Schwermetallanalysen: Die musikalische Sprache des Heavy Metal [1. Aufl.] 9783839415764

The attraction of heavy metal has gone unbroken for 40 years. »Metal«, despite, or perhaps because of, its often ambival

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Schwermetallanalysen: Die musikalische Sprache des Heavy Metal [1. Aufl.]
 9783839415764

Table of contents :
INHALT
I. Einleitung
Danksagung
II. Theoretische Überlegungen zur musikalischen Sprache eines Musikstils - komplexe musikalische Äußerungen im Traditionsstrom
Der Traditionsstrom als Reservoir des momentan verfügbaren Wissens
Verschiedene Arten des Zugriffs auf den Traditionsstrom: Erwartungshorizont und Kompositionsmodell
Bakhtins endlose Kette der Äußerungen
Die Bedeutung des Klangs – zum Verhältnis von Musik und Sprache
Das Werk als Äußerung im Dialog
Heavy Metal als Schichtung komplexer Äußerungen
Heavy Metal als Genre und/oder Stil
Der Formverbrauchseffekt – „das ist kein Metal mehr“
Zusammenfassung
III. Heavy Metal in der Literatur
Die soziologische Beschäftigung mit der Kulturwelt, Szene oder Subkultur Heavy Metal
Eine kurze Genregeschichte
Heavy Metal als Musikstil
Zusammenfassung
IV. Methodik
Zur Konzentration auf Tonträger
Drei sich ergänzende Zugänge zum Traditionsstrom
Zugang 1: Die Stichprobe
Zugang 2: Musikalische Assoziationen
Zugang 3: Zufallsstichprobe
Methodik der musikalischen Analyse
V. Die Auswertung der Stichprobe
Nationale Herkunftsverteilung
Die herausgehobenen Bands
Herkunftsverteilung der herausgehobenen Bands
Die herausgehobenen Alben I
Zeitliche Verteilung – die herausgehobenen Alben II
Fazit der Auswertung
VI. Musikalische Analysen
1. Heavy (Metal) – die Erweiterung des Blues Rock und die Vereinfachung des Progressive Rock: Black Sabbath
Black Sabbath in der Auswertung
Bandbiographie
Black Sabbath mit Ozzy Osbourne – Instrumentierung, Komposition, Produktion
Die Klangfarbe – zur Dominanz verzerrter Gitarren
Die formale Struktur der komplexen Äußerungen
Paralleles Ensemblespiel
Das Gitarrenriff als komplexe musikalische Äußerung
Die unverzerrte Klangfarbe – Akkordbrechungen und Einleitungen
Die Emanzipation vom Backbeat – das Schlagzeugspiel auf Black Sabbath und Paranoid
Der Beginn einer musikalischen Sprache des Heavy Metal
Black Sabbath mit Ronnie James Dio – Unterschiede und Gemeinsamkeiten
2. Classic Metal I – das Zurückdrängen des Blues Rock- und Progressive Rock-Einflusses: Judas Priest
Judas Priest in der Auswertung
Bandbiographie und Imagewechsel
Judas Priest mit Rob Halford – Instrumentierung, Komposition, Produktion
Die ‚Metallisierung‘ der Klangfarbe I – die Ausdünnung der Mitten
‚Scream For Me‘ – zur Wichtigkeit des Schreis im Traditionsstrom des Heavy Metal
Die formale Struktur der komplexen Äußerungen
Die Aufwertung des Pulses im Ensemblespiel
‚Metrische Ketten‘ – die Reihung von Gruppen von Pulsen zu Gitarrenriffs
Pulsbasiertes Instrumentalspiel
Das Ensemblespiel mit zwei Gitarren – Möglichkeiten und Beschränkungen
Eine erste Ausdifferenzierung einer musikalischen Sprache des Heavy Metal
3. Harter Rock’n’Roll – vom parallelen Leben des Blues-Einflusses: AC/DC, Guns N’Roses, Motörhead
AC/DC, Guns N’Roses und Motörhead in der Auswertung
Bandbiographien
Instrumentierung, Komposition, Produktion
Die Klangfarbe – verschiedene Möglichkeiten klanglicher Authentizität
Die formale Struktur der komplexen Äußerungen
Rhythmisches Ensemblespiel
Die Nutzung der musikalischen Sprache des Heavy Metal als Verzierung
4. Classic Metal II – die Wiederkehr des Progressive Rock-Einflusses: Iron Maiden
Iron Maiden in der Auswertung
Bandbiographie
Instrumentierung, Komposition, Produktion
Reproduzierbarkeit
Die formale Struktur der komplexen Äußerungen
Pulsbasiertes Ensemblespiel
Echos des Progressive Rock im Traditionsstrom des Heavy Metal
Paralleles Ensemblespiel
Die Ausformulierung des Breakdowns
zwischen ‚Folk‘- und ‚Klassik‘-Einflüssen
Die Ausformulierung der musikalischen Sprache des Heavy Metal
5. (Heavy) Metal – auf dem Weg zum Extreme Metal: Metallica, Megadeth, Slayer
Metallica, Slayer und Megadeth in der Auswertung
Bandbiographien
Instrumentierung, Komposition, Produktion
Die ‚Metallisierung‘ der Klangfarbe III – die Lust an der Verzerrung
Die formale Struktur der komplexen Äußerungen
Rhythmisches Ensemblespiel
Pulsbasierte Gitarrenriffs
‚Twin Guitars‘ und solistische Äußerungen
Schichtungen des Pulses im Schlagzeugspiel
Breakdowns
Paralleles Ensemblespiel
Die Weiterentwicklung der musikalischen Sprache des Heavy Metal in Richtung Extreme Metal
VII. Die Zufallsstichprobe
Die ausgewählten Stücke
Die formale Struktur der ausgewählten Stücke
Deadlock, „The Brave/Agony Applause
Edguy, „Ministry Of Saints“
Legion Of The Damned, „Cult Of The Dead“
Trivium, „Down From The Sky“
Fazit der Zufallsstichprobe
VIII. Schlussbetrachtung
Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
Die virtuose Kontrolle der (Ohn-)Macht – Ansätze zur Interpretation der Analyseergebnisse
Diskussion der Ergebnisse und Ausblick
Literatur- und Quellenverzeichnis
Bibliografie
Diskografie
Filmografie
Zeitschriften
Anhang
Legende für die Tabellen zur formalen Struktur
Legende für die Transkriptionen
Glossar der verwendeten tontechnischen Begriffe
Alphabetische Liste der für die Stichprobe verwendeten Quellen und Listen (Stichtag 30.5.2006)
Die 100 (+14) meistgenannten Alben der Stichprobe

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Dietmar Elflein Schwermetallanalysen

texte zur populären musik 6 Herausgegeben von Winfried Pape und Mechthild von Schoenebeck

Dietmar Elflein ist Musikwissenschaftler an der TU Braunschweig. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Geschichte, Ethnografie, Soziologie und Analyse populärer Musik und urbaner Musikkulturen.

Dietmar Elflein Schwermetallanalysen. Die musikalische Sprache des Heavy Metal

Diese Publikation wurde gefördert durch Unterstützung der DFG.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Ekilic. / photocase.com Satz: Dietmar Elflein Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1576-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

INHALT I. Einleitung Danksagung II. Theoretische Überlegungen zur musikalischen Sprache eines Musikstils - komplexe musikalische Äußerungen im Traditionsstrom Der Traditionsstrom als Reservoir des momentan verfügbaren Wissens Verschiedene Arten des Zugriffs auf den Traditionsstrom: Erwartungshorizont und Kompositionsmodell Bakhtins endlose Kette der Äußerungen Die Bedeutung des Klangs – zum Verhältnis von Musik und Sprache Das Werk als Äußerung im Dialog Heavy Metal als Schichtung komplexer Äußerungen Heavy Metal als Genre und/oder Stil Der Formverbrauchseffekt – „das ist kein Metal mehr“ Zusammenfassung

9 14

15 15 23 25 26 28 30 31 34 36

III. Heavy Metal in der Literatur Die soziologische Beschäftigung mit der Kulturwelt, Szene oder Subkultur Heavy Metal Eine kurze Genregeschichte Heavy Metal als Musikstil Zusammenfassung

39

IV. Methodik Zur Konzentration auf Tonträger Drei sich ergänzende Zugänge zum Traditionsstrom Zugang 1: Die Stichprobe Zugang 2: Musikalische Assoziationen Zugang 3: Zufallsstichprobe Methodik der musikalischen Analyse

59 59 61 62 66 68 69

V. Die Auswertung der Stichprobe Nationale Herkunftsverteilung Die herausgehobenen Bands Herkunftsverteilung der herausgehobenen Bands

79 79 81 85

39 43 46 57

Die herausgehobenen Alben I Zeitliche Verteilung – die herausgehobenen Alben II Fazit der Auswertung

VI. Musikalische Analysen 1. Heavy (Metal) – die Erweiterung des Blues Rock und die Vereinfachung des Progressive Rock: Black Sabbath Black Sabbath in der Auswertung Bandbiographie Black Sabbath mit Ozzy Osbourne – Instrumentierung, Komposition, Produktion Die Klangfarbe – zur Dominanz verzerrter Gitarren Die formale Struktur der komplexen Äußerungen Paralleles Ensemblespiel Das Gitarrenriff als komplexe musikalische Äußerung Die unverzerrte Klangfarbe – Akkordbrechungen und Einleitungen Die Emanzipation vom Backbeat – das Schlagzeugspiel auf Black Sabbath und Paranoid Der Beginn einer musikalischen Sprache des Heavy Metal Black Sabbath mit Ronnie James Dio – Unterschiede und Gemeinsamkeiten 2. Classic Metal I – das Zurückdrängen des Blues Rock- und Progressive Rock-Einflusses: Judas Priest Judas Priest in der Auswertung Bandbiographie und Imagewechsel Judas Priest mit Rob Halford – Instrumentierung, Komposition, Produktion Die ‚Metallisierung‘ der Klangfarbe I – die Ausdünnung der Mitten ‚Scream For Me‘ – zur Wichtigkeit des Schreis im Traditionsstrom des Heavy Metal Die formale Struktur der komplexen Äußerungen Die Aufwertung des Pulses im Ensemblespiel ‚Metrische Ketten‘ – die Reihung von Gruppen von Pulsen zu Gitarrenriffs Pulsbasiertes Instrumentalspiel Das Ensemblespiel mit zwei Gitarren – Möglichkeiten und Beschränkungen Eine erste Ausdifferenzierung einer musikalischen Sprache des Heavy Metal

86 90 95 97 97 97 99 101 102 103 114 118 124 127 131 133 135 135 136 138 139 141 144 153 159 162 167 169

3. Harter Rock’n’Roll – vom parallelen Leben des Blues-Einflusses: AC/DC, Guns N’Roses, Motörhead AC/DC, Guns N’Roses und Motörhead in der Auswertung Bandbiographien Instrumentierung, Komposition, Produktion Die Klangfarbe – verschiedene Möglichkeiten klanglicher Authentizität Die formale Struktur der komplexen Äußerungen Rhythmisches Ensemblespiel Die Nutzung der musikalischen Sprache des Heavy Metal als Verzierung 4. Classic Metal II – die Wiederkehr des Progressive Rock-Einflusses: Iron Maiden Iron Maiden in der Auswertung Bandbiographie Instrumentierung, Komposition, Produktion Die ‚Metallisierung‘ der Klangfarbe II – die Hörbarkeit spieltechnischer Details und die Notwendigkeit ihrer potentiellen Reproduzierbarkeit Die formale Struktur der komplexen Äußerungen Pulsbasiertes Ensemblespiel Echos des Progressive Rock im Traditionsstrom des Heavy Metal Paralleles Ensemblespiel Die Ausformulierung des Breakdowns ‚Twin Guitars‘ – zweistimmige Gitarrenmelodien zwischen ‚Folk‘- und ‚Klassik‘-Einflüssen Die Ausformulierung der musikalischen Sprache des Heavy Metal 5. (Heavy) Metal – auf dem Weg zum Extreme Metal: Metallica, Megadeth, Slayer Metallica, Slayer und Megadeth in der Auswertung Bandbiographien Instrumentierung, Komposition, Produktion Die ‚Metallisierung‘ der Klangfarbe III – die Lust an der Verzerrung Die formale Struktur der komplexen Äußerungen Rhythmisches Ensemblespiel Pulsbasierte Gitarrenriffs ‚Twin Guitars‘ und solistische Äußerungen Schichtungen des Pulses im Schlagzeugspiel Breakdowns Paralleles Ensemblespiel

173 173 175 178 180 183 188 203 205 205 206 207

209 211 219 225 231 231 235 239 243 243 245 248 250 252 268 273 279 280 285 286

Die Weiterentwicklung der musikalischen Sprache des Heavy Metal in Richtung Extreme Metal

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VII. Die Zufallsstichprobe Die ausgewählten Stücke Die formale Struktur der ausgewählten Stücke Deadlock, „The Brave/Agony Applause Edguy, „Ministry Of Saints“ Legion Of The Damned, „Cult Of The Dead“ Trivium, „Down From The Sky“ Fazit der Zufallsstichprobe

291 291 291 292 294 295 297 298

VIII. Schlussbetrachtung Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse Die virtuose Kontrolle der (Ohn-)Macht – Ansätze zur Interpretation der Analyseergebnisse Diskussion der Ergebnisse und Ausblick

299 299

Literatur- und Quellenverzeichnis Bibliografie Diskografie Filmografie Zeitschriften

313 313 329 343 345

Anhang Legende für die Tabellen zur formalen Struktur Legende für die Transkriptionen Glossar der verwendeten tontechnischen Begriffe Alphabetische Liste der für die Stichprobe verwendeten Quellen und Listen (Stichtag 30.5.2006) Die 100 (+14) meistgenannten Alben der Stichprobe

347 347 349 350

306 310

353 356

I. E I N L E I T U N G Black Metal, Hard Core, Straight Edge, Hip Hop, Techno, Eurodance, Schlager, Alternative Country, Indie Rock... Jeder dieser Begriffe löst unter anderem musikalische Assoziationen aus, die sich zumindest potentiell voneinander unterscheiden. Ich erwarte nahezu zwingend, dass ein Techno Track bestimmte rhythmische, harmonische und klangliche Qualitäten sowie einen spezifischen zeitlichen Ablauf hat. Und ich beachte bestimmte Regeln, wenn ich einen Hip Hop Beat programmiere. Die musikwissenschaftliche Analyse dieser Erwartungshorizonte und Kompositionsmodelle populärer Musikstile ist jedoch bisher aus unterschiedlichen Gründen vernachlässigt worden. Für viele Bereiche populärer Musikkultur existieren zwar Analysen einzelner Stücke oder Tonträger, diese suchen jedoch weniger nach dem stilistisch Verallgemeinerbaren als vielmehr das individuell Besondere. Zudem werden vor allem die tonalen Beziehungen populärer Musik durchleuchtet, während andere Bereiche musikalischer Formgebung bisher meist weniger Beachtung finden.1 Die vorliegende Untersuchung versucht diese Lücke für den stilistischen Bereich des Heavy Metal zu schließen. Das Erkenntnisinteresse liegt zum einen in der Analyse und Beschreibung der musikalischen Sprache eines Stils populärer Musik. Zum anderen konzentriert sich das analytische Interesse auf die im Rahmen der Popularmusikforschung bisher wenig untersuchten Bereiche des Ensemblespiels und der formalen Struktur. Damit soll auch die fortlaufende Diskussion um die Möglichkeiten angemessener Methoden zur musikalischen Analyse populärer Musik um einen Beitrag erweitert werden.2 Zentral für das Vorhaben ist deshalb die Suche nach einem geeigneten qualitativen Zugang zum Untersuchungsgegenstand. Dieser muss im Bereich der populären Musik mit ihrem permanent wachsenden Materialkorpus eine nachvollziehbare Beispielauswahl von verallgemeinerbarer Relevanz erlauben, um eine 1

2

Die Arbeit von Martin Pfleiderer (2006) zu Rhythmus in der populären Musik kann als möglicher Beginn einer Trendwende betrachtet werden. Sein analytisches Interesse hat seinen Schwerpunkt jedoch nicht in Bereichen rockmusikalischer Stilistik. Vgl. Berger 1999a, Brackett 1995, Covach 1997 und 2003, Helms 2002, Middleton 2000b, Moore (Hg.) 2003a, Pfleiderer 2008, Walser 2003 et.al.

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mit der Deduktion stilistischer Normen befasste musikanalytische Fragestellung überhaupt zu ermöglichen. Im Ergebnis soll eine Beschreibung der musikalischen Sprache eines Popularmusikstils entstehen. Heavy Metal weist für ein derartiges Vorhaben mehrere günstige Bedingungen auf. Er erscheint erstens als klar abgegrenztes Genre im Bereich der Populärmusik. Der britische Soziologe Keith Kahn-Harris geht so weit, dass er den mit Heavy Metal verbundenen Symbolen eine ikonische Position im Bereich populärer Kultur zuweist. „Mention the words ‚heavy metal‘ to someone even casually acquainted with contemporary popular music and you are likely to trigger some strong associations: long hair, headbanging, screaming vocals and guitars, outrageous behaviour and excess, over the top machismo, black leather. The semiotics of metal are so well known they have an almost iconic position in popular culture.“ (Kahn-Harris 2007: 1)

Zweitens ist Heavy Metal mit eher wenig kulturellem Kapital im Bereich der Popkultur ausgestattet und wird deshalb oft abschätzig beurteilt – zumindest in weiten Teilen seiner 40jährigen Existenz. Wissenschaftliche Autoren und Autorinnen wie Deena Weinstein (1991), Greg T. Pillsbury (2006) und Robert Walser (1993) nehmen in den Einleitungen ihrer Studien zu Heavy Metal Bezug auf diese Geringschätzung und versuchen sie auf unterschiedliche Art und Weisen zu widerlegen. Das Selbstbild der Fans als verschworene ausgegrenzte Gemeinschaft reagiert ebenfalls auf diese Zuschreibung. Im Widerspruch zu dieser Selbsteinschätzung zeigt sich Heavy Metal drittens als ein wichtiger Teil des Mainstreams der multinationalen Musikindustrie. Zum Zeitpunkt der Niederschrift dieser Einleitung ist Metallicas 2008 veröffentlichtes Album Death Magnetic für vier Grammys nominiert und hat in 32 Staaten Platz eins der Charts erreicht.3 Black Ice von AC/DC gilt als der meistverkaufte Tonträger des Jahres 2008 in Deutschland, obwohl das Album erst im Oktober dieses Jahres erschienen ist.4 Iron Maiden spielen auf ihrer „Somewhere Back In Time Tour“ 2008 und 2009 Konzerte in 38 Staaten. Viertens ist Heavy Metal als glokalisierter Musikstil5 immer auch regional verankert. So zeigt der Dokumentarfilm Global Metal (Dunn und McFayden 2008) die regionale Bedeutung von Heavy Metal in Brasilien, 3 4

5

http://www.euroinvestor.co.uk/news/shownewsstory.aspx?storyid=9983169, Zugriff am 3.2.2009 Pressemitteilung der Sony BMG Music Entertainment GmbH vom 23.1.2009. http://www.presseecho.de/kultur%20&%20unterhaltung/PR353880.htm. Zugriff am 2.2.2009 Vgl. Toynbee 2002: 158f

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I. EINLEITUNG

China, Dubai, Indien, Indonesien, Israel und Japan. Unabhängig von kurzfristigen Moden ist so fast weltweit ein starkes Potential an Käufern und aktiven Musikern vorhanden. Die mit Heavy Metal verbundene und unter anderem von Rainer DiazBone (2002) analysierte Kulturwelt zentriert sich fünftens um das Ereignis Musik. In Deutschland existiert eine funktionierende spezialisierte Infrastruktur von Magazinen, Treffpunkten und Plattenfirmen. Sechs Zeitschriften, die sich unterschiedlichen Teilbereichen des Heavy Metal widmen, erscheinen regelmäßig in deutscher Sprache.6 Je nach Quelle7 haben in Deutschland und im angrenzendem Ausland 2008 45 bis 53 größtenteils mehrtägige Heavy Metal Open Air Festivals stattgefunden. Das Wacken Open Air als größtes Festival seiner Art zieht alljährlich mittlerweile 70000 Besucher und Besucherinnen an. Heavy Metal ist damit gleichzeitig bekannt und unbekannt. Er erlebt als Musikstil und Kulturwelt seit den 1980er Jahren eine starke, auch widersprüchliche Binnendifferenzierung, beruht aber auf einer gemeinsamen Geschichte. Gerade die soziale Bedeutung von Heavy Metal ist in den verschiedenen glokalen Regionen durchaus unterschiedlich, während die Musik den Erwartungshorizont an Heavy Metal trotz durchaus möglicher regionaler Bezüge nicht verlässt. Sam Dunn und Scott McFayden (2008) verdeutlichen dies in ihrem bereits erwähntem Dokumentarfilm Global Metal. Es entsteht der Eindruck einer weltweit einheitlichen musikalischen Sprache des Heavy Metal, die regional unterschiedlich mit Bedeutung aufgeladen werden kann. Die Erforschung einer derartigen musikalischen Sprache eines Musikstils erfordert die Auswahl unterschiedlicher musikalischer Beispiele, deren aus der vergleichenden Analyse gewonnene Gemeinsamkeiten dann ein größeres Ganzes beschreiben sollen. Die im musikwissenschaftlichen Teilbereich der Popularmusikforschung beliebte Einzelanalyse von Musikstücken8 mit einer Tendenz zur Werkanalyse9 einer Band oder eines Künstlers reicht für die gewählte Aufgabe nicht aus. Die Methode der Auswahl des Samples ist daher von entscheidender Bedeutung, will man sich nicht dem gegenüber qualitativen Forschungsansätzen verbreiteten Vorwurf aussetzen, die Auswahl der zu bearbeitenden Daten, die Stichprobe, setze sich aus einer subjektiven Auswahl auf der Basis von Wissen und Geschmack des jeweiligen Forschers zusammen und die Forschungsergebnisse besäßen 6 7 8

9

Break Out, Heavy, Legacy, Metal Hammer, Rock Hard, Rock It Metal Hammer 05/2008, Rock Hard 252 Vgl. Berger 1999a und b, Brackett 1995, Covach und Boone (Hg.) 1997, Echard 1999, Everett (Hg.) 2000, Hawkins 2002, Middleton 2000a, Pieslack 2008, Tagg 1979 und 1991 Everett 1999 und 2001, Fast 2001, Moore 1997 und 2003b, Moore (Hg.) 2003a, Pillsbury 2006, Waksman 2004, Wilkinson 2006

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deshalb kaum verallgemeinerbare Relevanz.10 Der in den ersten beiden Abschnitten von Kapitel II dargelegte theoretische Ansatz beruft sich deshalb auf Konzepte der Erinnerungsforschung wie das kulturelle Gedächtnis als Grundlage für den Prozess der Datensammlung. Bietet das Sample eine nachvollziehbare Auswahl aus einem Bereich kollektiver oder sozialer Erinnerung, so kann eine verallgemeinerbare Relevanz der Forschungsergebnisse angenommen werden. Die Überprüfung der Übertragbarkeit dieser Konzepte auf den Bereich der Popularmusikforschung steht – im Gegensatz z.B. zur Literaturwissenschaft – noch am Anfang. Mein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Konzept des Traditionsstroms, der eine vom Kanon zu unterscheidende Art der Aufbewahrung dessen ‚was bleibt‘ beschreibt. Das Material der Erinnerungsforschung bilden symbolische Medien, die häufig als Texte generalisiert werden. Peter Wicke (2003: 211) beklagt in diesem Zusammenhang die oft unbefriedigende Übertragung des Textbegriffes auf Phänomene der Musik.11 In dieser Arbeit ist stattdessen die Rede von der Sprache eines Musikstils, eine Analogie, deren Statthaftigkeit ebenfalls einer Überprüfung bedarf. In den beiden folgenden Abschnitten von Kapitel II werden deshalb Ideen und Konzepte des russischen Literaturwissenschaftlers Mikhail Bakhtin12 angeführt, um Musikstücke als grundsätzlich miteinander im Dialog stehende komplexe Äußerungen zu begreifen. Jede musikalische Äußerung greift mittels Modellen wie dem Erwartungshorizont auf den verfügbaren Vorrat an Wissen im Traditionsstrom zu und erweitert diesen zumindest potentiell um ein neues Kompositionsmodell. Notwendig ist hierfür jedoch ein Verständnis des musikalischen Werkes, das nicht den (Noten-)Text in sein Zentrum stellt und im fünften Abschnitt von Kapitel II vorgestellt wird. Neuere Konzepte zur Ästhetik populärer Musik bieten hier interessante Anknüpfungspunkte.13 Musik im Allgemeinen und populäre Musik im Besonderen existieren nicht im luftleeren Raum, sondern als soziales Phänomen. Diese Arbeit richtet ihr Hauptaugenmerk jedoch auf die Analyse des klingenden Materials, dessen Ergebnis das Verständnis der musikalischen Sprache eines Musikstils sein soll. Es wird deshalb in den Kapitel II abschließenden Abschnitten für eine analytische Trennung von Musikstil und Musikgenre 10 Vgl. Flick, von Kardorff und Steinke 2000: 13-27. Bezogen auf Ansätze in der Forschung zu populärer Musik vgl. Berger 1999a: 14-18. 11 „Und so findet sich der Textbegriff im musikalischen Umfeld, trotz seiner Karriere, dann in den meisten Fällen eher metaphorisch gebraucht und hat, wie auch bei Moore, analytisch so gut wie keine Konsequenzen, sondern soll allenfalls zeigen, daß das Klanggeschehen irgendwie mit Bedeutungen zu tun hat, statt etwa leeres Arrangement formaler Klangmuster zu sein.“ (Wicke 2003: 121) 12 Ich verwende die englische Schreibweise Bakhtin anstelle des deutschen Bachtin, da ich mich ausschließlich auf englischsprachige Quellen berufe. 13 Vgl. Appen 2007, Gracyk 1996 und 2001, Rolle 2008.

12

I. EINLEITUNG

plädiert, bei der Genre als Konstrukt diskursiver und nicht diskursiver Praxen betrachtet wird, das jeweils auch auf Musikstile verweist und diese mit (sozialer) Bedeutung versehen kann. Kapitel III bietet einen Überblick über die verfügbare Literatur zu Heavy Metal unter musiksoziologischen, musikhistorischen und musikanalytischen Gesichtspunkten. Diaz-Bones (2002) Diskursanalyse der Kulturwelt Heavy Metal gilt im soziologischen Bereich die größte Aufmerksamkeit. Die Band und das Album werden als zentrale Elemente der Kulturwelt vorgestellt, die (sich) im Konzert authentifizieren bzw. authentifiziert werden. Musikhistorisch wird mit Weinstein (1991) und Allan Moore (1993) ein stilistisches Kontinuum von Hard Rock über Classic Metal zu Extreme Metal postuliert, das sich über die Ab- und Zunahme des Einflusses von Blues- und Progressive Rock herausbildet. Die Genregeschichte beginnt in den 1970er Jahren, erfährt ihre Kristallisierung am Ende des Jahrzehnts und differenziert sich seit Beginn der 1980er Jahre aus. Als musikanalytische Grundlagen gelten besonders die Forschungsergebnisse von Robert Walser (1993) und Harris M. Berger (1999a), die um Arbeiten zum Idiolekt einzelner Bands wie Metallica (Pillsbury 2006) und Black Sabbath (Wilkinson 2006) ergänzt werden. Die Wichtigkeit der Rhythmik für die musikalische Sprache des Heavy Metal wird in der Literatur allgemein betont, in der analytischen Praxis jedoch selten umgesetzt. Die Methodik der vorliegenden Untersuchung ist das Thema von Kapitel IV, das sich in der ersten Hälfte vor allem der Zusammenstellung des Samples widmet und in der zweiten Hälfte auf die Methodik der musikalischen Analyse eingeht. Drei sich ergänzende Zugänge zum Traditionsstrom werden vorgeschlagen, um eine verallgemeinerbare Relevanz der Untersuchungsergebnisse zu gewährleisten. In einem ersten Schritt wird eine Stichprobe aus ‚Best-Of‘-Listen unterschiedlichen Ursprungs nach unterschiedlichen Kriterien ausgewertet und anschließend um musikalische Assoziationen des Autors erweitert. Die so gewonnenen Analyseergebnisse werden in einem dritten Schritt mittels einer Zufallsstichprobe überprüft. Die Methodik der musikalischen Analyse beruht auf dem RegelAbweichungs-Modell, das der Deduktion stilistischer Normen dient. Im Blickpunkt des Interesses steht das Ensemblespiel, das wiederum um das zentrale repetitive Moment des Gitarrenriffs organisiert ist. Kapitel V präsentiert die Auswertungsergebnisse der Stichprobe. Die Bands und Tonträger des Samples werden nach den Kriterien nationale Zugehörigkeit der Band, Jahr(zehnt) der Erstveröffentlichung eines Tonträgers sowie der Häufigkeit ihres jeweils individuellen Vorkommens in der Stichprobe ausgewertet.

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Im Ergebnis entsteht eine Meta-Liste als einflussreich behaupteter Bands und Tonträger des Heavy Metal, die die Grundlage für die musikalischen Analysen in Kapitel VI bildet. Dieses in fünf chronologisch geordnete Abschnitte untergliederte Kapitel stellt den Kern der Untersuchung dar. Black Sabbath bilden den Schwerpunkt von Kapitel VI.1. Ergänzend werden Stücke von Deep Purple und Led Zeppelin formal analysiert. Kapitel VI.2 konzentriert sich auf die britische Band Judas Priest, Kapitel VI.3 auf AC/DC, Motörhead und Guns N’Roses. Die Beschäftigung mit Iron Maiden dominiert Kapitel VI.4, der um Betrachtungen zu ‚Prog Metal‘ und Progressive Rock erweitert ist. Im abschließenden Kapitel VI.5 stehen Metallica, Megadeth und Slayer im Mittelpunkt des analytischen Interesses. Der Aufbau dieser fünf Unterkapitel ist jeweils identisch. Er beginnt mit der Einordnung der Auswertungsergebnisse in die Band- und Stilgeschichte. Darauf folgen Informationen zu Besetzung, Instrumentierung, Produktion und Klang. Anschließend wird die formale Struktur der herausgehobenen Tonträger genau betrachtet, bevor Analysen des Ensemblespiels unter unterschiedlichen Gesichtspunkten erfolgen, die anhand kurzer ausschnittsweiser Transkriptionen verdeutlicht werden. Die eine musikalische Sprache des Heavy Metal konkretisierenden Untersuchungsergebnisse werden am Schluss jedes Abschnitts zusammengefasst. In Kapitel VII werden die Untersuchungsergebnisse zur musikalischen Sprache des Heavy Metal anhand der Zufallsstichprobe überprüft, bevor in Kapitel VIII die Ergebnisse zusammengefasst und abschließend diskutiert sowie Interpretationsansätze vorgestellt werden.

Danksagung Dieses Buch wäre ohne die bedingungslose Hilfe und Unterstützung meiner Lebenspartnerin Teresa Reuter nicht realisierbar gewesen. Danke! Meine Eltern Gerhard und Ruth Elflein haben mich ebenfalls in jeder ihnen möglichen Art unterstützt. Frau Prof’n. Dr. Erika Funk-Hennigs möchte ich herzlich für die kritische und konstruktive Begleitung der Arbeit danken. Mit Thomas ‚Punx‘ Breckl, Dr. Christine Daiminger, Dr. Friedemann Schmidt und Dr. Inez Templeton habe ich viele anregende Diskussionen geführt, die mir wertvolle Hinweise und einiges mehr gegeben haben. Und last but not least möchte ich meinen Freunden und Freundinnen Uwe Cramer, Ralf Klesch, Eric Mandel, Conrad Noack, Karin Perk, Peter Priegann und Sabe Wunsch für das mühevolle Korrekturlesen und die Bereitschaft, als Testpublikum zu dienen, danken.

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II. T H E O R E T I S C H E Ü B E R L E G U N G E N Z U R MUSIKALISCHEN SPRACHE EINES MUSIKSTILS – KOMPLEXE MUSIKALISCHE ÄUSSERUNGEN IM TRADITIONSSTROM Der Traditionsstrom als Reservoir des momentan verfügbaren Wissens Der Traditionsstrom ist ein Konzept der Erinnerungsforschung zur Aufbewahrung dessen, ‚was bleibt‘, das auf den Assyriologen Leo Oppenheim zurückgeht (vgl. Assmann 2000: 55). Ein anderes derartiges Konzept ist beispielsweise der Kanon. Eine Diskussion über die Art und Weise der Zusammensetzung eines Samples als Grundlage einer qualitativen Forschungsarbeit, die Auswahl der Beispiele durch den Autor einer wissenschaftlichen Arbeit oder einfach die Kanonbildung in der populären Musik1 ist immer auch eine Diskussion über Fragen der Erinnerung. Trotzdem werden das kulturelle Gedächtnis und andere Konzepte der Erinnerungsforschung in der Popularmusikforschung erstaunlich wenig rezipiert. Gleichzeitig ist die Zeitlichkeit von Musik und daran anschließende Diskussionen, was z.B. Musik überhaupt sei, ein grundlegendes Phänomen und Musik im Allgemeinen und musikalische Form im Besonderen nur mit Hilfe des Gedächtnisses rezipierbar. Beispielsweise wird ein Musikstück wie „The Number Of The Beast“ von Iron Maiden nur aufgrund von Erinnerungen an ähnliche bereits gehörte Musiken und deren Bezeichnung mit Heavy Metal verbunden. Die Erinnerungsforschung versteht individuelles Erinnern als eine sich in der Gegenwart vollziehende Operation des Zusammenstellens jeweils verfügbarer Daten. Für die neurologische Hirnforschung ist dabei „jede Reaktivierung einer Gedächtnisspur zugleich eine Neueinschreibung […], die die Ersterfahrung notwendig überformt“ (Assmann 2005: 107).

1

Zur Diskussion der Kanonbildung in der Popularmusikforschung siehe Danielsen 2008, Helms und Phleps (Hg.) 2008 und Popular Music 25, Vol.1 (Hg. von Nicola Dibben und Keith Negus 2006).

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Damit lässt sich – neben der Gegenwartsbezogenheit – ein zweites zentrales Merkmal des Erinnerns anführen: sein konstruktiver Charakter. Erinnern – und auch Vergessen als die andere Seite der Medaille – wird als ein Prozess, Erinnerung als dessen Ergebnis und Gedächtnis als eine Fähigkeit oder eine veränderliche Struktur konzipiert. Individuelle und kollektive Erinnerung ist nie ein Spiegel einer authentischen Vergangenheit, wohl aber ein aussagekräftiges Indiz für die Bedürfnisse und Belange der Erinnernden in der Gegenwart. Das Gedächtnis wiederum ist eine soziale und individuelle Konstruktion, zur Selbstvergewisserung der eigenen Geschichte, des eigenen Standpunkts: Wer bin ich und wo stehe ich (vgl. Erll 2005: 1-13)? Abstraktionen wie die Genre- und Stilbildung in der Musik – Iron Maiden spielen Heavy Metal – dienen der Organisation und der Kommunizierbarkeit dieser Selbstvergewisserung und greifen zu diesem Zweck auf den Traditionsstrom zu. Der Traditionsstrom ist in dieser Argumentation eine Metapher für ein Netzwerk, an dem ein Teil aller ein bestimmtes Thema betreffenden Daten verfügbar gehalten wird. Der bisher implizierte fließende Übergang von individuellen Gedächtnisformen zu sozialen bzw. kollektiven ist in der wissenschaftlichen Diskussion nicht selbstverständlich. So arbeitet die neurologische Hirnforschung ausschließlich am Gedächtnis jeweils eines konkreten Individuums, dessen Langzeitgedächtnis nach beispielsweise Hans J. Markowitsch und Harald Welzer (2005: 206) in fünf unterschiedliche Gedächtnissysteme2 mit unterschiedlichen Zuständigkeiten unterteilt wird, deren Wirken dem Individuum nur zum Teil bewusst wird.3 Welzer (2005: 111 und 2002: 144) schlägt als verbindendes Element ein bereits sozial verfasstes autobiographisches Gedächtnis vor, das eine den fünf Gedächtnissystemen übergeordnete Struktur bildet. Aleida Assmann spricht von der gegenseitigen Abhängigkeit der neuronalen, sozialen und kulturellen Dimensionen des Gedächtnisses. „Während im Prozess des Erinnerns in der Regel alle drei Dimensionen: der neuronalen Strukturen, der sozialen Interaktion und der symbolischen Medien involviert sind, unterscheiden sich die unterschiedlichen Ebenen des Gedächtnisses

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Episodisches, semantisches, perzeptuelles, prozedurales und das unübersetzbar Priming genannte Gedächtnissystem. Zur Definition von Gedächtnissystemen siehe z.B. Tulving (2005: 56). Bewusste Gedächtnisinhalte finden sich im episodischen oder semantischen Gedächtnis. Unbewusste Gedächtnisinhalte, beispielsweise die Fähigkeit Auto zu fahren, ohne jede einzelne dafür notwendige Handlung bewusst erinnern zu müssen, liegen im impliziten Gedächtnis, das sich aus prozeduralen und dem Priming genannten Gedächtnissystemen zusammensetzt. Eine Zwischenstufe nimmt das perzeptuelle Gedächtnissystem ein, das dem Wiedererkennen von Reizen dient (vgl. Welzer 2002: 25-30).

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II. THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN darin, dass hier jeweils ein anderer Aspekt im Mittelpunkt steht.“ (Assmann 2006: 31-32)

Das sozial verfasste autobiographische Gedächtnis partizipiert also über den Zugriff auf symbolische Medien an sozialen und kollektiven Gedächtnisformen. Maurice Halbwachs diskutiert bereits in den 1920er Jahren die kollektive Bedingtheit individueller Erinnerung, die auf kulturspezifischen Denkschemata („cadres sociaux“) beruhe. Kollektives und individuelles Gedächtnis stehen hier in einer Beziehung wechselseitiger Abhängigkeit, jedes individuelle Gedächtnis bietet die Möglichkeit eines Ausblicks auf das kollektive Gedächtnis (vgl. Halbwachs 1985: 23 und 1991: 31). Damit ergibt sich eine Begründung, das eigene Gedächtnis als Hort der Beispielfindung im Rahmen eines qualitativen Ansatzes absolut zu setzen. Die Begrenztheit eines derartigen Ansatzes als Ausgangspunkt der Entwicklung einer musikalischen Sprache des Heavy Metal liegt jedoch auf der Hand. Eine Kritik, die einwendet, die benutzten Beispiele seien bewusst oder unbewusst so ausgewählt, dass sie die theoretischen Annahmen stützen, während Gegenbeispiele dem Vergessen anheim fallen, ist kaum völlig zu entkräften. Damit erscheint weiterhin die Suche nach einem anderen Zugang zu sozialen und kollektiven Gedächtnisformen notwendig, der die Bedeutung des autobiographischen Gedächtnisses des Forschers nivelliert. Das Konzept des Traditionsstroms bietet eine derartige Möglichkeit, die Nutzung eines existenten Kanons eine andere. Zur Begründung der Präferenz, die in dieser Arbeit dem Traditionsstrom gegenüber dem Kanon eingeräumt wird, müssen zwei soziale und kollektive Gedächtnisformen eingeführt werden: das kulturelle und das kommunikative Gedächtnis. Jan Assmann, der den Begriff des kulturellen Gedächtnisses wieder und erfolgreich in die wissenschaftliche Diskussion eingebracht hat, definiert das kulturelle Gedächtnis wie folgt: „(Der) jeder Gesellschaft und jeder Epoche eigentümliche Bestand an Wiedergebrauchs-Texten, -Bildern und -Riten [...], in deren ‚Pflege‘ sie ihr Selbstbild stabilisiert und vermittelt, ein kollektiv geteiltes Wissen vorzugsweise (aber nicht ausschließlich) über die Vergangenheit, auf das eine Gruppe ihr Bewusstsein und ihre Eigenart stützt.“ (Assmann 1988: 15)

Das kommunikative Gedächtnis, das Welzer (2001: 13) und Aleida Assmann (2006: 26) als „Kurzzeitgedächtnis der Gesellschaft“ bezeichnen, ist dagegen laut Jan Assmann (1988: 10) durch ein hohes Maß an Ungeformtheit, Beliebigkeit und Unorganisiertheit gekennzeichnet.

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SCHWERMETALLANALYSEN „Es lebt in interaktiver Praxis im Spannungsfeld der Vergegenwärtigung von Vergangenem durch Individuen und Gruppen. Es ist an die Existenz der lebendigen Träger und Kommunikatoren von Erfahrung gebunden und umfasst etwa 80 Jahre, also drei bis vier Generationen. Der Zeithorizont des ‚kommunikativen Gedächtnisses‘ wandert entsprechend ‚mit dem fortschreitenden Gegenwartspunkt mit.‘“ (Welzer 2001: 13)

Jan Assmann (1992: 56) stellt die Unterschiede zwischen dem kommunikativen und dem kulturellen Gedächtnis in übersichtlicher Tabellenform dar. Tabelle 1: Kommunikatives und kulturelles Gedächtnis Kommunikatives Gedächtnis

Inhalt

Formen

Geschichtserfahrungen im Rahmen indiv. Biografien

genheit Gestiftet, hoher Grad an Ge-

naturwüchsig, entstehend

formtheit, zeremonielle Kommu-

durch Interaktion, Alltag

nikation, Fest

nischen Gedächtnissen, Erfahrungen und Hörensagen

Zeitstruktur Träger

nisse in einer absoluten Vergan-

Informell, wenig geformt,

Lebendige Erinnerung in orgaMedien

Kulturelles Gedächtnis

Mythische Urgeschichte, Ereig-

Feste Objektivationen, traditionelle symbolische Kodierung/Inszenierung in Wort, Bild, Tanz usw.

80-100 Jahre, mit der Gegenwart mitwandernder Zeithorizont von 3-4 Generationen Unspezifisch, Zeitzeugen einer Erinnerungsgemeinschaft

Absolute Vergangenheit einer mythischen Urzeit Spezialisierte Traditionsträger

Quelle: Assmann 1992: 56 Das Wissen über Heavy Metal fällt auf der Ebene der Zeitlichkeit eindeutig in den Bereich des kommunikativen Gedächtnisses, da Heavy Metal nur auf eine ca. vierzigjährige Geschichte zurückblicken kann. Gleichzeitig haben sich Institutionen und spezialisierte Traditionsträger – Fachzeitschriften, Journalisten, Wissenschaftler etc. – herausgebildet, die zum Bereich des kulturellen Gedächtnisses gehören. Heavy Metal – und mit ihm populäre Musik – befindet sich damit im Prozess der Formierung eines kulturellen Gedächtnisses – manche Merkmale entstehen gerade, andere existieren bereits, wieder andere sind noch nicht vorhanden.

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II. THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN

Aufgrund dieses Prozesses des Werdens wird der Moment des Überganges zwischen den beiden Gedächtnisformen interessant – das etwa 80 Jahre zurückliegende ‚floating gap‘, wie es der Ethnologe Jan Vansina in seiner Arbeit über Oral History (Vansina 1985) benennt. Laut Jan Assmann (1992: 51) ist sogar bereits die Hälfte dieses das kommunikative Gedächtnis eingrenzenden Zeitraumes, also circa 40 Jahre, eine kritische Schwelle für den Beginn eines Wunsches nach Historisierung. Wie wechselt also etwas vom an die relative Gegenwart gekoppelten kommunikativen Gedächtnis ins mythische kulturelle Gedächtnis, wobei die Grenze zwischen den beiden Formen der Erinnerung sowohl scharf als auch fließend gedacht werden kann? Wie entsteht im Rahmen dieses theoretischen Modells eine historisierbare Vergangenheit mit einer im Gegensatz zur mythischen Urzeit wachsenden Distanz zur Gegenwart? Hier kommt der Traditionsstrom ins Spiel, der „die zum Wiedergebrauch bestimmten Texte aufnimmt“ (Assmann 2000: 55). Jan Assmann betrachtet den Traditionsstrom als einen historischen Vorläufer des Kanons. Damit rückt dieser näher an das kommunikative Gedächtnis als ein zwangsläufig zum kulturellen Gedächtnis gehöriger Kanon. Trotzdem besteht der Traditionsstrom aber bereits aus kulturellen Artefakten, aus Texten normativen und formativen Anspruchs, die nicht aus der mündlichen Überlieferung stammen, sondern quasi originär geschrieben wurden. Der Traditionsstrom begleitet die Formierung eines überzeitlichen kulturellen Gedächtnisses, ein Aspekt, der dieses Konzept für die Beschäftigung mit populärer Musik und ihrer relativ kurzen Geschichte, die erst kürzlich den kritischen Punkt der Hälfte des ‚floating gap‘ überschritten hat, attraktiv macht. „Dieser Traditionsstrom ist ein lebendiger Fluss: Er verlagert sein Bett und führt bald mehr, bald weniger Wasser. Texte geraten in Vergessenheit, andere kommen hinzu, sie werden erweitert, abgekürzt, umgeschrieben, katalogisiert in wechselnden Zusammenstellungen.“ (Assmann 1992: 92)

Dieses Zitat umreißt den Umgang mit Musikstücken innerhalb einer bestimmten Szene oder innerhalb eines Genres. Manche Stücke werden vergessen, neue kommen hinzu. Sie werden umgeschrieben (gecovert), bearbeitet und anthologisiert in einem nicht endenden Strom von persönlichen Plattensammlungen, Mixtapes(-CDs) und i-Pod Playlists. Die Musikindustrie trägt aktiv zum Vergessen bei, indem der Bestand zugänglicher, also kaufbarer Stücke klein gehalten wird, während permanent ‚Neues‘ veröffentlicht wird, das seinen Platz im Traditionsstrom finden soll. Mittels endloser Best-of-Veröffentlichungen und thematischer Zusammenstellungen versucht die Musikindustrie einen bestimmten Bereich des Traditionsstroms als endgültig normativ und formativ darzustellen. Kleinstfirmen,

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SCHWERMETALLANALYSEN

Plattensammler, private Webseitenbetreiber, Blogs und die illegalisierten Filesharing-Netzwerke des Internet entreißen permanent Stücke diesem Vergessen und halten sie weiter zugänglich für Interessierte und Neugierige. In diesem ungleichen Wechselspiel prägen sich Strukturen von Peripherie und Zentrum, von fast vergessenen und viel kopierten, bzw. bearbeiteten Texten heraus, die weiter im Fluss sind. Der Traditionsstrom kann damit als ein Prozess der Historisierung begriffen werden und dementsprechend als Diskurs. Siegfried Jäger hat in seinem Aufsatz „Diskurs und Wissen: Theoretische und methodische Aspekte einer kritischen Diskurs- und Dispositivanalyse“ Diskurs in einem analogen Bild als „Fluss von Wissen bzw. sozialen Wissensvorräten durch die Zeit“ (Jäger 2006: 84) beschrieben. Der Traditionsstrom fließt also nicht nur durch die Geschichte, er wird gleichzeitig in sie hinein projiziert – mit bestimmten Absichten und aufgrund bestimmter gegenwärtiger Erfahrungen, die eine bestimmte Vergangenheit benötigen, um bewältigbar zu bleiben. Der Traditionsstrom beinhaltet damit eine sich verändernde Auswahl dessen, was gewusst werden kann, darf und soll. Er entspricht weder dem gesamten verfügbaren Wissen noch dem gesamten Wissen, sondern dem momentan nicht vergessenen Teil des verfügbaren Wissens. Diese feine Unterscheidung zwischen dem gesamten verfügbaren Wissen und dem gesamten Wissen bedarf einer kurzen Erläuterung. Begreift man Diskurs4 im Sinne Foucaults als die Gesamtheit der Regeln, die einer sprachlichen Praxis immanent sind, so definieren die Regeln des Diskurses für einen bestimmten Zusammenhang, oder ein bestimmtes Wissensgebiet, was sagbar ist, was gesagt werden soll, was nicht gesagt werden darf und welcher Sprecher was wann sagen darf. Der einen Diskurs Beschreibende oder Beobachtende ist dabei immer auch Teil des Diskurses.

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Als Diskurs bezeichnete man bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts vorrangig einen ‚erörternden Vortrag‘ oder ein ‚hin und her gehendes Gespräch‘, verstanden entweder als Sprechhandlungssequenz (z.B. Frage und Antwort, Vorwurf und Rechtfertigung) oder als Sprechhandlungsverkettung (z.B. Vortrag, Erzählung). In der Linguistik wird Diskurstheorie dementsprechend allgemein als Theorie satzübergreifender Untersuchungen verstanden. In einer eher philosophischen Ausprägung lassen sich besonders zwei Verwendungen des Diskursbegriffes feststellen, die auf Habermas und Foucault zurückgeführt werden können. Bei Habermas ist der Diskurs Schauplatz kommunikativer Rationalität, er bezieht sich dabei u.a. auf die psychoanalytische Tradition der US-amerikanischen Diskursanalyse, die damit Gesprächsanalyse meint. Notwendig ist in dieser Denkrichtung die potentielle Möglichkeit eines herrschaftsfreien Diskurses, da sich nur so die benötigte Rationalität ableiten lässt. Im Rahmen der Diskurstheorie werden Ansätze in der Folge von Habermas deshalb auch als ‚transzendentalpragmatische‘ bezeichnet. Dagegen lautet die Bezeichnung für sich auf Foucault berufende Ansätze oft ‚poststrukturalistisch‘. Die Möglichkeit eines herrschaftsfreien Diskurses wird in dieser Denkrichtung grundsätzlich negiert (vgl. Fohrmann 1997, Jäger 2006, Link und Link-Herr 1990, Wood und Kroger 2000).

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II. THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN „Die Untersuchung der ‚Äußerungsmodalitäten‘ („wer spricht“), der ‚Formation der Begriffe und Strategien‘ usw. soll die Selektion, Kanalisierung, die Organisation und Kontrolle: das ‚Regime des Diskurses‘ aufweisen, und das heißt zugleich: soll die diskontinuierlich auftauchenden Ereignisse in ihrer Streuung beschreiben.“ (Fohrmann 1997: 373)

Die Idee der Verfügbarkeit des gesamten Wissens wird so zu einer rein theoretischen Möglichkeit, die in der diskursiven Praxis als Ideologie erscheint. Die diskursive Regelungsinstanz, welche die Möglichkeit des Zugriffs sowohl auf den vergessenen Teil des verfügbaren Wissens, als auch auf den nicht verfügbaren Teil des gesamten Wissens regelt, hat Michel Foucault in seiner Archäologie des Wissens Archiv genannt – das „Gesetz dessen, was gesagt werden kann, das System, das das Erscheinen der Aussagen als einzelne Ereignisse beherrscht“ (Foucault 1973: 187). Mit der Einführung der Veränderlichkeit in das Konzept des Kanons, die unter anderem William Webber (1999: 336-355) in seinem Aufsatz für den Sammelband Re-thinking Music für den musikalischen Kanon5 anregt, verschwindet scheinbar die Notwendigkeit, zwischen den Konzepten des Traditionsstroms, der „die zum Wiedergebrauch bestimmten Texte aufnimmt“ (Assmann 2000: 55), und dem Kanon als „Stillstellung des Traditionsstroms“ (ebd. 143) zu differenzieren. Allerdings bleibt der Kanon – im Unterschied zum Traditionsstrom – weiterhin ausschließlich Teil des kulturellen Gedächtnisses. So unterteilt Aleida Assmann (1999: 133-142 und 2006: 54-58) das kulturelle Gedächtnis in das als Vordergrund oder aktiv zu denkende Funktions- und das als Hintergrund oder passiv zu denkende Speichergedächtnis – ersteres entspricht dem Kanon, letzteres dem Archiv.6 Unklar bleibt in diesem Konzept jedoch wiederum die Art und Weise des Übergangs zwischen Funktions- und Speichergedächtnis.7 Wie ist beispielsweise der Weg des dekanonisierten Wissens ins Archiv? Oder existiert gar kein derartiger Weg, ist etwas grundsätzlich entweder ‚hier‘ oder ‚dort‘, kanonisiert oder archiviert? Das dem Kanonkonzept inhärente Moment der Unbeweglichkeit, das Jan Assmann das Bild der „Stillstellung des Traditionsstroms“ benutzen und Katherine Bergeron und Philip V. Bohlman (1992) einen von ihnen herausgegebenen Sammelband Disciplining 5

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Webber identifiziert drei Typen des musikalischen Kanons: den wissenschaftlichen, den pädagogischen und den performativen Kanon. Als formative Aspekte der drei Kanontypen benennt er Handwerk, Repertoire, Kritik und Ideologie. Aleida Assmanns Archiv unterscheidet sich grundlegend von Foucaults Archiv, da es auf einem transzendentalpragmatischen Diskursbegriff nach Habermas beruht, der im Gegensatz zu Foucault die Möglichkeit eines herrschaftsfreien Diskurses benötigt. Die bereits thematisierte Frage des Übergangs zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis wird quasi in das theoretische Konstrukt des kulturellen Gedächtnisses hinein verlagert.

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SCHWERMETALLANALYSEN

Music nennen ließ, bleibt damit trotz der Einführung seiner Veränderlichkeit erhalten. Ein Kanon fließt nicht. Die Beweglichkeit des Traditionsstroms ist dagegen unstrittig und unproblematisch. Er fließt im Gegensatz zum Speichergedächtnis (nicht nur, aber) auch im Vordergrund. Er bietet zudem die Möglichkeit sowohl kommunikatives und kulturelles Gedächtnis als auch Funktions- und Speichergedächtnis zu verbinden und kann damit auch das Dekanonisierte transportieren und beherbergen. Des Weiteren kann er als Metapher für die Möglichkeit diskursiver Veränderung nach den jeweils aktuellen Maßgaben des Archivs verwendet werden. All dies führt mich zu einer Bevorzugung des Traditionsstroms gegenüber dem Konzept des Kanons – wohl wissend, dass auch der Begriff der Tradition uneindeutig ist. „Der Begriff der Tradition hat zwei Bedeutungen: wenn wir ihn vom Standpunkt von Gedächtnis und Erinnerung aus betrachten, [...] dann erscheint er als der Gegensatz zum Gelebten, Verkörperten und Kommunizierten und als der Inbegriff des in symbolischen Formen ausgelagerten und von Institutionen verwalteten Wissens. Wenn wir ihn dagegen vom Standpunkt der Schrift aus betrachten wie in der jüdischen und katholischen Tradition, dann erscheint er als der Gegensatz des schriftlich fixierten und der Inbegriff des an lebendige Träger gebundenen, inkarnierten Wissens.“ (Assmann 2000: 81)

Aus der Perspektive des kommunikativen Gedächtnisses erscheint der Traditionsstrom damit als fest gefügt, aus der Perspektive des kulturellen Gedächtnisses dagegen als lebendig und veränderlich. Mark Slobin (2000: vii-xi) koppelt den Zugang zum Traditionsstrom und die Herausbildung eines musikalischen Stils bzw. einer Gruppe Menschen, die an einem ähnlichen kulturellen Ausdruck interessiert sind, in seinen skizzierten Überlegungen zu einer über das Internet vermittelten Diaspora8 von einem konkret beobachtbaren Ort ab. Der Dialog wird möglich, auch wenn das Gegenüber nur ‚virtuell‘ anwesend ist. Mehr als nur Spuren einer solchen Praxis finden sich im Bereich des Heavy Metal beim sogenannten Tape-trading – weit vor bzw. unabhängig von der Möglichkeit massenhaften Zugangs zum Internet. Tape-trading entwickelt sich aus internationalen Brieffreundschaften zwischen Heavy Metal Fans, die oft gleichzeitig auch Musiker und/oder Organisatoren lokaler Ereignisse (Konzerte, Fanzines etc.) im Bereich Heavy Metal sind. Die geliebte Musik wird 8

Slobin (2003: 295) beschreibt den Diasporabegriff in der Musikethnologie als in der Gefahr stehend, außer Kontrolle zu geraten, da er für zu vieles Unterschiedliche gebraucht werde. Auf das Beispiel der übers Internet vermittelten Diaspora geht er in diesem neueren Artikel nicht ein. Als Diaspora beschreibt er „smallgroups (that) tack with the steering winds to find their way to the communal harbour of their imagination“ (ebd. 290).

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II. THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN

auf Kompaktkassetten zusammengestellt, kopiert und weltweit verschickt. Sehr schnell finden die ersten hörbaren Zeugnisse lokaler und/oder auch der eigenen Heavy Metal Band Eingang in diesen Kommunikations- und Vertriebsweg. Mudrian (2004) und Stratmann (2004) beschreiben anschaulich, wie die meist selbst produzierten Musikkassetten von Bands, die noch auf der Suche nach dem ersten Plattenvertrag sind, weltweit gehört, diskutiert und in verschiedenen Wortsinnen (physikalisch und musikalisch) kopiert werden.9 Nur über diese Tape-trading-Szene ist die fast parallele Entstehung einiger Stilistiken des Heavy Metal an unterschiedlichsten Orten der Welt überhaupt nachvollziehbar.10

Verschiedene Arten des Zugriffs auf den Traditionsstrom: Erwartungshorizont und Kompositionsmodell Wenn das Gedächtnis eine soziale und individuelle Konstruktion zur Selbstvergewisserung der eigenen Geschichte, des eigenen Standpunkts ist, das auf den Traditionsstrom als Reservoir des momentan verfügbaren Wissens zugreift, so geschieht dieser Zugriff auch in Form von Erwartungen und Modellen oder nach Bakhtin (1986: 68) in Form der vorwegnehmenden Imagination einer Äußerung mittels ihrer Eingebundenheit in Genres – bei Bakhtin ‚speech genres‘ – mit jeweils bestimmten Regeln und Formen. Dieser Ansatz verweist auf Konzepte der Rezeptionstheorie wie den Erwartungshorizont, der unter anderem von Mark Everist (1999) beschrieben worden ist. Unter Bezugnahme auf Jauß’ frühe theoretische Arbeiten11 betrachtet er den Erwartungshorizont als zentrales Konzept einer Rezeptionstheorie. „Denn erst durch seine [des Addressaten oder Lesers – D.E.] Vermittlung tritt das Werk in den sich wandelnden Erfahrungshorizont einer Kontinuität [...] Die Geschichtlichkeit der Literatur wie ihr kommunikativer Charakter setzen ein 9

Vgl. auch den Dokumentarfilm über die Schallplattenfirma Nuclear Blast Heavy Metal auf dem Lande von Andreas Geiger (2004), in dem Labelchef Markus Staiger seine Tape-trading Vergangenheit auch als Beginn der Schallplattenfirma beschreibt. 10 In Unkenntnis dieses Phänomens unterstellt Will Straw (1984, 1996) den Fans von Heavy Metal in einem mehrfach erschienen Artikel über Heavy Metal einen „almost total lack of hobbyist activity surrounding heavy metal music“ (1996: 103), obwohl die Tape-trading Szene zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung des Artikels bereits aktiv war. Heavy Metal gilt Straw vielmehr als eine Musik der Vorstädte und sei deshalb geprägt von einem sehr eingeschränkten Zugang zum Traditionsstrom — kaum Konzerte, keine Plattengeschäfte jenseits der lokalen Filialen großer Supermarktketten etc. Die Möglichkeit medialer Kommunikation wird ignoriert. 11 Jauß (1979) im Gegensatz zu Jauß (1973), worauf sich z.B. Dahlhaus (1981) in seinen Anmerkungen zur Rezeptionsgeschichte bezieht. Jauß (1979) enthält eine Wiederveröffentlichung eines zentralen Textes von 1967.

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SCHWERMETALLANALYSEN dialogisches und zugleich prozeßhaftes Verständnis von Werk, Publikum und neuem Werk voraus.“ (Jauß 1979: 169)

Jan Assmann (1992: 107-109) beschreibt eine antike Verwendung des Kanon, die nicht als Erwartung(shorizont), sondern vielmehr als Kompositionsmodell betrachtet werden kann. Bestimmend für diese Vorstellung ist die Bedeutung des Richtscheites des Baumeisters – der ‚Maßstab‘. Polyktet hat laut Assmann im fünften Jahrhundert vor Christus einen Kanon als Lehrschrift veröffentlicht, der die Maßstäbe für die ideale Proportionierung des menschlichen Körpers darlegt und noch heute in der Kunstwissenschaft Verwendung findet. Ein Kompositionsmodell kann also als kanonisches Muster begriffen werden. Der Kanon wird zum Fluchtpunkt retrospektiver Orientierungssuche. Kulturelle Erinnerung funktioniert als imitierender Rückgriff auf ein kanonisches Prinzip, das erweiterbar ist. Ludwig Finscher (1988: 296-301), der die Geschichte der abendländischen Kunstmusik als Bereich des kulturellen Gedächtnisses zu fassen sucht, hat einen Begriff des Kanons, bzw. des Kanonischen, der ebenfalls auf Polyktet gründet. Er überträgt diesen auf die Musikgeschichte, indem er die Wichtigkeit der Anstrengung postuliert, die kanonischen Muster zumindest einzuholen. Damit erlaubt er einerseits die permanente Erweiterung des Kanons, andererseits entsteht ein derartiger Kanon für ihn ausschließlich im Kompositionsprozess,12 da er die Rezeption von Musik überhaupt nicht erwähnt. Bakhtins Konzept der vorwegnehmenden Imagination einer Äußerung mittels ihrer Eingebundenheit in Genres mit jeweils bestimmten Regeln und Formen erscheint zwar als näher am Erwartungshorizont als am Kompositionsmodell gelegen, fußt aber auf einer theoretischen Vorstellung, welche die Trennung von Produktion und Rezeption, von Erwartung und Modell aufhebt. Die Adaption dieses Konzepts hat zudem den Vorteil, dass dem Traditionsstrom weiter der Vorrang vor kanonischen Konzepten gegeben werden kann, auch wenn diese auf Kompositionsmodellen beruhen. Bakhtins Konzept soll deshalb genauer hergeleitet werden.

12 Webbers Aspekt des Handwerks, siehe Fußnote 5.

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II. THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN

Bakhtins endlose Kette der Äußerungen Grundlegend für Bakhtins Denken ist das Konzept der Äußerung (utterance i.O.),13 das er scharf von linguistisch geprägten Konzepten abgrenzt. „The single utterance [...] can in no way be regarded as a completely free combination of forms of language, as is supposed, for example, by Saussure [...] who juxtaposed the utterance (la parole), as a purely individual act, to the system of language as a phenomenon that is purely social and mandatory for the individuum [...] Saussure ignores the fact that in addition to forms of language there are also forms of combination of these forms, that is, he ignores speech genres.“ (Bakhtin 1986: 81 inklusive Fußnote ‚f‘; kursiv im Original)

Unter ‚speech genres‘ versteht Bakhtin „relatively stable types of these utterances“ (ebd. 60). Er unterscheidet dabei zwei Erscheinungsformen von speech genres – einfache (i. O. primary) und komplexe (i. O. secondary). Letztere (z.B. Novellen, wissenschaftliche Texte, Kunstwerke) absorbieren im Prozess ihrer Formierung verschiedene Arten der einfachen speech genres, die sich dadurch wiederum verändern (ebd. 61-62). Der zentrale Begriff der Äußerung definiert sich wie folgt: „The change of speaking subjects [...] is the first constitutive feature of the utterance as a unit of speech communication. [...] The second feature is the specific finalization of the utterance. [...] This finalization is specific and is determined by special criteria. The first and foremost criterion for the finalization of the utterance is the possibility of responding to it or, more precisely and broadly, of assuming a responsive attitude toward it.“ (Ebd. 76)

Die Abgeschlossenheit der Äußerung beruht wiederum auf drei Aspekten: „1. semantic exhaustiveness of the theme; 2. the speaker’s plan or speech will; 3. typical compositional and generic forms of finalization“ (ebd. 7677). Die Notwendigkeit der semantischen Vollständigkeit für die Abgeschlossenheit der Äußerung relativiert sich für Bakhtin in ‚kreativen Sphären‘ (ebd. 77). Ein jeweils zu bestimmendes Minimum semantischer Vollständigkeit reicht aus, um einen „specific authorial intent“ zu erkennen. Dieser auctoriale Ausdruckswille existiert beim Autor, er wird jedoch gleichzeitig vom Gegenüber imaginiert und dient so als imaginierter Ausdruckswille der Erkenntnis der Abgeschlossenheit der Äußerung. Hilfreich für diesen Akt der Imagination ist wiederum: 13 Ich beziehe mich im Folgenden auf die englischen Übersetzungen der russischen Originaltexte von Bakhtin.

