloß in Brieg. In: Schlesien 2 (1908/09) 249–256; Chrzanowski, Tadeusz: Rzeźba lat 1560–1650 na Śląsku Opolskim, Warszawa 1974, 38–49, 121; Zlat: Brzeg, 125–135; Pokora, Jakub: Sztuka w służbie reformacji. Śląskie ambony 1550–1560, Warszawa 1982, 148–151; Zlat: Zamek piastowski w Brzegu, 68–75;

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In der oben dargestellten Form überstand die Kapelle sowohl die Konversion Herzog Johann Christians zum Calvinismus im Jahr 1613 als auch die 1675 erfolgte Übernahme des Schlosses durch die habsburgische Verwaltung nach dem Tod des letzten Piasten, Herzog Georg Wilhelms. Zwei Jahre später wurde sie zur katholischen Pfarrkirche mit Gottesdiensten in deutscher und polnischer Sprache. Als im April und Mai 1741 preußische Truppen auf Befehl König Friedrichs II. Brieg massiv beschossen, wurde die Kapelle – samt dem Schloß – stark beschädigt. Am besten ist der Chor, also das eigentliche Piastenmausoleum, erhalten. Er wurde jedoch im Jahr 1783 durch Jesuiten seiner ursprünglichen Ausstattung beraubt. Pater Xaver Bönisch ließ beim Wiederaufbau der Kapelle für die Bedürfnisse des katholischen Kultus „alle alten Verzierungen“ von den Wänden beseitigen.10 Protestantische Geschichtsschreiber aus Brieg berichteten empört über die Zerstörung der fürstlichen Grabmäler und das Zerkleinern der Epitaphien zu Bauschutt. Die neue, großteils bis heute erhaltene Ausstattung – also der Altar, die Kanzel, der Orgelprospekt und die Kirchenbänke – ist in den Formen des späten Rokoko und Klassizismus gehalten.11 Im Rahmen von Konservierungsarbeiten, die in der Schloßkirche St. Hedwig in den Jahren 1908/09 durchgeführt wurden, fand man im Fußboden vier Steinplatten mit Reliefs der Evangelisten (Abb. 18, 19). Ludwig Burgemeister und anschließend andere deutsche und polnische Forscher wie Kurt Bimler, Tadeusz Dobrowolski, Mieczysław Zlat, Tadeusz Chrzanowski und Jakub Pokora stuften sie als Überreste der oben erwähnten Kanzel ein,12 deren Bau, wie schlesische Chronisten im 16. und 17. Jahrhundert berichteten, 1573 vollendet gewesen sein soll. Wie Eugen Czihak bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert feststellte, soll im Jahr 1569 in Naumburg an der Queis der Brieger Bildhauer Stentzel Ludwig den Baustoff dafür ausgewählt haben.13 Da dieser gemäß späteren Erkenntnissen Schüler von Michael Kramer aus Dresden war, einem der besten Bildhauer, die im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts in Brieg und Neisse wirkten,14 wurde die Urheberschaft der Brieger

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Harasimowicz, Jan: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien unter der habsburgischen Regierung. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 81 (2002) 79–87, hier 81. Zlat: Brzeg, 135; ders.: Zamek piastowski w Brzegu, 77. Ders.: Brzeg, 136; ders.: Zamek piastowski w Brzegu, 78. Burgemeister: Die Hedwigskirche, 249f.; Günther, Ernst: Illustrierter Führer durch Brieg, Brieg 1929, 76; Kersten, Günther: Brieg als Kunststadt. In: Schlesische Monatshefte 6 (1929) 367–377, hier 369; Bimler, Kurt: Die schlesische Renaissanceplastik, Breslau 1934, 94; Dobrowolski, Tadeusz: Sztuka na Śląsku, Katowice/Wrocław 1948, 238; Chrzanowski, Tadeusz: Płyty nagrobne z postaciami w XVI–XVIII wieku na Śląsku Opolskim. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 7 (1970) 75–102; Rudkowski: Mecenat artystyczny, 202; Zlat: Brzeg, 129f.; Pokora: Sztuka w służbie reformacji, 148–154; Zlat: Zamek piastowski w Brzegu, 70. Czihak, Eugen von: Beiträge zur Geschichte der Renaissance-Baukunst in Schlesien. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 6 (1896) 219–232, hier 227–229. Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 94–99; Hentschel, Walter: Dresdner Bildhauer des 16. und 17. Jahrhunderts, Weimar 1966, 60, 126; Chrzanowski: Rzeźba lat 1560–1650,

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Abb. 18./19. Die Hochreliefs der Evangelisten Johannes und Markus, in den Jahren 1569 bis 1573 von dem sächsischen Bildhauer Michael Kramer und seinen Mitarbeitern geschaffen, gehören zu den wenigen erhaltenen Fragmenten der alten Ausstattung der evangelischen Schloßkirche St. Hedwig in Brieg. Entgegen früherer Vermutungen zierten sie nicht die Kanzel, sondern den Altar.

Kanzel, zusammen mit zahlreichen anderen Werken, der weitgefaßten „Werkstatt Michael Kramers“ zugeschrieben.15 Nur bei Chrzanowski und Pokora sind gewisse Zweifel zu spüren, ob die gefundenen Evangelistenreliefs der Kanzel entstammen können. Die beiden Forscher erhoben jedoch keinen Einspruch gegen Burgemeisters ursprüngliche Identifizierung, obwohl in alten Überlieferungen eindeutig von biblischen Szenen an dem Kanzelkorb und insbesondere von einer Darstellung der Erhöhung der ehernen Schlange die Rede ist. 39–49; Harasimowicz, Jan: Mors janua vitae. Śląskie epitafia i nagrobki wieku reformacji, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1098, Historia Sztuki 3), 85–87; ders.: Kunst- und Kulturtransfer in Ostmitteleuropa. Das Beispiel Oberlausitz. In: Bahlcke, Joachim (Hg.): Die Oberlausitz im frühneuzeitlichen Mitteleuropa. Beziehungen – Strukturen – Prozesse, Leipzig/Stuttgart 2007 (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 30), 365–386, hier 375–379. 15 Chrzanowski: Rzeźba lat 1560–1650, 39f., 42.

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Der bis heute erreichte Kenntnisstand zur Kunst des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Schlesien und in den Nachbarländern wie auch die Berücksichtigung alter Chroniken ermöglichen eine neue Betrachtung sowohl der Reliefs mit den Evangelisten als auch des gesamten künstlerischen und ikonographischen Programms der Brieger Schloßkapelle. Von weiterführendem Interesse ist insbesondere der vollständige Wortlaut der Beschreibung des Innenraums durch Friedrich Lucae, enthalten in „Schlesiens curieuse[n] Denckwuerdigkeiten“, die 1689 in Frankfurt am Main erschienen. Der Verfasser war ehemaliger Hofprediger der letzten Herzöge von Liegnitz und Brieg und dürfte die Kapelle daher wie kein anderer gekannt haben. Unter anderem lesen wir dort: „Mitten in der Kirche stehet der kuenstliche Predigt=Stuhl aus einem Stein gehauen/ welchen Anno 1573. den 16. Augusti Hertzog Georgius II. mit 16. Pferdten aus dem Strehlischen Steinbruch hieher fuehren/ und dermaßen durch kuenstliche Steinmetzen ausarbeiten lassen. Man sihet an demselben sehr viel kuenstlich und subtil eingeetzte Biblische Geschichte/ sonderlich die Erhoehung der ehernen Schlangen/ und andere mehr/ also daß man billich diese Cantzel mit unter Schlesiens Seltsamkeite[n] zehlet. Unter derselben schwebet Moses laengst ausgestrecket mit denen Gesetz=Tafeln/ welcher die Cantzel auff seinen Schuldern traegt. Die vornehmsten Figuren/ und die Haupt=Saeulen/ worauff der Himmel von gleicher Materie ruhet/ sind allerseits starck verguldet.“16 Weiter unten heißt es: „Etwas zur Seiten/ jedoch mitten in der Kirche/ stehet der Tauff=Stein/ umgeben mit einem zierlichen uebermahleten/ und auch an dem Laubwerck vergoldeten Gegitter/ aus einem Stein ausgearbeitet/ und sind gleichfals allerhand schoene eingeetzte Biblische Historien daran zusehen. In demselben ist ein sehr großes zinnern Tauff=Becken eingefueget/ welches ein roth=sammeter Deckel mit starcken guldenen Posamenten besetzt/ bedecket; nechst darbey stand vor diesem das Pulpet, darfuer die Collecten und Gebeter gelesen wurden/ ebenfals mit gleichem Zierath belegt. Der Chor/ darinnen vorwaerts zur rechten die Sacristey befindlich/ und in derselben das Kirchen Geraethe verwahret wird/ ist von einem kuenstlichen und starcken bemahleten und vergueldetem eisernem Gegitter in so weit von der Kirche abgesondert. Am Ende desselben stehet der hohe steinerne/ auch mit schoenen Biblischen Geschichten gezierete Altar/ auff den man etliche Staffeln steiget/ und rings umher kan umgangen werden […]. Am meisten pranget der Chor mit denen Fuerstlichen Begraebnuessen und Monumentis; sonderlich stehen zu beyden Seiten die beyden Hertzoge/ Hertzog Georgius II. und Hertzog Joachim Friderich samt ihren Gemahlinnen und Kindern/ in vollkommener Lebens Groeße/ wiewol knyende und im Kueraß/ ausgehauen/ auff einem zierlichen steinernen Gelaender/ und laest sich darbey Hertzog Joachim Friedrichs Epitaphium wol sehen. Oben im Chor hangen die Fuerstlichen Begraebnueß=Fahnen und Schilde in guter Disposition, und auff beyden Seiten eine große Menge ge16 Lucae: Schlesiens curieuse Denckwuerdigkeiten, 1371.

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mahleter Wappen der vornehmsten Schlesischen Noblesse und Fuerstlicher Officirer. Gleichfals hafften außer dem Chor/ rings um die Kirche her/ viel schoene Fahnen/ und Schilde deß in dieser Kirche begrabenen Adels und Standes=Personen. Unter denselben bekleiden auch die Kirchen=Waende rings umher ueberaus viel große/ Sinn=reiche/ und kostbare Epitaphia Edler und Standes=Personen. So bedecken auch den Boden lauter große Leich=Steine/ und bedeuten mit ihren Ueberschrifften die darunter ruhenden.“17 Auf den folgenden zwei Seiten ist von Logen, Emporen, der Orgel und großen Gemälden in der oberen Zone der Kirchenwände die Rede: „Ebenmaeßig vermehren der Kirche den Zierath die Fuerstlichen Staende/ oder Borleiben/ in der Hoehe/ davon etliche/ als besondere Oratoria gantz verschlossen/ und mit hellen großen Fenstern/ und vorwaerts schoenen ligenden roth=sammeten/ und andern colorirten Decken/ wie auch mit zierlichen Mahlwerck/ und inwendig mit bequemen Gestuehlen/ von gleicher Livrée, meubliret sind. Die uebrigen Borleiben/ rings um die Kirche herum/ worauff die Raethe und Adeliche Hoff=Officirer saßen/ praesentiren vorwaerts/ in schoenen Gemaehlden und in abgetheilten Feldern/ die vornehmsten Geschichte Mosis. Nicht einen geringeren Zierath gibt der Kirche das Musicanten=Chor/ samt der schoenen Orgel/ derer aeußerliche Pfeiffen wohl vergueldet seyn; Auff derselben Obertheil stehen drey große Engels=Bilder/ Posaunen in Haenden haltende/ welche wenn selbiger Zug gehet an dieselben stoßen/ gleichsam machten sie das Gethoene.“18 Ausführlich beschreibt er den Stammbaum: „Ebenmaeßig vergroeßert den innerlichen Splendeur dieser Kirche/ der in dem obern Feld/ Morgen=waerts Piastische Stamm=Baum. Unterwaerts ligt Piastus in Lebens=Groeße/ samt der Beyschrifft/ welche unter dem Titul von denen Schlesischen Ober=Regenten gesuchet/ und bey der Description seiner Person kan gefunden werden. Das Bild ist von Gyps erhoben/ und mit seiner natuerlichen Farben ueberzogen. Aus desselben Hertzen steiget ein vergueldeter Zweig/ aus dem die Schlesischen Hertzoge entsprossen/ und sich ausbreiten/ also daß/ nachdem sie posteriren/ ein vergueldeter Zweig den andern herfuer bringt. Die Bildnisse der Hertzoge an diesen Zweigen sind gleichfals/ wiewol nur biß an die Brust erhoben/ bemahlet. Ein jedes Bildnueß hat unten ein kleines Feld/ und traegt von gueldenen großen Buchstaben den Namen dessen den es bedeutet/ fast auf die Art wie sie Daniel Czepko/ in dem Schlesischen Frauenzimmer/ durch das Kupferbild vorstellet. An der Mitternachts=Seite praesentiret sich eben in der Form der itzige Chur=Brandenburgische Stamm/ Hohenzollerischer Linie/ mit seinem Urheber/ und bedecket auch ein Feld an der Morgen=Seite. Hinter dem gedachten Stand der Raethe/ ist der Ertz=Hertzogliche Stamm/ von Rudolpho Habspurgico an/ biß auf Kaeyser und Koenig Rudolphum II. auf einem

17 Ebd., 1372. 18 Ebd., 1373.

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blauen Feld/ ueber die maßen wohl gemahlet zusehen/ und sind die Angesichter der Brust=Bilder auch recht fein getroffen.“19 Die Beschreibung Lucaes umfaßt noch die sogenannte alte Kirche, die während des Umbaus im ausgehenden 18. Jahrhundert nicht wiederhergestellt wurde und die Außenseite des Ensembles, die bauplastische Verzierung der Kirchenwände sowie die Grabmäler des Adels auf dem kleinen Friedhof. Die angeführten Zitate reichen aus, sich einen Eindruck von dem Bildprogramm der Kapelle zu verschaffen. Und tatsächlich stellte sie mehr dar als ein herkömmliches fürstliches Mausoleum, wie sie damals auch andernorts in Mitteleuropa entstanden. Sie verband die Person des Herzogs, der, wie bereits erwähnt, „Vater der Heimat“ genannt wurde, mit der „vornehmsten Schlesischen Noblesse“ und weiteren „Standes-Personen“, also mit dem „politischen Volk“ des Fürstentums Brieg und Schlesiens insgesamt. Sie war – wenn man es so nennen darf – ,das Heiligtum der evangelischen Stände Schlesiens‘, Symbol der Konzentration der gesamten ,legalen konfessionellen Opposition‘ um die Piasten von Liegnitz und Brieg, die Hochburg der historischkulturellen Identität des Oderlandes.20 Kann man sich heute, zumindest in allgemeinen Umrissen, das ursprüngliche Aussehen des Kircheninneren vorstellen? Sind die Kenntnisse der Kunst dieser Epoche hinreichend, um aus Analogieschlüssen glaubhafte Hypothesen zu formulieren? Das geringste Fehlerrisiko scheint in bezug auf die vier Evangelistenreliefs zu bestehen. Sie zierten höchstwahrscheinlich nicht die Kanzel, sondern den Altar. Er war, wie aus der Beschreibung Lucaes zu schließen ist, mehrgeschossig und mit einem Umgang versehen. Das heißt, daß die künstlerische Ausgestaltung ebenso seine Rückseite umfassen konnte. Die vier Evangelisten, „Notare der Heiligen Schrift“, wie sie von evangelischen Predigern im ausgehenden 16. Jahrhundert genannt wurden,21 konnten sehr wohl die in der Beschreibung erwähnten „schoenen Biblischen Geschichten“ begleiten. Am wahrscheinlichsten scheint ihre Plazierung zu beiden Seiten der Darstellung in der Mitte des Hauptgeschosses – zum Beispiel so, wie es heute im Steinaltar der evangelischen Pfarrkirche in Löwen (Kreis Brieg), in der Steinmetzwerkstatt des Brieger Schlosses in der Mitte der siebziger Jahre des 19 Ebd., 1374. 20 Harasimowicz, Jan: Śląski luteranizm wieku reformacji – próba charakterystyki. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 39 (1984) 493–516. 21 Harasimowicz, Jan: Evangelische Heilige? Die Heiligen in Lehre, Frömmigkeit und Kunst in der evangelischen Kirche Schlesiens. In: Köhler, Joachim/Keil, Gundolf (Hg.): Heilige und Heiligenverehrung in Schlesien: Verhandlungen des 9. Symposions in Würzburg vom 28. bis 30. Oktober 1991, Sigmaringen 1997 (Schlesische Forschungen 7), 171–216, hier 184; ders.: Die Verehrung der „biblischen Heiligen“ in der evangelischen Kirche Schlesiens im 16. und 17. Jahrhundert. In: Derwich, Marek/Dmitriev, Michel (Hg.): Fonctions sociales et politiques du culte des saints dans les sociétés de rite grec et latin au Moyen Age et à l’ époque moderne. Approche comparative, Wrocław 1999 (Opera ad historiam monasticam spectantia 1/3), 247–270.

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Abb. 20. Der Steinaltar in der evangelischen Pfarrkirche in Löwen, Kreis Brieg, um 1575 von einem unbekannten Steinmetz aus dem Umkreis von Michael Kramer ausgeführt, stellt wahrscheinlich eine verkleinerte und vereinfachte Version des Altars in der Schloßkirche St. Hedwig in Brieg dar. Dafür sprechen die Reliefs der Evangelisten beiderseits der zentralen Szene der Kreuzigung Christi.

16. Jahrhunderts entstanden, der Fall ist (Abb. 20).22 Vieles weist darauf hin, daß dieser Altar, als Stiftung der die Stadt regierenden Adelsfamilie von Bees errichtet, eine verkleinerte und vereinfachte Kopie des Steinretabels aus der Brieger Schloßkirche St. Hedwig war. Außerdem weist das Grabmal für Herzog Ulrich II. von Mecklenburg und seine zwei Frauen im Chor des Doms zu Güstrow Ähnlichkeiten zu den großen Grabmälern Georgs II. und Joachim Friedrichs mit Ehefrauen und Kindern, „knyend und 22 Liebeherr, Martin: Die Peter-Paulskirche zu Löwen. Mitteilungen über das Kirchgebäude, Löwen 1910, 52; Chrzanowski: Rzeźba lat 1560–1650, 37f.; Harasimowicz, Jan: Typy i programy śląskich ołtarzy wieku reformacji. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 12 (1979) 7–27, hier 11, 19f.; ders.: Treści i funkcje ideowe sztuki śląskiej reformacji 1520–1650, Wrocław 1986 (Acta Universitatis Wratislaviensis 819, Historia Sztuki 2), 53, 62; Banik, Joanna/Kochler, Jerzy: Lewin Brzeski: Monografia miasta, Lewin Brzeski 2005, 206f.

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im Kueraß ausgehauen“, auf, das in den Jahren 1585 bis 1597 der niederländische Bildhauer Philipp Brandin schuf.23 Auch hier kann man annehmen, daß die Kunstwerke in Brieg dankbare Vorbilder lieferten. Denn die schlesischen Piasten waren mit dem fürstlichen Haus Mecklenburg, das ebenfalls slawische Wurzeln aufwies, durch zahlreiche familiäre Beziehungen verbunden: Zum Beispiel war die Herzogin Katharina, Tochter Heinrichs V. von Mecklenburg, die Ehefrau von Friedrich III. von Liegnitz und damit Schwägerin Georgs II. Das wichtigste Argument für diese Hypothese bildet jedoch die Tatsache, daß das in den Jahren 1557 bis 1572 errichtete fürstliche Schloß in Güstrow das Schema der Arkaden von Brieg beinahe identisch wiederholt. Es entstand nämlich nach dem Entwurf desselben Architekten, Franciscus Parr.24 Am Grabmal für Ulrich II. fallen darüber hinaus die über den knienden Gestalten angebrachten Ahnentafeln auf,25 die von vergleichbaren Lösungen in Brieg inspiriert worden sind. Sie hatten dort laut Beschreibung die Form des großen Stammbaums der Piasten, der der liegenden Gestalt des Geschlechtsgründers „fast auf die Art, wie sie Daniel Czepko in dem Schlesischen Frauenzimmer durch das Kupferbild vorstellet“ entsproß. Friedrich Lucae meinte sicherlich den Kupferstich des Breslauer Radierers Caspar Pfister,26 der heute vor allem durch ein anderes Werk Daniel Czepkos bekannt ist, und zwar das in Leipzig 1626 veröffentlichte „Gynaeceum Silesiacum Ligio Bregense“ (Abb. 21).27 23 Gehrig, Oskar: Philipp Brandin: Eine biographische Studie über den 1563 bis 1594 tätigen Hauptmeister der mecklenburgischen Renaissance, phil. Diss. Rostock 1921; Helwig, Christoph: Der Dom zu Güstrow, München/Berlin 82006 [11991] (DKV-Kunstführer 413). 24 Hahr, August: Die Architektenfamilie Pahr. Eine für die Renaissancekunst Schlesiens, Mecklenburgs und Schwedens bedeutende Künstlerfamilie, Straßburg 1908 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 97); Zlat, Mieczysław: Działalność architektoniczna rodziny Parrów na Śląsku w latach 1539–1600. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 14 (1986) 37–51; Torbus, Tomasz: Od Brzegu przez Güstrow do Szwecji: Komaskowie z rodziny Parrów i ich wpływ na rozwój architektury renesansowej w środkowej i północnej Europie. In: Harasimowicz, Jan/ Oszczanowski, Piotr/Wisłocki, Marcin (Hg.): Po obu stronach Bałtyku. Wzajemne relacje między Skandynawią i Europą Środkową. On the Opposite Sides of the Baltic Sea. Relations between Scandinavian and Central European Countries, Bd. 1, Wrocław 2006, 143–162; Kaczmarek, Klara: Wędrówka form renesansowych do pobrzeży Bałtyku. Architektura i rzeźba architektoniczna Parrów na Śląsku i w Meklemburgii. Ebd., 163–175. 25 Möller, Karl/Neubecker, Ottfried: Art. Ahnentafel. In: Schmitt, Otto (Hg.): Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 1937, 227–233. 26 Oszczanowski, Piotr/Gromadzki, Jan: Theatrum Vitae et Mortis. Grafika, rysunek i malarstwo książkowe na Śląsku w latach ok. 1550–ok. 1650, Wrocław 1995, 46f., 116. 27 Zepke [Czepko], Daniel: Gynaeceum Silesiacum Ligio Bregense. Kurtze Historische Beschreibung und Außführung der Stamlinien von den Hochlöblichen Ahnen etlicher Fürstlichen Frewlin in Schlesien, die an Kayserliche/ Königliche/ Chur und Fürstliche/ Gräffliche/ Herrliche Stammen und Häuser außerhalb Landes verheuraht worden und im gegentheyl, etzlicher Kayserlicher, Königlicher, Chur unnd fürstlicher Gräfflicher Frewlein außerhalb Landes/ so ins Landt und Hertzogthumb Schlesien gebahret/ und etlichen Schlesischen Fürsten Beygelegt worden. Gestellet durch […], Sampt einem hierbey Außfürlichen Stammbaum von Piasto her/ biß uff ietzige Zeit, inn Kupffer gebracht, Leipzig 1626.

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Abb. 21. Das Fresko im Chor der Schloßkirche St. Hedwig in Brieg diente wahrscheinlich als Vorbild für einen von Caspar Pfister geschaffenen Kupferstich, der den Stammbaum der Liegnitz-Brieger Piasten darstellt. Er ist in dem 1626 in Leipzig veröffentlichten „Gynaeceum Silesiacum Ligio Bregense“ Daniel Czepkos enthalten. Auf die Vorbildfunktion weist zumindest die Beschreibung der Ausstattung und Dekoration dieser Kirche in der Chronik Friedrich Lucaes hin.

Die in der Brieger Kirche erkennbare Darstellungsabsicht, das Alter der Familie und ihre Beziehungen zu Herrscherhäusern wie den Hohenzollern oder den Habsburgern zu belegen, begegnet bereits wenige Jahre später auch in den Innenräumen der Patronatskirchen des schlesischen Adels.28 An Altären, Kanzeln, Taufsteinen, Emporen- und Logenbrüstungen erschienen Hunderte von geschnitzten und gemalten Wappen, die – wie die Inschrift an der Brüstung der Patronatsloge in der Pfarrkirche in Queitsch bei Zobten verkündet – „DEI GLORIAM, SUI MEMORIAM ET POSTERITATIS USUM“ angebracht wurden.29 Manche der Logen, „als besondere Oratoria – ähnlich wie in Brieg – gantz verschlossen“, „mit hellen großen Fenstern […] wie auch mit zierlichen Mahlwerck“ versehen, wurden zum sichtbaren Zeichen der umfassenden Macht der adeligen Patrone über die Gemeinden. Jeder Teilnehmer des Gottesdienstes in Klitschdorf bei Bunzlau, der die in der Patronatsloge sitzenden Vertreter der Familie von Rechenberg sowie die darüber befindlichen Darstellungen Gottvaters als Schöpfer der Welt und der Heiligen 28 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 142–151, 171–173; ders.: „Paläste der Heiligen Dreifaltigkeit, Werkstätten des Heiligen Geistes“: Die Kirchen der evangelischen Schlesier in der habsburgischen Zeit. In: Raschzok, Klaus/Sörries, Reiner (Hg.): Geschichte des protestantischen Kirchenbaues. Festschrift für Peter Poscharsky, Erlangen 1994, 128–144, hier 137– 139. 29 Ders.: Treści i funkcje ideowe, 143.

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Dreifaltigkeit als Gnadenstuhl sah,30 mußte sich mehrfach an die berühmten Worte des Hl. Paulus aus dem Römerbrief erinnert fühlen: „Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott“ (Röm 13,1). Weitere Belege über die Ausstrahlung der Form und des Bildprogramms der evangelischen Schloßkapelle Georgs II. von Brieg zu erbringen, soll nachfolgenden Forschungen vorbehalten bleiben. Festzuhalten ist, daß sie – anders als die berühmten Schloßkapellen in Torgau, Stuttgart oder Schmalkalden – keinen neuen Typus der Innenraumanordnung schuf.31 Und obwohl sie auch nicht die künstlerische Raffinesse der Schloßkapellen von Celle32 und Gottorf33 aufweisen konnte, stellte sie doch zweifellos einen der bedeutendsten Kirchenräume der frühen lutherischen Konfessionalisierung dar. Die Rezeption dieses Kirchenraums zeigt darüber hinaus das von seiten der Stände genutzte Potential einer Erneuerung kirchlicher Raumkonzepte. Ihre zwar nicht flächendeckende, gleichwohl regionale Ausstrahlung signalisiert mit Blick auf ein landesherrschaftlich definiertes Territorium zudem die Schaffung eines umfassenden konfessionellen Raums. Deutlich wird indes, daß hier stets zwei Aspekte berücksichtigt wurden, ja gar der eine im anderen: nämlich die Durchsetzung und Pflege der Konfession im Dienst herrscherlicher Memoria.

30 Ebd., 145. 31 Fritsch, Karl Ernst Otto (Hg.): Der Kirchenbau des Protestantismus von der Reformation bis zur Gegenwart, Berlin 1893, 31–34, 36–38; Wex, Reinhold: Ordnung und Unfriede. Raumprobleme des protestantischen Kirchenbaus im 17. und 18. Jahrhundert in Deutschland, Marburg a. d. L. 1984 (Kulturwissenschaftliche Reihe 2), 147–175; Grossmann, Dieter: Die Bedeutung der Schloßkapellen für den protestantischen Kirchenbau. In: Grossmann, Georg Ulrich (Hg.): Renaissance in Nord-Mitteleuropa, Teil 1, München/Berlin 1990 (Schriften des Weserrenaissance-Museums Schloß Brake 4), 127–147, hier 128–130, 132f.; Jöckle, Clemens: Überlegungen zu einer Typologie evangelischer Schloßkapellen des 16. Jahrhunderts. In: Raschzok/Sörries (Hg.): Geschichte des protestantischen Kirchenbaues, 37–43, hier 38– 41. 32 Zweite, Armin: Marten de Vos als Maler: Ein Beitrag zur Geschichte der Antwerpener Malerei in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Berlin 1980, 85–117; Bock, Burghard: Bilder mit Bedeutung: Lutherische Theologie um 1570 in der Ausstattung der Celler Schloßkapelle, Celle 2003. 33 Moraht-Fromm, Anna: Theologie und Frömmigkeit in religiöser Bildkunst um 1600: Eine niederländische Malerwerkstatt in Schleswig-Holstein, Neumünster 1991 (Schriften des Vereins für Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte 1/37), 16–27, 111–113; Bieber, Dietrich: Die Kapelle von Schloß Gottorf – Ein Sakralraum des Frühabsolutismus. In: Spielmann, Heinz/Drees, Jan (Hg.): Gottorf im Glanz des Barock. Kunst und Kultur am Schleswiger Hof 1544–1713. Ausstellungskatalog Schloß Gottorf 1997, Bd. 1: Die Herzöge und ihre Sammlungen, Schleswig 1997, 157–177.

Die Haupt- und Pfarrkirche zu St. Elisabeth in Breslau, ,evangelischer Zion‘ einer multinationalen Metropole Im Jahr 1669 übernahm Dr. Johannes Acoluth (Acoluthus) das ehrenhafte Pfarramt an der Breslauer St. Elisabethkirche (Abb. 22), mit dem zugleich die Professur für Theologie an beiden Gymnasien sowie die Aufsicht über alle evangelischen Kirchen und Schulen der Stadt verbunden war. Zu diesem Anlaß schrieb Magister Johannes Herden, Diakon derselben Kirche, ein zwölfstrophiges Gratulationsgedicht in polnischer Sprache, das in der bekannten Druckerei der Baumann-Erben als vierseitiger Foliodruck publiziert wurde. In deutscher Übersetzung beginnt es mit folgenden Worten: „Der hohen Ehre würdiger und großer Doktor; dem der Allerhöchste Hirte seine Herden/ wissend von deiner herzlichen und treuen Aufsicht/ zur Fürsorge übergab: den die Schar der Juden/ Griechen/ Römer/ Deutschen/ mit dem Gedicht ehrt/ Verzeih/ daß sich die polnische Gerechtigkeit verspätet hat. Du trittst/ als Doktor/ auf die heilige Kanzel; Gebe Gott! Daß du glücklich anfängst alle zu lehren! Wie Du vorher gewohnt warst/ mit unerbittlicher Gewandtheit nur dem Himmel dienend/ Die Hölle peinigen konntest: Vernichte die Falschheit/ stärke die Wahrheit/ zähme des Satans Macht/ und befördere immer mutig des Herren Ruhm.“1 In den nachfolgenden Strophen – entsprechend dem Stil eines solchen Werktyps – wurden das Ansehen des von Pastor Acoluth übernommenen Amts, aber auch die auf ihn wartenden Mühen und Widrigkeiten hervorgehoben. Der Autor zweifelt jedoch keinen Moment an der Fähigkeit und der Bereitschaft des neu ernannten Pfarrers, was ihn veranlaßt, seine Freude über den Nutzen auszudrücken, der sich aus dessen Erhebung auf die Hauptkanzel der Stadt ergibt: „Solcher Art wird Breslau/ zu Gottes Thron/ Für immer sicher im Frieden bekräftigt; Wenn Du weiter/ im Amt Dein Wirken einsetzt/ Und uns Mindere Brüder/ zu gleicher Mühe Durch Dein Beispiel begeisterst/ unterstützt/ befähigst/ damit Du Dir unsterbliche Ehre erwirbst.“ Der in solch pathetischer Form geehrte Johannes Acoluth (Abb. 64) wurde 1628 in Namslau in eine Pastorenfamilie geboren.2 Nach dem Besuch der Schule 1

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Przydatek do Okrzyku wesołego należyty/ Przewielebnemu i wysoce Nauczonemu Jego Mości Księdzu Janowi Akolutowi/ Pisma Ś. Doktorowi/ przy kościele Ś. Elżbiety Wrocławskim Pasterzowi/ Konsystarza Asesorowi/ Szkoły tamecznej Profesorowi Ś. Teolojej/ tudzież wszystkich innych Kościołów i Szkół Wrocławskich/ nieodmienną Auspurską Konfesją przyjmujących/ Dozorcy Najwyższemu/ Za blisko=przeszłą Inwestyturą na Urząd święty w Niedzielę X. po naświętszej Trójcy szczęśliwie wstępującemu. W Zadatek słusznej powolności/ Afektem szczerym ofiarowany od X. Jana Herdena/ Diakona przy tymże Ś. Elżbiety kościele, Wrocław 1669. Hansi, Matthaeus: MEMORIAE CONCIONATORUM EVANGELICO-LUTHERANORUM APUD VRATISLAVIENSES. Das ist: Das Seelige Gedaechtniß Aller Evangelisch-Luthe-

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am Heimatort und des Elisabeth-Gymnasiums in Breslau wurde er vom Vater nach Danzig geschickt, um am dortigen Akademischen Gymnasium „nebst ander Dingen auch die Zierligkeit der Pohlnischen Sprache zu begreiffen“.3 „Er lernete so zierlich Polnisch reden“ – gibt Adam Bantke, einer der ersten schlesischen Presbyterologen, an – „als wenn er mitten in Polen gebohren waere/ behielt aber dabey die Reinlichkeit der Teutschen Sprache so vollkommen/ als wenn er nie was Polnisches gelernet haette.“4 Die Universitätsstudien absolvierte Acoluth in Königsberg, Wittenberg, Leipzig und Straßburg. Er unterbrach sie allerdings 1652 auf Bitte des schwer erkrankten Vaters und kehrte nach Schlesien zurück. Hier trat er eine Pastorenstelle im zu Breslau gehörenden Dorf Domslau an. Als 1654 die kaiserliche Reduktionskommission die dortige evangelische Kirche schloß, war er einer der Bewerber um die Stelle des polnischen Pastors an der Breslauer St. Christophoruskirche, die er auch mühelos bekam. Fünf Jahre später, schon als geachteter Prediger, dessen Bildung Bewunderung hervorrief, wurde er zum Diakon der St. Elisabethkirche ernannt, um 1667 als „Ekklesiast“ bzw. „Mittags-Prediger“ zu dem zweithöchsten Amt in der Hierarchie des evangelischen Ministeriums an dieser Kirche zu avancieren. 1669 wurde er, wie wir aus dem zitierten Gratulationsgedicht wissen, Pastor primarius der Elisabethgemeinde. Bevor er am 20. August feierlich das einflußreiche Amt antrat, reiste er auf Kosten der Stadt nach Wittenberg, um den ihm schon lange zustehenden Doktorhut zu empfangen, und von dort – ebenfalls auf Kosten der Stadt – zur Heilung nach Egrisch Saurbrunn. Als Vorstand des evangelischen Ministeriums Breslau verbesserte er die Kirchendisziplin, förderte die Katechese und umgab Flüchtlinge und arme Studenten mit seiner Fürsorge. Sein Lebenswerk war das monumentale „Vortreffliche Polnische Kantional“, das 1673 in Brieg herausgegeben wurde.5 Er stellte über viele Jahrzehnte die Stütze des

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rischen Prediger in Breßlau, Leipzig 1710, 16f. Vgl. ferner Bantke [Pantke], Adam: Der Evangel. Kirchen zu St. Elisabeth in Breslau PASTORES, S. S. Theol. Professores Primarii beyder Gymnasiorum, wie auch Derer der Augspurgischen Confession zugethanen Kirchen und Schule INSPECTORES, Und des Evangel. Consistorii daselbst ASSESSORES […], Brieg 1713, 64–72; Gomolcke, Daniel: Breßlauisches Evangelisches Zion […], Breßlau 1735, 19f.; Ehrhardt, Siegismund Justus: Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens, Ersten Theils Erster Haupt=Abschnitt, welcher die Protestantische Kirchen= und Prediger= Geschichte der Haupt=Stadt und des Fuerstenthums Breslau, wie auch des Namslauer Kreises in sich fasset, Liegnitz 1780, 208–210. Bantke: PASTORES, 66. Ebd. Doskonały Kancjonał Polski zawierający w sobie Pieśni/ Hymny/ i Psalmy Krześciańskie/ z Toruńskich/ Gdańskich/ Królewieckich/ starszych i nowszych Kancjonałów zebrane i częścią poprawione/ a z Przydatkiem Świeżo przetłumaczonych Piosneczek także Katechizmu i Modlitew Ś. nawet i Rejestrów potrzebnych Bogu w Trójcy Ś. Jedynemu na Chwałę/ a Kościołowi prawowiernemu na Zbudowanie, Brzeg 1673. [Das Vortreffliche Polnische Kantional, enthaltend Lieder/ Hymnen/ und Christliche Psalmen/ aus Thorner/ Danziger/ Königsberger alten und neuen Gesangbüchern gesammelt und teilweise ergänzt/ mit der Beilage Neu über-

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Abb. 22. Die Haupt- und Pfarrkirche zu St. Elisabeth in Breslau war die wichtigste Kirche in der Stadt, die ,evangelische Kathedrale‘. So zeigte sie auch Johann Stridbeck der Jüngere in einer Zeichnung aus dem Jahr 1691, der im Auftrag seines Vaters Stoff für eine geplante Reihe von Ansichten der wichtigsten ostmitteleuropäischen Städte sammelte.

polnischen Gottesdienstes in Schlesien dar und belegt damit die noch im 17. Jahrhundert empfundene Verbundenheit der polnisch sprechenden Schlesier mit dem polnischen Staat – wenn diese auch einer rechtlichen Grundlage entbehrte.6 In die Arbeit an dem Kantional bezog Acoluth vier rangniedrigere evangelische Geistliche aus Breslau ein. Sie beherrschten allesamt hervorragend die polnische Sprache, wie sie zu dieser Zeit in der Hauptstadt Schlesiens sowohl auf der Kanzel als auch in der Schulaula und in der Publizistik gepflegt wurde.7 Als bester Stilisti-

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setzter Gesänge, des Katechismus und heiliger Gebete sowie der nützlichen Register, die Gott zur Heiligen Dreifaltigkeit dem Einzigen zur Huldigung/ als auch der rechtgläubigen Kirche zur Erbauung, Brieg 1673]. Beispielsweise ebd., 426–429: „Cesarza Pana naszego także i Króla Polskiego racz poszczęścić w sprawach jego/ wtąż i Zwierzchność Miasta tego/ broń nieszczęścia wszelakiego: Miasta/ Rady/ wszelkie stany/ tobie Panie polecamy.“ [Unserem Herrn Kaiser und auch dem/ Polnischen König gib Glück in seinem Tun./ Bewahre auch die Obrigkeit dieser Stadt vor jeglichem Unglück: Die Städte, die Räte, alle Stände empfehlen wir Dir, o Herr]. Mendykowa, Aleksandra: Dzieje książki polskiej na Śląsku, Wrocław 1991, 51–105, 139– 194.

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ker in diesem Kreis muß Johannes Herden hervorgehoben werden.8 Er stammte aus Thorn und war folglich mit der polnischen Sprache von Kindheit an vertraut, was – so unterstrich Bantke – einen großen Einfluß auf seine geistliche Karriere hatte.9 Ihre erste Sprosse war das Diakonat in Bojanowo (Großpolen), die nächste das in Fraustadt. 1669 wurde er Diakon der St. Elisabethkirche, um drei Jahre später Erzdiakon und Senior dieser Kirche zu werden. Es war ihm jedoch nicht vergönnt, die von den Presbyterologen hervorgehobenen Predigertalente voll zu entfalten, da er bereits 1680 nach einer erfolglosen Kur in Warmbrunn starb. Acoluth und Herden waren nicht die einzigen polnischsprechenden bzw. aus Polen stammenden Geistlichen an der St. Elisabethkirche. Erwähnenswert ist überdies Paulus Glodius, der aus Bentschen (Großpolen) stammte und von 1563 bis 1584 Diakon und später – bis zu seinem Tod im Jahr 1606 – Erzdiakon und Senior war.10 Bekannt wurde er vor allem als polnischer Prediger an der St. Christophoruskirche und als Autor des ersten deutsch-polnischen Katechismus Schlesiens.11 Zudem muß Georg Teubner genannt werden: Er war aus Schmiegel (Großpolen) gebürtig und übte von 1723 bis 1735 – wie zuvor Acoluth – das ehrenvolle Amt des ersten Pastors aus.12 Sie alle waren, wie es Bantke in Bezug auf Glodius unterstreicht, „der pohlnischen und auch der deutschen Sprache maechtig“.13 Sie bilden folglich keine national abgegrenzte, sondern eine integrale Gruppe innerhalb der Geistlichkeit an der Breslauer Hauptpfarre. Das „Evangelisch=Lutherische Ministerium der St. Elisabeth Kathedral= und ersten Pfarr=Kirche in Breslau“14 war hinsichtlich seiner Struktur in gewisser Weise eine Fortsetzung der Praxis, wie sie sich seit dem Spätmittelalter herausgebildet 8 Pantke, Adam: Lebensbeschreibungen aller Breßlauischen Kirchenlehrer, welche bey den drey Hauptkirchen daselbst, als Seniores, Subseniores, Archidiaconi und Diaconi, auch bei den Filialkirchen in der Stadt und Vorstadt als Pastores, von der Reformation an bis auf gegenwaertige Zeit im Amte gestanden haben […], Breslau 1756, 41f. Vgl. ferner Hansi: MEMORIAE CONCIONATORUM, 31; Gomolcke: Evangelisches Zion, 45; Ehrhardt: Presbyterologie, 263f. 9 „Er fand […], seiner Anmuth im Predigen halber, gar bald gute Befoerderung, dazu ihm vornehmlich die pohlnische Sprache sehr behuelflich gewesen“. Pantke: Lebenschreibungen, 41. 10 Pantke: Lebensbeschreibungen, 12–14; Ehrhardt: Presbyterologie, 259. 11 Glodius, Paulus: Catechism: To jest/ Summa Wiary Chrześciańskiej/ krótko po Niemiecku i po Polsku zebrana/ dla ćwiczenia młodych dziatek. Catechismus/ Das ist/ Die Summa deß Christlichen Glaubens/ Deutsch und Polnisch/ kurtz zusammen gefasset/ zur ubung der kleinen Kinder, Breßlaw [1605]. Weitere Ausgaben erschienen in den Jahren 1607 und 1615. 12 Ehrhardt: Presbyterologie, 217–219. 13 Pantke: Lebensbeschreibungen, 13. 14 Ehrhardt: Presbyterologie, 161–289. Vgl. ferner Hansi: MEMORIAE CONCIONATORUM, 7–33; Bantke: PASTORES, passim; ders.: Der Evangelischen Haupt= u. Pfarr=Kirchen zu St. Elisabeth in Breslau ECCLESIASTAE, Oder Mittags=Prediger/ Wie auch ASSESSORES Des Evangelischen CONSISTORII, Und Bey dem Elisabethanischen GYMNASIO PROFESSORES […], Brieg 1715, passim; Gomolcke: Evangelisches Zion,

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hatte.15 An der Seite des die Pfarre verwaltenden Pfarrers standen ein „Ekklesiast“ (der „Mittags-Prediger“), dessen Amt demjenigen des einstigen predicator verbi divini entsprach, das erstmals in Quellen aus dem Jahr 1386 erwähnt wird, aber auch einige (anfänglich zwei, später vier) Diakone als Nachfolger der ehemaligen Kapläne, deren ältester seit 1556 den Titel Erzdiakon und Senior trug. Auf den Diakonen lag die Hauptlast der Seelsorge, da Pastor primarius und „Ekklesiast“ eine Reihe von zeitraubenden Aufgaben in den beiden örtlichen Gymnasien und ab 1615 sogar im Konsistorium hatten, das infolge des Majestätsbriefs gebildet worden war. Die „Mindere Brüderschaft“, wie Johannes Herden in seiner „Beigabe zum frohen Ruf“ die Diakone nennt, hielt die morgendliche Feiertagspredigt sowie fast alle Predigten an Werktagen, hörte die Beichte und erteilte die Kommunion, lehrte den Kindern den Katechismus, bereitete sie auf die Konfirmation vor, zelebrierte Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse. Dabei halfen ihnen die „Choralisten“, musisch begabte Gymnasialschüler, die darauf vorbereitet wurden, in Zukunft ein Predigeramt zu übernehmen,16 sowie seit 1670 dauerhaft angestellte Lektoren. Der erste evangelische Pfarrer der Kirche zu St. Elisabeth war Dr. Ambrosius Moibanus,17 der 1494 in Breslau als Sohn eines Schuhmachers geboren wurde. Nach Absolvierung der Schulen in Breslau und Neisse begann er seine universitären Studien in Krakau, wo er Baccalaureus wurde. In Wien erlangte er den Magistertitel. Nachdem er 1518 in seine Heimatstadt zurückgekehrt war, unterrichtete er an der Domschule sowie an der städtischen Schule bei der Kirche zu St. Maria Magdalena, in der er für kurze Zeit Rektor wurde. Von 1521 bis 1523 setzte er seine Studien in Ingolstadt, Tübingen und Wittenberg fort, wo er sogleich in den Kreis der engen Mitarbeiter Martin Luthers und Philipp Melanchthons Eingang fand. Ende 1523 kam er erneut nach Breslau, um – noch ohne Priesterweihe – das Pfarramt der Hauptkirche der Stadt anzutreten. Trotz der fehlenden rechtlichen Grundlage zum Vollzug der Nominierung durch den Rat, der das formale Patronat über die St. Elisabethkirche nicht ausübte, billigte sie Bischof Jakob von Salza am 3. August, nachdem Moibanus ihm bestätigt hatte, daß er keinerlei grundsätzliche Veränderungen im Gottesdienst einführen werde. 8–49; Pantke: Lebensbeschreibungen, 1–50; Fuchs, Richard: Die Elisabethkirche zu Breslau. Festschrift zum 650jährigen Jubiläum, Breslau 1907, 32–64. 15 Schmeidler, Johann Carl Hermann: Die evangelische Haupt- und Pfarr-Kirche zu St. Elisabeth. Denkschrift zur Feier ihres 600jähriges Bestehens, Breslau 1857, 65–72. 16 Einer dieser „Choralisten“ war Paulus Glodius, der spätere polnische Diakon der St. Elisabethkirche. Vgl. Bantke: Lebensbeschreibungen, 12. 17 Bantke: PASTORES, 7–12. Vgl. ferner Ehrhardt: Presbyterologie, 175–181; Konrad, Paul: Dr. Ambrosius Moibanus. Ein Beitrag zur Geschichte der Kirche und Schule Schlesiens im Reformationszeitalter, Halle 1891; ders.: Die Einführung der Reformation in Breslau und Schlesien. Ein Rückblick nach 400 Jahren, Breslau 1917 (Darstellungen und Quellen zur schlesischen Geschichte 24), 60–72; Engelbert, Kurt: Die Anfänge der lutherischen Bewegung in Breslau und Schlesien, Tl. 3. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 20 (1962) 291–372, hier 317–346.

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Das dem Bischof gegebene Wort einzuhalten war nicht einfach; dennoch bemühten sich sowohl Moibanus als auch der hinter ihm stehende Rat, den Schein der Beständigkeit der bisherigen Praktiken zu wahren. So zog zum Beispiel die Abschaffung der bislang täglich an den 47 Altären der Pfarre gehaltenen Votivmessen nicht die Übernahme der zu diesem Zweck gegründeten Altarstiftungen durch die Stadt oder eine andere weltliche Obrigkeit nach sich. Die Messen wurden vielmehr dem Dom übertragen, und die Verwaltung der Altarbenefizien übernahm eine gemeinsame katholisch-evangelische Altaristenbrüderschaft, die ihre Einnahmen aus diesen Benefizien jährlich in den Proportionen 13 (für das Domkapitel) zu 7 (für die Elisabethkirche) aufteilte. Diese in ihrer Art einzige ökumenische Korporation von Geistlichen verschiedener Konfessionen dauerte bis ins 19. Jahrhundert an, indem jede Amtseinführung eines neuen katholischen Altaristen auch an dem entsprechenden Altar der evangelischen Pfarre zelebriert und gemeinsam das alljährliche festliche Frühstück, das sogenannte prandium, eingenommen wurde.18 Ohne die bisherige Ordnung der Gottesdienste zu verletzen oder ihre äußere Form zu verändern, bereicherte Moibanus die Liturgie mit neuen evangelischen Inhalten.19 Der Seelsorge widmete er sich mit Überzeugung und großer Leidenschaft, oft mußte er sonntags zwei oder drei Predigten in verschiedenen Kirchen der Stadt halten.20 Er gab als Druck, auf Latein21 und Deutsch,22 einen selbstverfaßten Katechismus heraus und engagierte sich in den großen theologischen Auseinandersetzungen der sich herausbildenden lutherischen Konfession, indem er unter anderem eine gegen die Anabaptisten und Spiritualisten, die Anhänger der ,unsichtbaren Kirche‘, gerichtete Verteidigungsschrift zugunsten der Tradition eines besonderen, von der christlichen Gemeinde gesonderten Priesterstands veröffentlichte. Dieses Werk, 1537 in Wittenberg herausgegeben, versah Luther persönlich mit einem Vorwort.23 Mit dem Tod von Moibanus im Jahr 1554 endete die erste bedeutsame Periode des evangelischen Ministeriums der St. Elisabethkirche. In den folgenden Jahr18 Fuchs: Die Elisabethkirche, 36–39. 19 Sabisch, Alfred: Der Meßcanon des Breslauer Pfarrers Dr. Ambrosius Moibanus. Ein Beitrag zur Geschichte des protestantischen Gottesdienstes in Schlesien in den Jahren der Glaubensspaltung. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 3 (1938) 98–126. 20 Hansi: MEMORIAE CONCIONATORUM, 7f. 21 Moibanus, Ambrosius: CATECHISMI CAPITA DECEM primum quibusdam thematis, Deinde etiam Colloquiis puerilibus illustrata, iuuentuti Wratislauiensi proposita. […] Cum Prefatione Phil. Mel., Vitebergae 1538. 22 Catechismus/ Auff zehen Artickel/ Goetlicher schrifft gestellet/ wie man fur Gott/ und den menschen ein Christlich frumes lebē fůren sol. Durch D. Ambrosium Moibanū Pfarherr zu Breslaw, Wittemberg 1535. 23 Das herrliche Mandat Jhesu Christi unsers Herrn und Heilandes […]. Denen zu einem unterricht/ so das Predigampt und die Sacrament Christi fur unnoetig zur seelen heil achten woellen/ gehandelt. Durch D. Ambrosium Moibanum Pfarherr zu Breßlaw/ Mit einer Vorrehede Mart. Luther, Wittemberg 1537.

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zehnten beeinflußten die konfessionellen Streitigkeiten der orthodoxen Lutheraner mit den Kryptocalvinisten die Predigt- und Seelsorgetätigkeit an diesem Gotteshaus auf das stärkste. Sie spalteten nicht nur die Geistlichkeit, sondern auch die Breslauer Ratsherren.24 Infolge dieser Auseinandersetzungen blieb das Pastorenamt der Hauptkirche der Stadt in einer Reihe von Jahren – 1557 bis 1560, 1562 bis 1567, 1593 bis 1611 – unbesetzt. Eine gewisse Stabilisierung brachte nach den beiden ersten Vakanzen die Einsetzung von Esaias Heidenreich (1569–1589) aus Schweidnitz, einem hervorragenden Prediger und geachteten Theologen25 sowie Autor eines in Schlesien weit verbreiteten Gebetbuches, das 1572 in Breslau herausgegeben wurde.26 Aber erst Pastor Zacharias Herrmann, der sein Amt nach der langen dritten Vakanz 26 Jahre lang (1611–1637)27 ausübte, festigte die Elisabethgemeinde so weit, daß sie fortan nie mehr ohne geistlichen Vorstand blieb. Er war es auch, der in Breslau ein evangelisches Konsistorium organisierte und 1620 als erster anläßlich der Huldigung der schlesischen Stände an ihren neuen Landesherrn offiziell eine evangelische Predigt hielt.28 Am 27. Februar 1620 besiegelte der böhmische ,Winterkönig‘ mit seiner Teilnahme am Gottesdienst, der nicht in der katholischen, sondern in der evangelischen Kathedrale abgehalten wurde, die erste, aber noch kurzzeitige Erhebung der St. Elisabethkirche in den Rang des bedeutendsten Gotteshauses Schlesiens. Zwei Jahre später, am 3. November 1621, mußte derselbe Zacharias Herrmann mit einer zweiten ,Huldigungspredigt‘ auftreten, diesmal im Beisein des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I., der den Bezwinger Friedrichs I. – Kaiser Ferdinand II. – vertrat. Die Beibehaltung des Rechts Breslaus auf evangelische Kirchen und Schulen nach dem Dreißigjährigen Krieg legte der Stadtobrigkeit, die mit Besorgnis auf die allmähliche Zunahme und die ständig wachsende Überzeugungskraft der gegenreformatorischen Propaganda blickte, die Verpflichtung auf, die Geistlichen und das Lehrpersonal besonders sorgfältig auszuwählen. In das Pastorenamt der St. Elisabethkirche wurden in jener Zeit tatsächlich herausragende Persönlichkeiten beru24 Bantke: PASTORES, 182–192. 25 Ebd., 27–32; Ehrhardt: Presbyterologie, 193–195. 26 Heidenreich, Esaias: Betbuechlein/ Darinnen die Sontags und der fuernemesten Festen Euangelia/ so uber das gantze Jar inn der Kirchen gelesen und gehandelt werden/ In eine kuertze Form hertzlicher Anruffung: Allen denen/ die inn der Warheit und im Geist beten/ und hoffen auff die frewdenreiche Zukunfft unsers großen Gottes und Heylands Jhesu Christi/ zu trost und Christlicher anleitung gestellet sind, Breßlaw 1572. 27 Bantke: PASTORES, 39–48; Ehrhardt: Presbyterologie, 197–200. 28 Huldigungspredigt/ Als Der Durchlauchtigste/ Großmaechtigste Fuerst und Herr/ Herr FRIEDRICH Koenig zu Boehmen/ Pfalczgraff beym Rhein/ und Churfuerst/ Hertzog in Bayern/ Marggraff in Maehren/ Hertzog in Schlesien und zu Luetzenburg/ Marggraff zu Lausitz/ etc. Von den hochloeblichen Herren Fuersten und Staenden in Ober und Nider Schlesien/ zu Breßlaw/ den 27. Tag Februarij dieses 1620. Jahres die Huldigung empfangen/ In der Kirchen zu S. Elisabeth gehalten/ Von ZACHARIA HERMANNO, der H. Schrifft Doctore, der Kirchen und Schulen in Breßlaw Inspectore, Breßlaw 1620.

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Abb. 23. Kaspar Neumann (1648– 1715), hervorragender Theologe, Prediger und Seelsorger, war von 1697 bis zu seinem Tod Pfarrer der Haupt- und Pfarrkirche zu St. Elisabeth in Breslau und damit auch städtischer Kirchen- und Schulinspektor. Indem er systematische Forschungen zu den in den Breslauer Kirchenbüchern eingetragenen Geburten und Todesfällen anstieß, trug er zur Begründung der wissenschaftlich fundierten Bevölkerungsstatistik bei.

fen, wie der bereits erwähnte Johannes Acoluth, oder auch Caspar Neumann (1697–1715) (Abb. 23), der mit Blick auf seine Fähigkeiten als Redner der „Breslauer Chrysostomos“ genannt wurde.29 Sorgfältig ausgebildet und in der philosophischen Literatur seiner Zeit belesen, war Neumann einer der heftigsten Gegner des von Halle ausstrahlenden Pietismus, gleichzeitig Autor von Predigten, die von inbrünstigem Glauben erfüllt waren, sowie von Kirchenliedern und Gebeten. Das von ihm verfaßte Gebetbuch mit dem Titel „Kern aller Gebete“ wurde in viele europäische Sprachen übersetzt, darunter – dank Jan Ernesti – ins Polnische.30 In 29 Ehrhardt: Presbyterologie, 211–216. Vgl. ferner Schimmelpfennig, Carl Adolf: Neumann, Kaspar. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 23, Leipzig 1886, 532–535; Konrad, Paul: Kaspar Neumann. In: Correspondenzblatt des Vereins für Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens 7 (1900) 49–78; Müller, Konrad: Caspar Neumann. In: Andreae, Friedrich (Hg.): Schlesier des 17. bis 19. Jahrhunderts, Breslau 1928 (Schlesische Lebensbilder 3), 131–138. 30 M. Kaspra Neumanna/ Czasu tego Słowa Bożego Sługi Wrocławskiego/ Treść wszystkich Modlenia się Sposobów: W Prośbie/ Modlitwie/ Przyczyn Dziękowaniu/ Słowy krótkiemi

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gleichem Maß prägte Johann Friedrich Burg (1735–1766), ein geschätzter Ethiker und Dogmatiker,31 eine lange und fruchtbare Amtszeit durch hervorragende Gelehrtheit. Seine Predigten, in den Jahren 1750 bis 1756 als Druck in sechs Bänden herausgegeben, überzeugten und begeisterten die Zuhörer. Zu ihnen zählte selbst König Friedrich II. von Preußen, der bereits im August 1741 die Dankesrede Burgs nach der Huldigung durch die Stadt mit einem wertvollen Geschenk – einer goldenen Medaille – honoriert hatte und 1742 den geachteten Pastor der St. Elisabethkirche, der gemeinhin als evangelischer Bischof Schlesiens bezeichnet wurde, zum Rat des neugegründeten Generalkonsistoriums für Preußen ernannte. Das Gotteshaus, in dem Moibanus, Heidenreich, Herrmann, Acoluth, Neumann und Burg ihre Predigten hielten, behielt bis zum Ende der Habsburgerherrschaft weitgehend seine ursprüngliche mittelalterliche Gestalt (Abb. 22).32 Die einzigen größeren Veränderungen, die im Äußeren und Inneren der Kirche umgesetzt wurden, waren durch zwei gewaltige Katastrophen verursacht worden – die eine im ogarniona: Ludziom wszystkim żadnego nie wyłączając Wieku/ Stanu/ Doległości/ Czasu/ Tak rano/ jako na Wieczór/ niemniej i w kościele Nabożeństwo odprawującym przygodna. Z Niemieckiego na Polski przeniesiona Język Przez Jana Ernesti, Oleśnica 1687. 31 Ehrhardt: Presbyterologie, 219–229; Schimmelpfennig, Carl Adolf: Burg, Johann Friedrich. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 3, Leipzig 1876, 588f.; Blümel, Georg: Johann Friedrich Burg. In: Andreae, Friedrich (Hg.): Schlesier des 18. und 19. Jahrhunderts, Sigmaringen ²1985 [¹1926] (Schlesische Lebensbilder 2), 73–77. 32 Gomolcke, Daniel: Des kurtz=gefaßten Innbegriffs Der vornehmsten Merckwuerdigkeiten In der Kayser= und Koenigl. Stadt Breßlau/ In Schlesien/ Erster Theil. Darinnen gehandelt wird von deren Erbauung/ […] dann von denen […] Fuerstlichen Gestifftern/ Kloestern/ Pfarr=Kirchen und Capellen […], Breßlau 3[1733], 135–146. Vgl. ferner ders.: Der heutigen Schlesischen Kirchen=Historie Erster Theil, Darinnen das bis 1748. Jahr lebende Der ungeaenderten Augsp. Confession zugethane Schlesische Zion, Nebst deren Parochien, Kirchen, Bethaeusern, und andern curioesen Anmerckungen sich repraesentiret […], Oels [1748], 74–89; Merckwuerdige Beschreibung der Haupt= und Pfarr=Kirche zu St. Elisabeth, [Breslau] 1781; Tscheggey, Samuel Gottlob: Die dreihundertjaehrige Jubel=Feier der ersten Haupt= und Pfarrkirche zu St. Elisabeth am Sonntage Jubilate 1825. Eine nachtraegliche Gabe, Breslau 1825, 7–36; Kunisch, Johann Gottlob: Die St. Elisabeth-Kirche zu Breslau und ihre Denkmäler, Breslau 1841; Schmeidler: Die […] Pfarr-Kirche, 53–57, 72–118; Luchs, Hermann: Die Denkmäler der St. Elisabeth-Kirche zu Breslau, Breslau 1860; ders.: Über die Elisabethkirche zu Breslau und ihre Denkmäler. In: Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Philosophisch-historische Abtheilung 1 (1862) 13– 68; Lutsch, Hans: Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesien, Bd. 1, Breslau 1886, 59–63, 206–244; Konrad, Paul: Aus der Vergangenheit der Elisabethkirche. In: Festschrift zur Wiedereröffnung der Haupt= und Pfarrkirche zu St. Elisabet nach Vollendung des Erneuerungsbaues am 24. Dezember 1893, Breslau 1893, 16–31; Burgermeister, Ludwig/ Grundmann, Günther: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau, Tl. 2, Breslau 1933, 73–154; Zlat, Mieczysław (Hg.): Z dziejów wielkomiejskiej fary. Wrocławski kościół św. Elżbiety w świetle historii i zabytków sztuki, Wrocław 1996 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1826, Historia Sztuki 10); Oszczanowski, Piotr: Kościół św. Elżbiety, Wrocław 2002 (Zabytki Wrocławia).

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Februar 1529, als die gotische Turmspitze einstürzte,33 die andere im August 1649, als unter der Last der 1627 bis 1629 eingebauten Orgel einige der nördlichen Pfeiler einbrachen und somit auch ein Teil des Gewölbes mitsamt dem Dach einstürzte. Die Turmspitze wurde schon 1534 in neuen Renaissanceformen wiedererrichtet. Erst 1545 hingegen wurde der erste ernsthafte Versuch unternommen, das Kircheninnere den Erfordernissen des reformatorischen Gottesdienstes anzupassen: Das Taufbecken wurde in die Nähe des Hauptaltars versetzt und neues Ratsgestühl eingebaut. 1572 stellte man weiteres Gestühl im südlichen Schiff sowie einfache Bänke im westlichen Kirchenjoch auf, so daß – ähnlich wie in anderen zeitgenössischen Kirchen Schlesiens34 – jene charakteristische gefächerte Einteilung auf die Kanzel ausgerichteter Sitzbänke entstand. Die südwestliche Vorhalle, Pfarrhalle genannt, deren Bedeutung infolge der Verlagerung des liturgischen Zentrums des Gotteshauses nach Westen deutlich zunahm, wurde 1585 von Grund auf erneuert. Ihre Wände sowie das Sterngewölbe wurden mit Darstellungen der zwölf Apostel verziert. Zu deren Füßen wurden die entsprechenden Artikel des apostolischen Glaubensbekenntnisses eingeschrieben.35 Im Jahr 1620, anläßlich der erwarteten Teilnahme König Friedrichs I. von Böhmen am feierlichen Huldigungsgottesdienst, wurde das gesamte Kircheninnere erneuert; mit neuem Putz versah man die Innenwände erst 1631. Nach der erwähnten Katastrophe 1649 erfolgte dank der Opferbereitschaft der in der Elisabethgemeinde ansässigen reichen Kaufleute verhältnismäßig schnell der Einbau einer neuen Kanzel und des Ratsgestühls.36 1653 entstand überdies im Chor der Kirche mit Spenden Georg Freyers ein neuer Altar mit einem Bild des letzten Abendmahls

33 Dieses Ereignisses vielfach in Gedichten und Prosa beschrieben, wurde in der Kirche durch drei Steintafeln gedacht, von denen sich zwei als Inschriften im Inneren der Kirche, in der Kapelle unter dem Turm, befinden, während die dritte, die die Katastrophe als Relief darstellt, an der östlichen Außenwand des Turmes angebracht ist. 34 Harasimowicz, Jan: „Paläste der Heiligen Dreifaltigkeit, Werkstätten des Heiligen Geistes“. Die Kirchen der evangelischen Schlesier in der habsburgischen Zeit. In: Raschzok, Klaus/ Sörries, Reiner (Hg.): Geschichte des protestantischen Kirchenbaues. Festschrift für Peter Poscharsky zum 60. Geburtstag, Erlangen 1994, 128–144, hier 130. 35 Harasimowicz, Jan: „Non minus sunt credenda, quam ipsi articuli.“ La confession de foi apostolique dans la catéchèse et l’art d’église luthériens au siècle de la Réforme. In: Lacroix, Pierre/Renon, Andrée/Vergnolle, Eliane (Hg.): Pensée, image et communication en Europe médiévale. À propos des stalles de Saint-Claude, Besançon 1993, 237–246. 36 Den Einbau des neuen Gestühls verewigte ein Flugblatt mit dem Titel: Christliche Denck= und Lob=Spruch/ Auff die Neuen Raths-Stuehle bey der Kirchen zu St. Elisabeth. Welche Gott zu Ehren/ einem Wohl Edlen und Gestrengen Rath zu dienstlichem belieben/ und der Kirchen zu sonderem Zierath verfertigen/ und in dem 1652sten Jahr Christi auffsetzen lassen Der Ehrenveste und Wolgeachte Herr Balthasar Goldbach/ Vornehmer Buerger und Handelsman in Breßlau. […] Von Caspar Hoffmann/ bey dem Gymnasio zu St. Elisabeth Collega, Breßlaw [1652].

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im Hauptgeschoß,37 der das bis zu dieser Zeit genutzte mittelalterliche Retabel Hans Pleydenwurffs ersetzte. 1657 wurde im westlichen Joch des Mittelschiffs eine neue Orgel errichtet, die 1712 um ein in der Nähe des Altars angeordnetes Positiv ergänzt wurde. Die unter Johann Friedrich Burg begonnene komplexe Renovierung der Kirche wurde nach dem Wechsel der staatlichen Zugehörigkeit Schlesiens zu Ende geführt. Der Abschluß des Einbaus der neuen großen Orgel 1761 stellte nach der schon vorher beendeten Einrichtung des „Königs-Chores“ für Friedrich II. ein zweites sichtbares Zeichen für die Stärkung des kathedralen Charakters der Breslauer Hauptpfarre unter dem Zepter der Hohenzollern dar. Das Innere der Kirche zu St. Elisabeth wurde im Verlauf des 16., 17. und 18. Jahrhunderts mit Dutzenden Grabsteinen, Epitaphien und heraldischen Totenschilden ausgestattet.38 Noch Mitte des 19. Jahrhunderts konnte man hier unter den Gewölben der Seitenschiffe hängende Fahnen, an den Pfeilern angebrachte Schwerter, Ritterhelme und eiserne Rüstungshandschuhe sehen. Es spiegelte sich in diesem Innenraum, wie Johann Carl Schmeidler richtig bemerkte, der „Traum von der Macht“ der Breslauer Patrizier wider,39 die über viele Jahrhunderte nach politischer Selbständigkeit – ähnlich derjenigen in den Freien Reichsstädten – strebten. Es ist ein beredtes Zeugnis dieser Bestrebungen, daß das Hauptgotteshaus der schlesischen Metropole als Begräbnisort so bedeutender Persönlichkeiten des frühneuzeitlichen Europa wie Andreas Dudith, ehemaliger Bischof von Fünfkirchen, Gelehrter und Diplomat,40 oder Johann Crato von Crafftheim, Leibarzt dreier aufeinanderfolgender Kaiser,41 ausgewählt wurde – und dies zur Zeit des Späthumanismus, die den Renaissancekult der berühmten Männer besonders pflegte.

37 Die Stiftung des Altars als wesenliches Gotteswerk des 1655 verstorbenen Kaufmanns Georg Freyer bezeugt ein Flugblatt, betitelt: Christlicher Denck= und Lob=Spruch/ Auff den mit neuem Bild und Tafel=Werck gezierten Altar bey der Kirchen zu St. Elisabeth. Mit welchem Der weyland Ehrenveste und Wolgeachte Herr George Freyer/ vornehmer Buerger und Handelsmann in Breßlaw/ dieselbe/ als ein treuer Liebhaber und Befoerderer deß Gottes=Dienstes/ mildreich verehret und begabet hat. […] von Caspar Hoffman/ bey dem Gymnasio zu St. Elisabeth Collega, Breßlaw [1655]. 38 Harasimowicz, Jan: Mors janua vitae. Śląskie epitafia i nagrobki wieku reformacji, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1098, Historia sztuki 3). 39 Schmeidler: Die […] Pfarr-Kirche, 89f. 40 Costil, Pierre: André Dudith humaniste hongrois. Sa vie, son œuvre, ses manuscrits grecs, Paris 1935; Szczucki, Lech: Andrzej Dudycz wobec antytrynitaryzmu. In: Historia i wyobraźnia. Studia ofiarowane Bronisławowi Baczce, Warszawa 1992, 49–54. 41 Gillet, J[ohann] F[ranz] A[lbert]: Crato von Crafftheim und seine Freunde. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte, Bd. 1–2, Frankfurt am Main 1860–1861; Siegel, Karl A.: Johann Crato von Kraftheim. In: Andreae, Friedrich (Hg.): Schlesier des 16. bis 19. Jahrhunderts, Sigmaringen ²1985 [¹1931] (Schlesische Lebensbilder 4), 124–133; Matusik, Leokadia: Jan Crato. In: Ludzie dawnego Wrocławia, Bd. 2, Wrocław 1961, 84–93.

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Seit dem 16. Jahrhundert bewahrte die Kirche in ihren Mauern nicht nur die sterblichen Überreste mehr oder weniger bekannter Breslauer, sondern auch deren zu Lebzeiten gesammelte Altertümer und Kuriositäten auf. Die Elisabethbibliothek, deren Grundstock die unschätzbare Sammlung des 1575 in Köln verstorbenen Thomas Rehdiger bildete und später durch reichliche Legaten von Albrecht Säbisch, Chrisostomus Schultz und Matthias Machner vergrößert wurde, konnte nach Meinung Daniel Gomolckes „mit den vornehmsten in gantz Teutschland um den Vorzug streiten“.42 Ihren Wert bestimmten weniger die Bücher – die Bibliothek der Kirche zu St. Maria Magdalena verfügte über weit umfangreichere Bestände – als vielmehr die zahlreichen Porträts berühmter Personen, wertvolle Handschriften, 4.000 Briefe, über 20.000 Kupferstiche, eine reiche Sammlung von Münzen und Medaillen, eine Wachsbildersammlung und zahlreiche naturkundliche Exponate. Mit der Ordnung und Erschließung dieser Sammlungen beschäftigte sich ein vom Rat ernannter Bibliothekar. Die herausragendste Persönlichkeit in diesem Amt war im 17. Jahrhundert Martin Hantkius, ein „accurater Antiquarius“, dessen breites Wissen Kaiser Leopold I. persönlich würdigte, indem er ihm 1679 die Anfertigung einer Expertise zu einigen Kuriositäten aus seiner eigenen Bibliothek anvertraute.43 Die Bibliothekare waren wie die Pastoren und „Ekklesiasten“ Professoren der Kirchenschule St. Elisabeth, die 1562 in den Rang eines Gymnasiums erhoben wurde.44 Der Rat Breslaus, der der Bildungsförderung ein großes Gewicht beimaß, richtete das künftige Schulzentrum seiner bürgerlichen Elite in einem prunkvollen Steingebäude ein, dessen Dach ein Türmchen und neun Dachfenster zierten – gleichsam als Anspielung auf Apollo in Begleitung der Musen.45 Der erste Rektor des Gymnasiums war Andreas Winckler, ein Freund von Moibanus und Gründer der ersten städtischen Druckerei, die sich in einem kleinen Haus auf dem Kirchen-

42 Gomolcke, Daniel: Des kurtz=gefaßten Innbegriffs Der vornehmsten Merckwuerdigkeiten in der Kayser= und Koenigl. Stadt Breßlau/ In Schlesien/ Zweyter Theil; Darinnen das Kayserliche Governo durch alle Aembter, die Publique, und Weltliche Gebaeu, Bibliothecen, […] zusammen getragen, Breßlau 21735, 41–46. Vgl. ferner Lucae, Friedrich: Schlesiens curieuse Denckwuerdigkeiten oder vollkommene Chronica von Ober- und Nieder-Schlesien […], Franckfurt am Mayn 1689, 631f.; Gomolcke: Des kurtz=gefaßten Innbegriffs […] Erster Theil, 168–170. 43 Lucae: Denckwuerdigkeiten, 574. 44 Ebd., 571-575; Kundmann, Johann Christian: ACADEMIAE ET SCHOLAE GERMANIAE, praecipue DUCATUS SILESIAE, CUM BIBLIOTHECIS, IN NUMMIS. Oder: Die Hohen und Niedern Schulen Teutschlandes, insonderheit Des Hertzogthums Schlesiens, Mit ihren Buecher=Vorraethen, in Muentzen […], Breslau 1741, 31-106; Bauch, Gustav: Geschichte des Breslauer Schulwesens in der Zeit der Reformation, Breslau 1911 (Codex Diplomaticus Silesiae 26). 45 Kundmann: ACADEMIAE ET SCHOLAE, 32; Bauch: Geschichte, 185–189.

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friedhof befand.46 Ihm folgte Peter Vitze (Petrus Vincentius) nach, der Verfasser der Schulordnung von 1570, die im Geist der humanistischen Pädagogik Melanchthons gehalten war.47 Die folgenden Rektoren – Petrus Kirstenius, Thomas Sagittarius, Elias Major, Martin Hantkius, Gottlob Kranz – hielten die Elisabethschule stets auf einem hohen Niveau. Und obwohl, wie der Chronist festhält, „offters die Frequenz der studirenden Jugend bey dem andern Gymnasio groeßer gewesen ist“,48 wurde gerade die Schule an der St. Elisabethkirche Hauptbildungsstätte der Stadt – bis zur Gründung einer Volluniversität mit den vier Fakultäten durch die preußische Obrigkeit. Die Vielfalt der kulturellen Funktionen, die sich in der Neuzeit mit der St. Elisabethkirche verbanden, war in der Tat imponierend. In diesem geistigen Zentrum der „Pfarre der reichen Straßen“ trafen und vergegenständlichten sich – in Kunst, Literatur und Musik – alle Hauptideen der damaligen christlichen Welt. Man muß hoffen, daß die nach dem tragischen Feuer im Jahr 1976 angefangene Erneuerung der Kirche ihre vollständige, reiche, in den Jahrhunderten angehäufte Ausstattung bewahren kann und wieder vollständig zugänglich macht. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die heutige Kirche zu St. Elisabeth als römisch-katholische Garnisonkirche, die ihr eigentliches Gemeindeumfeld verloren hat, in der aktuellen Kulturlandschaft Breslaus überhaupt den Rang einnehmen kann, den sie als evangelische Pfarrkirche ehemals im frühneuzeitlichen Breslau innehatte.

46 Bauch: Geschichte, 101–114; Burbianka, Marta: Andrzej Winkler. In: Ludzie dawnego Wrocławia, Bd. 2, 94–100. 47 Bauch, Gustav: Petrus Vinzentius, der Schöpfer des Görlitzer Gymnasiums und erste Breslauer Schulinspector. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Erziehungs- und Schulgeschichte 19 (1909) 169–330; ders.: Geschichte, 199–224. 48 Lucae: Denckwuerdigkeiten, 571.

,Blutige‘ und ,unblutige‘ Märtyrer. Zur Heiligen- und Heldenverehrung

Evangelische Heilige? Die Heiligen in Lehre, Frömmigkeit und Kunst in der evangelischen Kirche Schlesiens

I. Im Jahr 1619, „am Tage Michaëlis“, hielt in Bolkenhain Gottfried Tilesius, der lutherische Pfarrer des Ortes, eine Predigt anläßlich der Weihe der neuen Kanzel, die in der Pfarrkirche St. Hedwig als Stiftung Andreas Bodensteins und seiner Frau Susanna, geborene Reimann, errichtet worden war. In dieser Einweihungspredigt, die drei Jahre später in Oels bei Johann Boesemesser im Druck erschien,1 legte Tilesius ausführlich das Programm des reichen plastischen und malerischen Schmucks dieser Kanzel aus, die seiner Meinung nach „der Schrift sehr aehnlich [ist]/ Respectu formae, der form und gestalt halben“.2 Die Erklärung beginnt mit der Figur des Kanzelträgers, der in der Bolkenhainer Pfarrkirche schon seit über hundert Jahren – wie man aus dem Fehlen eines diesbezüglichen Vermerks im Kunstdenkmälerinventar von Hans Lutsch schließen kann3 – nicht mehr vorhanden ist. Tilesius beschreibt diesen Kanzelträger folgendermaßen: „Erstlich hat Er [der neue Predigtstuhl] einen Grundt oder Fuß/ darauff Er ruhet/ welcher ist das Kunstlich und Zierlich geschnitzte Bilde des Apostels ANDREAE, mit seinem Marter Creutz/ daran diese Wort geschrieben: Si ignominiam Crucis CHRISTI timuissem, gloriam illius non predicassem, Hette ich mich vor der Schmach des Creutzes Christi gefuerchtet/ so wolte Ich die Herrlichkeit dessel-

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II. Christlische Predigten. I. Bey dem Leichenbegaengniß/ Des weyland Ehrenvesten unnd Wolgeachten Herren Friderich Reimanns/ Buergers zu Bolckenhain/ Als Jungen Gesellen/ Welcher im Jahr Christi 1618. Seines Alters im 20. den 12. Februarii, daselbst zu Bolckenhain in Gott verschieden/ und hernach den 14. in Ehrlicher Volckreicher versamlung/ zur Erden bestattet worden. II. Bey Einweihung des newen Predigtstuls im Jahr Christi 1619. Eben am Tage Michaëlis, Welchen der Ehrenveste und Wolgeachte Herr ANDREAS Bodenstein/ Buerger und Handelsmann in Breslaw/ sambt seiner Hertzgeliebten Haußfrawen/ der Vielehren Tugendsamben Frawen Susanna Reimannin von Bolckenhain/ Gott und seinem Wort zu Ehren/ dem Selig verstorbenen Herren Friderich Reimann aber/ als seinem lieben Herren Schwager/ und ihrem leiblichen Bruder/ zum Gedechtniß/ in unser Kirchen zu Bolkkenhain hat setzen lassen. Gethan durch GODEFRIDUM TILESIUM, Ecclesiae BolcoL. Pastorem, Oels 1622, fol. Dr – G2r. Ebd., fol. E4r. Lutsch, Hans: Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesien, Bd. 1–4, Breslau 1886–1894, hier Bd. 3, 350. Vgl. ferner Pokora, Jakub: Sztuka w służbie reformacji. Śląskie ambony 1550–1650, Warszawa 1982, Kat.-Nr. 6; Harasimowicz, Jan: Treści i funkcje ideowe sztuki śląskiej reformacji 1520–1650, Wrocław 1986 (Acta Universitatis Wratislaviensis 819, Historia Sztuki 2), 84, 90, 92, 98f., 104f.

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ben nicht geprediget haben. Dieses Bilde stehet da/ nicht als ob Andreas der Apostel dieses Wercks Patron sein/ und vor einen Nothelfer auffgeworffen werden solte. Nein: Dann Gott wil seine Ehre keinem andern geben: Sondern das Bilde bedeutet: An einem Theyl/ Doctrinae Evangelicae Certificationem, Das die Lehre der Heyl. Evangelij gar starck bezeuget sey/ und ihren bestendigen Grundt habe. Dann wir sind Erbawet auff den Grundt der Aposteln und Propheten/ da Jesus Christus der Eckstein ist. Am andern Theyl/ Honorificam Fundatoris Recordationem, Daß/ so offt unsere Augen/ dieses schoene Werck ansehen/ wir desselben inn allen Ehren gedancken/ der diesen Newen Predigtstul unserer Kirchen zu gutt hat setzen lassen. Gedencken sollen wir dabey/ Des Ehrenvesten/ Wolgeachten Herrn ANDREAE Bodensteins, Buergers und Handelsmannes in Breßlaw/ und seiner Hertzgeliebten Ehelichen Haußfrawen/ Der Viel=Ehrenthugendsamen Frawen SUSANNAE Reimannin/ und Gott hertzlich bitten/ das Er diese beyde Eheleute sambt ihren Kinderlein/ an Leib unnd Seele mit Zeitlicher und Ewiger wolfahrt erfrewen wolle.“4 Wie aus dieser Predigt zu ersehen ist, war hinsichtlich der Gestalt des Apostels Andreas im Kanzelfuß bewußt kein direkter Bezug auf die traditionelle Verehrung des Heiligen als Nothelfer beziehungsweise Fürbitter beabsichtigt. Sie sollte vielmehr eine Bestätigung der Reinheit und Rechtgläubigkeit des evangelischen Bekenntnisses, das auf „apostolischem Grund“ aufbaut, bilden und darüber hinaus auch in gewisser Weise als Denkmal des Stifters dienen – gleichsam zu seiner diskreten Glorifizierung, die in der Figur des biblischen Namenspatrons verschlüsselt zum Ausdruck gebracht wurde. Doch scheint dieser Bezug zur Person eines beliebten Heiligen typisch für die Auffassung der lutherischen Reformation von den Heiligen und deren Verehrung zu sein,5 und zwar sowohl in negativer als auch in positiver Hinsicht.

II. Die Annahme und konsequente Anwendung der reformatorischen Prinzipien solus Christus und sola fide führten Luther, der sich ursprünglich als Anhänger einer vergleichsweise umfassend verstandenen communio sanctorum erklärt hatte, zu einer unabwendbaren und beinahe vollständigen Ablehnung des Heiligenkultes: „Anrufung der Heiligen ist auch der endchristlichen Mißbräuche einer und streitet 4 5

II. Christliche Predigten, fol. E4r-v. Schulz, Frieder: Art. Heilige/Heiligenverehrung. VII. Die Protestantischen Kirchen. In: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 14, Berlin/New York 1985, 664–672. Vgl. ferner Kolb, Robert: For all Saints. Changing Perceptions of Martyrdom and Sainthood in the Lutheran Reformation, Macon 1987; Köpf, Ulrich: Protestantismus und Heiligenverehrung. In: Dinzelbacher, Peter/Bauer, Dieter R. (Hg.): Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart, Ostfildern 1990, 320–344.

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wider den ersten Hauptartikel und tilget die Erkenntnis Christi. Ist auch nicht geboten noch geraten, hat auch kein Exempel der Schrift, und haben‘s alles tausendmal besser an Christo.“6 Einen ganz ähnlichen Ton schlug das Augsburgische Bekenntnis in seinem XXI. Artikel „Vom Dienst der Heiligen“ an: „Durch Schrift […] mag man nicht beweisen, daß man die Heiligen anrufen oder Hilf bei ihnen suchen soll. ‚Dann es ist allein ein einiger Versuhner und Mittler gesetzt zwischen Gott und Menschen, Jesus Christus‘ 1. Timoth. 2., welcher ist der einige Heiland, der einig oberst Priester, Gnadenstuhl und Fursprech fur Gott, Rom. 8. Und der hat allein zugesagt, daß er unser Gebet erhoren welle. Das ist auch der hochste Gottesdienst nach der Schrift, daß man denselbigen Jesum Christum in allen Noten und Anliegen von Herzen suche und anrufe: ‚So jemand sundiget, haben wir einen Fursprecher bei Gott, der gerecht ist, Jesum etc.‘“7 Die Apologie des Augsburgischen Bekenntnisses in deutscher Übersetzung von Justus Jonas verurteilt mit äußerst scharfen Worten die im späten Mittelalter übliche Verehrung der Heiligen nicht nur als Fürbitter, sondern auch als Mittler und „Versühner“ schlechthin. Nach einer farbigen Beschreibung zahlreicher Mariengebete, die man damals an Totenbetten zu verrichten pflegte, stellen die Verfasser der Apologie mit Entrüstung fest: „Ob nu gleich Maria die Mutter Gottes für die Kirchen bittet, so ist doch das zu viel, daß sie sollt den Tod überwinden, daß sie für der großen Gewalt des Satans uns behüten sollt. Denn was wäre Christus not, wenn Maria das vermöchte? Denn wiewohl sie alles höchsten Lobes wert ist, so will sie doch nicht Christo gleich gehalten sein, sondern will vielmehr, daß wir die Exempel ihres Glaubens und ihrer Demut folgen sollen. Nun ist dies offentlich am Tage, daß durch solche falsche Lehre Maria an Christus Statt ist kommen; dieselbige haben sie angerufen, auf der Güte haben sie vertrauet, durch die haben sie wollt Christum versühnen, gleich als sei er nicht ein Versühner, sondern allein ein schrecklicher, rachgieriger Richter.“8

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Luther, Martin: Werke: Kritische Gesamtausgabe in 4 Abteilungen, Bd. 1–120, Weimar 1883–1983, hier Bd. 50, 210. Vgl. ferner Pinomaa, Lennart: Die Heiligen bei Luther, Helsinki 1977 (Schriften der Luther-Agricola-Gesellschaft A 16); Manns, Peter: Luther und die Heiligen. In: Bäumer, Remigius (Hg.): Reformatio ecclesiae. Beiträge zu kirchlichen Reformbestrebungen von der Alten Kirche bis zu Neuzeit. Festgabe für Erwin Iserloh, Paderborn u. a. 1980, 535–580. Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, Göttingen 1930, 81f. Vgl. ferner Kretschmar, Georg/Laurentin, René: Der Artikel vom Dienst der Heiligen in der Confessio Augustana. In: Meyer, Harding u. a. (Hg.): Confessio Augustana – Bekenntnis des einen Glaubens. Gemeinsame Untersuchung lutherischer und katholischer Theologen, Paderborn/ Frankfurt a. M. 1980, 256–280; Manns, Peter: Die Heiligenverehrung nach CA 21. In: Iserloh, Erwin (Hg.): Confessio Augustana und Confutatio. Der Augsburger Reichstag 1530 und die Einheit der Kirche, Münster (Westfalen) 1980 (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 118), 596–640. Die Bekenntnisschriften, 322.

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Die Anrufung der Heiligen als Kräfte, die „sonderliche Gabe[n] könne[n] geben“, scheint den Verfassern der Apologie etwas Heidnisches zu sein, das im Grunde eine Verneinung des eigentlichen Sinnes vom Gebet ausmacht und zu krassen Mißbräuchen, sogar zum Götzendienst hinführen könne: „Denn es mag sein, daß erstlich etliche guter Meinung der Heiligen gedacht haben in ihrem Gebet. Bald hernach ist gefolgt das Anrufen der Heiligen. Bald nach dem Anrufen sind einzeln eingerissen die wünderliche heidnische Greuel und Mißbräuche etc., als daß mans dafür gehalten, daß die Bilder ein eigen heimliche Kraft hätten, wie die Zäuberer und Magi dafür halten, daß, wenn man etlicher Sternzeichen zu gewisser Zeit in Gold oder ander Metall gräbt und bildet, die sollten ein sonderliche heimliche Kraft haben und Wirkung.“9 Ihre Verteidigung und Auslegung des XXI. Artikels der Augustana schließen die Verfasser der Apologie folgendermaßen ab: „Und solchen Greuel wider Christum, solche Gotteslästerung, schändliche, unverschämte Lügen und Fabeln, solche Lügenprediger können die Bischöfe und Theologen leiden und haben sie lange Zeit gelitten zu großem Schaden der Gewissen, daß es schrecklich ist zu gedenken; denn solche Lügen haben Geld und Zinse getragen. Uns aber, die wir das Evangelium rein predigen, wollten sie gern vertilgen; so wir doch darum das Anrufen der Heiligen anfechten, damit Christus allein der Mittler bliebe und der große Mißbrauch abgetan werde.“10 Obwohl die Konzentration des Glaubens auf die Person Christi, das Haupt der christlichen Gemeinschaft auf Erden, eine deutliche Wendung an alle Glieder dieser Gemeinschaft zur Folge hatte, die jetzt als ,lebendige Heilige‘ – im Gegensatz zu den mit dem Bann belegten ,verstorbenen Heiligen‘ – bezeichnet wurden, enthält sowohl das Augsburgische Bekenntnis als auch dessen Apologie eine ausformulierte, grundsätzlich neue theologische Auffassung vom locus de Sanctis. Es handelte sich jetzt weniger um die ,Verehrung der Heiligen‘, als vielmehr um ein ,Gedächtnis der Heiligen im Rahmen der evangelischen Predigt‘.11 Das Heiligengedächtnis wurde relativiert, d. h. zur Christusverkündigung in Beziehung gesetzt. Es diente zur personalen Veranschaulichung des Christusglaubens und zur Ermutigung in der Nachfolge Christi. „Vom Heiligendienst wird von den Unseren also gelehret, daß man der Heiligen gedenken soll, auf daß wir unsern Glauben stärken, so wir sehen, wie ihnen Gnad widerfahren, auch wie ihnen durch Glauben geholfen ist; darzu, daß man Exempel neme von ihren guten Werken, ein jeder nach seinem Beruf“, heißt es im XXI. Artikel der Augustana.12 Die Apologie des Bekenntnisses baut diese Auffassung zu einer Pflege des ,Gedächtnisses der Heiligen‘ in dreierlei Hinsicht wie folgt aus: „In unser Confession leugnen wir nicht, daß man die Heiligen ehren soll. Denn dreierlei Ehre ist, damit man die Heiligen ehret. Für das erst, 9 10 11 12

Ebd., 323f. Ebd., 325. Schulz: Art. Heilige/Heiligenverehrung, 665. Die Bekenntnisschriften, 81.

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daß wir Gott danksagen, daß er uns an den Heiligen Exempel seiner Gnaden hat dargestellet, daß er hat Lehrer in der Kirchen und andere Gaben geben, und die Gaben, weil sie groß sein, soll man sie hoch preisen, auch die Heiligen selbst loben, die solcher Gaben wohl gebraucht haben, wie Christus im Evangelio lobet die treuen Knechte. Die andere Ehre, so wir den Heiligen tun mügen, daß wir an ihrem Exempel unsern Glauben stärken, als wenn ich sehe, daß Petro aus so reicher Gnade die Sunde vergeben ist, da er Christum verleugnet, wird mein Herz und Gewissen gestärkt, daß ich gläube, daß die Gnade mächtiger sei denn die Sunde. Für das dritte ehren wir die Heiligen, wenn wir ihres Glaubens, ihrer Liebe, ihrer Geduld Exempel nachfolgen, ein jeder nach seinem Beruf.“13 Das ,gereinigte‘, auf ,glaubwürdigen Legenden‘ beruhende ,Gedächtnis der Heiligen‘ wurde in zahlreichen, vielfach aufgelegten evangelischen Kalendern verbreitet. Deren Folge wurde – um die bedeutendsten Beiträge zu nennen – 1550 mit dem von Paul Eber herausgegebenen Kalender, der eine Vorrede Philipp Melanchthons enthält und bis 1582 fünfmal nachgedruckt wurde, eröffnet.14 1559 folgte derjenige von Caspar Goldtwurm – bis 1612 achtmal nachgedruckt;15 1573 erschien das „Calendarium Sanctorum“ von Andreas Hondorff und Vincenz Sturm, das bis 1610 rund zehn Neuauflagen erfuhr;16 und 1606 kam die später ebenfalls einige Male neu edierte Publikation von Martin Behm, Pfarrer zu Lauban, erstmals heraus.17 Das „Calendarium Sanctorum et Historiarum“ von Hondorff und Sturm, unter allen genannten wohl das beliebteste, enthält nicht nur „glaubwürdige Historien der lieben Heiligen“, bereinigt von „luegen und falschen Wunderzeichen“, die ihnen „von den heuchlischen Moenchen zugemessen“ worden waren, sondern auch „die gleubigen Exempeln und Historien etlicher heiligen 13 Ebd., 317f. 14 CALENDARlUM HISTORICUM CONSCRIPTUM A PAULO EBERO KITTHINGENSI, Witebergae 1550. 15 Kirchen Calender. In welchem nach Ordnung gemeyner Allmanach/ die Monat/ Tag/ und Fuernembsten Fest des gantzen Jars/ mit irem gebrauch/ Auch der Heyligen Apostel/ und Christlischen Bischoff/ Leerer/ und Martyrer/ Glaub/ Leben/ und bestendige bekandtnuß (welches sie mit ihrem eygnen blut unnd sterben bestettiget haben) kuertzlich verfasset/ und mit vilen schoenen Figurn/ uber vorige Edition/ gezieret unnd gemehret. Allen Christen sehr troestlich unnd nuetzlich zuwissen. CASPAR GOLDTWURM ATHESINUS, Franckfurt am Meyn 1564. 16 CALENDARIUM SANCTORU[M] ET HISTORIARUM. In welchem nach Ordnung gemeiner Calender/ durchs gantze Jar/ alle Heiligen und Mertyrer/ mit ihrem Bekentnis und Leiden/ nach Ordnung der Tage/ beschrieben/ sampt zugethanen vielen aus Heiliger Schrifft/ und andern Scribenten glaubwirdigen Historien/ so sich auff gleich Tage in denselben Monaten begeben. Zusammen colligirt auffs kuertzste/ den Einfeltigen zu gut. Durch ANDREAM HONDORFF/ Pfarherrn zu Droeyßig, Leipzig 1573. 17 Kirchen Calender. Das ist/ Christliche Erklerung/ Des Jahres und der zwoelff Monaten: Allen Pfarherrn/ Schuldienern unnd Haußvaetern in 13. Predigten verfasset und abgehandelt. Unnd jtzo zum andern mal auffs New ubersehen/ gemehret und mit Figuren gezieret Durch MARTINUM BOHEMUM Predigern zu Lauban, Wittemberg 1608.

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Lehrer und Merterer/ so bey unsern zeitten umb das Euangelium willen jemmerlich seindt erwuerget worden […]/ damit fromme Christen durch ihr Exempel zu standhafftiger Bekentnis Goettlichen Worts/ unnd zu Christlicher gedult in ihrem Creutz und Leiden bewegt wuerden“.18 In der Vorrede zu diesem imposanten Werk, das erst nach dem Tode Andreas Hondorffs erschien, führt Vincenz Sturm, Schulmeister aus Bitterfeld, eine bekannte Äußerung Luthers zum Thema der Heiligenverehrung aus dem Jahr 1535 an, die als Inbegriff der reformatorischen Haltung in dieser heiklen und mit vielen Mißverständnissen belasteten Frage gelten kann: „Nehest der heiligen schrifft ist ja kein nützlicher buch für die Christenheit denn der lieben heiligen Legenden, sonderlich welche rein und rechtschaffen sind, Als darinn man gar lieblich findet, wie sie Gottes wort von hertzen geglaubt und mit dem munde bekand, mit der that gepreiset und mit yhrem leiden und sterben geehret und bestettiget haben. Solchs alles aus der maßen trostet und sterckt die schwach gleubigen, und noch viel mutiger und trotziger macht, die zuvor starck sind. Denn wo man allein die schrifft on exempel und historien der heiligen lehret, ob wol jnnwendig der geist das seine reichlich thut, so hilffts doch trefflich sehr, wo man von auswendig auch die exempel der anderen sihet odder horet. Sonst denckt ymer ein schwach hertz also: Sihe, du bist alleine, der so gleubet und solchs bekennet, thut und leidet etc. Darumb auch Gott, selbs jnn der heiligen schrifft neben der lere beschreibet der lieben patriarchen und Propheten leben, glauben, bekenntnis und leyden, Und S. Petrus (2. Petr. 3) die Christen auch mit aller heiligen exempel trostet und spricht: Wisset, das dasselb leiden allen ewren brudern jnn der Welt widerferet, Und der Psalter aller Christen, so betruebt sind jm geist, ein trostlich exempel ist.“19

III. Die reformatorische Auslegung vom locus de Sanctis fand einen immer stärkeren Eingang in die in Schlesien aufgelegten Kirchenordnungen, Katechismen und Gebetbücher; sie wurde auch in den Predigten zunehmend offenbar. Schon Ambrosius Moibanus lehnte in seinem Katechismus aus dem Jahr 1535 eine besondere Stellung der Heiligen entschieden ab, indem er die Frage: „was sind denn die lieben heiligen?“ kurz und bündig beantwortete: „nichts anders denn die durch den Chri18 CALENDARIUM SANCTORU[M] ET HISTORIARUM, fol. A4r. 19 Ebd. Vgl. ferner Brückner, Annemarie/Brückner, Wolfgang: Zeugen des Glaubens und ihre Literatur – Altväterbeispiele, Kalenderheilige, protestantische Märtyrer und evangelische Lebenszeugnisse. In: dies. (Hg.): Volkserzählung und Reformation. Ein Handbuch zur Tradierung und Funktion von Erzählstoffen und Erzählliteratur im Protestantismus, Berlin 1974, 521–578; Schnyder, André: Legendenpolemik und Legendenkritik in der Reformation: Die Lügend von St. Johanne Chrystomo bei Luther und Cochläus. Ein Beitrag zur Rezeption des Legendars Der Heiligen Leben. In: Archiv für Reformationsgeschichte 70 (1979) 122–139.

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stum allein geheiliget und erlöset sind, wie wir auch allesampt durch jn geheiliget werden.“20 Andererseits gab das in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Breslau und in ganz Schlesien äußerst beliebte Gebetbuch Franciscus Vierlings, des Diakons der Pfarrkirche St. Maria Magdalena, im Kapitel „Summa der Christlichen Lehre/ fuer die Jugend unnd gemeine Leute“ folgende vier „unterscheid zwischen CHRISTO/ und andern Heyligen“ an: „Erstlich/ von wegen der Person. […] Zum andern/ wegen des Ampts. [.…] Zum dritten/ wegen der Krafft und wirckung. […] Zum vierden“ – und gerade dieser Unterschied scheint hier größte Bedeutung zu haben – „Christus ist vollkommen Gerecht/ und Heilig/ ohn alle suende und gebrechen. Aber alle Heyligen sein Suender/ und bitten umb Vergebung der suenden/ durch Christum.“21 Die in Schlesien wohl umfassendste reformatorische Stellungnahme zur Heiligenverehrung enthält das Kapitel „Von anruffung der gestorbenen Heiligen“ der Liegnitzer Kirchenordnung aus dem Jahr 1594.22 Auf die Frage „Ists auch recht das man die gestorbenen Heiligen anruffet?“ folgte hier eine noch schärfere Antwort als es in den oben zitierten Abschnitten der Apologie des Augsburgischen Bekenntnisses der Fall war: „Die gestorbene Menschen anruffen/ ist ein öffentliche Heidnische Abgötterey/ und schreckliche Sünde/ und verblendung der rechten anruffung. Denn also ist geschrieben/ Matth. 4. Den HERRN deinen Gott soltu anruffen/ und ihm allein dienen. Diese wort gebieten öffentlich/ das man allein Gott anruffen sol. Und folget daraus/ was Göttliche Majestet gebeut anzubeten/ das ist gewislich Gott. Als/ den Herrn Christum gebieten die göttlichen Sprüche anzubeten/ Darumb ists klar/ das er warhafftiger Gott ist.“23 Nach einer ausführlichen Darlegung von vier Gründen, aus denen die ,Anrufung der gestorbenen Heiligen‘ nicht erlaubt ist, stellte die Kirchenordnung fest: „Aus diesem allen ist klar/ das gantz nötig ist/ der gestorbenen Heiligen anruffung zustraffen/ und das Volck zum Herrn Christo zu weisen. Und wiewol jtzund viel Sophisterey gesucht wird/ diese Abgöttische/ Heidnische gewonheit zu erhalten/ So ist doch öffentlich/ das dadurch das Ampt des HERRN Christi verblendet wird.“24 20 Catechismus, Auff zehen Artickel Göttlicher schrifft gestellet, wie man fur Gott und den menschen ein Christlich frumes leben führen sol. Durch D. AMBROSIUM MOIBANUM Pfarherr zu Breslaw, Wittenberg 1535. Nachdruck: Reu, Johann Michael (Hg.): Quellen zur Geschichte des kirchlichen Unterrichts in der evangelischen Kirche Deutschlands zwischen 1530 und 1600, Gütersloh 1911 (Quellen zur Geschichte des Katechismus-Unterrichts 2, Abteilung 2), 714–740, hier 730. 21 Lehr/ trost/ Beicht und Gebetbuechlein. Fuer die Jugend unnd gemeine Leute/ zusammen gezogen. Durch FRANCISCUM VIERLING/ zu S. Maria Magdalena inn Breßlaw/ Diacon. Auffs new ubersehen/ und gemehret, Breßlaw 1581, fol. E8r-Fr. 22 Jessen, Hans/Schwarz, Walter (Hg.): Schlesische Kirchen- und Schulordnungen von der Reformation bis ins 18. Jahrhundert, Görlitz 1938 (Quellen zur Schlesischen Kirchengeschichte 1), 88–218. 23 Ebd., 131. 24 Ebd., 132.

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Die Förderung eines korrekten Verhältnisses zur überlieferten Heiligenverehrung – denn jenes stimmte anscheinend zu dieser Zeit in Schlesien noch nicht mit dem Augsburgischen Bekenntnis und dessen Apologie überein – legte die Liegnitzer Kirchenordnung in die Verantwortung der ,gelehrten Pastoren‘. Unter diesem recht euphemistischen Begriff sollte man wahrscheinlich die Anhänger der Wittenberger Orthodoxie verstehen, die damals mit dem in Schlesien tief verwurzelten ,Philippismus‘ heftig stritten.25 Am Schluß dieses Abschnitts der Kirchenordnung standen dementsprechend folgende Bestimmungen: „Wie aber von den Heiligen recht zu predigen sey/ das werden die gelarten Pastores selbs wissen/ Und mag man die andern berichten/ Nemlich/ das man die Historien von anfang lerne/ welchen menschen sich Gott geoffenbaret hat/ und sein wort gegeben. Und welche Leere zu jederzeit die Heiligen geprediget und gestritten haben/ das wir durch ihr zeugnis gesterckt werden. Item/ wie die Kirch fur und fur unter dem Creutz gewesen sey/ und gleichwol durch Göttliche macht erhalten/ etc. Und sollen die gelarten Pastores auff die andern acht haben/ das nicht in solche Predigt jrthum eingemenget werden.“26 Unter dem Einfluß derartiger Empfehlungen, aber sicherlich auch aus eigenem Antrieb, versuchten verschiedene schlesische Pastoren, ihren Beitrag zu einer wirksamen Beseitigung aller noch vorhandenen Überbleibsel der altkirchlichen Heiligenverehrung zu leisten. So entwickelte beispielsweise Gregor Storch in seinem 1555 herausgegebenen, dem Herzog Karl Christoph von Münsterberg-Oels gewidmeten Katechismus eine eigenartige trinitäre Auslegung des Ave Maria,27 wobei er die schon 1522 von Luther vorgebrachte Anregung, das Gebet aus der täglichen Andachtsübung auszuschließen,28 völlig unbeachtet ließ. Das neu gedeutete, gleichsam ,gereinigte‘ Ave Maria empfahl Storch allen Gläubigen: „Und das ist die rechte form und weis, mariam, die ewige und gebenedeite Jungkfrau, zu loben und zu preisen, nit das man sie lobe und preise, wie im Bapstum geschehen, von jrer eigenen heiligkeit, wirdigkeit, frommkeit, vordienst.“29 Valerius Herberger, berühmter Prediger beim „Kripplein Christi“ zu Fraustadt, beschritt am Anfang des 17. Jahrhunderts einen etwas anderen Weg. Den besten rhetorischen Regeln ge25 Bahlow, Ferdinand: Leonhard Krentzheim, der ,heimliche Kalvinist‘ in Liegnitz. In: Mitteilungen des Geschichts- und Alterthums-Vereins zu Liegnitz 15 (1934/35) 106–220. 26 Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 132. 27 Catechismus, Das ist, Ein mundtlicher Unterricht zum Christlichen Glauben, wie man darinnen die Jugendt lehren und auffziehen sol. Zu ehren dem Erlauchten Hochgebornen Jungen Fürsten und Herrn, Herrn Carolo Christoffero, Hertzogen zu Münsterburg in Schlesien, zur Olßen […]. Aus vielen Catechismen zusammen geklaubet und in Fragweis und Antwort gestellet Durch GREGORIUM STORCH. M. D. LV. Nachdruck: Reu: Quellen zur Geschichte des kirchlichen Unterrichts, 933–937. 28 Luther: Werke, Bd. 10, Abteilung 2, 407–409. Vgl. Delius, Walter: Luther und die Marienverehrung. In: Theologische Literaturzeitung 79 (1954) 409–414. 29 Catechismus, Das ist, Ein mundtlicher Unttericht, 936.

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mäß, führte er das Fürbittengebet – eine charakteristische Begleiterscheinung der altkirchlichen Heiligenverehrung – ad absurdum, indem er schrieb: „Vorzeiten hat man am tage S. Dorotheae gebetet: Dorothea Christo grata, afflictorum advocata, et adjutrix, sis rogata, ut defectus et peccata, nostra per te sint ablata. Wir aber wollen ein hertzliches Vater Unser dafuer beten/ das ist uns viel gesuender.“30

IV. Ein intensives seelsorgerisches Bemühen um die Verbreitung der reformatorischen Auffassung von Heiligen und Heiligenverehrung in Schlesien bezeugen auch manche Einweihungspredigten, die in den um das Jahr 1600 neugebauten bzw. grundlegend umgebauten lutherischen Kirchen gehalten wurden. Die ererbten oder übernommenen mittelalterlichen Kirchen, die in der Regel einem männlichen oder weiblichen Heiligen geweiht waren, hielten die eifrigsten Pastoren zu Recht für mögliche Brückenköpfe einer Wiedergeburt der ,Verehrung der verstorbenen Heiligen‘. Waren sie doch immer noch mit vielen mittelalterlichen Heiligenaltären ausgestattet, die man nicht allein duldete, sondern sehr oft auch erneuerte, ,verbesserte‘ oder in neue Renaissancerahmen einsetzte,31 manchmal unter der Bedingung einer gewissen ,Evangelisierung‘, beispielsweise durch das Einfügen einer von Luther für einen christlichen Altar empfohlenen Darstellung des Heiligen Abendmahls in die Predella (Abb. 1).32 In Oberschlesien, wo man in manchen Fällen auch den neu errichteten lutherischen Kirchen ein ,außerbiblisches‘ Heiligenpatrozinium verlieh,33 entstanden sogar völlig neue, nachreformatorische Altäre mit den traditionsgemäßen hagiographischen Programmen, wie in den Kirchen zu Kamitz (1550)34 und Bilowitzko bei Bielitz (Ende des 16. Jahrhunderts)35 oder in der Kir-

30 S. Dorotheae Paradiß. Das ist/ Kurtzer bericht wannher das Heilige/ Christliche/ Selige Jungfraewlein Dorothea/ ihre reden von Paradißrosen vnnd Paradißaepffeln/ habe genommen. Geprediget durch VALERIUM HERBERGERUM, und allen frommen Dorotheen zu ehren gesetzet, Leipzig [1612], 3. 31 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 57–59. 32 Luther: Werke, Bd. 31, Abteilung 1, 415. 33 Beispielsweise Bischdorf, Hedwigskirche; Czieschowa, Martinskirche; Knurow, Laurentiuskirche; Lomnitz, Katharinenkirche; Dittmannsdorf, Georgskirche; Peiskretscham, Nikolauskirche; Twardawa, Margarethenkirche. Vgl. ferner Karzel, Othmar: Die Reformation in Oberschlesien, Ausbreitung und Verlauf, Würzburg 1979 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte 20), 14f., 100–102, 112, 116f., 123, 130, 146f. 34 Londzin, Józef: Kościoły drewniane na Śląsku Cieszyńskim, Cieszyn 1932, 136; Karzel: Die Reformation in Oberschlesien, 199. Der Altar gehört heute zum Bestand des Stadtmuseums in Teschen. 35 Rejduch-Samkowa, Izabela/Samek, Jan (Hg.): Katalog Zabytków Sztuki w Polsce, Bd. 6: Województwo katowickie, Heft 2: Powiat bielsko-bialski, Warszawa 1967, 2, Fig. 86–90.

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che zu Ujest bei Groß Strehlitz (um 1600).36 In diesem Zusammenhang wird deutlich, daß die Weihe einer neu- oder umgebauten Kirche auf das Patrozinium der Heiligen Dreifaltigkeit, wie sie 1606 in Reichenbach37 und Rothsürben,38 1608 in Bielitz,39 1615 in Militsch,40 1622 in Muskau41 und 1630 in Vielgut42 bei Oels erfolgte, sicherlich als markantes Bekenntnis für die Reformation und als Bestätigung der lutherischen Konfessionsidentität angesehen wurde. Viele schlesische Kirchweihpredigten aus dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts führten zahlreiche Argumente gegen die Benennung von Gotteshäusern mit den Namen ,verstorbener Heiliger‘ an. Der Pfarrer Georg Faust aus Reichenbach schloß zum Beispiel seine Beschreibung des altkirchlichen Kirchweihfestes folgen36 Chrzanowski, Tadeusz/Kornecki, Marian (Hg.): Katalog Zabytków Sztuki w Polsce, Bd. 7: Województwo opolskie, Heft 14: Powiat strzelecki, Warszawa 1961, 51, Fig. 67. 37 Kirchwey predigt/ Gehalten zu Reichenbach/ den 23. Octob. Anno 1606. Bey Volckreicher versamlung/ von GEORGIO FAUSTO/ Dienern Goettlichen Worts alda in der Kirchen fuerm Schweidnitzischem Thor: Welche dem ewigen allmechtigen und unsterblichen Gott Vater/ Sohn/ und heiligem Geist zuegeeignet/ und genennet worden ist: Die Kirche zur Heiligen Dreyfaltigkeit. Psalm 84. Herr Zebaoth wol denen/ die in deinem Hause wohnen/ die loben dich immerdar/ Sela, Liegnitz [1606]. 38 Vierzehn Predigten An etlichen Sontagen/ und zu ander Zeit/ inn der renovirten Kirchen zum Rotensirben/ im Breßlischen Fuerstenthumb gethan. Durch M. ZACHARIAM HERMANNUM, Diener des Goettlichen Wortes/ zu Breßlaw/ bey S. Maria Magdalena. Inhalt jeder Predigt/ ist nach der Vorrede zu finden, Breßlaw 1607, fol. L2r-N4r. 39 Sacra ac Debita Templi novi inauguratio. Christliche Einweyhungs-Predigt So da bey der Einsegnung der Newerbawten Kirch/ zur H. Dreyfaltigkeit genandt/ auff dem Begraebnueß zur Bilicz den 24. Junii/ im Jahr 1608 gehalten worden ist/ In großer Volckreicher Versamlung durch LUCAM WENCELIUM des Goettlichen Wortes Predigern/ daselbsten. Matth. 22. Gebet Gott/ was Gottes ist, Oels [1610]. Nachdruck: Wagner, Richard Ernst: Der Bielitzer Zion in den Predigten seiner Pastoren 1782–1921. Ein Gedenkband zum 18. April 1921; aber auch ein Denkmal der Dankbarkeit und Liebe/ gesetzt dem Verdienste treuer Seelsorge der Vorgänger im Bielitzer Pfarramt, Bielitz 1921, 251–293. 40 Einweihung/ Der Newerbawten Kirchen zu Militsch/ In welcher gruendlich und ausfuehrlich dargethan wird/ daß man Kirchen bawen/ und durch das Goettliche Wort/ und Christliches Gebet einweihen solle. Gehalten in Volckreicher Versamlung/ Freyherrlicher/ Adelicher/ und anderer Christlicher Personen. Den 3. Junij/ war Mitwoch nach Exaudi, Anno 1615. Auff sonderliches ansuchen und begehren in Druck gegeben Durch NATHANAELEM TILESIUM Hirsbergensem Silesium, der Freyen Militschen Herrschafft Pfarrern und Superintendenten, Lipsiae 1615. 41 Enceania Muscoviana, Eine Christliche Einweyhung der newerbawten Kirchen zu Muszkaw. In großer Volckreicher versamlung/ vieler hohes und nidriges Stands Personen/ den 19 Maii/ war der Dornstag nach Pfingsten/ Anno aerae Christianae 1622. gehalten/ und in Druck gegeben/ Durch M. MICHAËLEM ZEIDLERUM, Pastorn und Superintendenten der Herrschaft Muszkaw, Goerlitz 1622. 42 Christliche Ehrenpredigt/ Der Allerheyligen Dreyfaltigkeit zu Lob und Preiß ANNO CHRISTI 1630. In der Fuerstliche[n] Bernstaedtischen Vielgutt-Kirchen am Fest der Heyligen Dreyfaltigkeit gehalten/ Durch M. JOACHIMUM POLLIONEM, Pastoren zu St. Maria Magdalena inn Breßlaw, Breßlaw [1630].

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dermaßen ab: „Und die Kirche irgend einem fuertreflichen Heiligen/ oder einer heiligen Jungfrawen dediciret und zugeeignet/ daß sie als getrewe Patroni die Kirche in gebuerenden schutz auff und annehmen/ und fuer allem unglueck in gnaden bewaren wolten.“43 Jedoch gab er gleich darauf zu: „Von solcher Kirchweihung weis nichts die gantze heilige Schrift.“44 Schon Nathanael Tilesius aus Militsch bereicherte mit seiner Berufung auf die Autorität des Hl. Augustin das übliche ,Schriftargument‘ wesentlich: „Weiland weihete man auch die Kirchen ein/ und nennete sie nach den Namen der verstorbenen Heiligen. Welches S. Augustinus in libro de vera religione cap. 55 verwirffet und schreibet: […] Wir ehren die Heiligen mit liebe/ nicht mit dienstbarkeit/ und bawen ihnen keine Kirchen. Denn sie wollen nicht von uns also geehret seyn: Sintemal sie wissen/ wenn wir from sind/ daß wir warhafftige Tempel Gottes seyn.“45 Nach Meinung Zacharias Herrmanns, Predigers an der Breslauer Maria-Magdalenenkirche, würde die Verleihung von Heiligennamen an Kirchbauten die Autorität des Dreieinigen Gottes zutiefst verhöhnen. In seiner Predigt zur Weihe der berühmten Dreifaltigkeitskirche in Rothsürben – die mit vollem Recht als eine der schönsten Kirchen der Reformationszeit in Ostmitteleuropa gilt (Abb. 44)46 – klagte er, in Eifer geraten, mittelalterliche Gewohnheiten scharf an: „Christus ehret seinen Vater: Und die Heiligen Apostel haben ihre Zuhoerer alleine gewiesen auff den Vater unsers Herren Jhesu Christi/ sampt dem heiligen Geiste: Wolte Gott es were bey dieser devotion und Andacht blieben! Was ist aber geschehen? Den Heiligen hat man große Stiffte und schoene Kirchen erbawet: Der H. Dreyfaltigkeit aber/ so wol dem heiligen Geist hat man gemeiniglich kleine Kirchlein und Hospitalia darneben auffgerichtet. Was man den lebendigen Heiligen/ armen/ nothleidenden Christen hette geben sollen/ hat man den Todten consecriret. Ist das nicht ein Jammer/ ein jeder Land/ ein jedere Stadt/ ein jedere Kirche/ ein jeder Geschlecht hat ihm einen sonderlichen Patronen erwehlet/ und denselben verehret: Da moechte man wol widerholen die Prophetische Klage/ Jerem. II. So manch Land/ so manchen Gott hastu. Welcher Lehnherr lesset im in sein Kirchlehn eingreiffen? wie solte denn Gott zu frieden sein/ wenn man nicht im/ sondern sterblichen Menschen zu ehren Kirchen auffrichtet.“47 Am schärfsten sprach sich Michael Zeidler, Pfarrer und Superintendent in Muskau, gegen die kirchlichen Heiligenpatrozinien aus. In der Predigt vom 19. Mai 1622 legte er seiner Gemeinde folgende Lehre dar: „Im Bapsthumb brauchet man die Tempel und Kirchen zu Menschen satzungen/ erdichten Fabeln/ von verstorbeKirchwey predigt, fol. D3v-D4r. Ebd., fol. D4r. Einweihung/ Der Newerbawten Kirchen zu Militsch, 23. Pokora, Jakub/Zlat, Mieczysław (Hg.): Katalog Zabytków Sztuki w Polsce. Seria Nowa, Bd. 4: Województwo wrocławskie, Heft 2: Sobótka, Kąty Wrocławskie i okolice, Warszawa 1991, 175–183, Fig. 99–107, 377–381; Oszczanowski, Piotr: Casus Żórawiny. Kościół Trójcy Świętej w Żórawinie około 1600 roku, Wrocław 2007. 47 Vierzehn Predigten An etlichen Sontagen, fol. Mr-v.

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nen Heyligen/ zur Meß/ zur anbetung der verstorbenen Heyligen/ und allerley Aberglauben/ diß ist eitel Abgoetterey/ und sind dieser gestalt die Kirchen im gedachten Bapsthumb nichts denn des Sathans Schule/ eine behausung der Teuffel/ und eine behaltnuß aller unreinen Geister/ und eine behaltnuß aller unreiner feindseliger vogel/ Apoc. 2.18. Und sind es die Leute im Bapsthumb umb nichts an iren Seelen gebessert/ Suender kommen sie in solche Tempel und Clausen/ Suender gehen sie wieder hienauß/ ja Kinder der Hellen zweyfeltig mehr.“48 „Aber bey uns Evangelischen“, fuhr der Muskauer Pfarrer fest überzeugt fort, „da sind und sollen sein der Tempel und Kirchen/ Pallast der Heyligen Dreyfaltigkeit/ liebliche Awen und Lustgaerte vor alle mueheselige und beladene/ und Werckstette des H. Geistes/ darinnen man von niemands dann von Gott und seinen Wort und Willen reden/ predigen/ lehren und singen sol.“49

V. Zur Umgestaltung aller evangelischen Kirchen Schlesiens zu jenen – um bei der Nomenklatur Zeidlers zu bleiben – ,Palästen der Hl. Dreifaltigkeit‘ und ,Werkstätten des Hl. Geistes‘ sollte auch ein neuer Kirchenkalender beitragen, der die Zahl und den Rang aller Kirchenfeste sowie die Art und Weise ihrer Begehung bestimmte.50 Die Teschener Kirchenordnung aus dem Jahr 1584 kannte noch keine Rangordnung der Feste. Sie nannte einfach alle im Kirchenjahr vorgesehenen Feste nacheinander, nämlich – abgesehen von den christologischen – die vier beibehaltenen Marienfeste, zwei Feste Johannes‘ des Täufers, zwölf Apostelfeste, das Pauli Bekehrung-, Maria-Magdalenen- und Michaelisfest sowie Feste zu Ehren des Hl. Martin und der Hl. Katharina, wobei die letzteren als Ausdruck der Verehrung Martin Luthers und seiner Frau Katharina gewertet werden.51 „An diesen beruerten Festen“, schrieb die genannte Kirchenordnung vor, „mag man nach gelegenheit der zeit bießweilen alleine den vormittag feiern und nachmittag widerum ein jeder seines beruefs und handarbeit warten.“52 Seit der Brieger Kirchenordnung aus dem Jahr 1592 über diejenigen von Liegnitz (1594), Militsch (1596), Jauer (1655), Schweidnitz (1656), Oels (1664) und abermals Militsch (1716) führte man als Prinzip eine Rangordnung der Feste ein. So begann zum Beispiel in der Militscher 48 Encaenia Muscoviana, fol. C2r-v. 49 Ebd., fol. C2v. 50 Lansemann, Robert: Die Heiligentage, besonders die Marien-, Engel- und Aposteltage in der Reformationszeit, betrachtet im Zusammenhang der reformatorischen Anschauungen von den Zeremonien, von den Festen, von den Heiligen und von den Engeln, Göttingen 1939 (Beihefte zur Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst, Sonderbd. 1), 101–103, 196–201. 51 Karzel: Die Reformation in Oberschlesien, 14. 52 Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 54–63, hier 59. Vgl. ferner Luther: Werke, Bd. 6, 243, 445f.

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Abb. 24. Für die Lutheraner des 16. und 17. Jahrhunderts war es selbstverständlich, daß Gott von Anbeginn der Welt Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer zur Erde schickte. Dies veranschaulicht u. a. der Holzschnitt im Gebetbuch Franciscus Vierlings, der 1581 in Breslau veröffentlicht wurde. Den Boten Gottes muß man selbstverständlich zuhören, ihre Tugenden nachahmen, sie aber nicht anbeten. Empfänger von Gebeten darf nur der in der Dreifaltigkeit einzige Gott sein.

Kirchenordnung von 1596 das Kapitel „Von Festtagen“ mit dem Satz „Etliche Feste werden ganz, etliche halb gefeyert“.53 Über diese ,ganzen‘ beziehungsweise ,vollen‘ Feste hieß es in der Oelser Kirchenordnung von 1664: „Die gantzen Feste, wie man nennet, so in Städten mit zweyen oder dreyen Predigten, und Ausspendung des Heiligen Abendmahls gehalten werden; als da seyn das Neu Jahr, das Fest der Heyden oder Weisen (vulgo Trium Regum), Mariä Reinigung, Verkündigung Mariä, Himmelfahrt Christi, Johannis Baptistae, Mariä Heimsuchung, und Michaelis, sollen allenthalben unverleget gehalten, und auf den Tag, wenn sie gefällig, gefeyert werden.“54 Das zum Schluß genannte Michaelis-Fest, welches manchmal – wie etwa in der Schweidnitzer Kirchenordnung55 – eine wichtige Rolle als Zeitwendepunkt spielte, wurde in der Liegnitzer Kirchenordnung von 1594 ausdrücklich anstatt des aus dem Kirchenkalender gestrichenen Festes der Himmelfahrt Mariä eingesetzt: „Das Fest aber Assumptionis/ oder Himmelfart Mariae/ sol hinfurder gantz abgethan sein/ und an desselben stat das Fest S. Michaelis/ als ein vier gezeiten Fest gehalten 53 Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 504–514, hier 506. 54 Ebd., 359–391, hier 368. 55 Ebd., 267–286, hier 276.

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werden.“56 Alle drei in der Kirchenordnung von Oels aufgezählten Marienfeste werden in der Regel auch in den anderen Ordnungen angeführt (die Teschener Kirchenordnung von 1584 berücksichtigte zudem das Fest der Geburt Mariens), das Fest Mariä Heimsuchung aber wurde manchmal – ebenso wie das Fest Johannes’ des Täufers – in die zweite Festgruppe, ,halb-Feste‘ oder ,Apostel-Tage‘ genannt – verlagert.57 Jene ,Apostel-Tage‘, denen man auch die Feste Pauli Bekehrung und Johannis Enthauptung hinzufügte (Oels 1664, Militsch 1716) sollten, wie es in der Militscher Kirchenordnung von 1596 hieß, „mit zwo Predigten, einer Deutschen und einer Polnischen gehalten werden und nach der endung derselben mag ein ied wiederum an seine Arbeit gehen“.58 Die Brieger Kirchenordnung aus dem Jahr 1592 sah für einen Aposteltag nur eine Predigt vor, „die da früh soll geschehen, doch daß die leute können zur kirchen kommen“.59 Nach dem Hören einer solchen Predigt mögen die in der Kirche versammelten Pfarrkinder folgendes schöne „Gebet auff der Heiligen Apostel Fest“ aus dem bereits zitierten Büchlein Franciscus Vierlings gen Himmel heben: „Herr Jesu Christe/ Ich dancke dir/ das Du von anfang der Welt/ Propheten/ Apostel/ Evangelisten/ Hirten und Lehrer gegeben/ und das du derer Schrifften auff uns erhalten hast/ und lest uns die recht erkleren. Ich bitte dich/ erhalt uns ferner die heilige Bibel inn rechten verstand/ Und regiere uns/ das wir dein wort gerne hoeren und lesen/ gruendlich verstehen lernen/ und zur Lehr und trost vleißig gebrauchen. Verleihe auch/ das wir deinen Heyligen folgen/ zuechtig/ gerecht und Gottselig leben/ bey deinem Wort bestendig verharren/ und mit allen Außerwelten/ dich loben und preysen inn alle Ewigkeit/ Amen.“60 Das Gebet sowie der beigegebene Holzschnitt (Abb. 24) stimmen mit der in der Apologie des Augsburgischen Bekenntnisses enthaltenen evangelischen Auffassung von Heiligen und Heiligenverehrung vollständig überein.

VI. Die im „Gebet auff der Heiligen Apostel Fest“ ausgedrückte Verehrung für die ,Sendboten und Zeugen Gottes‘, nämlich Propheten, Apostel und Evangelisten, trat in Schlesien auch in zahlreichen und mannigfaltigen bildlichen Darstellungen in Erscheinung. Sie wurden auf den schon bewußt für den evangelischen Gottesdienst errichteten Altären, Kanzeln und Taufsteinen (Abb. 18, 19, 25), ferner auf den Emporenbrüstungen, Gewölben und Decken sowie an Innen- und Außenwän-

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Ebd., 174. Ebd., 173f., 506. Ebd., 506. Ebd., 75–81, hier 76. Lehr/ trost/ Beicht und Gebetbuechlein, fol.O4r-O5r.

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den von Kirchen angebracht.61 Daß man die Bilder der Apostel damals tatsächlich für die Doctrinae Evangelicae Certificatio hielt – rufen wir uns die schon zitierte Predigt anläßlich der Einweihung der Bolkenhainer Kanzel ins Gedächtnis – bezeugt eindeutig die nachreformatorische Ergänzung des mittelalterlichen Altarschreins in Konradswaldau bei Jauer um bemalte Apostel-Flügel. Er barg die Figürchen Mariens mit dem Jesuskind und zweier heiliger Jungfrauen.62 Jeder Prediger, der auf eine Kanzel stieg, konnte von den auf den Türpfosten stehenden Figuren der Apostelfürsten Peter und Paul ,ermutigt‘,63 aber mit der auf den Türsturz geschriebenen Sentenz TACEANT PHILOSOPHI, LOQUANTUR APOSTOLI64 geradezu ,gewarnt‘ werden. Seine Schritte treppauf maßen die Gestalten der Apostel auf dem Geländer, den Inhalt seiner Predigt ,bestätigten‘ und ,beglaubigten‘ die Gestalten der Evangelisten auf dem Kanzelkorb. Die gängige Evangelisten-ikonographie der Kanzeln legte der schon zitierte Bolkenhainer Pfarrer Gottfried Tilesius folgenderweise aus: „ist solch Werck [der Kanzelkorb] mit seinem kuenstlichen Schnitzwerck der vier Evangelisten/ und des Salvatoris, welcher in der Mitten stehet/ umbsetzet. So offt wir diese Bilder der Evangelisten und des Salvatoris anschawen/ sollen wir gedancken/ das die Predigt des Evangelij/ von dem Salvatore und Heylande der Welt/ durch der H. Evangelisten/ als Glaubwirdiger Zeugen/ et Apostolicâ Autoritate Authenticorum Notariorum, Mund und Schrifften in alle Welt sey außgebreitet worden/ wie dann der gecreutzigte Jesus noch heutiges Tages darauß wird geprediget.“65 Die Evangelisten und Apostel auf den liturgischen Ausstattungsobjekten sowie den Wänden und Decken der Kirchen galten schlicht als ,Verkörperung des Gotteswortes‘, insbesondere nach der Ergänzung der Evangelistendarstellungen um Sprüche aus den Evangelien66 sowie der Aposteldarstellungen um Artikel des Apo-

61 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 33, 66–68, 86–91, 103f., 126–128, 136, 152, 155, 167f. Vgl. ferner Scharfe, Martin: Evangelische Andachtsbilder. Studien zu Intention und Funktion des Bildes in der Frömmigkeitsgeschichte vornehmlich des schwäbischen Raumes, Stuttgart 1968 (Veröffentlichungen des Staatlichen Amtes für Denkmalpflege Stuttgart C 5), 179–181; Lieske, Reinhard: Protestantische Frömmigkeit im Spiegel der kirchlichen Kunst des Herzogtums Württemberg, München/Berlin 1973 (Forschungen und Berichte der Bauund Kunstdenkmalpflege in Baden-Württemberg 2), 100–113. 62 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 58f. 63 Zum Beispiel die 1584 errichtete Steinkanzel in der ehemaligen evangelischen Pfarrkirche St. Marien in Goldberg. Pokora: Sztuka w służbie reformacji, Kat.-Nr. 111; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 92. 64 So in der ehemaligen evangelischen Pfarrkirche in Groß Kauer bei Glogau. Die Kanzel stammt aus dem Jahr 1625. Pokora: Sztuka w służbie reformacji, Kat.-Nr. 40; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 93, 168. 65 II. Christliche Predigten, fol. F2v. 66 Zum Beispiel der Kanzelkorb in Schönau aus dem Jahr 1593, wo den Evangelisten die Sprüche Mt 6,33, Mk 3,35, Luk 6,31 und Joh 6,40 beigegeben wurden.

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Abb. 25. Darstellungen der vier Evangelisten hatten in der Kirchenkunst sämtlicher Territorien, in denen die lutherische Reformation wirksam wurde, besondere Bedeutung: Matthäus, Markus, Lukas und Johannes galten als „glaubwürdige Zeugen“ der Heiligen Schrift und „Notare ihrer apostolischen Echtheit“. In dieser Rolle traten sie an zahlreichen schlesischen Altären der Reformationszeit auf, u. a. am Schnitzaltar in der Dorfkirche in Langhellwigsdorf, Kreis Jauer (1622).

stolischen Glaubensbekenntnisses,67 was Luther gerne mit folgender Metapher umschrieb: „Wie eine biene das honig aus mancherley schönen, lustigen blümlin zu samen zeucht, also ist dis Symbolum aus der lieben Propheten und Apostel büchern, das ist: aus der gantzen heiligen Schrift, fein kurtz zusamen gefasset für die kinder und einfeltigen Christen.“68 Indem die von der Kirchendecke in Striese bei Breslau herabblickenden Apostelgestalten die berühmte reformatorische Devise Verbum Domini Manet in Aeternum bekamen,69 wurden sie zur Verkörperung des in die Ewigkeit projizierten Wortes, des ,ewigen Evangeliums‘.

67 So auf der im Jahr 1610 errichteten Kanzel in der ehemaligen evangelischen Pfarrkirche in Ober Gläsersdorf. Harasimowicz, Jan: „Non minus sunt credenda, quam ipsi articuli“. La confession de foi apostolique dans la catéchèse et l’art d’église luthériens au siècle de la reforme. In: Lacroix, Pierre/Renon, Andrée/Vergnolle, Éliane (Hg.): Pensée, image et communication en Europe médiévale. A propos des stalles de Saint-Claude, Besançon 1993, 237– 246, hier 242f., Fig. 3–5. 68 Luther: Werke, Bd. 41, 275. 69 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 152.

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Die erstaunlich zahlreichen Darstellungen von Evangelisten und Aposteln spielten neben den symbolischen Funktionen als ,Zertifikate der evangelischen Lehre‘ und ,notarielle Zeugnisse der Authentizität der Heiligen Schrift‘ auch eine eher alltägliche, praktische Rolle als mnemotechnische loci, die im Katechismusunterricht als sehr nützlich galten.70 Sie brachten zudem eine allgemeinere ideelle Haltung zum Ausdruck und zeigten, daß das schlesische Luthertum nicht nur mit dem römischen Katholizismus, sondern stets auch mit den radikaleren Strömungen der Reformation konfrontiert war, und daher den Anspruch erhob, einziger rechtmäßiger Erbe der apostolischen Überlieferung zu sein. Es war bestimmt kein Zufall, daß gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges, im Jahr 1643, auf der Rückwand eines repräsentativen Gestühls in der Pfarrkirche St. Nicolai in Brieg die mittelalterlichen Apostelfigürchen mit den Artikeln des Apostolicums angebracht wurden.71 Ebenfalls ist es kaum für einen Zufall zu halten, daß die im Jahr 1677 durch die Stände des Liegnitzer Fürstentums beschlossene Kirchenverfassung, die geprägt war von der Furcht um den Fortbestand der Religionsfreiheit nach dem Tod des letzten Piasten Georg Wilhelm, sich so ausdrücklich auf die apostolische Autorität berief.72

VII. Die Feste sonstiger biblischer ,Zeugen Christi‘ dienten auch der Evangeliumsverkündigung und bestätigten Christus als den ,Heiligen aller Heiligen‘. Ein besonderer Platz wurde Maria, der Mutter Christi,73 und Johannes dem Täufer, dem ,Vorläufer‘ und ,Verkünder‘ Christi,74 zuteil. Maria erschien in der evangelischen Kirchenkunst fast ausschließlich in den ,historischen‘ Bibelszenen,75 „bei deren Betrachtung wir unsere Gedanken demjenigen zuwenden, […] qui ex ea incarnatus est“, wie es im „Dreifachen Diskurs über Altäre, Bilder und Orgeln“ des Kreuzburger Pfarrers Adam Gdacius heißt.76 Insgesamt gab es eine recht große Zahl bibli70 71 72 73

Harasimowicz: „Non minus sunt credenda“, 240f., 244. Ebd., 244, Fig. 7. Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 408–418, hier 409. Lansemann: Die Heiligentage, 114–135; Schimmelpfenning, Reintraud: Die Geschichte der Marienverehrung im deutschen Protestantismus, Paderborn 1952; Scharfe: Evangelische Andachtsbilder, 174–178. 74 Thulin, Oskar: Johannes der Täufer im geistlichen Schauspiel des Mittelalters und der Reformationszeit, Halle a. d. S. 1930. 75 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 36f., 155. 76 TROJAKI O OŁTARZACH, OBRAZACH Y ORGANACH DYSZKURS, W którym się z pismá S. y stárodawnych Náuczycielów Kościelnych pokázuje/ ze My Luteránowie z Kátolikámi w tey mierze przeciw Bogu y słowu jego nie występujemy/ gdy Ołtarze/ Obrázy y Orgány w Kościołach nászych miewamy/ Spisány przez X. ADAMA GDACIUSA, Fárarzá Kluzborskiego, Brzeg 1688, 15.

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scher Szenen aus dem Marienleben: die Verkündigung, die Heimsuchung Mariä, die Geburt Christi, die Anbetung der Hirten, die Anbetung der Weisen, die Beschneidung Christi, die Darbringung Christi im Tempel, die Hochzeit zu Kana, die Kreuzigung Christi, die Ausgießung des Heiligen Geistes. Zudem zeigten manche von ihnen über dem Kopf Mariens immer noch den traditionellen Heiligenschein. Johannes der Täufer trat hingegen in der Malerei und Skulptur fast ausschließlich – mit Ausnahme der beliebten ,historischen‘ Szene der Taufe Christi (Abb. 13) – als Einzelfigur auf: sei es im Rahmen eines Zyklus von Evangelisten, Aposteln und Propheten, sei es als eine Art Personifikation des Neuen Testaments gegenüber dem das Alte Testament versinnbildlichenden Moses77 oder einbezogen in große allegorische Darstellungen, wie etwa die „Gesetz- und Gnadentafel“ (Abb. 41) oder eine „Allegorische Kreuzigung Christi“.78 Maria und Johannes der Täufer traten auch noch immer als ,Fürsprecher‘ auf den Bildern des Jüngsten Gerichts in Erscheinung.79 In Schlesien waren aber bald Darstellungen des Jüngsten Gerichts anzutreffen, die nicht nur auf diese traditionelle Deesis-Gruppe, sondern auch auf die üblichen Gestalten der Verdammten verzichteten (Abb. 42).80 Die Verehrung des Hl. Stephan, traditionsgemäß mit dem Weihnachtsfest verbunden, nahm relativ selten eine deutlich faßbare Form an, obwohl der Märtyrertod des Diakons zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges oft Thema von Predigten war.81 Gerade zu dieser Zeit entstand die früheste in der lutherischen Kirchenkunst Schlesiens erhalten gebliebene Darstellung der Steinigung des Hl. Stephan: das Treppengeländerbild der Kanzel in der ehemaligen evangelischen Pfarrkirche in Reinersdorf bei Kreuzburg.82 Größerer Beliebtheit erfreute sich Maria Magdalena, die Zeugin der Auferstehung Christi (Abb. 26),83 obwohl nur die Teschener Kirchenordnung aus dem Jahr 1584 eine besondere Hervorhebung ihres Festes vorsah.84 Sie war vor allem im Kreis der Pastoren und Diakone der Breslauer Maria-

77 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 38, 59, 70; Abb. 39, 56. 78 Ebd., 40–42, 71; Abb. 22–24, 57. Vgl. ferner ders.: Mors janua vitae. Śląskie epitafia i nagrobki wieku reformacji, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1098, Historia Sztuki 3), 133–143, Abb. 31, 43, 56, 58, 104. 79 Harbison, Craig: The Last Judgement in 16th Century Northern Europe. A Study of the Relation between Art and the Reformation, New York/London 1976; Harasimowicz: Mors janua vitae, 127–129, Abb. 28, 42. 80 Harasimowicz: Mors janua vitae, 128, Abb. 161. 81 MARTYRIUM TRIUMPHALE, Maerterlicher Triumph/ Vom Heiligen Maerterer Stephano/ am Heiligen S. Stephans Tag deß 1626. Jahres in Siebenbuergen zu Kysban/ auff I.F.G. Kupfferhandlung/ zur Valet-Predigt gehalten. Durch VALENTIN KIENAST von Fuerstenberg aus Niederlausitz/ Deutschen Pfarrern daselbst, o. O. 1628. 82 Pokora: Sztuka w służbie reformacji, Kat.-Nr. 31; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 36, 89. 83 Harasimowicz: Mors janua vitae, 105, 108, 114f., Abb. 46, 50. 84 Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 59.

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Abb. 26. Die Hl. Maria Magdalena begegnet in der evangelischen Kirchenkunst in Schlesien vor allem als Zeugin der Auferstehung Christi. Die entsprechende Szene, nach den von Christus ausgesprochenen Worten „Berühre mich nicht“ (Noli me tangere) benannt, finden wir auf zahlreichen Epitaphien und Grabmälern, u. a. auf dem Steinepitaph für den Arzt Balthasar Hartranft (gestorben 1586) und seine Ehefrau Katharina, geb. Rabe (gestorben 1586) in der Pfarrkirche St. Martin in Jauer.

Magdalenenpfarre hoch geschätzt, die ihre Person in zahlreichen gedruckten Predigten und Gebetbüchern als Vorbild für eine wirksame Buße lobten.85 Eine Sonderstellung in der Frömmigkeit der evangelischen Schlesier nahm der Hl. Erzengel Michael ein, dessen Fest man gewöhnlich, wie erwähnt, zu den „gantzen Feste[n]“ zählte.86 Er wurde als „Frondienst und Schildwach [der] Glaubigen“87 allgemein verehrt, und die Gebete, die man an seinem Tage verrichtete, ließen sich auf folgende Bitte zurückführen: „wolle [Gott] dieses Reich/ Stadt/ Kirche und Schulen/ mit [seinen] Himlischen Heerscharen ferner bewachen/ und fuer den 85 Beispielsweise beginnt das Gebet „Am tage Mariae Magdalenea“ im Gebetbüchlein des Diakons Vierling mit den folgenden Worten: „Ich dancke dir Herr Jesu Christi/ das du durch gnedige annemung der großen Suenderin Mariae Magdalenae lehrest/ das du allen Bußfertigen Suendern/ ein gnediger Mitler und Heyland wollest sein/ und keinen verstoßen/ die zuflucht zu dir haben.“ Zit. nach: Lehr/ trost/ Beicht und Gebetbuechlein, fol. O5r. 86 Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 174, 267–286. Vgl. ferner Lansemann: Die Heiligentage, 150–152, 163, 172f. 87 Lehr/ trost/ Beicht und Gebetbuechlein, fol. O6r.

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moerderischen/ luegenhafftigen unnd unsauberen Geistern/ und allem ihrem Gespenst/ Wesen und Helffern gnediglich behueten.“88 Der Hl. Erzengel Michael mit dem Schwert in der Hand, in der Dreifaltigkeitskirche zu Rothsürben auf der Bekrönung des Altars89 und damit im ideellen Mittelpunkt eines jeden christlichen Gotteshauses postiert, versinnbildlicht eben diese im zitierten Gebet erwünschte göttliche Obhut über die gläubige und dem Gotteswort treue Gemeinde.

VIII. Die Figur des Hl. Apostels Andreas wurde unter dem Kanzelkorb in Bolkenhain nicht nur als Doctrinae Evangelicae Certificatio, sondern auch, laut der schon zitierten Einweihungspredigt des Pfarrers Gottfried Tilesius, als Honorificum Fundatoris Recordatio90 angebracht. Die Verewigung des Stifters der Kanzel, Andreas Bodenstein, sollte sich also mittels eines traditionellen Namenspatrons vollziehen. Dies war in der evangelischen Frömmigkeit des 16. und 17. Jahrhunderts keineswegs ein seltenes Phänomen.91 Der dritten in der Apologie des Augsburgischen Bekenntnisses erwähnten Funktion der Heiligenverehrung gemäß, konnte ein jeder „ihres [der Heiligen] Glaubens, ihrer Liebe, ihrer Geduld Exempel“ „nach seinem Beruf“,92 also auch seinem Namen, nachfolgen. Die schlesische Sepulkralkunst des Reformationsjahrhunderts kennt mehrere Beispiele einer Berufung auf die ,biblischen‘ Namenspatrone.93 Die Epitaphien der Breslauer und Schweidnitzer Bürger verzeichneten als Namenspatrone sowohl die Patriarchen und Könige des Alten Testaments, wie etwa Joseph und David, als auch die Apostel Peter und Paul, den Hl. Stephan und den Erzengel Michael. Alle diese Heiligen traten aber ausschließlich als Akteure der dargestellten biblischen ,Historien‘ auf. Darin bestand ein gewisser Unterschied zwischen den Epitaphien und dem Bolkenhainer Kanzelträger. Jede auf einem Epitaph dargestellte ,Historie‘ mit einem ,biblischen‘ Heiligen bekam allein von ihrem sepulkralen Kontext her, aber auch zusätzlich mit Hilfe von beigefügten Inschriften, eine Auslegung sub specie mortis beziehungsweise sub specie aeternitatis.94 So wurde die Szene der Befreiung Petri aus dem Gefängnis, mit Ebd., fol. O6r-v. Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 74, Abb. 154. II. Christliche Predigten, fol. E4v. Scharfe: Evangelische Andachtsbilder, 169–174. Die Bekenntnisschriften, 318. Harasimowicz, Jan: Lutherische Bildepitahien als Ausdruck des „Allgemeinen Priestertums der Gläubigen“ am Beispiel Schlesiens. In: Tolkemitt, Brigitte/Wohlfeil, Reiner (Hg.): Historische Bildkunde. Probleme – Wege – Beispiele, Berlin 1991 (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 12), 135–164, hier 152–159; ders.: Mors janua vitae, 147–156. 94 Ders.: „Scriptura sui ipsius interpres“. Protestantische Bild – Wort – Sprache des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Harms, Wolfgang (Hg.): Text und Bild, Bild und Text, Stuttgart 1990 (Germanistische Symposien, Berichtsbd. 11), 262–282, hier 273–275.

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der Inschrift CARCERIS EX UMBRA PETRUM PUER EXPEDIT ALES/ CURA DEI HUMANO CARCERE MAIOR ERAT, im Epitaph des Schulmeisters und Humanisten Peter Vitze (Petrus Vincentius, gestorben 1581) in der Pfarrkirche St. Elisabeth in Breslau zur poetischen, aus dem neustoischen Geist geborenen Todesmetapher.95 Der vom Pferd fallende Saulus im Epitaph Paul Seiles in der Pfarrkirche St. Stanislaus und Wenzel in Schweidnitz (1612) spielte nicht nur auf Vor- und Nachnamen des Stifters an und wies auf dessen vermutlich plötzlichen Tod hin, sondern wurde auch zum Ausdruck eines gleichermaßen stoischen Einklangs mit der Schicksalsfügung: Gott sagte ja zu dem gestürzten Saulus: „Es wird dir schwer werden, wider den Stachel zu lecken“ (Apg 9,5).96 Möglicherweise spielte auch die Darstellung der Steinigung des Hl. Stephanus im nicht erhaltenen Epitaph Georg Stephans (gestorben 1572) in der Elisabethkirche zu Breslau auf eine besondere Todesart an. Sie könnte aber ebensogut der Identifizierung des Verstorbenen mit den Werten, für die der Diakon Stephan den Märtyrertod erlitt, Ausdruck verliehen und seine Bereitschaft zum gleichen ,Glaubenszeugnis‘ angezeigt haben.97 Ähnlich wäre der Kampf des Erzengels Michael gegen den apokalyptischen Drachen im Epitaph des Hieronymus Michael in derselben Kirche (um 1586) als Ausdruck der Bereitschaft zum mutigen, kompromißlosen Kampf gegen das Böse und als Mahnung an die Nachwelt zu deuten, niemals in der Überwindung der Höllenmächte durch den Glauben an Christus nachzulassen.98 Nicht mehr in der bildenden Kunst, sondern in Gelegenheitspredigten und -schriften kamen als Namenspatroninnen die Heiligen Maria und Anna vor. Die Hl. Maria wurde zum Thema zweier Schriften. Zu nennen ist ein Büchlein unter dem Titel: „ROSARIVM Beatae Virginis“,99 welches im Jahr 1612 in Leipzig gedruckt und vom Verfasser Valerius Herberger – dem berühmten Pfarrer zum „Kripplein Christi“ in Fraustadt100 – drei den Namen Maria tragenden Bürgertöchtern aus Glogau und Guhrau gewidmet worden ist. Ferner sei das Traktätchen mit dem Titel „Die heilige MARIA welche lehret Daß wider des Creutzes Bitterkeit sey

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Ders.: Mors janua vitae, 126, 152. Ebd., 126f., 148. Ebd., 148. Ebd. ROSARIVM Beatae Virginis. Der hochgelobten Jungfrawen Mariae Rosenkrantz. Aus der schoenen lieblichen Historia/ wie Maria ihre Mume Elisabeth besucht/ Luc. 1. Gebunden/ und auffgesetzt allen Christlichen Jungfraewlichen hertzen/ die mit Maria zu Ehr und Tugend lust und liebe haben/ Durch VALERIUM HERBERGERUM, Leipzig 1612. 100 Henschel, Adolf: Valerius Herberger, Halle a. d. S. 1889 (Schriften für das deutsche Volk 4). Vgl. ferner Bickerich, Wilhelm: Leben und Wirken Valerius Herbergers. In: Quellen und Forschungen zur Heimatkunde des Fraustädter Ländchens 1 (1927) 23–69; Schott, Christian-Erdmann: Die Mystik des Valerius Herberger. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 68 (1989) 27–42.

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eine sueße Artzney bereit“ erwähnt,101 das im Jahr 1668 in Brieg von Pastor Thomas Anthonius als „ein Hochzeitliches Ehren=Geschenk an dem Hochzeitlichen Ehren=Fest Des Ehrenvesten Vor-Achtbaren Wolgelehrten Kunstreichen Herren George Felckels gewesenen Fuerstl. Brieg. Hofe=Apotheckers als Braeutigams; und Der Wol Ehrbaren Viel Ehr und Tugenreichen Fr. MARIAE geborner Pohlin/ weiland Herren Caspar Mentzels des Fuerstl. Ambtes zu Strelen und Teich gewesenen Pfenders sel. nachgelassener Wittib als Braut“ veröffentlicht worden ist. Anthonius verfaßte auch die Leichenpredigt bei dem Begräbnis der Jungfrau Anna, Tochter des Adam Albinus, Pfarrers in Olbendorf bei Strehlen, die im Jahr 1666 unter dem Titel: „Die holdselige ANNA Mit ihrem schoenen Tugend wallen Und dem Goettlichen wolgefallen“ in Brieg gedruckt wurde.102 In der Predigt war beispielsweise folgendes zu hören: „Alle holdselige Annen und andere erlauchtete Christen/ so da wollen Gott und Menschen wol gefallen/ muessen seyn […] Ehrlich und redlich, wie Anna Mariae Mutter/ die war ehrlich und redlich hinten wie fornen/ und in der mitten gedoppelt/ vornenher auß dem Koeniglichen Stamm Juda und Geschlecht Davids/ in der mitten Ihr ehrlicher Ehestand mit dem frommen Joachim/ hinden nach Ihr auß und von Ihrer Tochter ist geboren Messias der Koenig aller Koenige/ […] Wer wolte solch ehrlichen Annen nicht guenstig seyn.“103 Die reifste und gleichzeitig allgemeinste Auffassung von der Verehrung der ,biblischen‘ Namenspatrone kleidete Valerius Herberger in besagtem „ROSARIVM 101 Die Heilige MARIA welche lehret Daß wider des Creutzes Bitterkeit sey eine sueße Artzney bereit. Auß der Seelen Artzney=Buch Der Heiligen Schrifft ausgesucht und verehret Zu einem Hochzeitlichen Ehren=Geschenck an dem Hochzeitlichen Ehren=Fest Des Ehrenvesten Vor Achtbaren Wolgelehrten Kunstreichen Herren George Felckels gewesenen Fuerstl. Brieg. Hofe=Apotheckers als Braeutigams; und Der Wol Ehrbaren Viel Ehr und Tugenreichen Fr. MARIAE geborner Pohlin/ weiland Herren Caspar Mentzels des Fuerstl Ambtes zu Strelen und Teich gewesenen Pfenders sel. nachgelassener Wittib als Braut; in Brieg Anno 1668. den 1. Maij. Mit treuhertziger wuentschung alles selb beliebenden wohlergehens von THOMA ANTHONIO Pfarrern in Zindel und Mechwitz, Brieg [1668]. 102 Die holdselige ANNA Mit ihrem schoenen Tugend wallen Und dem Goettlichen wolgeffalen/ abgemahlet und dargestellet bey der ansehnlichen und Volckreichen beerdigung Der Viel Tugend begabten Ehrenreichen Jungfrauen ANNA Des Ehrwuerdigen Vorachtbaren und Wolgelehrten Herren ADAMI ALBINI verordneten Treufleißigen Pfarrers der Gemeine Gottes zu Olbendorff Strehlischen Weihebildes/ vielgeliebtesten mittelsten Jungfer Tochter/ Welche nach dem willen des Hoechsten in wahrem Erkaentnueß und Bekaentnueß ihres Seligmachers Jesu Christi/ nach außgestandener schmertzlichen Leibes Kranckheit/ Mittwoch vor Chr. Himmelf. war der 2. Jun. ihstehenden jahres umb 1. uhr nach mittag im 15. jahr ihres alters/ durch den zeitlichen Todt von disser jammer=Welt abgefordert worden/ darauf der abgeselete Coerper am H. Pfingstm. Bey der Kirchen Olbendorff mit Christlichen in Evangelischen Kirchen gewoehnlichen Ceremonien zur Erden gebracht und bestaetiget worden/ Zu Trost und begehren der Leidtragenden Christ=Priesterl. Eltern aufgesetzt und zum Druck ubergeben von THOMA ANTHONIO Nissa-Silesio Pfarrern in Zindel und Baertzdorff […], Brieg [1666]. 103 Ebd., fol. A4v-Br.

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Beatae Virginis“ in folgende Worte: „Gib denen Gottseligen personen/ die fuer dir deinen tauffnamen getragen haben/ nichts zuvor/ im glauben/ im beten/ unnd im Gottseligen leben. Dencke viel lieber/ du wolst es noch besser machen/ als daß deinethalben der schoene namen/ den du tregest/ solte in verachtung kommen. Also hoeret ein jeder seine Lection/ so offt er seinen tauffnamen hoeret klingen. Vornemlich weil wir alle Christen genennet werden/ so lasset uns mit ernst allen Christlichen tugenden nachstreben.“104 Diese Auffassung definiert keine Einschränkungen in der Nachfolge der Namenspatrone „im glauben/ im beten/ unnd im Gottseligen leben“. Zum Bezugspunkt einer solchen ,Nachfolge‘ könnten also im Grunde genommen nicht nur die ,biblischen‘, sondern auch alle in einem evangelische Kirchenkalender erwähnten Heiligen werden.

IX. Im Verlauf des 17. Jahrhunderts griffen evangelische Prediger in Schlesien immer häufiger auf ,Exempel‘ zurück, die sie den im Mittelalter beliebten Legenden der ,außerbiblischen‘ Heiligen entnahmen. Als erster machte der schon erwähnte Valerius Herberger sich den neuen Predigtstoff zunutze, bald danach Johann Heermann, der berühmte Pfarrer und Dichter in Köben an der Oder105 und endlich der ebenfalls erwähnte Thomas Anthonius, der nach dem Studium an der Wittenberger Universität von 1649 bis 1667 evangelischer Pfarrer in Zindel und Bärzdorf war. Später – bis zu seinem Tod im Jahr 1674 – amtierte er als Prediger weiterhin in Zindel, aber auch in Mechwitz bei Ohlau.106 Zwei seiner Gelegenheitsschriften widmete er Heiligen – namentlich dem Hl. Christophorus und dem Hl. Georg –, deren Authentizität man zu dieser Zeit auch im katholischen Lager für fraglich hielt und deren vitae man schon fast ausschließlich allegorisch auslegte. Der Hl. Christophorus, der – wenn man sich so ausdrücken darf – beliebteste ,evangelische Heilige‘, wurde bereits in der Apologie des Augsburgischen Bekenntnisses als Beispiel einer nützlichen und didaktisch fruchtbaren Allegorie, die man aber unbilligerweise als Faktum darstellte, erwähnt: „S. Christophorum, welcher 104 ROSARIVM Beatae Virginis, 21f. 105 CHRISTIANAE Euthanasias Statuae: Lehr= und Erinnerungs=Seulen: Welche uns als geistlichen Pilgrams= und Wanders=Leuten/ aus diesem Thraenen=Thal/ ins Land der Lebendigen/ den rechten und richtigen Weg zeigen. In Trawr= und Trost=Predigten/ Bey frommer Christen Leichenbegaengnuessen/ erbawet und auffgerichtet/ Durch JOHANNEM HEERMANNUM Beyder Kirchen/ zu Koeben an der Oder/ Pfarrern, Leipzig 1621, 437–472. Vgl. ferner Irmler, Rudolf: Mit dir wir wollen Taten tun. Johann Heermann, Prediger und Dichter, Stuttgart 1984; Grünewald, Johannes: Johannes Heermann. Zur 400. Wiederkehr seines Geburtstages. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 64 (1985) 184–191. 106 Ehrhardt, Sigismund Justus: Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens, Zweiten Theils Erster Haupt=Abschnitt, welcher die Protestantische Kirchen= und Prediger=Geschichte der Stadt und des Fuerstenthums BRIEG in sich fasset, Liegnitz 1782, 165.

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auf deutsch heißt Christträger, hat etwan ein weiser Mann den Kindern in solcher großen Länge malen lassen, und hat wöllen anzeigen, daß ein größere Stärke, denn Menschenstärke ist, in denjenigen sein müsse, die Christum sollen tragen, die das Evangelium predigen und bekennen sollen. Denn sie müssen durch das große Meer bei Nacht waten etc., das ist allerlei große Anfechtung und Fahr ausstehen. Da sind darnach die tollen, ungelehrten, heillosen Mönche zugefahren, und haben das Volk also gelehret den Christophorum anrufen, als sei etwan ein solch großer Riese leiblich vorhanden gewesen, der Christum durchs Meer getragen hat.“107 Eine ausführliche Auslegung des „Bildes des Heiligen Christophorus“ – nicht seiner Person an sich, die man allgemein als „den lieben Alten Gedicht“ bezeichnete – enthielten unter anderen das „Promptuarium Exemplorum“ von Andreas Hondorff108 und die „Allegoriae Profano-Sacrae“ von Johann Moller, einem Schlesier.109 Der Heilige wurde immer als „ein Bild eines rechten Christlichen Bekenners und starcken Gleubigers“,110 aber auch als „ein Vorbild eines guten Predigers“ gedeutet, wie im Leipziger Nachdruck der Neujahrspredigten 1589 des Breslauer Pfarrers Sigismund Schwob zu lesen war.111 Nach der Auslegung Andreas Hondorffs versinnbildlichte 107 Die Bekenntnisschriften, 324. Zu Luthers Verhältnis zum Bild des Hl. Christophorus vgl. ferner Benker, Gertrud: Christophorus, Patron der Schiffer, Fuhrleute und Kraftfahrer. Legende, Verehrung, Symbol, München 1975, 153–158; Stirm, Margarete: Die Bilderfrage in der Reformation, Gütersloh 1977 (Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte 45), 32, 77f.; Michalski, Sergiusz: The Reformation and the Visual Arts. The Protestant Image Question in Western and Eastern Europe, London/New York 1993 (Christianity and Society in the Modern World 246), 32f., 35. 108 PROMPTUARIUM EXEMPLORUM. Historienn und Exempel buch. Aus Heiliger Schrifft/ und vielen andern bewerten und beglaubigten Geistlichen und Weltlichen Buechern und Schrifften gezogen. Zum Spiegel der warhafftigen Christlichen Buß/ jedermenniglichen zu diesen letzten und gefehrlichen zeiten fuer die Augen gestelt. Mit allem fleis auffs kuertzte nach den heiligen Zehen Geboten Gottes sein ordentlich ausgetheilt. Durch ANDREAM HONDORFF/ Pfarherrn zu Draißig. […], Leipzig 1568, fol. 127v-128r. Vgl. ferner Schade, Heidemarie: Das Promptuarium Exemplorum des Andreas Hondorff. Volkskundliche Studien zum protestantischen Predigtexempel im 16. Jahrhundert, Darmstadt 1966; dies.: Andreas Hondorfs Promptuarium Exemplorum. In: Brückner: Volkserzählung und Reformation, 647–703. 109 ALLEGORIAE Profano-Sacrae: Das ist/ Geistliche Deutungen Allerhand Weltlicher außerlesener Historien/ welche auff Geistliche Theologische Matterien in Geistlichem Verstande appliciret und gedeutet werden/ Nicht allein in Predigten wol zugebrauchen/ sondern auch von allen Frommen Christgleubigen Leuten nützlich zulesen/ verfertiget und in Druck gegeben Durch JOHANNEM MOLLERUM Leor: Siles: Prediger der Christlichen Gemeine Augspurgischer Confession in Dirschaw.[…], Königsberg in Preußen 1647, 526–529. 110 PROMPTUARIUM EXEMPLORUM, fol. 127v. Vgl. ferner Scharfe: Evangelische Andachtsbilder, 156–161. 111 Allegoria novi anni: Des newen Jahrs Außtheilung/ Unter alle/ Geistliche und Weltliche/ Hohe und Niedere Staende/ und in gemein unter alle Menschen. Mit außerlesenen schoenen Bildnissen und Gleichnissen von bekandten dingen/ sampt klaren Biblischen Spruechen/ dabey ein jeder seines Beruffs und Standes/ Ampts und gaben nuetzlich erinnert wird. Durch

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der Christusträger selbst hingegen keinen Prediger, sondern „das Menlein oder den Einsiedler“, der laut der Christophorus-Legende dem Riesen den richtigen Weg zeigte: „Und wie S. Christophorus gefuert wird zu dem Einsiedeler/ der ihm Christum/ den Koenig aller Koenige zeigen solte/ unnd erkennen lernen. Also muessen wir zu den trewen Lehrern unnd Predigern gehen/ unnd uns durch die selige Predigte des Euangelij/ Christum zeigen lassen.“112 Eine direkte Verbindung des allegorischen Christophorus-Bildes mit der ,Theologie des Predigeramtes‘ zeigen drei schlesische Beispiele. Das erste ist die oben erwähnte Schrift von Thomas Anthonius, im Jahr 1665 anläßlich der Trauung Christoph Streubigs – Pfarrers zu Karschau – mit Veronica, Tochter von Gottfried Tilesius – Pfarrer zu Jordansmühl – in Brieg unter dem Titel „Der Große CHRISTOPHORUS das ist CHRISTOPHORI Namen und Bild als der Christen Not= und Ehrenschild“ gedruckt.113 Das zweite ist das schon seit dem 19. Jahrhundert als verschollen geltende Epitaph des Pastors Christoph Poppius (gestorben 1576) in der Pfarrkirche St. Elisabeth in Breslau,114 auf welchem das Bild des Christusträgers mit folgender Inschrift versehen war: CHRISTOPHORUS TUTO MEDIIS INCEDIT IN UNDIS/ TU QUOQUE FER CHRISTUM SALUUS UT ESSE QUEAS. Das dritte und zugleich großartigste Beispiel ist schließlich die Stützfigur der im Jahr 1605 – durch den bedeutendsten Breslauer Bildhauer dieser Zeit, Gerd Hendrik aus Amsterdam – errichteten Prunkkanzel in der ehemaligen evangelischen Schloß- und Pfarrkirche St. Johannes in Oels (Abb. 27).115 Wenn das Gottes-

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SIGISMUNDUM SUEVUM FREISTADIENSEM. […], Leipzig 1615. Der betreffende Abschnitt (43–45) lautet: „Den Seelsorgern/ mag man den lieben Christophorum geben/ den großen Held/ der das liebe Jesulein auff seiner Schulder/ durch das wilde Meer treget/ zur erinnerung/ wie die Seelsorger mit Leren und Predigen/ unnd andern Kirchen Emptern/ das Newgeborne Kindlein Christum/ der Welt Heyland/ durch die wueste/ wilde/ Welt tragen und denselben ihnen und andern wol bekandt machen sollen/ in guter zuversicht/ das inen Gott den Weg zeigen/ Sie ernehren und bewahren/ und ihnen seliglich durch und aushelffen wolle. Dazu gehoeret daß Spruechlein im Ecclesiastae Cap. 1. Wer viel Leren muß/ der muß viel leiden.“ Vgl. ferner Hoffmann, Georg: Sigismundus Suevus Freistadiensis. Ein schlesischer Pfarrer aus dem Reformations-Jahrhundert, Breslau 1927. PROMPTUARIUM EXEMPLORUM, fol. 127v. Der Große CHRISTOPHORUS das ist CHRISTOPHORI Namen und Bild als der Christen Not= und Ehrenschild aus der Heil. Goettlichen Schrift illuminiret, erklaeret und verehret Zu einem Ehren=Geschenck An dem Priesterlichen Hochzeitlichen Ehren=tag Des Ehrwuerdigen/ Achtbahren und Wolgelerten Hrn. CHRISTOPHORI Streubig wolverordnetes Pfarrers zu Karschen alß Braeutigams. wie den auch Der Viel Ehr und mehr Tugendreichen/ Jungfrau VERONICA, Des Wol Ehrwuerdigen Vor Achtbahren und Wolgelehrten Herren GODFRID TILESII treufleißigens Pfarrers zur Jordans=Mühle/ geliebtesten einigen Tochter alß Braut. Anno 1665. den 5. Maij. Von THOMA ANTHONIO Pfarrern in Zindel und Baertzdorff, Brieg [1665]. Harasimowicz: Mors janua vitae, 150. Landsberger, Franz: Die Kanzel der Oelser Schloßkirche. Ein Werk des Gerhard Heinrich von Amsterdam. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift N. F. 10 (1933) 99–106. Vgl.

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Abb. 27. Der Hl. Christophorus – der Riese, der das Jesuskind über einen Fluß brachte – galt bereits den Humanisten des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts als eine rein legendäre Gestalt. Die allegorische Auslegung seiner Legende ermöglichte aber seine Aufnahme in die evangelische Katechetik und Kirchenkunst, und zwar als „ein Bild eines rechten Christlichen Bekenners und starcken Gleubigers“. Diese Funktion erfüllte auch die Darstellung des Hl. Christophorus an der Stütze der Kanzel in der Schloß- und Pfarrkirche St. Johannes in Oels, die 1605 von dem bekannten Breslauer Bildhauer und -schnitzer Gerd Hendrik geschaffen wurde.

haus in Oels sich sonntags während des Hauptgottesdienstes mit Menschen füllte und der örtliche Prediger auf die Kanzel trat, kam der allegorische Sinn des Kanzelschmucks vollständig zum Vorschein: „Also ist eines Christen leben wol leicht anzusehen/ Aber wenn man den HERREN Christum tragen/ und sein Creutz auff sich laden mus/ also seinem Ebenbilde gleichfoermig zu werden/ Da wird er uns so schwer/ unnd macht uns solche Last so sawer/ das wir auch drueber wuerden untergehen/ unnd niederfallen/ wann wir nicht den starcken Baum/ das Wort Gottes/ ergrieffen/ und uns daran stewerten unnd auffhielten. Das Wort Gottes mus die Christen erhalten/ troesten unnd stercken/ in allen Truebsaln/ Denn da begegnen uns die Meerwunder/ unnd ungehewre Thier/ in dieser wilden ungestuemen Welt/ dardurch wir CHRISTUM tragen unnd bekennen muessen/ Als da ist/ der Teuffel/ Suende/ Todt/ Welt/ Fleisch/ und allerley Anfechtung und Leiden/ Drumb mus ferner Pokora: Sztuka w służbie reformacji, Kat.-Nr. 57; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 88, 92f., 96, 100, 103.

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nun das Menlein oder der Einsiedler (wie man zu malen pflegt) leuchten/ das man den weg erkennet und sihet/ das ist der Prediger Goettlichs worts/ der mus uns durch das Gnaden liecht des Evangelij den weg zeigen/ Auff das wir also hindurch kommen/ und das gestadt des ewigen Lebens erlangen.“116 Die Person eines anderen legendären Heiligen, des Ritters Georg, behandelte die ebenfalls 1665 publizierte, oben erwähnte zweite Gelegenheitsschrift von Thomas Anthonius, mit dem Titel „S. GEORGIUS der tapfere Ritter In dem gefaehrlichen Creutz-Gewitter“, die dem uns schon bekannten Brieger Apotheker Georg Felckel gewidmet war.117 Der schlesische Pastor verband darin die allegorische Deutung des Hl. Georg von Andreas Hondorff und Sigismund Schwob („S. Georgius ist ein Fuerbilde eines frommen trewen Regenten“)118 mit derjenigen von Johann Moller („Der Ritter Georgius bedeutet unsern Herrn Christum, den wahren Held“),119 indem er eine interessante ,dreiständische‘ Auslegung der Person des Drachentöters bot: „Zum Andern/ ist bey Georgio zu sehen auf dessen Erklaerung und Deutung. Solches aber kan gedeutet werden I. Auf den weltlichen Regenten und Ritter-Stand der Christlichen Obrigkeit. [… ] II. Auf den geistlichen KirchenStand. Und zwar erstlich/ auf das Haubt der Kirchen. 1. Ritter S. Georgius bedeutet den Herren Christum/ der ist der Maechtige Held […]. 2. Der Drache ist der Teuffel […]. 3. Die Welt ist die große gefaehrliche See […]. 4. Deß Koenigs Tochter ist die Kirche […]. 5. Die Buerger-Schafft sind alle Heiligen/ da hat keiner vermocht Rath zu geben zu Erloesung Menschlichen Geschlechts […]. 6. Durch die Ermordung deß Drachen/ Christi theures Verdienst […]. Zum andern/ auf die wahren Gliedmaßen der Kirchen/ die muessen allhier auch immer mit dem Hoellischen Drachen und seinem Gifft streiten und kaempffen […]. III. Auff den haeußlichen Nahrungs-Stand/ welchen anzeiget der Name Georgius/ so heist ein Ackermann/ Bauherr/ das ein ieder Mensch sol arbeiten/ und den Acker seines 116 PROMPTUARIUM EXEMPLORUM, fol. 127v-128r. 117 S. GEORGIUS der tapfere Ritter In den gefaehrlichen Creutz=Gewitter. Am Tage Georgii Anno 1665. an statt einer Trost=Schrifft/ begreiffend Ein kraefftiges Lattwerck und Trost=Safft/ Wenn wir mit Creutz und Truebsal seyn behafft. Auß deß Heiligen Geistes Hof=Apothecken der Heiligen Schrifft/ auß/ und von Sechserley Gewaechsen praepariret, und wolmeinend uebersendet Dem Ehrenvesten/ Vor=Achtbaren/ Wolgelehrten und Kunstreichen Herren Georgio Foelckeln/ gewesenen Fuerstl. Briegischen Hof=Apothecker/ als derselbe den Tag vor Georgii/ seine gewesene Hertzliebste Eheliche Hauß=Frau/ Die weiland Viel= Ehr= und Tugendreiche Frau Susannam geborne Kurtzowinin/ Christlich und ehrlich zur Erden bestatten lassen/ von THOMA ANTONIO Pfarrern in Zindel und Baertzdorff, Brieg [1665]. 118 PROMPTUARIUM EXEMLORUM, fol. 128v; Allegoria novi anni, 47f. 119 ALLEGORIAE Profano-Sacrae, 125–127. Vgl. ferner Tschirch, Fritz: Der heilige Georg als figura Christi. Über den typologischen Sinn der altdeutschen Georgsdichtungen. In: Festschrift Helmut de Boor zum 75. Geburtstag. Hg. v. den Direktoren des Germanistischen Seminars der Freien Universität Berlin, Tübingen 1966, 1–19; Scharfe: Evangelische Andachtsbilder, 154f.; Lieske: Protestantische Frömmigkeit, 115.

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Berufs wol anbauen.“120 Nach einer solchen Auslegung der Legende konnte Anthonius sie auf den konkreten ,Stand‘ des gerade vor kurzem verwitweten, in tiefe Trauer versunkenen und dazu schwer kranken Georg Felckel applizieren und zum Schluß der Schrift seinem Freund „Ein kraefftiges Lattwerrck und Trost-Safft/ Wenn wir mit Creutz und Truebsal seyn behafft […] auß der Geistlichen Apothecke deß Wortes Gottes“ präparieren.121 Wie auch in anderen lutherischen Ländern ist die Gestalt des Hl. Georg in der evangelischen Kirchenkunst Schlesiens vor allem auf Epitaphien dargestellt, wie etwa auf dem nicht mehr erhaltenen Epitaph des Malers Georg Freyburg (gestorben 1619) in der Pfarrkirche St. Maria Magdalena in Breslau.122 Wir begegnen ihr aber auch an einem durchaus unerwarteten Ort: auf dem Beschlag der Sakristeitür in der ehemaligen evangelischen Kirche in Schedlau bei Falkenberg. Der Drachentöter spielte hier eine eindeutig apotropäische Rolle: Er schützte das Kircheninnere symbolisch vor dem Eindringen der höllischen Mächte durch das Schlüsselloch. Die Kirche in Schedlau, in den Jahren 1616 bis 1617 errichtet,123 wies einst noch weitere Spuren eines wahrlich magischen Denkens auf. So war beispielsweise auf der 1615 gegossenen Kirchenglocke zu lesen: „Der liebe Gott steh uns bei/ Wider alle Calvinisterei.“124

X. Neben den Heiligen, die man schon in der Frühen Neuzeit für legendär hielt, griffen die schlesischen Prediger nach den Exempeln der herkömmlichen ,historischen‘ Heiligen, wie etwa des Hl. Martin und der Hl. Dorothea. Über den Hl. Martin, dessen Fest – wie erwähnt – die Teschener Kirchenordung aus dem Jahr 1584 zu pflegen empfahl,125 hat der uns schon gut bekannte Thomas Anthonius eine kleine Schrift verfaßt.126 Das Werk wurde keiner konkreten Person, sondern „allen Martinus getaufften“ gewidmet. Es machte also dem überlieferten ,Namenspatronat‘ weitestgehende Konzessionen. Laut Empfehlung der Apologie des Augsburgischen 120 S. GREGORIUS der tapffere Ritter, fol. A2v-A3r. 121 Ebd., fol. A3v-B2v. 122 Harasimowicz: Mors janua vitae, 100. Vgl. ferner Oertel, Hermann: Die Epitaphe in der Katharinenkirche. In: Acht Jahrhunderte St.-Katharinenkirche Braunschweig. Beiträge zu ihrer Geschichte, Braunschweig 1980, 79–107, hier 88–92. 123 Katalog zabytków, Bd. 7, H. 8: Powiat niemodliński, Warszawa 1962, 49f. 124 Lutsch: Verzeichnis, Bd. 4, 216. 125 Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 59. Vgl. Scharfe: Evangelische Andachtsbilder, 167, 191; Lieske: Protestantische Frömmigkeit, 114f. 126 Der wol=kaempffende MARTINUS, Gezeiget In einem gefaehrlichen Streit=Platz/ mit einem herrlichen Sieges=Schatz. und am Tage Martini allen Martinus getaufften und andern wohlstreitenden Christen wolmeinend und alles Heil wuenschend verehret von THOMÁ ANTHONIO Nissá Silesio, Pfarrer in Zindel und Baertzdorff, Brieg o. J.

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Bekenntnisses wurde das Exempel des Hl. Martin ,nach dem Beruf‘ angewandt, und zwar auf „alle Obrigkeiten/ weltliche Regenten/ und hohe Haeupter“, „alle Lehrer und Prediger“, „alle Haußvater“ und endlich an „alle Christen-Menschen/ weß Standes sie auch seyn“.127 Die letztgenannten „werden mit Martino gefuehret Erstlich auf einen gefaehrlichen Streit-Platz in welchem sie mit vielen Feinden zustreiten haben […]. Zum Andern zu dem herrlichen Sieges-Schatz/ welcher ist I. Ein Tugend=Schatz […]. II. Ein Freuden=Schatz.“128 Indem er jenen „Tugend=Schatz“ „Gleichnueß= oder Fuerbildungs=weise“ auslegte, griff Anthonius nach dem aus der Legende des Hl. Martin bekannten Motiv der Gänse. Er schloß dessen ,erbauliche‘ Deutung mit den folgenden Worten ab: „so sollen wir von den Gaensen lernen: 1. Die Wachsamkeit […] 2. Die Maeßigkeit […] 3. Die Reinigkeit und Schamhaftigkeit […] 4. Die Eintrachtigkeit […] 5. Die Demut und Gedult […] 6. Die Sehnsucht nach der Seligkeit.“129 Ebenfalls einer wahrlich ,pastoralen‘, wenn auch nicht ganz so naiven Didaktik folgte die schon zitierte kleine Schrift Valerius Herbergers unter dem Titel „S. Dorotheae Paradiß“. Sie wurde im Jahr 1612 in Leipzig gedruckt und war „Den zweyen Erbaren/ Christlichen/ Zuechtigen/ schamhafftigen/ frommen Dorotheen. I. Jungfraw Dorotheae/ Des Ehrnvesten und wolbenamten Herrn Sebastiani Heldens/ fuernemen Handelsmanns in Gura Toechterlin. II. Jungfraw Dorotheae Des Ehrnvesten Achtbarn/ Wolgelarten Herrn M. Johannis Brachmanni/ des weitberuembten Jairi zum Gura Toechterlin“130 gewidmet. Auf eine für Herberger charakteristische, beinahe mystische Weise wurden hier das Leben der Heiligen und insbesondere „Dorotheas reden von Paradißrosen und Paradißaepffeln“ mit dem zweiten Kapitel des Hohenliedes verglichen und in diesem Sinne ausgelegt.131 Am Schluß der Schrift erschien ein 15 Strophen zählendes Gedicht, das mit einer deutlich erbaulich-didaktischen Tendenz das Wesen der Auslegung wiederholte. Es seien als Beispiele hier einige Strophen zitiert: [1.]) „Es war ein Gottfuerchtiges/ und Christliches Jungfraewlein: Gottes Wort und Catechismum (!)/ hat sie gelernet fein. Ihr name Dorothea/ ist weit und breit bekant/ Von ihrem Vater und Mutter wurd sie also genandt.“ [3.]) „Mit fleis in ihrer jugend/ sie zu der Predigt gieng (!)/ Christliche zucht und tugend/ liebt sie vor alle ding. Hielt ihr Eltern in ehren/ darzu sie lieb und werth/ Folgt trewlich ihrer lehre/ thet was ihr Hertz begert.“ [5.]) „Weh thets dem alten Drachen/ und kunt es leiden nicht: 127 128 129 130 131

Ebd., fol. 1v-2r. Ebd., fol. 2r-4v. Ebd., fol. 3r-4r. S. Dorotheae Paradiß, fol. A2r. Ebd., 2–71.

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Er speyt fewr aus dem rachen/ verfolgung er anricht. Das Maegdlein wolt man zwingen/ zu der Abgoetterey Dem Feind wolts nicht gelingen/ Christum bekant sie frey.“ [7.]) „Als der Feind nicht kundt schaffen/ ward er toericht und toll. Deßgleichen die Baalspfaffen/ wurden der Teuffel voll. Ein urtheil war gefellet/ verdient hett sie den Todt/ Ritterlich sie sich stellet/ und schrey ernstlich zu Gott.“ [8.]) „Herr Christ in deine haende/ mein Seel befehl ich dir: Bescher mir ein seligs ende/ mit deim Geist stey bey mir. Deinem namen zu ehren/ wie ein Christ sterb ich heut/ Ach hilff daß sich bekeren/ die armen blinden Leut.“ [12.]) „Als nu das schoene Jungfraewlein/ durchs Schwerdt gerichtet war: Da kam ein feines knaeblein/ mit einem koerblein dar. Und sprach/ sey hin Theophile/ da nim die roeselein/ Die schickt dir Dorothea/ aus Christus Gaertelein.“ [15.]) „Gleich wie ein fruchtbar regen/ ist der Maertyrer blut: Viel Frucht durch Gottes Segen/ reichlich es bringen thut/ Durchs creutz die Kirch zunimmet/ und wechst ohn unterlas/ Durch tod zum Leben dringet/ wer hertzlich gleubet das.“132 Die letzte Strophe des zitierten Gedichts erwähnt das Märtyrerblut, dank dem „die Kirch zunimmet/ und wechst“. Es ist natürlich kein vereinzeltes Zeugnis einer bei den evangelischen Schlesiern schon lange bestehenden Verehrung all derjenigen, die ihr Leben für Christus opferten. So erteilte in dem 1688 zu Brieg gedruckten, aber schon früher geschriebenen „Dreifachen Diskurs über Altäre, Bilder und Orgeln“ der Kreuzburger Pfarrer Adam Gdacius133 auf die Frage „Dürfen wir Bilder auf den Altären und Kirchenwänden haben?“ eine sehr bezeichnende Antwort: „Auf den Altären dürfen wir ohne Gewissensärgernis die Heiligen- und Gedenkbilder dulden, und zwar die Bilder des gekreuzigten Jesu und seines Abendmahls, die Bilder der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, der Engel, Propheten, Apostel und heiligen Märtyrer sowie das Bild der Jungfrau Maria, bei deren Betrachtung wir unsere Gedanken demjenigen zuwenden, N. B. qui ex ea incarnatus est, der aus ihr Mensch geworden ist, wie es der alte Lehrer Damascenus, der um das Jahr 716 lebte, unterrichtet hat.“134 Und bereits das Titelblatt der Schrift brachte die tiefe 132 Ebd., 74–82. 133 TROJAKI O OŁTARZACH, ORRAZACH Y ORGANACH DYSZKURS. Vgl. ferner Ehrhardt: Presbyterologie, 469–473; Zaremba, Jan: Życie i dzieło Adama Gdacjusza. In: Borek, Henryk/Zaremba, Jan (Hg.): Adam Gdacjusz, Wybór pism, Warszawa/Wrocław 1969 (Biblioteka Pisarzy Śląskich A 2), 7–86. 134 TROJAKI O OŁTARZACH, OBRAZACH y ORGANACH DYSZKURS, 15. Der Urtext lautet: [Frage] „Jeśli na Ołtarzach y ścianach Kościelnych Obrazy mieć możemy?“; [Antwort] „Na Ołtarzach bez Obrazy sumnienia możemy cierpieć Obrazy święte y pamiętne; jakoż to są Obrazy Jezusa ukrzyżowanego y Wieczerzy jego: Obrazy Tróyce S. Aniołów/ Proroków/

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Überzeugung zum Ausdruck, daß gerade die Altäre, Bilder und Orgeln das ausmachten, was ,Lutherische‘ in gewissem Sinne mit den Katholiken verbände.

XI. Der andauernde und im Vergleich zu anderen lutherischen Ländern wesentlich größere Stellenwert der Heiligen in der schlesischen Frömmigkeit und Kirchenkunst, die im Laufe des 17. Jahrhunderts immer mehr aufblühte, läßt sich zumindest teilweise durch den Druck der Gegenreformation erklären. Die ,tridentinische Erneuerung‘ in der katholischen Diözese Breslau versuchte von Anfang an, die traditionelle Heiligenverehrung wiederzubeleben. Sie bediente sich dabei in der Kirchenkunst,135 aber auch in den öffentlichen Kirchendrucken136 der konservativsten ikonographischen Formeln. Andererseits mußte sich die evangelisch-lutherische Kirche Schlesiens von den Calvinisten und Antitrinitariern, die sich nach ihrer Vertreibung aus Polen gerade in Kreuzburg niedergelassen hatten,137 deutlich distanzieren, was – wie im Fall von Adam Gdacius – zur Hervorhebung einiger Ähnlichkeiten mit dem Katholizismus führen konnte. Das schlesische Luthertum konnte sich auf keinen politischen Kampf mit der katholischen Kirche einlassen. Es mußte auf ihren – immer größer werdenden – Einfluß Rücksicht nehmen, der sich in mehreren Konversionen ausdrückte. Daraus folgte jene eigenartige, in großem Ausmaß anzutreffende ,Adaption‘ der traditionellen Heiligenverehrung, die sich vor allem auf der Ebene persönlich bedingter ,Exempel‘ vollzog. Sie wurde durch die in fast jedem schlesischen Ort gegenwärtige katholische Umwelt gewissermaßen erzwungen. Es stellt sich aber die Frage, ob der Kampf mit der katholischen Kirche und der ganzen katholischen Überlieferung überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt von den schlesischen Lutheranern beabsich-

Apostołów y Męczenników S. It. Obraz Panny Maryey/ na który poglądając obracamy myśli nasze na tego/ NB. qui ex ea incarnatus est, który się z niey wcielił/ jako on stary Nauczyciel Damascenus, który żył koło Roku P. 716. uczył.“ 135 Harasimowicz, Jan: Funkcje katolickiego mecenatu artystycznego na Śląsku w dobie reformacji i „odnowy trydenckiej“ Kościoła. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 41 (1986) 561–581, hier 570. Vgl. ferner ders.: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach wieku reformacji na Śląsku. In: Rocznik Historii Sztuki 18 (1990) 31–95, hier 68–71, 85; ders.: Der Einfluß von Glaubenskonflikten auf die schlesische Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Acta Poloniae Historica 61 (1990) 117–139, hier 134–136. 136 ORDO HORARUM ET DIVINORUM OFFICIORUM ECCLESIAE Cathedralis Wratislauiensis. Ad Annum Domini M.D.XCVII. post Bissextilem primum, [Breslau 1597], fol. A1V(St. Johannes der Täufer), A2r (St. Johannes der Evangelist), C2v (St. Vinzenz), C3v(St. Hedwig). 137 Wotschke, Theodor: Die polnischen Unitarier in Kreuzburg. In: Correspondenzblatt des Vereins für die Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens 12/1 (1910) 19f.; Zaremba: Życie i dzieło Adama Gdacjusza, 17–19.

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tigt wurde. Schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war das Mißtrauen gegenüber dem altkirchlichen Erbe – in dem reformatorischen Mandat des Liegnitz-Brieger Herzogs Friedrich II. aus dem Jahr 1527 deutlich spürbar138 – fast völlig entkräftet. In der Kirchenordnung des Herzogs Joachim Friedrich aus dem Jahr 1592 hieß es zum Beispiel: „Es soll ein jeder praedicant in städten und dörfern neben der Heil. bibel haben und fleißig lesen das Corpus doctrinae Philippi Melanchthonis, die postillen des herrn Lutheri, die Thomas Lutheri und Philippi, auch anderer gelehrter leute fügliche scripta. Wenn er als dann sein Fundament aus diesen obangezogenen büchern gelegt, so mag er ihme Orthodoxam antiquitatem zulegen, als Ireneum, Justinum martyrem, Cyrillum, Basilium, Theodoretum, Naziancenum, Athanasium, Augustinum, Damascenum, Chrisostomum, Theophilactum, auch Bernhardum, welcher wegen der schönen dicta, deren er sehr viel hat, wohl zulesen ist.“139 Zur selben Zeit ließ der schlesische Pfarrer Martin Moller zwei Bände seiner „Meditationes sanctorum Patrum“140 in Görlitz drucken, in denen gerade die „schönen dicta“ des Hl. Bernhard einen beachtlichen Raum einnahmen. Die Idee der christlichen Kirche als einer ,Gemeinschaft der Heiligen‘ wurde anfänglich von Luther, der sich in seinen frühen Schriften häufig über die Rolle der Heiligen beim Austausch der Gaben und Handreichungen in der Kirche als der ,Bruderschaft Christi‘ äußerte,141 kräftig unterstützt. Sie hatte in Schlesien das gesamte 16. Jahrhundert hindurch ihre Anhänger. In dem 1579 bzw. 1581 gedruckten Katechismus von Leonhard Krentzheim, dem Pfarrer der Kirche St. Peter und Paul in Liegnitz und Superintendenten des Liegnitzer Fürstentums, folgte auf die Frage: „Warumb heißet die Christliche Kirche Eine Gemeinschaft der Heyligen?“ 138 Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 9–18. 139 Ebd., 80. 140 Erste Theyl. MEDITATIONES sanctorum Patrum. Schoene/ Andechtige Gebet/  Troestliche Sprueche/ Gottselige Gedancken/ Trewe Bußvermahnungen/ Hertzliche Dancksagungen/ und allerley nuetzliche vbungen des Glaubens. Aus den heyligen Altvaetern: Augustino, Bernhardo, Taulero, vnd andern/ fleißig und ordentlich zusammen getragen vnd verdeutschet. Durch MARTINUM MOLLERUM/ Diener des heyligen Euangelij zur Sprottaw, Goerlitz 1584; ALTERA PARS Meditationum ex sanctis Patribus. Ander Theyl Andechtiger schoener Gebet/ troestlicher Gedancken/ trewer Bußvermanungen/ und allerley nuetzlicher ubungen des Glaubens. Aus den heyligen Altvaetern Cypriano, Hieronymo, Augustino, Bernhardo, Anshelmo, und andern/ fleißig und ordentlich zusammen getragen und verdeutschet/ Durch MARTINUM MOLLERUM. Allen andechtigen Hertzen/ zum Christlichen Leben und seligen Sterben/ gantz nuetzlich zubrauchen, Goerlitz 1591. Vgl. ferner Axmacher, Elke: Praxis Evangeliorum. Theologie und Frömmigkeit bei Martin Moller (1547– 1606), Göttingen 1989 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 43); dies: Die Rezeption mittelalterlicher Mystik durch Martin Moller. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 68 (1989) 7–26; Brecht, Martin: Neue Frömmigkeit und Gemeindesituation bei Martin Moller (1547–1606). In: Hagenmaier, Monika/Holtz, Sabine (Hg.): Krisenbewußtsein und Krisenbewältigung in der Frühen Neuzeit – Crisis in Early Modern Europe. Festschrift für Hans-Christoph Rublack, Frankfurt a. M. u. a. 1992, 217–229. 141 Luther: Werke, Bd. 2, 743, 750; Bd. 6, 131.

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eine bezeichnende und interessante Antwort: „Darumb, das nicht allein das Wort und heilige Sacramenta allen Gliedern der Christlichen Kirchen gemein ist und allen und jeden gleich zugehöret, Sondern das sie auch gleiches recht haben zu Gott und allen Geistlichen, Himmlischen Gütern, alß alle zumal Kinder und Erben eines Vatern im Himel und Mitterben eines Brudern Christi Jesu Und eines Leibes Glieder, die durch ein Heupt regierdt und durch einen Geist geheiliget und lebendig gemacht werden. Derwegen sie auch durch ware Christliche Brüderliche Liebe und Trewe mit einander stets verbunden und vereinigt sind, Wie S. Paulus an die Epheser am 4. Cap. Lehret.“142 Eine solche Auffassung konnte damals, zur Zeit der zunehmenden Konfessionalisierung,143 nicht ohne weiteres verbreitet werden. Die Wittenberger ,Inquisition‘ mit Aegidius Hunnius an der Spitze betrieb bald die Entfernung des Liegnitzer Theologen aus allen Kirchenämtern.144 Die neue, im Jahr 1594 bekanntgegebene Kirchenordnung verwarf zudem – wie bereits erwähnt – strengstens „viel Sophisterey“, welche die Erhaltung „der gestorbenen Heiligen anruffung“ anstrebte,145 was sicherlich auch als pauschale Verurteilung der Idee einer communio sanctorum von Leonhard Krentzheim zu verstehen war. Mit der Zeit ebbte der Streit um die ,lebendigen‘ und ,verstorbenen‘ Heiligen allmählich ab.146 Inzwischen veränderte sich auch in der katholischen Kirche der Heiligenkalender und kein gebildeter katholischer Priester wird heute den Hl. Christophorus oder den Hl. Georg anders darstellen, als es die lutherischen Prediger des Reformationszeitalters getan haben. Es stellt sich jedoch die Frage, ob selbst eine so eingeschränkte Heiligenverehrung, wie sie die Reformation betrieben hatte, in einer – wie im heutigen Schlesien – zwar noch nicht ,postindustriellen‘, aber bereits mit den Fehlentwicklungen einer Massenkultur behafteten Gesellschaft sich überhaupt zu halten vermag.

142 Catechismus. Das ist, Kurtze und einfeltige Erklerung der vornembsten Heuptstücke Christlicher Lehre für die Kinder in der Christlichen Gemein zu Lignitz. Gestellet Und jetzund auffs new ubersehen Durch LEONHARDT KRENTZHEIM von Iphoven, Superattendent und Pfarherrn daselbst, o. O. [1579 respektive 1581]. Nachdruck: Reu: Quellen zur Geschichte des kirchlichen Unterrichts, 849–875, hier 859. 143 Rublack, Hans-Christoph (Hg.): Die lutherische Konfessionalisierung in Deutschland, Gütersloh 1992 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 197). 144 Bahlow: Leonhard Krentzheim, 106–220. 145 Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 132. 146 Gross, Werner: Die Heiligenverehrung in der Glaubenspraxis der Gegenwart. In: Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart, 358–372. Vgl. ferner Barth, Hans-Martin: Sehnsucht nach den Heiligen?, Stuttgart 1992.

Die Hl. Hedwig von Schlesien aus evangelischer Sicht Meiner Mutter Jadwiga gewidmet.

In Schlesien nahm die Hl. Hedwig – selbst als dort die Reformation zunehmend Verbreitung fand – keinesfalls nur den Stellenwert einer gewöhnlichen Heiligen ein,1 deren Leben man „von der luegen und falschen Wunderzeichen“, welche ihnen von „heuchlischen Moenchen zugemessen“2 wurden, sorgfältig reinigen müsse. Die Vita der Heiligen war vielmehr fester Bestandteil der schlesischen Geschichte; Hedwig selbst war bereits im ausgehenden Mittelalter zur Silesiae principalis Patrona ausgerufen worden.3 Und am Vorabend der Reformation befanden sich im Bereich der oberen und mittleren Oder einige Dutzend ihr gewidmeter Kirchen und Kapellen, als deren bedeutendste die Stifts- und Schloßkirche in Brieg anzusehen ist. Gerade in Brieg und Liegnitz, den Residenzstädten der Nachkommen der Hl. Hedwig, der schlesischen Piasten, wurde ihr Gedächtnis auf besondere Weise gepflegt (Abb. 28). Doch darf man auch die Tatsache nicht übersehen, daß die letzte nach der Patronin Schlesiens benannte Piastenprinzessin die im Jahr 1517 – und damit vor Einführung der lutherischen Reformation geborene – Tochter Friedrichs II. von Liegnitz-Brieg war.

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Die lutherisch-orthodoxe Kirchenordnung von Liegnitz aus dem Jahr 1594 enthält folgende Stellungnahme zur Heiligenverehrung: „Die gestorbene Menschen anruffen/ ist ein öffentliche Heidnische Abgötterey/ und schreckliche Sünde/ und verblendung der rechten anruffung […]. Aus diesem allen ist klar/ das gantz nötig ist/ der gestorbenen Heiligen anruffung zustraffen und das Volck zum Herrn Christo zu weisen.“ Zit. nach Jessen, Hans/Schwarz, Walter (Hg.): Schlesische Kirchen- und Schulordnungen von der Reformation bis ins 18. Jahrhundert, Görlitz 1938 (Quellen zur Schlesischen Kirchengeschichte 1), 131f. Vgl. ferner Schulz, Frieder: Art. Heilige/Heiligenverehrung. VII. Die protestantischen Kirchen. In: Müller, Gerhard (Hg.): Theologische Realenzyklopädie, Bd. 14, Berlin/New York 1985, 664– 672; Kolb, Robert: For all Saints. Changing Perceptions of Martyrdom and Sainthood in the Lutheran Reformation, Macon 1987; Köpf, Ulrich: Protestantismus und Heiligenverehrung. In: Dinzelbacher, Peter/Bauer, Dieter R. (Hg.): Heiligenverehrung in Geschichte und Gegenwart, Ostfildern 1990, 320–344. Calendarium sanctoru[m] et historiarum. In welchem nach Ordnung gemeiner Calender/ durchs gantze Jar/ alle Heiligen und Mertyrer/ mit ihrem Bekentnis und Leiden/ nach Ordnung der Tage/ beschrieben/ sampt zugethanen vielen aus Heiliger Schrift/ und andern Scribenten glaubwirdigen Historien/ so sich auff gleiche Tage in denselben Monate begeben. Zusammen colligirt auffs kuertzste/ den Einfeltigen zu gut. Durch Andream Hondorff/ Pfarherrn zu Droeyßig, Leipzig 1573, fol. A4r. Gottschalk, Joseph: St. Hedwig, Herzogin von Schlesien, Köln/Graz 1964 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 2), 291–311. Vgl. ferner Suchoniówna, Benigna: Jadwiga Śląska. In: Gustaw, Romuald (Hg.): Hagiografia polska. Słownik bio-bibliograficzny, Bd. 1, Poznań/Warszawa/Lublin 1971, 457–475; Kiełbasa, Antoni: Święta Jadwiga Śląska, Warszawa 1990.

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Abb. 28. Eine der wichtigsten ,Gedenkstätten‘ der Hl. Hedwig war die herzogliche Burg in Liegnitz. Eine Ansicht des Bauwerks gegen Mitte des 18. Jahrhunderts zeigt die kolorierte Federzeichnung Friedrich Bernhard Werners in seiner berühmten „Scenographia urbium Silesiae“. Der rechte Turm wurde nach dem Hl. Petrus, der linke nach der Hl. Hedwig benannt. Dort soll sich – so die Legende – ihre Wohnstube befunden haben.

Herzog Friedrich II., später die führende Persönlichkeit der schlesischen Reformation, dokumentierte seine Verehrung der Hl. Hedwig durch die vermutlich in den Jahren 1509/10 erfolgte Ausschmückung des im Hedwigsturm des Liegnitzer Schlosses liegenden, sogenannten Grünen Gemachs mit Malereien.4 Inmitten gotisch stilisierter Rosen wurden dort Bilder der ,Neun Guten Helden‘ angebracht. Dabei handelt es sich um ein typisches Thema mittelalterlicher Ritterkultur, das dem literarischen Werk des berühmten Trouvères Guillaume de Machaut entnommen ist, der sich im Jahr 1328 selbst eine gewisse Zeit auf dem Schloß aufgehalten hatte.5 Der Sinn jener heute fast völlig verblaßten Bilder geriet im Gegensatz zu der

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Lutsch, Hans: Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesien, Bd. 1–4, Breslau 1889–1894, hier Bd. 3, 236–238; Peters, O.: Der Hedwigsthurm des Schlosses in Liegnitz. In: Zeitschrift für Bauwesen 39 (1889) 206–214; Pfeiffer, Fritz: Der Hedwigsturm des Liegnitzer Schloßes. In: Mitteilungen des Geschichts- und Altertums-Vereins zu Liegnitz 1 (1904/05) 127–137; Gumiński, Samuel: Zelena světnice v Lehnici a jeji české vzory. In: Uměni 36 (1988) 560–564; Witkowski, Jacek: Zamek legnicki w średniowieczu. In: Harasimowicz, Jan (Hg.): Kultura artystyczna dawnej Legnicy, Opole 1991, 27–40, hier 30, 35–38. Witkowski: Zamek legnicki, 40.

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angeblich ursprünglichen Funktion des Turmgemachs recht schnell in Vergessenheit. Dies belegt eine Beschreibung des Liegnitzer Schlosses aus dem 17. Jahrhundert, in der folgendes zu lesen ist: „Hinten an der Ecken deß Zeug-Hauses stehet gegen die Stadt der uhralte/ starcke/ runde und hohe Hedwigs-Thurn/ worauff/ dem Vorgeben nach/ die andaechtige Hedwig soll gewohnet haben/ laest sich aber schwerlich glauben: denn es ist zwar in der mitten deß Thurns ein ziemlich weites/ und mit allerhand Bildnuessen bemahltes Zimmer/ es scheinen aber diese Bildnuesse Hertzoge zu seyn/ vom Hauß Lignitz/ welche laengst nach ihren Zeiten gelebet haben.“6 In einem früheren, dem unter dem Pseudonym Lichtstern veröffentlichten Werk „Schlesische Fuersten-Krone“ verlieh Friedrich Lucae – aus seiner Feder stammt auch die oben zitierte Beschreibung – seiner Haltung gegenüber den Malereien des Grünen Gemachs noch deutlicher Ausdruck, wonach „der [andächtigen] Hedwig vermeyntes Zimmer mit seinen alten und seltzamen gemahlten Bildern den Eingehenden mehr Schrecken/ als Vergnuegung einjaget“.7 Wie bereits Georg Thebesius, ein strenger Kritiker Lucaes, mit Recht bemerkte,8 distanzierte sich der Hauptchronist der letzten Piasten nicht eindeutig von der Legende des Hedwigsturms. Man könnte sogar sagen, daß er sie in gewisser Weise unterstützte, indem er die Beschreibung der tief unter die Erde führenden Turmkeller mit folgenden Worten abschloß: „Einstmals berichte ein alter Mann/ welcher massen Hertzog George Rudolph/ bey waehrender Kriegs-Zeit seinen Schatz in dieser verborgenen Tieffe deß Thurns haette verwahren lassen/ also daß allezeit die Kasten/ samt denen daran hebenden/ mit Seilen waeren hinunter/ und wieder herauff gezogen worden.“9 Die Legende des Liegnitzer Hedwigsturms zeigt augenfällig, wie tief das Andenken an die herzogliche Landesmutter und Heilige verwurzelt war, obwohl inzwischen die Reformation in der schlesichen Gesellschaft viel Zustimmung gefunden hatte. Ebenfalls in Liegnitz, in der evangelischen Liebfrauenkirche, bewahrte man die ,Hedwigsstiefel‘ auf, denen große Verehrung entgegengebracht wurde; und als die Liegnitz-Brieger Prinzessin Dorothea Elisabeth den Fürsten Heinrich von Nassau-Dillenburg heiratete, hielt sie „zween curioese guldene Ringe […] von der Verlassenschafft […] der andaechtigen Hedwig“ für die kostbarsten Stücke ihres Brautschatzes.10 Außer in den mannigfaltigen Andenken an die Hl. Hedwig, die in keiner Weise Reliquien im eigentlichen katholischen Sinn waren, also den verschiedenen ,Hed-

6 Lucae, Friedrich: Schlesiens curieuse Denckwuerdigkeiten oder vollkommene Chronica von Ober- und Nieder-Schlesien […], Franckfurt am Maeyn 1689, 1214. 7 Ders.: Schlesische Fuersten-Krone/ Oder Eigentliche/ warhaffte Beschreibung Ober- und Nieder-Schlesiens […], Franckurt am Mayn 1685, 444f. 8 Thebesius, Georg: Liegnitzische Jahr-Buecher […]. Der Erste Theil, Jauer 1733, 26. 9 Lucae: Chronica, 1214f. 10 Ebd., 1269.

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wigsbrunnen‘, ‚Hedwigsstegen‘ und ,Hedwigssteinen‘,11 lebte der Name der Heiligen in mehreren schlesischen Adels- und Bürgerfamilien fort. „Die Reformationszeit legte keinen Wert mehr auf die Verehrung von Heiligen, deren Namen nicht biblisch begründet waren – so ein lutherischer Kirchenhistoriker aus der Vorkriegszeit – doch trugen auch evangelische Eltern keine Bedenken, eine Tochter Hedwig zu nennen, wenn sie um den 17. Oktober geboren war, oder eine Taufpatin so hieß.“12 Dies bestätigen zahlreiche schlesische Grabdenkmäler aus dem späten 16. und frühen 17. Jahrhundert, wie etwa das Epitaph Heinrich und Hedwig von Schindels in der Pfarrkirche zu Schosnitz (1586) (Abb. 60),13 die Grabplatte Hedwig von Schellendorfs, geb. von Kiel, in der Dorfkirche zu Wolmsdorf (1576),14 die Grabplatte Hedwig von Magnus’ gen. Axleben, geb. von Wotissen, in der Pfarrkirche St. Marien zu Lüben (1593)15 und – um auch ein oberschlesisches Beispiel zu nennen – das Grabdenkmal für die jung verstorbenen Mädchen Ludmila, Elisabeth, Marianna und Hedwig von Pückler in der Dorfkirche zu Schedlau (nach 1612).16 Die Beliebtheit des Namens Hedwig beim protestantischen Adel Schlesiens bezeugen gleichfalls gedruckte Leichenpredigten. In einer solchen, gehalten am 14. Mai 1621 im Rahmen des Leichenbegängnisses der Hedwig von Reichenbach, geb. von Zedlitz, legte der Prediger Jacob Nerger aus Freiburg den Sinn des Vornamens der Verstorbenen folgendermaßen aus: „Der Nahm Hedwig […] ist Saechsisch/ und heißt deß Vaters Burg (Hedo/ Vater/ wig/ Burg) eine solche Tochter/ auff die sich der Vater auffs Alter verlassen mag. Ja ich meine/ wenn sie hette leben sollen/ der Haußvater wuerde eine rechte Vaters Burg an ihr gehabt haben/ auff die er sich gewiß in Leyd unnd Freud hatte verlassen moegen.“17 Auf ähnliche Weise predigte 11 Es ist zum Beispiel in der „Silesiographia Renovata“ folgendes über die Burg und Stadt Lähn zu lesen: „Arcem olim S. Hedwigis frequenter inhabitavit, & ex illa nudis in oppidum pedibus ad audiendum missae sacrissimum devota Princeps quotidie tam hyemali, quam aestivo tempore descendit: in cujus viae medio hodieq[ue]; lapis monstratur, in quo fatigatam sedisse, quietique necessariae indulsisse pie creditur. Unde lapidi illi hodiernum in diem nomen manet: Der heiligen Frau Hedwig Ruh-Stein“; vgl. Henel von Hennenfeld, Nicolaus: Silesiographia Renovata, necessariis, scholiis, observationibus et indice aucta. Pars prior, Wratislaviae/Lipsiae […] 1704, 272. 12 Tschersich, Emil: Herzogin Hedwig, eine deutsche Frauengestalt. In: Evangelisches Kirchenblatt für Schlesien 41 (1938) 101–104, 112–114, 118–121, 127–129, hier 128. 13 Lutsch: Verzeichnis, Bd. 2, 453; Harasimowicz, Jan: Kasper Berger i rzeźba legnicka schyłku XVI wieku. In: Biuletyn Historii Sztuki 42 (1980) 107–132, hier 126. 14 Lutsch: Verzeichnis, Bd. 3, 373. 15 Ebd., 192. 16 Ebd., Bd. 4, 214; Chrzanowski, Tadeusz/Kornecki, Marian (Hg.): Katalog Zabytków Sztuki w Polsce, Bd. 7: Województwo opolskie, Heft 8: Powiat niemodliński, Warszawa 1962, 50. 17 Christliche Leich Predigt/ Uber dem ploetzlichen/ jedoch Christlichen und Seligen Abgang/ Der weiland Edlen/ Viel Ehrentugentreichen Frawen Hedwigis Reichenbachin/ Gebornen Zedliczen/ aus dem Hause Siebenaichen/ : Deß Edlen/ Gestrengen/ Wol Ehrenvesten/ auch Wolbenambten Herrn Heinrichs von Reichenbach/ auff Rudelßdorff/ Siebenaich/ Wuergsdorff/ Hallendorff/ Contzendorff/ Ranßdorff/ Lauterseiffen/ Hoell und Hartaw/ Hertzlieben

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der hessische Superintendent Heinrich Leuchter am 19. September 1614 am Sarg der vor Ablauf des ersten Lebensjahres verstorbenen Tochter des Landgrafen Ludwig in Darmstadt: Wenn die Prinzessin länger gelebt hätte, wäre sie bestimmt „ein rechte Hedwigis, Patris refugium [worden], das ist/ ein Frewde/ ein Trost/ ein Zuflucht/ unnd ein erwuendschete Ehr und Herrlichkeit dem Herrn Vatter und Fraw Mutter/ und dem gantzen Vatterland“.18 In den oben zitierten Leichenpredigten wird die heilige Namenspatronin der beiden Verstorbenen an keiner Stelle erwähnt. Dies bedeutet aber nicht, daß die lutherische Reformation von Anfang an mit dem überlieferten Kirchenkalender, der die Tage eines Jahres nicht nur mit dem Geschehen der Heilsgeschichte, sondern auch mit allgemein oder lokal verehrten Heiligen verband, gebrochen hätte.19 Von den am Ende des 16. und zu Beginn des 17. Jahrhunderts beliebtesten lutherischen Kirchenkalendern – diejenigen Caspar Goldtwurms (1559),20 Andreas Hondorffs (1573)21 und Martin Behms (1606)22 – berücksichtigten der erst- und

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Ehegemahls. Welche der Allmechtige Gott Anno 1621. den 19. Martii nach Mittage zwischen 3. und 4. Uhr/ in wahrem Erkendtnis und hertzlicher Anruffung ihres Erloesers unnd Seligmachers Jesu Christi/ sanfft und selig aus diesem Jammerthal abgefodert/ und nachmals den 14. Maji in Volckreicher Versamlung mit Christlichen Adelichen Ceremonien, nicht ohne sondere Betruebnueß zu Rudelßdorff in ihr Ruhebettlein versetzet worden: Gehalten Durch Jacobum Nergerum Freyburgensem Sil. Evangelischen Predigen zu Rudelßdorff, [Liegnitz 1621], fol. E r. Zwo Christliche Leich Predigten/ Bey Begraebnussen zweyer Fuerstlichen Kinder/ Als Erstlich/ Der Durchleuchtigen und Hochgebornen Fuerstin und Fraewlein/ Fraewlein Hedwig/ Landgraevin zu Hessen/ Graevin zu Catzenelnbogen/ etc. welches am 2. Martii Anno 1614. Nachts zwischen 11 und 12 Uhre in Gott seliglich gestorben/ und hernach am 8 desselbigen Monats morgends umb 8 Uhr in die Pfarrkirchen zu seinem Ruhbettlein gebracht worden. Und darnach Deß auch Durchleuchtigen unnd Hochgebornen Fuersten und Herrn/ Herrn/ Ludwigen Landgraven zu Hessen/ Graven zu Catzenelnbogen/ Dietz/ Zigenhayn und Nidda/ etc. welcher am 12. Septembris, Anno 1614. Nachts zwischen 10 und 11 Uhre geboren/ am 15 tag deß Nachts zwischen 11 und 12. in Gott seliglich abgeschieden/ und hernach am 19 gedachten Monats morgends umb 8 Uhr auch Christlich zur Erden bestattet worden. Gehalten von Henrico Leuchtero D. Superint. […]. Darmbstatt 1615, 28f. Lansemann, Robert: Die Heiligentage, besonders die Marien-, Apostel- und Engeltage in der Reformationszeit, betrachtet im Zusammenhang der reformatorischen Anschauungen von den Zeremonien, von den Festen, von den Heiligen und von den Engeln, Göttingen 1939 (Beihefte zur Monatsschrift für Gottesdienst und kirchliche Kunst. Sonderbd. 1). Kirchen Calender. In welchem nach Ordnung gemeyner Allmanach/ die Monat/ Tag/ und Fuernembsten Fest des gantzen Jars mit irem gebrauch/ Auch der Heyligen Apostel/ und Christlichen Bischoff/ Leerer/ und Martyrer Glaub/ Leben/ und bestendige bekandtnuß (welches sie mit ihrem eygnen blůt und sterben bestetiget haben) kuertzlich verfasset/ und mit vilen schoenen Figurn/ uber vorige Edition/ gezieret unnd gemehret. Allen Christen sehr troestlich und nuetzlich zuwissen. Caspar Goldtwurm Athesinus, Franckfurt am Meyn 1564. Calendarium sanctoru[m] et historiarum. Kirchen Calender. Das ist/ Christliche Erklerung/ Des Jahres und der zwoelff Monaten: Allen Pfarherrn/ Schuldienern unnd Haußvaetern in 13. Predigten verfasset und abgehandelt.

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drittgenannte den Tag der Hl. Hedwig nicht, was im Fall des Kalenders von 1606 insofern wundert, als Martin Behm sein Predigeramt im nahe der schlesischen Grenze gelegenen Lauban ausübte. Der zweitgenannte Kirchenkalender dagegen, erst nach dem Tod des Verfassers von Vincenz Sturm, Schulmeister aus Bitterfeld, herausgegeben und bis zum Jahr 1610 zehnmal aufgelegt, hob den Tag der schlesischen Heiligen ausdrücklich hervor, und zwar unter dem ursprünglichen Datum, dem 15. Oktober. Dort war über die Hl. Hedwig folgendes zu lesen: „Diese ist eine Hertzogin aus Polen gewesen/ ein sehr Gottfuerchtig heilig Weib/ des Bertholdi/ Marggraffen von Baden [sic!] und Fraw Agnes/ Marggreffin von Rochlitz Tochter/ zu Kitzing ist sie zum studieren/ oder lernung angewiesen worden/ und nachmals Heinrico cum Barba, Hertzogen in der Schlesien vermehlet worden/ mit deme sie 3. Soehne/ unnd 3. Toechter gezeuget/ aus welchen der Elter in einem streit wider die Tartaren ist erschlagen. Diese Hedwig hat ein herrlich Closter/ Cistertienser Ordens zu/ Trebnitz/ nicht weit von Breslaw erbawet/ darein sie ihre Tochter Gertrudem zur Ebtin geordenet/ unnd ihr hundert Jungfrawen untergethan. Nach dem aber ihr Gemahl Heinricus cum Barba toedtlichen abgangen/ hat sie 28. Jahr in ihrem Witwenstand/ in zucht und erbarkeit gelebet/ und in ihren Henden allzeit und teglichen/ ein Helffenbeines Marien Bildlein getragen/ auch dasselbige/ da sie sterben wollen/ fest behalten/ und mit sich in das Grab genomme[n]. Sie ist aber in Christo seliglichen entschlaffen/ Anno Domini 1243. un[d] vom Bapst Clemente/ wegen irer Heiligkeit und Wunderwerck/ in die zal der Heilige[n] Anno 1266. geschrieben worden/ welches sehr wunderbarlich zugangen/ Denn erstlich die Heduuigis/ so 14. Jar zuuor gestorben/ Salomoni einem Ertzdiacon zu Crackaw/ im Schlaff erschienen/ und ihm den Tag/auff welchem sie wolt Canonisieret werden/ benennet/ Darauff hat Salomon und andere Herren/ so umb die Canonisierung Beatae Heduuigis ausgezogen/ den Bapst gebeten. Als bald hat Clemens der Bapst/ fuer seine Tochter/ so viel Jar blindt gewesen/ welche er/ da er noch ein Leye war/ mit seinem Ehelichen Weibe gezeuget/ gebeten/ das sie durch verdienst der heiligen Heduuigis/ moechte ihr Gesicht bekommen. Als nu solches geschehen/ ist sie von ihm in die zahl der Heiligen geschrieben/ in der Kirchen zu Viterbio/ Anno ut supra.“23 Der zitierte Text stützte sich laut eines zum Schluß angebrachten Vermerks auf die „Weltchronik“ von Hartmann Schedel,24 er verrät aber zugleich die unmittelbare Kenntnis der „Legenda maior“, vermutlich nach der gedruckten deutschen Übersetzung von 1504.25 Dem Verfasser des Kalenders, der in der VorUnnd jtzo zum andern mal auffs New ubersehen/ gemehret und mit Figuren gezieret Durch Martinum Bohemum Predigern zu Lauben, Wittemberg 1608. 23 Calendarium sanctoru[m] et historiarum, fol. 95 v. 24 Schedel, Hartmann: Das Buch der Chroniken und Geschichten, Nürnberg 1493, fol. 216 r. 25 [Baumgarten, Conrad]: Alhy hebet sic an dy große lege[n]da der hailigsten frawen Sandt hedwigis, eyne geborne furstyn von Mehran, vnd eyne gewaldige herczogynne In polen vnnd Schlesyen, [Breslau] 1504; Neuausgabe: Die große Legende der heiligen Frau Sankt Hedwig, geborene Fürstin von Meranien und Herzogin in Polen und Schlesien. Faksimile nach der

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rede erklärte: „wir haben[…] allein die glaubwirdigen Historien der lieben Heiligen […] verzeichnet“,26 schien der erhebliche Widerspruch zwischen der ernsthaften Aufzählung der angeblich posthum „durch der heiligen Heduuigis verdienst“ vollbrachten Wunder und den zu Beginn des umfangreichen Buchs angeführten Grundlagen der lutherischen Lehre „Vom Dienst der Heiligen“27 nicht zu stören. Waren aber die Darstellungen des Lebens der Patrona Silesiae, die außerhalb Schlesiens geschrieben und meist auch außerhalb Schlesiens gelesen wurden, noch weitgehend der Überlieferungstradition verpflichtet, so darf man sich nicht wundern, daß gerade unter den schlesischen Predigern – selbst im Rahmen der aufkommenden Reformation – die Legende der einheimischen Heiligen weiterhin fortlebte. Dank dem Jesuitenpater Karl Regent, der zu Beginn des 18. Jahrhunderts unter den bei Goldberg und Löwenberg ansässigen Schwenckfeldern wirkte, ist eine Predigt über die Hl. Hedwig überliefert geworden, die um das Jahr 1550 der „ErtzSchwenckfelder“ Michael Hiller, Pfarrer zu Zobten am Bober, hielt und in einer Jahre später geschriebenen Postille veröffentlichte.28 Dieser Postille, die sich zu Regents Zeiten noch im Besitz der Zobtener Schwenckfelder befand, entnahm der aufgeklärte, mit Friedrich dem Großen befreundete Jesuit29 folgendes Predigtkonzept: „Die Edle Fuerstin St. Hedwigis ist gebohren aus Edlem Stamme, eine Tochte[r] deß Hertzoges von Meranien. Zum ersten: Ihren Glauben hat sich beweiset mit dem Gehorsam gegen die Eltern. Sie hat hernach in aller Zucht und Ehrbarkeit im Ehestande gelebet, das zeiget, daß sie sich zu eigener Keuschheit verpflichtet hat usw. Zum andern: Ist sie fleißig gewesen und Tugendreich. Zum dritten: Sie hat allezeit mehr Achtung gegeben auffs zukuenfftige Leben, denn uffs gegenwaertige, das zeiget, daß sie alle Gepraeng und allen übrigen Schmuck ver-

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Originalausgabe von Konrad Baumgarten, Breslau 1504. Text und Bilddeutung von Joseph Gottschalk, Bd. 1–2, Wiesbaden 1963. Calendarium sanctoru[m] et historiarum, fol. A4r. Ebd. Vgl. auch: XXI. Artikel der Augsburgischen Konfession: „Vom Dienst der Heiligen“. In: Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Hg. vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930, Göttingen 1930, 81f. Regent, Carl: Exempel der Schlesier oder Vorstellung der fuernehmsten Christlichen Tugenden, welche die vormahlen Durchleuchtigste Hertzogin in Schlesien, anjetzo Glorwuerdigste Himmel-Fuerstin, Gnadigste Schutz-Frau und Landes-Mutter S. Hedwig zur Lebens-Zeit heylsam geuebet, und nach dem Tod zur Nachuebung hinterlassen, In eine Trost-reiche Fruchtbringende Andacht, besonders vor die nach Closter Trebnitz Wallfahrtende Catholische Christen eingerichtet, Neisse 1723, 242–244. Der Text des Predigtkonzeptes Michael Hillers wurde zweimal von Joseph Gottschalk abgedruckt; vgl. Gottschalk, Joseph: Lob auf St. Hedwig durch Lutheraner, Calvinisten und Schwenckfelder. In: Heimat und Glaube 18/6 (1966) 5; ders.: Hedwigs-Predigten aus 700 Jahren. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 40 (1982) 129–164, hier 139–142. Hoffmann, Hermann: Karl Regent, ein schlesischer Jesuit im Kampf gegen die Schwenckfelder und in Freundschaft mit Friedrich dem Großen. In: Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft für Vaterländische Kultur 108 (1935) [1936] 130f.

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mieden hat. Zum vierdten: Sie ist großer Vorsichtigkeit gewest: Bey ihrem Christlichen Leben wider die Feinde aller Christen, wider die Teufel gestritten mit fleißigem Gebette bey Tag und Nacht, wider die Welt, wider ihren Leib mit Casteyung: Da sie gestorben, hat man ein Haerin Kleyd, das sie verborgen an ihrem Leibe getragen, gefunden, daß noch vorhanden. Zum fuenfften: Sie ist gut und sanfftmuethig gewest, kein Zorn-Wort, Schelt-Wort geschweige von ihr nicht gehoeret worden: Das zeiget an da ihr der Caemmerer eltlich Credenzen verlohren, sie stuermete nicht, schalte nicht, sondern sagte mit sanfftmuethigen Worten: Ey vergebe dir es Gott, du fuegest mir Schaden zu mit deiner Unvorsichtigkeit, versuche ob du es kanst wieder kriegen. Zum sechsten: Sie ist geduldig gewesen in aller Wiederwaertigkeit: Das bezeiget der Todesfall ihres Gemahls, als auch deß Sohns, da die Tartarn das Land ueberzogen und allda umbkommen auff der Wallstadt zum Spott aber das abgeschlagene Haubt auff einem Spieß vor dem Schloß außgesteckt worden war. Nach dem Todt ihres Herrn biß zur Muendigkeit ihres Sohns hat sie das Fuerstenthum regieret, und das niemand Gewalt oder Ungerecht geschehe, hat sie bey den Gericht-Haendeln selber gesessen gegenwaertig. Anno 1243. Mortua. 1267. Canonizata. Translata 68.“30 Wie man sieht weicht der Zugriff Hillers auf die Vita der Hl. Hedwig von dem – hauptsächlich von vorreformatorischen Prämissen geprägten – Eintrag im „Calendarium sanctoru[m] et historiarum“ bereits deutlich ab. Er hob die menschliche Dimension des Lebens der Heiligen hervor: die Bescheidenheit Hedwigs, ihre Nächstenliebe, ihre Gerechtigkeit in Taten und Urteilen. Eine völlig neue, evangelische Interpretation der Legende stellte dies aber noch nicht dar. Die eigentliche Neudeutung wurde nicht von einem Geistlichen, sondern von einem Laien vorgelegt – von Joachim Cureus (1532–1573), dem ,Vater der schlesischen Historiographie‘, Schüler Philipp Melanchthons und Valentin Trotzendorfs, der nach Studien in Bologna und Padua als praktizierender Arzt in Glogau wirkte.31 1571 erschienen in Wittenberg Cureus’ „Gentis Silesiae annales“,32 die in deutscher Übersetzung im Jahr 1585, gleichzeitig in Frankfurt am Main und Leipzig

30 Zit. nach Gottschalk: Hedwigs-Predigten, 141f. 31 Heppe, [Heinrich]: Curäus, Joachim. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 4, Leipzig 1876, 644f.; Kähler, Ernst: Cureus, Joachim. In: Neue Deutsche Biographie, Bd. 3, Berlin 1957, 441; Heinrich, Gerhard: Joachim Cureus. In: Neuer Glogauer Anzeiger 31/12 (1983), 4f.; ders.: Joachim Cureus (1532–1573). In: Menzel, Josef Joachim (Hg.): Schlesier des 15. bis 20. Jahrhunderts, Sigmaringen 1990 (Schlesische Lebensbilder 6), 38–45. 32 Gentis Silesiae Annales complectentes historiam de origine, propagatione et migrationibus gentis, & recitationem praecipuorum euentuum, qui in Ecclesia & Republica usq. ad necem Ludovici Hungariae & Bohemiae regis acciderunt. Contexti ex antiquitate sacra et ethnica, et ex scriptis recentioribus: a Ioachimo Cureo Freistadiensi, philosopho et medico in inclita urbe Glogouiensi, Witebergae 1571.

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von Heinrich Raettel, dem Bürgermeister von Sagan, herausgegeben wurden.33 Dem Andenken der Hl. Hedwig war hier ein eigenes Kapitel gewidmet: „Brevis expositio stirpis & vitae Beatae Heduigis“ (deutsch: „Kurtzer Bericht von S. Hedwigen Geschlecht/ Wandel und Leben“).34 Gleich zu Beginn polemisierte der Verfasser in vollständiger Übereinstimmung mit den Stellungnahmen Luthers gegen alle diejenigen, die gegen die alten Legenden und Geschichten eingenommen waren und daher die „vortreffliche Gabe der Heiligkeit“ zurückwiesen und verachteten: „Gott hat ein wolgefallen daran/ das man seine Goettliche gegenwertigkeit bey heiligen Leuten betrachtet/ und dem Son Gottes/ dem Schutzherrn seiner Kirchen/ der im fuer ein Heufflein samlet im Menschlichen Geschlecht/ darfuer dancket wie denn recht und wolgesagt ist:/ Hos ego cum laudo, laus ea tota Dei est./ Wenn ich der Heiligen Lob vermehr/ So lob ich Gott/ sein ist die Ehr.“35 Cureus setzte sich hingegen mit scharfen Worten von den die apostolische Lehre verderbenden Mißbräuchen und dem Aberglauben ab, indem er vor allem „die schedliche gewonheit/ die verstorben Heiligen anzuruffen“ zurückwies.36 Er unterstrich aber mit Nachdruck, daß sogar mitten in der zuletzt so schmerzlichen Verblendung der Christenheit und Schwächung des Glaubens „Gott […] jm Menschlichen Geschlecht ein heiliges Heufflein erhalten/ und des heiligen Geistes gegenwertigen beystand/ in den Auserwelten/ sehen und erscheinen lassen“37 habe. Bei der Hl. Hedwig von Schlesien handelte es sich um eine solche Auserwählte. „Wir Schlesier sein fuernemlich danckbarkeit schuldig der Gottseligen Fuerstin S. 33 Schlesische General Chronica, Darinnen Warhaffte eigentliche und kurtze Beschreibung/ Des Landes Ober und Nider Schlesien/ Ankunfft/ Namen/ Herkommen/ deren Hertzogen/ Fuerstenthuemern/ Stedten/ Schloessern/ Sitzen/ derselben Vermehrungen/ Reysen und Verwaechßlungen/ insonderheit der weitberuehmbten herrlichen Stadt Breßlaw und Fuerstenthumbs Glogaw/ etc. Aus alten und newen Schrifften und Chronicken zusammen gezogen. Auch was sich mit den umbliegenden Lendern und Voelckern/ als Behemen/ Polen/ Moschowitern/ Littawern/ Tattern/ Tuercken/ biß zu Koenig Ludwigs zu Ungern Untergang/ und nach demselben/ biß auff diese jetzige zeit begeben und zugetragen hat: Erstlich Durch Den Hochgelarten Herrn Joachimum Cureum, Freystadiensem, der Artzney Doctorn/ etc. seligen in Lateinischer Sprach beschrieben: Jetzund aber dem gemeinen Vaterlandt zu gut verdeutscht Durch den Wolgelarten und weisen Herrn Heinrich Raetteln zu Sagan/ etc. […]. Mit fleiß zusammen gezogen/ Durch D. Laurentium Mueller/ damals Fuerstlichen Churlendischen Hoffraht, Leipzig 1585. 34 Ebd., 128–139; Gentis Silesiae Annales, 72–77. Vgl. ferner Schickfuß, Jacob: New Vermehrte Schlesische Chronica unnd Landes Beschreibung, Darinnen Weyland H. Joach. Curaeus Der Artzney D. Einen Grundt geleget. Itzto Biß an das 1619 Jahr/ da sich dero Oesterreichischen Wienerischen Linien Regierung gantz endet. Mit sehr vielen Nothwendigen Sachen vermehret und gebessert. […] Das ander Buch, Leipzigk [1625], 22–27; Gottschalk, Joseph: Die älteste protestantische Lebensbeschreibung der Hl. Hedwig vom Jahre 1571. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 17 (1959) 1–15. 35 Schlesische General Chronica, 129. 36 Ebd. 37 Ebd.

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Hedwig/ welche vorzeiten nicht als ein strenge Obrigkeit/ sondern als ein gute Mutter/ unser Vaterland hertzlich geliebet/ und darinnen die Religion die freyen Kuenste/ und viel guter Tugenden/ gestifftet und gepflantzet hat.“38 In der Beschreibung des Lebens der Hl. Hedwig setzt sich Cureus ausdrücklich von der mittelalterlichen „Legenda maior“ ab, die für ihn „kindisch beschrieben ist“, und „preiset allein jre eußerliche Werck strenges Leben/ fasten und casteyen des Leibs“.39 „Wiewol nu dieselben eußerlichen ubungen wenn sie zumal in warem Glauben an Christum geschehen/ und die gebuerliche mas damit gehalten wird/ loeblich gut seyn: Wie denn die eußerliche Zucht/ in den widergebornen/ gar ein schoener Schmuck und Zierde ist: So haben doch in dieser heiligen Fuerstin Hertzen und Gemuehte gar viel hoehere und herrlichere tugenden geleuchtet. Sie ist nicht allein nur schlecht mit diesen Heydnischen Tugenden begabt und geziert gewesen/ hat sich auch nicht allein mit eußerlichen Geberden/ als mit Feigenbletter/ bedeckt und beschoenet: Sondern weil sie innerlich im Hertzen warhafftig zu Gott bekeret/ und der heilige Geist sie regierte und leitete/ so wirckete derselbige heilige Geist in ihrem Hertzen viel Goettlicher Tugenden/ nemlich erkentnis Gottes/ waren Glauben/ und vertrauwen zu Gott/ in dem Mitler Jesu Christo/ ware inbrunstige Liebe zu Gott und dem Nechsten/ Keuschheit/ foerderung der Kirchen und gemeinen Nutzes/ und andere viel herrliche Tugenden mehr. Solcher Christlicher Tugenden und guten Werck ist ihr gantzes Leben voll.“40 Weil aber „allein Christus ist volkommen Gerecht/ und Heilig/ ohn alle/ suende und gebrechen. Aber alle Heyligen sein Suender/ und bitten umb Vergebung der suenden/ durch Christum“, wie es Franciscus Vierling, Diakon bei der Pfarrkirche St. Maria Magdalena zu Breslau, in seinem zu dieser Zeit in Schlesien überaus beliebten Gebetbuch formulierte,41 konnte auch das Leben der Hl. Hedwig in der Beurteilung eines evangelischen Historiographen und Theologen nicht sündenfrei sein. Bereits in dem Kapitel über Heinrich den Bärtigen erschien bei Cureus ein Unterton von Mißbilligung des vom herzoglichen Ehepaar abgelegten Keuschheitsgelübdes: „S. Hedwig hat diesen ihrem Herren trefflich geliebt/ denndoch sonderte sie sich von ihm ab/ im schein sonderlicher Heiligkeit (dafuer man es denn dieser Zeit hielte) und hat sie ihr Herr/ wegen eines Geluebds/ so er ihr in beysein des Bischoffs gethan/ gantzer dreyßig Jahr nie beruert.“42 Im Kapitel über die Hl. Hedwig wurde gerade dieser Aspekt ihres Lebens von Cureus am schärfsten getadelt: „Die irrige meynung/ als solte der Ehestand fuer Gott unrein und verdamlich sein/ hatte[n] dieselbe zeit diese und andere fromme Weiber auch eingenommen/ und kam von 38 39 40 41

Ebd. Ebd., 132. Ebd. Lehr/ trost/ Beicht und Gebetbuechlein. Fuer die Jugend und gemeine Leute/ zusam[m]en gezogen. Durch Franciscum Vierling/ zu S. Maria Magdalena inn Breßlaw/ Diacon. Auffs new ubersehen/ und gemehret, Breslaw 1581, fol. E8 r-F r. 42 Zit. nach Schickfuß: New Vermehrte Schlesische Chronica, 16.

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dem Gottlosen Gebott des unreinen Coelibats her/ und wardt derhalben das eheliche Beywonnen fuer unreinigkeit/ und hinderlich am Gottesdienst gehalten. Unnd wurden dazumal die Leute nicht unterricht/ das Gott aus wunderbarem Rath die Menschliche Natur also geschaffen/ und diese mit gewißer mas umschrenckte Ordnung unnd weise das Menschliche Geschlecht zuvermehren/ aus weisem Raht verordnet und gestifftet habe.“43 Cureus, Arzt von Beruf, knüpfte hier mit anderen Worten an die berühmte, auf die Grundprinzipien der Natur bezogene Argumentation Martin Luthers, die im „Großen Katechismus“ gegen den „päpstlichen Haufen, der den Ehestand verachtet“, gerichtet war, an: „Denn wo die Natur gehet, wie sie von Gott eingepflanzt ist, ist es nicht möglich, außer der Ehe keusch zu bleiben; denn Fleisch und Blut bleibt Fleisch und Blut, und gehet die natürlich Neigung und Reizung ungewehret und unverhindert, wie idermann siehet und fühlet. Derhalben, auf daß deste leichter wäre, Unkeuschheit etliche Maße zu meiden, hat auch Gott den Ehestand befohlen, daß ein iglicher sein bescheiden Teil habe und ihm daran gnügen lasse, wiewohl noch Gottes Gnade dazu gehöret, daß das Herz auch keusch sei.“44 Als eine weitere Verfehlung der Hl. Hedwig erachtete Cureus ihre strenge Zurückhaltung in der Bezeugung tiefer Gefühle: „Als man ihr vermeldet/ daß ihr Herr kranck legt/ besucht sie ihn nicht/ weinete auch nicht umb ihn bey dem Begraebnis/ sondern dieweil sie der Gottseligkeit gar ergeben/ und sonderlich auffs Alter gar darinn verharrete/ meynete sie/ es sey nicht recht/ durch Anzeigung einiger Trawrigkeit Gottes Willen zu wiederstreben.“45 Eine solche Haltung fand in der christlichen Lehre, nach der Meinung des Chronisten, keine genügende Begründung: „Es ist […] nicht unrecht/ umb seine verstorbene Eltern/ Kinder oder Freunde/ trauwren und leide tragen/ Unnd ist das angenommene heuchliche/ Moenchische sauwersehen und unbarmhertzigkeit nicht zu loben. […] Unser Herr Gott wil beydes haben/ das wir uns betrueben sollen/ uber der unsern toedtlichen Abgang und Unfall/ hat auch die hertzliche bewegungen im Menschen darumb erschaffen/ Er wil auch das wir im trauwern ein mas halten/ unnd aus Gottes Wort und dem heiligen Euangelio Trost fassen sollen.“46 Alle diese ,Misbraeuche‘ belasten in Cureus’ Urteil weniger die Hl. Hedwig selbst, da „diese unsere Fuerstin […] taeglich umb vergebung der Suenden durch Christum zugeschrien“, als vielmehr „die ungelehrten Lehrer dieser zeit“.47 Hatte sie die Vergebung doch mit dem Unglück, welches Gott während des ganzen Lebens auf ihre Schultern legte, teuer erkauft: „So viel geheufftes Ungefell und schmertzliches Creutz hette auch ein Mann-

43 Schlesische General Chronica, 134f. 44 Zit. nach: Die Bekenntnisschriften, 613f. Vgl. ferner Kawerau, Waldemar: Die Reformation und die Ehe, Halle a. d. S. 1892 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 39). 45 Zit. nach: Schickfuß: New Vermeherte Schlesische Chronica, 16. 46 Schlesische General Chronica, 135. 47 Ebd.

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lich Hertz ermatten und erlegen moegen. Aber sie hat im Gebett immer angehalten/ und sich mit Gottes Wort getroestet. Und ob sie wol dabey immer trawrig und kleinmuehtig eynher gangen/ und sich unmitleidig geberdet/ das man ir wol sagen mag/ das dennoch der Glaube durch die dicken trueben Wolcken des Truebsals hindurch geschienen.“48 Die Hl. Hedwig war für den mit dem panegyrischen Personenkult der italienischen Renaissance49 vertrauten Humanisten Cureus eine Heldin – hinsichtlich der christlichen Glaubensausübung ebenso wie in rein weltlichen Belangen: „ein sonderlich Kleinot und große Zierde dieses Landes Schlesien.“50 Sie zu ehren – jedoch würdig und nicht ,abglaubisch‘ – hielt er für notwendig und äußerst nützlich. Indem er ihre Anrufung und den Besuch ihres Grabes, der zu dieser Zeit ohnehin allmählich nachließ,51 aus konfessionellen Gründen ablehnte, schrieb er abschließend: „Last uns ir Gedechtnis ehrlich und loeblich halten/ und Gott fleißig bitten/ das er stets solche fromme Fuerstin und Matronen/ die Gottes Wort und das Vaterland lieben/ erwecken und verleihen woelle/ das im unter uns ein ewige Kirche gesamlet und erhalten werde/ die in recht erkenne/ und außerhalb allerley Abgoetterey und Irrthumb lobe und preise.“52 Die Meinung des böhmischen Jesuitenpaters und berühmten Historikers Bohuslaus Balbinus, daß Cureus „S. Hedvigem Lutheranam facere voluit“,53 scheint übertrieben zu sein, doch hat der Glogauer Arzt tatsächlich eine weitgehende Umformung der Hedwigslegende vollzogen. Dies war ganz im Sinn des von Cureus vertretenen, humanistisch ausgerichteten Philippismus, der ja weit mehr auf eine grundsätzliche Reform der bestehenden christlichen Kirche als auf den Aufbau einer vollkommen neuen abzielte. Die Hedwigsvita Cureus’ entsprang demselben melanchthonschen Geist, der auch aus dem Meßkanon Ambrosius Moibanus’, dem Katechismus Leonhard Krentzheims sowie

48 Ebd., 137. 49 Vgl. Burckhardt, Jacob: Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch, Basel 1955 (Gesammelte Werke 3), 96–104. 50 Schlesische General Chronica, 138. 51 Nikolaus Henelius beschrieb 1613 die Trebnitzer Wallfahrt als ein Phänomen der Vergangenheit: „Peregrinationes ad D. Hedwigis sepulcrum superstitioso illo aeuo celeberrimum“; vgl. Nicolai Henelii U. J. D. Silesiographia, Hoc est: Silesiae Delineatio brevis et succincta: in qua non modo regionis rationem, naturam, cultum & prouentum, verum etiam ingenia, mores & instituta habitantium formamque Reipubl. tanquam in tabula contemplari licet. […], Francofurti […] 1613, 48. 52 Schlesische General Chronica, 138. 53 Miscellanea historica regni Bohemiae dedicadis I. liber IV. hagiographicus, seu Bohemia Sancta, continens sanctos et beatos Bohemiae, Moraviae, Silesiae, Lusatiae, tam eos, qui publicis fastis, aut ipso immemorabilis temporis decursu in censum divorum venerunt; Quam eos, qui licet hoc titulo careant, aut morte ob Christi fidem fortiter tolerata, aut innocentia vitae in antiquitate claruerunt, Aut a scriptoribus idoneis virtutum & sanctimoniae merito commendantur. Authore Bohuslao Balbino, e Societate Jesu, […] Pragae […] 1682, 62f.

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der Ausgabe der Kirchenvätertexte Martin Mollers spricht.54 Eine solche Neubewertung der beliebten, weit und breit bekannten Legende im protestantischen Sinn wurde zu einem wichtigen Faktor in der Bildung der Kulturidentität des evangelischen Schlesien. Inwieweit aber war das Verhältnis des Chronisten, eines schlesischen Patrioten, zu Person und Verehrung der Hl. Hedwig rein konfessionell bestimmt? Ganz zum Schluß des betreffenden Kapitels zeigte Cureus einen weiteren Grund auf, warum man das Andenken der Patrona Silesiae pflegen sollte: „S. Heduigis hat nach ir ein herrlich Geschlecht/ und viel Nachkom[m]en/ gelassen/ welche lange zeit in Schlesien geherrschet/ und sein von irem Geschlecht noch heutigs tags vorhanden/ die Erleuchte Fuerste zur Lignitz und Brieg/ […]. Diese Fuersten/ ob inen wol die Kron Polen unbillich entwand/ hat nichts desto minder der guetige Gott sonst mit Land und Leuten und anderem zeitlichen Segen/ und (welchs das groeste ist) mit warem erkentnis seines geliebten Sons Jesu Christi/ und der waren Religion/ reichlich begnadet und versehen: Also das man an jnen ein lebendig Exempel sihet dieser Goettlichen Verheißung: Der Same der Gerechten wird gesegnet.“55 Angesichts der bevorstehenden Konfrontation der schlesischen Stände mit der zentralistisch orientierten Obrigkeit war die Betonung der Verwandtschaft der Liegnitz-Brieger Piasten mit der heiliggesprochenen Patrona Silesiae gewiß eine erhebliche politische Stärkung des regierenden einheimischen Herzogshauses, das man für einen Garanten der staatsrechtlichen und kulturellen Unabhängigkeit von der Macht der Habsburger hielt. Das Werk von Joachim Cureus prägte für längere Zeit die regionale Historiographie. Es erschien in mehreren Auflagen und wurde auch in neuere Chroniken übernommen, etwa in die 1625 in Leipzig gedruckte „New Vermehrte Schlesische Chronica“ von Jakob Schickfuß.56 Man kann somit annehmen, daß die von Cureus vorgelegte Neuinterpretation der Hedwigslegende zum geistigen Allgemeingut in den evangelischen Gebieten Schlesiens wurde. Der Calvinist Friedrich Lucae brauchte in seinem monumentalen Werk „Schlesiens curieuse Denckwuerdigkeiten“ schon nicht mehr zu erörtern, ob es im Leben der schlesischen Fürstin 54 Bahlow, Ferdinand: Leonhard Krentzheim, der ,heimliche Kalvinist‘ in Liegnitz. In: Mitteilungen des Geschichts- und Altertums-Vereins zu Liegnitz 15 (1934/35) 106–220. Vgl. ferner Sabisch, Alfred: Der Meßcanon des Breslauer Pfarrers Dr. Ambrosius Moibanus. Ein Beitrag zur Geschichte des protestantischen Gottesdienstes in Schlesien in den ersten Jahren der Glaubensspaltung. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 3 (1938) 98–126; Axmacher, Elke: Praxis Evangeliorum. Theologie und Frömmigkeit bei Martin Moller (1547– 1606), Göttingen 1989 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 43); dies.: Die Rezeption mittelalterlicher Mystik durch Martin Moller. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 68 (1989) 7–26. 55 Schlesische General Chronica, 138f. 56 Schickfuß: New Vermehrte Schlesische Chronica, 22–27: Kurtzer Bericht von S. Hedwigen Geschlecht, Wandel und Leben [wortgetreu von Cureus übernommen].

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überhaupt eine ,wahre Heiligkeit‘ gegeben habe. Wenn er in seiner früheren „Schlesische[n] Fuersten-Krone“ das durch den Jesuitenpater Valentin Leucht gezeichnete Bild der Hl. Hedwig57 noch deutlich mißbilligte,58 so enthielt er sich in seinem Hauptwerk aller kritischen Kommentare. Die einzigen konfessionellen Akzente lassen sich dort in den Lebensbeschreibungen der beiden Breslauer Bischöfe Konrad I., Herzog zu Oels, und Petrus II. Nowack ausmachen. Über den erstgenannten schrieb Lucae: „Wie ihm auch sonst die praechtigen Ceremonien bey dem Gottes-Dienst hoechst beliebten/ so stellte er allerhand Reformationes in den Schlesischen Kirchen an/ und ließ viel Aberglaubisches Wesen mit unterlauffen. Sonderlich stifftete er den andaechtigen Hedwig/ St. Annae/ St. Catharinae/ St. Dorotheae/ St. Johanni zu Ehren/ allerhand Heiligen-Dienst und Walfahrten.“59 Der zweitgenannte brachte wiederum „allerhand neue Heiligen-Dienste auff/ welche der Kirchen und dem Volck selbst mehr aberglaubisch als erbaulich zusehn schienen. Die große Procession welche jaehrlich der andaechtigen Hedwig zu Ehren geschicht/ da die Roemische Geistlichkeit/ samt ihrem Anhang mit Trommeln und Pfeiffen/ auch fliegenden Fahnen/ von Breßlau biß Trebnitz/ sind 4. Meil Wegs/ zu ihrem Grabe verrichtet/ ist auch von diesem Petro angefangen und angeordnet worden.“60 In beiden zitierten Abschnitten ist nicht von der Hl. Hedwig, sondern von der „andaechtigen“ Hedwig die Rede. Diese Bezeichnung trat in der Chronik von Lucae dreizehnmal auf und wurde hier, wie es scheint, zum begrifflichen Äquivalent der einst von Cureus vollzogenen Neuauslegung der Hedwigslegende. Die Erwähnung der „andaechtigen“ Hedwig im Sinne einer wahrlich Heiligen neben den mit einem konventionellen „St.“ versehenen Anna, Katharina, Dorothea und Johannes bezeugt deutlich die besondere Rolle, die der Landesmutter im schlesischen Protestantismus zuteil wurde. Im 18. Jahrhundert gab es in der evangelischen Geschichtsschreibung Schlesiens hinsichtlich des Bildes der Hl. Hedwig keinerlei polemische Akzente mehr. Johann Sinapius wies denjenigen Leser seiner „Olsnographia“,61 der mehr über die 57 Leucht, Valentin: Speculum historicum illustr. miraculorum hospitalitatis & liberalitatis: Das ist/ Historischer Spiegel von den denckwirdigen Miraculn der vortrefflichen Tugendt der Hospitalitet und Freygebigkeit gegen den armen Duerßtigen: Und wie Gott jederzeit solche so reichlich/ zeitlich und ewig belohnet/ und hergegen den Geitz und Wucher gestraffet hat: Mehrertheils auß H. Schrifft/ und den Annalibus Cardinalis Baronij zusammen bracht/ und etlicher maßen mit Annotationibus moralibus erklaeret […], Coelln […] 1598, fol. 296 r–300 v. 58 Lichtstern [Lucae]: Schlesische Fuersten-Krone, 87: „Doctor Leuchten in vitis Sanctorum [der Hl. Hedwig] mehr goettliche Heiligkeit zueignet/ als er beweisen kan.“ 59 Ders.: Chronica, 258f. 60 Ebd., 262. 61 Olsnographia, Oder Eigentliche Beschreibung Des Oelßnischen Fuerstenthums In NiederSchlesien/ welche in zwey Haupt-Theilen/ so wohl insgemein Dessen Nahmen/ Situation, Regenten/ Religions-Zustand/ Regiments-Wesen und andere notable Sachen/ Als auch insonderheit die Staedte und Weichbilder des Oelßnischen Fuerstenthums mit Ihren Denck-

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Abb. 29. Die evangelische Geschichtsschreibung des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts befreite die Verehrung der Hl. Hedwig von hagiographischen Schemata, indem sie ihr Leben vom Standpunkt universal begriffener Tugenden und Verdienste für die Heimat erklärte. Im Jahr 1631 veröffentlichte der Breslauer Drucker Georg Baumann eine neue Ausgabe der Hedwigs-Legende, dabei reduzierte er aber – wahrscheinlich aus Kostengründen – das Bildmaterial auf ein Minimum.

Vita der Heiligen wissen wollte, nicht nur auf die beiden Breslauer Ausgaben der „Legenda maior“,62 sondern auch auf das 1686 in Glatz gedruckte Hedwigsbuch eines Jesuiten63 hin. In der Beschreibung der Hedwigskapelle der Klosterkirche in Trebnitz beschränkte er sich wiederum auf die Übersetzung des entsprechenden wuerdigkeiten vorstellet/ Ausgefertiget von Johanne Sinapio, Rectore der Fuerstl. Schule und Bibliothecario zur Oelße, Leipzig und Franckfurt […] 1707, 81f. 62 Sinapius nennt sowohl die erste Ausgabe von 1504 als auch die in der evangelischen Druckerei Georg Baumanns gedruckte zweite Ausgabe von 1631: Das Leben und die Geschichte der Heyligen Hedwigis/ geborner Fuerstin von Meranien/ Großhertzogin in Polen und Schlesien. Hiebevor außgegangen zu Breßlaw im 1504. Jahre: anjetzo nach laut selbigen Exemplare auch daselbst gedruck durch Georgium Baumann, [Breslau] 1631. Im Gegensatz zur reich illustrierten ersten Ausgabe enthielt die zweite nur zwei Stiche (Abb. 29), die auch in anderen Drucken dieser Werkstatt Verwendung fanden. 63 Tugendreiches Leben/ Und fuertreffliche Wunderthaten/ Vor- Bey- und nach dem Ableiben/ Der Hoch-heil. und Hoch-maechtigen Himmels-Fuerstin Hedwigis/ Unserer gnaedigesten

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Abschnitts der „Silesiographia Renovata“,64 die von dem Katholiken Michael Joseph Fibiger bearbeitet und herausgegeben worden war. Gleichsam im Gegenzug für die konfessionelle Objektivität des Rektors der fürstlichen Schule zu Oels nahm der schon erwähnte Jesuitenpater Karl Regent 1723 ein ganzes Kapitel über die Verehrung der Hl. Hedwig durch die Evangelischen in sein „Exempel der Schlesier“ auf.65 Die Parteien des konfessionell heterogenen Schlesien begannen sich merklich mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß jene „andaechtige“ bzw. heilige Herzogin sowohl für die Evangelischen als auch für die Katholiken als Landesmutter zu betrachten sei. Die Religionspolitik Friedrichs des Großen begünstigte den allmählichen Abbau der konfessionellen Abgrenzung, und gerade die Jesuiten, die, wie es das Beispiel des beinahe als ökumenisch zu bezeichnenden Hedwigsbuches Karl Regents zeigt,66 auf eine solche Aufgabe gut vorbereitet waren, haben sich bei der Umsetzung dieser Politik vielfältig engagiert. Der Aufstieg der Hl. Hedwig beinahe bis zur preußischen Staatsheiligen bildete eine wichtige und wirksame Grundlage, die konfessionell und national heterogene Bevölkerung Schlesiens schrittweise zusammenzuführen. Als aber vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die nationale Auseinandersetzung in den Vordergrund trat, wurde die Patrona Silesiae erneut zu einem Symbol: In diesem Fall zum Inbegriff des ,Deutschtums‘, das mit dem angeblich der Hl. Hedwig gegenüber gleichgültigen ,Polentum‘ konfrontiert wurde.67 „Deutsch war ihr ganzes Wesen“ – schrieb im Jahr 1938 der evangelische Pastor Emil Tschersich in seiner umfangreichen Abhandlung „Herzogin Hedwig, eine deutsche Frauengestalt“.68 Wenn in dieser Schrift an anderer Stelle zu lesen ist: „Deutschtum und Christentum waren für sie eine lebensvolle Einheit. Ohne diese tatkräftige, gut deutsche und glaubensstarke Frau hätten wir keinen Hohenzollernstaat bekommen, kein preußisches

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Schutz-Frauen/ Und Allgemeinen Mutter aller Beduerfftigen, Glatz 1686. Der Verfasser der „Olsnographia“ beruft sich auf „pag. 18. seqq.“ des Buches. Olsnographia, 619–628, hier 625. Vgl. ferner Silesiographia Renovata, 599–601, hier 601. Regent: Exempel der Schlesier. Als weiterer Beleg für die jesuitischen Bemühungen, die Verehrung der Hl. Hedwig möglichst überkonfessionell zu verbreiten, seien die Liegnitzer Schloßpredigten aus den Jahren 1696–1699 angeführt. Wandel und Wuerthschafft Der Heil. Frauen Hedwigis/ In vier Predigten/ so an ihrem heiligen Fest-Tag seynd gehalten worden/ zu Liegnitz in der SchloßCapellen Der Heil. Hedwig. Von 1696 bis 1699. Vorgestellet durch P. V. Scheffer/ der Soc. Jesu Priestern und Predigern zu Breßlau im Gottes-Hauß des Allerheiligsten Namens Jesu, Glatz o. J. Die Verehrung der Hl. Hedwig war in Polen, insbesondere in Großpolen, aber auch in Krakau sehr verbreitet. Dies wird in der deutschen Literatur immer noch unterschätzt, und selbst Joseph Gottschalk hebt die Tatsache nicht ausreichend hervor, daß ohne die Fürsprache des polnischen Königs Johann III. Sobieski und seiner Frau Maria Casimira die Hl. Hedwig entweder nie oder erst viel später als im Jahr 1706 zur allgemein verehrten Heiligen der römisch-katholischen Kirche geworden wäre; vgl. Gottschalk: St. Hedwig, 311–315, hier 313. Tschersich: Herzogin Hedwig, hier 103.

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Königtum,“69 so muß man, um den Tenor der Ausführungen richtig einzuschätzen, die kurze Schlußbemerkung des Verfassers ebenfalls berücksichtigen: „Die erste Fassung meiner Schrift stammt vom Muttertage des Dritten Reiches 1937.“70 Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, daß auf das Bild der schlesischen Landesmutter, die Katholiken und Evangelischen, Polen und Deutschen gemeinsam ist, nie wieder so düstere Schatten geworfen werden.

69 Ebd., 114. 70 Ebd., 129.

Johann Christian – ein unbeugsamer Fürst. Die „Europäische Allegorie“ von Bartholomäus Strobel dem Jüngeren im Museo del Prado in Madrid Die schlesische Kunst der Renaissance und des Manierismus (1520–1650) zeichnete sich der Form nach durch eine konfessionsübergreifende Homogenität aus. Die Architektur entwickelte sich aus den italienisch geprägten Bauten der Familie Parr (Abb. 72) über die niederländische Spätrenaissance des Podiebradschen Schlosses in Oels und die manieristische Nachgotik des Schönaichschen Schlosses in Carolath zum barocknahen Spätmanierismus der von Hans Ulrich Graf von Schaffgotsch gestifteten Kirche in Altkemnitz bei Hirschberg (Abb. 45).1 Auch die Plastik war zunächst von italienischen Formen beherrscht: Ab etwa 1560 wurden sie allmählich durch den niederländischen bzw. sächsisch-Dresdner Manierismus zurückgedrängt (Abb. 48), und ab etwa 1610 dominierte der spätmanieristische Stil nach sächsisch-Freiberger und sächsisch-Pirnaer Vorbild (Abb. 3).2 Die Malerei blieb zunächst weiterhin unter dem Einfluß der Werkstatt Lucas Cranachs d. Ä. (Abb. 41), mit der Zeit nahm aber auch sie viele niederländische Anregungen auf, die durch Graphiken nach Schlesien vermittelt wurden (Abb. 42).3 Die hohe Qua1

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lität der späthumanistischen Kultur in Schlesien sowie die vielfältigen Verbindungen der schlesischen, hauptsächlich Breslauer Eliten zum Kaiserhof in Prag begünstigten die umfassende Rezeption der rudolfinischen Kunst.4 Die Werke ihrer bekanntesten Vertreter, des Bildhauers Adriaen de Vries und des Malers Bartholomäus Spranger, schmückten zu Anfang des 17. Jahrhunderts wichtige Altäre und Epitaphien, die sowohl von katholischen als auch von protestantischen Stiftern errichtet wurden.5 Die am Prager Hof erarbeiteten Muster fanden Eingang in die Werkstätten der Breslauer Maler und Goldschmiede. Einer von ihnen, Bartholomäus Strobel d. Ä., besaß sogar ein echtes „des Sprangers Täflein wie Johannes in der Wüsten predigt“,6 das er 1612 testamentarisch an seinen Sohn vererbte, der wie sein Vater Maler war. Für den jungen Strobel mußte dieses Werk, angesichts seiner späteren Entwicklung, einen hohen Symbolwert haben: Er gilt heute als einer der wichtigsten Epigonen der rudolfinischen Manier.7 Fast von Anfang an war die Laufbahn Bartholomäus Strobel d. J. mit einflußreichen Mäzenen verbunden.8 Zum Kreis der Förderer gehörten der Breslauer Bi-

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nowski, Piotr/Gromadzki, Jan: Theatrum Vitae et Mortis. Grafika, rysunek i malarstwo książkowe na Śląsku w latach ok. 1550 - ok. 1650, Wrocław 1995. Lubos, Arno: Der Späthumanismus in Schlesien. In: Jahrbuch der Schlesischen FriedrichWilhelms-Universität zu Breslau 2 (1957) 107–147; Kořán, Ivo: Prasko-wrocławski krąg późnych humanistów. In: Annales Silesiae 6 (1976) 57–73; Fleischer, Manfred P.: Späthumanismus in Schlesien. Ausgewählte Aufsätze, München 1984. Larsson, Lars Olof: Adrian de Vries. Adrianus Fries Hagiensis Batavus 1545–1626, Wien/ München 1967, 46f., 57f.; DaCosta Kaufmann, Thomas: The School of Prague. Painting at the Court of Rudolf II, Chicago/London 1988, 274. Wernicke, Ewald: Neue Ermittelungen zur Geschichte der schlesischen, insbesondere Breslauer Maler. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 5 (1888) 48f. DaCosta Kaufmann: The School of Prague, 109. Batowski, Zygmunt: Bartłomiej Strobel, malarz śląski XVII wieku. In: Księga pamiątkowa ku czci Bolesława Orzechowicza, Lwów 1916, Bd. 1, 1–26; Scheyer, Ernst: Der Maler Bartholomaeus Strobel. Künstlerische Beziehungen Breslaus zu Danzig in der Zeit des großen Krieges. In: Ostdeutsche Monatshefte 13 (1932–1933) 526–537; Iwanoyko, Eugeniusz: Bartłomiej Strobel, Poznań 1957; Neumann, Jaromír: Kleine Beiträge zur rudolfinischen Kunst und ihre Auswirkungen. In: Umění 18 (1970) 142–167; Ossowski, Zdzisław: Obraz Bartłomieja Strobla w Madrycie. In: Biuletyn Historii Sztuki 51 (1989) 152–156; Benesz, Hanna: Daniel and King Cyrus in Front of Baal. A late Rudolfine and late humanist painting by Bartholomäus Strobel from the collection of the National Museum in Warsaw. In: Bulletin du Museé National de Varsovie 32 (1991) 59–77; Szczepińska-Tramer, Joanna: El „Festin de Herodes“: notas sobre el cuadro de Bartholomäus Strobel. In: Goya 223–224 (1991) 2–15; Tylicki, Jacek: „Adoracja Chrystusa Ukrzyżowanego“ Bartłomieja Strobla w Toruniu. Próba interpretacji. In: Acta Universitatis Nicolai Copernici. Zabytkoznawstwo i Konserwatorstwo 17 (1991) 249–261; Szczepińska-Tramer, Joanna: „Daniel y Ciro ante Bel“, cuadro de Bartholomäus Strobel en el Museo Nacional de Varsovia. In: Goya 229–230 (1992) 18–28; Tylicki, Jacek/Meyer, Ludwig: Sztuka i polityka anno 1639. Obraz Bartłomieja Strobla w Prado. In: Porta Aurea 2 (1993) 101–142; Tylicki, Jacek: Bartholomaeus Strobel pictor Thorunensis. Problem lokalizacji pracowni mistrza w Polsce. In: Biuletyn Historii Sztuki 56 (1994) 373–

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schof Erzherzog Karl von Habsburg, der sächsische Kurfürst Johann Georg I., der polnische König Sigismund III. Wasa, schließlich zwei deutsche Kaiser: Matthias und Ferdinand II. Ferdinand erneuerte im April 1624 den von seinem Vorgänger ausgestellten Freibrief für Malkunst im Königreich Böhmen,9 wozu möglicherweise Strobels Portrait des Kaisers beigetragen hatte. Als „gefreiter Mahler undt Condterfetter“ führte Strobel hauptsächlich Auftragsarbeiten für weltliche und geistliche Persönlichkeiten aus. Zu den Auftraggebern gehörte höchstwahrscheinlich die polnische großadelige Familie Ostroróg, die wohl das früheste signierte Bild Strobels, die „Steinigung des Hl. Stephan“ (1616–1618) im Posener Nationalmuseum, in Auftrag gegeben hatte,10 und zweifellos der Breslauer Domherr Philipp Jakob von Jerin, für den der Maler das Hauptwerk seiner schlesischen Zeit schuf: das geheimnisvolle, äußerst „rudolfinische“ Bild „König David und Batseba“ (1630), das heute im Schloß Münchengrätz aufbewahrt wird.11 Zu den Freunden des Malers gehörte spätestens seit 1627 Martin Opitz, der sich zu jener Zeit in Breslau im Dienst von Karl Hannibal Burggraf von Dohna aufhielt.12 Von dem Talent des Künstlers begeistert, schrieb er im Gedicht „Ueber des berühmbten Mahlers Herrn Bartholomei Strobels Kunstbuch“: „Das du für allen giebst, zu Antorff sey Rubeen; De[n] Spranger rühme Prag/ und Hollandt seinen Veen/ Auch Welschlandt den Urbin, dich kan mein Breßlaw zeigen/ Der Künste Säugerinn. Es würde selber schweigen Parzhasiüs der erst den Schatten aufgebracht/ Dir reichen seine Kron/ und nicht so unbedacht Im Purpur für dir stehn du stichst mit deinen Strahlen Der alten Hoffart hin. Apelles mußte mahlen Philippens großen Sohn/ der Kayser Ferdinand Wil abgebildet seyn von deiner schönen Hand.

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379; ders.: Drei schlesische Zeichnungen und ein verschollenes Werk von Spranger. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 57 (1994) 90–101; Oszczanowski/Gromadzki, Theatrum Vitae et Mortis, 89–92, 119f.; Tylicki, Jacek: Bartłomiej Strobel – malarz epoki wojny trzydziestoletniej, Bd. 1–2, Toruń 2000. Text des Freibriefes bei Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 405f. Oszczanowski, Piotr: Obraz Bartłomieja Strobla Mł. „Ukamienowanie św. Szczepana“ – próba odczytania treści i funkcji dzieła. In: Nobile Claret Opus. Studia z historii sztuki dedykowane Mieczysławowi Zlatowi, Wrocław 1998 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2016, Historia Sztuki 13), 308–317. Vgl. ferner Iwanoyko: Bartłomiej Strobel, 56–58, 115; Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 52–58, Bd. 2, 20f. Neumann: Kleine Beiträge zur rudolfinischen Kunst, 161–163; DaCosta Kaufmann: The School of Prague, 109; Benesz: Daniel and King Cyrus in Front of Baal, 62–64; SzczepińskaTramer: „Daniel y Ciro ante Bel“, 6; Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 58–71, Bd. 2, 31–33. Szyrocki, Marian: Martin Opitz, Berlin 1956, 77–99; Garber, Klaus: Martin Opitz. In: Steinhagen, Harald/von Wiese, Benno (Hg.): Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts. Ihr Leben und Werk, Berlin 1984, 116–184, hier 128–130. Dort auch frühere einschlägige Literatur.

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Daß aber dein Gemüt’ auch durch ein Buch wil weißen Deß klugen pinsels Geist/ wie soll ich dieses preisen?“13 In einem anderen Gedicht aus derselben Sammlung, „An eben ihn/ oder seine Abbildung eines Frawenzimmers“, drückte Opitz seine Begeisterung auf noch deutlichere und zugleich raffiniertere Weise aus: „Wem seh’ ich/ oder wer sieht mir vom bilde zu? Hatt’s die Natur gemacht/ Herr Strobel/ oder du? O Bildt! o nicht ein Bildt! diß lieblich seyn/ diß lachen/ Den Halß/ diß Haar/ den Mundt/ kan diß der Pinsel machen? Wo bleibet dann der Geist? das Antlitz ist allhier: Der Geist sey wo er wil/ das Mensch steht doch bey mir. Es lebet/ oder muß ja etwas in ihm leben/ Bist du Bildt oder Mensch? wilt du nicht Antwort geben?“14 Beide Künstler verband die Sorge um die wichtigsten humanistischen Werte, um die Zukunft der Wissenschaften und Künste sowie der christlichen Tugenden und Bräuche, die sie vom Krieg bedroht sahen. In der allegorischen Zeichnung des Malers „Das Schicksal der schönen Künste in Schweidnitz während des Krieges“ von 162615 klingt die gleiche Stimmung an wie in den berühmten „Trostgedichte[n] in Widerwertigkeit deß Krieges“ des Dichters: „So ist die Gottesfurcht auch mehrentheils verschwunden/ Und die Religion gefangen und gebunden/ Das Recht ligt unterdruckt/ die Tugend ist gehemmt/ Die Künste sind durch Koth und Unflat überschwemmt.“16 Ähnliches bringen auch einige spätere Zeichnungen von Strobel zum Ausdruck, vor allem die in Danzig entstandene „Allegorie des Schicksals der freien Künste in der Zeit des Krieges“ (1636), die sich im Stammbuch von Heinrich Böhme aus Namslau befindet (Abb. 68).17 Die Zeichnung stellt Bellona und König Midas mit einem Engelsgenius in der Mitte dar; sie beugen sich über eine Darstellung des 13 Martini Opitii Deütscher Poëmatum Anderer Theil. In verlegung David Müllers Buchhändlers in Breßlaw. MDC XXVIIII, 379–381, hier 380. 14 Ebd., 381. 15 Ehemals im Schlesischen Museum für Kunstgewerbe und Altertümer in Breslau, seit 1945 verschollen. Vgl. Batowski: Bartłomiej Strobel, 10f.; Scheyer: Der Maler Bartholomaeus Strobel, 529f.; Iwanoyko: Bartłomiej Strobel, 104f., 107f., 119f.; Oszczanowski/Gromadzki: Theatrum Vitae et Mortis, 90; Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 46–48, Bd. 2, 79f. 16 Trost Gedichte In Widerwertigkeit Deß Krieges. In vier Bücher abgetheilt, Und vor etzlichen Jahren von einem bekandten Poëten anderwerts geschrieben. In verlegung David Müllers Buchhendlers in Breßlaw. Leipzig/ Gedruckt bey Henning Kölern/ Anno MDC XXXIII, 23. 17 Heute in der Biblioteka Kórnicka PAN in Kurnik bei Posen, Handschriftenabteilung. Vgl. Batowski: Bartłomiej Strobel, 12f.; Scheyer: Der Maler Bartholomaeus Strobel, 532f.; Iwanoyko: Bartłomiej Strobel, 105f., 120; Oszczanowski/Gromadzki: Theatrum Vitae et Mortis, 90; Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 99–102, Bd. 2, 77; Harasimowicz, Jan: Problem ‚prawa natury‘ w malarstwie czasów wojny trzydziestoletniej. In: Kozieł, Andrzej/Lejman, Beata

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Lehrsatzes des Thales. Die Figuren versinnbildlichen den Widerspruch zwischen der Welt der Politik und Macht einerseits und dem Naturrecht andererseits, das objektiv und universal ist wie die Geometrie. In den Jahren 1634 bis 1635 sahen sich sowohl Opitz als auch Strobel gezwungen, Herzog Johann Christian von Brieg zu folgen und nach Polen auszuwandern.18 Der erste zählte nämlich zu den Drahtziehern der ,Konjunktion‘ und des antihabsburgischen Bündnisses, der andere teilte einfach das Los vieler schlesischer Protestanten, die in dem vom Krieg verwüsteten und der kaiserlichen Macht gänzlich ausgesetzten Land keinen Platz für sich finden konnten. In der Person Gerhard Graf von Dönhoffs, eines vertrauenswürdigen Beraters Wladislaws IV. und späteren Marienburger Ökonomen, Danziger Kastellans und Pommerellischen Woiwoden, fanden die Flüchtlinge ihren wichtigsten Förderer.19 Die Heirat mit der Tochter des Brieger Herzogs, Sibylle Margaretha, machte ihn mit den schlesischen Angelegenheiten vertraut, in die er schon früher von seinem Militärprediger Bartholomäus Nigrinus aus Brieg eingeführt worden war. Graf von Dönhoff war es zu verdanken, daß Opitz dem polnischen König vorgestellt wurde. Auf dessen Empfehlung bekam er die Stelle des königlichen Historiographen, und kurz darauf wurde er mit dem Posten des Sekretärs oder sogar Agenten betraut. Aus Dankbarkeit für die Unterstützung widmete ihm Opitz die in Danzig herausgegebene „Antigone“-Übersetzung (1636)20 und seiner Frau, „meiner gnaedigen Fuerstin und Frawen“, die „Geistliche[n] Poemata“ (1638).21 Wahrscheinlich konnte auch Strobel die Förderung des einflußreichen Marienburger Ökonomen genießen. Das im Warschauer Nationalmuseum aufbewahrte kleinformatige Bild „Daniel und König Kyrus vor dem Götzen Baal“ (1636/37),22 mit einer procalvinistischen und ein-

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(Hg.): Willmann i inni. Malarstwo, rysunek i grafika na Śląsku i w krajach ościennych w XVII i XVIII wieku, Wrocław 2002, 114–122. Alewyn, Richard: Opitz in Thorn (1635/1636). In: Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins 66 (1926) 169–179; Scheyer: Der Maler Bartholomaeus Strobel, 526–537; Cieśla, Michał: Marcin Opitz w Polsce (1635–1639). In: Przegląd Zachodni 8 (1952) 475– 495; Szyrocki: Martin Opitz, 109–133; Iwanoyko: Bartłomiej Strobel, 24–32; Garber: Martin Opitz, 131–133; Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 83–97. Sommerfeld, Gustav: Zur Geschichte des Pommerellischen Woiwoden Grafen Gerhard von Dönhoff († 23. Dezember 1648). In: Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins 43 (1901) 219–265. Des Griechischen Tragödienschreibers Sophoclis Antigone, Deutsch gegeben Durch Martinum Opitium, Dantzig, Andreas Hünefeldt, 1636. Trunz, Erich (Hg.): Martin Opitz, Geistliche Poemata 1638, Tübingen 21975 [11966]. Benesz: Daniel and King Cyrus in Front of Baal; Szczepińska-Tramer: „Daniel y Ciro ante Bel“; Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 120–124, Bd. 2, 42f. Alle genannten Autoren sehen in ihrer Erklärung des Bildes von der konfessionellen Lage in Königlich-Preußen dieser Zeit völlig ab, vgl. Cieślak, Katarzyna: Wittenberga czy Genewa? Sztuka jako argument w sporach gdańskich luteran z kalwinami na przełomie XVI i XVII w. In: Harasimowicz, Jan (Hg.): Sztuka miast i mieszczaństwa XV–XVIII wieku w Europie Środkowowschodniej, Warszawa 1990, 283–301; Harasimowicz, Jan: Nowe spojrzenie na obraz Bartłomieja Strobla Młodszego

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deutig gegen den Götzendienst gerichteten Aussage, könnte davon zeugen. Dönhoff war ein überzeugter Calvinist. Vier Jahre lang (1634–1638) bemühte er sich beim König um die rechtliche Gleichstellung der Danziger Reformierten mit den Lutheranern.23 Es ist wahrscheinlich, daß er den Maler mit der Ausführung des Bildes beauftragt hatte, um es als Argument in dieser Angelegenheit zu nutzen. Dönhoffs Gunst blieb gewiß nicht ohne Einfluß auf die Aufträge, die Strobel seit dem Beginn seines Aufenthalts in Polen erhalten hatte. Seiner Fürsprache war es wahrscheinlich zu verdanken, daß dem Maler am 16. November 1639 von Wladislaw IV. der Freibrief ausgestellt wurde, worin die früheren kaiserlichen Privilegien erneuert wurden.24 Zwischen Martin Opitz, Bartholomäus Strobel d. J., Bartholomäus Nigrinus (damals schon Pastor in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Danzig) sowie Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und Andreas Gryphius,25 die das Akademische Gymnasium in Danzig besuchten, bestanden lebhafte Kontakte. Ein Zeugnis davon gibt das Danziger Porträt von Martin Opitz,26 von Strobel in den späten dreißiger Jahren gemalt, sowie die „Allegorie des ewigen künstlerischen Ruhms“ (1638),27 die auf der letzten Seite von Hoffmannswaldaus Stammbuch „zu guttem gedencken […] in dantzig“ gezeichnet wurde. Obwohl Strobel zwischen Danzig, Thorn und Elbing pendelte, fand er bestimmt Gelegenheit, seine Landsleute zu treffen. Dem Künstler mußten ihre in Polen herausgegebenen literarischen Werke bekannt sein, z. B. das den Danziger Ratsherren gewidmete zweite Herodes-Epos des jungen Gryphius (1635).28 Dank der Berichte aus der Heimat kannte er die Lage Schlesiens und schloß sich den Appellen an die internationale Öffentlichkeit an, das Land von der mit dem Gewissen unvereinbaren ,Tyrannei‘ zu befreien. Das

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„Daniel i król Cyrus przed posągiem Baala“ w Muzeum Narodowym w Warszawie. In: Friedrich, Jacek/Kizik, Edmund (Hg.): Studia z historii sztuki i kultury Gdańska i Europy Północnej. Prace poświęcone pamięci Doktor Katarzyny Cieślak. Materiały z sesji naukowej, Gdańsk 2000, Gdańsk 2003, 135–144. Sommerfeld: Zur Geschichte des Pommerellischen Woiwoden, 250–252. Text des neuen Freibriefes bei Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 415f. Szyrocki, Marian: Der junge Gryphius, Berlin 1959, 71–83; ders.: Andreas Gryphius. Sein Leben und Werk, Tübingen 1964, 20–24. Batowski: Bartłomiej Strobel, 9, 23; Scheyer: Der Maler Bartholomaeus Strobel, 530f., 534; Iwanoyko: Bartłomiej Strobel, 91–94; Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 189–192, Bd. 2, 16f. Heute in der Universitätsbibliothek (Biblioteka Uniwersytecka) in Breslau, Handschriftenabteilung. Vgl. Batowski: Bartłomiej Strobel, 10, 13; Scheyer: Der Maler Bartholomaeus Strobel, 530, 533f.; Iwanoyko: Bartłomiej Strobel, 107f., 120; Oszczanowski/Gromadzki: Theatrum Vitae et Mortis, 90f.; Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 102–105, Bd. 2, 78f. Dei Vindicis et Herodis Interitus. Herôo Carmine ab Andrea Gryphio Glogoviensi Silesio celebratus, Dantisci [Andreas Hünefeld, 1635]. Vgl. ferner Wentzlaff-Eggebert, FriedrichWilhelm: Dichtung und Sprache des jungen Gryphius. Die Überwindung der lateinischen Tradition und die Entwicklung zum deutschen Stil, Berlin 1936, 27–34; Szyrocki: Der junge Gryphius, 43–70.

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Abb. 30. Das große Ölgemälde von Bartholomäus Strobel dem Jüngeren „Gastmahl bei Herodes und die Enthauptung Johannes des Täufers“, heute im Besitz des Museo del Prado in Madrid, wurde in den Jahren 1640 bis 1642 in Elbing oder in Marienburg geschaffen. Seine Konzeption entstand im Umkreis schlesischer Exulanten, die in Polen Zuflucht vor den Grausamkeiten des Dreißigjährigen Krieges suchten. Ihr Mäzen war Gerhard Graf von Dönhoff, enger Freund und vertrauter Mitarbeiter des polnischen Königs Wladislaw IV. Wasa.

riesige allegorische Bild von Strobel im Museo del Prado in Madrid „Das Gastmahl des Herodes und die Enthauptung Johannes des Täufers“ (Abb. 30)29 ist eben ein Appell an die christliche Welt, die bedrohte Heimat zu retten. Die Forderungen der weltlichen und geistlichen schlesischen Patrioten – Protestanten und Katholiken, der Ausgewanderten und in der Heimat Gebliebenen – haben in dem Bild ihren künstlerischen Ausdruck gefunden. Das Werk entstand wahrscheinlich in den Jahren 1640 bis 1642 in Elbing bzw. Marienburg, unter dem Schutz von Gerhard und Sibylle Margaretha von Dönhoff. Die mit zahlreichen Figuren inszenierte Handlung des großformatigen Gemäldes (280 x 952 cm) spielt in der Nacht und ist, in Anlehnung an das elisabethanische Theater, in drei Hauptschauplätze aufgeteilt, denen sich an der rechten Bildseite eine getrennte Nebenszene, die Enthauptung Johannes des Täufers, anschließt. Der allegorisch-moralisierende Sinn der Hauptszene des Bildes, die das feierliche Gastmahl mit zahlreichen zeitgenössischen, politisch hochgestellten Persönlichkeiten zeigt, kündigt sich bereits in der Hintergrundszene an. Diese ist vom Vanitasgedanken geprägt: Zur rechten Seite steht der reichlich gedeckte Tisch mit kostba29 Das Bild wurde dem Maler erst 1970 von Jaromír Neumann überzeugend zugeschrieben, vgl. Neumann: Kleine Beiträge zur rudolfinischen Kunst. Von den unterschiedlichen Erklärungsversuchen seines komplizierten Inhalts wären vor allem zu nennen: Seghers, Lode (Hg.): Europäische Allegorie Prado Nr. 1940, ein Meisterwerk des Manierismus, München/Antwerpen 1961; Szczepińska-Tramer: El „Festin de Herodes“; Tylicki/Meyer: Sztuka i polityka anno 1639; Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 145–158, Bd. 2, 25–29; Harasimowicz, Jan: Jan Chrystian – książę niezłomny. Nowe spojrzenie na obraz Bartłomieja Strobla Młodszego w Museo del Prado w Madrycie. In: Arx Felicitatis. Księga ku czci profesora Andrzeja Rottermunda w sześćdziesiątą rocznicę urodzin od przyjaciół, kolegów i współpracowników, Warszawa 2001, 217–223.

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rem Geschirr, zur linken die den Festgästen aufspielende Musikkapelle. Den Vordergrund, nach der Art eines Proszeniums gestaltet, beherrscht der an einem kleinen Tisch sitzende holländische Admiral Marten Harpertszonn Tromp, der 1639 in der Schlacht bei den Duins die spanische Flotte besiegt hatte. Der französische König Heinrich IV. breitet vor ihm die Früchte des Sieges aus. Die Figurengruppe im Mittelgrund links bilden der kaiserliche Generalissimus Albrecht Eusebius von Wallenstein und seine Mitstreiter Wilhelm Graf von Kinsky, Christian Freiherr von Illow und Adam Erdmann Graf von Trčka sowie einer ihrer Mörder, der Dragoneroberst Walter Butler. An der Festtafel in der Mitte sitzen u. a. der Kurfürst von Sachsen Johann Georg I., der König von England Karl I. mit der von ihm geworbenen spanischen Infantin Maria Anna, vermählt mit Kaiser Ferdinand III., die Königin von Frankreich Maria de Medici und der in sie verliebte George Villiers, Herzog von Buckingham, der Marschall von Frankreich Concino Concini, Marquis d’Ancre, und sogar Maria de Rohan, Fürstin von Chevreuse, die berühmteste Intrigantin des 17. Jahrhunderts. Ihre Gestik und die sich kreuzenden Blicke über den Tisch hinweg deuten an, daß alle ausschließlich mit sich selbst beschäftigt sind. In diesem Kreis bemerkt nur Herodes, in das Gewand eines türkischen Sultans gekleidet, daß das Haupt Johannes des Täufers auf einer großen Schüssel in den Raum getragen wird. Die Frauengruppe um Salome füllt die rechte Seite der ,Szene‘. Einige Frauenfiguren konnten identifiziert werden: Elisabeth Stuart, die Witwe Friedrichs V. von der Pfalz, Eleonora von Brandenburg, Witwe des schwedischen Königs Gustav Adolf, ihre Tochter Prinzessin Christina und ihre Schwester Katharina, Witwe des siebenbürgischen Fürsten Gabriel Bethlen. Die Gruppe schließt mit der orientalisch gekleideten Herodias, die mit einer Handbewegung auf den eine Fackel tragenden Jungen hinweist: Möglicherweise ist es Karl Ludwig, Sohn Friedrichs V. von der Pfalz, der von manchen für den Anwärter auf die böhmische Krone gehalten wurde. Die neben Heriodias stehende Frau stellt mit großer Sicherheit Amalie von Solms dar, die Gattin Friedrich Heinrichs von Oranien, Statthalter der Niederlande, die der Familie des ,Winterkönigs‘ Asyl gewährte. Das Haupt Johannes’ des Täufers auf der großen Schüssel, das von den feiernden Mächtigen dieser Welt unbemerkt bleibt, ist der Schlüssel zur Deutung der programmatischen Botschaft des Bildes (Abb. 31). Es kann als Sinnbild von Schlesien aufgefaßt werden: einerseits als das Haupt des gerade verstorbenen Herzogs Johann Christian, andererseits als das traditionelle Kennzeichen der Stadt Breslau, das auf vielen öffentlichen und privaten Gebäuden angebracht war.30 Die uralte Verehrung Johannes des Täufers, des Schutzherrn Schlesiens und der Breslauer Diözese, die in den nachreformatorischen Kirchenordnungen anerkannt und in der 30 Jurkowlaniec, Tadeusz: Wystrój rzeźbiarski pseudotranseptu katedry we Wrocławiu. In: Rocznik Muzeum Narodowego w Warszawie 36 (1992) 137–162; ders.: Wystrój rzeźbiarski pretorium we Wrocławiu. Ze studiów nad rzeźbą architektoniczną 2 tercji XIV wieku na Śląsku. In: Rocznik Historii Sztuki 22 (1995) 181–222.

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Abb. 31. Das Madrider Bild stellt ein herrliches Festmahl dar, an dem alle wichtigen Persönlichkeiten des damaligen Europa teilnehmen. Sie sind dermaßen in ihre Gespräche vertieft, daß sie dem Kopf Johannes des Täufers, der auf einer großen Schüssel in den Saal hereingetragen wird, keine Aufmerksamkeit schenken. Es ist eine erschütternde Allegorie des Schicksals, das dem schlesischen Herzog Johann Christian von Brieg und dem gesamten schlesischen Land nach dem durch den sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. und Kaiser Ferdinand II. im Jahr 1635 in Prag abgeschlossenen Separatfrieden zuteil wurde.

protestantischen Frömmigkeit tief verankert war,31 verschmolz hier mit der ganz neuen, profanen Verehrung des ,Helden von Brieg‘, dessen Mut und konsequente Haltung allgemein geachtet waren.32 Viele sahen in ihm das Ideal des ,Vorkämpfers 31 Harasimowicz, Jan: Treści i funkcje ideowe sztuki śląskiej reformacji 1520–1650, Wrocław 1986 (Acta Universitatis Wratislaviensis 819, Historia Sztuki 2), 38, 40–42, 59, 70f.; ders.: Mors janua vitae, 127–129, 133–143; ders.: Evangelische Heilige? Die Heiligen in Lehre, Frömmigkeit und Kunst in der evangelischen Kirche Schlesiens. In: Köhler, Joachim/Keil, Gundolf (Hg.): Heilige und Heiligenverehrung in Schlesien, Sigmaringen 1997 (Schlesische Forschungen 7), 171–216, hier 182f., 186. 32 Krebs, Julius: Johann Christian, Herzog von Brieg. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 14, Leipzig 1881, 189–200; Kisza, Andrzej: Jan Chrystian, ewangelicki książę piastowski, Warszawa 1981; Thebesius, Georg: Geschichte der Liegnitz-Brieger Piasten. Bearb. von Georg Jaeckel, Bd. 1–2, Lorch 1980–1982 (Beiträge zur Liegnitzer Geschichte 10–12), hier Bd. 2.

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Christi‘, den Martin Opitz in seinen „Trostgedichten in Widerwertigkeit deß Krieges“ wie folgt beschrieben hatte: „Wann die Religion wird feindlich angetastet/ Da ist es nicht mehr Zeit daß jemand ruht und rastet. Viel lieber mit der Faust wie Christen sich gewehrt/ Als daß sie selbst durch List und Zwang wird umbgekehrt.“33 Obwohl der Herzog nicht wie König Gustav Adolf, der Held jener Epoche, auf dem Schlachtfeld gefallen war, wurde er von vielen Schlesiern zu einem ,Märtyrer des Glaubens‘ erhoben. Bezüge zu der altchristlichen Idee des ,unblutigen Martyriums‘, die von Andreas Gryphius zu einem der Hauptmotive seines literarischen Werkes verarbeitet wurde,34 sind hier deutlich abzulesen. „Eben so finden sich in den Kirchen Jesu zuweilen unblutige Märterer“ – schrieb Gryphius in seinen berühmten „Dissertationes funebres“ – „welche/ ob sie wol durch keinen gewaltsamen Tod Gott preisen/ dennoch in Elend/ in Angst/ in Verfolgung unter der schwersten last und Bedrängnüß also gestorben/ ut se diu mori senserint, daß sie den Tod recht wol gefühlet.“35 Johann Christian, der zeit seines Lebens ständig bedroht und in der Verbannung gestorben war, konnte leicht zu einer ,paradigmatischen Figur‘ für diese Auffassung des Märtyrertums werden. Für die These, daß der Held des Madrider Bildes mit dem Herzog von Brieg identisch ist, spricht die weitgehende Übereinstimmung mit dem biblischen Namenspatron: Johann Christian war nicht nur ein ,Märtyrer‘, sondern auch ein ,Prophet‘. Im Jahr 1646 erschien in Amsterdam die erste Druckausgabe von „Das Briegische Bedencken“.36 Sie enthielt die 1627 von Johann Christian herausgegebene „Fürstliche Briegische Erinnerung, an die Priesterschafft selbiges Fürstenthumbs“ und „Das fürstliche Patent, oder offentliche Außschreiben“. Die beiden Dokumente, die 1637 im Exil verbessert und ergänzt worden waren, galten als Vorbild der ,brüderlichen Belehrung‘, die ein wahrhaft christlicher Herrscher seinen Unter33 Trost Gedichte In Widerwertigkeit Deß Krieges, 68. 34 Schings, Hans-Jürgen: Die patristische und stoische Tradition bei Andreas Gryphius. Untersuchungen zu den Dissertationes funebres und Trauerspielen, Köln/Graz 1966, 166–181. 35 Andreae Gryphii Dissertationes Funebres, Oder Leich-Abdanckungen/ Bey Unterschiedlichen hoch- und ansehnlichen Leich-Begängnüssen gehalten. Auch Nebenst seinem letzten Ehren-Gedächtnüß und Lebens-Lauff/ Zum Druck befördert von Veit Jacob Treschern/ Buchhändlern zu Breßlau. Leipzig/ Gedruckt bey Johann Erich Hahnen/ 1666, 403. 36 Christ=Fuerstliches Bedencken und Ausschreiben, Des weyl. Durchl. Fuersten und Herrn, Hrn. Johann Christian, Hertzogen in Schlesien zu Liegnitz und Brieg etc. Von nothwendiger Ergreiffung derjenigen Mittel, wodurch Gottes gerechtes Gerichte, gefasseter Zorn, und endliche Straffe/ (ueber die boese Welt) mit rechtem Ansehen erkennet; Auch endlich wo nicht abgewendet, doch etlicher maßen vermildert werden moege. Zu heylwaertiger Erinnerung, und hoechstnoethiger Verbesserung des so verfallenen Christenthums. Nach denen Hollaendischen Auflagen wiederum an den Tag gegeben. Gedruckt in diesem 1721. Jahr. Vgl. ferner Bruckner, John: A Bibliographical Catalogue of Seventeenth-Century German Books Published in Holland, Den Haag/Paris 1971, Nr. 136.

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tanen erteilen sollte. Bis 1735 wurden mindestens zehn Ausgaben von „Das Briegische Bedencken“, meistens ohne Ortsangabe, gedruckt. Die Schrift war von Philipp Jakob Spener, dem Vater des Pietismus, hochgeschätzt, weil er darin ein nachahmenswertes Beispiel einer tiefen religiösen Erneuerung sah, die von der profanen Macht ausgegangen war.37 Der von Johann Christian erlangte Ruhm eines ,christlichen Denkers‘ wurde auch seiner Tochter Sibylle Margaretha, Gattin Gerhard Graf von Dönhoffs, zuteil. Zu ihrem Andenken wurde 1658 die Leichenpredigt von Nathanael Wechner in Druck herausgegeben.38 Das Kupfer dazu entwarf der Danziger Maler Adolf Boy (Abb. 32). Dort sehen wir die auf einem Sockel sitzende, Gott den Fürstenhut überreichende Gräfin,39 in der Betrachtung der Heiligen Schrift und zwar des Spruches 1 Tim 4,8 vertieft: „Denn die leibliche Übung ist wenig nütze; aber die Frömmigkeit ist zu allen Dingen nütze und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens.“ Die am Festtisch versammelte europäische Elite reagiert auf das hineingetragene Haupt des Märtyrers und Propheten mit arroganter Geringschätzung. Dadurch wird ihr vorgetäuschtes Christentum angeprangert. Daß Herodes-,Sultan‘ das Haupt auf der Schüssel mit regem Interesse betrachtet, bringt das Desinteresse der Tischgruppe verstärkt in Mißkredit. Hier bestehen Bezüge zu der auf Luther zurückgreifenden Auffassung, wonach die muslimische Welt sich durch eine tiefere Religiosität auszeichne als die christliche Welt.40 Die Entlarvung des falschen Christentums bringt in aller Härte die schlimmste Folge des langen Krieges zum Ausdruck: den Untergang der Werte. Ähnlich klingen die letzten Verse des berühmten Sonetts von Andreas Gryphius „Tränen des Vaterlandes. Anno 1636“: „Doch schweig’ ich noch von dem, was ärger als der Tod, Was grimmer denn die Pest und Glut und Hungersnot: Daß auch der Seelen-Schatz so vielen abgezwungen.“41 Sollte das Opfer, das Johann Christian und durch ihn ganz Schlesien gebracht hatte, angesichts der verlorenen ,christlichen Seele‘ Europas nutzlos bleiben? Strobel mußte dem Betrachter eine Hoffnung lassen: Auf einigen seiner Zeichnungen 37 Wallmann, Johannes/Sträter, Udo/Matthias, Markus (Hg.): Philipp Jakob Spener. Briefe aus der Frankfurter Zeit 1666–1686, Bd. 1: 1666–1674, Tübingen 1992, 412–416, 443–452. 38 Kurkowa, Alicja: Grafika ilustracyjna gdańskich druków okolicznościowych XVII wieku, Wrocław 1979, 76–79. 39 Ihre Gesichtszüge gleichen denjenigen einer jungen Dame, die am rechten Rand des Madrider Bildes den Tod Johannes des Täufers beweint. 40 Fauth, Dieter: Bedeutung des Islam für Erziehungs- und Bildungsvorstellungen vor allem in der radikalen Reformation mit Nachwirkungen. In: Donnert, Erich (Hg.): Europa in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Mühlpfordt, Bd. 1: Vormoderne, Weimar/Köln/Wien 1997, 333–349. 41 Andreae Gryphii Freuden und Trauer-Spiele auch Oden und Sonnette. In Breßlau zu finden Bey Jacob Treschern/ Buchhändl. Leipzig/ Gedruckt bey Johann Erich Hahn. Im Jahr 1663, 677. Vgl. Szyrocki: Der junge Gryphius, 102–105; Trunz, Erich: Weltbild und Dichtung im deutschen Barock. Sechs Studien, München 1992, 92–97.