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SCHWERMETALLANALYSEN „The speaker’s speech plan with all its individuality and subjectivity is applied and adapted to a chosen genre, it is shaped and developed within a certain generic form [...] we speak only in definite speech genres [...] we know our native language – its lexical composition and grammatical structure – not from dictionaries and grammars but from concrete utterances that we hear and that we ourselves reproduce in live speech communication with people around us.“ (Ebd. 78)

Äußerungen sind also über ihre Abgeschlossenheit und ihre Aufforderung zur Reaktion definiert. Sie existieren nur als Teil eines Dialoges. Dabei ist die Imagination des auctorialen Sprechwillens des Gegenübers auf Grund der zwangsläufigen Nutzung von speech genres im Sprechakt immer mitzudenken.14 Eine Darstellung, die Dialog als einfaches Schema von Äußerung und Reaktion versteht, ist verkürzt, da der Einfluss der vorwegnehmenden Imagination einer Äußerung auf die Art und Weise der Reaktion vernachlässigt wird. Der Dialog der Äußerungen wird zur endlosen Kette von Äußerungen, die weder Anfang noch Zentrum hat: „Any speaker is himself a respondent to a greater or lesser degree. He is not, after all, the first speaker, the one who disturbs the eternal silence of the universe“ (Bakhtin 1986: 69). Die Trennung von Produktion und Rezeption wird aufgehoben, weil jeder Sprecher, also Produzent von Sprache, gleichzeitig immer auch Rezipient ist, also auf eine vorhergehende Äußerung reagiert. Gleichzeitig bleibt der Autor als Produzent von Sprechakten immer anwesend, er markiert die jeweilige Perspektive des Blickes auf die Kette der Äußerungen. In einer poststruktural-diskursiven Vorstellung bleibt die zentrale Frage des ‚wer spricht‘ erhalten. Ein Blick auf den Traditionsstrom beinhaltet damit eine jeweils momentane und von unterschiedlichen Interessen beeinflusste Auswahl aus der endlosen Kette der Äußerungen, die je nach Perspektive des Sprechers als Erwartungshorizont oder Kompositionsmodell fungieren können.

Die Bedeutung des Klangs – zum Verhältnis von Musik und Sprache Die Übernahme Bakhtinscher Konzepte bedeutet, Musik auf die eine oder andere Art als Sprache zu begreifen. Schon Nelson Goodman schreibt jedoch in der Einleitung seines Standardwerkes Sprachen der Kunst. Entwurf einer Symboltheorie einschränkend: „’Sprachen‘ im Titel meines Buches sollte strenggenommen durch ‚Symbolsysteme‘ ersetzt werden. Da der Ti14 Ähnliche Gedanken fasst Bakhtin an anderer Stelle unter den Begriff „objective psychology“ (vgl. Holquist 2002: 51-53).

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II. THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN

tel aber stets vor dem Buch gelesen wird, wurde er alltagssprachlich belassen“ (Goodman: 1995: 9). Goodmans Einschränkung zeigt, dass die Analogie von Musik und Sprache nicht so unproblematisch ist, wie es scheinen mag. Man kann zwar Sprache als ein dem Menschen eigenes Symbolsystem zur Übermittlung von Gedanken, Gefühlen und Wünschen15 verstehen und so im Goodmanschen Sinne eine Analogie von Musik und Sprache als Symbolsysteme nahe legen.16 Die Bezeichnung von Musik als Sprache impliziert jedoch häufig ein meist von Ferdinand Saussure (1966) abgeleitetes, linguistisches Verständnis von Sprache, das die menschliche Rede (‚langage‘), das abstrakte Regelsystem (‚langue‘) und das Sprechen (‚parole‘) unterscheidet. Alle drei Aspekte sind als Zeichensystem zu verstehen, wobei ein linguistisches Zeichen laut Nattiez (1990: 3) bei Saussure aus einem Konzept und einem Sound-Image besteht, das wiederum als psychologischer Abdruck des physikalischen Klanges zu verstehen ist. Konzept und Sound-Image können durch die Begriffe Bezeichnetes und Bezeichnendes ersetzt werden. Die Grundlage der Saussureschen Semiotik bildet die ‚langue‘, wobei ‚parole‘ und ‚langue‘ in einem komplexen Verhältnis wechselseitiger Bedingtheit stehen. Bakhtin kritisiert diese Unterscheidung, da die Art und Weise der Aussprache eines Wortes – sein Klang in diesem Sinne, seine „expressive intonation“ (Bakhtin:1986: 90) – weder Teil des sprachlichen Regelsystems von ‚langue‘ ist, noch ein Sound-Image, gleichwohl aber Teil des übergreifenden Konzeptes der Äußerung. „The sentence as a unit of language has a special grammatic intonation, but no expressive intonation at all. [...] The sentence acquires expressive intonation only in the whole utterance. When giving an example of a sentence for analysis, we usually supply it with a particular typical intonation, thereby transforming it into a completed utterance. [...] So the expressive aspect is a constitutive feature of the utterance.“ (Bakhtin 1986: 90)

N. V. Volosinov17 (1973: 103f) beschreibt beispielsweise sechs unterschiedliche Intonationen des selben Wortes in einer Passage aus Dostojewskis Tagebuch eines Schriftstellers. Die Aussprache eines Wortes kann damit von einer an Saussure orientierten Analyse nicht bzw. nur bedingt erfasst werden, obwohl die ‚express15 Laut der Definition von Edward Sapir (1921) zitiert nach Lyons (1992:13). 16 De la Motte Haber (1985: 17) kommt beispielsweise zu dem Schluss, „daß es gar nicht darum gehen kann, die Idee, Musik sei eine Sprache, zu belegen oder aber zu entkräften, sondern daß dies als ein gegebener Sachverhalt zu akzeptieren ist, dessen Voraussetzungen reflektiert werden können.“ 17 Dass die Werke Volosinovs (und Medvedevs) Gedanken Bakhtins beinhalten, ist in der Forschung unumstritten. Strittig ist die Größe von Bakhtins Anteil an diesen Werken (vgl. Morris 1994: 1-4).

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SCHWERMETALLANALYSEN

ive Intonation“ sehr wohl bedeutungsübertragend ist. Volosinov (1973: 87) führt als Beispiel an, dass das Gefühl des Hungers auf sehr verschiedene Art und Weise ausgedrückt werden kann. Übertragen auf Musik enthält das Sound-Objekt C-Dur-Akkord keine Informationen über den Klang des Akkordes jenseits einer gesellschaftlich akzeptierten bzw. normierten klanglichen Repräsentation des Konzeptes des physikalischen Klanges – man stellt sich im Normalfall einen Klavierakkord vor, eher selten einen Chor- oder einen Bläsersatz. Klangliche Elemente wie der immer enthaltene Raumeindruck, mögliche Verzerrungen des Obertonspektrums oder Phasenverschiebungen sind im Sound-Objekt per Definition nicht enthalten. Aufgrund der angedeuteten theoretischen Probleme, die der Parameter Klang für semiotisch geprägte Konzepte von Musik mit sich bringt, erscheint die grundlegende Einbindung von Timbre und dessen Klang – verstanden als „expressive intonation“ – in die Äußerung als Sprechakt als vielversprechendes Konzept für ein sprachliches Verständnis von Musik, das jedoch der praktischen Überprüfung bedarf. Die „expressive intonation“ wird neben der Aufhebung der Trennung von Produktion und Rezeption in der endlosen Kette der Äußerungen zu einem Argument, dieses Konzept für die Popularmusikforschung zu nutzen.

Das Werk als Äußerung im Dialog Notwendig für die Übertragung der Konzeption der Äußerung auf (populär) musikalische Phänomene ist ein relativierter und provisorischer Werkbegriff, da Bakhtins dialogisches Konzept trotz der Abgeschlossenheit der Äußerung eine Werkkonstitution als autonome Einheit verbietet. Bakhtin (1984a: 289) betrachtet „unity not as an innate one-and-only, but as a dialogic concordance of unmerged twos or multiples“ (kursiv im Original). Ludwig Finscher hat bereits 1988 ein dialogisches Verständnis der Produktion von Kunstmusik formuliert. „Komponisten komponieren Werke nicht nur im Regelsystem einer Gattung, das aus Werken abgeleitet ist, sondern ebenso über Werke anderer Komponisten (oder auch eigene Werke). Komponisten treten in einen Dialog miteinander ein, in dem nicht nur die Grenzen und Möglichkeiten der Gattung ‚erörtert‘ werden, sondern auch der spezifische Umgang des Werkes mit ihnen.“ (Ebd. 297)

Finscher ignoriert jedoch die Wichtigkeit der „expressive intonation“ und verharrt damit auf der Grundlage eines autonomen Werkbegriffes in der Musik, innerhalb dessen ein in eine Partitur gegossener Notentext das jeweilige Werk identifiziert.

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II. THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN

Diese Dominanz des Notentextes führt Goodman (1995: 116-121) dazu, Musik (und Literatur) als allographische Kunst zu kategorisieren. Die Anwendbarkeit eines derartigen Werkbegriffes ist zumindest im Bereich der Forschung zu populärer Musik schon längst in Zweifel gezogen und im Prinzip verworfen worden.18 In der Musikwissenschaft führt die verstärkte Diskussion des Werkbegriffs zu einer Relativierung der Positionen.19 Beispielsweise betrachtet Boorman (1999) den Notentext mittlerweile nur noch als Hinweis (i.O. allusion – D.E.) für die Aufführung einer Komposition und nicht mehr als konkrete Anweisung. Die Aufführung konstituiert damit immer stärker das Werk, und die Theoriebildung verlässt den Boden einer an Goodman orientierten Symboltheorie.20 Im Gegensatz zu aufführungsorientierten Ansätzen schlagen Theodore Gracyk (1996) und in der Folge Charles Fairchild (2008) für die populäre Musik einen Werkbegriff vor, der wieder auf Goodman rekurriert. Ihr zentrales Argument ist die Notwendigkeit einer Inkorporation des Klanges, der Bakhtinschen „expressive intonation“, in den Werkbegriff. Zu diesem Zweck werden die Aufnahme bzw. der Tonträger als primäres Werk der Rockmusik identifiziert. „Gracyk argues that the rock object, in particular, is constituted as the recorded sounds themselves. For Gracyk, the primary unavoidable form of rock is its material existence as a specifically constructed collection of recorded sounds. These sounds are not the ‚performance‘ of a work. These sounds are the work itself [...] It is the unique and identifiable sounds of particular recordings that we identify as the work.“ (Fairchild 2008: 104f)

Gracyk und Fairchild begreifen populäre Musik in der Goodmanschen Terminologie nicht mehr als allographische, sondern als autographische Kunst. Diese konstituiert sich über die Möglichkeit der Fälschung eines bereits existierenden Kunstwerkes. Die Produktionsgeschichte, die in der Identifizierung der Person des Künstlers mündet, definiert das Original (vgl. Goodman 1995: 116-121). Während ein Notentext zwar kopierbar, aber nicht fälschbar ist, wird die Sachlage bei einer Aufnahme komplizierter. Beispielsweise hat Ozzy Osbourne am Anfang des neuen Jahrtausends die Bass- und Schlagzeugaufnahmen ehemaliger Bandmitglieder für zwei seiner Tonträger löschen lassen, durch Neueinspielungen seiner damals aktuellen Bandmitglieder ersetzt und die Tonträger mit dem Zusatz „remastered“ wiederveröffentlicht. Betrachtet man populäre Musik als autographi18 Vgl. Horn 2000, Talbot (Hg.) 2000. 19 Ausgelöst u.a. durch Kerman 1985, vgl. z.B. Cook und Everist (Hg.) 1999, Clayton, Herbert und Middleton (Hg.) 2003. 20 Vgl. Berger und Del Negro 2004, Bowen 1999, Cook 1999 und 2003, FischerLichte 2004, Klypchak 2007, Shumway 1999.

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sche Kunst, so muss man bei dieser Neuausgabe von einer Fälschung reden. In der Argumentation von Fairchild handelt es sich bei dieser Neuausgabe zumindest um ein neues Werk, da eine neue Produktionsgeschichte existiert. „Any remix, remastering or re-interpretation of an original is itself a new work because each new derivation or version has resulted from a new history of production“ (Fairchild 2008: 105). Die Produktionsgeschichte ist wiederum als Effekt eines Netzwerkes sozialer Konventionen zu denken. Sie und das mit ihr zusammenhängende Werk existieren immer im Zusammenhang mit anderen Werken – im Bakhtinschen Sinne im Dialog mit anderen Äußerungen. „When we listen to music, we listen to sounds against a ‚horizon of potentialities and limitations‘ explored by artists with their materials in relation to a set of social conventions that can help tell us what sounds matter to a given tradition of practice and how they matter. [...] I would further argue that the particular ways in which each layer of material is used to produce sound through specific media of presentation constitutes an historically situated paradigm of practice each part of which has to be taken into account in order to more fully understand the object of meaning upon which we work our analyses.“ (Fairchild 2008: 103)

In der Konsequenz ermöglicht der von Gracyk und Fairchild entwickelte Werkbegriff die Übernahme der Konzeption der Äußerung auf populärmusikalische Phänomene.

Heavy Metal als Schichtung komplexer Äußerungen Analog zu Bakhtins Verständnis der Novelle als geschichtetes Modell verschiedener einfacher und komplexer Äußerungen bzw. erster und zweiter Ordnung, verstehe ich ein Stück populäre Musik als komplexe Äußerung, die diverse einfache und komplexe Äußerungen absorbiert und dadurch auch verändert. Während es in Bakhtins Überlegungen zur Novelle trotz des provisorischen Werkbegriffs zwangsläufig nur einen Autor geben kann, muss im Bereich der populären Musik jedoch von mehreren Autoren ausgegangen werden. Diese begreife ich modellhaft als Autoren ihrer Instrumentaläußerungen.21 Wenn mit Gracyk und Fairchild die komplette Aufnahme als Werk betrachtet wird, lässt sich eine Analogie zur Schichtung unterschiedlicher sozialer Sprachen in der Novelle ziehen, die Bakhtin wiederum als „heteroglossia“ bezeichnet (Bakhtin 1983: 262f). „All languages of heteroglossia [...] are specific of view on the world, forms for conceptualizing the world in words, specific world views, each characterized 21 Die menschliche Stimme wird hier als Instrument verstanden.

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II. THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN

by its own objects, meanings, and values“ (Bakhtin 1983: 292f). Nicht nur die Analogie zum Gefüge einer Band mit ihren unterschiedlichen Instrumentalisten, die ihre ‚spezifische Weltsicht‘ in die zu kreierende Musik einbringen, liegt auf der Hand, sondern auch eine zur Produktion eines Tonträgers bzw. einer Aufnahme, bei der das Bandgefüge noch um Produzenten und andere Spezialisten erweitert wird. Der dialogische Charakter der Äußerung bedeutet jedoch auch, dass andere komplexe Äußerungen in ihr widerhallen können oder sogar direkt zitiert oder auch parodiert werden. Dieses parallele Vorhandensein mehrerer sozialer Sprachen in einer Äußerung bezeichnet Bakhtin (1984a: 185f) als „double-voiced discourse“.22 In einem populären Musikstück überschneiden sich also zwei Bakhtinsche Modelle der Schichtung. • Ein Musikstück steht mit anderen Musikstücken anderer Autoren im Dialog und bezieht sich auf andere Musikstücke des gleichen Autors. Ersteres kulminiert in einer Coverversion oder im Plagiat, letzteres im Idiolekt einer Band. • Innerhalb eines Musikstückes treten die einzelnen Instrumentalstimmen sowohl in einen Dialog miteinander als auch in Dialog mit anderen Instrumentalstimmen in anderen Musikstücken. Ersteres findet sich in spezifischen Formen des Ensemblespiels – z.B. Unisono- oder kontrapunktisches Spiel –, letzteres unter Anderem im Idiolekt eines Instrumentalisten oder Sängers oder als Widerhall einer prägnanten musikalischen Äußerung. • Analog zum bisher gesagten kann ein Album verstanden als absichtsvolle, abgeschlossene Zusammenstellung von Einzelstücken, also als Schichtung komplexer Äußerungen, in einer bestimmten Reihenfolge ebenfalls als komplexe Äußerung verstanden werden. Noch weitergehend kann auch eine Gruppe von Alben die notwendige Abgeschlossenheit der Äußerung darüber erhalten, dass beispielsweise die gleiche Besetzung an Musikern vertreten ist, ein bestimmtes inhaltliches Konzept vorliegt, der Produzent und das gewählte Tonstudio übereinstimmen etc.

Heavy Metal als Genre und/oder Stil Die für die Identifizierung einer musikalischen Sprache notwendige Gruppierung einzelner Werke, respektive komplexer Äußerungen, zu einem größeren Ganzen führt zu der Frage, ob das entstehende Gebilde eher als Genre oder als Stil bezeichnet werden soll. Im Falle von Heavy Metal dif22 Middleton (2000b) sieht hier deutliche Parallelen zum Konzept des Signifyin(g) in der afroamerikanischen Kultur.

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feriert die Bezeichnung in der verfügbaren Literatur je nach Quelle. Dabei findet sich die Benennung als Musikstil oder noch allgemeiner Spielweise der Rockmusik vor allem in älterer Literatur zu Heavy Metal und in Nachschlagewerken zu populärer Musik.23 Die terminologisch und theoretisch unbefriedigende Vermischung von Stil und Genre wird unter anderem von Moore (2001: 432) problematisiert. Stil und Genre sind „concerned with ways of erecting categorical distinctions or identifying similarities between different pieces.“ Es geht also jeweils um Phänomene, die über bestimmte ihnen gemeinsame Merkmale von anderen Phänomenen unterschieden werden können – sowohl im Allgemeinen als auch im Besonderen. Moore führt die entstandene Unklarheit darauf zurück, dass die theoretischen Konzepte der Popularmusikforschung eher aus der Medien- und Kulturwissenschaft abgeleitet seien als aus der Musikwissenschaft. Während die Musikwissenschaft dem Begriff des Stils methodische Priorität gebe, bevorzuge die Medien- und Kulturwissenschaft Genre (ebd. 432433). Im Ergebnis kommt Moore zu der Einschätzung, dass der Stilbegriff im Gegensatz zum Genre das Musikalische stärker betone. „First, style refers to the manner of articulation of musical gestures and is best considered as imposed on them, rather than intrinsic to them. Genre refers to the identity and the context of those gestures. [...] Secondly, genre, in its emphasis on the context of gestures, pertains most usefully to the esthesic, while style, in its emphasis on their manner of articulation, pertains most usefully to the poietic. Thirdly, in its concentration on how meaning is constituted, genre is normally explicitly thematized as socially constrained [...]. Style, on the other hand, in its emphasis on technical features and appropriability, frequently simply brackets out the social [...] or at least regards this realm as minimally determining, where it is considered to operate with a negotiable degree of autonomy.“ (Moore 2001: 441)

Dem entspricht ein Begriffsgebrauch in der Literatur zu Heavy Metal, der eine Genre- oder auch Gattungsstruktur mit unterschiedlichen Erscheinungsformen postuliert, die dann wahlweise als Sub-Genres oder Stile bezeichnet werden. Genre wird dabei als übergeordneter Begriff verwendet, der auch ‚außermusikalische Elemente‘ enthält, während mit dem Stilbegriff verbundene Ausdrücke eher das Musikalische betonen.24 Dabei wird

23 „Different writers identify ‚heavy metal‘ as both a style and a genre“ (Moore 2001: 432). Vgl. Halbscheffel und Kneif 1992, Kneif 1980a und b, Moore 1993, Straw 1984, Wicke und Ziegenrücker 1989. 24 Vgl. Berger 1999: 13-14 und 56-62, Dornbusch und Killgus 2005: 18-19, Moynihan und Soderlind 2003: 23-32, Larkin (Hg.) 1998, Walser 1993: 3-7, Weinstein 1991: 6-8, Wicke und Ziegenrücker 1997.

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II. THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN

der Genrebegriff durchaus problematisiert,25 während der Stilbegriff einfach Verwendung findet. Franco Fabbri hat bereits 1982 eine derartige Definition von Genre vorgelegt, die Genre als ein „‘set of musical events (real or possible) whose course is governed by a definite set of socially accepted rules‘“ (Fabbri 1982: 52) definiert. Form, Stil und Genre werden für ihn in der musikwissenschaftlichen Literatur erst dann zu synonymen Begriffen, wenn ausschließlich formale und technische Regeln in Betracht gezogen werden, denn „each genre has its typical forms, even if the opposite is not true, i.e. that a form is not sufficient to define a genre“ (ebd. 55). Genre verweist also auch für Fabbri auf Außermusikalisches und unterscheidet sich so vom Stil. Er benennt neben den musikalisch bestimmten formalen und technischen Regeln unter anderem soziale und ideologische sowie ökonomische und juristische Regeln als Genre immanent. Kultursoziologische Ansätze – insbesondere solche, die von Kulturwelten ausgehen – betrachten nach Rainer Diaz-Bone (2002: 158-169) Genres als unscharfe Gebilde, die Produkte diskursiver und nicht-diskursiver Prozesse sind und in Diskursen als kollektive Wissensstrukturen erscheinen. Fabbris Regeln werden so in diskursive und nicht diskursive Prozesse aufgeteilt. Diaz-Bone differenziert Genres weiter in ästhetische Formen und ästhetische Schemata und bezeichnet damit einerseits die künstlerischen Konventionen und Formen und andererseits die Art und Weise, wie über diese geredet wird, wie diese problematisiert werden. Nur letztere sind für ihn als Soziologen distinkt diskursiv. Allerdings betrachtet er die Kopplung der ästhetischen Formen und Schemata wiederum als Diskurs. Ein derartiges diskursives Genrekonzept bedingt eine Veränderlichkeit von Genres, denen ein „Zwang zur Forminnovation“ (Diaz-Bone 2002: 168) innewohnt. Niklas Luhmann spricht in diesem Zusammenhang vom „Formverbrauchseffekt“ (Luhmann 1995: 77). Dieser Zwang zur Veränderlichkeit kann je nach Genre unterschiedlich groß sein. „Die Werke in Kulturwelten müssen sich in unterschiedlich starkem Ausmaß von vorhergehenden Werken unterscheiden, was zu einer unterschiedlichen Geschwindigkeit des Formverbrauchs führt“ (Diaz-Bone 2002: 168). Diaz-Bone sieht auch innerhalb der populären Musik derartige Unterschiedlichkeiten am Werk, er postuliert einerseits konservative Genres – als Beispiele dienen ihm Oper, Schlager- und Volksmusik, Blues und Classic Rock – und andererseits sozial-dynamische Genres – Jazz und Alternative Rock (ebd. 169). Leider begründet er diese Einteilung bzw. die gewählten Beispiele nur mit einer Angliederung von Genres an „Milieus der verschiedenen Klassenfraktionen“ (ebd. 168) und steht so in Gefahr, gängige Vorbzw. Werturteile zu reproduzieren. Moore behauptet dagegen im obigen 25 Vgl. z.B. Berger 1999: 13-14.

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Zitat die Möglichkeit einer Autonomie stilistischer Entwicklung, die nicht sozial bedingt ist. Theodore Gracyk (1996 und 2001) kritisiert in seinen Arbeiten zur Ästhetik populärer Musik ebenfalls diese in seinen Worten „social relevance thesis“ (Gracyk 2001: 46) und kommt zu dem polemischen Schluss: „In other words popular songs are fundamentally symbols, and their aesthetic dimension is irrelevant“ (ebd. 48).26 Um einer Überbewertung der „social relevance thesis“ vorzubeugen ist in dieser Arbeit ist vor allem vom Musikstil Heavy Metal die Rede, während das Genre Heavy Metal immer wieder gestreift wird, aber nicht im Zentrum des Interesses steht. Vielmehr soll die von Moore postulierte Möglichkeit der größeren Autonomie musikstilistischer Entwicklung gegenüber den eher sozial bedingten Genres genutzt werden, um die Entwicklung einer musikalischen Sprache des Heavy Metal nachzuzeichnen. Ästhetische Fragestellungen als Möglichkeiten der Bewertung des künstlerischen Sprachgebrauchs folgen dieser Ausarbeitung.

Der Formverbrauchseffekt – „das ist kein Metal mehr“ Die Geschwindigkeit des Formverbrauchseffekts wird in der Popularmusikforschung meist generell als langsam postuliert, da Genre als vor allem sozial bedingt verstanden wird – im Sinne von Diaz-Bones obigem Zitat als konservatives Genre. Keith Negus geht von folgender Überlegung aus: „Cultural production is not so much about sudden bursts of innovation but the continual production of familiarity and newness. [...] It is that slightly different-ness that is usually the source of critical discussion, rather than any sudden dramatic change. It is the newness and familiarity to which audiences and other musicians are responding.“ (Negus 1998: 362f)

In ähnlicher Art unf Weise sieht auch Fabbri ein neues Genre nicht vom sprichwörtlichen Himmel fallen, sondern sich in einem bereits existenten musikalischen System entwickeln. „Therefore a considerable part of the rules that define it are common to other genres already existing within the system, those that individualize the new genre being relatively few“ (Fabbri 1982: 60). Nach Ronald Byrnside (1975: 160-174), auf dessen Erkenntnisse sich Weinstein (1991: 7 und 15) im musikalischen Teil ihrer Kultursoziologie

26 Gracyk (2001: 58) kritisiert die Dominanz der „social relevance thesis“ auch an Walsers (1993) Monographie zu Heavy Metal, da ein ästhetisches Interesse an sowie eine ästhetische Erklärungsmöglichkeit für eine Vorliebe für Heavy Metal von letzterem ignoriert werden, wenn er musikalische Äußerungen als „traces, provocations and enactments of power relationships“ (ebd. S.30) betrachtet.

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II. THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN

des Heavy Metal stützt, durchläuft ein musikalischer Stil – unabhängig von der gesamten Dauer seiner Existenz – drei Entwicklungsphasen: „A pattern of formalization, crystallization and decay [...] During its formative process a new style somehow detaches itself from its predecessor and, wittingly or unwittingly, emerges as a reaction to the older style. Ordinarily this reaction to and breaking away from the older style is not clear-cut. In fact the new style usually borrows and/or adapts some element form the older style. After the formative process, the new style becomes crystallized and establishes itself, and its audience begins to recognize the boundaries of it. Finally [...] it becomes so predictable that both composer and audience begin to lose interest.“ (Byrnside 1975: 161)

Byrnsides Beschreibung der ersten Entwicklungsphase eines Musikstils entspricht den Annahmen von Fabbri und Negus bezüglich der Veränderung von Genres in der Betonung der allmählichen Entwicklung von Neuheit. Die Differenzierung unterschiedlicher Veränderungsgeschwindigkeiten unterlässt er möglicherweise auch deshalb, weil sie auf der Ebene der musikalischen Stilentwicklung weniger zentral ist als bei den als sozial bedingt postulierten Genres. Byrnsides postulierte Verfallsphase eines Stils erscheint jedoch als zu allgemein und wird durch den Verweis auf den diskursiven Charakter von Genres und den in diesen enthaltenen Musikstilen ersetzt. Die Frage ist also, wer verliert das Interesse an einem Musikstil aus welchen Gründen und wer behält es? Moore (1993: 150), der besonders an der Stilistik des Progressive Rock interessiert ist, betrachtet Heavy Metal leicht abwertend als den formelhaftesten aller Rockstile und postuliert ein stilistisches Kontinuum mit Heavy Metal und Hard Rock als musikwissenschaftlich definierbaren Eckpunkten (ebd. 148). Der Sinn einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit der damit implizierten stilistischen Ausdifferenzierung des Heavy Metal wird von Peter Wicke und Wieland Ziegenrücker gleichwohl bezweifelt. „Über den Sinn einer solch feingliedrigen, natürlich auch von kommerziellen Aspekten geprägten Auffächerung [die vorher aufgezählten Subgenres des Heavy Metal – D.E.] darf man geteilter Meinung sein. Tatsache ist, dass die Anhänger des Heavy Metal die einzelnen Rubriken sehr wohl zu unterscheiden wissen und ihre Vorliebe auf einen bestimmten Bereich konzentrieren.“ (Wicke/Ziegenrücker 1997: 227)

Diesem ausdifferenzierten Erwartungshorizont wird jedoch durch die Kompositionsmodelle der Musiker Rechnung getragen, wie das folgende Zitat aus einem Interview mit der deutschen Death Metal Band Fleshcrawl zeigt.

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Zudem belegt das Zitat die postulierte Trennung der Aufhebung von Produktion und Rezeption in der endlosen Kette musikalischer Äußerungen. „Natürlich experimentieren wir ab und zu mal mit Riffs, die eher zum Thrash Metal tendieren, [...] ich mag es, wenn man als Fan Platten praktisch blind kaufen kann, weil man weiß, was man bekommt [...] Weil du weißt was dich musikalisch erwartet“ (Fleckhaus 2007: 112). Zwischen den für Uneingeweihte wahrscheinlich nahe beieinander liegenden Kompositionsmodellen des Death und des Thrash Metal liegen für die interviewten Musiker offensichtlich Welten. In einer Erweiterung des Mooreschen Kontinuums zwischen Hard Rock und Heavy Metal erweist sich Heavy Metal als eigenständiger Mikrokosmos, in dem sich möglicherweise die ganze Bandbreite existenter Dynamiken der Formveränderung in Form von Subgenres wiederfinden lässt. Im Sinne von Diaz-Bone existieren konservative und sozial-dynamische Subgenres, wobei die zitierte Position von Fleshcrawl das konservative Ende eines gedachten Kontinuums der Formveränderung beschreibt. Das am anderen Ende des Kontinuums beheimatete sozial-dynamischste der Subgenres erhält übrigens auch im Mikrokosmos des Heavy Metal das bezeichnende und wenig überraschende Präfix Avantgarde. Gleichwohl enthalten alle Subgenres bestimmte verbindende Elemente, die sie als Teil von Heavy Metal identifizieren. Aufgrund der Unterscheidung von Genre und Stil müssen diese Elemente nicht ausschließlich musikalische sein, allerdings kann die Hypothese aufgestellt werden, dass im Sinne des obigen Interviewzitats von Fleshcrawl musikalische Elemente eine große Rolle zu spielen scheinen. Ziel ist deshalb die Identifikation dieser musikalischen Elemente, die als konstitutive Teile einer musikalischen Sprache des Heavy Metal gelten können.

Zusammenfassung Folgende Gedanken bilden das theoretische Fundament dieser Arbeit: • Die theoretische Fundierung für den Prozess der Datensammlung erfolgt mittels Konzepten aus der Erinnerungsforschung. Das Gedächtnis wird dabei als soziale und individuelle Konstruktion zur Selbstvergewisserung der eigenen Geschichte, des eigenen Standpunkts begriffen. • Kulturelles und kommunikatives Gedächtnis sind zwei Konzepte der Erinnerungsforschung, die sich unter anderem in ihrer zeitlichen Dimension unterscheiden. Das Wissen über Heavy Metal fällt auf der temporalen Ebene eindeutig in den Bereich des kommunikativen Gedächtnisses. Gleichzeitig haben sich bereits Institutionen und spezialisierte Traditionsträger herausgebildet, die zum kulturellen Gedächtnis

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II. THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN







• •







gehören. Heavy Metal befindet sich im Prozess der Formierung eines kulturellen Gedächtnisses. Traditionsstrom und Kanon sind zwei unterschiedliche Konzepte zur Aufbewahrung dessen, ‚was bleibt‘. Der Traditionsstrom weist eine größere Nähe zum kommunikativen Gedächtnis auf als ein zwangsläufig zum kulturellen Gedächtnis gehöriger Kanon. Trotzdem besteht der Traditionsstrom bereits aus kulturellen Artefakten. Der Traditionsstrom kann als Prozess der Historisierung begriffen werden und dementsprechend als Diskurs. Er ist eine Metapher für ein Netzwerk, an dem ein Teil aller ein bestimmtes Thema betreffenden Daten verfügbar gehalten werden. Die Beweglichkeit des Traditionsstroms ist im Gegensatz zu der des Kanons unstrittig und unproblematisch. Er bietet die Möglichkeit, sowohl kommunikatives und kulturelles Gedächtnis als auch Funktionsund Speichergedächtnis zu verbinden. Er dient zudem als Metapher für die Möglichkeit diskursiver Veränderung nach den jeweils aktuellen Maßgaben des Archivs. All dies führt im Rahmen dieser Arbeit zu einer Bevorzugung des Traditionsstroms gegenüber dem Konzept des Kanons. Der Zugang zum Traditionsstrom ist nicht an einen konkret beobachtbaren Ort gekoppelt Musikstücke werden als grundsätzlich miteinander im Dialog stehende komplexe Äußerungen begriffen. Komplexe Äußerungen können diverse einfache und komplexe Äußerungen absorbieren und verändern diese in diesem Prozess. Jede musikalische Äußerung greift mittels Modellen wie dem Erwartungshorizont auf den verfügbaren Vorrat an Wissen im Traditionsstrom zu und erweitert diesen zumindest potentiell um ein neues Kompositionsmodell. Da jeder Sprecher, also Produzent von Sprache, gleichzeitig immer auch Rezipient ist, also auf eine vorhergehende Äußerung reagiert, wird die Trennung von Produktion und Rezeption aufgehoben. Der Dialog der Äußerungen wird zur endlosen Kette von Äußerungen. Eine Darstellung, die Dialog als einfaches Schema von Äußerung und Reaktion versteht, ist verkürzt, weil die vorwegnehmende Imagination jeder Äußerung durch das jeweilige Gegenüber nicht mitgedacht wird. Das dialogische Konzept benötigt einen provisorischen Werkbegriff. Das Werk verstanden als Aufnahme respektive Tonträger identifiziert sich über eine eindeutige Produktionsgeschichte, die als spezifischer Ausschnitt aus der endlosen Kette der Äußerungen zu betrachten ist. Das Werk wird als komplexe Äußerung verstanden, als absichtsvolle,

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• •



abgeschlossene Zusammenstellung von Einzelstücken und damit als Schichtung komplexer Äußerungen in einer bestimmten Reihenfolge. Ein populäres Musikstück steht sowohl mit anderen Musikstücken anderer Autoren in Dialog als auch mit anderen Musikstücken des gleichen Autors. Gleiches gilt für die einzelnen Instrumentalstimmen innerhalb eines Musikstückes, die sowohl in einen Dialog miteinander als auch in einem Dialog mit anderen Instrumentalstimmen in anderen Musikstücken treten. Die Äußerung beinhaltet als Sprechakt immer auch die bedeutungsübertragende Aussprache eines Wortes, seine „expressive intonation“. Es wird für eine analytische Trennung von Musikstil und Musikgenre plädiert, bei der Genre als Konstrukt diskursiver und nicht diskursiver Praxen betrachtet wird, das jeweils auch auf Musikstile verweist und diese mit (sozialer) Bedeutung versehen kann. Ein diskursives Genrekonzept bedingt eine Veränderlichkeit von Genres, Dieser Zwang zur Veränderlichkeit kann je nach Genre unterschiedlich groß sein. Subgenres unterliegen ebenfalls diesem Zwang, gleichwohl enthalten sie bestimmte verbindende Elemente, die sie als einen Teil von beispielsweise Heavy Metal identifizieren. Aufgrund der Unterscheidung von Genre und Stil müssen diese Elemente nicht ausschließlich musikalische sein, auch wenn für Heavy Metal die Hypothese aufgestellt wird, dass diese eine große Rolle spielen.

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III. H E A V Y M E T A L

IN DER

LITERATUR

Die wissenschaftliche Literatur zu Heavy Metal bildet einen überschaubaren Korpus. Die bisher zentralen Werke sowohl in musik- bzw. kultursoziologischer1 als auch in musikwissenschaftlicher2 Hinsicht sind in den USA in der ersten Hälfte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts erschienen. Aktuell zeigt sich eine Zunahme der soziologischen Auseinandersetzung mit extremen Teilbereichen des Heavy Metal3 sowie ein Anstieg der musikwissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Werk einzelner Bands und Künstler.4 Die populärwissenschaftliche und journalistische Literatur bietet Unmengen an Bandbiographien, einige als Lexika firmierende Zusammenstellungen von Künstlern und xBands unter bestimmten thematischen Vorgaben5 sowie Ansätze zu übergreifenden Genre- und Stilgeschichten.6 Zudem mehren sich autobiographisch gefärbte Bücher von Musikern7 oder Fans,8 die eine vermutete Dynamik von sozialer Ablehnung und bewusster Selbstmarginalisierung im Zusammenhang mit männlicher Adoleszenz am Beispiel von Heavy Metal bzw. häufig Glam Metal zu thematisieren versuchen.

Die soziologische Beschäftigung mit der Kulturwelt, Szene oder Subkultur Heavy Metal 1991 erscheint mit Weinsteins Kultursoziologie des Heavy Metal eine erste Monographie zum Thema. In deutscher Sprache folgt 1996 die volkskundliche Dissertation von Bettina Roccor. Seither ist eine Reihe wissenschaftli1 2 3 4 5 6

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Weinstein 1991. Walser 1993. Kahn-Harris 2007, Langebach 2007, eher populärwissenschaftlich Moynihan und Soderlind 1998, und Mudrian 2004. Bowman 2003, Brackett 2008, Fast 2001, Moore 2003b, Pieslack 2008, Pillsbury 2006, Waksman 2004, Wilkinson 2006. Z.B. Herr 1993-96, McIver 2007, Udo 2002. Christie 2003, Dunn und McFayden 2006, Schäfer 2001 etc. Moynihan und Soderlind 1998 und Mudrian 2004 präsentieren Subgenregeschichten aus dem Bereich des Extreme Metal. Strauss 2002. Hunter 2004, Klostermann 2007, W. 2007.

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cher und populärwissenschaftlicher Überblicke über die je nach theoretischem Ansatz Kulturwelt, Szene oder Subkultur Heavy Metal veröffentlicht worden.9 Der typische Heavy Metal-Hörer und -Musiker wird als weiß, männlich, mit eher geringem Bildungsgrad und ArbeiterklassenHintergrund bestimmt10 (vgl. Weinstein 1991: 100-117). In neuerer Zeit verändert sich dieses Bild, eine Zunahme von Fans mit höhererem Bildungsgrad wird konstatiert (vgl. Roccor: 1996: 319f). Zudem erscheint Heavy Metal zumindest mittlerweile als weltweites Phänomen,11 so dass die allgemeine Zuschreibung der Hautfarbe ‚weiß‘ doch zumindest in Zweifel gezogen werden muss.12 Teilnehmende Beobachtung bei Heavy Metal-Konzerten und -Festivals zeigt weiterhin eine Weinstein bestätigende männliche Dominanz – bei gleichzeitigem Anwachsen der weiblichen Minderheit. Insgesamt fehlen verlässliche empirische Daten, um weitergehende Aussagen zu machen. Diaz-Bone (2002) nimmt in sozialer Hinsicht eine differenziertere Position ein, während Hautfarbe und Geschlecht von ihm nicht untersucht werden: „Der Produktionszyklus, das Arbeits- und Erfolgsethos, die Wertschätzung des Selbermachen-könnens lassen eine Nähe zum berufsständischen Ethos von Handwerkern, Technikern und Facharbeitern erkennen“ (Diaz-Bone 2002: 411). Im Zentrum des Produktionszyklus des Heavy Metal steht für ihn die Band, die als „beseelte Einheit“ (ebd. 408) thematisiert wird. Der Produktionszyklus selbst dreht sich um das Album, dessen Stücke geschrieben und aufgenommen werden müssen. Anschließend muss das Album beworben und im Konzert präsentiert werden. Diaz-Bone unterstützt damit Gracyks und Fairchilds Hypothese, dass Tonträger und nicht die Aufführung das Werk der populären Musik konstituieren. Zwar ist er mit Weinstein (1991: 199) der Meinung, dass die Umsetzung des Produktionszyklus im Konzert gipfelt, allerdings dient die Aufführung der Authentisierung des Albums. „Die [...] Konzertaufführung [...] [wird] authentisiert, wenn hier die situative Reproduktion der Studioproduktion, als erneute Erarbeitung der klangtechnischen Qualität und musikalischen Intensität in der Konzertsituation gelingt“ (Diaz-Bone 2002: 409). Weinstein interessiert sich dagegen für die Aufführung vor allem wegen eines postulierten Aufeinandertreffens aller Beteiligten – Musiker, Fans etc. – im Konzert. Als ein Argument für die soziologische Zuordnung der Heavy MetalMusiker und -Fans zu bestimmten gesellschaftlichen Schichten oder Klas9

Carruthers 2006, Dunn und McFayden 2006, Morsch 2004, Nolteernsting 2002, Stock und Mühlberg 1990, Straw 1984 und 1996. 10 „Blue-collar, white, male youth“ (Weinstein 1991: 100). 11 Baulch 2003 und 2007, Dunn und McFayden 2008, Kahn-Harris 2007, Mudrian 2004. 12 Weinstein schränkt ihre Position selbst ein: „The members of the metal subculture are predominantly white except in countries with overwhelmingly nonwhite populations“ (Weinstein 1991: 111).

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III. HEAVY METAL IN DER LITERATUR

sen wird ein Arbeitsethos identifiziert, das künstlerisches Schaffen als „werktätig-sein von instrumentell-handwerklich qualifizierten Kollektiven“ (ebd. 408) betrachtet. Dieses Arbeitsethos bildet sich im Verhältnis zum Instrument und der Notwendigkeit seiner Beherrschung ab. Diaz-Bone unterscheidet hier zwischen zulässigen und unzulässigen Techniken. „Zulässig sind elektronische Techniken, die den Sound der von den Musikern gespielten Instrumente verfremden. Unzulässig sind solche Techniken, insbesondere im Rahmen der Konzertaufführung, die im Verdacht stehen die spielerischen Schwächen der Musiker zu verdecken. Einen wenig akzeptablen Status haben solche Instrumente, die eingesetzt werden können, ohne dass ihre Verwender diese wirklich beherrschen und über ein angemessenes spielerisch-instrumentelles Vermögen verfügen (hier steht das Keyboard an erster Stelle).“ (DiazBone 2002: 411)

Wenn das Konzert der Authentisierung des Werkes dient, erscheint ein Bedürfnis nach einem Ausschluss von Techniken, die diese Authentisierung gefährden, nachvollziehbar. Unbefriedigend bleibt jedoch die Einteilung in zulässige und unzulässige Techniken bezüglich ihrer zumindest impliziten Zuordnung zu bestimmten Instrumentengruppen. Wie bereits im obigen Zitat angedeutet, müssen elektronische Tasteninstrumente als wenig akzeptabel gelten, da sie die Authentisierung nur ungenügend unterstützen. Dagegen fällt die Standardbesetzung einer Rockband mit Gitarre, Bass, Gesang und Schlagzeug eindeutig in den zulässigen Bereich. Auch die problemlose Akzeptanz von Streichinstrumenten in bestimmten Stilen13 des Heavy Metal ist mit dieser Argumentation erklärbar. Es fehlt jedoch ein Grund für das fast völlige Fehlen von Blasinstrumenten14 im Heavy Metal, obwohl diese die notwendige Authentisierung ebenfalls unterstützen. Hier scheinen zusätzlich klangästhetische Vorlieben zum Tragen zu kommen, die in der beschriebenen Argumentation nicht vorkommen. Eine weitere Antriebsfeder für die soziologische Beschäftigung mit Heavy Metal ist die Suche nach Erklärungen bzw. Begründungen für abweichendes Verhalten jugendlicher Fans. Die Behauptung derartiger Zu-

13 Geigen finden sich in Stilen, die Folkmusik unterschiedlicher Herkunft mit Heavy Metal zu verbinden suchen. Ein anderes Beispiel ist die aus vier Cellisten bestehende finnische Band Apocalyptica, die akzeptierter Teil des Traditionsstroms des Heavy Metal ist. Zwei ihrer Alben sind Teil der Auswertung. Sie hat sich diesen Status über das Nachspielen bekannter Äußerungen des Heavy Metal erarbeitet (Apocalyptica Plays Metallica By Four Cellos. 1996, eine Nennung in einer Quelle). 14 Einschränkend muss angeführt werden, dass Flöten und Dudelsäcke im Folk Metal sehr wohl Verwendung finden. Mehr oder weniger ignoriert werden dagegen Blechblasinstrumente und das Saxophon, also mit dem Jazz assoziierte Musikinstrumente.

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SCHWERMETALLANALYSEN

sammenhänge begleitet Heavy Metal während seiner ganzen Existenz.15 Das wissenschaftliche Erkenntnisinteresse richtet sich auf das Vorhandensein und die Auswirkungen von Satanismus und Okkultismus vor allem im Black Metal,16 die Entstehung neofaschistischer (Black-) Metal Szenen17 sowie allgemeiner in der empirischen Untersuchung des Zusammenhangs von Musik und Aggression am Beispiel von Heavy Metal.18 Keith KahnHarris (2007: 157) kommt in diesem Zusammenhang zu dem Schluss, dass die von ihm so benannte ‚extreme metal scene‘ vor allem eskapistischen Praxen huldige. „The scene allows members to experience the pleasures of transgression and mundanity in a relative safe, secure and autonomous environment. Indeed, reflexive anti-reflexivity allows members to maintain the illusion that this safe environment is immune from the complexities and problems of the world.“ (Ebd.)

Unter Transgression versteht Kahn-Harris (2007: 27-49) eine ritualisierte Form der Grenzüberschreitung, die ähnlich dem Karneval eine spielerische Infragestellung existenter Machtverhältnisse beinhalten kann.19 Er macht Transgression zu seinem zentralen Analysekonzept und bündelt so sämtliche im Zusammenhang mit Heavy Metal vorkommenden Formen abweichenden Verhaltens Jugendlicher in einem Begriff. Dabei unterscheidet er

15 Vgl. die Satanismusvorwürfe von christlicher Seite, exemplarisch in Bäumer (1984), die Kampagne des Parents Music Resource Center in den USA ab 1984 (vgl. Pritchard 2007), die Prozesse wegen Beihilfe zum Suizid gegen Ozzy Osbourne 1988 und 1991 sowie Judas Priest 1990 in den USA (vgl. Walser 1993: 137-171; Weinstein 1991: 237-75), das Verfahren gegen die West Memphis Three wegen Mord in den USA 1993 (vgl. Berlinger und Sinofsky 2005), die Debatte um Kirchenbrandstiftungen und mehrere Morde in der norwegischen Black Metal Szene (vgl. Moynihan und Soderlind 1998), der Mord an Sandro Beyer in Thüringen 1993 (vgl. Dornbusch und Killguss 2005: 52-54) etc. Reto Wehrli (2005) bietet eine akribische Auflistung von Zensurfällen im Zusammenhang mit Heavy Metal. Keith Kahn-Harris (2003) beschäftigt sich im Rahmen des von Martin Cloonan und Reebee Garofalo herausgegebenen Sammelbandes Policing Pop mit Zensur und Death Metal am Beispiel eines Cannibal Corpse Stückes. Allgemein zu abweichendem Verhalten Jugendlicher im Zusammenhang mit Heavy Metal in den USA siehe Arnett 1996 und Gaines 1992. Gewalt im Zusammenhang mit Tanz im Heavy Metal und Hard Core bei Ambrose 2001 und Tsitsos 1999. 16 Akoto 2006, Becker 1998, Chaker 2004, Eggeling 2006. Zum (wieder) erstarkenden christlichen Heavy Metal siehe Moberg 2008a und b. 17 Dornbusch und Killguss 2005. 18 Brunner 2006, von Georgi, R., Kraus, H., Cimbal, K. und Schütz, M. (eingereicht), Weindl 2005. 19 Er bezieht sich u.a. auf Bakhtins (1984b) Arbeiten zum Karneval.

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drei Arten der Grenzüberschreitung, die er als klanglich,20 diskursiv und körperlich bezeichnet. Als ‚reflexive anti-reflexivity‘ umschreibt er eine Haltung, die er als „knowing better, but deciding not to know“ (ebd. 145) charakterisiert. Diese Haltung des ‚lieber nicht wissen wollen‘ erklärt, wieso die Heavy Metal Szene sich schwer mit der Abwehr von Akteuren tut, die einen Regelverstoß nicht spielerisch begreifen, sondern bewusst begehen. Der gewährte Freiraum gilt für alle Teilnehmer, solange die szeneinternen Regeln des Sich-Gegenseitig-Gewähren-Lassens nicht verletzt werden. Nicht erklärt wird aber die Anziehungskraft, die Heavy Metal offensichtlich auch auf diese nicht erwünschten Akteure ausübt, denn hier wird kein Freiraum gesucht, sondern Ideologie produziert. Ein derartiger Umschlag von Spaß in Ernst, von Provokation in Politik sprengt den Ansatz von Kahn-Harris. Dornbusch und Killguss (2005) haben eine detaillierte Materialsammlung neofaschistischer Tendenzen im Black Metal veröffentlicht. Diese verdeutlicht die Problematik dieses Umschlages und zeigt die Schwierigkeiten der Extreme Metal Szene auf, sich von in ihren Ohren interessanter Musik zu distanzieren, nur weil deren Macher eine mehrheitlich unerwünschte politische Ausrichtung haben.

Eine kurze Genregeschichte Die bisherige Geschichte des Heavy Metal zeigt im Sinne Byrnsides, Fabbris und Negus einen Zeitraum der allmählichen Formierung des Genres, dessen Beginn im Allgemeinen ungefähr auf die Jahrzehntwende zwischen den 1960er und 1970er Jahren datiert wird.21 Als Vorläufer gelten der britische Blues Rock und der sogenannte Progressive Rock der 1960er und beginnenden 1970er.22 Über den Ursprung der Bezeichnung Heavy Metal herrscht keine Einigkeit.23 Werkgeschichtlich verweist Ian Christie 20 Hier referiert Kahn-Harris vor allem Walsers (1993) musikwissenschaftliche Erkenntnisse zu Heavy Metal (siehe Seite 52-63 in dieser Arbeit). 21 Die folgenden Ausführungen beziehen sich v.a. auf Christie 2003, Roccor 1996 und Weinstein 1991. 22 Vgl. Chambers 1985, Moore 1993, Straw 1996. Bezüglich des Einflusses des Blues Rock vgl. auch Headlam 1997; ausführliche Analysen des Prog-Rock finden sich unter anderem bei Moore 1993 und 2003b, sowie in diversen Arbeiten von John Covach 1991, 1996, 1999, 2000. Zu Schlagzeugrhythmen des Prog-Rock siehe auch Howie (o.J.). 23 Verbreitete Erklärungsmuster verweisen auf die Textzeile „Heavy Metal Thunder“ aus Steppenwolfs 1968er Veröffentlichung „Born To Be Wild“, auf die Verwendung des Begriffs in Romanen von William S. Burroughs aus den frühen 1960er Jahren (vgl. The Soft Machine 1962, Nova Express 1964) oder auf verschiedene Journalisten, Manager und Musiker, die behaupten, Heavy Metal sei erstmals im Zusammenhang mit einem ihrer Artikel, einer Besprechung ihrer Musik etc. verwendet worden (Vgl. Roccor 1996: 98f, Dunn und McFayden 2006 oder http://de.wikipedia.org/wiki/Heavy_metal, Zugriff am 27.5.2008).

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(2003) besonders auf das Erscheinen des Debütalbums von Black Sabbath im Jahr 1970, während Roccor und Weinstein zusätzlich die Wichtigkeit von Deep Purple und Led Zeppelin für die Formierung des Musikstils betonen. Laut Weinstein (1991: 14) unterscheiden sich die Heavy MetalGeschichtsschreibungen nach ihrem Ursprungsland. „Americans tend to pull for Led Zeppelin [...] but the British favor Black Sabbath“ (ebd.). Auf die Formierung des Genres folgt ein Zeitraum der Verfestigung, in dem die Genreinhalte und damit auch die musikalische Sprache ausformuliert werden. Dieser Zeitraum umfasst in allen Quellen die zweite Hälfte der 1970er Jahre und reicht unterschiedlich weit in die 1980er Jahre hinein. Während Weinstein (1991: 21) die Jahre 1976-79 als Zeit der vollständigen Verfestigung des Genres betrachtet, kommen Roccor und Christie hier auf ein diffuses Phänomen zu sprechen, das meist als „New Wave of British Heavy Metal“ bezeichnet wird.24 Die genauen Anfänge dieser ‚Welle‘ sind ebenso unklar wie ihr Ende, Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass die Hochzeit des häufig NWoBHM abgekürzten Phänomens um die Jahrzehntwende der 1970er und 1980er Jahre liegt. Iron Maiden sind eine der wegweisenden Bands der NWoBHM. Judas Priest und Motörhead sind bereits vor Beginn der ‚Welle‘ aktiv, ihre um die entsprechende Jahrzehntwende liegenden Veröffentlichungen werden jedoch häufig zur NWoBHM gezählt. Die NWoBHM steht auch paradigmatisch für eine beginnende Selbstorganisation der Heavy Metal-Fans, die zum Teil von der Punkbewegung inspiriert worden sein soll. Mit Kerrang! erscheint 1981 in Großbritannien eine erste kommerzielle Zeitschrift, die ausschließlich Hard Rock und Heavy Metal gewidmet ist, weltweit rezipiert und zum Vorbild für viele Zeitschriftenprojekte wird. Viele Veröffentlichungen von Bands, die der NWoBHM zugerechnet werden, erscheinen zudem bei kleinen und kleinsten Schallplattenfirmen bzw. im Selbstverlag.25 Für Weinstein beginnt mit der Jahrzehntwende zu den 1980er Jahren, also bereits parallel zur NWoBHM, die Zeit der Ausdifferenzierung des Heavy Metal. Christies zum Scheitern verurteilter Versuch einer linearen Heavy Metal Geschichtsschreibung bestätigt diese These Weinsteins. Er muss mehrfach bis an den Anfang (vgl. Christie 2003: 41, 53, 95, 109), bzw. bis in die Mitte der 1980er Jahre zurückkehren (vgl. Christie 2003: 81, 114, 137, 141, 159), da viele Entwicklungen im Heavy Metal parallel und nicht chronologisch verlaufen. Es lässt sich eine dreiteilige Entwicklung des Genres Heavy Metal konstatieren. Seine Formierung beginnt spätestens Anfang der 1970er Jah-

24 Die Erfindung der Bezeichnung New Wave of British Heavy Metal wird wahlweise dem Journalisten Geoff Barton oder dem DJ Neil Kay zugeschrieben. 25 Zur durch Großbritannien inspirierten Entwicklung in den USA vgl. Elflein 2007, zur Entwicklung in Deutschland vgl. Stratmann 2004.

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re. Die Kristallisierung ist zehn Jahre später abgeschlossen, es beginnt eine fortschreitende stilistische Ausdifferenzierung, die bis zu dem Zeitpunkt, an dem diese Zeilen geschrieben werden, anhält. Die stilistische Ausdifferenzierung führt zur parallelen Existenz konservativer und sozial dynamischer Subgenres sowie zu einer unübersichtlichen Vielzahl stilistischer Begriffe unterschiedlicher inhaltlicher Füllung und Abgrenzung. Im Moment finden sich in der Fachpresse und der Literatur mindestens folgende Stilbegriffe, die jeweils dem Heavy Metal zugerechnet werden: Alternative Metal, Avantgarde Metal, Black Metal, Classic Metal, Crossover, Dark Metal, Death Core, Death Grind, Death Metal, Death’n’Roll, Doom Metal, Elektro Metal, Epic Black Metal, Epic Metal, Folk Metal, Funeral Doom, Funk Metal, Glam Metal, Gothic Metal, Grunge, Hair Metal, Hard Rock, Industrial Metal, Math Metal, Melodic Death Metal, Melodic Metal/AOR, Melodic Speed Metal, Metal, Metal Core, Modern Metal, Neo-Thrash, Nu-Metal, Pagan Metal, Power Metal, Prog Metal, Rotzrock, Sleaze, Speed Metal, Thrash Metal, True Metal, Viking Metal.

Drei grundlegende stilistische Kategorien: Hard Rock, Classic- und Extreme Metal Weinstein (1991: 6-8) hat diese unübersichtliche Vielfalt in die drei übergeordneten Bereiche Lite-, Classic- und Thrash/Speed Metal eingeteilt. • Lite Metal charakterisiert die Betonung der melodischen Elemente (ebd. 45). Zudem wird er als der Bereich definiert, in dem ein Blues Rock-Einfluss deutlich spürbar ist. Die Bezeichnung Lite Metal ist bei den betroffenen Bands unbeliebt, viele werden lieber als Hard Rock bezeichnet (ebd. 47). • Classic Metal is für Weinstein gleichbedeutend mit Heavy Metal und bezeichnet das Ergebnis der Kristallisierung des Stils in der zweiten Hälfte der 1970er. Gleichzeitig schließt er die Entwicklungen der NWoBHM mit ein und ist „famous for epic songs with strong tenor vocalists“ (ebd. 289). Im Classic Metal wird die musikalische Stilistik des Heavy Metal vom Hard Rock abgegrenzt, entwickelt und ausformuliert. Der Begriff Classic Metal bezeichnet damit Stilistiken, in denen ein deutliches Echo des Progressive Rock zu vernehmen ist, während gleichzeitig der im Lite Metal/Hard Rock dominantere BluesEinfluss auf dem Rückzug ist. • Speed/Thrash Metal betrachtet Weinstein als „a fundamentalist revision of Heavy Metal’s code“ (ebd. 52). Im formalen Aufbau und der Betonung handwerklicher Virtuosität finden sich weiterhin Spuren des Progressive Rock, der – wie Weinstein formulieren würde – dionysi-

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sche Blues Rock-Einfluss ist dagegen meist verschwunden bzw. wird v.a. durch Punk und Hard Core, aber auch Industrial-Einflüsse ersetzt.26 Weinsteins stilistische Abgrenzung der drei Kategorien wird übernommen. Allerdings wird der Begriff des Hard Rock gegenüber dem leicht als abwertend misszuverstehenden Lite Metal bevorzugt. Der von ihr als Thrash/Speed Metal benannte Teilbereich hat sich derartig weiter ausdifferenziert, dass die u.a. von Kahn-Harris (2007) popularisierte, allgemeinere Bezeichnung Extreme Metal angemessener erscheint. Thrash und Speed Metal bilden einen Teilbereich des Extreme Metal, der sich stark ausdifferenziert hat und in erheblichem Maße zur Wahrnehmung von Heavy Metal als weltweitem Phänomen beiträgt.27 Zusammenfassend wird Moores (1993: 148) stilistisches Kontinuum zwischen Heavy Metal und Hard Rock mit Weinstein erweitert. Heavy Metal, verstanden als Classic Metal, wird nicht mehr als End-, sondern als Mittelpunkt des Kontinuums erwartet, dessen eines Ende weiterhin vom Hard Rock besetzt wird. Das andere Ende bildet der Bereich des Extreme Metal. Von Hard Rock in Richtung des Extreme Metal wird von einer Abnahme des Blues-Einflusses ausgegangen. Der Progressive Rock-Einfluss ist im Zentrum des Kontinuums am stärksten und nimmt in Richtung der Endpunkte ab. Einflüsse aus anderen Popularmusikgenres finden sich ebenfalls eher an den Rändern des Kontinuums.

Heavy Metal als Musikstil Musikwissenschaftliche Veröffentlichungen, die sich mit Heavy Metal auseinandersetzen, sind rar. Walsers zentrale musik- und kulturwissenschaftliche Monographie von 1993 wird vor allem durch die ethnographisch und phänomenologisch orientierten Arbeiten von Harris M. Berger ergänzt.28 Zusätzliche Aussagen finden sich bei Moore (1993: 147-151), der dem Heavy Metal vier Seiten seines Standardwerkes Rock – The Primary Text

26 Über die Hintertür des Punk Rock (sic) können wieder Blues- bzw Rock-Einflüsse in den Extreme Metal einfließen, so im entsprechend benannten Death’n’Roll. 27 Kahn-Harris (2007: 97-120) vergleicht die Extreme Metal Szenen in Großbritannien, den USA, Schweden und Israel. In einem früheren Artikel (Harris 2000) schreibt er anhand von Sepultura über Brasilien. Emma Baulch (2003 und 2007) beschreibt die Death Metal-Szene in Bali. Mudrian (2004) verweist auf die Wichtigkeit des sich aus Brieffreundschaften entwickelnden weltweiten Tapetrading für die Entwicklung der von ihm beschriebenen Subgenres Grind Core und Death Metal. Stratmann (2004) bestätigt die internationale Vernetzung der Tape-trading-Szene aus der Sicht eines deutschen Teilnehmers. 28 Berger 1999a und b, 2004 a und b, sowie Berger und Fales 2005. In kulturwissenschaftlicher Hinsicht Klypchak 2007.

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widmet, und einigen wenigen anderen Autoren.29 Außerdem existieren einige Werkanalysen, die sich mit Künstlern beschäftigen, die zumindest teilweise Teil des Traditionsstroms des Heavy Metal sind,30 meist jedoch eher dem Progressive Rock oder anderen Vorläufern des Heavy Metal zugeschrieben werden müssen. Die Werkanalysen sind entweder am Idiolekt eines Künstlers interessiert oder an einer exemplarischen Analyse einzelner musikalischer Äußerungen mit dem Ziel der sozialen Bedeutungszuschreibung im Sinne der bereits kritisierten „social relevance thesis.“ Problematisch am Umgang mit Werkanalysen ist die Frage der Verallgemeinerbarkeit ihrer Analyseergebnisse im Zusammenhang mit einer an Stilanalyse interessierten Forschung, zumal eine am Idiolekt interessierte Werkanalyse ihre Ergebnisse immer von einem größeren Ganzen absetzen muss, um die individuellen Eigenarten des Künstlers herausarbeiten zu können. Der musikalische Stil muss als bereits bekannt vorausgesetzt werden. Werkanalysen zu einzelnen Künstlern aus dem Traditionsstrom des Heavy Metal setzen die musikalische Sprache des Heavy Metal also als beschrieben voraus, um ihrem Anspruch gerecht zu werden. Pillsbury (2006) versucht in seiner Monographie über Metallica and the Production of Musical Identity eine derartige Quadratur des Kreises. „The sound and the musical techniques of thrash metal have been little studied by popular music scholars“ (ebd. 3). Trotz dieser Feststellung will er Thrash Metal nicht zu seinem Thema machen – „my aim is neither merely to draw a picture or to take a snapshot of the genre, not to somehow write the book on thrash metal“ (ebd.). – sondern anhand einer Untersuchung von Metallicas musikalischen Äußerungen die für ihn erkenntnisleitende Frage zu beantworten „Why does thrash metal do what it does?“ (ebd.). Damit müssen die musikalischen Äußerungen von Metallica entweder zu einem Synonym für Thrash Metal werden, so dass der Idiolekt den Stil definiert, oder die musikalische Sprache des Thrash Metal wird in der Konsequenz gesetzt und nur partiell begründet. Für letzteres spricht Pillsburys (2006: 4) eigene Einschränkung, dass andere Künstler – er nennt Megadeth, Slayer und Anthrax – im Rahmen des Thrash Metal jeweils eigene musikalische Schwerpunkte setzten. Aussagen wie eine bestimmte, anhand einer Äußerung von Metallica analysierte Spieltechnik sei ein Markenzeichen des Thrash Metal – „a hallmark of thrash metals rhythmic language“ (ebd. 18) –, verlassen sich damit mehr auf die Suggestivkraft der gewählten Formulierung als auf einen Nachweis ihrer Verallgemeinerbar-

29 Chambers 1985, Dunn und McFayden 2006, Faulstich 1986, Kneif 1980b, Roccor 1996 und 1998, Straw 1984 und 1996, Weinstein 1991. 30 Bowman 2003, Brackett 2008, Fast 2001, Headlam 1997, Moore 2003b, Pieslack 2008, Pillsbury 2006, Waksman 2004, Wilkinson 2006.

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keit. Die Frage, woher weiß Pillsbury, dass es sich hier um ein Markenzeichen des Thrash Metal und nicht um eines von Metallicas Idiolekt handelt, bleibt unbeantwortet. Im für Pillsbury besten Fall findet sich die Antwort in der eingangs zitierten Literatur. Im anderen Fall bleibt die mögliche Verallgemeinerbarkeit des musikalischen Idiolekts von Metallica eine Behauptung und die entsprechenden Untersuchungsergebnisse müssen überprüft werden. In der Folge wird deshalb vor allem das in der eingangs zitierten Literatur enthaltene musikalische Wissen über Heavy Metal referiert. Das zusätzliche, in Werkanalysen enthaltene Wissen wird mit Quellenangabe und bezogen auf den jeweils analysierten Künstler hinzugefügt. Zuvor sei jedoch noch eine theoretische Anmerkung erlaubt. Pillsbury bezieht sich in seinem theoretischen Ansatz explizit auf Walser und Susan Fasts (2001) – ebenfalls von Walser inspirierter – Arbeit zu Led Zeppelin, von der er die Performance-Orientierung übernimmt. Wie bereits erwähnt, wird Walsers theoretischer Ansatz von Gracyk (2001: 46-63) wegen seiner Überbetonung der sozialen Bedeutung von Musik kritisiert.31 Er moniert die Unmöglichkeit des ästhetischen Genusses populärer Musik im Rahmen des Walserschen Ansatzes. John Shepherd und Peter Wicke (1997: 144149) betrachten zudem den für die Zuschreibung von Bedeutung zentralen Diskursbegriff Walsers (1993: 28-30) als uneindeutig. Aus den Aussagen „traditionally only language has been thought to be discoursive“ und „recent usage has opened up the concept of discourse to refer to any socially produced way of thinking and communicating“ (Walser 1993: 28f) folgern Shepherd und Wicke eine Abkehr von einem behaupteten Foucaultschen Denkansatz („This is a poststructural view of music.“ – Walser 1993: 29) hin zu einer Reduktion des Diskursbegriffes auf „the condition of ordinary communication“ (Shepherd und Wicke 1997: 144). Als weiterer Beleg dient ihnen Walsers Aussage, „discourses are formed, maintained and transformed through dialogue; speakers learn from and respond to others.“ (Walser 1993: 29). In Walsers (1993: 27-33) theoretischer Ableitung findet sich an prominenter Stelle auch Bakhtin. Allerdings erscheint Walsers Verständnis der Bakhtinschen Ideen als verkürzt, da er Dialog im obigen Zitat (ebd. 29) als einfaches Schema von Äußerung und Reaktion versteht und die die Reaktion beeinflussende vorwegnehmende Imagination der Äußerung ausschließt.32 31 Siehe Kapitel II, Fußnote 26. 32 Nur aufgrund dieser verkürzten Sichtweise kann Walser (1993: 27) für Heavy Metal ableiten, dass ein C-Dur-Akkord einfach als Äußerung erster Ordnung verstanden werden muss, um ihn in verschiedenen Diskursen mit sozialer Bedeutung aufladen zu können, und sich damit wiederum die Kritik Gracyks zuziehen.