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Zur Heiligen- und Heldenverehrung

Abb. 32. Sybille Margaretha Gräfin von Dönhoff, Tochter des im Exil verstorbenen Herzogs Johann Christian von Brieg, unterstützte die schlesischen Exulanten im Königlichen Preußen genauso stark wie ihr Mann, Gerhard Graf von Dönhoff. Sie starb 1658 und wurde in der Marienkirche in Danzig beigesetzt. Die zu diesem Anlaß von Nathanael Wechner gehaltene Leichenpredigt wurde im Druck veröffentlicht und mit einem Kupferstich von Jeremias Falck nach der Zeichnung von Adolf Boy versehen.

ist sein Motto „Gott begnadt Hoffnung“ zu lesen. Zwischen dem die Fackel tragenden Erben des ,Winterkönigs‘ und dem siegreichen Admiral Tromp steht ein Löwenhündchen, das als Anspielung auf den Löwen in den Wappen der Niederlande und der Pfalz aufzufassen wäre. Dies verweist auf die einzig mögliche politische Konstellation, die das Fatum über dem Christentum aufzuheben vermochte. Nur die Niederlande als Hort der Freiheit und Tugend könnten der Pfalz zu der verlorenen böhmischen Krone verhelfen und zugleich ihren Ländern sowie ganz Europa Frieden und Glaubensfreiheit wiederbringen. Die Idee der Opferbereitschaft Schlesiens für die Rettung des Christentums, die auf polnischem Boden, in Elbing bzw. Marienburg formuliert wurde, steht in keinem Zusammenhang mit damaligen Optionen der polnischen Politik. Strobels Werk formuliert keine „bildliche Botschaft des Königs Wladislaw IV. für die Oranier“42 und bezieht sich nicht auf die Tätigkeit von Jerzy Ossoliński.43 Das Werk ist eine Huldigung der antihabsburgischen Eliten Schlesiens, die im polnischen und niederländischen Exil lebten, an die drei Helden im Kampf um die po42 Tylicki/Meyer: Sztuka i polityka anno 1639; Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 155–157. 43 Szczepińska-Tramer: El „Festin de Herodes“.

Johann Christian – ein unbeugsamer Fürst

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litische und konfessionelle Freiheit des Landes, die in den Jahren 1639/40 gestorben sind: Johann Christian, den ,unbeugsamen Fürsten‘, Martin Opitz, der die schlesische Sache vor den Mächtigen dieser Welt verteidigt hatte, und den Domherrn Nikolaus von Troilo,44 der sich dafür einsetzte, die katholische Kirche der schlesischen und nicht der kaiserlichen Staatsräson zu unterstellen. Um die Kupferstiche mit den Bildnissen der wichtigsten Persönlichkeiten der europäischen Politik kennenzulernen, mußte sich Strobel die politischen Kontakte von Opitz zunutze machen. Das Gemälde gab ihm eine Chance, seinen Traum von einem großen ,Kunstbuch‘ zumindest teilweise zu verwirklichen. Eine Galerie der Typen, Attitüden und Affekte, die er hier geschaffen hat, würde einige traditionelle, als Sammlung von Vorlagen konzipierte Kunstbücher füllen. Das Werk ist die einzige Schöpfung der schlesischen bildenden Kunst vor Mitte des 17. Jahrhunderts, das dem Niveau der schlesischen Literatur der Zeit gleichkommt. Obwohl es einen verspäteten, manieristischen Rudolfinismus erkennen läßt, werden hier durch die tiefgründige Botschaft und lebendige Dramaturgie die späteren großen ,politischen Tragödien‘ angekündigt: Andreas Gryphius’ „Leo Armenius. Oder Fürsten-Mord“ (1646/47), „Catharina von Georgien. Oder Bewehrte Beständigkeit“ (1647), „Ermordete Majestät. Oder Carolus Stuardus“ (1649/50) und „Großmüttiger RechtsGelehrter. Oder Sterbender Aemilius Paulus Papinianus“ (1659).45

44 Dem Breslauer Prälaten gehört das einzige auf dem Bild angebrachte Wappen. Oszczanowski/Gromadzki: Theatrum Vitae et Mortis, 119, halten ihn für den Stifter des ganzen Bildes. 45 Vgl. Szyrocki: Andreas Gryphius, 78–102; Wiedemann, Conrad: Andreas Gryphius. In: Steinhagen/von Wiese (Hg.): Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts, 435–472, hier 457– 468; Habersetzer, Karl-Heinz: Politische Typologie und dramatisches Exemplum. Studien zum historisch-ästhetischen Horizont des barocken Trauerspiels am Beispiel von Andreas Gryphius’ „Carolus Stuardus“ und „Papinianus“, Stuttgart 1985.

„Der sanfte Tod“. Zur ars moriendi und pompa funebris

Tod, Begräbnis und Grabmal im Schlesien des 16. und 17. Jahrhunderts

I. EX PECCATO IN IUSTITIAM, EX TENEBRIS IN LUCEM, EX MORTE IN VITAM Die von Pest, Hunger, Feuer und Krieg bedrängten Menschen des Mittelalters sahen im Tod eine natürliche, alltägliche und unvermeidbare Erscheinung.1 Seine ostentative Gegenwart im öffentlichen Leben, in der Frömmigkeit des Einzelnen wie der ganzen Gemeinde, in Kunst und Literatur hatten ihn zu einer Gewohnheit werden lassen, ihn ,gezähmt‘.2 Dies bedeutete keinesfalls eine Bagatellisierung des Todes: Für jeden Christen war er das dramatische Ereignis, die entscheidende letzte Prüfung, das göttliche Gericht über die unsterbliche Seele, wenn sie den hinfälligen Körper verließ.3 Auf den Tod, auf seinen Höhepunkt, wie böse Kräfte ein letztes Mal die menschliche Seele zu sich herabziehen wollten, hatte man sich gebührend vorzubereiten. Es gab zu diesem Zweck Handbücher über die ,Kunst des guten Sterbens‘, vor allem aus der Feder Johannes Gersons, Matthäus’ von Krakau und des Kardinals Domenico da Capranica.4 1

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Döring-Hirsch, Erna: Tod und Jenseits im Spätmittelalter. Zugleich ein Beitrag zur Kulturgeschichte des deutschen Bürgertums, Berlin 1927; Stübner, Karl: Commendatio animae. Sterben im Mittelalter, Bern/Frankfurt a. M. 1976; Ariès, Philippe: Geschichte des Todes, München 1982; Vovelle, Michel: La Mort et l’Occident de 1300 à nos jours, Paris 1983. Freybe, Albert: Das Memento mori in deutscher Sitte, bildlicher Darstellung und Volksglauben, deutscher Sprache, Dichtung und Seelsorge, Gotha 1909; Rehm, Walther: Der Todesgedanke in der deutschen Dichtung vom Mittelalter bis zur Romantik, Halle a. d. S. 1928; Lachner, Ewa/Wirth, Karl-August: Art. Dinge, die vier letzten. In: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 4, Stuttgart 1958, 12–22; Rotzler, Willy: Art. Drei Lebende und drei Tote. Ebd., 512–524; Haas, Alois M.: Die Auffassung des Todes in der deutschen Literatur des Mittelalters. In: Jansen, Hans Helmut (Hg.): Der Tod in Dichtung, Philosophie und Kunst, Darmstadt 1978, 165–176; Hammerstein, Reinhold: Tanz und Musik des Todes. Die mittelalterlichen Totentänze und ihr Nachleben, Bern/München 1980. Ariès: Geschichte des Todes, 123–141. Schreiber, Wilhelm Ludwig/Zimmermann, Hildegard: Art. Ars moriendi. In: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 1937, 1121–1127; Rudolf, Rainer: Ars moriendi. Von der Kunst des heilsamen Lebens und Sterbens, Köln/Graz 1957; Chartier, Roger: Les arts de mourir, 1450–1600. In: Annales 31 (1976) 51–75; Rudolf, Rainer: Ars moriendi. Mittelalter. In: Krause, Gerhard/Müller, Gerhard (Hg.): Theologische Realenzyklopädie, Bd. 4, Berlin/New York 1979, 143–149; Włodarski, Maciej: Ars moriendi w literaturze polskiej XV i XVI w., Kraków 1987. Eine der wenigen erhaltenen Exemplare der Krakauer Ausgabe des Traktats von Matthäus von Krakau befindet sich in den Sammlungen der Abteilung Alte Drucke in der Universitätsbibliothek in Breslau [Oddział Starych Druków Biblioteki Uni-

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Zur ars moriendi und pompa funebris

In dem Maß, in dem im 16. Jahrhundert die Moralphilosophie Ciceros und Senecas weiteren Kreisen bekannt wurde, änderten sich die Ansichten über den Tod, insbesondere im Hinblick auf seine letzte Phase, das eigentliche Dahinscheiden. Die Begleitumstände des Sterbens, eben jener ,letzten Prüfung‘, verloren zunehmend an Bedeutung, wachsender Nachdruck lag dagegen auf den Beziehungen zwischen ,gutem Tod‘ und ,gutem Leben‘. Das ,gute Leben‘ meinte hier die tägliche Bereitschaft, dem Tod zu begegnen, sich der eigenen Sterblichkeit und Vergänglichkeit bewußt zu sein.5 Michel de Montaigne schrieb in seinen „Essais“ über den Tod: „Ostons luy l’estrangeté, practiquons le, accoustumons le, n’ayons rien si souvent en la teste que la mort, à touts instants representons la à nostre imagination et en touts visages; […] il est incertain où la mort nous attende: attendons la partout. La premeditation de la mort est premeditation de la liberté: qui a apprins à mourir, il a desaprins à servir: il n’y a rien de mal en la vie pour celuy qui a bien comprins que la privation de la vie n’est pas mal: le scavoir mourir nous affranchit de toute subiection et contraincte.“6 Die philosophische Geringschätzung des Todes, die sich bei Montaigne – in der Tradition Ciceros und Senecas – bis zur Verherrlichung des Selbstmords steigerte, wich zum Teil von der christlichen Lehre über die Letzten Dinge ab.7 Dennoch wurde auch in Schlesien der Versuch unternommen, weltliche Moralphilosophie und religiöse Rechtgläubigkeit miteinander in Einklang zu bringen. Die „Apophthegmata morientum“ des Martin Mylius (1542–1611) – eines Vertreters des schlesischen Späthumanismus8 – sind gleichsam die Erfüllung des Vermächtnisses

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wersyteckiej we Wrocławiu, im folgenden zitiert als BUWr SD]: Ars moriendi ex variis sententiis collecta ad resistendum in mortis agone dyabolice suggestioni valens cuilibet Christifideli utilis ac multum necessaria, Cracoviae 1533 (BUWr SD, Sign. 30 29 15). Ariès: Geschichte des Todes, 382–386. Der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Großpolen und Litauen tätige lutherische Prediger Samuel Dambrowski empfahl in seiner Schrift „Lekarstwo Duszne“ [„Geistige Arznei“]: „Gdy się tak co dzień śmierci lękać będziesz/ tedy on postrach za częstym zwyczaim odmieni się/ y strache [m] być ustanie/ gdy nowy nie będzie. Bo pospolicie ten się cięszko lęka śmierci/ ktory o niey za zdrowia nie myślił [„Wenn du täglich vor dem Tode dich fürchten wirst, dann wird diese Furcht infolge dieser Sitte sich ändern und wird zu keiner Furcht werden. Der fürchtet sich nämlich vor dem Tode gewöhnlich sehr, der über den Tod nicht denkt, als er gesund ist“]. Dambrowski,Samuel: Lekarstwo Duszne/ Człowieka Krześciańskiego/ w Chorobie. Z rozmaitych Nauk/ Pociech y Modlitw/ Patientom Krześciańskim ku używaniu zebrane y w druk podane, Gdańsk [1611], 282. Essais de Michel de Montaigne précédés d’une lettre de A. M. Villemain sur l’éloge de Montaigne, Paris 1865, Bd. 1, 38 (Livre 1, chaptire 20: Que philosopher c’est apprendre à mourir). Althaus, Paul: Die letzten Dinge, Lehrbuch der Eschatologie, Gütersloh 61956 [¹1922] (protestantischer Standpunkt); Ratzinger, Joseph: Eschatologie – Tod und ewiges Leben, Regensburg 1978 (katholischer Standpunkt). Mylius, Martin: Apophthegmata morientum, Hoc est: Voces piorum, Quibus Sub Extremum Halitum Huic Mundo valedixerunt, continentes commonefactiones omnibus pie ex hoc mundo migrare copientibus, utiles, et valde necessarias, Gorlicii [1592]. Vgl. ferner Trunz, Erich: Der deutsche Späthumanismus um 1600 als Standeskultur. In: Zeitschrift für Ge-

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Montaignes, der schrieb: „Et n’est rien dequoy ie m’informe si volontiers que de la mort des hommes, ,quelle parole, quel visage, quelle contenance ils y ont eu‘, ny endroict des histoires que ie remarque si attentifvement […]. Si i’estoy faiseur de livres, ie feroy un registre commenté des morts diverses. Qui apprendroit les hommes à mourir, leur apprendroit à vivre.“9 Mylius’ Büchlein ist Joachim Friedrich, Herzog zu Liegnitz und Brieg, gewidmet und enthält Beschreibungen vom Ableben berühmter Männer und Frauen und ihre letzten Worte, so des Herzogs Georg II., der Ursula von Promnitz, Frau auf Sorau und Triebel, der Pastoren Lukas Pollio des Älteren und Johann Wencki, der Ärzte Johann Crato von Crafftheim, Joachim Cureus und Peter Monau oder des Pädagogen Valentin Trotzendorf. Sie alle bezeugten mit ihrem Leben, einen „guten Kampf gekämpft“ und den „Lauf vollendet“ zu haben. Auf dem Sterbebett bekräftigten sie gemäß des dritten paulinischen Gebotes zum ,guten Leben‘ (2 Tim 4,7), den „Glauben gehalten“ zu haben. Herzog Georg II. soll kurz vor seinem Tod ausgerufen haben: „Ah, veni Iesu Christe, veni et miserere mei!“ Pastor Lukas Pollio dem Älteren werden die Worte: „Jetzt gehe ich in das ewige Leben“, dem Arzt Joachim Cureus „O mihi dulcem mutationem ex peccato in iusticiam, ex tenebris in lucem, ex morte in vitam“ zugeschrieben.10 Das ,Halten des Glaubens‘ – nicht nur in der Stunde des Todes, sondern im Verlauf des gesamten Lebens – ist einer der Hauptwerte des Augsburgischen Bekenntnisses.11 Die der Majestät des Todes gegenüber äußerst respektvolle lutherische Eschatologie kritisierte die gottlose Moralphilosophie Senecas und stellte dem sündhaften, sterblichen, verdammten Menschen den ewigen, unsterblichen, gnädigen Gott gegenüber.12 1520 schrieb Luther in seinem frühen „Tractatus de libertate christiana“: „Christus plenus est gratia, vita, et salute. Anima plena est peccatis, morte et damnatione. Intercedat iam fides, et fiet, ut Christi sint peccata, mors et infernus. Animae vero gratia, vita et salus, oportet enim eum si sponsus est, ea si-

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schichte der Erziehung und des Unterrichts 21 (1931) 17–53; Lubos, Arno: Der Späthumanismus in Schlesien. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 2 (1957) 107–147; Fleischer, Manfred P.: Späthumanismus in Schlesien. Ausgewählte Aufsätze, München 1984. Essais de Michel de Montaigne, Bd. 1, 40. Mylius: Apophthegmata morientum, 31f., 73f., 110–117. Martin Luther schrieb unter anderem: „Deus pater omnia in fide posuit, ut quisquis hanc habuerit, omnia habeat, qui non habuerit, nihil habeat“. D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1–120, Weimar 1883–2009, hier Bd. 7, 53. Althaus, Paul: Luthers Gedanken über die letzten Dinge. In: Lutherjahrbuch 23 (1941), 9–34; Torrance, Thomas F.: Die Eschatologie der Reformation. In: Evangelische Theologie 14 (1954) 334–358; Asendorf, Ulrich: Eschatologie bei Luther, Göttingen 1967; Thiede, Werner: Luthers individuelle Eschatologie. In: Lutherjahrbuch 49 (1982) 7–49; Modalsli, Ole: Luther über die Letzten Dinge. In: Junghans, Helmar (Hg.): Leben und Werk Martin Luthers von 1526 bis 1546. Festgabe zu seinem 500. Geburtstag, Berlin 1985, 331–345, 834–839.

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mul quae sponsa habet, acceptare et ea quae sua sunt, sponsae impartire. […] Ita fit anima fidelis, per arram fidei suae in Christo sponso suo, omnibus peccatis libera, a morte secura et ab inferno tuta, donata aeterna iustitia, vita, salute, sponsi sui Christi, Sic exhibet sibi sponsam sine macula et ruga gloriosam, mundans eam lavacro in verbo vitae id est per fidem verbi, vitae, iustitiae et salutis.“13 Die lutherische ars moriendi sollte den Imperativ des Glaubens an Christus bewußter machen und stärken14 sowie die auf ihm begründete Heilsgewißheit verkünden.15 „Kto wierzy w Pana Jezusa iuż się śmierci nie lęka, iuż spokoynie umiera. Bo tego iest pewien z zasługi Chrystusowey, że mu śmierć nie iest przeszkodą ku dostąpieniu żywota wiecznego. Tą wiarą uzbroiony Paweł święty mówił: Chrystus mi iest żywotem, a śmierć zyskiem“ [„Wer an den Herrn Jesus Christus glaubt, fürchtet sich nicht mehr vor dem Tode, er stirbt ganz gelassen: Denn dieses ist er sich sicher von den Verdiensten Christi, daß der Tod ihm kein Hindernis ist auf dem Weg ins ewige Leben. In diesem Glauben sprach der heilige Petrus: Christus ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn“] heißt es in der in Schlesien sehr beliebten Postille Samuel Dambrowskis.16 Ganz ähnlich klingt das Gebet aus dem „Manuale De Praeparatione Ad Mortem“ Martin Mollers (Abb. 33), zuerst Pfarrers in Sprottau, dann Pastor primarius in Görlitz: „Was solte mir denn Tod thun? Warlich 13 Luther: Werkausgabe, Bd. 7, 54f. Die von Luther formulierte Erlösungskonzeption, jene ,Hochzeit der sündigen Seele mit Christus‘, wurde im 17. Jahrhundert in Schlesien in ein poetisches Bild vom Tod umgeformt. Die „Dissertationes Funebres“ von Andreas Gryphius enthalten unter anderem folgende ,Abschieds-Worte‘ der verstorbenen Jungfrau Marianne von Poppschütz: „Last frey um meinen Sarg die Hochzeit-Fackeln glaenzen;/ Streut Blumen auff mein Grab! Umgebt mit Perlen-Kraentzen./ Die marmor-weiße Stirn/ ziert meine Locke auß./ Ich bin des Hoechsten Braut/ so eyl ich in sein Hauß/ Und prang in weißer Seid’ auß seinem Blut gewaschen/ In dem der Erden Schmuck vergeht in Mott und Aschen.“ Gryphius, Andreas: Dissertationes funebres, Oder Leich-Abdanckungen/ Bey Unterschiedlichen hochund ansehnlichen Leich-Begaengnuessen gehalten, Breslau/Leipzig 1666, 193. 14 Rehm: Der Todesgedanke in der deutschen Dichtung, 139–145; Klein, Luise: Die Bereitung zum Sterben. Studien zu den frühen reformatorischen Sterbebüchern, phil. Diss. Göttingen 1958; Mohr, Rudolf: Art. Ars moriendi. 16.–18. Jahrhundert. In: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 4, Berlin/New York 1979, 149–154. 15 Gottschick, Johannes: Die Heilsgewißheit des evangelischen Christen im Anschluß an Luther. In: Zeitschrift für Theologie und Kirche 13 (1903) 349–435; Kurz, Alfred: Die Heilsgewißheit bei Luther. Eine entwicklungsgeschichtliche und systematische Darstellung, Gütersloh 1933; Meyer, Almut Agnes: Heilsgewißheit und Endzeiterwartung im deutschen Drama des 16. Jahrhundert. Untersuchungen über die Beziehungen zwischen geistlichem Spiel, bildender Kunst und den Wandlungen des Zeitgeistes im lutherischen Raum, Heidelberg 1976. 16 Dambrowski, Samuel: Kazania/ albo/ Wykłady Porządne/ Świętych Ewanieliy Niedzielnych/ Przez cały rok./ […]/ Na cześć i chwałę Wielkiego Boga i Zbawiciela Jezusa Chrystusa zebrane i podług eksemplarza Toruńskiego Roku Pańsk. 1621 w druk podane, Leipzig 1728, 995. Das in BUWr SD aufbewahrte Exemplar dieser Postille (Sign. 38 98 16) gehörte zum Bestand der Bibliothek bei der Kirche St. Christophorus in Breslau. In dieser Kirche wurden lange Zeit hindurch lutherische Gottesdienste in polnischer Sprache abgehalten.

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nichts mehr/ denn das er mich naeher zu dir meinem Herrn Jesu bringe. Derhalben achte ich des Todes gleich wie nichts/ Habe das Leben im Hertzen/ und rede von nichts/ als vom Leben: Denn Christus ist mein Leben/ und Sterben ist mein Gewinn.“17 Die von Dambrowski zitierten Worte Andrzej Ossowskis, Herrn zu Wilkau bei Polnisch Lissa, umschreiben die lutherische Sicht auf den Tod sehr treffend: „Byżeś przyszła corychley o śmierci, naymnieybym się ciebie nie lękał: Wiem że mię ukąsić możesz, zagryść nie możesz. Odiął ci siłę moy Zbawiciel, w którego ia wierząc ciebie się nie boię“ [„Oh, Tod, kämest du doch so schnell wie möglich, umso weniger würde ich dich fürchten: Ich weiß wohl, daß du mich beißen kannst, zu Tode beißen kannst du mich nicht. Deine Kraft hat dir mein Erlöser genommen: weil ich an ihn glaube, fürchte ich dich nicht“].18 Der besiegte und seiner Kraft beraubte Tod wurde im protestantischen Schrifttum Schlesiens als ,Eintritt in ein dunkles Zimmer‘, als ,ein sich Verbergen in nächtlichem Haus‘,19 als eine ,Wanderung‘ vom sterblichen ins unsterbliche Leben20 oder ein vorübergehender Schlafzustand beschrieben.21 „Der Herr hat durch seinen Todt dein Sterben in ein sanfftes Einschlaffen verwandelt/ und dir dein Grab zu einem seuberlichen Ruhebetlein gemacht. Wenn du stirbest/ heißet es Einschlafen: Wenn du ins Grab geleget wirst/ heißet es zu Bette gehen: Wenn man zuscharret/ heißet es die Thuer 17 Moller, Martin: Manuale De Praeparatione Ad Mortem. Heylsame und sehr nuetzliche Betrachtung/ wie ein Mensch Christlich leben/ und Seliglich sterben sol, Goerlitz 1595, fol. 83v. 18 Dambrowski: Kazania, 995. 19 Bock, Jerzy: Nauka domowa i wyjątki z Agendy, bearb. von Wincenty Ogrodziński, Katowice 1936 (Biblioteka Pisarzy Śląskich 5), 10f., 16. 20 Die im gleichen Sinn formulierten letzten Worte des schlesischen Arztes und Humanisten Joachim Cureus dienen als Titel dieses Kapitels. In dem Kontext seien auch die folgenden Äußerungen Samuel Dambrowskis anzuführen: „Cóż jest człowiek na tym świecie, iedno peregryn! […] Pielgrzymujemy bowiem z świata do nieba. Tam oyczyzna nasza: Tuśmy w drodze […]. O błogosławiona śmierci, która nas z śmiertelnego żywota przenosisz do krainy żywiących, iakoż się ciebie lękać, iako raczey nie mówić: Póydź siostro moia, prowadź mię z świata, ukaż mi drogę, abym chodził przed oblicznością Pańską w ziemi żywiących. Tym względem Bernat święty śmierć opisując mówi: Że iest Vitae janua, et perfectae securitatis ingressus, to iest, forta żywota, i weyście do doskonałego bezpieczeństwa“ [„Was ist denn der Mensch auf dieser Erde, allein ein Pilger! […] So pilgern wir nämlich von der Erde in den Himmel. Dort ist unser Vaterland: Hier sind wir unterwegs […]. O gesegneter Tod, der du uns aus dem sterblichen Leben ins Land der Lebenden geleitest, wie sollte man sich vor dir fürchten, wie sollte man nicht eher sagen: Komm, meine Schwester, führ’ mich aus dieser Welt, zeige mir den Weg auf, daß ich vor dem Angesicht Gottes im Lande der Lebenden wandele. So sagt der Hl. Bernhard vom Tod, daß er Vitae janua et perfectae securitatis ingressus, das heißt, das Tor des Lebens sei und der Eingang in die vollkommene Geborgenheit“]. Dambrowski: Kazania, 936, 962. 21 Hoof, Romana von: Bezeichnungen für das Sterben und Todesmetaphorik in Leichenpredigten. In: Lenz, Rudolf (Hg.): Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften, Bd. 3, Marburg a. d. L. 1984, 249–269. Vgl. ferner Kolbuszewski, Jacek: Wiersze z cmentarza, O współczesnej epigrafice wierszowanej, Wrocław 1985, 155–180.

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nach dir zuschließen: Wenn dein Leib verfaulet/ heißet es ruhen/ und dich verbergen/ biß der Zorn fuerueber ist“, erklärt Martin Moller.22 Luther entwarf in seinen Predigten ein ähnliches Bild von Tod.23 Es fand Eingang in viele populäre Schriften eschatologischen Inhalts, so in die Werke von Joachim von Beust,24 David Chytraeus,25 Samuel Dambrowski,26 Bruno Quinos27 und Urbanus Rhegius.28 Diese Handbücher und Traktate erfreuten sich in Schlesien großer Beliebtheit, in vielen verschiedenen Ausgaben haben sie sich in den Pfarr-, Schul- oder Hospitalbibliotheken,29 nicht selten auch in den privaten Sammlungen erhalten. Welch große Rolle die protestantische ars moriendi in der schlesischen Frömmigkeit um die Wende des 16. und 17. Jahrhunderts spielte, illustriert die Grabplatte 22 Moller: Manuale, fol. 96v-97r. Samuel Dambrowski tröstete seine Hörer und Leser mit ähnlichen Worten: „Uczcie się, że śmierć ludzi wiernych nie jest śmiercią, ale snem. […] Bo iako sen ciała tylko morzy, a dusza iest od niego wolna: tak też i śmierć, ciała tylko dyssolucyą czyni, ale duszy nic szkodzić nie może. A iako ten który śpi nadzieię ma, że znowu wstanie: Tak i ten który umiera, wie pewnie że w grobie nie zostanie, ale ma bydź wzbudzon do żywota wiecznego. A tak nie lękaymy się śmierci, zaśniemy tylko nie umrzemy“ [„Vernehmt, daß der Tod der Gläubigen kein Tod ist, sondern ein Schlaf. […] Denn wie der Schlaf nur die Körper überwältigt, die Seele aber frei von ihm ist, so bewirkt auch der Tod nur eine Auflösung des Körpers, der Seele aber kann er nichts anhaben. Und wie der, der schläft, die Hoffnung hat, wieder aufzustehen, so weiß auch der Sterbende sicher, daß er nicht im Grabe bleibt, sondern auferweckt werden soll zum ewigen Leben. Und so fürchten wir uns nicht vor dem Tod, wir entschlafen nur, sterben aber nicht“]. Dambrowski: Kazania, 1003. 23 Luther: Eyn Sermon von der bereytung zum sterben. In: ders.: Werkausgabe, Bd. 2, 680– 697. 24 Beust, Joachim von: Enchiridion de arte beateque moriendi, Lipsiae 1593. 25 Chytraeus, Daniel: De Morte et Vita Aeterna, Vitenbergae 1581. 26 Dambrowski: Lekarstwo Duszne. 27 Quinos, Bruno: Disce Mori. Oder Sterbe Kunst. Das ist/ Ein sehr schönes und nützliches Handtbüchlein/ darinnen etliche außbündige Exempel Hoher Christlicher Personen zu finden/ Daraus man zu Anleitung zu nehmen/ und zu lernen/ Wie man sich zu einem Christlichen Ende bereiten/ […] solle, Bautzen 1580. Vgl. ferner Gerber, Christian: Historia derer Wiedergebohrnen in Sachsen, Oder Exempel solcher Personen, mit denen sich im Leben, oder im Tode viel merckwuerdiges zugetragen; Als eine Continuation Von M. Bruno Quinos, weil. Pred. in Zittau Disce Mori Oder Sterbe-Kunst […], Dresden o. J. 28 Neben den zahlreichen lateinischen und deutschen Ausgaben des populären Handbuches von Rhegius waren in Schlesien sicher auch die Jan Seklucjan zugeschriebenen polnischen Übersetzungen bekannt. Rhegius Urban: Lekarstwo duszne a przyprawienie myśli człowieczej ku śmierci, [Königsberg] ²1551. 29 Von den zu dieser Abhandlung herangezogenen Traktaten stammt das „Enchiridion“ von Beust aus der Bibliothek des Gymnasiums in Brieg (BUWr SD, Sign. 30 78 83), „Lekarstwo Duszne“ von Dambrowski aus der Bibliothek der Pfarrkirche St. Maria Magdalena in Breslau (BUWr SD, Sign. 32 90 42. Besondere Beachtung verdienen die zahlreichen handschriftlichen Verbesserungen), und das „Manuale“ von Moller in der Ausgabe 1617 aus dem Hospital St. Matthias in Breslau (BUWr SD, Sign. 30 30 20). Vgl. ferner Roche, Daniel: La mémoire de la mort. Recherche sur la place des arts de mourir dans la libraire et la lecture en France aux XVIIe et XVIIIe siècles. In: Annales 31 (1976) 76–119.

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Abb. 33. Martin Moller (1547– 1606), Pfarrer und Seelsorger in Sprottau und Görlitz, verfaßte eines der schönsten Handbücher der ‚Sterbekunst’ im evangelisch-lutherischen Europa der Frühen Neuzeit. Dieses mehrmals nachgedruckte und in zahlreiche Sprachen übersetzte Buch erfreute sich in Schlesien großer Beliebtheit. Es wurde u. a. in allen Breslauer Krankenanstalten gelesen.

der Eva Bucher, geborene Thalwenzel (gestorben 1606) in der Pfarrkirche zu Ohlau sehr anschaulich: Die in Lebensgröße dargestellte Verstorbene hält ein kleines Büchlein mit dem Titel „Sterbe Kunst“ in Händen. Wollte man ermitteln, welches Handbuchs sich die Ehefrau des Ohlauer Pfarrers bedient haben könnte, so müßte die Lektüre des „Manuale De Praeparatione Ad Mortem“ Martin Mollers als die wahrscheinlichste gelten. Sein mehrmals in verschiedenen Sprachen in Görlitz, Prag, Basel, Hamburg und Oppenheim30 aufgelegtes Buch war Polixena von Pückler, geborene von Naechern, gewidmet, der Gattin des einflußreichen oberschlesischen Magnaten Balthasar von Pückler, Herrn

30 Im Bestand der BUWr SD befinden sich Exemplare folgender Ausgaben: Görlitz 1595, Görlitz 1605, Praha 1608 (auf Tschechisch), Görlitz 1617, Oppenheim 1619 (auf Französisch), Görlitz 1625. Als Handbuch der ars bene vivendi – ars bene moriendi konnte auch ein anderes Werk Martin Mollers dienen: Soliloquia De passione Jesu Christi. Wie ein jeder Christen Mensch/ das allerheyligste Leyden und Sterben unsers Herrn Jesu Christi/ in seinem Hertzen bey sich selbst betrachten/ Allerley schoene Lehren und heylsamen Trost daraus schoepffen/ und zu einem Christlichen Leben/ und seligen Sterben/ in teglichem Gebet und Seufftzen/ nuetzlich gebrauchen sol, Goerlitz 1587.

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zu Falkenberg und Kujau.31 Schon der Titel kündigte das im Gegensatz zur mittelalterlichen Auffassung stehende neuzeitlich-reformatorische Konzept einer ,Vorbereitung auf den Tod‘ an: „Heylsame und sehr nuetzliche Betrachtung/ wie ein Mensch Christlich leben/ und Seliglich sterben sol.“ Die Kunst, christlich zu sterben, beruhte nach Moller auf einem christlichen, gottgefälligen Leben, dessen wichtigste Grundpfeiler folgende sechs waren: „I. Halt taeglich feste an Gottes Wort/ unnd lerne dasselbe/ recht verstehen/ recht theylen/ und recht gebrauchen. II. Erinnere dich taeglich deiner Heyligen Tauffe. III. Halt dich offt und fleißig zum Heyligen Abendmahl. IV. Lerne dich recht schicken zum Creutz und Leyden. V. Bleibe in deinem Beruff. VI. Bete ohn unterlaß.“32 Fünf dieser Grundsätze betrafen das religiöse Leben, in dem im Einklang mit der Lehre Luthers das göttliche Wort besondere Bedeutung hatte: Es war Bedingung und Garantie für die Erlösung. Eine sechste Regel – in der angeführten Reihenfolge die fünfte – bezog sich auf das gesellschaftliche Leben, die Arbeit und den Beruf, vom Luthertum als Berufung verstanden.33 „Also/ liebe Seele/ sol auch ein jeder gesunder Mensch taeglich seines Beruffs in seinem Stande mit allem fleiß und ernst abwarten. Sol auch lehren/ predigen/ regieren/ straffen/ schnetzen/ haußhalten/ bawen/ bessern/ fuer die seinen sorgen/ als solte er ewig hie bleiben/ und nimmer sterben: Und solches sol er thun aus Gottes Befehl/ und aus Liebe gegen Nachkoemlingen“ – lehrte Martin Moller.34 Sogleich 31 Die hölzernen Epitaphien für Balthasar und Polixena von Pückler, mit den knieenden Gestalten der Verstorbenen in Lebensgröße, befanden sich lange Zeit in der Dorfkirche in Schedlau, Kreis Falkenberg, wohin sie aus der Pfarrkirche zu Kujau überführt wurden. Heute gehören sie zum Bestand des Diözesanmuseums in Oppeln. Chrzanowski, Tadeusz: Rzeźba lat 1560–1650 na Śląsku Opolskim, Warszawa 1974, 82f., Abb. 128f. 32 Moller: Manuale, fol. 24r-52r. 33 Holl, Karl: Die Geschichte des Worts Beruf. In: ders.: Gesammelte Aufsätze, Teil 3: Der Westen, Tübingen 1928, 189–219; Gatzen, Helmut: Beruf bei Martin Luther und in der industriellen Gesellschaft, phil. Diss. Münster 1964; Wingren, Gustaf: Beruf. Historische und ethische Aspekte. In: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 5, Berlin/New York 1980, 657–671. 34 Moller: Manuale, fol. 46r-v. Einige Jahrzehnte später schrieb der polnische Pastor Jerzy Bock aus Oels (Nauka domowa i wyjątki z Agendy, 8f.) im ähnlichen Stil: „Niechże twa po modlitwie ręka nie próżnuje,/ Niech czoło pot wytacza, niech nie przywięzuje/ Serce się do próżnaka, albo co w sklenicy/ Myśl nosi, w łachmanijach chodzi po ulicy. […]/ Gdy już dziatki moc wezmą, nie daj im próżnować,/ Jak zgłowia szatańskiego mamy się warować/ Próżnowania: nie ma-li głowy do nauki/ Syn twój, to zaś rzemiosłem takowe nieuki/ Ciemiężyć, i rzemiosło ma złote dno w sobie“ [„Deine Hand soll nach dem Gebet nicht müßig gehen,/ Von der Stirn soll dir der Schweiß fließen, dein Herz soll/ sich nicht an einen Faulpelz hängen, oder gar den Verstand im Glase tragen und in Lumpen durch die Straßen ziehen. […]/ Wenn die Kinder größer werden, so laß’ sie nicht müßig gehen,/ Wie vor dem

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fügte er an: „Stehe auch nicht nach höherem Stande/ und dencke nicht über dein Vermoegen/ Sondern was dir Gott befohlen hat/ des nim dich stets an.“35 Jeder Mensch also habe eifrig und ernsthaft seine Berufung in dem Stand und Beruf und innerhalb der Grenzen zu erfüllen, die der göttliche Wille ihm gesetzt habe.36 Mit seinem ganzen Leben habe er das mit der Taufe gegebene Versprechen, im ,Weinberg des Herrn‘ zu arbeiten, einzulösen.37 Martin Moller und andere lutherische Moraltheologen vertraten am Ende des 16. und am Anfang des 17. Jahrhunderts die Ansicht, daß ein ehrliches, arbeitsames und frommes Leben direkt zum ewigen Heil führe, wenn es unter dem Vorzeichen eines tiefen Christusglaubens stünde. Aus diesem Grund waren alle in der reformatorischen ars moriendi empfohlenen Gebete, Lieder und „Andaechtige Seufftzer“ in der Absicht zusammengestellt worden, den Glauben des Sterbenden zu festigen. Viele Handbücher führten ganze Anthologien glaubenskräftigender Bibelzitate an.38 Die am Lager des Dahinsiechenden versammelte Familie sollte damit ihn und sich selbst trösten und durch das in ihnen enthaltene Versprechen einer baldigen Erlösung und Auferstehung erquicken. „Gdy skona człowiek y Ducha odda/ nie trzeba się więcey za nim modlić“ [„wenn der Mensch vergeht und seine Seele abgibt/ braucht man nicht mehr für ihn zu beten“], lehrte Samuel Dambrowski,39 „bo nam tego Pan Bóg nie roskazał ani w starym ani w nowym zakonie/ abyśmy się za umarłe modlić/ albo ofiary zaduszne czynić mieli“ [„denn der Herr Gott hat uns weder im Alten noch im Neuen Testament geheißen für Verstorbene zu beten oder Seelenopfer zu bringen“].40 Stattdessen forderte der Autor dazu

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Satan sollen wir uns vor dem Müßiggang hüten:/ Hat dein Sohn keinen gelehrten Kopf, so knechte den Dummkopf/ mit einem Handwerk, auch Handwerk hat goldenen Boden]. Moller: Manuale, fol. 47r. Weber, Max: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. In: ders: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 1, Tübingen 1920, 63–83, 163–206. Martin Moller (Manuale, fol. 48v) empfahl unter anderem folgendes Gebet: „Ich weiß ja/ mein Gott/ das ich auch beruffen bin in deine[n] Weinberg/ und dir in meiner Tauffe arbeit zugesaget habe. Ich bitte dich/ verleyhe mir gesunden Leib/ biß an mein Ende/ und staercke mich/ das ich die Last und Hitze meines Beruffs willig trage/ un[d] dir meinem Herrn allezeit trew und gewehr sey.“ Vgl. ferner Karrenberg, Friedrich: Die Wertung der Arbeit in der protestantischen Theologie. In: Studium Generale 4 (1961) 170–178; Mühlen zur, Karl-Heinz: Art. Arbeit. IV. Reformation und Orthodoxie. In: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 3, Berlin/New York 1978, 635–639. Moller: Manuale, fol. 103v-113r (die Auswahl erhielt den Titel „Viel schöne Sprüche“). Dambrowski: Lekarstwo Duszne, 238. Ebd. In einer seiner Leichenpredigten kommt Dambrowski noch einmal auf dieses Thema zurück: „Rzeczesz: A skądże to przecię, że ludzie za umarłe modlitwy, ofiary, iałmużny sprawuią? Odpowiadam, że to iest wymisł. Naprzód Pogański. Potem Żydowski. A naostatek Turecki“ [„Du fragst: Woher kommt es denn, daß die Menschen für ihre Toten Gebete sprechen sowie Opfer und Almosen darbringen? Ich sage, es ist eine Erfindung. Zuerst haben sie die Heiden gemacht. Dann die Juden. Und schließlich die Türken“]. Dambrowski: Kazania, 951f.

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auf, den aufgebahrten Leichnam wiederholt zu betrachten, denn „na nie patrząc wielki pożytek/ z widoku samego śmiertelności ich/ odnieść możem“ [„wenn wir ihn betrachteten, können wir schon aus dem Anblick seiner Sterblichkeit großen Nutzen ziehen“].41 War der Tod eingetreten, konnten Familie und Freunde nichts mehr für den Verstorbenen oder die Verstorbene tun: „dusza iey iako ptak uleciała, okręt ciała iey o skałę śmierci się rozbił i wszystko co w niey naydroższego było, iakoby na dnie morskim głęboko utonęło […] Wszystko przeminęło iako cień, uwiędło, uschło iako kwiat“ [„ihre Seele ist wie ein Vogel entflogen, das Schiff des Leibes aber an den Klippen des Todes zerschellt und alles, was das Teuerste in ihr war, gleichsam auf den tiefsten Meeresgrund gesunken. […] Alles ist wie ein Schatten vergangen, wie eine Blume verwelkt und vertrocknet“].42 Die Gebete und Gesänge, die die reformatorische ars moriendi für die Zeit unmittelbar nach dem Hinscheiden eines Menschen empfahl, waren in der Überzeugung verfaßt, daß sich der Verstorbene im Himmel befinde. Sie dankten Gott dafür, daß er es der Seele vergönnte „w prawdziwey wierze y znaiomości swoiey boy ostatni skończyć“ [„im rechten Glauben und der Kenntnis Gottes den letzten Kampf zu bestehen“].43 Gleichzeitig trösteten sie die Hinterbliebenen mit der Aussicht auf ihre auf den Glauben gegründete Heilsgewißheit: „Ach Herr durch deine Guete/ fuehr mich auff rechter Bahn/ Herr Christ mich vol behuete/ sonst moecht ich irre gahn/ Halt mich im Glauben feste/ in dieser boesen Zeit/ Hilff das ich mich stets rueste/ zur ewigen Hochzeitfreud.“44

II. SEPULTURAE OFFICIUM BONAE VITAE EST TESTIMONIUM Die gewandelte Vorstellung vom Tod und dem ewigen Heil schloß eine Leugnung der Existenz des Fegefeuers und der Wirksamkeit von Gebeten und Messen für die Seelen der Verstorbenen ein. Dies führte in der ersten Phase der Reformation zu einem allgemeinen Verfall der Begräbnisliturgie und einer Verwahrlosung der Friedhöfe. Die Häupter der neuen Religionsbewegung selbst, Martin Luther und Urbanus Rhegius, mußten den auch in Wittenberg verbreiteten, am Abend oder in der Nacht stattfindenden, stillen Begräbnissen entgegentreten. Sie erinnerten auch an die Wertschätzung, die man den ewigen Ruheplätzen der Verstorbenen schuldete.45 In Schlesien, das bekanntlich unter starkem Einfluß von Wittenberg stand, 41 42 43 44

Dambrowski: Lekarstwo Duszne, 250. Ders.: Kazania, 951f. Ders.: Lekarstwo Duszne, 244–247. Johann Walthers Gesang. Vom Juengsten Tage und ewigem Leben. In: Moller: Manuale, fol. 153v-154. 45 Bunzel, Manfred: Die geschichtliche Entwicklung des evangelischen Begräbniswesens in Schlesien während des 16., 17. und 18. Jahrhunderts, Lübeck 1981, 27–33. Vgl. ferner Waitz, Eberhard: Die kirchliche Begräbnisfeier. Ihr Wesen und ihre liturgisch-homiletische

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wurde in den ersten Jahrzehnten der Reformation von den feierlichen Trauerzügen mit dem Kreuztragen, Liedersingen und Glockengeläut vollständig Abschied genommen. Obwohl der Stadtrat von Breslau schon 1528 eine neue Begräbnisordnung verabschiedete, die äußerlich der katholischen recht ähnlich war,46 fand erst 1542 in der Pfarrgemeinde St. Maria Magdalena eine erste feierliche evangelische Bestattung mit Trauerzug statt und es sollte noch vier Jahre dauern, bis dort zum ersten Mal die Totenglocken ertönten.47 In den Jahren 1553 bis 1554 brachte man schließlich den nahe der Kirche gelegenen Friedhof in Ordnung, umgab ihn mit einer neuen Mauer und errichtete eine „Tottengrebers Kammer“.48 Die allmählich erstarkende lutherische Kirche begann in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts der „würdigen und christlichen Art, Verstorbene zu bestatten und zu geleiten“, verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen.49 Die allgemeinen Richtlinien für eine neue Begräbniszeremonie waren außer in der bereits erwähnten Breslauer Kirchen- und Schulordnung von 1528 in zwei Ordnungen für Teschen (1568 in tschechischer, 1584 in deutscher Sprache), in den Ordnungen für Troppau (1584), Brieg (1592) und Militsch (1596) sowie in der Agende für Oels (1593) niedergelegt.50 In einigen schlesischen Gemeinden griff man auf außerhalb des Landes aus-

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Gestaltung, Hannover 1897; Hirsch, Renée Johanna: Doodenrituel in de Nederlanden voor 1700, phil. Diss. Amsterdam 1921; Grün, Hugo: Die kirchliche Beerdigung im 16. Jahrhundert. In: Theologische Studien und Kritiken 105 (1933) 138–214; Jordahn, Bruno: Das kirchliche Begräbnis. Grundlegung und Gestaltung, Göttingen 1949; Rohner-Baumberger, Ursula: Das Begräbniswesen im calvinistischen Genf, Basel 1975; Vogler, Bernard: La législation sur les sépultures dans l’Allemange protestante au XVIe siècle. In: Revue d’histoire moderne et contemporaine 22 (1975) 191–232; Merkel, Friedemann: Art. Bestattung. Historisch. Praktisch-theologisch. In: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 5, Berlin/New York 1980, 743–757, hier 743–749. Sehling, Emil (Hg.): Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bd. 3: Die Mark Brandenburg – Die Markgrafenthümer Oberlausitz und Niederlausitz – Schlesien, Leipzig 1909, 392. Vgl. ferner Ruhland, Ludwig: Die Geschichte der kirchlichen Leichenfeier, Regensburg 1901; Grün, Hugo: Das kirchliche Begräbniswesen im Mittelalter. In: Theologische Studien und Kritiken 102 (1930) 341–381; Braun, Joseph/Wentzel, Hans: Art. Bahre, Bahrtuch, Bahrschild. In: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 1937, 1381–1388; Zoepfl, Friedrich: Art. Bestattung, Bestattungswesen. Ebd., Bd. 2, Stuttgart 1948, 332–355; Chrościcki, Juliusz A.: Pompa funebris. Z dziejów kultury staropolskiej, Warszawa 1974, 28–94; Rattelmüller, Paul Ernst: Pompe funebre im alten Bayern und seiner Landeshauptstadt München, München 1974; Labudda, Alfons: Liturgia pogrzebu w Polsce do wydania Rytuału Piotrkowskiego (1631), Warszawa 1983, 80–252. Buntzel: Die geschichtliche Entwicklung, 28. Bimler, Kurt: Quellen zur schlesischen Kunstgeschichte. Heft 1, Breslau 1936, 41. Diesen Titel trägt Kapitel 9 der Kirchenordnung für Teschen von Herzog Wenzel Adam, die 1568 in tschechischer Sprache verfaßt wurde. Wantuła, Andrzej: Porządek kościelny Wacława Adama. Początki organizacji Kościoła Ewangelickiego na Śląsku Cieszyńskim, Warszawa 1937 (Sonderdruck aus Rocznik Teologiczny), 177f. Agenda/ to jest/ Porządek/ Kościołów Ewanjelickich Księstwa Oleśnickiego, y innych do niego należących Powiatów. Naprzód Na miłościwe rozkazanie Książęcia Jgo Mości Karola z

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gearbeitete Rituale wie die Nürnberger Agende (1563–1565), die Mecklenburger Kirchenordnung (1565, zweite Ausgabe 1582) oder die Sächsische Agende (1580) zurück.51 In den beiden ersten Dritteln des 17. Jahrhunderts wurde eine eigene Begräbnisliturgie in Freiburg (1607), Löwenberg (1614), Schweidnitz (1633), Bernstadt (1634), Liegnitz (1638/1659)52 und Goldberg (1666) festgeschrieben. In den Jahren 1634 bis 1653 wurden Verlauf und äußerer Rahmen von evangelischen Begräbnissen auch für die Stadt Breslau endgültig festgelegt.53 Die Mehrzahl der erwähnten Kirchenordnungen machte die ,Aufmachung‘ des Begräbnisses, das heißt Größe des Trauerzuges, Anzahl der abzusingenden Lieder, der Kerzen und Glocken von der ständischen Zugehörigkeit des Verstorbenen und den finanziellen Möglichkeiten seiner Familie abhängig. Zuallererst aber entschied die Lage des Begräbnisplatzes – auf dem Land oder in der Stadt – über den Ablauf der Zeremonie. Ländliche Bestattungen fielen in der Regel weniger feierlich aus. Sie setzten sich aus dem von Gesang und Glockengeläut umrahmten Totengeleit sowie einer liturgischen Lesung in der Kirche oder seltener über dem offenen Grab zusammen, die entsprechende Bibelabschnitte, Responsorium und Kollekte sowie gelegentlich eine „Vermahnung“, einen „Sermon“ oder eine andere Art von Leichenpredigt umfaßte.54 Die von Wenzel Adam, Herzog von Teschen, erlassene

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Mynsterberku Wtórego, w Niemieckim języku spisana y Wielebnemu Duchowieństwu Roku 1593. oddana;/ Potym/ Za Miłościwym Zrządzeniem Jgo Książęcey Mości Sylwiusza Książęcia na Wyrtenberku, y Teku, a w Śląsku na Oleśnicy etc. przeyrzana, y do Druku Roku 1664. podana./ A teraz/ Kwoli Kościołom Polskim w pomięnionym Księstwie/ na Pospolite używanie Księżey, z Niemieckiego na Polski Język przetłumaczona./ wtóra Edicya, Brzeg 1715, 78-80, 99f. Vgl. ferner Kluge, Kurt: Chronik der Stadt Militsch, Militsch 1909, 307f.; Sehling: Die evangelischen Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts, Bd. 3, 462f.; Wantuła: Porządek kościelny Wacława Adama, 97-99, 177f., 189; Jessen, Hans/Schwarz, Walter (Hg.): Schlesische Kirchen- und Schulordnungen von der Reformation bis ins 18. Jahrhundert, Görlitz 1938 (Quellen zur Schlesischen Kirchengeschichte 1), 61, 81; Wantuła, Andrzej: Początki ewangelickiej organizacji kościelnej na Śląsku Cieszyńskim. In: Wojak, Tadeusz (Hg.): Udział ewangelików śląskich w polskim życiu kulturalnym, Warszawa 1974, 7–25, hier 20. In Mertschütz bei Liegnitz war beispielsweise ein Exemplar der Nürnberger Agende von Veit Dietrich in den Jahren 1584 bis 1587 durch eigenhändig eingetragene Gebetsformeln und „Vermahnungen“ ergänzt worden. Letztere fanden statt der vollständigen Leichenpredigt Anwendung, „wenn wenig Volks vorhanden“. Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 40–42. Neu revidirte Begraebnuesordnung/ in der Fuerstlichen Stadt Lignitz, Lignitz MDCLIX. Von 1634 stammen „Aufsatz und Verordnung […] wie es bei Hochzeiten, Kindtaufen und Begräbnissen allhier zu Breslau gehalten werden soll. Im April 1640 wurden die Begräbnisse im Rahmen der „Kaiserlichen und Königlichen Stadt Breslaw neu verbesserte[n] Ordnung“ in allen Einzelheiten geregelt. 1653 traten einige zusätzliche Bestimmungen in Kraft. In den Quellen treten verschiedene Begriffe für die Leichenpredigten auf. Im 16. und 17. Jahrhundert ist für die schlesischen Dörfer von „Vermahnung“, „Sermon“, „Leichenrede“, „Leichenpredigt“, „Abdankung“, „Vorbitte“ und „Danksagung“ die Rede. Der Unterschied zwischen den einzelnen Predigtformen beruhte vor allem auf ihrer Dauer. Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 36–64.

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Ordnung legte fest, daß die Begräbniszeremonie auch auf dem Land würdig durchgeführt werden solle, damit auch dort die Christen sich mit der Aussicht auf eine fröhliche Auferstehung trösten könnten. Aus diesem Grund sollte der Pfarrer mit seinen Schülern in Gegenwart einiger Nachbarn tschechisch singen und, wenn Zeit sei und der Wunsch danach bestehe, auch eine kurze „Vermahnung“ halten.55 Das eifrige Propagieren „würdiger“, „ordentlicher“ und „ehrlicher“ Begräbniszeremonien56 und die Brandmarkung von Bestattungen „ohne Priester und Schule“57 in den Kirchenordnungen verhinderte in den schlesischen Landgemeinden der Reformationszeit stille und inoffizielle Bestattungen.58 In den Städten bildeten die Trauerzüge den wichtigsten Bestandteil der Begräbnisfeierlichkeiten. Je nach Umfang unterschied man den äußerst prächtigen „general-funus“ („ganze Schule“), den etwas weniger aufwendigen „spezial-funus“ („halbe Schule“)59 sowie bescheidene Bestattungen mit „Viertel-“ oder „AchtelSchule“.60 Der Tod eines prominenten Gemeindemitglieds wurde durch Glockengeläut angezeigt.61 Der Pfarrer gab von der Kanzel herab bekannt, wann das Begräbnis stattfinden werde; spezielle Kirchenboten, „Leichenbitter“ genannt, trugen die Kunde zusätzlich durch die ganze Stadt.62 Am Tag des Begräbnisses versammel55 Wantuła: Porządek kościelny, 178. Eine ähnliche Bestimmung findet sich in Kapitel 12 der Kirchenordnung für Teschen von Herzogin Sidonia Katharina (1584): „Es soll daß begraebnueß gleichfalls auf den dörfern ehrlich gehalten werden, vonwegen der fröhlichen auferstehung von den todten, welches der christen höchster, entlicher und gewisser trost ist, derhalben soll der pfarher mit seinen schuelern in beisein etlicher nachbarn deutsch oder böhemisch siengen, so es die zeit erfordert, auch eine kuerze vermahnung thuen.“ Zit. nach Jessen/ Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 61. 56 Kapitel 12 der Kirchenordnung für Militsch, 1596 von Joachim von Maltzan, Herrn auf Militsch und Groß Wartenberg herausgegeben, beginnt mit folgenden Worten: „Billichen geschichts, daz die Christen so Tempel und bewohnung des Heiligen Geistes gewesen, erlichen zu ihren Ruhebettlein werden bereitet.“ Kluge: Chronik der Stadt Militsch, 307. 57 Ebd., 308. 58 Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 59. Vgl. ferner Labudda: Liturgia pogrzebu w Polsce, 210–221. 59 Die Kirchenordnung für Militsch legte fest: „Es sollnn zweierley begrebnueß gehalten werden, Generalia und Specialia doch beidley mit gebürlichem proceß und christlicher Leichtgesenge.“ Kluge: Chronik der Stadt Militsch, 308. 60 Im Lauf des 16. und 17. Jahrhunderts vergrößerten sich die Unterschiede zwischen den einzelnen Begräbnisklassen. In Liegnitz kannte man 1659 acht verschiedene. Neu revidirte Begraebnuesordnung, 8–15. Vgl. ferner: Matwijowski, Krystyn: Uroczystości, obchody i widowiska w barokowym Wrocławiu, Wrocław/Warszawa/Kraków 1969 (Monografie Śląskie Ossolineum 18) 153–161; Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 65–145; Labudda: Liturgia pogrzebu w Polsce, 202–204; Kwak, Jan: Obyczajowość mieszkańców miast górnośląskich w XVI–XVIII w., Opole 1986 (Encyklopedia Wiedzy o Śląsku), 40–43. 61 In einigen Städten, wie beispielsweise Liegnitz, Reichenstein und Naumburg an der Bober, verkündete die Totenglocke um 1600 den Tod jedes Gemeindemitgliedes, und sei es des ärmsten. Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 75–78. 62 Ebd., 71f.

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ten sich oft schon in den Morgenstunden die Trauergäste vor dem Haus des Verstorbenen. Nach Absingen eines „Türgesangs“ formierte sich unter Leitung von „Bitterinnen“ und „Paarfrauen“ der Trauerzug. Glöckner und „Leichenbitter“ (oder „Platzmeister“) eröffneten ihn, es folgten die Träger mit einem Kruzifix bzw. einem Vortragekreuz.63 Dann kamen die Schüler- und Lehrerschaft des städtischen Gymnasiums in vom Rang des Begräbnisses jeweils abhängiger Anzahl sowie die Geistlichkeit. Bei einem funus generale waren dies alle in der Stadt amtierenden Pastoren. Es folgten Zunftkollegen des Verstorbenen oder angemietete ältere Schüler mit dem hölzernen Sarg. Er war schwarz oder weiß gestrichen und in seiner Form ganz abhängig von der gesellschaftlichen Stellung des Verstorbenen.64 Bedeckt war er von je einem weißen und schwarzen Sargtuch sowie schmückenden Kränzen. Gehörten die Sargtücher nicht der Zunft, so fielen sie in der Regel nach der Beerdigung als spolia an den Pfarrer.65 Zu beiden Seiten des Sarges wurden brennende Kerzen getragen, ihre Anzahl entsprach üblicherweise der der im Trauerzug mitziehenden Pastoren und bezeichnete wiederum den Rang des Begräbnisses. Dem Sarg folgten paarweise die Angehörigen, Freunde und Bekannten des Verstorbenen. Die Frauen waren weiß gekleidet, die Männer trugen schwarze Mäntel und schwarze „Trauerbinden“.66 Unter Glockengeläut und lateinischen, deutschen, tschechischen bzw. polnischen Gesängen bewegte sich der Trauerzug auf die Pfarrkirche zu. Bei einem funus 63 Dem Kreuz, das in Schlesien im allgemeinen vor dem Trauerzug hergetragen wurde, schrieb man eine tiefe symbolische Bedeutung zu. So verkündete 1593 Pastor Paul Heusler aus Brieg in einer seiner Leichenpredigten: „Was bedeutet das Kreuz, welches die schillerlein der Leiche fürtragen anders denn daß der verstorbene Christ an den gekreuzigten Herrn Jesum Christus geglaubet und sein Kreuz auf sich genommen und dasselbe dem Herrn Christo nachgetragen habe; drum, wie er seinen Karfreitag mit Christo gehabt und jetzt seinen Ruhetag, also werde auch er den fröhlichen Ostertag mit ihm haben.“ Zit. nach Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 81f. 64 Nach der aus dem Jahr 1633 stammenden Begräbnisordnung für Schweidnitz wurden drei Arten von Särgen unterschieden. Am prächtigsten waren die mit Pech getränkten und schwarz bemalten Särge mit weißem Kreuz auf dem ausgebauchten Sargdeckel. Die etwas bescheideneren waren weiß und trugen ein schwarzes Kreuz auf dem ebenfalls ausgebauchten Deckel, die bescheidensten („gevierdte“) hatten jedoch die Form flacher, von Nägeln zusammengehaltener Kästen. Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 87. 65 In der Begräbnisordnung für Militsch heißt es im Annex zu den Gebühren: „Die spolia an schwarzen und weißen tüchern, so wohl das Roß so Adeliche mannes Personen nachgefurt, auch der danckpfennig oder Opfer bey Adelichen begrebnuessen, soll dem Pastori alleine ungehindt zustehen.“ Kluge: Chronik der Stadt Militsch, 309. 66 Jene zum ehrenden Gedächtnis an die Freunde getragenen „Trauerbinden“ wurden in Schlesien und in den benachbarten protestantischen Städten Großpolens bis zu einem Jahr nach dem Begräbnistag aufbewahrt. Der erste Theil der Geistlichen Trawrbinden Valerii Herbergeri, Predigers bey dem Kriplein Christi in Frawenstadt/ Gewircket von lauter außerlesenen/ schoenen/ koernigen/ safftigen/ schmackhafftigen/ troestlichen Leichpredigten […], Leipzig 1611, Vorrede.

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generale war es üblich, den Sarg bis ins Innere der Kirche zu tragen.67 In den meisten schlesischen Städten folgte dann in der Regel eine Leichenpredigt, beschlossen von einem kurzen Lebenslauf des Verstorbenen (der „Abdankung“).68 Schließlich wurde der Sarg, wiederum unter Glockengeläut und Gesang, zum Friedhof überführt und ohne besondere liturgische Handlungen beigesetzt. In Breslau und einigen anderen Städten begab sich der Trauerzug gleich direkt auf den Friedhof. Erst nach der Beisetzung fand dann in der Friedhofskapelle, der Filialkirche oder ausnahmsweise in der Pfarrkirche ein Trauergottesdienst statt. Er setzte sich aus einer Predigt („Leichenpredigt“, „Vermahnung“, „Sermon“) mit „Abdankung“, Responsorium, Kollekte und Schlußsegen zusammen und wurde von zahlreichen Liedern umrahmt.69 Für die in Breslau praktizierte Begräbniszeremonie war das vollständige Fehlen der Leichenpredigt – selbst bei einem funus generale – typisch. Die oft zweimal – im Haus der Hinterbliebenen und nach dem Begräbnis in der Kirche – vorgetragenen „Abdankungen“ hatten häufig die Form von Dialogen und konzentrierten sich auf Leben und Verdienste des Verstorbenen. Nicht selten stammten sie aus der Feder von Laien.70

67 Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 97-109. In Breslau war es Sitte, daß beim Begräbnis eines Pastors die Trauergemeinde zweimal zum Abschied das Innere der Kirche umschritt. 68 Predigten wurden im allgemeinen nur bei einem funus generale gehalten, in einigen kleineren niederschlesischen Städten, wie etwa Naumburg an der Bober, Nimptsch, Lüben und Parchwitz, gehörten sie jedoch, ähnlich wie auf dem Land, zur Mehrzahl der Begräbnisse. 69 Die „Agenda/ to jest/ Porządek/ Kościołów Ewanjelickich Księstwa Oleśnickiego” enthält den Text „Modlitwa nabożna o Zbawienne z tym się światem Rozstanie/ po Kazaniu Pogrzebnym zwyczajna“ [„Frommes Gebet für einen heilsamen Abschied von dieser Welt, nach der Leichenpredigt zu sprechen“], 78–80, sowie zwei „Kolekty Pogrzebne“ [„Grabkollekten“], Nr. 32, 99f., und Nr. 33, 100. Responsorium und Kollekte Nr. 33 lauten: „X. Chrystus odjął bodziec Śmierci/ R. Y Żywot zasię na światło przywrócił./ Módlmy się: Wszechmogący wieczny Boże Oycze niebieski!, któryś przez Śmierć Syna twego Grzech y Śmierć poraził/ y przez jego Zmartwychwstanie Niewinność y Żywot wieczny przywrócił/ abyśmy z mocy Szatańskiey wybawieni/ mocą tegoż Zmartwychwstania y ciała nasze śmiertelne zmartwychwskrzeszone były/ użycz nam/ żebyśmy temu ze wszystkiego Serca wierzyli/ a radosnego Zmartwychwstania Ciał naszych ze wszystkiemi Wierzącymi dostąpić mogli / przez tegoż Syna twego Jezusa Chrystusa Pana naszego“ [„X. Christus hat den Stachel des Todes umfangen,/ R. Und das Leben dem Lichte zurückgegeben./ Laßt uns beten: Allmächtiger, ewiger, himmlischer Gottvater!, der du durch den Tod deines Sohnes Sünde und Tod in die Knie gezwungen und mit Seiner Auferstehung uns Unschuld und ewiges Leben wiedergeschenkt hast, auf daß wir von der Macht des Satans befreit seien und kraft seiner Auferstehung auch unsere sterblichen Leiber auferstehen, vergönn uns, aus ganzem Herzen daran zu glauben, auf daß wir mit allen Gläubigen der fröhlichen Auferstehung der Leiber teilhaftig werden durch deinen Sohn, Jesus Christus, unseren Herrn“]. 70 Als die berühmtesten „Parentatoren“ galten die lutherischen Pastoren von Breslau, allen voran Caspar Neumann. M. Caspar Neumanns vormals gewesenen Fürstl. Sachsen-Gothaischen Hof-Predigers in Altenburg/ Anitzo Dienern des Worts in Breslau hin und wieder gehaltene Leich-Abdanckungen, Jena 1684.

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Natürlich konnten sich bäuerliche und bürgerliche Begräbnisse nicht mit dem Prunk und verschwenderischen Luxus messen, die die Trauerfeierlichkeiten in adligen und herzoglichen Kreisen annahmen.71 An den Höfen von Brieg, Liegnitz, Oels und Teschen war eine Zeremonie verbindlich, die sich auch die bedeutenderen schlesischen Adelsgeschlechter, die Schaffgottsch, Zedlitz, Maltzan, Logau, Pückler, Rechenberg, Warnsdorf, Schönaich und Burghaus zum Vorbild nahmen. Sie umfaßte drei Phasen: die Zeit zwischen Tod und Bestattung, die eigentliche festliche Begräbniszeremonie und den Zeitabschnitt unmittelbar danach. Gleich nach dem Ableben des Herzogs, der Herzogin oder eines ihrer Kinder wurde eine aus Laien und Geistlichen bestehende Ehrenwache berufen, die bis zum Tag der Bestattung am Leichnam Wache hielt. Am folgenden Sonntag wurde die traurige Nachricht in allen Kirchen des Fürstentums von den Kanzeln verkündet. Auf die Proklamation der Landestrauer folgte eine auf den Anlaß eingehende Predigt. Für die allgemeine Trauerzeit von drei bis sechs Wochen war der Genuß jeglicher – sogar kirchlicher – Musik sowie Tanzvergnügen untersagt. Den ganzen Zeitraum hindurch läuteten täglich ein oder zwei Stunden lang alle Glocken in Stadt und Land. In den Schloßkirchen wurden Altäre, Kanzeln, Taufsteine, Beichtstühle, Logen, Gestühl und Bänke für ein ganzes Jahr lang in Trauerflor gehüllt. Ebenso lange hatten drei Mitglieder des Kirchenrates Trauermäntel und „Trauerbinden“ zu tragen.72 Ehe alle zum Begräbnis geladenen Gäste eintrafen, vergingen in der Regel einige Tage, nicht selten auch einige Wochen. In Oels und Brieg war es Sitte, den Leichnam des Verstorbenen in den Paradesälen des Schlosses zur öffentlichen Ansicht aufzubahren. So konnten beispielsweise die sterblichen Überreste des Herzogs Karl II. von Münsterberg-Oels (gestorben 1617) durch eine in dem hölzernen Sarg angebrachte Glasscheibe betrachtet werden.73 Der Leichnam seiner Gemahlin, der Herzogin Elisabeth Magdalena (gestorben 1630),74 sowie der des Herzogs Georg 71 Schickfuß, Jacob: Neu Vermehrte Schlesische Chronica unnd Landes Beschreibung, Leipzig [1625], Bd. 2, 69–78, 118-127; Lichtstern, Friedrich: Schlesische Fürsten-Krone, oder Eigentliche wahrhaffte Beschreibung Ober- und Niederschlesiens [...], Franckfurt am Mayn 1685, 534-548; Lucae, Friedrich: Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten oder vollkommene Chronica von Ober- und Niederschlesien […], Franckfurt am Mayn 1689, 1140–1155, 1318–1328, 1335–1337, 1496–1498; Thebesius, Georg: Liegnitzische Jahrbücher, Jauer 1733, 53–55; Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 146–173. Vgl. ferner Chrościcki: Pompa funebris, 48–94; Labudda: Liturgia pogrzebu w Polsce, 143–166, 195–201; Harasimowicz, Jan: Mauzoleum Górków w Kórniku. In: Biuletyn Historii Sztuki 48 (1986) 277– 299. 72 Lorenz, Otto: Aus der Vergangenheit der evangel. Kirchengemeinde Brieg, Brieg 1885–1886, 209f. 73 Der Sarg mit den sterblichen Überresten des Herzogs stand acht Wochen im Speisesaal des Schloßes, „damit alles Volk ein letztes Mal seinen Herrn sehen könne“. Zit. nach Schickfuß: Neu vermehrte schlesische Chronica, Bd. 2, 118. 74 Im Nationalmuseum [Muzeum Narodowe] in Breslau befindet sich ein kleines Ölbild, das die Herzogin Elisabeth Magdalena auf einem Paradebett darstellt. Houszka, Ewa: Portret na

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III. zu Brieg (gestorben 1664)75 ruhten auf einem Paradebett (Abb. 37).76 In Liegnitz geleitete ein kleiner aber feierlicher Trauerzug den Sarg des verstorbenen Mitgliedes der herzoglichen Familie in die Schloßkirche St. Johannes, wo er, bewacht von einer weltlich-geistlichen Ehrengarde, bis zu seiner Überführung in das Schloß am Tage der Bestattung ruhte. Mit großem Pomp brachte ihn schließlich ein durch die ganze Stadt führender Trauerzug zurück in das Familiengrab in der Schloßkirche. Näherte sich der Bestattungstermin, so wurde der Leichnam bzw. der hölzerne Sarg, in dem er ruhte, feierlich in einen Zinn- oder Kupfersarg eingelassen.77 Der Sarg, in dem Karl II. von Münsterberg-Oels am 26. April 1617 bestattet wurde, bestand aus teilweise vergoldetem Kupfer, wog fast acht Zentner und hatte 525 Taler gekostet. Vier Familienwappen und ebenso viele biblische Darstellungen zierten seine Seiten: die Vision des Propheten Hesekiel, die Errettung des Propheten Jonas, die Auferstehung Christi und das Jüngste Gericht.78 Die Särge der letzten Herzöge von Liegnitz und Brieg waren üblicherweise mit Wappen und Bibelzitaten versehen,79 die sechs prunkvollsten von ihnen trugen zusätzlich emblematische Darstellungen, die auf die Vergänglichkeit aller Dinge einerseits und die typisch

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Śląsku XVI–XVIII wieku. Katalog wystawy w Muzeum Narodowym we Wrocławiu, Wrocław 1984, Kat.-Nr. 8. Das Trauerflugblatt (Kupferstich: David Tscherning, Text: Wenzel Scherffer von Scherffenstein) stellt den Herzog liegend auf dem Totenbett inmitten des schwarz ausgeschlagenen salle funèbre dar. Chrościcki: Pompa funebris, 69, Abb. 32. Die in den Schloßgemächern aufgestellten Totenbetten waren bis Mitte des 17. Jahrhunderts die einzige in Schlesien bekannte Form von okkasioneller Begräbnisarchitektur. Die castra doloris setzten sich hier erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts durch, das erste Mal tauchten sie beim Begräbniszeremonial der letzten Piasten auf, bei Ludwig IV. (12. März 1664), Christian (31. März 1672), und Georg Wilhelm (30. Januar 1676). Lucae: Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten, 1335, 1338–1340, 1350f. Während der hölzerne Sarg mit den sterblichen Überresten Karls II. von Münsterberg-Oels in den kupfernen Sarg gebettet war, wurde eine spezielle Predigt gehalten, und der Schulchor sang fromme Lieder. Die Feierlichkeit fand auf dem Schloß zu Oels unter Teilnahme der Witwe des Verstorbenen, seiner Kinder, der Geistlichkeit sowie des mit dem Hof verbundenen Adels und Bürgertums statt. Sinapius, Johannes: Olsnographia, oder: Beschreibung des Oelßnischen Fürstenthums […], Bd. 2, Leipzig und Franckfurt am Mayn 1707, 41. Der Sarg ruht in der unzugänglichen Grabkrypta der Familie Poděbrad unter dem Chor der Schloß- und Pfarrkirche St. Johannes in Oels. Es handelt sich hier um die Särge der Herzogin Dorothea Sybille (gestorben 1625), der Herzöge Johann Christian (gestorben 1639) und Christian Albert (gestorben 1652) sowie der Herzogin Sophie Katharina (gestorben 1659) im Muzeum Piastów Śląskich [Museum der schlesischen Piasten] in Brieg und um den Sarg des Herzogs Ludwig IV. (gestorben 1663) im Mauzoleum Piastów [Piastenmausoleum] bei der ehemeligen Jesuitenkirche St. Johannes in Liegnitz. Przała, Jan: Sarkofagi Piastów w Brzegu i Legnicy. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 9 (1973) 40, Kat.-Nr. 2 und 4.

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lutherische Heilsgewißheit andererseits Bezug nahmen.80 Die reichen und originellen Bild- und Wortprogramme an den Särgen Sophie Elisabeths (gestorben 1622), Sophie Magdalenas (gestorben 1660), Elisabeth Maria Charlottes (gestorben l664),81 Georgs III. (gestorben l664) (Abb. 38), Christians II. (gestorben 1672) und Georg Wilhelms (gestorben 1675)82 waren mit Sicherheit Gemeinschaftswerke von Dichtern, Schriftstellern und gelehrten Theologen, die mit den Höfen der letzten Piasten in enger Verbindung standen. In eben diesen Kreisen entstanden kunstvolle Kondolenzen, Lob- und Grabreden zu Ehren der schlesischen Herzöge; sie arbeiteten auch allgemeine Konzeptionen und detaillierte Szenarien für die herzoglichen Begräbnisse aus. Die Mehrzahl der vierzig Lieder, die auf dem letzten Weg der Herzogin Elisabeth Magdalena von Münsterberg-Oels gesungen wurden, stammten beispielsweise aus der Feder des Hofdichters Matthäus Apelles von Löwenstern. Höhepunkt der Feierlichkeiten war der Zug der Trauergäste vom Schloß zur Pfarrkirche und von dort zurück zur Schloßkirche bzw. Schloßkapelle. Ein angemessenes Arrangement für diesen Zug war nicht eben leicht zu treffen – bei den Begräbnissen der Liegnitzer Herzöge Heinrich XI. und Friedrich IV. wachte der erfahrene Hofmeister Hans von Schweinichen persönlich über das Gelingen. Für die Bestattungsfeierlichkeiten der Herzöge Georg II. von Brieg, Karl II. von Münsterberg-Oels und Georg Rudolf von Liegnitz wurden alle Einzelheiten berücksichtigende Szenarien festgelegt und den Trauergästen die Ablaufpläne ausgegeben.83 Die Zeremonie begann gewöhnlich mit einer sogenannten Standrede („Stationssermon“) auf dem Schloß oder im Schloßhof in Gegenwart aller Trauergäste. Nachdem das im Szenarium festgelegte Lied abgesungen war, setzte sich der Trauerzug in Bewegung. Angeführt wurde er von einigen älteren Adligen in langen Trauergewändern und mit trauerflorverzierten Stäben. Dem schwarz umhüllten und von herzoglichen Wappen umkränzten Kreuz folgten die langen Reihen der Schüler, Lehrer, Pastoren und Gäste aus ganz Schlesien und den angrenzenden Ländern. Die Pferde des Verblichenen wurden vorbeigeführt,84 seine Fahnen und andere Spolien mitgetragen: der Fürstenhut, die Helme, Schilde, Schwerter, Stiletts und Handschuhe. Der Sarg selbst ruhte auf einem Paradewagen und war von weißem und schwarzem, gelegentlich auch goldgesticktem Trauerflor bedeckt, dessen Saum von den Adeligen zu beiden Seiten gehalten wurden. Dem Gefährt folgten 80 Diese Prunksärge befinden sich heute im Piastenmausoleum [Mauzoleum Piastów] in Liegnitz und im Museum der schlesischen Piasten [Muzeum Piastów Śląskich] in Brieg, wohin sie nach den Ausgrabungen in der ehemaligen Schloßkirche St. Hedwig gelangten. 81 Przała: Sarkofagi, Kat.-Nr. 1, 3 und 5. 82 Ebd., Kat.-Nr. 6, 7 und 8. 83 Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 154–156. 84 Im Trauerzug Herzog Karls II. von Münsterberg-Oels zogen sieben Pferde mit, sie wurden sogar ins Innere der Schloßkirche hineingeführt, aber vom Grab ferngehalten. Sinapius: Olsnographia, Bd. 1, 201.

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die männlichen Familienangehörigen, Verwandte und Freunde, ihnen wiederum die Frauen von herzoglichem Geblüt, die von Adligen begleitet wurden, die Gemahlinnen der Freunde und schließlich Bürger und Bürgerinnen. Hatte man die Pfarrkirche erreicht, wurde ein Gesang angestimmt und der Pfarrer verlas vom Altar Responsorium und Kollekte. Anschließemd setzte sich der Trauerzug in Richtung Schloßkirche in Bewegung. Dort wurde der Sarg unter Obhut von Adligen und Hellebardenträgern mitten im Chor aufgebahrt und der beste Prediger des Fürstentums, oft der Superintendent selbst, hielt die Leichenpredigt.85 Der Predigt folgte die „Abdankung“ aus dem Mund eines Laien aus dem engsten Freundeskreis des Verstorbenen. Unter Gebeten und Gesang wurde der Sarg in die Grabkrypta herabgelassen, die Fahnen ordnete man mit den Spitzen nach unten rund um den Altar an, auf dem die restlichen Spolien ruhten. Der Trauerflor wurde in der Sakristei verwahrt. Der Zug kehrte auf das Schloß zurück und hörte vor Beginn des Leichenschmauses nochmals eine „Abdankung“, die nun bereits ausdrücklich weltlichen Charakter trug und unter anderem allen Gästen für ihre Teilnahme am Trauerzug dankte. Am folgenden Tag begaben sich die männlichen Hinterbliebenen, die Abgesandten der befreundeten Fürstenhäuser und sämtliche Geistliche ins städtische Gymnasium, um dort das sogenannte Gedächtnis, eine vom dortigen Rektor ver85 Krentzheim, Leonhard: Leichpredigt/ Über der Christlichen beigrufft des Durchleuchtigen/ Hochgebornen Fuersten und Herrn/ Herrn Heinrichen/ Hertzogen in Schlesien zur Lignitz und Brigg/ etc. geliebten Sones/ Hertzog Georg Friderich/ seliger gedechtniß. Gethan […] den 18. Decembris/ Anno 1565, Nuernberg 1566; ders.: Leichpredigt, Bey der Christlichen und Fuerstlichen Beygrufft und Begrebniß/ der Durchleuchtigen/ Hochgebornen Fuerstin und Frawen/ Frawen Sophia/ Geborne Marggreaeffin zu Brandenburg/ etc. Hertzogin in Schlesien/ zur Liegnitz und Brieg/ etc. Christlicher und milder gedechtniß. Geschehen […] den 16. Aprilis des 1587. Jahres, Goerlitz [1588]; ders.: Uber dem Toedtlichen/ jedoch Seligen Abscheydt/ Der Durchlauchtigen/ Hochgebornen Fuerstin und Frawen/ Frawen Sidonia Mariae/ Hertzogin in Schlesien/ zur Lignitz und Brieg/ etc. Gebornen in Schlesien/ zu Teschen und Großglogaw/ etc. Hochloeblicher und Seliger gedechtniß. Drey Predigten/ Geschehen […] Anno 1587, Goerlitz 1588; Eccard, Melchior: Die erste Leichpredigt/ Bey dem Begrebnis Des Durchlauchten/ Hochgebornen Fuersten und Herren/ Herrn Georgij/ Hertzogen zu Muensterberg in Schlesien zur Olßen/ Graffen zu Glatz/ etc. hochloeblicher gedechtnues/ welcher den 14. Novembris des 87. jahrs/ umb 10. uhr vor mittage/ sanfft und seliglich entschlaffen/ und hernachher den 30. Decembris Christlich und Fuerstlich zur Erden bestattet worden ist […], Leipzig 1599; ders.: Die dritte Leichpredigt/ Bey dem Fuerstlichen Begraebnis Weiland Des Durchlauchtigen Hochgebornen Fuersten und Herren/ Herrn Heinrich Wenzeln/ Hertzogen zu Muensterberg in Schlesien zur Olßen/ Graffen zu Glatz/ etc. Hochloeblicher Christmilder gedechtnis/ […] Gehalten […] den 29. Maij, Anno 1592 […], Leipzig 1599; ders.: Die vierdte Christliche Leich und Ehrenpredigt/ Bey dem Fuerstlichen Begraebnis Weiland Des Erlauchten/ Hochgebornen Fuersten und Herrn/ Herrn Georgij Joachimi, Hertzogen zu Muensterberg in Schlesien zur Olßen/ Graffen zu Glatz/ etc. Christmilder und lobseliger gedechtnis. Gehalten […] den 6. Augusti […] Anno 1598, Leipzig 1599.

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faßte kunstvolle lateinische „Abdankung“, zu vernehmen.86 In den Fürstentümern Oels und Brieg war es darüber hinaus Sitte, die Trauerfeiern in der Schule zu veranstalten, bei denen „Abdankungen“, Panegyriken, Oden und lateinische Lieder aus der Feder von Schülern vorgetragen wurden.87 Nach 1617 fanden solche Feiern in den Gymnasien in Oels, Bernstadt und Medzibor (Neumittelwalde) jährlich am Todestag Herzog Karls II. statt. Als wertvolle Erinnerung an die Begräbnisse wurden die dort gehaltenen Leichenpredigten gedruckt. Daneben gab es die Trauerbücher, die alle bei Anlaß der Funeralien entstandenen Reden und Gesänge enthielten.88 Als dauerhaftes Zeugnis eines herzoglichen Begräbnisses wurden die im Trauerzug mitgeführten Fahnen und Spolien nach der Zeremonie in den Schloßkirchen in der Nähe der Grabstätte aufgestellt.89 Noch im 19. Jahrhundert besaßen viele evangelische Kirchen Schlesiens eine beachtliche Anzahl adliger Trauerfahnen, Wappenschilde, Helme, Schwerter und Degen.90 Selbst die Hauptnekropole des reichen schlesischen Bürgertums, die Haupt- und Pfarrkirche St. Elisabeth in Breslau, erinnerte im 16., 17. und 18. Jahrhundert zunehmend an ein wahres cabinet d’armes.91 86 Mit demselben Begriff wurden auch die am Tag nach dem Begräbnis in der Pfarrkirche gehaltenen Predigten bezeichnet, als Beispiel mag die dritte Predigt zum Gedächtnis an den Tod der Herzogin Sidonia Maria gelten, die am 18. November 1587 in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Liegnitz vom Superintendenten des Fürstentums Liegnitz, Leonhard Krentzheim, gehalten wurde. Vgl. Anm. 85. 87 Liningius, Johannes: Lacrimae Scholae Olsnensis. In: Eccard: Die vierdte Christliche Leich und Ehrenpredigt, 190-192. Vgl. ferner Przała, Teresa: Przyczynek do związków Gimnazjum Piastowskiego w Brzegu z Polską. In: Opolski Rocznik Muzealny 3 (1968) 369–376. 88 Carmina In Immaturum Obitum Illustrissimae Principis Ac Dominae D. Sydoniae Mariae, etc. Coniugis illustriss. Principis ac Domini D. Friderici IIII. Ducis Silesiae, Ligniciae et Bregae, etc. mortuae, Gorlicii 1588. Vgl. ferner Przała: Sarkofagi Piastów w Legnicy i Brzegu, 56f., Anm. 175. 89 Chmarzyński, Gwido: Chorągwie nagrobne na Pomorzu i ich geneza artystyczna. In: Zapiski Towarzystwa Naukowego Toruńskiego 9 (1932/33) 36f.; Mańkowski, Alfons: Chorągwie nagrobne w kościołach ziem pokrzyżackich, Pelplin 1933; Puciata, Maria: Chorągiew nagrobna Jana Pawła Działyńskiego. In: Ochrona Zabytków 8 (1954) 251–262; Chrościcki: Pompa funebris, 72, 91, Anm. 70. 90 Knötel, Paul: Die Typen der schlesischen Dorfkirchen. In: Mitteilungen der Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde 30 (1929) 179–204, hier 194. 91 Monumenta et inscriptiones Vratislavienses collectae Christiano Ezechiele. Abgeschrieben von Christian Friedrich Paritius, Bd. 2, fol. 485–676 (Handschrift in der Universitätsbibliothek (Biblioteka Uniwersytecka) in Breslau, Handschriftenabteilung (Oddział Rękopisów), Sign. 2800); Paritius, Christian Friedrich: Beschreibung der Altäre, Monumente und Epitaphien in der evang. Hauptpfarrkirche zu St. Elisabeth in Breslau, Breslau 1833 (Handschrift ebd., Sign. R 689); Luchs, Hermann: Über die Elisabethkirche zu Breslau und ihre Denkmäler. In: Abhandlungen der Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. Philosophischhistorische Abtheilung 1 (1862) 13–68, hier 31, 37–66. Noch 1833 befanden sich hier unter anderen Fahne, Wappenschild, Helm, Rapier und eiserne Handschuhe Heinrich von Rothkirchs (gestorben 1601), Befehlshabers des schlesischen Ständeheeres, außerdem Wappen-

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Die evangelischen Begräbnisse der Mitglieder der herzoglichen Familien ebneten in Schlesien einem dem mittelalterlichen völlig entgegengesetzten, neuen Brauchtum den Weg. Die größte Abweichung von der katholischen Begräbnispraxis stellte jedoch die Bestattung totgeborener, ungetaufter Kinder mit vollständigen Zeremonien dar.92 „Die ungetaufften Kindlein, so daz leben in Mutter leibe gehabt, sollen den Eltern zun trost ehrlich zur erden bestattet werden“ heißt es in der Militscher Kirchenordnung von 1596.93 Der bekannte Theologe und Superintendent des Fürstentums Liegnitz – Leonhard Krentzheim – begründete diesen Schritt in einer Predigt, die er im Juni 1592 auf dem feierlichen Begräbnis für das totgeborene Söhnlein Herzog Friedrichs IV. hielt, mit folgenden Worten: „Wegen […] meynung von dem Verdamnuß der ungetaufften Kinder/ lesset man dieselben im Bapsthumb nicht auff den Kirchhoff und geweyhete Stelle begraben/ viel weniger vergoennet man jnen einige Kirchen Caeremonien/ Sondern man begrabet sie/ die Toechterlein in die Kuehestelle/ die Soenlein in die Pferdtstelle unter die Krippen/ daß das Viehe darvon gedeyen sol. […] Solche Kinder/ ob sie gleich ohne Tauffe/ wenn sie die nicht haben koennen/ abgehen und sterben/ kan man nicht Verdammen/ auch ihnen die ewige Seligkeit nicht absprechen/ Sondern man muß sagen/ daß sie Kinder und Erben Gottes/ und Miterben Christi und seines Reiches sein.“94 Ähnlich argumentierten später viele andere schlesische Pastoren.95 Zeugnis ihrer zutiefst humanistischen Einstellung sind die vielen in Schlesien zu findenden Grabplatten und Epitaphien für totgeborene Kinder.96

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schild, Degen, Helm und abgewetzte Fahne Johann Heinrich von Schmidt und Schmiedefeldts sowie Wappenschild und Schwert Andreas von Smosowskis (gestorben 1611). Erst im „Ordo exsequiarum“ von 1969 wurde, mit Einverständnis des Bischofs, die kirchliche Bestattung ungetaufter Kinder zugelassen. Bis zu diesem Zeitpunkt galt die strenge Vorschrift aus dem Kodex des Kanonischen Rechts (1239 §1): „Ad sepulturam ecclesiasticam non sunt admittendi qui sine baptismo decesserint.“ Vgl. ferner Labudda: Liturgia pogrzebu w Polsce, 223–234. Kluge: Chronik der Stadt Militsch, 308. Krentzheim, Leonhard: Leichpredigt: Bey der Christlichen Beygrufft/ des Durchlauchtigen/ Hochgebornen Fuersten und Herrn/ Herrn Fridrichs/ Hertzogen in Schlesien/ zur Lygnitz und Brieg/ etc. geliebten jungen Herrlein und Soehnlein. Dabey zugleich/ in der Vorrede/ bestendiger Trost fuergetragen wird/ fuer Gottselige Muetter/ welche todte Kinder auff die Welt gebehren/ oder deren Leybesfruechte/ mit Tode abgehen/ ehe sie zu der heyligen Tauffe kom[m]men moegen. In der Predigt aber/ die Lehre gehandelt/ Was von der Kinder/ die wir nicht Teuffen koennen/ und doch gerne wolten, Goerlitz 1592, fol. 25r-v, 29r. Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 176–178. Samuel Dambrowski schrieb: „Pan Jezus nie odeymnie łaski swey zbawienney od dziatek poronionych/ ale iako doniesionym łaskę zbawienia gotów okazać/ tak też y nie doniesionym [„Der Herr Jesus zieht seine erlösende Gnade nicht ab von den fehlgeborenen oder zu früh geborenen Kindlein/ sondern wie er die ausgetragenen der Gnade der Erlösung teilhaftig werden läßt/ so auch die nicht ausgetragenen“]. Dambrowski: Lekarstwo Duszne, 321. Als Beispiele mögen hier dienen: das Epitaph dreier Säuglinge in der Pfarrkirche in Ohlau (um 1600) und eine Grabplatte mit der Darstellung zweier totgeborener Kinder (gestorben

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Überblickt man die Begräbnisordnungen des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts für Bauern, Bürgertum und Adel, wird hinreichend deutlich, daß die Reformation in Schlesien ein neues, traditionelle Muster umwertendes Modell eines christlichen Begräbnisses schuf. Analog zu der wichtigen Rolle, die das Wort im protestantischen Glaubensbekenntnis spielt, bildete die Predigt, die interpretatio popularis scripturae sacrae, den geistigen Kern einer jeden Zeremonie.97 Erstmals 1547 bei der Bestattung Herzog Friedrichs II. von Liegnitz98 – des Haupts des schlesischen Protestantismus – bewußt eingesetzt, erfreute sie sich seit den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts zunehmender Beliebtheit in Adelskreisen,99 um 1584 und 1586), die zu den Familiengrabmälern derer von Stössel und von Schindel im Chor der Pfarrkirche in Ober-Gläsersdorf bei Lüben gehört. 97 Grün, Hugo: Die Leichenrede im Rahmen der kirchlichen Beerdigung im 16. Jahrhundert. In: Theologische Studien und Kritiken 96/97 (1925) 289–312; Mohr, Rudolf: Protestantische Theologie und Frömmigkeit im Angesicht des Todes während des Barockzeitalters. Hauptsächlich auf Grund hessischer Leichenpredigten, Marburg a. d. L. 1964; Winkler, Eberhard: Die Leichenpredigt im deutschen Luthertum bis Spener, München 1967; Lenz, Rudolf: Gedruckte Leichenpredigten (1550–1750). In: ders. (Hg.): Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften, Bd. 1, Köln/Wien 1975, 36–51; Lerner, Franz: Ideologie und Mentalität patrizischer Leichenpredigten. Ebd., Bd. 2, Marburg a. d. L. 1979, 126–157; Lenz, Rudolf (Hg.): Leichenpredigten. Eine Bestandsaufnahme. Bibliographie und Ergebnisse einer Umfrage, Marburg a. d. L. 1980; ders.: Vorkommen, Aufkommen und Verteilung der Leichenpredigten. Untersuchungen zu ihrer regionalen Distribution, zur zeitlichen Häufigkeit und zu Geschlecht, Stand und Beruf der Verstorbenen. In: ders. (Hg.): Studien zur deutschsprachigen Leichenpredigt der frühen Neuzeit, Marburg a. d. L. 1980, 223–248; Mohr, Rudolf: Der unverhoffte Tod. Theologie- und kulturgeschichtliche Untersuchungen zu außergewöhnlichen Todesfällen in Leichenpredigten, Marburg a. d. L. 1982; Kümmel, Werner Friedrich: Der sanfte und selige Tod. Verklärung und Wirklichkeit des Sterbens im Spiegel lutherischer Leichenpredigten des 16. bis 18. Jahrhunderts. In: Lenz, Rudolf (Hg.): Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften, Bd. 3, Marburg a. d. L. 1984, 199– 226. Vgl. ferner Ruland, Ludwig: Die Geschichte der kirchlichen Leichenfeier, Regensburg 1901; Chrościcki, Juliusz A.: „Castris et astris“. Kazania i relacje pogrzebowe jako źródła historii sztuki. In: Biuletyn Historii Sztuki 30 (1968) 384–395; ders.: Pompa funebris, 72–75; Jürgensmeier, Friedhelm: Die Leichenpredigt in der katholischen Begräbnisfeier. In: Lenz: Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften, Bd. 1, 122–145. 98 Thebesius: Liegnitzische Jahrbücher, 53–55. 99 Heidenreich, Esaias: Leichpredigt. Von S. Jacobs des Patriarchen Walfart. Beim Begrebnis des Edelen Gestrengen Ritters und Roemischer Keyserlicher Maiestat Rath/ Herrn Matthes von Logaw und Altendorff/ auffm Burglehen Jawer/ Kinsberg und Bechau/ auch der Herrschaft Falckenberg Pfandesherrn/ etc. Gethan zum Jawer den 13. Decembris/ im Jar 1567, Leipzig 1568; Krentzheim, Leonhard: Leichpredigt, Uber der Begrebnis/ der Gottseligen/ Edlen/ Ehr und Tugendtreichen Jungfrawen Sabina/ Des Edlen/ Wolehrnvesten Herrn Barthel von Logaw/ von Olberßdorff/ Weiland Fuerstliches Lignitzisches Rath und Hoffmeisters/ in Gottseligen/ nachgelassenen Tochter […] Gepredigt […] den 17. Maij/ des 1570. Jars, Goerlitz 1571; Petzoldt, Georg: Trost und Vermanung/ auß Gottes Worte/ Gepredigt un[d] gethan auff dem Hause Langenaw/ zuvor/ und ehe denn das selige Leichlin Maria Zetlitzin/ des Edlen/ Gestrengen/ Ehrnvesten und Hochbenampten Herrn/ Sebastian von Zetlitz/ auffm

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dann um 1600 Allgemeingut und eine der wichtigsten Amtsaufgaben der evangelischen Geistlichkeit zu werden.100 Die für die sächsischen Kurfürsten Friedrich (10. und 11. Mai 1525)101 und Johann (18. und 22. August 1532)102 von Luther gehaltenen Leichenpredigten sowie die erste gedruckte Sammlung der Leichpredigten Johannes Spangenbergs103 und Johannes Mathesius’104 hatten auf die schlesische Predigttradition einen großen Einfluß. Leonhard Krentzheim,105 Esaias Heidenreich,106 Georg Pezoldt,107

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Burglehen/ Lehenhauß und Newkirchen/ etc. geliebtes Toechterlein/ von dannen auß nach seinem Ruhebetlin/ in die Kirche daselbst/ in einer Christlichen Procession getragen worden/ Sontags Reminiscere/ war der 3. des Monats Martij, Goerlitz 1577; Heusler, Johann: Eine Leichpredigt Bein der Christlichen/ ehrlichen und gantz traurigen Begrebnus/ Derer Edlen/ Vielehrenthugentreichen Frauen/ Rebecca, gebornen Schindelin von Dromsdorff und Leipe/ Des Edlen/ Gestrengen/ Ehrnfesten und wolbenambten Herrn/ Samson von Stangen/ und Stonsdorff/ Fuerstlichen Lignitzischen getreuen/ vornehmen Rahtes/ Lehen und Erbherrns zu Kunitz/ Hertzgeliebten/ gewesenen Ehegemaelin un[d] Haußfrauen […]. Aus betruebten hertzen/ gethan zu Kunitz. Denen 27. Januarij Anno 1593, Liegnitz 1593. Vgl. ferner Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 152, 183–199. Mende, Richard: Katalog der Leichenpredigten-Sammlungen der Peter-Paul-Kirchenbibliothek und anderer Bibliotheken in Liegnitz, Marktschellenberg 1938–1941; Skura, Adam: Trauerschriften vom 16. bis zum 18. Jahrhundert in der Universitätsbibliothek Wrocław. In: Lenz: Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften, Bd. 3, 337–345; ders. (Hg.): Katalog auserwählter Leichenpredigten der ehemaligen Stadtbibliothek Breslau, Marburg a. d. L. 1986. Luther: Werkausgabe, Bd. 17/1, 196–212, 212–227. Vgl. auch Winkler, Eberhard: Melanchthons lateinische Leichenrede auf Kurfürst Friedrich den Weisen. In: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 18 (1966) 33–42. Luther: Werkausgabe, Bd. 36, 237–254, 255–270. Vgl. ferner Zahrnt, Heinz: Luthers Predigt am Grabe, dargestellt an seiner Leichenpredigt für Kurfürst Johann von Sachsen. In: Luther 29 (1958) 106–114. Spangenberg, Johann: Funffzehn Leichpredigt/ So man bey dem Begrebnis der verstorbenen/ in Christlicher gemein thun mag. Daneben mehr denn 60. Themata oder Sprueche/ aus dem alten Testament/ auff welche man diese Leichpredigt appliciren moecht, [Wittemberg] 1563. Die erste Auflage war 1545 in Wittenberg erschienen. Matthesius, Johannes: Leichpredigten. Auß dem Fuenftzehenden Capitul der I. Epistel S. Pauli zun Corinthiern. Von der Aufferstehung der Todten und Ewigem leben, Nuernberg 1569. Vgl. Anm. 85, 94, 99. Vgl. Anm. 99. Vgl. Anm. 99. Zu der eigentlichen Predigt, die auf dem Schloß gehalten wurde (also eine „Standrede“ oder ein „Stationssermon“) fügte Pezoldt eine „Zugabe Geistlicher Artzney/ wider die Trawrigkeit im Kindersterben/ auß des heiligen Geistes Apoteka/ in folgende Rezept verordnet/ und zu trost frommen Christlichen Eltern/ auch andern liebhabern Gottes Wortes/ die durch Toedlichen abgang der ihrigen betruebet sind/ hierzu gesetzt. Darneben auch Christlich Sterb und Grabkleider/auß Gottes Worte beschrieben werden.“

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Martin Goske,108 Valentin Leo109 und Melchior Eccard110 gingen in ihren Leichenpredigten auf grundlegende eschatologische Probleme, wie Sünde, Gottesgericht, Ewigkeit, Erlösung und Gnade ein, sie bedienten sich zahlreicher Zitate aus Bibel und Kirchenvätern und griffen nicht selten auch auf die dicta antiker Dichter, Philosophen oder Historiographen zurück.111 Ihren Worten fehlte es nie an polemischen Akzenten. So wandten sie sich gegen die katholische Lehre vom Fegefeuer, die Totenmessen und Vigilien, verdammten die Ansichten Schwenckfelds112 und Calvins113 und warnten vor einer mohammedanisch-türkischen Gefahr. Den Abschluß ihrer Predigten bildete meist eine applicatio, die Beziehung des in der Predigt behandelten Ausgangsthemas114 zum Tod der konkreten Person, ihrer Herkunft, ihrem Alter, ihrem Beruf und ihren Neigungen. Gegen 1600 begann man, den Predigten eine paränetisch-pädagogische Bedeutung zuzuschreiben, sie sollten „der Christlichen versammlung zum Exempel/ Christlicher erbauung und nachfolge dienen“.115 Predigt und Begräbniszeremonie 108 Goske, Martin: Leichpredigt Bey der Fuerstliche[n] Beygrufft und Begraebnis/ der Durchlauchtigen Hochgebornen Fuerstin und Frawen/ Frauen Dorothea/ Herzogin in Schlesien zur Lignitz und Brig etc. Gebornen zu Schleswig/ Holstein/ Stormarn un[d] der Ditmarschen/ Graefin zu Oldenburg und Delmenhorst/ Christlicher und seliger gedechtnis. Gehalten zur Lignitz […] Anno 1593. den 31. Augusti, Lignitz o. J. 109 Leo, Valentin: Die ander Leichpredigt/ Gehalten den 7. Junii/ Donnerstag von Pfingsten: Anno MDXC. auf dem Fuerstlichen Begraebnis Des Erlauchten/ Hochgebornen Fuersten und Herrn/ Herrn Caroli/ Hertzogen zu Muensterberg/ in Schlesien/ zur Olßen/ Graffen zu Glatz/ etc. des jungen Herrlin/ ward zur Welt gebracht den 8. tag Januarij, zwischen 11. und 12. der halben uhr/ starb den 20. tag Maij, auch zwischen 11. und 12. der halben uhr/ Anno 1590, Leipzig 1599. 110 Vgl. Anm. 85. 111 Einen ähnlichen Charakter und formalen Aufbau haben die Leichenpredigten Samuel Dambrowskis, die als „Księdza Samuela Dambrowskiego Pogrzebne, i inne, na rożne przypadki przysposobione Kazania“ [„Des Priesters Samuel Dambrowskis Leichen- und andere Predigten, zu verschiedenen Anlässen vorbereitet“] einer populären Postille beigefügt sind. Dambrowski: Kazania, 925–1020. 112 Die 1571 herausgegebene Leichenpredigt von Leonhard Krentzheim (vgl. Anm. 99) trägt folgenden Untertitel: „Darinnen zu gleich kuertzlich mit eingebracht/ eine gruendtliche verlegung des Schwenckfeldischen Irthumbs von Wort Gottes.“ 113 Leo: Die ander Leichpredigt/ Gehalten […] Anno 1590, 55–61. In einem Atemzug wurden hier Jesuiten, Calvinisten und Mohammedaner verdammt. 114 Eine Zusammenstellung der Themen, die mehr oder weniger umfangreiche Zitate aus dem Alten und dem Neuen Testament darstellten, war einigen älteren Leichenpredigtsammlungen beigefügt. Gelegentlich wurden sie auch gesondert publiziert. Spangenberg: Funffzehn Leichpredigt, fol. 63v-72r; Brandmiller, Johann: Conciones funebres CLXXX. Nunc postremo diligenter recognitae, multisque in locis illustratae, Basileae 1579; Bidembach, Felix: Promptuarii Exequialis Pars […], Continens Centurias […] Dispositionum, Quibus Themata Funebria Sive Scripturae Dicta Varia, Quae De Morte, sepultura, resurrectione, fine seculi, et vita aeterna, etc. tractant […], Lubecae 1611, Pars 1–2. 115 Heusler: Eine Leichpredigt […]/ gethan zu Kunitz, Titelblatt.

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Abb. 34. Johannes Heermann (1585–1647), viele Jahre Pfarrer in der schlesischen Kleinstadt Köben an der Oder, zählte zu den wichtigsten Liederdichtern der Barockzeit in Deutschland. Er war auch für leidenschaftliche Leichenpredigten berühmt, die zu Sammelbänden zusammengefügt wurden und in Leipzig im Druck erschienen. Sie galten als überaus nützliche ‚Todesschule‘ und wurden als Lektüre allen frommen Christen empfohlen.

hatten analog zur bekannten Maxime des Hl. Augustinus ,Zeugnis des guten Lebens‘ zu sein.116 Gleichzeitig bestand ihre Aufgabe darin, „die Lebendigen/ ihrer Sterblichkeit zu erinnern/ zu warer Buße und bekehrung zu Gott vermanen/ und die rechte Sterbekunst/ […] lernen“, wie es der Liegnitzer Pastor Martin Goske ausdrückte.117 Valentin Leo aus Oels pflichtete ihm mit einer Warnung an die Gläubigen bei: „Die edle Euthanasia, die rechte Sterbekunst lernet man nicht im flug/ sondern wir haben unser gantzes lebenlang daran zustudieren und zubeten.“118 Eine ,rechte Lehre vom Sterben‘ propagierten auch die immer regelmäßiger gedruckt erscheinenden Leichenpredigtsammlungen, die üblicherweise die Titel „Güldene Sterbekunst“ oder „Schola Mortis“ trugen (Abb. 34). Die in diesen Sammlungen dokumentierte Predigttätigkeit Johannes Heermanns,119 eines Pastors 116 Sepulturae officium bonae vitae est testimonium. Diese Inschrift ließ Pastor Ambrosius Lange auf dem Sockel des Epitaphs für seine Frau und fünf Kinder (gestorben 1586, 1587 und 1599) in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Landeshut anbringen. 117 Goske: Leichpredigt […] Gehalten […] Anno 1590, 55. 118 Leo: Die ander Leichpredigt/ Gehalten […] Anno 1590, 55. 119 Heermann, Johannes: Güldene Sterbekunst/ Gezeiget in zwölff Predigten/ Aus dem anmutigen schönen Sterbe-Gesänglein: Hertzlich thut mich verlangen nach einem seligen End/ etc., Breßlaw/Leipzig 1628; ders.: Christianae Euthanasias Statuae: Lehr- und Erinnerings-Seulen: Welche uns als geistlichen Pilgrims- und Wandersleuten/ auß diesem Threnen-Thal/ ins

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in Köben an der Oder und führenden religiösen deutschsprachigen Dichters im 17. Jahrhundert,120 oder auch Valerius Herbergers,121 eines in Schlesien und ganz Mitteleuropa berühmten Pfarrers aus Fraustadt in Großpolen,122 erreichten ihr Publikum viel eher als die der mittelalterlichen Tradition verhafteten Handbücher der ars moriendi. Die Vermittlung origineller theologischer Gedanken in einer bildreichen Sprache voller Allegorien und ihre Verknüpfung mit den Realien eines einfachen und arbeitsamen Lebens123 machte die Leichenpredigt zu einer der wichtigsten Literaturgattungen des deutschen Barock. Auch die in Schlesien entstandenen Predigten hatten hieran ihren Anteil. Andreas Gryphius’ berühmte „Dissertationes funebres“124 wurzeln in der Tradition der schlesischen Leichenpredigt, sie sind deren geistliche Vollendung und künstlerische Krönung.

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Land der Lebendigen/ den rechten und richtigen Weg zeigen. In Trawer- und Trost-Predigten/ bey frommen Christen Leichbegaengnueßen erbawet und auffgerichtet, Braunschweig 1642; ders.: Schola Mortis: Todes-Schule. Das ist: Ander Theil Christlicher Leich-Predigten: Darinnen wir Sterbliche Selig zu sterben richtig unterwiesen: wider Noth und Todt kräfftig getröstet: Und für Sicherheit trewlich gewarnet werden, Braunschweig 1642; ders.: Parma Contra Mortis Arma. Geistlicher Schild: Womit wir die scharfen Pfeile des Todes auffangen/ schwächen und zerbrechen koennen. Das ist: Dritter Theil Christlicher Leichpredigten, Rostock 1650; ders.: Dormitoria: Etlicher frommer Christen Schlaff-Haeuslein. Das ist: Christlicher Leich-Predigten Vierdter Theil, Rostock 1650. Wackernagel, Paul: Johann Heermanns geistliche Lieder, Stuttgart 1856; Zell, Carl-Alfred: Untersuchungen zum Problem der geistlichen Barocklyrik mit besonderer Berücksichtigung der Dichtung Johann Heermanns (1585–1647), Heidelberg 1971; Irmler, Rudolf: Mit dir wir wollen Taten tun. Johann Heermann. Prediger und Dichter, Stuttgart 1984; Grünewald, Johannes: Johannes Heermann. Zur 400. Wiederkehr seines Geburtstages. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 64 (1985) 184–191. Herberger, Valerius: Geistliche Trauerbinden. Ausgewählte Neuausgabe von Carl Friedrich Ledderhose, Halle a. d. S. 1854. Vgl. ferner Anm. 66. Henschel, Adolf: Valerius Herberger, Halle a. d. S. 1889; Bickerich, Wolfgang: Leben und Wirken Valerius Herbergers. In: Quellen und Forschungen zur Heimatkunde des Fraustädter Ländchens 1 (1927) 23–69; Schober, Willi: Erinnerungen an Valerius Herberger. Ebd. 3 (1938) 65–70. Als Beispiele mögen die Leichenpredigten Johannes Heermanns für Bürger aus Köben an der Oder gelten: für den Schulzen Klemens Rautenstrauch (gestorben 1627), für die Schuster Kaspar Baumgarten und Sigmund Roseberg (gestorben 1622), den Kürschner Hans Redel (gestorben 1622), die Leineweber Gregor Ludwig (gestorben 1619) und Hans Madrian (gestorben 1621), sowie für die Pastoren Martin Etnerus (gestorben 1620) und Paul Tantzmannus aus Guhrau (gestorben 1622), Abraham Crudellius aus Eisemost (gestorben 1626) und Johann Baumannus den Älteren aus Raudten (gestorben 1627). Vgl. Heermann: Güldene Sterbekunst, 79–108, 216–257, 258–285; ders.: Christianae Euthanasias Statuae, 248–266, 393–427; ders.: Schola Mortis, 243–269, 270–310, 500–526, 591–610. Vgl. Anm. 13. Vgl. ferner: Schings, Hans-Jürgen: Die patristische und stoische Tradition bei Andreas Gryphius. Untersuchungen zu den Dissertationes funebres und den Trauerspielen, Köln 1966; Fürstenwald, Maria: Andreas Gryphius. Dissertationes funebres. Studien zur Didaktik der Leichabdankungen, Bonn 1967; Rusterholz, Sibylle: Rostra, Sarg und Predigtstuhl. Studien zu Form und Funktion der Totenrede bei Andreas Gryphius, Bonn 1974;

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III. IN PACE IN IDIPSUM DORMIAM ET REQUIESCAM Der Ort der ewigen Ruhe für die niederen Schichten der schlesischen Gesellschaft, die Bauern, Handwerker und das ,lose Volk‘, war im 16. und 17. Jahrhundert der nahe der Kirche gelegene Friedhof in seinen meistens schon im Mittelalter festgelegten Grenzen.125 Von der städtischen Bebauung wurde diese, symbolischen Charakter tragende Erweiterung der Kirchenfläche, dieses ,heilige Feld‘, durch eine Mauer abgetrennt, die auf dem Land bisweilen einer Befestigung ähneln konnte.126 Wiederholte Bestattungen – oftmals ohne Sarg – an derselben Stelle machte die Kennzeichnung einzelner Grabstätten durch Namenstafeln unmöglich.127 Aus den flach angelegten Gruben kamen gelegentlich menschliche Überreste ans Tageslicht, ein bei der allgemein verbreiteten Praxis, den Friedhof als Abfallgrube, Wäschetrockenplatz oder sogar Kuh- und Schweineweide zu nutzen,128 deutlicher Beweis für die Vernachlässigung, ja Entehrung der Verstorbenen. Die evangelischen Kirchenordnungen suchten diesen Gewohnheiten vorzubeugen. So bestimmte die Brieger Kirchenordnung aus dem Jahr 1592: „Die kirchhöfe sollen zur erweisung der gottseeligkeit christl. hoffnung rein gehalten werden, nicht schwein-anger, noch viehhöfe, stein- und kalkhütten/ wie an etlichen Orten geschehen/ daraus machen oder sonst entheiligen oder verunreinigen lassen.“129 Die Reformation wahrte die Heiligkeit der Friedhöfe. Bester Beweis dafür war die Weigerung, sittenlose und nicht zur Kirche gehörige Personen, die ohne Kommunion lebten, an geweihter Stelle zu beerdigen.130 Sie wurden ebenso wie Schwenckfeld-Anhänger, Selbstmörder oder psychisch Kranke sine crux, sine lux außerhalb des Friedhofes begraben. Für im Kindbett verstorbene, als unrein ange-

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Habersetzer, Karl-Heinz: Mors Vitae Testimonium. Zu Form und Absicht in Andreas Gryphius’ Leichabdankung auf Georg Schönborner („Brunnen-Diskurs“). In: Lenz: Leichenpredigten als Quelle historischer Wissenschaften, Bd. 3, 254–283. Gellhorn, Alfred: Die Friedhofanlagen Schlesiens, Straßburg 1918; Grün, Hugo: Der deutsche Friedhof im 16. Jahrhundert. In: Hessische Blätter für Volkskunde 24 (1925) 64–97; Derwein, Herbert: Geschichte des christlichen Friedhofs in Deutschland, Frankfurt a. M. 1931; Zoepfl: Art. Bestattung, Bestattungswesen, 336–339; Kolbuszewski: Wiersze z cmentarza, 16–37. Erst 1777 stellte man die Bestattung der Verstorbenen in den Pfarrkirchen zu Breslau und auf den Friedhöfen in ihrer unmittelbaren Umgebung ein. Kraft königlichen Edikts wurde der große öffentliche Friedhof am Nikolai-Tor in Benutzung genommen. Gellhorn: Die Friedhofanlagen Schlesiens, 22–27, 40–53; Rozpędowski, Jerzy: Warowne kościoły na Śląsku. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 6 (1968) 54–97. Die Breslauer Kirchenordnung von 1528 sowie die aus späterer Zeit stammenden Begräbnisordnungen und Friedhofstarife der Pfarreien zu St. Elisabeth und zu den Elftausend Jungfrauen in Breslau sahen Bestattungen von Erwachsenen und Kindern auch „ane Sarch“ vor. Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 63f.; Labudda: Liturgia pogrzebu w Polsce, 217f.; Kolbuszewski: Wiersze z cmentarza, 17. Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 81. Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 178–182. Vgl. ferner Labudda: Liturgia pogrzebu w Polsce, 239–242.

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sehene Frauen trennte man mit einem Zaun („Staketer“) spezielle Quartiere auf den Friedhöfen ab.131 Das Wöchnerinnenquartier an der Nordwand der Pfarrkirche St. Elisabeth in Breslau war im 17. Jahrhundert von einem rot bemalten Gitter („rothes Gegitter“) umgeben.132 Fürsten und Adel, Patriziat, städtische Intelligenz sowie evangelische Geistlichkeit fanden ihre ewige Ruhe in den Schloßkirchen und -kapellen bzw. in den städtischen oder dörflichen Pfarrkirchen.133 Der noch im 13. Jahrhundert ausschließlich Welt- und Ordensgeistlichen sowie weltlichen Stiftern und Patronen134 als Privileg vorbehaltene Begräbnisplatz in der Kirche wurde im Zeitalter der Reformation allen Bemittelten zugänglich.135 Unter dem Estrich der Pfarrkirche St. Nikolai in Brieg wurden beispielsweise bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts hunderte Verstorbener dicht neben- und übereinander beigesetzt; schon 1558 war von den dortigen Gräbern „unter den hohen und niedrigen Gewölben“ die Rede.136 In den städtischen Pfarrkirchen galt eine streng einzuhaltende Platzhierarchie. Im Chor durften in der Regel nur Pastoren und um die Gemeinde besonders verdiente Personen, wie etwa erfolgreich regierende Bürgermeister, bestattet werden.137 Unter dem Hauptschiff fanden Vertreter des Patriziats und Zunftälteste ihre Ruhestätte, soweit sie nicht in den Familienkapellen ruhten, die um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert an die schlesischen Kirchen angebaut138 und nach der Einführung der Reformation mehrfach umgebaut oder modernisiert wurden.139 Das ius sepulturae, das adlige Patrone beanspruchten, ließ im 16. Jahrhundert viele 131 Bunzel: Die geschichtliche Entwicklung, 175. Noch im 16. Jahrhundert war in den katholischen Ländern die Reinigung (Segnung der Wöchnerin) einer verstorbenen Wöchnerin bekannt. Vgl. ferner Labudda: Liturgia pogrzebu w Polsce, 234–239. 132 Luchs, Hermann: Die Denkmäler der St. Elisabeth-Kirche zu Breslau, Breslau 1860, 199. 133 Hofmeister, Philipp: Das Gotteshaus als Begräbnisstätte. In: Archiv für katholisches Kirchenrecht 4. Folge 19 (1931) 450–487; Zoepfl: Art. Bestattung, Bestattungswesen, 339–346; Störmer, Wilhelm: Adelige Eigenkirchen und Adelsgräber – Denkmalpflegerische Aufgaben. In: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 38 (1975) 1142–1158; Labudda: Liturgia pogrzebu w Polsce, 128f. 134 Derwein: Geschichte des christlichen Friedhofs, 60f. 135 Nach dem der Militscher Kirchenordnung von 1596 beigefügten Tarif für Adelsbegräbnisse kostete ein Begräbnisplatz in der Pfarrkirche in Militsch 60 Groschen. In der Sophienkirche in Dresden dagegen, die in den Jahren 1597 bis 1602 nicht mehr kultischen Zwecken sondern als Nekropole diente, betrug der Preis für einen Begräbnisplatz bis zu 50 Talern. Kluge: Chronik der Stadt Militsch, 309; Bruck, Robert: Die Sophienkirche in Dresden, ihre Geschichte und ihre Kunstschätze, Dresden 1912, 10f. 136 Lorenz: Aus der Vergangenheit der evang. Kirchengemeinde Brieg, 56. 137 Luchs: Über die Elisabethkirche zu Breslau, 31. 138 Niemczyk, Małgorzata: Kaplice mieszczańskie na Śląsku w okresie późnego gotyku. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 13 (1983) 9–66. 139 In den Jahren 1542–1544 wurde beispielsweise in den Kapellen der Familien Prockendorf, Mohrenberg und Banck in der Pfarrkirche St. Elisabeth in Breslau intensiv gebaut. Bimler: Quellen, Heft 1, 71.

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Abb. 35. Das prächtige Tumbengrabmal, das sich der Breslauer Patrizier Heinrich Rybisch, enger Mitarbeiter König Ferdinands I. von Habsburg, in den Jahren 1534 bis 1539 in der Haupt- und Pfarrkirche St. Elisabeth errichten ließ, hatte mehr Gemeinsamkeiten mit dem Ruhmeskult der Renaissance als mit den durch die Reformation verbreiteten Ideen der Erneuerung des Christentums. Die Öffentlichkeit reagierte sehr kritisch auf die unter dem Baldachin liegende lebensgroße Gestalt des Verstorbenen, wie sie bis dahin nur Königen, Fürsten und Bischöfen vorbehalten war.

Kirchenchöre zu geschlossenen Begräbnisräumen werden oder führte zur Errichtung zahlreicher Grabkapellen, deren Hauptfunktion es war, ihre Inhaber von den Grabstätten des „Pöbels“ abzugrenzen.140 Pastor Cyriakus Spangenberg, einer der führenden ,Adels-Ideologen‘ im damaligen Deutschland, schrieb sogar: „Endlich 140 Als bestes Beispiel für ein im Chor untergebrachtes Familienmausoleum aus der Zeit der Renaissance galt in Schlesien bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Schloßkirche St. Hedwig in Brieg (1570–1586). Bescheidenere Ausführungen haben sich in Ober-Gläsersdorf (um 1600) und Rothsürben (1597–1604) erhalten. Die Grabkapellen für adlige Familien, gewöhnlich architektonisch sehr einfach gestaltet, wurden an die Ostwand (so in den Fürstentümern Schweidnitz und Jauer) oder an die Nord- bzw. Südwand (so in den Fürstentümern Glogau und Sagan) von Dorfkirchenchören angebaut. Gelegentlich wurden die Kapellen auch an den Seiten des Kirchenschiffs städtischer Kirchen, wie etwa in Liegnitz, Haynau und Greiffenberg, emporgezogen. Harasimowicz, Jan: Protestanckie budownictwo kościelne wie-

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haben die vom Adel auch nach ihrem todt einen vorzug fuer andern gemeinen Leuten/ in dem/ das sie etwa ire eigene Begrebnisse/ Capellen un[d] dergleichen oerte haben/ dahin man sie zur Erden bestattet/ und nicht unter den gemeine[n] Poebel legt/ wie aus dem Propheten Jeremia am 26. zu sehen.“141 Die Neigung zur demonstrativen Abgrenzung privilegierter Begräbnisplätze in der Kirche142 leitete sich aus dem Wunsch vieler Adliger her, sich königliche und fürstliche Privilegien zuzuschreiben.143 Typisch für den protestantischen Adel um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert war jedoch die gegenläufige Tendenz. Als erstrebenswert galt die allgemeine Zugänglichkeit des Patronatsgrabes in der Kirche und seine Auszeichnung durch verständliche Standesmerkmale. Ein eher indirekt den Kirchenraum dominierendes Monument sollte die Verewigung erwirken.144 „Etwan henget man den Schild in die hoehe uber das Grab an die Wand in den Kirchen“, heißt es im „Adelsspiegel“ von Cyriakus Spangenberg. „Hat dann auch einer ritterliche Tahten in Kriegen und Zuegen verbracht/ und dadurch eines oder mehr Faehnlein eroebert/ dieselbigen/ oder die er sonst mit preiß und ehren gefuehret und erhalten/ stecket man neben seinem Schild und Helm/ ihm zu loeblichen gedechtnis mit auff. Oder werden im sonst schoene kuenstliche von Stein gehawen/ oder von Holtz geschnitten/ oder zum wenigsten gemahlte Epitaphia und Grabschriften auffgerichtet.“145 An den Wänden der Chöre, Kirchenschiffe oder Eingangshallen ländlicher und kleinstädtischer Patronatskirchen legitimierten diese in Stein gehauenen, geschnitzten oder „zum wenigsten gemalten“ Grabdenkmäler den gesellschaftlichen Status des schlesischen Adels. In vielen Orten schmückten sie auch die Außenwände der

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ku reformacji na Śląsku. In: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 28 (1983) 341–374, hier 351–356. Spangenberg, Cyriakus: Adels-Spiegel. Historischer Ausfuerlicher Bericht: Was Adel sey und heiße/ Woher er kom[m]e/ Wie mancherley er sey/ Und was denselben ziere und erhalte/ auch hingegen verstelle und schwaeche. Desgleichen von allen Goettlichen/ Geistlichen und weltlichen Staenden auff Erden/ etc. wie solches alles der Inhalt nach der Vorrede namhafftig und in der Ordnung zeiget […], Teil 2, Schmalkalden 1594, fol. 287r. Zoepfl: Art. Bestattung, Bestattungswesen, 346f.; Keisch, Claude: Zum sozialen Gehalt und zur Stilbestimmung deutscher Plastik 1550–1650: Sachsen, Brandenburg, Anhalt, Stifter Magdeburg und Halberstadt, phil. Diss. Berlin [Ost] 1970, 61–69; Łoziński, Jerzy Z.: Grobowe kaplice kopułowe w Polsce 1520–1650, Warszawa 1973; Evers, Bernd: Mausoleen des 17.–19. Jahrhunderts. Typologische Studien zum Grab- und Memorialbau, phil. Diss. Tübingen 1983, 17–30, 60–63. Ein Teil des schlesischen Adels orientierte sich bei seinen Grabmalstiftungen an das Piastenmausoleum in der Schloßkirche St. Hedwig in Brieg, der sächsische und Lausitzer Adel dagegen nahm sich das Wettinermausoleum im Freiberger Dom zum Vorbild. Für den polnischen Adel war die königliche Sigismund-Kapelle bei dem Waweldom in Krakau das hauptsächliche und im Grunde genommen einzige Vorbild für die Anlage von Grabdenkmälern und Mausoleen. Keisch: Zum sozialen Gehalt, 70–76. Spangenberg: Adels-Spiegel, Teil 2, fol. 287r.

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Kirchen und die Friedhofsmauern. Für Schmellwitz, Schosnitz und Pirschen könnte man in der Art, wie einzelne Grabmonumente zu Ensembles zusammengestellt wurden, sogar eine bewußte Kalkulierung der künstlerischen Wirkung vermuten.146 In dem Wunsch, mit Hilfe von Grabdenkmälern die Vorherrschaft des eigenen Standes zu veranschaulichen und zu verewigen, lockerte man nicht selten ihre Bindungen an die eigentlichen Begräbnisplätze. Herzog Karl II. von Münsterberg-Oels verfügte in seinem Testament vom Februar 1608, daß sein Leichnam in der Schloßkirche zu Oels bestattet und „bey dem hohen alttar […] ein zierliches monumentum vonn ausgehauenen werckstückenn zum christlichen gedechtnus“ angebracht werden sollte.147 In einem zweiten Testament vom März desselben Jahres, das seine Besitztümer in Mähren regelte, wünschte er, daß in der von ihm gestifteten Kirche zu Sternberg „bei dem großen altar neben der sacristei ein schön und zierlich monument und gedächtnüs von ausgehauenen marmel aufgerichtet werde“.148 Der Wunsch nach prunkvollen Grabdenkmälern läßt sich am ehesten aus dem Ruhmeskult des Renaissancehumanismus herleiten.149 Eine 1574 von Seyfried Rybisch und Tobias Fendt in Breslau herausgegebene illustrierte Sammlung von Grabdenkmälern „berühmter Männer“150 verstärkte in der schlesischen Bevölke146 In Schmellwitz bilden drei Epitaphien von Mitgliedern der Familie von Seidlitz (gestorben 1559, 1564 und 1568) ein solches Ensemble, in Schosnitz handelt es sich um das 1586 ausgeführten Epitaph für Heinrich (gestorben 1584) und Hedwig von Schindel (Abb. 60) sowie um fünf Grabplatten für Mitglieder der gleichen Familie (Heinrich, Hedwig und drei früh verstorbene Kinder). In Pirschen haben wir es mit vier (je zwei doppelten) Grabplatten für die Familie von Reichenbach zu tun (um 1600). 147 Zit. nach Schuster, Alfons: Urkundliche Mitteilungen betr. ein nicht zur Aufstellung gelangtes Grabdenkmal für Herzog Karl II. von Münsterberg-Oels. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 4 (1888) 617–629, hier 617. 148 Ebd., 624. Keines der beiden Grabdenkmäler für Herzog Karl II. wurde offenbar ausgeführt (die Arbeiten an dem Grabdenkmal in Oels wurden 1630 unterbrochen, von dem Denkmal in Sternberg fehlen jegliche Quellenbelege). Dagegen haben sich zwei Grabdenkmäler für Herzog Karl I. (gestorben 1536) und seine Gemahlin Anna von Sagan (gestorben 1541) erhalten: eine steinerne Grabtumba in der Pfarrkirche St. Anna in Frankenstein sowie ein bemaltes hölzernes Epitaph in der Pfarrkirche St. Georg in Münsterberg. 149 Burckhardt, Jacob: Der moderne Ruhm. In: ders.: Gesammelte Werke, Bd. 3: Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch, Basel 1955, 96–104; Klaniczay, Tibor: A nagy személyiségek humanista kultusza s XV. században. In: Irodalomtörteneti Közlemenyek 2 (1982) 135–149. Vgl. ferner Steinborn, Bożena: „Galeria sławnych“ Tomasza Rehdigera. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 11 (1977) 29–66. 150 Monumenta/ Sepulcrorum cum Epigraphis ingenio et doctrina excellentium virorum: aliorum tam prisci quam nostri seculi memorabilium hominum: de archetypis expressa./ Ex liberalitate Nob. et Clariss. Viri D. Sigefridi Rybisch etc. Caesarei Consiliarii. Per Tobiam Fendt, Pictorem ei civem Vratislaviensem, in aes incisa et aedita, [Breslau] 1574. Vgl. ferner Michalski, Sergiusz: Seyfrieda Rybischa i Tobiasza Fendta „Monumenta Sepulcrorum cum Epigraphis…“. In: Białostocki, Jan (Hg.): O ikonografii świeckiej doby humanizmu. Tematy – symbole – problemy, Warszawa 1977, 77–158.

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rung die Überzeugung, die Gestalt eines Grabmonuments könne den ,guten Namen‘ seines Inhabers unsterblich machen. Die Sammlung machte auch die erzieherische Funktion der Denkmäler bewußt. Sie sind, schrieb Pastor Spangenberg, „nicht allein den verstorbenen zu danck/ ehren und gedechtnis/ sondern auch andern zur anreitzung/ in gleichen Tuegenden und ehrlichen thaten den Vorfahren zu folgen/ gesetzt worden.“151 Dokumentierte Würde, Tugend und Ruhm sollte insbesondere die Jugend dazu anregen, „nach gleicher ehre zu trachten“.152 Konnten zu Beginn der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts humanistische Werte wie Wissen, Feinfühligkeit und Sinn für das Schöne den Anspruch auf Ruhm und Adel für ihren Träger erwirken, so galt um 1600 die vera nobilitas, die Geblütsadligkeit, als allein wichtigste Tugend.153 Die großen Grabmäler des Breslauer Patriziats aus der Zeit der Renaissance, wie etwa das Tumben- und Baldachingrabmal Heinrich Rybischs (Abb. 35) oder das Wandgrabmal Nikolaus II. Rehdigers,154 riefen zum Wettstreit zwischen den ,Ideen‘ und der Kunst nach den Grundsätzen des Humanismus auf. Die großen Figurengrabmäler in Mondschütz, Greiffenberg (Abb. 36), Großenborau oder Ober-Gläsersdorf155 dagegen waren reine Repräsentation und Herrschaftslegitimation: Die heraldische Herleitung des ,echten Adels‘ und die fast magische Gegenwart der Patrone in Gestalt vollplastischer stellvertretender Bildnisse dienten diesem Anliegen.156 Die Versuche des schlesischen, insbesondere Breslauer Bürgertums, hinsichtlich Größe und Prunk der Grabmäler mit dem Adel zu wetteifern, standen in krassem Gegensatz zum kleinbürgerlichen Wertsystem. Geldverschwendung für „eitle Gräber“ und „trügerische Unsterblichkeit“ fanden darin keinen Platz. Sebastian Brant nahm 1494 in seinem berühmten „Narrenschiff“ diese Eitelkeit aufs Korn: „Das war ein groß Torheit der Welt,/ daß man legt ein so großes Geld/ an Gräber, da man wirft hinein/ den Aschsack und die Schelmenbein,/ und gab so große Kosten aus,/ daß man den Würmern macht ein Haus/ und für die Seele nichts will geben,/

151 Spangenberg, Adels-Spiegel, Teil 2, fol. 287r. 152 Ebd., Teil 1, Schmalkalden 1591, fol. 44r. Der folgende Satz im zitierten Abschnitt drückt einen für die Ideologie des ,echten Adels‘ typischen Gedanken aus: „Aber viel mehr bewegt sie die angeborne begierde/ irer Eltern in gleichen dapffern Thaten nachzufolgen/ und inen gleich zu werden/ und also den auffgeerbten rhum und ehrlichen namen zu erhalten/ und da es mueglich/ auch zu mehren.“ 153 Trunz: Der deutsche Späthumanismus, 19–25. 154 In der das Grabmal Nikolaus II. Rehdigers krönenden Kartusche befindet sich eine heute kaum noch lesbare Inschrift: MONUMENTUM OPT[IMUM] QUOD SUA CUIQUE VIRTUS STATUIT. Luchs: Die Denkmäler der St. Elisabeth-Kirche, Nr. 230. 155 Harasimowicz, Jan: Kasper Berger i rzeźba legnicka schyłku XVI wieku. In: Biuletyn Historii Sztuki 42 (1980) 107–132; ders.: Marcin Pohl – nieznany rzeźbiarz śląski z początku XVII wieku. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 14 (1986) 85–95. 156 Keisch: Zum sozialen Gehalt, 51–58; Reinle, Adolf: Das stellvertretende Bildnis. Plastiken und Gemälde von der Antike bis ins 19. Jahrhundert, Zürich/München 1984, 217–241.

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Abb. 36. Das typische schlesische Grabdenkmal der Reformationszeit mußte Anforderungen ständischer Repräsentation mit einem Bildprogramm, das den eifrigen Glauben des Verstorbenen betonte, vereinigen. Diese doppelte Programmatik prägt auch das in der Pfarrkirche St. Hedwig in Greiffenberg aufgestellte Wandgrabmal (1585–1589) für Hans von Schaffgotsch und seine Familie.

die doch in Ewigkeit muß leben./ Der Seel hilft nichts ein teures Grab/ oder daß man Marmorstein hab/ und aufhäng Schild, Helm, Banner groß.“157 Die Moralisten begegneten den Grabmälern als ,Früchten des Stolzes‘ skeptisch und erblickten in ihnen ein Symbol der Vergänglichkeit und Nichtigkeit der Welt. Für die schlesischen Dichter des 17. Jahrhunderts war schon das einfache Grabmal auf dem Friedhof augenfälliges Zeugnis einer vanitas vanitatum. Ein Monument konnte mit seinem Schmuck und seiner Schrift trügen, denn, so lehrte Andreas Gryphius: „Starrt ob dem schoenen Marmel nicht/ Sein Schmuck und Grabschrift koennen truegen./ Die Leiche nur weiß nicht von Luegen;/ Nichts von Betruegen diß Gericht.“158 Daniel von Czepko gab zu bedenken, daß der bestattete Leichnam am Tag des Jüngsten Gerichts viel eher auferstehen könne, wenn ihn kein schwerer Grabstein bedecke: „Ich war ein Mensch/ wie du auch bist/ Von Stand und von

157 Brant, Sebastian: Das Narrenschiff. Text und Holzschnitte der Erstausgabe 1494. Zusätze der Ausgaben 1495 und 1499, Leipzig 1986, 251f. 158 Gryphius, Andreas: Kirchhoffs-Gedancken. In: ders.: Freuden und Trauer-Spiele auch Oden und Sonette, Leipzig 1633, 495.

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Verstande:/ Dein gleiches Bild/ dein neben Christ:/ Jetzt lieg ich hier im Sande./ Kein Marmel darff mein Grab erhoehn/ Daß ich kan leichter aufferstehn.“159 Die Theologie der Reformationszeit, die ihre Lebenskraft im wesentlichen aus kleinbürgerlichen Quellen schöpfte, beurteilte die Grabdenkmäler ausschließlich aus der Perspektive ihrer eschatologischen Lehre. „Unser Kirchen nicht mehr lassen Klaghäuser oder Leidstätten sein, sondern wie es die alten Väter auch genennet, Coemeteria, das ist für Schlafhäuser und Ruhestätten halten“ – schrieb Martin Luther.160 Begräbnis und Grabstätte hatten nach dem Willen des Reformators ehrlich zu sein und „zu Lob und Ehre dem fröhlichen Artikel unseres Glaubens, nämlich von der Auferstehung der Toten, und zu Trotz dem schrecklichen Feinde, dem Tode“ stattzufinden.161 Grabmäler stellten für Luther keine selbständigen Werte dar, er sah in ihnen lediglich eine Quelle des Wissens um den Tod und das ewige Heil. Wenn er mit dem Hinweis auf Joseph von Arimathia empfahl, bereits zu Lebzeiten Grabdenkmäler zu errichten, so sprach aus ihm nicht die übertriebene Sorge um eine Verewigung von Ruhm und Namen in Marmor.162 Vielmehr sah er darin den vom Gefühl der Sterblichkeit getragenen Wunsch verwirklicht, den Nachgeborenen über das paränetische Bild eines Epitaphs die Hoffnung auf die Auferstehung zu vermitteln. Die führenden Theologen der lutherischen Orthodoxie stimmten in diesem Punkt mit ihm überein. Philipp Arnoldi aus Königsberg gestand beispielsweise den Grabdenkmälern ausschließlich didaktische Funktionen zu: „Nützliche Bildnussen/ und Waffen auff der Müntz/ in den fenstern/ Epitaphien, Item/ Abcontrafeyungen deß Leydens Sterbens/ Auferstehung unsers Heylands […] können bono titulo […] toleriret und gelitten werden.“163 Die kühle, leidenschaftslose Zustimmung der lutherischen Theologen zur Existenz von Grabdenkmalen steht in einem gewissen Gegensatz zu ihrer ungewöhnlich hohen Zahl in den Ländern der Reformation. Aber gerade auf dem Boden dieser Toleranz konnte es gelingen, den mit dem Humanismus erwachten Wunsch zu verwirklichen, sich in Erinnerung zu bringen, bzw. das in den Prozessen der Refeudalisierung gewachsene Bedürfnis zu stillen, seinen Stand zu legitimieren. 159 Czepko, Daniel von: Rede auß seinem Grabe/ Welcher Er/ annoch bey guter Gesundheit/ Doch nicht so gar unlaengst Vor seinem/ den 8. Septembr. dieses noch lauffenden 1660sten Jahres/ erfolgten Ableben auffgesetzet, Breslau [1660], fol. A2r. 160 Luther: Werkausgabe, Bd. 35, 478. 161 Ebd. 162 So mußte für Luther die von Montaigne überlieferte stoische Ansicht vom „eigenen Grab“ besonders fremd sein: „Si i’avois m’en empescher plus avant, ie trouveroy plus galant d’imiter ceulx qui entreprennent, vivants et respirants, iouyr de l’ordre et honneur de leur sepulture, et qui se plaisent de veoir en marbre leur morte contenance. Heureux qui sachent resiouyr et gratifier leur sens par l’insensibilité, et vivre de leur mort!“ Essais de Michel de Montaigne, Bd. 1, 11. 163 Arnoldi, Philipp: Caeremoniae Lutheranae, Das ist/ Ein Christlicher/ Gruendlicher Unterricht von allen fuernembsten Caeremonien, so in den Lutherischen Preußischen Kirchen/ in verrichtung des Gottesdienstes/ adhibirt werden/[…], Koenigsberg 1616, 123.

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Die protestantische Grabkunst wurde – so wie es Luther gewollt hatte – zu einem der wichtigsten Werkzeuge der gesellschaftlich-religiösen Erziehung. Im Einklang mit den Handbüchern und Leichenpredigtsammlungen lehrte sie eine christliche ,Sterbekunst‘. Gräber, Grabdenkmäler und Friedhöfe hatten auch im Schlesien des 16. und 17. Jahrhunderts auf Nichtigkeit und Sein, Vergänglichkeit und Ewigkeit, Dunkelheit und Licht, Tod und Leben hinzuweisen. Andreas Gryphius griff in den letzten Strophen seiner „Kirchhoffs-Gedancken“ eben diese Vorstellungen auf: „Ach Todten! Ach! was lern ich hir!/ Was war ich vor! was werd’ ich werden/ Was ewig bleibt uns für und für!/ Und ich bekuemmer mich umb Erden!/ O lehrt mich/ die ihr liget/ stehn!/ Daß/ wenn ich Jahr und Zeiten schliße/ Wenn ich die Welt zum Abschied grueße/ Ich moeg’ aus Tod ins Leben gehn.“164

164 Gryphius: Kirchhoffs-Gedancken, 496.

Der evangelische Begräbnisritus der Frühen Neuzeit in Schlesien „Die Schlesier thun es in diesem Stueck vielen andern Nationen zuvor/ und beerdigen ihrigen Verstorbenen mit ansehnlichen Leich-Ceremonien.“ Aus Friedrich Lichtstern, „Schlesische Fuersten-Krone“. Die neue Todes- und Heilsauffassung, die mit der Reformation einsetzt und sich insbesondere durch die Ablehnung des Fegefeuers, der Seelengebete und -messen kennzeichnet, hat in Schlesien in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einem beträchtlichen Bedeutungsverlust und Rückgang des Bestattungswesens und zur Vernachlässigung der Friedhöfe geführt.1 In den ersten Jahrzehnten nach dem reformatorischen Umbruch wurde in Breslau wie auch andernorts in Schlesien auf feierliche Leichenzüge mit Kreuzen, Kerzen, Gesang und Glockengeläut oft verzichtet; vielmehr waren heimliche Abend- und Nachtbeerdigungen die Regel. Der Breslauer Stadtrat hatte zwar bereits 1528 die reformatorische Schul- und Kirchenordnung verabschiedet, in welcher der neue Begräbnisritus einen bedeutenden Stellenwert einnahm,2 aber die ersten wenigen Begräbnisse nach diesem Ritus fanden erst 1542 in der Breslauer Pfarre St. Maria Magdalena statt. Und es mußten weitere vier Jahre vergehen, ehe 1546 die Trauerglocke nach langem Schweigen

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Noch im Jahr 1592 stand in der Brieger Kirchenordnung Herzog Joachim Friedrichs von Liegnitz und Brieg zu lesen: „Die kirch und kirchhöfe sollen zur erweisung der gottseeligkeit christl. hofnung rein gehalten werden, nicht schwein-anger, noch viehhöfe, stein- und kalkhütten wie an etlichen orten geschehen:/ daraus machen oder sonst entheiligen oder verunreinigen lassen.“ Ähnlich lautete auch die Kirchenordnung der evangelischen Friedenskirche zu Jauer vom Jahr 1655: „Der Kirchhof, welcher ist der Christen Schlafhaus, drauß Sie der Herr Christus am iüngsten Tage aufferwecken wirdt, soll wie es wirdt am bequemsten geschehen können, vormachet, unndt kein Viehe darauf zuhalten verstattet werden.“ Zit. nach: Jessen, Hans/Schwarz, Walter (Hg.): Schlesische Kirchen- und Schulordnungen von der Reformation bis ins 18. Jahrhundert, Görlitz 1938 (Quellen zur Schlesischen Kirchengeschichte 1), 81, 243. Schul- und Kirchenordnung des Rathes der Stadt Breslau. Von 1528. In: Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 11–25. Vgl. ferner Lichtstern, Friedrich: Schlesische Fuersten-Krone/ Oder Eigentliche/ warhaffte Beschreibung Ober- und Nieder-Schlesiens/ Sowol Von seinen Grentzen/ Benamungen/ Ober-Regenten/ Religions-Beschaffenheiten/ Fuerstenthuemern/ Freyen Standes-Herrschafften/ Stroehmen/ Bergen/ Fruchtbarkeiten/ Regiments-Wesen/ Fuersten-Tagen/ Rent-Kammern/ Lebens-Arten/ Sitten/ und Gewohnheiten ins gemein […] Franckfurt am Mayn M.DC.LXXV, 815–1124; Bunzel, Manfred: Die geschichtliche Entwicklung des evangelischen Begräbniswesens in Schlesien während des 16., 17. und 18. Jahrhunderts, Lübeck 1981; Harasimowicz, Jan: „Ars moriendi“ i „pompa funebris“ na Śląsku w dobie reformacji. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 45 (1990) 185–209.

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dort wieder ertönte. Noch länger dauerte es, bis der St. Maria Magdalena-Friedhof 1553/54 wieder in geregelten Betrieb genommen und mit einer neuen Mauer und der „Tottengrebers Kammer“ versehen wurde.3 Während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts setzte sich in der organisatorisch erstarkenden evangelisch-lutherischen Kirche Schlesiens die Überzeugung durch, daß „fromme Christen, die in wahrer bekäntnüß des sohn gottes einschlafen, man mit ehrlichen ceremonien zur erden bestätigen [soll]“.4 Die ersten Umrisse des neuen Begräbnisritus – meistens mit ausführlichen Begräbnistaxen verbunden – kamen bereits in den frühesten schlesischen Kirchenordnungen zum Vorschein: Dies waren – abgesehen von der oben erwähnten Breslauer Schul- und Kirchenordnung von 1528 – die Kirchenordnungen für die Stadt Neumarkt (nach 1540),5 für das Fürstentum Teschen (in tschechischer Sprache 1568, Deutsch 1584),6 für die Herrschaften Freudenthal und Goldenstein (1584–1592),7 für das Fürstentum Brieg (1592),8 für die Standesherrschaft Militsch (1596),9 für die fürstliche Stadt Bernstadt (1618, 1634)10 und für die Herrschaft Suhlau (1619).11 In seinem vollen Umfang wurde das Bestattungszeremoniell samt dem mit ihm eng verbundenen detaillierten Gebührensystem erst nach dem Dreißigjährigen Krieg entwickelt und ist in den damals erlassenen Ordnungen enthalten: in den Kirchenordnungen der evangelischen Friedenskirchen in Schweidnitz (1654, mit Nachträ3 Bimler, Kurt: Quellen zur schlesischen Kunstgeschichte, Heft 1, Breslau 1936, 41. 4 Hertzog Joachim Friedrichs zur Liegnitz und Brieg etc. Briegsche Kirchenordnung de Ao. 1592. In: Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 75–81, hier 80. 5 Kirchenordnung Ordnung für die Stadt Neumarkt (nach 1540). Ebd., 32–34. 6 Porządek kościelny, który przy służbie Bożej i obrzędach kościelnych w kościele chrześcijańskim Księstwa Cieszyńskiego w miastach i po wsiach kaznodzieje i nauczyciele Słowa Bożego zachowywać mają […] Potwierdzony w 1568 roku. In: Wantuła, Adam: Porządek kościelny Wacława Adama. Początki organizacji Kościoła Ewangelickiego na Śląsku Cieszyńskim. In: Rocznik Teologiczny 2 (1937) 161–178; Teschener Kirchenordnung vom 20. April 1584. In: Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 54–63. 7 Die Kirchenordnungen der Herrschafften Freudenthal und Goldstein vom 29. Oktober 1584, 5. März 1591 und von November 1592. In: Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 63–75. 8 Hertzog Joachim Friedrichs zur Liegnitz und Brieg etc. Briegsche Kirchenordnung de Ao. 1592. Ebd., 75–81, hier 80. 9 Kluge, Kurt: Chronik der Stadt Militsch, Militsch 1909, 300–310. 10 Decret. Wie lhre F. Gn. es bey der Kirchen alhier wollen gehalten haben (1618), Kirchen Ordnung alhier zur Bernstadt den 13. Januarij Anno 1634 auffs New auffgerichtet. In: Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 220–221, 222–226. 11 Kirchen Ordnung. so bey der Burggräfflichen Zulausischen herschaft und kirchenfartt, beider deutzschen Zum Zulauff, und den Polnischen kirchen Zum Schlantz, sol gehalten werden, in gewisse artickel verfasset, und von dem Wolgeboren Hern Hern Conrad Burggraffen und Hern zu Dohnau, der Zulausischen Herschaft Erbhern, Hern auf Jabel, Walten, Töltzel undtt Neu Doltzbach etc. unserem gnedigen Hern angestellett Annodomini den 21. July anno 1619. Ebd., 227–235.