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Allgemeines In Kenntnis dieser Einschränkungen bleibt es Walsers Verdienst, einen ersten ausführlicheren Versuch der musikwissenschaftlichen Beschäftigung mit Heavy Metal zu präsentieren. Er übernimmt dabei einige Elemente aus den in Lexika und Nachschlagewerken33 zu populärer Musik genannten musikalischen Charakteristika. Dort wird Heavy Metal im Allgemeinen undifferenziert als musikalisch identisch mit Hard Rock betrachtet und charakterisiert sich durch verzerrte Gitarren, eine traditionelle Rockbesetzung mit Gitarre, Bassgitarre und Schlagzeug, einem hervorgehobenen oder vordergründigen 4/4-Beat sowie eine formale und harmonische Anlehnung an das Bluesschema. Betont werden zudem die Wichtigkeit handwerklicher Virtuosität, hohe Lautstärke und manchmal ein stilisierter Gesangsstil. Zur Beschreibung des künstlerischen Ausdrucks dienen Worte wie Kraft, Intensität und Handwerk bzw. Virtuosität. Häufig findet sich ein implizit abwertendes Urteil über Heavy Metal, so stellvertretend für viel andere bei Chambers (1985): „a powerhouse drums-electric bass combination laying down a bludgeoning beat as a base for the voice and lead guitar to narcistically mix and mirror aggressive musical and sexual prowess“ (ebd. 123). Im unbefriedigenden Ergebnis wird Heavy Metal zu einem Teil von Rockmusik, der durch eine Dominanz verzerrter Gitarren bzw. die Abwesenheit von Tasten-, Streich- und Blasinstrumenten charakterisiert ist.34 Präsentiert wird eine einfache musikalische Struktur bei durchgängig hoher Lautstärke, deren klangliche Textur als Tendenz zur Dichte analysiert wird. Die ebenfalls betonte Wichtigkeit handwerklicher Virtuosität steht nur dann nicht im Widerspruch zu dieser Einschätzung, wenn sie sich vor allem in solistischen Ausflügen Bahn bricht. Eine darüber hinaus gehende musikalische Sprache wird Heavy Metal nicht zugestanden. Eine Abgrenzung zum oder Differenzierung gegenüber dem Hard Rock erscheint den Autoren deshalb überflüssig.

33 Vgl. Bruckmoser / Wulff 1996, Clarke (Hg.) 1989, Halbscheffel / Kneif 1992, Kneif 1980a, Larkin (Hg.) 1998, Wicke und Ziegenrücker 1987 und 1989 et.al. 34 Laut Moore (1993: 149) wird die übliche Besetzung mit Gitarre, Bass und Schlagzeug im Heavy Metal häufig durch eine zweite Gitarre ergänzt, während im Hard Rock eher Synthesizer und Orgel als Ergänzung Verwendung finden sollen. Derartige Generalisierungen sind mit Vorsicht zu genießen, da sie nie für alle Subgenres des Heavy Metal Gültigkeit erlangen. So finden auch im Extreme Metal durchaus Keyboards Verwendung. Allerdings bleibt die mit DiazBone (2002: 411) weiter oben beschriebene ambivalente Haltung gegenüber Keyboards wegen ihrer mangelnden Fähigkeit zur Authentifizierung des Werkes immer erhalten.

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Musikalische Form Im Gegensatz zu Walser unterscheiden Berger und Moore zwischen Hard Rock und Heavy Metal. Moore entwickelt das bereits erwähnte stilistische Kontinuum mit den Endpunkten Hard Rock und Heavy Metal, das um den Punkt Extreme Metal erweitert wurde. Als ein mögliches Abgrenzungskriterium von Hard Rock und Heavy Metal betrachtet er – analog zu Berger – die An- bzw. Abwesenheit von Blues-Akkorden und 12-taktigem Bluesschema. Leider hindert ihn diese Erkenntnis nicht, im Falle der britischen Band Motörhead die durchgehende Verwendung eines abgewandelten Bluesschemas zu behaupten, und die Band gleichzeitig als paradigmatisch für die Formelhaftigkeit von Heavy Metal zu betrachten, statt zu der gebotenen Schlußfolgerung zu gelangen, dass Motörhead vielleicht gar keinen Heavy Metal spielen.35 Typisch erscheint Moore (1993: 150) für Hard Rock wie auch für Heavy Metal eine formale Vorhersehbarkeit, die er als Variation der „Intro two verses break verse playout“-Struktur beschreibt. Bei genauerer Betrachtung seiner Beispiele36 kann jedoch mit einer gewissen Berechtigung behauptet werden, dass die Formelhaftigkeit nach Moore zunimmt, je mehr Punkeinfluss deutlich wird, und abnimmt, je mehr Progressive Rock-Einfluss vorherrscht. Diese negativ konnotierte Tendenz zur Formelhaftigkeit erscheint jedoch im Kontext dieser Arbeit als irrelevant. „Da es dem Hardrock angeblich an musikalischer Qualität mangele, bescheinigt man ihm hämisch ‚Ehrlichkeit‘“, so hat Tibor Kneif (1980b: 111) derartige Vorurteile schon 1980 zusammengefasst. Im Gegensatz zu dieser abwertenden Einstellung vermutet Walser (1993: 14) für den Extreme Metal eine Ensemblevirtuosität und regt damit die Idee an, musikalisch-handwerkliche Virtuosität auch in der musikalischen Form zu suchen. Er verfolgt diesen spannenden Gedanken jedoch leider nicht weiter. Gleichzeitig konstatiert Moore (1993: 151) bei Metallica „lengthy structures“, die aus seiner Meinung nach unverbundenen Aneinanderreihungen von Gitarrenriffs bestehen. Das Gitarrenriff findet in der Literatur erstaunlich wenig Beachtung. Wicke und Ziegenrücker erweitern erstmals in der 1997er Ausgabe ihres „Handbuchs der populären Musik“ ihren ansonsten unter ‚Allgemeines‘ zusammengefassten Ansatz und betrachten das Gitarrenriff sowie unisono geführte Gitarrenstimmen als eine Grundlage des Heavy Metal. Richard Middleton (1999: 143) definiert das Riff als „short rhythmic, melodic, or harmonic figures repeated to form a structural framework.“ Das Gitarrenriff 35 Vgl. die Analysen von Motörhead in Kapitel VI.3. 36 Black Sabbath und Motörhead für Heavy Metal; Deep Purple und Robert Plant für Hard Rock.

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wird in dieser Arbeit als eine zentrale musikalische Äußerung im Heavy Metal begriffen. Die Verwendung von Gitarrenriffs entstammt laut David Headlam (1997: 71) dem Blues und wurde im Blues Rock weiterentwickelt. Unabhängig davon, ob es noch andere oder frühere Verwendungen des Gitarrenriffs gibt, ist damit klar, dass nicht Gitarrenriffs an sich, sondern nur spezifische Formen des Gitarrenriffs typisch für Heavy Metal sein können.37 Die von Walser angeregte Idee, musikalisch-handwerkliche Virtuosität auch in der musikalischen Form zu suchen, erscheint als wichtige Anregung auf dem Weg zu einer musikalischen Sprache des Heavy Metal. Es ist allerdings zu fragen, ob Heavy Metal oder einer seiner Stile überhaupt spezifische Formen entwickelt hat oder im in der Rockmusik üblichen Rahmen bleibt. „By the 1960s, a broader range of influences, and a more flexible approach to song-writing, resulted in a variety of models. It becomes difficult to generalize, except to observe that songs were now generally constructed out of a sequence of sections of variable length, which, depending on their function and interrelationships may be thought of as ‚verses‘, ‚choruses‘, or ‚bridges‘ [...].“ (Middleton 1999: 150)

Pillsbury (2006: 18-27 und 63) spricht in seiner Monographie zu Metallica von modularen Strukturen der Formgebung, die er wiederum als extrem vorhersehbar, und damit im Prinzip ebenfalls formelhaft, betrachtet, da sie für ihn zwar verbunden, aber nicht variierbar sind. „Individual modules in thrash metal do not undergo any variation whatsoever during repetition“ (ebd. 22). Grundlage der modularen Form sind für ihn einerseits Gitarrenriffs, andererseits können die Module auch aus relativ großen formalen Einheiten wie einem Vers oder einem Chorus bestehen. Die These der Unmöglichkeit der Variation derartiger Module muss überprüft werden.

Rhythmik Trotz der häufig postulierten rhythmischen Einfachheit des Heavy Metal wird die Wichtigkeit rhythmischer Elemente für das Verständnis der betrachteten Musik von vielen Autoren betont. Leider wird dies selten als Aufforderung verstanden, sich mit Rhythmus und ähnlichem näher auseinander zu setzen. So bezeichnet z.B. Steve Waksmann (2004: Absatz 34) in einem Artikel über Motörhead diese als „a group ruled by its rhythm section“, um anschließend den harmonischen Verlauf des in Frage stehen37 Mit Burns (1987: 1) können Gitarrenriffs auch als ‚Hook’ Verwendung finden, als „a musical or lyrical phrase that stands out and is easily remembered.“

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den Songs zu analysieren. Dave Headlam (1997: 59) betont in seinem Artikel „Blues Transformations in the Music of Cream“, „the music itself – the rhythm, volume, and timbres – it is clear that these features deserve serious consideration“, um anschließend harmonisch zu analysieren. Berger (1999a: 200-241) kommentiert einen Teil eines von ihm ausführlich analysierten Death Metal-Songs als pur rhythmisch motiviert: „[He] said, the tonality is much less important than the moshy rhythm and drive of the part“ (ebd. 221), und analysiert diese Stelle nur bezüglich ihrer tonalen Beziehungen. Walser differenziert die auch von ihm behauptete rhythmische Einfachheit von Heavy Metal als Ausdruck einer Dialektik von Freiheit und Kontrolle. „A dialectic of freedom and control is also inscribed rhythmically. [...] Although most Metal is in 4/4, the rhythmic framework is organized more basically around a pulse than a meter. Ensemble punches and solo or vocal syncopations alike strain against the beat more than the barline. Larger metrical patterns, usually two measures or four, function like harmonic progressions in indicating short term goals.“ (Walser 1993: 49)

In seiner Analyse des titelgebenden Stückes für sein Buch äußert er sich leider selbst nur am Rande. Neben der Konstatierung eines durchgehenden Pulses im Bass interessiert ihn an dem Gitarrenriff, das den Refrain trägt, rhythmisch nur die Zählzeit seines Anfangs und Endes. Möglicherweise wird die von ihm angeregte Organisierung des rhythmischen Rahmens um einen Puls deshalb von anderen Autoren kaum aufgenommen. In Moores (1993: 148) Beschreibung einer Gitarrenspielweise als „characteristic form of alternation between powerchords and repeatedly plucked bass string“ scheint ein Bezug auf einen Puls durch. Pillsbury (2006: 9-13) ist an einer über einen längeren Zeitraum wiederholt angezupften Basssaite als Trägerin eines bestimmten Energielevels interessiert, da das Zusammenspiel unterschiedlicher Energielevel den Reiz von Metallicas Ensemblespiel ausmache. Zudem bleibt er, wie auch Fast und Walser selbst, in seinen Ausführungen dem Taktschema verhaftet. Kleine Gruppen von Pulsen analysiert er deshalb nicht als eigenständige rhythmische Einheiten, sondern nur als rhythmischen Klebstoff zwischen „individual harmonic gestures“ (ebd. 22), der das Riff auffüllt. Das gilt auch für John Bracketts (2008) Analyse einiger Led Zeppelin-Stücke, die einen rhythmisch fundierten Idiolekt zu begründen sucht. Martin Pfleiderer (2006: 231-33) ist in seiner Arbeit über Rhythmus in der populären Musik an Heavy Metal kaum interessiert. Er beschreibt aufbauend auf Moore eine „unregelmäßige Rhythmusgestaltung im Rock“ (ebd. 231), die wiederum ihre Wurzeln im Progressive Rock habe:

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III. HEAVY METAL IN DER LITERATUR „Eine Gestaltungsweise, bei welcher der gleichmäßige Bewegungsfluss des Grundschlags und der Einheiten oberhalb der Grundschlagsebene unregelmäßig wird, findet sich auch bei Bands in der Nachfolge des Heavy Metal, Punk und Hardcore. All diesen Gestaltungsweisen ist allerdings ein lineares, einstimmiges Grundkonzept gemeinsam. Nicht Überlagerungen mehrerer unterschiedlicher rhythmischer Patterns, sondern die unregelmäßige Unterteilung einer einzigen rhythmisch-melodischen Linie erzeugt hier rhythmische Divergenzen.“ (Pfleiderer 2006: 233)

Beispiele aus dem Bereich des Heavy Metal oder Hard Rock fehlen genauso wie eine tiefergehende Erörterung der Problematik, da Pfleiderer eher an anderen Musikstilen interessiert ist. Eine intensive Beschäftigung mit Fragen einer pulsbasierten Spielweise erscheint damit als möglicher Ausgangspunkt für eine differenzierte Formulierung einer musikalischen Sprache des Heavy Metal.

Harmonik Die Möglichkeit einer harmonischen Eigenständigkeit des Heavy Metal gegenüber anderen Stilen der Rockmusik wird schon mit der Behauptung der Anlehnung der Harmonik von Hard Rock und Heavy Metal an den Blues relativiert. In Moores (1992) Materialsammlung zu Patterns Of Harmony finden sich dementsprechend auch Beispiele aus dem Bereich des Hard Rock und Heavy Metal, den jeweiligen Stil spezifizierende Pattern sind jedoch nicht feststellbar. Paul Wilkinson (2006: 115) konstatiert für Black Sabbath die häufige Verwendung einer „minor tonic subtonic shift“, die bei Volkmar Kramarz (2006: 92) als Doppelsubdominante eine der gängigen Erweiterungen des Bluesschemas darstellt und damit in der eingangs behaupteten Anlehnung der Harmonik des Heavy Metal an das Bluesschema aufgeht. Walser (1993: 41-44) verweist in Bezug auf die Harmonik auf die Wichtigkeit des aus Grundton, Oktav und wahlweise Quint oder Quart bestehenden Powerchords, der von ihm in seiner (psycho-) akustischen Dimension genau beschrieben wird. Powerchords zeichnen sich durch das Fehlen der tonal definierenden dritten Stufe aus. Mit Berger (1999a: 184f) wird in dieser Untersuchung der harmonisch und modal uneindeutige Powerchord als eine der gängigen E-Gitarren-Spieltechniken im gesamten Rock- und Bluesbereich verstanden. Powerchords sind keine komplexen, Heavy Metal-spezifischen musikalischen Äußerungen, sie finden sich bereits im britischen Beat und Rock der frühen 1960er Jahre38 und im Chicago Blues der 1950er.39 Moore (1993: 148) identifiziert zusätzlich Arpeggios 38 Z.B. Kinks, the (1964) „You really got me“. 39 Z.B. Muddy Waters (1954) „Hoochie Coochie Man“.

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SCHWERMETALLANALYSEN

als typische Spielweise der Gitarre. Wilkinson (2006: 144), Pillsbury (2006: 4) und die von Dunn und McFayden (2006) interviewten Musiker und Produzenten betonen die Wichtigkeit des Tritonus als melodisches Intervall, sowie von „semitonal slurs“ (Wilkinson) oder kleinen Sekunden (Pillsbury). Im Sinne von Weinstein wird gleichzeitig von der These ausgegangen, dass der Blues-Einfluss im Heavy Metal in Richtung Extreme Metal immer mehr abnimmt. Walser weist als Alternative zur harmonischen Anlehnung an das Bluesschema auf die Bedeutung von Modi hin. „In fact, mode is one of the primary constituents of genre in popular music. Most heavy metal is either Aeolian or Dorian, although speed metal is usually Phrygian or Locrian; most pop songs are either major (Ionian) or Mixolydian“ (Walser 1993: 46). Berger (1999a: 63-64) beschreibt dagegen die unerwartete Verwendung von Chromatik und Tritonus und den Bezug auf eine „pitch axis“ als typisch für Death Metal. „Like a diatonic melody, a pitch-axis melody establishes one note as a tonal center; unlike diatonic melodies all other eleven pitches are treated equal“ (ebd. 64). In seiner bereits erwähnten detaillierten Analyse eines Death Metal-Stückes (ebd. 200-241) unterstreicht er Walsers Ansatz erweiternd, dass eine modale Zuordnung trotz der vorhandenen Verwendung des Lokrischen nicht so einfach zu treffen sei. Er unterstützt jedoch explizit die Unterscheidung zwischen einem mehr oder weniger bluesbasierten Hard Rock einerseits und Heavy bzw. Death Metal andererseits, der eine eher modale Tonalität bevorzugt. Auch Pillsbury (2006: 104-31) schränkt die Bedeutung einer modalen Tonalität für die von ihm untersuchte Band Metallica ein. Er sieht nicht in jeder Verwendung eines einen Modus charakterisierenden Intervalls ein Musizieren auf modaler Grundlage. Er expliziert, dass die Benutzung tonalen Materials mit einem Halbtonschritt zwischen der ersten und zweiten Stufe nicht automatisch die Verwendung des Phrygischen implizieren muss.40 „Although the 1/b2 relationship is crucial to the Phrygian mode, not all 1/b2 relationships are the same in metal, and not all are „Phrygian.“ [...] It is not all uncommon for the b2 component of that relationship to serve primarily as a half-step-based rhetorical counterpoint to the 1 in much the same way a V chord relates to a I Chord in standard tonal practice. In those cases the b2 does not merely decorate the 1, but by itself neither does it clearly proscribe a mode.“ (Pillsbury 2006: 124) 40 Analog sollte von der Verwendung eines Tritonus nicht automatisch auf den lokrischen Modus geschlossen werden, nur weil dieser als Einziger überhaupt den Tritonus als Leiterton enthält. Der Tritonus kann auch als bewusste Dissonanz eingesetzt werden, also als Spannung erzeugender leiterfremder Ton – siehe auch Kapitel VI.1 und VI.5.

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III. HEAVY METAL IN DER LITERATUR

Harmonisch-melodische Elemente erscheinen damit als eingeschränkt geeignet für die Identifizierung einer musikalischen Sprache des Heavy Metal. Sie werden dementsprechend nicht in ihrer funktionsharmonischen oder auch modalen Bedeutung bzw. ihrer Zielstrebigkeit analysiert, sondern unter der Prämisse ihrer Verwendung in kleineren, sich wiederholenden Strukturen der zeitlichen Organisation von musikalischen Äußerungen – in Riffs.

Tempo Moore (1993: 148) definiert drei bestimmende Tempi für Heavy Metal – 80, 120 und 160 bpm. Die von ihm konstatierte mögliche Abweichung von 15 Prozent führt zu einem Kontinuum möglicher Tempi zwischen 68 und 184 bpm mit einer einzigen Lücke zwischen 92 und 102 bpm.41 KahnHarris (2007: 32) erweitert dieses Kontinuum für den Extreme Metal auf bis zu 250 bpm – in Ausnahmefällen auch 300-400 bpm. Beide unterstreichen damit, dass ein bestimmendes Tempo für die musikalische Sprache des Heavy Metal eine untergeordnete Rolle spielt bzw. zwischen möglichst langsam (Doom Metal) und So-Schnell-Wie-Möglich (Grind Core) differieren kann. Pillsbury (2006: 18) bezeichnet das Tempo von Metallica einerseits einfach als schnell und betont andererseits, dass Tempo als Teil eines relationalen Systems betrachtet werden muss, dessen Sinn in Veränderungen des Energielevels zwischen verschiedenen Teilen des Stücks liegen soll. Mit dieser These muss eine Problematisierung einer einheitlichen Tempowahrnehmung beginnen. Kann für eine komplexe Äußerung des Heavy Metal weiterhin ein eindeutiges Tempo angenommen werden? Pillsbury bejaht diese Frage. Die Implikationen der Möglichkeit einer parallelen Existenz mehrerer Tempi als Schichtung einfacher Äußerungen innerhalb eines als komplexe Äußerung verstandenen Musikstückes werden von ihm in ihrer Konsequenz unterschätzt. Welcher modulare Teil einer Instrumentalstimme bestimmt warum das Tempo der Songs? Pillsbury (2006: 18) bezeichnet die Verdopplung des Tempos im Schlagzeug bei gleichbleibender Rhythmusgitarre als ein verallgemeinerbares rhythmisches Markenzeichen, eine in seinen Worten „hallmark of thrash metal’s rhythmic language“ (ebd.). Bestimmt nun die Rhythmusgitarre oder das Schlagzeug die Tempowahrnehmung des Songs? Hier erscheint ein differenzierterer Blick lohnend, um weitere Elemente einer musikalischen Sprache des Heavy Metal als Elemente einer spezifischen Art des Ensemblespiels zu identifizieren.

41 80 bpm +/- 15% entsprechen 68 – 92 bpm; 120 bpm +/- 15% entsprechen 102 – 138 bpm; 160 bpm +/- 15% entsprechen 136 –184 bpm.

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SCHWERMETALLANALYSEN

Klang und Klangfarbe Als charakteristisch für den Klang von Heavy Metal gilt die verzerrte Gitarrenklangfarbe. Um die Veränderung der Wahrnehmung der mit Verzerrung assoziierten ‚Heaviness‘ in Gitarrenklangfarben über die Zeit genauer zu analysieren, hat Berger gemeinsam mit Cornelia Fales (Berger und Fales 2005) Klanganalysen von je zwei Heavy Metal-Stücken aus den 1970er und 1990er Jahren unternommen. Die Untersuchungsergebnisse zeigen Ähnlichkeiten bei den Stücken der gleichen Dekade und Unterschiede zwischen den älteren und den neueren Stücken. Da den beiden neueren Stücken mehr ‚Heaviness‘ zugesprochen wird als den Älteren, wird geschlussfolgert, dass die Wahrnehmung von ‚Heaviness‘ unter anderem mit einer Zunahme hochfrequenter Energie, einer Zunahme des Rauschens (i.O. Noise) im Bereich unter 2kHz und einer Abnahme der Dynamik durch stärkere Kompression korreliert (ebd. 195). In wie weit sich jedoch hier auch eine generelle Weiterentwicklung der Studio- und Aufnahmetechnik abbildet, wird nicht problematisiert. Damit nimmt die Art der Verzerrung im Heavy Metal mittlerweile zwar möglicherweise charakteristische Formen an, die generelle Nutzung verzerrter Gitarrenklänge ist laut Doyle (2005: 33, 168) jedoch genauso alt wie die elektrische Gitarre und bestimmt auch andere Genres wie Punk oder Hard Core. Ähnlich wie der Powerchord gehört die Verzerrung des Klanges zu den im gesamten Bereich der Rockmusik üblichen Stilmitteln. Eine Klangfarbe kann damit als einfache Äußerung betrachtet werden, die zumindest potentiell Teil verschiedener komplexer Äußerungen sein kann. Laut Moore (1993: 149) existieren auch unterscheidbare Stimmklangfarben. „Hard Rock is further distinguished by it s high male voice, highly resonant with ubiquitous vibrato on long notes. Choruses tend to be marked by the addition of high backing voices in parallel harmony. Heavy Metal seems to be less concerned with vocal theatrics, polished tone and harmony voices.“ (Ebd. 149)

Die „strong tenor vocalists“, die für Weinstein (1991: 289) Classic Metal charakterisieren – eine Einschätzung die auch Dunn und McFayden (2006) teilen – fallen für Moore eher in den Bereich des Hard Rock. Einigkeit über einen spezifischen Stimmklang besteht nicht, vielmehr liegt die Annahme nahe, dass Substilistiken des Heavy Metal nicht nur mit unterschiedlichen Tempi, sondern auch unterschiedlichen Klangfarben und somit auch Stimmklängen arbeiten. Walser (1993: 45f) betrachtet lang ausgehaltene, hohe Schreie als typische Gesangstechnik im Heavy Metal. Er sieht die Verwendung der Stimme in vieler Hinsicht als analog zur Gitarre, so dass bei einer Bereinigung von Walsers These um die einfache Äußerung der

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III. HEAVY METAL IN DER LITERATUR

Klangfarbe die häufige Nutzung langgezogener Schreie als möglicherweise typisch für den Stimmeinsatz im Heavy Metal im Allgemeinen behauptet werden kann. Weinstein behauptet zudem die Wichtigkeit des Basses – verstanden als klangliche Kombination von Bassgitarre und Basstrommel – und wiederholt diese im Interview in Dunn und McFayden (2006). Frequenzanalysen unterschiedlicher Tonträger zeigen jedoch keine überproportionale Betonung des tiefen Frequenzspektrums.42 Mit Metallicas ...And Justice For All (1988, 11 Nennungen in 10 Quellen) existiert zudem mindestens ein Heavy Metal-Album, auf dem der Bass kaum zu hören ist, ohne dass die Wertschätzung des Albums darunter leidet.43

Zusammenfassung „Heavy Metal [...] has a code, or set of rules, that allows one to objectively determine whether a song, an album, a band, or a performance should be classified as belonging to the category ‚heavy metal’. That code is not systematic, but it is sufficiently coherent to demarcate a core of music that is undeniable heavy metal.“ (Weinstein 1991: 6)

Zur angemessenen Beschreibung dieses Codes bzw. dieser Sprache wird von folgenden Annahmen ausgegangen: • Die Formierung von Heavy Metal beginnt spätestens Anfang der 1970er Jahre. Die Kristallisierung des Genres ist zehn Jahre später abgeschlossen, es beginnt eine fortschreitende stilistische Ausdifferenzierung, die bis in die Gegenwart andauert. Diese führt zur parallelen

42 Die Frequenzkurve von Heavy Metal-Stücken entspricht dem Rockdurchschnitt, während beispielsweise im Reggae oder Hip Hop eine sichtbar größere Betonung des Basses im Frequenzspektrum gegeben ist. Die Frequenzanalysen wurden von mir mit einer handelsüblichen Analyzer-Software angefertigt. Die verglichenen Stücke sind in alphabetischer Reihenfolge: 50 Cent (2005) „Candy Shop“, Amon Amarth (2004) „Fate Of Norns“, Art Brut (2005) „My Little Brother“, DJ Assault (1997) „Ass-N-Titties“, James Blunt (2004) „You’re Beautiful“, Cannibal Corpse (2002) „Hatched To The Head“, Chemical Brothers (2005) „Galvanize“, Diamond Head (1980) „Helpless“, Dimmu Borgir (2003) „Progenies Of The Great Apocalypse“, DJ Funk (1995) „Work It“, Kanye West (2005) „Golddigger“, Mad Professor (1995) „Dubbing Jah“, Metallica (1987) „Helpless“, Rolling Stones (2005) „Rain Fall Down“ und Venom (1982) „Black Metal“. 43 Vgl. Pillsbury 2006: 76f. 1989 haben Metallica für das auf ...And Justice For All enthaltene Stück „One“ ihren ersten Grammy erhalten. Zu Metallica in der Auswertung siehe Kapitel VI.5.

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SCHWERMETALLANALYSEN















Existenz konservativer und sozial dynamischer Subgenres und damit zu unterschiedlichen Tempi der Formveränderung. Es wird von einem dreiteiligen stilistischen Kontinuum ausgegangen. Heavy Metal, verstanden als Classic Metal, wird als Mittelpunkt des Kontinuums erwartet, dessen eines Ende weiterhin vom Hard Rock besetzt wird. Das andere Ende bildet der Bereich des Extreme Metal. Von Hard Rock in Richtung des Extreme Metal wird von einer Abnahme des Blues-Einflusses ausgegangen. Der Progressive RockEinfluss ist im Zentrum des Kontinuums am stärksten und nimmt in Richtung der Endpunkte ab. Einflüsse aus anderen Popularmusikgenres finden sich ebenfalls eher an den Rändern des Kontinuums. Das Gitarrenriff wird als zentrale musikalische Äußerung im Heavy Metal begriffen. Allerdings können nur spezifische Formen des Gitarrenriffs typisch für Heavy Metal sein, da es auch in anderen Musikstilen Verwendung findet. Walser regt die Idee an, musikalisch-handwerkliche Virtuosität auch in der musikalischen Form zu suchen. Die musikalische Form soll deshalb genauer untersucht werden, auch um die von Pillsbury vorgeschlagenen, modularen Strukturen weiter zu differenzieren. Eine intensive Beschäftigung mit Fragen der Rhythmik im Heavy Metal erscheint als eine weitere zu füllende analytische Leerstelle. Ausgangspunkt bildet die Organisierung des rhythmischen Rahmens um einen Puls. Harmonisch-melodische Elemente gelten dagegen als eingeschränkt geeignet für die Identifizierung einer musikalischen Sprache des Heavy Metal. Sie werden unter der Prämisse ihrer Verwendung als Teil von Riffs analysiert. Ein bestimmendes Tempo spielt für die musikalische Sprache des Heavy Metal eine untergeordnete Rolle. Weiterer Analysebedarf besteht bezüglich der Möglichkeit der parallelen Existenz mehrerer Tempi als Schichtung einfacher Äußerungen innerhalb eines als komplexe Äußerung verstandenen Musikstückes. Wenn eine Verzerrung des Klanges als grundlegend für Heavy Metal betrachtet werden soll, so sollte ein Bedürfnis nach Verzerrung nicht nur in der Gitarre, sondern auch in den anderen Instrumentalstimmen zum Tragen kommen.

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IV. M E T H O D I K Die Möglichkeiten und Notwendigkeiten der musikalischen Analyse populärer Musik sind Inhalt anhaltender fachlicher Diskussionen.1 Als metamusikalisches Paradigma gilt in dieser Arbeit eine sprachanaloge Strukturierung von Musik. Musik wird damit als Symbolsystem begriffen und als geschichtetes Netzwerk komplexer musikalischer Äußerungen vorgestellt. Erkenntnis leitend ist dabei die Hypothese, dass die Regeln dieser Sprache bezogen auf den Stil des Heavy Metal noch nicht (ausreichend) verstanden sind und somit aus einem gegebenen Materialkorpus deduziert werden müssen. Diese Regeln konkretisieren sich sowohl auf Produktions- als auch auf Rezeptionsseite als Kompositionsmodell und Erwartungshorizont. Einleitend soll die methodische Konzentration auf Tonträger als Objekt dieser Studie unter Rückgriff auf den in Kapitel II entwickelten provisorischen Werkbegriff begründet werden. Daran anschließend wird die Methodik des Zugangs zum Traditionsstrom beschrieben. Drei unterschiedliche Arten des Zugangs werden kombiniert, um eine möglichst verallgemeinerbare Relevanz der Analyseergebnisse zu erreichen. An- und abschließend steht die Entwicklung einer dem Gegenstand angemessenen musikalischen Analysemethodik unter spezifischer Anwendung des Regel-AbweichungsModells im Mittelpunkt.

Zur Konzentration auf Tonträger Der provisorische Werkbegriff, der mit Gracyk (1996) und Fairchild (2008) vertreten wird, betrachtet Aufnahmen bzw. Tonträger als das primäre Werk der Rockmusik und damit auch des Heavy Metal. Tonträger werden nicht mehr als konservierende Momentaufnahmen im Rahmen einer linearen Werkgeschichte betrachtet, sondern sie entsprechen dem Werk.2 Damit 1

2

Vgl. Bowman 1995, Brackett 1995, Covach und Boone 1997, Covach 1999 und 2003, Everett 2000, Griffiths 1999, Hawkins 2002, Helms 2002, Middleton 2000a und c, Moore 1993 und 2003, Pfleiderer 2008, Tagg 1982, Walser und McClary 1996, Walser 2003, Wicke 2003. Dies gilt auch für auf Tonträger veröffentlichte Mitschnitte von Aufführungen. Eine Diskussion über die Authentizität der konservierten Aufführung im Lichte der Manipulationsmöglichkeiten der zeitgenössischen Aufnahmetechnik wird damit umgangen.

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SCHWERMETALLANALYSEN

erscheint eine methodische Konzentration auf Tonträger als zwingend für das gewählte Anliegen. Wie zur Unterstützung dieser Annahme existieren besonders im Teilbereich des Extreme Metal diverse Bands, die nur Tonträger veröffentlichen und nicht oder kaum Konzerte spielen.3 Innerhalb des Genres Heavy Metal ergibt sich damit eine Entwicklung, die sich wie folgt zusammenfassen lässt: Alle Heavy Metal-Bands versuchen zumindest Tonträger zu veröffentlichen, während nur eine (zwar große, aber trotzdem) Teilmenge auch Konzerte geben will. Damit soll die Wichtigkeit performativer Elemente4 für das Genre Heavy Metal nicht in Frage gestellt werden. Die Betonung des Faktors Lautstärke in fast allen Beschreibungen des Genres Heavy Metal5 unterstreicht beispielsweise die Wichtigkeit des Live-Konzertes. Der Zweck der Aufführung mutiert jedoch von der zentralen Form der Interpretation des Werkes zur Authentisierung bzw. Erinnerung an das Werk. Als Authentisierung wird der Nachweis der Fähigkeit zur handwerklichen und klanglichen Reproduktion eines (neuen) Tonträgers auf der Bühne verstanden (vgl. Diaz-Bone 2002: 409). Da Besetzungswechsel in der die Wichtigkeit der Stabilität des Bandgefüges nicht umsonst ständig betonenden Kulturwelt des Heavy Metal an der Tagesordnung sind, kann sich der Sinn der Aufführung jedoch nicht in der Authentisierung eines Tonträgers erschöpfen. Vielmehr dient das Konzert auch der Erinnerung an vergangene Tonträger im Rahmen der Formierung eines kulturellen Gedächtnisses. Dies ist auch mit einer signifikant veränderten Besetzung möglich, wie das folgende Zitat aus einem im Metal Hammer 3/2006 erschienenen Konzertbericht über die US-amerikanische Death Metal-Band Malevolent Creation6 zeigt: „Der eigentliche Sänger [...] konnte leider nicht mitkommen, also holte man den alten Sänger Brett Hoffman an Bord. Rob Barret ist erneut fest bei Cannibal Corpse eingestiegen, dafür kehrte der alte Gitarrist, John Rubin, zurück. Bassist Jason Blachowitz (neu für Gordin Simms) durfte wegen diverser Vorstrafen nicht aus den USA ausreisen, und Drummer-Legende Dave Culross muss sein Haus fertig bauen.“ (Metal Hammer 3/2006 S. 116)

3

4

5

6

Z.B. Bathory aus Schweden oder Darkthrone aus Norwegen. Vier Alben von Bathory und drei von Darkthrone sind Teil der Auswertung. Under The Sign Of The Black Mark (1986, 7/5) von Bathory und A Blaze In The Nothern Sky (1991, 3/2) von Darkthrone werden am häufigsten genannt. Performance wird hier als Aufführung oder Konzert begriffen. Zum Unterschied zwischen den Begriffen des Performativen und der Aufführung vgl. FischerLichte (2004: 31-57). Vgl. Bruckmoser und Wulff 1996, Clarke (Hg.) 1989, Halbscheffel und Kneif 1992, Kneif 1980, Larkin (Hg.) 1998, Wicke und Ziegenrücker 1989, 1992, 1997 et.al. Malevolent Creation werden in der Auswertung ignoriert.

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IV. METHODIK

Zur Authentifizierung eines Tonträgers ist diese relativ zufällig erscheinende Besetzung von Malevolent Creation wohl kaum in der Lage, zur Erinnerung an den Status der Band im Traditionsstrom des Heavy Metal dagegen schon. Da eine derartige Erinnerung an eine musikalische Sprache diese – zumindest potentiell – auch verändert, birgt die Formulierung einer musikalischen Sprache an Hand von Aufführungen mannigfaltige methodische Probleme, die mittels der Konzentration auf Tonträger umgangen werden können. Die musikalische Sprache des Heavy Metal wird dementsprechend auf Tonträgern gesucht.

Drei sich ergänzende Zugänge zum Traditionsstrom Analog zur Konzentration auf Tonträger wird der Traditionsstrom des Heavy Metal im Rahmen dieser Arbeit methodisch eingegrenzt und als Diskurs über die Werkgeschichte des Genres begriffen. Die Qualität und Relevanz der musikanalytischen Ergebnisse wird durch die Art und Weise des Zugangs zum Traditionsstrom bestimmt. Ziel der Methodik ist eine Minimierung des subjektiven Faktors in der Datenerhebung im Rahmen einer qualitativen Untersuchung. Als subjektiver Faktor wird der Einfluss des (Vor-)Wissens und Geschmacks des Autors bei der Auswahl der zu analysierenden Beispiele betrachtet. Dieser kann im Rahmen einer diskursiven Formation nicht völlig eliminiert werden, sondern muss eingegrenzt und methodisch transparent gemacht werden. Zu diesem Zweck werden drei unterschiedliche Zugänge zum Traditionsstrom gewählt, die auf einen ersten, vorbereitenden Schritt – die Lektüre von Fachzeitschriften, Onlineforen und Onlinezeitschriften, das Hören möglichst vieler Tonträger und teilnehmende Beobachtung bei Konzerten – folgen. Als erster und methodisch zentraler Zugang wird eine Stichprobe von den Bereich Heavy Metal betreffenden Listen mit quasi ‚kanonischem‘ Anspruch7 erhoben. Die Auswertung der Listen soll ein zumindest temporäres Abbild des Prozesses der Formierung eines kulturellen Gedächtnisses im Bereich Heavy Metal beschreiben. Die Auswertung konzentriert sich deshalb auf das Gemeinsame und Verbindende der Stichprobe. Der subjektive Faktor bleibt in der Auswahl der auszuwertenden Listen erhalten, die immer eine Auswahl aus der Gesamtzahl existierender Listen darstellen muss. Ausgehend von den Ergebnissen der Auswertung dieser Listen werden die zentralen Bands und Veröffentlichungen des Heavy Metal näher betrachtet, die die musikalische Sprache des Heavy Metal mitformuliert haben sollten. Als zweiter Zugang zum Traditionsstrom werden musikalische Assoziationen integriert, die in der Analyse der zentralen Bands und Veröffent7

„Die besten 100 Metal Alben aller Zeiten“ etc. pp.

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SCHWERMETALLANALYSEN

lichungen auftauchen. Der subjektive Faktor steht hier im Mittelpunkt der Methodik. Jede Band und jedes Album ist ein Teil einer endlosen Kette von Äußerungen. Das methodische Interesse liegt nicht in der unmöglichen Suche nach dem Anfang der Kette, sondern in der Lokalisierung bestimmter Bereiche des Traditionsstroms, die erstens als typisch für Heavy Metal im Allgemeinen gelten können und zweitens als typisch für jeweils einen bestimmten spezialisierten Teilbereich. Der dritte Zugang zum Traditionsstrom dient der Überprüfung der gewonnenen Ergebnisse mittels einer Zufallsstichprobe. Der musikalische Erwartungshorizont und relevante Kompositionsmodelle von Heavy Metal müssen sich mittels aller drei Auswahlverfahren – Bildung einer Meta-Liste, musikalische Assoziationen des Autors, Zufallsstichprobe – eindeutig und in Beziehung zueinander zeigen lassen. Gelingt dies, kann eine verallgemeinerbare Relevanz der Untersuchungsergebnisse trotz fehlender statistischer Repräsentativität und fehlender quantitativer Signifikanz der Ausgangsstichprobe unterstellt und eine musikalische Sprache des Heavy Metal formuliert werden.

Zugang 1: Die Stichprobe Die Zusammensetzung der Stichprobe Grundlage für die Datenerhebung sind: Hörempfehlungen in wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Literatur zu Heavy Metal, Listen aus deutsch- und englischsprachigen Fachzeitschriften und Listen aus Heavy Metal gewidmeten Webseiten und Onlineforen. Stichtag der Auswertung ist der 30.05.2006 – für alle in die Auswertung eingehenden Webseiten gilt dies auch als Zugriffsdatum. Eingang in die Stichprobe finden nur Listen mit überzeitlichem Anspruch. Weitergehende Begründungen für die Zusammenstellung der Liste fehlen entweder ganz oder bleiben eine nicht nachprüfbare Behauptung. Ausgeschlossen sind jedoch sogenannte Jahrescharts und sonstige Momentaufnahmen auf zeitlicher Basis. Insgesamt gehen damit 68 Listen aus 24 Quellen in die Auswertung ein, die im Anhang tabellarisch aufgeführt werden. Die Auswertung der Listen erhebt keinen Anspruch auf statistische Repräsentativität bzw. eine Signifikanz der Ergebnisse im Sinne einer quantitativen Methodik. Vielmehr erlaubt ihre Heterogenität im Rahmen einer qualitativen Untersuchung einen Einblick in den Traditionsstrom eines Musikgenres und damit in den Prozess der Formierung des kulturellen Gedächtnisses als Mischung bereits institutionalisierter und noch nicht institutionalisierter Erinnerung von Fachjournalisten, Fans, den Besuchern einer Website, den Lesern einer Zeitschrift etc.

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IV. METHODIK

Im einzelnen setzt sich die Stichprobe aus folgenden Quellen zusammen: • Einige Autorinnen und Autoren wissenschaftlicher und populärwissenschaftlicher Literatur zu Heavy Metal geben Hörempfehlungen und veröffentlichen Auswahldiskographien. Eingegangen in die Auswertung sind die Hörempfehlungen und Auswahldiskographien von Christie (2003), Schäfer (2001), Udo (2002), Walser (1993) und Weinstein (1991 und 2001).8 Es handelt sich um subjektive Auswahlen der jeweiligen Autoren und Autorinnen. Eine Sonderstellung nehmen Popoff (2003) und Rock Hard (2005) ein. Ersterer präsentiert eine Liste der „500 besten Metalsongs aller Zeiten“ in Buchform, die auf der Auswertung eines weltweit versandten Fragebogens beruhen soll. Leider werden die Kriterien für dessen Auswertung an keiner Stelle des Buches nachvollziehbar beschrieben. Deswegen bleibt es eine Annahme, dass Popoff (2003) nicht nur den persönlichen Geschmack des Autors wiedergibt. Zusätzlich präsentiert er seine persönlichen Top 25, die als eigenständige Quelle in die Auswertung übernommen wurden. Rock Hard (2005) wird im nächsten Abschnitt behandelt. • Mit Metal Hammer, Rock Hard, Terrorizer, Kerrang! und Hitparader gehen Listen aus je zwei bundesdeutschen und englischen sowie einer US-amerikanischen Fachzeitschrift in die Auswertung ein.9 Die Liste des Metal Hammer beruht auf einer 2005 durchgeführten Online-Umfrage auf der Webseite der Zeitschrift, die anschließend in zwei Nummern der Zeitschrift veröffentlicht wurde. Zwei Listen aus Hitparader werden von Walser (1993: 173f) unter der Überschrift „Heavy Metal Canons“ veröffentlicht. Kriterien für das Zustandekommen der beiden Listen aus den Jahren 1989 und 1992 gibt er nicht. Alle anderen repräsentieren einen Querschnitt durch die Meinung der jeweiligen Redaktion. Im Fall von Rock Hard wurde eine 2003 veröffentlichte Liste um 200 Veröffentlichungen auf 500 Alben erweitert und 2005 aktualisiert in Buchform veröffentlicht. In die Auswertung geht die Liste von 2005 ein. Die Abweichungen zur Liste von 2003, die vorliegt, sind gering. Kerrang! und Terrorizer präsentieren jeweils

8

9

Weinstein (2001) entspricht der zweiten Auflage von Weinstein (1991). Diese enthält eine erweiterte Auswahldiskographie, in der zudem Teile der Auswahldiskographie der Erstauflage fehlen. Deshalb wurden beide Listen in die Stichprobe aufgenommen. Die außerdem in der BRD erhältlichen Zeitschriften Break Out, Heavy oder was, Legacy, Metal Heart und Rock it, sowie Metal Hammer (England) präsentieren nach meiner Kenntnis nur jeweils Jahrescharts.

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SCHWERMETALLANALYSEN



mehrere Listen. Die Listen aus Kerrang! stammen aus den Jahren 1989, 1998, 1999 und 2002, die Listen aus Terrorizer sind nicht datiert.10 Listen von zwölf Webseiten gehen in die Auswertung ein.11 Die Webseiten wurden über entsprechende Suchanfragen bei Google und Auswertung der Linklisten in deutschen und internationalen Heavy Metal Foren gefunden. Mehrere der Webseiten präsentieren diverse Listen mit meist unterschiedlichem stilistischen Schwerpunkt. Die Listen repräsentieren die Ergebnisse von Onlineumfragen unter den Benutzern der Webseite oder Umfragen unter der Redaktion der Webseite. Eine Ausnahme bildet das auf musicline.de veröffentlichte Genre-Lexikon Heavy Metal, dessen Zustandekommen unklar ist. Online-Listen, die nachgewiesenermaßen nur den Geschmack eines einzelnen Individuums repräsentieren, wurden nicht in die Auswertung aufgenommen.

Musikstilistische Einordnungen irgendeiner Art spielen für die Auswertung keine Rolle – mit der Ausnahme, dass sich die Listen allgemein auf Heavy Metal und Hard Rock beziehen müssen. Diese Zuordnung ergibt sich entweder über den Namen der Liste oder die inhaltliche Ausrichtung der Quelle – beispielsweise als Internetforum für Heavy Metal oder Heavy Metal-Fachzeitschrift.

Zur Unterscheidung in Quellen und Listen Da diverse Quellen mehrere Listen anbieten, muss die Möglichkeit der Dominanz einer Quelle für die Auswertung minimiert werden. Neben der Gesamtzahl der Nennungen, die für eine Band oder einen Tonträger in allen Listen anfällt, wird deshalb auch die Zahl der Nennungen in unterschiedlichen Quellen ausgewertet. Je geringer die Zahl der Quellen ist, in denen eine Band oder ein Tonträger vorkommt, desto stärker wird die Dominanz der entsprechenden Quelle(n), unabhängig von der Gesamtzahl der Nennungen für die entsprechende Band bzw. den Tonträger. Die Beachtung dieser Differenz ist für die Beurteilung der Stellung der Band respektive des Tonträgers im Traditionsstrom unabdingbar.

10 Quelle http://www.rocklistmusic.co.uk für die Listen aus Kerrang! und Terrorizer. 11 www.angelfire.com, www.anus.com, www.bleeding4metal.net, www.heavymetal-heaven.de, www.metal-bite.com, www.metal-dungeon.de, www.metalrules.com, www.musicline.de/de/genre/lexikon/metal, www.pommesgabel.de, www.rocklist.net, www.ruthlessreviews.com, www.vampster.com.

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IV. METHODIK

Zur Vergleichbarkeit der Listen Die Länge der erfassten Listen differiert zwischen fünf und 500 Nennungen. Manche der Listen sind alphabetisch organisiert, andere in Rangfolgen von 1 bis x. Da alphabetische Listen weder sinnvoll kürzbar sind noch in eine Rangfolge umgewandelt werden können, wurde auf beides verzichtet. Alle Listen gehen ungekürzt in die Auswertung ein. Eine wie auch immer geartete Rangfolge spielt für die Auswertung keine Rolle, wichtig ist das Vorkommen in der Liste, nicht der Ort des Vorkommens. Eine Minderheit der Listen hat einzelne Songs zur Grundlage, die Mehrheit jedoch komplette Alben. Da einzelne Lieder jeweils bestimmten Alben zugeordnet werden können, dies jedoch umgekehrt nicht möglich ist, werden als Methode der Vereinheitlichung die songbasierten Listen umgeschrieben, um die Vergleichbarkeit aller Listen zu gewährleisten. Da die Rangfolge in der Auswertung nicht berücksichtigt wird, ist ein komplizierter Umrechnungsmodus nicht notwendig. Jeder Song wird einfach dem entsprechenden Album zugeordnet. Werden mehrere Songs eines Albums in der Liste geführt, so wird das Album trotzdem nur einmal gewertet. Vorbild für diese Art der Auswertung ist Popoff (2003), der im Anhang seiner Sammlung der 500 besten Metalsongs aller Zeiten eine Liste der 286 besten Heavy Metal-Alben präsentiert, die an Stelle der 500 Songs in die Auswertung übernommen wurde. Ist ein Song nur als Single veröffentlicht und nicht auf einem Album vertreten, so gilt er als eigenständige Veröffentlichung und wird als solche gewertet.

Auswertungsmethodik und Verifizierung Alle Listen werden in eine OpenOffice Calculator-Tabelle mit folgenden Kriterien übertragen: Tabelle 2: Beispieltabelle Auswertung Band

Album

Jahr der Erstveröffentlichung

Herkunft der Band

Quelle

Liste

Über OpenOffice hinausgehende Software zur Auswertung der Daten wird nicht benutzt. Die Existenz der Band und des Albums sowie das Jahr der Erstveröffentlichung und die Herkunft der Band werden mittels Internetrecherche verifiziert. Bei differierenden Daten wird auf die Angaben auf der offiziellen Webseite einer Band zurückgegriffen.

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SCHWERMETALLANALYSEN

Ausgewertet wurde nach den Kriterien Band/Künstler, nationale Herkunft, Veröffentlichung und Jahr der Erstveröffentlichung. Die Alben werden zudem nach dem Jahrzehnt der Erstveröffentlichung zusammengefasst. Da die Stichprobe auf Alben beruht, kann jede Band in jeder Liste einmal pro Veröffentlichung auftauchen. Ein Rückschluss auf die Verteilung der Nennungen in den 68 Listen ist nach dieser Auswertung nicht möglich. Als Korrektiv zur Vermeidung der Dominanz einer Quelle werden sowohl die Nennungen in den 68 Listen als auch in den 24 Quellen ausgewertet. Bezüglich der Tonträger interessiert einerseits die absolute Anzahl der Nennungen für eine bestimmte Veröffentlichung und andererseits die Menge der hoch bewerteten Alben einer Band. Beide Kriterien für sich allein genommen müssen als verfälschend gelten. Die Konzentration auf einzelne Veröffentlichungen hat den Nachteil, dass Bands, bei denen kein einzelnes herausragendes Album existiert, sondern eine Menge relativ ähnlich bewerteter Veröffentlichungen, ins Hintertreffen geraten. Gleichzeitig hängt die mögliche Menge der genannten Veröffentlichungen stark von der verfügbaren Menge der Veröffentlichungen einer Band ab und bevorzugt damit Bands, die schon lange aktiv sind, während sowohl neuere Bands, die erst ein oder zwei Veröffentlichungen aufweisen, als auch historische Bands, die nur wenige, aber extrem einflussreiche Veröffentlichungen aufweisen, benachteiligt werden.

Auswertungsergebnisse Als Ergebnisse der Auswertung liegt eine Meta-Liste mit zentralen Bands und Veröffentlichungen aus dem Traditionsstrom des Heavy Metal vor. Diese bildet das grundlegende Material für die musikalischen Analysen. Als methodischer Einstieg in die musikalische Welt des Heavy Metal dienen die wichtigsten oder herausgehobenen Bands der Auswertung bzw. ihre laut Auswertung herausgehobenen Veröffentlichungen. Diese werden jeweils den Bereichen Hard Rock, Classic- und Extreme Metal zugeordnet.

Zugang 2: Musikalische Assoziationen Über musikalische Assoziationen ergeben sich weitere, ergänzende Beispiele aus dem Bereich des Heavy Metal. Assoziationen entstehen entweder ‚zufällig‘ aus dem Wissen des Autors als Teilnehmer des Diskurses oder werden konkret gesucht. Als Assoziationsgrundlage für vermeintlich vergleichbare Bands im Traditionsstrom dienen sowohl die existierenden stilistischen Zuschreibungen durch die Musikindustrie und die Fachpresse als auch die anderen neben der konkreten Band an der Herstellung des Tonträ-

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IV. METHODIK

gers beteiligten Personen und Institutionen – Tonstudio, Produzent, Plattenfirma etc. Eine hermeneutischen Interpretation des Kompositionswillens interessiert im Zusammenhang dieser Arbeit nicht. Interessant sind vielmehr die stilistischen Implikationen der musikalischen Assoziation, für die die gleiche (Kompositions-)Idee auch unabhängig voneinander an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten entstehen kann. Wegen ihrer Konzentration auf das Verstehen des Kompositionswillens werden hermeneutische Ansätze, die ja über die Betonung der Notwendigkeit des Vorurteils im Sinne Gadamers durchaus Ähnlichkeiten zum Erwartungshorizont aufweisen, in dieser Arbeit nicht verfolgt.12 Die methodische Notwendigkeit der Erweiterung und Veränderung des zu analysierenden Materials im Forschungsprozess liegt auch dem Modell des „Theoretischen Sampling“ der Grounded Theory13 zu Grunde. „Starrheit beim Sampling behindert die Theorieentwicklung [...] Sampling und Analyse müssen aufeinander folgen, wobei die Analyse die Datensammlung leitet“ (Strauss und Corbin 1996: 150). Da die Auswertungsergebnisse in dieser Arbeit feststehen, leitet die Analyse die Datensammlung über musikalische Assoziationen, die wiederum zu neuem Analysematerial führen. Zentral für eine derartige assoziative Methodik bleibt die Idee der endlosen Kette der Äußerungen oder anders gesagt der, wie Richard Middleton vielleicht formulieren würde, intertextuellen Beziehungen innerhalb einer diskursiven Konstruktion von Musik.14 Eine musikalische Äußerung kann in diesem Verständnis mit allen anderen verfügbaren Daten über musikalische Äußerungen abgeglichen werden und wird als Teil eines Netzwerkes kommunizierbar gemacht. Nicola Dibben (2003) beschreibt musikalische Assoziationen in ihrem von Leonard Meyer und Jerrold Levinson abgeleiteten Ansatz als Wahrnehmung von Musik als Material, das sie der Wahrnehmung von Musik als Klang gegenüberstellt. Diese begriffliche Gegenüberstellung erscheint insofern unglücklich, da nach Bakhtin auch das Material, die Assoziation, über ihre „expressive intonation“ klingt. Näher an Bakhtins Konzept der Äußerung liegt John Covachs Konzept des „Musical Worlding“:15 „This approach is founded on the idea that listeners organize new musical experiences in terms of previous ones: any new song is heard in terms of other songs, the listener knows or has at least heard [...] musical worlding attempts to focus on the fact, that while listeners often tend to think of any musical

12 13 14 15

Vgl. Kramer 2003. Vgl. Strauss und Corbin 1996: 148-168. Vgl. Middleton 2003: 11. Covach 1994, 1995, 2003.

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SCHWERMETALLANALYSEN piece as a separate, even self-standing musical object, a closer inspection reveals that pieces are in fact much more like center points in a web of relationships that lead often in myriad directions to many other pieces.“ (Covach 2003: 179)

Problematisch an einen solchen Versuch der musikanalytischen Annäherung bleibt für Covach, dass „any such analysis is provisional, since each listener’s experience will differ“ (Covach 2003: 180) – ein Problem, das in Covachs Interesse an Werkanalyse begründet liegt. Der Rückgriff auf den Traditionsstrom bietet jedoch eine Möglichkeit, dieser Individualisierung methodisch zu entkommen, da zumindest innerhalb bestimmter Personengruppen (Fans etc.) von einer gewissen Gemeinsamkeit der Assoziationen ausgegangen werden kann. Diese Gemeinsamkeit manifestiert sich auch in der Meta-Liste der Stichprobe. Die entstehenden Assoziationen werden mit den Ergebnissen der Auswertung abgeglichen. Ein ‚Nicht-Vorkommen‘ in dieser Meta-Liste bedeutet kein Ausschlusskriterium, sondern macht transparent, dass einzig und allein Wissen und Geschmack des Forschers für die Assoziation maßgebend sind. So ist es möglich, musikalische Beispiele in die Untersuchung einfließen zu lassen, die über die pure Listenauswertung verloren gehen. Damit wird sichergestellt, die mögliche Vielfalt der mit Heavy Metal verbundenen Kompositionsmodelle und Erwartungshorizonte abzudecken und beschreiben zu können.

Zugang 3: Zufallsstichprobe Da zu beschreibende Kompositionsmodelle und Erwartungshorizonte nur eine verallgemeinerbare Relevanz haben, wenn sie sich auch auf nach Zufallsprinzipien ausgewählte Musikstücke anwenden lassen, sollen die Untersuchungsergebnisse mittels eine Zufallsstichprobe überprüft werden. Als Material für die Zufallsstichprobe dienen zwei CDs oder DVDs, die den nach Abschluss der Untersuchung aktuellsten Nummern der im deutschsprachigen Raum erscheinenden Fachzeitschriften Rock Hard und Metal Hammer beiliegen. Ausgewählt wurden die beiden DVDs Maximum Metal Vol. 135 (Metal Hammer 1/2009) und Guerilla TV Vol. 11 (Rock Hard 260, 1/2009). Diese beinhalten jeweils eine Auswahl an Neuerscheinungen des Heavy Metal mit unterschiedlichem stilistischem Schwerpunkt. Dass eine Platzierung auf einer dieser CDs/DVDs möglicherweise von der Plattenfirma einer Band gekauft und die Stichprobe dadurch methodisch verzerrt wird, erscheint für den Zweck dieser Untersuchung vernachlässigbar, da der Sinn der Zufallsstichprobe ein möglichst weit gehender Ausschluss des Einflusses des Autors auf die Stichprobe ist.

68

IV. METHODIK

Methodik der musikalischen Analyse Ausgangspunkt der Deduktion der für den Musikstil Heavy Metal spezifischen Regeln ist eine sprachanaloge Strukturierung von Musik. Die Methodik beruht deshalb auf dem Regel-Abweichungs-Modell (vgl. Redmann 2002: 164-170). Ziel ist eine Formulierung des Verallgemeinerbaren eines Musikstils und nicht die Definition der Besonderheiten eines bestimmten Idiolekts. Allerdings werden keine grundlegenden Normen gesucht, für die der Musikstil Heavy Metal als Teil der Rockmusik und damit auch der afroamerikanisch beeinflussten populären Musik im Allgemeinen als zu speziell erscheint. Vielmehr geht es um die Formulierung stilspezifischer Konventionen. „Von musikalischen Normen als verbindlichen Regeln können Regelbildungen mit geringerem Geltungsgrad differenziert werden, welche in der Folge als ‚Konventionen‘ bezeichnet werden sollen. Versteht man musikalische Stile oder Gattungen – gleichsam stochastisch – als Systeme von Möglichkeiten, so können konventionelle Stil- und Gattungselemente als jene ‚Wahlen‘ in einem diffusen Feld von Möglichkeiten definiert werden, deren Auftreten mit einem relativ hohen Wahrscheinlichkeitswert belegt ist. Sie haben – in der Sprache der Informationstheorie – hohe Redundanz und geringen Informationsgrad. Konventionen können als bewährte, vielbeschrittene kompositorische Wege charakterisiert werden, welche – i.S. einer kompositorischen Pragmatik – ‚funktionieren‘ und einen Gattungs- und Stilkontext gleichsam bestätigen.“ (Redmann 2002: 167; kursiv im Original)

Die genaue Abgrenzung von Normen und Konventionen bleibt zum Teil unklar, da Normen zum einen aus Konventionen entstehen können und zum anderen Normen wieder zu Konventionen ‚absinken‘ können (vgl. ebd.). Die Deduktion der stilistischen Konventionen erfolgt über die Analyse bestimmter musikalischer Parameter, ohne dass deswegen in dieser Arbeit das Parametermodell in seiner Gänze zur Anwendung kommt. Gleichwohl bleibt die Notwendigkeit erhalten, die Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Parametern in die Analyse einzubeziehen. „Denn sowohl der musikalische Schaffensprozess als auch der Wahrnehmungsprozess orientiert sich in der Regel nicht an isolierten Parametern, sondern richtet sich auf ganzheitliche klangliche Einheiten“ (Pfleiderer 2008: 155). Zu diesem Zweck steht das Ensemblespiel im Blickpunkt des analytischen Interesses. Die methodische Begründung für die Einschränkung der Anzahl der zu analysierenden Parameter liegt in der inhaltlichen Zusammensetzung des bereits veröffentlichten musikanalytischen Wissens über den Musikstil Heavy Metal, das in Kapitel III zusammengefasst wurde. Ein

69

SCHWERMETALLANALYSEN

Großteil dieses Wissens wurde im angelsächsischen Raum veröffentlicht und beruht methodisch auf dem Schichtenmodell nach Heinrich Schenker. In der praktischen Konsequenz führt dieser reduktive Analyseansatz zu der oben beschriebenen Konzentration auf Tonhöhenorganisation, Harmonik und Stimmführung (vgl. Redmann 2002: 160, Pfleiderer 2008: 155). Parameter wie Form, Rhythmik und ihre praktische Konkretisierung im Ensemblespiel werden, wie auch in Kapitel III herausgearbeitet, bisher vernachlässigt. Diese Parameter dienen deshalb in dieser Arbeit als Grundlage für die musikalische Analyse der Konventionen der musikalischen Sprache des Heavy Metal, um in der Addition mit dem bereits veröffentlichten Wissen ein umfassendes Bild der musikalischen Sprache des Heavy Metal zu erhalten. Das Schichtenmodell im Speziellen findet keine Anwendung, da sich laut Redmann (2002: 159) Stile, „die zu einer Bedeutungsgleichheit aller Elementarstrukturen und Formteile tendieren“, einer reduktionistischen Analyse widersetzen. Pfleiderer stellt mit Redmann (2002: 80 und 159) den Sinn reduktionistischer Analysen ebenfalls in Frage. „Gerade im Falle populärer Musikrichtungen, in denen Reihungsformen, Variationen und Wiederholungen dominieren, ist daher fragwürdig, ob ein reduktiver Analyseansatz angemessen ist und zu relevanten Ergebnissen führen kann“ (Pfleiderer 2008: 155). Da Heavy Metal als Netzwerk komplexer musikalischer Äußerungen betrachtet wird und diese wiederum als Schichtung komplexer und einfacher musikalischer Äußerungen verstehbar sind, bewegt sich die Analyse metaphorisch gesprochen vom Großen zum Kleinen. Ausgangspunkt ist das Gesamtwerk einer Band, das in Schaffensphasen unterteilt wird (z.B. unterschiedliche Besetzungen etc.). Darauf folgt das einzelne Album und die wiederum darauf vertretenen Stücke. Die Stücke werden sowohl insgesamt als auch bezüglich der durch die jeweilige Besetzung vorgegebenen Einzelstimmen betrachtet. Da dieser Ansatz sehr aufwendig ist, wird er in seiner Gesamtheit nur für die aus der Auswertung hervorgegangenen herausragenden Bands und Veröffentlichungen des Heavy Metal angewandt. Das zusätzliche, über Assoziationen gewonnene Analysematerial dient der Konkretisierung stilistischer Konventionen auf der Ebene des einzelnen Stückes bzw. der Einzelstimme.

Einbettung in die Stilgeschichte Die Deduktion von Konventionen der musikalischen Sprache des Heavy Metal setzt voraus, das zu analysierende Material zur Genre- und Stilgeschichte in Beziehung zu setzen. Die als Auswertungsergebnis erstellte Meta-Liste ersetzt im Rahmen dieser Arbeit einen weitergehenden Bezug auf einen Rezeptionskontext. Der Entstehungskontext wird als Abriss der

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IV. METHODIK

Gründungs-, Besetzungs- und Veröffentlichungsgeschichte der herausgehobenen Bands gegeben. Die herausgehobenen Tonträger der Metaliste werden so in Bezug zum jeweiligen Gesamtwerk der Band gesetzt. Ziel ist es, die herausgehobenen Veröffentlichungen der jeweiligen Band auf musikbzw. produktionsgeschichtliche Gemeinsamkeiten zu überprüfen. Im Ergebnis sollen wichtige Schaffensphasen extrahiert werden, die beispielsweise auf eine bestimmte Besetzung der Band, ein bestimmtes für die Aufnahme verwendetes Studio oder auch die Beschäftigung des gleichen Produzenten rekurrieren können. Mittels der Beschreibung der Besetzungsgeschichte wird zudem die interne Struktur der herausgehobenen Bands genauer betrachtet. Von Interesse ist sowohl die Fluktuation von Mitgliedern und die damit zusammenhängende mögliche Existenz eines Besetzungskerns als auch die Beteiligung der Mitglieder am kreativen Schaffensprozess. Die auf den herausgehobenen Tonträgern vermerkten Angaben zu Komposition und Textdichtung werden ausgewertet, um mögliche Hauptkomponisten und damit auch das Instrument, auf dem höchstwahrscheinlich komponiert wird, zu identifizieren.

Zum Umgang mit Klangfarbe und Klang Das Konzept der musikalischen Äußerung umfasst immer auch die jeweilige Klangfarbe und deren Klang. Beides ist im Notentext nicht – oder nur sehr begrenzt – darstellbar. Die Klangfarbe und ihr Klang müssen entweder verbal beschrieben oder mittels Klanganalysen spektrographisch dargestellt werden. Spektralanalysen bereiten im Rahmen des gewählten Ansatzes jedoch methodische Schwierigkeiten, die am Beispiel des Klanges der verzerrten Gitarrenklangfarbe verdeutlicht werden sollen. Die Unterscheidung zwischen Klangfarbe und dem spezifischen Klang der Klangfarbe dient in diesem Zusammenhang als Hilfskonstruktion. Die Klangfarbe verzerrter Gitarren wird im Heavy Metal erwartet. Sie entspricht einer stilistischen Norm. Die Art und Weise der Verzerrung des Gitarrenklangs kann jedoch sehr stark differieren. Zum einen unterscheidet sich die Art und Weise der Verzerrung je nach Gitarrist und dessen präferiertem Equipment und Spielweise. Zum anderen existieren im Heavy Metal unterschiedlichste Ausformungen ästhetisch gewünschter Ensembleklangfarben, die von einer Glorifizierung des ‚schlechten Klangs‘ mit Tendenz zum Rauschen zur entgegengesetzten Idee, jede gespielte Note jedes beteiligten Instruments differenziert hörbar zu machen, reichen. Berger und Fales (2005) haben Veränderungen der verzerrten Gitarrenklangfarbe mittels Klanganalysen nachgewiesen. Im Ergebnis unterliegt die verzerrte Gitarrenklangfarbe einer Entwicklung im Traditionsstrom.

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SCHWERMETALLANALYSEN

Allerdings liegen auch Berger und Fales die unterschiedlichen Klänge der verzerrten Gitarrenklangfarbe nur als Teil von auf Tonträgern gespeicherten Aufnahmen vor. Gerade die klangliche Komponente eines Tonträgers ist jedoch abhängig von Faktoren, die (zumindest möglicherweise) außerhalb der Kontrolle der aufnehmenden Band oder des Künstlers liegen. Die Menge verfügbarer Studiozeit, die Güte und damit auch der Preis des gewählten Tonstudios, das Können der aufnehmenden Toningenieure, das Mastering etc. haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Klang des Tonträgers. In wie weit der auf Tonträgern gespeicherte Klang der Klangfarbe den erwünschten individuellen Vorstellungen und den stilistischen Normen und Konventionen entspricht oder nicht, bleibt oft unklar. Eine sinnvolle Diskussion dieser (spannenden) Thematik ist ohne Interviews mit Produzenten und genaue Betrachtung des verwendeten Equipments schlecht vorstellbar und sprengt deshalb den Rahmen des Möglichen. Zudem wird sehr schnell die Ebene von Berufsgeheimnissen berührt. Der Klang eines Tonträgers bleibt deshalb in starkem Maße selbstreferentiell oder werkimmanent. Er entspricht einer mehr oder weniger gelungenen Annäherung an den gewünschten Klang der Klangfarbe. Gleichzeitig trifft der Rezipient eine Einschätzung, ob die gehörte verzerrte Gitarrenklangfarbe subjektiv gut oder schlecht klingt – unter Berücksichtigung bekannter stilistischer Normen und Konventionen, aber auch aufgrund anderer ästhetischer Vorlieben. Auf die stilistische Einschätzung eines Tonträgers durch die Fachpresse hat dessen Klang dementsprechend auch kaum Einfluss – der Klang der Klangfarbe wird aber unabhängig davon durchaus nach differenzierten Kriterien als gut oder schlecht beurteilt. Ein direkter Einfluss einer derartigen Beurteilung auf die Wichtigkeit eines Tonträgers im Traditionsstrom ist jedoch nicht gegeben.16 Dies gilt auch für eine abwertende Einschätzung durch die Band selbst.17 Ein Musikstil wie Heavy Metal hat damit eine bestimmte identifizierbare, quasi normative Klangfarbe, aber keinen normativen Klang. Nichtsdestotrotz ist die Klangfarbe ein Bereich des Traditionsstroms, der Veränderungen unterworfen ist. Klanganalysen können für den Zweck dieser Arbeit jedoch nur unter der Voraussetzung sinnvoll sein, dass die analysierte Aufnahme erstens wie gewünscht klingt und zweitens von anderen 16 Der Klang des Schlagzeugs und insbesondere der Snare auf Metallicas Album St. Anger (2003, 2/2) war beispielsweise Anlass kontroverser Debatten in der Fachpresse. Obwohl dieser Klang mehrheitlich als schlecht abgelehnt wurde, findet sich St. Anger in der Auswertung, erreichte in fünf Staaten (USA, Kanada, Portugal, Japan, Australien) die Spitze der Charts und der Titelsong gewann 2004 den Grammy für die ‚Best Metal Performance‘. Zu Metallica in der Auswertung siehe Kapitel VI.5. 17 Iron Maiden sind mit dem Klang ihres Debütalbums unzufrieden. Zur dennoch herausgehobenen Stellung des Debütalbums von Iron Maiden in der Auswertung siehe die Kapitel V Abschnitt fünf und VI.4.

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IV. METHODIK

zum Zwecke der Stilbildung reproduzierbar ist. Dies kann aber nicht gewährleistet werden. Klanganalysen können nur die Besonderheiten des jeweiligen Klangs der Klangfarbe darstellen, nicht aber die Klangfarbe selbst. Im Sinne der gewählten Methodik dieser Arbeit sind deshalb Klanganalysen für die Darstellung des Verallgemeinerbaren an der Sprache des Heavy Metal kein geeignetes Mittel.

Das Gitarrenriff als zentrales Element der Analyse Richard Middleton hat die Bedeutung der Wiederholung als formendes Element für die Analyse populärer Musik immer wieder betont.18 Die Wiederholung bildet eine zentrale Möglichkeit, die für das Konzept der Äußerung notwendige spezifische Abgeschlossenheit einer musikalischen Äußerung zu realisieren – und eine Möglichkeit der Imagination der Abgeschlossenheit der Äußerung. Eine komplexe musikalische Äußerung besteht dabei aus verschiedenen Schichten der Wiederholung. Middleton (1999: 143) hat diese mit den Begriffen ‚musematic‘ – die Wiederholung einer kleinen Figur – und ‚discursive‘ – die Wiederholung einer Phrase – bezeichnet. Paradebeispiel für die ‚musematic repetition‘ ist ihm das Riff, das er als „short rhythmic, melodic, or harmonic figures repeated to form a structural framework“ (ebd.) definiert. Middletons begriffliche Unterscheidung in ‚musematic‘ und ‚discursive‘ Wiederholungen ist im Rahmen einer an Bakhtins Konzept der Äußerung angelehnten Konzeption zu ungenau. Musematische Wiederholungen gelten ihm dabei als weniger komplex als diskursive. Im Rahmen der endlosen Kette der Äußerungen verweisen Äußerungen jedoch unabhängig von ihrer Komplexität auf andere Äußerungen. Zudem können gerade weniger komplexe Äußerungen Teil mehrerer komplexer Äußerungen sein. Jede Äußerung ist damit potentiell diskursiv. Middletons begriffliche Unterscheidung wirkt verwirrend, da diskursive musematische und diskursive diskursive Äußerungen existieren können und findet deshalb keine Anwendung. Seine Definition des Riffs wird jedoch übernommen und in seiner Ausprägung als Gitarrenriff als zentrale musikalische Äußerung im Heavy Metal begriffen. Gitarrenriffs werden deshalb sowohl methodisch isoliert und analysiert als auch im Kontext des Ensemblespiels betrachtet. Im Rahmen der formalen Analyse bilden sie die grundlegende Analyseeinheit.

18 Vgl. Middleton 1983, 1990 Kapitel 7, 1996, 1999.

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SCHWERMETALLANALYSEN

Methodik der formalen Analyse Populäre Musik und insbesondere auch Stile der Rockmusik wie Heavy Metal ist bzw. sind formal hybrid. Parallel zu sich wiederholenden Elementen existieren periodische Strukturen, die den Zeitfluss hierarchisch strukturieren. Das Gitarrenriff als grundlegende wiederholende Einheit verschränkt sich mit periodischen Elementen wie Einleitung, Hauptteil und Schluss, oder auch Vers und Chorus. Die formale Struktur einer komplexen Äußerung wird in einem ersten Schritt als Abfolge von Gitarrenriffs begriffen. Ihre Deduktion aus dem Material, sowie die Gruppierung zu größeren periodischen Einheiten erfolgt mit Hilfe zweier Hypothesen: • Eine Struktur gilt solange als fortlaufend, bis eine ihrer Äußerungen wieder aufgegriffen wird. • Der Beginn neuer Formteile wird jeweils über das Ende einer sich wiederholenden Struktur musikalischer Äußerungen markiert. Da ein Riff keine vordefinierte Länge hat, wird diese jeweils in Pulsen angegeben. Als Bezeichnung finden lateinische Kleinbuchstaben Verwendung. Ein nicht ausgezählter Bereich in der Abfolge von Riffs wird als ‚Br‘ für ‚Break‘ oder Bruch gekennzeichnet. Um nicht endlose Reihen von identischen Kleinbuchstaben zu generieren, werden identische Wiederholungen eines Riffs mit Ziffern bezeichnet. Eine viermalige Wiederholung von ‚a‘ wird also nicht ‚aaaa‘, sondern ‚4a‘ notiert. Die Folge ‚3ab‘ entspricht deshalb nicht einer dreifachen Wiederholung der Riffgruppe ‚ab‘ – ‚ababab‘ –, sondern der dreifachen Wiederholung von ‚a‘ gefolgt von ‚b‘ – ‚aaab‘. Identische Wiederholungen von Riffgruppen wie ‚ab‘ werden mit Klammern angezeigt – ‚3(ab)‘. Varianten werden mit hochgestellten Ziffern kenntlich gemacht. Der Unterschied zwischen einem neuen Riff und einer Variante eines bekannten Riffs bleibt in Grenzfällen subjektiv. In einem zweiten Schritt erfolgt die Gruppierung der Riffs zu größeren periodischen Einheiten wie Einleitung, Schluss und Hauptteil – unter Anwendung der beiden obigen Hypothesen. Eine große Anzahl an Wiederholungen eines Riffs wird dabei nach Hypothese (1) behandelt, eine geringe Anzahl an Wiederholungen nach Hypothese (2). Als Bezeichnung dienen lateinische Großbuchstaben, eine Variantenbildung ist möglich. In einem dritten Schritt wird eine Gruppierung in eine Vers-ChorusStruktur versucht. Als Mittel der Unterscheidung in Vers (V) und Chorus (C) dient der Gesang bzw. der gesungene Text. Als Vers wird eine Abfolge von mindestens einem Riff betrachtet, über das gesungen wird. Werden ein oder mehrere Riffs mit gleichem Text – oft auch inklusive Stücktitel – und

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IV. METHODIK

gleicher Melodie wiederholt, so wird diese Abfolge als Chorus bezeichnet. Ändert sich der Text in der Wiederholung, bleibt die Bezeichnung Vers. Ändern sich sowohl die verwendeten Riffs als auch der verwendete Text, so handelt es sich entweder um einen Pre-Chorus (p), eine Bridge (B) oder einen weiteren Vers. Als Pre-Chorus wird ein gesungener Formteil zwischen Vers und Chorus bezeichnet. Eine Bridge folgt dagegen auf einen Chorus und unterscheidet sich musikalisch und textlich vom Vers. Musikalisch und textlich unterschiedliche Formteile gleicher periodischer Funktion werden durchnummeriert – z.B. in Vers 1, Vers 2 oder Pre-Chorus 1, PreChorus 2... Instrumentale Formteile werden als Intro (I) bezeichnet, wenn sie vor dem ersten Gesangseinsatz liegen, und als Interlude, wenn sie zwischen Formteilen mit Gesang vorkommen. Als Playout (Po) wird eine eine komplexe Äußerung abschließende Folge von zumindest teilweise neuen Riffs mit oder ohne Gesang bezeichnet. Die Bezeichnung Playout ist von Alan Moore (1993: 150) übernommen und eine Hilfskonstruktion zur formalen Komplexitätsreduktion im Rahmen einer Vers-Chorus-Struktur. Zusätzlich werden Formteile, die der Begleitung solistischer Äußerungen von Instrumentalisten dienen, als Solo (S) kenntlich gemacht. Musikalisch unterschiedliche Formteile gleicher periodischer Funktion werden gleichfalls durchnummeriert. Ein Playout kann pro komplexer Äußerung nur einmal vorkommen. Im Ergebnis entsteht folgende OpenOffice Calculator-Tabelle: Tabelle 3: Beispieltabelle formale Struktur Nr. X-A3

Titel Xyz

Dauer 0:00

Pulslänge

Struktur 1

a=, b=, ...

2

a3bb Br 2(de)...

Struktur 2 2

A B C C ...

Struktur 3 I VpC B In S Po

Mit Nr. wird die Platzierung des Stückes auf dem jeweiligen Album beschrieben. Handelt sich bei der Erstveröffentlichung um eine LP, so wird die Trennung in A- und B-Seite beibehalten, bei CDs wird dagegen fortlaufend nummeriert. Das dritte Stück der A-Seite des Albums XYZ wird damit beispielsweise als X-A3 bezeichnet. Titel 3 einer CD XYZ als X-3. Die angegebene Dauer des Stückes entspricht nicht immer den Angaben der Tonträger, sondern wird überprüft und gegebenenfalls korrigiert. Die Pulslänge von Varianten eines Riffs wird nur dann angegeben, wenn sie sich von der Pulslänge des Ursprungsriffs unterscheidet. Mit Struktur 1 wird die Reihung von Gitarrenriffs bezeichnet, als Struktur 2 die Gruppierung der Gitarrenriffs zu größeren Einheiten, und unter Struktur 3 findet sich die Gruppierung im Rahmen einer Vers-ChorusStruktur. Jede größere formale Einheit von Gitarrenriffs erhält zudem eine

75

SCHWERMETALLANALYSEN

eigene Schriftfarbe, um einerseits eine bessere Übersichtlichkeit zu gewährleisten und andererseits die Gruppierung nachvollziehbar zu gestalten.

Zur Analyse ausgewählter musikalischer Parameter Als Grundlage der Analyse dient das Gitarrenriff. Methodischer Ausgangspunkt ist eine Konzentration auf den in der bisherigen Forschung zu Heavy Metal vernachlässigten Parameter Rhythmus und seine Konkretisierung sowohl in einzelnen Instrumentalstimmen als auch im Ensemblespiel. Unter Rhythmus wird die „strukturierte kognitive Repräsentation einer Folge von auditiven Objekten innerhalb definierter ‚Zeiträume‘“ (Bruns 2000a: 41) verstanden. Bezüglich einer ausführlicheren Diskussion des Rhythmusbegriffes sei auf Müller und Achersleben (Hg.) (2000) und Pfleiderer (2006) verwiesen. Mit Bruns (2000b: 235-241) wird die zeitliche Organisation innerhalb eines Musikstückes in Puls, Metrum und Rhythmus unterteilt, die jeweils als Invarianten verstanden werden. Als Puls wird die regelmäßige Wiederkehr eines akustischen Ereignisses bezeichnet, Metrum strukturiert einen Puls in schwere (betonte) und leichte (unbetonte) akustische Ereignisse, während als Rhythmus die spezifische Organisation des Pulses in einem gegebenen metrischen Rahmen zu bezeichnen wird. Ausgangspunkt der Betrachtung ist der Puls, der auf seine metrische und rhythmische Gewichtung untersucht wird. Pulsgeber kann jedes Instrument – vielleicht mit Ausnahme des Gesangs – sein, am wahrscheinlichsten sind jedoch Gitarre und Schlagzeug bzw. hier vor allem die Bassdrum und eher selten die Hi-Hat oder ein anderes Becken, wie beispielsweise im Swing. Der Puls kann sich im Verlauf eines Stückes ändern und wird jeweils über Riffs metrisch und rhythmisch strukturiert. In diesem Zusammenhang werden auch zusammengesetzte Metren erwartet. Der oft zitierte Backbeat als Grundlage der rhythmischen Organisation im Rock wird nur als eine von vielen Möglichkeit der metrischen Organisation des Pulses betrachtet. Das Tempo eines Stückes wird ebenfalls aus dem Puls deduziert. Die Möglichkeit der Überlagerung unterschiedlicher Teilungen des Pulses lässt eine eindeutige Tempoangabe jedoch problematisch erscheinen. Harmonisch-melodische Elemente werden nicht in ihrer funktionsharmonischen oder auch modalen Bedeutung bzw. ihrer Zielstrebigkeit analysiert, sondern vor allem unter der Prämisse ihrer Verwendung in sich wiederholenden Strukturen der zeitlichen Organisation von musikalischen Äußerungen. Das für Heavy Metal oft als charakteristisch bezeichnete Gitarrensolo wird nicht gesondert betrachtet und analysiert – hier sei auf Walser (1993) verwiesen –, sondern nur als ein mögliches Formelement betrachtet. Es wird von der These ausgegangen, dass das Vorhandensein und die Art und

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IV. METHODIK

Weise solistischen Spiels als solches für Heavy Metal im besonderen und populäre Musik im allgemeinen nicht stilbildend sind.

Zur Art und Weise der Transkriptionen Die Transkriptionen verstehen sich im musikethnologischen Sinne als Abbild der Rezeption eines Stückes und nicht als Spielanweisung.19 Ziel ist die grafische Abbildung typischer Elemente der zu formulierenden musikalischen Sprache des Heavy Metal. Die Darstellung der Transkriptionen erfolgt entweder als traditioneller oder vereinfachter Notentext, der auf die Abbildung unterschiedlicher Tonhöhen verzichtet. Zur Verdeutlichung von Bewegungsabläufen auf dem Gitarrengriffbrett wird auf Tabulaturnotierung zurückgegriffen. Für die Transkription des Schlagzeugspiels existiert keine verbindliche Konvention. In dieser Arbeit findet eine Notation Verwendung, die der Fachzeitschrift DrumHeads entnommen ist. Eine entsprechende Legende findet sich im Anhang. Die Konzentration auf den Puls führt zum Verzicht auf Taktangaben in den Transkriptionen, da vom Vorhandensein einer mit dem Taktschema einhergehenden Betonungsstruktur nicht ausgegangen werden kann. Vertikale Striche, die Taktstrichen gleichen, dienen als optische Gliederung des Notentextes. Da die Betrachtung harmonisch-melodischer Elemente als Teil von Riffs erfolgt, unterbleibt im Normalfall auch die Festlegung einer Tonart in den Transkriptionen. Vorzeichen werden direkt vor die betreffende Note gesetzt. Weitere aus der Methodik der Musikethnologie sowie aus Fachzeitschriften für Gitarristen und Schlagzeuger bekannte Sonderzeichen werden zur Verdeutlichung von im Notentext nicht darstellbaren Elementen verwendet. Um eine gute Lesbarkeit und Übersichtlichkeit des Notentextes zu gewährleisten, bleibt die Verwendung von Sonderzeichen möglichst maßvoll. Eine Legende der verwendeten Sonderzeichen findet sich im Anhang.

Zur Bezeichnung der Instrumente Die Bezeichnung der Instrumente erfolgt nicht nach dem System zur instrumentenkundlichen Klassifizierung nach Hornbostel und Sachs (1986), sondern nach den in der Fachpresse allgemein üblichen Bezeichnungen. Die Standardbesetzung einer Heavy Metal Band besteht aus ein bis zwei EGitarren, einer Bass-Gitarre (oder kurz Bass), Gesang (Vocals) und einem Schlagzeug (Drums). Tasteninstrumente (Keyboards oder Keys) werden dagegen seltener benutzt. Streich- und Blasinstrumente sowie ein ver19 Vgl. Ellingson 1992 a und b, Winkler 1997, Stockmann 1998.

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SCHWERMETALLANALYSEN

stärkter Einsatz elektronischer Musikinstrumente finden sich vor allem im Rahmen der Vermischung von Heavy Metal mit anderen Stilistiken. Das Schlagzeug setzt sich aus ein bis zwei mit dem Fuß gespielten Basstrommeln, einer Snare (geschlagene Rahmentrommel in Kombination mit einem Idiophon) und meist mehreren Toms (hängende oder stehende, ein- oder zweifellige, geschlagene Zylindertrommeln unterschiedlicher Größe), sowie einer Hi-Hat und meist mehreren anderen Becken (Schlagidiophone), die – unterschieden nach ihrer Klangcharakteristik – als Ride-, Crash- und Chinabecken bezeichnet werden, zusammen. Das Spiel mit zwei Basstrommeln wird als Double Bass bezeichnet. Für klangformende Technologien aus der Studiotechnik werden ebenfalls die üblichen Bezeichnungen wie Verzerrung, Flanging etc. verwendet. Im Anhang findet sich ein Glossar der verwendeten Bezeichnungen mit Erklärungen.

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V. D I E A U S W E R T U N G

DER

STICHPROBE

In den 24 Quellen mit ihren 68 Listen sind insgesamt 827 Bands1 aus 27 Staaten mit 1563 Tonträgern aus 41 Jahren (1966-2006) vertreten.

Nationale Herkunftsverteilung Die Zuordnung einer Band zu einem Herkunftsland folgt den in der Fachpresse, der Online-Enzyklopädie Wikipedia und den auf den bandeigenen Webseiten gemachten Angaben. Dabei kommen unterschiedliche Entscheidungskriterien zum Tragen, meist bezieht sich die Zuordnung jedoch auf das Geburtsland der Mehrheit der Mitglieder einer Band. Ich möchte diese Unterschiedlichkeit der Kriterien hier an zwei Beispielen verdeutlichen. Ozzy Osbourne gilt mittlerweile als US-amerikanischer Künstler, da er, obwohl in Birmingham/UK geboren, nach Ende seiner Mitgliedschaft bei den britischen Black Sabbath in die USA übersiedelte und seine Band aus wechselnden US-amerikanischen Musikern zusammenstellte. Dagegen werden Motörhead weiterhin als britische Band wahrgenommen, obwohl Sänger/Bassist Lemmy Kilmister ebenfalls in die USA auswanderte und die Band seit fast 20 Jahren einen schwedischen Schlagzeuger hat. Viele Bands sind zudem eigentlich Projekte eines Einzelnen mit von Veröffentlichung zu Veröffentlichung wechselnden Mitmusikern. Die folgende Tabelle zeigt die Verteilung der nationalen Zugehörigkeit der Bands der Stichprobe. Im Ergebnis erscheint Heavy Metal als Musikstil mit eindeutiger angelsächsischer Dominanz.2 Auf den Plätzen folgen die BRD und Skandinavien – je nach dem ob man die skandinavischen Staaten einzeln oder gemeinsam zählt.3 Immerhin mehr als ein Viertel (230 oder 1

2 3

Der Einfachheit halber werden auch Einzelinterpreten, Zusammenschlüsse von Musikern, die unter dem Namen eines ihrer Mitglieder firmieren, sowie Projekte von Multi-Instrumentalisten mit bandartigem Projektnamen etc. unter dem Begriff Band subsumiert. Angelsächsisch wird hier verstanden als Herkunft aus den USA, Kanada, Australien oder Großbritannien. Bands aus den skandinavischen Staaten (Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden) erreichen zusammen 105 Nennungen. Skandinavien wird mit einem Anteil von 12,7 Prozent zum drittwichtigsten Herkunftsgebiet für Heavy Metal Bands.

79

SCHWERMETALLANALYSEN

27,8%) der Bands stammen nicht aus dem angelsächsischen Raum. Zieht man von diesen – aufgrund einer möglichen Überrepräsentation deutscher Bands in einer von Deutschland aus erstellten Stichprobe – die deutschen Bands ab, so verbleiben 20 Prozent (165) der Bands. Von diesen sind jedoch wiederum nur 1,45 Prozent (12) nicht aus Europa. Tabelle 4: Nationale Zuordnung der erfassten Bands (n=827) Anzahl in

Absolute

Prozent

Anzahl

Staat

49,8%

412

USA

18,7%

155

Großbritannien

7,8%

65

BRD

6%

49

Schweden

25

Kanada,

23

Finnland,

3%

1-2%

< 1%

23

Norwegen

15

Niederlande,

9

Dänemark

7

Schweiz, Japan,

5

Frankreich, Australien,

4

Brasilien, gemischt USA-Großbritannien

3

Polen, Italien,

2

Belgien, Irland, Ungarn

1

Spanien, Österreich, Portugal, Südafrika, Tschechien, Griechenland, Island

Vergleicht man dieses Ergebnis mit der Herkunft der Bands, die in Listen aus stilistisch anders ausgerichteten Magazinen zur populären Musik wie Rolling Stone, Visions oder Spex genannt werden, so zeigt sich in der Stichprobe zu Heavy Metal ein deutlich größerer Anteil nicht angelsächsischer Bands. Von den in den „500 besten Alben aller Zeiten“ der deutschen Ausgabe des Rolling Stone (2004) vertretenen 285 verschiedenen Bands sind nur 9,2 Prozent nicht angelsächsischer Herkunft, bei den „100+17 besten Platten aller Zeiten“ aus Spex (2000) 9,6 Prozent und den „150 Records For Eternity“ aus Visions (2005) 15,5 Prozent. Zieht man ebenfalls jeweils die deutschen Bands ab, so verbleiben 3,2 Prozent (Rolling Stone), 4,8 Prozent (Spex) und 8,8 Prozent (Visions). Heavy Metal scheint damit stärker als weltweites Phänomen wahrgenommen zu werden als ein ‚popmusikalischer Durchschnitt‘. Bands aus Süd- und Osteuropa sowie aus Japan werden – im Gegensatz zur Heavy

80

V. DIE AUSWERTUNG DER STICHPROBE

Metal Stichprobe – in den Listen von Rolling Stone, Spex und Visions ignoriert. Der Hauptunterschied beruht jedoch auf der größeren Wichtigkeit von Bands aus den skandinavischen Staaten für Heavy Metal.4 Bands aus Schwarzafrika und dem arabischen Raum fehlen in allen ausgewerteten Listen, obwohl in beiden geographischen Räumen zumindest kleine Heavy Metal-Szenen existieren. Dennoch findet die Behauptung einer weltweiten Verbreitung von Heavy Metal ihren Widerhall in der Auswertung.

Die herausgehobenen Bands Tabelle 5: Die 21 meistgenannten Bands (Quellen) Band

4

Staat

Nennung

Gesamt-

Anzahl der genannten

in Quellen

Nennungen

Veröffentlichungen 9

Metallica

USA

20

71

Megadeth

USA

18

40

7

Judas Priest

UK

17

72

13

Slayer

USA

16

48

7

Deep Purple

UK

15

33

7

Black Sabbath

UK

14

70

14

Iron Maiden

UK

14

67

10

AC/DC

AUS

14

56

11

Sepultura

BRA

14

30

7

Queensrÿche

CAN

14

26

5

Led Zeppelin

UK

13

43

8

Motörhead

UK

13

40

10

Anthrax

USA

13

25

9

Death

USA

13

23

5

Guns N’Roses

USA

13

21

4

Scorpions

GER

12

29

10

Accept

GER

12

22

6

Celtic Frost

CH

12

21

3

Pantera

USA

12

21

5

Bathory

SWE

12

15

4

Exodus

USA

12

15

3

Interessanterweise liegt der Anteil US-amerikanischer Bands im Allgemeinen konstant bei mindestens 50 Prozent. Eine Zunahme des Anteils nicht angelsächsischer Bands geht dagegen immer mit einer Abnahme der Zahl von Bands aus Großbritannien einher.

81

SCHWERMETALLANALYSEN

Die abgebildeten 21 Bands (n = 827) werden in mindestens der Hälfte der 24 Quellen genannt. Ordnet man nach der Anzahl der Gesamtnennungen, so ergibt sich folgende Tabelle, die ebenfalls die ersten 21 Plätze darstellt. Tabelle 6: Die 21 meistgenannten Bands (Gesamtnennungen) Band

Staat

Nennung in

Gesamt-

Anzahl der genannten

Quellen

nennungen

Veröffentlichungen 13

Judas Priest

UK

17

72

Metallica

USA

20

71

19

Black Sabbath

UK

14

70

14

Iron Maiden

UK

14

67

10

AC/DC

AUS

14

56

11

Slayer

USA

16

48

7

Led Zeppelin

UK

13

43

8

Megadeth

USA

18

40

7

Motörhead

UK

13

40

10

Deep Purple

UK

15

33

7

Van Halen

USA

10

32

8

Sepultura

BRA

14

30

7

Scorpions

GER

12

29

10

Aerosmith

USA

8

29

7

Kiss

USA

10

27

12

Ozzy Osbourne

USA

9

27

8

Queensrÿche

CAN

14

26

5

Anthrax

USA

13

25

9

Rush

CAN

11

25

11

Death

USA

13

23

5

Mötley Crüe

USA

11

23

5

Eine Synthese aus diesen beiden Tabellen führt zur Meta-Liste der meistgenannten Bands. Die Synthese erfolgt über ein einfaches Punktsystem. Platz eins wird jeweils mit 21 Punkten bewertet, Platz zwei mit 20 etc. Sechzehn Bands werden in beiden Tabellen genannt, die restlichen Plätze differieren, sodass die Meta-Liste aus insgesamt 27 Bands besteht.

82

V. DIE AUSWERTUNG DER STICHPROBE

Tabelle 7: Metaliste der herausgehobenen Bands Platz

Band

Herkunft

Punkte

1

Metallica

USA

41

2

Judas Priest

UK

40

3

Iron Maiden

UK

35

4

Slayer

USA

34

4

Megadeth

USA

34

6

Black Sabbath

UK

32

7

AC/DC

AUS

29

8

Deep Purple

UK

28

9

Sepultura

BRA

25

10

Motörhead

UK

24

11

Led Zeppelin

UK

22

12

Queensrÿche

CAN

19

13

Anthrax

USA

14

14

Death

USA

11

14

Van Halen

USA

11

16

Scorpions

BRD

10

17

Aerosmith

USA

8

17

Guns N’Roses

GER

8

19

Kiss

USA

7

20

Ozzy Osbourne

USA

6

20

Accept

BRD

6

22

Pantera

USA

5

23

Celtic Frost

CH

4

24

Rush

CAN

3

24

Bathory

SWE

3

26

Exodus

USA

2

27

Mötley Crüe

USA

1

Die ersten elf Bands kommen auf mehr als die Hälfte der möglichen 42 Gesamtpunkte. Metallica und Judas Priest können nach dieser Auswertung als ‚die‘ Heavy Metal Bands gelten, gefolgt von den relativ ähnlich bewerteten Black Sabbath, Iron Maiden, Slayer und Megadeth. Anschließend dominieren mit AC/DC, Deep Purple, Motörhead und Led Zeppelin Bands, die eher dem Hard Rock zugerechnet werden, bzw. als Wegbereiter und Vorläufer des Heavy Metal gelten. Mit Sepultura findet sich in dieser Spitzengruppe nur eine einzige Band, die nicht aus dem angelsächsischen Raum stammt.

83

SCHWERMETALLANALYSEN

Bildet man die Nennungen verschiedener Bands insgesamt und bezogen auf die Nennungen in den 24 Quellen grafisch ab, so zeigt sich jeweils ein exponentieller Kurvenverlauf. Die meistgenannten Bands bilden damit eine eindeutige Spitzengruppe, die den Traditionsstrom maßgeblich mitbestimmt. Abbildung 1: Grafische Verteilung der Gesamtnennungen auf die Bands.

Abbildung 2: Grafische Verteilung der Nennungen in Quellen auf die Bands

84

V. DIE AUSWERTUNG DER STICHPROBE

Herkunftsverteilung der herausgehobenen Bands Die Meta-Liste der meistgenannten Bands festigt den kurzfristig ins Wanken gekommenen Eindruck der angelsächsischen Dominanz im Heavy Metal wieder und nivelliert die oben festgestellten Unterschiede zu Listen mit anderem musikalischem Schwerpunkt. Von den 27 Bands stammen dreizehn aus den USA, sechs aus Großbritannien, je zwei aus der BRD und Canada und je eine aus Australien, Brasilien, Schweden und der Schweiz. Besonders skandinavische Bands erscheinen damit im Vergleich zu ihrem Vorkommen in der gesamten Stichprobe als deutlich unterrepräsentiert.5 Diese Einschränkung wird hinfällig, wenn man die Auswertung auf Bands einschränkt, die dem Extreme Metal zugeordnet werden können. Im Ergebnis entsteht eine Meta-Liste von zwölf Bands,6 von denen sechs aus dem skandinavischen Raum stammen. Dementsprechend besteht auch keine angelsächsische Dominanz mehr bezüglich der nationalen Herkunft. Tabelle 8: Die zwölf meistgenannten Extreme Metal Bands Band

Staat

Nennung in

Gesamt-

Anzahl der genannten

Quellen

nennungen

Veröffentlichungen

Sepultura

BRA

14

30

7

Death

USA

13

23

5

Celtic Frost

CH

12

21

3

Morbid Angel

USA

10

21

6

Venom

UK

10

20

2

Bathory

SWE

12

15

4

Emperor

NOR

11

15

4

Carcass

UK

9

19

4

SWE

7

20

9 2

In Flames Mercyful Fate

DEN

6

16

Dimmu Borgir

NOR

10

13

4

Entombed

SWE

10

13

3

Nur noch vier der zwölf meistgenannten Extreme Metal Bands stammen aus dem angelsächsischen Raum. Vier Extreme Metal Bands finden sich in der Meta-Liste der 27 meistgenannten Bands – Sepultura, Death, Celtic 5

6

Möglicherweise ist dies damit zu erklären, dass der Boom im skandinavischen Heavy Metal erst ab den 1990er Jahren einsetzt, so dass die betreffenden Bands zwar gekannt und wertgeschätzt werden, aber noch nicht den übergreifenden Status der älteren angelsächsischen Bands erreicht haben. Als Synthese der jeweils zehn meistgenannten Bands nach Gesamtnennungen und Quellen.

85

SCHWERMETALLANALYSEN

Frost und Bathory. Nur Sepultura sind eine der zehn meistgenannten Bands. Die These, dass die weltweite Verbreitung und Wahrnehmung von Heavy Metal seinen extremeren Spielarten zu verdanken sei, wird weiterhin unterstützt. Allerdings sind die erhobenen Daten nicht ausreichend, um hier fundierte Aussagen zu treffen.

Die herausgehobenen Alben I Tabelle 9: Die 20 herausgehobenen Alben der Gesamtliste (x) Nennungen

Band

Album

Jahr

Staat

Guns N’Roses

Appetite For Destruction

1987

USA

17/13

AC/DC

Back in Black

1980

AUS

17/12

Metallica

Kill ’Em All

1983

USA

16/14

Slayer

Reign in Blood

1986

USA

16/13

Black Sabbath

Paranoid

1970

UK

16/11

Metallica

Ride The Lightning

1984

USA

15/13

Metallica

Master Of Puppets

1986

USA

15/13

Queensrÿche

Operation:Mindcrime

1988

CAN

15/13

Iron Maiden

The Number Of The Beast

1982

UK

15/11

Led Zeppelin

IV

1971

UK

14/12

Motörhead

Ace Of Spades

1980

UK

14/10

Deep Purple

Machine Head

1972

UK

13/11

1986

USA

12/12

Megadeth

Peace Sells ... But Who’s Buying

in (y) Quellen

Exodus

Bonded By Blood

1985

USA

12/11

Venom

Black Metal

1982

UK

12/10

AC/DC

Highway To Hell

1979

AUS

12/10

Van Halen

Van Halen 1

1978

USA

12/9

Mötley Crüe

Shout At The Devil

1983

USA

11/11

Metallica

…And Justice For All

1988

USA

11/10

Pantera

Vulgar Display Of Power

1992

USA

11/9

Das Auswertungsergebnis unterstreicht nochmals die angelsächsische Dominanz im Traditionsstrom. Alle 20 in Tabelle neun vertretenen Alben stammen aus dem angelsächsischen Raum. Im Vergleich mit der MetaListe der wichtigsten Bands bestätigt sich die herausgehobene Stellung von Metallica, die mit vier Alben in Tabelle neun vertreten sind. Mit AC/DC kann nur eine weitere Band mehr als ein Album unter den 20 Meistgenann-

86

V. DIE AUSWERTUNG DER STICHPROBE

ten platzieren. Dagegen fehlen die in der Band-Meta-Liste zweitplatzierten Judas Priest völlig. Außerdem finden Tonträger von weiteren elf Bands aus der Meta-Liste der meistgenannten Bands keinen Eingang in die Liste der meistgenannten Alben, während mit Venom nur eine in Tabelle neun vertretene Band nicht in der Meta-Liste der wichtigsten Bands genannt wird. Tabelle zehn zeigt das jeweils meistgenannte Album dieser zwölf Bands der Band-Meta-Liste. Tabelle 10: Herausgehobene Alben der herausgehobenen Bands, die nicht in Tabelle 9 vertreten sind. Album

Jahr

Judas Priest

British Steel

1980

UK

10/10

Accept

Restless And Wild

1982

BRD

9/9

Ozzy Osbourne

Blizzard Of Ozz

1980

USA

9/8

Aerosmith

Rocks

1976

USA

9/7

Kiss

Destroyer

1976

USA

9/7

Anthrax

Spreading The Disease

1985

USA

8/8

Celtic Frost

Morbid Tales

1984

CH

7/7

Sepultura

Beneath The Remains

1989

BRA

7/7

Scorpions

Love At First Sting

1984

BRD

7/7

Death

Scream Bloody Gore

1987

USA

7/6

Rush

2112

1976

CAN

7/6

1986

SWE

7/5

Bathory

Under The Sign Of The Black Mark

Staat

(x) Nennungen in

Band

(y) Quellen

Die grafische Verteilung der Nennungen auf die Gesamtzahl von 1563 Alben in Abbildung drei ergibt eine ähnliche exponentielle Kurve wie die Verteilung der Nennungen auf unterschiedliche Bands, so dass auch hier von der Existenz einer eindeutigen Spitzengruppe ausgegangen werden kann. Abbildung drei verdeutlicht zudem, dass auch die in Tabelle zehn genannten Alben zu den herausgehobenen Alben der Auswertung gezählt werden müssen. Nur 90 der insgesamt 1563 Alben werden mindestens sieben mal genannt.

87

SCHWERMETALLANALYSEN

Abbildung 3: Grafische Verteilung der Gesamtnennungen auf Alben

Der Bezug zum Gesamtwerk Das überraschende Fehlen eines Albums von Judas Priest in der Liste der 20 meistgenannten Alben bedeutet keinen Abfall der Wertschätzung der Band. Vielmehr verteilen sich die 72 Nennungen für Judas Priest relativ gleichmäßig auf diverse Alben. Die sechs meistgenannten Veröffentlichungen von Judas Priest vereinigen zusammen fast drei Viertel der Nennungen7 (52 von 72 Nennungen oder 72,2%) auf sich, keines der Alben kommt jedoch für sich auf die nötige Zahl an Nennungen, um in Tabelle neun aufgenommen zu werden. Bei Metallica konzentrieren sich dagegen 80 Prozent (57 von insgesamt 71) der Nennungen auf nur vier Alben. Zudem gehen bei Judas Priest dreizehn unterschiedliche Alben in die Auswertung ein, während bei Metallica das zum Stichtag der Auswertung verfügbare Gesamtwerk aus nur elf Alben besteht, von denen neun in der Auswertung genannt werden. Das Gesamtwerk von Judas Priest addiert sich 2006 dagegen auf neunzehn Alben. Bei beiden Bands findet sich somit eine Wertschätzung einer Gruppe von Tonträgern, die als Ausschnitt aus dem Gesamtwerk Bedeutung für den Traditionsstrom zu erlangen scheint. Das Auswertungsergebnis von Iron Maiden sowie den meisten in Tabelle neun vertretenen Bands, ist ähnlich strukturiert. Allerdings existieren auch Gruppen von nur einem oder zwei besonders wertgeschätzten Tonträgern, wäh7

British Steel (1980) und Stained Class (1978) je zehn Nennungen, Screaming For Vengeance (1982) und Painkiller (1990) je neun, Defenders Of The Faith (1984) und Sad Wings Of Destiny (1976) je sieben.

88

V. DIE AUSWERTUNG DER STICHPROBE

rend der Rest des Gesamtwerkes als unwichtiger eingestuft wird. So vereinigt das meistgenannte Album der Auswertung, Appetite For Destruction, siebzehn der insgesamt 20 Nennungen für Guns N’Roses auf sich. Ähnlich ‚eindeutig‘ zeigen sich die Auswertungsergebnisse bei Queensrÿche, Exodus und Mötley Crüe. Operation:Mindcrime von Queensrÿche vereinigt mit fünfzehn von insgesamt 26 Nennungen mehr als die Hälfte aller Nennungen für die Band auf sich. Die restlichen elf Nennungen verteilen sich auf vier weitere Tonträger. Bonded By Blood von Exodus bekommt zwölf der insgesamt fünfzehn Nennungen, Shout At The Devil von Mötley Crüe elf von insgesamt 23. Die restlichen zwölf verteilen sich wiederum auf vier weitere Alben. Bei AC/DC, deren Veröffentlichung Back in Black ähnlich häufig genannt wird wie Appetite For Destruction, verteilen sich über die Hälfte der Gesamtnennungen (29 von 56) auf zwei Tonträger, die jeweils für die Ära eines Sängers stehen.8 Beide Alben werden mindestens doppelt so häufig genannt wie die beiden folgenden Alben, die wiederum mindestens doppelt so häufig genannt werden, wie die sieben anderen in der Auswertung vertretenen Alben. Es zeigt sich eine dreigeteilte Wertschätzung der Alben einer Band. Ein oder zwei Alben werden besonders wertgeschätzt, eine deutlich seltener genannte Gruppe von Tonträgern bildet ein Mittelfeld, das jedoch nochmals deutlich vom Rest der genannten Veröffentlichungen abgesetzt ist. Die Auswertungsergebnisse für Black Sabbath, Deep Purple, Led Zeppelin, Megadeth, Motörhead, Pantera, Slayer und Van Halen sind ähnlich strukturiert, wobei bei Deep Purple und Megadeth ebenfalls zwei Alben im Fokus stehen, während bei den anderen Bands jeweils ein Album die Auswertung dominiert. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass meist mehrere Tonträger einer Band wertgeschätzt werden und eher selten einzelne Alben. Die Ergebnisse der Auswertung für Alben müssen immer in Bezug zum Gesamtwerk der jeweiligen Band gesetzt werden, um die Wichtigkeit einer Band für den Traditionsstrom des Heavy Metal angemessen einschätzen zu können. Möglichen Gemeinsamkeiten dieser Tonträger wird in den Analysen in Kapitel VI nachgegangen.

8

Highway To Hell (1979) mit Sänger Bon Scott und Back In Black (1980) mit Sänger Brian Johnson.

89

SCHWERMETALLANALYSEN

Zeitliche Verteilung – die herausgehobenen Alben II Unterschiede in der zeitlichen Verteilung zwischen der Gesamtliste und den herausgehobenen Alben Vierzehn (70%) der 20 meistgenannten Alben sind in den 1980er Jahren erschienen, fünf (25%) in den 1970er und nur eines (5%) in den 1990er Jahren. Damit zeigt sich eine eindeutige Dominanz der 1980er Jahre, die in der journalistischen Fachpresse als ‚goldenes Jahrzehnt‘ des Heavy Metal gelten. Das Zeitalter des Heavy Metal beginnt damit in Übereinstimmung mit den in Kapitel III gemachten Aussagen zur Genregeschichte zwischen 1975 und 1980 – 87 Prozent aller erfassten Veröffentlichungen sind nach 1980 erschienen und nur 6,5 Prozent vor 1975. Im Gegensatz dazu stellt sich die zeitliche Verteilung des Erscheinungsdatums aller Alben der Stichprobe anders dar. Fast 53 Prozent der erfassten Tonträger sind zwischen 1990 und 2006 erschienen. Diese Gruppe ist damit in der Spitzengruppe der Auswertung deutlich unterrepräsentiert, während Veröffentlichungen aus den 1970er Jahren im Verhältnis überrepräsentiert sind. Diese Differenz kann als Hinweis auf die mit der Nähe zur Gegenwart geringer werdende Eindeutigkeit im Prozess der Formierung eines kulturellen Gedächtnisses gelesen werden. Der Traditionsstrom wird mit zunehmender Nähe zur Gegenwart immer breiter und verliert gleichzeitig an Tiefe. Tabelle 11: Zeitliche Verteilung des Erscheinungsdatums der erfassten Tonträger Prozent

Anzahl

Dekade

1,34

21

1966-69

11,2

175

1970-79

34,55

540

1980-89

36,98

578

1990-99

15,93

249

2000-06

Das Ungleichgewicht in der zeitlichen Verteilung zwischen der Gesamtliste der erfassten Veröffentlichungen und den 20 meistgenannten Veröffentlichungen legt nahe, die Auswertung der meistgenannten Alben noch einmal zeitlich zu differenzieren. Im Folgenden sollen deshalb die jeweils 20 meistgenannten Alben der drei Dekaden 1970-79, 1980-89 und 1990-99 ausgewertet werden und anschliessend in Tabelle zwölf zusammengefasst werden. Der Zeitraum von 1966-69 wird wegen einer zu geringen Datenbasis von nur 21 verschiedenen Alben weggelassen. Die drei meist

90

V. DIE AUSWERTUNG DER STICHPROBE

genannten Alben dieses Zeitraums sind die ersten beiden Led ZeppelinAlben und das Debütalbum der Jimi Hendrix Experience Are You Experienced?. Aus den Jahren 2000 bis 2006 stammen zwar 249 der erfassten Veröffentlichungen, aber nur vier von diesen werden zumindest viermal genannt, alle Anderen noch seltener – ein weiterer Hinweis auf eine mit steigender Nähe zur Gegenwart wachsende Uneindeutigkeit. Aus diesem Grund wird auch auf deren Einbeziehung in die tabellarische Darstellung verzichtet: Die vier meistgenannten Alben der Jahre 2000 bis 2006 sind White Pony der Deftones (2000/USA), Hybrid Theory von Linkin Park (2000/USA), Iowa von Slipknot (2001/USA) und This Godless Endeavor von Nevermore (2005/USA) mit jeweils vier Nennungen in vier Quellen.

Herausgehobene Alben der 1970er, 1980er und 1990er Jahre Im Gegensatz zur Liste der meistgenannten Alben in Tabelle neun finden sich bei einer Auswertung nach Dekaden in den Jahren 1970-79 und 198089 je zwei herausgehobene Veröffentlichungen von Judas Priest, sowie in den Jahren 1990-99 noch ein weiteres Album. Die in Bezug auf das Gesamtwerk diskutierte Einschätzung der Bedeutung von Judas Priest bildet sich damit ab. Tabelle zwölf zeigt zusammenfassend die jeweils 20 herausgehobenen Alben der 1970er, 1980er und 1990er Jahre. Diese Meta-Liste ergänzt die 20 herausgehobenen Alben aus Tabelle neun zudem um drei weitere Veröffentlichungen von Black Sabbath aus den Jahren 1970-79, sowie je ein weiteres Album von AC/DC, Led Zeppelin, Deep Purple und Motörhead aus dem gleichen Zeitraum. Eine Konzentration auf die Jahre 1980-89 addiert zwei weitere Alben von Iron Maiden zu den herausgehobenen Alben. Die Auswertung der Dekade der 1990er Jahre erweitert die Meta-Liste um je ein weiteres Album von Metallica, Megadeth, Pantera und Slayer. Zudem finden sich nun auch Alben von den in Tabelle acht erwähnten Extreme Metal-Bands wie At The Gates, Carcass, Dimmu Borgir, Emperor, Mayhem und Sepultura.9 Allerdings ist weiterhin nur eine nach 1995 veröffentlichte LP Teil dieser Auswertung nach Dekaden. Dies ist ein dritter Hinweis darauf, dass die Uneindeutigkeit im Prozess der Formierung eines kulturellen Gedächtnisses immer stärker wächst, je mehr man sich der Gegenwart annähert.

9

Nur bei Sepultura handelt es sich bei dem in Tabelle zwölf verzeichneten Album nicht um das meistgenannte der jeweiligen Band. Das entsprechende Album von Sepultura findet sich in Tabelle zehn.

91

SCHWERMETALLANALYSEN

Tabelle 12: Meta-Liste der herasgehobenn Alben der 1970er, 1980er und 1990er Jahre (x) Nennungen

Band

Album

Jahr

Staat

Guns N’Roses

Appetite For Destruction

1987

USA

17/13

AC/DC

Back In Black

1980

AUS

17/12

Metallica

Kill ’Em All

1983

USA

16/14

Slayer

Reign In Blood

1986

USA

16/13

Black Sabbath

Paranoid

1970

UK

16/11

Metallica

Ride The Lightning

1984

USA

15/13

Metallica

Master Of Puppets

1986

USA

15/13

Queensrÿche

Operation:Mindcrime

1988

CAN

15/13

Iron Maiden

The Number Of The Beast

1982

UK

15/11

Led Zeppelin

IV

1971

UK

14/12

Motörhead

Ace Of Spades

1980

UK

14/10

Deep Purple

Machine Head

1972

UK

13/11

1986

USA

12/12

Megadeth

Peace Sells ... But Who’s Buying?

in (y) Quellen

Exodus

Bonded By Blood

1985

USA

12/11

AC/DC

Highway To Hell

1979

AUS

12/10

Venom

Black Metal

1982

UK

12/10

Van Halen

Van Halen 1

1978

USA

12/9

Mötley Crüe

Shout At The Devil

1983

USA

11/11

Metallica

…And Justice For All

1988

USA

11/10

Pantera

Vulgar Display Of Power

1992

USA

11/9

Judas Priest

British Steel

1980

UK

10/10

Emperor

In The Nightside Eclipse

1994

NOR

10/9

Deep Purple

In Rock

1970

UK

10/8

Black Sabbath

Black Sabbath

1970

UK

10/8

Judas Priest

Stained Class

1978

UK

10/8

Iron Maiden

Iron Maiden

1980

UK

10/8

Rage Against The Machine

1992

USA

10/8

Accept

Restless And Wild

1982

BRD

9/9

Judas Priest

Screaming For Vengeance

1982

UK

9/9

Iron Maiden

Piece Of Mind

1983

UK

9/9

Possessed

Seven Churches

1985

USA

9/9

Judas Priest

Painkiller

1990

UK

9/9

Rage against the Machine

92

V. DIE AUSWERTUNG DER STICHPROBE (x) Nennungen

Band

Album

Jahr

Staat

Megadeth

Rust In Peace

1990

USA

9/9

Metallica

Metallica

1991

USA

9/8

Machine Head

Burn My Eyes

1994

USA

9/8

Aerosmith

Rocks

1976

USA

9/7

Kiss

Destroyer

1976

USA

9/7

Slayer

Seasons In The Abyss

1990

USA

8/8

Led Zeppelin

Physical Graffiti

1975

UK

8/6

Nirvana

Nevermind

1991

USA

8/6

Black Sabbath

Master Of Reality

1971

UK

7/7

Black Sabbath

Sabbath Bloody Sabbath

1973

UK

7/7

Judas Priest

Sad Wings Of Destiny

1976

UK

7/7

Pantera

Cowboys From Hell

1990

USA

7/7

1997

NOR

7/7

Agents Of Fortune

1976

USA

7/6

Rush

2112

1976

CAN

7/6

Ministry

Psalm 69

1992

USA

7/6

Carcass

Heartwork

1994

UK

7/6

Fear Factory

Demanufacture

1995

USA

7/6

Slipknot

Slipknot

1999

USA

7/6

Queen

A Night At The Opera

1975

UK

7/5

Motörhead

Overkill

1979

UK

7/5

Soundgarden

Badmotorfinger

1991

USA

7/5

Sex Pistols

Never Mind the Bollocks

1977

UK

7/4

AC / DC

Let There Be Rock

1977

AUS

6/6

Sepultura

Chaos A.D.

1993

BRA

6/6

Bloody Kisses

1993

USA

6/6

Mayhem

De Mysteriis Dom Sathanas

1994

NOR

6/6

At The Gates

Slaughter Of The Soul

1995

SWE

6/6

Dimmu Borgir Blue Öyster Cult

Type O Negative

Enthrone Darkness Triumphant

in (y) Quellen

Im Vergleich mit der Meta-Liste der meistgenannten Bands zeigt sich in Tabelle zwölf eine relative Deckungsgleichheit in der Spitzengruppe, die nochmals bestätigt, dass sich unterschiedliche Personengruppen auf die Wichtigkeit bestimmter Bands und Alben für den Traditionsstrom einigen können. Bestimmte Gruppen von Tonträgern von Metallica, Judas Priest, Black Sabbath und Iron Maiden bilden diese unangefochtene Spitzengrup-

93

SCHWERMETALLANALYSEN

pe. AC/DC sind in der erweiterten Meta-Liste der Alben etwas prominenter vertreten als in der Meta-Liste der Bands, bei Slayer und Megadeth stellt es sich umgekehrt dar. In der erweiterten Liste der Datenauswertung fehlen mit Anthrax, Death, Ozzy Osbourne und den Scorpions vier Bands, die zu den meistgenannten Bands der Auswertung zählen. Die herausgehobenen Alben dieser Bands finden sich in Tabelle zehn. Es zeigt sich, dass die Wichtigkeit besagter Bands in der Dekade der 1980er Jahre liegt, die Wertschätzung jedoch nicht groß genug war, um in die in Tabelle zwölf integrierte Liste der herausgehobenen Alben der Jahre 1980-89 aufgenommen zu werden. Sepultura, die eine der zehn meistgenannten Bands sind, sind in der Auswertung nach Alben weiterhin deutlich unterrepräsentiert. Bezüglich der Herkunftsverteilung verstärkt sich die vorhandene angelsächsische Dominanz im Laufe der Auswertung immer mehr. Das in der Gesamtliste vertretene gute Viertel (27%) nicht-angelsächsischer Bands findet keinen angemessenen Widerhall. Mit den norwegischen Emperor, Dimmu Borgir und Mayhem, den deutschen Accept, den brasilianischen Sepultura und den schwedischen At The Gates sind in der erweiterten Liste der herausgehobenen Alben sechs nicht angelsächsische Bands vertreten. Der daraus resultierende Anteil von 15,4 Prozent nähert sich dem Anteil nicht angelsächsischer Bands in den oben angeführten Listen aus Rolling Stone, Spex und Visions an. Gerade skandinavische und deutsche Bands erscheinen in der bisherigen Auswertung damit etwas unterrepräsentiert. Bezüglich der skandinavischen Bands können zu den eben genannten noch die schwedischen In Flames (20 Nennungen in 7 Quellen) und Bathory (15/11) sowie die dänischen Mercyful Fate (16/8) addiert werden. Finnland wurde bisher noch gar nicht erwähnt. Die meistgenannte finnische Band ist Amorphis (8/7), deren Album Tales From The Thousand Lakes (1994, 6/6) auch die meistgenannte finnische Veröffentlichung ist. Die meistgenannten deutschen Bands neben den führenden Scorpions und Accept sind Kreator (15/10), Helloween (14/9) und Blind Guardian (13/8). Die fünf meistgenannten deutschen Veröffentlichungen stammen neben dem in Tabelle zehn genannten Restless And Wild von Accept von den Scorpions (Love At First Sting 1984, 7/7; Blackout, 1982, 6/6), Helloween (Keeper Of The Seven Keys Part II, 1988, 7/6) und nochmals Accept (Balls To The Wall, 1983, 6/6).

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V. DIE AUSWERTUNG DER STICHPROBE

Fazit der Auswertung Die Auswertung der Stichprobe zeigt eindeutig bestimmte, den musikstilistischen Erwartungshorizont des Heavy Metal prägende Bands und Tonträger. Ein Alter von jeweils mindestens fünfzehn bis 20 Jahren erscheint als notwendig, um den normativen und formativen Anspruch des Traditionsstroms mitzubestimmen. Die 1980er Jahre bilden damit im Moment das die musikalische Sprache des Heavy Metal definierende Jahrzehnt. Je näher man der Gegenwart des kommunikativen Gedächtnisses kommt, desto breiter wird das Feld der in der Stichprobe versammelten Tonträger. Um Eingang in den Traditionsstrom bzw. einen seiner Seitenarme zu finden, sollte ein Album mindestens fünfzehn Jahre alt sein. Tonträger und Bands, die nicht mindestens zehn Jahre alt sind, werden eher uneindeutig beurteilt. Veröffentlichungen, die 30 Jahre und älter sind, können in einer metaphorischen Übertragung als das Bett des Traditionsstroms betrachtet werden. Neben neueren Veröffentlichungen sind auch nicht-angelsächsische Bands in den oberen Regionen der Auswertungsergebnisse unterrepräsentiert. Der Traditionsstrom ist angelsächsisch dominiert – eine Dominanz, die höchstwahrscheinlich für alle mit Rockmusik zusammenhängenden Stile und Genres gilt. Ausnahmen von dieser Dominanz werden mit steigender Wertschätzung seltener. Die relativ starken Fraktionen der skandinavischen und deutschen Bands sind in den Auswertungsergebnissen unterrepräsentiert. Dies gilt noch stärker für die anderen nicht-angelsächsischen Bands, wobei Sepultura aus Brasilien als die die Regel bestätigende Ausnahme gelten können. Mit Black Sabbath, Iron Maiden, Judas Priest und besonders Metallica kristallisieren sich vier herausgehobene Bands heraus, bei denen jeweils Gruppen von Alben ein normativer und formativer Anspruch zugesprochen wird. Die besondere Wertschätzung, die einzelnen Alben weiterer Bands – beispielsweise AC/DCs Back In Black, Guns N’Roses Appetite For Destruction oder Slayers Reign In Blood – entgegengebracht wird, kann auch als die kleinstmögliche wertschätzbare Schaffensphase einer Band betrachtet werden. Das Gesamtwerk spielt dagegen bei keiner Band eine herausragende Rolle. Es erscheint somit sinnvoll, bei der weiteren Beschreibung der musikalischen Sprache des Heavy Metal diese spezifischen Gruppen von Tonträgern einzelner Bands näher zu betrachten, anstatt sich auf das Gesamtwerk einer Band einerseits oder ausschließlich einzelne Alben andererseits zu beschränken.

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SCHWERMETALLANALYSEN

Die Auswahl der zu analysierenden Beispiele aus der Stichprobe Ausgangspunkt für die musikwissenschaftliche Analyse sind die vier herausgehobenen Bands mit ihren jeweiligen deduzierten Gruppen von Tonträgern sowie einzelne herausgehobene Tonträger weiterer Bands. Die Analyse erfolgt in chronologischer Ordnung, um Entwicklungslinien aufzeigen zu können. Die musikalischen Äußerungen von Black Sabbath werden als Vorläufer bzw. Beginn des Heavy Metal untersucht. Bestimmte Stilmerkmale sollten sich bereits erkennen lassen, die den ausformulierten Heavy Metal von anderen Stilistiken populärer Musik unterscheiden werden. Exkurse zu Deep Purple und Led Zeppelin sollen das Bild abrunden.10 Dem ausformulierten Classic Metal werden mit den Schwerpunkten Judas Priest und Iron Maiden zwei Unterkapitel gewidmet, um die Sprache des Heavy Metal in ihren unterschiedlichen Facetten beschreiben zu können. Mit Queensrÿches Operation:Mindcrime wird eines der herausgehobenen Alben als Exkurs in das Kapitel zu Iron Maiden integriert Eingeschoben zwischen Judas Priest und Iron Maiden findet sich ein Unterkapitel zum Hard Rock, das sich mit den beiden herausgehobenen Alben der Auswertung, Guns N’Roses Appetite For Destruction und AC/DCs Back in Black, beschäftigt. Als Erweiterung werden die musikalischen Äußerungen von Motörhead integriert. Im Ergebnis sollen die Unterschiede der musikalischen Sprachen von Hard Rock und Classic Metal herausgearbeitet werden. Abschließend erfolgt eine ausführliche Beschäftigung mit Metallica, die um die herausgehobenen Äußerungen von Megadeth und Slayer ergänzt wird. Die Weiterentwicklung der musikalischen Sprache des Heavy Metal in Richtung Extreme Metal soll beschrieben werden. In vergleichender Absicht wird deshalb auch auf Beispiele von Pantera und anderen zurückgegriffen. Für eine ausführliche Betrachtung der musikalischen Sprache des Extreme Metal anhand ihrer herausgehobenen Äußerungen ist die Datenbasis zu gering.

10 Eine ausführlichere Beschäftigung mit den musikalischen Äußerungen von Van Halen und Ozzy Osbournes Soloaktivitäten unterbleibt, da diese bereits von Robert Walser (1993) analysiert wurden und dessen Untersuchungsergebnisse in Kapitel III referiert wurden.

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VI. M U S I K A L I S C H E A N A L Y S E N Der Aufbau der folgenden fünf Abschnitte mit ihren chronologisch geordneten Schwerpunkten – (1) Black Sabbath, (2) Judas Priest, (3) AC/DC, Motörhead und Guns N’Roses, (4) Iron Maiden, sowie (5) Metallica, Megadeth und Slayer – ist jeweils identisch. Auf die Einordnung der Auswertungsergebnisse in die Band- und Stilgeschichte folgen Informationen zu Besetzung, Instrumentierung, Produktion und Klang. Anschließend wird die formale Struktur der herausgehobenen Tonträger genau betrachtet, bevor Analysen des Ensemblespiels unter unterschiedlichen Gesichtspunkten erfolgen, die anhand kurzer ausschnittsweiser Transkriptionen verdeutlicht werden. Die eine musikalische Sprache des Heavy Metal konkretisierenden Untersuchungsergebnisse werden am Schluss jedes Abschnitts zusammengefasst.

1. Heavy (Metal) – die Erweiterung des Blues Rock und die Vereinfachung des Progressive Rock: Black Sabbath „Every cool riff has already been written by Black Sabbath. Anything anyone else does is just basically ripping it of. You can play it slightly different or backwards or faster or slower, but ... they did everything already.“ (Rob Zombie in Dunn und McFayden 2006, transkr. von D.E.)

Black Sabbath in der Auswertung Black Sabbath gelten in der Literatur retrospektiv als eine der ersten, wenn nicht die erste Heavy Metal Band. In der Auswertung finden sich dreizehn der 22 offiziellen Veröffentlichungen1 der Band, die in Tabelle dreizehn zusammengefasst sind. Die Wertschätzung der Alben bildet sich in einer 1

Ohne die diversen Greatest Hits-Zusammenstellungen aber inklusive offiziell veröffentlichter Konzertmitschnitte.

97

SCHWERMETALLANALYSEN

dreigeteilten Struktur mit einem Album an der Spitze ab. Das Mittelfeld der Auswertung endet bei Vol.4. Fünf dieser sieben meistgenannten Veröffentlichungen stammen aus den Jahren 1970-73, die restlichen zwei aus den Jahren 1980 und 81. Tabelle 13: Black Sabbath in der Auswertung Nennungen

Album

Jahr

Quellen

Kürzel

16

Paranoid

1970

11

P

10

Black Sabbath

1970

8

B

8

Heaven And Hell

1980

8

H

7

Master Of Reality

1971

7

M

7

Sabbath Bloody Sabbath

1973

7

S

6

Mob Rules

1981

6

6

Vol. 4

1972

4

4

Sabotage

1975

4

2

Never Say Die

1978

2

1

Technical Ecstasy

1976

1

1

Live Evil

1982

1

1

Born Again

1983

1

1

Headless Cross

1989

1

V

Die zeitlich zwischen diesen beiden Blöcken liegenden Alben folgen in der Wertschätzung auf Vol.4, die nach 1981 veröffentlichten Tonträger bilden den Schluss der Auswertung oder fehlen ganz.2 Auch wenn alle bis 1983 erschienenen Alben von Black Sabbath in der Auswertung genannt werden, erlangen für den Traditionsstrom in erster Linie die Veröffentlichungen aus der ersten Hälfte der 1970er Jahre Wichtigkeit sowie in zweiter Linie zwei aufeinanderfolgende Alben vom Anfang der 1980er Jahre.