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gen von 1657 und 1714)12 und in Jauer (1655),13 in der Begräbnisordnung der fürstlichen Stadt Liegnitz (1659)14 und in der Kirchenverfassung für die Gemeinden des Fürstentums Oels (1664).15 Neben den vielen allgemeingültigen, für den Begräbnisritus wichtigen Kirchenagenden, wie etwa der nürnbergischen (1563– 1565), mecklenburgischen (1565, 2. Aufl. 1582) und sächsischen (1580), hatte sich in Schlesien die einheimische, 1593 von Melchior Eccard verfaßte Oelsnische Agenda eingebürgert,16 die nach 1664 und 1715 auch in polnischer Sprache verlegt wurde.17 In den meisten schlesischen Kirchen- und Begräbnisordnungen wurden die Begräbnisse nach Arten, „Species“ bzw. „Classen“ geteilt, die von der Größe des Leichenzugs, von der Zahl gesungener Lieder, getragener Kerzen, geläuteter „Pulsen“ und endlich vom Vortragen bzw. dem Fehlen einer Leichenrede des Pfarrers bzw. Diakons abhängig waren. In Militsch waren 1596 zum Beispiel aber nur zwei Begräbnisarten vorgesehen: „Es solln zweierley begrebnüß gehalten werden, Generalia und Specialia dach beidley mit gebürlichem proceß und christlicher Leichtgesenge. 12 Instructio und Ordnung der Evangelischen Kirchen Ungeänderter Augspurgischer Confession zugethan vor der Königlichen Stadt Schweidnitz wie sie von Herren Niedergesessenen Deputirten in die Viridium Anno Christi 1654 aufgesetzt und 1656 pro festo Epiphaniorum vollzogen worden; 1. Nachtrag; 3. Nachtrag Ordnungszusatz 1714. Ebd., 267–286; 287– 289, 294–316. 13 Instructio unndt Ordnung der Evangelischen Kirchen vor der Königlichen Stadt Jauer wie Sie von den Herren Niedergesessenen Deputirten den 10. Februarij Anno Christi 1655 aufgesezet und volzogen worden. Ebd., 235–253. 14 Neue Revidirte Begraebnues Ordnung/ ln der Fuerstlichen Stadt Lignitz, Liegnitz MDCLIX. 15 Nothwendige Kirchen-Constitution welche Für die sämtlichen Evangelischen Gemeinden Oelßnischen Fürstenthums, Auf die in selbigem Anno 1662. und 63. gehaltene und glücklich verbrachte Visitation, Der Durchlauchtige, Hochgebohrne Fürst und Herr, Herr Sylvius, Hertzog zu Würtemberg und Teck, auch in Schlesien zur Oelßen, Graff zu Montbelgart, Herr zu Heidenheimb, Sternberg und Medzibohr, etc. Durch gewisse darzu deputirte u. beschriebene S. Fürstl. Gn. Consistorial- und Land-Räthe, auch Pfarrer und Seniores, in unterschiedlichen Puncten und Articuln verfassen lassen Anno 1664. In: Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 359–391. 16 Agenda oder Ordnung Derer Evangelischen Kirchen im Oelßnischen Fuerstenthum und zugehoerigen Weichbildern/ Auff gnaedigen Befehl I. F. G. Hertzog Carls zu Muensterberg/ dieses Nahmens des Anderen/ erstlich gestellt und zusammenbracht/ und der Ehrwuerdigen Priesterchafft uebergeben Ao. 1593: Numehro aber auff gnaedige Verordnung I. F. G. Hertzog Sylvii zu Wuertenberg und Teck/ auch in Schlesien zur Oelßen/ etc. revidiret und zum Druck befoerdert Ao. 1664. Oelß 1664. 17 Agenda/ to jest/ Porządek/ Kościołów Ewanjelickich Księstwa Oleśnickiego, y innych do niego należących Powiatów. Naprzód Na miłościwe rozkazanie Książęcia Jgo Mości Karola z Mynsterberku Wtórego, w Niemieckim języku spisana y Wielebnemu Duchowieństwu Roku 1593. oddana;/ Potym/ Za miłościwym Zrządzeniem Jgo Książęcey Mości Sylwiusza Książęcia na Wyrtenberku, y Teku, a w Śląsku na Oleśnicy etc. przeyrzana, y do Druku Roku 1664. podana/ A teraz/ Kwoli Kościołom Polskim w pomięnionym Księstwie/ na Pospolite używanie Księżey. z Niemieckiego na Polski Język przetłumaczona/ wtóra Edicya. Brzeg 1715.

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Die Generalia bey welchen d[a]z außleuten zuvor gestattet mit d[er] ganzen Schull und beiden Priestern, die Specialia mit d[er] halben Schul und einem Priester, ohne außleuten.“18 Die Friedenskirche in Jauer verfügte 1655 schon über vier Begräbnisarten: 1. auf dem Kirchhof, wenn „die Collect mit dem seegen gesprochen“; 2. in der Kirche, wenn „eine Vormahnung für den Altar vorgesaget werden“; 3. in der Kirche, wenn „vorm Altar eine Leich-Sermon […] gehalten“; und 4. ebenfalls in der Kirche, wenn „die Leiche vor den Altar niedergesezet, ein gesang gesungen, hierauff eine Leichen Predigt gehalten“.19 Die Zahl der Begräbnis-„Classen“ stieg am Ende des 17. Jahrhunderts in Juliusburg auf sechs20 und 1659 in Liegnitz sogar bis auf acht. Das Begräbnis „in der Ersten Classe. Wann eine Leich-Predigt ist/ auch außgeleutet/ und vor der Thür gesungen wird“, kostete dort 28 Thaler 6 Groschen 11 Heller. Der Betrag für die Bestattung „in der Andern Classe. Mit der gantzen Schul/ sambt Thuersingen und Außleuten ohne Leich-Predigt“ belief sich auf 11 Thaler 9 Groschen 5 Heller und für diejenige „in der Dritten Classe. Mit der gantzen Schul und Thuersingen ohne Außleuten“ auf 7 Thaler 17 Groschen 3 Heller. Das Begräbnis „in der Vierden Classe. Mit der gantzen Schul/ und den Tag vorher Außzuleuten/ ohne Thuersingen“ kostete 8 Thaler 20 Groschen, „in der Fuenfften Classe. Mit der gantzen Schul/ ohne Außleuten und Thuersingen“ – 4 Thaler 28 Groschen, „in der Sechsten Classe. Mit der halben Schul ohne Außleuten und Thuersingen“ – in der Oberstadt 2 Thaler 3 Groschen 6 Heller, in der Niederstadt 1 Thaler 34 Groschen, „in der Siebenden Classe. Mit der gantzen Viertel Schul/ es sey in welchem Kirchspiel es wolle“ – 16 Groschen 7½ Heller, endlich waren für dasjenige in der achten Klasse, „Von der halben Viertel Schule. Wann es nicht Gratis beschihet/ oder Auß dem Allmosen bezahlet wird“, nur 8 Groschen 1½ Heller zu entrichten.21 Die in der Liegnitzer Begräbnisordnung vorgesehene Gebührenspanne von 28 Thalern 6 Groschen 11 Heller bis 8 Groschen 1½ Hellern spiegelte natürlich die in allen Städten jener Zeit vorhandene gesellschaftliche Stratifikation wider. Freilich ergab sie sich in diesem Fall mehr aus den Vermögens- denn aus den Standesunterschieden, was eindeutig aus dem Zeugnis Friedrich Lichtsterns hervorgeht: „Ob wol die geringeren Standes seynd/ solche Ehre nicht faehig werden/ jedoch sind ihre Begraebnueß-Ceremonien nicht viel von diesen [der Personen von Condition] unterschieden. Unterdessen dem/ der besagter maßen wil begraben werden/ wird es nicht geweigert/ dafern ers nur bezahlen kan.“22 Es ist auch daher von Anfang an zur Regel geworden, daß „armen leutten die es nit haben, sol doch mit der Schul18 Kluge: Chronik der Stadt Militsch, 308. 19 Instructio unndt Ordnung der Evangelischen Kirchen vor der Königlichen Stadt Jauer, 244f. 20 Nach Oelsnischer Kirchen ordnung und alten Herkommen abgefassete Kirchen gebräuche wornach Sich Die alhir befindlichen Kirchen und Schulbedienten zurichten. In: Jessen/ Schwarz: Schlesische Kirchen-und Schulordnungen, 531–542, hier 537–541. 21 Neue Revidirte Begraebnues Ordnung, 8–15. 22 Lichtstern: Schlesische Fuersten-Krone, 820.

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proceß gratis und umb sonst gedienet werden“.23 So berichtet etwa Valerius Herberger, der berühmte Fraustädter Prediger des beginnenden 17. Jahrhunderts, folgendes: „auffs wenigste wird bey uns auch bey der aller aermsten Leute Begraebnis ein klarer Spruch aus dem newen oder alten Testament/ und darauff ein hertzliches Gebet gesungen.“24 Die evangelischen Begräbniszeremonien sollten in Schlesien immer – von aller ihrer ständischen und lokalen Differenzierung abgesehen – „ehrlich“, „ordentlich“ und „öffentlich“ sein. In der Brieger Kirchenordnung Herzog Joachim Friedrichs lesen wir zum Beispiel: „Es sollen aber nicht allein die schüler, sondern auch die collegae und praedicanten, die das Funus deduciren, alle mit einander andächtig, und nicht unter der deduction ein geschwätz oder gelächter mit einander halten, welches dann christl. leute sehr ärgert, geschweige denn unserm gott aufs höchste zuwieder ist.“25 Noch schärfer wurde dies in der Kirchenordnung für die Herrschaft Suhlau ausgedrückt: „Sol auch gutte ordnung beim begrebnüß gehalten werden. Das volck nitt wie das tumme vihe untereinander laufen. Sondern erbar zichtig bei paren gehen, die Mannespersonen vorher unnd die weibspersonen bey paren der leichen nachfolgen und nachgehen.“26 In derselben Kirchenordnung ist auch ein sehr wichtiger Passus zu finden: „Sol niemandt sich unterstehen eine leiche heimlich ohne vorwissen des Hern Seelsorgerß begraben zu lassen.“27 Ein ähnliches Verbot ist ebenfalls in der Breslauer Schul- und Kirchenordnung von 1528 und in der Militscher Kirchenordnung von 1596 enthalten: „Und sollen bei nechtlicher weile nimand begraben, sondern allein bei und an dem tage.“28 „Und soll keine leiche mehr, es sey heraus od zu S. Anna, ohne Priester und Schule begraben werd.“29 Dieses Verbot der stillen nicht-öffentlichen Bestattungen wurde in der

23 Kirchen Ordnung. so bey der Burggräfflichen Zulausischen herschaft, 235. In der Breslauer Schul- und Kirchenordnung von 1528 ist es zu lesen: „Von einem elenden menschen, das sein begrabe lohn nicht hot, wird im aus der kammer oder gemeinen almus geben sechs groschen weiß.“ Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen-und Schulordnungen, 24. Ähnlich in der Bernstädter Kirchenordnung von 1634: „Von der gar armen, so notorisch ist, werden Sie gratis Zuuorrichten wissen.“ Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen-und Schulordnungen, 226. 24 Der erste Theil Der Geistlichen Trawrbinden Valerii Herbergeri, Predigers bey dem Kriplein Christi in Frawenstadt/ Gewircket von lauter außerlesenen/ schoenen/ koernigen/ safftigen/ schmackhafftigen/ troestlichen Leichpredigten/ derer zahl bald nach der Vorrede zu finden. Zu ehren lauter frommen/ ehrliebenden/ Christlichen/ andechtigen/ jtzo in Gott ruhenden Hertzen. Leipzig [1611], fol. Br. 25 Hertzog Joachim Friedrichs, zur Liegnitz und Brieg etc. Briegsche Kirchenordnung, 80. 26 Kirchen Ordnung. so bey der Burggräfflichen Zulausischen herschafft, 235. 27 Ebd. 28 Schul- und Kirchenordnung des Rathes der Stadt Breslau, 24. Vgl. ferner De Sepultura nocturna. Vom nachtbegraebnis ohne Kirch- und Schulprocession in etlichen nothfaellen. In: Der Erste Theil Der Geistlichen Trawrbinden, 446–454. 29 Kluge: Chronik der Stadt Militsch, 308.

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zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in denjenigen Gebieten Schlesiens, in denen die Gegenreformation agieren konnte, teilweise aufgehoben.30 Friedrich Lichtstern schließt seine Beschreibung der schlesischen Begräbniszeremonien mit folgender trauriger Feststellung: „Wie praechtig nun diese/ so werden desto elender die jenigen Lutherischen Leute beerdiget/ welche etwa unter der Roemisch-Catholischen Geistligkeit wohnen/ und sich nicht ihrer Lehre bequemen wollen/ denselben wird im abgesonderten Orten/ gleich wie anderswo den Juden/ der Todten-Acker angewiesen/ wohin sie ohne Gesang und Klang/ ohne einiges Gefolge getragen und begraben werden.“31 „Auff den Doerffern/ nemlich in den Lutherthum/ und wo noch die ReligionsFreyheit floriret“ – so weiter derselbe Chronist – „stirbt kein Bauer/ dem man nicht mit Gesang und Klockenklang/ in einem guten und mit feinen schwartz und weißen Leichtuechern/ auch mit einer Leich-Predigt beerdigen solte.“32 Dank den verhältnismäßig früh erlassenen Anordnungen, wie etwa denen von 1568 und 1584 für das Fürstentum Teschen, wurden Begräbnisse „gleichfals auf den dörfern ehrlich gehalten […], vonwegen der fröhlichen auferstehung von den todten, welches der christen höchster, entlicher und gewiesser trost ist“.33 Dadurch sank die Zahl der willkürlichen und heimlichen Beerdigungen auf dem schlesischen Land rasch. Nach der Teschener Kirchenordnung sollte beim Landbegräbnis der Pfarrer „mit seinen schuelern in beisein etlicher nachbarn deutsch oder böhemisch siengen, so es die zeit erfordert, auch eine kuerze vermahnung thuen“.34 Außer dem Gesang und der „Vermahnung“ (Leichenpredigt, Sermon, Abdankung, Danksagung), war natürlich auch die Wortliturgie vorgesehen, die meist nicht am Grab, sondern in der Kirche abgehalten wurde. Sie hatte gewöhnlich die Form einer „Collecte“, wofür diejenige aus der Oelsnischen Agenda ein gutes Beispiel bietet: „V. Christus hat dem Tode die macht genommen R. Und das Leben wider ans Licht gebracht. Laßt uns bethen: Allmaechtiger Ewiger Gott Himlischer Vater/ der du durch den Todt deines Sohnes die Suend und Tod zu nichte gemacht/ und durch seine Aufferstehung/ Unschuld und ewiges Leben widerbracht hast/ auf das wir von der Gewalt des Teufels erloeset/ und durch die Krafft derselben Aufferstehung auch unßre sterbliche Leibe von dem Tode aufferwecket sollen werden/ verleihe uns das wir 30 Instructio und Ordnung der Evangelischen Kirchen vor der Königlichen Stadt Jauer, 244. Hier wurde deutlich erklärt, daß die Leichen „vermöge der Kayß. Resolution ohne klang unnd gesang zue Hause abgehohlet unndt biß in den Kirchhoff begleittet werden“. 31 Lichtstern: Schlesische Fuersten-Krone, 824. 32 Ebd., 816. 33 Porządek kościelny, który przy służbie Bożej i obrzędach kościelnych w kościele chrześcijańskim Księstwa Cieszyńskiego, 178; Teschener Kirchenordnung vom 20. April 1584, 61. 34 Teschener Kirchenordnung vom 20. April 1584, 61. Es wurde dort auch folgendes verordnet: „in welcher sprache man die leich predigt halten wirt, in derselben solle auch gesungen und die leiche beleitet werden.“

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solches von gantzem Hertzen gleuben/ und die froeliche Aufferstehung unsers Leibes mit allen Gleubigen erlangen moegen/ durch denselben deinen Sohn Jesum Christum unsern Herren.“35 Der Begräbnisritus war in den Städten offensichtlich viel reicher und je nach dem Ort differenzierter als in den Dörfern. „Die allerschoenste Gewonheit die Todten zu begraben/ wird in gantz Schlesien“ – nach Lichtstern – „zu Brieg gehalten; So bald einer gestorben/ wird dessen Todt in der ersten Predigt/ hernach von der Cantzel durch den Pfarrer der gantzen Gemeinde abverkuendiget/ samt dem benahmten Tag seiner Begraebnueß. Hierauff werden ihm zu Ehren eine viertel Stunde des Morgens die Glocken gezogen/ welches man das Ausleuten nennet. So bald alles wohl bestellet/ und am Tage der Beerdigung die Trauerleute allerseits erschienen/ kommt die Schule mit ihren Praeceptoribus, Creutzträger/ und Cantorey/ in schoenster Ordnung/ vor das Trauer-Haus/ von den Predigern in weißen Chorroecken begleitet. Solcher Actus geschicht Mittags um ein Uhr/ alsdann stimmt die Cantorey figuraliter zwey Begraebnues-Lieder aufs beweglichste an. Nach dessen endigung gehet der Creutztraeger/ entweder mit dem silbernen oder hoeltzernen Creutz vor an/ unter dem angefangenen Choral-Gesang der Schule/ welchem die Prediger/ die Traeger mit dem Sarg/ und hernach die Leidtragenden Maenner und Frauen-Personen ordentlich folgen. So lange das Gesaenge/ und die Procession waehret/ so lange werden auch die Glocken gezogen/ so wol in derselben Kirche/ worein das Begraebnueß wird gehalten/ als in den uebrigen Kirchen der Stadt/ nach dem es ein jeder verlanget. In der Kirche wird vom Singe-Chor wiederum figuraliter musiciret, und ein jeder von den Leydtragenden an seinen gehoerigen Ort angewiesen/ und haelt der darzu verordnete Pfarrer von der Cantzel die Leichenpredigt. Ist der Todte eine Person von Condition gewesen/ so bleibt der Sarg unter waehrender Leichen-Predig unter der Cantzel stehen/ und wird nach geendigter Predigt in die Kirche begraben. So bald die Predigt geendiget/ und das Begrabenen Personalia abgelesen worden/ wird wieder figuraliter musiciret, und alsdann der Seegen gesprochen. Hierauf gehen die Trauerleute in voriger Ordnung nach Hause/ und endigen vollends den Begraebnueß-Actum mit der LeichAbdanckungsrede eines Gelehrten.“36

35 Agenda Oder Ordnung Derer Evangelischen Kirchen im Oelßnischen Fuerstenthum, fol. K3v. Vgl. ferner Agenda/ to jest/ Porządek Kościołów Ewanjelickich Księstwa Oleśnickiego, 100. 36 Lichtstern: Schlesische Fuersten-Krone, 818f. In der Liegnitzer Begräbnisordnung von 1659 ist unter Punkt 2 („Wegen der Abdanckungen“) zu lesen: „So sol einem Jeden/ Er sey Frembd oder Einheimisch/ oder vom Hoffe/ Adel oder der Buergerschaft/ wie vor alters/ also auch nachmalen frey stehen/ einen Politicum hierzu zuersuchen. Wann aber/ (wie es nunmehr gar in Brauch kommen)/ ein Geistlicher abdancket/ so sol Ihme bey Buergerlichen oder gemeinen Begraebnuessen/ deßwegen ein Reichsthaler zur Recompens außgesetzet seyn.“ Neue Revidirte Begraebnues Ordnung, 18.

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Im städtischen Bestattungswesen gab es viele besondere Bräuche37 und Ämter, wie etwa die Leichenbitter („Grabe-Bütter“), die den Tod eines Bürgers verkündeten, und die Bitterinnen sowie Paarfrauen („Paarerinnen“), die einen „ordentlichen“ Leichenzug vervollständigten.38 Die Särge, sofern man sie benutzte,39 waren meist mit den zwei Leichentüchern – dem weißen und dem schwarzen – bedeckt. Wenn diese Leichentücher nicht von den Zünften leihweise zur Verfügung gestellt wurden, fielen sie, als sogenannte spolia, dem Pfarrer zu und konnten nur gegen ein vorausbestimmtes Entgelt „abgelöst“ werden.40 Die Leidtragenden waren gewöhnlich weiß (Frauen) und schwarz (Männer) gekleidet; die Männer trugen oft auch die langen schwarzen Trauerbinden.41 Die Leichenpredigten, die den Kern des oben beschriebenen Brieger, aber auch beispielsweise des Bernstädter42 Begräbnis37 Lichtstern führt folgenden alten Brauch an: „Ehe der Todten-Sarg von den Traegern/ im Trauer-Hause stehende/ auffgehoben and fortgetragen wird/ kommt ein bestellter Knabe zur Trauer-Hausthueren/ den Leydtragenden zuruffende: Nackend und bloß bin ich von meiner Mutter Leib kommen/ nackend und bloß muß ich wieder hinfahren.“ Lichtstern: Schlesische Fuersten-Krone, 817f. 38 Einrichtung des Grabe-Bütters, Bütterinnen und Paarerin. In: Kirchenordnung Schweidnitz, 3. Nachtrag Ordnungszusatz 1714, 311; wo man nach der Diensttaxe lesen kann: „Dem Armuth aber soll dieser Dienst umsonst und ohne Entgelt geschehen, Wie ingleichen der Grabe-Bitter und Bitterin mit recht keinen Flor oder Schleyer zu fordern noch abzuheischen sich unterstehen, sondern in des Milden und freyen Willen erwartten sollen, wie dann auch das Citronen aus-Theilen nichts gezwungenes, sondern eine Wüllkührliche Sache ist.“ 39 In der Breslauer Schul- und Kirchenordnung von 1528 sind auch Begräbnisse „ane sarch“ vorgesehen. Schul- und Kirchenordnung des Rathes der Stadt Breslau, 24. 40 Lichtstern: Schlesische Fuersten-Krone, 819: „Wenn jemand eigene Leichtuecher brauchet zu Bedeckung des Sarges/ so muessen dessen hinterbliebene Freunde dem Pfarrer/ der die Leichpredigt thut/ entweder die Leichtuecher in natura geben/ oder ein gewisses stueck Geldes darfuer.“ Im fürstlichen Kirchen-Decret für die Stadt Bernstadt wurde es folgendermaßen verordnet: „Die Spolia so guth Sie bey der Leiche gebrauchet werden, gebühren dem Pastori, der man Hat sich derselben halben mit Ihme Zuvorgleichen, […] Wann Bürgers Leutte so in Zechen sein, undt der Zechen Leich Tücher gebrauchen, in die alte oder Neue Kirche gelegt, oder Nieder gesezt werden, so werden die Leichtücher abgelöset mit […] 1. Taler. Die Honoratiores welche in Keiner Zeche sein, die haben sich der Tücher halber, so fern Sie solche wieder haben wollen, Zuvorgleichen.“ Fürstliches Kirchen-Decret für die Stadt Bernstadt. In: Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 224. 41 Valerius Herberger schreibt im ersten Teil seiner „Geistlichen Trawrbinden“: „In unsern Landen sind die schwartzen langen Trawrbinden breuchlich/ die treget ein gut freund dem andern zu ehren. Was Laendlich/ sittlich und erbarlich ist/ das bleibet billich umgestrafft/ newerung aber und trawrige hoffart/ da es heißet/ trawre schwartzes huetlein/ frewe dich liebes muetlein/ wil ich nicht loben.“ Der erste Theil Der Geistlichen Trawrbinden, fol. B2r. 42 Im fürstlichen Kirchen-Decret für die Stadt Bernstadt ist zu lesen: „Eß soll zum Sechsten ein jeder der die Seinen in die Kirchen oder auff den Kirchhoff in der Stadt begraben lest, Ihnen eine Leich Predigt thuen zue lassen, Undt ein Hoffman Raths Perßon und vormögender Burger für eine Leich Predigt die Ihme seinem Weibe oder Kinde gehalten wirdt 30 grsch. ein Handtwerksman 12 grsch. dem Pfarrer zue gaben schuldig sein.“ Fürstliches Kirchen-Decret für die Stadt Bernstadt. In: Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 221.

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ritus bildeten, waren nicht in allen schlesischen Städten vorgesehen. In Breslau und in den Städten, die im Geltungsbereich der Breslauer Kirchenordnung lagen – wie etwa Neumarkt43 – waren die Leichenpredigten bei den bürgerlichen Begräbnissen faktisch unüblich; in Schweidnitz etwa standen sie nur den „Nobilitirten Patriciis, gewesenen Kriegs-Officirern, Gelährten, in publicis officiis sitzenden, bis zu denn Kirch-Vätern und Zunfft-Eltisten“ zu.44 Bei den städtischen Leichenzügen kam es oft zu Prestigestreitigkeiten wegen der Einreihung im Trauergefolge: „In etlichen Orten“, berichtet der zuverlässige Lichtstern, „praetendiren die reichen Kauffleute den und unbeambteten Doctoren und Licentiaten den Vorgang. Bisweilen wollen Cancelisten und dergleichen den ungraduirten Advocaten nicht weichen/ oder nehmen den Rahtsmaennern bey der Stadt den Vorzug. Hier muß mancher Kauffmann seinem Weibe zugefallen sich adeln lassen/ bloß zum Ende/ damit sie mit recht vor der Doctoren Weiber den Vorzug nehmen moege.“45 Der schlesische Adel, der in manchen Fürstentümern und Standesherrschaften bis zum Ende des Dreißigjährigen Kriegs praktisch als die einzige kirchliche Instanz fungierte, entfaltete ein üppiges Begräbniszeremoniell, ohne die geringste Rücksicht auf die hohen Kosten zu nehmen. Sie beliefen sich in Schweidnitz am Ende des 17. Jahrhunderts – ohne die Gebühr für die Grabstelle in der Kirche – sogar bis auf etwa 33 Reichstaler.46 Es nimmt also nicht wunder, daß die aus dem Jahr 1664 stammende Kirchenverfassung für die Gemeinden des Fürstentum Oels die mögliche Geldnot des nach dem langen Kriege verarmten Adels voraussieht: „da es einen notorie unvermögenden von Adel betreffe, wird der Pastor loci dißfalls eine geziemende Compassion zu erweisen, und mit den Leidtragenden ein Christbilliges Vernehmen zu treffen wissen.“47 Laut dem in Schlesien üblichen Brauch: „es stribt kein beguterter Edelmann/ er mag ihm Kriege gedienet haben oder nicht/ dem man nit zwey Fahne/ eine Prangefahne/ und eine Trauerfahne/ item ein verkapptes Pferd/ samt seinen Schilden und Wapen von Bildschnitzer-Arbeit zierlich verfertiget/ vorfuehren/ und vortragen solte/ welche man hernach zum Gedaechtnueß in der Kirche auffhenget. So 43 Die Kirchenordnung für die Stadt Neumarkt bestimmt: „Die leichpredigten der mitburger, weil dieselben zu Breslau (nach welcher Kirchenordnung man sich allhier zu richten pfleget) nicht bräuchlich, auch allhier in wenig jahren erst aufkommen sein, sollen gar abgestellet werden.“ Kirchenordnung für die Stadt Neumarkt. In: Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchenund Schulordnungen, 33. 44 Instructio und Ordnung der Evangelischen Kirchen […] vor der Königlichen Stadt Schweidnitz. In: Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 275. 45 Lichtstern: Schlesische Fuersten-Krone, 820f. 46 Kirchenordnung Schweidnitz, 3. Nachtrag Ordnungszusatz 1714. In: Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 308f. 47 Nothwendige Kirchen-Conctitution. In: Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 388.

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Abb. 37. Nach dem in Schlesien geltenden evangelischen Begräbnisritus wurde die festlich gekleidete Leiche eines verstorbenen Herzogs oder einer Herzogin auf einem Tisch in einem mit Trauerflor ausgeschlagenen, repräsentativen Raum im Schloß präsentiert, damit die Untertanen ihr die letzte Ehre erweisen konnten. Wie das kleine Bild eines unbekannten schlesischen Malers zeigt, traf dies auch für die Trauerfeierlichkeiten der Herzogin Elisabeth Magdalena von Münsterberg-Oels, geb. Prinzessin von Liegnitz-Brieg, nach ihrem Tod im Jahr 1630 zu.

traegt man den adelichen Todten auch gewoehnlich brennende Fackeln/ daran gleichfals die Wapen von Mahler-Arbeit/ wie auch auf dem Sarg angeknuepffet seyn/ vor/ durch die schwartz verkappte Knaben. Was anbelanget das schwartze verkapte Trauer-Pferd/ so gehoeret dasselbe dem Prediger/ der die Leichpredigt haelt/ oder die Leydtragenden muessen ihm darvor zehn Thaler geben nach den alten Ordnung.“48 Der Pfarrer behielt auch alle gemalten Wappen, die bei dem Leichenzug den Sarg, das Tragekreuz und die Fackeln zierten. 48 Lichtstern: Schlesische Fuersten-Krone, 821f. Vgl. ferner Instructio und Ordnung der Evangelischen Kirchen […] vor der Königlichen Stadt Schweidnitz. In: Jessen/Schwarz: Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 278: „Jedoch werden Herrn Primario, ex observantia totius Provinciae die Spolia, als das Pferdt und beyde Leichen-Tücher, oder ein gewießer Ihme belieblicher Werth dafür, wegen der Leich-Predigt ausgesetzet.“ In der früheren Militscher Kirchenordnung von 1596 ist dagegen zu lesen: „Die Spolia an Schwarzen und weißen tüchern, so wohl d[a]z Roß so Adeliche mannes Personen nachgefurt, auch der danckpfennig od Opfer bey Adelichen begrebnüssen, soll dem Pastori alleine ungehindt zustehen, Im fall do solche spolia dem Leidtragenden zu sich zu nehmen gefellig, soll man sich mit dem Pfarrherrn nach würde, gebühr und billigkeit alßbaldt vertragen.“ Kluge: Chronik der Stadt Militsch, 309.

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„Ehe die Procession aus dem Adelichen Hofe/ nach der Kirche sich anfaengt“, folgen wir der Mitteilung Lichtsterns, „geschicht von einem hierzu erbetenen Geistlichen die so genandte Stand-Predigt/unter freyem Himmel im Hofe/ als dann erhebt sich die Procession unter dem singen und musiciren in die Kirche/ allwo die vorgetragenen Kleinodien auf den Altar gelegt werden/ und die Leichpredigt gehalten wird. Nach Endigung dessen gehet die saemtliche Trauer-Assemble in voriger Ordnung wieder nach Hofe/ und hoeret die Parentation, welche gewoehnlich ein junger gelehrter Edelmann verrichtet. […] Das hierauf erfolgende Trauermahl wird mit allerhand weltlichen Discursen abgewuertzet. Auch die jungen anwesenden Cavalliers und Dames beschließen gemeiniglich vollends den gantzen Actum mit lustigen Schertzspielen.“49 Der dem adeligen im Prinzip verwandte evangelisch-fürstliche Begräbnisritus hat sich in Schlesien erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts entwickelt. Die Bestattung der größten Persönlichkeit der schlesischen Reformation – Herzog Friedrichs II. von Liegnitz-Brieg – wurde noch „ohn alles Gepraenge und Zeitnehmung“ vorgenommen, worum der todkranke Herzog innig gebeten hatte.50 Das Begräbnis seines Sohnes, Herzog Georgs II. von Brieg, im Jahr 1586 fand schon „mit gewoenlichem Fuerstlichen Begengnus“ statt.51 Vergleichbare Beerdigungsfeiern wurden – wie das die zahlreichen gedruckten Berichte und chronikalischen Aufzeichnungen belegen – nach dem Tod anderer Liegnitz-Brieger Piasten und Mitgliedern der Familie Poděbrad aus Münsterberg-Oels entfaltet: zum Beispiel für Friedrich IV. von Liegnitz im Jahr 1596,52 Karl II. von Münsterberg-Oels im Jahr

49 Lichtstern: Schlesische Fuersten-Krone, 823f. 50 Weyland George Thebesii, J. U. D. Notarii, Syndici und der Schulen Praesidis zu Liegnitz, Liegnitzische Jahr-Buecher, Worinnen so wohl die Merckwuerdigkeiten dieser Stadt, Als auch die Geschichte der Piastischen Hertzoge in Schlesien, von ihrem Anfange biß zum Ende des 16. Jahrhunderts Mit besonderem Fleiße gruendlich untersuchet, die Zeit-Rechnungen genau bemercket […] Hrsg. von M. Gottfried Balthasar Scharffen, Jauer MDCCXXXIII, 53f. 51 Gedechtnuß wuerdig und rhuemliche Anordnung/ und Vorzeichnus: welcher gestalt Weyland Des Durchlauchten/ Hochgebornen Fuersten und Herrn/ Herrn Georgen Hertzogen inn Schlesien/ zur Lignitz und Brieg/ etc. Loeblicher seligister Gedechtnus/ Fuerstliche Leiche/ zum Brieg/ den 9. Junii dieses 1586. Jahres/ aus dem Schloß zum Brieg/ inn die Pfarrkirchen/ mit gewoenlichem Fuerstlichen Begengnus/ getragen/ und von dannen widerumb inn die Schloß-Kirche bracht/ und daselbsten nach geendeter Leichpredigt/ inn die Grufft gesetzt worden ist, Breßlaw M. D. LXXXVI. Vgl. ferner Schickfuß, Jacob: New Vermehrte Schlesische Chronica unnd Landes Beschreibung, Darinnen Weÿland H. Joach. Curaeus Der Artzney D. Einen Grundt geleget. Itzo Biß an das 1619 Jahr/ da sich dero Oesterreichischen Wienerischen Linien Regierung gantz endet. Mit sehr vielen Nothwendigen Sachen vermehret unnd gebessert, Bd. 2, Leipzigk [1625], 69–78. 52 Denckwirdige vorlauffung Von des Durchlauchten/ Hochgebornen Fuersten und Herren/ Herren Friedrichs des Vierden dieses Namens/ Herzogs in Schlesien zur Liegnitz und Brieg/ etc. anfahenden kranckheit an/ biß zum seligen Abschiede. Und wie mit I. F. G. todten Coerper gebahret/ Auch was fuer ruehmliche Ceremonien und ordnung bey derselbigen

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1617,53 seine Gemahlin Elisabeth Magdalena im Jahr 1630,54 Heinrich Wenzel von Oels-Bernstadt in den Jahren 1639 und 1641,55 Georg Rudolph von Liegnitz im Jahr 1653,56 Ludwig IV. von Liegnitz im Jahr 1664,57 endlich für Georg III. von

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Fuerstlichen begengnuß gehalten/ Biß I. F. G. nach geschehener Leichpredigt/ in die Fuerstliche Grufft eingesenckt worden/ etc., Liegnitz 1596. Procession. So bey dem Fuerstlichen Conduct und Leichbegaengnueß/ Des Weyland/ Durchlauchten/ Hochgebornen Fuersten und Herren/ Herren Carlln/ des H. Roemischen Reichsfuersten/ Hertzogen zu Muensterberg inn Schlesien/ zur Olßen/ Grafens zu Glatz/ Herren auff Sternberg und Jaischwitz/ Roem. Kay. May. Raths/ und Obersten Hauptmans in Ober und Nieder Schlesien/ etc. Hochloeblicher und Christmilder Gedaechtnueß zur Olßen/ den 26. April: angestellet und gehalten worden, Olße 1617. Vgl. ferner Schickfuß: New Vermehrte Schlesische Chronica, Bd. 2, 118–127. Beschreibung des Christlichen Abschiedes und Fuerstlichen Leich Conducts I. F. Gn. Der Durchlauchten Hochgebornen Fuerstin und Frawen Frawen Elisabeth Magdalenen Gebornen Hertzogin zur Lignitz und Brieg/ auch Vermaehleten Hertzogin zu Muensterberg in Schlesien zur Olßen/ Graeffin zu Glatz/ Frawen auff Sternberg/ Jaischwitz und Medzibor Wittiben Wie solcher zur Olß den 9. Aprilis des 1630 Jahres verrichtet worden, Olße 1631. Beschreibung des Christ-Fuerstlichen Abscheides und Procession, so bey der angestelten abfuhr und Interims Beysetzung/ bis zu der ordentlichen bevorstehenden Sepultur, Ihr Fuerstl: Gn: Des Durchlauchtigen/ Hochgebornen Fuersten und Herrn/ Herrn Heinrichs Wentzells zu Muensterberg in Schlesien zur Olßen und Bernstadt/ Graffens zu Glatz/ Herrns auff Sternberg/ Jaischwitz und Medzibor/ Roem: Kayserl: Mayst: Kriegs Rahts/ Caemmerers/ bestelten Obristens und Obristen Hauptmanns/ auch General Kriegs Commissarii in Ober und Nieder Schlesien/ Hochloeblicher und Christmilder Gedaechtnues/ zur Vielguth und Bernstadt den 26. Augusti des 1639. Jahres verrichtet und gehalten worden, Oelßen 1644; Procession So bey der Abfuhr der Fuerstlichen Leichen von der Bernstadt nacher Ollß/ und hierauff angestelltem Conducte und Leichbegaengnueß Des Weylandt Durchlauchtigen Hochgebornen Fuersten und Herrn/ Herrn Heinrich Wentzels/ Des H. Roemischen Reichs Fuersten/ Hertzogen zu Muensterberg in Schlesiē zur Olßen/ und Bernstadt/ Graffens zu Glatz/ Herrens auff Sternberg/ Jaischwitz und Medzibor/ Roem: Kayserl: Mayst: Krieges-Raht/ Caemmerers bestellten Obristens/ und Obristen Hauptmans/ auch General Krieges Commissarii, in Ober und Nieder Schlesien. Loeblicher und Christ Seeliger gedaechtnueß Wie auch dessen Jungen Herrlein und Posthumi Zur Bernstadt und Olßen den 26. 27. und 30. Octobris des 1641 Jahres angestellet und gehalten worden, Oelß 1644. Fuerstlicher Lignitzischer Leich-Conduct, Welcher gestalt Weyland Deß Durchlauchten/ Hochgebohrnen Fuersten und Herrn/ Herrn George Rudolffes/ Herzogs in Schlesien/ zur Liegnitz/ Brieg und Goldtberg/ Kaeys und Koenigl: Ober Haubtmanschaffts-Verwalters in Ober: und Nieder-Schlesien/ Loeblicher Christmildester andenckens Fuerstliche Leiche: zur Liegnitz den 14. Maij dieses 1653–sten Jahres Auß dero Fuerstlichen Schloße in die Kirche Zu St. Johannis, Mit gewoehnlichem Fuerstlichem begaengnues gefuehret/ und daselbst nach geendigter Leich-Predigt In die Fuerstliche Grufft gesetzet worden, Liegnitz 1653. Vgl. ferner Lucae, Friedrich: Schlesiens curieuse Denckwuerdigkeiten oder vollkommene Chronica Von Ober- und Nieder-Schlesien […], Franckfurt am Maeyn MDCLXXXIX; 1318–1328. Fuerstlicher Lignitzscher Leich-Conduct Welcher gestalt Weyland Deß Durchlauchten Hochgebohrnen Fuersten und Heren Hrn. Ludwiges Hertzogen in Schlesien zur Lignitz/ Brig und Goldberg. Loeblicher Christmildesten Andenckens Fuerstliche Leiche Zur Lignitz den zwoelfften Martii Abends dieses 1664ten Jahres Aus dero Fuerstlichem Schloße in die

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Brieg und seine Gemahlin Elisabeth Maria Charlotte, die im selben Jahr begraben wurden.58 Nach dem herkömmlichen schlesischen Brauch hat man, ebenfalls im Jahr 1664, den Fürsten Sylvius Nimrod von Württemberg-Weiltingen beigesetzt,59 der durch die Ehe mit der letzten Poděbradin, Elisabeth Maria von MünsterbergOels, Herzog in Schlesien geworden war. Der Tod eines jeden schlesischen Herzogs oder Prinzen, einer jeden Herzogin oder Prinzessin, ist – wie im Fall des Ablebens Georgs II. zur Liegnitz und Brieg – „alß bald durch offene Patenta, allen deroselben hinterlassenen Unterthanen angekuendiget/ und […] bey den […] Stedten/ und auffm Land/ die anordnung geschechen/ das alle tage biß die Fuerstliche Leiche […] Bestattet wuerde/ von Achten biß zu Neunen/ vor Mittage/ alle Glocken sind geleutet/ auch inn allen Kirchen/ nach allen gehaltenen Predigten.“60 Bald nach einem fürstlichen Hinscheiden – in der im folgenden zitierten Beschreibung geht es um die Herzogin Elisabeth Magdalena von Münsterberg-Oels – „ist der Fuerstliche Leichnamb Fuerstlichem Gebrauch und herkommen gemeß/ bekleidet und in deroselben Gemach/ darinnen Sie auch Verschieden/ Ihrem begehren nach/ auff die Taffel/ dabey I. F. G. stets Mahlzeit zuhalten gepfleget/ an den ort und stelle/ da I. F. G. Ihre Fuerstliche Kinder zur Welt gebohren/gehaben worden. Dabey stets 4 große schwartze Waxene Stiffts-Kirchen zu S. Johannis Mit gewoehnlichen Fuerstlichen Ceremonien gefuehret und in der Fuerstl. Grufft beygesetzt worden, Lignitz [1664]. Vgl. ferner Lucae: Schlesiens curieuse Denckwuerdigkeiten, 1335–1337. 58 Fuerstlich-Briegischer Leich-Conduct, welcher gestalten Der weiland Durchlauchtigen/ Hochgebornen Fuerstin und Frauen/ Frauen Elisabeth Maria Charlotte/ Hertzogin in Schlesien zur Liegnitz und Brieg/ geborner Pfaltzgraefin bey Rhein/ Hertzogin in Bayern/ Graefin zu Spanheim/ Christseligsten Gedaechtnueß. Fuerstliche Leiche/ Im Brieg den 7. Octobr. dieses lauffenden 1664. Jahres auf dem Fuerstl. Schloße erhoben/ und mit gewoehnlichen Fuerstl. Ceremonien erstlich in die Stadt- von dar in die Fuerstl. Schloß-Kirchen gefuehret/ und in die Fuerstliche Grufft beygesetzet worden, Brieg [1664]; Fuerstlicher Briegischer Leichen-Conduct, welcher gestalt Deß weiland Durchlauchtigen/ Hochgebornen Fuersten und Herren/ Herrn Georgen deß III. Hertzogs in Schlesien zur Liegnitz und Brieg/ Dero Roem. Kaiser – auch zu Hungarn und Boehaim Koenigl. Majest. Geheimbten Rhats/ Caemmerers/ und Obristen Hauptmanns im Hertzogthum Ober- und Nieder-Schlesien/ loeblichChristmildesten Andenckens/ Fuerstliche Leiche Zum Brieg den 8. Octobr. dieses 1664. Jahres auß Dero Fuerstl. Residents erhoben/ Und erstens zwart in die Stadt- von dar ober in die Fuerstl. Schloß-Kirchen/ mit gewoehnlichen Fuerstlichen Ceremonien gefuehret/und alldar nach geendigter Predigt in die Fuerstl. Grufft beygesetzet worden, Brieg [1664]. Vgl. ferner Lichtstern: Schlesische Fuersten-Krone, 534–548; Lucae: Schlesiens curieuse Denckwuerdigkeiten, 1496–1498. 59 Lucae: Schlesiens curieuse Denckwuerdigkeiten, 1140–1155. 60 Gedechtnueß wuerdig und rhuemliche Anordnung, fol. A2r. Im Bericht über die Beerdigungsfeier Herzog Karls II. zu Münsterberg-Oels ist ebenfalls zu 1esen: „Auff der Fuerstl. Fr: Wittib/ und Erben gnedige Verordnung im gantzen Olßnischen Fuerstenthumb/ und andern Ihr F: Gn: verlassenen Herrschafften/ alle Tage mit allen Glocken zwey Stunden außgeleutet/ und also publicus luctus denunciret worden.“ Beschreibung des Christlichen Abschiedes und Fuerstlichen Leich Conducts, fol. A2v.

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Kertzen zun Haeupten/ Fueßen und beyden seiten/ auff 4 großen Zienenern mit schwartzem Tuch bekleideten Leuchtern gestellet/ und taeglich biß zu dem Tage des Fuerstlichen Leich Conductus […] durch gewisse hierzu von den Fuerstlichen Erben verordnete Personen/ auß dero Officirern, Landsassen/ Dienern/ Dienerin und Unterthanen/ Tag und Nacht bewachet worden“ (Abb. 37).61 Zur Leiche des bereits früher verstorbenen Mannes von Elisabeth Magdalena, Herzog Karls II., die auch auf einer Tafel – aber in der mit schwarzem Tuch ausgekleideten „neuen Tafelstube“ – gelegt wurde, pilgerten täglich große Menschenmengen, „frembde und einheimische“. Dieser Menschenstrom hörte auch nach der Einbettung des Leichnams in einen hölzernen Sarg nicht auf, weil dieser „uber Ihr Fürstl: G: Seligen Angesicht/ ein Schiebfensterlein“ hatte, „unter welchem ein Durchsichtig Glaß“ zu sehen war.62 Der hölzerne Sarg mit der darin ruhenden Leiche wurde hierauf – so wie es gemeinhin üblich war – in einen Zinnsarg gelegt, der häufig kunstvoll und mit sinnreichen Emblemata gearbeitet war. Das beweisen etwa die erhaltenen, mit raffiniertem emblematischen Schmuck verzierten Särge der Herzoginnen Sophie Magdalena und Elisabeth Maria Charlotte sowie des Herzogs Georg III. aus der Schloßkirche St. Hedwig in Brieg (heute im Brieger Schloßmuseum) (Abb. 38),63 die diesen sehr ähnlichen Särge der Herzogin Sophie Elisabeth sowie der Herzöge Christian II. und Georg Wilhelm im Mausoleum der letzten Piasten bei der ehemaligen Schloßkirche St. Johannes in Liegnitz64 und schließlich die Särge der Herzöge Heinrich Wenzel und Sylvius Nimrod in der heute unzugänglichen Chorkrypta der Schloßkirche St. Johannes in Oels.65 In Oels wurde eine feierliche „Einsarchung“ bzw. „I. F. G. in Sarck Einlegung“ mit „Trawer Musica“ und einer besonderen Predigt vollzogen.66 Dieses prunkvolle 61 Ebd., fol. A2r. 62 Procession. So bey dem Fuerstlichen Conduct und Leichbegaengnueß, fol. A2v. 63 Przała, Jan: Sarkofagi Piastów w Brzegu i Legnicy. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 9 (1973) 39– 65, Kat.-Nr. 3, 5 und 6. 64 Ebd., Kat.-Nr. 1, 7 und 8. 65 Sinapius, Johann: Olsnographia, Oder Eigentliche Beschreibung des Oelßnischen Fuerstenthums In Nieder-Schlesien/ welche in zwey Haupt-Theilen/ so wohl insgemein Dessen Nahmen/ Situation, Regenten/ Religions-Zustand/ Regiments-Wesen und andere notable Sachen/ Als auch insonderheit Die Staedte und Weichbilder des Oelßnischen Fuerstenthums mit Ihren Denckwuerdigkeiten vorstellet. Teil 2, Leipzig und Franckfurt 1707, 41–80, Nr. 3 und 6. 66 Geistlicher Grab und Labtrunck: Auß dem kuenstlich formirten Trostbecher dem Psalterlein Koenig Davids. Auff der Hertz und Schmertzhafft betruebten Fuerstl: Burg Muensterberg zur Olßen/ in fuernehmer und ansehnlichen frequentz außgetheilt: Als des Weyland Hochverdienten und Hochgeehrten/ Durchlauchtigen/ Hochgebohrnen Fuerstens und Herrens/ Herrens Caroli des Andern/ Des H. Roem: Reichs Fuerstens/ und Hertzogens zu Muensterberg/ in Schlesien zur Olß/ Grafens zu Glatz/ Herrns auff Sternberg/ Jaischwitz und Miedzibor/ etc. Roem: Kays: Mayest: Raths/ und in gantz Schlesien Oberhauptmans/ unsers Hochseliger und Christmilder gedaechtniß gewesenen gnaedigsten lieben Landesfuerstens und trewen Vaters und Schutzes/ mit Todt nach Gottes rath verblichener Coerper in sein Fuerst-

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Abb. 38. Die Prunksärge der Herzöge von Brieg, Liegnitz und Oels – in ihrer Mehrheit bis heute erhalten – waren oft Meisterwerke der Kunstgießerei, mit reichhaltigen und wohlüberlegten Bildprogrammen versehen. Eines der prächtigsten Denkmäler dieser Art stellt zweifellos der vergoldete Zinnsarg Herzog Georgs III. von Liegnitz und Brieg dar, im Jahr 1664 durch den Brieger Zinngießer Jeremias Wesske geschaffen.

Zeremoniell blieb noch bis zu den Trauerfeiern für Herzog Sylvius Nimrod von Württemberg und Teck erhalten.67 In Liegnitz dagegen trug man gewöhnlich die fürstliche Leiche in feierlichem, aber nicht sehr zahlreichen Kondukt vom Schloß lichen sehr schoenen Zienenen Sarck und Ruhkaemmerlein eingelegt worden. Am Tage Gratiae, war der 1. April. Sonnabends nach Ostern/ gleich 9. Wochen nach I. F. G. Hochseligem absterben/ 3. Wochen und 4. Tag fuer deroselben oeffentlichen uberauß Volckreichen Fuerstlichen Funeration und Leichbegaengniß. Von M. Johanne Gebauero P. L. C. Pfarrern zu Stampen und Bora/ und der Priesterschafft im Olßnischen Fuerstenthumb Conseniore, Olß 1617. 67 Einsarchungs Predigt/ Als Der Fuerstliche Coerper des weiland Durchlauchten/ Hochgebohrnen Fuersten und Herren/ Herrn Sylvii, Hertzogens zu Wuertenberg und Teck/ auch in Schlesien zur Oelß/ Grafens zu Montbelgarth/ Herrens zu Heydenheimb/ Sternberg/ und Medzibohr/ in den schoenen Zienern Sarch zu seiner Ruhe/ bis an den Tag der wiederbringung alles/ eingeleget worden/ den 24. Nov. im Jahr 1664. Gethan durch Theodorum Preibisium, Der Evangelischen Kirchen zu Lossen Pfarrern und Seniorn, Oelß [o. J.].

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in die Schloßkirche St. Johannes, wo auch eine Predigt, die man als „TranslationPredigt“ bezeichnen kann,68 gehalten wurde. Im Fall des Leichnams Friedrichs IV. „haben folgends/ in der Schloßkirchen/ bey der Fuerstlichen Leiche/ biß zu dem Fuerstlichen begengnus/ am tage einer vom Adel und ein Capellan/ und des nachtes vier geschworene und Eltesten aus der Gemeine gewacht.“69 Das eigentliche fürstliche „Leichbegängnis“, den feierlichen Leichenzug, bereitete man mit großer Sorgfalt vor, indem man „den Proceß des Fuerstlichen Begrebnus […] zuvor auffs Papyr“ brachte.70 Am frühen Morgen des für die Funeralien angesetzten Tages wurden „die Aempter/ denen vom Adel/ so bey denen Fuerstlichen Leichen/ oder sonsten was zu verrichten gehabt/ durch Zettel in der Fuerstlichen Cantzeley außgetheilt“.71 Nach der auf den „Zedeln“ bestimmten Ordnung formierte man den ganzen Leichenzug, der sich in Brieg und Oels zuerst in die Pfarr- bzw. Propstkirche und danach in die Schloßkirche begab, in Liegnitz aber den Weg „vom Schloß die Burggasse hinauff uber den Marckt“72 direkt in die Schloßkirche St. Johannes nahm. Mit Gesang und Glockengeläut bewegte sich das Trauergefolge, mit einigen Senioren der adeligen Häuser an der Spitze, langsam fort. Nach den Reihen der Schulkinder, Lehrer und Pastoren folgten fürstliche Fahnen und Pferde, deren Zahl gewöhnlich zwischen vier und sieben schwankte73 und nur beim Begräbnis Herzog Ludwigs IV. von Liegnitz auf zwei beschränkt wurde: auf die „Freuden-“ oder „Prange-Fahn“ und das „Freuden-“ oder „Prange-Pferdt“ sowie auf die „Trauer-“ oder „Klage-Fahn“ und das „Trauer-“ oder „Klage-Pferdt“.74 Hierauf folgten die Kleinodien: drei Helme, drei Schilde, das fürstliche Schwert und der Fürstenhut, „auf einem schwartz Sammeten Kuessen/ und herunter hangendem langen schwart68 Die Erste Leichpredigt […]. Bein der Translation der Fuerstlichen Leichen/ aus dem Zimmer/ darinnen I. F. G. seliglich entschlaffen/ in die Schloßkirchen/ Mitwochs nach Palmarum/ war der 10. Aprilis, daselbst gehalten. In: Drey Christliche Predigten Nach dem Seligen absterben I. F. G. Weiland des Durchlauchten/ Hochgebornen Fuersten und Herrn/ Herrn Fridrichs/ diß Namens des vierden/ Herzogen in Schlesien zur Liegnitz/ Brig und Goldberg/ hochloeblicher Christmilder gedencken/ in unterschiedlichen Kirchen zur Liegnitz gehalten. Durch Georgium Bezoldum Goldberg. Pastorem Petr. und Superattendenten, Liegnitz [1596], fol. Ar-E4r. 69 Denckwirdige vorlauffung Von des Durchlauchten, fol. A4v. 70 Ebd., fol. Br. 71 Procession So bey der Abfuhr der Fuerstlichen Leichen von der Bernstadt nacher Ollß, fol. B3r. Ähnlich war es bei den Beerdigungsfeiern Herzog Georgs II.: Gedechtnuß wuerdig und rhuemliche Anordnung, fol. A3v. Desgleichen bei Friedrich IV.: Denckwirdige vorlauffung Von des Durchlauchten, fol. Br. 72 Denckwirdige vorlauffung Von des Durchlauchten, fol. Dr. 73 Vier Fahnen und Pferde gab es in den Leichenzügen der Herzöge Friedrich IV. und Georg Rudolph in Liegnitz, sechs im Leichenzug Herzog Georgs III. in Brieg, sieben in den Leichenzügen der Herzöge Karl II. und Heinrich Wenzel in Oels. 74 Fuerstlicher Lignitzscher Leich-Conduct Welcher gestalt Weyland Deß Durchlauchten Hochgebohrnen Fuersten und Heren Hrn. Ludwiges, fol. A4r-Bv.

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zen Flor“.75 Dann folgte die fürstliche Leiche, „welche auff einem Wagen mit Sechs verkappeten Rossen gefuehret worden/ und ist dieselbe mit einem Weiß-Koellnischen/ Schwartz-Sammeten/ und ueber demselben noch einem Gold stückenen Leichentuch bekleidet/ und oben der Fuerstenhut/ und ein verguelter Degen geleget gewesen“.76 Nach dem Leichenwagen, der von „Vier und Zwantzig […] Personen vom Adel/ in langem Trauerhabit“ und von „Zwoelff Trabanten/ mit umbgekehrten/ und von Schwartzen Tuch ueberzogenen Partisanen“77 begleitet wurde, gingen alle Trauernden. Sie waren nach dem Verwandtschaftsgrad mit dem Verstorbenen, nach dem Ständerang, aber auch nach dem Geschlecht geordnet.78 In den Schloßkirchen aller fürstlichen Hauptstädte, sei es in Oels, Brieg oder Liegnitz, wurde die herzogliche Leiche „bey dem Predigtstul auff das schwartze auffgebreitete Tuch gesetzet/ und die Waxene Liechter auff den großen Leuchter auch darzu gestellet“.79 Die Trauergäste nahmen ihre Plätze ein und hörten die Leichenpredigt des Superintendenten, die das Haupt- und Kernstück des ganzen Begängnisses bildete.80 Nach der Predigt wurde die Leiche – unter Gebeten, Gesang und Glockengeläut – in die fürstliche Gruft eingesenkt. Kurz darauf wurden alle Lichter gelöscht, die Kleinodien auf den Altar gesetzt und die Fahnen neben dem Altar – mit den Spitzen zur Erde gekehrt – abgelegt. Mit dem alten fürstlichen Brauch, das eigentliche Begräbnis von dem Leichenzug begleiten zu lassen, hat die Herzogin Louise von Anhalt, Mutter des letzten Piasten Georg Wilhelm, weitgehend gebrochen. Schon die Beerdigungsfeier ihres Mannes, Herzog Christians, im Jahr 1672 fand in der Schloßkirche zu Liegnitz „bey naechtlicher Zeit“, „vollkommen/ nach der Hertzogin selbst eigenen Invention“, statt. „In dem Chor der Kirchen“, berichtet Lichtstern, ein vermutlicher Augenzeuge, „wurde ein so genandtes Castrum Doloris aufgerichtet/ und darein der Kupfferne und uebersilberte Sarg/ 200. Thaler kostende/ samt dem Fuerstli75 Fuerstlicher Lignitzischer Leich-Conduct, Welcher gestalt Weyland Deß Durchlauchten/ Hochgebohrnen Fuersten und Herrn/Herrn George Rudolffes, fol. B3v. 76 Ebd., fol. B4r. 77 Ebd., fol. B4v. 78 In den Leichenzügen der evangelischen Herzöge ist die ständige Präsenz der Gesandten der wichtigsten Institutionen der römisch-katholischen Kirche in Schlesien bemerkenswert. So nahmen an dem Leichenbegängnis Herzog Friedrichs IV. die Gesandten des Breslauer Bischofs, des Abtes zu Leubus, der Äbte zu St. Vincenz und zu St. Marien auf dem Sande sowie des Meisters zu St. Matthias in Breslau teil. Vgl. Denckwirdige vorlauffung Von des Durchlauchten, fol. C3r-v. Am Leichenbegängnis der Herzogin Elisabeth Magdalena beteiligten sich dagegen die Gesandten „der Fraw Abtissin zu Trebnitz“ und wiederum der Äbte zu St. Vincenz und ‚zur lieben Frawen‘ in Breslau. Vgl. Beschreibung des Christlichen Abschiedes und Fuerstlichen Leich-Conduct, fol. B3r-v. 79 Beschreibung des Christlichen Abschiedes und Fuerstlichen Leich Conducts, fol. Csr. 80 Bezold, Georg: Die dritte Leichpredigt. Bey dem Fuerstlichen Begraebnus/ im Stifft zu S. Johannis/ Den 29. des Monats Maij/ war Mitwochs fur Pfingsten/ gehalten. In: Drey Christliche Predigten Nach dem Seligen absterben, fol. I3r-M3r.

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Abb. 39. Neue Elemente im evangelischen Begräbnisritus Schlesiens traten erst bei den Bestattungen der letzten Piastenherzöge – Christians II. und Georg Wilhelms – auf. Nach dem Tod des Letztgenannten wurde im Januar 1676 in der Schloßkirche St. Hedwig in Brieg das prächtige castrum doloris errichtet, dem die Form eines dem Körper Piasts, des legendären Begründers der Dynastie, entspringenden Stammbaums verliehen wurde. Der letzte Zweig dieses Baums, der Georg Wilhelm symbolisierte, wird durch die unerbittliche Hand der göttlichen Vorsehung abgetrennt.

chen Coerper in Goldstueck gekleidet/ auch mit einem Mantel/ von dergleichen Materie umhuellet/ gestellet. Den Sarg bedeckten dreyerley große Tuecher/ unten ein schwartzes von feinem Tuch/ in der mitten mit Silberstueck/ oben ein sammetes Tuch. Oben auf dem Sarg stand zu dem Haupt der koestliche Fuersten-Hut/ und etwas abwerts/ lag das Fuerstliche vergueldete Schwerdt. Inwendig war das Chor/ oder Castrum Doloris/ von unten bis oben rings umher/ mit schwarzem Tuch bekleidet/ auch mit viel hundert brennende Lampen/ inwendig und auswendig behenget.“81 Ganz ähnlich sahen am Anfang des Jahres 1676 die Trauerzeremonien des jung verstorbenen letzten Piasten Georg Wilhelm in der Schloßkirche St. Hedwig zu Brieg aus: „Der Chor war von unten mit schwartzen Tuch/ bis oben an daß hohe Gewoelbe ueberzogen/ und dasselbe umschrenckete der Piastische Stamm-Baum gar zierlich. Jedweder Name war durch einen Schild geschnitten/ und hinter jedem hieng eine Lampe/ wodurch man die Namen gar deutlich lesen konte“ (Abb. 39).82 81 Lichtstern: Schlesische Fuersten-Krone, 564. 82 Ebd., 601.

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Sowohl jene altgewohnte, als auch diese neuartige Beerdigungsfeier fand auf dem herzoglichen Schloß ihren Abschluß. Dort wurden gewöhnlich „im Namen der Leidtragenden Fuerstlichen Personen“ zwei „Abdankungen“ gehalten: die erste, „in dem Fuerstl. Leid-Zimmer“ bzw. „auf dem Großen Kirch Saal“, für die anwesenden „vornehmen Standes Personen“; die andere auf dem Schloßhof – zum Beispiel „bey der Stiegen für der Rentkammer“ – war für die Ritter-, Priester- und Bürgerschaft bestimmt.83 Die Hinterbliebenen scheuten gemeinhin keine Kosten und „tractirte[n] den Adel/ und alle verschriebene Staende auffs koestlichste/ damit ein jeder seine Vergnuegung haette“.84 Bei der Trauer-Mahlzeit zum Gedächtnis Georg Wilhelms „theilete man im Nahmen der Hertzogin/ ohne Unterscheid bey allen Tafeln eine groeßere und kleiner Medaille einem jeden aus.“85 „Deß andern Tages“, wie Friedrich Lucae über das Brieger Doppelbegräbnis von Elisabeth Maria Charlotte und Georg III. berichtet, „nach gegebenem Glokken-Klang umb neun Uhr/ fand sich die saemtliche Priesterschafft/ samt andern gelehrten Leuten/ in großer Menge auff dem Gymnasio im obern Auditorio ein/ daselbst bey angestellter Trauer-Music deß Gymnasii Professor und Rector Magister Johannes Lucae eine Lateinische Parentation bey zwo Stunden lang ablegte/ welche nachgehends zum Druck befoerdert worden.“86 Solche Parentationen, aber auch verschiedene andere Trauer-, Trost- und Lobreden sowie Klag- und TrostGedichte wurden zusammen mit den sorgfältig gearbeiteten Leichenpredigten und Abdankungen sowie Leichenzug-Beschreibungen in den sogenannten Trauerbüchern festgehalten, die „curieuse Liebhaber/ von Zeit zu Zeit colligiret haben“.87 83 Nach dem Begräbnis Herzog Georg Rudolphs in Liegnitz wurden beispielsweise folgende zwei Abdankungen gehalten: Abdanckung/ Bey Denen Kaeyserl: und Koenigl: Wie auch Chur-Fuerstl: Fuerstlicher Durchlauchter/ Graefl: Frey-Herrl: Und Anderer vornehmen Standes-Personen/ Herren unnd Frauen Abgesandten/ etc. etc. Gehalten von David von Schweinitz/ Fuerstlichen Liegn. Briegischen Rath/ und Hoff-Richtern. Liegnitz [1653]; Die Andere Abdanckung/ Bey Der Ritter- Land- und Priesterschaft/ Wie auch Bey denen von Staedten Gehalten/ Von Gottfried Eichorn/ Fuerstl. Liegn. und Briegischen Rath, [Liegnitz 1653]. 84 Lucae: Schlesiens curieuse Denckwuerdigkeiten, 1534. 85 Ebd. Vgl. ferner Więcek, Adam: Medale Piastów śląskich, Warszawa 1958, Kat.-Nr. 25 und 26. 86 Lucae: Schlesiens curieuse Denckwuerdigkeiten, 1498. Die erwähnte lateinische Parentation wurde unter dem folgenden Titel publiziert: Sermo Panegyricus, quo duas Pyramides, quas Sereniss. Celesissimusque Princeps ac Dominus Dn. Georgius III. Dux Silesiae Lignic. & Brigensis, Sacr. Caesareae & Regiae in Hungar. & Bohem. Majestatis Intim. Consiliarius & Cubicularius, Supremusq; Siles. Capitaneus, Brig. 14. Jul. 1664. piè placideq. mortuus, Serenissimaq; ac directissima Ejusd. Dn. Conjux Sereniss. Celsissimaque Princeps ac Domina. Dn. Elisabeth Maria Charlotte, Palatina Rhen., Dux Bavar. Com. Spanheim. nata, Dux Siles. Lignic. & Brigensis Conjugio facta, Brig. 20. Maji ejusdem An. piè placideq. mortua, viventes merebantur, in Illius & Hujus Serenis. Celsitudinis perpetuam memoriam, Brig 9. Octobr. Ejusdem Anni in Gymn. Ducal. Brigensis Cathedra memoriter explicabat. [Brieg o. J.]. 87 Lichtstern: Schlesische Fuersten-Krone, 824.

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Der in Schlesien während der Frühen Neuzeit weitverbreitete Brauch, „bey vornehmen Begraebnuessen abgelegte Parentationen“ in Druck zu geben, ist schon in den sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts entstanden. Anfänglich wurden die schlesischen Leichenpredigten nur außerhalb des Landes – beispielsweise in Wittenberg88 oder in Nürnberg89 – gedruckt. Mit der Zeit aber übernahmen diese Rolle in zunehmendem Maß auch die einheimischen Typographien in Breslau, Görlitz, Liegnitz, Brieg und Oels. Sie verbreiteten das Schaffen der berühmten schlesischen Leichenredner, wie etwa Melchior Eccards, Leonhard Krentzheims, Valerius Herbergers, Johannes Heermanns und Andreas Gryphius’, und zwar „dem saemtlichen Vaterland zu ehren; […] der gelehrten Welt/ und der studierenden Jugend zum besten“.90 In diesen zahlreichen gedruckten Leichenpredigten hat sich bis heute der tiefe Glaube der einstigen evangelischen Schlesier, ihre Heilsgewißheit und ihr Seelenfriede im Angesicht des Todes, erhalten. Waren sie doch Zuhörer von Predigern mit besonders großer Überzeugungskraft, von Männern wie Valerius Herberger, dessen Auffassung vom Wesen des evangelischen Begräbnisritus wir uns zum Schluß anzuführen erlauben: „Es ist nicht anders/ als wenn sie [andächtige Christen] zur Schule giengen/ und das gute Latein auff das taefflein ihres hertzens schreiben ließen: HERR lehre uns bedencken/ daß wir sterben muessen/ auff daß wir klug werden/Psal. 90. Darumb wird auch die Leiche voran getragen/ die gantze Gemeine muß zuechtig hernach folgen/ daß sie bedencke: Tendimus huc omnes, niemand wird dem Tode entlauffen.“91

88 Beispielsweise: Leichpredigt Bey dem Begrebnis Des Durchlauchtigen Hochgebornen Fuersten und Herrn/ Herrn Joachims/ Hertzogs zu Muensterberg/ In Slesien/ zur Olßen/ Graffens zu Glatz etc. Hochloeblicher Gedechtnis: Gethan zu Muensterberg den 10. Januarij Anno 1563. Durch Christophorum Welffel/ Pfarhern zu Muensterberg, Wittemberg 1565. 89 Beispielsweise: Leichpredigt/ Uber der Christlichen beigrufft des Durchleuchtigen/ Hochgebornen Fuersten und Herrn/ Herrn Heinrichen/ Hertzogen in Schlesien zur Lignitz und Brigg/ etc. geliebten Sones/ Hertzog Georg Friderich/ seliger gedechtniß. Gethan durch Leonhart Krentzheim/ Fuerstlichen Lignitzischen Hofpredicanten/ den 18. Decembris/ Anno 1565, Nuernberg 1566. 90 Lichtstern: Schlesische Fuersten-Krone, 824. 91 Der Erste Theil der Geistlichen Trawrbinden, fol. A4r-v.

Schlesische Epitaphien und Grabmäler der Reformationszeit als ,Texte der Kultur‘1

I. Die wichtigsten ,Texte‘ protestantischer ars moriendi als Schule des ,wahren Glaubens‘ Im Vorwort zu der in Beuthen an der Oder veröffentlichten Leichenpredigt zum Andenken an die im Jahr 1618 verstorbene Margarethe von Kalckreut, geborene von Loeb, begründet ihr Verfasser, Magister Stephan Holstein, Pfarrer in der Dorfkirche in Klemzig bei Züllichau, die Zweckmäßigkeit der Verewigung verstorbener Christen durch die Veröffentlichung der bei ihrer Beerdigung gehaltenen Leichenreden im Druck folgendermaßen: „Denn fuer eines ist diß Gottes selbest eigener wille/ das des Gerechten nimmer mehr sol vergessen werden/ sondern dessen gedechtnues im segen bleiben sol. Zu deme so ist keine bessere art oder weise/ dadurch der verstorbenen gedechtnues bey uns erhalten wird/ und auff die Nachkommen gebracht werden mag/ als diese: das man Ihre ehrliche Ankunfft/ Christliches verhalten und seliges sterben zu papier bringet/ unnd in offentlichen Druck giebet.“2 „Denn ob gleich bey Christlichen Leichbegengnuessen und Begraebnuessen/ nechst der Predigt des seligmachenden krefftigen wortes Gotteß; auch der entschlaffenen ehrengedechtnues wird erzehlet“ – setzt Holstein seinen Vortrag fort – „so ist doch das menschliche gedechtnues gar schwach/ kan nicht alles fassen; oder je gar vergeßlich/ das sich auch das/ was es gleich gefasset hat/ darinnen verleuft/ und verschwindet mit der zeit: und uber diß alles werden offt kleine Kinderlein hinterlassen/ die weder Vater noch Mutter viel weniger die Groß Eltern gekent haben/ und nichts von Ihnen wissen. Was aber zu papier bracht wird/ das bleibet auff die Nachkommen/ und zeiget hernach den Wayslein Ihren Herren Vatern und Großvatern/ Ihre Fraw Mutter unnd Großmutter/ ist auch den Alten ein memorial 1

2

Zum Begriff u. a. Żółkiewski, Stefan: Przedmowa [Vorwort]. In: Janus, Elżbieta/Mayenowa, Maria Renata (Hg.): Semiotyka kultury, Warszawa 1977, 5–64; ders.: Pożytki poznawcze i granice stosowania analizy tekstów kultury. In: ders.: Teksty kultury. Studia, Warszawa 1988, 5–78. Leichpredigt und Ehrengedaechtnues/ der Edelen Viel=Ehr=und tugentreichen Frawen Margaretae Gebohrnen Loebin Frawen auff Klemtzig/ Des weiland Edlen Gestrengen hoch und wolbenambten Herren Joachim von Kalckreuts/ auff Klemtzig etc. nachgelassenen Witwen. In derer Erdstattung und Adelichen Begraebnueß den 7. Octobris deß 1618. Jahres gehalten zu Klemtzig/ und an jetzo an stat der Parentation auff begehr derer hinterlassenen Herren Soehne und Frawen Toechtern in Druck gegeben/ Durch M. STEPHANUM HOLSTEIN Pfarrern daselbst, Beuthen/ Gedruckt bey Johann Doerffern [1618], fol. A2v-A3r.

Schlesische Epitaphien und Grabmäler als ,Texte der Kultur‘

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Abb. 40. Bildprogramme für Schmucksärge und Leichentücher stellten nicht nur die Ortspfarrer und -lehrer zusammen, sondern auch die hervorragendsten schlesischen Dichter der Barockzeit. Der Schöpfer der emblematisch-heraldischen Verzierung des Sargs für Marianne von Poppschütz war der berühmteste von ihnen – Andreas Gryphius. Den einschlägigen Kupferstich fügte man seinem 1660 in Steinau an der Oder im Druck veröffentlichten „Letzten Ehren-Gedächtnüß“ bei.

unnd Augenscheinliches denckmahl/ und macht ein ewiges gedechtnues das des Gerechten nimmermehr vergessen wird.“3 Sein Lob der ,Papierdenkmäler‘ bekräftigt der Klemziger Pfarrer durch ihren Vergleich mit anderen ,Texten‘ der Todes- und Grabkultur dieser Epoche – Schmucksärgen (Abb. 38, 40), Grabplatten und Epitaphien (Abb. 55, 58, 60), indem er die im Unterschied zu gedruckten Leichenreden geringere Kommunizierbarkeit dieser ,Texte‘ hervorhebt, und das sowohl im Hinblick auf den qualitativen und quantitativen Informationsumfang, als auch in bezug auf ihre Zugänglichkeit. „Darnach werden gleich auch koestliche Saerge bereitet“, lesen wir in der gedruckten Leichenpredigt für Margarethe von Kalckreut weiter, „große Leichsteine außgehawen und auff die Graeber geleget oder sonsten auffgerichtet/ oder schoene Tafeln an die wende und feiler angehefftet/ daran ihre Bildnuesse und gedechtnueß gemahlet sein: So ist doch das/ was inn Druck gehet dem allen weit vorzuziehen. 1. Dem anfangs zeigen die Außgehawene oder gemahlete Bilder der verstorbenen/ alleine derer eußerliche gestalt: das aber zu papier bracht wird/ zeiget die innerliche gestalt Ehr und tugent der Menschen/ derer sie sich im leben befliessen haben. 2. Zu dem/ so sein die Grabschrifften auff den Tafeln oder Leichsteinen gar kurtz und wenig: die Grabschrifften aber/ so in offentlichem Drucke sein/ zeigen alles viel vollkomlicher/ was der verstorbene fuer ehrlicher Ankunfft und gutten alten Adlichen geschlechtes 3

Ebd., fol. A3 r.

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ist/ erzehlen seine Acht, Ahnen unnd Adliche stamwaffen/ sein ehrliches Christliches verhalten und seliges sterben. 3. Noch mehr/ so stehen die Saerge in den Grufften/ die Leichsteine liegen auff den Graebern/ oder sein dabey auffgericht; die Epitaphia oder Tafeln henge[n] etwa an eine[m] Feiler oder an der Wand der Kirchen/ und wissen davon allein die Personen/ die in die Kirche oder zu ihren Graebern komen/ und derer Saerge, Leichsteine oder Taffeln sehen: Die Grabschrifften aber/ so in offentlichen drucke/ die sein nicht wie ein Sarck/ wenn der gleich gar koestlich/ in die todten Grufft eingeschlossen: Liegen nicht wie die Leichsteine auff den Graebern: Stehen nicht wie die Epitaphia an einem ort der Kirchen angehefftet: sondern sein lebendige Graffschrifte[n]/ die viel Lande/ Staedte und Doerffer durchgehen/ und der verstorbenen uhraltes Geschlecht und ehrliche ankunfft/ Ihre schoene tugenden/ und Christliches verhalten/ auch derer vielfaltiges Creutz und große gedult/ so wol zeitliches sterben und seliges ende vielen Christen Menschen offenbahr mache[n]/ und die selige Sterbekunst auch andere lehren.“4 Eine gedruckte Leichenrede (Leichenpredigt, Leichensermon, Abdankung) stellt nach Holsteins Meinung das effizienteste Medium protestantischer ars moriendi dar. Dies bedeutet nicht, daß die Schmucksärge, Grabplatten und jene „an eine[m] Feiler oder an der Wand der Kirchen“ hängenden Epitaphien zu ihrer Verbreitung nicht beitrugen. Der Lehre der „Sterbekunst“ sollte doch, wie schlesische Dichter der Barockzeit schrieben, jedes, auch das einfachste Friedhofsgrab dienen,5 demselben Zweck wurden auch weitere Akte des evangelischen Bestattungsrituals untergeordnet, das in den berühmten „Geistliche[n] Trauerbinden“ Valerius Herbergers folgend charakterisiert wurde: „Es ist nicht anders/ als wenn sie [andächtige Christen] zur Schule giengen/ und das gute Latein auff das taefflein ihres hertzens schreiben ließen: HERR lehre uns bedencken/ daß wir sterben muessen/ auff daß wir klug werden/ Psal. 90. Darumb wird auch die Leiche voran getragen/ die gantze Gemeine muß zuechtig hernach folgen/ daß sie bedencke: Tendimus huc omnes, niemand wird dem Tode entlauffen.“6 Die auf unterschiedliche Art und Weise betonte Unvermeidlichkeit des Todes vereinigt sich in den ,Texten‘ der schlesischen Sepulkralkultur der Reformationszeit mit dem tief verwurzelten Bewußtsein der Existenz eines zuverlässigen Mittels gegen den Tod: des wahren Glaubens an Christus. „Ja/ meine Seele/ Was woltestu den Todt fuerchten?“, fragt in „Manuale De Praeparatione Ad Mortem“ Martin Moller, 4 5 6

Ebd., fol. A3v-A4r. Harasimowicz, Jan: Mors janua vitae. Śląskie epitafia i nagrobki wieku reformacji, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1098, Historia Sztuki 3), 38f. Der erste Theil Der Geistlichen Trawrbinden VALERII HERBERGERI, Predigers bey dem Kriplein Christi in Frawenstadt/ Gewircket von lauter außerlesenen/ schoenen/ koernigen/ safftigen schmackhafftigen/ troestlichen Leichpredigten/ derer zahl bald nach der Vorrede zu finden. Zu ehren lauter frommen/ ehrliebenden/ Christlichen/ andechtigen/ jtzo in Gott ruhenden Hertzen. Gedruckt Zu Leipzig Im Jahr DisCe MorI, & rata erIt Vita parata tIbI [1611]. In verlegung Thomae Schürers Buchhändlers., fol. A4r-v.

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„Weißestu doch wol/ wer du bist/ und was du bist. Warlich du bist thewer erkaufft/ was zitterstu fuer dem Tode? Sihe/ Christus ist der Weg und die Leyter zum Himmel. Weil du den hast/ so kann dir kein Todt schaden/ Weil du Christum hast/ kanstu nichts verlieren/ ob schon Leib und Leben auffgehet/ Denn Christus stehet dir fuer alles.“7 Jener Imperativ des Glaubens an Christus erfüllt weitere Elemente der lutherischen ars moriendi: Wachen am Sterbebett, Tod, Leichenbesuch, Leichenpredigt, Begräbnis, Trauer. Die gleichen damit verbundenen Bibelverse – Hiob 19,25–27; Ps 33, 18f.; Joh 11,25f.; Röm 3,20–28; Röm 14,7–9; 1 Kor 15,51–58; Phil 1,21–23; 2 Tim 4, 6–8; 1 Joh 1,7 – wurden Sterbenden vorgelesen,8 während des Leichenzugs und der Bestattung gesungen,9 in Leichenpredigten und Abdankungen vorgetragen10 sowie auf Särge (Abb. 38, 40), Trauerfahnen, Grabmäler (Abb. 36, 59, 63) und Epitaphien (Abb. 58, 60) geschrieben. Aus dem Imperativ des Glaubens an Christus ergab sich für die schlesischen Lutheraner das Gebot, sich zu ihm öffentlich zu bekennen,11 ihn zu „vermehren“ und 7 Manuale DE PRAEPARATIONE Ad Mortem. Heylsame und sehr nuetzliche Betrachtung/ wie ein Mensch Christlich leben/ und Seliglich sterben sol. Gestellet durch Martinum Mollerum von Wittenberg/ Diener des heyligen Euangelij zur Sprotta. […] Gedruckt zu Görlitz/ bey Johann Rhambaw. M.D.XCV, fol. 82v. Der schlesische Pfarrer stützte sich hier sicherlich auf den von Luther formulierten „absoluten“ Imperativ des Glaubens, zum Beispiel auf die folgende Aussage in „Tractatus de libertate Christiana“: „Crede in Christum, in quo promittuntur tibi, gratiam, iustitiam, pacem, libertatem et omnia, si credis habebis, si non credis, carebis. Nam quod tibi impossibile est in universis operibus legis, quae multa sunt et tamen inutilia facili compendio implebis per fidem. Quia deus pater, omnia in fide posuit, ut quisquis hanc habuerit, omnia habeat, qui non habuerit, nihil habeat.“ Zit. nach Luther, Martin: Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 1–120, Weimar 1883–2009, hier Bd. 7, 53. 8 Manuale De Praeparatione Ad Mortem, fol. 103v-113r, 132r-133r. 9 Bunzel, Manfred: Die geschichtliche Entwicklung des evangelischen Begräbniswesens in Schlesien während des 16., 17. und 18. Jahrhunderts, Lübeck 1981, 198f. 10 Funffzehn Leichpredigt/ So man bey dem Begrebnis der verstorbenen/ in Christlicher gemein thun mag. Darneben mehr denn 60. Themata oder Sprueche/ aus dem alten Testament/ auff welche man diese Leichpredigt appliciren moecht/ Durch M. Johan. Spangenberg. [Wittenberg] Anno 1563, fol. 63v-72r; CONCIONES FUNEBRES CLXXX. Quarum nulla est, cui non aliquid obseruatione dignum adiectum sit, quod in priorib. editionibus non extat. Per Joan. Brandmyllerum. Theol. D. & P.B. […] BASILEAE, Ex Officina CONR. WALDKIRCHII. M.D. XCVI; Promptuarii exequialis pars prior in qua continentur centuriae III [et pars posterior continens centurias II] dispositionum, quibus themata funebria siue scripturae dicta varia, quae de morte, sepultura, resurrectione, fine seculi, et vita aeterna, etc. tractant, breuiter ac solide explicantur […]. Auctore Felice Bidembachio, Lubecae, Typis & Sumptibus Samuelis Jauchii, 1618. 11 Johannes Spangenberg erfaßte diesen „doppelten Imperativ“ in seiner in Schlesien sehr beliebten Sammlung von Leichenpredigten folgend: „Wer nu in den lieben Son Ihesum Christum/mit hertzen gleubt/und mit dem munde bekent/der ist fuer Gott gerecht. Und wo er in solcher gerechtigkeit stirbt/er sterb jung oder alt/zeitlich oder unzeitlich/ploetzlich oder langsam/so kan er nicht ubel sterben/sondern ist selig/und ruget in Gott“. Zit. nach Funffzehn Leichpredigt, fol. 42r.

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Abb. 41. Das Epitaph des Breslauer Reformators Dr. Johannes Hess, in den Jahren 1547 bis 1549 für die Pfarrkirche St. Maria Magdalena geschaffen, wurde mit der allegorischen Darstellung der Gesetz- und Gnadentafel versehen. Sie zeigt die tiefste Sinnebene der lutherischen Rechtfertigungslehre, nach der jeder Mensch simul peccatus et iustus, zugleich sündig und gerecht sei.

zu „verbreiten“, gemäß dem von Luther formulierten Programm des allgemeinen Priestertums der Gläubigen.12 Dieses Gebot wurde zweifelsohne, in seinem quantitativen Aspekt, zu einem der Hauptmotive von Dutzenden und Hunderten gestif-

12 „Nec solum reges omnium liberrimi, sed sacerdotes quoque sumus in aeternum, quod longe regno excellentius, quod per sacerdotium digni sumus coram deo apparere, pro alijs orare, et nos invicem ea quae dei sunt docere“, lesen wir in „Tractatus de libertate Christiana“. Zit. nach Luther: Werke, Bd. 7, 57.

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teter „Epitaphien-Bekenntnisse“ (Abb. 41).13 Es wurde aber auch, in seinem qualitativen Aspekt, zur Anregung zur immer engeren Vereinigung mit dem am Kreuz leidenden Christus, zur „Flucht in Seine Wunden“ – um zusammen mit ihm die Vereinigung mit dem Vater zu erlangen: „Der Glauben aber dehn Gott steht/ Muß nichts/ als Christum wissen: Muß dich: drauß ewig’s Leben blueht/ In seine Wunden schlueßen: Muß ihn und dich in eines ziehn/ Denn Gott nimbt sonst nichts an/ als ihn.“14 Diesen lebendigen Glauben, der sich durch die Erfahrung des Todes ständig erneuert und vermehrt, mußte Samuel Dambrowski im Sinn gehabt haben, als er die Trauernden, die den Sarg beerdigten, mit folgenden Worten beten ließ: „Wiem ci ja i mocnie wierzę/ wszechmocny Panie Jesu/ że to ciało/ które teraz do ziemie kładą/ i innych wszystkich/ co ich kolwiek jest/ ciała powstaną/ A wszakże dodawaj mi wiary/ i utwierdzaj co dzień nadzieje moje/ aby mię nie zwiódł/ o pobożny Jesu/ nieprzyjaciel dusze moje“ [„Das weiß ich und glaube stark daran/ allmächtiger Herr Jesu/ daß diese Leiche/ die jetzt ins Grab gelegt wird/ und alle anderen/ was immer sie haben/ die Leichen auferstehen werden./ Gleichwohl stärke meinen Glauben/ und festige meine Hoffnungen jeden Tag/ damit kein Feind/ Oh frommer Jesu/ meine Seele irreführt“].15

II. Über den wahren Glauben zur „Heilsgewißheit“ Von der „Heilsgewißheit“, jenem, so Max Weber, „Gefühlshabitus des Sichgeborgenwissens in Gottes Güte und Gnade“,16 sind sämtliche ,Texte‘ der schlesischen 13 Harasimowicz, Jan: Lutherische Bildepitaphien als Ausdruck des „Allgemeinen Priestertums der Gläubigen“ am Beispiel Schlesiens. In: Tolkemitt, Brigitte/Wohlfeil, Reiner (Hg.): Historische Bildkunde. Probleme – Wege – Beispiele, Berlin 1991 (Zeitschrift für Historische Forschung Beiheft 11), 135–164. 14 [Gryphius, Andreas]: Dan. von Czepko […]. Rede auß seinem Grabe/ Welche Er/ annoch bey guter Gesundheit/ Doch nicht sogar unlaengst Vor seinem/ den 8. Septembr. dieses noch lauffenden 1660sten Jahres/ erfolgten Ableben auffgesetzet. Breßlau/ Gedruckt durch Gottfried Gruendern Baumannischen Factor [1660], Strophe 31. 15 Lekarstwo Duszne/ Człowieka Krześciańskiego/ w Chorobie. Z rozmaitych Nauk/ Pociech i Modlitw/ Patientom Krześciańskim ku używaniu zebrane i w druk podane przez Xiędza SAMUELA DAMBROWSKIEGO, Augspurskiej Confessii Kaznodzieja w Poznaniu. […] WE GDANSKU Drukowano u Andrzeja Hünefelda [1611], 268f. 16 Weber, Max: Die Erlösungswege und ihr Einfluß auf die Lebensführung. In: ders.: Grundriß der Sozialökonomik. 3. Abteilung: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 21925 [11921], Halbbd. 1, 303–330, hier 326. Vgl. ferner Gottschick, Johannes: Die Heilsgewißheit des evangelischen Christen im Anschluß an Luther. In: Zeitschrift für Theologie und Kirche 13 (1903) 349–435; Kurz, Alfred: Die Heilsgewißheit bei Luther. Eine entwicklungsgeschichtliche und systematische Darstellung, Gütersloh 1933; Pfürtner, Stephanus: Die Heilsgewißheit nach Luther und die Hoffnungsgewißheit nach Thomas von Aquin. In: Catholica 13 (1959) 182–199; Meyer, Almut Agnes: Heilsgewißheit und Endzeiterwartung im deutschen Drama des 16. Jahrhunderts. Untersuchungen über die Beziehungen zwischen geistlichem

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Grab- und Todeskultur der Reformationszeit erfüllt. Es strahlen sie das „Manuale De Praeparatione Ad Mortem“ von Martin Moller aus (Abb. 33),17 aber ebenso die „Pieśni o nieśmiertelności“ [„Unsterblichkeitslieder“], die „Pieśni pogrzebne“ [„Begräbnislieder“] und die „Pieśni o Dniu Sądnym“ [„Gerichtstagslieder“] in dem „Doskonały Kancjonał Polski“ [„Das Vollkommene Polnische Gesangbuch“]18, die „Modlitwy pogrzebne“ [„Begräbnisgebete“] in der „Agenda Oleśnicka“ [„Oelsnische Agenda“]19 sowie die zahlreichen im Druck veröffentlichten Leichenpredigten schlesischer Stadt- und Dorfpfarrer (Abb. 34).20 Was außer der sich aus der „Ge-

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Spiel, bildender Kunst und den Wandlungen des Zeitgeistes im lutherischen Raum, phil. Diss. Heidelberg 1976; Harasimowicz, Jan: Eschatologiczny optymizm reformacji. In: Pasek, Zbigniew (Hg.): Doskonałość – zbawienie – rodzina. Z badań nad protestantyzmem, Kraków 2005, 113–126. Von der Wirkung der Lektüre dieses Büchleins, das zu den beliebtesten protestantischen Handbüchern der ars moriendi gehörte, zeugen ausdrücklich die Worte des Liegnitzer Hofpredigers und Superintendenten Heinrich Schmettau, die er während der Beisetzung Anna Hedwig von Reichenbachs, geborener von Niebelschütz, sagte: „Dahero praeparierte Sie sich wohl alle Tage zu einem seel. Sterbestündlein/ und hat noch wenig Wochen vor Ihrem seel. Ende ihrem hertzgeliebtesten Herren Gemahl des Molleri Sterbe=Kunst gewiesen und gesaget: Mein Schatz es ist ein tröstlich Buch/ es macht gar lust zusterben.“ Zit. nach Hellstraalendes Glaubens=Licht/ Wie solches In der weyl. Hoch=WohIgebornen Frawen/ Fr: Anna Hedewig/ Freyin von Reichenbach/ gebohrnen von Niebelschütz/ Frawen auf Sieben=Eich Wirgsdorff/ Lauterseiffen/ Ranßdorff und Halbendorff/ Des auch Hoch=Wohlgebohrnen Herren/ Hn: Christoph Heinrich Freyherrens von Reichenbach/ Herrens auff Sieben=Eich/ Wirgsdorff/ Lauterseiffen/ Ranßdorff und Halbendorff/ der beyden Fuerstenthuemer Schweidnitz und Jawer/ Hochansehnlichen Herren Landes=Eltesten/ Hertzliebst gewesenen Gemahlin/ in ihrem Christenthumb geleuchtet: Und an dero Freyherrlichem Begraebnueß Tage/ in Hochansehnlicher Versamlung/ den 10. des Novembris A. 1665. in Harpersdorff Auß den Worten Hiobs im 19. Cap.v. 25. 26. 27. In einer kurtzen Leich=Sermon gewiesen und fuergestellet worden/ Von Heinrich Schmettawen/ Fuerstl. Liegn. Hofprediger und desselben Fuerstenthumbs Superintendenten. Gedruckt zur Steinaw an der Oder/ durch Johann Kuntzen [1666], fol. Gr. Doskonały Kancyonał Polski zawierający w sobie Pieśni/ Hymny/ y Psalmy Krześciańskie/ z Toruńskich/ Gdańskich/ Królewieckich starszych i nowszych Kancyonałów zebrane y częścią poprawione/ a z Przydatkiem Świeżo przetłumaczonych Piosneczek także Katechyzmu y Modlitew S. nawet y Rejestrów potrzebnych Bogu w Trójcy S. Jedynemu na Chwałę/ a Kościołowi prawowiernemu na Zbudowanie. Wy=Drukowano w Brzegu Przez Krzysztofa Tschorna. Roku Pańskiego 1673, 859–952. Agenda/ to jest/ Porządek/ Kościołów Ewanjelickich Księstwa Oleśnickiego, y innych do niego należących Powiatów. Naprzód Na miłościwe rozkazanie Książęcia Jgo Mości Karola z Mynsterberku Wtórego, w Niemieckim języku spisana y Wielebnemu Duchowieństwu Roku 1593. oddana;/ Potym/ Za miłościwym Zarządzeniem Jgo Książęcey Mości Sylwiusza Książęcia na Wyrtenberku, y Teku, a w Śląsku na Oleśnicy etc. przeyrzana, y do Druku Roku 1664. podana./ A teraz/ Kwoli Kościołom Polskim w pomięnionym Księstwie/ na Pospolite używanie Księżey, z Niemieckiego na Polski Język przetłumaczona./ wtóra Edicya. Drukował w Brzegu Gottfried Tramp/ roku Pańskiego 1715, 99f. Pollio, Lucas: Vom Ewigen Leben der Kinder Gottes. Sieben Predigten/ zu S. Maria Magdalena inn Breßlaw gethan. Breßlaw [Gedr. Durch Johann Scharffenberg] M.D.LXXXIII.

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Abb. 42. Das Epitaph für einen Nachfolger von Johannes Hess auf dem Posten des Pfarrers der Kirche St. Maria Magdalena, den 1583 verstorbenen Lucas Pollio den Älteren, zeigt eine relativ seltene ikonographische Variante des Jüngsten Gerichts. Es gibt hier keine Verdammten, sondern nur die Gerechten, die sich in den Himmel begeben. Die Auswirkungen der Lehre Philipp Melanchthons, die bei dem verstorbenen Pfarrer und seinen engsten Mitarbeitern besonders beliebt war, sind hier deutlich zu erkennen.

borgenheit in Gottes Güte und Gnade“ ergebenden Vorwegnahme günstiger Urteile sollte das Weglassen der Verdammten in der Szene des Jüngsten Gerichts am Epitaph des bekannten Breslauer Theologen Lucas Pollio des Älteren (Abb. 42) bedeuten? Was sollten die Darstellungen der Verstorbenen als mit weißen Gewändern bekleidete ,Gerechte‘ am Epitaph für Samuel Fontin Klatovsky in Chrudim,21 als die von Engeln erkorenen ,Auserwählten‘ am Grabmal für Georg und Anna von Braun in Beuthen an der Oder (Abb. 59)22 oder schließlich als jene, die „dem Lamm Tag und Nacht in seiner Kirche dienen“ am Epitaph für Crispin und Katharina Ritter in Liegnitz23 zum Ausdruck bringen? Was, wenn nicht die Vermehrung und Verbreitung der „Heilsgewißheit“ sollten die Darstellungen der Verstorbenen bezwecken, die im Himmel empfangen und mit der „Krone des Lebens“ geehrt

21 Vacková, Jarmila: Epitafní obrazy v prědbělohorských Čechách. In: Uměni 17 (1969) 131– 156, hier Kat.-Nr. 28. 22 Harasimowicz: Mors janua vitae, 130f. 23 Ebd., 109.

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werden?24 Sie sind sowohl in Schlesien – als Beispiel kann die Grabplatte für Regina Werner (gestorben 1581) in der Pfarrkirche in Langhellwigsdorf bei Bolkenhain dienen, als auch im benachbarten Sachsen – als Beispiel sei das gemalte Epitaph für Anna von Einsiedel in der Pfarrkirche in Prießnitz (1616) genannt25 – zu finden. Die Quelle des „eschatologischen Optimismus“ war selbstverständlich die Lehre Martin Luthers über die Rechtfertigung allein durch den Glauben. Der Reformator brachte mehrmals seine tiefe Überzeugung zum Ausdruck, allen seinen Freunden mit Sicherheit im „ewigen Leben“ zu begegnen, und das schon bald: „Ich werde wieder auferstehen und wieder mit euch reden können. Dieser Finger, daran dieser Ring steckt, muß wieder mir werden. In Summa, es muß alles wieder kommen, denn es steht geschrieben: Gott wird neue Himmel und Erde schaffen, in welcher Gerechtigkeit wohnen wird.“26 Seine „Heilsgewißheit“ konnte sogar der Tod seiner geliebten Tochter Magdalene nicht trüben. „Wir Christen haben nichts zu klagen“, sagte er an ihrem Sterbebett, „wir wissen, daß es also sein muß. Wir sind ja des ewigen Lebens aufs allergewissest, denn Gott, der es uns durch und um seines lieben Sohnes willen zugesagt hat, der kann ja nicht lügen.“27 Ähnliche Aussagen machte mehrmals Martin Moller. Auch für ihn war es geradezu unvorstellbar, daß Gott das seinem Volk gegebene Heilsversprechen hätte nicht halten können: „Der glaeubige Christen Mensch […] weiß/ im werde geschehen/ wie im das Wort saget/ und nichts anders/ und spricht mit frewdigem Hertzen: Herr Jesu/ Wer dein Wort helt/ der wird den Tod nich sehe[n] ewiglich.“28 Die „Heilsgewißheit“, die man anfänglich in Schlesien nur aus der von Luther stammenden Bibelauslegung schöpfte (Abb. 41), wurde durch die Kirchenordnung für das Fürstentum Liegnitz, herausgegeben im Jahr 1594, nachdem die „kryptocalvinische Ketzerei“ Leonhard Krentzheims besiegt worden war,29 in doktrinelle Norm umgewandelt. Die Frage: „Ob die Bäpstliche Lehre recht sey/ Das ein Mensch fur und fur im zweiuel bleiben sol/ ob er vergebung der Sünd habe/ und Gott gefellig sey?“, wird auf markante, typisch lutherische Art beantwortet: „Bäpstliche lehre das die Menschen in zweivel bleiben sollen ist grausame Heydnische blindheit. Darumb ist not davon offt erinnerung zu thun. Besonder dieweil die 24 Scharfe, Martin: Evangelische Andachtsbilder. Studien zu Intention und Funktion des Bildes in der Frömmigkeitsgeschichte vornehmlich des schwäbischen Raumes, Stuttgart 1968 (Veröffentlichungen des Staatlichen Amtes für Denkmalpflege Stuttgart C5), 289–292. 25 Magirius, Heinrich/Mai, Hartmut: Dorfkirchen in Sachsen. Mit Aufnahmen von Christoph Georgi, Berlin 1985, 132, 206f.; Mai, Hartmut: Der Einfluß der Reformation auf Kirchenbau und kirchliche Kunst. In: Junghans, Helmar (Hg.): Das Jahrhundert der Reformation in Sachsen. Festgabe zum 450jahrigen Bestehen der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Berlin 1989, 153–177, hier 166–168. 26 Luther: Werke, Tischreden, Bd. 2, 231. 27 Luther: Werke, Bd. 5, 191. 28 Manuale De Praeparatione Ad Mortem, fol. C3r. 29 Bahlow, Ferdinand: Leonhard Krentzheim, der „heimliche Kalvinist“ in Liegnitz. In: Mitteilungen des Geschichts- und Altertums-Vereins zu Liegnitz 15 (1934/35) 106–220.

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Bäpstlichen diesen iren großen irthum noch fur und fur stercken. Und haben in irem falschen Concilio zu Trident diesen Artickel gesetzt das der Mensch fur und fur im zweivel bleiben sol ob er Gott gefellig sey. […] Also sollen die Bekehrten fur und fur gleuben das sie Gott gefellig sind umb des Herrn Christi willen ob sie gleich noch schwach sind.“30 Dem Erlangen jenes in der Liegnitzer Kirchenordnung deutlich hervorgehobenen Gefühls der permanenten und unabänderlichen Gunst Gottes durch die „Bekehrten“ sollten unter anderem sämtliche ,Texte‘ der schlesischen Todes- und Grabkultur des hier betrachteten Zeitraums, sowohl die allgemeinen, vielfach wiederholbaren – also Gebete und Gesänge aus Agenden und Gesangbüchern – als auch die verhältnismäßig individuellen – nämlich Leichenpredigten, Schmucksärge, Grabmäler und Epitaphien – dienen. Die zweitgenannte Gruppe von ,Texten‘ konnte den Glauben an die Güte und Gnade Gottes durch manchmal sehr persönliche, sich aus eigenen Überlegungen und Ansichten ergebenden Bekenntnisse dieses Glaubens bekräftigen. Zahlreiche Grabdenkmäler der vornehmen schlesischen Adelsfamilien (Abb. 36, 55, 58–61), aber auch vieler Bürgerfamilien (Abb. 26, 41, 42) – und zwar nicht nur in den größeren Städten – zeichnen sich durch eine tiefe inhaltliche Botschaft und eine reife eschatologische Hermeneutik aus. Die Schöpfer der Bild-Wort-Programme dieser Grabmäler und Epitaphien dürften manchmal ihre Stifter selbst gewesen sein, jene fleißigen Leser der Werke Martin Luthers und Philipp Melanchthons,31 Besucher öffentlicher Lectiones zu biblischen Themen, die regelmäßig in beiden Breslauer Hauptpfarrkirchen abgehalten wurden.32 „Es fällt uns heute sogar schwer, uns vorzustellen“, schrieb Max Weber, „daß selbst nur der komplizierte Inhalt etwa des Römerbriefs von einer (vorwiegenden) Kleinbürgergemeinde wirklich intellektuell voll angeeignet worden sei, wie es doch anscheinend der Fall gewesen sein muß.“33 Die Verbreitung des Lesens,34 des Grund- und 30 Jessen, Hans Otto/Schwarz, Walter (Hg.): Schlesische Kirchen- und Schulordnungen von der Reformation bis ins 18. Jahrhundert, Görlitz 1938, 108f. Vgl. ferner Weber, Matthias: Die Kirchenordnungen für Brieg (1592) und Liegnitz (1594). In: Harasimowicz, Jan/Lipińska, Aleksandra (Hg.): Dziedzictwo reformacji w księstwie legnicko-brzeskim. Das Erbe der Reformation in den Fürstentümern Liegnitz und Brieg. Materiały międzynarodowej konferencji naukowej zorganizowanej w dniach 8–10 grudnia 2005 r. w Muzeum Miedzi w Legnicy. Protokollbd. der internationalen Fachtagung veranstaltet am 8. bis 10. Dezember 2005 im Kupfer-Museum zu Liegnitz, Legnica 2007 (Źródła i Materiały do Dziejów Legnicy i Księstwa Legnickiego 4), 143–151. 31 Harasimowicz: Mors janua vitae, 131. 32 Jessen/Schwarz (Hg.): Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 40–42. 33 Weber: Die Erlösungswege und ihr Einfluß auf die Lebensführung, 323. 34 Engelsing, Rolf: Analphabetentum und Lektüre. Zur Sozialgeschichte des Lesens in Deutschland zwischen feudaler und industrieller Gesellschaft, Stuttgart 1973, 32–41; ders.: Die Bürger als Leser. Lesergeschichte in Deutschland 1500–1800, Stuttgart 1974, 16–36; Maleczyńska, Kazimiera: Zainteresowania czytelnicze mieszczan dolnośląskich okresu Renesansu, Wrocław 1982 (Acta Universitatis Wratislaviensis 564, Bibliotekoznawstwo 10).

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Mittelschulwesens, und nach 1560 auch das deutlich gesteigerte Interesse an Universitätsstudien stärkten sicherlich die ,Gelehrtheit‘ der Inhalte schlesischer Grabdenkmäler, ebenso wie sie zweifelsohne zur Intensivierung religiöser Erfahrungen, Festigung der kirchlichen Bindung und ihrer Bereicherung um den Zeitpunkt der bewußten Entscheidung beitrugen. Bei aller gebotenen Achtung vor den theologischen Kompetenzen des Adels und des Bürgertums wäre die schlesische Todes- und Grabkultur ohne die „städtische Proselytenschicht“, ohne die „evangelische Intelligenz“ wie Pfarrer, Kantoren, Lehrer, Ärzte und Stadtbeamte kaum vorstellbar.35 Wir können mit großer Wahrscheinlichkeit annehmen, daß es hauptsächlich Pfarrer waren, die die Wahl von bildlichen Darstellungen und Inschriften trafen, die auf Särgen, Trauerfahnen, Grabmälern und Epitaphien angebracht wurden, und daß sich ihre adligen bzw. bürgerlichen Gemeindemitglieder meistens nur auf die Genehmigung dieser Wahl beschränkten, indem sie höchstens gewisse Berichtigungen vorschlugen. Das Erstellen eines Bildprogramms für ein Grabmonument, das für große altarförmige Epitaphien keinen geringeren Aufwand als die Vorbereitung einer Leichenpredigt erforderte, brachte dem Geistlichen nicht einmal einen Bruchteil des Ruhms, den er nach dem Vortrag einer Trauerrede erntete, insbesondere wenn es ihm gelang, sie im Druck zu veröffentlichen. Daß man sich an den ,Flammen des Ruhms‘, die die Grabdenkmäler für ihre adligen Stifter entfachten, nicht ,wärmen‘ konnte, stellte mit Sicherheit ein wichtiges Motiv der anfangs zitierten Gegenüberstellung ,toter Texte‘ der Funeral- und Grabkultur – der Schmucksärge, Grabplatten und Epitaphien – den ,lebendigen Texten‘ – den im Druck veröffentlichten Leichenpredigten – dar. Die Letztgenannten waren immerhin ,Papierdenkmäler‘ nicht nur für Personen, denen sie gewidmet waren, sondern auch für jene, die sie „dem saemtlichen Vaterland zu ehren; […] der gelehrten Welt/ und der studierenden Jugend zum besten“36 geschaffen hatten.

35 Franz, Günther (Hg.): Beamtentum und Pfarrerstand 1400–1800, Limburg a. d. L. 1972; Fertig, Ludwig: Die Hofmeister. Ein Beitrag zur Geschichte des Lehrstandes und der bürgerlichen Intelligenz, Stuttgart 1979; Greiffenhagen, Martin (Hg.): Das evangelische Pfarrhaus. Eine Kultur- und Sozialgeschichte, Stuttgart 21991 [11984]. 36 Lichstern, Friedrich: Schlesische Fuersten-Krone/ Oder Eigentliche/ wahrhaffte Beschreibung Ober- und Nieder-Schlesiens/ Sowol Von seinen Grentzen/ Benamungen/ Ober-Regenten/ Religions-Beschaffenheiten/ Fuerstenthuemern/ Freyen Standes-Herrschafften/ Stroehmen/ Bergen/ Fruchtbarkeiten/ Regiments-Wesen/ Fuersten-Tagen/ Rent-Kammern/ Lebens-Arten/ Sitten/ und Gewohnheiten ins gemein […], Franckfurt am Mayn/ In Verlegung Fridrich Knochens. Anno M.DC.LXXXV, 824.

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III. Über die „Heilsgewißheit“ zur vollen Akzeptanz der göttlichen Weltordnung Der ausdrückliche Vergleich der drei wichtigsten Wort-Bild-,Texte‘ der Todes- und Grabkultur mit deren rein verbalem Typ – den gedruckten Leichenpredigten – resultierte zum Teil sicher aus dem unbefriedigten Ehrgeiz Stephan Holsteins, eines Mannes, der in der ,Wüste‘ des brandenburgisch-schlesisch-großpolnischen Grenzgebiets weit von den wichtigsten Zentren des Gedankenaustauschs entfernt war. Er bildete in der schlesischen Predigtpraxis der Reformationszeit daher keine allgemein verbreitete Erscheinung. Sowohl im rein bürgerlichen Breslau, als auch in Brieg oder Liegnitz, die den das bürgerliche Kulturmodell prägenden Einflüssen der herzoglichen Höfe unterlagen, wies man Epitaphien und Grabmälern eine wesentlich wichtigere Rolle zu als diejenige, die der sorgfältig ausgebildete und ,gelehrte‘, alles in allem aber relativ provinzielle Pfarrer aus Klemzig, der sich gerührt an die Gaben erinnerte, mit denen er von einer verstorbenen adligen Patronin beschert wurde, nannte.37 Als bei weitem repräsentativer kann gewiß die Stellungnahme des bewanderten Liegnitzer Pfarrers Simon Grunaeus eingestuft werden – eines der ersten bekannten Sammler von „Monumenten und Inschriften“ in Schlesien (Abb. 43). Die von ihm im Jahr 1602 im Druck veröffentlichte Wiedergabe von einigen Dutzend der in literarischer und kaligraphischer Hinsicht schönsten Grabinschriften aus den evangelisch-reformierten Kirchen in Basel38 trug zum radikalen Bruch mit der traditionellen Form des Bildepitaphs und zur Verbreitung der bilderlosen Inschriftenepitaphien in Liegnitz, und davon ausgehend in anderen schlesischen Zentren bei.39 Sein zweites im Druck veröffentlichtes, der Grabmalkunst gewidmetes Werk, „Silesiae Monumentorum Antigrapha“,40 hatte wiederum die Bewältigung der durch Holstein genannten Hürde der relativ geringen Kommunizierbarkeit von Epitaphien und Grabmälern, die doch an einen bestimmten Ort fest gebunden waren, zum Ziel. Grunaeus, damals bereits Pfarrer der Marienkirche in Liegnitz und bald auch Superintendent der Fürstentümer Liegnitz und Wohlau sowie herzoglicher Kirchenrat,41 veröffentlichte dort die Texte der Inschriften, mit denen – wahr37 Leichpredigt und Ehrengedaechtnues, fol. E3v-E4r. 38 Basiliensium Monumentor[um] Antigrapha P. P. á Simone Grunaeo Ligio. Lignicii typis Sartorianis A.C.MDCII. 39 Harasimowicz, Jan: Wkład Legnicy w kulturę artystyczną Śląska od średniowiecza do końca XIX wieku. In: ders. (Hg.): Kultura artystyczna dawnej Legnicy, Opole 1991, 9–26, hier 19. 40 [Grunaeus, Simon]: Silesiae Monumentorum antigrapha cum Extraneorum Epeisagmate e superiorum annorum parergis sui recensuit, et classibus distinxit. N. N. Typis Ligiis Nicolai Sartori Lignicie [um 1613]. 41 Ehrhardt, Siegismund Justus: Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens. Vierten Theils Zweiter Haupt=Abschnitt: Die Fortsetzung der protestantischen Kirchen= und Prediger Geschichte des Fuerstenthums Ligniz […]. Ligniz, gedruckt bey Johann Gottfried Pappäsche

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Abb. 43. Simon Grunaeus, Pfarrer der Marienkirche in Liegnitz, Superintendent der Fürstentümer Liegnitz und Wohlau sowie Kirchenrat der Liegnitzer Herzöge, war der erste große Sammler schlesischer Grabmäler und Inschriften. Durch seine Veröffentlichungen verbreitete er einen neuen Typus der Grabdenkmäler: das Inschriftenepitaph. Er gehörte auch zu den ersten Schöpfern der schlesischen Emblematik, was nicht zuletzt in seiner Porträtgraphik aus dem Jahr 1625 deutlich zum Ausdruck kommt.

scheinlich unter seiner persönlichen Beteiligung – manche damals in Breslau und Liegnitz entstandenen Epitaphien und Grabmäler geschmückt waren. Die im Druck veröffentlichten und – weitgehend reichhaltigeren – handschriftlich überlieferten Früchte der Sammlerleidenschaft des Liegnitzer Theologen,42 die Geschichte der im Kreis der bürgerlichen Eliten Breslaus geführten Auseinander[1790], 219–224. Vgl. ferner Musik, Magdalena/Kulisz, Maciej: Simon Grunaeus jako duchowny, uczony i kolekcjoner. In: Harasimowicz/Lipińska (Hg.): Dziedzictwo reformacji w księstwie legnicko-brzeskim, 245–256. 42 Seine wichtigste Handschrift unter dem Titel SIMONE GRUNAEI MONUMENTA ET INSCRIPTIONES, hat sich nur teilweise erhalten (Universitätsbibliothek Breslau [Biblioteka Uniwersytecka we Wrocławiu], Handschriftenabteilung [Oddział Rękopisów], Sign. Akc. 1950/781). Vom Reichtum des in dieser Sammlung enthaltenen Stoffes zeugen zahlreiche wichtige Feststellungen, die von schlesischen Historiographen des 18., 19. und 20. Jahrhun-

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setzung um die Form des Grabmals für den berühmten, im Exil gestorbenen ungarischen Humanisten Andreas Dudith,43 der Inhalt des im Jahr 1623 geschlossenen Vertrags über die Aufstellung des Grabmals für den Herzog Karl II. von Münsterberg-Oels in der Schloßkirche in Oels44: Das alles zeugt stichhaltig vom hohen Rang, den gegen Ende des 16. und am Anfang des 17. Jahrhunderts in Schlesien die Todes- und Grabkultur gehabt haben mußte. Ihre ,Texte‘, insbesondere jene an die breite Öffentlichkeit gerichteten, wurden allmählich zu einer Art kollektiven Credo der Gemeinden, in Dutzende individuelle Bekenntnisse ausgeschrieben, die zugleich – wie bereits erwähnt – mehr oder weniger ausdrucksstarke Erklärungen der „Heilsgewißheit“ darstellten. Angenommen, daß die ins ausgehende Mittelalter zu datierende Verbreitung von Bestattungen in städtischen Pfarrkirchen und demzufolge die Entstehung des bürgerlichen Bildepitaphs eine Reaktion auf den Zerfall der städtischen Gemeinschaft war, ein Versuch, Zentren zu bilden, die kleine, auf ihren Trümmern gewachsene Familiengemeinschaften konzentrierten,45 müßte man die weitere üppige Entwicklung dieses Modells des Grabdenkmals als unbestrittenen Ausdruck der Übereinstimmung des bürgerlichen (oder gar kleinbürgerlichen) Ethos und der evangelisch-lutherischen Lehre betrachten. Candidati aeternitatis, unterhalb der bildlichen ,Glaubensbekenntnisse‘ kniend, waren in der Regel eben eine familiäre Gemeinschaft, die die Wichtigkeit des von der Reformation Martin Luthers proklamierten Kults der Familie, des Familienlebens und des Kinderreichtums augenscheinlich bezeugten (Abb. 58).46 In der in Schlesien häufig anzutreffenden Umformung der figürlichen Wandgrabmäler des Adels zu großen Epitaphienstrukturen (Abb. 36, 61), in der Beifügung von ,Epitaphiendarstellungen‘, die aus vor dem Hintergrund biblischer Szenen knienden Familienmitgliedern bestanden, zu den üblichen figürlichen Grabplatten sollte also weniger der allgemein und unverbindlich gemeinte „Einfluß der

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derts anhand dieser Handschrift getroffen wurden. Oszczanowski, Piotr: Wrocław. Kościół św. Marii Magdaleny, Warszawa 2009 (Zabytki Polski 2). Bimler, Kurt: Die schlesische Renaissanceplastik, Breslau 1934, 89. Schuster, Alfons: Urkundliche Mitteilungen betr. ein nicht zur Aufstellung gelangtes Grabdenkmal für Herzog Karl II. von Münsterberg-Oels. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 4 (1888) 617–629. Samsonowicz, Henryk: La conception de l’éspace dans la cité médiévale. In: Quaestiones Medii Aevi 1 (1977) 163–172; Morawski, Zbigniew: „Intra muros.“ Zarys problematyki cmentarza miejskiego w średniowieczu. In: Wyrobisz, Andrzej/Tymowski, Michał (Hg.): Czas, przestrzeń, praca w dawnych miastach. Studia ofiarowane Henrykowi Samsonowiczowi w sześćdziesiątą rocznicę urodzin, Warszawa 1991, 93–99. Ozment, Steven: When Fathers Ruled. Family Life in Reformation Europe, Cambridge/London 1983; Scharffenorth, Gerta: „Im Geiste Freunde werden.“ Mann und Frau im Glauben Martin Luthers. In: Wunder, Heide/Vanja, Christine (Hg.): Wandel der Geschlechterbeziehungen zu Beginn der Neuzeit, Frankfurt a. M. 1991, 97–108.

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bürgerlichen Kultur“47 und mehr die Äußerung der formbildenden Kraft des in Schlesien in der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg zweifelsohne dominierenden bürgerlich-lutherischen Kulturmodells gesehen werden. Fromme und bescheidene Familien schlesischer Lutheraner füllten allmählich die Wände der wichtigsten Kirchen in Breslau, Brieg, Liegnitz und anderen Städten mit Reihen von gemalten und skulptierten ,Glaubensbekenntnissen‘.48 Außerhalb und innerhalb der Kirchen versammelte sich das in Grabdenkmälern ausgedrückte Potential von Erfahrungen und Überlegungen weiterer Generationen. Die Verstorbenen, jene defuncti vivi der mittelalterlichen Stadtkultur des deutschen Sprachgebiets,49 vereinigten sich hier mit den Lebenden im gemeinsamen Werk der „Vermehrung“ und „Verbreitung“ des Worts Gottes, der „Verewigung“ des Evangeliums. Die Epitaphien wurden im ausgehenden 16. Jahrhundert zu einem dermaßen – in der Empfindung der damaligen Gesellschaft – wichtigen Ausdruck der konfessionellen Identität, zu einem so unabdingbaren Beweis des Glaubens,50 daß sogar die Stiftung von Epitaphbildern und Epitaphreliefs für bereits lange verstorbene Familienmitglieder, die regelmäßige Erneuerung der durch die Zeit angegriffenen Denkmäler51 und das Einfassen mittelalterlicher Epitaphien mit neuen, manieristischen Umrahmungen zu allgemein üblichen Erscheinungen wurden.52 Die 47 Zlat, Mieczysław: Nobilitacja przez sztukę – jedna z funkcji mieszczańskiego mecenatu w XV i XVI w. In: Harasimowicz, Jan (Hg.): Sztuka miast i mieszczaństwa XV–XVIII wieku w Europie Środkowowschodniej, Warszawa 1990, 77–101, hier 94–98. 48 Steinborn, Bożena: Malowane epitafia mieszczańskie na Śląsku w latach 1520–1620. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 4 (1967) 7–139; Białostocki, Jan: Kompozycja emblematyczna epitafiów śląskich XVI wieku. In: Steinborn, Bożena (Hg.): Ze studiów nad sztuką XVI wieku na Śląsku i w krajach sąsiednich, Wrocław 1968, 77–93; Harasimowicz, Jan: Schlesische Epitaphien und Grabmäler der Reformationszeit. Ihre Typen und architektonisch-plastische Struktur. In: Grossmann, Georg Ulrich (Hg.): Renaissance in Nord-Mitteleuropa, Teil 1, München/Berlin 1990 (Schriften des Weserrenaissance-Museums Schloß Brake 4), 189–224; ders.: Lutherische Bildepitaphien als Ausdruck des „Allgemeinen Priestertums der Gläubigen“, 135–164; ders.: Mors janua vitae, 99–156; ders.: Kunst als Glaubensbekenntnis. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte der Reformationszeit, Baden-Baden 1996 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 359), 97–143, 170–180. 49 Potkowski, Edward: Dziedzictwo wierzeń pogańskich w średniowiecznych Niemczech. Defuncti vivi, Warszawa 1973. 50 Mai, Hartmut: Kirchliche Bildkunst im sächsisch-thüringischen Raum als Ausdruck der lutherischen Reformation. In: Sächsische Heimatblatter 29 (1983) 244–250, hier 249f. 51 Zum Beispiel erhielt der Breslauer Bildhauer Gregor Han im Jahr 1628 den Betrag von 95 Talern für die Reparatur der Epitaphien in der Pfarrkirche St. Maria Magdalena. Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 131. 52 Zum Beispiel ließ der Breslauer Patrizier Christoph Poley, Herr auf Thiergarten bei Wohlau, das älteste bekannte schlesische gemalte Bildepitaph – für Barbara Polani, aus der Kirche St. Barbara in Breslau – renovieren und neu umrahmen (um 1409, heute im Nationalmuseum [Muzeum Narodowe] in Warschau). Es wurde mit der viel sagenden Inschrift versehen: „Deo Sacrum Sibi et Suis perpetuum. Monumentum hoc cognatae suae an/ te annos CCCIII positum et ad haec usq./ tempora vetustate propagatum posterorum/ nomine renovari curavit

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Bedeutung der Grabdenkmäler, jener „von Stein gehawen/ oder von Holtz geschnitten/ oder zum wenigsten gemahlte[n]“53 Chronik des religiösen Lebens für die Ideenhomogenität der Gemeinden, für das Gefühl der Bindung an die Tradition, bildete wahrscheinlich den Anlaß dazu, daß die meisten „ketzerischen“ Epitaphien von den Wänden einiger nach dem Dreißigjährigen Krieg rekatholisierter Stadtkirchen, wie etwa in Schweidnitz und Löwenberg, beseitigt worden sind.54 „Für Luther wurde“, schrieb Max Weber, „die aus der objektiven historischen Ordnung folgende Eingliederung der Menschen in die gegebenen Stände und Berufe zum direkten Ausfluß göttlichen Willens und also das Verharren des Einzelnen in der Stellung und in den Schranken, die Gott ihm zugewiesen hat, religiöse Pflicht. Dies um so mehr, als eben die Beziehungen der lutherischen Frömmigkeit zur ,Welt‘ überhaupt von Anfang an unsichere waren und blieben.“55 Die schlesische Grabmalkunst der Reformationszeit gilt sicherlich als eine der wichtigsten Ausdrucksformen des Respekts gegenüber der so formulierten Pflicht. Abweichungen von einzelnen, den Ständen zugeordneten Grabdenkmälertypen waren relativ selten. Es gibt zwar – abgesehen von Epitaphien und Grabmälern für evangelische Geistliche – eine gewisse Anzahl bürgerlicher Grabplatten mit Standbildern der Verstorbenen. Sie gedachten aber alle der Bewohner kleinerer schlesischer Städte mit einer wahrscheinlich weniger ausgeprägten ständischen Identität wie Hirschberg, Reichenbach, Münsterberg oder Guhrau. Hingegen hat sich kein entsprechendes Beispiel in Breslau, Liegnitz oder Brieg erhalten. Die Öffentlichkeit reagierte hier sicherlich sensibler auf jegliche Überheblichkeit. Dies erlebte Heinrich Rybisch, der berühmte Philocalos, dessen Tumben- und Baldachingrabmal, das die Christoph/ Poley a Thiergarten./ Reipublicae huius Vratislaviensis Senator/ anno Christi M.DC.XIII/ mense junio.“ Landsberger, Franz: Ein Kapitel schlesischer Malerei. In: Grisebach, August (Hg.): Die Kunst in Schlesien, Berlin 1927, 199–253, hier 219–221; Burgemeister, Ludwig/Grundmann, Günther: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau, Bd. 1–3, Breslau 1930–1934, hier Bd. 2, 166; Dobrzeniecki, Tadeusz: Malarstwo tablicowe. Katalog zbiorów Muzeum Narodowego w Warszawie, Warszawa 1972, 186; Karłowska-Kamzowa, Alicja: Malarstwo śląskie 1250–1450, Wrocław u. a. 1979, 122. Vgl. ferner Demmler, Theodor: Die Grabdenkmäler des württembergischen Fürstenhauses und ihre Meister im XVI. Jahrhundert, Straßburg 1910, 131–135; Keisch, Claude: Zum sozialen Gehalt und zur Stilbestimmung deutscher Plastik 1550–1660: Sachsen, Brandenburg, Anhalt, Stifter Magdeburg und Halberstadt, phil. Diss. (masch.) Berlin [Ost] 1970, 302–310. 53 Adels-Spiegel. Historischer Ausfuerlicher Bericht: Was Adel sey und heiße/ Woher er kom[m] e/ Wie mancherley er sey/ Und was denselben ziere und erhalte/ auch hingegen verstelle und schwaeche. Desgleichen von allen Goettlichen/ Geistlichen und weltlichen Staenden auff Erden/ etc. wie solches alles der Inhalt nach der Vorrede namhafftig und in der Ordnung zeiget. […]/ Durch M. Cyriacum Spangenberg. Gedruckt zu Schmalkalden/ bey Michel Schmück. M.D.XCI., Teil 2 [1594], fol. 287r. 54 Harasimowicz: Mors janua vitae, 3. 55 Weber, Max: Askese und kapitalistischer Geist. In: ders.: Die protestantische Ethik. Hg. von Johannes Winckelmann, Bd. 1: Eine Aufsatzsammlung, Gütersloh 81991 [11965], 165–277, hier 170.

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Idee der Einheit von Mensch und Kosmos verkörperte und Wissen als Mittel der Erhebung eines herausragenden Individuums über die irdische Welt glorifizierte (Abb. 35), bald nach seinem Einbau in der Pfarrkirche St. Elisabeth in Breslau durch unbekannte Täter mit Wagenschmieröl beschmutzt wurde.56 Die fortschreitende gesellschaftliche Differenzierung des Bürgertums führte mit der Zeit zu einem erneuten Verfall der städtischen Gemeinschaft, die die reformatorische Bewegung für kurze Zeit integriert hatte. Das den Calvinismus befürwortende Patriziat fand in Inschriftenepitaphien eine geeignete Form, seine konfessionelle und kulturelle Eigenart zu betonen, ohne die durch die Standesnorm festgelegten Grenzen zu überschreiten. Als jedoch die Zeit der Formulierung eines Glaubenbekenntnisses mit Hilfe von Bildepitaphien langsam zu Ende ging – nicht ohne Einfluß der durch den Dreißigjährigen Krieg hervorgerufenen großen Krise jeglicher Werte – wurde das Inschriftenepitaph als konfessionell indifferenter Typus eines sepulkralen Denkmals – obwohl anfänglich eher mit dem Calvinismus als mit dem Luthertum in Verbindung gebracht – in Schlesien auch unter den entschieden orthodoxen Lutheranern zum Allgemeingut. Die bürgerlichen Kreise Schlesiens wandten sich seit dem Ende des 16. Jahrhunderts deutlich von ,Glaubensbekenntnissen‘, die mit Hilfe einer – ihrem Wesen nach spätmittelalterlichen – narrativ-biblischen Bildlichkeit zum Ausdruck gebracht wurden, ab. In den Kreisen des Adels ist hingegen eine geradezu gegenläufige Tendenz zur Bildlichkeit hin zu erkennen: Zu dieser Zeit wurden die für den Adel typischen Grabdenkmäler, die Gott die mit allen Attributen ihres Standes ausgestatteten Gestalten der Verstorbenen präsentierten, um viele biblische Bilder und Sprüche ergänzt. Die großen Wandgrabmäler derer von Rechenberg in Großenbohrau57, derer von Schaffgotsch in Greiffenberg (Abb. 36)58 oder derer von Stosch in Mondschütz59 waren sowohl ,Standes-‘ als auch ,Glaubensbekenntnisse‘. Die Verstärkung der typischen Merkmale des Standesansehens – der vollplastischen Figur des Verstorbenen und der triumphalen Architektur der Umrahmung – durch eine narrative, an biblischen Themen orientierte Bildlichkeit und umfangreiche Bibelsprüche, entsprach der nachreformatorischen Ergänzung der Pflichten des Adels um die Rolle des summus episcopus, der höchsten religiösen

56 Zlat, Mieczysław: Sztuka renesansu i manieryzmu 1500–1650. In: Broniewski, Tadeusz/Zlat, Mieczysław (Hg.): Sztuka Wrocławia, Wrocław/Warszawa/Kraków 1967, 183–263, hier 211; ders.: Śląska rzeźba nagrobkowa XVI wieku wobec włoskiego renesansu. In: Steinborn (Hg.): Ze studiów nad sztuką XVI wieku, 17–42, hier 23–27; ders.: Rzeźba i malarstwo w latach 1525–1650. In: Świechowski, Zygmunt (Hg.): Wrocław – jego dzieje i kultura, Warszawa 1978, 221–245, hier 226f.; Harasimowicz: Mors janua vitae, 58, 157. 57 Harasimowicz: Mors janua vitae, 66f., 103f. 58 Ebd., 67, 107. 59 Ebd., 64f., 140f.

Schlesische Epitaphien und Grabmäler als ,Texte der Kultur‘

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Obrigkeit gegenüber den Untertanen.60 In der spezifischen politisch-konfessionellen Lage Schlesiens wurde diese Rolle – wie zahlreiche Grabmonumente des lokalen Adels eindeutig beweisen – auf eine besondere Art hervorgehoben. „Ethische Prinzipien“, schrieb Max Weber, „waren von Luthers, die paulinische Weltindifferenz niemals ganz abstreifenden Gedankenkreisen aus für die Gestaltung der Welt nicht zu gewinnen, und man mußte sie deshalb eben nehmen, wie sie war, und konnte nur dies zur religiösen Pflicht stempeln.“61 Die Epitaphien und Grabmäler der ersten Generationen schlesischer Lutheraner – „nach dem Stand“ für die „Vermehrung“ und „Verbreitung“ des Glaubens gestiftet – bildeten eben einen Ausdruck dieser Abneigung gegenüber jeglichen Aktivitäten, die die vom späten Mittelalter ausgehenden und im konfessionellen Zeitalter fortgesetzten gesellschaftlichen Verhältnisse hätten beeinträchtigen können. Gemäß der ideellen Botschaft dieser Denkmäler sowie sämtlicher ,Texte‘ der schlesischen Grab- und Todeskultur der Reformationszeit, sollte man die bestehende Weltordnung nicht nur „bewahren“, sondern gar in ihr „verharren“.

60 Pilz, Kurt: Art. Epitaphaltar. In: Schmitt, Otto (Hg.): Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 5, Stuttgart 1967, Sp. 921–932, hier Sp. 925f.; Keisch: Zum sozialen Gehalt, 100–104. 61 Weber: Askese und kapitalistischer Geist, 170.

„Gott zu Ehren, uns allen zum ewigen Gedächtnis“. Zur Architektur und Kunst

„Paläste der Heiligen Dreifaltigkeit, Werkstätten des Heiligen Geistes“. Die Kirchen der evangelischen Schlesier in der habsburgischen Zeit „Im Bapsthumb brauchet man die Tempel und Kirchen zu Menschen satzungen/ erdichten Fabeln/ von verstorbenen Heyligen/ zur Meß/ zur anbetung der verstorbenen Heyligen/ un[d] allerley Aberglauben/ diß ist eitel Abgoetterey/ und sind diese gestalt die Kirchen im gedachten Bapsthumb nichts denn des Sathans Schule/ eine behausung der Teuffel/ und eine behaltnuß aller unreiner feindseliger Vogel/ Apoc. 2. 18. Und sind es die Leute im Bapsthumb umb nichts an ihren Seelen gebessert/ Suender kommen sie in solche Tempel und Clausen/ Suender gehen sie wieder hienauß/ ja Kinder der Hellen zweyfeltig mehr/ Wie Christus saget/ Matth. 23. Aber bey uns Evangelischen/ da sind und sollen sein der Tempel und Kirchen/ Pallast der Heyligen Dreyfaltigkeit/ liebliche Awen und Lustgaerte vor alle mueheselige und beladene/ und Werckstette des H. Geistes/ darinnen man von niemands dann von Gott und seinen Wort und Willen reden/ predigen/ lehren und singen sol: Deßgleichen auch von den H. Sacramenten/ dadurch Gott in uns zur Seligkeit kraefftig sein/ und zum Himelreich uns geschickt und tuechtig machen wil“ – so predigte im Mai des Jahres 1622 zur Einweihung der Kirche zu Muskau in der Oberlausitz, nahe der schlesischen Grenze, Magister Michael Zeidler, Pfarrer und Superintendent der Herrschaft Muskau. Diese Predigt, schon im selben Jahr in Görlitz unter dem Titel „Encaenia Muscoviana“ veröffentlicht,1 ist eine der vielen gedruckten schlesischen Einweihungspredigten vom ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhundert. Sie enthält, ähnlich wie manche anderen Predigten dieser Art, eine vollständig entwickelte theologische Auffassung von einem richtigen evangelischen Gotteshaus. Einerseits ständig mit dem kaiserlichen Katholizismus, dem Täufertum und den Schwenckfeldern sowie andererseits – was sich als besonders folgenreich erwies – mit dem Calvinismus konfrontiert, bildeten sich allmählich solche Vorstellungen über einige Generationen hinweg aus. Die aus dieser Konfrontation hervorgegangene Auslegung der evangelischen Kirchen als „Paläste der Heiligen Dreifaltigkeit“, „Liebliche Auen“ und „Lustgärten für alle Mühseligen und Beladenen“ sowie „Werkstätten des Heiligen Geistes“ bereicherte wesentlich die Erwartungshaltung, die in Schlesien an den Kirchenbau der Reformationszeit herangetragen wurde, die Erwartung, die durch den Spruch Jes 56,7 zum Beispiel auf dem Portalsturz der kleinen, im Jahr 1551 erbauten Kirche in Neuland bei 1

Encaenia Muscoviana, Eine Christliche Einweyhung der newerbawten Kirchen zu Muszkaw. In großer Volckreicher versammlung/ vieler hohes und nidriges Stands Personen/ den 19. Maii/ war der Dornstag nach Pfingsten/ Anno aerae Christianae 1622. gehalten/ und in Druck gegeben/ durch M. Michaelem Zeidlerum, Pastorn und Superintendentem der Herrschafft Mußkaw, Goerlitz 1622, fol. C2 r-v.

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Zur Architektur und Kunst

Löwenberg, formuliert ist: „Mein Haus soll heiße[n] ein Bethaus/ für/ alle Voelckern.“2

I. Im frühen 16. Jahrhundert wurde beinahe das gesamte Gebiet Nieder- und Oberschlesiens durch die lutherische Reformation erschüttert. Dieser Prozeß wurde auch dann nicht aufgehalten, als das Land 1526 unter habsburgische Herrschaft kam. Die evangelische Konfession wurde von Fürsten, Adel und Bürgertum allmählich in den Rang einer religiösen Opposition erhoben. Sie begann die Identität der Ständegesellschaft, die dem zentralistischen und gegenreformatorischen Druck der Habsburger ausgesetzt war, zu bestimmen.3 Die schlesische Reformation ist durch eine weitgehende Zurückhaltung bei Neuerungen im Gottesdienst gekennzeichnet. Viele traditionelle Zeremonien, das Latein im Gottesdienst, aber auch das Stundengebet wurden beibehalten. Um 1540 wurde in Breslau von Ambrosius Moibanus, dem ersten evangelischen Pfarrer zu St. Elisabeth, ein interessanter, wenn auch für die liturgische Praxis folgenloser Versuch unternommen, einen neuen lateinischen Meßkanon zu schaffen.4 Moibanus knüpfte an die von Philipp Melanchthon empfohlene Konzeption an, den Gottesdienst auf traditionelle Formen zu stützen und diese mit neuem evangelischen Inhalt zu füllen. Etwa um dieselbe Zeit etablierte sich das Luthertum in Liegnitz, wo Täufertum und Spiritualismus im Geist Caspar Schwenckfelds einen starken Einfluß ausübten. Im Jahr 1542 hatte Herzog Friedrich II. von Liegnitz, Brieg und Wohlau eine Kirchenordnung, eine Visitationsinstruktion und einen Katechismus veröffentlichen lassen. Damit wurde die Einführung des evangelischen Kirchenregiments in den schlesischen Lehnfürstentümern und freien Standesherrschaften eingeleitet. In den Erbfürstentümern der Böhmischen Krone dagegen wurde das evangelische Kirchen- und Schulleben durch den Adel und die Räte der königlichen Städte organisiert. Vor Streitigkeiten um die Doktrin, von denen das deutsche Luthertum in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erschüttert wurde, blieb Schlesien nicht ver2 3

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Lutsch, Hans: Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesien, Bd. 1–4, Breslau 1889–1894, hier Bd. 3, 469. Anders, Eduard: Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens, Breslau 1883, 17–51; Soffner, Johannes: Geschichte der Reformation in Schlesien, Breslau 1887; Eberlein, Hellmut: Schlesische Kirchengeschichte, Goslar 31952 [¹1932], 40–98; Karzel, Othmar: Die Reformation in Oberschlesien. Ausbreitung und Verlauf, Würzburg 1979 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte 20); Harasimowicz, Jan: Śląski luteranizm wieku reformacji – próba charakterystyki. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 39 (1984) 493–516. Sabisch, Albert: Der Meßcanon des Breslauer Pfarrers Dr. Ambrosius Moibanus. Ein Beitrag zur Geschichte des protestantischen Gottesdienstes in Schlesien in den ersten Jahrzehnten der Glaubensspaltung. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 3 (1938) 98–126.

Die Kirchen der evangelischen Schlesier

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schont.5 Obwohl auch hier viele Pastoren und Lehrer unter dem Vorwurf des Calvinismus entlassen wurden, verurteilte man offiziell jedoch die Ansichten Flacius’ und nicht diejenigen Melanchthons. Hingegen führten die strengen Mandate Herzog Georgs II. von Brieg und Wohlau zu einer raschen Beilegung der Auseinandersetzungen in den Kreisen der Geistlichkeit. Nirgendwo wurde die vom Kompromiß geprägte Formula Concordiae angenommen; die vorsichtige Konfessionspolitik der Piasten, die seit dem Jahr 1611 Anhänger des Calvinismus waren, hatte einer Spaltung des schlesischen Protestantismus in einander bekämpfende Parteien vorgebeugt. Dagegen kannte Markgraf Johann Georg von Brandenburg-Ansbach, ein fanatischer Calvinist, weder Vorsicht noch Mäßigung. Mit seinen bilderstürmerischen „Artikeln“ von 1616 rief er heftigen Protest der lutherischen Einwohner von Jägerndorf hervor.6 In Schlesien bildeten seine Anordnungen die einzigen offiziellen Verfügungen, sämtliche Bilder aus den Kirchen zu entfernen. Im allgemeinen wurden die mittelalterlichen Altäre hingegen nicht nur geduldet, sondern sogar renoviert. Hatte man sich jedoch entschlossen, die Zahl der Altäre in einer Kirche radikal zu reduzieren, wie etwa 1539 in Sagan, so wurden die Retabeln nicht vernichtet, sondern in das benachbarte Großpolen verkauft.7 Im Laufe des 16. Jahrhunderts hatte sich in Schlesien, ähnlich wie in anderen von der lutherischen Reformation erfaßten Ländern, keine entschieden neue protestantische Kirchenbaukunst herausgebildet.8 Mittelalterliche Kirchen gab es in großer Zahl, es bestand also keine dringende Notwendigkeit, neue Kirchen zu bauen. Man mußte nur diejenigen, die für gottesdienstliche Zwecke erhalten geblieben waren, den neuen Bedürfnissen anpassen. Die größten schlesischen Stadtpfarrkirchen, St. Elisabeth, St. Maria Magdalena und St. Bernhardin in Breslau, St. Peter und Paul in Liegnitz sowie St. Nicolai in Brieg, wurden allmählich mit neuem Gestühl ausgestattet, das im Kirchenraum sowohl ebenerdig als auch auf den eingebauten hölzernen Emporen die Ständerangordnung der betreffenden Gemeinde

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Buschbeck, Hermann: Des Matthias Flacius Illyricus Religionsgespräche auf Burg Lehnhaus und Schloß Langenau im Jahre 1574. In: Jahrbuch des Vereins für Schlesische Kirchengeschichte 24 (1934) 3–23; Siegmund-Schulze, Ernst: Kryptocalvinismus in den schlesischen Kirchenordnungen. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 5 (1960) 52–68. Karzel: Die Reformation in Oberschlesien, 275f. Schimmelpfenning, Carl Adolf: Die evangelische Kirche Schlesiens im 16. Jahrhundert. Ein geschichtlicher Vortrag, Strehlen 1877, 6. Wiesenhütter, Alfred: Der evangelische Kirchbau Schlesiens von der Reformation bis zur Gegenwart, Breslau 1926, 9–13; Grundmann, Günther: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien, Frankfurt a. M. 1970 (Bau- und Kunstdenkmäler des deutschen Ostens C 4), 11–17; Harasimowicz, Jan: Protestanckie budownictwo kościelne wieku reformacji na Śląsku. In: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 28 (1983) 341–374; ders.: Treści i funkcje ideowe sztuki śląskiej reformacji 1520–1650, Wrocław 1986 (Acta Universitatis Wratislaviensis 819, Historia Sztuki 2), 20–26.

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Zur Architektur und Kunst

Abb. 44. Die Pfarrkirche zur Heiligen Dreifaltigkeit in Rothsürben, Landkreis Breslau, wurde in den Jahren 1567 bis 1604 auf Veranlassung der einflußreichen Familie Haniwald, die zum Prager Kaiserhof Rudolfs II. direkte Kontakte pflegte, für die Bedürfnisse des evangelischen Gottesdienstes umgebaut. Für den künstlerischen Aspekt dieses Umbaus war u. a. der Bildhauer und -schnitzer Gerd Hendrik aus Amsterdam, ein führender Vertreter des schlesischen Manierismus, zuständig.

widerspiegelte.9 Neue Stadtkirchen baute man verhältnismäßig selten und vorwiegend in kleineren Städten. Die Kirche in Friedeberg am Queis, in den Jahren 1562 bis 1567 errichtet,10 war noch ein sehr der Tradition verpflichteter Hallenbau, der an das vorreformatorische sächsische Schema anknüpfte. Die Kirchen in Herrnstadt (1580) und Ohlau (1587–1589) dagegen, die von den Herzögen von Liegnitz und Brieg, den führenden Persönlichkeiten der schlesischen Reformation, gestiftet wurden, erhielten eine bereits eindeutig neue, evangelische Raumgestaltung. Im Baukontrakt der Herrnstädter Kirche, der von Georg II. mit dem Baumeister Hans Gebhart abgeschlossen wurde, hieß es ausdrücklich, daß jener Meister „in dem größten theil der kirchen eine porkirchen ringsherumb bawen sollte“11. Der Bau der anderen Kirche – es handelte sich eigentlich um den Anbau eines neuen Lang9 Wex, Reinhold: Ordnung und Unfriede. Raumprobleme des protestantischen Kirchenbaus im 17. und 18. Jahrhundert in Deutschland, Marburg 1984 (Kulturwissenschaftliche Reihe 2), 128–139. 10 Lutsch: Verzeichnis, Bd. 3, 485. 11 Schuster, Alfons: Bau-Kontrakt der Kirche zu Herrnstadt vom Jahre 1580. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 5 (1894) 145.