2

Es fehlen die Studioalben The Seventh Star (1986), The Eternal Idol (1987), Tyr (1990), Dehumanizer (1992), Cross Purposes (1994) und Forbidden (1995), sowie die Konzertmitschnitte Cross Purposes Live (1995), Reunion (1998) und Past Lives (2002). Nach Abschluss der Auswertung sind 2007 zwei weitere Konzertmitschnitte sowie 2009 ein Studioalbum erschienen.

98

VI.1 HEAVY (METAL): BLACK SABBATH

Bandbiographie Black Sabbath3 entstehen 1967/68 als Polka Tusk (Blues Band) in Birmingham/UK in der Besetzung John ‚Ozzy‘ Osbourne, Gesang, Anthony Frank ‚Tony‘ Iommi, Gitarre, Terry ‚Geezer‘ Butler, Bass und Bill Ward, Schlagzeug. Relativ schnell ändert man den Bandnamen in Earth Blues Band, der wiederum kurz darauf zu Earth verkürzt wird. Als Earth spielt man bereits außerhalb von Großbritannien, zum Beispiel im Hamburger Star Club, und hat dort bereits Stücke des späteren Black Sabbath-Debüts im Programm.4 Die Urbesetzung von Black Sabbath veröffentlicht zwischen 1970 und 1978 acht Studioalben.5 Nach der Trennung von Sänger Ozzy Osbourne im Jahre 1979 verpflichtet man den früheren Rainbow- und Elf-Sänger Ronnie James Dio.6 Nach zwei Studioalben und einem Livealbum7 trennen sich 1982 die Wege wieder und die nächsten beiden LPs werden von den beiden ehemaligen Deep Purple Mitgliedern Ian Gillan8 (1983) und Glenn Hughes9 (1986) eingesungen. Nach der 1983 erfolgten Trennung von Gillan bleibt Gitarrist Iommi für zehn Jahre das einzige Originalmitglied, 3

4

5

6

7 8

9

Ausführliche Biographien zu Black Sabbath u.a. bei Wilkinson (2006), Rosen (2004) oder Sharpe-Young (2007a), der zudem zwei kenntnisreiche Bücher über die Jahre der Trennung von Black Sabbath und Ozzy Osbourne veröffentlicht hat (2003 bzw. 2002), die 2006 in einer Wiederveröffentlichung zusammengefasst wurden. Die Umbenennung in Black Sabbath erfolgte laut Sharpe-Young (2007: 1100) wegen einer Namensgleichheit mit einer R&B-Band im Motown-Stil. Jim Simpson, Black Sabbaths erster Manager, betont im Interview für die DVD The Black Sabbath Story Vol 1 (2002) zudem die Wichtigkeit, sich in der damaligen Zeit in Großbritannien von den unzähligen anderen Blues-Bands stilistisch und optisch abzusetzen. Black Sabbath (1970), Paranoid (1970), Master of Reality (1971), Vol.4 (1972), Sabbath Bloody Sabbath (1973), Sabotage (1975), Technical Ecstasy (1976), Never Say Die (1978). 1980 erscheint eine von der Band nicht autorisierte posthume Live LP unter dem Namen Live At Last, die 2002 als Teil der Doppel CD Past Lives wieder veröffentlicht wird. Liveaufnahmen der Urbesetzung aus den 1970er Jahren sind zudem auf mehrere DVDs verteilt. Alle vier Alben, die Dio mit Rainbow veröffentlicht hat, sind Teil der Auswertung: Rising (1976, 6 Nennungen in 5 Quellen), Long Live Rock’n’Roll (1978, 5/5), Rainbow (1975, 3/3) und der Konzertmitschnitt On Stage (1977, 1/1). Elf werden dagegen ignoriert. Nach seinem Ausscheiden bei Black Sabbath veröffentlicht er unter dem Namen Dio zehn Studioalben und vier Konzertmitschnitte, von denen die ersten beiden Studioalben, Holy Diver (1983, 9/8) und The Last In Line (1984, 7/7), in der Auswertung genannt werden. Heaven And Hell (1980b), Mob Rules (1981), Live Evil (1982). Born Again (1983). Drei der elf Studioalben sowie einer der vierzehn Konzertmitschnitte, die Ian Gillan mit Deep Purple veröffentlicht hat, werden in der Auswertung genannt: Machine Head (1972, 13/11), In Rock (1970, 10/8), Perfect Strangers (1984, 4/4) und Made In Japan (1972 3/3). Von seinen sonstigen zehn Studioalben und zwei Livemitschnitten, die unter diversen Namen veröffentlicht wurden, wird nur Future Shock (1981, 1/1) genannt. Seventh Star (1986). Glenn Hughes’ musikalische Äußerungen werden mit Ausnahme von zwei der drei Studioalben (Burn, 1974, 1/1; Stormbringer, 1975, 1/1), die er mit Deep Purple veröffentlicht hat, in der Auswertung ignoriert.

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SCHWERMETALLANALYSEN

während sich das Personalkarussell immer schneller dreht (vgl. SharpeYoung 2003: 88-377). Black Sabbath ‚verbrauchen‘ zwischen 1983 und 1997 jeweils fünf Sänger, Bassisten und Schlagzeuger. Keyboarder Geoff Nichols, der seit 1980 offiziell zur Band gehört, ist neben Iommi die einzige Konstante. Sänger ist die meiste Zeit Tony Martin,10 doch auch Dio kommt 1992 für ein ein Album andauerndes Gastspiel zurück.11 Bassist Butler wechselt in den 1990er Jahren zwischen seiner eigenen Band, Engagements für Osbournes Band und Black Sabbath hin und her.12 Schlagzeuger Ward veröffentlicht seit seiner 1983 erfolgten Trennung von Black Sabbath 1990 und 1997 zwei Soloalben. Osbourne startet nach seinem Ausstieg bei Black Sabbath eine erfolgreiche Solokarriere mit diversen Veröffentlichungen13 bis hin zur Reality TV-Show „The Osbournes“. Die Originalbesetzung von Black Sabbath vereinigt sich 1997 wieder, veröffentlicht 1998 einen Konzertmitschnitt mit zwei neuen Stücken14 und tourt anschließend regelmäßig. Iommi und Butler schließen sich 2007 wieder mit Dio zusammen und veröffentlichen unter dem Namen Heaven And Hell,15 dem Albumtitel von 1980, bis zu Dios Tod im Mai 2010 mehrere Tonträger.16 Häufig ist deshalb von vier Inkarnationen von Black Sabbath die Rede, deren Benennung sich an den jeweiligen Sängern orientiert: erstens die Originalbesetzung der 1970er Jahre, zweitens die Dio-Jahre, drittens die Gillan- und Hughes-Phase und viertens die Tony Martin-Jahre. 10 Eternal Idol (1987), Headless Cross (1989), Tyr (1990), Cross Purposes (1994), Cross Purposes Live (1995a), Forbidden (1995b). Tony Martins sonstige musikalische Äußerungen werden in der Auswertung ignoriert. 11 Dehumanizer (1992). 12 Butler verlässt Black Sabbath 1983 und kehrt von 1992 bis 1995 wieder zurück. 1990 und 1995 veröffentlicht er zwei Alben mit Osbourne, 1995 und 1997 zudem Soloalben unter dem Namen G/ZR und spielt ab 1997 bei der Reunion von Black Sabbath mit Osbourne. 13 Sechs der zehn Studioalben sowie zwei der fünf Konzertmitschnitte, die Ozzy Osbourne veröffentlicht, werden in der Auswertung genannt: Blizzard Of Ozz (1980, 9/8), Diary Of A Madman (1981, 7/7), The Ultimate Sin (1986, 5/5) und No More Tears (1991, 2/2) werden mehr als einmal genannt. 14 Reunion (1998, -). Das Debütalbum ist auf Reunion mit drei Stücken vertreten, Paranoid mit fünf, Master of Reality mit vier, Vol.4 mit einem, Sabbath Bloody Sabbath mit zwei und Album Nummer sieben, Technical Ecstasy, mit einem Stück. 15 Die Namensrechte für Black Sabbath liegen seit den 1980er Jahren bei Tony Iommi. Die Namenswahl Heaven And Hell legt deshalb nahe, dass unter Black Sabbath vor allem die Urbesetzung der 1970er Jahre zu verstehen ist. SharpeYoung (2003:146-177) beschreibt zudem, dass einige der Veröffentlichungen seit Mitte der 1980er Jahre nur aufgrund massiven Drucks des Managements und der jeweiligen Plattenfirmen unter dem Namen Black Sabbath veröffentlicht wurden. Diese Veröffentlichungen können damit auch als Tony Iommi-Alben betrachtet werden. Die Wertschätzung der Alben in der Auswertung bildet diese Hierarchisierung ab. 16 The Dio Years (inklusive drei neuer Stücke), Live At Hammersmith Odeon, das auch als DVD veröffentlichte Live At Radio City Music Hall (alle 2007) und das Studioalbum The Devil You Know (2009).

100

VI.1 HEAVY (METAL): BLACK SABBATH

In der Auswertung werden die letzten beiden Phasen der Geschichte von Black Sabbath fast komplett ignoriert. Sowohl Black Sabbath mit Gillan als auch mit Martin kommen auf genau eine von insgesamt 70 Nennungen. Dagegen werden die Veröffentlichungen der ersten beiden Inkarnationen in der Auswertung jeweils komplett genannt. Besonders herausgehoben ist die zweite LP Paranoid sowie mit Abstrichen das Debüt Black Sabbath, beide von 1970. Ausgehend von Paranoid werden deshalb die ersten fünf Veröffentlichungen von Black Sabbath genauer untersucht. Anschließend wird der Frage nachgegangen, was erstens Paranoid, von den anderen Veröffentlichungen mit Ozzy Osbourne unterscheidet und zweitens die meistgenannte Veröffentlichung der Dio Jahre, Heaven And Hell, wiederum von den Veröffentlichungen mit Osbourne unterscheidet.

Black Sabbath mit Ozzy Osbourne – Instrumentierung, Komposition, Produktion Black Sabbath spielen in den 1970er Jahren in der Besetzung Gesang, E-Gitarre, Bassgitarre und Schlagzeug. Tasteninstrumente werden gelegentlich eingesetzt, gewinnen jedoch erst ab dem fünften Album an Bedeutung. Aus Imagegründen wird der Keyboarder bei Konzerten bis in die 1980er Jahre hinter der Bühne platziert. Die Tasteninstrumente auf den ersten vier LPs werden von Gitarrist Iommi eingespielt, ab der fünften LP ist jeweils ein Keyboarder genannt. Auf dem Debüt finden sich Mundharmonika und Maultrommel in je einem Stück. Hintergrundgesang kommt nicht vor. Die Kompositionen werden zu Zeiten der Originalbesetzung in den 1970er Jahren jeweils der ganzen Band zugeschrieben. Lediglich drei Stücke der dritten LP sollen von Iommi alleine komponiert worden sein – bei zwei von diesen drei Stücken handelt es sich um kurze Gitarren-Instrumentalstücke.17 Die ersten drei LPs werden mit dem gleichen Produzenten, Roger Bain, in unterschiedlichen Studios aufgenommen.18 Vol.4 und Sabbath Bloody Sabbath gelten dagegen als von der Band selbst produziert, auch wenn die Toningenieure beider Produktionen stark involviert gewesen sein sollen.19

17 „Embryo“ (M-A3) mit einer Länge von 38 Sekunden und „Orchid“ (M-B1) mit einer Länge von 90 Sekunden. Das dritte Stück ist „After Forever“ (M-A2). 18 Bei den ersten beiden LPs wird Tom Allom als Toningenieur genannt, der in den 1980er Jahren zum Produzenten von Judas Priest wird, siehe Kapitel VI.2. 19 Vgl. Wilkinson (2006: 129; 170)

101

SCHWERMETALLANALYSEN

Die Klangfarbe – zur Dominanz verzerrter Gitarren Black Sabbath arbeiten mit zwei unterschiedlichen Klangfarben, von denen wiederum eine dominant ist. Dies gilt jedoch nur für die Instrumentalstimmen, die Klangfarbe des Gesanges bleibt immer deutlich als der individuelle Stimmklang von Osbourne erkennbar, der nur gelegentlich mit Flangingoder Choruseffekten verfremdet wird. Moore (1993: 150) beschreibt diesen als „pitched high without resonance, but with a strong preference for tempered pitch“. Osbournes Stimmklang ist ein hochgradig personalisiertes Markenzeichen der Originalbesetzung von Black Sabbath. Die dominante Instrumentalklangfarbe lebt vom verzerrten Klang von Gitarre und Bass, sowie einem Klang des Schlagzeugs, der neben Snare, Bass Drum und Hi-Hat auch Toms sowie Ride- und Crash-Becken mit einbezieht. Zusätzliche Perkussionsinstrumente wie Bongos oder Congas werden im Zusammenhang der verzerrten Klangfarbe nicht genutzt. Der resultierende Klangeindruck ist für die ersten drei LPs eher unausgewogen, düster und basslastig. Das vierte Album, Vol.4, markiert einen Bruch hin zu einem helleren Klang der Klangfarbe, der jedoch erst ab dem fünften Album voll zum Tragen kommt. Der Wechsel des Produzenten nach dem dritten Album ist somit deutlich zu hören. Da das dritte und das vierte Album im gleichen Studio aufgenommen wurden, ist der Einfluss des Studios und der verwendeten Technologie auf den resultierenden Klang als geringer einzuschätzen als der Einfluss des Produzenten. Der Klang der Klangfarbe wird bei gleichbleibendem Verzerrungsgrad deutlich weniger basslastig, besonders die E-Gitarre erklingt weniger dumpf. Zudem werden mehr Overdubs, Tasteninstrumente und Gitarrenspuren eingesetzt als bei den ersten drei Alben. Die zweite, seltenere Klangfarbe definiert sich zum einen durch den vollständigen Verzicht auf Verzerrung. Stattdessen kommen Effekte wie Flanger oder Chorus und auch Akustikgitarren zum Einsatz. Tasteninstrumente können ebenfalls eine prominentere Rolle einnehmen. Das Schlagzeug fehlt zum anderen oft ganz oder ist auf perkussive Elemente inklusive Bongos oder Congas reduziert. Der Klang dieser zweiten Klangfarbe wird durch den Produzentenwechsel nach drei LPs erheblich weniger beeinflusst als der Klang der verzerrten Klangfarbe.

102

VI.1 HEAVY (METAL): BLACK SABBATH

Die formale Struktur der komplexen Äußerungen Die Alben von Black Sabbath bestehen in der ersten Hälfte der 1970er Jahre mehrheitlich aus acht Kompositionen, die gleichmäßig auf beide LPSeiten verteilt sind.20 Die Länge der Stücke schwankt zwischen 40 Sekunden und mehr als zehn Minuten. Die Mehrheit der Äußerungen dauert jedoch zwischen vier und sechs Minuten. Sechs Stücke sind kürzer als drei Minuten und vier Stücke länger als sieben Minuten. Die in Frage stehenden fünf LPs der Originalbesetzung beinhalten immer mindestens eine Komposition mit unverzerrter Klangfarbe und mindestens ein Instrumentalstück mit wechselnder Klangfarbenzuordnung. Beide stehen meist an dritter Stelle der jeweiligen LP-Seite. Die Gitarre ist das dominierende solistische Instrument. Fast jedes Stück der ersten fünf Black Sabbath-LPs beinhaltet mindestens ein Gitarrensolo.

Paranoid als Ausgangspunkt der formalen Analyse Die grundlegende Struktur der in der auf der nächsten Seite folgenden Tabelle vierzehn analysierten musikalischen Äußerungen basiert auf der Reihung von Gitarrenriffs. Im Eröffnungsstück „War Pigs“ (P-A1) werden fünf unterschiedlich oft wiederholte Gitarrenriffs aneinandergereiht, bevor mit Riff ‚c‘ in Formteil B2 erstmalig ein Riff im Stückverlauf ein zweites Mal erklingt. Formteil D und der abschließende Formteil E reihen jeweils drei weitere Gitarrenriffs zum Teil in unterschiedlichen Varianten. „Fairies Wear Boots“ (P-B4) ist ähnlich aufgebaut. „Paranoid“ (P-A2) und „Rat Salad“ (P-B3) stellen eine reihende Form über die (gelegentliche) Unterbrechung der Wiederholung eines Riffs durch kontrastierende Riffs her, eine aus der ‚Call and Response‘-Technik des Blues und Blues Rock abgeleitete Spielweise. Das in unverzerrter Klangfarbe dargebotene „Planet Caravan“ (P-A3) besteht – quasi als Minimallösung – aus der variierten Wiederholung eines einzigen Riffs. „Iron Man“ (P-A4) mischt beide Kompositionsmodelle und fügt in die Struktur der variierenden Wiederholung eines Riffs mit Formteil E einen Mittelteil mit zwei neuen Riffs und Gitarrensolo sowie ein neues Riff im abschließenden Formteil F ein.

20 Das Debüt beinhaltet nur sieben Stücke, wird jedoch in zwei sich um ein Stück unterscheidenden Versionen veröffentlicht, sodass die CD-Wiederveröffentlichung ebenfalls acht Stücke enthält. Vol.4 beinhaltet abweichend zehn Stücke.

103

SCHWERMETALLANALYSEN

Tabelle 14: Formale Struktur Black Sabbath Paranoid21 Nr.

Titel

Dauer

Pulslänge d,e,g,i,j=8 a2=12

P-A1 War Pigs

7:56 b,c,h=16 a,f= 24 i2,k=32

P-A2 Paranoid

P-A3

Planet Caravan

2:49

P-B1

P-B2

Funeral

Hand Of Doom

4:48

4d8e 4c f12gf2h 2

3

4

10b4c i2i 4i2i 2i 2j 2

2k2k 2k 5i

I VIn VV2 In2V Sin2 VIn VIn2

2a12a 2a10a 9a213a3 I 2aa2 2b2b2 b2b2

a =24

3c 2(2b2b2 2d)

a,b,c,g=32

2e8f2e 4d2 2b2b2

d=64

3c Br 2a 8g

d,f=8 g=12

2(4a8b)4a Br

a,b,c3, e=16 cc22c3c2 2(4d2e) c2=20

4f3g Br

c=24

4a8b 4a9b2

b,d,e=8 P-B3 Rat Salad 2:30 c=16, a=20 2

c =32

Boots

In3In4 VIn Po

B 3 B B3

7:09 a=32

e,g=8 6:13

In2V2 In In3S

BE

10b 2b2c 4b

2a2a2 2(4a34a4) 3a 2(4b8c) 3d10e4b 8e2d 2a2a2 2(4a34a4) 3a

P-B4 Wear

I VIn In2V2

B2 D

b,c,d=32

b,c,d,e=16

Fairies

ABC

A B B2

2

Electric

3a2a2 10b4c 4d8e

Struktur 3

4a 2b2c 2b2d

4:27 a=16

5:56

Struktur 2

a=16

d2,e,f=16 P-A4 Iron Man

Struktur 1

a,b,d=16 b3,b4,c,f, h=32

A A A2

I V InV S I InV InV In2

A B B2 CBDBD EBCAF

2(InV V2In3) In4SIn4 In3 InVIn2 In5 Po

A A2

IV InVIn In2

BCCD

2(In3V2) CIn4

A A3

InV InPo

A A2 A2 A3 2

BBCC

A A2 A2 A3

I VV In 2(In2V2) In3V3In2 S In3 In4 VV In

2a2b 2cc2 9d 2cc2

ABCB

I In1 S1 In1

20e 2cc2

DB

S2 In1

4a 3bb2b3b42c 4d2c 4e20e224e 2

2f3f 2f4g 2 3 4

3bb b b 2c 2

4e20e 20e 2f4h

A B B2 CDB CE

I In1In2 SIn2 In3V1V2 In4SIn4 In1In2 In3V1V2 Po

„N.I.B.“ (B-A4, Tab. 15) zeigt eine dem Debütalbum entnommene weitere Variante der reihenden Struktur, bei der Riff ‚a‘ abwechselnd mit einem der beiden anderen Riffs der Äußerung kombiniert wird.

21 Eine Erklärung der in Tabelle 14 und auch allen folgenden verwendeten Abkürzungen findet sich in Kapitel IV sowie als Legende im Anhang.

104

VI.1 HEAVY (METAL): BLACK SABBATH

Tabelle 15: Formale Struktur Black Sabbath, „N.I.B.“ (B-A4), „Lord Of This World“ (M-B2) Nr.

Titel

B-A4 N.I.B.

M-B2

Lord Of This World

Dauer

6:05

Pulslänge a,b,c=32 2

c =40

c,d=8 5:24

Struktur 1

Struktur 2

Ia2 3ab 3a2cc2

IABAC

I VIn VC

3a b4b2 3a2cc2

A B2 A C

VInS VC

3a b4b2

A B2

VIn

5a 6bc 6bc2

ABB

2

a,c ,e,f=16 4d5e 2a2f b=32

Struktur 3

2

I 2(InVIn2) In3S In4C

CD 2

2a 6bc 4d6e3e

ABC

2

In InVIn2 In3SIn5

Wenn, wie im Moment impliziert, die musikalische Sprache des Heavy Metal auf der Reihung von Gitarrenriffs beruht, so liegt ihre Beherrschung in der sinnvollen Verbindung unterschiedlicher Riffs zu einem Ganzen, ohne zu stark popmusikalische Standards zu kopieren. ‚Normale‘ VersChorus-Strukturen sucht man auf Paranoid dementsprechend vergebens. „Electric Funeral“ (P-B1) und „Hand Of Doom“ (P-B2) sind jedoch als geschlossene ABA-Strukturen ausgeführt. Sowohl der Haupt- (A) als auch der Mittelteil (B) können aus unterschiedlich vielen Riffs bestehen. Zumindest der Mittelteil zeigt bei beiden Äußerungen eine reihende Struktur. Er präsentiert sich erheblich stärker verschachtelt als der Hauptteil, der die Wiedererkennbarkeit des Stücks garantieren muss. Während der Hauptteil deshalb bei beiden Stücken eher minimalistisch gestaltet ist – zwei Riffs (P-B1) bzw. ein Riff22 (P-B2) –, werden für den Mittelteil jeweils fünf unterschiedliche Riffs verwendet. Solistische Einlagen finden sich ausschließlich im Mittelteil. Gesungen wird sowohl im Mittel- als auch im Hauptteil. Bei „Electric Funeral“ (P-B1) findet sich im Mittelteil in der Abfolge der Formteile C und D eine auf Paranoid einmalige Annäherung an eine Vers-Chorus-Abfolge. Die Länge des Mittelteils differiert. Bei „Hand Of Doom“ (P-B3) dauert er mit 2:54 Minuten länger als ein Drittel des Stückes, bei „Electric Funeral“ (P-B2) mit 1:20 Minuten etwas länger als ein Viertel. Die meist als Bridge bezeichneten Mittelteile in VersChorus-Strukturen sind im Durchschnitt einfacher strukturiert und von kürzerer Dauer. Deshalb werden derartige Strukturen in der Folge als aufgewertete Mittelteile bezeichnet. Bei vier Stücken (P-A1, P-A2, P-B3 und P-B4) entspricht Riff ‚a‘ einer bis zu 55 Sekunden (P-A1) andauernden Stückeinleitung. Wenn – wie bei 22 Die Varianten von Riff ‚a‘ entsprechen unterschiedlichen Ausgestaltungen der Dynamik des Ensemblespiels, die von ‚nur der Bass‘ über ‚alle zusammen, aber leise‘ bis ‚alle zusammen und mit voller Lautstärke‘ reichen.

105

SCHWERMETALLANALYSEN

diesen vier Beispielen – die musikalischen Ideen der Einleitung im weiteren Stückverlauf keine Verwendung mehr finden, wird der entsprechende Formteil als abgesetzte Einleitung bezeichnet. Die Einleitung von „Iron Man“ (P-A4) wird dagegen im letzten Viertel des Stückes nach einem Break wieder aufgegriffen. Es entsteht der Eindruck, dass das Stück nach der Abfolge mehrerer Formteile wieder von vorn beginnt. Bei „Fairies Wear Boots“ (P-B4) führt das Wiederaufgreifen von Riff ‚b‘ nach der vorangegangenen Reihung von sechs Gitarrenriffs (‚b‘-‚g‘) ebenfalls zur Assoziation eines ‚wiederholten Beginns‘.23 „Lord Of This World“ (M-B2, Tab. 15) vom auf Paranoid folgenden Album Master Of Reality verdeutlicht, dass Black Sabbath die Struktur des ‚wiederholten Beginns‘ fest in ihr formales Repertoire aufgenommen haben. Das Erreichen des Chorus-artigen Formteils D markiert das Ende der reihenden Entwicklung, bevor der formale Ablauf erneut beginnt. Drei Äußerungen auf Paranoid (P-A1, P-A4 und P-B4) verfügen über einen Schlussteil, der mit neu eingeführten musikalischen Äußerungen gestaltet wird. Formteil E von „War Pigs“ (P-A1) dauert 2:15 Minuten, bei „Iron Man“ (P-A4) folgt der abschließende Formteil F auf den bereits zitierten ‚wiederholten Beginn‘ und dauert knapp eine Minute. Ein derartiges Stückende löst im Höreindruck ebenfalls Assoziationen an einen Bruch bzw. einen Neubeginn aus und wird in der Folge als erweiterter Schluss bezeichnet. Mit Ausnahme von „Electric Funeral“ (P-B1) besitzen alle Stücke mindestens ein Gitarrensolo, bei den drei Äußerungen mit erweitertem Schluss wird das Solo von einem nur zu diesem Zweck eingeführten Riff gerahmt. Derartige angelegte solistische Äußerungen werden als abgesetzte Soli bezeichnet. Die Tendenz zur Reihung von Gitarrenriffs als strukturelle Grundlage der musikalischen Äußerungen bedeutet keine gleiche Gewichtung der verwendeten Gitarrenriffs. Vielmehr ergibt sich aus der Häufigkeit der Wiederholung eines Riffs, bzw. des durch dieses definierten Formteils im Ablauf des Stückes, sowie durch die teilweise Kombination der Riffs mit Gesang eine Hierarchisierung, die jedoch nicht absolut zu setzen ist. Beispielsweise kann auch die abgesetzte Einleitung besonders gewichtet sein und wie bei „Paranoid“ (P-A2) zur Hook für die ganze Komposition werden.24

23 Die Platzierung dieser beiden Stücke an den Enden der jeweiligen LP-Seiten ist sicherlich gewollt und soll möglicherweise zum erneuten Umdrehen der LP verführen. 24 Vgl. Burns (1987:1) und Kapitel III Fußnote 37. Eine Transkription findet sich in Abbildung 8.

106

VI.1 HEAVY (METAL): BLACK SABBATH

Tabelle 16: Black Sabbath Paranoid: Gitarrenriffs mit Gesang Nr.

Titel

Riffs mit Gesang

P-A1

War Pigs

b, e

P-A2

Paranoid

b, d

P-A3

Planet Caravan

A

P-A4

Iron Man

b2, d

P-B1

Electric Funeral

b, e, f

P-B2

Hand Of Doom

a3, a4, c, e

P-B3

Rat Salad

-

P-B4

Fairies Wear Boots

e, e2

Tabelle sechzehn verzeichnet die zumindest zum Teil mit Gesang verbundenen Riffs auf Paranoid. Bei vier von sieben Stücken mit Gesang wird über das zweite verwendete Gitarrenriff gesungen. Der Gesang kennzeichnet damit das Ende der Einleitung und den Beginn des Hauptteils. Die folgenden drei Black Sabbath-LPs lassen eine andauernde Bevorzugung des zweiten Riffs für den ersten Gesangseinsatz erkennen.25 Auf dem Debütalbum wird dagegen meist über das erste Riff gesungen. Auf allen fünf Alben findet sich zusätzlich mindestens ein Stück, bei dem der Einsatz des Gesanges erheblich später erfolgt, teilweise erst beim fünften Riff. Graham Bonnet26 und Bobby Elsworth, Sänger der New Yorker Band Overkill,27 betonen im Interview für die DVD Heavy Metal – Louder than Life (Carruthers 2007) die zweitrangige Rolle des Gesanges in Kompositionsmodellen aus dem Traditionsstrom des Heavy Metal. Bonnet: „When I was with Rainbow, that’s what happened. The whole damn arrangement was there and it was like: Can you fit words in here or here or here? Oh alright, but the guitar solo is here, don’t get in the way with that! Okay, fine, how many verses? Well it might be one, it might be two, it might be one and a half.“ [...] Elsworth: „Vocals don’t make metal paint. They have less to do with it than everything that precedes it. I learned this lesson early on [...] but great records are made from great drum sound that mixes well with the bass and a guitar that rips your throat out. Vocals are secondary to these three things.“ (In: Carruthers 2007 – transkribiert von D.E.)

25 Elf der 21 Kompositionen mit Gesang. 26 Graham Bonnet hat als Sänger u.a. Alben mit Rainbow (Down To Earth, 1979, 1/1) und der Michael Schenker Group (Assault Attack, 1982, 3/3) veröffentlicht. 27 Vier der sechzehn Studioalben von Overkill sind Teil der Auswertung. The Years Of Decay (1989, 5/5) und Feel The Fire (1986, 3/3) werden mehr als einmal genannt

107

SCHWERMETALLANALYSEN

Exkurs zur formalen Struktur bei Deep Purple und Led Zeppelin Neben Black Sabbath werden häufig Deep Purple und Led Zeppelin als Urahnen des Heavy Metal bezeichnet. Die Auswertungsergebnisse zeigen Alben beider Bands an prominenter Stelle, ihre Wertschätzung erscheint jedoch geringer als die von Black Sabbath. Die Ergebnisse der Stichprobe für Deep Purple sind von den Veröffentlichungen einer bestimmten Besetzung dominiert, die von 1970 bis 1973 und von 1984 bis 1989 aktiv war. Nur Äußerungen von Deep Purple, bestehend aus Ian Gillan, Gesang, Richard ‚Richie‘ Blackmore, E-Gitarre, Jon Lord, Tasteninstrumente, Roger Glover, Bassgitarre, und Ian Paice, Schlagzeug, werden mehr als einmal genannt. Drei ihrer insgesamt sechs Studioalben und ein Konzertmitschnitt gehen in die Auswertung ein.28 Machine Head (1972, 13/11) – von der Band mit Hilfe des Toningenieurs Martin Birch selbst produziert – wird als eines der zwanzig meistgenannten Alben der Auswertung besonders wertgeschätzt. Die Äußerungen auf Machine Head bleiben in formaler Hinsicht in Vers-Chorus-Strukturen verhaftet. Erweiterte Schlüsse und abgesetzte Einleitungen fehlen mit einer Ausnahme, der bluesbasierten Einleitung von „Never Before“ (A4), völlig. Mittelteile werden mit bereits bekanntem musikalischem Material bestritten oder haben den Charakter einer Bridge, die ebenfalls als Grundlage für solistische Äußerungen unterschiedlicher Bandmitglieder dienen kann. Jedes Stück auf Machine Head besitzt mindestens ein Gitarrensolo und ein weiteres Solo, das mehrheitlich auf den Tasteninstrumenten dargeboten wird – mit Ausnahme von „Smoke On The Water“ (B1), das nur ein Gitarrensolo beinhaltet „Lazy“ (B2) bringt es auf fünf solistische Äußerungen. Tabelle siebzehn zeigt zur Verdeutlichung die formale Struktur von „Maybe I’m A Leo“ (A2) und „Smoke On The Water“ (B1). Tabelle 17: Formale Struktur Deep Purple Machine Head, Auswahl Nr. A2

B1

Titel Maybe I’m A Leo Smoke On The Water

Dauer Pulslänge 4:52

5:43

Struktur 1 2

2

Struktur 2 3

c=28

2(2abb c) 3a 3a

a,b=32

2abb2c 5a

c,d=16

6a 2(4bcdc2a)

a,b,e=32

3b2be2a 4bcdc4a O

A A B A A2

ABBCB

Struktur 3 IVC InVC S S InVC S I VCIn VCIn SIn VCIn O

28 Machine Head (1972, 13/11), In Rock (1970, 10/8), Made In Japan (1972, 4/4) und Perfect Strangers (1984, 3 /3). Siehe Fußnote 8 und 9 in diesem Kapitel.

108

VI.1 HEAVY (METAL): BLACK SABBATH

Led Zeppelin verzeichnen mit ihrem vierten Album (1971, 14/12) ebenfalls eines der zwanzig meistgenannten Alben der Auswertung. Sieben ihrer insgesamt neun Studioalben29 und ein Konzertmitschnitt sind Teil der Stichprobe. Die Auswertungsergebnisse zeigen eine dreigeteilte Struktur mit Led Zeppelin II (1969, 8/6), Physical Graffiti (1975, 8/6) und dem Debütalbum (1968, 6/5) als Mittelfeld. Alle Alben von Led Zeppelin wurden von den gleichen Musikern in der Besetzung Robert Plant, Gesang, Jimmy Page, Gitarre, John Paul Jones, Bassgitarre und Tasteninstrumente, sowie John Bonham, Schlagzeug, eingespielt. In formaler Hinsicht sind die Äußerungen auf Led Zeppelin IV mehrheitlich aus dem Blues abgeleitet und damit weniger an Vers-Chorus-Strukturen angelehnt als die Stücke von Deep Purple. Abgesetzte Einleitungen und erweiterte Schlüsse fehlen, eine reihende Struktur kann jedoch festgestellt werden. Als grundlegendes Kompositionsmodell erscheint die aus der Call and Response-Technik abgeleitete Entwicklung eines Hauptriffs, das mit einigen wenigen anderen musikalischen Ideen kontrastiert wird und in ähnlicher Form auch bei Black Sabbath zu finden ist.30 Bei sechs von acht Kompositionen dient das erste verwendete Riff auch als Stückschluss, der zu einem ausgedehnten Playout erweitert werden kann. Deshalb wirken die Äußerungen formal geschlossener als bei Black Sabbath. Mittelteile existieren nur bei zwei Kompositionen sowie beim formal eine Ausnahme darstellenden „Stairway To Heaven“ (A4). Solistische Äußerungen bedienen sich mehrheitlich bereits bekannter Riffs als Grundlage. Tabelle achtzehn zeigt die formale Struktur von „Stairway To Heaven“ (A4), das als einzige Komposition auf einer offenen Reihung von Formteilen basiert, und dem auf einem Hauptriff (‚a‘) beruhenden „Misty Mountain Hop“ (B1). Tabelle 18: Formale Struktur Led Zeppelin IV, Auswahl Nr.

A4

Titel Stairway To Heaven

Dauer

7:58

Pulslänge

Struktur 1

e=8 g,h=16

2(2abb2)aa22c

a,b,c,d,f=32 3(2de2c) 2de f2=33

Struktur 2

Struktur 3 I V VC

ABCD

ff210g 7h2h24g

2(V2C) V2In V2 InS V3 Po

4a24a Misty B1

Mountain Hop

4:39

a=8

2(b4ab4ac2ac6a)

c=16

b4ab4ac2ac

b=32

8a3c2ac6a

ABBB

I VCIn VCIn VC

B2 B A2

SIn VC Po

b4ab4ac2ac 24a

29 Es fehlen nur die beiden letzten Alben, In Through The Out Door von 1979 und das nach Auflösung der Band 1982 veröffentlichte Coda. 30 B-A4, P-A2, P-B3.

109

SCHWERMETALLANALYSEN

Deep Purple, aber auch Led Zeppelin bewegen sich damit formal viel stärker im Rahmen des in der Rockmusik Üblichen als Black Sabbath, deren Eigenarten im formalen Aufbau ihrer komplexen Äußerungen deshalb weiterverfolgt werden.

Die Weiterentwicklung des erweiterten Schlusses Black Sabbath nutzen die Elemente ihrer auf Paranoid angelegten formalen Sprache, wie zum Beispiel den erweiterten Schluss, auch auf den drei folgenden Alben. Tabelle neunzehn zeigt alle Stücke dieser drei LPs mit erweitertem Schluss. Die Verwendung des erweiterten Schlusses wird insgesamt erst auf Sabbath Bloody Sabbath auffälliger als bei Paranoid. Anfang und Schluss von „Into The Void“ (M-B4) sind stark abgesetzt – Formteil A dauert 75 Sekunden, Formteil D 65 Sekunden. Der Hauptteil B wird durch einen Teil C in circa doppeltem Tempo unterbrochen. Die beiden Stücke vom Vol.4 Album verfügen dagegen über kürzere abgesetzte Einleitungen, während sich der den Hauptteil unterbrechende Teil C stark aufgewertet präsentiert. Bei „Wheels Of Confusion“ (V-A1) werden in 90 Sekunden fünf neue Gitarrenriffs gereiht (Riffs ‚e‘-‚i‘) und von Riff ‚d‘ gerahmt. „Under The Sun“ (V-B5) verlässt sich dagegen auf ein Riff (‚d‘), das, von Schlagzeugbreaks (‚e‘) unterbrochen, 75 Sekunden erklingt und auch als Gesangsbegleitung dient.31 Formteil C beginnt bei beiden Stücken am Ende des ersten Drittels des Stückes. Der erweiterte Schluss nimmt jeweils das komplette Schlussdrittel ein. Bedenkt man noch das Vorhandensein einer abgesetzten Einleitung,32 so entspricht die Länge des Hauptteils in beiden Fällen weniger als der Hälfte der jeweiligen Gesamtlaufzeit. Vorbild für diese Struktur ist „War Pigs“ (P-A1, Tab. 14), dessen Hauptteil B (Riff ‚b‘ und ‚c‘) ebenfalls nur knapp ein Drittel der Spielzeit ausmacht. Auch der ternäre Puls der abgesetzten Einleitung von „War Pigs“ (P-A1), der nicht in die anderen Formteile übernommen wird, wird von „Wheels Of Confusion“ (V-A1) wieder aufgenommen. Die Äußerungen auf Sabbath Bloody Sabbath entwickeln diese Struktur weiter. Dabei bleibt die Reihenfolge abgesetzte Einleitung, Hauptteil und erweiterter Schluss im Prinzip erhalten, obwohl zwei der vier in Frage stehenden Kompositionen auf eine abgesetzte Einleitung verzichten. Allerdings wird der Hauptteil nicht mehr von einem weiteren Formteil unterbrochen, sondern zerfällt ganz klar in zwei Einheiten.

31 Dieser Formteil erinnert stark an den Anfang von „Flight Of The Rat“ aus In Rock (1970, 10/8) von Deep Purple. 32 V-A1 20 Sekunden, V-A5 30 Sekunden.

110

VI.1 HEAVY (METAL): BLACK SABBATH

Tabelle 19: Formale Struktur Black Sabbath Master Of Reality, Vol. 4 und Sabbath Bloody Sabbath, Auswahl Nr.

M-B4

V-A1

V-B5

Titel

Into The Void

Wheels Of Confusion

Under The Sun

Dauer

Pulslänge d2,e=8

6:11 b,d,f,g=16 a,c=32

S-A2

Acrobat

Sabra Cadabra

5:52

5c 4f8g10f 2a 12bcbc 10bcb3c

j=32

2h6i3c2d

a=48

10bcb3c Br 12j

b,d=8

3a 2(20bc)

e=16

10de 10d2e

c=24

f=8 5:44

d,e=16 a,b,c=32 b3=48

6:16

4

4d 8d

20bc Br 8e3e

2

a,b,c,d,f=32 22d 3ee 2ff f 4g

g=96 b,d,e,i=16 a,c,f=32

V2In3 InVIn2 InS In4SIn4

AB

I InVIn2 InVIn3

B2 C

In4-8 CIn3In4

B2 D

InVIn3 Po/S

ABB

I 2(InVIn2)

C C C2

2(In3V2S) In3S

BD

InVIn2 Po

2(10d3eBr) 27f

2

2(2b2b2cbc) 14d2e4f 12d2e 36f12f

IVC InVC SIn2 2(InV2In3) Po

ABAB

I InV InV2

CD

InV InV2 2(InV3) SV3 Po

4h 8i j 4a2a2

I InVIn2 InVIn2

B2 D

BBC

2

Struktur 3

CB

5a2c Br

2a 2abab 2(ac)

h=8

ABB

A A A2

2abab 2(ac)

a,b,c,e=32

Struktur 2

6a3bb2 6a3bb3

e,g,h=16

5:56 d,f=16

5:40

3

i=8

f2=8

Killing S-B1 Yourself To Live

12ed2ed2 8cdc2d

h=72

j=40

S-A4

8cdc2d 6cdc2dBr

7:59 b,c,d,g,i=16 2d4e2f2g Br

Sabbath

A National

4abb2bb32a

e,f=8

a,f=32

S-A1 Bloody Sabbath

Struktur 1

ABB

I InV1V2 InV1V2

CCD

In2V3V4In3 In2V3V4 Po

2

4a 2(6b2c) 8c 8d2e2f3d2 g 2

2

15hh 3hh 11hh23h2

A B B B2

I 2(InVC) SV2

CDE

In3In4V3In3 S In5V4In5V4S

19hh23h2 4i

Die vier Stücke von Sabbath Bloody Sabbath zeigen eine duale Struktur des Hauptteils, der wiederum in einen – in dieser Reihenfolge – Haupt- und einen Nebenteil unterteilt wird. Der neue Hauptteil entspricht dem alten, dass heißt, er ist weiterhin der erste Formteil, in dem gesungen wird. Der

111

SCHWERMETALLANALYSEN

Nebenteil etabliert mindestens ein neues, ebenfalls mit Gesang verbundenes Riff, das die Riffs des Hauptteils bis zum Beginn des erweiterten Schlusses komplett ablöst. Der Unterschied zwischen beiden Formteilen ist bezüglich des Charakters der Riffs, des Ensemblespiels, des Tempos und des Klangs sehr deutlich und kann die Zusammenstellung sogar zufällig wirken lassen. Die folgende Transkription zeigt die instrumentale Variante von Riff ‚b‘ aus dem Hauptteil und Riff ‚d‘ aus dem Nebenteil von „Sabra Cadabra“ (S-A4. Tab. 19). Das Gitarrenspiel wechselt zur deutlichen Unterscheidung von Haupt- und Nebenteil von Powerchords zu Akkordbrechungen. Zudem werden klangliche Elemente zur Unterscheidung genutzt, im Nebenteil ein Rotary-artiger Effekt auf der Stimme und eine auf einem Synthesizer gespielte Melodie. Auffällig ist auch der Wechsel im Ensemblespiel von der Parallelbetonung der Triole am Anfang des zweiten Teils von Riff ‚b‘ zur ineinander verzahnten Spielweise von Schlagzeug und Gitarre in Riff ‚d‘. Abbildung 4: Ensemblespiel Black Sabbath „Sabra Cadabra“ (S-A4) Riffs ‚b‘ und ‚d‘

Die effektive Länge von Haupt- und Nebenteil differiert. Bei „A National Acrobat“ (S-A2, Tab. 19) und „Sabra Cadabra“ (S-A4, Tab. 19) findet der Wechsel zum Nebenteil kurz nach Ende des ersten Drittels der Gesamtdauer des Stückes statt, bei „Killing Yourself To Live“ (S-B1, Tab. 19) ungefähr in der Mitte und bei „Sabbath Bloody Sabbath“ (S-A1, Tab. 19) erst in der zweiten Hälfte.33 Kompositionen mit einer derartigen Struktur des Hauptteils werden im Folgenden als duale Äußerungen bezeichnet. Im Falle von Black Sabbath kann bei dualen Strukturen die abgesetzte Einleitung wegfallen, der erweiterte Schluss jedoch nicht. 33 S-A1: 3:17 von 5:44 Minuten, S-B1: 2:47 von 5:40 Minuten, S-A2: 2:17 von 6:16 Minuten und S-A4: 2:00 von 5:56 Minuten Gesamtdauer.

112

VI.1 HEAVY (METAL): BLACK SABBATH

„Black Sabbath“ als formales Vorbild Dass das Debütalbum von Black Sabbath eröffnende gleichnamige Stück (B-A1) erscheint als Blaupause des eben beschriebenen Kompositionsmodells aus abgesetzter Einleitung, potentiell dualem Hauptteil und erweitertem Schluss. Tabelle 20: Formale Struktur Black Sabbath „Black Sabbath“ (B-A1) Nr.

Titel

Dauer Pulslänge

Struktur 1

Struktur 2

2

B-A1 Black Sabbath

6:19

b=12, c=24 I 2(4a10a ) 4a Br I A A A 20b 16c

a=32

2

BC

Struktur 3 I InV InV In In2V2 S

Abbildung 5: Gitarrenriffs Black Sabbath „Black Sabbath“ (B-A1)

Die ersten 37 Sekunden des Stückes bestehen aus Regen- und Gewittergeräuschen und können als abgesetzte Einleitung gelesen werden. „Black Sabbath“ (B-A1) reiht in der Folge drei Riffs aneinander. Der Wechsel hin zu Riff ‚b‘ erfolgt nach über zwei Dritteln der Gesamtdauer des Stückes und hat den Charakter eines Bruches. Das Tempo wird ungefähr verdoppelt, der zugrunde liegende Puls verändert sich ins ternäre. Als verbindendes Element bleibt jedoch der Grundton ‚g‘ erhalten, der alle drei Riffs dominiert und einen über eine zufällige Reihung von Riffs hinausgehenden Zusammenhang der Komposition gewährleistet. Notentexte wie Black Sabbath (1989) interpretieren den Wechsel von Riff ‚a‘ zu Riff ‚b‘ als Tonartwechsel von G-Dur zu g-moll. Dies impliziert eine tonale Eindeutigkeit, die über den Gebrauch der tonal undefinierten Powerchords nicht gegeben ist. Das in G-Dur notierte Riff ‚a‘ kann genauso gut in g-moll oder Bb-Dur notiert werden. In Riff ‚b‘ ist die kleine Terz ‚g-bb‘ zwar prominent enthalten, in Riff ‚c‘ erklingt jedoch ein G-Dur-Akkord im Wechsel mit einem Bb6-Akkord. „Black Sabbath“ (B-A1) entzieht sich damit einer eindeutigen tonalen Dur-Moll-Zuordnung. Die formale Struktur von „Black Sabbath“ (B-A1) kann als duale Struktur mit Haupt- und Nebenteil analysiert werden, da der Wechsel vom

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SCHWERMETALLANALYSEN

binären zum ternären Puls zwischen Formteil A und B einen deutlichen Bruch markiert. Gegen diese Lesart als duale Äußerung spricht der relativ späte Zeitpunkt des Wechsels im letzten Drittel des Stücks. „Black Sabbath“ (B-A1) ist damit in formaler Hinsicht uneindeutig, beinhaltet aber mit der Betonung des Bruchs als Abschluss des Hauptteils, dem erweiterten Schluss und der angedeuteten abgesetzten Einleitung bereits viele Elemente, die in der Folge die Formsprache von Black Sabbath bestimmen.

Paralleles Ensemblespiel Als Grundlage des rhythmischen Ensemblespiels in der Rockmusik wird meist der Backbeat oder Standard Rock Beat betrachtet.34 Auch auf Paranoid hört man einige dem Backbeat verwandte bzw. vom Backbeat abgeleitete Schlagzeugfiguren, zum Beispiel die Begleitung zu Riff ‚b‘ aus „Electric Funeral“ (P-B1) und Riff ‚b‘ aus „Fairies Wear Boots“ (P-B4). Die Wahrnehmung dieser Schlagzeugfiguren verändert sich, wenn man sie im Kontext des Ensemblespiels verortet. Abbildung 6: Ensemblespiel Black Sabbath „Fairies Wear Boots“ (P-B4) Riff ‚e‘

Das transkribierte Riff ‚e‘ aus „Fairies Wear Boots“ (P-B4) erhält seinen Charakter über den Wechsel zwischen der regelmäßigen Shuffle-Betonung der ersten Hälfte und der Betonung auf dem sechsten Puls in der zweiten Hälfte des Riffs. Dieser Wechsel im Betonungsschema wird vom Schlagzeug mitvollzogen, so dass der tiefe Powerchord immer kongruent zur Bass Drum ist, während den beiden höheren Powerchords die Snare zugewiesen wird. Das Gitarrenriff wird zum dominierenden gestalterischen Element, zu dem eine angemessene Begleitung gesucht wird. Das Zusammenspiel von Schlagzeug und Gitarre in Riff ‚b‘ aus „Electric Funeral“ (P-B1, Abb. 7) bestätigt diese Analyse. Die das Zusammenspiel prägenden Elemente liegen jeweils in den letzten vier Pulsen einer Riffhälfte. Die vom ‚a‘ zum ‚g‘ absteigende Kombination von Sechzehntel (ein Puls) und punktiertem Achtel (drei Pulse) wird auf dem Schlagzeug mit Snare und Bass Drum gedoppelt, so dass die Snare zwar 34 Vgl. Pfleiderer (2006: 219), Moore (1993: 38)

114

VI.1 HEAVY (METAL): BLACK SABBATH

auf der Backbeat-typischen vierten Zählzeit (Puls 13) gespielt wird, die Begründung der Schlagzeugfigur aber im Gitarrenriff zu finden ist. Abbildung 7: Ensemblespiel Black Sabbath „Electric Funeral“ (P-B1) Riff ‚b‘

Dagegen zeigt sich im Zusammenspiel von Schlagzeug und Gitarre bei „Paranoid“ (P-A2), dass die Kombination von 3+3+2 Pulsen35 in der ersten Hälfte des Gitarrenriffs vom Backbeat des Schlagzeugs geradezu ignoriert wird. Unter anderem deswegen bildet das Ensemblespiel bei „Paranoid“ (PA2) auf Paranoid eine Ausnahme. Abbildung 8: Ensemblespiel Black Sabbath „Paranoid“ (P-A2) Riff ‚a‘

Die Analyse von AC/DC Riffs in Kapitel VI.3 zeigt, dass der Backbeat zum Ausgangspunkt für die Konstruktion des Gitarrenriffs werden kann. So entwickelt sich Riff ‚a‘ aus „Highway To Hell“ (Highway to Hell, 1979, 12/10, Abb. 35) über drei um die vierte Zählzeit gruppierte Achtel, verdoppelt seine Geschwindigkeit und endet mit der Verschiebung der Betonung auf die erste Zählzeit. Das Ensemblespiel ist ein Verzahnen mehrerer Elemente, das stark an rockmusikalische Standards angelehnt ist, während bei Black Sabbath von einer Doppelung wichtiger, dem Gitarrenriff entnommener Elemente die Rede sein muss. „Iron Man“ (P-A4, Abb. 9) treibt diese Doppelung des Gitarrenriffs auf die Spitze. Stimme, Bass und Schlagzeug werden zum Gitarrenriff ‚b2‘ parallel geführt, einer mit Gesang begleiteten Variante von Riff ‚b‘, bei dem die Gitarre mit Einzelnoten an Stelle von Powerchords arbeitet. Einschränkend muss hinzugefügt werden, dass das Schlagzeug im zweiten Teil

35 Zur prominenten Rolle der Kombination von 3+3+2 Pulsen im Traditionsstrom des Heavy Metal siehe Kapitel VI.2.

115

SCHWERMETALLANALYSEN

des Gitarrenriffs stark variiert, so dass das Notenbild in Abbildung neun idealisiert ist. Abbildung 9: Ensemblespiel Black Sabbath „Iron Man“ (P-A4) Riff ‚b2‘

„Fairies Wear Boots“ (P-B4) und „N.I.B.“ (B-A4) zeigen abgeschwächte Formen der Parallelführung von Stimmen, bei denen jeweils eine Stimme ausgenommen ist. Bei Riff ‚e‘ aus „Fairies Wear Boots“ (P-B4) holt der Gesang seine melodische Inspiration nicht aus dem Gitarrenriff, während das Schlagzeug Riff ‚a‘ aus „N.I.B.“ (B-A4) mit einem an den Backbeat angelehnten Pattern mit sehr variationsreichen Bass Drum-Figuren begleitet. Eine derartige Spielweise wird in dieser Untersuchung als paralleles Ensemblespiel bezeichnet. Im Gegensatz zum Unisono-Spiel bleibt die harmonische Ausgestaltung des Ensemblespiels offen, Mehrstimmigkeit wird nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der analytische Fokus liegt auf der rhythmisch parallelen Stimmführung. Paralleles Ensemblespiel ist keine alleinige Spezialität von Black Sabbath, vielmehr gestalten sie eine bestehende Entwicklung in Großbritannien mit. Ein zeitgenössisches Beispiel einer anderen britischen Band, das ebenso auf der Parallelführung einfacher musikalischer Äußerungen fußt, ist die Einleitung von „Gypsy“ der britischen Band Uriah Heep (Very’eavy Very’umble, 1970, 2 / 2).36 Das Notenbild in Abbildung zehn zeigt zwei der vier Variationen des Einleitungsriffs. Die ungerade Unterteilung des Pulses mit 20 (3+9+8) und 24 (10+14) Schlägen stellt ein Echo des Progressive Rock dar, auf das in Kapitel VI.4 im Zusammenhang mit Iron Maiden genauer eingegangen wird.

36 In den USA wird das Album mit verändertem Cover und einer an einer Stelle abweichenden Titelliste unter dem Namen Uriah Heep veröffentlicht. Drei weitere Alben von Uriah Heep werden in der Auswertung genannt. Zwei von diesen genießen die gleiche Wertschätzung wie das Debüt: Look At Yourself (1971, 2/2) und Demons And Wizzards (1972, 2/2). Uriah Heep haben insgesamt 22 Studioalben veröffentlicht.

116

VI.1 HEAVY (METAL): BLACK SABBATH

Abbildung 10: Ensemblespiel Uriah Heep „Gypsy“ Riff ‚a‘ (Auszug)

Im Blues findet sich ebenfalls paralleles Ensemblespiel, so bei Willie Dixons „Spoonful“, in der Interpretation von Howlin’ Wolf (1962). Abbildung 11: Ensemblespiel Howlin’ Wolf „Spoonful“ Chorus

Die Parallelführung einfacher musikalischer Äußerungen ist bei dem „Spoonful“ wieder mit einem Backbeat hinterlegt. Die das Riff melodisch bestimmende Aufwärtsbewegung um eine kleine Terz (nicht notiert) wird ebenfalls von allen Stimmen außer dem Schlagzeug nachvollzogen. Da Willie Dixon und mit ihm die Veröffentlichungen des Chicagoer Chess Labels eine der Hauptinspirationen für englische Bluesmusiker der 1960er Jahre waren,37 liegt es nahe, die Wurzeln des parallelen Ensemble-

37 Led Zeppelin’s „Whole Lotta Love“ (Led Zeppelin II, 1969, 8/6) ist eine Coverversion von Muddy Waters „You Need Love“ (1962) - eine Dixon- Komposition. Erst 1985 erkannten Led Zeppelin dies in einer außergerichtlichen Einigung an. Die Gesangslinie von „Whole Lotta Love“ ist zudem stark von „You Need Lovin’“ der Small Faces (1966, -) inspiriert, einer weiteren Coverversion dieser Dixon-Komposition.

117

SCHWERMETALLANALYSEN

spiels bei Black Sabbath und anderen im elektrischen Blues der 1950er Jahre zu verorten – zumal Black Sabbath als Blues-Band begonnen haben. Dass das parallele Ensemblespiel Teil des Traditionsstroms des Heavy Metal geworden ist, zeigt ein Beispiel aus dem skandinavischen Extreme Metal des neuen Millenniums. Abbildung 12: Ensemblespiel Arch Enemy „Taking Back My Soul“ Riff ‚a‘

Der erste Teil des Riffs wird in Variationen siebenmal wiederholt, bevor der zweite Teil erklingt und als Überleitung einmal wiederholt wird. Dieser Wechsel erinnert auch an den Anfang von Uriah Heeps „Gypsy“ (Abb. 10). Die schwedische Band Arch Enemy zelebriert mit der Einleitung von „Taking Back My Soul“ bewusst das parallele Ensemblespiel.38

Das Gitarrenriff als komplexe musikalische Äußerung Wilkinson (2006: 143-144) deduziert in seiner am Nachvollzug harmonischer Bewegungen orientierten Beschreibung der ersten sechs Alben von Black Sabbath folgende, die Gitarrenriffs von Tony Iommi auszeichnenden Eigenschaften. „These trademarks [...] include detuning; the minor tonic / subtonic shift [...], semitonal slurs [...]; and the unexpected exoticism of certain tonal intervals, most notably, the flattened fifth“ (ebd.). Aus der Kombination dieser vier einfachen musikalischen Äußerungen entstehen nach Wilkinson die für Black Sabbath und in der Folge möglicherweise auch für Heavy Metal typischen Gitarrenriffs. Ihre Verwendung wird deshalb im Folgenden detailliert betrachtet, wenn auch nicht in der von Wilkinson vorgegebenen Reihenfolge.

38 Doomsday Machine (2005, 3 / 3). Alle sechs bis zum Stichtag erschienen Studioalben von Arch Enemy sind in der Auswertung vertreten. Nur Doomsday Machine wird mehr als einmal genannt.

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Die Verwendung von Doppelsubdominante und chromatischen Bewegungen Den „minor tonic/subtonic shift“, also die prominente Abfolge zweier einen Ganzton auseinander liegender Powerchords, findet Wilkinson in Stücken aus allen in Frage stehenden Veröffentlichungen.39 Kramarz (2006: 97) bezeichnet diese harmonische Bewegung als eine verkürzte Version der Erweiterung des Bluesschemas um die Doppelsubdominante im Rock der 1960er Jahre. Die prominente Verwendung zweier einen Ganzton auseinander liegender Powerchords zählt auf jeden Fall spätestens seit dem prägnanten Riff von „You Really Got Me“ (1964) der britischen Band The Kinks zum gängigen harmonischen Vokabular der Rockmusik und wird im britischen Bluesrock der 1960er Jahre häufig verwendet – zum Beispiel in den ersten vier Pulsen des Hauptriffs von Creams „Sunshine Of Your Love“.40 Abbildung 13: Gitarrenriffs Cream „Sunshine Of Your Love“, Iron Butterfly „In-A-Gadda-Da-Vida“, Black Sabbath „Iron Man“ (P-A4) Riffs ‚d‘ und ‚e‘

Die Transkription vergleicht das Hauptriff dieses Stücks mit „In-A-GaddaDa-Vida“ der US-amerikanischen Band Iron Butterfly41 und zwei Riffs aus „Iron Man“ (P-A4). Das Riff von „Sunshine Of Your Love“ arbeitet auch mit „semitonal slurs“, also chromatischen Folgen von Einzeltönen und/oder Powerchords. Gleiches gilt für „In-A-Gadda-Da-Vida“. Beide basieren auf einer „minor blues pentatonic scale with the characteristic added b5 scale degree“ (Headlam 1997: 84). Der Tritonus ist zwar durchaus charakteristisch, bleibt aber ein skalenfremder Durchgangston. Ähnliches gilt für Riff ‚e‘ aus „Iron Man“ (P-A4), während Riff ‚d‘ zusätzlich noch die große Septime enthält. 39 Vgl. P-A1, P-A2, P-B3, P-A4, M-A2 („After Forever“ – nicht analysiert), M-A4 („Children Of The Grave“ – n.a.), M-B2, M-B3 („Solitude“ – n.a.), V-A2 („Tomorrow’s Dream“ – n.a.), S-A1, S-B1 40 Disraeli Gears (1967, 4/3). Außerdem findet sich auch das darauf folgende Album Wheels Of Fire (1968, 1/1) in der Stichprobe. 41 In-A-Gadda-Da-Vida (1968, 2/2) wird als einziges Iron Butterfly-Album in der Auswertung genannt.

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„War Pigs“ (P-A1) und „Into The Void“ (M-B4) sind tonal weniger eindeutig. Der chromatische Abgang in Riff ‚c‘ aus „War Pigs“ (P-A1) betont nicht den Tritonus oder die große Septime als skalenfremden Durchgangston, sondern bewegt sich von der kleinen Terz zur Tonika. Riff ‚a‘ aus „Into The Void“ (M-B4) nutzt dagegen den gleichen Tonvorrat wie Riff ‚e‘ aus „Iron Man“ (P-A4), während die Riffs ‚d‘ und ‚f‘ in der Addition von Tritonus und kleiner Sekunde zum zuvor genutzten Tonvorrat gewissermaßen „War Pigs“ (P-A1) mit den Beispielen von Cream und Iron Butterfly verschmelzen. Chromatische Elemente werden bei Black Sabbath also nicht nur zur Markierung des Tritonus verwendet, sondern können an unterschiedlichen Orten der jeweiligen Skala den Tonvorrat erweitern. Damit betonen Black Sabbath die Wichtigkeit von Halbtonschritten stärker als vergleichbare Bands und emanzipieren den Halbtonschritt aus der reinen Bluesableitung bzw. der Dur/Moll-Unterscheidung in Richtung eines der für den entstehenden Heavy Metal typischen Elemente eines Gitarrenriffs. Die Pentatonik des Blues wird nicht mehr über einzelne chromatische Elemente erweitert, sondern ersetzt.

Optische Skalen Setzt man die Tonvorräte der besprochenen Riffs aus „Iron Man“ (P-A4) und „Into The Void“ (M-B4) in Fingersätze auf dem Gitarrengriffbrett um, wird deutlich, dass die Entwicklung derartiger Skalen möglicherweise weniger einem harmonisch-tonal motivierten Musizieren als vielmehr den materialen Gegebenheiten des Gitarrengriffbretts zu verdanken ist. Abbildung 14: Gitarrenriffs Black Sabbath „Iron Man“ (P-A4) Riffs ‚d‘ und ‚e‘, „Into The Void“ (M-B4) Riffs ‚a‘, ‚d‘ und ‚f‘ (Tabulatur42)

Die Tonvorräte der einzelnen Riffs sind jeweils leicht in einer bzw. zwei Lagen zu spielen, wenn man jedem der vier verfügbaren Finger der Greifhand einen festen Bund auf dem Griffbrett zuordnet. Die Entwicklung von Riffs aus der Verschiebung oder Spiegelung des Fingersatzes heraus führt 42 Jede Zahl entspricht dem Bundstäbchen auf der jeweiligen Gitarrensaite. Die tiefste Saite ist in der Abbildung unten.

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auch zu der Möglichkeit, die entsprechenden Skalen und Riffs als Bewegungen auf dem Griffbrett wahrzunehmen und diese als optische Kompositionsgrundlage zu nehmen. Abbildung 15: Gitarrenriffs Black Sabbath „Black Sabbath“ (BS-A1) Riff ‚b‘, „Into The Void“ (M-B4) Riff ‚a‘, „Children Of The Grave“ (MA4) Riff ‚d‘

Riff ‚b‘ des Stückes „Black Sabbath“ (B-A1) zeigt eine mögliche Entwicklung aus Bewegungsmustern. Die Bewegung führt vom dritten zum fünften Bund auf der E- und A-Saite, während anschließend entweder die E- oder die A-Saite auf dem sechsten Bund gegriffen werden. So ergibt sich ein wiederkehrendes, optisch erinnerbares Bewegungsmuster. In der abgesetzten Einleitung von „Into The Void“ (M-B4) und Riff ‚d‘ aus „Children Of The Grave“ (M-A4) versucht Iommi, aus einem klar eingegrenzten Raum auf dem Griffbrett möglichst viele prägnante Varianten des Fingersatzes zu bilden. In einer vereinfachten, aber auch stärker an Symmetrie orientierten Art und Weise haben sich beispielsweise Nirvana zu „Come As You Are“ von ihrem 1991er Album Nevermind inspirieren lassen.43 Wie in Abbildung sechzehn zu sehen ist der Wechsel des Fingersatzes zwischen Leer-Saite und zweitem Bund auf den beiden tiefsten Gitarrensaiten ist an einer gedachten Achse zwischen den beiden Saiten gespiegelt. 43 Nirvana haben ihre Beeinflussung durch Bands wie Black Sabbath immer wieder betont. Gerade ihr Debütalbum Bleach (1989, 2/2) beinhaltet viele derartige Beispiele. In der Auswertung finden sich alle drei offizellen Alben von Nirvana sowie ein posthum veröffentlichter Konzertmitschnitt. Nevermind (1991, 8/6) wird am meisten wertgeschätzt.

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Abbildung 16: Gitarrenriff Nirvana „Come As You Are“ Riff ‚a‘

Der Gitarrist Jeff Waters von der kanadischen Band Annihilator44 bezeichnet derartige Riffs in einem Interview mit Gerrit Hoß (Hoß 2007: 88) als auf optischen Skalen beruhend. Im Extremfall wiederholen die Finger ständig den gleichen Bewegungsablauf in unterschiedlichen Lagen. Das folgende Zitat zeigt zudem ein Beispiel für mehrstimmiges paralleles Ensemblespiel. „(Man) beginnt mit dem ersten Finger auf dem zwölften Bund der D-Saite. Es folgen Ringfinger und kleiner Finger. Dieser Fingersatz wird genauso auf der gSaite wiederholt. Jetzt setzte ich die Greifhand einen Bund tiefer und kehre das Riff einfach um [...] ich habe die Möglichkeit diesen Fingersatz so oft zu wiederholen bis ich am ersten Bund angekommen bin. [...] Auf der Bühne spielen wir sogar noch einmal drei Halbtöne darüber. Der Bass startet also im 12. Bund, während die erste Gitarre in der 15. Lage und die zweite Gitarre in der 18. Lage beginnt.“ (Hoß 2007: 88)

Der Tritonus Abbildung 17: Der Tritonus

Auch der sich vom leiterfremden Durchgangston in vom Blues abgeleiteten Skalen emanzipierende Tritonus kann optisch begriffen werden. Er liegt bezogen auf einen Oktavgriff auf dem mittleren Bund der mittleren Saite. Ein Tritonus findet sich bei Black Sabbath an prominenter Stelle in Riff ‚a‘ des Stückes „Black Sabbath“ (B-A1, Abb. 5), aber unter anderem auch in Riff ‚b‘ aus „Electric Funeral“ (P-B1, Abb. 7) und in der abgesetzten Einleitung zu „Under The Sun“ (V-B5). Die Emanzipation des Tritonus und 44 Vier der dreizehn Studioalben von Annihilator sind Teil der Auswertung. Nur das Debüt Alice In Hell (1989, 5/5) wird mehr als einmal genannt.

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seine prominente Verwendung in Gitarrenriffs ist einer der Beiträge von Black Sabbath zur musikalischen Sprache des Heavy Metal, dessen sich gerade Bands an der Grenze zum Extreme Metal gerne bedienen, wie in Kapitel VI.6 ausführlicher diskutiert wird. Alex Webster, Bassist der Extreme Metal-Band Cannibal Corpse,45 bringt deshalb im Interview für die DVD Metal – A Headbanger’s Journey Black Sabbath und den Tritonus in direkte Verbindung: „The blues scale has the flat fifth, the tritone, that’s the devil’s note, like in the old days you weren’t allowed to use that note, but you know Black Sabbath, their title song, Black Sabbath, is totally working on the diminuished fifth, the tritone“ (Dunn und McFayden 2006, transkribiert von D.E.).

Detuning – zur Stimmung der Saiteninstrumente Black Sabbath und Paranoid sind die einzigen beiden LPs der Originalbesetzung, bei denen die Saiteninstrumente ‚normal‘, das heißt im Fall der Gitarre auf die seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts üblichen Töne ‚E – A – d – g– h – e’‘ gestimmt sind. Ab der dritten LP, Master of Reality, werden Gitarre und Bass eine kleine Terz tiefer gestimmt und betonen so den düsteren Klang der verzerrten Klangfarbe noch stärker. Die geringere Wertschätzung von Master Of Reality gegenüber den ersten beiden LPs in der Auswertung kann darauf hindeuten, dass der Klang der Klangfarbe von Master Of Reality bereits als zu extrem wahrgenommen wird.46 Die tiefere Stimmung der Saiteninstrumente wird ab dem dritten Album beibehalten, ihr düsterer Charakter jedoch ab dem vierten Album über die Aufhellung des Klangs der Klangfarbe entschärft. Während abweichende Stimmungen, Skordaturen, auf der Gitarre durchaus üblich sind, um die leeren Saiten in einer Tonart, einem Modus oder auch als einen Akkord erklingen zu lassen, ist das Transponieren der Stimmung um drei Halbtöne nach unten eher ungewöhnlich, da die Saitenspannung hier schon stark nachlässt und die Bundreinheit der Gitarre und mit ihr die Möglichkeit der sauberen Intonation in allen Lagen beeinträchtigt werden kann. Skordaturen, bei denen die Saiten auf einen Akkord gestimmt werden, finden sich durchaus häufig im Blues. Gerade für die im Blues verbreitete Technik des Slide- oder Bottleneck-Spiels, bei der alle Saiten gleichmäßig mittels eines Metall- oder Glasrohres verkürzt werden, sind diese Stimmun-

45 Vier der zwölf Alben von Cannibal Corpse sind Teil der Auswertung. Tomb Of The Mutilated (1992, 5/5) und Butchered At Birth (1991, 2/2) werden mehr als einmal genannt. 46 Andererseits findet gerade der Klang von Master Of Reality viele Nachahmer in Subgenres wie dem so genannten Stoner Rock und im Doom Metal.

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gen sehr wichtig, da nur so das Erklingen von Akkorden möglich wird.47 Vom Blues beeinflusste Gitarristen wie Black Sabbaths Tony Iommi sind also mit der Technik des Umstimmens ihrer Gitarre vertraut.48 In der Rockmusik ist das Tieferstimmen der tiefsten Seite der Gitarre um einen Ganzton, die so genannte Dropped-D-Stimmung, sehr verbreitet. Die Transposition aller Gitarrensaiten um einen Halbton nach oben oder unten erleichtert das Greifen von Akkorden aus b-Tonarten und vereinfacht das Zusammenspiel mit Blas- und Tasteninstrumenten. Die von Tony Iommi betriebene, damals ungewöhnlich weitgehende Transposition aller Gitarrensaiten um eine kleine Terz nach unten ist gerade für den Gitarrenklang im Extreme Metal seither ein typisches Element geworden. Gitarren werden im Heavy Metal nicht grundsätzlich tiefer gestimmt, aber eine Erniedrigung der Gitarrenstimmung um mindestens einen Ganzton hat ihre Inspiration meist im Heavy Metal.

Die unverzerrte Klangfarbe – Akkordbrechungen und Einleitungen In Äußerungen mit unverzerrter Klangfarbe dominieren statt der Powerchords und Riffs meist ostinat auf der Gitarre gespielte Akkordbrechungen, auf deren Basis dann eine Melodiegitarre agiert. Hier können auch akustische Gitarren Verwendung finden, die meist mit Stahlsaiten bespannt sind, also so genannte Westerngitarren.49 Black Sabbath nutzen Akkordbrechungen häufig, aber nicht ausschließlich für ihre Äußerungen in unverzerrter Klangfarbe.50 Diese bilden jeweils einen Gegen- bzw. Ruhepol zu den verzerrten Gitarrenriffs, die die Mehrzahl der Stücke bestimmen. Black Sabbath positionieren diese Äußerungen gerne an dritter Stelle der jeweiligen 47 Die Technik des Slide-Spiels stammt wahrscheinlich aus Hawaii und wurde über die Weltausstellung 1895 in Chicago in den USA bekannt. Das damit verbundene Instrument ist die Lap Steel-Gitarre, die schnell Einzug in die Country- und Western-Musik hält. Die Pedal Steel-Gitarre ist eine Weiterentwicklung der Lap Steel-Gitarre mit bis zu elf Saiten, die über den Einsatz von Dämpfern und Hebeln das Spiel in mehreren Tonarten ohne Umstimmen erlaubt. Die ersten elektrisch verstärkten Gitarren, die gebaut wurden, waren solche Lap SteelGitarren, z.B. die nach ihrer pfannenartigen Form benannte Frying Pan der Firma Rickenbacker (vgl. Stromgitarren 2004). 48 Auch Jimmy Page von Led Zeppelin hat viel mit offenen Skordaturen experimentiert, desgleichen Keith Richards von den Rolling Stones etc. 49 Mit Nylonsaiten bespannte Gitarren finden im Heavy Metal insgesamt selten Verwendung. Ein Beispiel ist die Einleitung zu „La Villa Strangiato“ der kanadischen Gruppe Rush vom Album Hemispheres (1978, 1/1). Elf der 26 Alben von Rush werden in der Auswertung genannt. 2112 (1976, 7/6) und Moving Pictures (1981, 6/6) werden am stärksten wertgeschätzt. 50 Akkordbrechungen finden sich in B-B2 („Sleeping Village“ – n.a.), P-A3, M-B1 („Orchid“ – n.a.), V-B3 („Laguna Sunrise“ – n.a.) und S-A3 („Fluff“ – n.a.); von Akkordbrechungen abweichende Spieltechniken bei M-A3 („Embryo“ – n.a.), MB3 („Solitude“ – n.a.) und V-A3 („Changes – n.a.).

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LP-Seite und folgen damit einer Idee der Entspannung nach zwei riffbetonten Stücken einerseits und vor der jeweils letzten Äußerung der LP-Seite andererseits. Im Rahmen der formalen Struktur werden Akkordbrechungen meist als abgesetzte Einleitung genutzt.51 Sie unterscheiden das Stück deutlich vom vorherigen und bieten gleichzeitig die Möglichkeit einer dramatischen Steigerung. Deshalb finden sich auch keine erweiterten Schlüsse mit unverzerrter Klangfarbe.52 Derartige auf Akkordbrechungen basierende Einleitungen sind sowohl im Hard Rock, als auch im Classic- und Extreme Metal ein Teil der musikalischen Sprache geworden. Die Akkordbrechungen können auch zu kleinen, die Virtuosität des jeweiligen Gitarristen betonenden Gitarrenetüden ausgebaut werden, die Reminiszenzen an Folk-Stilistiken und vergangene musikalische Epochen wie das Barock-Zeitalter beinhalten können. Die folgende Transkription zeigt eine der fünf Gitarrenspuren des Anfangs von „Mordred’s Song“ der bundesdeutschen Band Blind Guardian,53 die in ihrer regelmäßigen Achtelbewegung an Barockmusik erinnert. Abbildung 18: Gitarrenriffs Blind Guardian „Mordred’s Song“ Einleitung, Black Sabbath „Embryo“ (M-A3) Anfang

Diese Reminiszenz an die Epoche des Barock ist nur ein Ausdruck der verbreiteten Idee, die akustischen Einleitungen altertümlich, folkloristisch, mittelalterlich bzw. feudal klingen zu lassen. Bei „Embryo“ (M-A3) macht Tony Iommi den Ton ‚cis‘ auf der hohen E-Seite deshalb quasi zum durchgehenden Bordunton, eine in der englischen Folklore häufige Technik, die Blind Guardian im obigen Beispiel mittels eines liegenden ‚a‘ anwenden. Aus dem gleichen Grund werden auch Kirchentonarten respektive Modi der Dur-Moll-Tonalität vorgezogen.

51 Vgl. B-B2 („Sleeping Village“ – n.a.), S-B4 („Spiral Architect“ – n.a.). Die ebenfalls auf Akkordbrechungen in unverzerrter Klangfarbe beruhende Einleitung zu H-A2 wird im weiteren Stückverlauf wieder aufgenommen. 52 Als Ausnahme von der Regel weist der erweiterte Schluss des Titelstücks von Heaven And Hell (H-A4) auf akustischen Gitarren gespielte Akkordbrechungen auf. 53 Imaginations From The Other Side (1995, 5/5). Von den acht Studioalben von Blind Guardian werden vier weitere in der Auswertung genannt. Nur Nightfall In Middle-Earth (1998, 5/5) erfährt die gleiche Wertschätzung wie Imaginations From The Other Side.

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Häufig findet sich auch die motivische Verwendung einer Reihe von kleinen und großen Dezimen in einem regelmäßigen Metrum, so bei „Orchid“ (M-B1) und als abgesetzte Einleitung zu „Fight Fire With Fire“ (RlA1) von Metallica.54 Abbildung 19: Black Sabbath „Orchid“ (M-B1), Metallica „Fight Fire With Fire“ (Rl-A1)

Eine schlagende Spielweise der Akustikgitarren ist dagegen unüblich, da ihr metaphorisch gesprochen die Patina fehlt, und fällt, wie in der Einleitung zu Nevermores „Dreaming Neon Black“,55 als ungewöhnlich auf. Auf der Ebene musikalischer Assoziationen erinnert deshalb die Verwendung von auf Akustikgitarren gespielten Akkordbrechungen als Einleitung generell an Heavy Metal, ohne jedoch direkt an Black Sabbath zu gemahnen. Led Zeppelin, die stärker mit akustischem Instrumentarium gearbeitet haben als Black Sabbath, und viele Folk-, Blues- und Folk-Blues-Stücke im Repertoire haben, sind hier ein viel wichtigerer Einfluss. Scorpions-Sänger Klaus Meine56 bestätigt dies in einem auf der DVD Louder than Life (Carruthers 2007) enthaltenen Interview: „Led Zeppelin [...] which was for us a great influence also, because they had the hard rock side but they also played beautiful ballads“ (transkribiert von D.E.). Die von Meine angesprochenen Balladen, für die unter anderem auch die Scorpions berühmt geworden sind, werden im Heavy Metal-Kontext auch als ‚Powerballaden‘ bezeichnet. Sie haben nichts mit den eben besprochenen akustischen Etüden bzw. akustischen abgesetzten Einleitungen gemein. Vielmehr handelt es sich bei ‚Powerballaden‘ um Stücke mit VersChorus-Struktur, deren harmonisches Gerüst häufig auf einer Reihe von Akkordbrechungen aufbaut. Die Namen gebenden Powerchords werden nie in den ersten beiden Versen verwendet, sondern im Chorus oder im Gitarrensolo zu Gehör gebracht. Die Powerchords sind auch das Einzige, was

54 Ride The Lightning (1984, 15/13). Zu Metallica in der Auswertung siehe Kapitel VI.5. 55 Dreaming Neon Black (1999, 1/1) Drei der sieben Nevermore Alben sind Teil der Auswertung. Nur This Godless Endeavour (2005, 4/4) wird mehr als einmal genannt. 56 Von den 21 Veröffentlichungen der Scorpions finden sich zwei Konzertmitschnitte und acht Studioalben in der Auswertung. Mehr als zweimal genannt werden Love At First Sting (1984, 7/7), Blackout (1982, 6/6), In Trance (1975, 5/4) und der Konzertmitschnitt Tokyo Tapes (1978, 3/3).

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die Powerballaden57 mit der hier untersuchten musikalischen Sprache des Heavy Metal gemeinsam haben.

Die Emanzipation vom Backbeat – das Schlagzeugspiel auf Black Sabbath und Paranoid Das Schlagzeugspiel auf den beiden ersten Veröffentlichungen von Black Sabbath unterscheidet sich stark vom Schlagzeugspiel auf den folgenden Alben. Bill Ward begreift das Schlagzeug auf Black Sabbath und Paranoid nicht als das das Metrum bzw. den Puls definierende Instrument, sondern umspielt diesen mit vielfältigen Läufen und ständigen Variationen. Die Transkription des parallelen Ensemblespiels bei „Iron Man“ (P-A4, Abb. 9) zeigte eine derartige Schlagzeugfigur, die sich häufig aus einem eher wenig und einem eher stark variierten Teil zusammensetzt. Der erste Teil wurde als relativ stabil und damit auch wiedererkennbar beschrieben, während der zweite im Laufe des Stücks stark variiert. Die analysierte Entwicklung der Schlagzeugfiguren aus den rhythmischen Gegebenheiten der Gitarrenriffs trägt die Notwendigkeit einer vom Backbeat abweichenden Variationsbreite in sich. Allerdings ist damit das variierende Schlagzeugspiel nicht ausreichend umschrieben. So ist die Schlagzeugbegleitung zu Riff ‚a‘ aus „Black Sabbath“ (B-A1) ebenfalls aus zwei unterschiedlich stark variierten Teilen zusammengesetzt. Sie orientiert sich in der ersten Hälfte am Gitarrenriff, während in der zweiten Hälfte der lang anhaltende Gitarrenton zu Variationen genutzt wird. Das Schlagzeugspiel zum den Gesang begleitenden, mit Riff ‚a‘ rhythmisch identischen Riff ‚a2‘ unterscheidet sich jedoch stark von der Begleitung zu Riff ‚a‘ und verändert sich beständig. Das variierende Schlagzeugspiel entwickelt ein Eigenleben im Rahmen des Ensemblespiels. Die folgende Transkription zeigt die Schlagzeugbegleitung zu Riff ‚a‘ und eine der gespielten Varianten zu Riff ‚a2‘. Abbildung 20: Schlagzeugfigur Black Sabbath „Black Sabbath“ (B-A1) Riffs ‚a‘ und ‚a2‘

57 Z.B. Aerosmith „Dream On“ (Aerosmith, 1973, 2/2), Bon Jovi: „Wanted Dead Or Alive“ (Slippery When Wet, 1986, 9/6), Boston: „More Than A Feeling“ (Boston, 1976. 3/2), Scorpions: „Still Loving You“ (Love At First Sting, 1984, 7/7).

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Bei „Hand Of Doom“ (P-B2) geht Ward analog vor. Er begleitet die ‚piano‘-Versionen des Riffs (‚a2‘ und ‚a3‘) mit einem wiederkehrenden Beat, während er zur ‚fortissimo‘-Version ‚a4‘ variierende Schlagzeugfiguren spielt. Statik und Veränderung scheinen damit bestimmend für Wards Schlagzeugspiel zu sein. Der zeitliche Abstand des Wechsels zwischen den Zuständen kann dabei variieren So verteilen sich bei „War Pigs“ (P-A1) Statik und Veränderung im Schlagzeugspiel von vornherein auf verschiedene Riffs. Die Schlagzeugbegleitung zu Riff ‚b‘ bleibt stabil, während die darauf folgende Schlagzeugfigur zu Riff ‚c‘ im Laufe des Stückes stark variiert. Dagegen unterteilt sich die Begleitung zu den Riffs ‚a‘ und ‚b‘ aus „The Wizard“ (B-A2) in jeweils vier Teile, bei denen Teil eins und drei gleich bleiben, während Teil zwei und vier variiert werden. Ein durchgehender Backbeat findet sich auf Black Sabbath und Paranoid nur bei zwei Stücken, den jeweiligen Single-Auskopplungen „Evil Woman“ (B-B1) und „Paranoid“ (P-A2). Ersteres ist eine Coverversion, der kein größerer kommerzieller Erfolg beschieden war, während letzteres den größten Hit und damit wahrscheinlich die bekannteste Komposition der Band darstellt. „Paranoid“ (P-A2) ist laut Wilkinson (2006: 76) während der Studioaufnahmen zu Paranoid in zwanzig Minuten als Füllmaterial entstanden, da das Album für eine Veröffentlichung zu kurz geraten war. Es deutet damit einiges darauf hin, dass ein auf dem Backbeat reduziertes Schlagzeugspiel nicht in Wards Absicht liegt. Trotzdem beharrt Moore in seiner Analyse des gesamten Albums Paranoid darauf, dass „the standard rock beat is evident throughout“ (1993: 150). Dieser werde wiederum an Phrasenenden mit bestimmten Synkopierungen aufgelöst (ebd.). Die angeführten Beispiele zeigen dagegen, dass die hier anzutreffende Art des Schlagzeugspiels für ein anderes Verständnis des Instrumentes steht, das dieses aus seiner nur begleitenden Rolle zu befreien sucht bzw. diese zumindest erweitert. Der Wechsel zwischen statischen und variierten Teilen in den Schlagzeugfiguren ist nicht nur auf Synkopierungen an Phrasenenden zurückzuführen. Erst ab der dritten Veröffentlichung, Master Of Reality, wird der Backbeat als Gestaltungsmittel bei Black Sabbath dominanter. Das variationsreiche Schlagzeugspiel der ersten beiden Veröffentlichungen erscheint nur noch in einigen wenigen Stücken – quasi als Erinnerung. Die hohe Wertschätzung der beiden ersten Alben von Black Sabbath in der Auswertung deutet darauf hin, dass diese variierende Art des Schlagzeugspiels als für Heavy Metal wichtig betrachtet werden kann und vielleicht auch dazu dient, sich vom Backbeat-dominierten Rock abzusetzen. Eine mögliche Hypothese ist deshalb, dass hier eine Grundlage einer musikalischen Unterscheidung zwischen (Hard-) Rock und Heavy Metal liegt.

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Bill Ward und mit ihm Black Sabbath haben diese Art des Schlagzeugspiels jedoch nicht erfunden, sondern gestalten eine besonders in Großbritannien bereits bestehende Entwicklung mit.

Die virtuose Aufladung des Schlagzeugspiels in der Rockmusik Anfang der 1970er Jahre Ein individueller, den Backbeat hinter sich lassender Schlagzeugstil wird rund um den Jahrzehntwechsel zwischen den 1960er und 1970er Jahren von diversen britischen Blues Rock-Bands gepflegt. Er dient als ein mögliches Alleinstellungsmerkmal, um aus der Masse der zeitgenössischen Bands heraus zu stechen. Eine Inspirationsquelle sind dabei sicherlich Bands aus dem Bereich des Progressive Rock wie Pink Floyd, Jethro Tull, bei denen Gitarrist Iommi Ende der 1960er Jahre ein kurzes Gastspiel gab, sowie King Crimson und hier besonders „21st Century Schizoid Man“ von ihrem 1969er Debütalbum.58 Eine weitere Inspirationsquelle ist der Jazz, da die traditionelle englische Jazz-Szene von Beginn an sehr stark mit der Blues-Szene verbunden ist.59 Es entsteht eine Weiterentwicklung des britischen Blues Rock, die besonders die Virtuosität der einzelnen Musiker betont. Dies betrifft nicht nur Gitarristen wie Eric Clapton oder Jimmy Page von Cream und Led Zeppelin, sondern eben auch die Schlagzeuger Ginger Baker oder John Bonham. Damit einhergehend wird das Schlagzeugsolo sowohl als unverzichtbarer Teil eines Konzertes als auch als eigenständige Komposition auf Schallplatten eingeführt.60 Auch Black Sabbath veröffentlichen mit „Rat Salad“ (P-B3) ein Instrumentalstück mit Schlagzeugsolo. Ähnlichkeiten zu Wards variierender Art des Schlagzeugspiels finden sich bei Cream beispielsweise in den Stücken „White Room“ und „Sitting On Top Of The World“, beide auf Wheels Of Fire (1968, 1/1), sowie in „Communication Breakdown“ und „Good Times Bad Times“ von Led Zeppelins Debütalbum (1968, 6/5). Ian Paice von Deep Purple spielt dagegen erheblich Backbeat-orientierter und demonstriert Virtuosität stattdessen bei Stückanfängen sowie ebenfalls in seinem Schlagzeugsolo.61 Deep PurpleGitarrist Richie Blackmore verpflichtet für seine neue Band nach seinem Ausstieg bei Deep Purple, Rainbow, den damals viel beschäftigten Schlag58 Pink Floyd Wish You Were Here (1975, 1/1), Jethro Tull Aqualung (1971, 2/2) und Broadsword And The Beast (1982, 1/1) sowie King Crimson In The Court Of The Crimson King (1969, 1/1) und Starless And Bible Back (1974, 1/1) finden sich in der Auswertung. 59 Vgl. Mike Figgis (2003). 60 Z.B. Cream „Toad“ (Wheels Of Fire 1968, 1/1), Led Zeppelin „Moby Dick“ (Led Zeppelin II, 1969, 8/6, bzw. als Konzertmitschnitt auf The Song Remains The Same 1976, -). 61 Vgl. „Fireball“ (Fireball 1971, -), „Pictures Of Home“ (Machine Head 1972, 13/11), „Space Truckin’“ als Konzertmitschnitt (Made In Japan 1972, 3/3).

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zeuger Cozy Powell, der ebenfalls in die Reihe der virtuosen, den Backbeat hinter sich lassenden Rock-Schlagzeuger gehört.62 Neben diesen britischen Schlagzeugern muss mindestens noch der US-Amerikaner Carmine Appice genannt werden, der bereits 1967 als Mitglied von Vanilla Fudge einen ähnlichen Schlagzeugstil pflegt.63 Gleiches gilt für Paul Whaley von Blue Cheer.64 Diese Aufzählung von Schlagzeugern zeigt, dass Bill Ward und Black Sabbath nicht im luftleeren Raum agieren, sondern Teil einer allgemeineren Entwicklung sind. Dabei bleibt das Schlagzeugsolo eine Reminiszenz an bekannte Formen der Demonstration von Virtuosität, die beispielsweise aus dem Jazz übernommen worden sein können, während die variierende Spielweise im Ensemblespiel in der Folge eine neue Qualität gewinnt, die Teil der musikalischen Sprache des Heavy Metal wird. Im Umkehrschluss erscheint eine dominante Backbeat-Betonung im Schlagzeugspiel als Rockeinfluss und verschiebt die musikstilistische Einordnung im Rahmen des postulierten erweiterten stilistischen Kontinuums von Hard Rock bis Extreme Metal in Richtung Hard Rock. In der Auswertung prominent vertretene Bands, deren Schlagzeuger sehr Backbeat-orientiert spielen, wie AC/DC, Aerosmith, Deep Purple, Guns N’Roses und Motörhead, können damit in einer ersten Hypothesenbildung musikalisch eher als Hard Rock-, denn als Heavy Metal-Bands bezeichnet werden.65 Joe Perry und Steven Tyler von Aerosmith explizieren in einem für den Dokumentarfilm The Decline Of The Western Civilization Pt.II: The Metal Years (Spheeris 1988) geführten Interview ihre Abgrenzung vom Heavy Metal: Joe Perry: „The Heavy Metal Bands just picked upon one little thing that we did, you know, and we do that kind of music very well but this is like this much of what we do, and we do a whole bunch of things.“ [...] Steven Tyler: „It’s R&B, it’s those twos and fours. It’s the swing, it’s the jazz of it all.“ (Ebd. transkribiert von D.E.)

Damit ergeben sich zwei Ketten musikalischer Äußerungen im Traditionsstrom des Schlagzeugspiels, die den Backbeat entweder betonen oder auf62 Vgl. „Stargazer“ vom 1976er Album Rising (6/5), siehe auch Fußnote 6 in diesem Kapitel. 63 Vgl. „You Keep Me Hangin’ On“ (Vanilla Fudge, 1967, -). Vanilla Fudge werden in der Auswertung ignoriert. 64 Vgl. „Second Time Around“ vom Debüt Vincebus Eruptum (1968, 4/3). Außerdem findet sich in der Auswertung eine einmal genannte Best-Of-Zusammenstellung. 65 Zu den Auswertungsergebnissen von AC/DC, Guns N’Roses und Motörhead vgl. Kapitel VI.3., zu Deep Purple Fußnote 28. Aerosmith werden mit sieben Alben in der Auswertung genannt, von denen Rocks (1976, 9/7), Permanent Vacation (1987, 5/5) und Toys In The Attic (1975, 5/3) herausgehoben sind. Aerosmith haben 14 Studioalben und fünf Konzertmitschnitte veröffentlicht.

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VI.1 HEAVY (METAL): BLACK SABBATH

brechen. Erstere scheinen auf dem nordamerikanischen Kontinent in der Mehrheit zu sein, letztere in Europa bzw. besonders Großbritannien. Geddy Lee, Bassist der kanadischen Band Rush,66 meint im Interview für die DVD Metal – A Headbanger’s Journey: „Our first influence was really American blues that had been processed through the sensibilities of English rock musicians. They took American blues and threw it back at us“ (In: Dunn und Mc Fayden 2006 - transkribiert von D.E.). Bands wie Vanilla Fudge oder Blue Cheer erscheinen damit als Ausnahmen im Strom des nordamerikanischen Hard Rock, wie er sich in den späten 1960ern und frühen 1970ern entwickelt. Der Backbeat bleibt bei Bands wie Blue Öyster Cult, Grand Funk Railroad, MC 5, Montrose, Mountain, Stooges etc. immer dominant.67 Nicht umsonst werden einige dieser Bands mittlerweile als Urahnen des ebenfalls sehr Backbeat-lastigen Punk bezeichnet. Die anhand des Schlagzeugspiels skizzierte britische Entwicklung zur Eigenständigkeit aller instrumentaler Stimmen und der damit verbundenen Darstellung von Virtuosität aller beteiligten Instrumentalisten wird in den damaligen USA nur begrenzt aufgenommen.

Der Beginn einer musikalischen Sprache des Heavy Metal Black Sabbath in der Besetzung mit Ozzy Osbourne zeigen folgende Elemente einer beginnenden musikalischen Sprache des Heavy Metal. • Die Klangfarbe ist grundsätzlich verzerrt. Unverzerrte Klangfarben werden vor allem als Kontrast zur verzerrten Klangfarbe genutzt. Auf Akkordbrechungen beruhende und auf akustischen Instrumenten gespielte Einleitungen sind die vorrangige Art der Äußerung in unverzerrter Klangfarbe. Sie erinnern gerne auch an vergangene musikalische Stile und Epochen. • Die sonstigen musikalischen Äußerungen sind riffbasiert. Harmonische Fortschreitungen spielen eine untergeordnete Rolle. • Die Gitarre ist das solistische Hauptinstrument. Soli auf anderen Instrumenten, wie dem Schlagzeug, haben Ausnahmecharakter und dienen der einmaligen Zurschaustellung der Virtuosität des jeweiligen Musikers im Konzert- oder Albumkontext.

66 Zu Rush in der Auswertung vgl Fußnote 48 in diesem Kapitel. 67 Blue Öyster Cult sind mit sieben Alben in der Auswertung vertreten, von denen Agents Of Fortune (1976, 7/6) deutlich abgesetzt ist. Bei Grand Funk Railroad wird nur das Album Survival (1971, 1/1) erwähnt. Mit Kick Out The Jams (1969, 3 / 3) und Back In The USA (1970, 1/1) finden sich zwei Alben von MC5 in der Auswertung. Montrose sind mit ihrem gleichnamigen Debüt (1973, 5/4), Mountain mit zwei Alben (Climbing, 1969, 2/2 und Nantucket Sleighride, 1971, 1/1) vertreten. Die Stooges werden mit zwei ihrer drei Studioalben genannt (Raw Power, 1973, 4/3 und Fun House, 1970, 2/1).

131

SCHWERMETALLANALYSEN









Die formale Struktur der Äußerungen entwickelt sich aus der Reihung und Wiederholung von Gitarrenriffs. Die differenzierteste formale Struktur besteht aus abgesetzter Einleitung, dualem Hauptteil und erweitertem Schluss. Der Hauptteil charakterisiert sich durch den Gesang. Die abgesetzte Einleitung entspricht einem oder mehreren Gitarrenriffs, die exklusiv vor dem Hauptteil Verwendung finden. Der erweiterte Schluss präsentiert neues, meist instrumentales musikalisches Material im letzten Drittel des Stückes. Duale Strukturen teilen den Hauptteil nochmals in zwei Teile mit unterschiedlichem musikalischem Material, das musikalische Ideen aus vergangenen Formteilen nicht mehr aufgreift. Das rhythmische Ensemblespiel orientiert sich ebenfalls an den Gegebenheiten der Gitarrenriffs, die häufig die Grundlage der Basslinie und seltener auch der Gesangslinie bilden. Es lässt sich ein Interesse an einem die Betonungen der Gitarrenriffs doppelnden parallelen Ensemblespiel feststellen, welches das Schlagzeugspiel einschließt. Das Ensemblespiel setzt sich damit deutlich vom rhythmischen Ineinandergreifen einzelner Instrumentalstimmen im backbeatbasierten Ensemblespiel aus der Tradition des Rhythm & Blues ab. Die Gitarrenriffs sind vom Blues inspiriert. Sie bestehen aus Reihungen von Powerchords und bzw. oder Einzeltönen. Die Gitarrenriffs überschreiten jedoch die Grenzen der musikalischen Sprache des Blues zum Beispiel in der Emanzipation des Tritonus als eigenständigem Intervall sowie im Umgang mit Halbtonschritten und chromatischen Tonfolgen, die durchaus bevorzugt Verwendung finden. Das Schlagzeugspiel entwickelt sich weg von der reinen Begleitungsfunktion hin zu einem virtuoseren und variantenreicheren Stil, der den Backbeat nur noch als eine mögliche Variante begreift.

132

VI.1 HEAVY (METAL): BLACK SABBATH

Black Sabbath mit Ronnie James Dio – Unterschiede und Gemeinsamkeiten Black Sabbath mit Ronnie James Dio wirken auf den ersten Höreindruck wie eine andere Band. Die ebenfalls dominierende verzerrte Klangfarbe erscheint im subjektiven Höreindruck ausgewogener und transparenter. Klangliche Ungereimtheiten in den Lautstärkeverhältnissen der einzelnen Instrumente sowie Spielfehler, die auf den frühen Black Sabbath LPs immer zu hören waren, sind verschwunden. Der Klang wirkt indirekter – im Sinne von weiter von einem Konzerteindruck entfernt. Jedes beteiligte Instrument ist hervorragend zu hören.68 Die Gitarre klingt im Vergleich zu den ersten fünf LPs Effekt-beladener und damit weniger direkt sowie im Verhältnis zu den anderen Instrumenten leiser. Der Stimmklang von Dio ist wie bei Osbourne hochgradig personalisiert, er unterscheidet sich auch nicht von seinen Veröffentlichungen mit Rainbow oder seinem Solo-Projekt Dio. Im Vergleich mit Osbourne klingt Dio voller und weniger körperlos. Sein Gesangsstil ist zudem erheblich stärker durch Einwürfe und Melismen bestimmt als der Gesangsstil von Osbourne.69 Die Kompositionen auf Heaven And Hell beruhen in der Mehrzahl auf Vers-Chorus-Strukturen, allerdings finden sich alle deduzierten Elemente der formalen Struktur der ‚Ozzy Ära‘ wieder, wenn auch eher vereinzelt. Tabelle 21: Formale Struktur Black Sabbath Heaven And Hell, Auswahl Nr.

Titel

Dauer

Children H-A2 Of The

Pulslänge a,b,c,e,f=32

5:30 d=40 c2=48

Sea

a,f=8, c,d=16 H-A4

Heaven And Hell

6:56

c2=24 a,f2=32 e2=40 g=42 f3=48 e=64

Struktur 1

Struktur 2

Struktur 3

2

6a 6b3cc 6b4c d4eff2 Br 6a 3cc2 4b2

A B C B C D I V1 2(InV2C) ACB

S In2V1 C V2

2a 12bc2d 10b3c2a A A2

I VCIn2 VCIn1

e 6dc2 16be2

B A3 C

Br VC S

4f2f22f34f2 Br 4g

DE

In3 V2 Po

68 Für die Produktion zeichnet der bereits im Zusammenhang mit Deep Purples Album Machine Head (1972, 13/11) erwähnte Martin Birch verantwortlich, auf den im Zusammenhang mit Iron Maiden zurück zu kommen sein wird. 69 Liveaufnahmen von Stücken aus der ‚Ozzy Ära‘ mit Dio am Gesang verdeutlichen, dass Dio im Gegensatz zu Osbourne instrumentale Riffs immer mit vokalen Einwürfen begleitet und kommentiert. Vgl. die Aufnahmen von „Iron Man“, „N.I.B.“, „Paranoid“ und „War Pigs“ mit Dio auf der DVD Black Sabbath – Blue Öyster Cult: Black And Blue (2004) mit den Aufnahmen mit Osbourne auf den DVDs The Black Sabbath Story Vol.1 (2002) und Rock Milestones – Black Sabbath’s Paranoid (2005).

133

SCHWERMETALLANALYSEN

So greift „Children Of The Sea“ (H-A2, Tab. 21) die Struktur des ‚wiederholten Beginns‘ auf. Formteil A wird in unverzerrter Klangfarbe dargeboten und beruht auf Akkordbrechungen, die auch als Gesangsbegleitung fungieren. Das Titelstück „Heaven And Hell“ (H-A4, Tab. 21) präsentiert sich als duale Äußerung mit Hauptteil, Nebenteil und erweitertem Schluss, allerdings ohne abgesetzte Einleitung. Eine solche findet sich wiederum bei „Die Young“ (H-B2), wobei hier ein Synthesizer den Klang dominiert. „Children Of The Sea“ (H-A2) und „Neon Knights“ (H-A1) beinhalten jeweils ein abgesetztes Gitarrensolo. Das Gitarrenspiel beruht stärker als in den 1970er Jahren auf dreistimmigen Powerchords und vollständigen Akkorden, während die das Frühwerk der Band prägenden zweistimmigen Powerchords und Einzeltöne kaum zu Gehör kommen. Zudem bauen die Gitarrenriffs seltener auf chromatischen Bewegungen auf. Das Schlagzeugspiel ist insgesamt Backbeat-basiert und setzt damit den bereits nach den ersten beiden LPs beginnenden Trend fort. Paralleles Ensemblespiel findet sich deshalb vor allem zwischen Gitarre und Bass. Die Art des Bassspiels ist jedoch insgesamt weniger riffbasiert und mehr auf die Betonung der harmonischen Grundtöne ausgerichtet – bei gleichzeitig regelmäßigem Puls. An einigen Stellen wird die Art des Ensemblespiels aus der ersten Hälfte der 1970er zitiert, so im Anfangsriff des Titelstückes (H-A4), im den Vers begleitenden Riff ‚b‘ von „Children Of The Sea“ (H-A2), in einem Riff, das das Gitarrensolo in „Lady Evil“ (H-A3) abschließt und bei „Die Young“ (H-B2) vor dem letzten Vers. Der bisher deduzierten Sprache des Heavy Metal wird durch Heaven And Hell nichts Neues hinzugefügt. Die vorhandenen Bezüge auf die eigenen Äußerungen der 1970er Jahre erscheinen besonders durch das veränderte Klangbild und die erheblichen Unterschiede im Stimmklang von Ronnie James Dio und Ozzy Osbourne fast als Selbstzitate. Heaven And Hell bewegt sich insgesamt einen Schritt weg vom Heavy Metal und wieder hin zum Rock70 – zum US-amerikanischen Hard Rock der 1970er und beginnenden 1980er.

70 Das das Album beschließende „Lonely Is The Word“ (H-B4) zitiert im das Stück abschließenden Solo immer wieder eine melodische Figur aus „Stairway To Heaven“ von Led Zeppelin (Led Zeppelin IV, 1971, 14/12) und bekräftigt damit quasi die Hinwendung zum Hard Rock.

134

VI.2 CLASSIC METAL I: JUDAS PRIEST

2. Classic Metal I – das Zurückdrängen des Blues Rock- und Progressive RockEinflusses: Judas Priest Judas Priest in der Auswertung Judas Priest ist die meist genannte Band der Stichprobe. Dreizehn der 20 offiziellen Veröffentlichungen1 der Band finden sich in der Auswertung. Tabelle 22: Judas Priest in der Auswertung Nennungen

Album

Jahr

Quellen

10

British Steel

1980

10

Br

10

Stained Class

1978

8

Sc

9

Screaming For Vengeance

1982

9

Sv

9

Painkiller

1990

9

Pa

7

Sad Wings Of Destiny

1976

7

Sw

7

Defenders Of The Faith

1984

7

D Km

2

Kürzel

5

Killing Machine

1978

5

5

Unleashed In The East

1979

4

U

4

Point Of Entry

1981

4

Po

2

Turbo

1986

2

T

2

Sin After Sin

1977

2

Si

1

Ram It Down

1988

1

R

1

Angel Of Retribution

2005

1

A

Die Ergebnisse der Auswertung zeigen, ähnlich wie bei Black Sabbath, eine dreigeteilte Struktur. Der mittlere Bereich der Wertschätzung (Sad Wings Of Destiny bis Point of Entry) zerfällt nochmals in zwei Teile. Die Anzahl der Nennungen für die einzelnen Alben ist insgesamt enger gestaffelt und konzentriert sich nicht auf ein Album. Sechs der genannten Alben stammen aus den 1980er Jahren, fünf aus den 1970ern sowie je eines aus den Jahren 1990 und 2005. Eine Präferenz für eine bestimmte Schaffensperiode der Band ist damit nicht so eindeutig wie bei Black Sabbath. Vielmehr umfassen die in der Auswertung genannten Veröffentlichungen zwölf der vierzehn im Zeitraum von Mitte der 1970er Jahre bis 1990 1

2

Ohne die diversen Greatest Hits-Zusammenstellungen, aber inklusive der Konzertmitschnitte. Das Studioalbum Nostradamus (2008) wird nach Abschluss der Auswertung veröffentlicht. In den USA als Hell Bent For Leather mit einem zusätzlichen Song, der Fleetwood Mac Coverversion „The Green Manalishi (With The Two-Pronged Crown)“, veröffentlicht.

135

SCHWERMETALLANALYSEN

erschienenen Alben der Band.3 In den folgenden achtzehn Jahren bis 2008 erscheinen vier weitere Studioalben und zwei Konzertmitschnitte.4 Der Zeitraum von 1974 bis 1990 kann damit als die produktive Phase der Band gelten.

Bandbiographie und Imagewechsel Judas Priest5 werden 1969 ebenfalls in Birmingham/UK als Blues RockBand gegründet. Unter den Gründungsmitgliedern6 ist keiner der heute mit dem Namen Judas Priest assoziierten Musiker. Nach diversen personellen Wirren inklusive einer kurzfristigen Auflösung der Band findet sich 1974 die Besetzung mit Robert ‚Rob‘ Halford, Gesang, Kenneth ‚K.K.‘ Downing, Gitarre, Glenn Tipton, Gitarre und Ian Hill, Bass,7 die mit wechselnden Schlagzeugern8 bisher sechzehn Alben9 veröffentlicht hat. 1978, zwischen den Veröffentlichungen von Stained Class, das in der Auswertung den zweiten Platz einnimmt, und Killing Machine, vollziehen Judas Priest einen radikalen Imagewechsel hin zu einem Leder- und Nietenoutfit,10 das für alle Bandmitglieder bis heute verpflichtend ist und besonders im Falle von Sänger Halford starke Anleihen bei der Ikonografie schwuler Subkulturen macht.11 Songtitel wie „Hell Bent For Leather“ (Km-A4) und die 3

Es fehlt nur das Debütalbum Rocka Rolla von 1974 sowie der Konzertmitschnitt Priest Live von 1987. 4 Zusätzlich werden vier DVDs mit Livemitschnitten aus den Jahren 1982 (Live Vengeance ’82, 2006a), 1986 (Electric Eye, 2003a), 2002 (Live in London, 2002) und 2005 (Rising in the East, 2006b) veröffentlicht. Electric Eye enthält außerdem alle Videoclips der Band bis 1990 sowie Mitschnitte von sechs Auftritten in Fernsehsendungen der BBC aus den Jahren 1975 bis 1980. 5 Ausführliche biographische Angaben finden sich bei Daniels 2007, Popoff 2007 und Sharpe-Young 2007b. 6 Al Atkins (voc), John Perry (git), Bruno Stapenhill (bs) und John Partridge (dr). Der Bandname soll dem Titel des Bob Dylan Songs „The Ballad Of Frankie Lee And Judas Priest“ (John Wesley Harding, 1967, -) entnommen worden sein. 7 K.K. Downing und Ian Hill schließen sich Judas Priest bereits 1970 an, Rob Halford folgt 1973, Glenn Tipton 1974 kurz vor dem Beginn der Aufnahmen für das Debütalbum. 8 John Hinch (1973-75), Alan Moore (1971/72 und 1976), Simon Phillips (1977 als Gastmusiker für ein Album), Les Binks (1977-79), Dave Holland (1979-1988) und Scott Travis (seit 1989). 9 Rocka Rolla (1974), Sad Wings of Destiny (1976), Sin After Sin (1977), Stained Class (1978a) Killing Machine (1978b), Unleashed In The East (1979), British Steel (1980), Point Of Entry (1981), Screaming For Vengeance (1982), Defenders Of The Faith (1984), Turbo (1986), Priest Live (1987), Ram It Down (1988), Painkiller (1990), Angel Of Retribution (2005b), Nostradamus (2008). 10 „Judas Priest tears off the cloth and puts on the leather“ (Columbia Records Werbeanzeige von 1979, zitiert nach http://maddrakket.com/KILLINGMACHINE. html Zugriff am 22.6.2010). Auf der DVD Electric Eye (2003b) finden sich Mitschnitte von Fernsehauftritten vor und nach dem Imagewechsel. 11 Halford: „The imagery I created was simply out of a feeling that what I was doing before the leather and studs and whips and chains and motorcycles didn’t fit me. Priest was going onstage in very flamboyant saggy pants. It was

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VI.2 CLASSIC METAL I: JUDAS PRIEST

Integration eines Harley Davidson-Motorrads in die Bühnenshow unterstreichen diese Veränderung.12 Laut Gitarrist Downing ist der Imagewechsel erst 1980 mit den Tourneen zum meistgenannten British Steel Album abgeschlossen und durchgesetzt.13 Die Wahl eines neuen Bandlogos, das 1978 mit Stained Class erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wird, kann als Vorankündigung des Wechsels gelesen werden.14 Halford verlässt zwischen – je nach Quelle – 1991 und 1993 die Band und startet eine Solokarriere mit sieben Veröffentlichungen15 zwischen 1994 und 2002. Judas Priest präsentieren 1996 Tim ‚Ripper‘ Owens als neuen Sänger und veröffentlichen in dieser Besetzung je zwei Studio- und Livealben,16 die in der Auswertung ignoriert werden. 2004 gibt man die Wiedervereinigung mit Halford bekannt und veröffentlicht 2005 das Album Angel Of Retribution, das in der Auswertung mit einer Nennung eine marginale Rolle spielt. Ähnlich wie bei Black Sabbath existiert bei Judas Priest damit eine wichtige Besetzung, die jedoch den Posten des Schlagzeugers ausklammert. In der Folge werden deshalb die sechs meistgenannten Alben genauer betrachtet. Die Erscheinungsdaten dieser sechs Alben umfassen den gesamten als produktiv beschriebenen Zeitraum im Schaffen von Judas Priest von Mitte der 1970er Jahre bis zum Jahr 1990. Damit beinhaltet die Auswahl

12

13 14

15

16

very extroverted and fluffy in its visual tone, but I didn’t feel right. [...] So I said, ‚OK, I’m a gay man, and I’m into leather and that sexual side of the leather world - and I’m gonna bring that onto the stage.‘ So I came onstage wearing the leather stuff and the motorcycle, and for the first time I felt like, God this feels so good. This feels so right. [...] I thought to myself, ‚Do you realize what you’re doing here? I mean, you’ve got the whole thing going - the body harness, the handcuffs. You’ve got the whip, you’ve got the chains. This is like some total S/M fetish thing going on!‘ But nobody seemed to have a problem with it, and everybody was crazy for it, so we kept doing it“ (The Advocate 12.5.1998, zitiert nach http://maddrakket.com/KILLINGMACHINE. html Zugriff am 22.6. 2010). Ein Zusammenhang zwischen dem Gefühl von Freiheit und motorisierter Fortbewegung wird in vielen Texten und Videos von Judas Priest hergestellt. Vgl. „Exciter“ (Sc-A1), „Hell Bent For Leather“ (Km-A4), „Heading Out To The Highway“ (Po-A1), „Riding On The Wind“ (Sv-A3), „Rock Hard Ride Free“ (DA3), „Freewheel Burning“ (D-A1), „Turbo Lover“ (T-A1). Siehe auch Walser 1993: 115. Interview auf der DVD Classic Albums – British Steel (2001a). Das neue Logo verzichtet auf die verschnörkelte Typologie des alten zugunsten einer dynamischen Klarheit, die über einen gezackten Unterstrich noch verstärkt werden soll. Die Schrift ist zudem nicht mehr gerade, sondern diagonal von links oben nach rechts unten gekippt, eine Schreibweise, die bewusst mit negativen Assoziationen spielt. Zur Wichtigkeit der Bandlogos im Heavy Metal vgl. Elflein 2008b, Weinstein 1991:27-29. Von den Veröffentlichungen unter den Namen Fight, 2wo und Halford finden sich in der Auswertung das Fight Album War Of Words (1993, 1/1) und Resurrection (2000, 3/3) von Halford. Jugulator (1997), 98 Live Meltdown (1998), Demolition (2001b), Live In London (2003b). Auch die restlichen Äußerungen von Tim Owens werden ignoriert.

137

SCHWERMETALLANALYSEN

auch ein Album aus der Zeit vor dem Imagewechsel. Das den Imagewechsel ankündigende Stained Class und das ihn abschließende British Steel sind die beiden am meisten wertgeschätzten Alben. Die Einführung des Leder- und Nieten-Images kann damit als prägend für die hohe Wertschätzung von Judas Priest angesehen werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der ersten Hälfte der 1980er Jahre, dem Zeitraum der stabilsten Besetzung mit Schlagzeuger Dave Holland, in dem die Hälfte der sechs ausgewählten Alben entstanden ist. Die anderen drei herausgehobenen Veröffentlichungen wurden von unterschiedlichen Schlagzeugern eingespielt.17

Judas Priest mit Rob Halford – Instrumentierung, Komposition, Produktion Judas Priest musizieren in der Besetzung Gesang, zwei E-Gitarren, Bassgitarre und Schlagzeug. Tasteninstrumente werden ab dem Imagewechsel und bis Ende der 1980er Jahre aus der Liste der verwendbaren Instrumente gestrichen und auch vorher nur gelegentlich eingesetzt.18 Auf den Veröffentlichungen ab Mitte der 1980er Jahre finden Gitarrensynthesizer Verwendung. Painkiller überrascht 1990 mit einem selbstverständlichen Einsatz von Synthesizern in einem Teil der Stücke. Chorgesang bzw. mehrere Gesangsspuren sind im gesamten untersuchten Zeitraum häufig zu hören. Die Kompositionen werden ab British Steel von 1980 fast ausschließlich einem Team aus Sänger Halford und den beiden Gitarristen Downing und Tipton zugeschrieben.19 In den 1970er Jahren wechselt das Autorenteam häufiger, allerdings ist auch hier nur bei vier Stücken keiner der beiden Gitarristen beteiligt. Drei dieser vier Stücke sind Coverversionen.20 Die Kompositionen der Band werden damit fast ausschließlich von den Gitarristen gestaltet. Bassist Hill wird nur bei drei Äußerungen als Mitautor genannt, die Schlagzeuger gehen mit einer Ausnahme leer aus.21 17 Allan Moore (Sad Wings Of Destiny), Les Binks (Stained Class) und Scott Travis (Painkiller). 18 Z.B. „Prelude“ (Sw-B1) und „Epitaph“ (Sw-B4). Das Spiel der Tasteninstrumente wird Gitarrist Tipton zugeschrieben. 19 Mit Ausnahme von fünf Äußerungen: „(Take These) Chains“ (Sv-A5) und „Some Heads Are Gonna Roll“ (D-B3) werden Robert Halligan Jr. zugeschrieben. Zwei weitere haben die jeweiligen Produzenten Chris Tsangarides („A Touch Of Evil“, P-B3) und Roy Ramirez („Deal With The Devil“, A-A2) mitkomponiert; das fünfte Stück ist eine Coverversion von Chuck Berrys „Johnny B.Goode“ (R-B3). 20 „Diamonds and Rust“ (im Original von Joan Baez; 1977, Si-A2); „Better By You, Better By Me“ (i.O. von Gary Wright/Spooky Tooth; 1978, Sc-A3); „The Green Manalishi (With The Two-Pronged Crown)“ (i.O. von Peter Green/Fleetwood Mac; 1978, Km-B2). 21 Hill komponiert zwei Stücke des Debüts Rocka Rolla und „Invaders“ (Sc-A5) mit. „Beyond The Realms Of Death“ (Sc-B3) wird dem damaligen Schlagzeuger Les Binks zugeschrieben. „Our drummer at the time, Les Binks, was left-handed. One day he walked into the studio and picked up one of the guitars [...] Les

138

VI.2 CLASSIC METAL I: JUDAS PRIEST

Während in den 1970er Jahren Produzenten, Studios und Toningenieure von LP zu LP wechseln, werden die Veröffentlichungen der 1980er Jahre ausschließlich von Tom Allom produziert, der auch schon bei den ersten beiden Black Sabbath-LPs als Toningenieur gearbeitet hat. Drei Veröffentlichungen entstehen zudem im gleichen Studio auf Ibiza.22 Painkiller von 1990 wird von der Band gemeinsam mit Chris Tsangarides produziert, der bereits für Sad Wings Of Destiny von 1976 als Toningenieur gearbeitet hat. Der Einfluss von Produzenten und Studios auf das musikalische Schaffen von Judas Priest ist damit einerseits als eher gering einzustufen. Andererseits bilden sich auf tontechnischer Ebene durchaus Spezialisierungen und Spezialisten für Heavy Metal heraus.

Die ‚Metallisierung‘ der Klangfarbe I – die Ausdünnung der Mitten Eine spezifische, eher spitz oder hohl anmutende Ausprägung der verzerrten Klangfarbe der Gitarren dominiert den Klangcharakter der Judas PriestAlben. Die hohen und tiefen Frequenzbereiche werden betont, während der mittlere Bereich abfällt. Häufig finden zudem Frequenzmodulationen wie Flanging und Chorus Anwendung. Der Klang unterscheidet sich damit signifikant vom erheblich weniger höhenlastigen Klang bei Black Sabbath. Downings und Tiptons Interpretation der verzerrten Klangfarbe der Gitarren gilt in der journalistischen Fachpresse als sehr einflussreich. So schreibt Jürgen Ehneß in der Zeitschrift Guitar über British Steel: „Der Titel ist Programm und genauso klingen auch die Gitarren. Und alle anderen von Saxon bis Iron Maiden orientieren sich an diesem Gitarrensound.“ (Ehneß 2008: 53). Der Produzent Kevin Shirley23 beschreibt im Interview für die DVD Heavy Metal: Louder Than Life (Carruthers 2007) die für ihn typische Klangfarbe einer Heavy Metal- Gitarre ebenfalls als ähnlich der auf British Steel zu hörenden. Shirley: „There’s the rumble that carries the heaviness along, and there’s this really brittle top end which has got the definition, and the really good metal stuff combines that definition with the rumbles. [...] So you have this scooped

picked it up, turned it up-side down and played that riff.“ (K.K. Downing, Metal Works Liner Notes 1993 zitiert nach http://maddrakket.com/STAINED CLASS.html, Zugriff am 22.6.2010) 22 Point of Entry 1981, Screaming For Vengeance 1982 und Defenders Of The Faith 1984. 23 Kevin Shirley hat u.a. mit Aerosmith (Nine Lives 1997), Bon Jovi (Cross Road 1994), Dream Theater (drei Alben zwischen 1997 und 2001), Iron Maiden (siehe Kapitel VI.4) und Rush (Counterparts 1993) gearbeitet. Mit Ausnahme vom Dream Theaters Metropolis Pt.2: Scenes From A Memory (1999, 1/1) werden die genannten Alben in der Auswertung ignoriert.

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SCHWERMETALLANALYSEN sound on the guitars, where the middle is kind of taken out and you have the bottom and the top, as opposed to the Jimmy Page guitars, the mid-range. [...] There’s not a lot of bottom and not a lot of super-highs. Metal guitar really has got a sound of it’s own.“ (Ebd. – transkribiert von D.E.)

Eine unverzerrte Klangfarbe kommt – ebenfalls im Gegensatz zu Black Sabbath – zumindest nach dem Imagewechsel Ende der 1970er Jahre kaum mehr vor.24 Auch auf akustischen Instrumenten gespielte Einleitungen zu Kompositionen sind die Ausnahme.25 Stattdessen finden sich als Einleitung geräuschartige Sequenzen, die meist mit elektrischen Gitarren unter Zuhilfenahme der jeweils aktuellen Studiotechnologie hergestellt werden.26 Judas Priest sind derartigen klanglichen Spezialeffekten nie abgeneigt. Im Gegensatz zu Black Sabbath nutzen sie die Möglichkeiten, die ihnen die Studiotechnologie bietet. Bei British Steel werden so unter anderem Besteck, Gitarrenkabel und leere Flaschen als Klangerzeuger genutzt.27 Mitte der 1980er Jahre experimentiert die Band mit Gitarrensynthesizern und Guitar-to-Midi-Konvertern. Das entsprechende Album Turbo findet in der Auswertung allerdings geringen Anklang. Mit Gitarrensynthesizern erzeugte Klänge sind jedoch bereits auf Defenders Of The Faith zu hören.28 Eine klangliche Unterscheidung der beiden Gitarristen fällt schwer. Zum einen ist die individuelle Zuordnung bei häufig mehr als zwei in Mehrspurtechnik aufgenommenen Gitarren schwierig, zum anderen spielen beide häufig parallel. Meist erscheint der Klang der einen Gitarre ‚natürlicher‘, während die andere effektbeladener wirkt. Nach Abschluss des Imagewechsels verstärkt sich zwar die Trennung der beiden Gitarren im Stereobild, bleibt jedoch insgesamt moderat. Schlagzeug und Bass erklingen unverzerrt und unverfremdet. Perkussive Elemente spielen eine geringe Rolle. Der Stimmklang von Halford ist ähnlich wie bei Osbourne hochgradig personalisiert und ebenfalls von eher hoher Tonlage. Im Gegensatz zu Black Sabbath finden Dopplungen der Stimme in unterschiedlichen Lagen bis hin zum Chorgesang Verwendung. Als Hintergrundstimmen dienen neben der tontechnischen Vervielfältigung von Halford auch die Stimmen der beiden Gitarristen. Weitergehende Verfremdungen der Stimme über Modulations-, Hall- und Echoeffekte werden ebenfalls benutzt, so dass besonders in den 1970er Jahren die Gesangslinie einen konstruierten Charakter 24 Im Intro von Sv-B3 und Sv-A5 („Take These Chains“ – nicht analysiert) hört man zwar unverzerrte E-Gitarren, deren Klangfarbe über den Einsatz von Chorus, Flanging und Autopan Effekten allerdings stark verfremdet wurde. 25 Z.B. Sc-B3, A-7 („Angel“ – n.a.). 26 Z.B. B-A3, Sc-A5 („Invader“ – n.a.). 27 Vgl. das Kapitel „Metal Gods“ auf der DVD Classic Albums British Steel (2001a). 28 Z.B. D-B1 („Love Bites“ – n.a.).

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VI.2 CLASSIC METAL I: JUDAS PRIEST

erhalten kann, der die Art der Aufnahmetechnik geradezu betont und nicht zugunsten eines homogenen konzertartigen Eindrucks versteckt.29 Charakteristisch für das Klangbild von Judas Priest sind zudem hohe, lang gezogene Schreie an herausgehobenen Stellen des Arrangements, wie Stückanfang oder -schluss.30

‚Scream For Me‘ – zur Wichtigkeit des Schreis im Traditionsstrom des Heavy Metal Neben Halford von Judas Priest und Osbourne von Black Sabbath finden sich weitere Sänger mit eher hohen Singstimmen sowohl im englischen Blues Rock der 1960er und 70er Jahre als auch im Progressive Rock diesund jenseits des Atlantiks, so Robert Plant von der britischen Band Led Zeppelin, Geddy Lee von der kanadischen Band Rush oder Ion Anderson von der britischen Band Yes.31 Shepherd (1991: 170) beschreibt derartige Tenorstimmen als ‚körperlos‘.32 Weinstein (1991: 25-27) analysiert die Singstimme im Heavy Metal als immer in Konkurrenz zur Gitarre stehend. Die Stimme müsse ihren Platz im klanglichen Gefüge erkämpfen, da die Band nicht als Begleitung für die Stimme fungiere, sondern die Stimme gleichberechtigter Teil der Band sei. Dieser Platz erkämpft sich leichter mit einer hohen männlichen Singstimme, da sich diese im Frequenzspektrum deutlicher von für die Rhythmusgitarre notwendigen Frequenzbereichen unterscheidet als andere männliche Singstimmen. Sie treten eher in klangliche Konkurrenz zum solistischen Gebrauch der Gitarre. Die britische Band Deep Purple hat diese Konkurrenz als vermeintlichen Wettstreit zwischen Sänger Gillan und Gitarrist Blackmore explizit inszeniert.33 Walser (1993: 45-46) beschreibt den Stimmklang im Heavy Metal ebenfalls als dem Gitarrenklang ähnlich und betrachtet hohe Schreie als Ausdruck von Kraft und Intensität. Er nennt im Interview für die DVD Metal – A Headbanger’s Journey (Dunn und McFayden 2006) Halford von Judas Priest als promi-

29 Vgl. Sw-B2 („The Ripper“ – n.a.). 30 Vgl. Sw-A2, Sw-B1, Sw-B2 („The Ripper“ – n.a.), Sc-A1, Sc-A2 („White Heat Red Hot“ – n.a.), Sc-A4, B-B2, Sv-A2, Sv-B1, Sv-B2 („You’ve Got Another Thing Comin’“ – n.a.), D-A1, D-A2 („Jawbreaker“ – n.a.), D-A4, P-A1, P-A2 („Hell Patrol“ – n.a.). 31 Zu Led Zeppelin vgl. Fast 2001 und Kapitel VI.1, zu Rush vgl. Bowman 2003 und Fußnote 48 in Kapitel VI.1, zu Yes vgl. John Covach 1996 und 1997. Von Yes wird ein Album (Time And A Word, 1970, 1/1) in der Auswertung genannt. 32 Die Bedeutung dieser Art des Gesanges ist in der Wissenschaft strittig. Shepherds (1991:170) direkte analytische Verbindung zu männlicher Hegemonie wird von Fast (2001: 191) für den Bereich des Hard Rock als zu statisch zurückgewiesen. 33 Vgl. „Strange Kind Of Woman“ von 6:00 bis 8:30 auf Made In Japan (1972, 3/3). Zu Deep Purple in der Auswertung siehe Fußnote 28 in Kapitel VI.1.

141

SCHWERMETALLANALYSEN

nentes Beispiel für die Wiederkehr eines opernartigen Gesangstils aus dem 19.Jahrhundert. Walser: „There’s tremenduous effort involved, and so you get the return in I think particular people like Bruce Dickinson of Iron Maiden and Rob Halford of Judas Priest of this very operatic style of vocal production, that was developed in the 19th century before amplification in order to reach the back of the hall.“ (Ebd. – transkribiert von D.E.)

Die hohen Schreie des Rob Halford sind festgelegte Teile der Melodielinie und werden im Arrangement ausgestellt. Ihre deshalb notwendige exakte Reproduzierbarkeit stellt die Sänger in der Konzertsituation immer wieder vor Schwierigkeiten, die auch in Interviews thematisiert werden. Halford: „Listen to ‚Run Of The Mill‘ on the Rock a Rolla album, when I sing ‚You can’t go on, can’t go on‘. That is just an unbelievable range I can’t hit now... I’m glad I got it recorded. It is real, it’s not been fiddled about with knobs. It is a real human voice and I’m grateful we got it down for all time.“ (Metal Maniacs, Mai 2005)34 Owens: „I have to watch the note at the end of ‚Victim of Changes‘. I hold that note out really long live. I try to hold and hold it, and sometimes my voice just cracks. Nothing you can do, sometimes it just cracks.“ (Metal Update, 23.1.2002)35

In dem sich offiziell nicht an der Biographie von Owens orientierenden Spielfilm „Rock Star“36 wird die Wichtigkeit der exakten Reproduktion hoher Schreie immer wieder thematisiert. So reagiert der Sänger der Band im Film auf den im Publikum stehenden Fan (Mark Wahlberg), der seine Schreie exakt zu kopieren weiß. Die später im Film folgende Pressekonferenz, bei der der Fan Wahlberg als neuer Sänger der Band vorgestellt wird, kulminiert in einem langen Schrei von Wahlberg, der die skeptische Fachpresse von seinen Qualitäten überzeugen soll. Berger (2004: 49-60) betont anhand von 1992/93 geführten Interviews mit Owens die Wichtigkeit klei34 Vgl. http://maddrakket.com/ROCKAROLLA.html (Zugriff am 22.6. 2010). 35 Vgl. http://maddrakket.com/JUGULATOR.html (Zugriff am 22.6.2010). 36 Herek, Steven (2002). „The Steven Herek directed movie had originally gone under the title ‚Metal God‘ and had been based on a New York Times article in 1997 by journalist Andrew Revkin titled ‚Metal Head Becomes a Metal God‘ detailing the almost fairy tale rise of then unknown vocalist Tim ‚Ripper‘ Owens to stardom fronting his favorite act Judas Priest.“ (http://web.archive. org/web/20070126235809/http://www.rockdetector.com/officialbio,21230.sm Zugriff am 30.6.2010). Owens ist in die Produktion des Films nicht involviert. Judas Priest distanzieren sich vom Film.