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hauses zum bestehenden gotischen Chor, der vom italienischen Architekten Bernhard Niuron im Auftrag der Söhne Georgs II., der Fürsten Joachim Friedrich und Johann Georg, vollzogen wurde – brachte eine noch auffälligere Neuerung mit sich.12 Die dreischiffige, fünfjochige Halle bekam nur auf einer Seite eine massive Empore, und zwar der Kanzel gegenüber (Abb. 53); es entstand auf diese Weise eine zweite, querlaufende Achse im Kircheninneren, die der traditionellen Längsachse zum Altar hin Konkurrenz machte. Eine ähnliche Tendenz zur Konzeption des Langhauses als auf die Kanzel hin orientierte Queranlage trat noch in Reichenbach und Landeshut (Abb. 46) sowie in Habelschwerdt in der Grafschaft Glatz auf.13 Sie ist auch in einigen massiven steinernen oder auch hölzernen Dorfkirchen deutlich sichtbar, wo die Emporen in einer sich von der Kanzel aus entfaltenden Anlage, die einem Fächer gleicht, angeordnet sind. Als Beispiele sind die Kirchen in Rudolfswaldau, Schweinhaus, Bärsdorf und Gießmannsdorf zu nennen. In auf Veranlassung des Adels auf dem schlesischen Land neuerrichteten Stein-, Backstein-, Fachwerk- und Holzkirchen dienten die Emporen als ein Element der Raumintegration des Schiffes mit dem traditionell abgesetzten Chor. Sie verloren etwas an Bedeutung, als die eindeutig einräumigen Saalkirchen zu entstehen begannen, die im Osten entweder gerade, wie es in Liebersdorf und Schedlau,14 oder polygonal, wie es in Herrnprotsch15 der Fall ist, abgeschlossen waren. Die 1607 erbaute Kirche in Schimischow16 vollzog noch einen weiteren Schritt zur Integration des Inneren, indem sie nicht nur den östlichen, sondern auch den westlichen Teil des Schiffes polygonal abschloß. Zu derselben Entwicklung gehörten zudem die ersten Kirchen auf kreuzförmigem, einem im frühen 17. Jahrhundert besonders in den Niederlanden beliebten Grundriß, nämlich die in den Jahren 1622 bis 1631 auf Veranlassung Herzog Heinrich Wenzels von Oels-Bernstadt errichtete massive Begräbniskirche zu Bernstadt17 und die aus beinahe derselben Zeit stammende

12 Harasimowicz, Jan: Bernard Niuron – budowniczy fary oławskiej. In: Matwijowski, Krystyn (Hg.): Ludzie dawnej Oławy, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1282, Historia 91), 27–40. 13 Harasimowicz: Protestanckie budownictwo kościelne, 347f., Abb. 2, 5–6; ders.: Stosunki wyznaniowe na Ziemi Kłodzkiej w okresie reformacji i ich wpływ na sztukę kościelną regionu. In: Zeszyty Muzeum Ziemi Kłodzkiej 3 (1990) 14–36, hier 19, Abb. 2. 14 Lutsch: Verzeichnis, Bd. 3, 391, Bd. 4, 214–216; Chrzanowski, Tadeusz/Kornecki, Marian (Hg.): Katalog Zabytków Sztuki w Polsce, Bd. 7: Województwo opolskie, Heft 8: Powiat niemodliński, Warszawa 1962, 49f., Fig. 7. 15 Burgermeister, Ludwig/Grundmann, Günther: Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien, Bd. 1: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau, Tl. 3, Breslau 1934, 169–174. 16 Chrzanowski/Kornecki: Katalog Zabytków, Heft 14: Powiat strzelecki, Warszawa 1961, 48, Fig. 11, 27. 17 Pokora, Jakub/Zlat, Mieczysław (Hg.): Katalog Zabytków Sztuki w Polsce, Seria Nowa, Bd 4: Województwo wrocławskie, Heft 1: Oleśnica, Bierutów i okolice, Warszawa 1983, 6f., Fig. 36–39.

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Abb. 45. Die Pfarrkirche zur Enthauptung Johannes des Täufers in Altkemnitz, Landkreis Hirschberg, wurde in den Jahren 1622 bis 1626 von Hans Ulrich von Schaffgotsch, General der kaiserlichen Armee, nach Maßgabe der Bedürfnisse des evangelischen Gottesdienstes umgebaut. Schöpfer des Entwurfs, der bereits einige Elemente frühbarokker Architektur aufwies, war vermutlich der hervorragende Breslauer Festungsbaumeister Valentin von Säbisch.

Fachwerkkirche zu Kraschen bei Namslau.18 Eine Sonderentwicklung blieb dagegen die 1568 entstandene zweischiffige Kirche zu Buchelsdorf in Oberschlesien19, die im Osten in der Mittelachse über eine kleine, halbkreisförmige Apsis verfügt. Diese diente sicherlich den Abendmahlsgästen, die Brot und Wein je an einer der beiden Altarseiten empfingen, als Umgang. Vorbild für die neugebauten oder adaptierten protestantischen Kirchen des schlesischen Adels war ohne Zweifel der Innenraum der Schloßkirche St. Hedwig zu Brieg, die in den Jahren 1567 bis 1573 von Herzog Georg II. zum Mausoleum der Liegnitz-Brieger Piasten umgebaut wurde.20 Die Verbindung der gottesdienst18 Chrzanowski/Kornecki: Katalog Zabytków, Heft 7: Powiat namysłowski, Warszawa 1965, 20, Fig. 35. 19 Chrzanowski/Kornecki: Katalog Zabytków, Heft 12: Powiat prudnicki, Warszawa 1960, 50f., Fig. 14–15. 20 Lucae, Friedrich: Schlesiens curieuse Denckwürdigkeiten oder vollkomene Chronica von Ober- und Nieder-Schlesien […], Franckfurt am Mayn 1689, 1371f. Vgl. ferner: Chrzanow-

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Abb. 46. Die Anpassung der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Landeshut an die Bedürfnisse des evangelischen Gottesdienstes, die im ausgehenden 16. Jahrhundert erfolgte, beruhte auf dem Anbau eines neuen Langhauses an den mittelalterlichen Chor. Die Kirche hat seitdem vier Schiffe, dabei befindet sich das zusätzliche, asymmetrische Südschiff gegenüber der Kanzel, um den Predigtraum der Kirche zu erweitern.

lichen Trias Altar, Taufstein und Predigtstuhl sowie der Familiengrabmäler bzw. Epitaphien fand in der Folge unter anderen in Mondschütz, Ober-Gläsersdorf, Schedlau und Rothsürben Anwendung. Besonders die Kirche in Rothsürben zeichnete sich nach ihrem Umbau in den Jahren 1597 bis 1604 durch reiche Ausstattung und Bemalung aus. Die verfeinerte Kunst der rudolfinischen Ära verschmolz hier mit den Formen des einheimischen schlesischen Manierismus (Abb. 44).21 Merkmale der manieristischen Nachgotik sind in der Architektur der Schönaichschen Schloßkapelle in Carolath anzutreffen, die in den Jahren 1608 bis 1618 errichtet wurde und als einzige protestantische Schloßkapelle in Schlesien erhalten geblieben ist.22 Dieser Kirchenraum – ein calvinistischer und daher ohne irgendski, Tadeusz: Rzeźba lat 1560–1650 na Śląsku Opolskim, Warszawa 1974, 38–49, 121; Zlat, Mieczysław: Brzeg, Wrocław u. a. 21979 [¹1960] (Śląsk w Zabytkach Sztuki), 125–131. 21 Pokora/Zlat: Katalog Zabytków, Heft 2: Sobótka, Kąty Wrocławskie i okolice, Warszawa 1991, 175–183, Fig. 99–107, 377–381; Oszczanowski, Piotr: Casus Żórawiny. Kościół Trójcy Świętej w Żórawinie około 1600 roku, Wrocław 2007. 22 Lutsch: Verzeichnis, Bd. 3, 79–81; Grundmann, Günther: Die Lebensbilder der Herren von Schoenaich auf Schloß Carolath. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 6 (1961) 229–330, hier 233–237; ders.: Der evangelische Kirchenbau in

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welche figürlichen Darstellungen – gilt als das hervorragendste Werk der schlesischen Kirchenbaukunst der Reformationszeit schlechthin. Raum und Baukörper der schlesischen Kirchen des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts waren stark von der mittelalterlichen Tradition abhängig. Einen neuzeitlichen Charakter erhielten die Räume aber sowohl durch rippenlose Kreuzgewölbe und Tonnengewölbe mit Stichkappen – versehen mit Sgraffito (Abb. 50) oder Bemalung – wie auch durch hölzerne Kassettendecken. Die Außenwände, die manchmal noch durch Strebepfeiler gegliedert waren, wurden mit Putz, teilweise auch mit sgraffitoartigem Quaderputz überzogen. Auf den Anbauten traten schmückende Giebel (Abb. 44) und Attiken auf. Mit Attiken wurden ebenfalls Türme, Mauern und Friedhofstore abgeschlossen.23 Türöffnungen faßte man entweder in schlichte spitzbogige Umrahmungen oder in ansehnliche Portale mit Formgebungen der Renaissance bzw. des Manierismus. Entschieden neuzeitliche Fensterumrahmungen bekam erst die um 1626 durch Hans Ulrich Graf von Schaffgotsch umgebaute Kirche in Altkemnitz (Abb. 45),24 die als Musterbeispiel einer immanenten, durch den Dreißigjährigen Krieg gewaltsam unterbrochenen Evolution zum Frühbarock gelten kann. Nach der Rekatholisierung der meisten protestantischen Kirchen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts versuchten die schlesischen Lutheraner, die Innenräume der eingebüßten Gotteshäuser in den hastig errichteten Friedens-, Grenzund Zufluchtskirchen wiederherzustellen. Zu dieser Zeit standen die von der kaiserlichen Kommission übernommenen Gotteshäuser oft leer, denn es gab in vielen Ortschaften keinen einzigen Katholiken. Jene erloschenen Parochien waren von der Welle der Barockisierung nicht betroffen,25 so daß bis in unsere Zeit ein recht zahlreicher Bestand von Altären, Kanzeln, Taufsteinen, Emporen und Gestühlen aus der Reformationsepoche erhalten blieb.

II. In den schlesischen lutherischen Kirchen der Reformationszeit dominierten mittelalterliche Altäre, die man für die Bedürfnisse des neuen Gottesdienstes adaptierte, indem man ihnen an den Predellen Bilder des Heiligen Abendmahls, an den Bekrönungen Bilder des Gekreuzigten und an den Flügeln Darstellungen der Apostel

Schlesien, 16, Abb. 12–15; Marchelek, Kamila: Z badań nad renesansową budową zamku w Siedlisku i jej tło historyczne. In: Zielonogórskie Zeszyty Muzealne 2 (1971) 263–274. 23 Zlat, Mieczysław: Attyka renesansowa na Śląsku. In: Biuletyn Historii Sztuki 17 (1955) 48– 79. 24 Lutsch: Verzeichnis, Bd 3., 467. 25 Ebd., 332.

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hinzufügte.26 Das Heilige Abendmahl, das nach Luther bestgeeignete Thema für ein Altarbild, findet sich in Schlesien jedoch am häufigsten auf der Predella (Abb. 1). In nur wenigen Fällen wird das Sakrament des Altars derart in den Vordergrund gestellt, daß das letzte Abendmahl zum Hauptgegenstand des Bildprogramms erhoben wird; einzig im steinernen Retabel von Schwengfeld (um 1575)27 ist eine Konzeption verwirklicht, die sich deutlich für eine Form der Eucharistie in beiderlei Gestalt ausspricht, denn die seitlichen Engelshermen halten den Kelch und die Patene mit der Hostie. Die Darstellung anderer lutherischer Sakramente, Taufe und Buße, findet sich in Schlesien nur einmal, auf der Predella eines für protestantische Zwecke adaptierten Altars aus Brieg (1572),28 die allerdings vermutlich erst aus dem frühen 18. Jahrhundert stammt. Typische Themen der protestantischen schlesischen Altäre stellten, ähnlich wie in anderen Ländern, Kreuzigung und Auferstehung Christi dar. Häufig wurden sie auch um Szenen der Empfängnis, der Geburt Christi, der Himmelfahrt, der Ausgießung des Heiligen Geistes und des Jüngsten Gerichts erweitert. Der nicht zu trennende Zusammenhang von Kreuzesopfer und Triumph über die Höllenpforten und den Tod wird mit Hilfe von Wort- und Bildkommentaren sowohl in den einfachen Retabeln von Prieborn (1573), Hartmannsdorf (1612) und Seitendorf (1616) als auch in den reicheren Altaraufsätzen von Löwen (1613), Reichenbach (1615) (Abb. 47) und Schedlau (1616/17) verdeutlicht. Zusätzlich zum Rückgriff auf Sujets, die aus dem zweiten Artikel des Credo hervorgehen, ergänzte man in Schlesien gerne diesen Zyklus des Glaubensbekenntnisses mit einer mehr oder weniger ausgeprägten Passionsthematik, wie es zum Beispiel im Altar aus Ogrodzon (1582), heute im Museum in Teschen, der Fall ist.29 Das große Retabel aus Greiffenberg in Schlesien (1606), in dem die architektonische Gliederung mit aufklappbaren Flügeln verbunden wurde, stellt eine Wiederbelebung des traditionellen spätgotischen Passionszyklus dar, sowohl hinsichlich der Bildebene als auch mit Blick auf die Inschriften.30 Um 1600 entstanden in Schlesien mehrere Altäre mit einer Thematik, die den Gegensatz wie auch das Verbindende von Altem und Neuem Testament betont, 26 Harasimowicz, Jan: Typy i programy śląskich ołtarzy wieku Reformacji. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 12 (1979) 7–27; ders.: Treści i funkcje ideowe, 51–78, hier 57–59, Abb. 33–36. Vgl. ferner: Wiesenhütter, Alfred: Protestantischer Kirchenbau des deutschen Ostens in Geschichte und Gegenwart, Leipzig 1936, 176–185; Eggert, Helmuth: Art. Altarretabel (prot.). In: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 1937, Sp. 565–593; Haebler, Hans Carl von: Das Bild in der evangelischen Kirche, Berlin 1957, 31–39; Christensen, Carl C.: Art and the Reformation in Germany, Athens (Ohio) 1979, 136–154. 27 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 60f., Abb. 40–42. 28 Ebd., 61, Abb. 29–30, 33. 29 Harasimowicz, Jan: Malarstwo około 1600 na Śląsku Cieszyńskim. In: Chojecka, Ewa (Hg.): O sztuce Górnego Śląska i Zagłębia Dąbrowskiego, Katowice 1989, 23–46, hier 28–37, Abb. 1–11. 30 Harasimowicz, Treści i funkcje ideowe, 66–68, Abb. 51–52.

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Abb. 47. Einer der größten Schnitzaltäre aus der Reformationszeit, die sich in Schlesien erhalten haben, befindet sich im Chor der Pfarrkirche St. Georg in Reichenbach. Das im Jahr 1615 vom Stadtrat gestiftete Retabel zeigt in seinem Bildprogramm die wichtigsten Stationen des Erlösungswerkes Christi.

zum Beispiel die Flügelaltäre von Massel und Ottendorf.31 Eine besonders reiche ideelle Konzeption, die auf den Disput schlesischer Theologen mit Flacius Illyricus aus dem Jahr 1574 zurückgeht, ist im Retabel von Langenau (vor 1604) verwirklicht, das die gnesiolutherische Interpretation der Erbsünde polemisiert.32 So ist wahrscheinlich auch die Hervorhebung der Heiligen Dreifaltigkeit in den Altarbildern von Rothsürben (1604) und Herwigsdorf (1613) mit einer gewollten Distanzierung von der aus polnischem Gebiet eingedrungenen antitrinitarischen Lehre verbunden. Der protestantische Altar, das ,Epitaph Christi‘, bildete in den schlesischen Kirchen der Reformationszeit das wichtigste Element in der liturgischen Trias: Er war gemäß der lutherischen Auslegung des comma Joanneum,33 als das ,Zeugnis des 31 Ebd., 70f., Abb. 56–58. Der Altar von Massel befindet sich heute in der evangelischen St. Christophori-Kirche zu Breslau. 32 Ebd., 71–73, Abb. 59. 33 1 Joh 5,7f. Vgl. Preuss, Hans: Martin Luther. Der Künstler, Gütersloh 1931, 71.

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Blutes‘, der visuelle Rahmen des Sakraments. Zugleich diente er, anders als im Antitrinitarismus und Calvinismus, der Herausbildung und Festigung des lutherisch-melanchthonschen Konfessionsbewußtseins. Ein gewisser inhaltlicher Schematismus der meisten neuerrichteten schlesischen Altäre dieser Zeit erklärt sich daraus, daß sie fast ohne Ausnahme adelige Stiftungen waren. Die ,fromme Tat‘ einer Altarsstiftung bot für den Adel vornehmlich die Gelegenheit, das eigene Geschlecht zu verewigen. Daher finden sich auf schlesischen Altären so viele Wappen und ausführliche Stiftungsinschriften. Das lutherische Altarretabel war deshalb nicht nur ,sichtbares Wort‘, sondern auch Zeichen der Abhängigkeit der Gemeinde von einem Gutsherrn, der in der spezifischen Situation der schlesischen Erbfürstentümer hinsichtlich der religiösen und politischen Gegebenheiten für seine Untergebenen zumeist das einzige wirkliche kirchenrechtliche Oberhaupt war.

III. Die Dekoration der konstruktiven Elemente der schlesischen Kanzeln der Reformationszeit hatte die Aufgabe, ideelle Inhalte im Einklang mit der Funktion des einzelnen Elements im ganzen Werk zum Ausdruck zu bringen.34 Der Korb mit der Brüstung der Lesebühne enthält als der eigentliche Ort des Predigers in der Regel die grundlegende Wort-Bild-Botschaft der Gesamtdekoration: Darstellungen der Evangelisten und Apostel sowie alt- und neutestamentliche Bilderzyklen. Der in die Höhe führende Stiegenaufgang ist mit Sujets verziert, die den Themen des Korbes typologisch untergeordnet sind oder zu ihnen hinführen, wie etwa Szenen vom Beginn des Christuszyklus’ bzw. eine Reihe von Apostelfiguren mit Christus an der Spitze. Der Aufgang kann mit seinen Verzierungen und Inschriften ausdrücklich an die Person des Predigers oder an den Gegenstand seiner Aufgabe, die Predigt, gerichtet sein. Auch die Dekoration der Kanzelportale und -türen ist auf die Person und das Amt des Predigers ausgerichtet. Sie betont mittels der Figuren von Christus als dem guten Hirten, der Heiligen Petrus und Paulus, Moses und des Heiligen Johannes die priesterliche und lehrende Vollmacht des geistlichen Gemeindeoberhaupts, sie zeigt die immerfort auf den Verkünder des Wortes lauernden Gefahren auf, beispielsweise durch einen Teufel, der unter der ersten Treppenstufe angebracht ist.35 34 Pokora, Jakub: Sztuka w służbie reformacji. Śląskie ambony 1550–1650, Warszawa 1982; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 79–110. Vgl. ferner Wiesenhütter: Protestantischer Kirchenbau, 186–200; Haebler: Das Bild in der evangelischen Kirche, 39–42; Poscharsky, Peter: Die Kanzel. Erscheinungsform im Protestantismus bis zum Ende des Barocks, Gütersloh 1963 (Schriftenreihe des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kultur der Gegenwart 1), 102–145. 35 So in der berühmten Steinkanzel in der Breslauer Pfarrkirche St. Maria Magdalena. Vgl. Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 93f.

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Abb. 48. In den Jahren 1579 bis 1583, als Lucas Pollio der Ältere Pfarrer in der Kirche St. Maria Magdalena in Breslau war, entstand dort die prächtige Steinkanzel, die von allen bewundert und in Gedichten besungen wurde, und später auch als Vorbild für andere Städte diente. Ihre Schöpfer waren die bedeutendsten Breslauer Künstler der damaligen Zeit: der Bildhauer Friedrich Gross d. Ä., der Maler Bartholomäus Fichtenberger und der Glockengießer Stephan Götz.

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Der Kanzelfuß symbolisiert gewöhnlich eine fundamentale Idee, die denjenigen Sujets zugrundeliegt, die in der Dekoration des Korbes verwirklicht sind. So verkörpert Moses das Gesetz als den Gegensatz zum Evangelium, zugleich aber seinen Grundstein; so verkörpern die Engel den Dienst am Evangelium wie auch das ewige Sein des göttlichen Wortes (Abb. 48). So ist der Heilige Christophorus sowohl das „Fürbild eines rechten gläubigen Christen“ als auch das ethische Ideal eines guten Seelsorgers (Abb. 27).36 Der ideelle Gehalt des Schalldeckels, zum Teil auch der Rückwand, ergänzt und verstärkt mit seiner Wort-Bild-Kombination die von diesen Elementen zu leistenden praktischen Aufgaben. So bietet zum Beispiel die Darstellung eines lehrenden Christus an der Rückwand einen Rückhalt für den Prediger, so identifiziert die Taube des Heiligen Geistes an der Unterseite des Schalldeckels die Stimme des Predigers mit der Stimme Gottes im Sinn von Mt 10,20. Der Deckel wird als Himmel, also als Symbol der kosmischen Gegenwart Gottes, zum ideellen Schlußpunkt des in der Kanzel enthaltenen Programms, und der auferstandene Christus, die Figur, die am häufigsten den krönenden Abschluß bildet, stellt gleichsam ein Gegengewicht zur typischen Figur des Kanzelträgers, Moses, dar und versinnbildlicht das tiefste Geheimnis des Neuen Bundes. Die generelle Aufgabe der Kanzeldekoration zur Zeit der Reformation läßt sich auch in Schlesien als ein semantisches Feld von Wort-Bild-Gehalten verstehen, die um die Person des Predigers angeordnet sind, sowie als eine visuelle Stütze im Dienst der Bestätigung und Verewigung der wichtigsten Glaubenswahrheiten.37 Der Prediger auf dem Ambo, gestützt auf das Fundament aus der Vergangenheit, das Alte und Neue Testament (Kanzelfuß, Korb, Treppenaufgang), ist der Verkünder der Zukunft, der endgültigen Erlösung aller Gerechten (Deckel). Er selbst wird somit zur ideellen programmatischen Achse, er belebt und vereinigt alle einzelnen Elemente und läßt sie auf die ringsherum versammelte Gemeinde wirken. Die ideellen Voraussetzungen der protestantischen Kanzeln konzentrieren sich gewöhnlich auf die einzelnen Aspekte der Gegenwart des göttlichen Wortes, als Subjekt oder als Objekt, im Inneren der Kirche. Die typischen Bekenntnisinhalte, die auf die Geheimnisse der göttlichen Heilsgeschichte zurückgehen, sind in Schlesien, zum Beispiel auf den Kanzeln in Liegnitz (1586–1588), Brieg (1593), Oels (1605) und Wischütz (1613–1624), von einer solchen subjektiven leidenden Frömmigkeit durchdrungen, wie sie in der Kanzeldekoration gemeinhin erst in den Jahren 1630 bis 1660 anzutreffen ist.38 Ein wortwörtliches Glaubensbekenntnis befand sich vor allem in den apostolischen Sujets, die in Schlesien sehr populär

36 Scharfe, Martin: Evangelische Andachtsbilder. Studien zu Intention und Funktion des Bildes in der Frömmigkeitsgeschichte vornehmlich des schwäbischen Raumes, Stuttgart 1968 (Veröffentlichungen des staatlichen Amts für Denkmalpflege Stuttgart C 5), 157f. 37 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 101–106. Vgl. ferner Poscharsky: Die Kanzel, 145– 231, hier 212f. 38 Poscharsky: Die Kanzel, 204–209.

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wurden, und kamen unter anderem auf den Kanzeln in Michelau (um 1600), Münsterberg (1595), Reichenbach (1609) und Ober-Gläsersdorf (1610) vor. WortBild-Kompositionen, die die Rolle des göttlichen Wortes in den Vordergrund rükken, verweisen dagegen auf das ewige Sein des Wortes und die Präsenz Gottes im Wort und stellen dabei das Wort als Fundament des Glaubens und des christlichen Lebens heraus, als einen göttlichen Segen. In Schlesien wurden sie, wie etwa das Programm der Kanzel in der Pfarrkirche St. Maria Magdalena zu Breslau (1579– 1581) (Abb. 48)39 und das der Kanzel in der Pfarrkirche St. Hedwig zu Bolkenhain (1619),40 mit recht unterschiedlichen bildnerischen und verbalen Ausdrucksmitteln verwirklicht. Auf differenzierte Weise und unter verschiedenen Gesichtspunkten wurden auch in Schlesien die Bedeutung der Predigt sowie die göttliche Sendung des Predigers betont, wobei man häufig bestrebt war, eine ausführliche ,Theologie des Predigeramts‘ aufzubauen. Die schlesischen Kanzeln zeichnen sich durch eine erstaunliche Vielfalt in bezug auf ihren ideellen Gehalt aus, besonders im Vergleich mit den streng normierten Gehalten der norddeutschen Predigtstühle.41 Zweifellos rührt dies von einer größeren theologisch-pädagogischen Erfindungsgabe der schlesischen Pastoren her. Sie waren nicht an die Artikel der Formula Concordiae gebunden, dagegen stark von Herzögen, Adel und den Stadträten abhängig. Unter dem Druck der fürstlichen und adeligen Stifter mußten sie immer häufiger Wappen und Stiftungsinschriften in die Kanzeldekoration aufnehmen, zum Teil überdurchschnittlich viele. Bürgerliche Stiftungen unterlagen hingegen einer strengen Zensur; so blieb von den im Vertrag mit dem Bildhauer Caspar Berger vereinbarten Darstellungen und Inschriften zur Verherrlichung der Familie des Stifters der Kanzel von Liegnitz

39 Pokora: Sztuka w służbie Reformacji, 266–273, Abb. 137–144; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 90, 95, 100, 104, Abb. 62, 79–81; ders.: „Scriptura sui ipsius interpres“. Protestantische Bild-Wort-Sprache des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Harms, Wolfgang (Hg.): Text und Bild, Bild und Text, Stuttgart 1990 (Germanistische Symposien, Berichtsbd. 11), 262– 282, hier 271, Abb. 118–119. 40 In seiner sehr interessanten Einweihungspredigt für diese Kanzel, im Jahr 1622 in Oels gedruckt, erläuterte Pastor Gottfried Tilesius den Schmuck des Kanzelkorbs folgenderweise: „Corpus ipsum […] ist solch Werck mit seinem kuenstlichen Schnitzwerck der vier Evangelisten und des Salvatoris, welcher in der Mitten stehet/ umbesetzt. So offt wir diese Bilder der Evangelisten und des Salvatoris anschawen/ sollen wir gedancken/ das die Predigt des Evangelij/ vō dem Salvatore und Heylande der Welt/ durch der H. Evangelisten/ als Glaubwirdiger Zeugen/ et Apostolicâ Authoritate Authenticorum Notariorum, Mund und Schrifften in alle Welt sey außgebreitet worden/ wie dan der gecreutzigte Jesus noch heutiges Tages darauß wird geprediget.“ II. Christliche Predigten. […] Bey Einweihung des newen Predigstuls im Jahr Christi 1619. […], Welchen der Ehrenveste und Wolgeachte Herr ANDREAS Bodenstein/ Buerger und Handelsmann in Breßlaw […] in unser Kirchen zu Bolckenhain hat setzen lassen. Gethan durch GODEFRIDUM TILESIUM, Ecclesiae Bolcol. Pastorem, Oels 1622, fol. F2 v. 41 Poscharsky: Die Kanzel, 172–185.

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(Abb. 56), des Waffenschmieds Alexander Eckstein, in der endgültigen Ausführung nur wenig übrig: ein Relief an der Rückwand (Abb. 57) und eine Erwähnung in der Stiftungsinschrift.42 Das Wappen Kaiser Rudolfs II. im Fuß der Kanzel von Hirschberg (1591) legt ein beredtes Zeugnis für die Loyalität der königlichen Stadt zu den Habsburgern ab,43 aber schon die ausführliche Stiftungsinschrift der Kanzel in Frankenstein beweist große Vorsicht und Zurückhaltung des Stadtrats angesichts wichtiger politischer Entscheidungen. Im von Unsicherheit geprägten Jahr 1619 wird der Landeshauptmann des Fürstentums Münsterberg als politisches Oberhaupt erwähnt; man vermeidet es also, sich eindeutig für den ,Winterkönig‘ oder die Habsburger auszusprechen.44 Für die ideelle Zielsetzung der schlesischen protestantischen Kirchenräume der Reformationszeit hatten die Kanzeln, die ,Zeugnisse des Geistes‘, besondere Bedeutung. Dort, wo keine neuen Altäre geschaffen wurden, wurden sie häufig zur Manifestation des lutherischen Bekenntnisses, zum augenfälligen Zeichen des Glaubens der Gemeinde. Wo man aber neue evangelische Retabeln aufgestellt hatte, konnte sich der Ambo auf die Betonung des göttlichen Wortes als Fundament des Glaubens beschränken. Als „Wachtturm im Weinberg des Herrn“, als „Schafstall Christi“ war die Kanzel ein bedeutsamer Ort.45 Die Aufsicht über die Reinheit der von diesem Ort aus verkündeten Lehre übernahmen demnach symbolische ,Wächter‘ von zweierlei Gestalt: Engel, Evangelisten, Apostel und Propheten sowie reale diesseitige Personen, und zwar die Pastoren und ihre Schutzherren, der weltliche Arm der christlichen Fürsten, des Adels und der Stadtverwaltung, die durch ihre Wappen vertreten waren.

IV. Manche schlesischen Taufsteine und -tische, zum Beispiel die in Breslau (1570– 1576), Schedlau (1616/17) und Langhellwigsdorf (1622) (Abb. 49), wurden mit reichen Gloriettendeckeln ausgestattet, die die Gleichwertigkeit des Taufsteins innerhalb der liturgischen Trias hervorhoben. Durch diesen Akzent wurde oft der Taufstein bzw. der Tauftisch zur dritten architektonischen Dominante eines evan-

42 Harasimowicz, Jan: Chrzcielnica, ambona i ołtarz główny kościoła św. Piotra i Pawła. In: ders. (Hg.): Kultura artystyczna dawnej Legnicy, Opole 1991, 55–62. 43 Ders.: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach wieku reformacji na Śląsku. In: Rocznik Historii Sztuki 18 (1990) 31–95, hier 65f., Abb. 31. 44 Ebd., 58f., Abb. 28. Vgl. ferner ders.: Treści i funkcje ideowe, 109. 45 Haebler, Das Bild in der evangelischen Kirche, 41; Lieske, Reinhard: Protestantische Frömmigkeit im Spiegel der kirchlichen Kunst des Herzogtums Württemberg, München/Berlin 1973 (Forschungen und Berichte der Bau- und Kunstdenkmalpflege in Baden-Württemberg 2), 40.

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Abb. 49. Unter den vielen schlesischen Taufsteinen und -tischen aus der Reformationszeit fällt der hölzerne Tauftisch aus der Dorfkirche in Langhellwigsdorf, Kreis Jauer, der nach dem Zweiten Weltkrieg ins Breslauer Nationalmuseum [Muzeum Narodowe we Wrocławiu] verlegt wurde, auf. Er entstand im Jahr 1622 und besitzt ein reichhaltiges Bildprogramm, das u. a. mit Wasser und Taufe verbundene biblische Darstellungen enthält.

gelischen Kirchenraumes.46 Die meisten von den gut sechs Dutzend figürlich ausgeschmückten schlesischen Taufsteinen der Reformationszeit weisen ein ideelles Programm auf, das mit Gebeten und Lesungen aus der Heiligen Schrift, die im lutherischen Taufritus enthalten sind, aufs engste zusammenhängt. Die Darstellungen der Sintflut mit der Arche Noah, des Durchzugs der Juden durch das Rote Meer, der Beschneidung Christi, der Taufe Christi sowie Christus als Kinderfreund (Abb. 2) bilden den programmatischen Kanon, der, bei verschiedener Auswahl der Szenen, unter anderem an den Taufsteinschalen in Brieg (1576), Nieder Baumgarten (1590) und Hohenfriedeberg (1606) auftritt.47

46 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 111–131. Vgl. ferner Wiesenhütter: Protestantischer Kirchenbau, 202–207; Eichhorn, Karl: Der Taufstein im Kirchenraum. In: Kunst und Kirche 14/2 (1937) 4–12; Haebler: Das Bild in der evangelischen Kirche, 42f. 47 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 120–125, Abb. 100, 107.

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Diesen wichtigsten Darstellungen wurden oft weitere biblische Historien und Inschriften hinzugefügt. So etwa sollten Episoden aus der Passion den symbolischen Gehalt der Taufe Christi – als Sinnbild des Todes und der Auferstehung – noch deutlicher zum Ausdruck bringen. Die Geschichten von der Weltschöpfung und dem Sündenfall erinnern an den Grund, der die Wiedergeburt aus dem Wasser eines jeden Christen notwendig machte. Andere Szenen aus dem Alten und Neuen Testament, zum Beispiel die Heilung des aussätzigen Naaman auf Anweisung Elisäus’, die Heilung des Kranken am Bethesda-Teich durch Christus, die Taufe des Kämmerers aus Äthiopien durch Philippus, heben die belebende, heilende und heiligende Wirkung des Sakraments hervor. Die Programme mancher Taufsteine, wie etwa in Hartmannsdorf (1601),48 beschränken sich auf das Zitat Mk 10,14 und zwei Szenen: die Taufe Christi und Christus als Kinderfreund. Dank dieser Reduzierung sprechen sie sich entschlossen gegen die Wiedertäufer aus.49 Es ist bestimmt kein Zufall, daß solche Programme am häufigsten im ehemaligen Fürstentum Jauer aufkamen. Am Ende des 16. Jahrhunderts brachen dort mehrfach Bauernunruhen aus, die von radikalen täuferischen Predigern angestiftet worden waren. Die Ausgestaltung der schlesischen Taufsteine der Reformationszeit hatte beide Aspekte des lutherischen Taufritus – den pädagogisch-dogmatischen und den kultisch-symbolischen – zu unterstützen (das Taufbecken als Symbol des Grabes Christi, als „heylsame sindtflut“, als das Bad des Meeres und der Wolke und als das aus Erz gegossene Meer). Angesichts der in den Kirchen versammelten Gemeinden waren die Taufsteine ein ,Zeugnis des Wassers‘, ein Ausdruck der Verteidigung und gleichsam Reinigung der sakramentalen Tradition des Mittelalters.50 Sie waren ebenso ein öffentlicher Hinweis auf die herrschende Gesellschaftsordnung aufgrund der Adelswappen, die in reicher Zahl auf Schale, Schaft und Fuß angebracht waren. Sie waren schließlich aufgrund zahlreicher Darstellungen Christi als Kinderfreund und entsprechend gewählter Bibelzitate ein Appell voll biblischer Autorität an den Bestand dieser Ordnung.

V. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts kamen im Inneren schlesischer Dorf- und Stadtkirchen Emporen, Logen und Bänke für die Honoratioren auf.51 Die Brüstungen 48 Ebd., 124f., Abb. 105. 49 Ozarowska-Kibish, Christine: Lucas Cranach’s Christ Blessing the Children. A Problem of Lutheran Iconography. In: The Art Bulletin 37 (1955) 196–203. Vgl. auch: Harasimowicz, Jan: Der Einfluß von Glaubenskonflikten auf die schlesische Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Acta Poloniae Historica 61 (1990) 117–139, hier 128f. 50 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 128–131. 51 Zeisner, Josef Maria: Beispiele volkstümlicher Sinnbild-Malereien in Schlesien. In: Kunst und Denkmalpflege in Schlesien, Bd. 2: Niederschlesien, Breslau-Deutsch Lissa 1939, 157–

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der Emporen und Logen sowie Brüstungen, Rückwände und Wangen der Herrschaftsbänke waren häufig mit Ornamenten bemalt, die manchmal auf eine Vereinheitlichung der Dekoration des gesamten Innenraums abzielten. In vielen Kirchen griff man zu heraldischen Motiven und benutzte auch gemalte Inschriften. Das dekorative Programm der Emporen, das aus den Bilderzyklen der biblischen Erzählungen bestand, führte die mittelalterliche Tradition der Biblia pauperum fort – die protestantischen Theologen an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert sprachen sogar von der „einfältigen Bauern Bibel“.52 Die Zyklen, die Darstellungen vom Sündenfall bis zum Jüngsten Gericht umfaßten, waren zugleich ein visuelles Glaubensbekenntnis, sie versinnbildlichten den wichtigsten und im Grunde einzigen Weg zum Heil. Im Emporenschmuck in Rothsürben (1602–1604), Langenau (um 1615) und Groß Bresa (1620), der gerade einen solchen verbreiteten, pädagogischdogmatischen Charakter aufweist,53 sind schon Züge einer subjektiveren Frömmigkeit und eine gesteigerte Tendenz zur Mystik und Kontemplation zu finden, die sich auf das Mitleiden mit Christus stützt. Die 21 mit zahlreichen Inschriften versehenen Emporenbilder in Groß Bresa verkörpern jenen Typ der Frömmigkeit, der von den Werken Johann Arndts propagiert wurde. Noch deutlicher zeugt davon die Kreuzigung auf einer der Gemeindebanktüren, die von einem Zitat aus den Klageliedern Jeremias (Klgl 1,12) begleitet wird: „Euch allen, die ihr vorübergeht, sage ich: Schaut doch und seht, ob irgendein Schmerz ist wie mein Schmerz, der mich getroffen hat; denn der Herr hat Jammer über mich gebracht am Tage seines grimmigen Zorns.“ Die in der Stiftungsinschrift der Empore ausdrücklich festgehaltene anticalvinistische Ausrichtung der Dekoration dieser Kirche verleiht ihren Malereien Züge eines flammenden Manifestes der lutherischen Rechtgläubigkeit mit deutlich mystischer Färbung.54 Bei vielen Emporen und Logen wurden die Brüstungen ausschließlich mit Wappen des Adels oder mit dessen Ahnentafeln verziert, wie es etwa am Ende des 16. Jahrhunderts in der Kirche zu Klitschdorf bzw. erst 1722 in der Kirche zu Döberle55 der Fall war. Die den ganzen Kirchenraum umfassende heraldische Dokumentation des Alters und der edlen Abstammung eines Geschlechts, die für die unter der Schutzherrschaft des schlesischen Adels stehenden Kirchen charakteristisch ist, hatte ihr Vorbild sicherlich in der genealogisch-heraldischen Dekoration

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173; Grundmann, Günther: Decken- und Emporenmalereien in alten evangelischen Kirchen Schlesiens. In: Kunst und Kirche 17 (1940) 34–36; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 132–151. Scharfe: Evangelische Andachtsbilder, 19f. Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 137–142, Abb. 126–134, 137–139. Hoffmann, Hermann: Zwei Werke der Spätrenaissance als Zeugen der schlesischen Religionskämpfe. In: Schlesische Heimatpflege, Bd. 1, Breslau 1935, 25–31. Vgl. ferner: Harasimowicz: Der Einfluß von Glaubenskonflikten auf die schlesische Kunst, 129–132. Pokora/Zlat: Katalog Zabytków, Heft 1, 31f., Fig. 313.

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des Chors der Schloßkirche St. Hedwig in Brieg (1570–1586).56 Nur selten versuchte man die Aussage einer solchen Demonstration der Vorherrschaft einer bestimmten sozialen Gruppe mit Hilfe von entsprechend ausgewählten Inschriften abzuschwächen. In der Mehrzahl der Kirchen wurden vielmehr die gesellschaftlichen Unterschiede explizit betont; ebenso wurde die Unveränderlichkeit einer ständischen Rollenteilung in der Gesellschaft und einer standesspezifischen Moral unterstrichen. Die von Zeit zu Zeit auf Emporen und Ehrenstühlen angebrachten Personifikationen der Tugenden hatten genau diese Aufgabe: Eine entsprechende ständische Gesellschaftsordnung, vor allem hinsichtlich ethischer Werte, vor Augen zu führen; unter anderem sollten sie auch die höchste moralische Autorität des Adels betonen. So stellen beispielsweise die Zitate Röm 13,1–4 und Ps 82,6–7 am Baldachin der mit personifizierten Tugenden verzierten Herrschaftsloge in Groß Bresa57 das Geschlecht der von Haunold als von Gott bestimmte Obrigkeit und Führer auf dem Weg der Tugend heraus. Dagegen findet sich in den vom Kirchenschiff nicht sichtbaren emblematischen Malereien auf den Wänden und dem Gewölbe der Patronatsloge in Rothsürben (um 1604–1607) fast ein konfessionellpolitisches Credo des Geschlechts von Haniwald.58 Sie drücken eine vollständige Anerkennung der lutherischen Doktrin aus, distanzieren sich von den das protestantische Lager zersetzenden Streitigkeiten und unterstreichen die Loyalität gegenüber der habsburgischen Oberherrschaft. Die den Kirchenraum abschließenden Gewölbe und Decken behielten in der Reformationszeit den symbolischen Sinn eines ,Himmels‘ oder ,himmlischen Gartens‘.59 Es entstanden zwar weiterhin aus Pflanzenranken gebildete ,himmlische Altane‘, während jedoch Kassettendecken, die die kosmische Ordnung des Weltalls symbolisieren sollten, immer mehr Bedeutung erlangten. Auf den Feldern dieser Decken konnten Apostel, wie etwa in Striese (1610), oder biblische Szenen, wie etwa in Zedlitz (um 1618), angebracht sein.60 Manche Gewölbe- und Deckengestaltung brachte in die Kirche ein eschatologisches Element. Das Sgraffito im Gewölbe der Pfarrkirche St. Hedwig in Greiffenberg in Schlesien (1551) (Abb. 50)61 ist ein ungewöhnlich ausführlicher, theologisch-moralischer Wort-Bild-Traktat, der von der Kreuzigung Christi auf der Westwand bis zum Jüngsten Gericht auf der Ostwand des Kirchenschiffs reicht. Dieses Sgraffito spiegelt eine neue refor56 57 58 59

Zlat: Brzeg, 126–128. Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 148–150, Abb. 143. Ebd., 150f., Abb. 145–146; Oszczanowski: Casus Żórawiny, 147–161, Abb. 174–187. Wolff-Łozińska, Barbara: Malowidła stropów polskich 1. połowy XVI wieku. Dekoracje roślinne i kasetonowe, Warszawa 1971, 29–44, 196–199. 60 Zeisner: Beispiele volkstümlicher Sinnbild-Malereien, 157; Grundmann: Decken- und Emporenmalereien, 153f., Abb. 149–152. 61 Hanke, Augustin: Katholische Pfarrkirche zu St. Hedwig, Greiffenberg in Schl., mit den Filialkirchen Langenlös, Schosdorf, Welkersdorf, Breslau 1939 (Führer zu schlesischen Kirchen 37), 11–17; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 155f.

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Abb. 50. Eine der größten Besonderheiten der schlesischen Kirchenkunst der Reformationszeit ist die Sgraffito-Ausschmückung des Langhausgewölbes in der Pfarrkirche St. Hedwig in Greiffenberg, die im Jahr 1551 durch italienische Künstler unter Leitung Dominicus Parrs geschaffen wurde. Ihr Stifter, Hans von Schaffgotsch auf Kynast und Greiffenstein – zunächst von der Lehre Caspar von Schwenckfelds fasziniert – verlieh auf diese Weise seinem endgültigen Übertritt zum siegreichen lutherischen Lager Ausdruck.

matorische Frömmigkeit in statu nascendi wider. Ein halbes Jahrhundert später finden wir in den Gewölbemalereien der Dreifaltigkeitskirche in Rothsürben (1604– 1607) theologische Konzeptionen und Erziehungsideale der lutherischen Orthodoxie propagiert.62 Die Szene des Jüngsten Gerichts im Gewölbe des Kirchenschiffs wird flankiert von Personifikationen der Tugenden und der Laster, die als kluge und törichte Jungfrauen dargestellt sind. Das Gewölbe des Chors wird von einer Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit erfüllt, der ein himmlisches Engelsorchester huldigt. Die Embleme und Aufschriften im Gewölbe der Vorhalle enthalten Symbole des Todes, der Nichtigkeit und der Vergänglichkeit. Eine großflächige, das ganze Innere des Gotteshauses umfassende Allegorie des christlichen Lebens (diesseitige Nichtigkeit – Rechtfertigung aus dem Glauben – ewiges Leben) ist hier mit einem deutlich ausgeprägten Hinweis auf die Stiftung verflochten. Als die mit Gott verkehrenden Auserwählten, die vom Gericht ausgenommen sind, werden die Stifter gleichsam zu den Urhebern der moralischen Unterweisung, sie werden auf symbolische Weise zu den Vollstreckern des göttlichen Willens. 62 Zakrzewska, Elżbieta: Malowidła ścienne w kościele św. Trójcy w Żórawinie. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 11 (1977) 79–97; Harasimowicz, Treści i funkcje ideowe, 156–159, Abb. 154–156; Oszczanowski: Casus Żórawiny, 89–172, Abb. 81a-173.

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Die Bemalung der Gewölbe, Decken, Emporen und Logen führte in vielen schlesischen Kirchen zu einer Verstärkung, ja oft sogar zu einem Ersatz der ideellen Aussage durch die Retabeln – das ,Zeugnis des Blutes‘ wurde nun auf den ganzen Kirchenraum ausgedehnt und als tragende Idee bei seiner Innenausstattung verwendet. Auf diesem Fundament ruhte das ,Zeugnis des Geistes‘, der ideelle Gehalt der Kanzeln mit seiner Apotheose des göttlichen Wortes und der Formen seiner Vergegenwärtigung, und ebenso das ,Zeugnis des Wassers‘, das ideelle Programm der Taufbecken, das den lutherischen Taufritus unterstützt und bekräftigt. Die Kirchen der schlesischen Reformation bestätigten mit der Sprache ihres biblischen Bild- und Zitatenschmucks die Legitimität der wichtigsten liturgischen Handlungen des lutherischen Gottesdienstes. Biblische und allegorische Bilder waren darüber hinaus für die in der Kirche versammelte Gemeinde ein sichtbares Zeichen der Gegenwärtigkeit Gottes im Wort. Eben dieses Wort – das hörbare und sichtbare – verwandelte die lutherische Kultstätte nicht nur in ein symbolisches „Haus des Herrn“, sondern auch in eine reale und zugleich wirksame „Werkstatt des Heiligen Geistes“, um gerade jetzt an die eingangs zitierte Predigt zu erinnern.

VI. Die Kirchenausstattung der schlesischen Reformation versuchte vor allem die Autorität der Bibel zu festigen und die auf diese Autorität gestützten gesellschaftlichen und moralischen Werte, insbesondere den durch die religiöse und politische Obrigkeit so sehr verlangten ,christlichen Gehorsam‘, ins menschliche Bewußtsein einzuprägen. Die Hierarchie der Sitzplätze in den Kirchenräumen, die Stammbäume und Ahnentafeln, das Anbringen von Wappen an den Ausstattungselementen – dies alles bestätigte und verewigte auf eine symbolische Weise die ständische Gesellschaftsordnung.63 In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in der Zeit des gegenreformatorischen Drucks und der Verfolgung, hatte man in der Ausstattung der Friedens-, Grenz- und Zufluchtskirchen64 der Idee einer Gemeinschaft aller Bekenner des Evangeliums den Vorrang gegeben. In dieser Periode war schon die bloße Existenz eines Gotteshauses, das als Kultstätte dienen konnte, von höchstem Wert.

63 Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 171–173. 64 Eberlein, Gerhard: Die schlesischen Grenzkirchen im 17. Jahrhundert. In: Vorträge gehalten auf der VI. Generalversammlung des Vereins für Reformationsgeschichte am 11. April 1901 in Breslau von Professor Dr. Erich Brandenburg und Pastor Lic. Gerhard Eberlein, Halle a. d. S. 1901, 31–64; Wiesenhütter: Der evangelische Kirchbau Schlesiens, 18–27; Grundmann: Der evangelische Kirchenbau, 18–27; Banaś, Paweł: Studia nad śląską architekturą protestancką 2 połowy XVII wieku. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 8 (1971) 35–89; Sörries, Reiner: Von Kaisers Gnaden. Protestantische Kirchenbauten im Habsburger Reich, Köln/ Weimar/Wien 2008, 26–32, 98–110.

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Abb. 51. Die evangelische Friedenskirche zum Heiligen Geist in Jauer, in den Jahren 1654/55 nach dem Entwurf des Breslauer Baumeisters Albrecht von Säbisch erbaut, orientiert sich an einem hervorragenden westeuropäischen Vorbild, der Hugenotten-Kirche in Charenton sur Seine bei Paris (1623/24). Im Gegensatz zu dem französischen Bauwerk, das keinerlei Bildausschmükkung aufwies, ziert in Jauer eine wahre ,Laienbibel‘ die Brüstungen der beiden ältesten Emporenstockwerke: insgesamt 143 Darstellungen aus dem Alten und dem Neuen Testament.

Zum Sinnbild der Unabhängigkeit und Lebendigkeit des schlesischen Luthertums wurden vor allem die Friedenskirchen, Meisterwerke des Breslauer Architekten Albrecht von Säbisch. Sie waren ohne Zweifel im Sinne der eingangs zitierten Predigt sowohl als „Werckstetten des Heiligen Geistes“ als auch als „Paläste der Heiligen Dreyfaltigkeit“ konzipiert, aber doch gleichfalls, bestimmt nicht zuletzt, als „liebliche Awen und Lustgaerten vor alle mueheselige und beladene“, also als Stätten der Zuflucht und der Erholung. Die beiden erhalten gebliebenen Kirchen in Jauer und Schweidnitz weisen eine völlig andere Bau- und Ausstattungsgeschichte auf; sie haben auch eine abweichende Programmatik und Symbolik. Die Friedenskirche in Jauer (1654/55) (Abb. 51),65 eine geräumige dreischiffige Basilika, ursprünglich mit zwei und seit Anfang des 18. Jahrhunderts mit vier Empo65 Heuber, Gotthard: Die evangelische Friedenskirche in Jauer genannt zum heiligen Geist. Festschrift zur Feier des 250jährigen Bestehens der Kirche, Jauer 1906; Banaś: Studia nad śląską architekturą protestancką, 53–61; Hutter, Ulrich: Die Friedenskirche zu Jauer, Lübeck 1983.

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rengeschossen, gibt einer didaktisch-erbaulichen Funktion den Vorrang. Vor den Augen der ihrer evangelischen Schulen und Bücher beraubten Gottesdienstbesucher entfaltete man an den Brüstungen der beiden früheren Emporen einen Zyklus von 143 alt- und neutestamentlichen Bildern, die mit gereimten Merkversen versehen wurden. So begleitet zum Beispiel die Inschrift „Gott schuf alles groß und minder“ das Bild der Weltschöpfung, die Inschrift „Wunderbar die MenschenKinder“ das Bild der Schöpfung des Menschen, die Inschrift „Weh! die Menschen werden Sünder“ das Bild der Erbsünde, die Inschrift „So muß der Sünder flüchtig werden“ das Bild der Vertreibung aus dem Paradies, und schließlich die Inschrift „Hier liegt die erste Leich auff Erden“ das Bild des Mordes an Abel. An den Brüstungen der übrigen Emporen fanden mehrere Wappen der schlesischen Adelsgeschlechter ihren Platz. Sie übten aber nicht mehr die Funktion von Zeichen politischer Dominanz aus, wie es an den Herrschaftslogen in den adeligen Patronatskirchen des 16. Jahrhunderts der Fall war. Vor dem Hintergrund einer Landschaft mit imaginären Schlössern und Herrensitzen dargestellt, wurden sie vielmehr zum Ausdruck einer gewissen nostalgischen Sehnsucht nach der von den Habsburgern bedrängten ständischen Gesellschaftsordnung Schlesiens einerseits, andererseits zur Manifestation der Einheit der schlesischen Lutheraner aller Stände, die ohne Unterschied unterdrückt und verfolgt wurden. Eine didaktische Idee, wie sie in Jauer konsequent durchgeführt ist und der dortigen Kirche große formale sowie inhaltliche Geschlossenheit und Einheit verleiht, ist im Programm der Friedenskirche zu Schweidnitz (1656/57) (Abb. 7)66 nicht zu finden. Selbst die Wahl des kreuzförmigen Grundrisses diente dem Streben nach größerer Monumentalität; die Decke als Hauptort der Entfaltung bildlichen Schmucks ermöglichte hingegen, die inhaltlichen Werte des Inneren mit den räumlichen dicht zu verflechten. Die großen Bilder zur Offenbarung des Johannes von Christian Süßenbach deuten ohne Zweifel die Kirche in den „Palast der Heiligen Dreyfaltigkeit“ um. Sie ist ja auch der Heiligen Dreifaltigkeit gewidmet, und gerade dieses Thema befindet sich im Zentrum der Deckenmalereien. Die Kanzel (1729) und der Altar (1752) von August Gottfried Hoffmann verstärken zusätzlich den Eindruck von Herrlichkeit und Pracht, die das Schweidnitzer Gotteshaus kennzeichnen (Abb. 13). Der Kirchenraum, der weit entschiedener als derjenige in Jauer durch den Einbau von Logen und Betstuben zergliedert ist, drückt hier nicht mehr jene eigenartige ständeübergreifende Solidarität verfolgter evangelischer 66 Worthmann, Ludwig: Die Friedenskirche zur heiligen Dreifaltigkeit vor Schweidnitz, Schweidnitz [1902]; ders.: Führer durch die Friedenskirche zu Schweidnitz, Schweidnitz 1929; Bunzel, Hellmut: Die Friedenskirche zu Schweidnitz. Geschichte einer Friedenskirche von ihrem Entstehen bis zu ihrem Versinken ins Museumsdasein, Ulm 1958; Banaś: Studia nad śląską architekturą protestancką, 61–64; Hanulanka, Danuta: Świdnica, Wrocław u. a. 1973 (Śląsk w Zabytkach Sztuki), 116–137; Seidel-Grzesińska, Agnieszka: Kościół Pokoju w Świdnicy. Architektura, wyposażenie i wystrój z lat 1652–1741, phil. Diss. (masch.) Wrocław 2000.

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Christen aus. Die aus Dankbarkeit für eine großzügige Schenkung von Bauholz durch Hans Heinrich von Hochberg erfolgte Errichtung einer Kirchenloge eigens für die Familie des Wohltäters zeugt in der Schweidnitzer Friedenskirche von einer Teilrestitution, und zwar einer freiwilligen, der traditionellen Widerspiegelung der gesellschaftlichen Rangordnung in einem Kirchengestühlsystem. Sowohl das Raumschema als auch das Ideenprogramm der Friedenskirche zu Jauer dienten in der zweiten Hälfte des 17. und am Anfang des 18. Jahrhunderts einigen anderen evangelischen Kirchen in Schlesien als Vorbild. Das betrifft vor allem drei Zufluchtskirchen auf dem Gebiet des ehemaligen Fürstentums Liegnitz, nämlich in Probsthain, 1673 und 1701 bis 1702 umgebaut, Pilgramsdorf, 1717 umgebaut, und Neudorf, 1704 bis 1708 neugebaut.67 Alle drei wurden mit einigen Emporengeschossen versehen, auf deren Brüstungen entweder typologisch geordnete biblische Historien oder – wie es in Neudorf der Fall ist – Bilder zu allen Hauptstücken von Luthers Katechismus ihren Platz fanden. Der Verfasser des Programms der 1726 entstandenen Emporenmalereien in der Neudorfer Zufluchtskirche, Pfarrer Adam Johann Hensel, konzipierte diese Bilder bewußt als didaktisches Hilfsmittel. Seine Absicht, den katechetischen Stoff den Pfarrkindern leichter zugänglich zu machen, bezeugt ohne Zweifel die Bebilderung des ersten Gebots mit einer Sonne, die über dem Gröditzberg, an dessen Fuß Neudorf liegt, scheint. Die beigefügte Inschrift lautet: „Die Welt hat eine Sonne.“ Das den Bilderschmuck der Friedenskirchen kennzeichnende Streben, den der meisten ihrer Rechte beraubten Evangelischen wieder Mut einzuflößen, fand im Inneren der Grenzkirche zu Kriegheide bei Kotzenau, die im Jahr 1654 für Ankömmlinge aus dem benachbarten Fürstentum Glogau errichtet wurde, eine augenfällige Fortsetzung.68 Die Idee des Triumphs Christi und der ihm getreuen Gemeinde, durch das an einem Palmbaum aufgehängte Kruzifix ausgedrückt, vereinigt sich hier mit einer aus den Psalmen entnommenen Freude am Besitz eines eigenen Gotteshauses: „Wie lieblich sind deine Wohnungen Herr Gott Zebaoth“ (Ps 84,2). Selbst auf der Sakristeitür brachte der Erfinder des Bildprogramms dieser Kirche, der bedeutende Prediger Daniel Ebersbach, ein Bild an: die Darstellung der Wanderung Christi mit den Jüngern nach Emaus vor dem Hintergrund der niederschlesischen Landschaft mit dem gut erkennbaren Umriß der Kriegheider Kirche.69 Zur Feier des 150. Jubiläums des Augsburger Bekenntnisses stiftete Nickel von 67 Steinborn, Bożena: Złotoryja-Chojnów-Świerzawa, Wrocław 1959, 121f., 131–133, 135f.; Banaś: Studia nad śląską architekturą protestancką, 72–74, Abb. 39–42. 68 Banaś, Paweł: Kościoły poewangelickie w Rudnej i Pogorzeliskach. Próba interpretacji. In: Treści dzieła sztuki. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki Gdańsk, grudzień 1966, Warszawa 1969, 235–249; Gibski, Daniel: ,Iustus ut palma florebit.‘ Poewangelicki kościół w Pogorzeliskach jako przykład śląskiej świątyni diasporalnej z XVII wieku. In: Harasimowicz, Jan (Hg.): Sztuka i dialog wyznań w XVI i XVII wieku. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki Wrocław, listopad 1999, Warszawa 2000, 307–323. 69 Banaś: Kościoły poewangelickie, 246f., Abb. 9.

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Mohl, Herr auf Mühlrädlitz bei Lüben und Landesältester des Fürstentums Liegnitz, das große Gemälde „Die Verlesung des Bekenntnisses vor dem Kaiser in der bischöflichen Pfalz in Augsburg“, das an der Decke der Herrschaftsloge in der Mühlrädlitzer Pfarrkirche angebracht ist.70 Dies war nicht so sehr eine fromme Stiftung als vielmehr ein entschlossenes Eingeständnis der Treue gegenüber dem Augsburger Bekenntnis. Das Gemälde auf dem Plafond der Herrschaftslogendecke in Mühlrädlitz, bis jetzt völlig unbekannt und in der Literatur nie erwähnt, ist ein herausragender Beleg für die Unerschütterlichkeit der schlesischen Lutheraner; aber es ist zugleich nur ein privates Zeugnis mit einem begrenzten Wirkungskreis. Zum in ganz Schlesien gültigen Sinnbild der Beständigkeit und Macht des Augsburger Bekenntnisses wurde die aufgrund der Beschlüsse der Altranstädter Konvention in den Jahren 1709 bis 1712 nach Entwürfen von Baumeister Martin Frantz aus Reval errichtete Gnadenkirche zu Hirschberg.71 Zu keiner anderen schlesischen Kirche paßt die Bezeichnung „Palast der Heiligen Dreyfaltigkeit“ so gut wie zu dieser. Mit der Monumentalität ihrer Architektur (Abb. 9) und dem Reichtum ihrer auf das Gewölbe konzentrierten bildlichen Ausstattung (Abb. 10) gewann sie bald allgemeine Anerkennung und wurde für die evangelischen Schlesier zum Inbegriff eines vollständigen Gotteshauses. Als Beweis dafür kann das Bild zum dritten Gebot an der Emporenbrüstung in der schon erwähnten Zufluchtskirche zu Neudorf gelten, auf dem das Haus, wo „Gott will selber wohnen“, ein auf kreuzförmigen Grundriß errichteter Bau, eindeutig, wenn auch unzulänglich, nach der Hirschberger Gnadenkirche stilisiert ist. Weder die in architektonischer Hinsicht verwandte Gnadenkirche in Landeshut noch die den Typ der Jauerschen Friedenskirche fortsetzenden Gnadenkirchen in Sagan, Freystadt und Militsch72 erlangten den Rang, den die größte Kirche der in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wirtschaftlich aufblühenden Hauptstadt des Sudetenvorlandes hatte. Mit ihr konnte sich nur die letzte der schlesischen

70 Als Vorbild diente ohne Zweifel der Kupferstich von Georg Köler nach der Zeichnung von Michael Herr, aus der Schrift „Miracula Augustanae Confessionis“ von Johann Saubert, 1631 zum ersten Mal in Nürnberg gedruckt. Vgl. Marsch, Angelika: Bilder zur Augsburger Konfession und ihren Jubiläen, Weißenhorn 1980, 63–65, Abb. 49–50. 71 Zapke, Alfred: Die Gnadenkirche zum Kreuze Christi in Hirschberg, Hirschberg 1909; Grundmann, Günther: Die Baumeisterfamilie Frantz. Ein Beitrag zur Architekturgeschichte des 18. Jahrhunderts in Schlesien, Schweden und Polen, Breslau 1937, 29–34, 105f.; Prüfer, Erich: Die Hirschberger Gnadenkirche, Ulm 1957; Grundmann: Der Evangelische Kirchenbau in Schlesien, 29–32, Fig. 3f., Abb. 53, 56–64; Różycka, Ewa/Rozpędowski, Jerzy: Jelenia Góra, Wrocław u. a. 1975 (Śląsk w Zabytkach Sztuki), 129–155; Kalinowski, Konstanty: Architektura doby baroku na Śląsku, Warszawa 1977, 209–212, Fig. 48f., Abb. 210–212; Sörries: Von Kaisers Gnaden, 113–115. 72 Grundmann: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien, 27–29, 32, Fig. 1f., 5f., Abb. 48–52, 65–69; Kalinowski: Architektura doby baroku na Śląsku, 212–215, Fig. 50f.

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Abb. 52. Die evangelische Gnadenkirche in Teschen, Jesuskirche genannt, entstand in den Jahren 1714 bis 1751 nach dem Entwurf zweier Baumeister aus Troppau: Hans Georg Hausrücker und Joseph Ried. Den kargen, asketischen Innenraum durchdringt ein mystisches, über vier Fensterreihen im Chor einfallendes Licht.

Gnadenkirchen, die Jesuskirche in Teschen, messen,73 und zwar nicht so sehr als ein Gebäude an sich, sondern vielmehr als eine Einrichtung. Das Entstehen dieser Kirche nach dem jahrzehntelangen Fehlen eines organisierten evangelischen Kirchenlebens in Oberschlesien bestätigt gewissermaßen das berühmte Sinngedicht Friedrich von Logaus: „Mann kann zwar alle Kirchen schlüssen/ Doch nie die Kirchen im Gewissen.“74 Weil aber die Bauüberlieferung der Reformationszeit schon längst keine praktische Bedeutung mehr besaß, mußten die Oberschlesier ein eigenständiges Konzept für ihr Gotteshaus erfinden. Nachdem sie nach einem katholischen, sogar jesuitischen Raumschema gegriffen hatten, verarbeiteten sie es im Geist ihrer 73 Biermann, Gottlieb: Geschichte der evangelischen Kirche Österreichisch-Schlesiens mit besonderer Rücksicht auf die Gnadenkirche vor Teschen. Denkschrift zum 150jährigen Jubelfeste der evangelischen Jesuskirche vor Teschen, Teschen 1859; Pindór, Johann: Die evangelische Gnadenkirche in Teschen. Eine kurze Darstellung ihrer Entstehung und ihrer Entwicklung, Teschen 1909; Zahradnik, Paul: Die Jesuskirche vor Teschen. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 37 (1958) 97–102; Wojak, Tadeusz (Hg.): Kościół Jezusowy na Wyższej Bramie w Cieszynie, Warszawa 1973; Patzelt, Herbert: Geschichte der evangelischen Kirche in Österreichisch-Schlesien, Dülmen 1989, 40–49; Sörries: Von Kaisers Gnaden, 115–117. 74 Zit. nach Haufe, Eberhard (Hg.): Wir vergehn wie Rauch von starken Winden. Deutsche Gedichte des 17. Jahrhunderts, Bd. 1, Berlin 1985, 294.

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dem Pietismus gewogenen Frömmigkeit und erfüllten das Kircheninnere mit einem beinahe mystischen Licht, das durch die dicht übereinander liegenden Fensteröffnungen auf die einander folgenden Stufen der Heilsordnung hinweisen sollte (Abb. 52). Die Jesuskirche in Teschen, die nach der Eroberung des größten Teils Schlesiens durch Preußen als das einzige evangelische Gotteshaus in der ganzen Habsburgermonarchie erhalten blieb, war bekanntlich „Mutterkirche vieler Länder“.75 Es wirkten dort berühmte polnische und deutsche, tschechische und slowakische Prediger. Und eben deshalb, weil in dieser Kirche, am Berührungspunkt verschiedener Kulturen, das Evangelium in allen dort üblichen Sprachen gepredigt wurde, kann man sie mit voller Überzeugung als „Werkstatt des Heiligen Geistes“ bezeichnen, ohne dies lediglich auf das Symbolische zu begrenzen.

75 Wagner, Oskar: Mutterkirche vieler Länder. Geschichte der Evangelischen Kirche im Herzogtum Teschen 1545–1918/20, Wien/Köln/Graz 1978 (Studien und Texte zur Kirchengeschichte und Geschichte 1/4), hier 64–96.

Bernhard Niuron – ein Brieger Baumeister der Renaissance Im Jahr 1534 wurde die gotische Pfarrkirche St. Blasius und Speratus in Ohlau, kurz zuvor – um das Jahr 1523 – gründlich umgebaut, ähnlich wie die meisten Kirchen im Fürstentum Brieg zu einer evangelischen Kirche Augsburgischer Konfession.1 Unter den von Herzog Friedrich II. im Schloß zu Strehlen vorgeladenen Geistlichen war auch der Ohlauer Pfarrer Georg Bernhardi, seit langem ein Anhänger der Lehre Luthers. Er erkannte im Namen der Gemeinde das Augsburger Bekenntnis an und übernahm gleichzeitig den Posten des Kircheninspektors für den Landkreis Ohlau, der der Superintendentur in Brieg unterstellt war.2 Die Nachfolger dieses ersten lutherischen Pfarrers – Basilius Carochius und Paul Hübner – waren wahrscheinlich keine guten Seelsorger. In einem Brief an den Stadtrat in Ohlau vom 17. Januar 1583 tadelte Herzog Georg II. in bitteren Worten den erbärmlichen Zustand der kirchlichen Disziplin in der Pfarrgemeinde:3 Zu viele Ohlauer Bewohner würden den Gottesdienst am Sonntag versäumen; manche kämen sogar erst gegen Ende der Predigt in die Kirche, andere kämen gar nicht, sondern begäben sich in die Schenke, wo sie Schnaps oder Bier tränken. Ein großer Fehler des Pfarrers wäre es, so der Herzog, daß ausschließlich lateinische, für das Volk unverständliche Lieder angestimmt würden. Gesänge in deutscher Sprache seien unbedingt einzuführen, und es wäre die Aufgabe der Zunftältesten sowie der Räte acht zu geben, daß sich niemand der Teilnahmepflicht am Gottesdienst entziehe. Sollte die geforderte Selbstkontrolle der Gemeinde kein Ergebnis erbringen, wäre der Landesherr bereit, die am wenigsten ehrfurchtsvollen Gemeindemitglieder persönlich zu bestrafen. Die disziplinierende Mahnung des alten Herzogs blieb höchstwahrscheinlich nicht ohne Folgen. Die Gründung des Kirchenbuchs im Jahr 1584 und der Beginn regelmäßiger Eintragungen von Taufen müssen wohl der breit angelegten Erneuerung des Kirchenlebens und der Intensivierung der Kirchenzucht in Ohlau zugerechnet werden.4 Nachdem die Söhne Georgs II., Joachim Friedrich 1

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Schulz, Georg: Festschrift zur Erinnerung an die Rückgabe unserer Pfarrkirche am 7. Dezember 1707, Velen 1962 [¹1907], 12f.; Quester, Heinz: Zur Geschichte der protestantischen Kirchen in Ohlau/Schlesien. In: Meyer, Dietrich (Hg.): Erinnertes Erbe. Beiträge zur Schlesischen Kirchengeschichte. Festschrift für Christian Erdmann Schott, Mainz 2002 (Studien zur Schlesischen und Oberlausitzer Kirchengeschichte 8), 65–83, hier 66–77. Quester, Heinz: Predigergeschichte des Kirchenkreises Ohlau in Schlesien. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 76–77 (1997/98) 369–432, hier 372. Eberlein, Helmut: Herzog Georg von Brieg an Rath zur Ohlau wegen Besuch des Gottesdienstes. 17. Januar 1583. In: Correspondenzblatt des Vereins für Geschichte der evangelischen Kirche Schlesiens 8 (1902) 108f. Mohaupt, Jakob Gottlieb: Ohlaus Denkwürdigkeiten. In: Geschichtliche und statistische Nachrichten von der Stadt Ohlau, wie solche im Manuskript nach dem Neubau der Thurmspitze an der dasigen evangelischen Pfarrkirche am 11. November 1836 in den Thurmknopf gelegt worden sind, Brieg 1837, 3–16, hier 3.

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und Johann Georg, die Macht in der Stadt übernommen hatten, wurde der schlagfertige Joachim Laurentius aus Strehlen zum Pfarrer ernannt. Seine erste Predigt hielt er am 1. Dezember 1586. Bereits wenige Wochen später begannen Abrißarbeiten am Langhaus der alten städtischen Pfarrkirche St. Blasius und Speratus, Deutsche Kirche genannt,5 denen der Bau des neuen Gotteshauses folgte. Im Kirchenbuch wurde vermerkt: „Anno 1587 montags nach Cantate hat man auf befehl der durchleuchten hochgeborenen Fürsten Hertzogen Joachim Friedrich und Hertzogen Johann Georg die deutsche Kirche angefangen abzubrechen bis aufs Chor und derselben beförderung aufs New zhirlich erbawet Im 89 Im herbst verfertiget. So wohl die Orgel so durch I. F. G. Hertzog Joachim Friedrichs Beförderung erbauet die Mittwoch nach dem neuen Jahrs tage des 1590 Jhars gar hard genommen da herr Peter Seidel der Elter So wol herr Hans Baumgarten und Friedrich Baumann Kirchvater waren.“6 Die Information über die Abtragung des Langhauses der alten Kirche wird nachstehend wiederholt, etwas anders formuliert und mit folgenden Worten abgeschlossen: „von dem kunstreichen Meister Bernhard einem Wahle.“ Das Kirchenbuch gibt weiterhin an: „Ebenso in diesem Jahre [1587] ist auch umb oben ermelte Zeit das Fürstliche Schloß zu Orlaw renoviret und erweitert worden. Hierauf ist den 1. Juni der erste Grundstein bei der Kirche geleget worden.“ Der Eintrag im Kirchenbuch zeigt, welch intensive Bautätigkeit in Ohlau die zwei Söhne Georgs II. aufgenommen hatten. Indem sie die neue Pfarrkirche errichteten und das Schloß gründlich um- und ausbauen ließen, strebten sie deutlich eine Erhebung des bislang wenig exponierten Piastenzentrums zum Rang einer Residenzstadt an. Zwar baute bereits um das Jahr 1540 der italienische Baumeister Jakob Parr das mittelalterliche Schloß in Ohlau um, indem er ein Verteidigungssystem mit vier verlängerten Basteien errichtete,7 aber erst die Modernisierung und Verschönerung des Schlosses durch Joachim Friedrich und Johann Georg verwandelte dieses Bauwerk in einen prächtigen Fürstensitz.8 Sein Aussehen ist uns nicht bekannt: Der Errichtung der bis heute erhalten gebliebenen frühbarocken Residenz gingen die Abtragung der älteren Mauern bis an die Kellergewölbe voraus. Das einzige Relikt der in den Jahren 1587 bis 1600 ausgeführten Bauarbeiten war bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Haube des vierstöckigen gotischen Turms, mit der Jahresangabe 1588 an der Wetterfahne. Anhand des Kupferstichs von Mar5

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Es gab in Ohlau auch die sogenannte Polnische Kirche, die neben der Pfarrkirche an der Stadtmauer lag und sehr klein war. Vgl. Quester: Zur Geschichte der protestantischen Kirchen, 77–79. Ders.: Das älteste Kirchenbuch von Ohlau. Nach Aufzeichnungen von Prof. Waldemar Schircks. In: Heimatblatt für die Kreise Strehlen und Ohlau 8/4 (1959) 3f., 8/5 (1959) 13f. Bimler, Kurt: Die schlesischen massiven Wehrbauten, Bd. 2: Fürstentum Brieg, Kreise Brieg, Ohlau, Strehlen, Breslau 1941, 77f. Ders.: Schlesische Burgen und Renaissanceschlösser, Lieferung 3: Das Piastenschloß zu Ohlau, Breslau 1936, 41–46.

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tin Engelbrecht, angefertigt nach einer Zeichnung Friedrich Bernhard Werners,9 können wir feststellen, daß diese Haube, durch einen einfachen Aufbau mit pyramidenförmigem Dach abgeschlossen, ein typisches Beispiel massiver, kubischer Strukturen darstellte, die oft in den Werken des schon erwähnten Bernhard Niuron auftraten – zum Beispiel in den Türmchen, die die Hauptfassade des RenaissanceRathauses in Brieg flankieren.10 Bernhard Niuron, der Baumeister des Neubaus der Ohlauer Pfarrkirche und des Umbaus des Ohlauer Schlosses, wurde in den Quellen unterschiedlich bezeichnet: Nueron, Nyrion, Neuron, Nurron, Nieron, Noran, Nuyron oder sogar Neron; oft wurde nur sein Vorname verwendet, mit zusätzlicher Angabe seiner Nationalität: „Wahl“, „Wahle“, „Wollich“, „Wolcke“ bzw. „Woleck“ („Italiener“).11 Er stammte aus Lugano und war einer der vielen Lombarder, Tessiner, Graubündner und Komasker, die im 16. Jahrhundert in Ost- und Mitteleuropa tätig waren.12 Üblicherweise ordnet man ihn der weit gefaßten „Familie Parr“ zu, die sich in Brieg im Zusammenhang mit dem Bau des Renaissanceschlosses der Piasten von Liegnitz-Brieg formierte und anschließend neue architektonische Formen nach Brandenburg, Mecklenburg, Schweden und Finnland brachte.13 Mit den Parrs war Niuron durch die Ehe mit Lucretia, Tochter des Familienältesten Jakob Parr, ver9 Ebd., Abb. 31. 10 Kozakiewicz, Helena/Kozakiewicz, Stefan: Renesans w Polsce, Warszawa 1976, 144, Abb. 124; Z1at, Mieczysław: Brzeg, Wrocław u.a. 21979 [¹1960] (Śląsk w Zabytkach Sztuki), 188–200, Abb. 103. 11 Wernicke, Ewald: Die italienischen Architekten des 16. Jahrhunderts in Brieg. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 3 (1881) 265–276, 297–311, hier 271, 275, 297; ders.: Neue Beiträge zur Geschichte der Renaissance in Brieg. Ebd., 427–433, hier 430f. 12 Schulz, Alwin: Die wälschen Maurer in Breslau. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 9 (1868) 144–153; Kozakiewicz, Stefan: Początek działalności Komasków, Tessyńczyków i Gryzończyków w Polsce – okres renesansu (1520–1580). In: Biuletyn Historii Sztuki 21/1 (1959) 3–29; Karpowicz, Mariusz: Artisti ticinesi in Polonia nel ’500, Bellinzona 1987; ders.: Artisti ticinesi in Polonia nella prima metà del ’600, Lugano 2002. 13 Hahr, August: Die Architektenfamilie Pahr. Eine für die Renaissancekunst Schlesiens, Mecklenburgs und Schwedens bedeutende Familie, Straßburg 1908 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 97); ders.: Neue Forschungen über die Architektenfamilie Pahr. In: Zeitschrift für Geschichte der Architektur 4 (1910/11) 52–56; Zlat, Mieczysław: Pahr (Parr) Jakub (ok. 1510–1575), architekt i fortyfikator. In: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 25, Wrocław/Warszawa/Kraków 1980–1981, 19f.; ders.: Działalność architektoniczna rodziny Parrów na Śląsku w latach 1539–1600. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 14 (1986) 37–51; Harasimowicz, Jan: Il Rinascimento fuori dal limes romanus. In: Fantoni, Marcello (Hg.): Il Rinascimento italiano e l’Europa, Bd. 1: Storia e storiografia, Vicenza 2005, 415–438, hier 428–433; Torbus, Tomasz: Od Brzegu przez Güstrow do Szwecji. Komaskowie z rodziny Parrów i ich wpływ na rozwój architektury renesansowej w środkowej i północnej Europie. In: Harasimowicz, Jan/Oszczanowski, Piotr/Wisłocki, Marcin (Hg.): Po obu stronach Bałtyku. Wzajemne relacje między Skandynawią a Europą Środkową. On the Opposite Sides of the Baltic Sea. Relations between Scandinavian and Central European Countries, Bd. 1, Wrocław 2006,

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schwägert. In seiner eigenen Familie, und sogar im engsten Familienkreis, gab es bereits berühmte Architekten: Sein Bruder Peter arbeitete am Bau der Schlösser in Berlin, Dessau und Köthen, er war auch in Dresden und Zerbst tätig. Zu seinem Lebensabend bekleidete er das Amt des anhaltinischen Oberlandbaumeisters.14 Der Meister Bernhard der Wahle tritt in Brieger Quellen jahrelang auf: Zum ersten Mal wurde er im Jahr 1564 erwähnt, zum letzten Mal (noch zu Lebzeiten) 1608. Er war Hofbaumeister bei Herzog Georg II. sowie seinem Sohn Joachim Friedrich und zugleich Stadtbaumeister und Bürger der Stadt Brieg. Er war wohlhabend und offensichtlich besser gestellt als sein berühmter Schwiegervater Jakob Parr. Innerhalb von nur drei Jahren (1565 bis 1568) erwarb er drei Häuser an der Burggasse, und Herzog Joachim Friedrich räumte ihm im Jahr 1579 das Recht ein, am Brieger Markt den sogenannten Schottenkram zu betreiben, das Huthandelsprivileg eingeschlossen. Dieses Privileg, das sich auf Erben und Nachfolger erstreckte, wurde – so die Urkunde – „dem ehrbaren und kunstreichen, Unserm Baumeister und lieben Getreuen Bernhard Nuyron wegen seiner unterthaenigen treuen Dienste, die er uns bishero gehorsamlich geleistet [hat]“,15 verliehen. Niurons Hauptwerk in Brieg war der Entwurf des neuen Rathauses im Stil der Renaissance: „Visirung … nach seinem geringen Verstande mit ganzem Fleiß abgerissen“ (1569).16 Er umfaßte auch Zeichnungen von Säulen, Pilastern, Sockeln, Kapiteln, Gesimsen, Archivolten und Brüstungen für die Loggien. Angefertigt wurden diese Details durch die Steinmetze Adam Zimprecht und Urban Watzker. Meister Bernhard schrieb in einem Brief an sie ausdrücklich: „ich meines Handwerks kein Steinmetze bin, sondern ein Maurer.“17 Gemäß dieser Erklärung, wird der Name Niurons meistens im Kontext der Bau- und Ingenieurarbeiten an Befestigungen, Schlössern,18 Stadttoren19 und Brücken20 erwähnt. Er erfreute sich in Brieg großer Hochachtung und hatte einen breiten Bekanntenkreis, so daß er bzw. seine zweite Frau Victoria fast alljährlich gebeten wurden, Taufpaten zu werden.21 Es ist unbedingt zu vermerken, daß es nicht nur Maurer und Steinmetze waren, die die Niurons als Paten für ihre Kinder haben wollten. Unter den Bittstellern befan-

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143–162; Kaczmarek, Klara: Wędrówka form renesansowych do pobrzeży Bałtyku. Architektura i rzeźba architektoniczna Parrów na Śląsku i w Meklemburgii. Ebd., 163–175. Wernicke: Die italienischen Architekten, 298; ders.: Neue Beiträge zur Geschichte der Renaissance, 429. Ders.: Die italienischen Architekten, 274. Ebd., 272. Ebd., 273. Seit 1585 leitete er den Bau des nicht erhaltenen Schlosses in Nimptsch. Als Beispiele sind hier das nicht erhalten gebliebene Ohlauer Tor in Breslau (1576) sowie das Odertor in Brieg (um 1595) zu nennen. Als Beispiel könnte hier die nicht erhaltene Elbebrücke in Dessau-Roßlau aus dem Jahr 1583, ein gemeinsames Werk von Bernhard und Peter Niuron, angeführt werden. Wernicke: Neue Beiträge zur Geschichte der Renaissance, 431.

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Abb. 53. Das Langhaus der Pfarrkirche St. Blasius und Speratus in Ohlau entstand in den Jahren 1587 bis 1589 nach dem Entwurf Bernhard Niurons, der mit der in Brieg niedergelassenen Baumeisterfamilie Parr aus Bissone bei Lugano verbunden war. Die asymmetrisch angelegte Empore zeugt von dem durch den Baumeister unternommenen Versuch, einen evangelischen Predigtraum ganz neu, und zwar senkrecht zur traditionellen Ost-West-Achse, zu gestalten.

den sich nämlich auch Hutmacher, für die Bernhard Niuron als privilegierter Besitzer des Schottenkrams eine ernstzunehmende Konkurrenz darstellte. Das Langhaus der Pfarrkirche St. Blasius und Speratus in Ohlau, das in den Jahren 1587 bis 1589 errichtet wurde, stellt eine der Spitzenleistungen des protestantischen Kirchenbaus in Schlesien vor dem Dreißigjährigen Krieg dar (Abb. 53).22 Die an den gotischen Chor angebaute dreischiffige, fünfjochige Halle zeichnet sich außen wie innen durch große Einfachheit, wenn nicht sogar Bescheidenheit architektonischer Formen aus. Das die Seitenschiffe überragende Hauptschiff mit dem Kreuzrippengewölbe öffnet sich zu ihnen in rundbogigen Arkaden, die im 22 Grundmann, Günther: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien, Frankfurt a. M. 1970 (Bau- und Kunstdenkmäler des deutschen Ostens C 4), 14; Harasimowicz, Jan: Protestanckie budownictwo kościelne wieku reformacji na Śląsku. In: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 28 (1983) 341–374, hier 347; ders.: Treści i funkcje ideowe sztuki śląskiej reformacji 1520–1650, Wrocław 1986 (Acta Universitatis Wratislaviensis 819, Historia Sztuki 2), 22; ders: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien unter der habsburgischen Regierung. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 81 (2002) 79–88, hier 80; Sörries, Reiner: Von Kaisers Gnaden. Protestantische Kirchenbauten im Habsburger Reich, Köln/Weimar/Wien 2008, 18f.

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Nordschiff – in dem sich eine massive Empore befindet – doppelt auftreten. Die breiten Gurte des Hauptschiffgewölbes laufen bis zum Boden herab und füllen beinahe den ganzen Wandraum zwischen den Arkaden. Zusammen mit den ihnen entsprechenden Abschnitten in den Seitenschiffen verleihen sie dem Kirchenraum eine prägnante Rhythmik. Es handelt sich hier nicht mehr um eine spätgotische Halle sächsischer Provenienz, wie die 25 Jahre ältere Kirche in Friedeberg am Queis.23 Es ist aber auch noch nicht die typische Emporenbasilika im Stil der Renaissance, wie beispielsweise die lutherische Pfarrkirche St. Salvator in der Prager Altstadt (1611 bis 1614), die nach dem Entwurf Giovanni Maria Filippis von Johann Bartholomäus Christoffel erbaut worden ist.24 Es fehlt in Ohlau diese räumliche Homogenität, die die Kirche in Prag dem Tonnengewölbe mit Stichkappen verdankt, das die Trennung zwischen Chor und Langhaus verwischt. Man muß jedoch bedenken, daß Niuron in der Raumgestaltung der Kirche durch die Entscheidung weitgehend beschränkt wurde, den alten Chor – wahrscheinlich aus Gründen der Sparsamkeit – stehen zu lassen. Unter Berücksichtigung der liturgischen Funktion einer evangelischen Kirche, vor allem als Ort der „Verkündung der Worte Gottes“, scheint die in Ohlau eingesetzte Lösung sehr treffend oder sogar wegweisend zu sein. Vom alten Chor abgesehen, den er in sein räumliches Konzept nicht einschließen konnte, schuf Niuron einen Raum, der der Predigerfunktion des evangelischen Kults perfekt angepaßt war. Das gegenüber der Kanzel befindliche Nordschiff teilte er mit der Empore auf und schuf dadurch zahlreiche neue Sitzplätze, von denen aus gleichzeitig die beiden Hauptelemente der liturgischen Ausstattung beobachtet werden konnten: die Kanzel und der Altar.25 Die im schlesischen Kirchenbau deutlich sichtbare Ten23 Harasimowicz: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien, 79, Abb. 3. 24 Brathe, Paul: Der Kirchenbau des österreichischen Protestantismus im Reformationszeitalter. Sonderheft des Jahrbuchs der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus im ehemaligen und neuen Österreich, Halle a. d. S./Berlin [1934], 6–8; Krčálová, Jarmila: Kostely české a moravské renesance. Přispěvek k jejich typologii. In: Umění 29 (1981) 1–37, hier 37; Hořejší, Jiřina u. a.: Die Kunst der Renaissance und des Manierismus in Böhmen, Praha 2 1982 [11979], 147; Krčálová, Jarmila: Architektura doby Rudolfa II. In: Dvorský, Jiří (Hg.): Dějiny českého výtvarného umění, Bd. 2/1: Od počátků renesance do závěru baroka, Praha 1989, 160–181, hier 173; Skalecki, Georg: Deutsche Architektur zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Der Einfluß Italiens auf das deutsche Bauschaffen, Regensburg 1989, 48; Sörries: Von Kaisers Gnaden, 85. 25 Dies ist das wichtigste Merkmal des evangelischen Kirchenbaus. Vgl. Fritsch, Karl Ernst Otto (Hg.): Der Kirchenbau des Protestantismus von der Reformation bis zur Gegenwart, Berlin 1893; Bürkner, Richard: Grundriß des deutsch-evangelischen Kirchenbaus, Göttingen 1899; Wiesenhütter; Alfred: Protestantischer Kirchenbau des deutschen Ostens in Geschichte und Gegenwart, Leipzig 1936; Grashof, Ehler W.: Raumprobleme des protestantischen Kirchenbaus im 17. und 18. Jahrhundert, Berlin 1938; Poscharsky, Peter: Die Kanzel. Erscheinungsform im Protestantismus bis zum Ende des Barocks, Gütersloh 1963 (Schriftenreihe des Instituts für Kirchenbau und kirchliche Kunst der Gegenwart 1); Mai, Hartmut: Der evangelische Kanzelaltar. Geschichte und Bedeutung. Halle a. d. S. 1969 (Arbeiten zur Kir-

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denz, „querliegende“, kanzelorientierte Predigerräume zu schaffen, fand in der Ohlauer Pfarrkirche St. Blasius und Speratus einen wohlüberlegten architektonischen Ausdruck. Dieser Raum wird hier jedoch nicht, wie in der Stadtpfarrkirche in Habelschwerdt (1585) durch die „von außen“ angebaute Empore oder, wie in den Stadtpfarrkirchen in Reichenbach (1585) und Landeshut (Ende des 16. Jahrhunderts), durch das asymmetrisch angebaute Nebenschiff vergrößert (Abb. 46).26 Die Empore stellt keinen durch die Liturgie erzwungenen „Zusatz“ dar. Sie ist ein fester Bestandteil des Raums, eingegliedert in das System gerader, monumentaler Elemente der architektonischen Aufteilung. Der Bau der Pfarrkirche und die Arbeiten am Schloß zwangen Niuron zu häufigeren und längeren Aufenthalten in Ohlau. Da er hier in den Jahren 1589 und 1590 als Pate eingetragen ist,27 kann vermutet werden, daß er in Ohlau schlicht zeitweise leben mußte. Davon, daß er Ohlau nicht als festen Wohnsitz betrachtete, zeugt eine Urkunde, die dort am 6. August 1588 durch die Herzöge Joachim Friedrich und Johann Georg ausgestellt wurde.28 Sie bestätigt die durch Georg I. und Georg II. zwei Baugrundstücken an der Burggasse in Brieg eingeräumten Privilegien; Niuron erwarb diese Grundstücke und beschloß, sie bebauen zu lassen. Das in Ohlau verdiente Geld legte der Architekt also in Brieger Immobilien an, wahrscheinlich mit dem Gedanken an den einzigen Sohn (aus erster Ehe), Bernhard den Jüngeren (gestorben 1597), und der Tochter aus zweiter Ehe, Elisabeth. Bernhard Niurons Hauptwerk in Ohlau hat sich glücklicherweise bis auf unsere Zeiten erhalten. Nach dem großen Brand im Jahr 1634 und der Plünderung der Kirche durch schwedische Truppen im Jahr 1642, raffte sich die Stadt erst im chengeschichte und Religionswissenschaft 1); Wex, Reinhold: Ordnung und Unfriede. Raumprobleme des protestantischen Kirchenbaus im 17. und 18. Jahrhundert in Deutschland, Marburg 1984 (Kulturwissenschaftliche Reihe 2); Raschzok, Klaus/Sörries, Reiner (Hg.): Geschichte des protestantischen Kirchenbaues. Festschrift für Peter Poscharsky zum 60. Geburtstag, Erlangen 1994; Grossmann, Dieter: Protestantischer Kirchenbau, Marburg 1996 (Beiträge zur hessischen Geschichte 11); Schönfeld, Stephan: Der niederländische Einfluß auf den Kirchenbau in Brandenburg und Anhalt im 17. und 18. Jahrhundert. Frankfurt a. M. u. a. 1999 (Europäische Hochschulschriften 28/346); Harasimowicz, Jan: Evangelische Kirchenräume der frühen Neuzeit. In: Rau, Susanne/Schwerhoff, Gerd (Hg.): Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2004 (Norm und Struktur. Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und Früher Neuzeit 21), 413–445; ders.: Protestantischer Kirchenbau im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Hartmann, Peter Claus/Reese, Annette (Hg.): Religion und Kultur im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. u. a. 2004 (Mainzer Studien zur Neueren Geschichte 12), 327–370. 26 Harasimowicz: Protestanckie budownictwo kościelne, 347f.; ders.: Treści i funkcje ideowe, 22; ders.: Stosunki wyznaniowe na Ziemi Kłodzkiej w okresie reformacji i ich wpływ na sztukę kościelną regionu. In: Zeszyty Muzeum Ziemi Kłodzkiej 3 (1990) 14–36, hier 19; ders.: Der Evangelische Kirchenbau in Schlesien, 80, Abb. 5f. 27 Bimler: Schlesische Burgen und Renaissanceschlösser, 45. 28 Wernicke: Neue Beiträge zur Geschichte der Renaissance, 430.

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Abb. 54. In der Pfarrkirche St. Blasius und Speratus in Ohlau befindet sich das Steinepitaph für den Prinzen Georg Ernst, den erstgeborenen Sohn Herzog Joachim Friedrichs von Brieg und seiner Ehefrau Anna Maria von Anhalt-Barby, geboren am 29. August 1589 und bald darauf, am 6. November des gleichen Jahres, gestorben. Über der frontal knienden Gestalt des früh verstorbenen Kindes erstreckt sich eine plastische Vision der Auferstehung der Toten, Ausdruck der typisch lutherischen Heilsgewißheit.

ausgehenden 17. Jahrhundert auf, den zerstörten Turm wieder aufzubauen. In den Jahren 1691 bis 1692 erhielt der Turmbau ein zusätzliches Stockwerk und eine schlanke Haube mit zwei Glorietten. Die Kosten betrugen nach den Kirchenrechnungen von 1696 insgesamt 2318 schlesische Taler oder 1854 Reichstaler: Der Turm war jetzt aber stolze 64 Meter hoch.29 Am 21. August 1881 wurde er vom Blitz getroffen; heftiger Sturmwind vollendete das Werk.30 Der neue, bis heute erhaltengebliebene, 61,8 Meter hohe Turm im Stil der norddeutschen Backsteingotik 29 Mohaupt: Ohlaus Denkwürdigkeiten, 3; Wißmach, Erich: Die Stadt Ohlau und ihre Umgebung, Ohlau 1929, 14; Schulz: Festschrift zur Erinnerung an die Rückgabe unserer Pfarrkirche, 8; Quester: Zur Geschichte der protestantischen Kirchen, 68 30 Bittner, Eberhard: Es geschah zu Ohlau am 21. August 1881. In: Heimatblatt für die Kreise Strehlen und Ohlau 30/8 (1981), 7.

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wurde schon 1886 errichtet.31 Im Inneren wurden mehrmals Renovierungsarbeiten durchgeführt: Die umfassendsten Arbeiten fanden in den Jahren 1825 (Abtragung der Grabkrypten unter dem Chor), 1858 (Ölfarbenanstrich für die Renaissancekanzel), 1938/39, 1970 bis 1972 und 2007/08 statt. Die heutige römisch-katholische Pfarrkirche Maria Trost (Matki Boskiej Pocieszenia) behielt grundsätzlich ihre architektonische Form aus dem ausgehenden 16. Jahrhundert. Historiker, Kunsthistoriker und alle am kulturellen Erbe der Piasten interessierten Niederschlesier sollten dem Bauwerk also mehr Aufmerksamkeit als bisher schenken. Ist sie doch die zweite – neben dem Schloß – in Ohlau erhalten gebliebene Kunststiftung der letzten schlesischen Herzöge aus dem Piastengeschlecht, ein in Schlesien und in ganz Ostmitteleuropa seltenes Beispiel für einen evangelischen Kirchenbau im Stil der Renaissance. Ihr Inneres, schon an sich interessant und in kunsthistorischer Hinsicht wertvoll, birgt darüber hinaus eine wahre Perle der bildenden Kunst des schlesischen Manierismus: das Alabaster-Epitaph für den 1589 gestorbenen Prinzen Georg Ernst, den ältesten Sohn Joachim Friedrichs von Liegnitz-Brieg (Abb. 54).32 Im Jahr 1874 begeisterte sich der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm für dieses Epitaph: er ließ es reinigen und sorgfältig konservieren.33 Heute kann man es in der polnischen Stadt Oława bewundern – sofern die schöne Form und der tiefe eschatologische Inhalt dieses Piastendenkmals denn bei irgendjemandem noch Beachtung finden sollten.

31 Wißmach: Die Stadt Ohlau, 16; Schulz: Festschrift zur Erinnerung an die Rückgabe unserer Pfarrkirche, 8; Bittner, Eberhard: Heimat Ohlau, Velen 1984, 14. 32 Bimler, Kurt: Die schlesische Renaissanceplastik, Breslau 1934, 100f.; Chrzanowski, Tadeusz: Rzeźba lat 1560–1650 na Śląsku Opolskim, Warszawa 1974, 61; Harasimowicz, Jan: Mors janua vitae. Śląskie epitafia i nagrobki wieku reformacji, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1098, Historia Sztuki 3), 69, 93, 120, 206. 33 Schulz: Festschrift zur Erinnerung an die Rückgabe unserer Pfarrkirche, 9.

Caspar Berger – ein Liegnitzer Bildhauer des Manierismus Die Forschung zur schlesischen Plastik der Renaissance und des Manierismus – in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg nicht ausreichend berücksichtigt1 – wird in den letzten Jahren immer umfassender wiederaufgenommen und bringt bereits bemerkenswerte Ergebnisse. Die Beiträge von Mieczysław Zlat, Janusz Kębłowski, Jan Skuratowicz und Tadeusz Chrzanowski verbesserten beträchtlich unseren Wissensstand über die zwei größten künstlerischen Zentren: Breslau und Brieg-Neisse.2 Das dritte bedeutsame Zentrum der schlesischen Bildhauerkunst dieser Epoche, Liegnitz, wartet noch – abgesehen von dem Beitrag Tadeusz Rudkowskis3 – auf seinen würdigen Platz im kunsthistorischen Schrifttum Polens. In den letzten Jahren griff der Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität Breslau in seinem Forschungsprogramm den Themenbereich der schlesischen Plastik in der Frühen Neuzeit bei weitem breiter gefächert auf; es entstanden auch mehrere Magisterarbeiten, die den wichtigsten Werken der Bildhauerkunst bzw. ihren Ensembles gewidmet wurden – darunter auch einigen, die dem Liegnitzer Kunstkreis angehören.4 Der vorliegende Beitrag versucht zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg eine Charakterisierung der wichtigsten Bildhauerwerkstätten, die im ausgehenden

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Der einzige Versuch einer Synthese, von Kurt Bimler verfaßt, wimmelt von leichtfertigen Zuschreibungen und offenbart die Hilflosigkeit eines Kunsthistorikers, der bemüht war, die aus den schriftlichen Quellen bekannten Persönlichkeiten mit dem nur teilweise bekannten Kunstdenkmälerbestand – meist nicht nur ohne Künstlersignaturen, sondern sogar ohne jegliche Steinmetzzeichen – in Verbindung zu bringen. Bimler, Kurt: Die schlesische Renaissanceplastik, Breslau 1934. Zlat, Mieczysław: Sztuka renesansu i manieryzmu 1500–1650. In: Broniewski, Tadeusz/Zlat, Mieczysław (Hg.): Sztuka Wrocławia, Wrocław/Warszawa/Kraków 1967, 183–263; Kębłowski, Janusz: Renesansowa rzeźba na Śląsku 1500–1650, Poznań 1967 (Prace Komisji Historii Sztuki Poznańskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk 8/1); Skuratowicz, Jan: Początki nurtu niderlandzkiego w rzeźbie 2. poł. XVI w. na Śląsku. In: Sztuka około roku 1600. Materiały sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki zorganizowanej przy współpracy Wydziału Kultury Prezydium Wojewódzkiej Rady Narodowej w Lublinie, Lublin listopad 1972 r., Warszawa 1974, 293–313; Chrzanowski, Tadeusz: Rzeźba lat 1560–1650 na Śląsku Opolskim, Warszawa 1974; Zlat, Mieczysław: Rzeźba i malarstwo w latach 1525–1650. In: Świechowski, Zygmunt (Hg.): Wrocław – jego dzieje i kultura, Warszawa 1978, 221–245. Rudkowski, Tadeusz: Renesansowy zespół nagrobków w Szklarach Górnych. In: Floryan, Władysław (Hg.): Księga ku czci Władysława Podlachy, Wrocław 1957 (Rozprawy Komisji Historii Sztuki Wrocławskiego Towarzystwa Naukowego 1), 129–141. Herrn Professor Mieczysław Zlat möchte ich für freundliche Hinweise während der Forschung vor Ort und während der Arbeit an dem vorliegenden Beitrag, der – in etwas abweichender Form – als öffentlicher Vortrag auf der Sitzung der Breslauer Abteilung des polnischen Kunsthistorikerverbandes [Stowarzyszenie Historyków Sztuki] am 12. Juni 1979 vorgestellt wurde, meinen herzlichen Dank aussprechen.

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Zur Architektur und Kunst

16. Jahrhundert im nördlichen Niederschlesien arbeiteten.5 Das Hauptanliegen des Verfassers dieser Abhandlung liegt in der Feststellung der Rolle Caspar Bergers und seiner Mitarbeiter in der damaligen Bildhauerkunst Schlesiens, und insbesondere des Liegnitz-Glogauer Kreises. Dies wurde dank zahlreichen, seit vielen Jahren vor Ort durchgeführten Studien möglich, die eine Vielzahl von in der Forschungsliteratur bislang außer acht gelassener Werke der Steinplastik ans Tageslicht brachten. In den ausgehenden vierziger und beginnenden fünfziger Jahren des 16. Jahrhunderts wirkte im nördlichen Niederschlesien eine italianisierende Werkstatt, die sogenannte Haynauer Werkstatt. Der dort mitwirkende Meister I. W. (1545–1551) schuf hervorragende Grabmalfiguren, die für die weitere Entwicklung der schlesischen Bildhauerkunst und insbesondere der figürlichen Wandgrabplatten von grundlegender Bedeutung waren.6 Die ersten 30 Jahre der zweiten Hälfte jenes Jahrhunderts brachten jedoch einen weitgehenden Verfall der Qualität der plastischen Produktion in Liegnitz. Zahlreiche Werke aus den sechziger und siebziger Jahren, hauptsächlich Epitaphien, stammten wahrscheinlich aus der Steinmetzwerkstatt Valten Hofmans, der das Epitaph für Balthasar von Stosch den Älteren (gestorben 1561) und seine Ehefrau Hedwig, geborene Glaubitz (gestorben 1577), in der Pfarrkirche St. Lorenz in Groß Tschirnau, Landkreis Guhrau, als „Steinmetz aus Liegnitz“ unterzeichnete (Abb. 55).7 Trotz des Ädikula-Rahmens und des Einsatzes von ornamentalen Motiven im Stil der italienischen Renaissance leben in den Reliefs dieses Denkmals die Darstellungsmuster der provinziellen spätgotischen Skulptur weiter; dabei dürfen die Anatomie-Kenntnisse Hofmans und seiner Mitarbeiter als verschwindend gering bezeichnet werden. Der Begriff „Steinmetz“ in der Signatur entsprach mit Sicherheit dem Tatbestand: Valten Hofman hatte keine bildhauerische Ausbildung durchlaufen. Daß er Aufträge zur Anfertigung zahlreicher Epitaphien annahm,8 zeugt einerseits von 5 6

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Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 103–112, 147–150, 154–156. Kębłowski, Janusz: Rzeźba dekoracyjna w architekturze śląskiej w pierwszej połowie wieku XVI. In: Zeszyty Naukowe Uniwersytetu im. Adama Mickiewicza. Historia Sztuki 4 (1966) 63–152, hier 117; ders.: Renesansowa rzeźba, 89–93, 102–106; ders.: Rzeźba dekoracyjna na fasadzie dawnej kamienicy Bitschena w Legnicy. In: Szkice Legnickie 5 (1969) 68–89, hier 79–86; Dobrzyniecki, Arkadiusz: Mistrz I.W. Problem tzw. Warsztatu Chojnowskiego. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 16 (1997) 73–85; Kaczmarek-Patralska, Klara: Wendel Roskopf – architekt Czech, Łużyc i Śląska w pierwszej połowie XVI wieku, Bd. 1–2, phil. Diss. (masch.) Wrocław 2003, Bd. 1, 316–322, Bd. 2, 90–101, 112–116, 130–134, 139f. Lutsch, Hans: Verzeichnis der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesien, Bd. 1–5, Breslau 1886–1903, hier Bd. 2, 669; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 103f.; Baranowska, Bogusława: Epitafia rodziny von Stosch w Czerninie, Magisterarbeit (masch.) Wrocław 1973, 21–28; Bek, Aleksandra: Rzeźba kamienna lat 1560–1650 w środowisku artystycznym Legnicy, Bd. 1–2, phil. Diss. (masch.) Wrocław 2004, Bd. 1, 32, Bd. 2, 4f. Bogusława Baranowska schrieb Hofman völlig begründet die Epitaphien für Ernst von Tschammer (gestorben 1558) und seine Ehefrau Dorothea (gestorben 1566), geb. von Wiese, in der Dorfkirche in Groß Osten, Landkreis Guhrau, sowie für Oswald von Tschammer

Caspar Berger – ein Liegnitzer Bildhauer des Manierismus

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Abb. 55. Das Steinepitaph für Balthasar Stosch den Älteren und seine Frau Hedwig, geborene von Glaubitz (gestorben 1577), in der Pfarrkirche St. Lorenz in Groß Tschirnau, Landkreis Guhrau, wurde von der frommen Witwe kurz nach dem Tod ihres Mannes gestiftet. Der Meister dieses Werkes war Valten Hofman, Steinmetz aus Liegnitz, der nicht davor zurückschreckte, hier seine vollständige Namensunterschrift zu hinterlassen. Er hoffte wohl, weitere gewinnbringende Aufträge vom evangelischen Adel des Fürstentums Glogau zu erhalten.

steigender Nachfrage beim niederschlesischen Adel und Bürgertum bezüglich dieser Art sepulkraler Denkmäler, die mit dem für die Renaissance typischen Streben nach ewigem Ruhm und mit der für das Luthertum typischen Vorstellung von einer ,frommen Tat‘ übereinstimmte,9 andererseits davon, daß Liegnitz keine Vor-

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(gestorben 1561) und seine Ehefrau Anna, geb. von Dohna (gestorben 1565), in der gleichen Kirche, zu. Man sollte noch das anonyme Epitaph in der Dorfkirche in Kraschen, Landkreis Guhrau, hinzufügen. In Zukunft wird das Register der Werke von Valten Hofman sicherlich noch erweitert. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 2, 664f.; Baranowska: Epitafia rodziny von Stosch, 28; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 1, 32f., Bd. 2, 7–9. Steinborn, Bożena: Malowane epitafia mieszczańskie na Śląsku w latach 1520–1620. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 4 (1967) 7–139; Białostocki, Jan: Kompozycja emblematyczna epitafiów śląskich XVI wieku. In: Steinborn, Bożena (Hg.): Ze studiów nad sztuką XVI wieku

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Zur Architektur und Kunst

aussetzungen dafür bot, daß sich dort hochqualifizierte Bildhauer niederlassen konnten. Im Gegensatz zu dem in geistigem Leben und künstlerischer Tätigkeit aufblühenden Brieg erlebte Liegnitz die ungünstige Regierungszeit des verschwenderischen und zügellosen Herzog Heinrichs XI.10 Zwar traf hier 1557 oder 1558 ein Bildhauer niederländischer Herkunft – Michael Fleiser aus Breslau – ein, der aber nach zahlreichen Auseinandersetzungen mit seinen Auftraggebern, mit dem Stadtrat und sogar mit eigenen Handwerksgesellen spätestens im Jahr 1568 nach Posen emigrierte.11 Werke aus seiner Zeit in Liegnitz sind nicht bekannt; er muß wohl sehr wenige geschaffen haben, da sich in Liegnitz und in der Umgebung im Gegensatz zu Breslau und Neisse nur schwache Anzeichen der ersten, frühen Welle niederländischer Einflüsse erhalten haben. Lediglich das Epitaph für den großen Humanisten und Pädagogen Valentin Trotzendorf (gestorben 1556) in der Pfarrkirche St. Marien in Goldberg12 – von Schülern im Jahr 1566 gestiftet – verrät mit seinen Hermen, den aufgereihten Obstketten und dem zum ersten Mal im Liegnitzer Umfeld verwendeten Roll- und Beschlagwerk eine direkte Abhängigkeit von den Werken Cornelis Floris’.13 Man kann also annehmen, daß ohne den Einfluß eines Künstlers, dem die niederländischen Motive geläufig waren – wie etwa Michael Fleiser – dieses frühe Werk nicht hätte entstehen können. Übrigens umfaßt

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na Śląsku i w krajach sąsiednich, Wrocław 1968, 77–93; Harasimowicz, Jan: Schlesische Epitaphien und Grabmäler der Reformationszeit. Ihre Typen und architektonisch-plastische Struktur. In: Grossmann, G. Ulrich (Hg.): Renaissance in Nord-Mitteleuropa. Teil 1, München/Berlin 1990 (Schriften des Weserrenaissance-Museums Schloß Brake 4), 189–224; ders.: Lutherische Bildepitaphien als Ausdruck des „Allgemeinen Priestertums der Gläubigen“ am Beispiel Schlesiens. In: Tolkemitt, Brigitte/Wohlfeil, Rainer (Hg.): Historische Bildkunde. Probleme – Wege – Beispiele, Berlin 1991 (Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft 11), 135–164; ders.: Mors janua vitae. Śląskie epitafia i nagrobki wieku reformacji, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1098, Historia Sztuki 3), 99–156. Boras, Zygmunt: Śląski książę renesansu i jego hulaszczy żywot, Katowice 1985 (Śląskie Epizody Historyczne); Prokop, Krzysztof R.: Art. Henryk XI. In: Szczur, Stanisław/Ożóg, Krzysztof (Hg.): Piastowie. Leksykon biograficzny, Kraków 1999, 517–522. Im Jahr 1566 gab es Streit zwischen Michael Fleiser, Caspar Drauschke und Jakob Gerstenberg dem Jüngeren. Es ging um den Vorwurf Fleisers, die vorstehend Genannten würden seine Auftraggeber abschrecken. Es sollte vermerkt werden, daß der erwähnte Caspar Drauschke seine Lehre bei Fleiser 1565 abgeschlossen hatte und zweimal verheiratet war. Caspar Berger heiratete später in Liegnitz dessen Witwe und übernahm damit auch die Werkstatt. Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 104–108. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 297; Kozak, Stanisław/Steinborn, Bożena: Złotoryja – Chojnów – Świerzawa, Wrocław 1971, 31. Das Jahr 1560 als Datum der Anfertigung des Epitaphs gibt die lateinische Gedenkinschrift an. Sie wurde von Lutsch entziffert, der die dekorativen Formen des ganzen Denkmals als „durchaus italienisch“ bezeichnete. Das Epitaph behielt zum Teil die alte Bemalung, die aber leider katastrophal erneuert wurde. Direktes Vorbild könnten die Hermen am zweiten Geschoß des Epitaphs für Dirk van Assendelft in der Großen Kirche in Breda (um 1555) gewesen sein. Hedicke, Robert: Cornelis Floris und die Florisdekoration, Berlin 1913, 35–37, Tafel 14/2 und 15/1.

Caspar Berger – ein Liegnitzer Bildhauer des Manierismus

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Abb. 56. Die Steinkanzel in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Liegnitz, in den Jahren 1586 bis 1588 vom Liegnitzer Bildhauer Caspar Berger geschaffen, gehört zu den prächtigsten Werken der lutherischen Kirchenkunst der Reformationszeit in Schlesien. Die Kanzelstütze bilden die Gestalten Moses’ und dreier ,Guter Helden‘, die unter den traditionellen neun ausgewählt wurden. Wahrscheinlich sind es Julius Cäsar (‚der gute Heide‘), König David (‚der gute Jude‘) und König Artus (‚der gute Christ’).

hier die im niederländischen Stil gehaltene Rahmung ein Relief, das sich von dem Tschirnauer Epitaph Valten Hofmans kaum unterscheidet.14 Die ausgehenden siebziger und die beginnenden achtziger Jahre stellten den Anfang eines neuen Abschnitts im kulturellen Leben und in der allgemeinen sozialen und wirtschaftlichen Lage der Stadt Liegnitz dar. Herzog Friedrich IV. – anfänglich zum Mitregenten seines Bruders ernannt – übernahm im Jahr 1582 die alleinige Macht im Fürstentum Liegnitz, nachdem Heinrich XI. im Breslauer Schloß festgenommen worden war.15 Durch die ständige Unmäßigkeit Heinrichs gequält, sahen die Liegnitzer Bürger in der Regierungsübernahme Friedrichs IV. – 14 Kurt Bimler schreibt das Trotzendorf-Epitaph Valten Hofman zu und datiert es irrtümlicherweise auf 1576. Diese Zuschreibung kann aber nur in bezug auf das zentrale Relief und das abschließende Tondo als wahrscheinlich gelten. Es ist auch anzunehmen, daß Michael Fleiser Schöpfer des gesamten Entwurfs war und daß mit seiner Umsetzung Valten Hofman bzw. ein anderer, gleichwertiger Steinmetz beauftragt wurde. Daß man Hofman das Epitaph für Anna von der Heide in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Liegnitz (1559) sowie die Schloßportale in Haynau und Plagwitz zuschreibt, findet keine ausreichende Begründung. Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 104. 15 Prokop, Krzysztof R.: Art. Fryderyk IV. In: Szczur/Ożóg (Hg.): Piastowie, 525–528.

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Zur Architektur und Kunst

der sich ja dann als recht durchschnittlicher Herrscher erwies – eine Ankündigung ,besserer Zeiten‘16. Die folgenden Jahre brachten in der Tat eine Stabilisierung der Verhältnisse in Liegnitz. Die Öffentlichkeit muß sich zweifellos dadurch ermuntert gefühlt haben, daß die wichtigste Stadtkirche, nämlich die Pfarrkirche St. Peter und Paul, auch „obere Pfarre“ genannt, im Jahr 1588 eine monumentale, auf vier lebensgroße Figuren – Moses und drei ,Gute Helden‘ – gestützte Steinkanzel erhielt (Abb. 56). Eine von ihnen hält eine Tafel mit folgender Inschrift: „DEI OM. ET S./ TRIN: AUSPICIO ET/ HONORI/ ANNO SALUTlS HUMANAE/ M.D.XXCVIII./ DUCE ILLUSTRISS PRINCIPE/ D. FRIDERICO IV. P.P/ HUIUS SUGGESTI SAXEA/ FABRICA IMPENSIS HONES/ TI VIRI EI CIVIS HUIUS./ REIP: ALEXANDRI/ EKSTEIN. POS./ CASPAR BERGER/ WERCKMEISTER.“ Diese Inschrift – samt der Beschreibung der Darstellungen an der Treppe und am Kanzelkorb sowie einer Wiedergabe der heute nicht mehr existierenden biblischen Inschriften unterhalb der Reliefs – veröffentlichte Johann Peter Wahrendorff im 18. Jahrhundert.17 Einige Jahrzehnte später veröffentlichte Siegismund Justus Ehrhardt den Wortlaut des Vertrags, den am 1. Januar 1586 der Liegnitzer Waffenschmied Alexander Eckstein mit dem Bildhauer Caspar Berger geschlossen hatte.18 Der Letztgenannte verpflichtete sich, gegen den Betrag von 150 Talern einen „steinernen ausgehauenen Predigstuhl“ anzufertigen, der auf einer Ritterfigur im Küraß, die den Stifter selbst darzustellen hatte, fußen sollte. Die 16 Am Fries des im Jahr 1581 errichteten Portals der städtischen St. Petersschule brachten der damalige Bürgermeister Johann Schramm und die fünf reichsten Patrizier ihre Wappen an. Dadurch wurde der Majestät des Stadtrats Ausdruck gegeben, der – trotz schwieriger Zeiten – hoffnungsvoll in die Zukunft blickte, wozu er durch den Abschluß des langen Konflikts mit Herzog Heinrich XI. berechtigt war. Mertin, Paul: Liegnitzer Kunstdenkmäler der Renaissance und ihre Auftraggeber. In: Schönborn, Theodor (Hg.): Liegnitz. 700 Jahre einer Stadt deutschen Rechts, Breslau 1942, 81–106, hier 94–100. 17 Wahrendorff, Johann Peter: Liegnitzische Merckwürdigkeiten oder historische Beschreibung der Stadt und des Fürstenthums Liegnitz […], Budissin [1724], 251, 277f. Die Kanzel befand sich damals noch am vierten Südpfeiler von Osten. An ihren jetzigen Standort, am ersten Südpfeiler von Osten, wurde sie in den Jahren 1893/94 während des neugotischen Umbaus der Kirche verlegt. 18 Ehrhardt, Siegismund Justus: Presbyterologie des Evangelischen Schlesiens. Vierten Theils Erster Haupt=Abschnitt: Protestantische Kirchen= und Prediger=Geschichte der Stadt und des Fuerstenthums Lignitz […]. Lignitz, gedruckt bey Johann Gottfried Pappäsche [1789], 259f. Dieses kirchenhistorische Nachschlagewerk haben die deutschen Kunsthistoriker der Vorkriegszeit übersehen. Es ist aber der Aufmerksamkeit Jakub Pokoras nicht entgangen: Der Warschauer Kunsthistoriker hat als erster die Bedeutung des zwischen Alexander Eckstein und Caspar Berger geschlossenen Werkvertrags hervorgehoben. Er ist einer der wenigen schriftlich überlieferten Aufträge, die den schlesischen Künstlern im ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhundert erteilt wurden. Schuster, Alfons: Urkundliche Mitteilungen betr. ein nicht zur Aufstellung gelangtes Grabdenkmal für Herzog Karl II. von MünsterbergOels. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 4 (1888) 617–629; Pokora, Jakub: Sztuka w służbie reformacji. Śląskie ambony 1550–1650, Warszawa 1982, 304f.

Caspar Berger – ein Liegnitzer Bildhauer des Manierismus

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Treppe und der Korb sollten mit Reliefs von Szenen aus dem Leben Christi verziert werden; dabei sollten in der Szene der Geburt Christi die knienden Gestalten des Stifters und seiner Ehefrau „wie ein Epitaphium“ erscheinen. Der Bildhauer sollte auch einen Schalldeckel mit der Darstellung der Verklärung Christi anfertigen und das Ganze bemalen bzw. vergolden lassen. Der Bau der Kanzel dauerte bis zum Jahr 1588. Das vertraglich festgelegte Programm wurde zum Teil abgeändert – möglicherweise auf Anregung Leonhard Krentzheims, des damaligen Pfarrers der Kirche St. Peter und Paul, Superintendenten des Fürstentums Liegnitz und hervorragenden Theologen philippistischer Prägung.19 Die Kanzelstütze bilden heute die Gestalten Moses’ und dreier ,Guter Helden‘ aus dem Kreis der traditionellen Neun ausgewählt – wahrscheinlich je einen Vertreter der ,Guten Heiden‘ (Iulius Caesar?), ,Guten Juden‘ (König David) und ,Guten Christen‘ (König Artus?).20 An dem durch Pilaster geteilten Treppengeländer befinden sich vier Paralellogramm-Reliefs: Anbetung der Hirten, Anbetung der Weisen, Abendmahl Christi und Gebet Christi am Ölberg. Den sechseckigen Kanzelkorb teilen Säulen auf Postamenten. In den Füllungen dazwischen befinden sich halbkreisförmig abgeschlossene Nischen mit Reliefs der Dornenkrönung Christi, der Kreuzigung, der Auferstehung und der Wanderung Christi mit den Jüngern nach Emaus. Den Sockel des Korbs und den Fries unter dem hervortretenden Gesims zieren Flachreliefs mit Grotesken. Am Pfeiler, an dem die Kanzel steht, ist an der Rückwand das halbkreisförmig abgeschlossene Relief mit der Darstellung der Wasserpredigt Christi angebracht (Abb. 57): Dem vom Boot aus predigenden Christus hören Alexander Eckstein mit seiner Frau, seinen Kindern und seinen zwei Brüdern sowie eine Person mit einem Lineal und einem Zirkel in der Hand – der Schöpfer der Kanzel selbst, Caspar Berger – zu. Der Schalldeckel wurde aus Holz gefertigt und stammt nicht aus demselben Zeitraum. Die Veränderungen im Vergleich zum ursprünglichen Vertrag aus dem Jahr 1586 umfaßten offensichtlich vor allem die Zurücknahme von Elementen der Selbstglorifizierung des Stifters, dessen nur noch die Inschrift und das Familienporträt an der Rückwand gedenken. Die Liegnitzer Kanzel und ihr Schöpfer wurden von mehreren Autoren erwähnt.21 Hermann Luchs, Ewald Wernicke und Paul Mertin nannten zusätzlich 19 Bahlow, Ferdinand: Leonhard Krentzheim, der „heimliche Kalvinist“ in Liegnitz. In: Mitteilungen des Geschichts- und Altertums-Vereins zu Liegnitz 15 (1934/35) 106–220. 20 Wyss, Robert L.: Die neun Helden. In: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 17 (1957) 73–106; Sachs, Hannelore/Badstübner, Ernst/Neumann, Helga: Christliche Ikonographie in Stichworten, Leipzig 31988 [¹1973], 266f. 21 Pfingsten, W.: Die Stadt Liegnitz mit ihren Umgebungen in einer geschichtlichen Uebersicht und Beschreibung der Kirchen, Schulen, Bibliotheken, Kunstsammlungen, offentlichen Gebäude, historisch merkwürdigen Privathäuser, Spaziergänge, Liegnitz 1845, 54, 65f.; Ziegler, Heinrich: Die Peter-Paul-Kirche zu Liegnitz nach ihrer Geschichte und nach ihrem heutigen Bestande, Liegnitz 1878, 64, 133, 192; Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 220; Langenhan, Alwin: Liegnitzer plastische Altertümer. Ein Beitrag zur Kultur- und Kunstge-

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Abb. 57. An der Rückwand der Steinkanzel in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Liegnitz befindet sich das Relief der Wasserpredigt Christi. Unter den am Ufer versammelten Zuhörern des lehrenden Heilands wurden der Stifter der Kanzel, der Waffenschmied Alexander Eckstein, sowie deren Schöpfer, der Bildhauer Caspar Berger, abgebildet.

das nicht erhalten gebliebene Tor mit dem Datum 1588 und der Signatur „C.B.“; der Letztgenannte erwähnte eine Signatur „C.B.“ mit einem Steinmetzzeichen auch an dem die Kanzel stützenden Pfeiler und der nicht erhaltenen Hermenumrahmung des Reliefs an der Rückwand.22 Im ausgehenden 19. Jahrhundert begann man auch andere Werke Caspar Bergers zu identifizieren. Hans Lutsch wies auf den hohen künstlerischen Rang der Epitaphien und Grabmäler in Mondschütz, Beuthen an der Oder und Seifersdorf hin.23 Dabei sind bei den zwei letzten erst schichte Niederschlesiens, Liegnitz 1902, 67; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 110; Dobrowolski, Tadeusz: Sztuka na Śląsku, Katowice/Wrocław 1948, 229; Pokora: Sztuka w służbie reformacji, 192–197; Harasimowicz, Jan: Treści i funkcje ideowe sztuki śląskiej reformacji (1520–1650), Wrocław 1986 (Acta Universitatis Wratislaviensis 819, Historia Sztuki 2), 83, 89, 96–98, 108; ders.: Chrzcielnica, ambona i ołtarz główny kościoła św. św. Piotra i Pawła. In: ders. (Hg.): Kultura artystyczna dawnej Legnicy, Opole 1991, 55–62, hier 57– 60; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 1, 42–44, Bd. 2, 13–17; Harasimowicz, Jan: Taufstein, Kanzel und Hauptaltar in der Kirche St. Peter und Paul in Liegnitz. In: Silesia Nova. Vierteljahresschrift für Kultur und Geschichte 5/2 (2008) 57–67, hier 61–65. 22 Luchs, Hermann: Liegnitz. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 2 (1875) 138–146, hier 145; Wernicke, Ewald: Bildende Künstler des Mittelalters in Liegnitz. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 3 (1881) 251–260, hier 260; Mertin: Liegnitzer Kunstdenkmäler der Renaissance, 96f. 23 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 2, 621, Bd. 3, 66f., 280.

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nach der Beseitigung der dicken Tünchen die Signaturen Bergers und dessen vollständige Unterschriften freigelegt worden.24 Lutsch und Berthold Haendcke übten in dem gleichen Jahr scharfe Kritik am künstlerischen Wert des Hauptwerks von Berger, indem sie seinen Schöpfer als höchstens „mittelmäßig geschickten Handwerker“, einen „typischen Vertreter der damaligen Steinmetze“, deren Händen – leider – sieben Zehntel der gesamten Steinplastik dieser Zeit anvertraut wurden, bewerteten.25 Kurz darauf erwähnte Conrad Buchwald zum ersten Mal fünf signierte Werke Bergers, indem er die Liste anhand vergleichender Stilstudien um weitere zwei Grabmäler ergänzte.26 Die Zuschreibungen Buchwalds wurden anschließend durch andere Autoren bestätigt.27 Zu den unbestrittenen, da mit dem Monogramm bzw. mit der vollständigen Unterschrift versehenen Werken von Caspar Berger gehören: 1. Das Epitaph für die fünf Kinder von Wladislaw von Stosch, gestorben in den Jahren 1576 bis 1586, angefertigt im Jahr 1586, in der Dorfkirche in Mondschütz, Landkreis Wohlau, mit „B.G.G./ C.B.B.L.“ signiert.28 24 Nachrichten über die Provinzial-Commission zur Erhaltung und Erforschung der Denkmäler der Provinz Schlesien und über die Tätigkeit des Provinzial-Conservators in den Jahren 1891 bis 31. März 1896, Breslau 1897, 31; Bericht des Provinzial-Konservators der Kunstdenkmäler der Provinz Schlesien über die Tätigkeit vom 1. April 1896 bis 31. März 1898, Breslau [1899], 14, 18, 31; Lutsch, Hans: Bilderwerk schlesischer Kunstdenkmäler, Breslau 1903, Textbd., 60f., 199, 207, Tafel 115/3 und 118/3. 25 Lutsch: Bilderwerk schlesischer Kunstdenkmäler, Textbd., 204; Haendcke, Berthold: Zur Geschichte der Plastik Schlesiens von ca. 1550–1720. In: Repertorium für Kunstwissenschaft 26 (1903) 223–235, hier 232f. 26 Buchwald, Conrad: Schloßportal und Grabdenkmäler der Kirche in Mondschütz. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift N. F. 3 (1904) 100–108; ders.: Art. Berger, Caspar. In: Thieme, Ulrich/Becker, Felix (Hg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 3, Leipzig 1909, 394. 27 Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 110–112; Matuszkiewicz, Felix: Das verkannte „Schönaichsche“ Grabmal zu Beuthen/Oder. In: Schlesische Geschichtsblätter 35/1 (1942) 40–49; Mertin: Liegnitzer Kunstdenkmäler der Renaissance, 96f.; Rudkowski: Renesansowy zespół nagrobków, 139f.; Harasimowicz: Mors janua vitae; 55, 64–67, 70f., 88f.; Tiede, Jürgen: Art. Berger, Caspar. In: Allgemeines Künstlerlexikon. Die bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, Bd. 9: Benecke-Berrettini, München 1994, 342f.; Sachs, Reiner: Art. Berger, Caspar. In: ders. (Hg.): Lexikon der bildenden Künstler und Kunsthandwerker Schlesiens bis 1945, Bd. 1: A-B, Breslau 2001, 360f.; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 1, 42–55, Bd. 2, 18–25, 31f. 28 Das Monogramm „C.B.B.L.“ entzifferte Conrad Buchwald als „Caspar Berger, Bildhauer in Liegnitz“. Er erkannte das Epitaph als Bergers Werk an, obwohl die Buchstaben „B.G.G.“ ungelöst blieben. Die Jahresangabe 1586 befindet sich an der unteren Inschriftentafel, neben den angeführten Monogrammen. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 2, 621; Buchwald: Schloßportal und Grabdenkmäler, 106f.; Tscheppe, [ohne Vornamen]: Die Mondschützer Kirche. In: Heimatblätter des Kreises Wohlau 4 (1925), 55–62, hier 55; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 110f.; Harasimowicz: Mors janua vitae, 65; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 31f.

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Abb. 58. Das Steinepitaph für Hans von Schweinitz (gestorben 1589) und seine Ehefrau Magdalene, geborene von Stosch (gestorben 1595) in der Dorfkirche in Seifersdorf, Landkreis Liegnitz, kurz nach 1589 durch den Bildhauer Caspar Berger geschaffen, gehört zu den größten schlesischen Grabdenkmälern der Reformationszeit. Zahlreiche biblische Reliefs und allegorische Figuren verleihen ihm den Charakter eines bildlichen Glaubensbekenntnisses, das in Hinsicht auf seine theologische Tiefe den damaligen Predigten keineswegs nachstand.

2. Die Steinkanzel in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Liegnitz, geschaffen in den Jahren 1586 bis 1588 (Abb. 56, 57). 3. Das Epitaph für Hans von Schweinitz (gestorben 1589) und seine Ehefrau Magdalene, geb. von Stosch (gestorben 1595), geschaffen gleich nach dem Jahr 1589, in der Dorfkirche in Seifersdorf, Landkreis Liegnitz, mit „C“ samt Steinmetzzeichen signiert und mit Vor- und Familiennamen des Künstlers unterzeichnet (Abb. 58).29 4. Das Grabmal für Wladislaw von Stosch (gestorben 1587) und seine Ehefrau Helene, geb. von Berge (gestorben 1619), geschaffen im Jahr 1591, in der Dorfkirche in Mondschütz, Landkreis Wohlau, mit „C.B“ samt Steinmetzzeichen signiert.30 29 Elemente der Unterschrift des Künstlers befinden sich unterhalb der unteren Kartusche: CAS// BE/ RGER// BILD/ HUER// IN LIG. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 280; Buchwald: Schloßportal und Grabdenkmäler, 107; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 110; Harasimowicz: Mors janua vitae, 50, 55, 114; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 23–25. 30 Das Datum 1591 befand sich an dem nicht erhaltenen Gitter, das das Grabmal schützte. Das ganze Werk nimmt fast die Hälfte der östlichen Chorwand in Anspruch, deshalb war der

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5. Das Grabmal für Georg von Braun (gestorben nach 1591) und seine Ehefrau Anna, geb. von Schkopp (gestorben 1602), geschaffen in den Jahren 1591 bis 1594, in der Pfarrkirche St. Hieronymus in Beuthen an der Oder, Landkreis Neusalz, mit „C.B.“ samt Steinmetzzeichen signiert und mit dem Vor- und Familiennamen des Künstlers unterzeichnet (Abb. 59).31 Zu der Gruppe der in der einschlägigen Literatur erwähnten unbestrittenen Werke des Liegnitzer Bildhauers seien noch zwei hinzugefügt: 1. Das Epitaph für Fabian von Reichenbach und seine Ehefrau Katharina, geb. von Ho[ch]berg (gestorben 1588), in der Dorfkirche in Hartmannsdorf, Landkreis Waldenburg, geschaffen im Jahr 1588 oder bald darauf, mit „C.B.“ samt Steinmetzzeichen signiert.32 2. Der kleine Taufstein in der Dorfkirche in Hohenliebenthal, Landkreis Goldberg, mit dem Datum 1594 versehen, mit „C.B.“ samt Steinmetzzeichen signiert, leider in relativ schlechtem Zustand erhalten (verwittert).33 Hochaltar eine Zeitlang aus der Kirchenachse geschoben. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 2, 621; Buchwald: Schloßportal und Grabdenkmäler, 102f., 106–108; Tscheppe: Die Mondschützer Kirche, 56, 61f.; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 110; Harasimowicz: Mors janua vitae, 37, 64f., 88, 140f.; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560– 1650, Bd. 2, 18–21. 31 Lange galt dieses Werk als anonym. Edmund Glaeser, und anschließend andere Forscher, identifizierten es zunächst als das Grabmal für Georg von Schönaich (gestorben 1619), Herrn auf Beuthen und Carolath, einen wichtigen Vertreter des schlesischen Späthumanismus und großen Kulturmäzen. Diese Identifizierung wiederholte Günther Grundmann nach dem Krieg in weiteren Veröffentlichungen, obwohl bereits im Jahr 1942 der lokale Historiker Felix Matuszkiewicz anhand genauer Studien der Grabinschrift und intensiver Forschungen im Archiv korrekt die Personen, deren das Denkmal gedachte, ermitteln konnte. Am Gesims des Gebälks dieses Grabmals steht geschrieben: CASPAR BERGER BILDTH: IN LIG. Knötel, Paul: Geschichte des Epitaphs in Schlesien. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 26 (1892) 27–73, hier 43; Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 66f.; ders.: Bilderwerk schlesischer Kunstdenkmäler, Textbd., 61, 199, 201; Glaeser, Edmund: Bilder aus Beuthen (Oder). In: Grünberger Hauskalender 21 (1931) 43–46, hier 44; Knötel, Paul: Evangelische Kirchenkunst der Reformationszeit im nördlichen Niederschlesien. In: Grünberger Hauskalender 24 (1934) 57–60, hier 60; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 111f.; Hoffmann, Hermann: Die katholischen Kirchen des Landkreises Glogau, Breslau 1937 (Führer zu schlesischen Kirchen 29), 11–14; Matuszkiewicz: Das verkannte „Schönaichsche“ Grabmal, 49; Rudkowski: Renesansowy zespół nagrobków, 139f.; Grundmann, Günther: Stätten der Erinnerung. Denkmäler erzählen schlesische Geschichte, München 1975, 58f.; Harasimowicz: Mors janua vitae, 70f., 88, 130f.; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 21–23. 32 Die im Mai 1979 entdeckte Signatur Bergers befindet sich am unteren Teil des Sockelgesimses, das zugleich den Sturz der Türöffnung zwischen dem Chor und der Sakristei darstellt. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 383; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2,17f. 33 Die Signatur „C.B.“ samt Steinmetzzeichen befindet sich unter dem kleinen Pilaster, der die Reliefs mit der Beschneidung Christi und der Taufe Christi trennt. Sie blieb in der älteren

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Von den beiden weiteren Werken, die Conrad Buchwald (und nach ihm auch andere) Berger zugeschrieben haben, wies nur das Epitaph für Konrad von Hochberg und seine Frau Margarethe, geb. von Brauchitsch (beide 1594 gestorben), in der ehemaligen Dorfkirche in Rohnstock, Landkreis Schweidnitz, geschaffen in den Jahren 1594/95, eine vollständige stilistische Übereinstimmung mit den signierten Werken des Liegnitzer Bildhauers auf.34 Das Epitaph für Hieronymus Langner (gestorben 1580) und seine Ehefrauen Brigitte (gestorben 1553) und Hedwig (gestorben 1591) in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Liegnitz, vor 1591 geschaffen,35 zeigt neben mehreren, mit den unbestrittenen Werken Bergers gemeinsamen Merkmalen, gewisse formale Unterschiede. Daher sollte an dieser Stelle auf eine eindeutige Zuordnung des Epitaphs zu dem Werk des Schöpfers der Liegnitzer Steinkanzel verzichtet werden. Versuche, das Verzeichnis der Werke Caspar Bergers zu erweitern, unternahmen nach dem Vorbild Buchwalds auch andere Forscher. Edmund Glaeser schrieb Berger das große Wandgrabmal der Familie von Rechenberg in der Dorfkirche in Großenbohrau, Landkreis Neusalz, zu,36 das aber – wie nachstehend dargelegt wird einschlägigen Literatur unerwähnt und wurde erst im Juli 1977 entdeckt. Die Jahresangabe 1594 befindet sich am Schaft, unterhalb der Signatur. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 428; Kozak/Steinborn: Złotoryja – Chojnów – Świerzawa, 130; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 17. 34 Die alte Dorfkirche in Rohnstock wurde zwar im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt und dann abgebrochen, das Hochbergsche Epitaph ist jedoch durch alte Photos gut belegt. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 361; ders.: Bilderwerk schlesischer Kunstdenkmäler, Tafel 116/1; Buchwald: Schloßportal und Grabdenkmäler, 107; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 112; Rudkowski: Renesansowy zespół nagrobków, 139; Harasimowicz: Mors janua vitae, 140; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 25–27. 35 Das Todesdatum Hedwigs, die dieses Epitaph wahrscheinlich gestiftet hat, wurde nachträglich hinzugefügt. Conrad Buchwald vermutete, daß unter der dicken Tünche eine Signatur Bergers versteckt sein könnte. Trotz sorgfältiger Untersuchung im Juli 1979 konnte diese aber nicht gefunden werden. Luchs: Liegnitz, 146; Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 217; Langenhan: Liegnitzer plastische Altertümer, 66; Lutsch: Bilderwerk schlesischer Kunstdenkmäler, Tafel 114/3; Buchwald: Schloßportal und Grabdenkmäler, 107; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 112; Rudkowski: Renesansowy zespół nagrobków, 139; Harasimowicz: Mors janua vitae, 55, 89, 114; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 34–36. 36 Edmund Glaeser behauptete, das Epitaph in Großenbohrau trage Bergers Signatur; Kurt Bimler stimmte ihm zu. Eine genaue Untersuchung im März 1978 konnte dies leider nicht bestätigen. An der Existenz einer solchen Signatur – auch wenn man die dicke Tünche berücksichtigt – muß im Licht der formalen Analyse des Grabmals gezweifelt werden. Die Zuschreibung Glaesers galt jedoch eine Zeitlang als berechtigt, sie wurde unter anderen von Paul Knötel und Paul Mertin übernommen. Knötel, Paul: Die Figurengrabmäler Schlesiens, Kattowitz 1890, 13; ders.: Geschichte des Epitaphs, 43; Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 70; Glaeser: Bilder aus Beuthen (Oder), 44; Knötel: Evangelische Kirchenkunst der Reformationszeit, 60; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 111; Matuszkiewicz: Das verkannte „Schönaichsche“ Grabmal, 49; Mertin: Liegnitzer Kunstdenkmäler der Re-

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– mit einer anderen Bildhauerwerkstatt in Verbindung steht. Werner Grundmann sah im Liegnitzer Meister den Schöpfer der Figurengrabplatte für David von Stössel, einer von 16 Grabplatten im Mausoleum für zwei Adelsfamilien – derer von Schindel und von Stössel – in der Dorfkirche in Ober Gläsersdorf, Landkreis Lüben.37 Günther Grundmann formulierte letztendlich die völlig unbegründete Hypothese der Beteiligung Caspar Bergers an der Schöpfung der plastischen Verzierung der Schloßkapelle in Carolath, die der berümten Familie von Schönaich gehörte.38 Diese unbegründete Zuschreibung wurde von polnischen Forschern einvernehmlich abgelehnt.39 Eine Zusammenstellung der bescheidenen Quellenangaben zum Leben Bergers ist insbesondere Kurt Bimler zu verdanken.40 Am 15. Februar 1580 heiratete Ursula Drauschke, Witwe des Liegnitzer Steinmetzes Caspar Drauschke, den Bildhauer Caspar Berger, der wahrscheinlich kurz zuvor in der Stadt eingetroffen war. Dies ist die erste verläßliche biographische Angabe zum Leben des Künstlers und deswegen so bedeutend, weil Berger durch die Ehe mit der Witwe des Steinmetzes bzw. Bildhauers, eines Schülers von Michael Fleiser, in den Besitz einer komplett ausgestatteten Werkstatt gekommen war. Dabei sollte angemerkt werden, daß ein völlig unbekannter Ankömmling nie eine wohlhabende Witwe hätte heiraten können; er mußte sich also einer gewissen Anerkennung in Liegnitz und Um-

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naissance, 96; Harasimowicz: Mors janua vitae, 66f., 88, 103f.; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 84–86. Das gesamte architektonisch-plastische Ensemble wurde von Werner Grundmann irrtümlicherweise dem „Meister G. P“ zugeschrieben, mit dem er eine Reihe wichtiger Werke der manieristischen Steinplastik in Breslau, Oels und Neisse in Verbindung brachte. Das Problem der Urheberschaft des Mausoleums in Ober Gläsersdorf wurde gründlicher von Kurt Bimler und Tadeusz Rudkowski behandelt. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 185; Grundmann, Werner: Die Meister der Neisser Figurengrabmäler gegen Ende des 16. Jahrhunderts. In: Jahresbericht des Kunst- und Altertumsvereins Neisse 35 (1932) 19–25, hier 20; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 147f.; Hoffmann, Hermann: Die Kirchen in Ober Gläsersdorf und Eisemost, Breslau 1936 (Führer zu schlesischen Kirchen 26), 29–33; Rudkowski: Renesansowy zespół nagrobków, 129–141; Harasimowicz, Jan: Marcin Pohl – nieznany rzeźbiarz śląski z początku XVII wieku. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 14 (1986) 85–95, hier 91f.; ders.: Mors janua vitae, 105; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 114–122. Grundmann, Günther/Schadendorf, Wulf: Schlesien, Berlin 1962, 117; Grundmann, Günther: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien, Frankfurt a. M. 1970 (Bau- und Kunstdenkmäler des deutschen Ostens C 4), 16. Marchelek, Kamila: Z badań nad renesansową budową zamku w Siedlisku i jej tło historyczne. In: Zielonogórskie Zeszyty Muzealne 2 (1971), 263–271, hier 268; Banaś, Paweł: Rezension zu: Grundmann, Günther: Der evangelische Kirchenbau in Schlesien, Frankfurt a. M. 1970. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 9 (1973) 92–96, hier 93; Pokora: Sztuka w służbie reformacji, 235f. Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 109–112. Vgl. ferner Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 1, 41f.

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gebung erfreut haben, vielleicht konnte er auch gute Referenzen von seinem früheren Wohnsitz und Arbeitsplatz vorweisen. Der Vermerk über Bergers Tod stammt aus dem November 1595, seine belegte Tätigkeit in Niederschlesien dauerte also knapp 15 Jahre. Im Jahr 1593 verstarb die Ehefrau des Künstlers und hinterließ die beiden Töchter Hedwig und Dorothea sowie die Stieftochter Margarethe. Am 7. Februar 1594, also kurz vor seinem Tod, heiratete Berger wieder: diesmal die Tochter des Kammherstellers Martin Zanne. In den Liegnitzer Urkunden hat sich ein Vermerk zu dieser zweiten Hochzeit erhalten. Unter dem Datum des 12. Februar notierte der Stadtschreiber: „Caspar Berger Bildhauer vorschinen Dinstag seine hochzeitlich Freuden vorbracht, seinen Kirchgangke mit den Stadpfeifern auch einen Tanz in einem Hause privatin gehalten.“41 Dieses fröhliche Fest dürfte bei den an strenge Sitten gewöhnten lutherischen Bürgern keinen Gefallen gefunden haben. In dem Licht erscheint Berger dagegen als ein seines Rufs und seiner Position in der Stadt bewußter Künstler, der das Handeln an der Grenze der zulässigen Norm nicht scheute. Übrigens zeugen bereits sein Selbstporträt an der Rückwand der Liegnitzer Kanzel sowie die namentlichen Unterschriften auf einigen Werken, die damals in Schlesien absolute Ausnahme waren, von seinem hohen Selbstbewußtsein und von gewissem Stolz auf die Meisterleistungen in seinem Beruf. Aber woher kam er, als er sich in Liegnitz niederließ? Davon schweigen die Quellen. Hans Lutsch und Conrad Buchwald wiesen auf die Verwandtschaft der Kanzel Bergers mit dem berühmten Predigtstuhl von Friedrich Gross dem Älteren in der Breslauer Pfarrkirche St. Maria Magdalena hin (Abb. 48).42 Buchwald stellte übrigens fest, Berger wäre Gross’ Schüler gewesen. Kurt Bimler deutete die stilistische Verwandtschaft und die Abhängigkeit Bergers von der Plastik in Neisse und Brieg an. Er wies ebenso auf die strukturellen Ähnlichkeiten seiner Werke mit der sächsischen Schule, insbesondere auf den vergleichbaren Einsatz von Muschelnischen und auf eine übereinstimmende Zierlichkeit der Ornamente sowie der figürlichen Darstellungen hin. Auffallendes Merkmal der signierten Werke Caspar Bergers sind in der Regel ihre gewaltigen Ausmaße und – zu der Zeit war dies in Schlesien keine allgemein41 Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 110. 42 Lutsch: Bilderwerk schlesischer Kunstdenkmäler, Textbd., 210; Buchwald: Schloßportal und Grabdenkmäler, 108. Vgl. ferner Schultz, Alwin: Die Breslauer Stadtbaumeister im sechzehnten Jahrhundert (Friedrich Groß – Hans Schneider von Lindau). In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 1 (1870) 115–137, hier 116–121; Burgemeister, Ludwig/Grundmann, Günther: Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien, Bd. 1: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau, Teil 2, Breslau 1933, 52–54; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 88; Pokora: Sztuka w służbie reformacji, 266–273; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 90, 94f., 100, 104; ders.: Kunst als Glaubensbekenntnis. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte der Reformationszeit, Baden-Baden 1996 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 359), 60f.; Oszczanowski, Piotr: Wrocław. Kościół św. Marii Magdaleny, Warszawa 2009 (Zabytki Polski 2), 46–50.