142

VI.2 CLASSIC METAL I: JUDAS PRIEST

ner und kleinster Details in Melodieführung und Stimmklang im Heavy Metal, die zumindest zum Teil reproduzierbar sein müssen. Er unterscheidet deshalb zwischen dieser von ihm als virtuos benannten Kontrolle der Stimme im Heavy Metal und einer eher expressiven Kontrolle der Singstimme in anderen Rockstilen, mit Bruce Springsteens Gesangsstil als typischem Beispiel (ebd. 58). Walser (1993: 45) betrachtet dagegen die von ihm bei David Lee Roth von der US-amerikanischen Band Van Halen37 beobachteten Unterbrechungen des Textes durch „screams and other sounds of physical and emotional intensity“ (ebd.) als typisch für den Gesangsstil im Heavy Metal. Nach Bergers Argumentation sind die von Walser angeführten Unterbrechungen der Gesangslinie als Momente expressiver Kontrolle zu begreifen. Sie finden sich zwar immer an ähnlichen Stellen im Arrangement, dürfen jedoch von Konzert zu Konzert in der Ausführung differieren. Dies erinnert auch an die Melismen und Ausrufe von Dio, die in Kapitel VI.1 als Gegensatz zu Osbournes Gesangstil beschrieben worden sind. Weinstein (1991: 27) gelten diese im Bergerschen Sinne expressiven Unterbrechungen als vom städtischen Blues beeinflusst. Im Mooreschen stilistischen Kontinuum von Hard Rock und Heavy Metal liegt die expressive Unterbrechung der Melodielinie durch Schreie deshalb eher auf der Seite des Hard Rock, während die virtuose Kontrolle hoher Schreie als Teil der Melodielinie zur Heavy Metal-Seite tendiert. Der Stimmklang im Heavy Metal der 1970er Jahre ist damit eher hoch, mit lang gezogenen Tönen und Schreien. Bluesartige Phrasierungen werden zugunsten eines opernhafteren Gesangstils zurückgestellt. Seit den 1980er Jahren differenziert sich der Stimmklang im Heavy Metal jedoch aus, er wird zum Erkennungsmerkmal für bestimmte Substile. Die Stimmklangfarbe der 1970er Jahre, für die Halford durchaus exemplarisch steht, wird typisch für Classic Metal. Im Hard Rock bleiben die die Melodik unterbrechenden Blues-Einflüsse erheblich deutlicher erhalten. Zudem wird der opernhafte Anteil am Stimmklang auf weibliche Stimmen übertragen, die in der Kombination mit einer wahlweise ‚bluesigeren‘ oder verzerrten männlichen Stimme viele so genannte Gothic Metal Bands kennzeichnen. Im Extreme Metal wird die Stimmklangfarbe des Classic Metal bewusst vermieden, so dass spätestens hier nicht mehr von einer den Heavy Metal als ganzes kennzeichnenden Stimmklangfarbe ausgegangen werden kann. Ein Thrash Metal-Sänger schreit mehr, als dass er singt, und verdeutlicht 37 Acht der zwölf Alben von Van Halen werden in der Auswertung genannt. Die höchste Wertschätzung genießt das Debüt (Van Halen, 1978, 12/9). Mehr als einmal werden zudem 1984 (1984, 5/5), Van Halen II (1979, 5/4), Women And Children First (1980, 4/4) und Fair Warning (1981, 3/3) genannt. Zudem finden sich vier der sechs Soloalben von Sänger David Lee Roth in der Auswertung. Mehr als einmal werden Eat’em And Smile (1986, 5/5) und Skyscraper (1988, 3/3) genannt.

143

SCHWERMETALLANALYSEN

damit auch einen Punk Einfluss, während im Death Metal möglichst tief gegrowlt wird, Black Metal-Stimmen ein stimmloses Kreischen kennzeichnet und im Metalcore bzw. Melodic Death Metal zwischen geschrieenen und gesungenen Passagen gewechselt wird. Der Stimmklang im Extreme Metal verkörpert immer die von Walser betonte unerhörte Anstrengung, kann aber auch als Übernahme der das Klangbild des Heavy Metal prägenden Verzerrung in die Singstimme begriffen werden. Die Gesangslinie kulminiert deshalb auch im Extreme Metal im lang gezogenen Schrei, der jedoch nicht mehr in hohen Tonlagen angesiedelt wird, sondern in der für den jeweiligen Substil typischen Tonlage. Die Tonlage und Klangfarbe der Singstimme definiert Heavy Metal nicht, sie ist, sekundär zu Gitarre und Schlagzeug und dient der Abgrenzung von verschiedenen Substilen.

Die formale Struktur der komplexen Äußerungen Die musikalischen Äußerungen von Judas Priest beinhalten mehrheitlich neun oder zehn Kompositionen, die meist ungleichmäßig auf beide LPSeiten verteilt sind. Die Länge der Äußerungen auf den sechs herausgehobenen Veröffentlichungen schwankt zwischen 42 Sekunden und 7:44 Minuten. Über die Hälfte der Stücke dauert zwischen drei und fünf Minuten, ein weiteres knappes Viertel zwischen fünf und sechs Minuten. Nur drei Stücke sind kürzer als zwei Minuten und nur ein Stück ist länger als sieben Minuten. Die Stücke der drei Veröffentlichungen aus den 1980er Jahren sind im Schnitt 30 Sekunden kürzer als die Stücke der anderen Veröffentlichungen; hier findet sich auch kein Stück, das länger als sechs Minuten dauert.

Der Imagewechsel und die Vereinfachung der formalen Struktur – British Steel Das den Imagewechsel von Judas Priest abschließende Album British Steel von 1980 wird laut Auswertung am meisten wertgeschätzt. Die bei Black Sabbath deduzierte Reihung von mehr oder weniger oft wiederholten Gitarrenriffs als Grundlage der formalen Struktur wird hier von einer am Gesang orientierten periodischen Vers-Chorus-Struktur überlagert. So verzichten nur drei der neun Äußerungen38 auf einen expliziten Chorus, bei „Metal Gods“ (Br-A3, Tab. 23) wird der Chorus in Anlehnung an eine ‚klassische‘ AABA-Struktur in den Mittelteil verschoben. Auch das Gitarrensolo wird bei drei Stücken39 der Annäherung an Pop-Song38 Br-A2, Br-B3, Br-B4. 39 Br-A1, Br-A5, Br-B4.

144

VI.2 CLASSIC METAL I: JUDAS PRIEST

Strukturen geopfert. Zwei dieser drei Äußerungen ohne Gitarrensolo (BrA1, Br-A5, Tab. 23) werden auch als Singles veröffentlicht. Tabelle 23: Formale Struktur Judas Priest British Steel Nr. Br-A1

Titel Breakin’ the Law

Dauer

Pulslänge e=16

2:35

a,b,c,d, f=32

Struktur 1

Struktur 2

Struktur 3

2a 2(2bcc22d)

ABB

I VC VC

4e2f 2a6a2

C A2

B Po

A B B2 B B2

V1 V2

C B B2 B3

InV3SIn2

4a 2(2a2b) Br-A2

Rapid Fire

2(2a2b) 2(2a2b)

a=8 4:07

2(2a2b) 3cc2

b,c=16 2

2

b ,c ,d=32

10d4b 2(2a2b)

I V1 V2

V1 V2 O

2(2a2b) b2 O Br-A3

Metal Gods

I a 2a2b 4a2b 4:00

2c2b22c 2a2b

a,b,c=32

2b4b3

ABB

I Vp Vp

CBD

CSC Vp Po

ABCBC

I VC VC

D E A B C2

S B In VC

4a 2(2aa2a) 2b Br-A4

Grinder

3:57

a=16

2(2aa2a) 2b

b=32

2(2aa2a) 2c

c=64

2a 2(2aa2a) 2b 2b2 O

Br-A5

United

3:34

Living Br-B1

After

3:31

Midnight

a,b,c2=16 c=32

2a22a 2(2aa3ab2c)

ABBC

c22c34c4

I VpC VpC Po

b,c,d=32

I 2a 2(2bca)

IABABA

IC VpC VpC

a=64

3dd2a 2bc3a

CABA

B S VpC

You Don’t Br-B2

Have To Be Old

5:03

6a2b 3(4b2c2a)

a,b,c=32

10a

ABBBC

I VCIn VCIn SCIn Po

To Be Wise Br-B3

Br-B4

The Rage

Steeler

4:44

4:30

6a 4bcc2 2bcc2

a,b=32

2b2c

c=64

4a 2bcc2 8b2

c,e=16

4a 2(4a2b)2b2

a,b=32

6cBr2dd2d

d=64

4a2b Br36e

145

A B B B2

I InV InV In

ABC

S I InV Po I VIn VIn

ABBCBD

In2V2 VIn Po

SCHWERMETALLANALYSEN

Die dritte Single-Auskoppelung des Albums (Br-B1) zeigt im Rahmen einer Vers-Chorus-Struktur das bekannte bluesbeeinflusste Kompositionsmodell der Unterbrechung der Wiederholung eines Riffs durch kontrastierende Riffs. Das dominierende Riff ‚a‘ bildet deshalb auch die Grundlage des Chorus. Duale Hauptteile sind in diesem eng gesteckten formalen Rahmen nicht möglich, auch ein erweiterter Schluss findet sich nur als Abschluss des Albums (Br-B4, Riff ‚e‘). Als weitere Andeutung eines erweiterten Schlusses kann die Kombination des instrumentalen Einleitungsriffs ‚a‘ mit dem gesungenen Stücktitel im Playout von „Breakin The Law“ (Br-A1) und „You Don’t Have To Be Old To Be Wise“ (Br-B2) betrachtet werden, da in gewisser Weise ein neuer Formteil geschaffen wird, der trotzdem vertraut klingt. Dieses formale Modell wenden Judas Priest auch bei späteren Veröffentlichungen immer wieder an. Abgesetzte Einleitungen sucht man auf British Steel ebenfalls vergeblich, das musikalische Material der Einleitung wird im weiteren Stückverlauf wiederverwendet. Bei „The Rage“ (Br-B3) entsteht so ein ‚wiederholter Beginn‘.

Stained Class – reihende Strukturen vor dem Imagewechsel Das den Imagewechsel einläutende Album Stained Class von 1978 ähnelt in der formalen Struktur viel eher der bei Black Sabbath gefundenen Struktur der Reihung von Gitarrenriffs. Zwar finden sich auch hier einfache Vers-Chorus-Strukturen, allerdings noch nicht so dominant wie in der formalen Reduktion von British Steel. Tabelle 24 zeigt die formal komplexeren Stücke von Stained Class, immerhin fünf von insgesamt neun Äußerungen, sowie zwei entsprechende Beispiele aus dem vor dem Imagewechsel liegenden Album Sad Wings Of Destiny. „Exciter“ (Sc-A1, Tab. 24) reiht mehrere Formteile aneinander, nutzt anschließend das Mittel des ‚wiederholten Beginns‘ und endet mit einem erweiterten Schluss. Ein solcher findet sich auch bei „Heroes End“ (Sc-B4, Tab. 24) als Abschluss des Albums. Das Titelstück „Stained Class“ (Sc-A4, Tab. 24) präsentiert einen deutlich aufgewerteten Mittelteil mit vier neu eingeführten Riffs, die die Bridge begleiten und rahmen, sowie drei neue Varianten von Riff ‚b‘ zur Begleitung des Gitarrensolos. Bei „Beyond The Realms Of Death“ (Sc-B3, Tab. 24) werden ebenfalls neue Varianten von Riff ‚b‘ als Begleitung des das Stück beendenden Gitarrensolos genutzt – im eingeschränkten Sinn ein erwieterter Schluss. Im Playout (Formteil E) von „Stained Class“ (Sc-A4, Tab. 24) verlässt man sich dagegen auf Varianten des im Mittelteil präsentierten musikalischen Materials und vermeidet so einen erweiterten Schluss. „Saints In Hell“ (Sc-B1, Tab.24) wertet den Mittelteil über die Einführung einer zweiten Vers-Chorus-Struktur auf und sprengt so gleichzeitig eine konventionelle Vers-Chorus-Struktur.

146

VI.2 CLASSIC METAL I: JUDAS PRIEST

Tabelle 24: Formale Struktur Judas Priest Sad Wings Of Destiny, Stained Class (Auswahl) Nr.

Sw-A2

Titel

Tyrant

D.

4:28

Pulslänge

Struktur 1

k=8

3a 2b2cd

d,g,h,l=16

2a 2b2cd

a,b,c,e,f,i,

ee2ff2ff3

Struktur 2

ABABC

2

m,n,o=32

3g4g 4gh 2b2cd

e2,f3=48

ij8kl2klmn

j=64

ff2ff3 2b2cO

DBECB

2

Struktur 3

IVC IVC InB S VC In2 S B VC O

I a4bc2ba 2(d2bd2bc) Victim Sw-B1

Of

7:44

Changes

a,b,h=16

2be2b Br 3f

c,d,e,f,g,i,

2(d2bd2bc)

j=32

2be2b Br

I In1In2In1 ABCDBC

VC In3 VC B

EF

SIn4 V2C2 SIn1In3O

2g2g28g34h Br 17i6i2 4bfj O I 2aBr 2bcc2

h=4

2bcc3 Br

b2=8 Sc-A1

Exciter

5:33

a,b3,e=16 b,c,d=32

Class

2(3bb27cc2dd2)

i=16 a=32 g2=48

Sc-B1

Hell

b,c,d,e=16 5:30

2

The Realms

6:53

4

6b 4b 3b

5

2a 4abb2 4abb3

b ,e =20

2c212c 6dede2

b3=28 a=32

3a 6a2

Beyond Sc-B3

3

ABBCD 2

B E

I InVC InVC In2BIn3 S VC In2Po

2e4f34f43i

d,g=64 2

2efgg2f2h Br 3cc2dd2

d2=56

Saints In

VPo O

2a Br

b,c,e,f2, 5:19

I VC VC S B

B3 E

2b4b3 10h O

f3,f4=8 Stained

I VC VC S B

A B B 2 C2 D

5

b ,b ,b ,

Sc-A4

A B B2 C D

6b22g 2def

g=64 4

2aBr 2bcc

2

2bcc3 Br

f=48

3

14b2Br 2def

2a 2(4a4b) c2b

ABBCD A B2

I VC VC InR V2C2 In2 Po

ABBC

I Vp VpC

DBCE

S VpC S

b,c,d,e,f=1 2(4bc4b4d)

ABBC

I VVC VVC

6 a,g=32

B2 D

SBIn VC S O

b=16

8da 4a4b c

a,c,d=32

6b22b3

Of Death

2a2b Sc-B4

Heroes End

5:01

4efg3(efg)4e 4b4d 16e2 O

147

SCHWERMETALLANALYSEN

Auch beim deutlich vor dem Imagewechsel veröffentlichten Album Sad Wings Of Destiny von 1976 finden sich derartige Strukturen. Die Reihung mehrerer Formteile führt bei „Victim Of Changes“ (Sw-B1) zu einer deutlich abgesetzten Einleitung (A) und einem erweiterten Schluss (F). Die Darstellung der formalen Struktur des Stückes in ‚Struktur 3‘ erscheint auf für Judas Priest untypische Art unübersichtlich. Es ist nicht überraschend, dass das Stück aus zwei bereits existierenden Kompositionen zusammengesetzt worden sein soll.40 „Tyrant“ (Sw-A2) vernebelt den Eindruck der durchaus vorhandenen Vers-Chorus-Struktur durch zwei lange, jeweils fast 70-sekündige Mittelteile, die von einer Vers-Chorus-Abfolge unterbrochen werden. Die beiden Mittelteile reihen insgesamt zehn Gitarrenriffs aneinander, bevor Riff ‚f‘ in Varianten wiederholt wird, um einen geschlossenen Eindruck zu vermitteln.

Die Judas Priest’sche Formel – nach dem Imagewechsel Nach vollzogenem Imagewechsel entsteht bei Judas Priest eine konkrete Idee, wie ein Judas Priest-Stück formal aufgebaut zu sein hat. Der formal reduzierte, gesangs- und harmonikorientierte Ansatz von British Steel verschmilzt mit den stärker an einer Abfolge von Gitarrenriffs im Stil von Black Sabbath orientierten Kompositionsmodellen aus den 1970er Jahren. Bei den in Tabelle 25 versammelten Beispielen aus Screaming For Vengeance von 1982 fällt der überwiegend dreiteilige Aufbau des Hauptteils (Vers, Prechorus und Chorus) auf, während bei British Steel der Prechorus der formalen Reduktion zum Opfer gefallen war. Die vorherrschende Vers-Chorus-Struktur wird durch einen stark ausdifferenzierten Mittelteil erweitert, wie Judas Priest ihn schon vor dem Imagewechsel benutzt haben. Der Mittelteil besteht aus den Versatzstücken Instrumentalpart, Gesangsteil und Gitarrensolo, die beliebig kombinierbar sind und sowohl mit bereits bekannten als auch mit neuen musikalischen Äußerungen gestaltet werden können. So wird beim Titelstück von Screaming For Vengeance (Sv-B1, Tab. 25) über fünf Varianten des neu eingeführten Riffs ‚f‘ soliert, um anschließend noch drei weitere neue Riffs (‚g‘, ‚h‘, ‚i‘) anzufügen, bevor mit Riff ‚j‘ wieder zum Hauptteil übergeleitet wird. Auch bei „Fever“ (Sv-B3, Tab. 25) wird über drei neue Riffs (‚g‘, ‚h‘, ‚i‘) soliert, um danach noch ein weiteres Riff ‚j‘ einzuführen, bevor über die Wiederaufnahme eines Riffs aus der Einleitung (‚c‘) zum abschließenden Refrain übergeleitet wird. Ähnlich aufgebaute Mittelteile finden sich bei mehr als der Hälfte der Stücke auf Screaming For Vengeance.41 40 „Whiskey Woman“ und „Red Light Lady“, beide unveröffentlicht (vgl. http://maddrakket.com/SADWINGSOFDESTINY.html#1.%20Victim%20Of%20Chan ges, Zugriff am 22.6.2010). 41 Neben den beiden genannten Beispielen noch bei Sv-A2, Sv-A3 und Sv-A4.

148

VI.2 CLASSIC METAL I: JUDAS PRIEST

Tabelle 25: Formale Struktur Judas Priest Screaming For Vengeance, Defenders Of The Faith (Auswahl) Nr.

Titel

D.

Sv-A1

The Helion

0:41

Pulslänge a=64 c,i=16

Sv-A2

Electric Eye

3:39

a,b,e,f,g, 2

h,i ,j=32 e2=40 d=64

Sv-A3

Riding On The Wind

a,b,c,f=16 3:07

b2=24 d,e=32

Bloodstone

3:51

a,b,f,g, h=16 d2=24 c,d=32

Screaming Sv-B1

For

4:43

Vengeance

5:20

I VpC VpC

B2

S C (Po)

ABCC

I1 I2

DCB

VpC VpC

2cdd2e3bb2 2cd2e 3bb3e 2 3

4f4g2hh h e

3

4

b=56

2g 2h 3ij

i=16 d,e,f,

5

InSIn2-5

4c2dee Br 10c 2aba24c 2dee2 2(dd2ee22f) 2

2

3

2g4h3ii jj jj 6c

A B2 B B

I Vp VpC

C D B3

VpC S B C

4a4b 2(2c2c22b) dd2eBr

d,f,g,h ,

2(2c2c22b) dd2e

i,l=32

2ff2f3 gg2g3 h

h=56

2i4i22j2kl gg2g3

e,j,k=64

h2h 3ee24m O

ABCBC DEFE C

2

I VIn VIn pC VIn VIn pC In2 BSB C O

2a2b Br

c2=24 2

VpC Po

2

4f

h =16 b=19 Sentinel

ABBC

4a3bb2

ff ff 4f 4f

2

5:04

In S B VC

c,h=32

2

D-A4

I VC VC

CDB

2

c3,d,e, The

ABB

2(cac2a) 3ef4b

2(4c2dee2Br)

g =24 4:22

2(4acac24b) 2d4a

I4a4b

I ab 2c

3

Burning

S InB pC

d3ee2

j=16 a=24

a,b,c=16

D-A1

I VpC VpC

C D B2

2f2g2h 2a4i4i22j

3(3bb e)

h,j=32

Freewheel

ABB

2a2 2(4c2bd2e)

f2=12 f,i,

a,b,c,e2,g, Fever

Str. 3 I

3

d,e,g=64

Sv-B3

Str. 2 A

4acac23bb2

b3,e,h3=8 Sv-A4

Struktur 1 4a

3

b ,b ,c,f, g, h=32

2cdc3de e2e3e4e5 2cdc3de e2e3e4e6

ABCBC

I VpC VpC

Br 2a2b 2f4f2gf2

ADE

B1 S B2

gfb2 Br h27hh3

B2 C O

pC O

de2 3(e2e3e4e5)

a=64

e2e3e4e6 b3

149

SCHWERMETALLANALYSEN

Die Verschachtelung des Mittelteils wird bei der dritten herausgehobenen Veröffentlichung aus den 1980er Jahren, Defenders Of The Faith von 1984, zum Teil weiter vorangetrieben. Bei „Freewheel Burning“ (D-A1) wird nach der Wiederholung der Vers-Prechorus-Chorus-Abfolge ein neues Riff ‚f‘ eingeführt, das anschließend transponiert wird (‚f2‘). Darauf folgt ein Gesangsteil (Riffs ‚g‘ und ‚h‘), der das Gitarrensolo einrahmt, das wiederum auf vier neu eingeführten Riffs (‚i‘ – ‚l‘) aufbaut. Die Bridge wird so verdoppelt und lässt im Mittelteil quasi ein Lied im Lied entstehen. Auch in „The Sentinel“ (D-A4) wird das nach der Wiederholung des Hauptteils erklingende Gitarrensolo von zwei Gesangsteilen eingerahmt, die allerdings auf unterschiedliches musikalisches Material zurückgreifen. Vor dem über zwei neu eingeführte Riffs (‚f‘ und ‚g‘) erklingenden Gitarrensolo wird die instrumentale Einleitung mit Gesang wiederholt. Die anschließende zweite Bridge erklingt über ein weiteres neues Riff (‚h‘). Derartige Mittelteile nehmen auch Zeit in Anspruch, im obigen Fall 115 bzw. 130 Sekunden und damit über 40 Prozent der Stücklänge. Ähnliches gilt leicht eingeschränkt auch für die entsprechenden Stücke von Screaming For Vengeance, bei denen der Mittelteil zwischen 21 und 37 Prozent der Gesamtlänge andauert. Tabelle 26: Formale Struktur Judas Priest Painkiller (Auswahl) Nr.

Titel

Dauer

Pulslänge d=8

Pa-A1

Painkiller

6:07

a,b,c,e, f,h,i=16 g=32 f2,f3=8

Pa-A3

All Guns Blazing

3:57

c,d,g=16 a,b=32 a2,e=64

Struktur 1

Str. 2

Struktur 3

I 2a 2(4a2b) 4a22c2c22dd2d3 Br 2e4f3gg24a3 4a4b 2a22dd2d3

ABBCD B C2 E

I VC VC InBIn2 S VC InIn2 Po

8a43hib2 I 2a 2(2a22b) 4c3dd2 2e

ABBC

3cc2 2f3f23f3g

D B2 B C2

2

2

4b 2a 4b 8c 4b

3

B

I VC VC S S In VC S In

3

I 2a Pa-A5

Metal Meltdown

4:49

c,d=8 a,b,e,f=32

2(4b4c3c2d2e) 2b2Br 3

4

2b 2b Br2fBr

ABBC

I VpC VpC B

D B2 E

S InC Po

6e2 4b5 O I 3a 2(a2a3 Pa-B1

Night Crawler

5:45

a,c,d,e,f= 32 b=64

2b2c2d) a2a3Br 2 3

ABCBC

2be2e e 4fBr

BD

I 8a 2a2 2c4d

A B C2 B2

10a2

150

I In VpC In VpC In SIn2 In2 In pC Po

VI.2 CLASSIC METAL I: JUDAS PRIEST

Während bei Defenders Of The Faith der aus Vers, Prechorus und Chorus bestehende Hauptteil ebenfalls mit mindestens drei Riffs gestaltet wird, verzichten Judas Priest auf Painkiller bei manchen Stücken auf einen Prechorus. Sie nähern sich damit wieder mehr der formalen Reduktion von British Steel an. Das Titelstück „Painkiller“ (Pa-A1) zeigt, dass diese erneute Reduktion nicht zu Lasten des aufgewerteten Mittelteils (C und D) gehen muss. Zudem existiert ein erweiterter Schluss (E), den Judas Priest ansonsten weitgehend vermeiden. „Painkiller“ (Pa-A1) zitiert damit ein formales Element, das die Verankerung von Judas Priest im Traditionsstrom des Heavy Metal unterstreicht. Das das Album eröffnende Titelstück verdeutlicht exemplarisch die Absicht von Judas Priest, (wieder) Heavy Metal zu spielen.42 „All Guns Blazing“ (Pa-A3) zeigt mit fünf Riffs noch einmal die Tendenz zur Reihung von Riffs im Mittelteil (C, D). Das Stück beginnt mit unbegleitetem Gesang, der ähnlich wie das unbegleitete Gitarrensolo, mit dem „Metal Meltdown“ (Pa-A5) beginnt, als abgesetzte Einleitung betrachtet werden kann – ein weiteres formales Element zur Verankerung von Painkiller im Traditionsstrom des Heavy Metal, das Judas Priest ansonsten nur selten verwenden. Nach dem Imagewechsel findet es sich nur bei drei weiteren Äußerungen.43 Allerdings kann „The Helion“ (Sv-A1, Tab. 25) als abgesetzte Einleitung zu „Electric Eye“ (Sv-A2, Tab 25) gelesen werden, da beide Stücke ineinander übergehen und sowohl auf Livealben als auch auf „Best Of“-Zusammenstellungen nie getrennt behandelt werden. Die postulierte Verbindung eines gesangs- mit einem gitarrenrifforientierten Ansatz im formalen Aufbau einer musikalischen Äußerung von Judas Priest zeigt sich in der Kombination eines zwei- bis dreigliedrigen Hauptteils mit einem verschachtelten Mittel- oder Breakteil. Über die an den Mittelteil anschließende Wiederaufnahme von Elementen aus dem Hauptteil oder der Einleitung schließt sich die Form und betont die Nähe zum formalen Aufbau konventioneller Popmusik. Erweiterte Schlüsse und abgesetzte Einleitungen werden in diesem Zusammenhang gelegentlich genutzt, duale Hauptteile vermieden. Diese Formel kann und muss natürlich variierbar bleiben. So verschmilzt bei „Night Crawler“ (Pa-B1) – ähnlich wie bei „The Sentinel“ (DA4, Tab. 25) – der auf das Gitarrensolo folgende ‚wiederholte Beginn‘ über die Addition von Gesang formal mit der Bridge. Diese mündet wiederum in Formteil B, der im Stückverlauf mit einer Ausnahme jedem anderen Formteil folgt und der formalen Struktur des Stückes trotz vorhandener Vers42 Die beiden zwischen Defenders Of The Faith und Painkiller erschienenen Alben Turbo und Ram It Down erfahren eine deutlich geringere Wertschätzung in der Auswertung, sodass die Zustimmung zu Painkiller als Anerkennung einer Rückkehr zu alten Tugenden betrachtet werden kann. 43 Sv-B1, Sv-B3, D-A1.

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Prechorus-Chorus Abfolge so einen reihenden Anstrich verleiht. Das einmalige Fehlen von Formteil B nach dem Gitarrensolo unterstreicht zudem den Charakter des ‚wiederholten Beginns‘.

Der Breakdown als strukturierendes Element Judas Priest etablieren neben dem ‚wiederholten Beginn‘ eine weitere formal herausgehobene Art der variierten Wiederaufnahme eines bereits bekannten Gitarrenriffs, die die Transkription von Riff ‚a‘ aus „Breakin’ The Law“ (Br-A1) in Abbildung 21 zeigt. Abbildung 21: Ensemblespiel Judas Priest „Breakin’ The Law“ (Br-A1) Riff ‚a‘

Eine derartige Wiederaufnahme, bei der das einleitende Gitarrenriff in der Stückmitte unbegleitet dargeboten wird und Schlagzeug und Bass sukzessive wieder einsetzen, wird als Breakdown bezeichnet. Das Ziel des Breakdowns liegt im Spannungsaufbau. Jenseits seiner formalen Implikationen beschreibt er auch eine typische Art des Ensemblespiels, die gerne als Stückanfang oder im weiteren Stückverlauf über zu diesem Zweck neu eingeführte Gitarrenriffs genutzt wird. In mindestens der Hälfte der Stücke aller sechs hier in Frage stehenden Alben von Judas Priest finden sich derartige Breakdowns. Vor dem Imagewechsel dominieren Breakdowns über neu eingeführte Riffs, nach dem Imagewechsel gewinnen Breakdowns über bereits eingeführte musikalische Äußerungen zunehmend an Bedeutung – analog zur analysierten formalen Reduktion. Tabelle 27 zeigt die Anzahl der Stücke mit Breakdown in chro-

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nologischer Reihenfolge nach Album differenziert. Ein Breakdown zählt zu den bei aller Reduktion immer notwendigen Elementen des Judas Priestschen Kompositionsmodells, neben einem guten Einleitungsriff, einem zündenden Refrain und einem ausdifferenzierten Mittelteil. Tabelle 27: Breakdowns bei Judas Priest Breakdown

Album (Stücke) Sw (9)

Stückanfang

Bekanntes Riff in Stückmitte

B3

Neues Riff in Stückmitte A1, A2, B2, B3

Sc (9)

A2, A3, A4, B1, B4

(A1)

A2, A4, B1, B3, B4

Br (9)

A4, B2, B3, B4

A1, B2, B3

A2, B4

Sv (10)

A2, A3, B1

A2, A3, A4, A6, B2

B1, B3

D (10)

A2, A3

A3, B3

A1, A4, B1, B2

Pa (10)

A2, A4, A5, B5

A1, A2, A3, A4, A5, B2

B1, B3, B5

Die Aufwertung des Pulses im Ensemblespiel Der in Abbildung 22 notierte zweite Chorus (Formteil C) aus „The Sentinel“ (D-A4) enthält auf kleinem Raum viele typische Elemente des Ensemblespiels bei Judas Priest. Die gesamte Passage gilt in der formalen Analyse (Tab. 25) als Variante von Riff ‚e‘. Es finden sich parallel gespielte Einwürfe von Gitarren und Schlagzeug (Riff ‚e‘), Parallelführung der Gitarren zur Gesangsmelodie (‚e6‘), ein den Puls legender Bass und die Doppelung des Pulses in der Rhythmusgitarre unter Gesangsphrasen in jeweils der ersten Hälfte der Varianten ‚e2‘, ‚e3‘ und ‚e4‘, sowie kurze melodischrhythmische Einwürfe der Gitarren am Ende von Gesangsphrasen in der jeweils zweiten Hälfte von ‚e2‘, ‚e3‘ und ‚e4‘. Mit Ausnahme von Riff ‚e‘ ist das Schlagzeugspiel Backbeat-basiert. Die fehlende Variante ‚e5‘ beschließt den ansonsten identischen nicht notierten ersten Chorus. An das bei Black Sabbath gefundene parallele Ensemblespiel erinnern Riff ‚e‘ als Überleitung zum Chorus mit der Parallelführung von Schlagzeug und Gitarre und die harmonisch-rhythmische Parallelität der Äußerungen der beiden Gitarren und der Gesangsmelodie in Riff ‚e6‘ sowie im zweiten Teil von ‚e4‘. Judas Priest bevorzugen das parallele Ensemblespiel für kurze Einwürfe im Rahmen des Chorus,44 während es bei Black Sabbath nicht in einer Vers-Chorus-Struktur verortbar ist 44 Vgl. Br-A4, Sv-A2, Sv-B2 (“You’ve Got Another Thing Comin’“ – n.a.), D-B1 („Love Bites“ – n.a.), P-A5.

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Abbildung 22: Ensemblespiel Judas Priest „The Sentinel“ (D-A4) Riff ‚e‘ (zweiter Chorus - C)

Als komplexe musikalische Äußerung ist jede Variante von Riff ‚e‘ aus jeweils zwei Teilen zusammengesetzt, die unabhängig voneinander variiert werden und in der Transkription mit den Zusätzen ‚a‘ und ‚b‘ bezeichnet sind. Riff ‚e2‘ und ‚e3‘ unterscheiden sich im ‚a‘-Teil, ‚e2‘ und ‚e4‘ dagegen im ‚b‘-Teil. Riff ‚e3‘ und ‚e4‘ differieren dementsprechend sowohl im ‚a‘als auch im ‚b‘-Teil.45

45 Eine minutiöse formale Analyse könnte deshalb eigentlich von zwei sich abwechselnden Riffs ausgehen, die jeweils variiert werden und nicht von Varianten eines Riffs. Allerdings bedingt eine derartige detaillierte Herangehensweise

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Pillsbury (2006: 20-29) spricht von modularen Kompositionsmodellen, „because it uses independent riffs strung together into largely foursquare sections“ (ebd. 20). Diese modularen Strukturen zeichnen sich für ihn jedoch durch ihre Invariabilität aus. „Nevertheless in thrash metal these modules do not undergo any variation whatsoever during repetition“ (ebd. 22). Pillsbury betrachtet zudem größere formalen Einheiten als die hier analysierten Teilriffs als invariant. Eine Übernahme der Bezeichnung ‚modular‘ für dieser Art der Gitarrenriffs ist damit aufgrund der Judas Priest'schen Variationsbreite nicht angebracht. In Kapitel VI.5 wird überprüft, ob Pillsburys These der Invariabilität für seinen Gegenstand Thrash Metal zutrifft. Stattdessen soll hier von Gitarrenriffs gesprochen werden, die aus einer Kombination von puls- und riffbasiertem Ensemblespiel entstehen, wobei die puls- und riffbasierten Teilgruppen jeweils eine (fast) identische Länge aufweisen. Analog zur analysierten Verschmelzung von reihender und periodischer Struktur im formalen Aufbau vieler Äußerungen von Judas Priest wird im Aufbau eines Gitarrenriffs aus einem puls- und einem riffbasierten Teil das Riff viel eindeutiger an den Puls legenden Grundton gebunden als in den bei Black Sabbath analysierten Beispielen.46

Pulsbasiertes Ensemblespiel im Traditionsstrom des Heavy Metal Die Teilriffs ‚e2-a‘, ‚e3-a‘ und ‚e4-a‘ legen einen regelmäßigen Achtelpuls von Bass und Gitarre unter eine Gesangsphrase. Diese Ensemblespielweise ist nicht nur typisch für Judas Priest,47 sondern wird in der Folge auch typisch für Heavy Metal.48 Moore beschreibt sie als Spiel mit einer „repeatedly plucked bass string“ (1993: 148). In der vorliegenden Untersuchung wird diese Spielweise als pulsbasiert bezeichnet. Auf der Gitarre werden meist Powerchords oder Einzeltöne gegriffen, wobei die Saiten mit dem Handballen der Zupfhand am Ausklingen gehindert werden, so dass vor allem der Anschlag, die Attack, hörbar ist. Diese Spieltechnik wird als ‚Palm Mute‘ (P.M.) Technik bezeichnet. Ihren Ursprung hat sie ebenfalls im Blues Rock. „The Green Manalishi (With The Two Pronged Crown)“

eine Verschlechterung der Lesbarkeit der Ergebnisse. Um dies zu vermeiden, werden größere Gruppen von Varianten gebildet. 46 Derartige, aus einem puls- und einem riffbasierten Teil zusammengesetzte Gitarrenriffs finden sich auch bei Black Sabbath, stehen dort jedoch nicht im Zentrum des analytischen Interesses. Vgl. P-A2, M-A4 („Children Of The Grave“ – n.a.), H-A1 („Neon Knights“ – n.a.). 47 Vgl. Sc-A1, B-A1, Sv-B2 („You’ve Got Another Thing Comin’“ – n.a.), P-A1. 48 Vgl. Kap. VI.4 und VI.5. Slayer haben ihre Karriere als Judas Priest Cover-Band begonnen.

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der damals noch britischen Blues Rock-Band Fleetwood Mac49 aus dem Jahre 1970 zeigt einen derartigen regelmäßigen Achtelpuls auf der EGitarre als Gesangsbegleitung. Abbildung 23: Ensemblespiel Fleetwood Mac „The Green Manalishi [...]“

Judas Priest veröffentlichen 1979 eine Coverversion dieses Stückes.50 Das pulsbasierte Spiel der E-Gitarre wird bei Judas Priest über das parallele Ensemblespiel der beiden Gitarristen deutlicher akzentuiert. Die stärkere Verzerrung der Gitarrenklangfarbe bei Judas Priest und die diskutierte Absenkung des mittleren Frequenzbereichs führen zu einer Abflachung der dynamischen Hüllkurve des Klangs, so dass der gespielte Ton neben dem Anschlagsgeräusch deutlicher wahrgenommen wird, obwohl die Ausklingphase sehr kurz gehalten ist.51 Dadurch können Judas Priest die Abdämpfung der Saiten im Rahmen der ‚Palm Mute‘-Technik verstärken, ohne die tonale Definition zu verlieren. Gleichzeitig bemühen sie sich um einen möglichst exakten Pulsschlag, bei dem sich der Klang der einzelnen Pulse möglichst gering unterscheidet. Es entwickelt sich ein spieltechnischer Gestus, der – metaphorisch gesprochen – den Klang der verzerrten Klangfarbe mittels Abdämpfung gerade noch im Zaum hält und sich anstrengt, die Verzerrung zugunsten eines definierten Pulses an der Entfaltung zu hindern. Fleetwood Mac betonen mit der ‚Palm Mute‘-Spieltechnik dagegen viel stärker ein unaufgeregtes Zurücknehmen eines durchgehenden Gitarrenklangs. Led Zeppelin konterkarieren diesen entspannten Charakter der bluesbasierten ‚Palm Mute‘-Technik beim Anfang von „Communication

49 Fleetwood Mac werden in der Auswertung ignoriert. Nach dem Ausstieg von Gitarrist Peter Green, der „The Green Manalishi“ auch komponiert hat, verringern Fleetwood Mac den Blues-Anteil ihrer Musik sehr stark und siedeln in die USA über. 50 In den USA wird das Stück auf dem 1978er Studioalbum Hell Bent For Leather aka Killing Machine veröffentlicht, in Europa auf dem Konzertmitschnitt Unleashed In The East von 1979. 51 Vgl. Berger und Fales 2005: 184 und 190f. Berger und Fales analysieren eine Tendenz, die Verzerrung des Gitarrenklangs im Heavy Metal derart zu verstärken, dass die Attack als wahrnehmbare Dynamikspitze völlig verschwindet. Sie illustrieren dies an einem Judas Priest-Beispiel von 1976 (SwA2), bei dem die Attack wahrnehmbar ist, und einem Beispiel von Winter’s Bane aus dem Jahr 1993, bei dem die Attack keine Dynamikspitze mehr bildet.

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Breakdown“ von ihrem Debütalbum52 über ein hohes Anschlagstempo. Sie bleiben aber über den mittigen Klang der Gitarrenklangfarbe, ihr Desinteresse an der klanglichen Identität der einzelnen Pulse und das Fehlen einer zweiten Gitarre stark im Blues Rock verwurzelt. Deep Purple und Black Sabbath nutzen das pulsbasierte Spiel einer Rhythmusgitarre ebenfalls bereits Anfang der 1970er.53 Das pulsbasierte Spiel war im Ensemblespiel bis weit in die 1960er Jahre dem Bass vorbehalten. Die bereits diskutierte Aufhebung der strikten Rollenverteilung der Instrumentalisten im Ensemblespiel des britischen Blues Rock der 1960er Jahre führt nicht nur zum das Gitarrenriff doppelnden Bassspiel bei Black Sabbath, sondern auch zur Übernahme des Pulses aus dem Bass- in das Gitarrenspiel. Sie ist damit bereits Teil des Traditionsstroms musikalischer Äußerungen. Die anhand von Judas Priest vorgestellte Verstärkung der ‚Palm Mute‘-Spieltechnik mittels der Dopplung der Gitarren und der Veränderung von Anschlagtechnik und Klangfarbe wird Teil der musikalischen Sprache des Heavy Metal. Riff ‚a‘ aus „Communication Breakdown“ zeigt nicht nur pulsbasiertes Rhythmusgitarrenspiel, sondern auch bereits den Wechsel zwischen pulsund riffbasiertem Spiel, der oben als ein typisches Element des Ensemblespiels bei Judas Priest beschrieben worden war. Unter anderem auf derartigen, paralleles Ensemblespiel (inklusive der nicht notierten Bassgitarre) einschließenden Äußerungen beruht der Ruf von Led Zeppelin als Urahnen des Heavy Metal. Abbildung 24: Ensemblespiel Led Zeppelin „Communication Breakdown“ Riff ‚a‘

Die Kombination von puls- und riffbasiertem Ensemblespiel wird im Traditionsstrom des Heavy Metal in der Folge unterschiedlich variiert. Grundlage der hier vorgestellten Spielweisen bleibt die identische Länge der pulsund riffbasierten Teilbereiche der Äußerung, während auf kürzere Unterbrechungen eines durchgehenden Pulses in Kapitel VI.5 im Zusammenhang mit Metallica, Slayer und Megadeth genauer eingegangen wird. 52 Led Zeppelin I (1968, 6/5). Zu Led Zeppelin in der Auswertung vgl. Kapitel VI.1. 53 Vgl. Deep Purple „Highway Star“ (Machine Head, 1972, 13/11) Black Sabbath „Paranoid“ (Paranoid, 1970, 16/11). Zu Deep Purple in der Auswertung vgl. Fußnote 28 in Kapitel VI.1.

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Abbildung 25: Ensemblespiel Accept „Fast As A Shark“ Riff ‚a‘, Anthrax „Among The Living“ Riff ‚a‘, Savatage „Power Of The Night“ Riff ‚b‘ Pantera „Revolution Is My Name“ Riff ‚b‘, Megadeth „Kill The King“ Riff ‚a‘

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Ein an „Communication Breakdown“ erinnerndes paralleles Ensemblespiel zeigt auch Riff ‚a‘ aus „Fast As A Shark“ der deutschen Band Accept54 in Abbildung 25. Das parallele Ensemblespiel schließt ebenfalls die nicht notierte Bassgitarre ein und erscheint im pulsbasierten Spiel über die Dopplung jedes auf der Rhythmusgitarre gespielten Pulses auf dem Schlagzeug als verstärkt. Die New Yorker Band Anthrax hinterlegt im Chorus von „Among The Living“55 den Wechsel zwischen puls- und riffbasiertem Spiel dagegen mit einem durchgehenden Backbeat und verzichtet auf paralleles Ensemblespiel. Sowohl Anthrax als auch Accept arbeiten mit Halbtonschritten im riffbasierten Teilbereich. Savatage (USA) kehren in ihrem Stück „Power Of The Night“56 das Verhältnis um und singen über den riffbasierten Teilbereich – natürlich ist die Stimmführung von Stimme und Gitarre in diesem Fall parallel. Die E-Gitarren sind zwei Ganztöne tiefer gestimmt. Pantera (USA) spielen dagegen in „Revolution Is My Name“57 mit der Regelmäßigkeit des Pulses, indem sie das Tempo des auf der Gitarre gespielten Pulses im dritten Viertel des Riffs halbieren. Die Gitarre ist um einen Ganzton tiefer gestimmt. Dass Tempoverdopplungen oder –halbierungen im pulsbasierten Spiel auch ohne zwischengeschaltetes Riff möglich sind, zeigt – die Reihe der Beispiele abschließend – der Anfang von „Kill The King“ von Megadeth (USA).58

‚Metrische Ketten‘ – die Reihung von Gruppen von Pulsen zu Gitarrenriffs Das als Beispiel für einen Breakdown bereits transkribierte Riff ‚a‘ aus „Breakin’ The Law“ (Br-A1, Abb. 21) besteht formal aus zwei Hälften, die in jeweils drei Teilgruppen zerfallen. Das Riff konstituiert sich als Wiederholung einer Folge von 6+5+5 Pulsen (Abb. 26). Die Reihung zeigt über die Gesamtzahl von sechzehn Pulsen den Willen, innerhalb von durch vier 54 Restless and Wild (1982, 9/9). Fünf weitere der insgesamt elf Alben von Accept finden sich in der Auswertung. Mehr als zweimal werden auch Balls To The Wall (1983, 6/6) und Metal Heart (1985, 3/3) genannt. 55 Among The Living (1987, 5/5) Sechs der neun Studioalben von Anthrax sind Teil der Auswertung, außerdem finden eine EP und eine Zusammenstellung von Single-B-Seiten Erwähnung. Mehr als zweimal werden neben Among The Living Spreading The Disease (1985, 8/8), und State Of Euphoria (1988, 3/3) genannt. 56 Power Of The Night (1985, 2/2). Sechs weitere der insgesamt zwölf Studioalben von Savatage sind Teil der Auswertung. Hall Of The Mountain King (1987, 6/6) und Gutter Ballett (1990, 4/4) werden häufiger genannt als Power Of The Night. 57 Reinventing The Steel (2000, 1/1). Vier weitere der insgesamt zehn Alben von Pantera sind Teil der Auswertung. Vulgar Display Of Power (1992, 11/9) und Cowboys From Hell (1990, 7/7) werden häufiger genannt als Reinventing The Steel. 58 Capitol Punishment (2000, -). Zu Megadeth in der Auswertung vgl. Kapitel VI.5.

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teilbaren Einheiten zu operieren. Die Möglichkeit einer Gliederung in einen 4/4-Takt liegt deshalb nahe. Andere Reihungen derartiger einfacher Äußerungen sind aber genauso möglich. Die rhythmischen Grenzen durch Vier teilbarer Einheiten können so leicht gesprengt werden. Abbildung 26: Gitarrenriffs Judas Priest „Breakin’ The Law“ (Br-A1) Riff ‚a‘, „The Sentinel“ (D-A4) Riff ‚b‘

Riff ‚b‘ aus „The Sentinel“ (D-A4) hat beispielsweise eine Gesamtlänge von neunzehn Pulsen, die aus unterschiedlichen Kombinationen einer Dreier- und einer Zweiergruppe von Pulsen bestehen. Zur Abfolge von 3+3+2 Pulsen im ersten Teil des Riffs wird im zweiten Teil eine weitere Dreiergruppe addiert, sodass die Gesamtlänge von neunzehn Pulsen entsteht. Derartige Reihungen können auch als additive Metren aufgefasst werden, wenn man mit Pfleiderer (2006: 160) „die Addition unterschiedlich langer Einheiten“ als konstitutiv für den Begriff betrachtet. Allerdings bleibt eine terminologische Unschärfe erhalten, da auch identische Einheiten addiert werden können. Als Alternative bietet sich die Übersetzung des englischen Begriffes „compound meter“ als zusammengesetztes Metrum an, die die Konstruktion derartiger Riffs aus Teilgruppen von Pulsen unterstreicht. Die Bezeichnung als ‚metrische Ketten‘ ist dagegen metaphorisch zu verstehen - Teilgruppen von Pulsen bilden die Kettenglieder, die hinzugefügt oder weggenommen werden können. Hier entsteht zudem eine Assoziation an die endlose Kette der Äußerungen nach Bakhtin. Im Rahmen dieser Untersuchung bleibt die Bezeichung als Reihung von Gruppen von Pulsen die terminologisch genaueste Unterscheidung, die durch die metaphorische Bezeichung ‚metrische Ketten‘ ergänzt werden kann. Reihungen von Dreiergruppen sind eine beliebte Unterteilung des Pulses, die zur Komplettierung einer durch vier teilbaren Gesamtzahl von Pulsen pro Riff mit einer geradzahligen Einheit von zwei oder vier Pulsen ergänzt werden.

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Abbildung 27: Ensemblespiel Judas Priest „Grinder“ (Br-A4) Riff ‚a‘

Im Falle von Riff ‚a‘ aus „Grinder“ (Br-A4) wird die Gliederung in 3+3+3+3+4 Pulse im Rhythmusgitarrenspiel gegen den durchgehenden Puls des Basses und des Schlagzeuges gesetzt. Triolisches Spiel oder ein Shuffle-Rhythmus werden bewusst vermieden. Drei weitere Stücke59 auf British Steel beinhalten derartig aufgebaute Riffs – also über die Hälfte der Stücke dieser Veröffentlichung. Ein derartiger rhythmischer Aufbau von Gitarrenriffs, der auch als 3+3+2 halbiert werden kann, ist Teil des Traditionsstroms des Heavy Metal und findet sich deshalb auch in einigen der bereits in anderem Zusammenhang transkribierten Beispiele60 sowie in vielen anderen Heavy Metal-Stücken. Die Wurzeln dieser Unterteilung des Pulses liegen in afro- bzw. lateinamerikanischen Musizierpraxen. Abbildung 28: Unterteilung des Pulses: Son Clave, Bo Diddley, Rose Tattoo, Judas Priest, Tresillo

59 B-A5, B-B2, B-B4. 60 P-A2 Riff ‚a‘ (Abb. 8) von Black Sabbath, „Taking Back My Soul“ Riff ‚a‘ (Abb. 12) von Arch Enemy und „Fast As A Shark“ Riff ‚a‘ zweiter Teil (Abb. 25) von Accept.

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Abbildung 28 zeigt in der obersten Zeile die Son Clave aus der afrokubanischen Musik. Die zweite Zeile entspricht einer Abstraktion des Rhythmus, mit dem der afroamerikanische Gitarrist und Sänger Ellas Mc Daniel, genannt Bo Diddley, in den 1950er Jahren als eines der Bindeglieder zwischen Blues und Rock’n’Roll berühmt geworden ist. In seinen Stücken „Bo Diddley“ und „Pretty Thing“ wird der Rhythmus auf einer Trommel gespielt, in „Mona“ zusätzlich von einer Gitarre gedoppelt.61 Die dritte Zeile zeigt eine vereinfachte Darstellung der Rhythmusgitarre des Stücks „Once In A Lifetime“62 der australischen Band Rose Tattoo. Diese gelten unter anderem wegen ihrer direkten Übernahme derartiger rhythmischer Elemente als eine stark vom Blues beeinflusste Band, die eindeutig dem Hard Rock zuzuordnen ist. Die vorletzte Zeile bildet zum Vergleich nochmals Riff ‚a‘ aus „Grinder“ (Br-A4) von Judas Priest ab, das auch eine Verwandschaft zum in der letzten Zeile notierten kubanischen Tresillo bzw. lateinamerikanischen Habanera-Rhythmus aufweist.63 Sowohl die Son Clave als auch der Tresillo (Habanera) stimmen anfangs mit Riff ‚a‘ aus „Grinder“ (Br-A4) überein. Im Gegensatz zu Rose Tattoo verändern Judas Priest jedoch über die Einfügung einer dritten Gruppe aus drei Pulsen den Grundrhythmus und konstruieren ein Heavy Metal-Riff. Welcher der beiden Rhythmen für Judas Priest und den Traditionsstrom des Heavy Metal letztendlich ein wichtigerer Einfluss war, erscheint im Rahmen dieser Untersuchung aufgrund der Verbindung beider Rhythmen zu afroamerikanischen Musizierpraxen als zweitrangig. Im Ergebnis kann eine Gliederung in 3+3+2 Pulse inklusive ihrer möglichen Varianten als afroamerikanischer Einfluss und damit im Rahmen des Traditionsstroms der Rockmusik vereinfacht als Blues-Einfluss auf den Traditionsstrom des Heavy Metal betrachtet werden.

Pulsbasiertes Instrumentalspiel Pulsbasierte Gitarrenriffs Riff ‚a‘ aus „Painkiller“ (Pa-A1, Abb. 29) zeigt die eben diskutierte Gliederung des Pulses in mehrere Dreiergruppen, die über eine Vierergruppe abgeschlossen wird. Allerdings spielt die Rhythmusgitarre im Gegensatz zum 61 Bo Diddley (1958) bzw. für „Mona“ Have Guitar Will Travel (1960). 62 Blood Brothers (2007, -). Rose Tattoo sind mit zwei Alben, die jeweils einmal genannt werden, in der Auswertung vertreten. 63 Der Habanera-Rhythmus verbreitet sich über den Erfolg von „La Paloma“ bereits Ende des 19. Jahrhunderts in den USA und ist laut Pfleiderer (2006: 235) ebenfalls spätestens ab den 1950er Jahren „als Begleitrhythmus in populärer Musik in den USA weit verbreitet“ (ebd.).

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oben analysierten Riff ‚a‘ aus „Grinder“ (Br-A4, Abb. 27) alle Noten des Pulses mit, während die Gliederung in Untergruppen über unterschiedliche Tonhöhen eingeführt wird. Puls- und riffbasiertes Spiel verschmelzen, so dass diese Spielweise als pulsbasiertes Gitarrenriff bezeichnet wird. Der Wechsel zwischen hoch und tief in der Tonhöhenwahrnehmung und das damit zusammenhängende Verlassen und Beibehalten des pulsbasierten Spiels bedingen auch Veränderungen in der Wahrnehmung der Betonungsstruktur eines pulsbasierten Riffs. Abbildung 29: Gitarrenriffs Judas Priest „Painkiller“ (Pa-A1) Riff ‚a‘, „You’ve Got Another Thing Comin’“ (Sv-B2) Riff ‚d‘, „Freewheel Burning“ (D-A1) Riff ‚b‘

Während bei „Painkiller“ (Pa-A1) der pulslegende Ton immer zu Beginn einer Teilgruppe von drei Pulsen verlassen und damit betont wird, spiegelt Riff ‚d‘ aus „You’ve Got Another Thing Comin’“ (Sv-B2) die Verteilung von hohen und tiefen Noten innerhalb der Teilgruppen in der Mitte des Riffs und ändert dadurch auch die Betonungsstruktur. Als Gliederung ergibt sich eine Folge von 3+3+2 bzw. 3+5 Pulsen. Riff ‚b‘ aus „Freewheel Burning“ (D-A1) ist dagegen in 6+3+7 Pulse unterteilt, wobei die erste Betonung immer auf dem dritten Puls einer Teilgruppe liegt. Abbildung 30 zeigt pulsbasierte Gitarrenriffs von Queensrÿche, Dio, Fates Warning und Dokken – also aus dem Heavy Metal der 1980er Jahre.64 Bei allen vier Beispielen verschmelzen puls- und riffbasiertes Spiel zu einem pulsbasierten Riff. Im Gegensatz zu den Beispielen von Judas Priest liegt die Betonung fast immer auf dem letzten Puls einer Teilgruppe.

64 Zu Queensrÿche in der Auswertung vgl. Kapitel VI.4, zu Dio vgl. Fußnote 6 in Kapitel VI.1. Fates Warning sind mit sieben ihrer zehn Studioalben in der Auswertung vertreten, am meisten wertgeschätzt werden No Exit (1988, 3/3) und Parallels (1991, 3/3). Vier der ebenfalls zehn Alben von Dokken sind Teil der Auswertung, Tooth And Nail (1984, 7/6) und Back For The Attack (1987, 5/5) werden mehr als einmal genannt.

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Abbildung 30: Pulsbasierte Gitarrenriffs: Queensrÿche „Queen Of The Reich“, Dio „Stand Up And Shout“, Fates Warning „The Apparition“, Dokken „Kiss Of Death“

Queensrÿche unterteilen das Riff ‚b‘ aus „Queen Of The Reich“ (Queensrÿche, 1984, 4/4) in 6+6+4 und 6+4+6 Pulse, Dio das Anfangsriff von „Stand Up And Shout“ (Holy Diver, 1983, 9/8) in 4+3+3+6 und 4+3+4+5. Fates Warning wiederholen im Anfangsriff von „The Apparition“ (The Spectre Within, 1985, 2/2) stoisch fünfmal eine Einheit aus sechs Pulsen, deren Spannung sich im nicht mehr transkribierten nächsten Abschnitt über eine lang andauernde Note auflöst. Zusammen mit dem darunter liegenden Backbeat des Schlagzeugs ergibt sich eine mit Mitteln des Heavy Metal gestaltete Polyrhythmik. Dokken unterteilen das Anfangsriff von „Kiss Of Death“ (Back For The Attack, 1987, 5/5) in 4+4+6+6+4+8 Pulse. Die ‚metrischen Ketten‘ im Traditionsstrom des Heavy Metal bestehen damit meist aus Vielfachen von drei und zwei Pulsen und arbeiten mit der Spannung zwischen geradzahligen und ungradzahligen Teilgruppen. Innerhalb einer ungradzahligen Teilgruppe von Pulsen existieren drei Möglichkeiten der Betonung: am Anfang, am Ende oder in der Mitte der Teilgruppe. Abbildung 31: Betonungsmöglichkeiten in Gruppen von drei Pulsen

Von diesen drei Möglichkeiten nutzen Judas Priest meist die erste, während in den Beispielen aus Abbildung 30 meist die zweite genutzt wird. Die dritte Möglichkeit der Betonung findet sich eher selten.

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Pulsbasiertes Schlagzeugspiel Abbildung 32: Ensemblespiel Judas Priest „Painkiller“ (Pa-A1) Riff ‚a‘

Neben der Gitarre kann auch das Schlagzeug in die pulsbasierte Spielweise integriert werden. Dabei wird der Puls im Heavy Metal häufig auf der Bass Drum erzeugt und nicht bzw. eher selten auf den Becken. Die Bass DrumFigur zum bereits zitierten Riff ‚a‘ aus „Painkiller“ (Pa-A1) zeigt dies deutlich. Der durchgängige Puls des Gitarrenriffs wird von der Bass Drum unterstützt und verstärkt. Gleichzeitig entsteht das bekannte Spannungsverhältnis zwischen den Teilgruppen aus vier Pulsen in der Bass Drum und den Dreiergruppen von Pulsen im Gitarrenriff. Die Spieltechnik, mit der diese sehr schnelle Abfolge von Impulsen auf der Bass Drum möglich wird, nennt sich Double Bass-Technik und beruht, wie der Name schon sagt, auf der Verwendung von zwei Bass Drums, die abwechselnd mit dem linken und rechten Fuß angeschlagen werden.65 Regelmäßige Double Bass-Figuren, die parallel zur Gitarre gespielt werden, finden sich auch in den obigen Beispielen von Accept und Megadeth (beide Abb. 25). Eine Konsequenz der Double Bass-Technik ist, dass kein Fuß mehr für die Bedienung des Hi-Hat-Pedals zur Verfügung steht, sodass diese meist in halboffener Stellung festgestellt wird und deshalb für Betonungen und Akzente im Schlagzeugspiel nicht benutzt werden kann. Beim obigen Ausschnitt aus Panteras „Revolution Is My Name“ (Abb. 25) liegt der Puls im zweiten und vierten Viertel des Riffs zwar auf der Hi-Hat, eine unterschiedliche Betonung der Hi-Hat-Schläge ist jedoch nicht zu hören. Die Double Bass-Technik kommt bei Black Sabbath nicht vor, obwohl mit dem in Kapitel VI.1 beschriebenen Impuls, das Schlagzeugspiel in der Rockmusik ins Virtuose zu erweitern, auch die Double Bass-Technik aus

65 Es ist auch möglich, mittels einer speziellen Pedalkonstruktion eine Bass Drum mit zwei Pedalen zu bedienen. Dies erfreut sich im Heavy Metal vor allem aus optischen Gründen geringerer Beliebtheit.

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dem Jazz übernommen wird.66 Judas Priest verwenden sie dagegen bereits in den 1970er Jahren.67 Neu an der sich im Rahmen des Traditionsstroms des Heavy Metal etablierenden Spielweise der Double Bass ist vor allem die durchgängige und herausgehobene Nutzung der Spieltechnik, die diese zu einer Grundlage des stilspezifischen Schlagzeugspiels macht und nicht nur als virtuosen Effekt nutzt.68 Der von Black Sabbath bekannte Wechsel zwischen Formteilen binärer und ternärer Ausgestaltung wird bei Judas Priest in der Vers-Chorus-Abfolge bei „Painkiller“ (P-A1) wieder aufgenommen und bildet sich im pulsbasierten Schlagzeugspiel ab. Außerdem beschleunigen sie die Tempowahrnehmung im den Chorus markierenden Riff ‚b‘ zusätzlich über die Verdopplung der Anzahl der Snareschläge. Die Überlagerung reihender Strukturen durch periodische Strukturen bei Judas Priest wird nochmals deutlich. Abbildung 33: Ensemblespiel Judas Priest „Painkiller“ (Pa-A1) Riffs ‚a‘ und ‚b‘

Dieser Wechsel zwischen ternärem und geradem Puls verstärkt die Riff ‚a‘ bereits inhärente Spannung zwischen Drei und Vier. Der Gesang über den transkribierten Abschnitt von Riff ‚b‘ aus „Painkiller“ (Pa-A1) besteht nur aus zwei Silben, die am Anfang der ersten und dritten Sextole stehen und jeweils eine Viertelnote dauern. Die parallel existierenden unterschiedlichen Teilungen des Pulses zeigen sich deutlich. Die resultierende Tempowahrnehmung kann uneindeutig werden, da bei sehr schnellem pulsbasiertem Spiel der Double Bass oder auch der Gitarre die anderen Instrumente – und besonders der Gesang – gerne in lange kontrastierende Notenwerte verfallen. Grundsätzlich bleibt das Schlagzeugspiel bei Judas Priest jedoch backbeatbasiert. 66 Jazz-Schlagzeuger wie Ray McKinley in den 1940er Jahren und Louie Bellson in den 1950er Jahren werden als Begründer dieser Technik bezeichnet. Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Bass_drum#Double_bass; Zugriff am 30.6. 2010. 67 Vgl. Si-B4 („Dissident Aggressor“ – n.a.), Sc-A1, Sc-A2 („White Heat Red Hot“ – n.a.), Sc-B2 („Savage“ – n.a.). 68 Ausgehend von der potentiellen ‚Normalität‘ der Double Bass im Classic Metal wird die Spieltechnik im Extreme Metal wiederum virtuos aufgeladen, indem die Impulsdichte gesteigert wird sowie Pausen und unterschiedliche Impulslängen eingefügt werden.

166

VI.2 CLASSIC METAL I: JUDAS PRIEST

Abbildung 34: Schlagzeugfigur Judas Priest Backbeat

Die beschriebene Reduktion der formalen Mittel bei British Steel führt Schlagzeuger Dave Holland zu einem reduzierten Backbeat, bei dem die Hi-Hat Viertel- oder wahlweise Achtel-Noten spielt. Ein derartiger Backbeat findet sich bei vier von neun Stücken auf British Steel69 und fünf von zehn Stücken auf Screaming For Vengeance.70 Auf den beiden herausgehobenen Veröffentlichungen der 1970er Jahre wird der reduzierte Backbeat nur einmal (Sc-A4) präsentiert. Ansonsten dominieren Variationen dieses Beats mit zusätzlichen und sich abwechselnden Bass Drum-Impulsen. Scott Travis spielt auf Painkiller von 1990 dagegen in sieben von zehn Stücken Double Bass-Figuren.

Das Ensemblespiel mit zwei Gitarren – Möglichkeiten und Beschränkungen Obwohl Judas Priest seit Beginn ihrer auf Tonträgern dokumentierten Karriere mit zwei Gitarristen arbeiten, wurde in den bisherigen Transkriptionen fast immer nur eine Gitarrenspur notiert. Die Begründung liegt im parallelen Ensemblespiel beider Gitarristen in der überwältigenden Mehrzahl der Äußerungen. Die Parallelführung beider Gitarrenstimmen soll den Klang der verzerrten Klangfarbe verdichten – Tipton und Downing bestätigen und demonstrieren dies im Interviewteil der DVD Classic Albums – British Steel (2001a) anhand von „Grinder“ (Br-A4, Riff ‚a‘): „One guitar is doing this („Grinder“ Riff ‚a‘) and you’ll see, when Ken comes in, it's much stronger. („Grinder“ Riff ‚a‘) It has got a lot more strength particularly for a live performance in stereo“ (ebd. - transkribiert von D.E.). Beide Gitarristen sind trotzdem an einer individuellen Färbung ihres Klanges interessiert. Unterschiede ergeben sich zudem im mikrorhythmischen Bereich aufgrund der zwangsläufig unterschiedlichen Spieltechnik beider Gitarristen, die jedoch im hier interessierenden Rahmen vernachlässigbar sind. Da wegen der Weiterentwicklung der Mehrspurtechnik im Tonstudio71 seit den 1970er Jahren die Möglichkeit für die Aufnahme zahl69 Br-A3, Br-A4, Br-A5, Br-B2. 70 Sv-A2, Sv-A6 („Pain And Pleasure“ – n.a.), Sv-B2 („You’ve Got Another Thing Comin’“ – n.a.), Sv-B3, Sv-B4 („Devil’s Child“ – n.a.). 71 In den 1960er Jahren waren Achtspur-Rekorder, auf denen z.B. Pet Sounds der Beach Boys aufgenommen wurde, das tontechnische Maß der Dinge. Die Beatles nutzten für Sgt Pepper’s Lonely Hearts Club Band bekanntlich noch VierspurMaschinen. Eine der ersten 16-Spur Aufnahmen, die auf Schallplatte veröffent-

167

SCHWERMETALLANALYSEN

loser Gitarrenspuren besteht, die auch von ein und dem selben Gitarristen eingespielt werden können, liegt der Antrieb für eine Arbeit mit zwei Gitarristen eher in der Konzertsituation als in der Studio- bzw. Aufnahmesituation begründet. Im Konzert ermöglicht die Präsenz zweier Gitarristen die Addition einer begleitenden Gitarre zum Gitarrensolo, die bei Bands mit nur einem Gitarristen wie Black Sabbath nicht gegeben ist. Daraus ergibt sich als Erweiterung der bestehenden Kompositionsmodelle wiederum die Möglichkeit, die solistischen Darbietungen eines Gitarristen auch mit neuen musikalischen Ideen des zweiten Gitarristen zu begleiten und zu diesem Zweck neue Gitarrenriffs einzuführen. Im Unterschied zum bei Black Sabbath beschriebenen abgesetzten Solo müssen in einer Besetzung mit zwei Gitarristen keine neuen Riffs zur Rahmung des Solos mehr eingeführt werden. Die Präsenz einer zweiten Gitarre erlaubt die Einführung neuer Riffs parallel zum Solo. Der Bezeichung ‚abgesetztes Solo‘ soll auch für derartige Äußerungen Verwendung finden. Bei Black Sabbath wird eine analoge Ausnutzung der Mehrspurtechnik erst in der Besetzung mit Dio im Jahre 1980 wahrnehmbar. Judas Priest nutzen nur auf der formal reduzierten LP British Steel keine abgesetzten Soli. Die Aufführung solch abgesetzter Soli bedingt eine funktionale Aufteilung der beiden Gitarristen in Solist und Begleitung bzw. Solo- und Rhythmusgitarrist, die in der Rockmusik – auch als personelle Trennung – seit den Beatles und Rolling Stones üblich ist. Judas Priest heben diese personelle Trennung auf und arbeiten mit zwei formal gleichberechtigten Gitarristen, die ihr Rollenverständnis allerdings immer auch als Konkurrenzsituation inszenieren. Tipton und Downing beschreiben dies im Interview für die DVD Classic Albums – British Steel (2001a) anhand von „Rapid Fire“ (B-A2). Tipton: „It was healthy and competitive. Yes we did try to outdo each other. [...] If Ken had gone in there (den Aufnahmeraum im Tonstudio – D.E.) first I thought o.k. I’ll better that and then he’s goin’ (to say), I’ll better that. It was really healthy and competitive guitar playing.“ (ebd., transkribiert von D.E.)