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übliche Erscheinung, und es war auch nicht mit der Größe der Grabdenkmäler verbunden – ein gewisses Streben nach Monumentalität. Die Epitaphien und Grabmäler in Seifersdorf, Beuthen an der Oder und insbesondere in Mondschütz sind gewaltige architektonisch-plastische Strukturen, im Fall von Beuthen und Mondschütz verbinden sie narrative Reliefs mit knienden oder stehenden Figuren der Verstorbenen in Lebensgröße.43 Gliedernde Unterteilungen wurden mit Hilfe von Säulen (Mondschütz, Hartmannsdorf, Kanzelkorb in Liegnitz) – im unteren Drittel der Schäfte mit Löwenköpfen, tuchtragenden Frauenköpfen und Festons bedeckt – oder von lebensgroßen Karyatiden unternommen. Die Dynamik der gesamten Struktur erreichte Berger durch ein Zurücksetzen der ,Seitenflügel‘ der Denkmäler. Der mittlere Teil rückt somit nach vorne und wird im Fall des Grabmals in Beuthen an der Oder in gewisser Hinsicht zu einer Karyatiden-Halle mit der Darstellung der Versiegelung der Diener Gottes (Offb 7,13–17) an der Rückwand und dem Relief Gottvaters an der Unterseite des Deckels. Die zurückgesetzten Seitenflügel – von außen mit Pilastern abgeschlossen – enthalten in Muschelnischen stehende Figuren Davids und Simsons (Mondschütz) bzw. die Personifizierungen von Tugenden, durch kleine Reliefs der Grablegung Christi und dem Noli me tangere (Seifersdorf ) begleitet. Die die Reliefs umfassenden Ädikulen des zweiten Geschosses werden an ihren Seiten und oberhalb von weiteren Personifikationen der Tugenden (Seifersdorf, Hartmannsdorf ), liegenden Frauengestalten mit Füllhörnern (Beuthen an der Oder), David und Simson (Mondschütz) sowie ovalen Medaillons mit biblischen (Seifersdorf, Hartmannsdorf, Beuthen an der Oder) bzw. heraldischen (Mondschütz) Reliefdarstellungen – von schmalen Obelisken bekrönt – begleitet. Den unteren Abschluß bilden Inschriftentafeln in einer Umrahmung aus Roll- und Beschlagornament, Festons und von Beschlägen durchzogenen Bändern. Die reichen Verzierungen treten ebenso seitlich des Hauptgeschosses als sogenannte Anläufe bzw. Ohren (Seifersdorf, Hartmannsdorf ) oder unter den Seitenflügeln (Ornamentaufhänger in Seifersdorf, Arabeskenfüllungen in Beuthen an der Oder) auf. Das wichtigste und für Berger bezeichnendste Ziermotiv, das ausschließlich von seiner Werkstatt in Schlesien eingesetzt wurde, ist das Gesims, das den oberen Abschluß des Sockelbereichs und zugleich die Basis des Hauptgeschoses der Epitaphien und Grabmäler bildet. Das Gesims zieren stark plastisch dargestellte Obstbündel, Puttenköpfe, zweiköpfige Adler und Festons.44 An manchen Stellen wird das Gesims verdoppelt und umfaßt die zwischen den Konsolen der Karyatiden eingefügten Inschriftentafeln (Seifersdorf ).

43 Diese „Vereinigung der Idee eines Epitaphs mit einem figürlichen Grabmal“ hob noch im ausgehenden 19. Jahrhundert Paul Knötel hervor. Knötel: Die Figurengrabmäler, 13; ders.: Geschichte des Epitaphs, 43; ders.: Evangelische Kirchenkunst, 60. Vgl. ferner Harasimowicz: Mors janua vitae, 61–72. 44 Auf die Bedeutung des Gesimses als der die Werke Bergers identifizierenden Elementes wies bereits Conrad Buchwald hin. Buchwald: Schloßportal und Grabdenkmäler, 107.

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Abb. 59. Das Grabmal Georg von Brauns (gestorben nach 1591) und seiner Ehefrau Anna, geborene von Schkopp (gestorben 1602) in der Pfarrkirche St. Hieronymus in Beuthen an der Oder, ein signiertes Werk des Liegnitzer Bildhauers Caspar Berger, entstand in den Jahren 1591 bis 1594. Zur Sprache kommt hier die kryptocalvinistische Ausrichtung des Verstorbenen, ausgedrückt sowohl im Relief mit der Versiegelung der Diener Gottes an der Rückwand, als auch in der Erwähnung der Lieblingslektüre des Verstorbenen, der Schriften Philipp Melanchthons, im Wortlaut der Grabinschrift.

Die unbestrittene Fähigkeit, dynamische und abwechslungsreiche architektonisch-plastische Strukturen zusammenzustellen, verband sich jedoch nicht mit den rein bildhauerischen Fertigkeiten im Bereich der Vollskulptur und des Reliefs. Häufig konnte sich Berger vom Druck der allgemeinüblichen Formeln der Grabplastik nicht befreien: die Gestalten des Ehepaars von Stosch auf dem Grabmal in Mondschütz stehen in der Tradition der steifen, frontalen Darstellung der Verstorbenen, wie sie von hunderten Grabplatten des schlesischen Adels bekannt ist.45 Die wuchtigen und klotzigen knienden Gestalten Georg von Brauns und seiner Ehefrau in Beuthen an der Oder verraten lediglich in ihren Gesichtszügen eine gewisse Leichtigkeit des Meißels. Ein deutlich höheres Niveau bieten die Karyatiden und 45 Grundmann, Werner: Die oberschlesischen Figurengrabmäler des XVI.–XVIII. Jahrhunderts. In: Hadelt, Alfred (Hg.): Deutsche Kulturdenkmäler in Oberschlesien, Breslau 1934, 31–46; ders.: Oberschlesische Renaissancegestalten in Stein. In: Der Oberschlesier 18 (1936) 256–259; Chrzanowski, Tadeusz: Płyty nagrobne z postaciami w XVI–XVIII wieku na Śląsku Opolskim. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 7 (1970) 75–102; Dobrzyniecki, Arkadiusz: Płyty nagrobne z figurą stojącą na Śląsku w latach 1500–1560, Magisterarbeit (masch.) Wrocław 1993.

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die allegorischen Figuren in Seifersdorf und Beuthen an der Oder. Sie sind relativ schmal und zugleich kompakt. Ihre Komposition zeigt das Streben nach einer Darstellung in freier kontrapostischer Haltung; dies findet in dem vorgeschobenen Spielbein mit leicht angewinkeltem Knie seinen Ausdruck. Die Kleider hüllen die Gestalten weich ein, dabei spannen sie sich manchmal leicht an den Brüsten oder an dem vorgeschobenen Knie. Ihre Falten fallen – üblicherweise im vorderen bzw. leicht seitlichen Teil der Figuren – v-förmig herab. Angesichts der ausbalancierten Ponderation und dem weichen, wenn auch tiefen Faltenwurf der Kleider der Allegorien muß der Versuch, die historischen Gestalten von Königen und Helden (Mondschütz, Kanzelfuß in Liegnitz) dynamischer wiederzugeben, als nicht besonders gelungen bewertet werden. Defizite im Bereich anatomischer Kenntnisse kommen unter anderem bei dem Versuch, die Figuren in Bewegung zu zeigen, in der falschen Position der Beine gegenüber dem Körper sowie in allzu stämmigen Proportionen zum Vorschein. Die Figuren der Liegnitzer Kanzel, insbesondere Moses, weichen relativ stark von den Karyatiden aus Seifersdorf und Beuthen an der Oder ab. Die Gestalt Moses’ ist in ein sehr weites Gewand eingehüllt, klein, aber verhältnismäßig tief gefaltet, so daß er doppelt umgürtet zu sein scheint. An den Ärmeln bilden die Falten dichte Pyramiden ringförmiger Rollen. Diese agile und unruhige Faltenstruktur, die eine Verstärkung des Ausdrucks zum Ziel hatte, sowie Unterschiede in Komposition und Körperhaltung zu Figuren mit ähnlicher Funktion (Karyatide und Kanzelstütze) lassen vermuten, daß der Künstler der Figuren an der Liegnitzer Kanzel – ganz sicher jedoch der Schöpfer der Moses-Figur – und der Bildhauer der Karyatiden nicht identisch waren. Aus der Tatsache, daß die Grabdenkmäler in Seifersdorf und Beuthen an der Oder später als die Kanzel entstanden sind, kann man schlußfolgern, daß die Form der Kanzelfiguren von der künstlerischen Persönlichkeit eines mitwirkenden Gehilfen Bergers geprägt wurde. Eine gewisse Ähnlichkeit mit den Figuren am Stützpfeiler des Predigtstuhls weisen die allegorischen Gestalten im Abschluß des Epitaphs in Hartmannsdorf auf; und insbesondere die halb liegenden, die Kartusche stützenden Allegorien des Glaubens und der Hoffnung, deren unnatürliche Haltung und dichter, unruhiger Rhythmus des Faltenwurfs der Kleider, verraten die Hand desselben Schöpfers wie im Fall der Figur Moses’. Jener anonyme Helfer Caspar Bergers mußte in den Jahren 1589 bis 1590 aufgehört haben, mit dem Liegnitzer Meister zusammenzuarbeiten, denn die Werke aus den neunziger Jahren enthalten keine Elemente, die stilistisch den Figuren der Kanzelstütze oder dem Abschluß des Reichenbach-Epitaphs nahestünden. Es gibt dafür einige weitere, mit der Kanzel mehr oder weniger zeitgleiche Epitaphien und Grabmäler, an denen – davon wird nachfolgend die Rede sein – die Spuren der Tätigkeit desselben Mitarbeiters von Berger zu finden sind. Ob dieser der am Epitaph aus dem Jahr 1586 in Mondschütz als „B.G.G.“ Unterzeichnete war, kann man heute nicht eindeutig sagen. Allerdings, wenn man annimmt, daß „C.B.B.L.“

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für „Caspar Berger, Bildhauer in Liegnitz“ stand, könnte „B.G.G.“ für einen anderen Künstler gestanden haben, beispielsweise „Bildhauer G.G.“. Die im Rahmen der „Kleinarchitektur“ plazierten Reliefs sind bei Berger in Hinsicht auf ihre Qualität sehr unterschiedlich.46 Selbst in der Komposition der Flachbilder am Treppengeländer der Kanzel wurde die Perspektive des Bildraums falsch ermittelt; dadurch „rutschte“ das Ganze ab. Der Liegnitzer Meister schuf seine Reliefs so ,weich‘ wie ein Maler. Er setzte grundsätzlich nur Vorder- und Hintergrund ein und hatte demzufolge große Probleme damit, den Raum und die Tiefe aufzubauen. Wolken vermitteln zum Beispiel bei den meisten Reliefs den Eindruck, als wären sie nachträglich ,aufgeklebt‘ worden. Die Defizite der zeichnerischen Fertigkeiten, die Lücken in der Kenntnis perspektivischer Verkürzungen, versuchte Berger mit abrupten Bewegungen der Gestalten und einer Verdichtung der Komposition zu kompensieren.47 Die endgültige Wirkung seiner Reliefs wurde auch von der Bemalung beeinflußt, deren Spuren sich in Seifersdorf und Mondschütz erhalten haben. Diese farbige Fassung, manchmal auch mit zusätzlicher Vergoldung verbunden, verlieh den Epitaphien und Grabmälern Bergers besonderen Glanz: Sie zogen wie riesige Juwelen die Blicke an. Die Quelle der Darstellungen, und insbesondere der Reliefs waren für Berger mit Sicherheit Illustrationen aus den lutherischen Bibel-Ausgaben, möglicherweise durch Stifter empfohlen, die sie von täglichen Lesungen kannten.48 Der Künstler griff ebenso auf niederländische Radierungen zurück, indem er – in Mondschütz und Rohnstock – die dem Kupferstich von Hieronymus Wierix nach Crispin van den Broeck entnommene Darstellung der „Allegorischen Kreuzigung“ einsetzte, die darüber hinaus in Schlesien durch drei andere Werke bekannt war.49 Der Liegnitzer Bildhauer schöpfte auch aus der Schatzkammer der Dekorationsmotive, die zweifellos die niederländischen Säulen- und Vorlagebücher dieser Zeit darstellten. In Cornelis Floris’ „Veelderly niewe inventien“ mußte er das Vorbild für die auffal-

46 Zum Beispiel das Relief der Versiegelung der Diener Gottes am Grabmal in Beuthen and der Oder, zum Teil auch die Reliefs an der Kanzel in Liegnitz und am Taufstein in Hohenliebenthal, stellen wahrscheinlich Werke von Schülern bzw. Gehilfen dar. 47 Haendcke: Zur Geschichte der Plastik Schlesiens, 232. 48 Die erwähnte Szene der Versiegelung der Diener Gottes am Grabmal in Beuthen an der Oder, mit dem langen Zitat aus der Offenbarung des Johannes versehen (Offb 7, 13–17), basiert auf einem Holzschnitt aus der im Jahr 1565 erschienenen Wittenberger Bibel. 49 Diese Darstellung tritt an einem plastischen Epitaph in Neisse, einem gemalten Epitaph in Breslau und am Mittelschrein eines Klappaltars aus der Dorfkirche in Massel, Landkreis Trebnitz, der nach dem Zweiten Weltkrieg nach Breslau (St. Christophorikirche) gebracht wurde, auf. Hollstein, Friedrich W. H.: Dutch & Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts ca. 1450–1700, Bd. 3, Amsterdam [o.J.], 226; Steinborn: Malowane epitafia mieszczańskie, 97; Chrzanowski: Rzeźba lat 1560–1650, 54; Harasimowicz, Jan: Typy i programy śląskich ołtarzy wieku reformacji. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 12 (1979) 7–27, hier 21; ders.: Mors janua vitae, 140–142; ders.: Kunst als Glaubensbekenntnis, 74.

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lenden Gesimse mit Vögeln und Obstbündeln,50 für die Karyatiden und FlorisRundscheiben sowie für die von Roll- und Beschlagwerk eingefaßten Inschriftentafeln gefunden haben. Unter den zahlreichen Werken der Steinplastik in Niederschlesien im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts steht zweifellos eine Gruppe von Epitaphien und Grabmälern mit der Werkstatt Caspar Bergers in Verbindung, auch wenn es in keinem der Fälle gelungen ist, seine Signatur zu finden. Schon Conrad Buchwald schrieb Berger völlig begründet das Hochberg-Epitaph in Rohnstock zu – wohl das letzte große Werk des Meisters der Liegnitzer Kanzel, entstanden in den Jahren 1594 bis 1595. Dazu traten die zu einem neuen Ganzen zusammengestellten Elemente der bereits bekannten Werke des Bildhauers und insbesondere des Epitaphs in Seifersdorf und des Grabmals in Beuthen an der Oder. Das erstgenannte Werk weist eine ähnliche Komposition und viele ähnliche Details auf, beispielsweise den Fries mit den Hauben und den Pfaufederbündeln unterhalb des Hauptreliefs, in dem zweitgenannten kommen vergleichbare liegende Frauengestalten mit Füllhörnern in der Bekrönung vor. Im Gegensatz zu Seifersdorf rückten in Rohnstock die seitlichen Elemente, die Formen von Säulenädikulen annahmen, nach vorne und knüpften dadurch verstärkt an das Konzept des für ein Grabmal durchaus angemessenen Triumphbogens an.51 Den Werken Caspar Bergers muß ebenso das Epitaph für Peter Haunold (gestorben 1588) und seine Ehefrauen Ursula (gestorben 1552) und Martha (gestorben 1582) in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Liegnitz52 sowie das Grabmal für Wladislaw von Stosch (gestorben 1582) in der Pfarrkirche St. Lorenz in Groß

50 Hedicke: Cornelis Floris, 16, 32–34, Tafel 12. Die Motive, die für Berger einen Ausgangspunkt in der Schöpfung der für ihn typischen dekorativen Gesimse darstellten, zieren das Grabmal im Entwurf Nr. 1, und insbesondere das Sargmotiv im Entwurf Nr. 6 (in der Mitte der zweiköpfige, von Festons flankierte Adler). Die in den Entwürfen angewandte Ornamentik wurde dann von Cornelis Floris in den Epitaphien für Johann Hulten, für einen unbekannten Offizier, für Dirk van Assendelft und für Johann van Dendermonde, alle in der Großen Kirche in Breda, eingesetzt. Die erwähnten Epitaphien sowie die Karyatiden von dem Grabmal Friedrichs I., König von Dänemark und Norwegen, im Dom St. Petri in Schleswig (1552–1555), dank dem Stich aus der „Veelderly niewe inventien“ verbreitet, müßten selbstverständlich bei der Erforschung niederländischer Einflüsse auf die Kunst Caspar Bergers berücksichtigt werden. 51 Noack, Ferdinand: Triumph und Triumphbogen. In: Saxl, Fritz (Hg.): Vorträge der Bibliothek Warburg. Vorträge 1925–1926, Leipzig/Berlin 1928, 147–201; Evers, Hans Gerhard: Tod, Macht und Raum als Bereiche der Architektur, München 1939, 104–108. 52 Kurt Bimler schreibt dieses Epitaph mal Balthasar Schnitzer, Schüler von Michael Kramer, mal Caspar Berger zu. Daß Berger den Rahmen geschaffen hat, ist sehr wahrscheinlich. Die Platte dürfte dagegen sowohl von einem Schnitzer als auch von einem anderen Bildhauer stammen. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 217; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 112, 142; Harasimowicz: Mors janua vitae, 75, 112; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 64–66.

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Tschirnau, Landkreis Guhrau, 53 zugerechnet werden. Beide entstanden frühestens im Jahr 1582, in beiden treten die in ihrer Form sehr ähnlichen Karyatiden auf: kompakt, massiv, mit am Bauch und an der Brust gespannten Kleidern, die in breiten, weichen, den Rhythmus einiger Biegungen in V-Form bildenden Falten herabfallen. Diese Karyatiden – und am Grabmal in Groß Tschirnau auch die Figuren in den Nischen und im oberen Abschluß – haben ihre Analogien in Beuthen an der Oder und insbesondere in Seifersdorf. Sie sind lediglich etwas breiter, ihre Köpfe sitzen beinahe direkt auf den Rümpfen. Eine gewisse Grobheit der Ausführung – auch in den Reliefs erkennbar – läßt in den beiden Grabmälern entweder Bergers frühe Werke, die noch vor dem Beginn der Arbeit an der Liegnitzer Kanzel geschaffen worden waren, oder Werke, die unter weitgehender Mitwirkung von Gehilfen bzw. Mitarbeitern entstanden, erkennen. Das Grabmal in Groß Tschirnau steht bezüglich des Aufbaus dem Epitaph in Seifersdorf nahe, es führt jedoch Karyatiden auch im zweiten Geschoß ein, während das Hauptgeschoß seitlich des Treppengeländers von der Liegnitzer Kanzel ähnlichen Pilastern abgeschlossen wird. Die Figur des Verstorbenen ähnelt zum Verwechseln seinem Namensvetter und Verwandten von dem Grabmal in Mondschütz, nur die Hände sind hier in konventioneller Gebetsgeste gefaltet. Das Repertoire der ornamentalen Motive und die Art ihrer Bearbeitung, insbesondere das typisch Bergersche Gesims sprechen zusätzlich für diese Zuschreibung. Das Haunold-Epitaph weist ebenfalls mehrere Ähnlichkeiten mit den von Berger signierten Werken auf; das Fehlen des Bergerschen Gesimses ergibt sich wohl daraus, daß hier die Aufgabe des Künstlers lediglich in der Anfertigung der Umrahmung für die von einem anderen Meister geschaffenen heraldischen Inschriftentafeln bestand. Unter den Obstbündeln, die die untere Inschriftenkartusche umfassen, erscheinen an einer Schnur aufgereihte Fische; dieses Motiv tritt in der schlesischen Plastik dieser Zeit wohl ausschließlich in Seifersdorf auf. Der auferstandene Christus in der abschließenden Arkade erinnert an den Heiland im Auferstehungsrelief am Korb der Liegnitzer Kanzel. Das von Conrad Buchwald Caspar Berger zugeschriebene Langner-Epitaph in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Liegnitz weist in der Tat zahlreiche mit den Grabdenkmälern in Mondschütz, Seifersdorf, Beuthen an der Oder und insbesondere in Hartmannsdorf gemeinsame Merkmale auf. Das Bergersche Gesims wurde dort eingesetzt, das Repertoire der Dekorationsmotive wiederholt, es fällt auch eine allgemeine Konvergenz der Komposition auf. Das obere Geschoß erinnert an das kleine Epitaph für die Kinder von Stosch in Mondschütz, was vermuten läßt, daß das Liegnitzer Werk in derselben Zeit – also um 1586 – entstanden ist. Der Ab53 Bogusława Baranowska bemerkt in diesem Grabmal, auf 1583 bis 1590 datiert, „Bergers Einflüße“. Stifter waren wahrscheinlich zwei Brüder des vorzeitig verstorbenen Wladislaw von Stosch: David und Balthasar der Jüngere. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 2, 668; Baranowska: Epitafia rodziny von Stosch w Czerninie, 30–41; Harasimowicz: Mors janua vitae, 66, 88, 115; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 37–39.

Caspar Berger – ein Liegnitzer Bildhauer des Manierismus

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schluß hat beinahe dieselbe Struktur wie das Epitaph in Hartmannsdorf. Aber auch zahlreiche Unterschiede dürfen nicht übersehen werden: Die Ornamente sind fleischiger und ihr Repertoire erscheint reichhaltiger. Vor allem aber unterscheiden sich die Figuren, die in den Seitennischen der Ädikulen und seitlich der oberen Stockwerke stehen, sowie die Reliefgestalten in den kleinen Arkaden über den Seitenädikulen. Diese Figuren, insbesondere die oberen, sind in heftiger Bewegung dargestellt, ihre Kleider bilden ein dynamisches System kleiner, tiefer Falten. Ähnlich bearbeitet wurden die Figuren an der Stütze der Liegnitzer Kanzel sowie diejenigen im oberen Abschluß des Epitaphs in Hartmannsdorf. Das Langner-Epitaph ist also unter möglicherweise entscheidender Beteiligung desselben Bildhauers aus dem Kreis Caspar Bergers entstanden, der mit dem Meister in der Zeit des Kanzelbaus zusammengearbeitet hat. Vielleicht beziehen sich auf diesen anonymen Schöpfer bzw. Mitschöpfer (der Entwurf des Ganzen könnte von Berger selbst stammen) des Langner-Epitaphs, der Liegnitzer Kanzel und des Reichenbach-Epitaphs in Hartmannsdorf die Buchstaben „B.G.G.“ am kleinen Epitaph in Mondschütz. Das Langner-Epitaph wurde wahrscheinlich zum Ausgangspunkt und zum Vorbild für drei weitere Werke der Grabplastik. Sie entstanden ungefähr zu der gleichen Zeit, in den Jahren 1586 bis 1588, also während der Arbeit an der Liegnitzer Kanzel. Ihre Schöpfer waren möglicherweise die in der Werkstatt Bergers beschäftigten Steinmetze und Bildhauerschüler, wahrscheinlich unter bedeutender Beteiligung des Schöpfers des Langner-Epitaphs. Vom Meister persönlich dürften die Entwürfe der Epitaphien stammen; vielleicht beaufsichtigte er auch direkt deren Anfertigung. Die Epitaphien wiederholen ziemlich treu – wenn auch vereinfacht – die Struktur und das Ideenprogramm des Langner-Epitaphs; sie stehen ihm auch in bezug auf die Form der Reliefs und der Figuren nahe. In der Mitte befindet sich in allen genannten Fällen das Relief der Auferstehung Christi und in den Anläufen kleine Plaketten mit Reliefs der Grablegung Christi und dem Noli me tangere (Abb. 26). Auch das Bergersche Gesims fehlt nicht, und das Repertoire an ornamentalen Motiven geht – wenn auch etwas eingeschränkt – vor allem auf das Langner-Epitaph zurück. Es sind die folgenden Werke: 1. Das Epitaph für den Arzt Balthasar Hartranft (gestorben 1586) und seine Ehefrau Katharina, geb. Rabe (gestorben 1586), in der Pfarrkirche St. Martin in Jauer, mit dem Relief des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter im zweiten Geschoß.54

54 Von diesem Epitaph wurde in den letzten Jahren auf Anregung des Amts für Denkmalpflege der Woiwodschaft Liegnitz die Schicht eines schwarzen, teerigen Lacks entfernt. Eine restliche Bemalung und Vergoldung sind hier erhalten geblieben. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 403; Koischwitz, Otto: Jauer. Ein Wegweiser durch die Heimat und ihre Geschichte, Jauer 1930, 54f.; Harasimowicz: Mors janua vitae, 55, 115; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 43f.

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Abb. 60. Das Steinepitaph für Heinrich von Schindel (gestorben 1584) und seine Ehefrau Hedwig, geborene von Nimptsch (ohne Todesvermerk) in der Dorfkirche in Schosnitz, Landkreis Breslau – nach dem darauf angegebenen Datum im Jahr 1586 geschaffen – ist ein Werk eines namentlich unbekannten Helfers Caspar Bergers. Typisch ist hier die Verstärkung der Aussage des zentralen Reliefs der Auferstehung Christi durch zwei kleinere flankierende Reliefs: Grablegung Christi und Noli me tangere.

2. Das Epitaph für Heinrich von Schindel (gestorben 1584) und seine Ehefrau Hedwig, geb. von Nimptsch, in der Dorfkirche in Schosnitz, Landkreis Breslau, mit der Jahresangabe 1586 (Abb. 60).55

55 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 2, 454; Hoffmann, Hermann: Die Kirche zu Schosnitz, Breslau 1935 (Führer zu schlesischen Kirchen 14), 15–17; Degen, Kurt: Die Bauund Kunstdenkmäler des Landkreises Breslau, Frankfurt a. M. 1965 (Bau- und Kunstdenkmäler des deutschen Ostens C 1), 288; Zlat: Mieczysław: Nobilitacja przez sztukę – jedna z funkcji mieszczańskiego mecenatu w XV i XVI wieku. In: Harasimowicz, Jan (Hg.): Sztuka miast i mieszczaństwa XV–XVIII wieku w Europie Środkowowschodniej, Warszawa 1990, 77–100, hier 96; Pokora, Jakub/Zlat, Mieczysław (Hg.): Katalog zabytków sztuki w Polsce. Seria Nowa, Bd. 4: Województwo wrocławskie, Heft 2: Sobótka, Kąty Wrocławskie i okolice, Warszawa 1991, 123; Harasimowicz: Mors janua vitae, 36, 55, 115; Kogut, Mieczysław: Sanktuarium Męki Pańskiej w Sośnicy, Wrocław 2000, 18, 20; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 41–43.

Caspar Berger – ein Liegnitzer Bildhauer des Manierismus

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3. Das Epitaph für Wolffrom von Tschammer und seine Ehefrau Anna, geb. von Stosch (gestorben 1585), in der Dorfkirche in Groß Osten, Lankreis Guhrau.56 Die zwei letzteren Epitaphien wiederholen nach dem Langner-Epitaph auch das Relief des zweiten Geschosses: das Gebet Christi auf dem Ölberg. Sie sind beinahe identisch, abgesehen von kleinen Unterschieden in der Ornamentik und der abweichenden Plazierung des zwei Zonen umfassenden heraldischen Frieses. Die Epitaphien in Schosnitz und Groß Osten sind nicht die einzigen Beweise für die Vervielfältigung gleicher Schemata in der Werkstatt Caspar Bergers. Vom massenhaften Charakter der Anfertigung der Epitaphien in diesem Atelier zeugt ausdrücklich das Epitaph für Georg von Schweinitz und seine Ehefrau Anna, geb. Schir von Kotz, entstanden wahrscheinlich 1588/89, in der Dorfkirche in Kauder, Landkreis Jauer.57 Es stellt schlicht eine Replik des Reichenbach-Epitaphs in Hartmannsdorf dar, in der lediglich die Form des Abschlusses einfacher gestaltet wurde, indem die halb liegenden, die Kartusche (hier ohne Relief ) stützenden Gestalten weggelassen wurden und der untere Teil (wo sich in Hartmannsdorf die Tür befindet) eine Kartusche mit Inschrift erhielt. Die Kaudersche Wiederholung der Komposition und der Details des Epitaphs in Hartmannsdorf muß keineswegs handwerkliche Routine oder ein Konzeptdefizit bedeutet haben, sondern sie kann Folge eines ausdrücklichen Wunsches ihrer Stifter gewesen sein. Beide Herren ließen ihre Epitaphien zu Lebzeiten errichten, wahrscheinlich unter Berücksichtigung der jeweiligen finanziellen Lage. Beide Denkmäler fallen durch sorgfältig ausgewählte Bibelsprüche auf, die ihre programmatische Aussage unterschiedlich und individuell prägen. Die von Caspar Berger und seinen Mitarbeitern geschaffenen Werke der Grabskulptur mußten sich unter ihren Zeitgenossen hoher Anerkennung erfreut haben, zumal sie zu nachahmenswerten Vorbildern wurden. Als Werk eines Epigonen des Liegnitzer Meisters müßte so das Epitaph für Friedrich von Abschatz (gestorben 1595) und seine Frau Eva, geb. von Eck, in der Dorfkirche in Schmellwitz, Landkreis Neumarkt, betrachtet werden.58 Ein unbekannter Bildhauer, vielleicht einer 56 Bei der Ausführung dieses Epitaphs mußte wohl der Stifter die gleiche Werkstatt mit der Anfertigung des Grabdenkmals für die vier zuvor verstorbenen Mitglieder der Familie von Tschammer beauftragt haben. Gleich daneben an der Wand befindet sich das eigentümliche Werk, das sich aus vier kleineren, aufgestockten und durch einen gemeinsamen, von einem Wappentondo mit Obelisk abgeschlossenen Rahmen zusammengebrachten Epitaphien zusammensetzt. Christus mit Kreuz im oberen Quartier, angebetet von der knienden Familie derer von Tschammer, wiederholt das Motiv von dem oberen Abschluß des Epitaphs in Hartmannsdorf. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 2, 665; Harasimowicz: Mors janua vitae, 55, 115; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 33f., 40f. 57 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 358; Harasimowicz: Mors janua vitae, 52, 112; ders.: Kunst als Glaubensbekenntnis, 130f.; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 46f. 58 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 2, 485; Harasimowicz: Mors janua vitae, 55, 116; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 68f.

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der früheren Schüler Bergers, wiederholte hier identisch das zentrale Relief des Epitaphs in Seifersdorf, in den Anläufen plazierte er zwei Reliefplaketten und im Abschluß einen Spiegel-Tondo wie in Kauder. Weniger direkt, wenn auch deutlich sichtbar (Karyatiden, kleine Reliefs in den Anläufen), sind die Inspirationen Bergers im Epitaph für Bartsch von Poppschütz (gestorben 1568) und seine Frauen: Salome, geb. von Schkopp (gestorben 1555), und Margarethe, geb. von Nostitz (gestorben 1583), in der Dorfkirche in Poppschütz, Landkreis Neusalz,59 sowie im Epitaph für Christoph von Haubitz (gestorben 1555), seine Ehefrau Katharina, geb. von Tschammer (gestorben 1586), und seinen Sohn Hans (gestorben 1587), in der Dorfkirche in Groß Osten, Landkreis Guhrau, ungefähr zu der gleichen Zeit entstanden.60 Zum Abschluß all dieser direkten und indirekten Zuschreibungen muß nochmals hervorgehoben werden, daß die in den schriftlichen Quellen belegte Präsenz Caspar Bergers in Liegnitz den Zeitraum von 1580 bis 1595 umfaßt; davon können nur zwölf bis dreizehn Jahre anhand seiner erhaltenen Werke verfolgt werden. Auffallend ist die beträchtliche regionale Streuung der Aufträge: von Hartmannsdorf bei Landeshut im Süden bis Groß Tschirnau bei Polnisch Lissa im Norden; von der Umgebung Löwenbergs im Westen bis Neumarkt und Breslau im Osten. Dies zeugt vom Rang der Werkstatt und dem beachtlichen Ruf, den Berger in ganz Niederschlesien erlangt haben mußte. Die Aufträge ergaben sich sicherlich zum Teil aus den familiären Beziehungen der Stifter: Die Empfehlungen der Familie von Stosch aus Mondschütz konnten zum Beispiel die Entstehung der Grabdenkmäler in Groß Tschirnau, Seifersdorf und Groß Osten beeinflußt haben. Der Liegnitzer Künstler hatte, indem er hauptsächlich für den protestantischen Adel arbeitete, die Gelegenheit, Epitaphien und Grabmäler von beträchtlichen Ausmaßen, mit reichhaltigen, individuell ausgerichteten Ideenprogrammen zu schaffen.61 Von seiner Hand stammen einige sehr originelle Werke, bei denen er offensichtlich sein ganzes Können einsetzte. Einige Grabdenkmäler entwarf er nur, und mit der Anfertigung beauftragte er dann seine Mitarbeiter oder Gehilfen, die mehr oder weniger gekonnt die Formen seiner Kunst umsetzten. Unter den Bildhauern und Steinmetzen um Caspar Berger fällt zweifellos der (Mit-)Schöpfer des Langner-Epitaphs auf – wohl der talentierteste Mitarbeiter des Meisters in den achtziger Jahren. 59 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 96; Harasimowicz: Mors janua vitae, 55, 113f.; Beck: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 1, 64f. 60 Die Umrahmung aus Sandstein enthält hier das Relief der Taufe Christi, angefertigt aus Alabaster. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 2, 665; Harasimowicz: Mors janua vitae, 47, 121; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 66f. 61 Die Frage nach den Ideenprogrammen der behandelten Werke Caspar Bergers ist für den Verfasser dieses Beitrags am interessantesten. Hier wurde sie eigentlich weggelassen: Denn zunächst ist die Systematisierung des Kunstdenkmälerbestands, insbesondere die Lösung der Zuschreibungsfragen, erforderlich. Vgl. ferner Harasimowicz, Jan: Wkład Legnicy w kulturę artystyczną Śląska od średniowiecza do końca XIX wieku. In: ders. (Hg.): Kultura artystyczna dawnej Legnicy, 9–26, hier 17–19; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 1, 268–277.

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In stilistischer Hinsicht gehört Caspar Berger der manieristischen Strömung innerhalb der schlesischen Renaissanceplastik an. In seiner Auslegung der niederländischen Formen bleibt er jedoch relativ originell – und das nicht nur für ostmitteleuropäische Verhältnisse. Die Art der Umformung der ornamentalen Vorschläge Cornelis Floris’ in jenes dekorative Bergersche Gesims findet beispielsweise nur in der fränkischen Plastik des ausgehenden 16. und frühen 17. Jahrhunderts ihre Entsprechung.62 Um festzustellen, welcher stilistischen Ausrichtung die durch Berger vollzogene Auslegung des niederländischen Manierismus angehört, müssen wir noch einmal auf die Frage seiner Abstammung zurückgreifen. Von einer möglichen Lehre Bergers bei Friedrich Gross dem Älteren ist uns nichts Zuverlässiges bekannt, darüber hinaus unterscheiden sich die Werke des Breslauer Meisters von den Werken des Liegnitzers in weiten Teilen. Der für Gross typische „Klassizismus“ sowie eine gewisse Zurückhaltung beim Einsatz niederländischer Ornamentik prägten sich wahrscheinlich während seiner Lehre in der Werkstatt seines Onkels väterlicherseits, Hans II. Walther, eines der wichtigsten Meister der Dresdner Bildhauerschule, ein.63 Daß Berger die Großschen Kunstformen nicht gekannt hätte oder daß er in seinem künstlerischen Werdegang den direkt oder indirekt dem Dresdner Künstlerkreis – bekanntlich von großer Bedeutung für die schlesische Plastik der Renaissance und des Manierismus – entstammenden Künstlern wie Friedrich Gross oder Michael Kramer nicht begegnet wäre, ist eher unwahrscheinlich. Die Liegnitzer Kanzel sowie die Epitaphien und Grabmäler Bergers hätten ohne die Kenntnis von Werken wie dem Portal der Schloßkapelle in Dresden (1555), von dem italienischen Künstler Giovanni Maria und Hans II. Walther errichtet, dem Epitaph für Hugo von Schönburg (gestorben 1566) in der Pfarrkirche St. Bartholomäus in Waldenburg, Landkreis Zwickau, von Christoph II. Walter gearbeitet, oder dem steinernen Altarretabel, das nach 1572 von Hans II. Walter für die Pfarrkirche zum Heiligen Kreuz in Dresden geschaffen wurde, nicht entstehen können.64 Das Schaf62 Es handelt sich um den sogenannten Apostelaltar aus dem Jahr 1596 in der Pfarrkirche St. Burkhardt in Messelhausen, Main-Tauber-Kreis, das Werk Michael Junckers, sowie um den Abschluß des zweiten Geschosses des Grabmals für Stephan Zobel (gestorben 1597) in der Wallfahrtskirche Maria Sondheim in Arnstein, Landkreis Main-Spessart, geschaffen von Johannes Juncker, Michaels Sohn. Bruhns, Leo: Würzburger Bildhauer der Renaissance und des werdenden Barock. 1540–1650, München 1923, 232–234, 247, 250, Tafel 64, 66. 63 Haendcke, Berthold: Studien zur Geschichte der Plastik der Spätrenaissance und Barockzeit in Sachsen, Dresden 1903, 36–40; Nickel, Walter: Die Breslauer Steinepitaphien aus Renaissance und Barock, Straßburg 1924 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 225), 10–20; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 87–90; Zlat: Sztuka renesansu i manieryzmu 1500–1650, 236–241; Skuratowicz: Początki nurtu niderlandzkiego, 304–310; Zlat: Rzeźba i malarstwo w latach 1525–1650, 232–235; Harasimowicz: Mors janua vitae, 84. 64 Haendcke: Studien zur Geschichte der Plastik, 17–68; Hentschel, Walter: Dresdner Bildhauer des 16. und 17. Jahrhunderts, Weimar 1966, 43–52, 115–117, 125–128, Abb. 18, 34, 39; Keisch, Claude: Zum sozialen Gehalt und zur Stilbestimmung deutscher Plastik 1550–1650:

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fen des Letztgenannten scheint für Caspar Berger erstrangige Bedeutung gehabt zu haben. Die Karyatiden der Epitaphien und Grabmäler des Liegnitzer Meisters könnten durchaus den drei Karyatiden entstammen, die von Hans II. Walther für das nicht vollständig erhalten gebliebene Epitaph für Melchior Trost (gestorben 1559) geschaffen wurden,65 oder auch der durch denselben Künstler geschaffenen Engelsfigur, die die Kanzel in der alten Frauenkirche in Dresden (1556/57) stützte.66 Was die Art des Bildhauens selbst – weich, malerisch, auf der Bearbeitung der Oberfläche des Reliefs mit einem System kleiner faltenartiger Furchen aufbauend – anbetrifft, genügt es, wenn wir das Relief Gottvaters am Grabmal der Familie von Braun in Beuthen an der Oder mit dem Gottvater-Relief, das einst das berühmte Positiv der sächsischen Kurfürsten aus dem Jahr 1583 schmückte67 – von Christoph II. Walter geschaffen und im Zweiten Weltkrieg zerstört – vergleichen. Trotz der beträchtlichen Differenz in der Größe – das Relief am Positiv stellte eine kleine Plakette dar – ist die Ähnlichkeit augenscheinlich, ungeachtet eines gewissen Ungeschicks am Relief Bergers. Alles spricht also dafür, daß Berger und Gross ihr Handwerk in der gleichen, nämlich Dresdner Schule lernten. Zum Abschluß sei noch gesagt, daß der bereits erwähnte Steinaltar in der Pfarrkirche zum Heiligen Kreuz in Dresden im Jahr 1579 von einem „Maler Caspar Berger“ vergoldet wurde.68 War es etwa der gleiche Mann, der ein Jahr später in Liegnitz seine Hochzeit mit der Witwe Drauschke feierte? Die sorgfältige Bemalung und Vergoldung wird ja ein Merkmal der meisten Skulpturen Bergers gewesen sein;69 außerdem gab es unter den bekannten Künstlern mit dem Namen Berger keinen Caspar, Maler aus Dresden.70 Ungeachtet dessen, ob jener Maler und der Liegnitzer „Werckmeister“ eine und dieselbe Person waren oder ob der Maler nur sein Verwandter war (sein Vater?), bestätigt diese Information in gewisser Hinsicht die These von der sächsischen Abstammung des Liegnitzer Meisters. Er schlug jedoch einen anderen Weg als Gross ein, erhöhte die Dynamik der architektonisch-plastischen Strukturen, hob die dekorativen Eigenschaften der Ornamente und selbst der Figuren und Reliefs hervor. Im Vergleich

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Sachsen, Brandenburg, Anhalt, Stifter Magdeburg und Halberstadt, phil. Diss. (masch.) Berlin [Ost] 1970, 11–14. Hentschel: Dresdner Bildhauer, 121f., Abb. 26. Ebd., 122f., Abb. 28. Die Kanzel befindet sich heute in der Gottesackerkirche in Bischofswerda. Ebd., 132f., Abb. 59. Ebd., 128. Mehrfarbige Bemalung und Blattgold wurden unter anderem bei der Konservierung des erwähnten Epitaphs der Familie Hartranft in der Pfarrkirche St. Martin in Jauer entdeckt. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lebten in den Ländern nördlich der Alpen sieben Künstler mit dem Namen Berger, darunter Jakob Berger, Goldschmied in Breslau (gestorben vor 1579), Lorenz Berger, Maler in Breslau (erwähnt 1575) und Jörg Berger, Goldschmied in Erfurt (erwähnt 1568–1577). Thieme/Becker (Hg.): Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler, Bd. 3, 395–399.

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zur Tektonik der Werke von Gross bevorzugte er deutlich die „bildhauerischen“ Richtlinien beim Formaufbau. Er schuf diese in Schlesien einmaligen und in ihrer dekorativen Profusion und Dynamik – abgesehen von den Arbeiten des sogenannten Meisters der Sitsch-Stiftung in Neisse71 – einzigartigen Werke. Und daß seine Figuren und Reliefs nicht immer anatomisch korrekt und in ihrer Aussage nicht tiefgreifend sind? Auch an Cornelis Floris – der ein Künstler höheren Ranges als Berger war – hat die Forschung Ähnliches auszusetzen.72 Im Umkreis von Caspar Berger tauchten einige Künstler auf, die ihr Handwerk sehr gut beherrschten. Insbesondere Jakob Salzmann und Martin Pohl bilden bemerkenswerte, wenn auch manchmal unterschätzte künstlerische Persönlichkeiten in der Liegnitzer Plastik zu Beginn des 17. Jahrhunderts.73 Zum Abschluß sollte man noch überlegen, ob die Werkstatt Bergers in den Jahren von 1580 bis 1595 ein Monopol im Bereich der Steinplastik im nordwestlichen Niederschlesien hatte oder aber ob in den auf diesem Gebiet erhaltenen Werken der Sepulkralkunst aus der gleichen Zeit Spuren des Schaffens eines anderen und ebenso wie Berger selbständigen Bildhauers gefunden werden können. Die sorgfältige Analyse der erhaltenen Kunstdenkmäler ermöglicht es, eine Reihe von Werken abzugrenzen, die im Vergleich zu den Werken Bergers und seines Umkreises deutliche Unterschiede zeigen. Insbesondere fallen vor dem Hintergrund der Werke des Meisters der Liegnitzer Kanzel zwei große figürliche Grabmäler auf: 1. Das Grabmal für Hans von Bock (gestorben 1581) und seine Ehefrau Anna, geb. von Reibnitz (gestorben 1578), geschaffen nach 1581, in der Dorfkirche in Lobris, Landkreis Jauer (Abb. 61).74 2. Das Grabmal für Heinrich von Rechenberg (gestorben 1597) und seine Frau Sabine, geb. von Bredow (gestorben 1591), geschaffen nach 1593, in der Dorfkirche in Großenborau, Landkreis Neusalz.75 An dem zweitgenannten Denkmal tritt das typische Sockelgesims auf, obschon in einer von der Bergerschen etwas abweichenden, flacheren Form. Darüber hinaus kann auf eine Reihe unterschiedlicher stilistischer Merkmale hingewiesen werden: 71 Chrzanowski: Rzeźba lat 1560–1650 na Śląsku Opolskim, 60–67. 72 Hedicke: Cornelis Floris, 38. 73 Der Erstgenannte war vermutlich Schöpfer des Mausoleums für die Familien von Stössel und von Schindel im Chor der Dorfkirche in Ober Gläsersdorf, Landkreis Lüben, der Zweitgenannte, wie es Bogusława Baranowska entdeckte, schuf und signierte das Epitaph für Balthasar von Stosch den Jüngeren (gestorben 1600) in der Pfarrkirche St. Lorenz in Groß Tschirnau, Landkreis Guhrau. Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 147f., 150; Rudkowski: Renesansowy zespół nagrobków, 138–141; Baranowska: Epitafia rodziny von Stosch, 43–61; Harasimowicz: Marcin Pohl, 85–95; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 1, 101–135; Bd. 2, 92–125. 74 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 411; Knötel: Geschichte des Epitaphs, 43; Koischwitz: Jauer, 113f.; Harasimowicz: Mors janua vitae, 70, 87f., 106; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 78f. 75 Siehe Anm. 36.

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Abb. 61. Das Grabmal für Hans von Bock (gestorben 1581) und seine Frau Anna, geborene von Reibnitz (gestorben 1578) in der Dorfkirche in Lobris, Landkreis Jauer, das an ein Altarretabel erinnert, entstand wahrscheinlich kurz nach 1581. Sein Schöpfer war der Erzrivale Caspar Bergers, ein anonymer Bildhauer, der als „Meister des Bock-Grabmals“ bezeichnet wurde. Im ausgehenden 16. Jahrhundert schuf er zahlreiche Steinepitaphien, Grabmäler, Grabplatten und Taufsteine im westlichen und nördlichen Niederschlesien.

die augenfällige Nüchternheit der Formen, besonders im Vergleich mit signierten Werken Bergers, ihre Zergliederung durch hauptsächlich horizontale Trennlinien und die nur teilweise homogene Zusammenfassung, die Aufstellung kniender und stehender Figuren der Verstorbenen vor dem Hindergrund flacher Nischen, deren diagonal ins Innere verlaufende Ränder die vertikalen Streifen der Wappenkartuschen füllen. Völlig anders wurden die Abschlüsse gestaltet, deren Ädikulen dank der Einfassung durch ornamentale Motive die Form von ausgefransten, zerrissenen Giebelchen annehmen; zu diesem Effekt tragen auch mehrere kleine Figuren bei. Die beiden Grabmäler zeichnen sich durch Zurückhaltung im Einsatz von Orna-

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menten aus, in beiden tritt auch ein typisches Detail auf: die Inschriftentafel mit geflügelten Engelsköpfchen oberhalb der (in Großenborau auch zwischen den) Figuren der Verstorbenen. Die sächsischen Vorbilder liegen hier sehr nahe: Der Typus der knienden Figur und die Doppelsäulen im zentralen Teil, die Art des Abschlusses sowie die von Putten getragenen Inschriftentafeln sind – neben allgemeinen Übereinstimmungen in der plastischen Gestaltung der Figuren und Reliefs – auf den Steinaltar (1564) in der Stadtkirche Unser Lieben Frau in Penig, Landkreis Mittelsachsen, sowie auf das Epitaph für Hugo von Schönburg (gestorben 1566) in der Pfarrkirche St. Bartholomäus in Waldenburg, Landkreis Zwickau – Werke von Christoph II. Walther – zurückzuführen.76 Die Abhängigkeit der beiden oberwähnten Grabmäler von denen des sächsischen Meisters ist weit größer, als es für gewöhnlich bei von Caspar Berger signierten und ihm zugeschriebenen Arbeiten der Fall ist. Diese Abhängigkeit ist zudem rein imitativ und beruht auf der treuen Übernahme bestimmter Motive. Der Kreis der Werke des „Meisters des Bock-Grabmals“, wie wir ihn hier symbolisch nennen, kann auf dem Weg einer Vergleichsstudie um mindestens drei weitere Grabdenkmäler erweitert werden: 1. Das Epitaph für Hans von Tschirnhaus (gestorben 1585) und seine Frau Magdalene, geb. von Czettritz, geschaffen im Jahr 1585, in der Dorfkirche in Nieder Baumgarten, Landkreis Jauer.77 2. Das Grabmal für Ulrich von Schaffgotsch (gestorben 1563), dem Grabmal aus Lobris wahrscheinlich zeitgleich, in der Dorfkirche in Schildau, Landkreis Hirschberg.78 3. Das Grabmal für Wolff von Dyhrn (gestorben 1576) und seine Frau Magdalene, geb. von Glaubitz (gestorben 1607), dem Grabmal aus Großenborau wahrscheinlich zeitgleich, in der Dorfkirche in Kontopp, Landkreis Neusalz.79 Darüber hinaus dürften die Taufsteine in den Dorfkirchen in Nieder Baumgarten, Landkreis Jauer, Schönau, Landkreis Glogau, Großenborau und Kontopp, Landkreis Neusalz, der einschlägigen Bildhauerwerkstatt ihre Entstehung verdankt haben.80 Wir verzichten jedoch auf den detaillierten Nachweis dieser und auch einiger anderer Zuschreibungen und überlassen dies einer separaten Studie. 76 Hentschel: Dresdner Bildhauer, 125f., Abb. 31f., 34–36. 77 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 348; Leuschner, [ohne Vornamen]: Sehenswürdigkeiten der katholischen Kirche zu Baumgarten. In: Bolkenhainer Heimats-Blätter 2 (1914) 87–91, hier 88f.; Harasimowicz: Mors janua vitae, 121; Bek: Rzeźba kamienna 1560– 1650, Bd. 2, 80f. 78 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 432; Harasimowicz: Mors janua vitae, 70, 88, 103; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 76f. 79 Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 125; Knötel: Evangelische Kirchenkunst, 60; Harasimowicz: Mors janua vitae, 70; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 86–88. 80 Die Taufsteine entstanden entsprechend in den Jahren 1590, 1591, 1592 und 1593. Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 56, 70, 125, 348; Leuschner: Sehenswürdigkeiten,

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An der Stelle muß betont werden, daß unter den zu Berger zeitgleichen Liegnitzer Künstlern die einzige, sowohl in schriftlichen Quellen als auch im konkreten Werk greifbare Persönlichkeit ein gewisser Balthasar Schnitzer, Schöpfer der in den Jahren 1583/84 geschaffenen Kanzel in der Pfarrkirche St. Marien in Goldberg ist.81 Ob er ein Sohn von Urban Schnitzer war und ob er aus Breslau stammte, wie es Kurt Bimler annimmt,82 wissen wir nicht. Mit Sicherheit lernte er vier Jahre lang in Brieg bei Michael Kramer, denn am 6. August 1578 wurde in der Brieger Kanzlei „für Balthasar Schnitzer aus Liegnitz“ eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt. Darüber hinaus liegen uns keine Angaben zum Leben des Schöpfers der Goldberger Kanzel vor. Bimler behauptet, daß Schnitzer wegen der Übernahme der meisten Aufträge durch Berger eventuell aus Liegnitz nach Goldberg hätte umziehen können. Da die städtischen Akten Goldbergs verschollen sind, können wir dies nicht nachprüfen. Das Honorar für die Kanzel betrug 150 Taler. Ungefähr diesen Betrag soll Berger für die später begonnene und wesentlich üppigere Liegnitzer Kanzel erhalten haben. Dies zeugt von der Ebenbürtigkeit beider Künstler. Und eine formelle Abhängigkeit von Berger ist auch nicht denkbar: Schnitzer war nämlich Schüler von Michael Kramer,83 der sich in Schlesien – dank seiner Tätigkeit im Dienst des Brieger Hofes – großer Beachtung erfreute.84

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91; Knötel: Evangelische Kirchenkunst, 60; Hoffmann: Die katholischen Kirchen des Landkreises Glogau, 36; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 117–120; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 73–76. Der Kanzelkorb stützt sich auf eine Figur Moses. Der ursprüngliche Schalldeckel stürzte im Jahr 1617 ein; der heutige stammt aus dem Jahr 1678. Im Jahr 1917 wurde er weitgehend umgebaut. Sturm, Ludwig: Geschichte der Stadt Goldberg, Goldberg 1888, 239f.; Lutsch: Verzeichnis der Kunstdenkmäler, Bd. 3, 297; Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 94, 112; Kozak/Steinborn: Złotoryja – Chojnów – Świerzawa, 42; Pokora: Sztuka w służbie reformacji, 44f., 48, 53, 57, 283–285; Harasimowicz: Treści i funkcje ideowe, 87, 92, 94f.; Gorzkowski, Roman: Kościół Narodzenia Najświętszej Marii Panny w Złotoryi, Złotoryja 1999 (Biblioteka Miłośników Ziemi Złotoryjskiej 2), 15, 60–62; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 2, 90–92. Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 112; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 1, 95–100. Von der Abhängigkeit Balthasar Schnitzers von Michael Kramer zeugt eindeutig der Vergleich der Reliefs der vier Evangelisten, die von dem ehemaligen Steinaltar in der Schloßkirche St. Hedwig in Brieg stammen, mit den Reliefs der Apostel am Korb und am Treppengeländer der Goldberger Kanzel. Pokora: Sztuka w służbie reformacji, 148–154, 283–285. Vgl. ferner den Beitrag „Die evangelische Schloßkirche St. Hedwig in Brieg als Zeugnis ständischer Repräsentation der Reformationszeit in Schlesien“ im vorliegenden Band. Bimler: Die schlesische Renaissanceplastik, 94–99; Hentschel: Dresdner Bildhauer, 60, 126; Chrzanowski: Rzeźba lat 1560–1650 na Śląsku Opolskim, 39–49; Harasimowicz, Jan: Mors janua vitae, 85–87; ders.: Kunst- und Kulturtransfer in Ostmitteleuropa. Das Beispiel Oberlausitz. In: Bahlcke, Joachim (Hg.): Die Oberlausitz im frühneuzeitlichen Mitteleuropa. Beziehungen – Strukturen – Prozesse, Leipzig/Stuttgart 2007 (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 30), 365–386, hier 375–379.

Caspar Berger – ein Liegnitzer Bildhauer des Manierismus

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Bleibt auch die Bestimmung des Wahrscheinlichkeitsgrads der These über die Identität Balthasar Schnitzers und des Schöpfers von Epitaphien, Grabmälern und Taufsteinen aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts – symbolisch „Meister des Bock-Grabmals“ genannt – einer anderen Studie vorbehalten,85 so müssen wir doch feststellen, daß sich dieser Künstler mit seinen Qualitäten an Caspar Berger nicht messen konnte. Für die beiden spielten die gleichen Werke und das gleiche künstlerische Milieu eine entscheidende Rolle in der Ergründung der Bildhauerkunst. Der „Meister des Bock-Grabmals“ kannte jedoch die plastische Produktion der Dresdner Schule nur indirekt – in gewissem Sinn aus zweiter Hand. Daraus ergaben sich die Nüchternheit und der Schematismus seiner Werke. Als wenig kreativer Künstler setzte er erprobte Formen ein, deren Entfaltung oder Umwandlung bei ihm an die Grenzen stieß. Wenn er schon neue Elemente einführte, dann eher unter dem Einfluß seines großen Wettbewerbers (wie am Grabmal in Großenborau). Caspar Berger erscheint vor dem Hintergrund des Grabmals in Lobris und der ihm verwandten Werke noch deutlicher als origineller Künstler, der es verstand, die in der Werkstatt der Familie Walther erlernten Bildhauerkenntnisse anhand niederländischer Säulen- und Vorlagebücher weiterzuentwickeln; zudem hinterließ er ein durchaus bemerkenswertes künstlerisches Erbe. Die weitere Entwicklung der Liegnitzer Plastik zu Beginn des 17. Jahrhunderts sollte jedenfalls der durch Berger, und nicht der durch den „Meister des Bock-Grabmals“ gewiesenen Richtung folgen.86

85 Es ist dem Verfasser nicht gelungen, die einst geplante Forschung zum Thema fortzusetzen. Die hier vorgeschlagenen Zuschreibungen zu dem „Meister des Bock-Grabmals“ wurden jedoch in der Doktorarbeit von Aleksandra Bek sorgfältig geprüft und größtenteils bestätigt. Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 1, 79–94; Bd. 2, 73–90. 86 Harasimowicz: Marcin Pohl, 85–95; ders.: Wkład Legnicy w kulturę artystyczną Śląska, 19; ders.: Mors janua vitae, 91–94; Bek: Rzeźba kamienna lat 1560–1650, Bd. 1, 101–206; Bd. 2, 92–180.

Nicolaus Goldmann Vratislaviensis Silesius – ein Leidener Mathematiker und Architekturtheoretiker des 17. Jahrhunderts Weder im 16. noch im 17. Jahrhundert besaßen die Schlesier eine eigene Hochschule. Alle Versuche, Universitäten in Breslau oder in Liegnitz zu gründen, blieben erfolglos, ebenso wie die späteren Bemühungen, Gymnasien in Goldberg und Beuthen an der Oder in den akademischen Rang zu erheben. Zum Ziel der Bildungsreisen der Schlesier wurden in erster Linie deutsche Universitäten, insbesondere die am nächsten gelegenen: Wittenberg, Leipzig, Frankfurt an der Oder.1 Mit der Zeit gewannen jedoch niederländische Hochschulen an Beliebtheit, die frei von religiösem Proselytismus und im Zeichen konfessioneller Toleranz in der schwierigen Zeit des Dreißigjährigen Kriegs und kurz danach den Ankömmlingen aus Schlesien die Möglichkeit boten, sich ausschließlich dem Unterricht zu widmen.2 Eine besondere Rolle spielte damals die Universität in Leiden, an der Studenten aus dem Oderland eine beachtliche und recht auffallende Gemeinschaft bildeten.3 Einer der wenigen Schlesier, die nach dem Studium in Leiden in dieser Stadt blieben und nie in ihre Heimat zurückkehrten, war der hervorragende Mathematiker und Architekturtheoretiker Nicolaus Goldmann (1611–1665). Die Breslauer Herkunft, auf die er so stolz war, indem er seine Werke als „Nicolaus Goldmann Vratislaviensis Silesius“ unterzeichnete, lenkte das Augenmerk Max Semraus – Professor für Kunstgeschichte an der Universität Breslau am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts – auf ihn. Er war der Verfasser der ersten Veröffentlichungen zu Leben und Schaffen Goldmanns, die noch heute in den Abhandlungen zur Theorie der Architektur des 17. Jahrhunderts angeführt werden.4 Weitere, um-

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Pfotenhauer, Paul: Schlesier als Rectoren der Universität Leipzig in dem ersten Jahrhunderte ihres Bestehens. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 17 (1883) 177–229; Kliesch, Gottfried: Der Einfluß der Universität Frankfurt (Oder) auf die schlesische Bildungsgeschichte, Würzburg 1961 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte 5); Bardong, Otto: Die Breslauer an der Universität Frankfurt (Oder). Ein Beitrag zur schlesischen Bildungsgeschichte 1648–1811, Würzburg 1970 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte 14). Die Schlesier bildeten im 17. und 18. Jahrhundert etwa zehn Prozent aller deutschsprachigen Studenten in Holland. Schneppen, Hans: Niederländische Universitäten und deutsches Geistesleben, Münster 1960, 9. Müller, Johannes: Schlesier auf der Hochschule in Leiden von 1597 bis 1742. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 17 (1959) 164–205; Fasel Kampen, W. A.: Die Schlesier an der Universität Leiden im 17. Jahrhundert. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich Wilhelms-Universität zu Breslau 6 (1961) 331–350. Semrau, Max: Zu Nikolaus Goldmanns Leben und Schriften. In: Monatshefte für Kunstwissenschaft 9 (1916) 349–361, 463–473; ders.: Goldmann, Nikolaus. In: Andreae, Friedrich

Nicolaus Goldmann Vratislaviensis Silesius – ein Leidener Architekturtheroretiker

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fassende Studien entstanden erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Beigesteuert dazu hat sicherlich die Veröffentlichung des Faksimiles des Hauptwerks Nicolaus Goldmanns unter dem Titel „Vollständige Anweisung zu der Civilbaukunst“ im Jahr 1962, die als 333. Band in der prestigeträchtigen Buchreihe „Studien zur deutschen Kunstgeschichte“ erschienen ist.5 Diese Veröffentlichung wurde zur Pflichtlektüre sämtlicher Forscher der Architekturtheorie der Frühen Neuzeit, insbesondere nördlich der Alpen. Ulrich Schütte und seine Schüler, darunter Britta Sprengel, Verfasserin einer Goldmann gewidmeten Magisterarbeit, die am Institut für Kunstgeschichte an der Philipps-Universität in Marburg an der Lahn im Jahr 1994 entstand, nahmen mehrmals Bezug darauf.6 Ein Jahr später erschien in Holland ein umfassender Beitrag von Jeroen Goudeau,7 dem später ein ganzes einschlägiges Buch desselben Verfassers folgte.8 Nicolaus Goldmann, „il celebre Vitruvio Tedesco“, entstammte einer gutbürgerlichen Breslauer Familie.9 Sein Vater Johannes (1574–1637), Autor zahlreicher in kunstvollem Latein verfaßter Gelegenheitsschriften reiste durch halb Europa und studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten in Leipzig, Heidelberg, Genf und Paris. Im Jahr 1609 berief ihn der Stadtrat auf den Posten des Stadtratsschreibers und 1618 wurde er zum Notar des Fürstentums Breslau ernannt. Von seinem Rang in der Stadt zeugen die Namen der hervorragenden Persönlichkeiten, die am 29. September 1611 in der Pfarrkirche St. Maria Magdalena als Paten des ältesten Sohnes Goldmanns, Nicolaus, auftraten. Es waren die Stadträte Jakob Reichel und Adam Säbisch sowie Martha, Ehefrau des damaligen Ratsältesten Johannes Schwab.

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(Hg.): Schlesier des 17. bis 19. Jahrhunderts, Breslau 1928 (Schlesische Lebensbilder 3), 54–60. Goldmann, Nicolaus: Vollständige Anweisung zu der Civilbaukunst. Hg. v. Leonhard Christoph Sturm (1696), (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 333; Neudruck Baden-Baden/ Strasbourg 1962). Schütte, Ulrich (Hg.): Architekt und Ingenieur. Baumeister in Krieg & Frieden. Ausstellung der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Wolfenbüttel 1984; ders.: Ordnung und Verzierung. Untersuchungen zur deutschsprachigen Architekturtheorie des 18. Jahrhunderts, Braunschweig/Wiesbaden 1986 (Schriften des Deutschen Architekturmuseums zur Architekturgeschichte und Architekturtheorie); Sprengel, Britta: Von der „Wissenschaft die Seulen wohl zu stellen.“ Die Säulenordnungen bei Nikolaus Goldmann und Leonhard Christoph Sturm, Magisterarbeit (masch.) Marburg 1994. Goudeau, Jeroen: Nicolaus Goldmann (1611–1665) en de praktijk van de studeerkamer. In: Bulletin van de Koninklijke Nederlandse Oudheidkundige Bond 94 (1995) 185–203. Goudeau, Jeroen: Nicolaus Goldmann (1611–1665) en de wiskundige architectuurwetenschap, Groningen 2005. Vgl. ferner ders.: A Northern Scamozzi. Nicolaus Goldmann and the Universal Theory of Architecture. In: Annali di architectura 18–19 (2006/07) 235–248. Die wichtigsten Daten zur Biographie Nicolaus Goldmanns enthalten die erwähnten Beiträge von Max Semrau (vgl. Anm. 4) und das erwähnte Buch von Jeroen Goudeau (vgl. Anm. 8). Die einzige Kurzbiographie Goldmanns auf Polnisch: H[arasimowicz], J[an]: Goldmann Nikolaus. In: Harasimowicz, Jan (Hg.): Encyklopedia Wrocławia, Wrocław 22001 [¹2000], 231.

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Der junge Nicolaus lernte zuerst in Breslau, wo er bereits in den Jahren 1627 bis 1628 in einigen lateinischen Gedichten zum Anlaß des Geburtstags seines Vaters sein Talent erkennen ließ. Im Jahr 1629 wurde er als Jura-Student an der Universität in Leipzig immatrikuliert, drei Jahre später an der Universität in Leiden. In der neuen Umgebung gab er bald den Gedanken an die Karriere als Jurist auf und widmete sich dem Studium im Bereich angewandter Mathematik – also der Mechanik – und Architektur unter der Leitung von Professor Franciscus van Schooten dem Älteren (1581–1646), Schöpfer trigonometrischer Tabellen und eines im Manuskript erhaltenen Handbuchs der Befestigungskunst. Wie es sich aus den Schriften in der nach dem Tod des Vaters im Jahr 1637 herausgegebenen Sammlung „Naeniae Lugubres“ ergibt,10 beherrschte er innerhalb von wenigen Jahren italienisch, französisch und niederländisch. Er ließ sich in Leiden nieder und holte dann seinen jüngeren Bruder Friedrich nach, der sich 1640 und 1655 als Student der Rechtswissenschaften immatrikulieren ließ. Obwohl in manchen Quellen als Professor bezeichnet, dürfte er eine vollständig abgeschlossene akademische Ausbildung nie erlangt haben. Davon zeugen die zweifach – 1639 und 1664 – erfolgten Studienanmeldungen. Mit Sicherheit zählte er nicht zu den Lehrkräften der Leidener Universität. Wahrscheinlich lebte er – wie viele andere Intellektuelle in der Stadt – vom Privatunterricht (Doctor Privatus). Im Jahr 1643 erschien seine erste Veröffentlichung zum Thema Festungsbauwesen im Druck: die zweiteiligen „Elementa Architecturae Militaris“.11 Sechs Jahre später wurde in die Amsterdamer Vitruv-Ausgabe, vorbereitet und herausgegeben von Johann de Laets, eine Abhandlung Goldmanns unter dem Titel „Vitruvii Voluta Ionica hactenus amissa“ aufgenommen, die der von dem antiken Architekturtheoretiker nur skizzenhaft behandelten Konstruktion von Voluten ionischer Ordnung gewidmet wurde.12 Die von dem Breslauer vorgeschlagene Volutenform wurde an10 NAENIAE LUGUBRES DICATAE JOHANNI GOLDMANNO NOBILI, POETAE, ET NOTARIO CAESAREO. DUCATUS VRATISLAVIENSIS SECRETARIO. NEC NON INCLYTAE EIUSDEM REIPUBLICAE SCABINOGRAPHO. NATO ANNO MDLXXIV VIII. ID. AUGUSTI. DENATO XVII CALEND. EIUSD. ANNO SALUTIS MDCXXXVII AETATIS CLIMACTERICO MAGNO. Vratislavia [1637]. 11 ELEMENTORUM ARCHITECTURAE MILITARIS LIBRI IV. Quorum 1. De Delineationibus. 2. De Orthographia & Ichnographia. 3. De Stereometria & Sciagraphia. 4. De Mechanico modo, & de Offensione. ex conatu NICOLAI GOLDMANNI Vratislaviensis Silesii. LUGD. BATAVOR. Ex Officina Elseviriana MDCXLIII; ELEMENTORUM ARCHITECTURAE MILITARIS PARS 2. In qua continentur Tabulae Supputatae, Delineationum, Ortographicae et Stereometricae. conatu NICOLAI GOLDMANNI Vratislaviensis Silesii. LUGD. BATAVOR. Ex Officina Elseviriana MDCXLIII. 12 DE ARCHITECTURA LIBRI DECEM. Cum Notis, Castigationibus & Observationibus GVILIELMI PHILANDRI integris; DANIELIS BARBARI excerptis, & CLAVDII SALMASII passim insertis. Praemittuntur ELEMENTA ARCHITECTVRAE Collecta ab Illustri Viro HENRICO WOTTONO Equite Angelo. Accedunt LEXICON VITRUVIANVM BERNARDINI BALDI […] et Ejusdem SCAAMILLI IMPARES VITRVVIANI. DE

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schließend von Leonhard Christoph Sturm, Juan Caramuel de Lobkowitz, François Blondel und Augustin Charles d’Aviler in ihre Traktate übernommen. Von großer Bedeutung für praktizierende Architekten waren Goldmanns Arbeiten über Meßgeräte und Werkzeug, mit denen man korrekte Proportionen zeichnen konnte. Sie wurden ausführlich in zwei Traktaten beschrieben: „Tractatus De Usu Proportionatorii Sive Circini Proportionalis […] Eine Ahnleitung vom Gebrauch des Ebenpassers oder Proportionalcirckels“ (Leiden 1656)13 und „Tractatus De Stylometris sive Instrumentis quibus Quinque Ordines Architecturae Methodo qua facilior inveniri nequit […] Gebrauch Dehr Baustäbe Durch dehrer hülff Die Fünf Ordnungen der Baukunst aufs aller leichteste […] abgebildet werden“ (Leiden 1662) (Abb. 62).14 Praktisch-technische Abhandlungen waren für Goldmann kein Ziel an sich: Sie sollten zum Lebenswerk führen und zwar dem monumentalen Handbuch der „Civil-Bau-Kunst“. Goldmann arbeitete 30 Jahre lang daran und inspirierte damit den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm den Großen sowie dessen engen Mitarbeiter Johann Moritz von Nassau, Statthalter von Cleve. Der Große Kurfürst gewährte Goldmann sogar eine Zuwendung von 1000 Talern, der Leidener Theoretiker starb jedoch, bevor das Geld ausgezahlt wurde. Das Lebenswerk Goldmanns hat sich in vier handgeschriebenen Fassungen erhalten. Die erste ist das Manuskript des Autors in lateinischer Sprache, mit dem Vermerk „Finitum 24 Martii Anni 1659“ versehen; die andere ist eine eigenhändige Abschrift mit zusätzlichen Federskizzen, die dritte ein von einer anderen Hand stammendes Manuskript mit 20 Zeichnungen zu fünf architektonischen Ordnungen und die vierte eine für Johann Moritz von Nassau angefertigte Abschrift unter PICTVRA Libri tres […] LEONIS BAPTISTAE ALBERTIS. DE SCULPTVRA Excerpta […] ex Dialogo POMPONII GAVRICI […] LVDOVICI DEMONTIOSII COMMENTARIVS DE SCVLPTVRA ET PICTVRA. Cum variis INDICIBUS copiosissimis. Omnia in unum collecta, digesta & illustrata a IOANNE DE LAET Antwerpiano, Amsterdam 1649, 265–272. 13 TRACTATUS DE USU PROPORTIONATORII Sive Circini Proportionalis. Cum Tabulis Constructionum Et Usu Lineae Munitionum Vulgo Fortificatoriae Pro Delineandis Figuris Regularibus et Irregularibus Nec Non Operibus Campestribus et Externis Cum Figuris Aeneis. Ex conatu Nicolai Goldmani Vratislaviensis Silesii. Eine Ahnleitung vom Gebrauch des Ebenpassers/ oder Proportionalcirckels. Mit beygefügten Tafeln zu dehr Theilung dehr Linien. Auch eingeleibtem gebrauche dehr Befestigungs oder Fortificationlinie/ Die Haubtrisse/ Dehr Regulier und Irregulier figuren/ Wie auch Dehr Feldwercke und Außenwercke zumachen/ Sambt nötigen Kupferstichen/ Herausgegeben Von Niclus Goldman/ von Breslaw aus Schlesien. Lugduni Batavorum. Ex Officina Philippi de Croy, Impensis Autoris, 1656. 14 TRACTATUS DE STYLOMETRIS sive INSTRUMENTIS quibus Quinque Ordines ARCHITECTURAE Methodo qua facilior inveniri nequit, expeditius et accuratius longe quam ullo Proportionatorio in modica et majuscula forma designatur. Inventore Nicolao Goldmanno Vratisl: Siles: Gebrauch Dehr Baustäbe Durch dehrer hülff Die fünf Ordnungen der Baukunst aufs aller Leichteste ja behänder und genauer als mit einigem Ebenpaßer in großer und kleiner Form abgebildet werden. LUGDUNI BATAVORUM. Apud Autorem. MDCLXII. Deo Soli Omnes Gloria.

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Abb. 62. Die architekturtheoretischen Abhandlungen und Handbücher Nicolaus Goldmanns, noch zu seinen Lebzeiten in den Niederlanden im Druck veröffentlicht, wurden von ihrem Verfasser mit zahlreichen Abbildungen versehen. Als Beispiel sei hier die Darstellung der fünf architektonischen Ordnungen in dem 1662 in Leiden veröffentlichten „Tractatus De Stylometris sive Instrumentis quibus Quinque Ordines Architecturae Methodo qua facilior inveniri nequit […] Gebrauch Dehr Baustäbe Durch dehrer hülff Die Fünf Ordnungen der Baukunst aufs aller leichteste […] abgebildet werden“ zu nennen.

dem Titel „Entwerffung dehr Baukunst durch Nicolaus Goldmann 1663“. Das dritte der genannten Manuskripte, ursprünglich Eigentum von Goldmanns Schüler Samuel Reyher (1635–1714), ging mit der Zeit in die Sammlungen des Leipziger Stadtrats Georg Bose (1650–1700) über, der Leonhard Christoph Sturm, einen der wichtigsten Architekturtheoretiker des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts, mit seiner Herausgabe beauftragte. Leonhard Christoph Sturm (1669–1719), in Altdorf bei Nürnberg als Sohn Johann Christophs – Professor für Philosophie, Physik und Mathematik – geboren, sorgfältig in den Fächern Theologie und Mathematik an den Universitäten in Altdorf, Jena und Leipzig ausgebildet, wurde zum wichtigsten Herausgeber und Erforscher von Nicolaus Goldmanns handschriftlichem Erbe.15 Als Professor für Mathe15 Habicht, Victor Kurt: Die deutschen Architekturtheoretiker des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Architektur und Ingenieurwesen 63 (1917) 209–244; Wotschke, Theodor: Leonhard Christoph Sturms religiöse und kirchliche Stellung. In: Mecklenburgische Jahrbü-

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matik an der Ritterakademie in Wolfenbüttel bereitete er 1696 die erste,16 und im Jahr 1699 die zweite Ausgabe17 der „Vollständige[n] Anweisung zu der Civil-BauKunst“ vor (Abb. 63). Als Ergänzung dieser Edition wurde der zweiten Braunschweiger Auflage und der ersten Leipziger Auflage aus dem Jahr 1708 die „Erste Ausübung zu der Vortrefflichen und Vollständigen Anweisung zu der Civil-Bau-Kunst Nicolai Goldmanns“ beigelegt – von Sturm mit zahlreichen praktischen Anweisungen für Architekten versehen. Eine weitere, wesentlich umfassendere Ausgabe der einschlägigen Abhandlung wurde durch das im Jahr 1714 in Augsburg publizierte „Prodromus Architecturae Goldmannianae […] Als eine Vorbereitung zu einer vorhabenden neuen sehr vermehrten, verbesserten und bequemeren Edition der Vollständigen Anweisung zu der Civil-Bau-Kunst“ angekündigt.18 Der letzte Ausdruck der besonderen Ehre, die Sturm dem „alten Goldmann“ erwies, war die Ergänzung der post mortem im Jahr 1721 in Augsburg veröffentlichten Gesamtwerke um den Übertitel: „Der auserlehsneste und nach den Regeln der antiquen BauKunst sowohl als nach dem heutigen Gusto verneuerte Goldmann […] in unterschiedlichen vollständigen Anweisungen abgehandelt.“19 Neben den erwähnten Leidener Veröffentlichungen Nicolaus Goldmanns sowie einer gewissen Anzahl seiner handgeschriebenen Notizen, Aufzeichnungen und Skizzen, die in der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz in Berlin, im Deut-

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cher 95 (1932) 103–133; Küster, Isolde: Leonhard Christoph Sturm. Leben und Leistung auf dem Gebiet der Zivilbaukunst in Theorie und Praxis, phil. Diss. (masch.) Berlin 1942; Schädlich, Christian: Die Grundzüge der klassischen Architekturtheorie. Versuch einer Wertung anhand der Schriften des Leonhard Christoph Sturm (1669–1719), phil. Diss. (masch.) Weimar 1957; ders.: Leonhard Christoph Sturm 1669–1719. In: Große Baumeister: Hinrich Brunsberg, Elias Holl, Leonhard Christoph Sturm, Leo von Klenze, Gotthilf Ludwig Mökkel, Ludwig Hoffmann, Richard Paulick. Hg. von der Bauakademie der DDR, Berlin [Ost] 1990 (Bauakademie der DDR. Schriften des Instituts für Städtebau und Architektur), 92– 139; Sprengel: Von der „Wissenschaft die Seulen wohl zu stellen“; Rust, Edzard: Theorie und Praxis. Leonhard Christoph Sturms Schriften zur Zivilbaukunst und ihr Einfluß auf gebaute Architektur. In: Engel, Martin u. a. (Hg.): Barock in Mitteleuropa. Werke, Phänomene, Analysen, Köln/Weimar/Wien 2007 (Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte 55/56), 507–527. Goldmann: Vollständige Anweisung zu der Civilbaukunst. Neudruck. Nicolai Goldmanns Vollständige Anweisung zu der CIVIL-Bau-Kunst/ In welcher Nicht nur die fünf Ordnungen/ […] Als auch gantze Gebäude aus gewissen und leichten Reguln erfinden/ und in guten Rissen vorstellen soll/ […] Mit der Ersten Ausübung der Goldmannischen Bau-Kunst und dazu gehörigen XX. Rissen/ nebst Erfindung der Sechsten und Teutschen Ordnung vermehret von Leonhard Christoph Sturm/ Math. Prof. Publ. bey der Hoch-Fürstl. Academie zu Wolfenbüttel. Daselbst es/ wie auch in Leipzig zu finden. Braunschweig/ Gedruckt bey Heinrich Keßlern. 1699. Sturm, Leonhard Christoph: PRODROMUS ARCHITECTURAE GOLDMANNIANAE […] Als eine Vorbereitung zu einer vorhabenden neuen sehr vermehrten, verbesserten und bequemeren Edition der Vollständigen Anweisung zu der Civil-Bau-Kunst, Augsburg 1714. Ders.: Der auserlehsneste und nach den Regeln der antiquen Bau-Kunst sowohl als nach dem heutigen Gusto verneuerte Goldmann […] in unterschiedlichen vollständigen Anweisungen abgehandelt, Augsburg 1721.

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schen Zentralarchiv in Merseburg sowie in der Herzog August-Bibliothek in Wolfenbüttel aufbewahrt werden,20 bildet die vorstehend genannte „Vollständige Anweisung zu der Civil-Bau-Kunst“ aus dem Jahr 1696 – mit biographischen und bibliographischen Angaben Samuel Reyhers und einem Vorwort Leonhard Christoph Sturms versehen – die Hauptquelle zu seinen architektonisch-theoretischen Anschauungen.21 Der eigentliche Traktat teilt sich in vier Bücher: „Von den allgemeinen Anfängen“, „Von den besonderen oder Eigenthümlichen Uhrsprüngen/ nemlich von den fünff Ordnungen“, „Von der inneren Eintheilung der Gebäude“ und „Von den gantzen Wercken“. Dem ersten Buch hängte Sturm „Die Vorstellung des Tempels zu Jerusalem“ an, dem vierten Buch folgten „Compendium der Goldmannischen Civil-Bau-Kunst“ und „Architectura Parallela“. Um den Vortrag leserfreundlicher zu gestalten, versah er ihn mit 74 Abbildungen, die nach den eigenhändigen Zeichnungen Goldmanns – dem Manuskript für Johann Moritz von Nassau beigefügt – angefertigt wurden. Gemäß der Einleitung zum dritten Kapitel des ersten Buches sollten allgemeine und detaillierte „Grund-Regeln“ der Baukunst zum Gegenstand des ganzen Traktats werden. Unter den im ersten Buch behandelten allgemeinen Regeln nennt Goldmann „Uhrsprünge der Kunst“, die sich wiederum in „Anfänge der Kunst“, als „Deutungen“, „Heischungen“ und „Außsprüche“ ausgelegt, teilen, sowie „Abmessungen“, die die vitruvianischen Kategorien der Symmetrie und der Eurythmie behandeln. Zu den allgemeinen Regeln gehören auch – nach Goldmann – „Vorbereitung zum Bauen“ und „Stücke der Baue“. Die Erstgenannte umfaßt die Gestaltung der allgemeinen Ansicht, des Grund- und Aufrisses der Fassade sowie die Anfertigung des Baumodels und die Wahl angemessener Baustoffe: Holz, Stein, Kalk und Metall. Die Zweitgenannte stellt die Aushebung der Baugrube und die Errichtung von Fundamenten, den Mauerbau samt Öffnungen sowie die Dachabdeckung dar. Die drei folgenden Bücher beschäftigen sich mit den detaillierten Regeln der Baukunst. Gleich am Anfang – im zweiten, reich bebilderten Buch – ist von „besondern Anfangen/ welche in der Kunst selbst erbohren werden“,22 und genauer gesagt – von den fünf Säulenordnungen und ihren Zusammenstellungen die Rede. Das dritte Buch befaßt sich mit der äußeren und inneren Aufteilung eines Bauwerks, indem es unter anderem die Raumanordnung nach dem gesellschaftlichen Rang und nach dem Geschlecht ihrer Nutzer sowie nach den Anforderungen einzelner Jahreszeiten in Erwägung zieht: „Die Geziemenheit ist/ wann alle Zimmer nach Erforderung der Natur/ und zu ihrem Gebrauche bequem eingetheilet 20 Ms. germ. fol. 7, Ms. germ. fol. 238, Ms. germ. fol. 239, Ms. lat. fol. 191, Libr. pict. fol. A. 71 (Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin), R. 94. IV. Ha 6 (Deutsches Zentralarchiv Merseburg) und 1. 7. 11. Aug. 2o (Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel). 21 Goldmann: Vollständige Anweisung zu der Civilbaukunst. Neudruck. 22 Ebd., 8.

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Abb. 63. Die zweite Ausgabe der „Vollständige[n] Anweisung zu der Civil-Bau-Kunst“ Nicolaus Goldmanns in der Bearbeitung von Leonhard Christoph Sturm, 1699 in Braunschweig veröffentlicht, wurde mit einem reizvollen, an eine Fassade eines monumentalen Bauwerks erinnernden Frontispiz versehen. Sturm bereitete Goldmanns Manuskript in Wolfenbüttel für den Druck vor, wo er als Professor für Mathematik an der dortigen Ritterakademie beschäftigt war.

werden.“23 Präsentiert werden hier nachfolgend Vorschläge zur Einrichtung von Bibliothek, Speisesaal, Küche und Pferdestall unter Berücksichtigung aller Eigenarten der jeweiligen geographischen Lage sowie der angemessenen Einbeziehung des gesamten Bauensembles in das Stadtgefüge: „Es ist eine Wissenschafft an was vor einen Ort der Stadt/ jedes Gebäu anzulegen sey.“24 Diesem eher allgemeinen Teil folgen detaillierte Anweisungen zur Errichtung von Abflußanlagen, Einbau von Türen, Fenstern und Schornsteinen sowie zum Bau von Vestibülen, Vorzimmern und Laubengängen. Das vierte und letzte Buch beschäftigt sich mit Bautypen, die sich ganz allgemein in „Gebäude“ und „Feldwercke“ teilen.25 Die Erstgenannten können nach Goldmann öffentlich bzw. privat sein. Die öffentlichen dienen entweder „heiligen“ (Kirchen) oder „milden Sachen“ (Schulen, Spitäler, Brücken und 23 Ebd., 111. 24 Ebd., 112. 25 Ebd., 128. Vgl. ferner Schütte, Ulrich: Die Lehre von den Gebäudetypen. In: ders. (Hg.): Architekt und Ingenieur. Baumeister in Krieg & Frieden, 156–161.

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Tore), sie können allerdings auch einen ganz profanen Charakter haben, wie etwa Rathäuser, Ständehäuser, Markthallen und Gerichte. Unter privaten gibt es sowohl Häuser, die Eigentum konkreter Personen darstellen (Schlösser, Herrensitze und Bürgerhäuser), als auch Bauten, die rein wirtschaftlichen Zwecken dienen (Weinpressen, Scheunen und Ställe). Im Gegensatz zu den „Gebäuden“ dienen die an zweiter Stelle genannten „Feldwercke“ dem Gemeingut: dem Gebrauch (Straßen, Häfen), dem Nutzen (Teiche und Gärten) und der Unterhaltung (Grünanlagen, Springbrunnen und Grotten). Der Hauptwert der „Vollständige[n] Anweisung zu der Civil-Bau-Kunst“ beruhte auf einer neuen, mathematisch-wissenschaftlichen Betrachtung der Architektur, die mit der Handwerker-Tradition der „Säulenbücher“ brach. Goldmann entwickelte hier den Gedanken des berühmten Enzyklopädisten Johann Heinrich Alstedt weiter, der in seinem 1613 in Herborn veröffentlichten Werk „Methodus Admirandorum Mathematicorum; comprehens novem libros Matheseos universae“ zum ersten Mal die Architektur als „Wissenschaft“ bezeichnete.26 Die Baukunst gehörte nicht – nach Altstedt und Goldmann – „unter die nachsinnliche[n] Wissenschafften“, also zu „theoretischen“ Wissenschaften, die man bisher üblicherweise dem Begriff der Wissenschaft gleichstellte, „sondern sie gehöret zu der Außübung der Wissenschafften/ welche Theil man in gemein die Mechanice nennet“.27 Die „Wissenschaftlichkeit“ der von dem Verfasser vorausgesetzten Diskursform kam unter anderem in der konsequenten Anwendung deduktiv-axiomatischer Methoden der Euklidischen Geometrie zum Ausdruck, die zwar im cartesianischen Zeitalter bereits anachronistisch wirkten, jedoch in der „Civil-Bau-Kunst“ – dank dem dort entwickelten System von Definitionen, Argumenten und Beweisen und dem schlüssigen Übergang vom Allgemeinen zum Besonderen in jedem Kapitel – eine wichtige Neuerung darstellten. Die Einflüsse der sich damals an den niederländischen Universitäten bereits verbreitenden analytischen Geometrie Descartes’ manifestierten sich in Goldmanns Werk lediglich in der Übernahme und der praktischen Anwendung der durch den französischen Philosophen formulierten neuen Definition des Maßes.28 Nicolaus Goldmann und sein Herausgeber Leonhard Christoph Sturm werden üblicherweise dem Kreis der sogenannten Eklektiker zugeordnet, die die Architekturtheorie aus diversen Quellen zusammenstellten. Wichtiger Bestandteil dieser Theorie blieben die Anweisungen Vitruvs, denen alles beigefügt wurde, was einen kreativen Beitrag der „Klassiker“ der italienischen Architekturtheorie – insbeson-

26 Alstedt, Johann Heinrich: Methodus Admirandorum Mathematicorum; comprehens novem libros Matheseos universae, Herborn 1613, 463; ders.: Encyclopaedia Septem tomis distincta, Bd. 2, Herborn 1630, 2192. 27 Goldmann: Vollständige Anweisung zu der Civilbaukunst. Neudruck, 2. 28 Müller, Werner: Architektur und Mathematik. In: Schütte (Hg.): Architekt und Ingenieur. Baumeister in Krieg & Frieden, 94–108, hier 99–103.

Nicolaus Goldmann Vratislaviensis Silesius – ein Leidener Architekturtheroretiker

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dere von Andrea Palladio, Sebastiano Serlio, Vincenzo Scamozzi und Giacomo Barozzi da Vignola – darstellte. Goldmanns besondere Beachtung gewann der spanische Jesuit Juan Bautista Villalpando, Verfasser einer damals berühmten Beschreibung des Tempels Salomons aufgrund der Vision des Propheten Hesekiel. Die aufmerksame Lektüre von Villalpandos „In Ezechielem Explanationes“ bewog Goldmann und Sturm zu der These, daß sich die biblische Beschreibung der Tempelarchitektur mühelos mit der vitruvschen Tradition vereinbaren ließe.29 Zeitgenossen betrachteten diese Annahme einvernehmlich als großen Erfolg des Leidener Mathematikers. Der bekannte Philosoph der deutschen Aufklärung Christian Wolff schrieb über die von Goldmann vollzogene Vereinigung der Lehre der Heiligen Schrift mit der Lehre Vitruvs folgend: „Wer in der Baukunst nicht ungeübet ist, betrachte nur den Auszug der Ehernen Säule, wie er bey Goldmannen zu finden, und halte ihn gegen die Beschreibung, welche davon in der Schrift gegeben wird; so wird er bald erkennen, daß, wenn Goldmannen die Corinthische und Dorische Ordnung nicht aus der Römer Baukunst wäre bekannt gewesen, er nimmermehr auf eine solche Abbildung der Ehernen Säulen würde gefallen seyn. Man setzet also voraus, was man erweisen solte, daß die Bau-Art in dem Tempel zu Jerusalem eben diejenige sey, welche von den Griechen auf die Römer kommen, und suchet nach diesem nach der beschriebenen Eintheilung des Tempels und der angegebenen Größen ein Gebäude nach den Regeln der Römischen Bau-Art anzugeben.“30 In zahlreichen Abschnitten der „Vollständige[n] Anweisung zu der Civil BauKunst“ kommt die tief greifende Frömmigkeit des Verfassers zum Vorschein. Angeblich soll er während seines Aufenthalts in Leiden aus konfessionellen Gründen ein lukratives Arbeitsangebot in Venedig abgelehnt haben. Diese geistige Formation, von – wie Max Semrau seinerzeit betonte – „mystischem Pantheismus“ geprägt,31 scheint durchaus schlesische Wurzeln gehabt zu haben. Nicolaus Goldmann pflegte sicherlich lebhafte Kontakte zum heimatlichen Breslau und in seiner reichhaltigen Bibliothek, deren Bestände wir aus einem erhaltenen Auktionskatalog kennen,32 gab es nicht nur zahlreiche Werke von Martin Opitz, sondern auch die „Monumenta sepulcrorum cum epigraphis“ von Seyfried Rybisch und Tobias

29 Kruft, Hanno-Walter: Geschichte der Architekturtheorie, München 1991, 199; Naredi-Rainer, Paul von: Salomos Tempel und das Abendland. Monumentale Folgen historischer Irrtümer, Köln 1994, 173. 30 Zit. nach Wolff, Christian: Vorrede zur Anweisung zu der Civil-Bau-Kunst, Frankfurt/Leipzig 1752. In: Des Weyland Reichs-Freyherrn von Wolff übrige Theils noch gefundene Kleine Schriften, Neudruck Hildesheim/Zürich/New York 1983, 155f. 31 Semrau: Goldmann, Nikolaus, 54–60. 32 CATALOGUS Variorum & Insignium LIBRORUM Praecipue Mathematicorum NICOLAI GOLDMANNI, Mathematici. Qui publica auctione distrahentur In Aedibus THOMAE HOORN Bibliop. Op’t hoeckien baude houtstraet. Lugduni Batavorum 1665.

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Zur Architektur und Kunst

Fendt.33 Wie tief sich das Bild Breslaus in seinem Gedächtnis verankerte, zeugen die aussagekräftigen Worte in der Einleitung zur „Anweisung zu der Civil-BauKunst“: „Daß dennoch die Bau-Kunst in Deutschland nicht so gantz unbekannt gewesen, zeigen die schöne Abtheilungen der Städte genugsam: Man besehe allein die beyde, Leipzig und Breßlau; so ist jene also artig und zierlich abgetheilet, daß ihr in diesem Stücke die Italiänischen Städte wohl weichen müssen, diese aber stellet der alten Griechen Abtheilung vor Augen, mit geraden und fast gleich breiten Straßen und mit dreyen schachtförmigen Märckten.“34 Es ist offensichtlich keine sentimentale Erinnerung an die Heimat, sondern eine völlig bewußte und rationale Bewertung der städtebaulichen Anlage der schlesischen Hauptstadt, die der unlängst formulierten These über den Zusammenhang des Gründungskonzepts von Breslau mit Vorbildern in Rom und Trier nahe steht.35 Das Breslauer Echo klingt in dem Hauptwerk Nicolaus Goldmanns noch einmal nach: im Zusammenhang mit der Vision einer idealen Stadt.36 Das Thema erfordert jedoch eine umfassendere Betrachtung, die den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde.

33 Monumenta Sepulcrorum cum Epigraphis ingenio et doctrina excellentium virorum: aliorumq. tam prisci quam nostri seculi memorabilium hominum: de archetypis expressa. Ex liberalitate Nob. et Clariss. Viri D. Sigefridi Rybisch etc. Caesarei Consiliari. Per Tobiam Fendt, Pictorem et civem Vratislaviensem, in aes incisa et aedita. Anno Chr. M.D.LXXIIII. Vgl. ferner Michalski, Sergiusz: Seyfrieda Rybischa i Tobiasza Fendta ,Monumenta Sepulcrorum cum Epigraphis‘. In: Białostocki, Jan (Hg.): O ikonografii świeckiej doby humanizmu. Tematy – symbole – problemy, Warszawa 1977, 77–158; Harasimowicz, Jan: Buchdruck und bildende Kunst im östlichen Europa. In: Haberland, Detlef/Katona, Tünde (Hg.): Buchund Wissenstransfer in Ostmittel- und Südosteuropa in der Frühen Neuzeit. Beiträge der Tagung an der Universität Szeged vom 25. bis 28. April 2006, München 2007 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 34), 57–79, Abb. 3–6. 34 Goldmann: Vollständige Anweisung zu der Civilbaukunst. Neudruck, 7. 35 Dziurla, Henryk: Der außergewöhnliche historische Raum der Breslauer Altstadt. In: Störtkuhl, Beate (Hg.): Hansestadt – Residenz – Industriestandort. Beiträge der 7. Tagung des Arbeitskreises deutscher und polnischer Kunsthistoriker in Oldenburg, 27. bis 30. September 2000, München 2002 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 19), 181–189. 36 Goldmann: Vollständige Anweisung zu der Civilbaukunst. Neudruck, 111–114.

Zusammenarbeit und Rivalität. Zur schlesisch-polnischen Nachbarschaft

Die schlesisch-polnischen Beziehungen im 16. und 17. Jahrhundert. Stand und Perspektiven der Forschung. Bei der Bilanzierung des Forschungsstands zu den wechselseitigen schlesisch-polnischen Beziehungen in der Frühen Neuzeit sollte man zunächst einige Leitfragen stellen: 1. Auf welchen Ebenen wurden die genannten Beziehungen von der deutschen und polnischen Wissenschaft erforscht? 2. Ist im Verlauf der Forschungen eine innere Dynamik zu erkennen, die die Schwankungen der jeweiligen politischen Konjunktur widerspiegelt? 3. Kann man bereits heute die deutlichsten Forschungslücken und -defizite feststellen? 4. Wie ist es um die Aussicht bestellt, innerhalb einer verhältnismäßig überschaubaren Zeit ein ausgewogenes, objektives Bild der schlesisch-polnischen Beziehungen zu schaffen – ein Bild, das gleichermaßen von beiden Partnern des wissenschaftlichen Dialogs akzeptiert werden könnte. Mögliche Antworten auf die hier genannten Fragen sind nicht nur für eine autonome Regionalgeschichtsschreibung Schlesiens bzw. Polens von Bedeutung, sondern auch für die Gesamtheit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der ostmitteleuropäischen Geschichte und ihres Kulturerbes von Wismar bis Tallin und von Leipzig bis Zagreb. Es ist ja nicht erst seit kurzem bekannt, daß gerade Schlesien jahrhundertelang als Schlußstein zahlreicher geopolitischer Gegebenheiten galt, die in diesem Teil des Kontinents entstanden bzw. nur dort entstehen konnten. Die grundlegende Ebene bei der Betrachtung der Verbindungen zwischen Schlesien und Polen im 16. und 17. Jahrhundert bildete zweifelsohne die politische – d. h. die politischen Beziehungen zwischen den Obrigkeiten und Behörden beider Länder. Nur für kurze Zeit wurden die beiden Länder von Königen aus der Dynastie der Jagiellonen regiert. 1526 trennten sich ihre politischen Wege: Schlesien wurde immer stärker in den Einflußbereich der zentralistisch und absolutistisch ausgerichteten Habsburgermonarchie eingbezogen. Das Polen der letzten Jagiellonen, der Könige aus dem Haus Wasa und König Johann III. Sobieskis schränkte hingegen allmählich, aber systematisch die Befugnisse der königlichen Zentralgewalt ein, die über immer weniger Machtinstrumente verfügte. Die bisherige Forschung erhellte recht eingehend die komplizierten Bezüge zwischen den Habsburgern und den polnischen Königen Sigismund III., Wladislaw IV. und Johann II. Kasimir, indem sie sich auf die Hintergründe der Wahl des Kronprinzen Karl Ferdinand zum Breslauer Bischof, der Verpfändung Oppelns und Ratibors an das Haus Wasa in den Jahren 1647 bis 1666 sowie auf das Oberglogauer Asyl des polnischen Königshauses in der Zeit des polnisch-schwedischen Kriegs im Jahr 1655 konzentrierte. Wir verfügen auch über gut gesicherte Informationen zu der langjährigen Pfandherrschaft des Fürsten Jakob Sobieski in Ohlau (1691–1734). Die systematischen Forschungen zu diesen Problemen stammen jedoch aus der

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ersten Hälfte, wenn gar nicht vom Anfang des vorigen Jahrhunderts.1 Zu einem Kapitel zusammengefaßt wurden sie 1963 von Józef Leszczyński und Kazimierz Piwarski in der polnischen „Historia Śląska“ [„Geschichte Schlesiens“] dargestellt.2 Die folgenden vier Jahrzehnte brachten wenig neue Erkenntnisse.3 Sogar der feierlich begangene 350. Jahrestag der Beendigung des Dreißigjährigen Kriegs war kein Anlaß zu neuen, eingehenderen Forschungen und zur Revision des traditionellen Lehrbuchbildes dieser Problematik. Die zweite Ebene der hier relevanten Forschungen, die sich vielfach mit der ersten überschneidet, stellen die Beziehungen zwischen den polnischen und schlesischen Ständevertretungen dar sowie – in breiterer Perspektive – die Bezüge zwischen den schlesischen Herzögen und den polnischen Magnaten, zwischen den Vertretern des Adels sowie zwischen den privilegierten Städten beider Länder. Es wurden in diesem Rahmen die offiziellen Kontakte der schlesischen Stände mit dem Sejm erforscht, darunter die berühmte Gesandtschaft von Andreas Kochtitzky, Joachim Maltzan und Caspar Dornavius zum Warschauer Sejm im Jahr 1620.4 Ins Auge gefaßt wurden auch die Bemühungen Herzog Johann Christians von Brieg um die Unterstützung König Wladislaws IV. für Schlesiens Freiheit (1634), was – Colmar Grünhagen stellte das auch ausdrücklich fest5 – zur Einwilligung der protestantischen Stände Schlesiens in eine mögliche polnische Herrschaft hätte führen können. Unter den schlesischen Herzögen, die rege Kontakte mit den polnischen Magnaten pflegten, ragte die Persönlichkeit des als abenteuerlich zu bezeichnenden 1

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Szelągowski, Adam: Śląsk i Polska wobec Powstania Czeskiego, Lwów 1904; ders.: Rozkład Rzeszy i Polska za panowania Władysława IV, Kraków 1907; Czapliński, Władysław: Władysław IV wobec wojny trzydziestoletniej (1637–1645), Kraków 1937; Nowogrodzki, Stanisław: Rządy Zygmunta Jagiellończyka na Śląsku i w Łużycach (1499–1506), Kraków 1937. Maleczyński, Karol (Hg.): Historia Śląska, Bd. 1: Do roku 1763, Teil 2: Od połowy XIV do trzeciej ćwierci XVI w., Wrocław/Warszawa/Kraków 1961, Teil 3: Od końca XVI w. do r. 1763, Wrocław/Warszawa/Kraków 1963, hier Teil 3, 303–403, 421–462. Leszczyński, Józef: Władysław IV a Śląsk w latach 1644–1648, Wrocław 1969 (Prace Wrocławskiego Towarzystwa Naukowego A 135); Bazylow, Ludwik: Księstwo legnickie w drugiej połowie XVI wieku na tle stosunku do Polski i Rzeszy Niemieckiej. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 26 (1971) 471–503; Boras, Zygmunt: Związki Śląska i Pomorza Zachodniego z Polską w XVI wieku, Poznań 1981; ders.: Zygmunt Stary w Głogowie, Katowice 1983 (Śląskie Epizody Historyczne); Roszkowska, Wanda: Oława królewiczów Sobieskich, Wrocław u. a. 21984 [¹1968]; Libiszowska, Zofia: Królowa Ludwika Maria na Śląsku 1655–1656, Katowice 1986 (Śląskie Epizody Historyczne); Kaczorowski, Włodzimierz: Bitwa pod Byczyną, Opole 1988 (Encyklopedia Wiedzy o Śląsku). Macůrek, Josef: České povstání r. 1618–1620 a Polsko. In: Časopis Matice moravské 61 (1937) 1–48, 152–194, 289–362; Czapliński, Władysław: Śląsk w pierwszych latach wojny trzydziestoletniej (1618–1620). In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 3 (1947) 141– 181. Grünhagen, Colmar: Geschichte Schlesiens, Bd. 2: Bis zur Vereinigung mit Preußen (1527 bis 1740), Gotha 1886, 270.

Die schlesisch-polnischen Beziehungen im 16. und 17. Jh.

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Heinrich XI. von Liegnitz hervor, der unter anderen mit den Geschlechtern der Opaliński und der Zborowski befreundet war.6 Eine gewisse Aufmerksamkeit schenkte man auch den Kontakten Friedrichs II. und Georgs II. von Liegnitz-Brieg mit der großpolnischen Familie Górka, Johann Christians mit den in Westpreußen mächtigen Dönhoffs oder Christians mit den Radziwills.7 Die bisherigen Forschungsergebnisse sind aber äußerst dürftig. Wenn man schon die Zurückhaltung der deutschen Historiker bezüglich der schlesischen Piasten der Frühen Neuzeit und insbesondere ihrer Beziehungen zu Polen in gewisser Hinsicht nachvollziehen kann, so ist das fehlende Interesse der polnischen Geschichtsforscher für so tragische Gestalten wie den erwähnten, im Exil verstorbenen und von patriotischen Kreisen der schlesischen Intelligenz zu einem Märtyrer und Propheten in Wort und Bild hochstilisierten Johann Christian unerklärlich.8 Zu wenig wissen wir über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und die verwandtschaftlichen Beziehungen des polnischen und schlesischen Adels sowie über das Leben der Adelsgeschlechter, die sich in schlesische und polnische Zweige aufgliederten – wie die Bojanowskis, Kottwiczs, Schlichtings oder Unruhs.9 Von den Forschern unbeachtet blieben auch die tiefen und vielfältigen Beziehungen Breslaus mit Danzig, Thorn und Elbing – abgesehen von der bekannten Tatsache, daß die Breslauer Bürger ihre Söhne zwecks einer vielseitigen Ausbildung in die preußischen Städte schickten,10 die auch eine 6 Stenzel, Gustav Adolf (Hg.): Herzog Hans der Grausame von Sagan im Jahre 1488 und Hans von Schweinichens Leben Herzog Heinrichs XI. von Liegnitz, Breslau 1850 (Scriptores rerum Silesiacarum 4); Pamiętnik do dziejów Szląska i Polski 1552–1602 roku. Przekład skrócony Pamiętników Hansa Schweinichena przez H. Feldmanowskiego, Drezno 1870. Vgl. ferner Boras, Zygmunt: Śląski książę renesansu i jego hulaszczy żywot, Katowice 1985 (Śląskie Epizody Historyczne). 7 Szczur, Stanisław/Ożóg, Krzysztof (Hg.): Piastowie. Leksykon biograficzny, Kraków 1999, 502–506, 511–515, 536–540, 556–557. Vgl. ferner Weber, Matthias: Das Verhältnis Schlesiens zum Alten Reich in der frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 1992 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte 1), 149–160; Bahlcke, Joachim: Deutsche Kultur mit polnischen Traditionen. Die Piastenherzöge Schlesiens in der frühen Neuzeit. In: Weber, Matthias (Hg.): Deutschlands Osten, Polens Westen, Vergleichende Studien zur Geschichtlichen Landeskunde, Frankfurt a. M. 2001 (Forum Mitteleuropa-Osteuropa. Oldenburger Beiträge zur Kultur und Geschichte Ostmitteleuropas 2) 83–112. 8 Die einzige Biographie Johann Christians von Brieg wurde populärwissenschaftlich von einem Laienhistoriker geschrieben. Kisza, Andrzej: Jan Chrystian – ewangelicki książę piastowski, Warszawa 1981. Vgl. ferner Harasimowicz, Jan: „Was kann nun besser seyn dann fuer die Freyheit streiten und die Religion.“ Konfessionalisierung und ständische Freiheitsbestrebungen im Spiegel der schlesischen Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Bußmann, Klaus/ Schilling, Heinz (Hg.): 1648 Krieg und Frieden in Europa, 26. Europaratsausstellung, Münster und Osnabrück vom 24.10.1998 bis 17.1.1999, Textbd. 2: Kunst und Kultur, Münster/ Osnabrück 1998, 297–306. 9 Dworzaczek, Włodzimierz: Schlichtingowie w Polsce, Warszawa 1938. 10 Wotschke, Theodor: Schlesier auf dem Thorner Gymnasium im 17. Jahrhundert. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 73 (1939) 190–216; Tync, Stanisław: Wędrówki

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perfekte Kenntnis der polnischen Sprache umfaßte. Gerade in der protestantischen Stadt Breslau, die ebenfalls einem katholischen Herrn unterstand, beobachteten die Bürger der preußischen Städte, die vom polnischen König Sigismund II. August ähnliche religiöse Freiheiten forderten, die Organisation der sozialen Fürsorge, des Schulwesens und des Gottesdienstes in den Pfarrkirchen.11 Die dritte Ebene in der Forschung zu den schlesisch-polnischen Beziehungen der Frühen Neuzeit stellen die allgemeinen Probleme beider Gesellschaften in vergleichender Perspektive dar, insbesondere Probleme der Wirtschaft, der gesellschaftlichen Struktur, der sozialen Kommunikation – darunter Sprachprobleme –, rechtliche Normen, Rechtsinstitutionen, Sitten und Bräuche. Polnische Forscher – vor allem die in Breslau wirkenden Wissenschaftler – widmeten besonders in den sechziger und siebziger Jahren den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Schlesien und Polen zahlreiche Studien, insbesondere im Bereich des Handels, des Erzbergbaus sowie des Hüttenwesens.12 Zu hervorragenden Ergebnissen gelangten die Breslauer Staats- und Rechtshistoriker aus der Schule von Kazimierz Orzechowski, die im letzten Jahrzehnt eine gründliche Übersicht der rechtlich-verfassungsmäßigen Problematik aller schlesischen Territorien, d. h. der Fürstentümer und Standesherrschaften unternahmen.13 Sie stellten für das 16. und 17. Jahrhundert eine beachtliche Präsenz überkommener Relikte des polnischen Rechts (ius polonicum) fest. Ein besonders wichtiges und bis heute sehr sensibles Forschungsgebiet stellt innerhalb der schlesischen Geschichtsschreibung die sogenannte Sprachproblematik dar.14 Die deutschen Forscher neigten dazu, das polnische Sprachgebiet inner-

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Ślązaków profesorów i studentów do Prus Królewskich w XVI w. In: Śląsk. Miesięcznik Ilustrowany 3/1–3 (1948) 12–20. Jessen, Hans/Schwarz, Walter (Hg.): Schlesische Kirchen- und Schulordnungen von der Reformationszeit bis ins 18. Jahrhundert, Görlitz 1938 (Quellen zur Schlesischen Kirchengeschichte 1), 40–42. Wolański, Marian: Związki handlowe Śląska z Rzecząpospolitą w XVII wieku ze szczególnym uwzględnieniem Wrocławia, Wrocław 1961 (Prace Wrocławskiego Towarzystwa Naukowego A 77); ders.: Statystyka handlu Śląska z Rzecząpospolitą w XVII wieku. Tablice i materiały statystyczne, Wrocław 1963 (Archiwum Histoyczne 3); ders.: Schlesiens Stellung im Osthandel vom 15. bis zum 17. Jahrhundert. In: Bog, Ingomar (Hg.): Der Außenhandel Ostmitteleuropas 1450–1650. Die ostmitteleuropäischen Volkswirtschaften in ihren Beziehungen zu Mitteleuropa, Köln/Wien 1971, 120–138. Orzechowski, Kazimierz: Ogólnośląskie zgromadzenia stanowe, Warszawa/Wrocław 1979; Jurek, Piotr: Śląskie pokoje krajowe. Studium historyczno-prawne, Wrocław 1991 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1094, Prawo 176); Ptak, Marian: Zgromadzenia i urzędy stanowe księstwa głogowskiego od początku XIV w. do 1742 r., Wrocław 1991 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1344, Prawo 210); Orzechowski, Kazimierz: W kręgu historii prawa. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 54 (1999) 217–223; ders.: Historia ustroju Śląska 1202–1740, Wrocław 2005 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2806). Aus deutscher Sicht Zivier, Ezechiel: Die Amtssprache in Schlesien. In: Oberschlesien 1 (1902/03) 803–825; Reiter, Norbert: Die polnisch-deutschen Sprachbeziehungen in Oberschlesien, Wiesbaden 1960; Conrads, Norbert: Schlesiens frühe Neuzeit (1469–1740). In:

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halb Schlesiens eher zu verkleinern, die polnischen dagegen strebten danach, das Gebiet mit überwiegend polnisch- oder tschechischsprachigen Schlesiern zu vergrößern. Es scheint, daß die für die Lösung dieses Problems notwendige und existierende Quellenbasis noch nicht ausgeschöpft worden ist. Man hat die epigraphischen Denkmäler noch nicht vollständig katalogisiert, was die nachweisbare Verbreitung der tschechischen Sprache bis zum Nordrand des Falkenberger Kreises verschieben würde,15 und man hat eindeutige Aussagen der evangelischen Kirchenordnungen für das Fürstentum Oels und für die Standesherrschaft Militsch ignoriert, die eine starke Präsenz polnischsprachiger Bevölkerungsanteile auf diesen Gebieten dokumentieren.16 Es wurden auch weitere schriftliche Quellen aus dem Gebiet der Fürstentümer Breslau, Brieg und Oels – und zwar nicht nur aus der Gegend von Kreuzburg und Pitschen, sondern auch aus der nahen Umgebung der schlesischen Hauptstadt – bagatellisiert oder marginalisiert.17 Zu wenig Aufmerksamkeit schenkte man den zwei Emigrationswellen im schlesisch-polnischen Grenzgebiet im 17. Jahrhundert: der Massenflucht schlesischer Protestanten nach Polen während des Dreißigjährigen Kriegs, was zur Entstehung neuer und zum Ausbau alter Städte im großpolnischen Grenzbereich zu Schlesien führte,18 sowie der vielleicht weniger spektakulären, aber bedeutenden Flucht der polnischen Bevölkerung verschiedener Konfessionen nach Schlesien vor den Repressalien der schwedischen Besatzung.19 Die beiden Migrationswellen verstärkten die seit dem 16. Jahrhundert bestehende „deutsch-polnische bürgerliche Kultur“, um den vor 40 Jahren geprägten und durchaus treffenden Ausdruck von Stanisław Herbst zu gebrauchen.20 Zu den Ergebnissen dieser in weiten Teilen Schlesiens tatsächlich

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ders. (Hg.): Deutsche Geschichte im Osten Europas: Schlesien, Berlin 1994, 177–344, hier 180–185. Aus polnischer Perspektive: Rospond, Stanisław: Zabytki języka polskiego na Śląsku, Wrocław/Katowice 1948; Urban, Wacław: Polskie kaznodziejstwo i katechizacja we wrocławskiej diecezji w czasach pruskich. In: Nasza Przeszłość 17 (1963) 123–186; Ogrodziński, Wincenty: Dzieje piśmiennictwa śląskiego, Katowice 1965; Musioł, Paweł: Piśmiennictwo polskie na Śląsku do początków XIX wieku, Opole 1970; Mendykowa, Aleksandra: Książka polska we Wrocławiu w XVIII wieku, Wrocław 1975; dies.: Dzieje książki polskiej na Śląsku, Wrocław 1991. Knop, Alois/Lemprecht, Arnošt/Pallas, Ladislav: Dějiny českého jazyka ve Slezsku a na Ostravsku, Ostrava 1967. Jessen/Schwarz (Hg.): Schlesische Kirchen- und Schulordnungen, 359–391, 504–514. Rombowski, Aleksander: Polacy podwrocławscy (XVI–XIX w.). In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 3 (1948) 355–408. Kulejewska-Topolska, Zofia: Nowe lokacje miejskie w Wielkopolsce od XVI do końca XVIII wieku. Studium historyczno-prawne, Poznań 1964; Wróblewska, Grażyna: Ukształtowanie przestrzenne nowożytnych miast Wielkopolski od roku 1500 do rozbiorów. In: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 10 (1965) 87–98. Czapliński, Władysław: Emigracja polska na Śląsku 1655–1660. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 10 (1955) 556–610. Herbst, Stanisław: Polsko-niemiecka kultura mieszczańska XVI wieku. In: Ze studiów nad sztuką XVI wieku na Śląsku i w krajach sąsiednich, Wrocław 1968, 7–15.

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Zur schlesisch-polnischen Nachbarschaft

zweisprachigen Kultur zählen sowohl die berühmten deutsch-polnischen Briefsteller, Grammatiken, Katechismen, Gesprächs- und Gebetbücher,21 als auch die in deutscher und polnischer Sprache veröffentlichte „Agenda Oleśnicka“ [„Oelsnische Agende“] von Melchior Eccard und Georg Bock (1664)22 oder das „Doskonały kancjonał polski“ [„Das vollkommene polnische Gesangbuch“] von Johannes Acoluthus (1673) (Abb. 64),23 das unter anderem polnische Übersetzungen der in den deutschsprachigen evangelischen Gemeinden Schlesiens gesungenen Lieder enthält. Dieses typisch protestantisch-bürgerliche Wertesystem kam in der in polnischer Sprache verfaßten und polnisch gedruckten „Nauka domowa“ [„Hauslehre“] von Pastor Bock (1670)24 noch stärker zum Ausdruck als in den Gelegenheitsschriften, die damals in deutscher Sprache entstanden und veröffentlicht wurden. Auch die oberschlesischen Bergwerk- und Hüttenleute, die rege Verbindungen zu ihren Berufsgenossen jenseits der Grenze im Fürstentum Siewierz – ein Besitz des Krakauer Bischofs – unterhielten, wurden in einem polnischen, nicht etwa in einem deutschen Gedicht verewigt. Die Rede ist selbstverständlich von der berühmten, 1612 in Krakau veröffentlichten Dichtung „Officina ferraria“ des Schlesiers Walenty Roździeński.25 Alle hier genannten Drucke werden in der deutschen

21 Rombowski, Aleksander: Nauka języka polskiego we Wrocławiu (Koniec wieku XVI – połowa wieku XVIII), Wrocław 1960; Mendykowa: Dzieje książki polskiej na Śląsku, 11–105, 139– 243, 277–330. 22 Agenda oder Ordnung derer Evangelischen Kirchen im Oelßnischen Fuerstenthum und zugehoerigen Weichbildern/ Auff gnaedigen Befehl I. F. G. Hertzog Carls zu Muensterberg/ dieses Nahmens des Anderen/ erstlich gestellt und zusammenbracht/ und der Ehrwuerdigen Priesterschafft uebergeben Ao. 1593: Numehro aber auff gnaedige Verordnung I. F. G. Hertzog Sylvii zu Wuertenberg und Teck/ auch in Schlesien zur Oelßen/ etc. revidiret und zum Druck befoerdert Ao. 1664, Oelß 1664; Agenda/ to jest/ Porządek/ Kościołów Ewanjelickich Księstwa Oleśnickiego i innych do niego należących Powiatów. Naprzód na miłościwe rozkazanie Książęcia Jego Mości Karola z Mynsterberku Wtórego, w Niemieckim języku spisana i wielebnemu Duchowieństwu roku 1593. oddana; Potym/ Za miłościwym zrządzeniem Jego Książęcej Mości Sylwiusza Książęcia na Wyrtenberku i Teku, a w Śląsku na Oleśnicy etc. przejrzana, i do druku roku 1664. podana/ A teraz/ Kwoli Kościołom Polskim w pomienionym Księstwie/ na pospolite używanie Księży, z Niemieckiego na Polski Język przetłumaczona./ Wtóra Edycja, Brzeg 1715. 23 Doskonały Kancjonał Polski zawierający w sobie Pieśni/ Hymny/ i Psalmy Krześciańskie/ z Toruńskich/ Gdańskich/ Królewieckich starszych i nowszych Kancjonałów zebrane i częścią poprawione/ a z Przydatkiem Świeżo przetłumaczonych Piosneczek także Katechizmu i Modlitew Ś. nawet i Rejestrów potrzebnych Bogu w Trójcy Ś. Jedynemu na Chwałę/ a Kościołowi prawowiernemu na Zbudowanie, Brzeg 1673. 24 Bock, Jerzy: Nauka domowa i wyjątki z Agendy, bearbeitet von Wincenty Ogrodziński, Katowice 1936. 25 Roździeński, Walenty: Officina ferraria ábo hutá i wárstát z kuźniámi szláchetnego dzieła żeláznego. Bearb. von Pollak, Roman/Radwan, Mieczysław/Rospond, Stanisław, Wrocław/ Warszawa/Kraków 1962. Vgl. ferner Rospond, Stanisław (Hg.): Roździeńsciana. Studia o Walentym Roździeńskim autorze „Officina ferraria“ z 1612 r., Wrocław/Warszawa/Kraków

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Abb. 64. Johannes Acoluthus, Pfarrer der Kirche St. Elisabeth in den Jahren 1669 bis 1680 und gleichzeitig Kirchen- und Schulinspektor der Stadt Breslau, war nach dem Dreißigjährigen Krieg einer der größten Befürworter der polnischen Literatursprache in der evangelischen Kirche Schlesiens. Auf seine Veranlassung erschien 1673 in Brieg „Das vollkommene polnische Gesangbuch“, das mehr als eintausend Seiten mit polnischen Gesängen und Gebeten für sämtliche Feiertage im Kirchenjahr enthielt.

Schlesien-Forschung stillschweigend übergangen. In Polen werden sie von Zeit zu Zeit erwähnt,26 bisher gibt es aber keine neuen kritischen Ausgaben. Die vierte Ebene der Forschung ist die Geschichte der christlichen Kirchen Schlesiens: der katholischen, der lutherischen und der reformierten. Deutsche Forschungen hierzu – stark durch den seit dem 18. Jahrhundert andauernden Streit der schlesischen Katholiken und Protestanten über die Ursachen, den Verlauf und die Folgen der Reformation geprägt – marginalisierten entweder die Bedeutung der schlesisch-polnischen Beziehungen oder klammerten diese Bezüge vollständig aus. Dies trifft vor allem auf evangelische Kirchenhistoriker zu, von denen lediglich Othmar Karzel und Oskar Wagner,27 die sich mit Oberschlesien befaßten, die Problematik des polnischen Sprachgebrauchs in der Homiletik, der Liturgie und der Organisation des kirchlichen Lebens nicht ignorieren wollten. Das Problem der 1965; Jarosz, Adam (Hg.): Nowe Roździeńsciana. Studia o Walentym Roździeńskim i jego dziele „Officina ferraria“ z roku 1612, Wrocław u. a. 1985. 26 Gdacjusz, Adam: Wybór pism. Bearb. von Borek, Henryk/Zaremba, Jan, Warszawa/Wrocław 1969. 27 Wagner, Oskar: Mutterkirche vieler Länder. Geschichte der evangelischen Kirche im Herzogtum Teschen, 1545–1918/20, Wien/Köln/Graz 1978 (Studien und Texte zur Kirchengeschichte und Geschichte 1/4); Karzel, Othmar: Die Reformation in Oberschlesien. Ausbreitung und Verlauf, Würzburg 1979 (Quellen und Darstellungen zur schlesischen Geschichte 20).

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polnischen Sprache innerhalb der evangelischen Kirche der Stadt Breslau, der Fürstentümer Brieg, Oels und Breslau, der Standesherrschaften Militsch, Polnisch (Groß) Wartenberg und Trachenberg existierte in der deutschen Forschungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts faktisch nicht. Die katholischen Kirchenhistoriker konnten natürlich die Zugehörigkeit der Breslauer Diözese zur Gnesener Kirchenmetropole und mancher schlesischer Klöster zu den polnischen Ordensprovinzen nicht verschweigen. Die bereits vor dem Zweiten Weltkrieg ausgebildeten und hauptsächlich danach wirkenden Forscher, wie Joseph Gottschalk, Alfred Sabisch und Joachim Köhler, waren sich der Bindung Schlesiens an die polnische Metropole bewußt.28 Sie wußten auch, daß diese Bindung keineswegs formal war. Gottschalk vermerkte zwar ehrlich – obwohl lediglich am Rande seiner Ausführungen – die von König Johann III. Sobieski und dessen Frau Maria Kasimira in Rom unternommenen Bemühungen, die Verehrung der Hl. Hedwig in allgemeinkirchlichen Rang zu erheben.29 Köhler machte auf die Versuche der Polen aufmerksam, die in Schlesien beinahe aufgelösten Strukturen der katholischen Kirche wieder zu größerer Aktivität gegen die fortschreitende Reformation zu beleben.30 Die Erkenntnisse der polnischen Historiographie wurden für lange Zeit durch den berühmten Aufsatz von Władysław Czapliński aus dem Jahr 1949 geprägt, in dem der Verfasser künftige Schlesienforscher davor warnte, das Polentum mit der katholischen, und das Deutschtum mit der evangelischen Kirche gleichzusetzen.31 Diese Warnung wurde von den Autoren der polnischen „Historia Śląska“ respektiert, die den Einfluß von Reformation und Gegenreformation auf die Nationalitätenverhältnisse in Schlesien meist zutreffend einschätzten.32 In neueren Veröffentlichun28 Gottschalk, Joseph: St. Hedwig, Herzogin in Schlesien, Köln/Graz 1964 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 2); Sabisch, Alfred: Breslauer Domherren des 16. Jahrhunderts. Im Umkreis ihres Dienstes und ihrer Häuslichkeit. In: Iserloh, Erwin/Repgen, Konrad (Hg.): Reformata reformanda. Festgabe für Hubert Jedin zum 17. Juni 1965, Bd. 2, Münster 1965, 144–176; Köhler, Joachim: Das Ringen um die Tridentinische Erneuerung im Bistum Breslau. Vom Abschluß des Konzils bis zur Schlacht am Weißen Berg 1564 bis 1620, Köln/Wien 1973 (Forschungen und Quellen zur Kirchenund Kulturgeschichte Ostdeutschlands 12); ders.: Revision eines Bischofsbildes? Erzherzog Karl von Österreich, Bischof von Breslau (1608–1624) und Brixen (1613–1624), als Exponent der habsburgischen Hausmachtpolitik. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 32 (1974) 103–126; Sabisch, Alfred: Die Bischöfe von Breslau und die Reformation in Schlesien. Jakob von Salza (gestorben 1539) und Balthasar von Promnitz (gestorben 1562) in ihrer glaubensmäßigen und kirchenpolitischen Auseinandersetzung mit den Anhängern der Reformation, Münster 1975 (Katholisches Leben und Kirchenreform im Zeitalter der Glaubensspaltung 35). 29 Gottschalk: St. Hedwig, Herzogin in Schlesien, 313. 30 Köhler: Das Ringen um die Tridentinische Erneuerung im Bistum Breslau, 198–203. 31 Czapliński, Władysław: Wpływ reformacji i kontrreformacji na stosunki narodowościowe na Śląsku (XVI–XVIII w.). In: Przegląd Historyczny 40 (1949) 44–155. 32 Maleczyński, Karol (Hg.): Historia Śląska, Bd. 1, Teil 3, 14–27, 171–177, 277–285, 539– 561.

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Abb. 65. Im Jahr 1676 begann Krystyna Pawłowska, damalige Äbtissin des Zisterzienserinnenklosters in Trebnitz, die einer polnischen, seit Jahren im südlichen Großpolen niedergelassenen Adelsfamilie entstammte, mit der gründlichen Barokkisierung der Klosterkirche St. Bartholomäus und Hedwig. In der Hedwigskapelle bei dieser Kirche wurde im Jahr 1680 das stattliche Grabmal für die Patrona Silesiae aufgestellt, das in Krakau von dem Bildhauer Marcin Bielawski aus schwarzem und rotem Marmor geschaffen wurde. Aus dem gleichen schwarzen Marmor, in Dębniki bei Krakau abgebaut, wurden auch einige Epitaphien für Ordensschwestern polnischer Herkunft angefertigt.

gen, deren Autoren katholische Priester sind,33 zeigte sich – unnötig – ein Zug zu katholischem Proselitysmus, der das in der „Historia Śląska“ von Józef Gierowski, Karol Maleczyński und Józef Leszczyński ziemlich objektiv dargestellte Bild der konfessionellen Verhältnisse Schlesiens verwischt. Ein vollkommen neues Licht auf das religiöse Leben Schlesiens im 17. Jahrhundert warfen die Forschungen von Kunsthistorikern aus Breslau, Kattowitz und Posen. Dank Jacek Witkowski und Romuald Kaczmarek wurde mit absoluter Sicherheit die Krakauer Herkunft des barocken Grabes der Hl. Hedwig in Trebnitz (1676–1680) (Abb. 65) festgestellt,34 dank Piotr Oszczanowski wurde Stanislaus Ostroróg (1602–1616) vor dem Vergessen bewahrt – ein jugendlicher Domherr aus Krakau, dessen Verehrung die 1615 33 Niedziela, Lucjan: Polonizacja klasztoru dominikańskiego we Wrocławiu w latach 1606– 1608. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 28 (1973) 441–451; Lec, Zdzisław: Jezuici we Wrocławiu (1581–1776), Wrocław 1995; Mandziuk, Józef: Historia Kościoła katolickiego na Śląsku, Bd. 2: Czasy reformacji, reformy katolickiej i kontrreformacji 1520–1742, Warszawa 1995. 34 Kaczmarek, Romuald/Witkowski, Jacek: Das Grabmal der Hl. Hedwig in Trzebnica (Trebnitz). In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 40 (1986) 69–91; dies.: Mauzoleum świętej Jadwigi w Trzebnicy, Wrocław 1993.

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mit der ersten Welle der Gegenreformation nach Breslau zurückkehrenden Franziskaner zu fördern versuchten.35 Im Rahmen eines vom Verfasser dieses Beitrags gehaltenen Seminars wurden bisher unbekannte Bildnisse der Muttergottes von Tschenstochau in Schlesien ausfindig gemacht; es wurde analytisch die Verehrung der formal nicht selig gesprochenen Herzogin Euphemie von Ratibor erforscht, die zu Anfang des 17. Jahrhunderts an Stärke gewann; es wurde auch der Einfluß der in Oberglogau wirkenden polnischen Priester auf das kulturelle Mäzenatentum der Familie von Oppersdorff erkannt.36 Der Verfasser des Beitrags wies in seinen eigenen Veröffentlichungen, unter anderem in der Einleitung zum Katalog der Kattowitzer Ausstellung „Oblicza sztuki protestanckiej na Górnym Śląsku“ [„Antlitze der protestantischen Kunst in Oberschlesien“],37 ebenso zahlreiche wie konkrete Verbindungen der schlesischen evangelischen Geistlichkeit zu den großpolnischen, westpreußischen und litauischen Gebieten nach. In letzter Zeit steht insbesondere Johannes Acoluthus38 – Pfarrer an der Elisabethkirche und Kircheninspektor der Stadt Breslau von 1669 bis 1680, ein hervorragender Theologe und Prediger, der den erwähnten „Doskonały kancjonał polski“ anregte und zum großen Teil verfaßte – im Mittelpunkt des Interesses. Die fünfte und letzte Ebene der Forschung zu den schlesisch-polnischen Beziehungen in der Neuzeit stellt der weitgefaßte Kulturbegriff dar: von der Architektur und den bildenden Künsten, über Musik und Theater, bis hin zu Literatur, Verlagswesen, Wissenschaft und Bildung. Es kommt noch die Problematik des kulturellen Mäzenatentums und der gesellschaftlichen Rolle der Kunst hinzu, vor allem in Hinsicht auf die Beziehungen Schlesiens zu Polen sowie auf die Herausbildung der kulturellen Identität Schlesiens. Dank der Forschung von Eugeniusz Iwanoyko,39 Kon-

35 Oszczanowski, Piotr: Obraz Bartłomieja Strobla Mł. „Ukamienowanie św. Szczepana“ – próba odczytania treści i funkcji dzieła. In: Kalinowski, Lech/Mossakowski, Stanisław/OstrowskaKębłowska, Zofia (Hg.): Nobile Claret Opus. Studia z dziejów sztuki dedykowane Mieczysławowi Zlatowi, Wrocław 1998 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2016, Historia Sztuki 13), 308–317. 36 Jaroszewska, Anna: Siedemnastowieczne ołtarze w kościele w Łozinie koło Wrocławia. Przyczynek do dziejów kontrreformacji na Śląsku. In: Dzieła i Interpretacje 2 (1994) 101–109; Pękalska, Ewa: Mäzenat und gegenreformatorische Tätigkeit Georgs III. von Oppersdorff. In: Czarnecka, Mirosława (Hg.): Zur Literatur und Kultur Schlesiens in der Frühen Neuzeit aus interdisziplinärer Sicht, Wrocław 1998 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1968), 153–158. 37 Harasimowicz, Jan: Słowo widzialne. Luteranizm górnośląski w zwierciadle sztuki. In: ders./ Chojecka, Ewa: Oblicza sztuki protestanckiej na Górnym Śląsku (Ausstellungskatalog), Katowice 1993, 12–22. 38 Harasimowicz, Jan: Die Haupt- und Pfarrkirche zu St. Elisabeth in Breslau, ,evangelischer Zion‘ einer multinationalen Metropole. In: Donnert, Erich (Hg.): Europa in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Mühlpfordt, Bd. 1: Vormoderne, Weimar/Köln/Wien 1997, 603–612, hier 603–605. 39 Iwanoyko, Eugeniusz: Bartłomiej Strobel, Poznań 1957.

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stanty Kalinowski,40 Janusz Kębłowski,41 Adam Więcek,42 Mieczysław Zlat43 und vielen anderen polnischen Kunsthistorikern – den Verfasser des vorliegenden Beitrags nicht ausgeschlossen44 – sind der künstlerische Austausch zwischen Schlesien und Polen, die gegenseitige Durchdringung verschiedener Kunstgattungen und die Herkunft einzelner Kompositionen und ikonographischer Programme sehr gut erschlossen. Dank Marian Szyrocki, Zdzisław Żygulski und anderer deutscher sowie polnischer Germanisten ist der Einfluß, der von Jan Kochanowski – im 17. Jahrhundert wurde er in Schlesien entweder in polnischer Sprache oder in deutschen Übersetzungen eines Scherffer von Scherffenstein gelesen – auf die schlesische Dichtung ausgeübt wurde, bestens bekannt.45 Die Bedeutung der Krakauer Univer40 Kalinowski, Konstanty: Gloryfikacja panującego i dynastii w sztuce Śląska XVII i XVIII wieku, Warszawa/Poznań 1973 (Prace Komisji Historii Sztuki Poznańskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk 9/2); ders.: Architektura barokowa na Śląsku w drugiej połowie XVII wieku, Wrocław u. a. 1974 (Studia z Historii Sztuki 21); ders.: Architektura doby baroku na Śląsku, Warszawa 1977; ders.: Rzeźba barokowa na Śląsku, Warszawa 1986; ders.: Barock in Schlesien. Geschichte, Eigenart und heutige Erscheinung, München/Berlin 1990. 41 Kębłowski, Janusz: Renesansowa rzeźba na Śląsku 1500–1560, Poznań 1967 (Prace Komisji Historii Sztuki Poznańskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk 8/1). 42 Więcek, Adam: Osiemnastowieczni ilustratorzy polscy we Wrocławiu (Kartka z dziejów polskiej kultury artystycznej na Śląsku). In: Przegląd Zachodni 11/12 (1954) 561–565; ders.: Medale Piastów śląskich, Warszawa 1958; ders.: Strachowscy. Z dziejów ilustratorstwa śląskiego XVIII wieku, Wrocław 1960; ders.: Jan Jerzy Urbański. Studium o rzeźbie wrocławskiej pierwszej połowy XVIII stulecia, Wrocław/Warszawa/Kraków 1963; ders.: Ludowe drzeworyty wrocławskie XVII/XIX wieku z życzeniami noworocznymi. In: Opolski Rocznik Muzealny 2 (1966) 325–356; ders.: Dawid i Jan Tscherningowie. Śląska grafika ilustracyjna XVII i początku XVIII wieku. In: Opolski Rocznik Muzealny 5 (1972) 233–284. 43 Zlat, Mieczysław: Attyka renesansowa na Śląsku. In: Biuletyn Historii Sztuki 17 (1955) 48– 79; ders.: Brama zamkowa w Brzegu. In: Biuletyn Historii Sztuki 24 (1962) 284–322; ders.: Brzeg, Wrocław 21979 [¹1960] (Śląsk w Zabytkach Sztuki); ders.: Działalność architektoniczna rodziny Parrów na Śląsku. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 14 (1986) 37–49; ders.: Zamek piastowski w Brzegu, Opole 1988 (Encyklopedia Wiedzy o Śląsku). 44 Harasimowicz, Jan: Mauzoleum Górków w Kórniku. In: Biuletyn Historii Sztuki 48 (1986) 277–299; ders.: Sztuka mieszczańska w Europie Środkowowschodniej. Stan i perspektywy badań. In: ders. (Hg.): Sztuka miast i mieszczaństwa XV–XVIII wieku w Europie Środkowowschodniej, Warszawa 1990, 15–55; ders.: Wkład Legnicy w kulturę artystyczną Śląska od średniowiecza do końca XIX wieku. In: ders. (Hg.): Kultura artystyczna dawnej Legnicy, Opole 1991, 9–26, 116–118; ders.: Związki artystyczne Wielkopolski i Śląska w zakresie rzeźby kamiennej w XVI i pierwszej połowie XVII wieku. In: Biuletyn Historii Sztuki 53 (1991) 201–225; ders.: Piasti, Polonorum regum nepotes. In: ders. (Hg.): Mauzolea Piastowskie na Śląsku (Ausstellungskatalog), Wrocław 1993, 7–11; ders.: Das Kunstmäzenatentum der ostmitteleuropäischen Bürger in der frühen Neuzeit. In: Gaehtgens, Thomas W. (Hg.): Künstlerischer Austausch/Artistic Exchange. Akten des 28. Internationalen Kongresses für Kunstgeschichte in Berlin vom 15. bis 21. Juli 1992, Bd. 2, Berlin 1993, 221–232. 45 Szyrocki, Marian/Żygulski, Zdzisław: Silesiaca. Wybór z dzieł pisarzy śląsko-niemieckich XVII wieku w tekstach oryginalnych i polskich przekładach, Warszawa 1957, 80–91, 94–97, 108–109, 112–113; Zaremba, Jan: Recepcja polskiej literatury renesansowej u pisarzy

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sität sowie der akademischen Gymnasien in Thorn, Danzig und Elbing für die schlesische, der humanistischen Gymnasien in Beuthen an der Oder und Goldberg sowie der Liegnitzer Ritterakademie für die polnische Jugend steht außer Frage.46 Ein eingehenderes Studium verdient hingegen die Kolonie schlesischer Literaten und Künstler, die sich während des Dreißigjährigen Kriegs im polnischen Exil – vor allem in Thorn und Danzig – formierte.47 Schon die flüchtige Berührung dieser Problematik im Katalog zur Ausstellung „Krieg und Frieden in Europa“, die in Osnabrück und Münster zum 350. Jahrestag des Westfälischen Friedens veranstaltet wurde,48 zeigte wie bedeutend für die Kultur Schlesiens jene Werke waren, die innerhalb dieser Kolonie mit der Absicht, zur Befreiung Schlesiens von dem Joch der Habsburger ,Tyrannis‘ beizutragen, entstanden. Das berühmte Bild von Bartholomäus Strobel dem Jüngeren „Das Gastmahl des Herodes und die Enthauptung Johannes des Täufers“, das zwischen 1640 und 1642 in Elbing bzw. Marienburg gemalt wurde und jetzt im Museo del Prado in Madrid zu sehen ist (Abb. 30, 31),49 stellt für den Verfasser des vorliegenden Beitrags eine große Allegorie Schlesiens während des Dreißigjährigen Kriegs, einen eindringlichen Appell an die Völker Europas, sich für das von religiösen Verfolgungen gequälte Land einzusetzen, dar. Die auf den fünf hier genannten Ebenen betriebene Forschung war mehr oder weniger von den Schwankungen der politischen Konjunktur abhängig. Die frühere deutsche Geschichtsschreibung des 18. und 19. Jahrhunderts setzte sich mit den schlesisch-polnischen Beziehungen vorwiegend objektiv auseinander. Als aber nach

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śląskich ośrodka kluczborsko-byczyńskiego w XVII wieku. In: Studia nad piśmiennictwem śląskim 1 (1967) 9–38. Bauch, Gustav: Schlesien und die Universität Krakau im XV. und XVI. Jahrhundert. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 41 (1907) 99–180; Wotschke: Schlesier auf dem Thorner Gymnasium im 17. Jahrhundert; Minkiewicz, Jan: Polacy w legnickiej Akademii Rycerskiej w latach 1708–1811. In: Szkice Legnickie 4 (1967) 117–132; Barycz, Henryk: Śląsk w polskiej kulturze umysłowej, Katowice 1979; Malicki, Jan: Laury, togi, pastorały. Szkice o kulturze literackiej renesansowego Śląska, Katowice 1983. Alewyn, Richard: Opitz in Thorn (1635/1636). In: Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins 66 (1926) 169–179; Scheyer, Ernst: Der Maler Bartholomaeus Strobell. Künstlerische Beziehungen Breslaus zu Danzig in der Zeit des großen Krieges. In: Ostdeutsche Monatshefte 13 (1932/33) 526–537; Cieśla, Michał: Marcin Opitz w Polsce (1635– 1639). In: Przegląd Zachodni 8 (1952) 475–495. Harasimowicz: „Was kann nun besser seyn dann fuer die Freyheit streiten und die Religion“, 297–306. Seghers, Lode (Hg.): Europäische Allegorie. Prado Nr. 1940, ein Meisterwerk des Manierismus, München/Antwerpen 1961; Ossowski, Zdzisław: Obraz Bartłomieja Strobla w Madrycie. In: Biuletyn Historii Sztuki 51 (1989) 152–156; Szczepińska-Tramer, Joanna: El „Festin de Herodes“: notas sobre el cuadro de Bartholomäus Strobel. In: Goya 223/224 (1991) 2–15; Tylicki, Jacek/Meyer, Ludwig: Sztuka i polityka anno 1639. Obraz Bartłomieja Strobla w Prado. In: Porta Aurea 2 (1993) 101–142; Harasimowicz: „Was kann nun besser seyn dann fuer die Freyheit streiten und die Religion“, 302–304; Tylicki, Jacek: Bartłomiej Strobel – malarz epoki wojny trzydziestoletniej, Bd. 1–2, Toruń 2000, hier Bd. 1, 145–158, Bd. 2, 25–29.

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dem Ersten Weltkrieg das Problem der staatlichen Zugehörigkeit Oberschlesiens akut wurde, endete auch die Objektivität. Über die ganze Zwischenkriegszeit – wobei die Zäsur des Jahres 1933 als irrelevant angesehen werden muß – wurden die für alle Grenzgebiete eigentümlichen Spuren der kulturellen Osmose und der gegenseitigen Entlehnungen verwischt. Mit noch stärkerer Kraft machten sich diese Tendenzen nach dem Zweiten Weltkrieg bemerkbar, und dies nicht nur in den von dem Verband der Deutschen Vertriebenen angeregten und betreuten Veröffentlichungen. Als Nachklang dieser Propaganda muß die heute von manchen Gemeinden Oberschlesiens formulierte Forderung nach zweisprachigen Ortsnamen angesehen werden, wobei die postulierten deutschen Ortsnamen als Werk der in den dreißiger Jahren durch die nationalsozialistische Verwaltung durchgeführten Umbenennungen nichts mit den schlesischen Traditionen zu tun haben.50 Auch die polnische Seite war nicht gänzlich frei von propagandistischem Eifer; ihr Hauptziel in der Zwischenkriegszeit bildete allerdings die Sammlung möglichst vieler Dokumente zu den polnischen Traditionen Schlesiens, womit sich die damals ins Leben gerufenen Institutionen, das Instytut Śląski [Schlesisches Institut] und das Muzeum Śląskie [Schlesisches Museum] in Kattowitz,51 beschäftigten. Man kann die Errungenschaften dieser beiden Forschungsstellen kaum überschätzen, in mancher Hinsicht übertreffen ihre Ergebnisse das nach dem Zweiten Weltkrieg über eine viel längere Zeitspanne sowie unter Verwendung von weit größeren Mitteln und Kräften Geleistete. Die Übernahme fast beinahe des gesamten Gebiets von Schlesien durch die polnische Verwaltung und die Entstehung starker Forschungszentren zur Landesgeschichte an der Universität Breslau und an dem Instytut Śląski [Schlesisches Institut] in Oppeln brachte in der ersten Nachkriegsperiode eine Fülle von wertvollen, meist auf solide Quellen gestützten Publikationen zu den schlesisch-polnischen Beziehungen in der Neuzeit mit sich. Diese Forschungsperiode wurde durch den ersten Band der monumentalen „Historia Śląska“ abgeschlossen, die in vieler Hinsicht bis heute als erstrangige Informationsquelle gelten muß. In den siebziger und achtziger Jahren trat die polnische Schlesien-Forschung – nicht ohne politischen Druck von oben – in den Hintergrund. Die produktiven Forschungen verschoben sich in den Bereich anderer Fächer: der Architektur- und Kunstgeschichte, der Bibliotheks-, Kirchen-, Staats- und Rechtsgeschichte und der historischen Hilfswissenschaften. Zu gleicher Zeit begann in der Bundesrepublik die jüngere Generation an Bedeutung zu gewinnen, darunter Norbert Conrads52 50 Fiedor, Karol: „Sukcesy“ gauleitera Wagnera czyli jak usuwano ślady polskości na Śląsku, Katowice 1985 (Śląskie Epizody Historyczne). 51 Gorczyca, Zdzisław (Hg.): Muzeum Śląskie. Szkice z przeszłości, Katowice 1984; Szaraniec, Lech: Materiały do dziejów Muzeum Ślaskiego w Katowicach. In: Ziemia Śląska, Bd. 3, Katowice 1993, 287–392. 52 Conrads, Norbert: Die Durchführung der Altranstädter Konvention in Schlesien 1707– 1709, Köln/Wien 1971 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 8); ders.: Schlesiens frühe Neuzeit, 180–185.

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und Arno Herzig.53 Diese Gelehrten schufen einen modernen organisatorischen Rahmen für die Erforschung Schlesiens in der Frühen Neuzeit und traten in einen regen Austausch mit polnischen wissenschaftlichen Gremien. Die daraus entstandene Zusammenarbeit griff bald auf die noch jüngere Forschergeneration über.54 Es bildete sich auf dieser Grundlage eine neue Tradition des wissenschaftlichen Diskurses heraus, mit vielen wichtigen Tagungen und Seminaren, während deren meistens die deutschen Kenner der politischen Geschichte sowie die polnischen Literatur-, Kunst- und Rechtshistoriker miteinander diskutierten. Das bessere gegenseitige Kennenlernen und die Überzeugung, daß die jeweils andere Seite weder zu „germanisieren“ noch zu „polonisieren“ beabsichtigt, kann als ein gutes Vorzeichen für künftige Erkenntnisse zu dem gelten, was in der Schlesien-Forschung am wichtigsten ist: zum Phänomen der „schlesischen Einmaligkeit“,55 zur eigentümlichen kulturellen Identität Schlesiens. Die Klischees zur Erklärung dieser Besonderheit durch eine „Beimischung des slawischen Bluts“ gehören nun der unrühmlichen Vergangenheit an. Man konnte auch nicht alles durch die Eigenheiten der schlesischen Reformation und Gegenreformation, durch die informellen Verbindungen der schlesischen Stände mit dem Corpus Evangelicorum oder durch die zwei Jahrhunderte (16. und 17. Jahrhundert) lang andauernde türkische Bedrohung erklären. Eines der Themen, das so schnell wie möglich aufgegriffen werden müßte, ist die Frage, welchen Einfluß die letzten Piasten und ihre Höfe auf die Herausbildung des historischen Bewußtseins und – noch breiter – auf die kulturelle Identität der Bewohner Schlesiens ausübten. Wenn man in einer im Druck veröffentlichten Predigt des Schweidnitzer Pastors Gottfried Balthasar Scharff aus dem Jahr 1708 von „unserem Ahnherrn Mieslao“ liest, der in Schlesien das Christentum einführte,56 dann fällt es schwer, diese Interpretation nicht in 53 Herzig, Arno: Reformatorische Bewegungen und Konfessionalisierung. Die habsburgische Rekatholisierungspolitik in der Grafschaft Glatz, Hamburg 1996 (Hamburger Veröffentlichungen zur Geschichte Mittel- und Osteuropas 1). 54 Weber: Das Verhältnis Schlesiens zum Alten Reich, 149–160; Bahlcke, Joachim: Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit. Die Länder der Böhmischen Krone im ersten Jahrhundert der Habsburgerherrschaft (1526–1619), München 1994 (Schriften des Bundesinstituts für Ostdeutsche Kultur und Geschichte 3); Lambrecht, Karen: Hexenverfolgung und Zaubereiprozesse in den schlesischen Territorien, Köln/Weimar/Wien 1995 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte 4); Bahlcke, Joachim: Schlesien und die Schlesier, München ³2004 [¹1996]. 55 Schöffler, Herbert: Deutsches Geistesleben zwischen Reformation und Aufklärung. Von Martin Opitz zu Christian Wolff, Frankfurt a. M. 21956 [¹1940], 68–69. 56 „Welch ein glueckliches Laetare muß bey solcher Beschaffenheit der Tag nicht zu nennen seyn/ da im Jahr 965. mit ihrem Mieslao auch die getreuen Schlesier wenigsten in einigen Theilen durch Annehmung der heil. Tauffe zum Erbtheil der Heiligen im Lichte aus ihrer langen Finsternueß getreten […].“ Zit. nach: Die Glueckseligkeit Des Evangelischen Schlesiens aus dem 5ten Buche Mos. und dessen 33. Cap. 13–16. Vers. Der Geheiligten Gemeine Gottes In der Kirche zur H. Dreyfaltigkeit vor Schweidnitz/ An Dero Gott=gewiedmeten

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eine ,piastische Legende‘ einzuschreiben, die im 16. und 17. Jahrhundert in verschiedenen Medien der visuellen und verbalen Kommunikation verbreitet wurde: im Fries der Ahnengalerie am Torhaus des Schlosses zu Brieg (Abb. 72),57 im Gemälde mit der Geschichte der Piasten in der Kuppel von deren Liegnitzer Mausoleum (Abb. 70),58 in den Chroniken von Joachim Curaeus, Jacob Schickfuß und Friedrich Lucae, in den Gedichten und Dramen von Wenzel Scherffer von Scherffenstein, Andreas Gryphius, Sebastian Alischer, Johann Christian Hallmann und Daniel Caspar von Lohenstein.59 Vielleicht war die im 17. Jahrhundert vom Bischof zu Płock und königlichen Kanzler Stanisław Łubieński geäußerte Idee einer „seit ewigen Zeiten andauernden“ Zugehörigkeit Schlesiens zu Polen60 nicht so abstrakt, wie es in seiner Dissertation von 1992 der deutsche Historiker Matthias Weber wissen will.61 Vielleicht war im neuzeitlichen Schlesien die Idee der Zugehörigkeit zu dem mit Polen gemeinsamen kulturellen Stamm viel stärker ausgeprägt, als es uns heute scheint? Wie sollte man die Worte der offiziellen, in der evangelischen Kirche Schlesiens verrichteten Litanei aus dem „Doskonały kancjonał polski“ anders deuten: „Unserem Herrn Kaiser und auch dem/ Polnischen König gib Glück in seinem Tun./ Bewahre auch die Obrigkeit dieser Stadt vor jeglichem Unglück: Die Städte, die Räte, alle Stände empfehlen wir Dir, o Herr!“?62 So muß man bei der Erforschung der schlesisch-polnischen Beziehungen in der Frühen Neuzeit auf alle Klischees der Historiographie des späten 19. und 20. Jahrhunderts verzichten. Sie untersuchte diese Beziehungen nach vorausgesetzen Thesen, die sich den jeweils spezifisch verstandenen, polnischen oder deutschen nationalen Ideen unterordneten. Aufs neue muß daher das historische und topographische Schrifttum des 17. und 18. Jahrhunderts gelesen, müssen die gedruckten sowie die handschriftlichen Texte der Agenden, weltlichen Gelegenheitsschriften,

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Kirchen=Feste Des M DCC VIIIten Jahres In der Mittags=Predigt zu danckbarem Preise Goettlicher Guette und Vermehrung ihrer heiligen Fest=Freude vorgetragen/ Und Dem Verlangen wohlmeynender Hertzen Zum Druck uebergeben von Gottfried Balthasar SCHARFFEN/ Selbiger Kirche Diacono, Breslau/Liegnitz 1709, 10. Zlat: Brama zamkowa w Brzegu; ders.: Brzeg, 62–85; Jakimowicz, Teresa: Temat historyczny w sztuce epoki ostatnich Jagiellonów, Warszawa/Poznań 1985 (Prace Komisji Historii Sztuki Poznańskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk 15), 65–69. Lepiarczyk, Józef: Legnickie „Monumentum Piasteum“. In: Szkice Legnickie 1 (1962) 99– 111; Grossmann, Dieter: Das letzte Gespräch der Piasten. In: Schlesien 21 (1976) 215–221; Spellerberg, Gerhard: Lohenstein’s Beitrag zum Piasten-Mausoleum in der Liegnitzer Johannis-Kirche. In: Daphnis 7 (1978) 647–687; Kostowski, Jakub: Mauzoleum Piastów. In: Harasimowicz (Hg.): Kultura artystyczna dawnej Legnicy, 63–73, 123–125. Szyrocki/Żygulski: Silesiaca, 68–73, 116–169, 172–177, 184–199. Lubienski, Stanislaus: Opera posthuma, Antverpia 1643, 159–169 („De rebus Silesiacis Discursus“). Weber: Das Verhältnis Schlesiens zum Alten Reich, 84–88. Doskonały Kancjonał Polski zawierający w sobie Pieśni/ Hymny/ i Psalmy Krześciańskie, 426–429.

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Katechismen, Predigten, Kirchenordnungen, Alben und Stammbücher einer eingehenden Analyse unterzogen werden. So schnell wie möglich sollte man – unter kritischer Durchsicht aller verfügbaren Quellen – die vernachlässigten Forschungen zu den wirtschaftlichen Beziehungen Schlesiens und Polens aufnehmen. Richtig bewerten muß man auch den Quellenwert des überaus reichen Materials, das in den zwei letzten Dezennien von den Architektur-, Kunst-, Literatur-, Musik- und Theaterhistorikern – die ihre Forschungen übrigens keineswegs abgeschlossen haben – zusammengetragen wurde. Allgemein werden die Bemühung von Vertretern aller Disziplinen sowie der ständige deutsch-polnische und deutsch-polnisch-tschechische Dialog bestimmt Ergebnisse zeitigen, die eine legitime Präsenz Schlesiens in der Historiographie des vereinigten Europa rechtfertigen werden.

Valentinus Orpiszewski von Koschmin – ein schlesischer Priester aus der Zeit der tridentinischen Erneuerung der Kirche Die schon über ein halbes Jahrhundert andauernde Zugehörigkeit Schlesiens und Pommerns zu Polen sollte – wie man vermuten könnte – wohl ausreichen, um ein weitgehendes kulturelles Zusammenwachsen dieser ehemals deutschen Gebiete mit dem zentralen und dem östlichen Teil des Landes zu ermöglichen. Bei einer näheren Betrachtung des Forschungstands zu den wechselseitigen Beziehungen Schlesiens und Polens, insbesondere in der Frühen Neuzeit,1 kommt man aber zu der Schlußfolgerung, daß das an sich Selbstverständliche nicht immer als solches begegnet. Kurzum war in den letzten dreißig Jahren über die polnische Präsenz in Schlesien im 16. und 17. Jahrhundert beinahe nichts Neues zu erfahren. Eine Ausnahme bilden Veröffentlichungen aus dem Bereich der Kunstgeschichte,2 die der eigentlichen Kernfrage der schlesisch-polnischen Verbindungen naturgemäß nur einen kleinen Teil ihrer Aufmerksamkeit widmen können. Bereits erste Studien in der Abteilung für Alte Drucke der Universitätsbibliothek Breslau (Oddział Starych Druków Biblioteki Uniwersyteckiej we Wrocławiu) bieten einem interessierten Forscher zahlreiche wenig bekannte schlesische polonica als Quellengrundlage. Ein ähnliches Ergebnis ermöglicht die eingehende Lektüre alter 1

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Harasimowicz, Jan: Die schlesisch-polnischen Beziehungen im 16. und 17. Jahrhundert. Stand und Perspektiven der Forschung. In: XVI Powszechny Zjazd Historyków Polskich Wrocław, 15–18 września 1999 roku. Pamiętnik, Bd. 1, Toruń 2000, 181–193; ders.: Deutschland und Polen in der Frühen Neuzeit: Durchdringung der Kulturen und Dialog der Konfessionen. In: Barock. Geschichte – Literatur – Kunst. Deutsch-polnische Kulturkontakte im 16.–18. Jahrhundert. Deutschsprachige Sondernummer der Zeitschrift „Barok. Historia – Literatura – Sztuka“, Warszawa 2006, 9–31. Kalinowski, Konstanty: Związki artystyczne Śląska i Polski w XVIII wieku. In: Sztuka 1. połowy XVIII wieku. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki Rzeszów, listopad 1978, Warszawa 1981, 321–344; Kaczmarek, Romuald/Witkowski, Jacek: Das Grabmal der Hl. Hedwig in Trzebnica (Trebnitz). In: Zeitschrift des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft 40 (1986) 69–91; Harasimowicz, Jan: Związki artystyczne Wielkopolski i Śląska w zakresie rzeźby kamiennej w XVI i pierwszej połowie XVII wieku. In: Biuletyn Historii Sztuki 53 (1991) 201–225; ders.: Kościół św. Elżbiety we Wrocławiu – „ewangelicka katedra“ habsburskiego Śląska. In: Zlat, Mieczysław (Hg.): Z dziejów wielkomiejskiej fary. Wrocławski kościół św. Elżbiety w świetle historii i zabytków sztuki, Wrocław 1996 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1826, Historia Sztuki 10), 289–312; ders.: „Was kann nun besser seyn dann fuer die Freyheit streiten und die Religion.“ Konfessionalisierung und ständische Freiheitsbestrebungen im Spiegel der schlesischen Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Bußmann, Klaus/Schilling, Heinz (Hg.): 1648 Krieg und Frieden in Europa. 26. Europaratsausstellung in Münster und Osnabrück vom 24.10.1998 bis 17.1.1999, Textbd. 2: Kunst und Kultur, München 1998, 297–306.

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und neuer Bau- und Kunstdenkmälerinventare, begleitet von Forschungen vor Ort und der Durchsicht des in der Photothek des Instituts für Kunstwissenschaften der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau (Instytut Sztuki Polskiej Akademii Nauk) gesammelten Bildmaterials. Im Rahmen der Forschungen zu schlesischen Epitaphien und Grabmälern der Reformationszeit3 wurden mittlerweile sehr interessante Quellen zur Geschichte der schlesisch-polnischen Beziehungen im 16. Jahrhundert aufgefunden: zwei Aufnahmen eines Bildepitaphs für Valentinus Orpiszewski von Koschmin, Pfarrer in Oltaschin bei Breslau in den Jahren 1572 bis 1589.4 Da die Forschungsarbeiten bislang ausschließlich protestantischen Denkmälern gewidmet wurden, bietet es sich an, den gleichsam beiläufig gesammelten Stoff katholischer Provenienz zum Gegenstand einer gesonderten Studie zu machen. Bevor es jedoch die Zeit zuläßt, dieses Vorhaben umzusetzen, verdient insbesondere das Epitaph Orpiszewskis eine nähere Betrachtung. Erstens, weil es einer Person zugedacht ist, die durchaus unsere Aufmerksamkeit zu wecken vermag; zweitens, weil es in seinem Ideenkonzept, das an mittelalterliche Devotionsbilder anknüpfte, keinen solchen Einzelfall darstellt, wie es heutzutage scheint. Nach der kurz vor dem Zweiten Weltkrieg von Kurt Degen durchgeführten Bestandsaufnahme von Bau- und Kunstdenkmälern des Landkreises Breslau, befand sich im Dorf Oltaschin, das damals noch außerhalb der Stadtgrenzen lag, in der Pfarrkirche zur Himmelfahrt Mariä5 ein 178 mal 82 cm großes Holzepitaph für den dortigen Pfarrer Valentinus Orpiszewski aus dem 16. Jahrhundert.6 Das Epitaph war zweiteilig aufgebaut, mit einer Pilasterumrahmung versehen und enthielt unten ein Bild mit der Darstellung des vor Christus als Schmerzensmann knienden Verstorbenen in olivengrünen, grauen und graugelben Tönen (Abb. 66). Oben befand sich eine Tafel mit einer Gedenkinschrift in lateinischer Sprache. Mit diesem Epitaph sollte – nach Degen – die nur teilweise lesbare, 92 cm breite Grabplatte aus Sandstein verbunden sein, die unter anderem das Todesdatum Orpiszewskis enthielt: den 24. [September] 1589. Die Inschrift auf dem Epitaph, die auf dem in Warschau aufbewahrten Photo nicht vollständig entziffert werden kann, veröffentlichte im 19. Jahrhundert Johannes Soffner, Kirchenhistoriker und Verfasser einer umfassenden Einzelstudie über die katholische Pfarrgemeinde in Oltaschin, die sich auf Quellen aus dem Diöze-

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Harasimowicz, Jan: Mors janua vitae. Śląskie epitafia i nagrobki wieku reformacji, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1098, Historia Sztuki 3). Harasimowicz, Jan: Art. Orpiszewski, Walenty. In: ders. (Hg.): Encyklopedia Wrocławia, Wrocław 2000, 595. Degen, Kurt: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Landkreises Breslau, Frankfurt a. M. 1965 (Bau- und Kunstdenkmäler des deutschen Ostens C 1), 198–204. Vgl. ferner Harasimowicz, Jan (Hg.): Atlas architektury Wrocławia, Bd. 1: Budowle sakralne. Świeckie budowle publiczne, Wrocław 1997, 42f. Degen: Kunstdenkmäler des Landkreises Breslau, 203.

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Abb. 66. Das verschollene Epitaphbild aus der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt in Breslau-Oltaschin, das einen vor Christus als Schmerzensmann knienden katholischen Priester zeigte, gedachte Valentinus Orpiszewskis, Pfarrer in der dortigen Kirche in den Jahren 1572 bis 1589. Bevor aber dieser aus Koschmin in Großpolen stammende Geistliche die Seelsorge im Dorf Oltaschin – einer der wichtigsten Pfründen der Breslauer Dompröpste – übernahm, erfüllte er die heikle Rolle des persönlichen Beichtvaters Hedwigs, der ältesten Tochter des polnischen Königs Sigismund I. Jagiello, die 1535 mit dem brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. vermählt wurde. Davon berichtete explizit die Inschrift im oberen Teil des Epitaphs.

sanarchiv zu Breslau stützte.7 Sie hatte folgenden Wortlaut: „Anno Dni 1589, Septemb. 24. Obiit in Chro Rdus Vir Dns Valentinus Orpischewsky Cosmin: Art: lib: Bacc: Collegiatae et Parochialis Eccle Posnanien: Cantor Praelatus, ibidemque Germanorum Altarista, Illustrissimae Principi ac Dnae, Dnae Hedwigi, Dei gra Infanti Regni Poloniae, Marchionissae Brandenburgen: a Confessionibus, atque huius Ecclae in Oltaschin per annos 17 Parochus vigilantissimus, in hoc loco sepultus. Orate pro eo.“8 Daraus ergab sich also, daß der Oltaschiner Pfarrer Valentinus Orpiszewski aus Koschmin in Großpolen stammte, daß er den Titel des Baccalaureus der freien Künste trug, und daß er bereits vor der Übernahme des schlesischen Postens mit wichtigen kirchlichen Würden in Posen geehrt wurde: Prälat, Kantor

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Soffner, Johannes: Geschichte der katholischen Pfarrei Oltaschin nebst deren Adjuncta Bettlern. Ein Beitrag zur Breslauer Diöcesan-Geschichte, Breslau 1875. Ebd., 24f.

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und Altarist der dortigen Stifts- und Pfarrkirche St. Maria Magdalena. Die größte Ehre verschaffte ihm jedoch offensichtlich die Rolle des Beichtvaters der polnischen Prinzessin Hedwig, Tochter von Sigismund I. und Barbara Zapolya, Ehefrau des brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. von Hohenzollern. Das Schicksal, das der ältesten Tochter Sigismunds I., am 15. März 1513 in Posen geboren, zuteil wurde, war keineswegs besonders glücklich.9 Frühzeitig von ihrer Mutter verwaist, blieb sie in gewissem Sinn von der königlichen Familie ausgeschlossen. Auch ihre Ausbildung wurde vernachlässigt: sie sprach keine einzige Fremdsprache. Man schmiedete hingegen diverse Pläne, sie günstig zu verheiraten: Zum Kreis der Freier zählten u. a. Ferdinand I., König von Böhmen; der französische König Franz I. aus dem Haus Valois; Gustav I. Wasa von Schweden; der Herzog von Sachsen, Johann Friedrich; Ludwig, Herzog von Bayern; der Prinz von Mailand, Francesco Sforza; die masowischen Herzöge Stanislaw und Janusz II.; der Markgraf von Mantua, Francesco Gonzaga; der Markgraf von Brandenburg Johann und der Pfalzgraf bei Rhein Friedrich. Während sich König Sigismund immer noch nicht entscheiden konnte, wurde Hedwig allmählich zur alten Jungfer. Erst in dem für damalige Verhältnisse sehr fortgeschrittenen Alter von 22 Jahren ist es gelungen, dank dem preußischen Herzog Albrecht, heimlich vor der Königin Bona die Eheschließung mit dem verwitweten brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. zu arrangieren. Ende August bis Anfang September 1535 fand in Krakau die prächtige Hochzeit statt. Die neu vermählte Ehefrau des Kurfürsten ließ sich in Cölln an der Spree nieder: umgeben von einem Hof, der der polnischen Sprache nicht mächtig war. Die Beziehung dürfte nicht besonders harmonisch gewesen sein, zumal sich Sigismund bereits im Juli 1536 gezwungen sah, an den Magdeburger Erzbischof Albrecht – Joachims Onkel väterlicherseits – Achatius Czema in der Sache seiner Tochter als Boten mit der Bitte um Intervention am Berliner Hof zu entsenden. „Ihre Königliche Hochheit erbittet Euer Hochwürden“, lesen wir in der Anweisung des Boten, „daß Ihr bei Ihrem Neffen gnädigst ausmachen möchtet, daß Ihre Gemahlin bei sich Menschen beider Geschlechter von ihren Landsleuten hat, bis sie selbst das Deutsche lernt und daß Ihr Mann sie in gebürtiger Ehre und ehelicher Liebe hält.“10 Diese Botschaft hatte vermutlich keine Folgen und der immer noch beunruhigte König nutzte die erste Gelegenheit, dem Schwiegersohn eine neue Mahnung zugehen zu lassen. Kurz vor Weihnachten 1536 kam der rheinische Pfalzgraf Ottheinrich nach Krakau, um alte Erbschaftsangelegenheiten zu erledigen. Er sollte im Januar 1537 auf dem gleichen Weg über Beuthen, Neisse, Glatz und Prag nach Neuburg an der Donau zurückkehren, änderte aber seine Pläne, und begab sich über Breslau, Liegnitz und Frankfurt an der Oder nach Berlin, und zwar 9 Dworzaczkowa, Jolanta: Art. Jadwiga Jagiellonka (1513–1573). In: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 10, Wrocław/Warszawa/Kraków 1962–1964, 305; Duczmal, Małgorzata: Art. Jagiellonowie. Leksykon biograficzny, Kraków 1996, 293–303. 10 Duczmal: Jagiellonowie, 299.

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„in einer heiklen Mission“.11 Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Mission eben mit dem Schicksal der Kurfürstin Hedwig verbunden war. Zwei Jahre später wurde das Ehepaar, das bereits zwei Kinder hatte, in anderer Hinsicht entzweit, nämlich in bezug auf die Konfession. Der Kurfürst konvertierte 1539 zum Luthertum und versuchte, auch Hedwig dafür zu gewinnen. Der hierüber empörte Sigismund entsandte Lukas II. Górka, den Bischof von Kujawien, mit der Warnung nach Berlin, sein Schwiegersohn solle seine Tochter von der Kirche nicht abzubringen versuchen. Hedwig ermahnte er dagegen in seinen Briefen, sie solle „ihren Gedanken gegen den heiligen [katholischen] Glauben nicht richten“.12 Hedwig folgte den Anweisungen ihres Vaters und entfremdete sich noch stärker vom Hof und von der überwiegenden Mehrheit der Untertanen, die seit langem Anhänger der lutherischen Reformation waren. Als sich die Kurfürstin im Januar 1551 durch einen tragischen Unfall im Schloß Grimnitz – die Decke brach unter ihren Füßen zusammen und sie stürzte fast acht Ellen in die Tiefe – eine andauernde Behinderung zuzog, war für ihren Ehemann das Maß voll. Joachim wies sie zurück und verbrachte seine Zeit in Gesellschaft zahlreicher Geliebter, allen voran mit der schönen Maria von Sydow. Nach dem Tod ihres Mannes am 3. Januar 1571 hielt sich Hedwig noch eine Weile am Hof seines Nachfolgers, ihres Stiefsohns Johann Georg, in Cölln auf. Als gegen Ende Januar der Umbau des Schlößchens Alt-Ruppin, das einen Bestandteil ihres Witwenguts darstellte, abgeschlossen wurde, zog sie dort mit ihrem bescheidenen Hofstaat ein. Dort verstarb sie am 7. Februar 1573. Nach dem Bericht des päpstlichen Gesandten Giovanni Commendone, der 1561 am Hof Joachims II. weilte, wurde die der katholischen Kirche treue Witwe des brandenburgischen Kurfürsten durch einen Priester aus Polen besucht, der für sie heilige Messen abhielt13 und ihr vermutlich auch die Beichte abnahm und das Abendmahl reichte. Alles weist darauf hin, daß dieser Priester, zumindest zeitweise, Valentinus Orpiszewski war. Für den Posten des Oltaschiner Pfarrers wurde er nämlich von Hieronymus Rozdrażewski – Präpositus des Breslauer Domkapitels, Commendones Schützling und enger Mitarbeiter14 – empfohlen. Die Präsentation führte er im März 1572 durch,15 also gleich nachdem im Zusammenhang mit dem Umzug der Kurfürstin nach Alt-Ruppin die Mission des Posener Prälaten erlöschen sollte. 11 Marsch, Angelika/Biller, Josef H./Jacob, Frank-Dietrich (Hg.): Die Reisebilder Pfalzgraf Ottheinrichs aus den Jahren 1536/37 von seinem Ritt von Neuburg a. d. Donau über Prag nach Krakau und zurück über Breslau, Berlin, Wittenberg und Leipzig nach Neuburg. Kommentarbd., Weißenhorn 2001, 59. 12 Duczmal: Jagiellonowie, 300. 13 Ebd. 14 Kowalska, Halina: Art. Rozdrażewski (Rozrażewski) Hieronim h. Doliwa (ok. 1546–1600). In: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 32, Wrocław/Warszawa/Kraków 1989–1991, 355–365. 15 Soffner: Geschichte der katholischen Pfarrei Oltaschin, 22.

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Die Präsentation Orpiszewskis durch den Vorsitzenden des Domkapitels folgte aus dem seit 1345 mit der Dompropstei verbundenen Eigentumsrecht auf das Dorf Oltaschin. Es brachte beträchtliche Erlöse, so daß einer der wichtigsten kirchlichen Würdenträger der Breslauer Diözese, die seit dem Anfang der zwanziger Jahre des 16. Jahrhunderts stets von der fortschreitenden Reformation gefährdet war, in dieser Pfarrei eine verläßliche und zudem im Umgang mit Menschen anderen Bekenntnisses erfahrene Person sehen wollte. Orpiszewskis Vorgänger, Georg Leo (Löwe), hatte nicht nur große Probleme, den ihm von dem auf dem Gebiet der Pfarrei niedergelassenen evangelischen Adel zustehenden Zehnten einzutreiben, sondern er neigte selber – so die Quellen – zur „lutherischen Ketzerei“.16 Die meisten Oltaschiner Bauern traten damals für die Reformation ein. Das Pfarrhaus und die anliegenden Wirtschaftsbauten waren in erbärmlichem Zustand. Der neue Seelsorger, „legitime presentatus et investitus“,17 übernahm die Pfarrei wegen der in Schlesien wütenden Pest erst im Januar 1573. Er mußte sofort mit dem Wiederaufbau des Pfarrhauses beginnen, dabei setzte er anfänglich eigene Ersparnisse ein. Nach vier Jahren besaß Oltaschin bereits ein neues Pfarrhaus, nach weiteren zwei einen neuen Pferdestall und eine neue Schäferei. Dazu kamen später noch ein neuer Backofen und ein neuer Keller. In dieser für die katholische Kirche schwierigen Zeit mußte das respekteinflößend gewirkt haben, zumal der Breslauer Archidiakon Theodor Lindanus im offiziellen Protokoll der kanonischen Visitation im Jahr 1579 vermerkte: „domus parochialis utcunque est instaurata et novum aedificium erectum a parocho moderno domino Valentino.“18 Seine Aufgaben im Gebiet der Pfarrei erfüllte Orpiszewski sehr sorgfältig. Es ist daher bekannt, daß ihm bei Ackerbau, Viehzucht und im Haushalt drei Bauernknechte und drei Dienstmägde halfen. Von der schneller Reaktion des Pfarrers auf aktuelle Vorgänge zeugt die prompte Einführung der Kalenderreform im Januar 1584. Die Hochachtung, die der aus einem großpolnischen Städtchen stammende Priester seinem einflußreichen Schirmherrn Hieronymus Rozdrażewski gegenüber erwies, erstreckte sich natürlich auch auf dessen Freund und engen Mitarbeiter Andreas von Jerin, der in den Jahren 1575 bis 1585 Präpositus des Domkapitels und anschließend, bis 1596, Bischof von Breslau war.19 Zwischen Orpiszewski und 16 Ders.: Die beiden Kirchenvisitationen des Archdiakonates Breslau aus den Jahren 1638 und 1651/52, Breslau 1899, 113, Anm. 1. 17 So wird er im Protokoll der kanonischen Visitation des Archidiakonates Breslau im Jahr 1579 bezeichnet. Vgl. Jungnitz, Josef: Visitationsberichte der Diözese Breslau. Archidiakonat Breslau. Teil 1, Breslau 1902, 59. 18 Ebd., 60. 19 Nägele, Anton: Der Breslauer Fürstbischof Andreas Jerin von Riedlingen (1540–1596). Bilder aus dem Leben und Wirken eines Schwaben in Schlesien, Mainz 1911; ders.: Documenta Jeriniana. Archivalische Beiträge zur Biographie des Breslauer Bischofs Andreas von Jerin (1585–1596). In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 1 (1936) 98–156; Starzewska, Maria: Fundacje artystyczne Andrzeja Jerina, biskupa wrocławskiego 1585–1596. In: Rocz-

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Jerin muß nach Aussage der Quellen ein relativ enges Verhältnis bestanden haben.20 Der Pfarrer sorgte dafür, daß die Oltaschiner Bauern bereits im August 1575 ihrem neuen Herren entsprechend huldigten. Im Gegenzug erwies ihm der Bischof gleich nach der feierlichen Amtsübernahme im Breslauer Dom seine besondere Gunst: Am Folgetag nach der Feier war er in Oltaschin zum Mittagessen zu Gast. Niemand erwartete damals von einem Dorfpfarrer, nicht einmal von einem umfassend gebildeten, daß seine Schäfchen unter seinem Einfluß zur Kirche zurückfinden, oder daß er in der ihm anvertrauten Pfarrei besonderen religiösen Eifer entfachen könnte. Zudem wurde die katholische Konfessionalisierung im gesamten Schlesien durch ein breve Papst Pius’ IV. vom 29. Juli 1564 erschwert, das die Kommunion unter beider Gestalt in der Breslauer Diözese erlaubte.21 Nach einem Visitationsprotokoll aus dem Jahr 1579 bestand das Hauptproblem für die katholische Kirchenleitung darin, daß der konsekrierte, während der Messe aber nicht verzehrte Wein, im Sakramentshäuschen stehen blieb und damit durch zufälliges Verschütten oder Verderben der Profanierung ausgesetzt wurde.22 Mit geringerer Sorge vermerkten die Visitatoren, daß die Mitglieder der Oltaschiner Pfarrgemeinde den Empfang der Kommunion vermieden – egal ob in einer- oder beiderlei Gestalt. Und dabei hätten manche von ihnen, wie der Glöckner der Kirche, das Abendmahl seit mehr als sieben Jahren nicht empfangen! Das alles konnte die Valentinus Orpiszewski gebührende Anerkennnung nicht schmälern. Daß er in der Epitaphinschrift als „parochus vigilantissimus“ bezeichnet wurde, war – nach Johannes Soffner – „völlig verdient“.23 Er hielt nämlich die Pfarrei in der für die Kirche schwersten Zeit am Leben und schuf feste materielle Grundlagen für ihre weitere Entwicklung. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts stieg die Zahl der Katholiken in Oltaschin zwar langsam, aber ständig an. Im Jahr 1706 waren unter den 1706 Mitgliedern der Pfarrgemeinde 721 katholische Abendmahlsempfänger und 36 Konvertiten.24

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niki Sztuki Śląskiej 13 (1983) 67–86; Brag, Alois: Andreas von Jerin (1540/41–1596). Vom Riedlinger Bürgersohn zum Fürstbischof von Breslau. In: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach 8/2 (1985) 22–28; Neudecker, Gerhard: Andreas von Jerin, Fürstbischof im Zeitalter der Konfessionalisierung. In: Heimatkundliche Blätter für den Kreis Biberach 23/2 (2000) 15–29; Szewczyk, Aleksandra: Mecenat artystyczny biskupów wrocławskich w dobie reformacji i potrydenckiej odnowy Kościoła (1520–1609), phil. Diss. (masch.) Wrocław 2008, 40–44. Soffner: Geschichte der katholischen Pfarrei Oltaschin, 23. Köhler, Joachim: Das Ringen um die Tridentinische Erneuerung im Bistum Breslau. Vom Abschluß des Konzils bis zur Schlacht am Weißen Berg 1564–1620, Köln/Wien 1973 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 12), 157–163. Ebd., 24. Ebd., 25: „Diesen Ehrentitel eines überaus wachsamen Pfarrers, den ihm das Epitaphium verleiht, mag er wohl mit vollem Rechte verdient haben.“ Soffner: Die beiden Kirchenvisitationen des Archidiakonates Breslau, 113f. Anm. 2.

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Das glaubwürdigste Zeugnis des konfessionellen Bewußtseins Valentinus Orpiszewskis stellt sein in den Archivaufnahmen dokumentiertes Epitaph dar. Man erkennt darauf einen katholischen Priester, mit einem aufgeschlagenen Buch in den Händen und einer Säule im Hintergrund, der vor dem deutlich größer dargestellten, von der Inschrift Ecce Homo begleiteten Schmerzensmann kniet. Diese Inschrift entspricht dem bildlichen Inhalt der Darstellung nicht. Wir haben es hier nicht mit dem Motiv Christus-Ecce Homo zu tun, das üblicherweise mit der Person Pilatus’ bzw. des Söldners – der den Erlöser der feindseligen Menge ausliefert25 – in Verbindung gebracht wird, sondern mit dem Motiv des Christus im Elend,26 auch Christus in der Rast bzw. Herrgottsruh genannt. In der Tradition derartiger Darstellungen, durch die alttestamentliche Geschichte Hiobs geprägt, wartet der gefolterte Christus mit Dornenkrone und Schilfrohr, den Kopf auf die Hand gestützt, auf den nahenden Tod. Mit dieser Szene, begleitet von lateinischen Sentenzen auf Sockel und Fries des Epitaphs, bekräftigt der Verstorbene sein Mitleid mit Christus und ermuntert den Betrachter dazu, den gleichen Weg einzuschlagen. In Anbetracht des die Inschrift abschließenden „orate pro eo“, kann an der Fürbittefunktion des gesamten Oltaschiner Epitaphs keinen Zweifel bestehen.27 Es wäre lediglich zu überlegen, ob die hinter dem Verstorbenen sichtbare Einzelsäule nach der altchristlichen Tradition als Symbol der Kirche zu deuten sei (1 Tim 3,15).28 Dies würde dem gesamten Denkmal einen aussagekräftigen konfessionellen Charakter verleihen. Der Anschluß an die mittelalterliche Tradition eines Devotionsbildes allein – Christus im Elend, Christus-Ecce Homo bzw. Christus-Vir Dolorum 29 – stellte in der schlesischen Kunst des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts keinen Einzelfall dar.30 Bis heute haben sich drei katholische Steinepitaphien aus damaliger Zeit 25 Sachs, Hannelore/Badstübner, Ernst/Neumann, Helga: Christliche Ikonographie in Stichworten, München [1975], 103–105. 26 Ebd., 81f. 27 Ein evangelisches Epitaph durfte in seiner Gedenkinschrift keine Aufforderung zum Gebet für die Seele des Verstorbenen enthalten, denn, so schrieb im Jahr 1611 der bekannte polnische Prediger Samuel Dambrowski, „gdy skona człowiek i Ducha odda/ nie trzeba się więcej za nim modlić. Bo nam tego Pan Bóg nie rozkazał ani w starym ani w nowym zakonie/ abyśmy się za umarłe modlić/ albo ofiary zaduszne czynić mieli“ [„wenn der Mensch vergeht und seine Seele abgibt/ braucht man nicht mehr für ihn zu beten. Denn Herr Gott hat uns weder im Alten noch im Neuen Testament geheißen/ für Verstorbene zu beten/ oder Seelenopfer zu bringen“]. Vgl. ferner Harasimowicz: Mors janua vitae, 13–20, 99–156; ders.: Śląskie nagrobki i epitafia wieku reformacji jako „teksty kultury“. In: Biuletyn Historii Sztuki 56 (1994) 241–259. 28 Sachs/Badstübner/Neumann: Christliche Ikonographie, 295f. 29 Panofsky, Erwin: „Imago Pietatis.“ Ein Beitrag zur Typengeschichte des „Schmerzensmannes“ und der „Maria Mediatrix“. In: Festschrift für Max. J. Friedländer zum 60. Geburtstage, Leipzig 1927, 261–308; Jurkowlaniec, Grażyna: Chrystus umęczony. Ikonografia w Polsce od XIII do XVI wieku, Warszawa 2001. 30 Harasimowicz, Jan: Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach wieku reformacji na Śląsku. In: Rocznik Historii Sztuki 18 (1990) 31–95, hier 66–69.

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Abb. 67. Das Anbringen eines traditionellen Andachtsbildes am Epitaph eines katholischen Priesters mußte nicht – wie es im Epitaph für Valentinus Orpiszewski in Oltaschin der Fall war – zu verschiedenen formellen Verstößen und einem allgemein niedrigen künstlerischen Niveau führen. Das Epitaph für den Propst Valentinus Aeschius in der ehemaligen Propsteikirche der Augustiner-Chorherren in Zobten-Gorkau, Landkreis Breslau, im Jahr 1588 geschaffen, beweist eindeutig, daß sich auch ein durchaus traditionelles Thema in der Hand eines begabten Künstlers in ein wahres Kunstwerk verwandeln kann.

erhalten, die ein identisches oder zumindest sehr ähnliches Motiv enthalten. Es handelt sich um das Epitaph für den Präpositus Valentinus Aeschius in der Kirche der ehemaligen Augustinerpropstei in Gorkau bei Zobten31 aus dem Jahr 1588 (Abb. 67), das Epitaph für den Domvikar Adam Schwarz an der Außenwand der Marienkapelle des Doms St. Johannes Baptist in Breslau32 aus dem Jahr 1619 sowie das Epitaph für Margarethe Petritius, geborene Schraiber, an der Außenwand des südlichen Seitenschiffs der ehemaligen Stiftskirche (heute Dom) zum Hl. Kreuz in Oppeln33 aus dem Jahr 1627. Das Motiv des leidenden Christus war jedoch auch

31 Degen: Kunstdenkmäler des Landkreises Breslau, 64; Pokora, Jakub/Zlat, Mieczysław (Hg.): Katalog Zabytków sztuki w Polsce. Seria Nowa, Bd. 4: Województwo wrocławskie, Heft 2: Sobótka, Kąty Wrocławskie i okolice, Warszawa 1991, 116. 32 Burgemeister, Ludwig: Die Kunstdenkmäler der Provinz Niederschlesien, Bd. 1: Die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau, Teil 1, Breslau 1930, 132. 33 Schiedlausky, Günther/Hartmann, Rolf/Eberle, Hilde: Die Bau- und Kunstdenkmäler des Stadtkreises Oppeln, Breslau 1939, 60; Chrzanowski, Tadeusz: Rzeźba lat 1560–1650 na Śląsku Opolskim, Warszawa 1974, 88f.

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den zeitgleich entstandenen Werken der evangelischen Kirchenkunst nicht fremd.34 Zur Wahl dieses Motivs konnte die der Reformation zuneigenden Stifter das damals überaus populäre Erbauungsbüchlein Martin Mollers, Pfarrer in Sprottau und Görlitz, unter dem Titel „Soliloquia de passione Jesu Christi“,35 bewogen haben. In seinen beiden frühesten Ausgaben aus den Jahren 1587 und 1618 enthielt es auf den Titelrückseiten graphische Darstellungen von Christus als Schmerzensmann, wie in Oltaschin mit der Unterschrift Ecce Homo. Ruhe, Selbstbewußtsein und tiefer, von oberflächlichem Eifer freier Glaube: Das ist das Bild von Valentinus Orpiszewski, das im Ideenprogramm seines Epitaphs enthalten ist. Es steht in keinem Widerspruch zu dem, was wir über den Oltaschiner Pfarrer aus anderen Quellen wissen. Zum Abschluß stellt sich die Frage, warum dieser fromme, gebildete und pflichtbewußte Mann nach dem Abschluß seiner Berliner Mission nicht nach Posen zurückgekehrt ist, um der dortigen Kirche, die ebenfalls hochqualifizierte Kräfte benötigte, zu dienen? Hatten die bisherigen Vorgesetzten Orpiszewskis etwa befürchtet, während des langjährigen Dienstes unter den „Ketzern“ wäre er in gewissem Sinn von ihnen geprägt worden, wodurch die ihm anvertrauten Gemeinden in Polen eventuell hätten Schaden nehmen können? Oder war die Berufung eines Pfarrers aus Großpolen auf einen Posten in Schlesien – dazu noch auf Anregung Hieronymus Rozdrażewskis, ebenfalls eines Großpolen – Teil eines breiter angelegten Plans zur „Polonisierung“ der Breslauer Diözese, die immer noch zur polnischen Kirchenprovinz gehörte? Daß ein solcher Plan möglicherweise existiert hat, wird u. a. durch die baldige Berufung eines anderen Pfarrers aus Großpolen nach Oltaschin bestätigt, nämlich Adam Judex’ aus Posen, eines langjährigen Mitarbeiters des Bischofs Andreas von Jerin. Nachdem er sein Amt im November 1590 übernommen hatte, schien er anfänglich ein würdiger Nachfolger für Valentinus Orpiszewski zu sein: Auf eigene Kosten ließ er eine Scheune und einen neuen Ofen bauen. Bald machte er sich aber beim Domkapitel durch Verpachtung von Grundstücken, die das Eigentum der Pfarrei waren, an „Ketzer“ unbeliebt. Im November 1598, nachdem er den vor dem üblichen Termin eingezogenen Zehnten unterschlagen hatte, floh er heimlich

34 Harasimowicz, Jan: Treści i funkcje ideowe sztuki śląskiej reformacji 1520–1650, Wrocław 1986 (Acta Universitatis Wratislaviensis 819, Historia Sztuki 2), 29, 65–70; ders.: Mors janua vitae, 99f. 35 Soliloquia de passione Jesu Christi. Wie ein jeder Christen Mensch das allerheyligste Leyden und Sterben unsers Herrn Jesu Christi/ in seinem Hertzen bey sich selbst betrachten/ Allerley schoene Lehren und heylsamen Trost daraus schoepffen/ und zu einem Christlichen Leben/ und seligen Sterben/ in teglichem Gebet und Seufftzen/ nuetzlich gebrauchen sol. Aus heiliger Goettlichen Schrifft/ und den alten Vaetern/ mit fleiß zusamen getragen/ Durch Martinum Mollerum/ Diener des heiligen Euangelij zur Sprottaw. Gedruckt in Goerlitz/ bey Ambrosio Fritsch. Im Jahr/ M.D.LXXXVII. Cum gratia & privilegio. Vgl. ferner Axmacher, Elke: Praxis Evangeliorum. Theologie und Frömmigkeit bei Martin Moller (1547–1606), Göttingen 1989 (Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 43), 168–189.

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nach Polen. Er hat von keinem Abschied genommen und nicht einmal versucht, sein Handeln zu rechtfertigen. Der Domherr Balthasar Neander, der 1599 die Pfarrei von Oltaschin kurzzeitig von Judex übernahm und später als Prediger berühmt wurde, stellte ihm ein äußerst negatives Zeugnis aus: „Der Nation nach ein Pole, aber der Sitten nach ein Barbar und der Religion nach ziemlich kalt.“36 Wieviel aufrichtige Entrüstung in diesen Worten liegt, und was ethnisch-kulturellen Vorurteilen zugeschrieben werden muß, die mit der Zeit polnischen Geistlichen den Zugang zu Kirchenämtern in Schlesien beinahe vollständig versperren sollten, kann man heute nur schwer beurteilen.

36 Soffner: Geschichte der katholischen Pfarrei Oltaschin, 25.

„Etsi daremus non esse Deum“. Irenische und pazifistische Ideen unter den Exil-Schlesiern in Danzig während des Dreißigjährigen Kriegs Der Dreißigjährige Krieg, der mit dem böhmischen Aufstand gegen die Habsburger im Jahr 1618 begann und 1648 mit dem Frieden von Osnabrück und Münster beendet wurde, war der schwerwiegendste und blutigste Konflikt in Europa vor den beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts. Er prägte jahrelang die Ordnung und den politischen Status der kriegführenden Parteien, er beeinflußte weitgehend die Kriegskunst, die Gesetze, die Wirtschaft und die Kultur. Zahlreiche herausragende Künstler des 17. Jahrhunderts versuchten, sowohl sein Grauen, als auch seine rauhe Schönheit wiederzugeben. Zum Kreis der Erstgenannten gehörte vor allem Jacques Callot, dessen Zyklus von Kupferstichen „Les Misères et les Malheurs de la guerre“ („Die Schrecken des Kriegs“) – 1633 in Paris veröffentlicht – das entsetzliche Bild der Kriegsanarchie vermittelt: die ungestrafte Bestialität der Soldateska und das Leid unschuldiger Menschen.1 Nicht außer acht zu lassen ist auch Peter Paul Rubens, dessen Werk „Die Folgen des Kriegs“ im Palazzo Pitti in Florenz, in den Jahren 1637 bis 1638 geschaffen – nach der Aussage des Künstlers selbst – „das unglückliche Europa, welches schon so viele Jahre lang Raub, Schmach und Elend erleidet“ darstellt.2 Ein Gegenbeispiel dafür wäre das Gemälde von Diego Velázquez „Die Übergabe von Breda“, das 1634 für den repräsentativen Salón de Reinos des Buen Retiro Schlosses in Madrid geschaffen wurde.3 Darauf empfängt der spanische General Ambrogio Spinola die Schlüssel der Stadt Breda von deren Kommandanten Justin von Nassau, während er mit einer freundlichen Geste seine Großherzigkeit gegenüber den Besiegten zeigt. Der Krieg ist hier nicht als abscheuliche Anarchie, sondern als streng geregeltes ritterliches Handwerk, das unter dem Schutz Gottes steht, geschildert.

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Sadoul, Georges: Jacques Callot, miroir de son temps, Paris 1969; Choné, Paulette: Jacques Callot, 1592–1635 (Musée Historique Lorrain, Ausstellungskatalog), Nancy 1992; Richard, Marie: Jacques Callot (1592–1635) „Les Misères et les Malheurs de la guerre“ (1633). Ein Werk und sein Kontext. In: Bußmann, Klaus/Schilling, Heinz (Hg.): 1648 Krieg und Frieden in Europa. 26. Europaratsausstellung in Münster und Osnabrück vom 24.10.1998 bis 17.1.1999, Textbd. 2: Kunst und Kultur, München 1998, 517–524. Baumstark, Reinhold: Ikonographische Studien zu Rubens Kriegs- und Friedensallegorien. In: Aachener Kunstblätter 45 (1974) 125–234, hier 189–201; Simson, Otto von: Peter Paul Rubens (1577–1640). Humanist, Maler und Diplomat, Mainz 1996, 333–336. Brown, Jonathan/Elliott, John H.: A Palace for a King. The Buen Retiro and the Court of Philip IV, New Haven/London 1980, 178–184; Luna, Juan José: Der Salón de Reinos des Buen Retiro-Palastes in Madrid. In: Bußmann/Schilling (Hg.): 1648 Krieg und Frieden in Europa, Textbd. 2, 121–129, hier 124–126.

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Weder in Callots Kupferstichen, noch in dem Gemälde von Rubens, noch in den zahlreichen Antikriegsflugblättern, die man damals in Europa veröffentlichte, wurde ein ernstgemeinter Versuch unternommen, über eine bildliche Aufzählung der Greuel und Infamien des Krieges oder über die Angabe seines anscheinend einfachsten Motivs – des Konfessionshasses – hinauszugehen. Recht vereinzelt strebte man danach, solche Bildallegorien zu schaffen, die die Phänomene – so erschütternd und entsetzlich sie waren – nicht nur oberflächlich betrachteten, sondern die tiefreichenden Wurzeln der in Europa stattfindenden Prozesse ergründen würden. Als Beispiel für eine derartige Allegorie kann ein illustriertes Flugblatt aus den Jahren 1643/44 genannt werden, das unter dem Titel „Das große europäische Kriegsballett“ erschien,4 in dem alle wichtigen Persönlichkeiten der damaligen Welt als unzertrennliche Partner in einem Geistertanz abgebildet wurden, die der vom Himmel herabströmenden Aufforderung zu Frieden und Eintracht gefühllos gegenüberstehen. Eine ähnlichlautende Anklage gegen die Hauptakteure der politischen Bühne des zeitgenössischen Europa richtete der Breslauer Maler Bartholomäus Strobel der Jüngere (1591– nach 1657) in seinem Großgemälde „Das Festmahl des Herodes und die Enthauptung Johannes des Täufers“ (Abb. 30). Es wurde in den Jahren 1640 bis 1642 auf dem Gebiet Königlich-Preußens geschaffen, das zu der Zeit selbständige Provinz der polnisch-litauischen Adelsrepublik war.5 Das Bild, heute in den Sammlungen des Museo del Prado in Madrid aufbewahrt, stellt zahlreiche historische Persönlichkeiten des damaligen Europa dar, Frauen wie Männer, die gemeinsam an einem großen Tisch schmausen und dem in den Festsaal hineingetragenen Haupt Johannes des Täufers keine Aufmerksamkeit schenken (Abb. 31). Daß für Strobel, ähnlich wie für den Dichter Andreas Gryphius in seinem berühmten Sonett „Tränen des Vaterlandes anno 1636“,6 nicht „Tod […], Pest, Glut und 4

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Harms, Wolfgang/Rattay, Beate (Hg.): Illustrierte Flugblätter aus den Jahrhunderten der Reformation und der Glaubenskämpfe, Ausstellungskatalog Kunstsammlungen der Veste Coburg, Coburg 1983, Kat.-Nr. 100. Seghers, Lode (Hg.): Europäische Allegorie, Prado Nr. 1940. Ein Meisterwerk des Manierismus, München 1961; Ossowski, Zdzisław: Obraz Bartłomieja Strobla w Madrycie. In: Biuletyn Historii Sztuki 51 (1989) 152–156; Szczepińska-Tramer, Joanna: El „Festin de Herodes“: notas sobre el cuadro de Bartholomäus Strobel. In: Goya 223/224 (1991) 2–15; Tylicki, Jacek/Meyer, Ludwig: Sztuka i polityka anno 1639. Obraz Bartłomieja Strobla w Prado. In: Porta Aurea 2 (1993) 101–142; Tylicki, Jacek: Bartłomiej Strobel – malarz epoki wojny trzydziestoletniej, Toruń 2000, Bd. 1, 145–158, Bd. 2, 25–29, Kat.-Nr. I.1.15; Harasimowicz, Jan: Strobel, Opitz, Gryphius und die „Europäische Allegorie“ im Museo del Prado in Madrid. In: Borgstedt, Thomas/Schmitz, Walter (Hg.): Martin Opitz (1597–1639). Nachahmungspoetik und Lebenswelt, Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit 63), 250–271. Andreae Gryphii Freuden und Trauer-Spiele auch Oden und Sonnette. In Breßlau zu finden Bey Jacob Treschern/ Buchhändl. Leipzig/ Gedruckt bey Johann Erich Hahn. Im Jahr 1663, 677. Vgl. ferner Szyrocki, Marian: Der junge Gryphius, Berlin 1959, 102–105; Trunz, Erich: Weltbild und Dichtung im deutschen Barock. Sechs Studien, München 1992, 92–97.

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Hungersnot“, sondern etwas wesentlich Schlimmeres: der Verlust der christlichen Identität Europas, die Tatsache, „daß auch der Seelen Schatz so vielen abgezwungen [wurde]“, die wichtigste Folge des andauernden Kriegs war, ist hier deutlich sichtbar. Diese tief irenische oder sogar pazifistische Botschaft wird von der antihabsburgischen Aussage des Bildes und seinen Bezügen zu Schlesien, die mit der Person des im Exil verstorbenen Herzogs Johann Christian von Brieg7 – eines Hauptgegners der Habsburger in Schlesien in den Jahren 1618 bis 1635 – verbunden waren, nicht entschärft. Das Böse durchfraß nach Strobel die gesamte Gesellschaft und selbst das Märtyrertum; sowohl das ‚blutige‘ (Johannes des Täufers) als auch das ‚unblutige‘ (Herzog Johann Christians) sei nicht imstande, herzlose Gemüter zu bewegen. Die Fundamente der sozialen Ordnung wurden unterhöhlt und man müßte sich sehr anstrengen, um diese wiederaufzubauen und zu befestigen. Das Konzept des Madrider Bildes von Strobel entstand – und das ist eindeutig bewiesen worden – in enger Kooperation mit einem der wichtigsten schlesischen Intellektuellen der damaligen Zeit: dem Dichter, Publizisten und Diplomaten Martin Opitz.8 Die Freundschaft der beiden Künstler begann noch in den zwanziger Jahren des 17. Jahrhunderts, als sich Opitz in Breslau als Sekretär des Grafen Karl Hannibal von Dohna, Präsidenten der Schlesischen Kammer, aufhielt, und sie dauerte fort, nachdem sie nach Polen ausgewandert waren. Das Echo des wichtigsten poetischen Werkes von Opitz, „Trostgedichte in Wiederwertigkeit deß Krieges“, geschrieben im Jahr 1621, aber erst 1633 im Druck veröffentlicht,9 klingt nicht nur im Gemälde vom Prado nach, sondern auch in einigen zuvor geschaffenen Zeichnungen Strobels, wie der „Allegorie des Sieges der Kunst über den Krieg“ aus dem Jahr 1626 (verschollen, einst Breslau, Schlesisches Museum für Kunstge7

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Conrads, Norbert: Das preußische Exil des Herzogs Johann Christian von Brieg 1633–1639. In: Arnold, Udo/Glauert, Mario/Sarnowsky, Jürgen (Hg.): Preußische Landesgeschichte. Festschrift für Bernhart Jähnig zum 60. Geburtstag, Marburg 2001 (Einzelschriften der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung 22), 39–49; Harasimowicz, Jan: Jan Chrystian – książę niezłomny. Nowe spojrzenie na obraz Bartłomieja Strobla Młodszego w Museo del Prado w Madrycie. In: Arx Felicitatis. Księga ku czci profesora Andrzeja Rottermunda w sześćdziesiątą rocznicę urodzin od przyjaciół, kolegów i współpracowników, Warszawa 2001, 217–223. Szyrocki, Marian: Martin Opitz, Berlin 1956; Becker-Cantarino, Barbara: Martin Opitz. Studien zu Werk und Person, Amsterdam 1982; Garber, Klaus: Martin Opitz. In: Steinhagen, Harald/Wiese, Benno von (Hg.): Deutsche Dichter des 17. Jahrhunderts, ihr Leben und Werk, Berlin 1984, 116–184; Wollgast, Siegfried: Philosophie in Deutschland zwischen Reformation und Aufklärung 1550–1650, Berlin 1988, 806–826. Trost Gedichte In Widerwertigkeit Deß Krieges. In vier Bücher abgetheilt, Und vor etzlichen Jahren von einem bekandten Poëten anderwerts geschrieben. In verlegung David Müllers Buchhendlers in Breßlaw. Leipzig/ Gedruckt bey Henning Kölern/ Anno MDC XXXIII. Vgl. ferner Cunningham, Wiliam L.: Martin Opitz. Poems of Consolation in Adversities of War, Bonn 1974 (Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft 134); Solbach, Andreas: Martin Opitz’ Trostgedichte in Widerwertigkeit deß Krieges. In: Borgstedt/Schmitz (Hg.): Martin Opitz, 222–235.

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werbe und Altertümer),10 der „Allegorie des Dreißigjährigen Kriegs“ von 1634 (Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett)11 und der „Allegorie des Schicksals der freien Künste im Dreißigjährigen Krieg“ aus dem Jahr 1636 (Abb. 68).12 Durch einen besonders interessanten und aufschlußreichen Inhalt zeichnet sich die jüngste von ihnen aus, die im Stammbuch Heinrich Böhmes aus Namslau auf Blatt 179 recto angebracht wurde. Sie zeigt drei Gestalten, die sich über eine Darstellung mit geometrischen Diagrammen beugen: die Kriegsgöttin Bellona, den mythischen König Midas – Sinnbild der Borniertheit der Macht – sowie einen Engelsgenius, der in der Mitte als Schiedsrichter bzw. Kommentator auftritt, worauf die etwas beleidigende Geste seiner rechten Hand, corna bzw. cornuto genannt, hinweist. Links ist der in schwarzer Tusche geschriebene Text sichtbar: „Anno 1636/ Gott behidte die freindte/ Der Deuffel hol die feindte“ [Anno 1636. Gott behüte die Freunde. Der Teufel hole die Feinde], darunter die Widmung und die Unterschrift des Künstlers: „Zu Aufrichtigen gedencken/ machett dis In Dandtzig/ Bartholomeus Strobell.“ Heinrich Böhme, Eigentümer des in Kurnik aufbewahrten Stammbuches, gehörte zum großen Kreis der Ankömmlinge aus Schlesien, die in den Jahren des Dreißigjährigen Krieges die Ostseemetropole Danzig als ihren festen bzw. vorübergehenden Wohnsitz gewählt haben. Ihr geistiger Anführer war Martin Opitz, ihr politischer Mäzen Gerhard Graf von Dönhoff, der Marienburger Ökonom und Pommerellischer Woiwode, mit dem polnischen König Wladislaw IV. befreundet.13 In diesem Kreis dominierten Schüler des Danziger Akademischen Gymnasiums und darunter die künftigen Koryphäen der deutschen Dichtkunst der Barockzeit: Andreas Gryphius und Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau. Wie aus einem ersten oberflächlichen Blick auf die Zeichnung zu schließen ist, sollte sie an allgemein bekannte und auch ein Jahr nach dem Separatfrieden von Prag, der 1635 10 Iwanoyko, Eugeniusz: Bartłomiej Strobel, Poznań 1957, 104–108, 119f.; Oszczanowski, Piotr/Gromadzki, Jan: Theatrum Vitae et Mortis. Grafika, rysunek i malarstwo książkowe na Śląsku w latach ok. 1550 – ok. 1650 (Ausstellungskatalog), Wrocław 1995, 90, Kat.-Nr. 301; Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 46–49, Bd. 2, 79f., Kat.-Nr. II.2.3. 11 Scheyer, Ernst: Der Maler Bartholomäus Strobell. Künstlerische Beziehungen Breslaus zu Danzig in der Zeit des großen Krieges. In: Ostdeutsche Monatshefte 13 (1932/33) 526–537, hier 530–532; Iwanoyko: Bartłomiej Strobel, 28, 104f., 120; Oszczanowski/Gromadzki: Theatrum Vitae et Mortis, 90, Kat.-Nr. 302; Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 98f., Bd. 2, 76, Kat.-Nr. II.1.1; ders.: Rysunek gdański ostatniej ćwierci XVI i pierwszej połowy XVII wieku, Toruń 2005, 67–69, 141f., Kat.-Nr. XIII s 1. 12 Scheyer: Der Maler Bartholomäus Strobell, 532f.; Iwanoyko: Bartłomiej Strobel , 105f., 120; Oszczanowski/Gromadzki: Theatrum Vitae et Mortis, 90, Kat.-Nr. 303; Tylicki: Bartłomiej Strobel, Bd. 1, 99–102, Bd. 2, 77f. Kat.-Nr. II.1.3.; ders.: Rysunek gdański, 69f., Kat.-Nr. XIII s 2. 13 Sommerfeld, Gustav: Zur Geschichte des Pommerellischen Woiwoden Grafen Gerhard von Dönhoff (gest. 23. Dezember 1648). In: Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins 43 (1901) 219–265.

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Abb. 68. Die Zeichnung Bartholomäus Strobels des Älteren, im Jahr 1636 für Heinrich Böhme aus Namslau geschaffen, der zur damaligen Zeit – wie zahlreiche andere Schlesier evangelischen Bekenntnisses – Schüler im berühmten Akademischen Gymnasium in Danzig war, trägt den relativ allgemeinen Titel „Allegorie des Schicksals der freien Künste in der Zeit des Krieges“. Ihr Inhalt ist von tiefgreifender, damals noch selten anzutreffender Irenik oder gar Pazifismus durchdrungen. So entdecken die Götter des Bösen, der Kriege und des Todes entsetzt, daß in dieser Welt, die wie es scheinen konnte bereits völlig ihrer Übermacht unterlegen war, noch heilige und unzerstörbare Werte wie die Geometrie und das Naturrecht existieren.

zwischen dem Kaiser und dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. geschlossen worden war, besonders aktuelle Inhalte anknüpfen. Bekanntlich war diese politische Entscheidung für die Niederlage des schlesischen Protestantismus auschlaggebend. Sie löste eine große, konfessionell bedingte Fluchtwelle nach Sachsen, Brandenburg und – besonders intensiv – nach Polen, das am Dreißigjährigen Krieg nicht beteiligt war, aus. Die geometrischen Diagramme in der besagten Zeichnung, für allegorische Darstellungen der damaligen Zeit sehr unüblich, lenken unser Augenmerk auf Peter Crüger (1580–1639).14 Crüger, ein herausragender Mathematiker und Astro14 Czerniakowska, Małgorzata: Piotr Krueger (1580–1639) – gdański matematyk i astronom, nauczyciel Jana Heweliusza. In: Rocznik Gdański 47 (1987) 197–230.

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nom, Schüler von Tycho de Brache und Johannes Kepler, kam nach Danzig – gleich nachdem er den Magistergrad der freien Künste an der Universität Wittenberg im Jahr 1606 erlangt hatte – um die Professur der Poesie und Mathematik am dortigen Gymnasium zu übernehmen. Er verfaßte zahlreiche europaweit geschätzte Werke aus den Bereichen Geometrie, Astronomie und Astrologie, darunter: „Tetragonismus Circuli per lineas“ (1607), „Synopsis Trigonometriae Sive Doctrinae Triangulorum“ (1612), „De Hypothetico Systemate Coeli“ (1615), „Uranodromus cometicus“ (1619), „Cupediae astrosophiae“ (1630), „Praxis Trigonometriae Logarithmicae“ (1634) und „Doctrina astronomiae Spherica“ (1635). Die meisten dieser Schriften mußten die Flüchtlinge aus Schlesien noch vor ihrer Ankunft in Danzig gekannt haben. Sie waren dermaßen berühmt, daß sich der Breslauer Drucker Georg Baumann, ungeachtet der Kriegszeiten, beinahe gleich nach der Veröffentlichung von „Cupediae astrosophiae“ entschieden hat, dieses Werk dem schlesischen Leserpublikum zugänglich zu machen.15 Wie er in dem auf den Tag der Heiligen Maria Magdalena im Jahr 1631 datierten Vorwort schrieb, erklärte Crüger so hervorragend, so übersichtlich und so verständlich komplizierte Sachverhalte aus dem Bereich der Mathematik und der Astronomie, „daß auch gemeine Idioten/ welche sonsten entweder gar nichts studiret/ oder ja von Mathemetischen Sachen gantz unberichtet sein/ dennoch dieselben hohen dinge nunmehr gar leicht fassen und begreiffen moegen“.16 Es ist nicht verwunderlich, daß schlesische Flüchtlinge nach solchen Empfehlungen die Vorträge des Danziger Gelehrten massenhaft besuchten. Manche von ihnen, wie Andreas Gryphius, gehörten sogar zum engen Kreis seiner Lieblingsschüler. Crüger war von Anfang seiner Forschungsarbeit an von einem der drei großen Probleme der antiken Mathematik fasziniert: von der Quadratur des Kreises. Das auf Strobels Zeichnung rechts abgebildete Diagramm stellt eine der bekanntesten Näherungslösungen dieses unlösbaren Dilemmas dar, die dem frühen, in Leipzig erschienenen Werk Crügers „Tetragonismus Circuli per lineas“ entnommen wurde.17 Das Diagramm links, im allgemeinen auch mit der Quadratur verbunden, zeigt übersichtlich den sogenannten Goldenen Schnitt, womit die Geste der rechten Hand der über die Karte gebeugten Bellona zu korrespondieren scheint.

15 Cupediae Astrosophicae Crügerianae, Das ist/ Frag und Antwort/ Darinnen die allerkunstreichesten und tieffesten Geheimbnüsse/ der Astronomiae, deß Calender=Schreibens/ der Astrologiae, und der Geographiae, dermaßen deutlich und verstaendlich außgeführet sind/ daß dieselben beydes von Gelehrten und auch Ungelehrten gar leicht koennen gefasset und begriffen werden […], Breßlaw [1631]. 16 Ebd., fol. ):( iiij r. 17 Crüger, Peter: Tetragonismus Circuli per lineas: Quem Nicolaus Raimarus Fundamento Suo Astronomico transcursim inseruit, Expeditiori Structura Et Evidentiori Demonstratione Productus, Lipsiae 1607, 10.

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Peter Crüger war, wie bereits erwähnt, Schüler des hervorragenden Mathematikers und Astronomen Johannes Kepler (1571–1630),18 mit dem ihn jahrelang auch eine enge Freundschaft verband. Es war daher sicherlich kein Zufall, daß nach dem Tod des Meisters eben der Danziger Professor zum „wiedererstandenen Kepler“ (Kaepplerus redivivus) gekürt wurde.19 Er war, genauso wie Kepler selbst, ein irenisch gesinnter Lutheraner. Ähnlich wie dieser glaubte er, Gott würde sich den Menschen sowohl in der Bibel als auch im Buch der Natur offenbaren. Dabei sei der Zugang zu dem Zweitgenannten aber nur für diejenigen möglich, die die eigentümliche ‚Schrift ohne Worte‘ – die Geometrie – kennen. „Geometria una et aeterna est, in mente Dei refulgens“ – schrieb Johannes Kepler in „Dissertatio cum Nuncio sidereo“ (1610),20 während er in seinem Fundamentalwerk „Harmonices mundi“ (1619) zum neuplatonischen und neupythagoreischen Pantheismus gelangt sowie die Geometrie Gott völlig gleichstellt.21 Nach diesem Konzept sollen geometrische Figuren quantitativer Natur vor Erde und Himmel entstanden sein. Ihr Wesen ist auf die Begriffe des Geraden und Ungeraden zurückzuführen, wobei das Krumme das Göttliche und das Gerade das Vergängliche vergegenwärtigt. Der Vergleich der Quantitäten stellt eine Messung dar, und messen heißt wissen: „nam comparativo est mensuratio, mensurare est scire.“22 Der Mensch wurde bei seiner Erschaffung von Gott mit der Fähigkeit ausgerüstet, die quantitative Natur der Welt zu begreifen, wodurch sich Gott und Mensch an einer und derselben Mathematik, dem Fundament der Weltharmonie beteiligen. Insofern uns die Gegenwart der geometrischen Diagramme auf der Zeichnung Strobels in Richtung der Lehren von Peter Crüger und Johannes Kepler lenkt, lassen uns die Allegorien des Krieges und der Macht den Einfluß eines anderen gro-

18 Wollgast, Siegfried/Marx, Siegfried: Johannes Kepler, Leipzig/Jena/Berlin 21980 [¹1976]; Wollgast: Philosophie in Deutschland, 221–262; Caspar, Max: Johannes Kepler, Stuttgart 4 1995 [¹1959]. Vgl. ferner Chojecka, Ewa: Johann Kepler und die Kunst. Zum Verhältnis von Kunst und Naturwissenschaften in der Spätrenaissance. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 30 (1967) 55–72; Schiffers, Norbert: Das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaft bei Kepler. In: Krafft, Fritz/Meyer, Karl/Sticker, Bernhard (Hg.): Internationales Kepler-Symposium, Weil der Stadt 1971. Referate und Diskussionen, Hildesheim 1973, 321–334; Wollgast, Siegfried: Zum philosophischen Weltbild Johannes Keplers. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 21 (1973) 100–111; Hübner, Jürgen: Die Theologie Johannes Keplers zwischen Orthodoxie und Naturwissenschaft, Tübingen 1975 (Beiträge zur historischen Theologie 50); Wahsner, Renate: Weltharmonie und Naturgesetz. Zur wissenschaftstheoretischen und wissenschaftshistorischen Bedeutung der Keplerschen Harmonielehre. In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 29 (1981) 531–545. 19 Cupediae Astrosophicae Crügerianae, fol. ):( ):( v. 20 Kepler, Johannes: Gesammelte Werke, Bd. 4: Kleinere Schriften 1602–1611, München 1941, 308. 21 Ders.: Weltharmonik, München 51990 [¹1939], 214. 22 Ders.: Gesammelte Werke, Bd. 15: Briefe 1604–1607, München 1951, 236.

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ßen Denkers der Epoche – Hugo Grotius’ (1583–1645),23 eines hervorragenden Philosophen und Rechtstheoretikers – erahnen. Auch er stand den Kreisen der in Danzig um Martin Opitz versammelten schlesischen Emigranten nicht fern. Der ,Vater der deutschen Dichtkunst‘ führte mit ihm einen jahrelangen, regen Briefwechsel und traf ihn sogar 1630 in Paris.24 Infolgedessen wurde bald darauf beim Breslauer Verleger David Müller die deutsche Übersetzung der Versfassung von Grotius’ Werk „De veritate religionis Christianae“ (1631), ursprünglich in niederländischer Sprache verfaßt, herausgegeben.25 Ist es möglich, daß es auf der Zeichnung von Bartholomäus Strobel dem Jüngeren, der doch mehrfach seine überdurchschnittliche Intelligenz und hohe Redekunst bewiesen hat, zu einer eigenartigen Synthese der neuesten Erkenntnisse der Philosophie der Mathematik und der Philosophie der Rechtswissenschaften gekommen war? Die von Bellona und Midas betrachteten „Quadraturen“ hängen mit der quantitativen Epistemologie Johannes Keplers und Peter Crügers eng zusammen, die der Handlung der Messung eine besondere Rolle beimaß. Beide Gelehrten waren übrigens Erfinder astronomischer Meßgeräte. Und für Kepler galt der Grundsatz: „Messen heißt wissen.“ So erschienen vor den Augen der auf der Zeichnung abgebildeten Gestalten nicht nur konkrete geometrische Darstellungen, sondern auch ‚Wissen‘ als solches, aufgezeichnet mit einer Schrift ‚ohne Worte‘. Welches ‚Wissen‘ sollte aber die Hauptfiguren der Zeichnung so sehr überrascht haben, daß der sie begleitende Engelsgenius seine Schadenfreude nicht zu verbergen vermochte? Mit großer Wahrscheinlichkeit kann man annehmen, daß es Strobel um die Theorie des Naturrechts ging, die in Hugo Grotius’ Werk „De iure belli ac pacis libri tres“ („Drei Bücher über das Recht des Kriegs und Friedens“), erstmals in Paris im Jahr 1625 veröffentlicht und anschließend mehrfach nachgedruckt und in viele Sprachen übersetzt,26 systematisch entwickelt wurde. 23 Schlüter, Joachim: Die Theologie des Hugo Grotius, Göttingen 1919; Ottenwälder, Paul: Zur Naturrechtslehre des Hugo Grotius, Tübingen 1950; Knieper, Barbara: Die Naturrechtslehre des Hugo Grotius als Einigungsprinzip der Christenheit, dargestellt an seiner Stellung zum Calvinismus, phil. Diss. Frankfurt a. M. 1971; Peach, Norman: Hugo Grotius, Berlin 1985 (Argument-Studienhefte 63); Linares, Filadelfo: Einblicke in Hugo Grotius’ Werk „Vom Recht des Krieges und des Friedens“, Hildesheim/Zürich/New York 1993 (Studien und Materialien zur Geschichte der Philosophie 15); Nellen, Henk J. M./Rabbie, Edwin (Hg.): Hugo Grotius Theologian. Essays in Honour of Guillaume H. M. Posthumus Meyjes, Leiden/New York/Köln 1994 (Studies in the History of Christian Thought 55); Stumpf, Christoph: The Grotian Theology of International Law. Hugo Grotius and the Moral Foundations of International Relations, Berlin/New York 2006. 24 Ingen, Ferdinand van: Niederländische Leitbilder. Opitz – Grotius. In: Borgstedt/Schmitz: Martin Opitz, 169–190. 25 Grotius, Hugo: Von der Wahrheit der Christlichen Religion. Auß Holländischer Sprache Hochdeutsch gegeben. Durch Martin Opitzen. In Verlegung David Müllers, [Brieg] 1631. 26 Des Hugo Grotius drei Bücher über das Recht des Krieges und Friedens, in welchen das Natur- und Völkerrecht und das Wichtigste aus dem öffentlichen Recht erklärt werden. Aus

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Die Definition des ,Naturrechts‘ finden wir im ersten Buch, Kapitel I, Absatz X: „Das natürliche Recht ist ein Gebot der Vernunft, welches anzeigt, daß einer Handlung, wegen ihrer Uebereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit der vernünftigen Natur selbst, eine moralische Häßlichkeit oder eine moralische Notwendigkeit innewohne, weshalb Gott, als Schöpfer der Natur, eine solche Handlung entweder geboten oder verboten habe. Handlungen, für welche ein solches Gebot besteht, sind an sich schuldige oder unerlaubte, und deshalb gelten sie als von Gott nothwendig geboten oder verboten. […] Das Naturrecht ist so unveränderlich, daß selbst Gott es nicht verändern kann. Denn obgleich die Macht Gottes unermeßlich ist, so kann man doch Einzelnes aussprechen, auf das sie sich nicht ausdehnt, weil dasselbe nur gesagt wird, aber keine auf einen Gegenstand sich beziehende Bedeutung hat, sondern sich selbst widerspricht. So wenig also Gott es bewirken kann, daß zweimal zwei nicht vier sind, ebensowenig kann er bewirken, daß das nach seiner inneren Natur Schlechte nicht schlecht sei.“27 In der von Grotius formulierten Theorie des Naturrechts hatte die für damalige Zeiten ungewöhnliche rhetorische Figur „etsi daremus non esse Deum“ besondere Bedeutung. Sie trug dem Verfasser, der ohnehin mit der offiziellen Doktrin der niederländischen reformierten Kirche im Streit stand, den Vorwurf der Ketzerei ein. Der einschlägige Abschnitt, unter Ziffer 11 der Einleitung („Prolegomena“), lautet: „Diese hier dargelegten Bestimmungen würden auch Platz greifen, selbst wenn man annähme, was freilich ohne die größte Sünde nicht geschehen könnte, daß es keinen Gott gebe, oder daß er sich um die menschlichen Angelegenheiten nicht bekümmere.“28 Unter den kriegerischen Zeitumständen und im politischen Chaos, als in die Herzen vieler Menschen Zweifel am Sinn dieser Welt einzuschleichen begannen, trat also eine Theorie auf, die die Existenz eines mächtigen, unzerstörbaren Fundaments des sozialen Daseins verkündete. In derselben Einleitung, unter den Ziffern 25 bzw. 26, lesen wir: „Der Satz, daß im Kriege alles Recht aufhöre, ist so weit von der Wahrheit entfernt, daß ein Krieg sogar nur der Rechtsverfolgung wegen angefangen, und ein begonnener nur nach dem Maaße des Rechts und der Treue geführt werden darf.“29 „Es schweigen daher unter den Waffen die Gesetze; aber nur die des Verkehrs, der Gerichte und des Friedens, aber nicht jene ewigen und für alle Zeiten geltenden Gesetze. Es ist deshalb ein vortrefflicher Ausspruch von Dio aus Prusa, daß unter Feinden zwar das geschriebene, d. h. das

dem Lateinischen des Urtextes übersetzt, mit erläuternden Anmerkungen und einer Lebensbeschreibung des Verfassers versehen von J[ulius] H[ermann] v. Kirchmann, Bd. 1, Leipzig 1877 (Philosophische Bibliothek 31), Bd. 2, Leipzig 1869 (Philosophische Bibliothek 32). 27 Des Hugo Grotius drei Bücher über das Recht des Krieges und Friedens, Bd. 1, 73–75. 28 Ebd., 31. 29 Ebd., 39f.

Irenische und pazifistische Ideen unter den Exil-Schlesiern in Danzig

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bürgerliche Recht nicht gelte, aber wohl das ungeschriebene, d. h. das, was die Natur gebietet, oder die Uebereinstimmung der Völker bestimmt.“30 Wenn also angenommen wird, daß Strobel in Form geometrischer Diagramme das ewige und unzerstörbare ,Naturrecht‘ von Hugo Grotius verschlüsselt hat, kann der ganze Sinn der Komposition auf folgende Feststellung zurückgeführt werden: das ,heilige‘ Naturrecht darf weder für ungültig erklärt noch umgangen werden. Früher oder später kommt es ans Licht; und all die, die Macht ausüben und die Bewegungen der Armeen steuern, müssen dann verstehen, daß ein Grundsatz unumstößlich gilt: „Krieg darf nur zur Geltendmachung der Gesetze erklärt, und der angefangene Krieg – nur innerhalb der Grenzen des Rechtes und des guten Glaubens geführt werden.“ Diese Botschaft, offenherzig dem jungen Besitzer des Stammbuchs eingetragen, stand einer der Abschlußphrasen „De veritate religionis Christianae“ Grotius’ nahe, die in der Übersetzung von Martin Opitz folgende sprachliche Form einnahm: „Denckt daß der waffen krafft die unsern krieg angehn Nicht fleischlich/ sondern fest und steiff zue wiederstehn Den schantzen der vernunfft/ die ihrer pflicht vergessen/ Undt Gottes wissenschafft zue schmälern sich vermessen: Der schildt muß glaube sein/ der für uns wirdt gesetzt Daß uns der fewerpfeil des bösen nicht verletzt. Zum festen pantzer muß gerechtigkeit uns nützen; Das haupt der trost des heils als wie ein Helm/ beschützen. Das wort so Gott uns hatt ertheilt muß sein das schwerdt/ Daß mitzwey schneiden gleich der hertzen sinn erklärt. Bedenckt/ o Brüder/ auch was unser Herr hatt wollen Befehlen/ als er von den seinen reisen sollen/ Ich geb’ euch meinen fried’/ ich laß’ euch friede hier; Wie ich hab’ euch geliebt/ liebt auch einander ihr.“31 Die dem ‚Naturrecht‘ gleichgestellte Geometrie sagt auf der Zeichnung Strobels etwas völlig anderes als auf den Titelblättern verbreiteter Lehrbücher für Militärtechnik aus: Sie dient nicht der Bellona, sondern sie stellt sich ihr entgegen, sie entblößt ihren ‚widerrechtlichen‘ Status. Und wie die arkadischen Hirten auf dem Gemälde Nicolas Poussins „Et in Arcadia ego“ (Paris, Musée du Louvre, 1638 bis 1640) verwundert feststellen, daß in ihrem Land Leid und Tod existieren (Abb. 69),32 so müssen die Förderer des Todes und des Krieges aus der Zeichnung Strobels mit deutlicher Abneigung wahrnehmen, daß sie in den Trümmern abgebrann30 Ebd., 43–45. 31 Grotius: Von der Warheit der Christlichen Religion, 156f. 32 Panofsky, Erwin: Et in Arcadia Ego. On the Conception of Transience in Poussin and Watteau. In: Klibansky, Raymond/Paton, Herbert James (Hg.): Philosophy and History. Essays presented to Ernst Cassirer, New York 1936, 223–254.

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Abb. 69. Strobels Zeichnung bildet in gewissem Sinne das ,Gegenstück‘ zu Nicolas Poussins berühmtem Bild „Et in Arcadia ego“ (1638–1640), das im Musée du Louvre in Paris aufbewahrt wird. Die sich im symbolischen Arkadien befindenden Hirten entdecken überrascht einen antiken Sarg, der mit den Worten der darauf befindlichen Inschrift „Et in Arcadia ego“ an die Unvermeidbarkeit und Unwiderruflichkeit des Todes erinnert.

ter Städte und Dörfer noch nicht alle Werte begraben haben; ebenso, daß die von Kepler in „Harmonices Mundi“ beschriebene und von Raphael in der berühmten „Schule von Athen“ (1509/10) abgebildete,33 zusammen mit den ,Geraden‘ und ,Krummen‘ im Akt der Schöpfung eingefügte Gemeinschaft von Mensch und Gott mit einigen Bewegungen von Bleistift oder Schreibfeder mühelos wieder hergestellt werden kann.

33 Kelber, Wilhelm: Raphael von Urbino. Leben und Werk, Stuttgart 1979, 256–262; Oberhuber, Konrad: Polarität und Synthese in Raphaels „Schule von Athen“, Stuttgart 1983; Winner, Matthias: Disputa und Schule von Athen. In: Raffaello a Roma. Il convegno del 1983, Roma 1986, 29–45; Oberhuber, Konrad: Raffael. Das malerische Werk, München/London/ New York 1999, 98–102.

Die ,nahe‘ und ,ferne‘ Vergangenheit in den ständischen Bildprogrammen der Frühen Neuzeit. Schlesien und Großpolen im historischen Vergleich

I. Die Frage nach Inhalt und gesellschaftlicher Funktion der Kunst im 15. bis 18. Jahrhundert, in der Zeit der Konfessionalisierung, Sozialdisziplinierung und der Entstehung des frühmodernen Staates, stellt eine der wichtigsten Aufgaben der kunsthistorischen Forschung der letzten Jahrzehnte dar.1 Als Forschungsgegenstand wurden dabei bevorzugt ständische Stiftungen gewählt: Kirchen und Kapellen mit deren Ausstattung, Fürsten- und Herrensitze, Bürger-, Rat- und Ständehäuser. Dabei kam es sowohl innerhalb als auch außerhalb Europas zu bemerkenswerten Dialogversuchen zwischen Kunsthistorikern und Historikern. In Deutschland ergriffen die Historiker die Initiative. Zu nennen ist hier in erster Linie Rainer Wohlfeil, der zusammen mit Trudl Wohlfeil eine der besten Studien zur spätgotischen Sepulkralkunst verfaßt hat.2 Im Gegensatz zur Ikonologie von Erwin Panofsky, dem er nicht zu Unrecht Ahistorismus vorwarf, formulierte Wohlfeil eine systematische Konzeption „historischer Bildkunde“, deren Hauptziel er darin sah, den „historischen Dokumentensinn“ der Bildüberlieferungen gründlich zu erforschen.3 Eine nennenswerte interdisziplinäre Zusammenarbeit ist jedoch, trotz wiederholter Appelle, bis zur Gegenwart nicht zu beobachten.4 1

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Christensen, Carl C.: Art and the Reformation in Germany, Athens/Detroit 1979 (Studies in the Reformation 2); Matsche, Franz: Die Kunst im Dienst der Staatsidee Kaiser Karls VI. Ikonographie, Ikonologie und Programmatik des „Kaiserstils“, Berlin/New York 1981 (Beiträge zur Kunstgeschichte 16); Scribner, Robert W.: For the Sake of Simple Folk: Popular Propaganda for the German Reformation, Cambridge/London 1981 (Cambridge Studies in Oral and Literate Culture 2); Michalski, Sergiusz: The Reformation and the Visual Arts: The Protestant Image Question in Western and Eastern Europe, London/New York 1993 (Christianity and Society in the Modern World); Harasimowicz, Jan: Kunst als Glaubensbekenntnis. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte der Reformationszeit, Baden-Baden 1996 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 359). Wohlfeil, Rainer/Wohlfeil, Trudl: Nürnberger Bildepitaphien. Versuch einer Fallstudie zur historischen Bildkunde. In: Zeitschrift für Historische Forschung 12 (1985) 129–180. Wohlfeil, Rainer: Das Bild als Geschichtsquelle. In: Historische Zeitschrift 249 (1986) 91– 100; ders.: Methodische Reflexionen zur Historischen Bildkunde. In: Tolkemitt, Brigitte/ ders. (Hg.): Historische Bildkunde. Probleme – Wege – Beispiele, Berlin 1991 (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 12), 17–35. Zum Dialog zwischen Historikern und Kunsthistorikern vgl. Knauer, Martin: „Dokumentsinn“ – „historischer Dokumentensinn“. Überlegungen zu einer historischen Ikonologie. In:

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Anders als in Deutschland widmeten sich in Polen vorwiegend Kunsthistoriker dem Grenzgebiet zwischen Geschichte und Kunstgeschichte. Gegenstand ihrer Forschungen auf dem Gebiet der „Geschichtskultur“ wurde der „Historismus“ in der frühneuzeitlichen Kunst in Polen und den benachbarten Regionen (Pommern, Brandenburg, Preußen und Schlesien), verstanden sowohl als „Dauerhaftigkeit der mittelalterlichen Formen und Inhalte“ als auch – mehr im ikonographischen und ikonologischen Sinn – als „historisches Thema“.5 Studien gerade in die andere Richtung unternahm namentlich Teresa Jakimowicz,6 die unter dem Einfluß des Historikers Jerzy Topolski und der von ihm begründeten methodologischen, der sogenannten Posener Schule stand. In der Einleitung zu ihrem 1985 veröffentlichten Buch „Das historische Thema in der Kunst zur Zeit der letzten Jagiellonnen“ heißt es: „Stifter und Meister der alten (und nicht nur der alten) Kunstwerke bedienten sich eines historischen Motivs oder einer Anspielung auf die Vergangenheit für die von der Gegenwart formulierten Zwecke. Die in der künstlerischen Form aufgefaßte historische Aussage, sowohl diejenige, welche die ferne Vergangenheit vergegenwärtigte, als auch diejenige, welche die direkt erlebte Vergangenheit zu verewigen suchte, war in der Tat aktuell: Sie diente dem Zweck der Gegenwart sowie der durch sie gesehenen Vergangenheit.“7 Das Studium eines „historischen Themas“ ermöglicht, so Jakimowicz, das Erkennen der Gesamtheit des jeweiligen künstlerischen Erbes der untersuchten Epoche und der facettenreichen Formen der mit ihm verbundenen historischen Inhalte: „Es betrachtet [diese Formen] als bestimmte Kennzeichen der Mentalität und Verhaltensweise der Stifter, Künstler und

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Tolkemitt/Wohlfeil:Historische Bildkunde, 37–47; Scribner, Robert W.: Reformatorische Bildpropaganda. Ebd., 83–106; Schilling, Michael: Illustrierte Flugblätter der Frühen Neuzeit als historische Bildquellen. Beispiele, Chancen und Probleme. Ebd., 107–119; Harasimowicz, Jan: Lutherische Bildepitaphien als Ausdruck des „Allgemeinen Priestertums der Gläubigen“ am Beispiel Schlesiens. Ebd., 135–164. Eine Ausnahme bilden die Studien von Imhof, Arthur E.: Geschichte sehen. Fünf Erzählungen nach historischen Bildern, München 1990 (Beck’sche Reihe 413); ders.: Im Bildersaal der Geschichte oder: Ein Historiker schaut Bilder an, München 1991. Zum „historischen Thema“ bzw. „Historismus“ in der bildenden Kunst der Frühneuzeit in Ostmitteleuropa vgl. Kruszelnicki, Zygmunt: Historyzm i kult przeszłości w sztuce pomorskiej XVI–XVIII wieku, Warszawa/Poznań/Toruń 1984 (Prace Wydziału FilologicznoFilozoficznego Towarzystwa Naukowego w Toruniu 29/3); Kaczmarek, Romuald/Witkowski, Jacek: Mittelalterliche Geschichte und Tradition in der Kunst der Zisterzienser Ostmitteleuropas im 17. und 18. Jahrhundert. In: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 47/48 (1990) 291–310. Vgl. ferner Sutthof, Ludger J.: Gotik im Barock. Zur Frage der Kontinuität des Stiles außerhalb seiner Epoche: Möglichkeiten der Motivation bei der Stilwahl, Münster 1989 (Kunstgeschichte. Form und Interesse 31). Jakimowicz, Teresa: Przeszłość i teraźniejszość w sztuce wieku XVI w Polsce. In: Topolski, Jerzy (Hg.): Świadomość historyczna Polaków, Łódź 1981, 151–216; dies.: Temat historyczny w sztuce epoki ostatnich Jagiellonów, Warszawa/Poznań 1985 (Prace Komisji Historii Sztuki Poznańskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk 15). Dies.: Temat historyczny, 6.

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Kunstbetrachter. Es zielt auf die Analyse der Kunstform als einer der Komponenten dieser Aufzeichnung ab.“8 Auf der Basis der genannten Forschungsperspektive und deren Ergänzung um die neuesten Ergebnisse der kunsthistorischen Hermeneutik9 folgen einige Worte zum Titel und Ansatzpunkt meines Beitrags: Das Thema bezieht sich auf die weit entfernte, zum Teil bereits legendäre, aber auch auf die ,nahe‘ Vergangenheit, die nur wenige Generationen zurückliegt. Es handelt sich nicht zuletzt um die Rolle, welche diese „Konstruktion der Vergangenheit“ im Entwicklungsprozeß der Ständeidentität der ostmitteleuropäischen Gesellschaften in der Frühen Neuzeit spielte. Einen spezifischen Ansatzpunkt bildet hierbei die Quellengrundlage: Denn es handelt sich dabei eher um bildliche bzw. wörtlich-bildliche „Kulturtexte“ („Programme“),10 dargestellt in Werken der Architektur, Plastik, der Malerei und des Kunstgewerbes, in illustrierten Flugblättern und der Druckgraphik, als um geschriebene Dokumente. Warum fiel die räumliche Eingrenzung der vergleichenden Studie auf Schlesien und Großpolen (in der deutschsprachigen Literatur nach dessen Zentralort, Posen, benannt)? Beide Länder, die einen gemeinsamen, auf die Anfänge des polnischen Staatswesens und des polnischen „Nationalmythos“ zurückgehenden Stammbaum aufweisen, gehörten in der Zeit der Konfessionalisierung zwei verschiedenen, manchmal sogar antagonistischen Staats- und Verfassungsordnungen an. Ende des 18. Jahrhunderts wurden sie wieder, unter der Fahne Preußens, vereinigt. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen beider Länder ähnelten einander, im Vergleich zu Brandenburg, Pommern, Kleinpolen und den Lausitzen zeigten sich dagegen deutliche Unterschiede.11 Gemeinsame Züge zeigten sich auch bei den gesellschaftlichen und ethnischen Strukturen beider Länder, vor allem nach zwei Migrationswellen: von Schlesien nach Großpolen während des Dreißigjährigen Krieges und von Großpolen nach Schlesien während des Polnisch-Schwedischen Krieges. Ein nicht nur auf die grenzüberschreitende Osmose beschränkter reger Kulturaustausch 8 Ebd.: 6. 9 Baxandall, Michael: Ursachen der Bilder. Über das historische Erklären von Kunst, Berlin 1990. 10 Meier, Christel/Ruberg, Uwe (Hg.): Text und Bild. Aspekte des Zusammenwirkens zweier Künste in Mittelalter und früher Neuzeit, Wiesbaden 1980; Warncke, Carsten-Peter: Sprechende Bilder – sichtbare Worte. Das Bildverständnis in der Frühen Neuzeit, Wiesbaden 1987 (Wolfenbütteler Forschungen 33); Füssel, Stephan/Knape, Joachim (Hg.): Poesis et Pictura. Studien zum Verhältnis von Text und Bild in Handschriften und alten Drucken. Festschrift für Dieter Wuttke zum 60. Geburtstag, Baden-Baden 1989 (Saecula spiritalia, Sonderbd.); Kemp, Wolfgang (Hg.): Der Text des Bildes. Möglichkeiten und Mittel eigenständiger Bildererzählung, München 1989 (Literatur und andere Künste 4); Harasimowicz, Jan: Śląskie nagrobki i epitafia wieku reformacji jako „teksty kultury“. In: Biuletyn Historii Sztuki 56 (1994) 241–259. 11 Topolski, Jerzy: Gospodarka polska a europejska w XVI–XVIII wieku, Poznań 1977, 71–84, 112–124.

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bezog sich auch auf die Architektur und die bildenden Künste,12 obwohl sich Breslau und Posen in erster Linie an den Hauptstädten ihrer jeweiligen Länderverbände orientierten: Prag und Krakau. Zudem waren beiden Regionen die nacheinanderfolgenden Anregungen der italienischen und der niederländischen Kunst gemeinsam.

II. „Ich sehe mehr und mehr, die nach begreißten zeiten/ Durch treffligkeit des muths, durch witz, durch krafft zu streiten/ Berühmt von deinem blut mit gantz Europens cronen/ Vermählt, verknüppft, befreund in fürsten schlössern wohnen.“ Diese Worte einer prophetischen Vision des künftigen Ruhms des Piastengeschlechts legte Andreas Gryphius – einer der bedeutendsten Dichter des Barockzeitalters – in den Mund eines Dramenhelden des 1660 verfaßten Lust- und Gesangspiels „Piastus“.13 Das Stück, dem der im Mittelalter geprägte polnische Gründungsmythos zugrunde liegt,14 wurde zu Ehren Luise von Anhalts geschrieben, der Gemahlin Herzog Christians von Wohlau, die Familienzuwachs erwartete. Weder der Dichter noch das Herzogspaar selbst, das seinem Nachkommen angeblich den Namen „Piastus“ geben wollte, konnten ahnen, daß 15 Jahre später eben mit jenem Sohn Georg Wilhelm eine der ältesten europäischen Dynastien erlöschen würde: Eine Dynastie, die, um an die Worte eines anderen schlesischen Dichters jener Zeit, Daniel Caspar von Lohensteins, zu erinnern „in Polen und Schlesien die ersten und meisten Kirchen gebeuet, die gebaueten mit reichen Stifftungen versorget

12 Kalinowski, Konstanty: Związki artystyczne Śląska i Polski w XVIII wieku. In: Sztuka 1. połowy XVIII wieku. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki, Rzeszów, listopad 1978, Warszawa 1981, 321–344; Harasimowicz, Jan: Związki artystyczne Wielkopolski i Śląska w zakresie rzeźby kamiennej w XVI i pierwszej połowie XVII wieku. In: Biuletyn Historii Sztuki 53 (1991) 201–225. 13 Gryphius, Andreas: Piastus (Fragmente). In: Szyrocki, Marian/Żygulski, Zdzisław (Hg.): Silesiaca. Wybór z dzieł pisarzy śląsko-niemieckich XVII wieku w tekstach oryginalnych i polskich przekładach, Warszawa 1957, 138–169, hier 166. Vgl. ferner Paur, Theodor: Ueber den Piastus des Andreas Gryphius. Ein Beitrag zur Geschichte der schlesischen Poesie. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Alterthum Schlesiens 2 (1858) 167–181; Kiesant, Knut: Andreas Gryphius’ Festspiel „Piastus“ (1660). In: Potsdamer Forschungen der Pädagogischen Hochschule „Karl Liebknecht“. Gesellschaftswissenschaftliche Reihe 94 (1989) 38– 47. 14 Banaszkiewicz, Jacek: Podanie o Piaście i Popielu. Studium porównawcze nad średniowiecznymi tradycjami dynastycznymi, Warszawa 1986; Kunstmann, Heinrich: Der Name „Piast“ und andere Probleme der polnischen Dynasten-Mythologie. In: Grözinger, Elvira/Lawaty, Andreas (Hg.): Suche die Meinung. Karl Dedecius, dem Übersetzer und Mittler, zum 65. Geburtstag, Wiesbaden 1986, 347–354; Strzelczyk, Jerzy: Auf den Spuren der ältesten polnischen Nationalsagen. In: Polnische Weststudien 6/1 (1987) 15–46.

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Abb. 70. Das Monumentum Piasteum (Piastengruft) an der Jesuitenkirche St. Johannes in Liegnitz wurde in den Jahren 1677 bis 1679 durch Herzogin Luise von Anhalt-Dessau, Mutter Georg Wilhelms, des letzten schlesischen Herzogs aus dem Piastengeschlecht gestiftet. Der Entwurf der Gruft, die im Chor der Schloßkirche St. Johannes angelegt wurde, stammt von der Hand des italienischen Architekten Carlo Rossi. Vor dem Hintergrund von Gemälden, die an die ruhmreiche Geschichte der Familie erinnern, wurden lebensgroße Figuren der Mitglieder der letzten Piastenfamilie aufgestellt: Herzog Christian II., seine Ehefrau Herzogin Luise, sein Sohn Prinz Georg Wilhelm und seine Tochter Prinzessin Charlotte.

[…], fast alle Städte in Grund geleget, selbe nicht minder mit heilsamen Ordnungen, als Mauern, befestigt [hatte].“15 Nach dem Tod Herzog Georg Wilhelms wurde eine Vielzahl von Leichenpredigten, Trauergedichten und Klageliedern verfaßt und publiziert.16 Diese Texte, wie der oben zitierte Panegyrikus Lohensteins, stellten eine Bilanz der Leistungen des piastischen Herrscherhauses dar, und zwar seines polnischen königlichen Stammes ebenso wie seiner fürstlichen Nebenlinie in Schlesien. In den Jahren 1677 bis 1679 baute der italienische Architekt Carlo Rossi, um den sich Herzogin Luise bemüht 15 Daniel Caspar von Lohenstein: Lob-Schrifft/ deß Weyland Durchlauchtigen Fürsten und Herrn/ Herrn George Wilhelms/ Hertzogen in Schlesien/ zu Liegnitz/ Brieg und Wohlau/ Christ-mildesten Andenckens. In: Szyrocki/Żygulski: Silesiaca, 184–191, hier 191. 16 Ein vorläufiges Verzeichnis dieser Schriften wurde 1973 zusammengestellt von Przała, Jan: Sarkofagi Piastów w Brzegu i Legnicy. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 9 (1973) 39–65, hier 56f., Anm. 175. Vgl. ferner Harasimowicz, Jan: Tod, Begräbnis und Grabmal im Schlesien des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Acta Poloniae Historica 65 (1992) 5–45, hier 24–31; ders.: Der evangelische Begräbnisritus der Frühen Neuzeit in Schlesien. In: Szaraniec, Lech (Hg.): Ziemia Śląska, Bd. 3, Katowice 1993, 89–108, hier 99–107, Abb. 3–15.

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hatte, im Chor der mittelalterlichen Schloßkirche St. Johannes in Liegnitz die Piastengruft. Mit diesem Bauwerk wurde der Ruhm des schlesischen Stammhauses am eindrucksvollsten zum Ausdruck gebracht.17 Den großen, im Grundriß kreisförmig gestalteten Rundbau, den eine auf einem Achteck ruhende Flachkuppel abschließt, umgeben fünf niedrige, zwischen den Stützpfeilern eingebaute ovale Nebenräume mit den aus der Gruft getragenen Särgen der letzten Herzöge von Liegnitz. Die Arkaden der Nebenräume und die über ihnen eingesetzten großen, rechteckigen Fenster sowie die Wand mit der Stiftungsinschrift und die zwei Eingänge an ihren Seiten trennen kannelierte Pilaster der großen Ordnung. Oben gehen sie in breite Gurte über, die die Kuppel in acht gleiche Felder gliedern. Diese Felder umfassen Malereien in reichen Stuckrahmen, die die alten „königlichen“ Zeiten des ruhmvollen Piastengeschlechts versinnbildlichen (Abb. 70). Den Zyklus eröffnet der Gründer der Dynastie, der Piast, „des Volkes Ernährer“, der „den polnischen Zepter hält“. Ihm folgen: Ziemowit, dargestellt als sarmatischer Romulus und Numa und Mieczyslaw I., der die heidnischen Götzenbilder zertrümmert; Boleslaw I., der Tapfere (Chrobry), in Gnesen von Kaiser Otto III. zum polnischen König gekrönt, kauft von den Preußen die Leiche des heiligen Adalbert. Ihm schließen sich Kazimierz der Erneuerer, der den polnischen Staat nach dem heidnischen Aufstand wiedererrichtet, sowie Boleslaw II., der Kühne, der die Ungarn und Böhmen besiegt, an. Den Abschluß des Gemäldekranzes bildet Boleslaw III. Schiefmund, der die Tochter Kaiser Heinrichs V. heiratet. Die andere Gemäldereihe zwischen den Arkaden der Nebenräume und den Fenstern bringt die Darstellung der Geschichte der schlesischen Nebenlinie des Piastenhauses: von der Versöhnung des Fürsten Boleslaw IV. Kraushaar mit Wladislaw II. und dessen Söhnen, über den berühmten Sieg Boleslaws I., des Langen, über einen Riesen in Mailand, über die gerechte und fromme Regierungszeit Heinrichs I., des Bärtigen, und seiner Gemahlin Hedwig; den Kampf Heinrichs II., des Frommen, in der Mongolenschlacht bei Liegnitz; Heinrichs IV., des Gerechten, siegreichen Einzug in Krakau; die Lehnshuldigung der schlesischen Fürsten an König Johann von Luxemburg; bis hin zur glücklichen Regierung Georgs II. von Brieg und die Huldigung Georg Wilhelms an Kaiser Leopold I. kurz vor seinem Tod. Das Liegnitzer Mausoleum machte die letzten Familienmitglieder des Piastengeschlechts – Christian II. 17 Lepiarczyk, Józef: Legnickie „Monumentum Piasteum“. In: Szkice Legnickie 1 (1962) 99– 111; Kalinowski, Konstanty: Gloryfikacja panującego i dynastii w sztuce Śląska XVII i XVIII wieku, Warszawa/Poznań 1973 (Prace Komisji Historii Sztuki Poznańskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk 9/2) 55–73; Grossmann, Dieter: Das letzte Gespräch der Piasten. In: Schlesien 21 (1976) 215–221; Kalinowski, Konstanty: Architektura doby baroku na Śląsku, Warszawa 1977, 43f.; Spellerberg, Gerhard: Lohenstein’s Beitrag zum Piasten-Mausoleum in der Liegnitzer Johannis-Kirche. In: Daphnis 7 (1978) 647–687; Kostowski, Jakub: Mauzoleum Piastów. In: Harasimowicz, Jan (Hg.): Kultura artystyczna dawnej Legnicy, Opole 1991, 63–73, 123–125; Harasimowicz, Jan (Hg.): Mauzolea Piastowskie na Śląsku, Wrocław 1993, 122–125.

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Abb. 71. Der Schöpfer der Figuren der letzten Piasten im Liegnitzer Mausoleum, die untereinander ein lebhaftes Gespräch zu führen scheinen, war der Wiener Bildhauer Matthias Rauchmiller. Am beeindruckendsten ist selbstverständlich die Figur des jungen, nach der neuen französischen Mode gekleideten Prinzen Georg Wilhelm. Im Alter von 15 Jahren erhielt er von Kaiser Leopold I. die Investitur und begann selbständig die Fürstentümer Liegnitz, Brieg und Wohlau zu regieren. Als er einige Monate später unerwartet starb, schob die Öffentlichkeit den Jesuiten die Schuld für seinen vorzeitigen Tod zu.

und seine Gemahlin Luise, den Sohn Georg Wilhelm (Abb. 71) und die Tochter Charlotte – zu Trägern unsterblichen Ruhms der Dynastie, eines Ruhms, der durch den Glauben (der Auferstandene Christus in der östlichen Nische) die Vergänglichkeit und die Schwäche des menschlichen Lebens (der Sonnengott Helios im Plafond der Kuppel) überwindet. Ihre lebensgroßen Figuren, geschaffen von dem bekannten Wiener Bildhauer Matthias Rauchmüller,18 dargestellt in gemessener Bewegung und gemeinsamer Unterhaltung, wurden auf große, vorkragende Konsolen gestellt. Die Konsolen, mit den Pilastern der großen Ordnung im Hintergrund, reichen bis an den Ansatz der Arkaden der Nebenräume. Die Ähnlichkeit mit den mittelalterlichen Stifterstatuen in den Domchören in Naumburg und Meißen ist 18 Braun, Edmund Wilhelm: Matthias Rauchmiller. In: Oberrheinische Kunst 9 (1940) 78– 109, 10 (1942) 119–150; Theuerkauff, Christian: Zu Matthias Rauchmillers Werk in Schlesien. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 7 (1962) 96– 129; Ostowska, Danuta: Rzeźba portretowa na Śląsku od połowy XVII do połowy XVIII wieku. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 12 (1979) 29–52, hier 33f., 44–47, Kat.-Nr. 3, 12, 17, 23; Birke, Veronika: Matthias Rauchmiller. Leben und Werk, Wien/Freiburg/Basel 1981, 30–36, 61–69; dies.: Das Piastenmausoleum in Legnica von Matthias Rauchmiller. In: Kalinowski, Konstanty (Hg.): Barockskulptur in Mittel- und Osteuropa, Poznań 1981, 203–211; Kalinowski, Konstanty: Rzeźba barokowa na Śląsku, Warszawa 1986, 56–60.

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hier kein Zufall: Das Mausoleum sollte nicht nur als Pantheon der Glorie einer großen europäischen Dynastie gelten, sondern auch als ein „gesamtschlesisches Heiligtum“, als ein Hort der konfessionellen Identität und schließlich als ein Bollwerk gegen die habsburgische Zentralisierungspolitik. Das Liegnitzer Monumentum Piasteum war keineswegs ein Sonderfall der Glorifizierung der schlesischen Piasten durch die Medien der Architektur und der bildenden Künste.19 Vor ihm war bereits der ebenfalls von Herzogin Luise gestiftete Ahnensaal auf dem Ohlauer Schloß entstanden: mit den Büsten und Figuren der Fürsten von Liegnitz und Brieg, inklusive derjenigen der Stifterin selbst und ihres Gemahls.20 Das Konzept dieser Bildprogramme weist jedoch eine längere, fast hundertjährige Vorgeschichte auf. Es geht auf den Anfang der Regierungszeit Herzog Georgs II. von Brieg zurück, dessen lange und wirtschaftlich erfolgreiche Regierung in den Jahren 1547 bis 1586 von den Nachkommen – davon zeugt die Wandmalerei im Liegnitzer Mausoleum – für den größten Erfolg der Dynastie in der Frühen Neuzeit gehalten wurde.21 Der Hauptakzent des von den Zeitgenossen wie 19 Karłowska-Kamzowa, Alicja: Fundacje artystyczne księcia Ludwika I brzeskiego. Studia nad rozwojem świadomości historycznej na Śląsku XIV–XVIII w., Opole/Wrocław 1970; Kębłowski, Janusz: Pomniki Piastów śląskich w dobie średniowiecza, Wrocław u. a. 1971 (Monografie Śląskie Ossolineum 20); Kalinowski: Gloryfikacja panującego i dynastii, 13– 106; Grossmann, Dieter: Die Piasten und die Kunst. In: Schlesien 21 (1976) 65–76; Kębłowski, Janusz: Horyzonty artystyczne mecenatu Piastów legnicko-brzeskich. In: Szkice Legnickie 12 (1984) 5–26; Weczerka, Hugo: Die Residenzen der schlesischen Piasten. In: Patze, Hans/Paravicini, Werner (Hg.): Fürstliche Residenzen im spätmittelalterlichen Europa, Sigmaringen 1991 (Vorträge und Forschungen 36), 311–347; Harasimowicz: Mauzolea Piastowskie. 20 Kalinowski: Gloryfikacja panującego i dynastii, 33–39. Der Ahnensaal entstand 1673 bis 1675 zur Legitimierung der Regierungsansprüche des jungen Georg Wilhelm. Sie wurden 1672, nach dem Tode seines Vaters Christian, in Frage gestellt durch die Herausgabe der „Schlesische[n] Adlers Fluegel“ von Johann Christian Hallmann, eines literarischen Werkes, das sowohl im Text selbst als auch in dem beigefügten allegorischen Kupferstich die schlesischen Piasten völlig überging und Kaiser Leopold I. als „neuen Piast“, als einen legitimen Nachfolger der alten polnischen Könige, darstellte. Ausführlicher dazu Harasimowicz, Jan: The Role of Cistercian Monasteries in the Shaping of the Cultural Identity of Silesia in Modern Times. In: Acta Poloniae Historica 72 (1995) 49–63, hier 58–61, Anm. 49–52. 21 Schönwälder, Karl Friedrich: Die Piasten zum Briege oder Geschichte der Stadt und des Fürstenthums Brieg, Bd. 2, Brieg 1855, 100–199, 222–229; Krebs, Julius: Art. Georg II. der Schwarze, Herzog von Brieg. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 8, Leipzig 1878, 689–693; Eichbaum, Gerda: Georg II. Herzog von Brieg. In: Andreae, Friedrich (Hg.): Schlesier des 16. bis 19. Jahrhunderts, Breslau 1931 (Schlesische Lebensbilder 4), 59–68; Pieradzka, Krystyna: Art. Jerzy II (1523–1586), książę brzeski i oławski. In: Polski Słownik Biograficzny 11 (1964/65) 184–186; Jaeckel, Georg: Geschichte der Liegnitz-Brieger Piasten, Bd. 1, Lorch 1980 (Beiträge zur Liegnitzer Geschichte 10), 124–131. Vgl. ferner Schimmelpfennig, Carl Adolf: Herzogin Barbara von Liegnitz-Brieg, geborene Markgräfin von Brandenburg, ihr Hofhalt und ihre Regierung von 1586–1595. In: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 14 (1878) 337–430.

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von den Nachkommen so gelobten Kunstmäzenatentums des Fürsten lag auf dem Umbau des Brieger Schlosses im Renaissancestil, den noch dessen Vater Friedrich II. um das Jahr 1530 begonnen hatte.22 Als um die Mitte der vierziger Jahre des 16. Jahrhunderts Georg II. eine Architekten- und Steinmetzgruppe – mit Jacob Parr (Bahr) an der Spitze23 – aus dem Tessin kommen ließ, gingen die Bauarbeiten schnell voran. Anfang der fünfziger Jahre waren drei neue Flügel mit Säulengängen fertig, und den Eingang zum Schloß bildete ein neues Torhaus mit dem Turmbelvedere (Abb. 72). Die Fassade des Gebäudes wurde in den Jahren 1551 bis 1553 mit einer reichen plastischen Dekoration geschmückt, deren Bildprogramm in der zeitgenössischen Kunst nördlich der Alpen nicht ihresgleichen hatte.24 Erhalten blieb nur der untere Teil des Torhauses. Dreigeschossig, mit drei Fensterachsen, hat er eine geschlossene, symmetrische Form, gestört einzig von der Größendifferenzierung zweier Eingangsöffnungen im Erdgeschoß: einer größeren für Fuhren und Reiter und einer kleineren für die Fußgänger. Vor dem Hintergrund regulärer architektonischer Gliederungen zeigen sich vollplastische, lebensgroße Figuren Georgs II. und seiner Gemahlin Barbara von Brandenburg, aufgestellt an den Seiten des mittleren Fensters im zweiten Geschoß. Sie werden von Schildträgern begleitet, die große Wappenschilder halten. Zwischen den Fenstern des zweiten und dritten Geschosses befindet sich ein Doppelfries, der insgesamt 24 22 Chrzanowski, Tadeusz/Kornecki, Marian/Zlat, Mieczysław: Katalog Zabytków Sztuki w Polsce, Bd. 7/1: Województwo opolskie, Powiat brzeski, Warszawa 1962, 17–22, Abb. 63– 90. Vgl. ferner Kunz, Hermann: Das Schloß der Piasten zum Briege. Ein vergessenes Denkmal alter Bauherrlichkeit in Schlesien, Brieg 1885; Bimler, Kurt: Das Piastenschloß zu Brieg, Breslau 1934; Schönaich, Gustav: Die Piastenresidenz zum Briege. Eine städtebauliche Studie, Brieg 1935; Łomnicki, Jerzy: Rezydencja Piastów Śląskich w Brzegu. In: Biuletyn Historii Sztuki 17 (1955) 371f.; Zlat, Mieczysław: Brama zamkowa w Brzegu. Ebd. 24 (1962) 284–322; Kramarczyk, Stanisław: Renesansowa budowa Zamku Piastowskiego w Brzegu i jej tło historyczne. Ebd. 24 (1962) 323–343; Rozpędowski, Jerzy: Rezydencja piastowska w Brzegu. In: Zeszyty Naukowe Politechniki Wrocławskiej. Architektura 5 (1963) 85–89; Zlat, Mieczysław: Brzeg, Wrocław u. a. 21979 [¹1960] (Śląsk w Zabytkach Sztuki); 44–116; ders.: Zamek piastowski w Brzegu, Opole 1988 (Encyklopedia Wiedzy o Śląsku). 23 Wernicke, Ewald: Die italienischen Architekten des 16. Jahrhunderts in Brieg. In: Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift 3 (1881), 265–275, 296–311, 427–433; Hahr, August: Die Architektenfamilie Pahr. Eine für die Renaissancekunst Schlesiens, Mecklenburgs und Schwedens bedeutende Familie, Straßburg 1908 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 97); ders.: Neue Forschungen über die Architektenfamilie Pahr. In: Zeitschrift für Geschichte der Architektur (1911) 52–56; Zlat, Mieczysław: Pahr (Parr) Jakub (ok. 1510–1575), architekt i fortyfikator. In: Polski Słownik Biograficzny 25 (1980/81) 19f.; ders.: Działalność architektoniczna rodziny Parrów na Śląsku w latach 1539–1600. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 14 (1986) 37–51. 24 Zlat: Brama zamkowa w Brzegu, 318–320; Jakimowicz: Temat historyczny, 65–69; Popp, Dietmar: Das Skulpturenprogramm des Schloßportals in Brieg/Schlesien (um 1550–1556). Zur Selbstdarstellung eines Fürsten im Spannungsfeld der territorialpolitischen Interessen der Großmächte Mitteleuropas. In: Beyer, Andreas (Hg.): Bildnis, Fürst und Territorium, München/Berlin 2000, 111–125.

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Büsten von Fürsten und Königen darstellt: oben Herrscher von ganz Polen, von den legendären Zeiten bis zur Teilung Polens im Jahr 1138, unten unmittelbare und mittelbare Herrscher der schlesischen Provinz. Die erste Reihe beginnt mit Piast und dessen legendären Nachkommen; sie endet mit Boleslaw I., dem Langen (gest. 1201), dem ersten Piastenherzog des selbständig gewordenen Schlesien. Die zweite Reihe beginnt mit der Büste Heinrichs I., des Bärtigen (gest. 1238), und endet mit der Büste Friedrichs II. von Liegnitz und Brieg (gest. 1547), des Vaters Georgs II. Die Torhausfassade bekrönt die Balustrade einer früheren Aussichtsterrasse, die in den Jahren 1925 bis 1926 ziemlich frei rekonstruiert wurde. In der Mitte der Balustrade befindet sich ein interessantes Fragment der ursprünglichen Renaissancedekoration: ein Wappen des polnischen Königs Sigismund II. August, umgeben von elf kleinen Schilden mit den Wappen von zehn Territorien der jagiellonischen Monarchie, und ein Wappen der Sforza.25 Wie man aufgrund vorhandener ikonographischer Überlieferungen annimmt, sollte das Wappen des polnischen Königs auf der ursprünglichen Balustrade von zwei anderen begleitet werden: dem der Habsburger und dem des Fürstentums Burgund.26 Das Ganze war von einem Turmbelvedere mit einer Goldkuppel bekrönt, die in Form einer Giebelattika, eingefaßt von einer Krone, gestaltet war. Diese Kuppel wurde einst von einer für die schlesische Architektur des 16. Jahrhunderts typischen „welschen Haube“ abgeschlossen.27 Die bisherigen Forschungen haben erwiesen, daß die wichtigsten Quellen der Bilder der polnischen Herrscher auf dem Brieger Fries Holzschnitte aus der 1519 zum ersten Mal in Krakau von Maciej Miechowita [von Miechów] herausgegebenen „Chronica Polonorum“ waren.28 Der Herzog mußte das Werk mit Sicherheit gekannt haben.29 Dies legt die Vermutung nahe, daß auch eine einzigartige Abbildung seiner Aufmerksamkeit nicht entgangen sein mag: Diese stellt die Krönung Boleslaws I., des Tapferen, zum polnischen König durch Kaiser Otto III. mit einer geschlossenen Krone (corona clausa) dar, wobei die königliche Krone nicht viel kleiner ist als die kaiserliche.30 Dieses von Jan Długosz in die polnische Historio25 Zlat: Brama zamkowa w Brzegu, 286–290, Abb. 3–5. 26 Margaretha von Brieg (1342/43–1386), Tochter Ludwigs I. Piast und Ehefrau Albrechts I. von Bayern-Straubing, war Großmutter Philipps II. des Guten von Burgund, eines großen Mäzens der Literatur und Kunst. Zu den Beziehungen der mittelalterlichen Fürsten von Liegnitz-Brieg zum Herzogtum Burgund vgl. Głosek, Marian: Wizerunek księcia brzeskiego w uroczystym stroju rycerskim z Herbarza Złotego Runa. In: Studia Źródłoznawcze 28 (1983) 188–195; Witkowski, Jacek: Kultura rycersko-dworska na Śląsku w dziełach sztuk plastycznych XIII-początku XVI wieku, phil. Diss. (masch.) Poznań 1992, 303, 308, Abb. 11–13. 27 Zlat: Brama zamkowa w Brzegu, 316–318, Abb. 2, 27. 28 [Miechowita, Maciej]: Chronica Polonorum, Cracoviae 21521 [¹1519]. 29 Łomnicki: Rezydencja Piastów Śląskich, 371f.; Zlat: Brama zamkowa w Brzegu, 297–299, 312–314, Abb. 20f. 30 Jakimowicz: Temat historyczny, 50–52, Abb. 11.

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Abb. 72. Die Ausschmückung des Torhauses des Piastenschlosses in Brieg, in den Jahren 1551 bis 1553 von Jacob und Franciscus Parr errichtet, knüpft an die berühmte Erbverbrüderung, ein im Jahr 1537 zwischen den Piasten von Liegnitz und Brieg und der Brandenburger Hohenzollernfamilie geschlossenes dynastisches Abkommen an. In der Mitte der Dekoration befinden sich Figuren Herzog Georgs II. von Brieg und Herzogin Barbara von Brandenburgs – eines der infolge dieses Abkommens vermählten Ehepaare. Über den Figuren erstreckt sich der zweiteilige Fries mit den Bildnisbüsten berühmter Ahnen Georgs II.: polnischer Herzöge und Könige, souveräner Herzöge von ganz Schlesien sowie Herzöge auf Liegnitz und Brieg.

graphie eingeführte Motiv,31 das die Ereignisse der Jahre 1000 und 1025 miteinander verknüpft, wurde dann von vielen schlesischen Autoren übernommen. Die Umsetzung dieses Motivs in eine bildliche Form finden wir schließlich in den Malereien des Liegnitzer Mausoleums. In dem von Georg II. selbständig oder zusammen mit seinen Ratgebern vorbereiteten Programm der Dekoration des Torhauses konnte die Idee der corona clausa – eines sichtbaren Zeichens der Unabhängigkeit Polens vom römisch-deutschen Reich,32 dargestellt zum ersten Mal in der Chronik Maciej Miechowitas und dann ausführlicher bei Marcin Bielski33 – mit der Aus31 Długosz, Jan: Roczniki, czyli kroniki sławnego Królestwa Polskiego, Bd. 1, Warszawa 1961, 303f. 32 Gieysztor, Aleksander: „Non habemus caesarem nisi regem.“ Korona zamknięta królów polskich w końcu XV wieku i w wieku XVI. In: Muzeum i twórca. Studia z historii sztuki i kultury ku czci prof. dr Stanisława Lorentza, Warszawa 1969, 277–292; Miodońska, Barbara: Korona zamknięta w przekazach ikonograficznych z czasów Zygmunta I. In: Biuletyn Historii Sztuki 32 (1970) 3–18. 33 Bielski, Marcin: Kronika, to jest Historya Świata, Kraków 1564, VIII, fol. 344v. Vgl. ferner Jakimowicz: Temat historyczny, 52, Abb. 49.

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druckskraft des historiographischen Triptychons von Lodovicus Justus Decius assoziiert werden. Das Triptychon wurde der zweiten Auflage der „Chronica Polonorum“ aus dem Jahr 1521 beigefügt und bestand aus den Büchern: „De vetustatis Polonorum“, „De Jagiellonorum Familia“ und „De Sigismundi Regis temporibus“.34 Zur Begründung der Elektionsidee des Königssohns Sigismund August noch zu Lebzeiten des Vaters wurde hier zum ersten Mal in Polen eine historische Argumentation in Wort und Bild entworfen, der ein bestimmtes politischdynastisches Programm zugrunde lag. Für eine Erklärung der plastischen Dekoration der Fassade des Brieger Torhauses müssen alle Elemente der politischen Situation Georgs II. sowie ganz Schlesiens in den fünfziger und sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts mitberücksichtigt werden. Es handelte sich um den großen Zentralisierungsdruck König Ferdinands I. gegenüber den Ständen der böhmischen Kronländer nach dem Schmalkaldischen Krieg, den Versuch, die von Martin Luther angefangenen religiösen Umwälzungen zu unterdrücken sowie um die drohende Ungültigkeitserklärung des 1537 geschlossenen Familienvertrags mit den brandenburgischen Hohenzollern, der das Überdauern der Piastenlinie von Liegnitz und Brieg sichern sollte.35 Die einem Manifest gleichende Darstellung der Erbverbrüderung an der Fassade – die lebensgroßen Statuen Georgs II. von Brieg und seiner Gemahlin Barbara von Brandenburg (verheiratet 1545) als einem von zwei infolge des Vertrags miteinander verbundener Ehepaare – war die Ausführung eines väterlichen Auftrags durch den neuen Herzog, den ein 1547 dem Testament beigelegter Zusatz beinhaltete. Gemäß jenem Zusatz sollten die Söhne die Erbverbrüderung mit dem brandenburgischen Kurhaus streng befolgen. Die Erinnerung an die königlichpolnischen Wurzeln des Piastengeschlechts, aktualisiert durch das heraldische Zeichen der Jagiellonen, der legalen Nachfolger der Piasten auf dem polnischen Thron, bedeutete eine „historische“ Legitimation eines eventuellen Beitritts zu einer – verglichen mit dem römisch-deutschen Reich – alternativen Rechtsordnung. Dieser Beitritt wurde durch ein Privileg ermöglicht, das Friedrich II. von König Wladislaw erhalten hatte; es sicherte ihm die freie Verfügbarkeit über seine Ländereien zu. Die Anspielung auf einen politischen Präzedenzfall im östlichen Mitteleuropa – die Gründung des Herzogtums Preußen unter polnischer Lehens-

34 Decius, Justus Lodovicus: Contenta: De vetustatibus Polonorum, liber I; De Jagiellonorum Familia, liber II; De Sigismundi Regis Temporibus, liber III, Cracoviae 1521. Vgl. ferner Jakimowicz: Przeszłość i teraźniejszość, 172; dies.: Temat historyczny, 52–55, Abb. 17–19. 35 Grünhagen, Colmar: Die Erbverbrüderung zwischen Hohenzollern und Piasten vom Jahre 1537. In: Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde 5 (1868) 337–366; Schönborn, Theodor: Die Liegnitzer Erbverbrüderung. In: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins zu Liegnitz 16 (1936–1938) 209–218; Jaeckel, Georg: Die Liegnitzer Erbverbrüderung von 1537 in der brandenburgisch-preußischen Politik bis zum Frieden zu Hubertusburg 1763, Lorch 1988 (Beiträge zur Liegnitzer Geschichte 18).

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hoheit, an der Friedrich II. einen nicht geringen Anteil hatte – ist hier nicht zu übersehen.36 Angesichts des hier zu untersuchenden ikonographischen Programms können wir feststellen, daß die politische Idee des jungen Fürsten Georg darauf beruhte, einen gewissermaßen unabhängigen Territorialstaat zu gründen, stark und mächtig dank der gerechten Regierung des Herrschers einerseits und dank der Frömmigkeit und ausdauernder Arbeit der Untergebenen andererseits. Die Verwirklichung des Ideals sah der Fürst, um an die Wappen an der Torhausbalustrade zu erinnern, im spätmittelalterlichen Burgund, das wie Schlesien an einem Knotenpunkt zweier großer Mächte lag. An das Burgund-Modell anknüpfend, konzentrierte sich Georg während seiner späteren Regierung auf den wirtschaftlichen Ausbau seiner Herrschaft und auf die Entwicklung der kirchlichen und weltlichen Verwaltung, des Schulwesens und der Kultur.37 Er griff immer wieder auf die ruhmreiche Vergangenheit des Piastengeschlechts zurück. Im Abschluß des Chors der Brieger Schloßkirche St. Hedwig, die in den Jahren 1567 bis 1586 in ein Mausoleum der Dynastie umgewandelt wurde, ließ er ein großes Gemälde mit dem Stammbaum der Piasten anbringen, der dem biblischen Jesse-Baum nachgebildet war (Abb. 21).38 An den Seitenwänden, über den prachtvollen Familiengrabmälern Georgs II. und Joachim Friedrichs, hingen zwei ähnliche Stammbäume: die des Hauses Habsburg und der Hohenzollern. Das Programm wurde in seiner Gesamtheit durch gemalte Wappen und Epitaphien der herausragendsten schlesischen Adelsgeschlechter vervollkommnet.39 Ausgerechnet an diesen Raum, der in gewissem Sinne zum Sanktuarium der schlesischen Fürsten und Stände wurde, knüpften an der Wende vom 36 Krämer, Christel: Beziehungen zwischen Albrecht von Brandenburg-Ansbach und Friedrich II. von Liegnitz. Ein Fürstenbriefwechsel 1514–1547, Darstellung und Quellen, Köln/Berlin 1977 (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz 8). 37 Schönborn, Heinrich: Geschichte der Stadt und des Fürstentums Brieg. Ein Ausschnitt aus der Geschichte Schlesiens, Brieg 1907, 129–162; Rudkowski, Tadeusz: Mecenat artystyczny Jerzego II księcia brzeskiego. In: Studniarkowa, Elżbieta (Hg.): Funkcja dzieła sztuki. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki Szczecin, listopad 1970, Warszawa 1972, 193–206. 38 Der Kupferstich im bekannten genealogischen Werk von Daniel Czepko wurde vermutlich nach dem Vorbild dieses Stammbaumes ausgeführt. Zepke [Czepko], Daniel: Gynaeceum Silesiacum Ligio-Bregense. Kurtze Historische Beschreibung und Außführung der Stamlinien von den Hochlöblichen Ahnen etlicher Fürstlichen Frewlin in Schlesien, die an Kayserliche/ Königliche/ Chur und Fürstliche/ Gräffliche/ Herrliche Stammen und Häuser außerhalb Landes verheuraht worden und im gegentheyl, etzlicher Kayserlicher, Königlicher, Chur unnd fürstlicher Gräfflicher Frewlein außerhalb Landes/ so ins Landt und Hertzogthumb Schlesien gebahret/ und etlichen Schlesischen Fürsten Beygelegt worden […], Sampt einem hierbey Außfürlichen Stammbaum von Piasto her/ biß uff ietzige Zeit, inn Kupffer gebracht, Leipzig 1626. 39 Die Ausstattung dieser Kapelle wurde im ausgehenden 18. Jahrhundert fast vollständig zerstört. Vgl. Lucae, Friedrich: Schlesiens curieuse Denckwuerdigkeiten oder vollkomene Chronica von Ober- und Nieder-Schlesien, Franckfurt am Main 1689, 1371f.; Chrzanowski, Ta-

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16. zum 17. Jahrhunderts zahlreiche Patronatskirchen des protestantischen Adels an. Mit derselben Absicht, welche die Inschrift an der Brüstung der Herrschaftsloge in der Dorfkirche in Queitsch bei Zobten verkündet: DEI GLORIAM, SUI MEMORIAM ET POSTERITATIS USUM, entstanden damals Hunderte von geschnitzten und gemalten Wappen, angebracht an Altären, Kanzeln, Taufsteinen, Emporen- und Logenbrüstungen, Epitaphien und Grabsteinen.40

III. Das an der Fassade des Torhauses am Brieger Schloß versinnbildlichte Bündnis der Liegnitz-Brieger Piasten mit den Hohenzollern fand wenig später eine Art Fortsetzung in Polen – vielleicht nicht in bezug auf den Stand, aber in Hinblick auf Geltung und Besitz. Eine solche Ähnlichkeit wies das Geschlecht der Górka aus Großpolen mit dem Wappen Łodzia auf, das den im polnischen Adel seltenen Grafentitel trug. Über die politischen und kirchlichen Karrieren Uriels (ca.1435–1498), des polnischen Reichskanzlers und Bischofs von Posen,41 Lukas’ II. (1482–1542), des Woiwoden von Posen und Bischofs von Kujawien,42 und Andrzejs I. (ca. 1500– 1551), des Kastellans von Posen und Oberlandeshauptmanns von Großpolen,43 erklommen die Górka bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts den Gipfel der gesellschaftlichen Machtelite. Mit Annahme des Luthertums wurden sie zu den Hauptförderern der Reformation in Großpolen. Dies führte zu einer raschen Annäherung zwischen den Górka, Albrecht von Preußen und Friedrich II. von Liegnitz. 1543 waren die beiden letzteren mehr als eine Woche Gast bei Andrzej I. Górka auf dessen Posener Stadtschloß, um über die Lage der Protestanten im Reich zu debattieren.44 Da der Gastgeber nicht endgültig mit der katholischen Kirche gebrochen hatte und in Domherrenkreisen das Gerücht von seiner Bekehrung zum Katholizismus – angeblich auf dem Sterbebett – im Umlauf war,45 gelang es den Söhnen, ihren Vater nach dessen Tod in der Familienkapelle am Posener Dom, dem Bestat-

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deusz: Rzeźba lat 1560–1650 na Śląsku Opolskim, Warszawa 1974, 38–49, 121; Zlat: Brzeg, 125–135; ders.: Zamek piastowski, 68–75. Harasimowicz, Jan: Treści i funkcje ideowe sztuki śląskiej reformacji 1520–1650, Wrocław 1986 (Acta Universitatis Wratislaviensis 819, Historia Sztuki 2), 142–151, 171–173. Garbacik, Józef: Art. Górka (z Górki) Uriel h. Łodzia (ok. 1435–1498). In: Polski Słownik Biograficzny 8 (1959/60) 421–423. Dworzaczek, Włodzimierz: Art. Górka Łukasz h. Łodzia (1482–1542). Ebd., 409–412. Ders.: Art. Górka Andrzej h. Łodzia (ok. 1500–1551). Ebd., 401–405. Wotschke, Theodor: Der Posener Fürstentag des Jahres 1543. In: Historische Monatsblätter für die Provinz Posen 15 (1914) 1–10; ders.: Herzog Albrecht und Graf Andreas Górka. In: Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen 4 (1924) 1–26. Ders.: Andreas Górka auf seinem Kranken- und Sterbebette. In: Historische Monatsblätter für die Provinz Posen 8 (1907) 145–152.

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Abb. 73. Die lutherisch gesinnten Söhne Andrzejs I. von Górka haben es nur mit Mühe geschafft, ihren Vater in der Familienkapelle am Posener Dom beizusetzen. Das prächtige Grabmal mit den liegenden Figuren Andrzejs I. von Górkas und seiner Ehefrau Barbara von Kurozwękis, im Jahr 1574 durch den italienischen Bildhauer Hieronymus Canavesi aus Krakau geschaffen, sollte zum Ruhmesdenkmal derer von Górka – der damals mächtigsten Grafenfamilie in Großpolen – werden. Deshalb befinden sich an diesem Grabmal zusätzlich die Figuren von zwei seiner berühmten Ahnen aus dem ausgehenden 15. und dem beginnenden 16. Jahrhundert: Uriel von Górka, Reichskanzler von Polen und Bischof von Posen sowie Lukas II. von Górka, Woiwode von Posen und Bischof von Kujawien.

tungsort einiger polnischer Könige,46 beisetzen zu lassen. Das prachtvolle Grabmal Andrzejs I. und seiner Gemahlin Barbara von Kurozwęki – das Werk des in Krakau tätigen italienischen Bildhauers Hieronymus Canavesi47 – wurde erst 1574 über 46 Im Chor des Domes stand von der zweiten Hälfte des 14. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts das gotische Freigrab König Boleslaws I., des Tapferen, eine Grabkapelle barg über längere Zeit die Leiche König Przemysławs II. Vgl. Gansiniec, Ryszard: Grobowiec Bolesława Chrobrego. In: Archeologia 3 (1949) 123–168; ders.: Nagrobek Bolesława Wielkiego. In: Przegląd Zachodni 7 (1951) 359–537; Karłowska-Kamzowa, Alicja: Znaczenie ideowe poznańskich fundacji Przemysława II. In: Poznań średniowieczny, Poznań 1977, 377–390; Kębłowski, Janusz: Pomnik króla Bolesława Chrobrego – nagrobek czy relikwiarz? In: Gadomski, Jerzy (Hg.): Symbolae historiae artium. Studia z historii sztuki Lechowi Kalinowskiemu dedykowane, Warszawa 1986, 257–265; Skibiński, Szczęsny: Nagrobek Bolesława Chrobrego w katedrze poznańskiej. In: Kronika Miasta Poznania 2 (1995) 165–176. 47 Linette, Eugeniusz/Kurzawa, Zofia (Hg.): Katalog Zabytków Sztuki w Polsce. Seria Nowa, Bd. 7/1: Miasto Poznań. Ostrów Tumski i Śródka z Komandorią, Warszawa 1983, 29, Abb.

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dessen Sohn Andrzej II., den Kastellan von Meseritz,48 in die Kapelle gebracht (Abb. 73). Andrzej II. Górka, der für seine Vorliebe für die Vergangenheit bekannt war, unterstützte einige Geschichtsschreiber, und so wundert es nicht, daß das elterliche Grabmal in ein Denkmal des Familienruhms umgewandelt wurde. Neben den liegenden Figuren Andrzejs I. und seiner Gemahlin befanden sich hier die stehenden Figuren zweier großer Vorfahren: Uriels und Lukas’ II., die das Bischofsamt innehatten, sowie kleine kniende Figuren sämtlicher Kinder. Weder Andrzej II. noch seine Brüder Lukas III. und Stanisław konnten später als engagierte Lutheraner in dem katholischen Dom beigesetzt werden. Sie fanden ihre letzte Ruhe in der lutherischen Grabkapelle in Kurnik bei Posen, die nach 1584 bei der dortigen Stiftskirche errichtet und ausgestattet wurde.49 Mit dem Tod des kinderlosen Posener Woiwoden Stanisław Górka im Jahr 1592 endete der einzige Versuch, eine regionale großpolnische Identität aus der ,nahen‘ Vergangenheit eines mächtigen, in der Heimat verdienten Adelsgeschlechts herzuleiten, nicht aber aus der ,fernen‘ Vergangenheit der im Posener Dom beigesetzten polnischen Herrscher, wie es noch im 13. und 14. Jahrhundert der Fall gewesen war.50 Spätere großpolnische Bildprogramme familiärer Art – im Großen Saal des Sułkowski-Schlosses in Reisen (um 1746, 1783 bis 1784) etwa oder im Hauptsaal des Lipski-Schlosses in Chocz (1790)51 – brachten die Ansprüche ihrer Stifter angemessener zum Ausdruck. Eine neue Wendung zur ,fernen‘ Vergangenheit erfolgte erst in der Zeit der Teilungen Polens und des Untergangs der Adelsrepublik, und zwar unter dem direkten Einfluß der Kunststiftungen König Stanislaw August Poniatowskis in Warschau (Rittersaal des Königlichen Schlosses, Palais Łazienki).52 In dem Moment, als Großpolen an Preußen zu fallen drohte, begannen sich die lokalen reformfreundlichen Eliten (u. a. Kazimierz Raczyński, Władysław Roch Gurowski, Michał Krzyżanowski) wieder auf die ,ferne‘, mittelalterliche Ver-

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438–443. Vgl. ferner Kozakiewiczowa, Helena: Rzeźba XVI wieku w Polsce, Warszawa 1984, 129f.; Jakimowicz: Temat historyczny, 123f.; dies.: Sztuka renesansu i manieryzmu w Poznaniu. In: Topolski, Jerzy (Hg.): Dzieje Poznania do roku 1793, Warszawa/Poznań 1988, 559– 598, hier 590f. Żelewski, Roman: Art. Górka Andrzej h. Łodzia (ok. 1534–1583). In: Polski Słownik Biograficzny 8 (1959/60) 405–407. Harasimowicz, Jan: Mauzoleum Górków w Kórniku. In: Biuletyn Historii Sztuki 47 (1986) 277–299. Karłowska-Kamzowa: Znaczenie ideowe; Ostrowska-Kębłowska, Zofia: Dzieje Kaplicy Królów Polskich czyli Złotej w katedrze poznańskiej, Poznań 1997 (Prace Komisji Historii Sztuki Poznańskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk 26), 13–25. Ostrowska-Kębłowska, Zofia: Architektura pałacowa drugiej połowy XVIII wieku w Wielkopolsce, Poznań 1969 (Prace Komisji Historii Sztuki Poznańskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk 8/2), 224–228. Kwiatkowski, Marek: Stanisław August Król-Architekt, Wrocław u. a. 1983, 176–183, 199– 204; Kwiatkowska, Maria: Malarstwo i rzeźba w latach 1765–1830. In: Karpowicz, Mariusz (Hg.): Sztuka Warszawy, Warszawa 1986, 232–290, hier 232–274.

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Abb. 74. Nach der Teilung Polens und dem Anschluß Großpolens an das Königreich Preußen wurden die Beziehungen der Bewohner des neugebildeten Großfürstentums Posen zu der ehemaligen polnischen Hauptstadt Krakau – der traditionellen Ruhestätte der polnischen Könige – lockerer. Man erinnerte sich aber bald daran, daß eben in Posen, in der Wiege des polnischen Staatswesens, die sterblichen Reste der ersten historischen Herrscher Polens, Mieszkos I. und Boleslaws I., des Tapferen, ruhten. In den Jahren 1833 bis 1840 wurde am Posener Dom auf Veranlassung Edward Raczyńskis und der Stände des Großfürstentums Posen die Kapelle der Polnischen Könige, Goldene Kapelle genannt, errichtet. An ihrem Bau waren die hervorragendsten deutschen Künstler der damaligen Zeit beteiligt: Karl Friedrich Schinkel und Christian Daniel Rauch. Die Goldene Kapelle wurde bald zu einem allgemein verehrten Heiligtum der vaterländischen Tradition, dem glorifizierenden Denkmal der Nation.

gangenheit ihrer Heimat als den Ausgangspunkt eines selbständigen polnischen Staatswesens zu besinnen.53 Die bis heute erhaltenen Stuckreliefs im Rundsaal des klassizistischen Palais in Pakosław bei Rawitsch zeigen, in welchem Maß der Widerwille gegenüber den preußischen Okkupanten zu einer spürbaren Idealisierung und Glorifizierung des alten Polen führte. Der Bau wurde nach 1791 für Michał Krzyżanowski, den letzten polnischen Kastellan von Meseritz, vermutlich nach dem Entwurf des schlesischen Architekten Carl Gotthard Langhans errichtet.54 Die historischen Stiche Franciszek Smuglewicz’ aus derselben Zeit nachbildend, stellen die Reliefs die berühmten Taten der ersten polnischen Herrscher dar: die Zerstörung der Götzenbilder durch Mieczyslaw I., der Sieg Mieczyslaws I. über Markgraf

53 Ostrowska-Kębłowska: Architektura pałacowa, 230–244, 284–290. 54 Ruszczyńska, Teresa/Sławska, Aniela (Hg.): Katalog Zabytków Sztuki w Polsce, Bd. 5/21: Województwo poznańskie, Powiat rawicki, Warszawa 1971, 20f., Abb. 27–29; OstrowskaKębłowska: Architektura pałacowa, 238–244, Abb. 190–196.

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Wichmann, das Einschlagen der Grenzpfähle an Saale und Elbe durch Boleslaw I., den Tapferen, sowie die Huldigung der Pommern an Mieczyslaw II. Eine ähnliche Aussage erhielt 40 Jahre später ein einmaliges Gesamtkunstwerk: die Kapelle der polnischen Könige („Goldene Kapelle“) des Posener Doms (Abb. 74).55 An ihrem von den Ständen des Großfürstentums Posen, mit Edward Raczyński an der Spitze, geförderten Bau (1833 bis 1840) beteiligten sich bekannte deutsche Künstler wie Karl Friedrich Schinkel und Christian Daniel Rauch. Über den Gräbern der ersten christlichen Herrscher Polens, Mieczyslaws I. und Boleslaws I., des Tapferen, errichtet, kam der Kapelle die Rolle eines Sanktuariums der vaterländischen Tradition, eines glorifizierenden Denkmals der Nation zu. „Der Ort, an dem die sterblichen Überreste Mieczysławs I. und Bolesławs ruhen“, schrieb 1841 der Bauherr Edward Raczyński, „sollte nicht nur ein Andenken ihres Ruhms und der Dankbarkeit der Nation, sondern auch zugleich ein geschichtliches Denkmal sein, welches bekundet, was Polen in Lechiens erstem Jahrhundert gewesen […]. Es sollte die Vergangenheit mit der Zukunft verbinden.“56

IV. Die angeführte Vergleichsanalyse der ständischen Bildprogramme der Frühen Neuzeit zeigt eine gewisse Diskrepanz, was die Haltung Schlesiens und Großpolens zur ,nahen‘ und zur ,fernen‘ Vergangenheit anbetrifft. Sie veranschaulicht zugleich die jeweils unterschiedlichen Mechanismen der ständischen und regionalen Identität in beiden Ländern. Der territorial mit Großpolen verbundene piastische „Gründungsmythos“ – hier befinden sich die Gräber der ersten historischen Herrscher der Dynastie – offenbarte sich noch im 14. Jahrhundert mit gleicher Stärke in beiden Ländern. Zwei Jahrhunderte später dagegen finden wir hier keine entsprechenden Belege mehr für sein Fortwirken. Im Gegenteil: Im Bildprogramm des Gewölbes in der großen Diele des Posener Rathauses machen die Fürsprecher des vom Adel politisch allmählich zurückgedrängten Bürgertums, das sich für ein starkes Königtum aussprach, aus ihrer Sympathie für die Jagiellonen-Dynastie keinen Hehl.57 Die Vertreter der mehr oder weniger auf ihre regionale Machtstellung bedachten Magnatenoligarchie mit der mächtigen Grafenfamilie der Górka an der 55 Linette/Kurzawa: Katalog Zabytków Sztuki, 31–34, Abb. 67–69, 237, 481f. Vgl. ferner Ostrowska-Kębłowska, Zofia: Złota Kaplica – pomnik narodu. In: Studniarkowa: Funkcja dzieła sztuki, 287–306; dies.: Die Goldene Kapelle im Dom zu Posen. In: Aachener Kunstblätter 47 (1976/77) 279–292; dies.: Dzieje Kaplicy Królów Polskich, 26–208. 56 Raczyński, Edward: Bericht über den Ausbau der Grab-Capelle Mieczysławs I. und Bolesławs des Tapferen zu Posen […], Posen 1845. Zit. nach Ostrowska-Kębłowska: Die Goldene Kapelle, 279. 57 Harasimowicz, Jan: Sztuka mieszczańska w Europie Środkowowschodniej. Stan i perspektywy badań. In: ders. (Hg.): Sztuka miast i mieszczaństwa XV–XVIII wieku w Europie Środkowowschodniej, Warszawa 1990, 15–55, hier 39f.

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Spitze verfügten über keine Möglichkeit, an die piastische Traditionslinie anzuknüpfen. Das Posener Grabmal der Górka, das auf der originellen, in Polen äußerst selten dargestellten Legende von den „großen Verdiensten“ der Familie in staatlichen und kirchlichen Ämtern fußt, vergegenwärtigt daher das in der sarmatischen Kultur populäre Derivat des Piastenmythos. Es handelt sich um die Idee von einem „Piasten“-Adel, der jederzeit bereit sei, die Verantwortung für die polnisch-litauische Adelsrepublik, die Rzeczpospolita, auf seine Schultern zu nehmen. Die machtpolitischen Ambitionen Andrzejs I. Górka und seiner Söhne, die in engem Kontakt mit den Reichsfürsten und anderen mächtigen Fürstendynastien in Europa standen, waren nicht so unrealistisch, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Schließlich ist einem anderen großpolnischen Magnaten, Stanislaw Leszczyński, später durchaus die Erhebung zur Königswürde gelungen. Die politischen Partner der Górka, die schlesischen Fürsten von Liegnitz und Brieg, waren direkte Nachkommen der ersten polnischen Herrscher. Die ,ferne‘ und die ,nahe‘ Vergangenheit zu einem Kontinuum piastischer Herrschaft in Schlesien geschickt verbindend, bildeten sie aus ihren polnischen Wurzeln ein Identitätsfundament der schlesischen Ständegesellschaft, die sich gleichsam als konfessionelle Opposition gegenüber den Habsburgern verstand. Die Schlösser in Brieg und Ohlau, das Mausoleum in Liegnitz, Medaillen, Stiche, literarische Werke, Musikstücke, Chroniken und Genealogien: Das alles trug Schritt für Schritt zum „unsterblichen Ruhm“ der schlesischen Piasten-Dynastie bei. Als diese 1675 im Mannesstamm erlosch, fehlte es nicht an Nachfolgern, die an deren Erbe interessiert waren: Das mächtige Geschlecht der mit den Piasten verwandten Schaffgotsch nahm für sich das Recht in Anspruch, das eigene Wappen mit demjenigen von Liegnitz-Brieg zu verbinden. Die Zisterzienseräbte aus Grüssau, welche die verpfändeten, ursprünglich den Piasten gehörenden Güter von Bolkenhain einlösten, ließen sich fortan als „Erbherren zu Bolkenhain“ bezeichnen (Abb. 17). Zum „neuen Piastus“ ernannten die dienstfertigen Panegyriker den preußischen König Friedrich II., den Großen, der sich in seinen Ansprüchen auf Schlesien auf die Erbverbrüderung von 1537 berief.58 Unter der Herrschaft der Nachfolger Fried58 Menzel, Josef Joachim: Die Piasten. Ein deutsches Fürstengeschlecht polnischer Herkunft. In: Schlesien 20 (1975) 129–138; Jaeckel, Georg: Die schlesischen Piasten (1138–1675). Ein Fürstenhaus zwischen West und Ost. In: Schlesien. Land zwischen West und Ost, Weinsberg 1985 (Beiträge zur Liegnitzer Geschichte 14), 13–50; Harasimowicz: The Role of Cistercian Monasteries, 58–62; Mazura, Silvia: Die preußische und österreichische Kriegspropaganda im Ersten und Zweiten Schlesischen Krieg, Berlin 1996 (Historische Forschungen 58), 72– 88, 205–214; Bahlcke, Joachim: Deutsche Kultur mit polnischen Traditionen. Die Piastenherzöge Schlesiens in der Frühen Neuzeit. In: Weber, Matthias (Hg.): Deutschlands Osten – Polens Westen. Vergleichende Studien zur gesellschaftlichen Landeskunde, Frankfurt a. M. u. a. 2001, 83–112; ders.: „Piasti, Polonorum regum nepotes.“ Tradition und Selbstverständnis der schlesischen Piasten in der Frühen Neuzeit. In: XVI Powszechny Zjazd Historyków Polskich Wrocław, 15–18 września 1999 roku. Pamiętnik, Bd. 1, Toruń 2000, 209–219.

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richs verlor die Piastenlegende viel von ihrem Glanz, auch wenn sie während des gesamten 19. und 20. Jahrhunderts, zumindest in Liegnitz und Brieg, lebendig geblieben ist.59 Das in den Bildquellen nachweisbare Wiederaufleben des Piastenmythos in Großpolen fällt erst in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, also in die Endzeit der selbständigen Adelsrepublik. Dazu trug zweifelsohne der beachtliche Zustrom junger Großpolen in die zwei schlesischen Wissenschaftszentren bei: an die in der ehemaligen Fürstenburg auf dem linken Oderufer errichtete jesuitische Alma Mater Leopoldina in Breslau60 und an die Liegnitzer Ritterakademie.61 Entscheidend waren allerdings die Einflüsse des reformatorischen Lagers auf den königlichen Hof in Warschau, wo die Idee einer Erneuerung der Adelsrepublik mit dem Programm bürgerlicher Erziehung verbunden wurde. Die auf Anregung der engsten Mitarbeiter König Stanislaw August Poniatowskis entstandenen Bilder vom lange vergangenen Ruhm des polnischen Kriegsheeres und von der Macht des polnischen Staates fielen in Großpolen und insbesondere in dessen westlichen und südlichen Grenzgebieten auf fruchtbaren Boden. Angesichts der wachsenden Gefahr der preußischen Übermacht wurden sie zu Elementen des späteren „Überlebensmythos“, der die polnischstämmige Bevölkerung Großpolens (zuerst Südpreußen, dann Großfürstentum Posen genannt) zum passiven Widerstand gegen die von Preußen geführte Enteignungs- und Germanisierungspolitik aufrief.62 Zum Hort des ganz bewußt für breitere Volksmassen geschaffenen großpolnischen „Überlebensmythos“ – diese sollten sich, ebenso wie der Adel, als „königlicher Piastenstamm“63 identifizieren – wurde die Goldene Kapelle am Posener Dom. Sie ermöglichte es der dortigen Bevölkerung, getrennt von den Hauptzen59 Denck-Schriften bey den historischen Gemählden in der Fürstl. Gruft zu Liegnitz. Zugleich in das Teutsche versetzet, Liegnitz o. J.; Die Fürstengruft in Liegnitz. In: Bunzlauische Monathschrift 10 (1783) 113–121, 146–150, 178–189; Die Fürstengruft zu Liegnitz. In: Tiede, Thomas Franz: Merkwürdigkeiten Schlesiens, Reichenbach 1804, 193–211, 258–274; Die Fürstengruft bei St. Johannis in Liegnitz. In: Silesia, Glogau 1841, 133–136; Pfeiffer, Fritz: Das Mausoleum der letzten Piasten zu Liegnitz. Monumentum piasteum. In: Bunte Bilder aus dem Schlesierlande, Bd. 2, Breslau 1903, 207–219; Hoffmann, Hermann: Die katholische Pfarrkirche zu Liegnitz und die Piastengruft, Liegnitz 1931 (Führer zu schlesischen Kirchen 2). 60 Rabe, Carsten: Alma Mater Leopoldina. Kolleg und Univerrsität der Jesuiten in Breslau 1638–1811, Köln/Weimar/Wien 1999 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte 7), 213–219. 61 Minkiewicz, Jan: Polacy w legnickiej Akademii Rycerskiej w latach 1708–1811. In: Szkice Legnickie 4 (1967) 117–132. 62 Warkoczewska, Magdalena: Romantycy i pozytywiści. W stulecie śmierci Karola Libelta 1807–1875 (Ausstellungskatalog), Poznań 1975; dies.: Malarstwo i grafika epoki romantyzmu w Wielkopolsce. Dzieje i funkcje, Warszawa/Poznań 1984 (Biblioteka Kroniki Wielkopolski). 63 So Maria Konopnicka, die beliebteste patriotische Dichterin des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Polen, in ihrem bekannten Lied „Rota“ (Die Eidesformel).

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tren der polnischen Kultur in Warschau (russisches Teilungsgebiet) und Krakau (österreichisches Teilungsgebiet), die eigenen Wurzeln zu finden. Erst jetzt, in einem Staatsgebilde, das nicht viel größer war als das Territorium des alten Stammes der Polanen (das heißt der Polen), fanden die Gräber derjenigen Beachtung, welche die Stammesgemeinschaft einst zu einem selbständigen Staatsorganismus gestaltet hatten. Das hochwertige „Gesamtkunstwerk“ wurde zum Katalysator der nun freilich nicht mehr ständischen, sondern bereits nationalen Identität.

Verzeichnis ausgewählter Schriften von Jan Harasimowicz (1979–2010) 1979 1. Typy i programy śląskich ołtarzy wieku reformacji [Typen und Programme schlesischer Altäre der Reformationszeit]. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 12 (1979) 7–27. 1980 2. Kasper Berger i rzeźba legnicka schyłku XVI wieku [Caspar Berger und die Liegnitzer Plastik des ausgehenden 16. Jahrhunderts]. In: Biuletyn Historii Sztuki 42 (1980) 107–132. 3. Rola sztuki w doktrynie i praktyce kultowej reformacji [Die Rolle der Kunst in Lehre und gottesdienstlicher Praxis der Reformation]. In: Euhemer. Przegląd Religioznawczy 24/4 (1980) 71–86. 1983 4. Protestanckie budownictwo kościelne wieku reformacji na Śląsku [Der protestantische Kirchenbau der Reformationszeit in Schlesien]. In: Kwartalnik Architektury i Urbanistyki 28 (1983) 341–374. 1984 5. Śląski luteranizm wieku reformacji – próba charakterystyki [Das schlesische Luthertum der Reformationszeit – Versuch einer Beschreibung]. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 39 (1984) 493–516. 1986 6. Treści i funkcje ideowe sztuki śląskiej reformacji 1520–1650 [Ideenprogramme und ideologische Funktionen der Kunst in der schlesischen Reformation 1520–1650], Wrocław 1986 (Acta Universitatis Wratislaviensis 819, Historia Sztuki 2), 233 Seiten. 7. Reformacja luterańska na Śląsku. Ideologia – liturgia – sztuka [Die lutherische Reformation in Schlesien. Lehre – Liturgie – Kunst]. In: Rocznik Lubuski 14 (1986) 9–38. 8. Funkcje katolickiego mecenatu artystycznego na Śląsku w dobie reformacji i ,odnowy trydenckiej‘ Kościoła [Die Funktionen des katholischen Kunstmäzenatentums in Schlesien zur Zeit der Reformation und der ,tridentinischen Erneuerung‘ der Kirche]. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 41 (1986) 561–581.

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9. Marcin Pohl – nieznany rzeźbiarz śląski z początku XVII wieku [Martin Pohl – ein unbekannter schlesischer Bildhauer zu Anfang des 17. Jahrhunderts]. In: Roczniki Sztuki Śląskiej 14 (1986) 85–95. 10. Mauzoleum Górków w Kórniku [Das Mausoleum der Familie von Górka in Kurnik bei Posen]. In: Biuletyn Historii Sztuki 48 (1986) 277–299. 1987 11. Sztuka księstw górnośląskich wobec konfliktów ideowych wieku reformacji [Die Kunst in den oberschlesischen Fürstentümern als Medium ideologischer Konflikte des Reformationszeitalters]. In: Chojecka, Ewa (Hg.): Śląskie dzieła mistrzów architektury i sztuki, Katowice 1987, 15–45. 1988 12. ,Wielkie umieranie sztuki‘ w krajach zwycięskiej reformacji [,Das große Sterben der Kunst‘ in den Ländern der siegreichen Reformation]. In: Kryzysy w sztuce. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki. Lublin, grudzień 1985, Warszawa 1988, 69–98. 13. Colloque international „L’art des villes et de la bourgeoisie en Europe centreorientale (XVe–XVIIIe s.)“. In: Acta Poloniae Historica 58 (1988) 231–236. 1989 14. Malarstwo około 1600 roku na Śląsku Cieszyńskim [Die Malerei im Fürstentum Teschen um 1600]. In: Chojecka, Ewa (Hg.): O sztuce Górnego Śląska i Zagłębia Dąbrowskiego XV–XX wieku, Katowice 1989, 23–46. 1990 15. Sztuka miast i mieszczaństwa XV–XVIII wieku w Europie Środkowowschodniej [Die städtische und bürgerliche Kunst in Ostmitteleuropa im 15. bis 18. Jahrhundert]. Hg. v. Jan Harasimowicz, Warszawa 1990, 478 Seiten. 16. Sztuka mieszczańska w Europie Środkowowschodniej. Stan i perspektywy badań [Die bürgerliche Kunst in Ostmitteleuropa. Stand und Perspektiven der Forschung]. Ebd., 15–55. 17. „Scriptura sui ipsius interpres“. Protestantische Bild-Wort-Sprache des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Harms, Wolfgang (Hg.): Text und Bild, Bild und Text. DFG-Symposion 1988, Stuttgart 1990 (Germanistische Symposien. Berichtsbände 11), 262–282, 314–318. 18. Schlesische Epitaphien und Grabmäler der Reformationszeit: Ihre Typen und architektonisch-plastische Struktur. In: Grossmann, Georg Ulrich (Hg.): Renaissance in Nord-Mitteleuropa. Teil 1, München/Berlin 1990 (Schriften des Weserrenaissance-Museums Schloß Brake 4), 189–224.

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19. ,Ars moriendi‘ i ,pompa funebris‘ na Śląsku w dobie reformacji [,Ars moriendi‘ und ,pompa funebris‘ im Schlesien der Reformationszeit]. In: Śląski Kwartalnik Historyczny Sobótka 45 (1990) 185–209 [siehe auch Nr. 32 unten]. 20. Der Einfluß von Glaubenskonflikten auf die schlesische Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Acta Poloniae Historica 61 (1990) 117–139. 21. Rola sztuki w religijnych i społecznych konfliktach wieku reformacji na Śląsku [Die Rolle der Kunst in den konfessionellen und sozialen Auseinandersetzungen der Reformationszeit in Schlesien]. In: Rocznik Historii Sztuki 18 (1990) 31–95. 22. Stosunki wyznaniowe na Ziemi Kłodzkiej w okresie reformacji i ich wpływ na sztukę kościelną regionu [Die konfessionellen Verhältnisse in der Grafschaft Glatz in der Reformationszeit und deren Einfluß auf die dortige Kirchenkunst]. In: Zeszyty Muzeum Ziemi Kłodzkiej 3 (1990) 14–36. 23. Die Kunst der Reformationszeit 1520–1650 (Forschungsvorhaben: Hauptaufgabe). Deutsche Plastik 1550–1660 (Forschungsvorhaben: Nebenaufgabe). In: AKK. Architektur-, Kunst- und Kulturgeschichte in Nord- und Westdeutschland 1/2 (1990) 21–26. 1991 24. Kultura artystyczna dawnej Legnicy [Kunst und Kultur im alten Liegnitz]. Hg. v. Jan Harasimowicz, Opole 1991, 128 Seiten. 25. Wkład Legnicy w kulturę artystyczną Śląska od średniowiecza do końca XIX wieku [Der Beitrag der Stadt Liegnitz zur Entwicklung der Kunst in Schlesien vom Mittelalter bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert]. Ebd., 9–26. 26. Chrzcielnica, ambona i ołtarz główny kościoła św. św. Piotra i Pawła [Taufstein, Kanzel und Hauptaltar in der Pfarrkirche St. Peter und Paul in Liegnitz]. Ebd., 55–62 [siehe auch Nr. 134 unten]. 27. Akademia Rycerska [Die Ritterakademie in Liegnitz]. Ebd., 74–82. 28. Związki artystyczne Wielkopolski i Śląska w zakresie rzeźby kamiennej w XVI i pierwszej połowie XVII wieku [Künstlerische Beziehungen zwischen Großpolen und Schlesien im Bereich der Steinplastik im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts]. In: Biuletyn Historii Sztuki 53 (1991) 201–225. 29. L’Art et les révolutions. XXVIIe congrès international d’histoire de l’Art, Strasbourg/Colmar, 1–7 września 1989 roku. In: Biuletyn Historii Sztuki 53 (1991) 319–328. 30. Lutherische Bildepitaphien als Ausdruck des ,Allgemeinen Priestertums der Gläubigen‘ am Beispiel Schlesiens. In: Tolkemitt, Brigitte/Wohlfeil, Rainer (Hg.): Historische Bildkunde. Probleme – Wege – Beispiele, Berlin 1991 (Zeitschrift für Historische Forschung, Beiheft 11), 135–164.

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1992 31. Mors janua vitae. Śląskie epitafia i nagrobki wieku reformacji [Mors janua vitae. Schlesische Epitaphien und Grabmäler der Reformationszeit], Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1098, Historia Sztuki 3), 255 Seiten. 32. Tod, Begräbnis und Grabmal im Schlesien des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Acta Poloniae Historica 65 (1992) 5–45. 33. „Contra calvinianorum idolomachiam“. Die Bilderstürme der Zweiten Reformation und die lutherische Kunst um 1600. In: L’Art et les révolutions. XXVIIe congrès international d’histoire de l’Art, Strasbourg, 1–7 septembre 1989. Actes, Section 4: Les iconoclasmes, Strasbourg 1992, 151–170. 34. Bernard Niuron – budowniczy fary oławskiej [Bernhard Niuron – Baumeister der Ohlauer Pfarrkirche]. In: Matwijowski, Krystyn (Hg.): Ludzie Oławy. Studia, szkice i materiały, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1282, Historia 91), 27–40. 35. Sztuka reformacji na Pomorzu Zachodnim i Środkowym Nadodrzu. Stan i perspektywy badań [Die Kunst der Reformation in Hinterpommern und in der Neumark. Stand und Perspektiven der Forschung]. In: Biuletyn Historii Sztuki 54/3 (1992) 1–12. 1993 36. Słowo widzialne. Luteranizm górnośląski w zwierciadle sztuki [Sichtbares Wort. Das Luthertum in Oberschlesien im Spiegel der Kunst]. In: Oblicza sztuki protestanckiej na Górnym Śląsku. Muzeum Śląskie [Die protestantische Kirchenkunst in Oberschlesien. Ausstellungskatalog Muzeum Śląskie], Katowice 1993, 12–22. 37. „Non minus sunt credenda, quam ipsi articuli“. La confession de foi apostolique dans la catéchèse et l’art d’église luthériens au siècle de la Réforme. In: Lacroix, Pierre/Renon, Andrée/Vergnolle, Eliane (Hg.): Pensée, image et communication en Europe médiévale. A propos des stalles de Saint-Claude, Besançon 1993, 237–246. 38. Das Kunstmäzenatentum der ostmitteleuropäischen Bürger in der frühen Neuzeit. In: Gaehtgens, Thomas W. (Hg.): Künstlerischer Austausch/Artistic Exchange. Akten des XXVIII. Internationalen Kongresses für Kunstgeschichte, Berlin, 15. bis 21. Juli 1992, Bd. 2, Berlin 1993, 221–232. 39. Ewangelicki rytuał pogrzebowy na Śląsku w XVI i XVII wieku. Der evangelische Begräbnisritus im Schlesien des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Szaraniec, Lech (Hg.): Ziemia Śląska, Bd. 3, Katowice 1993, 89–108. 40. „Doctrina Doctrinarum“. Katechetyczne i społeczno-obyczajowe treści Dziesięciu Przykazań z Pruszcza Gdańskiego [„Doctrina Doctrinarum“. Der katechetische, soziale und sittliche Gehalt des Zehn-Gebote-Zyklus aus Praust bei Danzig]. In: Porta Aurea. Rocznik Zakładu Historii Sztuki Uniwersytetu Gdańskiego 2 (1993) 55–99.

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1994 41. „Paläste der Heiligen Dreifaltigkeit, Werkstätten des Heiligen Geistes“. Die Kirchen der evangelischen Schlesier in der habsburgischen Zeit. In: Raschzok, Klaus/Sörries, Reiner (Hg.): Geschichte des protestantischen Kirchenbaues. Festschrift für Peter Poscharsky zum 60. Geburtstag, Erlangen 1994, 128–144. 42. Harasimowicz, Jan/Poszumska, Marta: Die Kirchendecke in der ehemaligen evangelischen Kirche zu Wierzbno (Werben) in Hinterpommern. Ebd., 267– 275. 43. Harasimowicz, Jan/Seidel, Agnieszka: Die Bildausstattung der ehemaligen evangelischen Kirche zu Klępsk (Klemzig) in der Mark Brandenburg. Ebd., 289–299. 44. Śląskie nagrobki i epitafia wieku reformacji jako ,teksty kultury‘ [Schlesische Grabmäler und Epitaphien der Reformationszeit als ,Texte der Kultur‘]. In: Biuletyn Historii Sztuki 56 (1994) 241–259. 45. Antoni Möller – malarz, moralista, obywatel [Anton Möller –Maler, Moralist, Bürger]. Ebd. 339–358 [siehe auch Nr. 59 unten]. 1995 46. Budownictwo kościelne śląskich protestantów w latach 1526–1740 [Der protestantische Kirchenbau in Schlesien in den Jahren 1526–1740]. In: Mazurski, Krzysztof R. (Hg.): Protestantyzm i sztuka protestancka Dolnego Śląska, Wrocław 1995, 52–63. 47. Kult świętej Jadwigi Śląskiej w okresie reformacji i odnowy trydenckiej Kościoła [Die Verehrung der Hl. Hedwig von Schlesien zur Zeit der Reformation und der tridentinischen Erneuerung der Kirche]. In: Kaczmarek, Michał/Wójcik, Marek J. (Hg.): Księga Jadwiżańska. Międzynarodowe Sympozjum Naukowe ,Święta Jadwiga w dziejach i kulturze Śląska‘, Wrocław-Trzebnica 21–23 września 1993 roku, Wrocław 1995 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1720), 387–405. 48. Bürgerliche und höfische Kunstrepräsentation in den Zentren Krakau und Danzig. In: Engel, Evamaria/Lambrecht, Karen/Nogossek, Hanna (Hg.): Metropolen im Wandel. Zentralität in Ostmitteleuropa an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, Berlin 1995 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 3), 93–107. 49. The Role of Cistercian Monasteries in the Shaping of the Cultural Identity of Silesia in Modern Times. In: Acta Poloniae Historica 72 (1995) 49–63 [siehe auch Nr. 58 unten]. 50. Les églises de la Renaissance en Pologne, Lithuanie et Ruthénie. In: Guillaume, Jean (Hg.): L’église dans l’architecture de la Renaissance, Paris 1995 (De Architectura 7), 195–212. 51. Motiv ,dvou cest‘ v projevech zboznosti a v umení raného novoveku [Das Motiv der ,zwei Wege‘ in der Frömmigkeit und bildender Kunst der Frühen Neu-

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zeit]. In: Bobková, Lenka/Neudertová, Michaela (Hg.): Cesty a cestování v životě společnosti. Ústí nad Labem, Ústí nad Labem 1995 (Acta Universitatis Purkynianae. Philosophia et Historica. Studia Historica 2), 107–120. 1996 52. Kunst als Glaubensbekenntnis. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte der Reformationszeit, Baden-Baden 1996 (Studien zur deutschen Kunstgeschichte 359), 212 Seiten. 53. Die heilige Hedwig von Schlesien aus evangelischer Sicht. In: Grunewald, Eckhard/Gussone, Nikolaus (Hg.): Das Bild der heiligen Hedwig in Mittelalter und Neuzeit, München 1996 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 7), 89–116. 54. Kościół św. Elżbiety we Wrocławiu – ,ewangelicka katedra‘ habsburskiego Śląska [Die Pfarrkirche zu St. Elisabeth in Breslau – ,evangelische Kathedrale‘ des habsburgischen Schlesien]. In: Zlat, Mieczysław (Hg.): Z dziejów wielkomiejskiej fary. Wrocławski kościół św. Elżbiety w świetle historii i zabytków sztuki, Wrocław 1996 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1826, Historia Sztuki 10), 289–312. 55. Sekularyzacja klasztorów w Nowej Marchii w XVI wieku [Die Aufhebung der Klöster in der Neumark im 16. Jahrhundert]. In: Derwich, Marek/PobógLenartowicz, Anna (Hg.): Klasztor w społeczeństwie średniowiecznym i nowożytnym. Materiały z międzynarodowej konferencji naukowej zorganizowanej w Turawie w dniach 8–11 V 1996 przez Instytut Historii Uniwersytetu Opolskiego i Instytut Historyczny Uniwersytetu Wrocławskiego, Opole/ Wrocław 1996 (Opera ad historiam monasticam spectantia. Series 1. Colloquia 2), 399–416. 56. Ewangelickie budowle kościelne w pejzażu kulturowym powojennej Polski [Die evangelischen Kirchenbauten in der polnischen Kulturlandschaft der Nachkriegszeit]. In: Tomaszewski, Andrzej (Hg.): Ochrona i konserwacja dóbr kultury w Polsce 1944–1989. Uwarunkowania polityczne i społeczne, Warszawa 1996, 115–131. 1997 57. Atlas architektury Wrocławia [Architekturdenkmäler der Stadt Breslau], Bd. 1: Budowle sakralne. Świeckie budowle publiczne [Sakralbauten. Öffentliche Profanbauten]. Hg. u. bearb. v. Jan Harasimowicz, Wrocław 1997, VIII + 284 Seiten. 58. Rola klasztorów cysterskich w kształtowaniu się tożsamości kulturowej Śląska w dobie nowożytnej [Die Bedeutung der Zisterzienserklöster für die Herausbildung der Kulturidentität Schlesiens in der Frühen Neuzeit]. In: Dziurla, Henryk/Bobowski, Kazimierz (Hg.): Krzeszów uświęcony Łaską, Wrocław 1997 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1782), 154–170.

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59. Der Danziger Maler Anton Möller als Bürger seiner Stadt und eifriger Moralist im Geiste der lutherischen Reformorthodoxie. In: Muller, Frank (Hg.): Art, religion, société dans l’espace germanique au XVIe siècle. Actes du Colloque organisé par la Faculté de Théologie protestante – GRENEP et le Groupe de recherche Musique et Société dans les pays germaniques à l’aube des temps modernes, Université des Sciences Humaines de Strasbourg, 21–22 mai 1993, Strasbourg 1997, 77–104. 60. Die Haupt- und Pfarrkirche zu St. Elisabeth in Breslau, ,evangelischer Zion‘ einer multinationalen Metropole. In: Donnert, Erich (Hg.): Europa in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Mühlpfordt, Bd. 1: Vormoderne, Weimar/Köln/Wien 1997, 603–612. 61. Evangelische Heilige? Die Heiligen in Lehre, Frömmigkeit und Kunst in der evangelischen Kirche Schlesiens. In: Köhler, Joachim/Keil, Gundolf (Hg.): Heilige und Heiligenverehrung in Schlesien. Verhandlungen des IX. Symposions in Würzburg vom 28. bis 30. Oktober 1991, Sigmaringen 1997 (Schlesische Forschungen 7), 171–216. 1998 62. Atlas architektury Wrocławia [Architekturdenkmäler der Stadt Breslau], Bd. 2: Budowle mieszkalne. Budowle inżynieryjne i przemysłowe. Parki, cmentarze, pomniki [Wohnbauten, Ingenieur- und Industriebauten, Parkanlagen, Friedhöfe, Denkmäler]. Hg. u. bearb. v. Jan Harasimowicz, Wrocław 1998, 364 Seiten. 63. Architektura Wrocławia w rysunku i grafice [Die Breslauer Architektur in Zeichnung und Graphik]. Ebd., 221–315. 64. Der Beitrag des hallischen Pietismus zur Kulturgeschichte Pommerns im 18. Jahrhundert. In: Wallmann, Johannes/Sträter, Udo (Hg.): Halle und Osteuropa. Zur europäischen Ausstrahlung des hallischen Pietismus, Tübingen 1998 (Hallesche Forschungen 1), 173–210. 65. Die Bildlichkeit des Pietismus: Das Motiv der ,zwei Wege‘. In: Poscharsky, Peter (Hg.): Die Bilder in den lutherischen Kirchen. Ikonographische Studien, München 1998, 195–209. 66. Die Glaubenskonflikte und die kirchliche Kunst der Konfessionalisierungszeit in Schlesien. In: Berichte und Beiträge des Geisteswissenschaftlichen Zentrums Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e. V. 1997. Öffentliche Vorträge, Leipzig 1998, 149–169. 67. „Was kann nun besser seyn dann fuer die Freyheit streiten und die Religion“. Konfessionalisierung und ständische Freiheitsbestrebungen im Spiegel der schlesischen Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Bußmann, Klaus/Schilling, Heinz (Hg.): 1648 Krieg und Frieden in Europa. 26. Europaratsausstellung in Münster und Osnabrück vom 24.10.1998 bis 17.1.1999, Textbd. 2: Kunst und Kultur, Münster 1998, 297–306.

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68. Obrazowy katechizm pastora Holsteina w kościele w Klępsku [Der Bilderkatechismus des Pfarrers Holstein in der Kirche zu Klemzig in der Neumark]. In: Kalinowski, Lech/Mossakowski, Stanisław/Ostrowska-Kębłowska, Zofia (Hg.): Nobile Claret Opus. Studia z dziejów sztuki dedykowane Mieczysławowi Zlatowi [Festschrift für Mieczysław Zlat], Wrocław 1998 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2016, Historia Sztuki 13), 318–328. 1999 69. Die Verehrung der ,biblischen Heiligen‘ in der evangelischen Kirche Schlesiens im 16. und 17. Jahrhundert. In: Derwich, Marek/Dmitriev, Michel (Hg.): Fonctions sociales et politiques du culte des saints dans les sociétés de rite grec et latin au Moyen Age et à l’époque moderne. Approche comparative, Wrocław 1999 (Opera ad historiam monasticam spectantia. Series 1. Colloquia 3), 247– 270. 2000 70. Encyklopedia Wrocławia [Enzyklopädie der Stadt Breslau]. Hg. v. Jan Harasimowicz, Wrocław 2000, 988 Seiten; 22001, 1000 Seiten; 32006, 1060 Seiten. 1. Auflage: 171, 2. Auflage: 173, 3. Auflage: 187 Personen- und Sachartikel. 71. Sztuka i dialog wyznań w XVI i XVII wieku. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki. Wrocław, listopad 1999 [Kunst und konfessioneller Dialog im 16. und 17. Jahrhundert. Beiträge zur Tagung des Polnischen Kunsthistorikerverbandes. Breslau, November 1999]. Hg. v. Jan Harasimowicz, Warszawa 2000, 436 Seiten. 72. Sztuka jako medium nowożytnych konfesjonalizacji [Die Kunst als Medium der Konfessionalisierung in der Frühen Neuzeit]. Ebd., 51–75. 73. Fundacje sakralne różnowierczej szlachty polskiej w XVI i XVII wieku [Die Kirchenstiftungen des polnischen Adels evangelischer Konfession im 16. und 17. Jahrhundert]. In: Opaliński, Edward/Wiślicz, Tomasz (Hg.): Fundacje i fundatorzy w średniowieczu i epoce nowożytnej, Warszawa 2000, 142–153. 74. Die schlesisch-polnischen Beziehungen im 16. und 17. Jahrhundert. Stand und Perspektiven der Forschung. In: Ruchniewicz, Krzysztof/Tyszkiewicz, Jakub/Wrzesiński, Wojciech (Hg.): Przełomy w historii. XVI Powszechny Zjazd Historyków Polskich. Wrocław 15–18 września 1999 roku. Pamiętnik, Bd. 1, Toruń 2000, 181–193. 75. Die Kunst der Reformationszeit als gemeinsames Kulturerbe an der mittleren Oder und unteren Warthe. In: Gabryjelska, Krystyna/Knefelkamp, Ulrich (Hg.): Brückenschläge. Kulturwissenschaften in Frankfurt (Oder) und Breslau. Vorträge der ersten gemeinsamen Ringvorlesung der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und der Universität Breslau, Berlin 2000, 31–45.

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2001 76. Jan Chrystian – książę niezłomny. Nowe spojrzenie na obraz Bartłomieja Strobla Młodszego w Museo del Prado w Madrycie [Johann Christian – ein unbeugsamer Fürst. Eine neue Deutung des Bildes von Bartholomäus Strobel dem Jüngeren im Museo del Prado in Madrid]. In: Arx Felicitatis. Księga ku czci profesora Andrzeja Rottermunda w sześćdziesiątą rocznicę urodzin od przyjaciół, kolegów i współpracowników [Festschrift für Andrzej Rottermund], Warszawa 2001, 217–223. 2002 77. Zur Ikonographie der Bautzener und Görlitzer Drucke im 16. und frühen 17. Jahrhundert. In: Bahlcke, Joachim/Dudeck, Volker (Hg.): Welt – Macht – Geist: Das Haus Habsburg und die Oberlausitz 1526–1635. Katalog anläßlich der Ausstellung in den Städtischen Museen Zittau, 4. Mai bis 3. November 2002, Görlitz/Zittau 2002, 163–176. 78. Strobel, Opitz, Gryphius und die „Europäische Allegorie“ im Museo del Prado in Madrid. In: Borgstedt, Thomas/Schmitz, Walter (Hg.): Martin Opitz (1597–1639). Nachahmungspoetik und Lebenswelt, Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit 63), 250–271. 79. Die Bedeutung der süddeutschen Reichsstädte für die bürgerliche Kultur der jagiellonischen Länder um 1500. In: Popp, Dietmar/Suckale, Robert (Hg.): Die Jagiellonen. Kunst und Kultur einer europäischen Dynastie an der Wende zur Neuzeit, Nürnberg 2002 (Wissenschaftliche Beibände zum Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 21), 403–410. 80. Die ,nahe‘ und ,ferne‘ Vergangenheit in den ständischen Bildprogrammen der Frühen Neuzeit. Schlesien und Großpolen im historischen Vergleich. In: Bahlcke, Joachim/Strohmeyer, Arno (Hg.): Die Konstruktion der Vergangenheit: Geschichtsdenken, Traditionsbildung und Selbstdarstellung im frühneuzeitlichen Ostmitteleuropa, Berlin 2002 (Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft 29), 221–244. 81. VERA IDOLATRIA EST IN CORDE. Z dziejów obrazowania pierwszego przykazania Bożego w sztuce nowożytnej [VERA IDOLATRIA EST IN CORDE. Zur Ikonographie des Ersten Gebotes in der Kunst der Frühen Neuzeit]. In: Mazurczak, Małgorzata Urszula/Putyra, Jowita (Hg.): Obraz i kult. Materiały z Konferencji ,Obraz i kult‘, KUL – Lublin, 6–8 października 1999, Lublin 2002, 187–206. 82. Walenty Orpiszewski z Koźmina – śląski duchowny czasów odnowy trydenckiej Kościoła [Valentin Orpiszewski aus Koschmin – ein schlesischer Geistlicher aus der Zeit der tridentinischen Erneuerung der Kirche]. In: Chojecka, Ewa u. a. (Hg.): Marmur Dziejowy. Studia z historii sztuki ofiarowane prof. Zofii Ostrowskiej-Kębłowskiej [Festschrift für Zofia Ostrowska-Kębłowska],

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Poznań 2002 (Prace Komisji Historii Sztuki Poznańskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk 32), 147–155. 83. Der evangelische Kirchenbau Schlesiens unter der habsburgischen Regierung. In: Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte 81(2002) 79–88. 84. Problem ,prawa natury‘ w malarstwie czasów wojny trzydziestoletniej [Das Problem des ,Naturrechts‘ in der Malerei während des Dreißigjährigen Krieges]. In: Kozieł, Andrzej/Lejman, Beata (Hg.): Willmann i inni. Malarstwo, rysunek i grafika na Śląsku i w krajach ościennych w XVII i XVIII wieku, Wrocław 2002, 114–122. 2003 85. Architektur und Kunst. In: Brecht, Martin u. a. (Hg.): Geschichte des Pietismus, Bd. 4: Glaubenswelt und Lebenswelten, Göttingen 2003, 456–485. 86. Nicolaus Goldmann Vratislaviensis Silesius – lejdejski matematyk i teoretyk architektury XVII wieku [Nicolaus Goldmann Vratislaviensis Silesius – ein Leidener Mathematiker und Architekturtheoretiker des 17. Jahrhunderts]. In: Kapustka, Mateusz/Kozieł, Andrzej/Oszczanowski, Piotr (Hg.): Niderlandyzm na Śląsku i w krajach ościennych, Wrocław 2003 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2508, Historia Sztuki 17), 101–112. 87. Die Kunstlandschaft Schlesien in der Frühen Neuzeit. In: Breysach, Barbara/ Rabe, Dorothea (Hg.): Europas Mitte. Mitteleuropa. Europäische Identität? Geschichte – Literatur – Positionen, Berlin 2003 (Wissenschaftliche Reihe des Collegium Polonicum 7), 12–20. 88. Nowe spojrzenie na obraz Bartłomieja Strobla Młodszego ,Daniel i król Cyrus przed posągiem Baala‘ w Muzeum Narodowym w Warszawie [Eine neue Deutung des Bildes „Daniel und König Cyrus vor dem Götzen Baal“ von Bartholomäus Strobel dem Jüngeren im Nationalmuseum in Warschau]. In: Friedrich, Jacek/Kizik, Edmund (Hg.): Studia z historii sztuki i kultury Gdańska i Europy Północnej. Prace poświęcone pamięci Doktor Katarzyny Cieślak [Denkschrift für Katarzyna Cieślak]. Materiały z sesji naukowej, Gdańsk 2000, Gdańsk 2003, 135–144. 89. Sztuka jako wyznanie wiary chrześcijańskich wspólnot Rzeczypospolitej [Die Kunst als Glaubensbekenntnis christlicher Gemeinschaften in der polnischen Adelsrepublik]. In: Wilk, Stanisław (Hg.): Chrześcijaństwo w dialogu kultur na ziemiach Rzeczypospolitej. Materiały Międzynarodowego Kongresu, Lublin, 24–26 września 2002 r., Lublin 2003, 471–503. 90. Art. Niemcy: Sztuka [Deutschland: Die Kunst]. In: Wojnowski, Jan (Hg.): Wielka Encyklopedia PWN, Bd. 18: Mohorovičicia nieciągłość – Niemcy, Warszawa 2003, 560–566.

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2004 91. Harasimowicz, Jan/Marsch, Angelika (Hg.): Friedrich Bernhard Werner (1690–1776). Życie i twórczość – Leben und Werk. Materiały z międzynarodowej konferencji naukowej zorganizowanej przez Muzeum Miedzi w Legnicy w dniach 21–23 listopada 2002 r. Protokollband der internationalen Fachtagung veranstaltet vom 21. bis 23. November 2002 im Kupfermuseum zu Liegnitz, Legnica 2004 (Źródła i Materiały do Dziejów Legnicy i Księstwa Legnickiego 3), 419 Seiten. 92. Friedrich Bernhard Werner w świetle dotychczasowych i przyszłych badań śląskoznawczych. Friedrich Bernhard Werner im Spiegel der bisherigen und zukünftigen Schlesienforschung. Ebd., 7–18. 93. Bildprogramme, Symbolik, konfessionelle Bedeutung. In: Fritz, Johann Michael: Das evangelische Abendmahlsgerät in Deutschland. Vom Mittelalter bis zum Ende des Alten Reiches, Leipzig 2004, 60–71. 94. Od przydrożnych kapliczek do pamiątkowych tablic – pomniki w pejzażu symbolicznym Wrocławia [Von Bildstöcken zu Gedenktafeln – die Denkmäler in der symbolischen Landschaft Breslaus]. In: Wrocław 2000 Plus. Studia nad strategią miasta, Wrocław 2004, 1/52, Teil 2, 175–186. 95. Evangelische Kirchenräume der frühen Neuzeit. In: Rau, Susanne/Schwerhoff, Gerd (Hg.): Zwischen Gotteshaus und Taverne. Öffentliche Räume in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2004 (Norm und Struktur. Studien zum sozialen Wandel in Mittelalter und Früher Neuzeit 21), 413– 445. 96. Protestantischer Kirchenbau im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Hartmann, Peter Claus/Reese, Annette (Hg.): Religion und Kultur im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. u. a. 2004 (Mainzer Studien zur Neueren Geschichte 12), 327–370. 97. Die ,örtliche Geschichtlichkeit‘ in der Kultur Breslaus vom Ende des 18. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts. In: Oexle, Otto Gerhard/Petneki, Áron/ Zygner, Leszek (Hg.): Bilder gedeuteter Geschichte. Das Mittelalter in der Kunst und Architektur der Moderne, Teilbd. 2, Göttingen 2004 (Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft 23), 337–381. 98. Ewangelicka architektura i sztuka kościelna na ziemiach polskich [Evangelischer Kirchenbau und evangelische Kirchenkunst in Polen]. In: Below, Jerzy/ Legendź, Magdalena (Hg.): Świadectwo wiary i życia. Kościół luterański w Polsce wczoraj i dziś, Bielsko-Biała 2004, 113–133. 99. Laudatio zur Ehrenpromotion von Angelika Marsch durch die Universität Hamburg. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 23 (2004) 577– 579.

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2005 100. Art. Wrocław/Breslau. In: Badstübner, Ernst u. a. (Hg.): Dehio-Handbuch der Kunstdenkmäler in Polen: Schlesien, München/Berlin 2005, 1032–1153 [siehe auch Nr. 113 unten]. 101. Il Rinascimento fuori dal ,limes romanus‘ [Die Renaissance jenseits des ,limes romanus‘]. In: Fantoni, Marcello (Hg.): Il Rinascimento italiano e l’Europa, Bd. 1: Storia e storiografia, Vicenza 2005, 415–438. 102. Kunstgeschichte. In: Bahlcke, Joachim (Hg.): Historische Schlesienforschung. Methoden, Themen und Perspektiven zwischen traditioneller Landesgeschichtsschreibung und moderner Kulturwissenschaft, Köln/Weimar/ Wien 2005 (Neue Forschungen zur Schlesischen Geschichte 11), 649–679. 103. Der Einfluß des Pietismus auf Architektur und bildende Künste. In: AlbrechtBirkner, Veronika (Hg.): Hoffnung besserer Zeiten. Philipp Jakob Spener (1635–1705) und die Geschichte des Pietismus. Jahresausstellung der Frankkeschen Stiftungen in Zusammenarbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum für Pietismusforschung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg vom 29. Mai bis 23. Oktober 2005, Halle a. d. S. 2005 (Kataloge der Frankkeschen Stiftungen 15), 141–162. 104. Altargerät des 16. und frühen 17. Jahrhunderts im konfessionellen Vergleich. In: Hoffmann, Carl A. u. a. (Hg.): Als Frieden möglich war. 450 Jahre Augsburger Religionsfrieden. Begleitbd. zur Ausstellung im Maximilianmuseum Augsburg, Regensburg 2005, 210–221. 105. Der Pietismus und der evangelische Kirchenbau der Frühen Neuzeit im kontinentalen Europa. In: Sträter, Udo u. a. (Hg.): Interdisziplinäre Pietismusforschung. Beiträge zum Ersten Internationalen Kongress für Pietismusforschung 2001, Bd. 1, Tübingen 2005 (Hallesche Forschungen 17), 83–105. 106. Eschatologiczny optymizm reformacji [Eschatologischer Optimismus der Reformation]. In: Pasek, Zbigniew (Hg.): Doskonałość – zbawienie – rodzina. Z badań nad protestantyzmem, Kraków 2005, 113–126. 107. Historia idei – historia prawa – historia sztuki. Polityczno-dynastyczne programy obrazowe doby nowożytnej jako ,teksty kultury‘ [Ideengeschichte – Rechtsgeschichte – Kunstgeschichte. Politisch-dynastische Bildprogramme der Frühen Neuzeit als ,Texte der Kultur‘]. In: Fabiański, Marcin (Hg.): Dzieło sztuki: źródło ikonograficzne czy coś więcej? Materiały sympozjum XVII Powszechnego Zjazdu Historyków w Krakowie, 15–18 września 2004, Warszawa 2005, 79–94. 108. Die Eigenart der Renaissance- und Barockkunst in Schlesien. In: Garber, Klaus (Hg.): Kulturgeschichte Schlesiens in der Frühen Neuzeit, Bd. 2, Tübingen 2005 (Frühe Neuzeit 111), 793–818. 109. Starania o założenie Uniwersytetu Jagiellońskiego we Wrocławiu u schyłku średniowiecza [Die Bemühungen um die Gründung einer Jagiellonischen

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Universität in Breslau am Ende des Mittelalters]. In: Przegląd Uniwersytecki. Pismo informacyjne Uniwersytetu Wrocławskiego 11/7 (2005) 14–16. 110. Uniwersytet Jagielloński omal we Wrocławiu [Eine Jagiellonische Universität fast in Breslau]. In: Uniwersytet Wrocławski. Pismo społeczności akademickiej Uniwersytetu Wrocławskiego 6/2 (2005) 16–18. 2006 111. Harasimowicz, Jan/Oszczanowski, Piotr/Wisłocki, Marcin (Hg.): Po obu stronach Bałtyku. Wzajemne relacje między Skandynawią a Europą Środkową. On the Opposite Sides of the Baltic Sea. Relations between Scandinavian and Central European Countries, Bd. 1–2, Wrocław 2006, 653 Seiten. 112. Trzy korony, trzy orły, trzy drogi do nieba. Tożsamość kulturowa ,młodszej Europy‘ w dobie nowożytnej [Drei Kronen, drei Adler, drei Wege in den Himmel. Die Kulturidentität des ,jüngeren Europa‘ in der Frühen Neuzeit]. Ebd., Bd. 1, 17–23 [siehe auch Nr. 125 unten]. 113. Art. Wrocław [Breslau]. In: Brzezicki, Sławomir/Nielsen, Christine (Hg.); Zabytki sztuki w Polsce: Śląsk, Warszawa 2006, 950–1056. 114. „Pro felici orthodoxe christiane religionis nostre incremento, pro gloria et exaltatione regni ac corone nostre boemie“. Der Gründungsversuch einer jagiellonischen Universität in Breslau im Jahr 1505. In: Bahlcke, Joachim/Lambrecht, Karen/Maner, Hans-Christian (Hg.): Konfessionelle Pluralität als Herausforderung. Koexistenz und Konflikt in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Winfried Eberhard zum 65. Geburtstag, Leipzig 2006, 85–94. 115. Deutschland und Polen in der Frühen Neuzeit: Durchdringung der Kulturen und Dialog der Konfessionen. In: Barock. Geschichte – Literatur – Kunst. Sondernummer: Deutsch-polnische Kulturkontakte im 16.–18. Jahrhundert, Warszawa 2006, 9–31. 116. Wkład Śląska w rozwój protestanckiej sztuki kościelnej [Der Beitrag Schlesiens zur Entwicklung der protestantischen Kirchenkunst]. In: Szczypka-Gwiazda, Barbara (Hg.): Rozum i rzetelność są wsparciem jedynym. Studia z historii sztuki ofiarowane Ewie Chojeckiej [Festschrift für Ewa Chojecka], Katowice 2006, 77–88. 117. Stan badań nad dziejami i kulturą protestantyzmu w Polsce [Forschungsstand zur Geschichte und Kultur des Protestantismus in Polen]. In: Puczek, Jan/ Puczek, Paweł (Hg.): Forum Inteligencji Ewangelickiej Wisła-Jawornik, 7–10 IX 2006. Zbiór referatów i głosów w dyskusji, Cieszyn 2006, 17–25. 2007 118. Na skrzyżowaniu europejskich dróg: Dolny Śląsk [An der Kreuzung europäischer Wege: Niederschlesien], Wrocław 2007 (A to Polska właśnie), 278 Seiten. 119. Harasimowicz, Jan/Lipińska, Aleksandra (Hg.): Dziedzictwo reformacji w księstwie legnicko-brzeskim. Das Erbe der Reformation in den Fürstentü-

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mern Liegnitz und Brieg. Materiały międzynarodowej konferencji naukowej zorganizowanej w dniach 8–10 grudnia 2005 r. w Muzeum Miedzi w Legnicy. Protokollband der internationalen Fachtagung veranstaltet vom 8. bis 10. Dezember 2005 im Kupfer-Museum zu Liegnitz, Legnica 2007 (Źródła i Materiały do Dziejów Legnicy i Księstwa Legnickiego 4), 422 Seiten. Kunst- und Kulturtransfer in Ostmitteleuropa. Das Beispiel Oberlausitz. In: Bahlcke, Joachim (Hg.): Die Oberlausitz im frühneuzeitlichen Mitteleuropa. Beziehungen – Strukturen – Prozesse, Leipzig/Stuttgart 2007 (Quellen und Forschungen zur sächsischen Geschichte 30), 365–386. Rywalizacja wyznań w architekturze i sztuce śląskiej czasów nowożytnych [Die Rivalität der Konfessionen in der schlesischen Architektur und Kunst der Frühen Neuzeit]. In: Quart 2/2 (2007) 16–25. Historia religii i Kościoła [Religions- und Kirchengeschichte]. In: Czapliński, Marek/Dębicki, Jacek/Przerwa, Tomasz (Hg.): Śląskoznawcze deficyty badawcze nauk historycznych, Wrocław 2007, 180–184. Die Oder als Achse des Kulturtransfers in Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. In: Schlögel, Karl/Halicka, Beata (Hg.): Oder – Odra. Blicke auf einen europäischen Strom, Frankfurt a. M. u. a. 2007, 149–159 [siehe auch Nr. 130 unten]. Buchdruck und bildende Kunst im östlichen Europa. In: Haberland, Detlef/ Katona, Tünde (Hg.): Buch- und Wissenstransfer in Ostmittel- und Südosteuropa in der Frühen Neuzeit. Beiträge der Tagung an der Universität Szeged vom 25. bis 28. April 2006, München 2007 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 34), 57–79. ,Andar‘ och ,döda murar‘. Trosfrågor med anknytning till kultursamband i Östersjöområdet mellan 1500– och 1700–talet. In: Barock. Historia–Litteratur–Konst, Specialnummer, Warszawa 2007, 85–99. Biblioteka Dawnego Wrocławia [Die Bibliothek des alten Breslau]. Hg. v. Jan Harasimowicz, Bd. 1–5, Wrocław 2007–2009.

2008 127. Das Bild von Wrocław/Breslau im Laufe der Geschichte. Tagungsband zum gleichnamigen Symposium im Österreichischen Staatsarchiv und im Wissenschaftlichen Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Wien, 18. bis 19. Juni 2008. Hg. v. Jan Harasimowicz, Wien 2008 (Symposien und Seminare am Wissenschaftlichen Zentrum der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Wien 6), 211 Seiten. 128. Unter dem Szepter der Jagiellonen und Habsburger. Das ,goldene‘ und ,silberne‘ Zeitalter der Hauptstadt Schlesiens (1490–1740). Ebd., 29–43. 129. Representation of the Court and Burghers in the Baroque Cities of the High Road: Kraków, Wrocław and Dresden in a Historical Comparison. In: Cohen, Gary B./Szabo, Franz A. J. (Hg.): Embodiments of Power: Building Ba-

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roque Cities in Europe, New York/Oxford 2008 (Austrian and Habsburg Studies 10), 97–119. Odra jako oś transferu kulturowego w średniowieczu i czasach nowożytnych [Die Oder als Achse des Kulturtransfers im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit]. In: Schlögel, Karl/Halicka, Beata (Hg.): Odra – Oder. Panorama europejskiej rzeki, Skórzyn 2008, 125–133. Die ehemalige evangelische Schloßkirche St. Hedwig in Brieg als Zeugnis ständischer Repräsentation der Reformationszeit in Schlesien. In: Wetter, Evelin (Hg.): Formierungen des konfessionellen Raumes in Ostmitteleuropa, Stuttgart 2008 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 33), 251–259. Die Altranstädter Konvention und die Kunstlandschaft Schlesiens. In: Wolf, Jürgen Rainer (Hg.): 1707 – 2007 Altranstädter Konvention. Ein Meilenstein religiöser Toleranz in Europa, Halle a. d. S. 2008 (Veröffentlichungen des Sächsischen Staatsarchivs A 10), 133–157. Sen i polityka w malarstwie i grafice czasów nowożytnych [Traum und Politik in der Malerei und Graphik der Frühen Neuzeit]. In: Quart 3/3 (2008) 3–19 [siehe auch Nr. 135 unten]. Taufstein, Kanzel und Hauptaltar in der Kirche St. Peter und Paul in Liegnitz. In: Silesia Nova, Vierteljahresschrift für Kultur und Geschichte 5/2 (2008) 57–67. Traum und Politik in der Malerei und Graphik des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Schmidt, Peer/Weber, Gregor (Hg.): Traum und res publica. Traumkulturen und Deutungen sozialer Wirklichkeiten im Europa von Renaissance und Barock, Berlin 2008 (Colloquia Augustana 26), 183–199. Dialog wyznań w architekturze i sztuce śląskiej 1648–1742 [Der Dialog der Konfessionen in der schlesischen Architektur und Kunst der Jahre 1648– 1742]. In: Dánova, Helena/Klipa, Jan/Stolárová, Lenka (Hg.): Slezsko – země Koruny české. Historie a kultura 1300–1740, Bd. B, Praha 2008, 497–516.

2009 137. Die früheste Verbildlichung des „Wahren Christentums“ von Johann Arndt. In: Sträter, Udo u. a. (Hg.): Alter Adam und Neue Kreatur. Pietismus und Anthropologie. Beiträge zum II. Internationalen Kongress für Pietismusforschung 2005, Bd. 2, Tübingen 2009 (Hallesche Forschungen 28), 663–683. 138. Le haut clergé de l’église en Pologne – Collectionneurs et mécènes dans la première moitié du XVIe siècle. In: Lemerle, Frédérique/Pauwels, Yves/ Toscano, Gennaro (Hg.): Les Cardinaux de la Renaissance et la modernité artistique, Villeneuve d’Ascq 2009, 245–261. 139. Bartholomäus Strobel the Younger and the Thirty Years War. In: Anderson, Jaynie (Hg.): Crossing Cultures: Conflict, Migration and Convergence. The Proceedings of the 32nd International Congress in the History of Art (Co-

Verzeichnis ausgewählter Schriften von Jan Harasimowicz

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mité International d’Histoire de l’Art, CIHA). The University of Melbourne, 13–18 January 2008, Carlton (Vict.) 2009, 643–648. 140. Leszno – Poznań – Warszawa. Protestanckie budownictwo kościelne w osiemnastowiecznej Polsce i jego europejskie parantele [Lissa – Posen – Warschau. Der protestantische Kirchenbau im Polen des 18. Jahrhunderts und seine europäischen Beziehungen]. In: Bernatowicz, Tadeusz u. a. (Hg.): Polska i Europa w dobie nowożytnej. L’Europe moderne: nouveau monde, nouvelle civilisation? Modern Europe – New World, New Civilisation? Prace naukowe dedykowane Profesorowi Juliuszowi A. Chrościckiemu [Festschrift für Juliusz A. Chrościcki], Warszawa 2009, 391–400. 141. ,Wysoką Drogą‘ w świat [Über die ,Hohe Straße‘ in die Welt]. In: Orłowski, Hubert (Hg.): Moje Niemcy – moi Niemcy. Odpominania polskie, Poznań 2009 (Studium Niemcoznawcze 85), 239–252. 142. Credo apostolskie w ewangelicko-luterańskiej katechetyce i sztuce kościelnej czasów nowożytnych [Das Apostolikum in der evangelisch-lutherischen Katechetik und Kirchenkunst der Frühen Neuzeit]. In: Knapiński, Ryszard/Kramiszewska, Aneta (Hg.): Credo in Deum w teologii i sztuce Kościołów chrześcijańskich, Lublin 2009 (Towarzystwo Naukowe Katolickiego Uniwersytetu Lubelskiego Jana Pawła II. Źródła i monografie 341), 151–176. 2010 143. Harasimowicz, Jan/Weber, Matthias (Hg.): Adel in Schlesien, Bd. 1: Herrschaft – Kultur – Selbstdarstellung, München 2010 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 36), 587 Seiten. 144. Die Repräsentation des Adels in der schlesischen Kunst des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Ebd., 35–52. 145. Die Bewahrung von mittelalterlichen Kirchenschätzen und Ausstattungen durch die evangelisch-lutherische Kirche in nachreformatorischer Zeit. In: Wendland, Ulrike (Hg.): … das Heilige sichtbar machen. Domschätze in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Regensburg 2010 (Arbeitsberichte des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt 9), 307–324. 146. Historia sztuki w dobie rewolucji informatycznej i globalizacji [Kunstgeschichte in der Zeit von Informatikrevolution und Globalisierung]. In: Quart 5/1 (2010) 30–42. 147. Studia z Historii Kultury Europy Środkowej [Beiträge zur Kulturgeschichte Mitteleuropas]. Hg. v. Jan Harasimowicz, Bd. 1, Wrocław 2010.

Verzeichnis und Nachweis der Abbildungen Einbandabbildung: „Gastmahl bei Herodes und die Enthauptung Johannes des Täufers“ (siehe unten Nr. 31). 1. „Abendmahl Christi“. Tafelbild an der Predella des mittelalterlichen Klappaltars in der Dorfkirche in Bankau, Kreis Kreuzburg, 1601. Heute Opole, Muzeum Diecezjalne. Photo: Instytut Sztuki PAN, Warszawa. 2. „Christus als Kinderfreund“. Relief am Becken des Taufsteins in der Pfarrkirche in Hohenfriedeberg, Kreis Jauer, 1606. Photo: Jan Harasimowicz, Wrocław. 3. „Prophet Habakuk, von einem Engel getragen“. Stütze der Steinkanzel in der Pfarrkirche St. Anna in Frankenstein, 1619. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 4. Neisse, Pfarrkirche St. Jakob. Steinaltar Bischof Martin von Gerstmann, 1584. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 5. Neisse, Pfarrkirche St. Jakob. Steinaltar Bischof Johannes VI. von Sitsch, 1612. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 6. „Allegorie der Totenmesse“. Mittleres Altarbild in der Totenkapelle bei der Pfarrkirche St. Jakob in Neisse, 1651. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 7. Schweidnitz, evangelische Friedenskirche zur Heiligen Dreifaltigkeit, 1656– 1658. Außenansicht. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 8. Schweidnitz, katholische Pfarrkirche St. Stanislaus und Wenzel. Hochaltar, 1690–1694. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 9. Hirschberg, evangelische Gnadenkirche zum Heiligen Kreuz, 1709–1718. Außenansicht. Photo: Herder-Institut, Marburg. 10. Hirschberg, evangelische Gnadenkirche zum Heiligen Kreuz. Innenausstattung und Gewölbemalereien, 1709–1718, 1734–1751. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 11. Das Heilige Grab in der Stiftskirche St. Aegidius in Breslau. Kupferstich von Thomas Jenewein, 1708. Photo: Biblioteka Uniwersytecka, Wrocław. 12. Wahlstatt, Landkreis Liegnitz, katholische Propsteikirche der Braunauer Benediktiner. Wand- und Gewölbemalereien, 1733. Photo: Stanisław Szupieńko, Legnica. 13. Schweidnitz, evangelische Friedenskirche zur Heiligen Dreifaltigkeit. Hochaltar, 1752. Photo: Paweł Migasiewicz, Warszawa. 14. „Weltschöpfung“. Ölbild von Michael Leopold Willmann aus der Abteikirche der Zisterzienser in Leubus, 1668. Warszawa, Muzeum Narodowe. Photo: Muzeum Narodowe, Warszawa.

Verzeichnis und Nachweis der Abbildungen

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15. „Mystische Vermählung Christi mit Maria“. Detail des Scheinkuppel-Freskos in der Vierung der Abteikirche der Zisterzienser in Grüssau, 1733–1735. Photo: Martin Mádl, Praha. 16. „Braut Seele und Bräutigam Christus“. Detail des Bildes an der Brüstung einer Empore in der evangelischen Zufluchtskirche in Hochkirch, Landkreis Liegnitz, 1698. Photo: Stanisław Szupieńko, Legnica. 17. „Allegorie der Macht des Klosters Grüssau“. Detail des Freskos in der südlichen Kuppel des Piastenmausoleums bei der Abteikirche der Zisterzienser in Grüssau, 1727–1738. Photo: Stanisław Szupieńko, Legnica. 18. Brieg, Schloßkirche St. Hedwig. Der Evangelist Johannes von dem ursprünglichen Steinaltar, 1569–1573. Photo: Instytut Sztuki PAN, Warszawa. 19. Brieg, Schloßkirche St. Hedwig. Der Evangelist Markus von dem ursprünglichen Steinaltar, 1569–1573. Photo: Instytut Sztuki PAN, Warszawa. 20. Löwen, Kreis Brieg, evangelische Pfarrkirche. Steinaltar, um 1575. Photo: Instytut Sztuki PAN, Warszawa. 21. Stammbaum der Liegnitz-Brieger Piasten. Kupferstich von Caspar Pfister in Daniel Czepkos „Gynaeceum Silesiacum Ligio Bregense“, Leipzig 1626. Photo: Biblioteka Uniwersytecka, Wrocław. 22. Breslau, Pfarrkirche St. Elisabeth. Zeichnung von Johann Stridbeck dem Jüngeren, 1691. Berlin, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung. Photo: Staatsbibliothek PK, Berlin. 23. Bildnis von Caspar Neumann, Kirchen- und Schulinspektor der Stadt Breslau. Kupferstich, Anfang 18. Jahrhundert. Photo: Biblioteka Uniwersytecka, Wrocław. 24. „Die Botschaft der Heiligen“. Holzschnitt aus dem evangelischen Gebetbüchlein von Franciscus Vierling, Breslau 1581. Photo: Biblioteka Uniwersytecka, Wrocław. 25. Der Evangelist Markus. Relief an der Predella des Schnitzaltars aus der Dorfkirche in Langhellwigsdorf, Kreis Jauer, 1622. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 26. Der auferstandene Christus und Maria Magdalena. Detail vom Steinepitaph des Balthasar Hartranft in der Pfarrkirche St. Martin in Jauer, nach 1586. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 27. Der Riese Christophorus als Kanzelträger in der Schloß- und Pfarrkirche St. Johannes in Oels, 1605. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 28. Das herzogliche Schloß in Liegnitz in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Kolorierte Federzeichnung von Friedrich Bernhard Werner, vor 1755. Wrocław, Biblioteka Uniwersytecka, Oddział Rękopisów. Photo: Biblioteka Uniwersytecka, Wrocław. 29. Die Hl. Hedwig von Schlesien. Holzschnitt aus der 1631 in Breslau neuaufgelegten „Legenda maior“. Photo: Biblioteka Uniwersytecka, Wrocław.

392

Anhang

30. „Gastmahl bei Herodes und die Enthauptung Johannes des Täufers“, Ölbild von Bartholomäus Strobel dem Jüngeren, 1640–1642. Madrid, Museo del Prado. Photo: Museo del Prado, Madrid. 31. „Gastmahl bei Herodes und die Enthauptung Johannes des Täufers“. Mittlerer Teil des Ölbildes von Bartholomäus Strobel dem Jüngeren, 1640–1642. Madrid, Museo del Prado. Photo: Museo del Prado, Madrid. 32. „Sybille Margaretha Gräfin von Dönhoff überreicht Gott den Fürstenhut“. Kupferstich von Jeremias Falck nach der Zeichnung von Adolf Boy, 1658. Photo: Biblioteka Gdańska PAN, Gdańsk. 33. Titelblatt des „Manuale de Praeparatione ad Mortem“ Martin Mollers, 3. Auflage, Görlitz 1605. Photo: Biblioteka Uniwersytecka, Wrocław. 34. Titelblatt der „Schola Mortis“ Johann Heermanns, 1. Auflage, Leipzig 1628. Photo: Biblioteka Uniwersytecka, Wrocław. 35. Breslau, Pfarrkirche St. Elisabeth, Detail des Tumbengrabmals von Heinrich Rybisch, 1534–1539. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 36. Greiffenberg in Schlesien, Pfarrkirche St. Hedwig, Wandgrabmal der Familie von Schaffgotsch, 1585–1589. Photo: Stefan Arczyński, Wrocław. 37. Leichnam der Herzogin Elisabeth Magdalena von Münsterberg-Oels im Trauergemach des Oelser Schlosses. Ölbild, 1630. Wrocław, Muzeum Narodowe. Photo: Edmund Witecki, Wrocław. 38. Prunksarg Herzog Georgs III. von Brieg und Liegnitz aus der ehemaligen Schloßkirche St. Hedwig in Brieg. Brzeg, Muzeum Piastów Śląskich. Photo: Roman Borkowski, Brzeg. 39. Castrum doloris Herzog Georg Wilhelms von Brieg, Liegnitz und Wohlau in der Schloßkirche St. Hedwig in Brieg. Kupferstich von David Tscherning, 1676–1678. Photo: Roman Borkowski, Brzeg. 40. Der Sarg der Marianna von Poppschütz mit einer emblematisch-heraldischen Verzierung. Kupferstich von Caspar Pfister in Andreas Gryphius’ „Letztes Ehren-Gedächtnüß“, Steinau 1660. Photo: Biblioteka Uniwersytecka, Wrocław. 41. „Gesetz und Gnade“. Bild vom Epitaph des Johannes Hess in der Pfarrkirche St. Maria Magdalena in Breslau, 1547–1549. Wrocław, Muzeum Narodowe. Photo: Edmund Witecki, Wrocław. 42. „Jüngstes Gericht ohne Verdammte“. Bild vom Epitaph des Pfarrers Lucas Pollio des Älteren in der Pfarrkirche St. Maria Magdalena in Breslau, nach 1583. Wrocław, Muzeum Narodowe. Photo: Edmund Witecki, Wrocław. 43. Bildnis von Simon Grunaeus, Pfarrer und Superintendent in Liegnitz, 1625. Photo: Biblioteka Uniwersytecka, Wrocław. 44. Rothsürben, Landkreis Breslau, Pfarrkirche zur Heiligen Dreifaltigkeit, 1567– 1604 evangelisch umgebaut. Außenansicht vor 1945. Photo: Herder-Institut, Marburg.

Verzeichnis und Nachweis der Abbildungen

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45. Alt Kemnitz, Landkreis Hirschberg, Pfarrkirche zur Enthauptung Johannes des Täufers, 1622–1626 evangelisch umgebaut. Außenansicht. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 46. Landeshut, Pfarrkirche St. Peter und Paul. Langhaus, Ende des 16. Jahrhunderts evangelisch neugebaut. Innenansicht. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 47. Reichenbach, Pfarrkirche St. Georg. Hochaltar aus evangelischer Zeit, 1615. Photo: Mirosław Ratajczak, Wrocław. 48. Breslau, Pfarrkirche St. Maria Magdalena. Steinkanzel, 1579–1583. Zustand vor 1945. ArchivPhoto im Besitz des Verfassers. 49. Langhellwigsdorf, Kreis Jauer, Dorfkirche. Tauftisch aus evangelischer Zeit, 1622. Wrocław, Muzeum Narodowe. Photo: Edmund Witecki, Wrocław. 50. Greiffenberg in Schlesien, Pfarrkirche St. Hedwig. Sgraffito-Verzierung an im Gewölbe des Kirchenschiffes, 1551. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 51. Jauer, evangelische Friedenskirche zum Heiligen Geist, 1654/55. Innenansicht. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 52. Teschen, evangelische Gnadenkirche (Jesuskirche), 1714–1751. Innenansicht. Photo: Instytut Sztuki PAN, Warszawa. 53. Ohlau, Pfarrkirche St. Blasius und Speratus. Langhaus, 1587–1589 neugebaut. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 54. Ohlau, Pfarrkirche St. Blasius und Speratus. Epitaph des Prinzen Georg Ernst von Liegnitz-Brieg, nach 1589. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 55. Groß Tschirnau, Pfarrkirche St. Lorenz. Epitaph des Balthasar von Stosch des Älteren, nach 1561. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 56. Liegnitz, Pfarrkirche St. Peter und Paul. Steinkanzel, 1586–1588. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 57. Liegnitz, Pfarrkirche St. Peter und Paul. Relief „Wasserpredigt Christi“ an der Rückwand der Steinkanzel, 1586–1588. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 58. Seifersdorf, Landkreis Liegnitz, Dorfkirche. Epitaph des Hans von Schweinitz, 1589–1595. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 59. Beuthen an der Oder, Pfarrkirche St. Hieronymus. Grabmal von Georg und Anna von Braun, 1591–1594. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 60. Schosnitz, Landkreis Breslau, Dorfkirche. Epitaph von Heinrich und Hedwig von Schindel, 1586. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 61. Lobris, Kreis Jauer, Dorfkirche. Grabmal von Hans und Anna von Bock, nach 1581. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 62. Nicolaus Goldmann, „Tractatus De Stylometris“, Lugduni Batavorum 1662. Blatt mit den Säulenordnungen. Photo: Biblioteka Uniwersytecka, Wrocław. 63. Nicolaus Goldmann/Leonhard Christoph Sturm: „Vollständige Anweisung zu der Civil-Bau-Kunst“, Braunschweig 1699. Frontispiz. Photo: Biblioteka Uniwersytecka, Wrocław.

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Anhang

64. Bildnis von Johannes Acoluthus, Kirchen- und Schulinspektor der Stadt Breslau. Kupferstich, Ende 17. Jahrhundert. Photo: Biblioteka Uniwersytecka, Wrocław. 65. Trebnitz, Zisterzienserinnenkirche St. Bartholomäus und Hedwig. Grabmal der Hl. Hedwig von Schlesien, 1679/80. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 66. Breslau-Oltaschin, Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Bild vom Epitaph des Pfarrers Valentinus Orpiszewski, 1589. Zustand vor 1945. Photo: Instytut Sztuki PAN, Warszawa. 67. Zobten-Gorkau, ehemalige Propsteikirche der Augustiner-Chorherren. Epitaph des Propstes Valentinus Aeschius, 1588. Photo: Stefan Arczyński, Wrocław. 68. „Allegorie des Schicksals der freien Künste in der Zeit des Krieges“. Federzeichnung von Bartholomäus Strobel dem Jüngeren in dem Stammbuch von Heinrich Böhme, 1636. Kórnik, Biblioteka Kórnicka PAN. Photo: Mirosław Łanowiecki, Wrocław. 69. „Et in Arcadia ego“. Ölbild von Nicolas Poussin, 1638–1640. Paris, Musée du Louvre. Archivphoto im Besitz des Verfassers. 70. Liegnitz, Jesuitenkirche St. Johannes. Piastengruft, 1677–1679. Innenansicht mit Wand- und Gewölbemalereien. Photo: Stefan Arczyński, Wrocław. 71. Liegnitz, Jesuitenkirche St. Johannes. Piastengruft, 1677–1679. Statue des Herzogs Georg Wilhelm von Brieg, Liegnitz und Wohlau. Photo: Stefan Arczyński, Wrocław. 72. Brieg, Piastenschloß. Das Torhaus mit den Statuen Georgs II. und Barbara von Brandenburgs, 1551–1553. Photo: Stefan Arczyński, Wrocław. 73. Posen, Dom. Das Grabmal Andrzejs von Górka und der Barbara von Kurozwęki in der Familienkapelle derer von Górka, 1574. Photo: Grzegorz Solecki, Szczecin. 74. Posen, Dom. Die Statuen Mieszkos I. und Boleslaws I., des Tapferen, in der Goldenen Kapelle, 1833–1840. ArchivPhoto im Besitz des Verfassers.

Verzeichnis der Erstdrucke

Katholisch – evangelisch – schlesisch. Zur ,schlesischen Einmaligkeit‘ 1. Die Glaubenskonflikte und die kirchliche Kunst der Konfessionalisierungszeit in Schlesien. In: Berichte und Beiträge des Geisteswissenschaftlichen Zentrums für Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e. V. 1997. Öffentliche Vorträge, Leipzig 1998, 149–169. 2. Die Altranstädter Konvention und die Kunstlandschaft Schlesiens um 1700. In: Wolf, Jürgen Rainer (Hg.): 1707 – 2007 Altranstädter Konvention. Ein Meilenstein religiöser Toleranz in Europa, Halle a. d. S. 2008 (Veröffentlichungen des Sächsischen Staatsarchivs A 10), 133–157. 3. Die Rolle der Zisterzienserklöster in der Bildung der Kulturidentität Schlesiens in der Frühen Neuzeit [Ursprünglicher Titel: The Role of Cistercian Monasteries in the Shaping of the Cultural Identity of Silesia in Modern Times]. In: Acta Poloniae Historica 72 (1995) 49–63. 4. Die ehemalige evangelische Schloßkirche St. Hedwig in Brieg als Zeugnis ständischer Repräsentation der Reformationszeit in Schlesien. In: Wetter, Evelin (Hg.): Formierungen des konfessionellen Raumes in Ostmitteleuropa, Stuttgart 2008 (Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa 33), 251–259. 5. Die Haupt- und Pfarrkirche zu St. Elisabeth in Breslau, ,evangelischer Zion‘ einer multinationalen Metropole. In: Donnert, Erich (Hg.): Europa in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Mühlpfordt, Bd. 1: Vormoderne, Weimar/Köln/Wien 1997, 603–612.

,Blutige‘ und ,unblutige‘ Märtyrer. Zur Heiligen- und Heldenverehrung 6. Evangelische Heilige? Die Heiligen in Lehre, Frömmigkeit und Kunst in der evangelischen Kirche Schlesiens. In: Köhler, Joachim/Keil, Gundolf (Hg.): Heilige und Heiligenverehrung in Schlesien. Verhandlungen des IX. Symposions in Würzburg vom 28. bis 30. Oktober 1991, Sigmaringen 1997 (Schlesische Forschungen 7), 171–216. 7. Die heilige Hedwig von Schlesien aus evangelischer Sicht. In: Grunewald, Eckhard/Gussone, Nikolaus (Hg.): Das Bild der heiligen Hedwig in Mittelalter und Neuzeit, München 1996 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 7), 89–116.

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Anhang

8. Johann Christian – ein unbeugsamer Fürst. Die „Europäische Allegorie“ von Bartholomäus Strobel dem Jüngeren im Museo del Prado in Madrid [Ursprünglicher Titel: Strobel, Opitz, Gryphius und die „Europäische Allegorie“ im Museo del Prado in Madrid]. In: Borgstedt, Thomas/Schmitz, Walter (Hg.): Martin Opitz (1597–1639). Nachahmungspoetik und Lebenswelt, Tübingen 2002 (Frühe Neuzeit 63), 250–271.

„Der sanfte Tod“. Zur ars moriendi und pompa funebris 9. Tod, Begräbnis und Grabmal im Schlesien des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Acta Poloniae Historica 65 (1992) 5–45. 10. Der evangelische Begräbnisritus der Frühen Neuzeit in Schlesien. In: Szaraniec, Lech (Hg.): Ziemia Śląska, Bd. 3, Katowice 1993, 89–108. 11. Schlesische Epitaphien und Grabmäler der Reformationszeit als ,Texte der Kultur‘ [Ursprünglicher Titel: Śląskie nagrobki i epitafia wieku reformacji jako ,teksty kultury‘]. In: Biuletyn Historii Sztuki 56 (1994) 241–259.

„Gott zu Ehren, uns allen zum ewigen Gedächtnis“. Zur Architektur und Kunst 12. „Paläste der Heiligen Dreifaltigkeit, Werkstätten des Heiligen Geistes“. Die Kirchen der evangelischen Schlesier in der habsburgischen Zeit. In: Raschzok, Klaus/Sörries, Reiner (Hg.): Geschichte des protestantischen Kirchenbaues. Festschrift für Peter Poscharsky zum 60. Geburtstag, Erlangen 1994, 128–144. 13. Bernhard Niuron – ein Brieger Baumeister der Renaissance [Ursprünglicher Titel: Bernard Niuron – budowniczy fary oławskiej]. In: Matwijowski, Krystyn (Hg.): Ludzie Oławy. Studia, szkice i materiały, Wrocław 1992 (Acta Universitatis Wratislaviensis 1282, Historia 91), 27–40. 14. Caspar Berger – ein Liegnitzer Bildhauer des Manierismus [Ursprünglicher Titel: Kasper Berger i rzeźba legnicka schyłku XVI wieku]. In: Biuletyn Historii Sztuki 42 (1980) 107–132. 15. Nicolaus Goldmann Vratislaviensis Silesius – ein Leidener Mathematiker und Architekturtheoretiker des 17. Jahrhunderts [Ursprünglicher Titel: Nicolaus Goldmann Vratislaviensis Silesius – lejdejski matematyk i teoretyk architektury XVII wieku]. In: Kapustka, Mateusz/Kozieł, Andrzej/Oszczanowski, Piotr (Hg.): Niderlandyzm na Śląsku i w krajach ościennych, Wrocław 2003 (Acta Universitatis Wratislaviensis 2508, Historia Sztuki 17), 101–112.

Verzeichnis der Erstdrucke

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Zusammenarbeit und Rivalität. Zur schlesisch-polnischen Nachbarschaft 16. Die schlesisch-polnischen Beziehungen im 16. und 17. Jahrhundert. Stand und Perspektiven der Forschung. In: Przełomy w historii. Pamiętnik XVI Powszechnego Zjazdu Historyków Polskich, Wrocław 15–18 września 1999 roku, Bd. 1, Toruń 2000, 181–193. 17. Valentinus Orpiszewski von Koschmin – ein schlesischer Priester aus der Zeit der tridentinischen Erneuerung der katholischen Kirche [Ursprünglicher Titel: Walenty Orpiszewski z Koźmina – śląski duchowny czasów odnowy trydenckiej Kościoła]. In: Chojecka, Ewa u. a. (Hg.): Marmur Dziejowy. Studia z historii sztuki ofiarowane prof. Zofii Ostrowskiej-Kębłowskiej, Poznań 2002 (Prace Komisji Historii Sztuki Poznańskiego Towarzystwa Przyjaciół Nauk 32), 147–155. 18. „Etsi daremus non esse Deum“. Irenische und pazifistische Ideen unter den Exil-Schlesiern in Danzig während des Dreißigjährigen Krieges [Ursprünglicher Titel: Bartholomäus Strobel the Younger and the Thirty Years War]. In: Anderson, Jaynie (Hg.): Crossing Cultures: Conflict, Migration and Convergence. The Proceedings of the 32nd International Congress in the History of Art (Comité International d’Histoire de l’Art, CIHA). The University of Melbourne, 13 to 18 January 2008, Carlton (Vict.) 2009, 643–648. 19. Die ,nahe‘ und ,ferne‘ Vergangenheit in den ständischen Bildprogrammen der Frühen Neuzeit. Schlesien und Großpolen im historischen Vergleich. In: Bahlcke, Joachim/Strohmeyer, Arno (Hg.): Die Konstruktion der Vergangenheit: Geschichtsdenken, Traditionsbildung und Selbstdarstellung im frühneuzeitlichen Ostmitteleuropa, Berlin 2002 (Zeitschrift für Historische Forschung. Beiheft 29), 221–244.

Personenregister Abschatz, Eva von, geb. von Eck 293 Abschatz, Friedrich von 293 Acoluth, Johannes → Acoluthus, Johannes Acoluthus, Johannes (Acoluth, Johannes, Akolut, Jan) 77f., 80, 84f., 320f., 324 Adalbert, Bf. von Prag, Hl. 358 Adam, Abt von Grüssau 58 Aeschius, Valentinus 339 Agnes, Hzn. von Meranien 131 Akolut, Jan → Acoluthus, Johannes Albinus, Adam 114 Albinus, Anna 114 Albrecht, Erzbf. von Magdeburg 334 Albrecht von Brandenburg-Ansbach, Hz. von Preußen 334 Albrecht I., Hz. von Bayern-Straubing 362 Alexander der Große 145 Alischer, Sebastian 329 Alstedt, Johann Heinrich 310 Anna, Hzn. von Münsterberg-Oels, geb. Pzn. von Sagan 189 Anna, Pzn. von Sagan → Anna, Hzn. von Münsterberg-Oels Anna Maria, Hzn. von Liegnitz, Brieg und Wohlau, geb. Pzn. von Anhalt-Barby 269 Anna Maria, Pzn. von Anhalt-Barby → Anna Maria, Hzn. von Liegnitz, Brieg und Wohlau Anther, Nicolaus 15, 17 Anthonius, Thomas 114f., 117, 119, 120f. Apelles von Löwenstern, Matthäus 176 Arndt, Johann 252 Arnoldi, Philipp 192 Asam, Cosmas Damian 43 Assendelft, Dirk van 274, 289 Auersberger, Georg 12 Augustinus, Aurelius, Hl. 103, 124, 183 Aviler, Augustin Charles de 305

Balbín, Bohuslav (Balbinus, Bohuslaus) 137 Balbinus, Bohuslaus → Balbín, Bohuslav Banck, Fam. 186 Bantke, Adam 78, 80 Baranowska, Bogusława 272, 290, 297 Barbara, Hzn. von Brieg und Wohlau, geb. Pzn. von Brandenburg 66, 361, 363f. Barbara, Pzn. von Brandenburg → Barbara, Hzn. von Brieg und Wohlau Barbara Zapolya, Kgn. von Polen 334 Baumann, Friedrich 263 Baumann, Georg 140, 347 Baumannus, Johann d. Ä. 184 Baumgarten, Hans 263 Baumgarten, Kaspar 184 Bees, Fam. 73 Behm, Martin 97, 130f. Bek, Aleksandra 301 Benedikt von Nursia, Hl. 55 Berge, Helene von → Stosch, Helene von Berger, Caspar 248, 271, 275–301 Berger, Dorothea 284 Berger, Hedwig 284 Berger, Jakob 296 Berger, Jörg 296 Berger, Lorenz 296 Berger, Ursula, 1o voto Drauschke 283f., 296 Bernhard von Clairvaux, Hl. 52–54, 64, 124, 163 Bernhardi, Georg 262 Berthold IV., Gf. von Andechs und Hz. von Meranien 131 Bethlen, Gabriel, Fst. von Siebenbürgen 150 Beust, Joachim von 164 Bielawski, Marcin 323 Bielski, Marcin 363 Bimler, Kurt 68, 271, 275, 282–284, 289, 300 Blondel, François 305

Personenregister

Bock, Anna von, geb. von Reibnitz 297f. Bock, Georg (Bock, Jerzy) 166, 320 Bock, Hans von 297f. Bock, Jerzy → Bock, Georg Bodenstein, Andreas 93f., 112 Bodenstein, Susanna, geb. Reimann 93f. Boesemesser, Johann 93 Böhme, Heinrich 146, 345f. Böhme, Jakob 46f., 64 Bojanowski, Fam. 317 Boleslaw I., der Lange, Hz. von Schlesien 358, 362 Boleslaw I., der Tapfere (Chrobry), Kg. von Polen 358, 367, 369f. Boleslaw II., der Kühne (Śmiały), Kg. von Polen 358 Boleslaw III., Hz. von Liegnitz und Brieg 61, 67 Boleslaw III. Schiefmund (Krzywousty), Hz. von Polen 358 Boleslaw IV. Kraushaar (Kędzierzawy), Hz. von Polen 358 Bona Sforza, Kgn. von Polen 334 Bönisch, Xaver 68 Bora, Katharina von → Luther, Katharina Bose, Georg 306 Boucherat, Nikolaus 56 Boy, Adolf 153f. Brache, Tycho de 347 Brachmann, Dorothea 121 Brachmann, Johann 121 Brandin, Philipp 74 Brant, Sebastian 190 Brauchitsch, Margarethe von → Hochberg, Margarethe von 282 Braun, Fam. 296 Braun, Anna von, geb. von Schkopp 221, 280, 286 Braun, Georg von 221, 280, 286 Bredow, Sabine von → Rechenberg, Sabine von Broeck, Crispin van den 288 Bucher, Eva, geb. Thalwenzel 165 Buchwald, Conrad 279, 282, 284f., 289f. Burg, Johann Friedrich 85

399

Burgemeister, Ludwig 68 Burghaus, Fam. 174 Butler, Walter 150 Caesar, Gaius Iulius 275 Callot, Jacques 342f. Calvin, Johannes 15, 54, 182 Canavesi, Hieronymus 367 Capranica, Domenico da 159 Carochius, Basilius 262 Charlotte, Hzn. von Holstein-SonderburgWiesenburg, geb. Pzn. von Brieg, Liegnitz und Wohlau 62, 357, 359 Charlotte, Pzn. von Brieg, Liegnitz und Wohlau → Charlotte, Hzn. von Holstein-Sonderburg-Wiesenburg Christian II., Hz. von Liegnitz, Brieg und Wohlau 61, 175f., 207, 210f., 356–358 Christian Albert, Pz. von Liegnitz, Brieg und Wohlau 175 Christina, Kgn. von Schweden 150 Christoffel, Bartholomäus 267 Chrzanowski, Tadeusz 68f., 271 Chytraeus, David 164 Cicero, Marcus Tullius 160 Clemens IV., Papst 131 Clemens XI., Papst 39 Commendone, Giovanni 335 Concini (Concino), Marquis d’Ancre 150 Conrads, Norbert 327 Crafftheim, Johann Crato von 87, 161 Cranach, Lukas d. Ä. 143 Crudellius, Abraham 184 Crüger, Peter 346–349 Cureus, Joachim 133–138, 161, 163, 329 Czapliński, Władysław 322 Czema, Achatius 334 Czepko von Reigersfeld, Daniel 71, 74f., 191 Czettritz, Magdalene von → Tschirnhaus, Magdalene von Czihak, Eugen 68

400

Anhang

Damascenus → Johannes von Damascus Dambrowski, Samuel 160, 162–164, 167, 179, 182, 219, 338 Decius, Justus Lodovicus 364 Degen, Kurt 332 Dendermonde, Johann van 289 Descartes, René 310 Dientzenhofer, Fam. 42 Dietrich, Veit 170 Dietrichstein, Franz von, Bf. von Olmütz 5 Dio aus Prusa 350 Długosz, Jan 362 Dobrowolski, Tadeusz 68 Dohna, Anna von → Tschammer, Anna von Dohna, Karl Hannibal Burggf. von 145, 344 Dönhoff, Fam. 317 Dönhoff, Gerhard Gf. von 147–149, 153f., 345 Dönhoff, Sybille Margarethe Gfn. von, geb. Pzn. von Liegnitz-Brieg 147, 149, 153f. Dornavius, Caspar 316 Dorothea Elisabeth, Fstn. von NassauDillenburg, geb. Pzn. von Liegnitz und Brieg 128 Dorothea Elisabeth, Pzn. von Liegnitz und Brieg → Dorothea Elisabeth, Fstn. von Nassau-Dillenburg Dorothea Sybille, Hzn. von Brieg, geb. Pzn. von Brandenburg 175 Dorothea Sybille, Pzn. von Brandenburg → Dorothea Sybille, Hzn. von Brieg Drauschke, Caspar 274, 283 Drauschke, Margarethe 284 Drauschke, Ursula → Berger, Ursula Dudith, Andreas 87, 227 Dyhrn, Magdalene von, geb. von Glaubitz 299 Dyhrn, Wolff von 299 Eber, Paul 97 Ebersbach, Daniel 259

Eccard, Melchior 182, 196, 213, 320 Eck, Eva von → Abschatz, Eva von Eckstein, Alexander 94, 249, 276–278 Ehrhardt, Sigismund Justus 276 Einsiedel, Anna von 222 Eleonora, Kgn. von Schweden, geb. Pzn. von Brandenburg 150 Eleonora, Pzn. von Brandenburg → Eleonora, Kgn. von Schweden Elisabeth Magdalena, Hzn. von Münsterberg-Oels, geb. Pzn. von Liegnitz-Brieg 174, 203, 205–207 Elisabeth Magdalena, Pzn. von LiegnitzBrieg → Elisabeth Magdalena, Hzn. von Münsterberg-Oels Elisabeth Maria, Hzn. von WürttembergOels, geb. Pzn. von Münsterberg-Oels 206 Elisabeth Maria, Pzn. von MünsterbergOels → Elisabeth Maria, Hzn. von Württemberg-Oels Elisabeth Maria Charlotte, Hzn. von Brieg, geb. Pzn. von Simmern 176, 206f., 212 Elisabeth Maria Charlotte, Pzn. von Simmern → Elisabeth Maria Charlotte, Hzn. von Brieg Engelbrecht, Martin 263f. Ernesti, Jan 84 Etnerus, Martin 184 Euklid von Alexandria 310 Euphemie von Ratibor 324 Falck, Jeremias 154 Faust, Georg 102 Felckel, Georg 114, 119 Felckel, Maria, geb. Pohl 114 Fendt, Tobias 189, 311f. Ferdinand I., Ks. 3, 58, 66, 83, 187, 334, 364 Ferdinand II., Ks. 27, 145, 151 Ferdinand III., Ks. 150 Fibiger, Michael Joseph 141 Fichtenberger, Bartholomäus 246 Filippi, Giovanni Maria 267

Personenregister

Fischer von Erlach, Johann Bernhard 43 Flacius Illyricus, Matthias 8, 237, 244 Fleiser, Michael 274f., 283 Floris, Cornelis 274, 288, 295, 297 Francesco Gonzaga, Markgf. von Mantua 334 Francesco Sforza, Pz. von Mailand 334 Frantz, Martin 35, 259 Franz I., Kg. von Frankreich 334 Franz Ludwig, Hz. von Pfalz-Neuburg, Bf. von Breslau und Kfst. von Mainz 42 Freiberger, Arnold 58, 61 Frey, Dagobert 46 Freyburg, Georg 120 Freyer, Georg 86 Friedrich, Pfalzgf. bei Rhein 334 Friedrich I., Kg. von Dänemark und Norwegen 289 Friedrich II., Hz. von Liegnitz, Brieg und Wohlau 58, 65–68, 124, 126f., 180, 204, 236, 262, 317, 361f., 364f. Friedrich II., der Große, Kg. von Preußen 43, 85, 87, 141, 371 Friedrich III., Hz. von Liegnitz 66, 74 Friedrich III., der Weise, Kfst. von Sachsen 181 Friedrich IV., Hz. von Liegnitz 176, 179, 204, 209f., 275f. Friedrich V., Kfst. von der Pfalz und Kg. von Böhmen („Winterkönig“) 6f., 16, 83, 86, 150, 249 Friedrich Heinrich von Oranien, Statthalter der Niederlande 150 Friedrich Wilhelm, Kronpz. von Preußen 270 Friedrich Wilhelm, der Große, Kfst. von Brandenburg 305 Fritsch, Innozenz 63 Frueauf, Martin 19 Gdacius, Adam 109, 122f. Gebhart, Hans 238 Georg I., Hz. von Brieg 268 Georg II., Hz. von Brieg und Wohlau 59, 65–67, 70, 73f., 76, 161, 176, 204,

401

206, 237–240, 262f., 265, 268, 317, 358, 360–365 Georg III., Hz. von Brieg 174, 176, 205–209, 212 Georg Ernst, Pz. von Liegnitz, Brieg und Wohlau 269f. Georg Rudolf, Hz. von Liegnitz 34, 128, 176, 205, 209, 212 Georg Wilhelm, Hz. von Liegnitz, Brieg und Wohlau 60f., 68, 109, 175f., 207, 210–212, 356–359 Gerstenberg, Jakob d. J. 274 Gerstmann, Martin (von), Bf. von Breslau 20 Gerson, Johannes 159 Gertrud, Äbtissin von Trebnitz 131 Geyer (Geier), Dominicus 63 Gierowski, Józef 323 Giovanni Maria 295 Glaeser, Edmund 281f. Glaubitz, Hedwig von → Stosch, Hedwig von Glaubitz, Magdalene von → Dyhrn, Magdalene von Glodius, Paulus 80f. Goldmann, Friedrich 304 Goldmann, Johannes 303 Goldmann, Nicolaus 302–312 Goldtwurm, Caspar 97, 130 Gomolcke, Daniel 88 Górka, Fam. 317, 366, 370f. Górka, Andreas I. (Andrzej I.) Gf. von 366f., 371 Górka, Andreas II. (Andrzej II.) Gf. von 368 Górka, Barbara Gfn. von, geb. von Kurozwęki 367 Górka, Lukas II. (Łukasz II.) Gf. von 335, 366–368 Górka, Lukas III. (Łukasz III.) Gf. von 368 Górka, Stanisław Gf. von 368 Górka, Uriel Gf. von 366–368 Goske, Martin 182f. Gottschalk, Joseph 141, 322

402

Anhang

Götz, Stephan 246 Goudeau, Jeroen 303 Gross, Friedrich d. Ä. 246, 284, 295 Grotius, Hugo 349–351 Grunaeus, Simon 225f. Grundmann, Günther 281, 283 Grundmann, Werner 283 Grünhagen, Colmar 316 Gryphius, Andreas 51f., 148, 152f., 155, 162, 184, 191, 193, 213, 215, 329, 343, 345, 347, 356 Gurowski, Władysław Roch 368 Gustav I. Wasa, Kg. von Schweden 334 Gustav II. Adolph, Kg. von Schweden 150, 152 Haendcke, Berthold 279 Hahn, Samuel Leopold 48, 63 Hallmann, Johann Christian 60f., 329 Haniwald, Fam. 238, 253 Hantkius, Martin 88f. Hartranft, Fam. 296 Hartranft, Balthasar 111, 291 Hartranft, Katharina, geb. Rabe 111, 291 Haubitz, Christoph von 294 Haubitz, Hans von 294 Haubitz, Katharina von, geb. von Tschammer 294 Haunold, Fam. 290 Haunold, Martha 289 Haunold, Peter 289 Haunold, Ursula 289 Hausrücker, Hans Georg 260 Hedwig, Hzn. von Schlesien, Hl. 62, 65, 67–69, 73, 75, 126–128, 131–141, 212, 322f. Hedwig, Kfstn. von Brandenburg, geb. Pzn. von Polen 333–335 Hedwig, Pzn. von Hessen-Darmstadt 130 Hedwig, Pzn. von Liegnitz 126 Hedwig, Pzn. von Polen → Hedwig, Kfstn. von Brandenburg Heermann, Johannes 54, 115, 183f., 213 Heide, Anna von der 275 Heidenreich, Esaias 83, 85, 181

Heinrich, Fst. von Nassau-Dillenburg 128 Heinrich I., der Bärtige, Hz. von Schlesien 131, 135, 358, 362 Heinrich II., Ks., Hl. 22f. Heinrich II., der Fromme, Hz. von Schlesien 358 Heinrich IV., Kg. von Frankreich 150 Heinrich IV. Probus, Hz. von Breslau 358 Heinrich V., Hz. von Mecklenburg 74 Heinrich V., Ks. 358 Heinrich XI., Hz. von Liegnitz 176, 274– 276, 317 Heinrich Wenzel, Hz. von Oels-Bernstadt 205, 207, 209, 239 Helden, Dorothea 121 Helden, Sebastian 121 Hendrik, Gerd 117f., 238 Henel von Hennenfeld, Nicolaus (Henelius, Nikolaus) 129, 137 Henelius, Nikolaus → Henel von Hennenfeld, Nicolaus Hensel, Adam Johann 258 Herberger, Valerius 100, 113–115, 121, 172, 184, 198, 201, 213, 216 Herbst, Stanisław 319 Herden, Jan → Herden, Johannes Herden, Johannes (Jan) 77, 80f. Herr, Michael 259 Herrmann, Zacharias 83, 85, 102f. Herzig, Arno 327 Hess, Johannes 11, 218, 221 Heusler, Paul 172 Hiller, Michael 132f. Hochberg, Fam. 282, 289 Hochberg, Hans Heinrich von 258 Hochberg, Katharina von → Reichenbach, Katharina von Hochberg, Konrad von 282 Hochberg, Margarethe von, geb. von Brauchitsch 282 Hoffmann, August Gottfried 44, 258 Hoffmann, Johann Franz 38 Hoffmann von Hoffmannswaldau, Christian 148, 345

Personenregister

Hofman, Valten 272f., 275 Holstein, Stephan 214, 216, 225 Hondorff, Andreas 97f., 116, 119, 126, 130 Hübner, Nikolaus 58 Hübner, Paul 262 Hugo, Hermann 53 Hulten, Johann 289 Hunnius, Aegidius 125 Illow, Christian Freiherr von 150 Iwanoyko, Eugeniusz 324 Jakimowicz, Teresa 354 Janusz II., Hz. von Masowien 334 Jarmundowicz, Michał Kazimierz 55 Jerin, Andreas (von), Bf. von Breslau 5, 21, 336f., 340 Jerin, Philipp Jakob von 145 Joachim II., Kfst. von Brandenburg 66, 333–335 Joachim Friedrich, Hz. von Liegnitz, Brieg und Wohlau 52, 67, 70, 73, 124, 161, 194, 198, 239, 262f., 265, 268–270, 365 Johann, der Beständige, Kfst. von Sachsen 181 Johann, Kg. von Böhmen 358 Johann, Markgf. von Brandenburg 334 Johann II. Kasimir, Kg. von Polen 315 Johann III. Sobieski, Kg. von Polen 141, 315, 322 Johann Christian, Hz. von Brieg 6, 59, 68, 147, 151–155, 175, 316f., 344 Johann Friedrich, der Großmütige, Kfst. und Hz. von Sachsen 87, 334 Johann Georg, Hz. von Wohlau 239, 263, 268 Johann Georg, Kfst. von Brandenburg 335 Johann Georg, Mkgf. von BrandenburgAnsbach und Hz. von Jägerndorf 6, 17, 237 Johann Georg I., Kfst. von Sachsen 27, 83, 145, 150f.

403

Johann Moritz, Fst. von Nassau-Siegen 305, 308 Johannes Chrysostomos, Erzbf. von Konstantinopel, Hl. 84, 124 Johannes von Damaskus, Hl. 122, 124 Jonas, Justus 95 Joseph I., Ks. 33, 39f. Judex, Adam 340f. Juncker, Johannes 295 Juncker, Michael 295 Justin, Fst. von Nassau 342 Kaczmarek, Romuald 323 Kalckreut, Margarethe von, geb. von Loeb 214f. Kalinowski, Konstanty 324f. Karl, Ehz. von Österreich und Bf. von Breslau 6, 62, 145 Karl I., Hz. von Münsterberg-Oels 189 Karl I. Stuart, Kg. von England 150, 155 Karl II., Hz. von Münsterberg-Oels 174– 176, 178, 189, 204, 207, 209, 227 Karl XII., Kg. von Schweden 33, 41 Karl Christoph, Hz. von Münsterberg-Oels 100 Karl Ferdinand Wasa, Bf. von Breslau 315 Karl Ludwig, Kfst. von der Pfalz 150 Karzel, Othmar 321 Kasimir I., der Erneuerer (Odnowiciel), Hz. von Polen 358 Katharina, Fstn. von Siebenbürgen, geb. Pzn. von Schweden 150 Katharina, Hzn. von Liegnitz, geb. Pzn. von Mecklenburg 74 Katharina, Pzn. von Mecklenburg → Katharina, Hzn. von Liegnitz Katharina, Pzn. von Schweden → Katharina, Fstn. von Siebenbürgen Kębłowski, Janusz 271, 325 Kepler, Johannes 347–349, 352 Kerber, Ambrosius 19 Kiel, Hedwig von → Schellendorf, Hedwig von

404

Anhang

Kinsky, Wilhelm Gf. von 150 Kirstenius, Petrus 89 Klatovsky, Samuel Fontin 221 Knötel, Paul 282, 285 Kochanowski, Jan 325 Kochtitzky, Andreas d. Ä. 316 Köhler, Joachim 322 Köler, Georg 259 Konopnicka, Maria 372 Konrad I., Hz. von Oels und Bf. von Breslau 139 Kottwicz, Fam. 317 Kramer, Michael 68f., 73, 289, 295, 300 Kranz, Gottlob 89 Krentzheim, Leonhard 124f., 137, 179, 181f., 213, 222, 277 Krzyżanowski, Michał 368f. Kurozwęki, Barbara von → Górka, Barbara Gfn. von Laets, Johann de 304 Lange, Ambrosius 183 Lange, Anna Rosina 52 Langhans, Carl Gotthard 45, 369 Langner, Fam. 290f., 293 Langner, Brigitte 282 Langner, Hedwig 282 Langner, Hieronymus 282 Laurentius, Joachim 263 Leo (Löwe), Georg 336 Leo, Valentin 182f. Leopold I., Ks. 33, 60, 88, 358f. Leszczyński, Józef 316, 323 Leucht, Valentin 139 Leuchter, Heinrich 130 Lichtstern, Friedrich → Lucae, Friedrich Lindanus, Theodor 336 Lobkowitz, Juan Caramuel de 305 Loeb, Margarethe von → Kalckreut, Margarethe von Logau, Fam. 174 Logau, Friedrich von 260f. Logau, Kaspar von, Bf. von Breslau 12 Lohenstein, Daniel Caspar von 329, 356 Łubieński, Stanisław, Bf. von Płock 329

Lucae, Friedrich (Pseud. Lichtstern, Friedrich) 70f., 74f., 128, 138f., 194, 197, 199, 212, 329 Lucae, Johannes 212 Luchs, Hermann 277 Luck, Maria von 56 Ludwig, Hz. von Bayern 334 Ludwig I., Hz. von Liegnitz und Brieg 67, 362 Ludwig IV., Hz. von Liegnitz 175, 205, 209 Ludwig V., Landgf. von Hessen-Darmstadt 130 Ludwig, Gregor 184 Ludwig, Stentzel 68 Luise, Hzn. von Brieg, Liegnitz und Wohlau, geb. Pzn. von Anhalt-Dessau 61, 210, 356f., 359f. Luise, Pzn. von Anhalt-Dessau → Luise, Hzn. von Brieg, Liegnitz und Wohlau Luther, Katharina, geb. von Bora 104 Luther, Magdalene 222 Luther, Martin 3, 8, 11, 14f., 39, 52, 56, 81f., 94, 100, 104, 108, 124, 136, 161, 164, 166, 168, 192f., 217f., 222f., 227, 243, 258, 262, 364 Lutsch, Hans 93, 278f., 284 Machaut, Guillaume de 127 Machner, Matthias 88 Madrian, Hans 184 Magnus (gen. Axleben) Hedwig von, geb. von Wotissen 129 Major, Elias 89 Maleczyński, Karol 323 Maltitz, Fam. 21 Maltzan, Fam. 174 Maltzan, Joachim von 171, 316 Margaretha, Hzn. von Bayern-Straubing, geb. Pzn. von Brieg 362 Margaretha, Pzn. von Brieg → Margaretha, Hzn. von Bayern-Straubing Maria Anna, Infantin von Spanien 150 Maria Casimira de la Grange d’Arquien, Kgn. von Polen 141, 322

Personenregister

Maria de Medici, Kgn. von Frankreich 150 Maria de Rohan, Fstn. von Chevreuse 150 Mathesius, Johannes 181 Matthäus von Krakau 159 Matthias, Ks. 27, 145 Matthias Corvinus, Kg. von Ungarn und Böhmen 22 Matuszkiewicz, Felix 281 Maximilian II., Ks. 5, 20 Meister des Bock-Grabmals 298f., 301 Meister G. P. 283 Meister I. W. 272 Melanchthon, Philipp 8, 11, 52f., 81, 88, 97, 124, 133, 137, 221, 223, 236f., 286 Mentzel, Caspar 114 Mentzel, Maria → Felckel, Maria Mertin, Paul 277, 282 Michael, Hieronymus 113 Miechowita (von Miechów), Maciej 362f. Mieslaus → Mieszko I. (Mieczyslaw I.), Hz. von Polen Mieszko I. (Mieczyslaw I.), Hz. von Polen 328, 358, 369f. Mieszko II. (Mieczyslaw II.) Lambert, Hz. von Polen 370 Mohl, Georg 19 Mohl, Nickel von 259 Mohrenberg, Fam. 186 Moibanus, Ambrosius 81, 82, 85, 88, 98, 137, 236 Moller, Johann 116, 119, 124 Moller, Martin 50f., 54, 64, 138, 162, 164–167, 216, 220, 222, 340 Monau, Peter 161 Montaigne, Michel de 160f., 192 Müller, David 349 Mylius, Martin 160f. Naechern, Polixena von → Pückler, Polixena von Neander, Balthasar 341 Nerger, Jacob 129

405

Neumann, Caspar 84f., 173 Neumann, Jaromír 149 Neumond, Johannes 18 Neunhertz, Georg Wilhelm 47, 49, 63 Niebelschütz, Anna Hedwig von → Reichenbach, Anna Hedwig von Nigrinus, Bartholomäus 147f. Nikolaus VII., Abt von Grüssau 56 Nimptsch, Hedwig von → Schindel, Hedwig von Niuron, Bernhard d. Ä. 239, 262–268 Niuron, Bernhard d. J. 268 Niuron, Elisabeth 268 Niuron, Lucretia, geb. Parr 264 Niuron, Peter 265 Niuron, Victoria 265 Nostitz, Margarethe von → Poppschütz, Margarethe von Opaliński, Fam. 317 Opitz, Martin 145, 147f., 152, 155, 311, 344f., 349, 351 Oppersdorff, Fam. 324 Orpiszewski, Valentinus 331–340 Orzechowski, Kazimierz 318 Ossoliński, Jerzy 154 Ossowski, Andrzej 163 Ostroróg, Fam. 145 Ostroróg, Stanislaus 323 Oszczanowski, Piotr 323 Ottheinrich, Pfalzgf. bei Rhein 334 Otto III., Ks. 358, 362 Palladio, Andrea 311 Panofsky, Erwin 353 Parr (Bahr), Fam. 143, 264, 266 Parr (Bahr), Dominicus 254 Parr (Bahr), Franciscus 74, 363 Parr (Bahr), Jacob 65, 263–265, 361, 363 Parr (Bahr), Lucretia → Niuron, Lucretia Pawłowska, Krystyna 323 Peterswalde, Hans von 19 Petritius, Margarethe, geb. Schraiber 339 Petrus II. Nowack, Bf. von Breslau 139 Pezoldt, Georg 181

406

Anhang

Pfister, Caspar 74f. Philipp II., der Gute, Hz. von Burgund 362 Piast (legendärer Stammvater der Piastendynastie) 60, 71, 356, 358, 362 Pius IV., Papst 337 Piwarski, Kazimierz 316 Pleydenwurff, Hans 87 Poděbrad, Fam. 204, 206 Pohl, Maria → Felckel, Maria Pohl, Martin 297 Pokora, Jakub 68f. Polani, Barbara 228 Poley, Christoph 228 Pollio, Lucas d. Ä. 161, 221, 246 Poppius, Christoph 117 Poppschütz, Bartsch von 294 Poppschütz, Margarethe von, geb. von Nostitz 294 Poppschütz, Marianne von 162, 215 Poppschütz, Salome von, geb. von Schkopp 294 Poussin, Nicolas 351f. Prockendorf, Fam. 186 Promnitz, Ursula von 161 Przemysław II., Hz. von Großpolen und Kg. von Polen 367 Pückler, Fam. 174 Pückler, Balthasar von 165f. Pückler, Elisabeth von 129 Pückler, Hedwig von 129 Pückler, Ludmila von 129 Pückler, Marianna von 129 Pückler, Polixena von, geb. von Naechern 165f. Quinos, Bruno 164 Rabe, Katharina → Hartranft, Katharina Raczyński, Edward 369f. Raczyński, Kazimierz 368 Radziwiłł, Fam. 317 Raettel, Heinrich 134 Raffaello Sanzio → Raphael

Raphael (Raffaello Sanzio, Raffael da Urbino) 145 Rauch, Christian Daniel 369f. Rauchmüller, Matthias 359 Rautenstrauch, Klemens 184 Rechenberg, Fam. 174, 230, 282 Rechenberg, Heinrich von 297 Rechenberg, Sabine von, geb. von Bredow 297 Redel, Hans 184 Regent, Karl 132, 141 Rehdiger, Nikolaus II. 190 Rehdiger, Thomas 88 Reibnitz, Anna von → Bock, Anna von Reich, Johannes 61 Reichel, Jakob 303 Reichenbach, Fam. 189, 293 Reichenbach, Anna Hedwig von, geb. von Niebelschütz 220 Reichenbach, Fabian von 281 Reichenbach, Hedwig von, geb. von Zedlitz 219 Reichenbach, Katharina von, geb. von Hochberg 281 Reimann, Susanna → Bodenstein, Susanna Reyher, Samuel 306, 308 Rhegius, Urbanus 164, 168 Ried, Joseph 260 Riedel, Johann 31 Ritter, Crispin 221 Ritter, Katharina 221 Rosa, Bernhard 33, 50 Roseberg, Sigmund 184 Rossi, Carlo 357 Rothkirch, Heinrich von 178 Rottmayr, Johann Michael 33 Rozdrażewski, Hieronymus von 335f., 340 Roździeński, Walenty 320 Rubens, Peter Paul 145, 342f. Rudkowski, Tadeusz 271, 283 Rudolf I. von Habsburg, röm.-dt. Kg. 71 Rudolf II., Ks. 5f., 27, 62, 71, 238, 249 Rudolph, Matthias 58 Rühnbaum, Fam. 12

Personenregister

Rybisch, Heinrich 187, 190, 229 Rybisch, Seyfried 189, 311 Sabisch, Alfred 322 Säbisch, Adam 303 Säbisch, Albrecht von 29, 88, 256 Säbisch, Valentin von 239 Saggitarius, Thomas 89 Salomon, Erzdiakon in Krakau 131 Salza, Jakob von, Bf. von Breslau 81 Salzmann, Jakob 297 Saubert, Johann 259 Sauer, Stanislaus 22 Scamozzi, Vincenzo 311 Schaffgotsch, Fam. 174, 191, 230, 371 Schaffgotsch, Hans von 191, 254 Schaffgotsch, Hans Ulrich Gf. von 143, 239f., 242 Schaffgotsch, Ulrich von 299 Scharff, Gottfried Bathasar 328 Schedel, Hartmann 131 Scheffler, Felix Anton 38f. Scheffler, Johannes (Pseud. Angelus Silesius) 33, 46f., 49f., 64 Schellendorf, Hedwig von, geb. von Kiel 129 Scherffer von Scherffenstein, Wenzel 175, 329 Schickfus (Schickfuß), Jacob 138, 329 Schindel, Fam. 180, 189, 283, 297 Schindel, Hedwig von, geb. von Nimptsch 129, 189, 292 Schindel, Heinrich von 129, 189, 292 Schinkel, Karl Friedrich 369f. Schir von Kotz, Anna von → Schweinitz, Anna von Schkopp, Anna von → Braun, Anna von Schkopp, Salome von → Poppschütz, Salome von Schlichting, Fam. 317 Schmeidler, Johann Carl 87 Schmettau, Heinrich 220 Schmidt von Schmiedefeldt, Johann Heinrich von 179 Schnitzer, Balthasar 289, 300f.

407

Schnitzer, Urban 300 Schönaich, Fam. 174, 283 Schönaich, Georg von 281 Schönburg, Hugo von 295, 299 Schooten, Franciscus van, d. Ä. 304 Schraiber, Margarethe → Petritius, Margarethe Schramm Johann 276 Schultz, Chrisostomus 88 Schütte, Ulrich 303 Schwab, Johannes 303 Schwab, Martha 303 Schwarz, Adam 339 Schweinichen, Hans von 176 Schweinitz, Anna von, geb. Schir von Kotz 293 Schweinitz, Georg von 293 Schweinitz, Hans von 280 Schweinitz, Magdalene von, geb. von Stosch 280 Schwenckfeld, Caspar von 3, 182, 185, 236, 243, 254 Schwob, Sigismund 116, 119 Seidlitz, Fam. 189 Seidlitz, Hans von 56 Seile, Paul 113 Seklucjan, Jan 164 Semrau, Max 302f., 311 Seneca, Lucius Annaeus 160f. Serlio, Sebastiano 311 Sforza, Fam. 362 Sidonia Katharina, Hzn. von Teschen, geb. Pzn. von Sachsen-Lauenburg 171 Sidonia Katharina, Pzn. von SachsenLauenburg → Sidonia Katharina, Hzn. von Teschen Sidonia Maria, Hzn. von Liegnitz-Brieg, geb. Pzn. von Teschen 178 Sidonia Maria, Pzn. von Teschen → Sidonia Maria, Hzn. von LiegnitzBrieg Siemowit (Ziemowit, legendärer Polanenfürst) 358 Sigismund I., der Alte (Stary), Kg. von Polen 333f.

408

Anhang

Sigismund II. August, Kg. von Polen 318, 362, 364 Sigismund III. Wasa, Kg. von Polen 145, 315 Silesius, Angelus → Scheffler, Johannes Sinapius, Johann 139f. Sitsch, Johannes VI. von, Bf. von Breslau 5, 22f. Skuratowicz, Jan 271 Smosowski, Andreas von 179 Smuglewicz, Franciszek 369 Sobieski, Jakob 315 Soffner, Johannes 332 Solms, Amalie von 150 Sophie Elisabeth, Hzn. von Liegnitz, geb. Pzn. von Anhalt-Dessau 176, 207 Sophie Elisabeth, Pzn. von Anhalt-Dessau → Sophie Elisabeth, Hzn. von Liegnitz Sophie Katharina, Hzn. von Brieg, geb. Pzn. von Münsterberg-Oels 175 Sophie Katharina, Pzn. von MünsterbergOels → Sophia Katharina, Hzn. von Brieg Sophie Magdalena, Hzn. von MünsterbergOels, geb. Pzn. von Brieg 176, 207 Sophie Magdalena, Pzn. von Brieg → Sophie Magdalena, Hzn. von Münsterberg-Oels Spangenberg, Cyriakus 187f., 190 Spangenberg, Johannes 181, 217 Spener, Philipp Jakob 153 Spinola, Ambrogio 342 Spranger, Bartholomäus 144f. Sprengel, Britta 303 Stanislaw, Hz. von Masowien 334 Stanislaw I. Leszczyński, Kg. von Polen 371 Stanislaw II. August Poniatowski, Kg. von Polen 368, 372 Stephan, Georg 113 Storch, Gregor 100 Stosch, Fam. 230, 286, 290, 294 Stosch, Anna von → Tschammer, Anna von

Stosch, Balthasar von, d. Ä. 272f. Stosch, Balthasar von, d. J. 290, 297 Stosch, David von 290 Stosch, Hedwig von, geb. von Glaubitz 272f. Stosch, Helene von, geb. von Berge 54, 280 Stosch, Magdalene von → Schweinitz, Magdalene von Stosch, Wladislaw von, d. Ä. 54, 279f. Stosch, Wladislaw von, d. J. 289f. Stössel, Fam. 180, 283, 297 Stössel, David von 283 Streubig, Christoph 117 Streubig, Veronica, geb. Tilesius 117 Stridbeck, Johann, d. J. 79 Strobel, Bartholomäus, d. Ä. 144 Strobel, Bartholomäus, d. J. 143–149, 153, 155, 326, 343–346, 348f., 351 Stuart, Elisabeth 150 Sturm, Johann Christoph 306 Sturm, Leonhard Christoph 305f., 308– 310 Sturm, Vincenz 97f., 131 Süßenbach, Christian 258 Sulkowski, Fam. 368 Sybille Margarethe, Pzn. von Liegnitz-Brieg → Dönhoff, Sybille Margarethe Gfn. von Sydow, Maria von 335 Sylvius Nimrod, Pz. von WürttembergWeiltingen, Hz. von Oels 206–208 Szyrocki, Marian 61, 325 Tantzmannus, Paul 184 Teubner, Georg 80 Thalwenzel, Eva → Bucher, Eva Thebesius, Georg 128 Tilesius, Gottfried 93, 107, 112, 117, 248 Tilesius, Nathanael 103 Tilesius, Veronica → Streubig, Veronica Topolski, Jerzy 354 Trčka, Adam Erdmann Gf. von 150 Troilo, Nikolaus von 155

Personenregister

Tromp, Marten Harpertszonn 150, 154 Trost, Melchior 296 Trotzendorf, Valentin 3, 133, 161, 274f. Tschammer, Fam. 293 Tschammer, Anna von, geb. von Dohna 273 Tschammer, Anna von, geb. von Stosch 293 Tschammer, Dorothea von, geb. von Wiese 272 Tschammer, Ernst von 272 Tschammer, Katharina von → Haubitz, Katharina von Tschammer, Oswald von 272 Tschammer, Wolffrom von 293 Tscherning, David 175 Tschersich, Emil 141 Tschirnhaus, Hans von 299 Tschirnhaus, Magdalene von, geb. von Czettritz 299 Ulrich II., Hz. von Mecklenburg 73f. Unruh, Fam. 317 Urbin → Raphael Ursinus, Franziskus 56 Velázquez, Diego Rodríguez de Silva y 342 Vierling, Franciscus 99, 105f., 111, 135 Vignola, Giacomo Barozzi da 311 Villalpando, Juan Bautista 311 Villiers, George, Hz. von Buckingham 150 Vincentius, Petrus → Vitze, Peter Vitruv(ius), Marcus Pollio 303f., 310f. Vitze, Peter (Vincentius, Petrus) 88, 113 Vries, Adriaen de 144 Wagner, Oskar 321 Wahrendorff, Johann Peter 276 Wallenstein, Albrecht Eusebius von 150 Walther, Fam. 301 Walther, Christoph II. 295f., 299 Walther, Hans II. 295f. Warnsdorf, Fam. 174

409

Watzker, Urban 265 Weber, Matthias 329 Weber, Max 26, 219, 223, 229, 231 Wechner, Nathanael 153f. Weiner, Paul 22 Weissfeldt, Thomas 32, 47 Weisskopf, Adam 19 Wencki, Johannes 161 Wenzel III. Adam, Hz. von Teschen 169f. Werner, Friedrich Bernhard 127, 264 Werner, Regina 222 Wernicke, Ewald 277 Wesske, Jeremias 208 Wichmann, Markgf. 370 Więcek, Adam 325 Wierix, Hieronymus 288 Wiese Dorothea von → Tschammer Dorothea von Willmann, Michael Leopold 32f., 46f. Winckler, Andreas 88 Witkowski, Jacek 323 Wladislaw I. Ellenlang (Łokietek), Kg. von Polen 61 Wladislaw II., der Vertriebene (Wygnaniec), Hz. von Polen und Schlesien 358 Wladislaw II., Kg. von Böhmen und Ungarn 364 Wladislaw IV. Wasa, Kg. von Polen 148f., 154, 315f., 345 Wohlfeil, Rainer 353 Wohlfeil, Trudl 353 Wolff, Christian 311 Wotissen, Hedwig von → Magnus (gen. Axleben), Hedwig von Zanne, Martin 284 Zborowski, Fam. 317 Zedlitz, Fam. 62, 174 Zedlitz, Georg von 11 Zedlitz, Hedwig von → Reichenbach, Hedwig von Zedlitz-Nimmersatt, Jakob von 62 Zedlitz-Nimmersatt, Karl Caspar von 63 Zedlitz-Nimmersatt, Wladislaw von 62

410 Zeidler, Michael 103f., 235 Ziemowit → Siemowit Zimprecht, Adam 265 Zlat, Mieczysław 68, 271, 325

Anhang

Zobel, Stephan 295 Zwingli, Ulrich 15 Żygulski, Zdzisław 61, 325

Ortsregister Altdorf 306 Altenburg (ehem. Queitsch, poln. Stary Zamek) 75, 366 Altkemnitz (poln. Stara Kamienica) 143, 240, 242 Altranstädt 33, 35, 37, 39f., 259 Alt-Ruppin 335 Amsterdam 117, 152, 238, 304 Antorff → Antwerpen Antwerpen (ehem. Antorff, frz. Anvers) 145 Anvers → Antwerpen Arnstein 295 Augsburg 259, 262, 307 Bąków → Bankau Bankau (poln. Bąków) 9f. Bärsdorf (poln. Niedźwiedzica) 239 Bärzdorf (poln. Bierzów) 115 Basel 165, 225 Bentschen (poln. Zbąszyń) 80 Berlin 45, 265, 307f., 334f., 340, 345 Bernstadt (poln. Bierutów) 170, 178, 195, 201, 205, 239 Beuthen a. d. Oder (poln. Bytom Odrzański) 214, 221, 278, 281, 285– 290, 296, 302, 326 Beuthen O.S. (poln. Bytom) 6, 334 Bielitz (poln. Bielsko, heute Bielsko-Biała) 101f. Bielowicko → Bilowitzko Bielsko → Bielitz Bielsko-Biała → Bielitz Bierutów → Bernstadt Bierzów → Bärzdorf Bilowitzko (poln. Bielowicko) 101 Bischdorf (poln. Biskupice) 101 Bischofswerda 296 Biskupice → Bischdorf Bissone 65, 266 Bitterfeld 98, 131 Bojanowo 80

Bolesławiec → Bunzlau Bolkenhain (poln. Bolków) 15, 62f., 93, 107, 112, 222, 248, 371 Bolków → Bolkenhain Bologna 133 Borów Wielki → Großenborau Braunschweig 307, 309 Breda 274, 289, 342 Breslau (poln. Wrocław) 3–7, 11f., 17, 19–23, 25, 27–29, 32, 39–43, 46, 55–58, 60, 62, 77–84, 87–89, 99, 105, 108, 113, 117, 120, 123, 135, 139– 141, 145, 150, 159f., 162, 164, 169, 173f., 178, 185–187, 189f., 194f., 198, 201f., 210, 213, 218, 221, 223, 225f., 228–230, 236–238, 244–246, 248–250, 256, 265, 271, 274f., 283f., 288, 292, 294–296, 300, 302–304, 311f., 315, 317–319, 321–324, 327, 331–337, 339f., 343f., 347, 349, 356, 372 Brieg (poln. Brzeg) 7, 9, 11, 15, 17–19, 28, 32, 34, 39, 42, 52f., 57–60, 65, 67–70, 72–76, 78, 109, 114, 117, 122, 126, 138, 147, 151f., 154, 161, 164, 169, 172, 174–176, 178, 185–188, 194f., 198, 200, 203f., 206–213, 225, 228f., 236–238, 240, 243, 247, 250, 253, 262, 264–266, 268–271, 274, 284, 300, 316f., 319, 321f., 329, 344, 358–366, 371f. Bruntál → Freudenthal Brzeg → Brieg Brzezina → Groß Bresa Buchelsdorf (poln. Niemysłowice) 240 Bunzlau (poln. Bolesławiec) 11, 75 Byczyna → Pitschen Bystrzyca Kłodzka → Habelschwerdt Bytom → Beuthen O.S. Bytom Odrzański → Beuthen a. d. Oder

412

Anhang

Carolath (poln. Siedlisko) 143, 241, 281, 283 Celle 76 Charenton sur Seine 256 Cheb → Eger Chmielów → Schmellwitz Chobienia → Köben a. d. Oder Chocianów → Kotzenau Chocz 368 Chojnik → Kynast Chojnów → Haynau Chróścina → Kraschen Chrudim 221 Cieplice Śląskie → Warmbrunn Cieszowa → Czieschowa Cieszyn → Teschen Cîteaux 56f. Cölln an der Spree 334f. Czernica → Langenau Czernina → Groß Tschirnau Częstochowa → Tschenstochau Czieschowa (poln. Cieszowa) 101

Elbląg → Elbing Erfurt 296

Damaskus 23 Danzig (poln. Gdańsk) 78, 146–148, 153f., 317, 326, 342, 345–349 Darmstadt 130 Dębniki 323 Dessau 265 Dessau-Rößlau 265 Dittmannsdorf (poln. Mieszkowice) 101 Döberle (poln. Dobra) 252 Dobra → Döberle Dobromierz → Hohenfriedeberg Dobroszyce → Juliusburg Domasław → Domslau Domslau (poln. Domasław) 78 Dresden 7, 27, 44, 68, 143, 186, 265, 295f., 301 Duins 150 Dzierżoniów → Reichenbach

Gdańsk → Danzig Genève → Genf Genf (frz. Genève) 6, 303 Gießmannsdorf (poln. Gościszów) 239 Glatz (poln. Kłodzko) 57, 140, 239, 334 Glogau (poln. Głogów) 7, 27f., 34, 42, 59, 113, 133, 187, 258, 272f., 299 Głogów → Glogau Głogówek → Oberglogau Gnesen (poln Gniezno) 322, 358 Gniezno → Gnesen Gnojna → Olbendorf Godzięcin → Thiergarten Goldberg in Schlesien (poln. Złotoryja) 11, 15, 30, 32, 41, 107, 132, 170, 274, 281, 300, 302, 326 Goldenstein (tsch. Koldštýn) 195 Góra → Guhrau Górka → Gorkau Gorkau (poln. Górka, Sobótka-Górka) 339 Görlitz (poln. Zgorzelec) 46, 50f., 124, 162, 165, 213, 235, 340

Eger (tsch. Cheb) 78 Eisemost (poln. Żelazny Most) 184 Elbing (poln. Elbląg) 148f., 154, 317, 326

Falkenberg (poln. Niemodlin) 17, 120, 166, 319 Firenze → Florenz Florenz (ital. Firenze) 342 Frankenstein (poln. Ząbkowice Śląskie) 15f., 189, 249 Frankfurt a. d. Oder 302, 334 Frankfurt a. Main 70, 133 Fraustadt (poln. Wschowa) 80, 100, 113, 184, 198 Freiberg 143, 188 Freiburg in Schlesien (poln. Świebodzice) 129, 170 Freudenthal (tsch. Bruntál) 195 Freystadt in Schlesien (poln. Kożuchów) 3, 36f., 260 Friedeberg a. Queis (poln. Mirsk) 238, 267 Fünfkirchen (ungar. Pécs) 87

Ortsregister

Gościszów → Gießmannsdorf Gottorf 76 Greiffenberg in Schlesien (poln. Gryfów Śląski) 187, 190f., 230, 243, 253f. Greiffenstein (poln. Gryf ) 254 Grimnitz 335 Gröditzberg (poln. Grodziec) 258 Grodków → Grottkau Grodziec → Gröditzberg Groß Bresa (poln. Brzezina) 17, 252f. Groß Kauer (poln. Kurów Wielki) 107 Groß Krichen (poln. Krzeczyn Wielki) Groß Osten (poln. Osetno) 272, 293f. Groß Strehlitz (poln. Strzelce Opolskie) 102 Groß Tschirnau (poln. Czernina) 272f., 275, 289f., 294, 297 Groß Wartenberg (ehem. Polnisch Wartenberg, poln. Syców) 171, 322 Großenborau (poln. Borów Wielki) 190, 230, 282, 297, 299, 301 Grottkau (poln. Grodków) 4f., 23 Grüssau (poln. Krzeszów) 33, 41, 47–50, 56, 58, 62–64, 371 Gryf → Greiffenstein Gryfów Śląski → Greiffenberg in Schlesien Guhrau (poln. Góra) 42, 113, 121, 184, 229, 272f., 290, 293f., 297 Güstrow 73f. Habelschwerdt (poln. Bystrzyca Kłodzka) 239, 268 Halle a. d. Saale 33, 37, 84 Hamburg 165 Hartmannsdorf (poln. Jaczków) 243, 251, 281, 285, 287, 290f., 293f. Haynau (poln. Chojnów) 32, 187, 272, 275 Heidelberg 303 Heilbronn 27 Heinrichau (poln. Henryków) 47, 55f., 58 Henryków → Heinrichau Herborn 310

413

Herrnprotsch (poln. Pracze Odrzańskie, Wrocław-Pracze Odrzańskie) 239 Herrnstadt (poln. Wąsosz) 32, 238 Herwigsdorf (poln. Stypułów) 244 Hirschberg (poln. Jelenia Góra) 35–38, 41, 143, 229, 239, 249, 259, 299 Hochkirch (poln. Kościelec) 51, 53 Hohenfriedeberg (poln. Dobromierz) 14, 250 Hohenliebenthal (poln. Lubiechowa) 281, 288 Ingolstadt 81 Jaczków → Hartmannsdorf Jägerndorf (tsch. Krnov) 6, 17, 237 Jauer (poln. Jawor) 7, 12, 14, 27–28, 30, 32, 34, 62f., 104, 107f., 111, 187, 194, 196f., 250f., 256–258, 260, 291, 293, 296–299 Jawor → Jauer Jelenia Góra → Hirschberg Jena 306 Jordanów Śląski → Jordansmühl Jordansmühl (poln. Jordanów Śląski) 117 Juliusburg (poln. Dobroszyce) 197 Kaliningrad → Königsberg Kamenz in Schlesien (poln. Kamieniec Ząbkowicki) 47, 56f. Kamienica → Kamitz Kamieniec Ząbkowicki → Kamenz in Schlesien Kamienna Góra → Landeshut Kamitz (poln. Kamienica) 101 Karschau (poln. Karszów) 117 Karszów → Karschau Katowice → Kattowitz Kattowitz (poln. Katowice) 323f., 327 Kauder (poln. Kłaczyna) 293f. Kitzingen 131 Kłaczyna → Kauder Klemzig (poln. Klępsk) 214f., 225 Klępsk → Klemzig Kliczków → Klitschdorf

414

Anhang

Klitschdorf (poln. Kliczków) 75, 252 Kłodzko → Glatz Kluczbork → Kreuzburg Knurow (poln. Knurów) 101 Knurów → Knurow Köben a. d. Oder (poln. Chobienia) 54, 115, 183f. Koldštýn → Goldenstein Köln 45, 88 Komorzno → Reinersdorf Konotop → Kontopp Kontopp (poln. Konotop) 299 Kondratów → Konradswaldau Königsberg (russ. Kaliningrad) 78, 192 Konradswaldau (poln. Kondratów) 9, 107 Kórnik → Kurnik Koschmin (poln. Koźmin Wielkopolski) 331–333 Kościelec → Hochkirch Köthen 265 Kotzenau (poln. Chocianów) 258 Koźmin Wielkopolski → Koschmin Kożuchów → Freystadt in Schlesien Krakau (poln. Kraków) 31, 81, 131, 141, 159, 188, 320, 323, 325, 334, 356, 358, 362, 367, 369, 373 Kraków → Krakau Kraschen (Kreis Guhrau, poln. Chróścina) 273 Kraschen (Kreis Namslau, poln. Krasowice) 240 Krasowice → Kraschen Kreisewitz (poln. Krzyżowice) 9 Kreuzburg (poln. Kluczbork) 10, 32, 109f., 122f., 319 Kriegheide (poln. Pogorzeliska) 258f. Krnov → Jägerndorf Kromolin → Schönau Krzeczyn Wielki → Groß Krichen Krzeszów → Grüssau Krzyżowice → Kreisewitz Kujau (poln. Kujawy) 166 Kujawy → Kujau Kurnik (poln. Kórnik) 146, 345, 368 Kurów Wielki → Groß Kauer

Kynast (poln. Chojnik) 254 Ląd 55 Lähn (poln. Wleń) 129 Landeshut (poln. Kamienna Góra) 36f., 41, 183, 239, 241, 260, 268, 294 Langenau (poln. Czernica) 244, 252 Langhellwigsdorf (poln. Pogwizdów) 108, 222, 249f. Lauban (poln. Lubań) 97, 131 Legnica → Liegnitz Legnickie Pole → Wahlstatt Leiden 302, 304f., 307, 311 Leipzig 75f., 113, 121, 133, 138, 183, 302–304, 306f., 312, 315, 347 Leszno → Lissa Leubus (poln. Lubiąż) 46f., 54–61, 210 Lewin Brzeski → Löwen Liebersdorf (poln. Lubomin) 239 Liegnitz (poln. Legnica) 3, 7, 11, 17, 28, 32, 34, 41–43, 51–54, 57–59, 61, 65, 67, 70, 72, 75, 99f., 104, 124, 126– 128, 138, 141, 161, 170f., 174–176, 178–180, 183, 187, 196f., 203–210, 212f., 220–223, 225f., 228f., 236–238, 240, 247f., 258f., 264, 270–291, 293– 297, 300–302, 317, 326, 329, 334, 357–360, 362–364, 366, 371f. Lissa (ehem. Polnisch Lissa, poln. Leszno) 163, 294 Lobris (poln. Luboradz) 297–299, 301 Łomnica → Lomnitz Lomnitz (poln. Łomnica) 101 Löwen (poln. Lewin Brzeski) 15, 17, 72f., 243 Löwenberg (poln. Lwówek Śląski) 15, 132, 170, 229, 236, 294 Lubań → Lauban Lüben (poln. Lubin) 11, 32, 129, 173, 180, 259, 283, 297 Lubiąż → Leubus Lubiechowa → Hohenliebenthal Lubin → Lüben Lubomin → Liebersdorf Luboradz → Lobris

Ortsregister

Lugano 264, 266 Lwówek Śląski → Löwenberg Madrid 143, 149, 151, 326, 342–344 Magdeburg 334 Mailand (ital. Milano) 358 Mainz 43 Makowice → Schwengfeld Malbork → Marienburg Marburg a. d. Lahn 303 Marienburg (poln. Malbork) 147, 149, 154, 326, 345 Masłów → Massel Massel (poln. Masłów) 244, 288 Mechwitz (poln. Miechowice Oławskie) 115 Medzibor → Neumittelwalde Meißen 359 Merseburg 308 Mertschütz (poln. Mierczyce) 170 Meseritz (poln. Międzyrzecz) 368f. Messelhausen 295 Michałów → Michelau Michelau (poln. Michałów) 57, 248 Miechowice Oławskie → Mechwitz Międzybórz → Neumittelwalde Międzyrzecz → Meseritz Mierczyce → Mertschütz Mieszkowice → Dittmannsdorf Milano → Mailand Milicz → Militsch Militsch (poln. Milicz) 36f., 102–104, 106, 169, 171f., 186, 195f., 198, 203, 260, 319, 322 Miłoradzice → Mühlrädlitz Mirsk → Friedeberg a. Queis Młodoszowice → Zindel Mnichovo Hradiště → Münchengrätz Mojęcice → Mondschütz Mondschütz (poln. Mojęcice) 54, 190, 230, 241, 278–280, 285–288, 290f., 294 Mühlrädlitz (poln. Miłoradzice) 259 Münchengrätz (tsch. Mnichovo Hradiště) 145

415

Münster/Westf. 7, 29, 326, 342 Münsterberg (poln. Ziębice) 5, 174–176, 189, 203f., 206, 227, 229, 248f. Muskau 102f., 235 Mysłów → Seitendorf Namslau (poln. Namysłów) 77, 146, 240, 345f. Namysłów → Namslau Naumburg 359 Naumburg a. Bober (poln. Nowogród Bobrzański) 171, 173 Naumburg a. Queis (poln. Nowogrodziec) 68 Neisse (poln. Nysa) 4f., 20, 22–24, 68, 81, 271, 274, 283f., 288, 297, 334 Neuburg a. d. Donau 42, 334 Neudorf a. Gröditzberge (poln. Nowa Wieś Grodziska) 38, 258f. Neukirch (poln. Nowy Kościół) 11 Neuland (poln. Niwnice) 235 Neumarkt in Schlesien (poln. Środa Śląska) 195, 202, 293f. Neumittelwalde (ehem. Medzibor, poln. Międzybórz) 178 Neusalz (poln. Nowa Sól) 281f., 294, 297, 299 Nieder Baumgarten (poln. Sady Dolne) 250, 299 Niedźwiedzica → Bärsdorf Niemcza → Nimptsch Niemodlin → Falkenberg Niemysłowice → Buchelsdorf Nimptsch (poln. Niemcza) 32, 173, 265 Niwnice → Neuland Nowa Sól → Neusalz Nowa Wieś Grodziska → Neudorf a. Gröditzberge Nowogród Bobrzański → Naumburg a. Bober Nowogrodziec → Naumburg a. Queis Nowy Kościół → Neukirch Nürnberg 170, 213, 259, 306 Nysa → Neisse

416 Ober Gläsersdorf (poln. Szklary Górne) 108, 180, 187, 190, 241, 248, 283, 297 Oberglogau (poln. Głogówek) 315, 324 Oels (poln. Oleśnica) 7, 11, 29, 57, 93, 102, 104, 106, 117f., 141, 143, 166, 169, 174–176, 178, 183, 189, 196, 199, 202–210, 213, 220, 227, 239, 247f., 283, 319f., 322 Ogrodzon (poln. Ogrodzona) 243 Ogrodzona → Ogrodzon Ohlau (poln. Oława) 11, 32, 61, 115, 165, 179, 238, 262–264, 266–270, 315, 360, 371 Oława → Ohlau Olbendorf (poln. Gnojna) 114 Oleśnica → Oels Olmütz (tsch. Olomouc) 5 Olomouc → Olmütz Oltaschin (poln. Ołtaszyn, WrocławOłtaszyn) 332f., 335–341 Ołtaszyn → Oltaschin Opava → Troppau Opole → Oppeln Oppeln (poln. Opole) 59f., 166, 315, 327, 339 Oppenheim 165 Osetno → Groß Osten Osnabrück 7, 29, 326, 342 Ottendorf (poln. Przecław) 244 Paczków → Patschkau Padova → Padua Padua (ital. Padova) 133 Pakosław 369 Parchwitz (poln. Prochowice) 32, 173 Paris 256, 303, 342, 349, 351f. Patschkau (poln. Paczków) 21 Pécs → Fünfkirchen Peiskretscham (poln. Pyskowice) 101 Penig 299 Pielgrzymka → Pilgramsdorf Piersno → Pirschen Pilgramsdorf (poln. Pielgrzymka) 258 Pirna 143

Anhang

Pirschen (poln. Piersno) 189 Pitschen (poln. Byczyna) 32, 319 Plagwitz (poln. Płakowice) 275 Płakowice → Plagwitz Płock 329 Pogorzeliska → Kriegheide Pogwizdów → Langhellwigsdorf Polnisch Lissa → Lissa Polnisch Wartenberg → Groß Wartenberg Popęszyce → Poppschütz Poppschütz (poln. Popęszyce) 294 Posen (poln. Poznań) 145f., 274, 323, 333, 335, 340, 354–356, 366–372 Poznań → Posen Pracze Odrzańskie → Herrnprotsch Prag (tsch. Praha) 7, 27, 30, 56, 58, 144f., 151, 165, 238, 267, 334, 345, 356 Praha → Prag Prieborn (poln. Przeworno) 243 Prießnitz 222 Proboszczów → Probsthain Probsthain (poln. Proboszczów) 30, 258 Prochowice → Parchwitz Przecław → Ottendorf Przeworno → Prieborn Pyskowice → Peiskretscham Queitsch → Altenburg Racibórz → Ratibor Radzików → Rudelsdorf Ratibor (poln. Racibórz) 60, 315, 324 Raudten (poln. Rudna) 32, 184 Rawicz → Rawitsch Rawitsch (poln. Rawicz) 369 Reichenbach (poln. Dzierżoniów) 102, 229, 239, 243f., 248, 268 Reichenstein (poln. Złoty Stok) 25, 171 Reinersdorf (poln. Komorzno) 110 Reisen (poln. Rydzyna) 368 Reval (estn. Tallinn) 35, 259, 315 Rochlitz 131 Rohnstock (poln. Roztoka) 282, 288f. Rom (ital. Roma) 31, 312, 322

Ortsregister

Roma → Rom Rosochata → Seifersdorf Rothsürben (poln. Żórawina) 102f., 111, 187, 238, 241, 244, 252–254 Roztoka → Rohnstock Rudelsdorf (poln. Radzików) 130 Rudna → Raudten Rudolfswaldau (poln. Sierpnice) 239 Rydzyna → Reisen Sady Dolne → Nieder Baumgarten Sagan (poln. Żagań) 9, 22, 36f., 134, 187, 237, 260 Schedlau (poln. Szydłowiec Śląski) 17, 120, 129, 166, 239, 241, 243, 249 Schildau (poln. Wojanów) 299 Schimischow (poln. Szymiszów) 239 Schleswig 289 Schmalkalden 76 Schmellwitz (Kreis Neumarkt, poln. Chmielów) 293 Schmellwitz (Landkreis Schweidnitz, poln. Śmiałowice) 189 Schmiegel (poln. Śmigiel) 80 Schönau (poln. Kromolin) 107, 299 Schönau a. d. Katzbach (poln. Świerzawa) 15 Schosnitz (poln. Sośnica) 129, 189, 292f. Schweidnitz (poln. Świdnica) 3, 7, 19, 27–30, 34, 39, 43, 56, 62f., 83, 104, 112f., 146, 170, 172, 187, 195, 202f., 229, 257f., 282, 328 Schweinhaus (poln. Świny) 239 Schwengfeld (poln. Makowice) 19, 243 Ścinawa → Steinau a. d. Oder Seifersdorf (poln. Rosochata) 278, 280, 285, 287, 289f., 294 Seitendorf (poln. Mysłów) 243 Seitsch (poln. Siciny) 42 Siciny → Seitsch Siedlce → Zedlitz Siedlisko → Carolath Sierpnice → Rudolfswaldau Siewierz 320 Śmiałowice → Schmellwitz

417

Śmigiel → Schmiegel Sobota → Zobten a. Bober Sobótka → Zobten a. Berge Sobótka–Górka → Gorkau Sorau (poln. Żary) 161 Sośnica → Schosnitz Sprottau (poln. Szprotawa) 50, 162, 165, 340 Środa Śląska → Neumarkt in Schlesien Stara Kamienica → Altkemnitz Stary Zamek → Altenburg Steinau a. d. Oder (poln. Ścinawa) 32, 215 Sternberg (tsch. Šternberk) 189 Šternberk → Sternberg Stockholm 35, 37 Strasbourg → Straßburg Straßburg (frz. Strasbourg) 78 Strehlen (poln. Strzelin) 70, 114, 262f. Striegau (poln. Strzegom) 62 Striese (poln. Strzeszów) 108, 253 Strzegom → Striegau Strzelce Opolskie → Groß Strehlitz Strzelin → Strehlen Strzeszów → Striese Stuttgart 76 Stypułów → Herwigsdorf Suhlau (poln. Sułów) 195, 198 Sulechów → Züllichau Sułów → Suhlau Świdnica → Schweidnitz Świebodzice → Freiburg in Schlesien Świerzawa → Schönau a. d. Katzbach Świny → Schweinhaus Syców → Groß Wartenberg Szklary Górne → Ober Gläsersdorf Szprotawa → Sprottau Szydłowiec Śląski → Schedlau Szymiszów → Schimischow Tallinn → Reval Teschen (poln. Cieszyn, tsch. Těšín) 36f., 65, 106, 120, 169–171, 174, 195, 199, 243, 260f. Těšín → Teschen

418

Anhang

Thiergarten (poln. Godzięcin) 228 Thorn (poln. Toruń) 80, 148, 317, 326 Torgau 76 Toruń → Thorn Trachenberg (poln. Żmigród) 322 Trebnitz (poln. Trzebnica) 56f., 62, 67, 131, 137, 139f., 210, 288, 323 Trento → Trient Triebel (poln. Trzebiel) 161 Trient (ital. Trento) 4, 21, 23f., 30, 223 Trier 43, 312 Troppau (tsch. Opava) 5, 169, 260 Trzebiel → Triebel Trzebnica → Trebnitz Tschenstochau (poln. Częstochowa) 324 Tübingen 81 Twardawa 101 Ujazd → Ujest Ujest (poln. Ujazd) 102 Venedig (ital. Venezia) 311 Venezia → Venedig Vielgut (poln. Zbytowa) 102 Viterbo 131 Wahlstatt (poln. Legnickie Pole) 42f. Wałbrzych → Waldenburg Waldenburg (poln. Wałbrzych) 281 Waldenburg in Sachsen 295, 299 Warmbrunn (poln. Cieplice Śląskie) 63, 80 Warschau (poln. Warszawa) 46, 147f., 228, 316, 332, 368, 372f. Warszawa → Warschau Wąsosz → Herrnstadt Weimar 11 Wien 30, 33, 42, 60, 81, 359 Wilkau (poln. Wilków) 163 Wilków → Wilkau Wińsko → Winzig Winzig (poln. Wińsko) 32 Wischütz (poln. Wyszęcice) 247

Wismar 315 Wittenberg 3, 11, 78, 81f., 100, 115, 125, 133, 168, 213, 288, 302, 347 Wleń → Lähn Wohlau (poln. Wołów) 7, 28, 32, 34, 54, 58, 65, 225f., 228, 236f., 279f., 356, 359 Wojanów → Schildau Wolbromek → Wolmsdorf Wolfenbüttel 307–309 Wolmsdorf (poln. Wolbromek) 129 Wołów → Wohlau Wrocław → Breslau Wrocław-Ołtaszyn → Oltaschin Wrocław-Pracze Odrzańskie → Herrnprotsch Wschowa → Fraustadt Wyszęcice → Wischütz Ząbkowice Śląskie → Frankenstein Żagań → Sagan Zagreb 315 Żary → Sorau Zbąszyń → Bentschen Zbytowa → Vielgut Zedlitz (poln. Siedlce) 253 Żelazny Most → Eisemost Zerbst 265 Zgorzelec → Görlitz Ziębice → Münsterberg Zindel (poln. Młodoszowice) 115 Złotoryja → Goldberg in Schlesien Złoty Stok → Reichenstein Żmigród → Trachenberg Zobten a. Berge (Landkreis Breslau, poln. Sobótka) 75, 339, 366 Zobten a. Bober (Kreis Löwenberg, poln. Sobota) 132 Zobten-Gorkau → Gorkau Żórawina → Rothsürben Züllichau (poln. Sulechów) 214 Zwickau 295, 299