Im Beiheft zu Painkiller findet sich eine Liste, die die so genannten ‚Lead Break Credits‘ für jedes Stück des Tonträgers nach den beiden Gitarristen differenziert. Die bereits mehrfach zitierte Webseite „The Judas Priest Info licht wurde, soll „Crimson and Clover“ von Tommy James and the Shondells aus dem Jahr 1968 gewesen sein. In den meisten professionellen Tonstudios geschah die Erweiterung der Mehrspuraufnahmetechnik auf mindestens sechzehn Spuren jedoch ab den 1970er Jahren, wobei 24 Spuren später zu einem verbreiteten Standard werden. Bei der Aufnahme einer Band mit der Besetzung zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und Gesang auf 24 Spuren bleiben selbst bei einer Aufnahme des Schlagzeugs auf acht Spuren mindestens fünf bis sechs Spuren für zusätzliche Gitarren übrig (vgl. Dickreiter 1997 und Henle 2001).

168

VI.2 CLASSIC METAL I: JUDAS PRIEST

Pages“72 verzeichnet jedes Solo auf jedem bisher veröffentlichten Stück von Judas Priest getrennt nach beiden Gitarristen. Diese Praxis bleibt im Traditionsstrom des Heavy Metal von Bedeutung und findet viele Nachahmer. Beispielsweise halten auch Slayer73 akribisch auf dem Cover ihrer Tonträger fest, welcher der beiden Gitarristen Kerry King und Jeff Hannemann welches Solo gespielt hat. Gleiches gilt für die bereits erwähnte schwedische Band Arch Enemy, um nur zwei Beispiele anzuführen. Neben dem direkten Unisonospiel und dem Wechselspiel zwischen Solo- und Begleitung existiert eine weitere Möglichkeit des Zusammenspiels zweier Gitarren – das zweistimmige Spiel. Abbildung 21 zeigte bereits ein Spiel in Oktavparallelen an Hand von Riff ‚a‘ in „Breakin’ The Law“ (Br-A1), das sich bei Judas Priest häufiger bei melodischen Motiven findet. Weitere Beispiele für zweistimmige Gitarrenlinien finden sich in diversen Beispielen der in Frage stehenden Alben.74 Im Unterschied zum solistischen Spiel dominieren hier nicht Skalen und Verzierungen in hohem Tempo, sondern melodische Elemente in vergleichsweise gemäßigtem Tempo. Die Reduktion der Mittel auf British Steel zeigt sich auch im weitgehenden Fehlen zweistimmiger Gitarrenlinien – mit Ausnahme der zitierten Oktavparallelen in „Breakin’ The Law“ (Br-A1).

Eine erste Ausdifferenzierung einer musikalischen Sprache des Heavy Metal Als Fazit der Betrachtungen zu Judas Priest zeigt sich besonders nach dem Imagewechsel Ende der 1970er Jahre der Beginn einer Ausdifferenzierung der musikalischen Sprache des Heavy Metal. • Die Klangfarbe ist weiterhin grundsätzlich verzerrt. • Das solistische Hauptinstrument bleibt die Gitarre. Die Besetzung wird jedoch um eine Gitarre erweitert. Beide Gitarren sind potentielle, miteinander konkurrierende Soloinstrumente. Die individuelle Zuordnung der solistischen Einlagen erscheint deshalb eminent wichtig. Das melodische Spiel beider Gitarren in parallelen Intervallen nimmt dabei eine Sonderrolle ein, deren Wichtigkeit für Judas Priest jedoch häufig überschätzt wird. • Lang gezogene, detailgetreu reproduzierbare Schreie an herausgehobenen Stellen des Arrangements vermitteln eine virtuose Kontrolle der Stimme, die gleichzeitig eine immense körperliche Anstrengung abbildet. Die Stimmklangfarbe ist je nach Substil des Heavy Metal verschie72 http://maddrakket.com/MENU.html 73 Zu Slayer in der Auswertung siehe Kapitel VI.5. 74 Sw-A2 Riffs ‚k-n‘, Sw-B2 Riff ‚c‘ („The Ripper“ – n.a.), Sc-A1 Riff ‚g‘, Sc-A4 Riff ‚h‘, Sv-B1 Riff ‚g‘, D-A1 Riffs ‚j-k‘ oder D-A3 Riff ‚c‘ („Rock Hard Ride Free“ – n.a.).

169

SCHWERMETALLANALYSEN

• •







den, im Classic Metal im Stil von Judas Priest dominieren Stimmen in Tenorlage. Im Gegensatz dazu steht die eher emotional motivierte Intensität einer noch mehr vom Blues inspirierten Gesangstechnik, die in der Folge als typisch für Hard Rock betrachtet wird. Das Riffbasierte der musikalischen Äußerungen bleibt grundsätzlich erhalten, erfährt jedoch sowohl harmonisch als auch rhythmisch motivierte Erweiterungen. Auf der formalen Ebene verschränken sich Elemente einer Liedstruktur mit einer Struktur der Reihung und Wiederholung von Gitarrenriffs. Der Hauptteil einer Komposition ist daher häufig zwei- bis dreigliedrig und nimmt so Vers-(Prechorus)-Chorus-Strukturen auf. Er wird von einem ausgedehnten Mittelteil abgelöst, der den Charakter eines Zwischenteils oder einer Bridge innerhalb einer Liedform oft bei weitem sprengt. Dieser Mittelteil besteht aus den Versatzstücken Instrumentalteil, Gesangsteil und Gitarrensolo, die beliebig kombinierbar sind und sowohl mit bereits bekannten als auch mit neuen musikalischen Äußerungen gestaltet werden können. Abgesetzte Solos, bei denen über eigens zu diesem Zweck eingeführte musikalische Äußerungen soliert wird, sind möglich. Zwar hat fast jede Komposition weiterhin eine Einleitung, die in ihr vorgestellten musikalischen Äußerungen finden jedoch im weiteren Verlauf der Komposition meist wieder Verwendung. Der erweiterte Schluss wird abgewandelt in eine variierte Wiederholung von Elementen aus Refrain oder Einleitung, die neu kombiniert werden können. Als neues Formelement wird der Breakdown eingeführt, der sowohl als Stückanfang dienen als auch mitten in der Komposition stehen kann. Charakteristisch für einen Breakdown ist ein unbegleitetes Gitarrenriff, zu dem Schlagzeug und Bass sukzessive und unisono wieder einsetzen. Dabei wird im Idealfall das Tempo der rhythmischen Bass- und Schlagzeug-Impulse mehrfach hintereinander verdoppelt, während das Gitarrenriff unverändert erklingt. Das Ensemblespiel wird um pulsbasierte Spielweisen erweitert, die sich mit einer am Nachvollzug der Gitarrenriffs orientierten Spielweise sowohl abwechseln als auch zu pulsbasierten Gitarrenriffs verschmelzen können. Ausgangspunkt der pulsbasierten Spielweise ist die Verwendung des Basses im Traditionsstrom des Blues. Sie wird auf andere Instrumentalstimmen übertragen. Der durchgängige Pulsschlag wird in kleinere Einheiten gegliedert und so zu Riffs geformt. Die Betonung liegt in diesen pulsbasierten Gitarrenriffs häufig auf dem ersten oder letzten Puls einer Teilgruppe. Die beiden Gitarren spielen dabei jenseits der konkurrierenden solistischen Einlagen meist parallel.

170

VI.2 CLASSIC METAL I: JUDAS PRIEST

• •

Die pulsbasierte Spielweise führt im Schlagzeugspiel die Double BassTechnik als stilprägende Spieltechnik ein. Der Blues-Einfluss bleibt formal und rhythmisch noch erkennbar; so in der Tendenz zum Harmoniewechsel zum Beginn der dritten Textzeile der Strophe oder der spezifischen Gliederung des Pulses in eine Folge mehrerer Dreiergruppen und einer geradzahligen Gruppe. Allerdings wird der Blues-Einfluss im Heavy Metal zunehmend indirekter und dieser setzt sich damit stärker vom Hard Rock ab.

Die meistgenannte Veröffentlichungen der Auswertung, British Steel, nimmt in mehrerlei Hinsicht eine Sonderrolle unter den untersuchten Veröffentlichungen von Judas Priest ein. Lang gezogene Schreie finden sich beispielsweise selten. Die formale Struktur ist im Vergleich am stärksten an Vers-Chorus-Strukturen orientiert. Der Hauptteil präsentiert sich dementsprechend meist zweigliedrig, der Mittelteil bleibt vergleichsweise einfach strukturiert. Abgesetzte Soli fehlen genauso wie in parallelen Intervallen gespielte melodische Linien und die Double Bass-Technik im Schlagzeugspiel fast völlig. Erhalten bleiben dagegen die schon bei Black Sabbath deduzierten Elemente des Ensemblespiels im Zusammenspiel der beiden Gitarren und des Gesangs. Erweitert werden diese um die Übernahme der im Bass durchgängig präsenten pulsbasierten Spielweise in die Gitarrenstimmen sowie die Etablierung der Rollen der beiden Gitarren im Ensemblespiel, die zwischen Unisonospiel und konkurrierenden solistischen Einwürfen wechseln. Der Einfluss, den der mit British Steel endgültig durchgesetzte Imagewechsel von Judas Priest auf die Verankerung dieser Veröffentlichung im Traditionsstrom des Heavy Metal haben kann, darf deshalb nicht unterschätzt werden. Judas Priest entfernen bei British Steel nicht, wie Scott Ian von Anthrax meint, den Blues aus dem Heavy Metal,75 sondern reduzieren vielmehr die virtuosen Elemente des Progressive Rock auf ein Minimum und fusionieren die grundlegenden Elemente des für Heavy Metal typischen rhythmischen Ensemblespiels mit einfachen Songstrukturen, um eine größtmögliche (physische) Wirkung zu erzielen. Einen erweiterten Schluss findet man deshalb nicht zufällig erst beim letzten Stück des Albums.

75 Vgl. Carruthers 2007.

171

VI.3 HARTER ROCK’N’ROLL: AC/DC, GUNS N’ROSES, MOTÖRHEAD

3. Harter Rock’n’Roll – vom parallelen Leben des Blues-Einflusses: AC/DC, Guns N’Roses, Motörhead AC/DC, Guns N’Roses und Motörhead in der Auswertung Tabelle 28: AC/DC, Guns N’Roses und Motörhead in der Auswertung Nennungen

Band

Album

Jahr

Qu.

Kürzel

17

AC/DC

Back In Black

1980

12

Ba

12

AC/DC

Highway To Hell

1979

10

Hi

6

AC/DC

Let There Be Rock

1977

6

1981

5

For Those About To Rock

5

AC/DC

3

AC/DC

High Voltage

1976

3

3

AC/DC

Dirty Deeds Done Dirt Cheap

1976

3

3

AC/DC

1978

3

3

AC/DC

Powerage

1978

3

2

AC/DC

Blow Up Your Video

1988

2

1

AC/DC

The Razor’s Edge

1990

1

1

AC/DC

74 Jailbreak

1984

1

17

Guns N’Roses

Appetite For Destruction

1987

13

2

Guns N’Roses

Use Your Illusion I

1991

2

1

Guns N’Roses

Use Your Illusion II

1991

1

1

Guns N’Roses

G N’R Lies

1988

1

14

Motörhead

Ace Of Spades

1980

10

As

7

Motörhead

Overkill

1979

5

O

6

Motörhead

No Sleep ‘Til Hammersmith

1981

4

4

Motörhead

Orgasmatron

1986

4

2

Motörhead

Bomber

1979

2

2

Motörhead

Iron Fist

1982

2

2

Motörhead

Motörhead

1977

1

We Salute You

If You Want Blood … You’ve Got It

Hv

Ad

Guns N’Roses und AC/DC veröffentlichen die beiden meistgenannten Alben der Auswertung, Motörhead belegen mit ihrem beliebtesten Album Platz elf. AC/DC sind gleichzeitig eine der fünf am häufigsten genannten Bands der Auswertung, Motörhead eine der zehn meistgenannten, während Guns N’Roses in diesem Zusammenhang vergleichsweise abgeschlagen auf

173

SCHWERMETALLANALYSEN

Platz 23 landen. Tabelle 28 zeigt die in der Auswertung genannten Veröffentlichungen aller drei Bands. Elf der insgesamt achtzehn internationalen Veröffentlichungen von AC/DC gehen in die Auswertung ein.1 Back in Black von 1980 ist gemeinsam mit Guns N’Roses Appetite For Destruction von 1987 die meistgenannte Veröffentlichung der Stichprobe und gilt als das Album, das weltweit bisher am zweithäufigsten verkauft worden sein soll.2 Die ein Jahr zuvor erschienene LP Highway To Hell ist ebenfalls deutlich vom Rest der Veröffentlichungen abgesetzt. Insgesamt dominieren die LPs der 1970er Jahre mit sieben Nennungen die Auswertung.3 Bei Guns N’Roses zeigt sich die Auswertung noch eindeutiger. Zwar werden vier der fünf regulären Veröffentlichungen4 von Guns N’Roses genannt, allerdings mit überaus eindeutiger Präferenz für das Debütalbum Appetite For Destruction von 1987. Bei Motörhead wird mit Ace Of Spades von 1980 ebenfalls eine Veröffentlichung deutlich präferiert und auch nur geringfügig weniger wertgeschätzt als die herausgehobenen Veröffentlichungen von AC/DC und Guns N’Roses. Insgesamt sind elf der 27 offiziellen Alben von Motörhead in der Auswertung vertreten.5 Die Schaffensperiode von 1977 bis 1982, zu der auch Ace Of Spades gehört, ist am stärksten hervorgehoben. Alle sechs in diesem Zeitraum erschienenen Veröffentlichungen von Motörhead gehen in die Auswertung ein. Die Wertschätzung konzentriert sich damit jeweils auf eine bzw. im Falle von AC/DC auf zwei Veröffentlichungen. Diese vier Alben bilden den Schwerpunkt für die folgenden Analysen.

1

2

3 4

5

Sechzehn Studioalben und zwei Konzertmitschnitte, wobei Black Ice (2008) nach Abschluss der Auswertung erscheint. Nicht mitgerechnet wurde die 1997 erschienene 4 CD Box Bonfire, die zwei weitere Konzertmitschnitte aus den 1970er Jahren und eine CD mit Raritäten enthält. Dagegen wurde mit Who Made Who von 1985 eine als Soundtrack für die Stephan King Verfilmung Maximum Overdrive entstandene Zusammenstellung bereits veröffentlichter Stücke mitgerechnet, da das Album auch drei neue Kompositionen enthält. Zudem existieren mindestens sechs Konzertmitschnitte auf Video bzw. DVD Die Verkaufszahl von circa 42 Millionen ist nicht nachprüfbar. Gesichert ist dagegen Platz fünf in der Liste der meist verkauften Alben der USA mit 22 Millionen Einheiten (LPs, CDs, MCs etc.). Vgl. http://www.riaa.com/goldandpla tinumdata.php?table=tblTop100, Zugriff am 24.6.2010. 74 Jailbreak erscheint zwar 1984, enthält aber ausschließlich Material aus der Mitte der 1970er Jahre. Es fehlt The Spaghetti Incident? von 1993 – ein Album mit Coverversionen. Zudem erscheinen 1998 der Konzertmitschnitt Live Era:’87-’93 sowie mindestens 2 Konzertmitschnitte aus dem Jahr 1992 auf DVD. Das Studioalbum Chinese Democracy (2008) wird nach Abschluss der Auswertung veröfffentlicht. 21 Studioalben und sechs Konzertmitschnitte. Die in der Auswertung enthaltene Zusammenstellung bereits veröffentlichter Stücke No Remorse von 1984 wird mitgezählt, da diese vier neue Stücke enthält. Motörizer (2008) erscheint nach Abschluss der Auswertung. Außerdem sind mindestens sechs Videos bzw. DVDs mit Livemitschnitten erhältlich.

174

VI.3 HARTER ROCK’N’ROLL: AC/DC, GUNS N’ROSES, MOTÖRHEAD

Bandbiographien AC/DC AC/DC6 werden 1973 von den Brüdern Angus und Malcolm Young – beide Gitarre – in Sydney/Australien gegründet. Einer ihrer älteren Brüder – George Young – tritt als Mitproduzent von je nach Zählung acht oder zehn AC/DC Alben in Erscheinung.7 Mit Sänger Bon Scott, Bassist Mark Evans und Schlagzeuger Phil Rudd finden Angus und Malcolm Young 1975 eine erste stabile Besetzung, die die ersten drei internationalen Veröffentlichungen einspielt.8 1977 wird Bassist Evans durch Cliff Williamson ersetzt. Diese Besetzung veröffentlicht zwei Studioalben9 und einen Konzertmitschnitt,10 bevor Sänger Bon Scott überraschend stirbt.11 Das laut Auswertung für den Traditionsstrom zweitwichtigste Album von AC/DC, Highway To Hell von 1979, ist die letzte Veröffentlichung dieser Besetzung.12 Die meistgenannte Veröffentlichung der Band, Back In Black von 1980, ist die erste LP mit dem neuen Sänger Brian Johnson,13 mit dem AC/DC in der Folge weitere neun Studioalben14 und einen Konzertmitschnitt15 veröffentlichen. Schlagzeuger Phil Rudd verlässt die Band von 1983 bis 1994. In der Zwischenzeit nimmt die Band mit den Schlagzeugern Simon Wright16 und Chris Slade17 drei Studioalben bzw. ein Studioalbum und einen Konzertmitschnitt auf. Die beiden meistgenannten Veröffentlichungen von AC/DC wurden also bis auf den jeweiligen Sänger in der gleichen Besetzung eingespielt.

6 7

8

9 10 11 12 13 14

15 16 17

Vgl. Engleheart, Murray und Arnaud Durieux (2007). George Young war in den 1960er Jahren Mitglied der australischen Beatgruppe The Easybeats, die mit „Friday On My Mind“ 1966 einen internationalen Hit hatte. High Voltage 1976, Dirty Deeds Done Dirt Cheap 1976, Let There Be Rock 1977. Vorher hatte man mit Sänger Dave Evans und anderen Bassisten und Schlagzeugern bereits eine Single aufgenommen („Can I Sit Next To You“ / „Rockin’ In The Parlour“ 1974). Powerage 1978, Highway To Hell 1979. If You Want Blood You’ve Got It, 1978. Als offizielle Todesursache gilt akute Alkoholvergiftung. Posthum erscheinen 1984 74 Jailbreak und 1997 die 4CD Box Bonfire. Brian Johnsons vorherige Band Geordie wird in der Auswertung ignoriert. For Those About To Rock I Salute You 1981, Flick Of The Switch 1983, Fly On The Wall 1985, Who Made Who 1986, Blow Up Your Video 1988, The Razor’s Edge 1990, Ballbreaker 1995, Stiff Upper Lip 2000, Black Ice 2008. Live 1992. Fly On the Wall 1985, Who made Who 1986 (nur die drei neuen Songs), Blow Up Your Video 1988 The Razor’s Edge 1990, Live 1992.

175

SCHWERMETALLANALYSEN

Veröffentlichungsgeschichte AC/DC Die ersten beiden Alben von AC/DC erscheinen nur in Australien.18 Die erste internationale Veröffentlichung, High Voltage von 1976, ist – trotz der Namensgleichheit mit dem australischen Debüt – eine Zusammenstellung von Material der beiden australischen Alben.19 Daher ist die Zählung der Veröffentlichungen der Band nicht eindeutig. Auch die folgenden zwei Studioalben erscheinen in voneinander deutlich abweichenden Versionen für den australischen und den internationalen Markt. Die europäische LPVersion des vierten internationalen Studioalbums, Powerage von 1978, enthält ein Stück mehr als die Pressungen für den außereuropäischen Markt. Zudem weist diese Version von Powerage eine veränderte Stückreihenfolge auf sowie von den meisten Stücken abweichende – sowohl länger als auch kürzer ausfallende – Mixe. Diese Veröffentlichungspraxis erinnert an die 1950er und 60er Jahre, als LPs noch als Zweitverwertungen bereits veröffentlichter Hits betrachtet wurden.20 Die relativ willkürliche Änderung der Stückreihenfolge sowie die Verwendung unterschiedlich langer Mischungen der Stücke deuten darauf hin, das AC/DC sich anfangs nicht als eine Band verstehen, die das Medium LP als eigenständige komplexe musikalische Äußerung betrachten. Dies ändert sich erstmalig mit den beiden in der Auswertung herausgehobenen Veröffentlichungen, Highway To Hell und Back In Black, die weltweit in identischen Versionen erscheinen. Ich beziehe mich in der Zählung der LPs sowie bezüglich der auf den LPs enthaltenen Stücken, ihren Mixen und ihrer jeweiligen Reihenfolge immer auf die internationalen Veröffentlichungen.

Guns N’Roses Guns N’Roses21 entstehen 1985 in Los Angeles als Zusammenschluss von Musikern der beiden Bands Hollywood Rose22 und L.A. Guns,23 die beide Teil der Glam Szene am Sunset Strip in Los Angeles sind.24 1986 findet sich nach einigen Personalwechseln die Besetzung, die das 1987 veröffent18 High Voltage (Aus) 1975 und T.N.T 1975. 19 High Voltage enthält sieben Stücke von T.N.T. und nur zwei von High Voltage (Aus). 20 Vgl. z.B. die Veröffentlichungspraxis der Plattenfirma der Beatles, bei denen Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band von 1967 die erste LP ist, die in Großbritannien und den USA in identischen Versionen erscheint. 21 Vgl. Mick Wall 1992 und http://www.gunsnrosesonline.de/home/index2.htm; Zugriff am 30.6.2010. 22 Axl Rose und Izzy Stradlin. Hollwood Rose werden in der Auswertung ignoriert. 23 Tracii Guns, git, Ole Beich, bs und Rob Gardener, dr. Die L.A.Guns sind mit zwei nach 1985 entstandenen Alben in der Auswertung vertreten. L.A.Guns (1988, 3/3) wird mehr als einmal genannt. 24 Vgl. Elflein 2007.

176

VI.3 HARTER ROCK’N’ROLL: AC/DC, GUNS N’ROSES, MOTÖRHEAD

lichte Album Appetite For Destruction und dessen 1988 veröffentlichten Nachfolger G N’R Lies25 einspielt: William Bruce ‚Axl‘ Rose, Stimme und Tasteninstrumente, Saul Hudson aka Slash, Gitarre, Jeffrey Dean Isbell aka Izzy Stradlin, Gitarre und Hintergrundgesang, Michael Andrew ‚Duff‘ McKagan, Bass und Hintergrundgesang sowie Schlagzeuger Steven Adler. Letzterer wird während der Aufnahmen zum 1991 gleichzeitig veröffentlichten dritten und vierten Album Use Your Illusion I und II durch Matt Sorum ersetzt. Außerdem wird mit Dizzy Reed ein Keyboarder festes Bandmitglied. Für die folgende, über zwei Jahre andauernde Welttournee heuert man für einen Teil der Konzerte eine dreiköpfige Bläsersektion26 an. Während der Tournee wird Gitarrist Stradlin durch Gilby Clarke ersetzt. In dieser Besetzung nimmt die Band ein Album auf.27 In den Jahren 1994 bis 1997 verlassen bis auf Sänger Rose und Keyboarder Reed alle Mitglieder die Band. Rose ist seither das einzig verbliebene Originalmitglied.28 2008 erscheint mit Chinese Democracy das seit 1997 angekündigte fünfte Studioalbum.

Motörhead Motörhead29 werden 1975 von Bassist und Sänger Ian ‚Lemmy‘ Kilmister gegründet,30 der bereits als Bassist der britischen Band Hawkwind31 aktiv war. 1976 findet sich mit Kilmister, Bass und Gesang, ‚Fast‘ Eddie Clarke, Gitarre, und Phil ‚Philthy Animal‘ Taylor, Schlagzeug, die Besetzung, die bis 1982 fünf Studioalben32 und einen Konzertmitschnitt33 veröffentlicht, darunter das in der Auswertung herausgehobene Ace Of Spades von 1980. 1982 verlässt Clarke34 die Band. Mit seinem Nachfolger, dem früheren Thin Lizzy35 Gitarristen Brian Robertson, nehmen Motörhead ein Album

25 G N’R Lies enthält u.a. die bereits 1986 veröffentlichte Live EP Live ?!*@ Like A Suicide. 26 Cece Worrall, Anne King und Lisa Maxwell. 27 The Spaghetti Incident? 1993. 28 In den Jahren 1997 bis 2007 haben bei Guns N’Roses mindestens fünf Gitarristen, drei Schlagzeuger, zwei Keyboarder und ein Bassist gespielt. 29 Vgl. Kilmister, Lemmy und Janiss Garcia (2002). 30 Mit Larry Wallis, Gitarre, und Lucas Fox, Schlagzeug. 31 Drei Alben von Hawkwind werden je einmal in der Auswertung genannt. 32 Motörhead 1977, Overkill 1979, Bomber 1979, Ace Of Spades 1980, Iron Fist 1982. 1979 erscheint zudem mit On Parole ein Album mit Aufnahmen aus den Jahren 1975 und 1976, die noch ohne Gitarrist Eddie Clarke entstanden sind. 33 No Sleep ’Til Hammersmith 1981. 2005 erscheinen auf BBC Live & In-Session weitere Konzertmitschnitte dieser Besetzung. 34 Clarkes folgende Band Fastway wird einmal in der Auswertung genannt. 35 Acht der vierzehn Alben von Thin Lizzy sind in der Auswertung vertreten. Thunder & Lightning (1983, 5/5), Jailbreak (1976, 4/4) und der Konzertmitschnitt Live & Dangerous (1978, 4/2) werden mehr als einmal genannt. Brian Robertson spielt nur auf den beiden zuletzt genannten Gitarre.

177

SCHWERMETALLANALYSEN

auf.36 1984 wird Robertson durch die beiden Gitarristen Phil Campell und Michael Burston aka Würzel ersetzt. Als Quartett veröffentlichen Motörhead bis 1995 sieben Studioalben37 und einen Konzertmitschnitt38 – allerdings mit wechselnden Schlagzeugern, da Taylor die Band erst von 1984 bis 1987 und endgültig ab 1992 verlässt.39 Seither trommelt der frühere Schlagzeuger der dänischen Heavy Metal Band King Diamond,40 der in Schweden geborene Michael Kiriakos Delaouglou aka Mikkey Dee, für die Band. Wieder zum Trio geschrumpft veröffentlicht die Besetzung Kilmister, Campell und Dee seit 1995 weitere sieben Studioalben41 und drei Konzertmitschnitte42. Die Besetzung der Jahre 1977 bis 1982 wird in der Auswertung favorisiert, die seit 1995 bestehende Besetzung ignoriert.

Instrumentierung, Komposition, Produktion Bei allen drei Bands existiert jeweils eine favorisierte Besetzung. AC/DC und Guns N’Roses spielen in der Instrumentierung Gesang, zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug, Motörhead in der favorisierten Besetzung nur mit einer Gitarre und einer Personalunion von Bass und Gesang. AC/DC und Motörhead verwenden keinerlei zusätzliches Instrumentarium.43 Bei Guns N’Roses erklingen dagegen immer wieder Tasteninstrumente und in Konzertsituationen auch eine Bläsersektion. Die Kompositionen werden bei AC/DC von den Gitarristen Angus und Malcolm Young und meist auch dem jeweiligen Sänger verfasst.44 Guns N’Roses schreiben die Kompositionen von Appetite For Destruction offiziell der ganzen Band zu,45 allerdings wird von unterschiedlichen Kompo-

36 Another Perfect Day 1983. 37 No Remorse 1984, Orgasmatron 1986, Rock’n’Roll 1987, 1916 1991, March Ör Die 1992, Bastards 1993 und Sacrifice 1995. 38 No Sleep At All 1988. Zwei weitere Konzertmitschnitte dieser Besetzung existieren auf Video/DVD: The Birthday Party 1985/2003 und 1916 Live ... Everything Louder Than Everything Else 1991/2004. 39 Von 1984 bis 1987 wird er durch Pete Gill ersetzt. Tony Aldrige trommelt als Sessionmusiker auf der 1992er Veröffentlichung March Ör Die. 40 Von King Diamond sind drei der insgesamt vierzehn Alben (Abigail,1987, 5/5; Them, 1988, 2/2; Fatal Portrait, 1986 1/1) in der Auswertung vertreten. Mikkey Dee spielt auf allen drei Schlagzeug. 41 Overnight Sensation 1996, Snake Bite Love 1998, We Are Motörhead 2000, Hammered 2002, Inferno 2004, Kiss Of Death 2006, Motörizer 2008. 42 Everything Louder Than Everything Else 1999, Live At Brixton Academy 2003 und Better Motörhead Than Dead: Live At Hammersmith 2007. Zwei weitere Konzertmitschnitte existieren auf DVD: 25&Alive Boneshaker 2001 und Stagefright 2005. 43 Als einzige Ausnahme erklingen auf AC/DCs „It’s A Long Way Down To The Top“ (Hv-A1) Dudelsäcke. 44 Mit Ausnahme von zwei Coverversionen und einer Bearbeitung eines Traditionals. 45 Z.B. in Milton Okun (Hg.) (1989).

178

VI.3 HARTER ROCK’N’ROLL: AC/DC, GUNS N’ROSES, MOTÖRHEAD

nisten(-teams) ausgegangen, die mit Ausnahme des Schlagzeugers alle Bandmitglieder in unterschiedlichen Kombinationen beinhalten.46 An allen Stücken außer einem ist mindestens einer der beiden Gitarristen beteiligt. Bei den späteren Veröffentlichungen differenziert sich dies noch weiter aus. Motörhead geben immer die jeweils aktuelle Bandbesetzung als Komponistenteam des jeweiligen Albums an.47 Ausnahmen bilden gelegentliche Coverversionen48 und ab 1991 einige Kompositionen, die ausschließlich Kilmister zugeschrieben werden.49 Die beiden herausgehobenen Alben von AC/DC werden von Robert John ‚Mutt‘ Lange produziert, der auch das folgende Album For Those About To Rock We Salute You betreut, das in der Auswertung noch relativ prominent vertreten ist. Alle vorher liegenden Veröffentlichungen sind von dem Team Henry Vanda/George Young produziert worden, die späteren Veröffentlichungen von wechselnden Produzenten. Die drei AC/DC Alben sind für Lange der endgültige Durchbruch in seiner 1976 begonnenen Produzentenkarriere. Er hat vorher keine musikalisch ähnlich ausgerichteten Bands produziert.50 Ähnlich eng ist die Verbindung von Guns N’Roses mit Mike Clink, der alle erschienenen Guns N’Roses Alben zumindest mitproduziert hat.51 Der Einfluss der Produzenten auf die Wertschätzung von AC/DC und Guns N’Roses für den Traditionsstrom erscheint damit größer als bei Judas Priest und Black Sabbath. Bei Motörhead wechseln die Produzenten dagegen meist alle zwei Alben, so dass ihnen kein großer Einfluss auf die Band eingeräumt werden kann. Ace Of Spades wurde von Vic Maile52 produziert.

46 Vgl. http://en.wikipedia.org/wiki/Appetite_for_Destruction; Zugriff am 24.6. 2010. 47 Dies gilt ab der Veröffentlichung von Overkill von 1979. Bei March Ör Die von 1992 wird Schlagzeuger Tony Aldrige nicht als Mitkomponist geführt. 48 „Cat Scratch Fever“ 1992, im Original von Ted Nugent (Cat Scratch Fever, 1977, 3/2), und „God Save The Queen“ 2000, im Original von den Sex Pistols (Never Mind The Bollocks ..., 1977, 7/4). 49 Zwischen einer und drei Kompositionen pro Album. 50 Sein größter Erfolg vor AC/DC waren Produktionen für die irische Rock Band The Boomtown Rats um Sänger Bob Geldof. Außerdem produzierte er Rockbands wie Clover, die auch als Begleitband von Elvis Costello auf dessen Debüt fungierten, City Boy oder Graham Parker. Lange ist seit 1993 mit der Country Sängerin Shania Twain verheiratet. 51 In der Folge hat Mike Clink u.a. auch Rust In Peace (1990, 9/9) von Megadeth und New Tattoo (2000, -) von Mötley Crüe produziert. Während erstere zu den wichtigeren Veröffentlichungen von Megadeth gezählt wird – das in der Auswertung am zweithäufigsten genannte Megadeth Album –, sind die Erfolge von Mötley Crüe eher mit den Produzenten Tom Werman und Bob Rock verbunden. 52 Vic Maile stirbt 1988 an Krebs. Er hat außer Motörhead stark am Blues orientierte Rockbands wie die Screaming Blue Messiahs produziert.

179

SCHWERMETALLANALYSEN

Die Klangfarbe – verschiedene Möglichkeiten klanglicher Authentizität Die Simulation einer Konzertsituation im Tonstudio – Instrumentalklangfarben Der Klang auch dieser drei Bands wird von der verzerrten Klangfarbe der Gitarren dominiert. Allerdings erscheint der Grad der Verzerrung weniger stark als bei den bisherigen Beispielen. Grundlage der Klangfarbe ist die Übersteuerung der Vorstufe eines Röhrenverstärkers, die vor allem die harmonischen Obertöne hervorhebt. Die von Judas Priest bekannte Absenkung des mittleren Frequenzbereichs fehlt, auch weil weitere technische Hilfsmittel zur Verzerrung des Klangs oder andere klangformende Effekte nicht zum Einsatz kommen. Der Klang der Klangfarbe ist in diesem Sinne – metaphorisch gesprochen – pur, obwohl es sich, akustisch betrachtet, natürlich bei jeder Ausprägung der verzerrten Klangfarbe um eine Vermischung des reinen Gitarrensignals mit Geräuschanteilen handelt.53 Bei AC/DC klingen beiden Gitarren relativ ähnlich, sie unterscheiden sich eher durch die Spielweise als durch die Klangfarbe. Im Stereobild ist eine Gitarre links, die andere rechts eingeordnet. Solistische Figuren erklingen in der Mitte des Klangbildes, auch die begleitende Gitarre wird während des Solos links und rechts hörbar. Der Bass ist im Klangbild stark zurückgenommen, aber wahrnehmbar. Der Klang des Schlagzeugs ist von Bass Drum, Snare und verschiedenen Becken bestimmt. Weitere Trommeln und Perkussionsinstrumente kommen nicht bzw. selten zum Einsatz. Bass und Schlagzeug erklingen unverzerrt. Die Verteilung der Instrumente im Stereobild und der weitgehende Verzicht auf über die pure Verstärkung hinausgehende klangformende Technologien reproduziert eine Konzertsituation im Tonstudio bei gleichzeitig hoher Transparenz des Ensembleklangs. Motörhead spielen dagegen mit nur einer Gitarre. Der Klang der verzerrten Klangfarbe ist ebenfalls pur, wenn auch stärker verzerrt als bei AC/DC. Klangformende Effekte wie Wah Wah Filter finden in solistischen Passagen Verwendung. Im Tonstudio aufgenommene zusätzliche Gitarrenspuren kommen höchstens zur Begleitung solistischer Passagen zum Einsatz. Der Bass erklingt im Gegensatz zu den bisherigen Beispielen verzerrt und ersetzt im Klangbild die zweite Gitarre. Der Klang der verzerrten Klangfarbe ist bei Motörhead deshalb deutlich basslastiger. Der Klang des Schlagzeugs ist unverzerrt und von Snare, Bass Drum – gelegentlich auch Double Bass – und Becken geprägt. Im Gegensatz zu AC/DC verzichten Motörhead auf einen transparenten Ensembleklang, vielmehr wird über eine ‚Klangwand‘ die Lautstärke einer Konzertsituation suggeriert. 53 Vgl. auch Berger und Fales 2005: 183-187.

180

VI.3 HARTER ROCK’N’ROLL: AC/DC, GUNS N’ROSES, MOTÖRHEAD

Guns N’Roses trennen – ähnlich wie AC/DC – die beiden Gitarren im Stereobild. Allerdings arbeiten sie erheblich häufiger mit zusätzlichen Aufnahmespuren, so dass teilweise vier bis fünf Gitarren erklingen, von denen eine dann auch eine akustische Gitarre sein darf. Die Sologitarre ist wie bei AC/DC in der Mitte des Stereobildes platziert. Der Klang der verzerrten Klangfarbe wird ohne zusätzliche hörbare Effekte realisiert, die beiden Gitarren unterscheiden sich jedoch deutlicher als bei AC/DC. Klangformende Effekte wie Voice Box und Wah Wah Filter kommen besonders in solistischen Passagen zum Einsatz bzw. werden gezielt für bestimmte Elemente im Stück genutzt. Der Bass ist immer deutlich zu hören, der Klang ist unverzerrt. Das Schlagzeug ist vom Klang von Becken, Snare und Bass Drum geprägt. Häufiger findet auch eine Glocke Verwendung. Die Produktion von Appetite For Destruction ist hochgradig transparent, jedes gespielte Detail ist hörbar. Die klangliche Simulation einer Konzertsituation im Tonstudio spielt nichtsdestotrotz eine Rolle. Gerade im Zusammenklang der beiden Gitarren bzw. der diversen Gitarrenspuren wird in einer Art und Weise mit Lautstärkeunterschieden gearbeitet, die eine unbehandelte Rohheit des Klangs suggerieren sollen – man sitzt vermeintlich neben den spielenden Musikern. Mit ähnlicher Zielsetzung werden auch Elemente des Schlagzeugs, zum Beispiel die Glocke, künstlich hervorgehoben. Alle drei Bands eint damit auf unterschiedliche Art und Weise das Bemühen um die Simulation eines Konzerterlebnisses im Tonstudio. Trotz der Dominanz der verzerrten Klangfarbe wird ein größerer Wert auf einen natürlichen, respektive Authentizität54 suggerierenden Klang gelegt als in den bisherigen Beispielen. Die gesuchte Direktheit in der Klangästhetik spiegelt sich auch im Umgang mit dem Stimmklang.

Die Singstimmen Die männliche Singstimme bewegt sich bei allen drei Bands wiederum in Tenorlage, erklingt aber im Gegensatz zu Black Sabbath und Judas Priest stark angeraut. Alle drei Bands arbeiten zudem gelegentlich mit Hintergrundgesang weiterer Bandmitglieder. Die einer Konzertsimulation abträgliche Doppelung der eigenen Stimme im Tonstudio, die bei Halford von Judas Priest ein beliebtes klangliches Mittel war, findet sich nur bei Guns N’Roses in einigen Stücken, bleibt aber erheblich weniger offensiv.

54 Zur grundsätzlichen Künstlichkeit des Begriffes der Authentizität vgl. Moore (2002) und Elflein (2005).

181

SCHWERMETALLANALYSEN

Der betont raue Stimmklang, der quasi die Verzerrung der Gitarrenklangfarbe doppelt, hat seinen Ursprung in den ‚Shoutern‘ der Blues-Tradition55 und wurde von Sängern und Sängerinnen im Rhythm & Blues, Rock’n’Roll oder auch Rock-a-Billy übernommen.56 Damit unterscheidet sich der Stimmklang der hier verhandelten Bands von dem bisher Beschriebenen. Die von Moore (1993: 150) deduzierte Vorliebe von Heavy Metal Sängern für temperierte Stimmung und genaue Intonation wird bei AC/DC, Motörhead und Guns N’Roses konterkariert zugunsten starker Verschleifungen und bewusst ungenauer Intonation. Die Verwurzelung des Stimmklangs im Traditionsstrom des Blues ist somit erheblich stärker als bei Judas Priest und Black Sabbath. Bei AC/DC gilt dies für beide in Frage stehenden Sänger, so dass der Stimmklang bei AC/DC als weniger personalisiert beschrieben werden muss als in den bisherigen Beispielen. Über den am stärksten angerauten Stimmklang verfügt Kilmister von Motörhead, bei dem sich gutturale Elemente in den Klang mischen, die die Stimmlage tiefer erscheinen lassen als sie tatsächlich ist. Rose von Guns N’Roses intoniert von den hier verhandelten Sängern am genauesten. Er ist auch der einzige, bei dem hohe Schreie und Vibrato eine Rolle spielen. Die ansonsten vorhandenen stimmlichen Einwürfe der Sänger sind eher als Elemente expressiver Kontrolle zu bezeichnen und stehen somit ebenfalls stärker in einer Bluestradition. Im Gegensatz zu Kilmister und beiden AC/DC Sängern nutzt Rose von Guns N’Roses sowohl Gesangstechniken und Stimmklänge des Heavy Metal als auch des Hard Rock und nimmt so eine Mittlerposition im Traditionsstrom ein – eine Position, die sich für die ganze Band Guns N’Roses typisch ist. Passend zu dieser Mittlerposition ist der Stimmklang von Rose im Vergleich der drei Bands am wenigsten angeraut und eher als gepresst beschreibbar.

55 Als Erklärung für die Entwicklung dieser Stimmklangfarbe wird oft die Notwendigkeit angeführt, ohne oder nur mit ungenügender technischer Verstärkung Schlagzeug und Begleitinstrumente übertönen zu müssen. Diese Argumentation ähnelt der in Kapitel VI.2 zitierten Begründung für die Entwicklung eines opernartigen Gesangstils erstaunlich, so dass Begründungen für die unterschiedlichen Stimmklangfarben möglcherweise auch in anderen (ästhetischen?) Bereichen gesucht werden müssen. 56 Vgl. Screaming Jay Hawkins (1957) „I Put A Spell On You“, Howlin Wolf (1960) „Spoonful“, Wanda Jackson (1960) „Let’s Have A Party“, Little Richard (1956) „Rip It Up“.

182

VI.3 HARTER ROCK’N’ROLL: AC/DC, GUNS N’ROSES, MOTÖRHEAD

Die formale Struktur der komplexen Äußerungen Back In Black und Highway To Hell beinhalten jeweils zehn Stücke, Ace Of Spades und Appetite For Destruction je zwölf, die bei allen vier Tonträgern gleichmäßig auf die LP-Seiten verteilt sind. Die Dauer der Kompositionen schwankt bei allen drei Bands in geringerem Maße als bei Judas Priest und Black Sabbath. Die übergroße Mehrheit der Stücke von AC/DC und Guns N’Roses weist eine Länge von drei bis fünf Minuten auf. Nur eines ist kürzer als drei Minuten, drei sind länger als sechs Minuten. Motörhead fassen sich insgesamt kürzer, nur eine Äußerung von Ace Of Spades ist länger als vier Minuten, allerdings auch nur eine kürzer als zwei Minuten. Ein Stück von Motörhead dauert durchschnittlich ca. 3:10 Minuten, eine AC/DC bzw. Guns N’Roses Komposition zwischen 4:20 und 4:30 Minuten. Alle drei hier verhandelten Bands bevorzugen Vers-Chorus-Strukturen. Motörhead verharren auf Ace Of Spades grundsätzlich in einer Intro-VersVers-Mittelteil-Vers-Playout-Struktur und bewegen sich damit strikt im bekannten Traditionsstrom der Rockmusik. Tabelle 29: Formale Struktur Motörhead Ace Of Spades (Auswahl) Nr.

Titel

Dauer

Pulslänge

Struktur 1

Str. 2

Str. 3

4a2 2a As-A1

Ace Of Spades

2:51

a,b,h=8,

2(2a4b2cdcd2a)

c,d=16,

4a3ef3g

e,f,g=32

4a4b2cdcd2a

IAA B A A2

I VpC VpC B S VpC Po

4°22d2h 2

a =8,

(We Are) As-A6

The

3:21

a,b3=16 b=32

Roadcrew

2a2a 2(2bb2a)

IAA

I VC VC

2bb2a 2bb2a 22b3

A A A2

S VC Po

The Chase As-B5

Is Better Than The

4:20

c=16,

a 3(a2ba2c2c2)

IAAA

I VpC VpC

a,b=32

a2baBr 4a23aO

A2 A 3

VpC S Po

Catch 4° As-B6

The Hammer

2:46

a,b,c, d,e=16

2(8a3bb24a3cc2) 4a4d4e 2

8a3bb 4a3cc 8°3bO

183

2

IAA

I VpC VpC

B A A2

S VpC Po

SCHWERMETALLANALYSEN

Tabelle 29 zeigt vier Beispiele aus Ace Of Spades. Der Hauptteil ist meist drei-, manchmal auch nur zweigliedrig, besteht also entweder aus Vers, Prechorus und Chorus oder nur aus Vers und Chorus. Das in der Einleitung vorgestellte Riff findet grundsätzlich im Vers oder (seltener) Chorus Verwendung. Auch im Playout wird auf neues musikalisches Material verzichtet. Als möglicher Ort zur Integration neuer musikalischer Ideen verbleibt der Mittelteil (As-A1, As-B6), der immer übersichtlich strukturiert und in der Länge dem Vers untergeordnet ist. „(We Are) The Roadcrew“ (As-A6) repräsentiert dabei die einfachste formale Struktur. Der Hauptteil besteht aus zwei Riffs, von denen je eines dem Vers und dem Chorus zugeordnet ist. Der Mittelteil entspricht einer instrumentalen Version des Hauptteils. Das Chorus-Riff ‚a‘ dient auch als Einleitung, während das Vers-Riff ‚b‘ als Playout eine zweite Verwendung findet. Ähnliches gilt auch für AC/DC, wie Tabelle 30 anhand von Beispielen aus Back In Black und Highway To Hell zeigt. Relativ einfach ausgeführte Vers-Chorus-Strukturen dominieren die musikalischen Äußerungen. Der Mittelteil folgt auf die Wiederholung des Hauptteils und bleibt ebenfalls übersichtlich strukturiert, wenn auch manchmal etwas ausgefeilter als bei Motörhead. Häufig wird zumindest ein neues Gitarrenriff für den ersten Teil des Gitarrensolos eingeführt,57 bevor über eine verkürzte instrumentale Version des Hauptteils weiter soliert wird. Bei „Walk All Over You“ (HiA4, Tab. 30) findet sich das neue Riff im zweiten Teil des Solos. „Back In Black“ (Ba-A1, Tab. 30) und zwei weitere Stücke (Ba-B3, Hi-A4, Tab. 30) haben abgesetzte Soli. Der bei Motörhead auf den Mittelteil folgende dritte Vers wird entweder auf den Chorus verkürzt58 oder zugunsten einer längeren Playout Sektion ganz weggelassen.59 Back In Black erscheint im Vergleich beider Alben als formal ausgefeilter. „Shoot To Thrill“ (Ba-A2, Tab. 30) und „Have A Drink On Me“ (Ba-B3, Tab. 30) gestalten die Playout Sektion beispielsweise mit neuem musikalischen Material. Da es sich jedoch um neue Varianten eines bereits bekannten Riffs handelt, kann nicht wirklich von erweiterten Schlüssen die Rede sein. Trotzdem nähern sich AC/DC mit dieser formalen Struktur dem Traditionsstrom des Heavy Metal. Auf Highway To Hell finden sich stattdessen ausgedehntere Playout Teile über bereits bekanntes musikalisches Material.60

57 58 59 60

Vgl. Ba-A1, Ba-A2, Hi-A1. Vgl. Ba-A1, Ba-A2, Ba-B1, Ba-B2, Hi-A1. Vgl. Ba-B3, Hi-A4, Hi-B3, Hi-B4. Vgl. Hi-A3, Hi-B3, Hi-B4

184

VI.3 HARTER ROCK’N’ROLL: AC/DC, GUNS N’ROSES, MOTÖRHEAD

Tabelle 30: Formale Struktur AC/DC Back in Black und Highway To Hell (Auswahl) Nr.

Titel

Ba-

Hells

A1

Bells

D. 5:32

Pulslänge

Struktur 1

b,c,d,e=16 a=32

I A2 B C A

2d2d2aa2)Br 4e

BCAD

2

2

2d2d a3a 3e O 2

BaA2

BaA4

5:38

Thrill

The Dog

a,b,c,e=16

2d2a3 4a 2bb2c

a2,d=32

3dd2 4c 4e 2bb2c 3dd2 4d34d46d

Given 3:45

A Bone

c=8 2

a,b,c ,d=16

3

CA DO

Struktur 3 I1 I2 VpC VpC S C S O

2

3a 8a 2bb c

Shoot To

Struktur 2

I 5aa2 2(2b4c

A2 A B C A B C B2 D B CE

4a 8a3b8c

AABC

6a3b8c 4a23c22c

A B C A2 C2

dBr 4a8c 6c3d O

D A C C3 D

I VpC VpC B S C Po

I VpC VpC S B VC Po

I 2a 2(2a2b2b22b Ba-

Back In

B1

Black

4:26

b,e=8 c=16,

c) 4d 2b2b22bc

IAABAB

I1I2 VC VC

a,d=32

4e2e22e

CBDBC

S1 C BC S2

2b2b22bc 4d BaB2

BaB3

Hi-A1

c4,c5=16

You Shook

3:49

Me …

4:14

On Me Highway To Hell

3:41

Walk All Hi-A3

Over

5:29

You

Hi-B3

Hi-B4

3

4

5 6

c 2c 3cc 2c c

C2 C3

a5=8 a2,a4,

I 2a2a32a

a6,b,c,f,

4b3b2c2a 2b3

g=16 d2=24

4b3b2c2a 2dd2c2

a,c2,d=32

3a42a5a6 4f3g3g2

b,c=16,

2a 3aa23bb2

AAB

b =24,

3aa23bb3 2c4b

ABCB

a=32, a2=40

3bb44b O

BO

b=16

4a 8b 2(3cd)3a2d

2

2

A2 B A B2

2

a ,c,d,e=32

4b 3cd 3a d

a=64

8bee24b 3cd3a2O

S VC O

2de 4c37cc22c4 O

D C2 O

If You

a,b,c,

4a24a3 8a7bc

A2 A B

ABC

A B A A3

a/b=16

10a7b2c 8a 8a

Blood...

b2=32

b22a22a3 16a/b

B2 A2 A4

Love

b2=8 b,

4a 2a4b2a

AABA

c3=16 a,

8b22a/b 2c2c2c3

B2 A2 C

a/b,c=32

4a6a/b3c

A A3

Man

185

SC

B2 C A O

d,e=32

4:33

I VC VC

I In VVC

Much

Hungry

B Po

In VC

ABC

Want

I VC VC S

B C A2

a 2a3bb2 3cc2

4

I VC VC S C

A B C C A2

a2,b,c,

4:50

2

A D

2a 2a bb 3cc

4:42

2

3

a,c =16

Too

2

BAC

4

Touch Hi-A4

ABCBC

2(3bb22c)cc2

a,b,c=32 c2=48 c3=64

Have A Drink

2a2b

c6=24

VpC VpC S Po O I VC VC S B Po I V1C V2C S Po

SCHWERMETALLANALYSEN

Guns N’Roses nutzen dagegen häufiger Elemente der Sprache des Heavy Metal. So wird beispielsweise der Mittelteil bei „Welcome To The Jungle“ (Ad-A1) auf eine Weise ausdifferenziert und verschachtelt, die an die von Judas Priest bekannte Arbeitsweise der Aufwertung des Mittelteils erinnert. Auf ähnliche Art und Weise wird auch bei „It’s So Easy“ (Ad-A2) und „Out Ta Get Me“ (Ad-A4) mehr als ein neues Riff im Mittelteil zu Gehör gebracht. Tabelle 31: Formale Struktur Guns N’Roses Appetite For Destruction (Auswahl) Nr.

Titel

D.

Pulslänge 2

a,b,c,e ,f, j=8

Welcome Ad-A1

To The

4:34

Jungle

e,g,h,i2,k, l=16 i=32 d=64

Ad-A2

It’s So Easy

3:23

Struktur 1

Str. 2

Struktur 3

I 9aBr4b 4b4b22c3b3b4 4b4b22c3b3b5 d

IABBC

4b4b22c3b3b6

BCDBC

VpC B1 S2 B2

3ee24f 2g

E F G C2

C(Po)

I VpC VpC S1

3h2ii2Br 2j10j2k 3(2c2b3)2cl O

a=8

8a 2(4b4c)

ABB

I VC VC

b,c,f,g =16

2de4f 4b 4b4c

CDB

B1 S VC

d,e=32

4d 8c24g

C2 B2

B2 C(Po)

8a Ad-A4

Out Ta Get Me

4:24

a=16

2(3a2a33bb34a)

b,c,d=32

3cc24a2d2d2

A B B C B2

I VpC VpC S VC(Po)

4a24a4a4O Mr. Ad-A5

Brown-

3:49

stone

Ad-A6

Paradise City

6:46

I a2 2(2a2b)cd

I A A B2

I InV InVC

4ecd 4fcBr 2a2b

BCA

pC S

4ecd 2a2b2

B A2

InVpC InV

b=8 c=16

4a24a 4b3b2b3

AB

b3=20

2(4b3b2b32a)

B A2 B A2

a,b,e,f=16 a2,c,d=32

d=24 a=32

Sweet Ad-B3

Child

5:56

O’Mine Ad-B6

Rocket Queen

6:13

e,f=32 a,b,c,d=64

3

4b2b 2b 4c

CD

2 3

3b b 4a Br 12a

3

2

3

B A A

VpC VpC S B pC C2(Po)

2aa2 2(2bcd)

ABCDB

I VCIn VCIn

d 4cBr 4eBr

CDDCE

S1 C S2

4f 4f22ff3f4 O

F F2

S3 B Po

ABCBC

I VpC VpC

DCE

S C Po

b=8 e=14

I4a 2(4bac2de)

b4=16

16b2b22b32b4

a,c,d,f=32

2

I Vp

2

3

2de Br 4f4f 9ff

186

VI.3 HARTER ROCK’N’ROLL: AC/DC, GUNS N’ROSES, MOTÖRHEAD

Das musikalische Material der Einleitung wird bei drei Stücken61 im weiteren Verlauf nicht mehr verwendet, so dass von abgesetzten Einleitungen im Sinne von Black Sabbath gesprochen werden kann. Erweiterte Schlüsse finden sich bei „Sweet Child O’Mine“ (Ad-B3), „Rocket Queen“ (Ad-B6) und mit Einschränkungen „Paradise City“ (Ad-A6), da hier zwar das den Chorus prägende musikalische Material verwendet wird, dieses jedoch in erheblich schnellerem Tempo gespielt wird, so dass der Eindruck eines neuen Formteils entsteht. Bei „Sweet Child O’Mine“ (Ad-B3) umfasst der erweiterte Schluss die Formteile ‚Solo2‘, ‚Solo3‘ und ‚Playout‘ mit den neu eingeführten Riffs ‚e‘ und ‚f‘, bei „Rocket Queen“ (Ad-B6) das zu diesem Zweck neu eingeführte Riff ‚f‘. Bei „Mr. Brownstone“ (Ad-A5) wird zwar die Einheit des Hauptteiles aufgebrochen, indem zuerst wiederholt über Riff ‚b‘ und anschließend über die Riffs ‚c‘, ‚d‘ und ‚e‘ gesungen wird. Über die Wiederholung dieses Gesangsblockes nach dem Mittelteil in der Reihenfolge der Riffs ‚b‘, ‚e‘, ‚c‘ und ‚d‘ entsteht jedoch wieder eine dreigliedriger Aufbau Vers (‚b‘), Prechorus (‚e‘) und Chorus (‚c‘ und ‚d‘). Der Stückaufbau bei Guns N’Roses bleibt insgesamt in Vers-ChorusStrukturen verhaftet. Eine Reihung von Gitarrenriffs im Stile von Black Sabbath ist nicht gegeben, da die eine Vers-Chorus-Struktur oft bewusst ignorierende Art und Weise, in der Black Sabbath Gitarrenriffs und Gesang verbinden, nicht nachvollzogen wird. Es ist sogar schwierig, bei Guns N’Roses von Gitarrenriffs zu sprechen, da diverse Formteile viel eher über harmonische Fortschreitungen definiert sind, die in durchaus unterschiedlichen Spielweisen realisiert werden können. Auffällig ist, dass bei Guns N’Roses die formal eher verschachtelten Stücke62 zu Hitsingles wurden, während die formal einfach strukturierten Stücke nicht als Single ausgekoppelt wurden. Vergleichbares gilt auch für Back In Black von AC/DC, bei denen die ausgefeilteren Stücke „Hells Bells“, „Shoot To Thrill“ und Back In Black“ (Ba-A1, Ba-A2, Ba-B1) aus dem Konzertrepertoire nicht wegzudenken sind. Auch bei Motörhead ist das vergleichsweise ausgefeilte Titelstück „Ace Of Spades“ (As-A1) unverzichtbarer Teil jedes Konzertes. Kilmister: „I don’t know how anybody can like a song that long, do you know what I mean. I mean there is obviously new stuff coming out all over the place, but all they want to hear is ‚Ace Of bloody Spades‘.“63

61 Ad-A1, Ad-A2, Ad-B3. Bei Ad-A1 findet sich im Mittelteil zwar ein variierendes Zitat des Einleitungsriffs, das jedoch als Riff ‚j‘ bezeichnet wird, da die Unterschiede die Gemeinsamkeiten übersteigen. 62 Ad-A1, Ad-A6, Ad-B3. 63 Interview mit Kilmister für die DVD Classic Albums – Ace Of Spades (2004), transkribiert von D.E.

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Rhythmisches Ensemblespiel AC/DC – Backbeat, Pausen und variierende Wiederholung In Kapitel VI.1 diente Riff ‚a‘ aus „Highway To Hell“ (Hi-A1) als Beispiel für die These, dass der Backbeat auch zum Ausgangspunkt für die Konstruktion von Gitarrenriffs werden kann. Abbildung 35 zeigt dieses und vier weitere Riffs aus Stücken von Highway To Hell und Back In Black, die dies nochmals auf unterschiedliche Art und Weise verdeutlichen. Abbildung 35: Ensemblespiel AC/DC „Highway To Hell“ (Hi-A1) Riff ‚a‘, „Hells Bells“ (Ba-A1) Riff ‚c‘, „Back In Black“ (Ba-B1) Riff ‚a‘, „What Do You Do For Money Honey“ (Ba-A3) Riff ‚a‘, „Girls Got Rhythm“ (Hi-A2) Riff ‚a‘

Der auf das notwendigste reduzierte Backbeat, der bereits bei Judas Priest häufiger Verwendung findet,64 bildet die Grundlage für alle hier verhandelten Riffs. Der Puls der Hi-Hat-Figur kann halbiert werden, einige Impulse können fehlen. Die Transkription der Basslinie folgt der am häufigsten zu findenden Spielweise, bei der der Bass einen Achtelpuls auf den harmonischen Grundtönen legt. Bei einigen Stücken (z.B. Hi-A1) fehlt der Bass jedoch völlig oder betont nur den Wechsel der Harmonien im Gitarrenriff

64 Siehe Kapitel VI.2 Abbildung 34.

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VI.3 HARTER ROCK’N’ROLL: AC/DC, GUNS N’ROSES, MOTÖRHEAD

(z.B. Ba-B1). Grundlegend für diese Ensemblespielweise ist die Verzahnung der Gitarrenriffs mit dem Backbeat über den gezielten Einsatz von Pausen. Bei Riff ‚a‘ aus „Highway To Hell“ (Hi-A1) wird die vierte Zählzeit umspielt, bei Riff ‚c‘ aus „Hells Bells“ (Ba-A1) die zweite und vierte, mithin also die beiden den Backbeat konstituierenden Impulse. Diese werden von Schlagzeug und Gitarre gerade nicht unisono betont, sondern der Backbeat-Akzent sitzt auf dem mittleren Puls einer das Gitarrenriff rhythmisch konstituierenden Dreiergruppe. Eine Variante dieser Ensemblespielweise findet sich auch in „Photograph“ der britischen Band Def Leppard65 von 1983. Abbildung 36: Def Leppard „Photograph“ Riff ‚c‘ (Auszug)

Gitarrist Phil Collen von Def Leppard beschreibt dieses Riff in einem Interview als von AC/DC inspiriert und betont dabei ausdrücklich die Wichtigkeit der Pausen: „Was cool kommt, sind die Spielpausen. In den ersten beiden Takten der Bridge setzte ich eine Viertelpause auf die Zählzeit 3. Das habe ich mir bei AC/DC abgeguckt, für die wir als Opener gespielt haben, als wir noch nicht so bekannt waren“ (Weiß 2007: 86). Riff ‚a‘ aus „Back In Black“ (Ba-B1, Abb. 35) spiegelt diese Methode und setzt auf die den Backbeat konstituierenden Snareimpulse die Pausen des Gitarrenriffs. Die das Gitarrenriff wiederum prägende Gruppe von drei Pulsen bewegt sich nicht mehr rund um den Snareschlag, sondern zur Bass Drum hin, die mit dem jeweils dritten Puls erreicht wird. Riff ‚b‘ aus „What Do You Do For Money Honey“ (Ba-A3, Abb. 35) setzt die Pausen als Variation nur in der ersten Hälfte des Riffs auf die Impulse der Snare, während in der zweiten Hälfte zumindest der erste Snareschlag mitgespielt wird. Zudem verzichten AC/DC auf die bisher übliche Dreiergruppierung von Gitarrenpulsen. In der Folge von 3+4+4+2+2+1 Pulsen, die das Riff konstituiert, zeigt sich aber eine Dreiergruppe wiederum an prominenter, den Charakter des Riffs bestimmender Stelle.66 Bei Riff ‚a‘ aus „Girls Got Rhythm“ (Hi-A2, Abb. 35) steht ebenfalls eine Dreiergruppe von Pulsen am Anfang der das Riffs konstituierenden Folge 65 Vier der insgesamt elf Alben von Def Leppard finden sich in der Auswertung. Die „Photograph“ beinhaltende LP Pyromania (1983, 8/6) wird am häufigsten genannt, auf den Plätzen folgen Hysteria (1987, 6/5), High’N’Dry (1981, 5/5) und On Through The Night (1980, 2/2). Pyromania wurde ebenfalls vom damaligen AC/DC Produzenten Robert ‚Mutt‘ Lange produziert. 66 Michael Morenga (1996: 22) bezeichnet eine derartige Gruppe von drei Pulsen am Anfang eines Riffs als Charleston-Synkope.

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von 3+4+4+5 Pulsen und markiert so eine der Pausen auf den Snareschlägen in der ersten Hälfte des Riffs, während in der zweiten Hälfte des Riffs die Snareschläge mitgespielt werden. Derartige Riffs gewinnen ihren Reiz über den permanenten Wechsel von Spannung in der ersten Hälfte und zu Entspannung in der zweiten Hälfte, je nachdem ob sich das Gitarrenriff über die Setzung der Pausen mit dem Backbeat verzahnt oder eben nicht. Fehlt ein derartiger Wechsel im Riff, wie bei den ersten drei Beispielen aus Abbildung 35, folgt die Entspannung im folgenden Riff, das dann meist den Chorus begleitet. Eine zusätzliche Möglichkeit der Spannungsauflösung besteht in kurzen Momenten parallelen Ensemblespiels. So ist der Backbeat in Abbildung 35 für das letzte Drittel des Beispiels aus „Back In Black“ (Ba-B1) falsch, da hier Schlagzeug und Gitarre parallel spielen. Die Gesangslinien bei AC/DC nehmen die Verzahnung der musikalischen Äußerungen von Gitarre und Schlagzeug als Ausgangspunkt und setzen ihre Akzente im Extremfall ‚penibel‘ in den Pausen des Gitarrenriffs. Abbildung 37: Ensemblespiel AC/DC „Back In Black“ (Ba-B1) Riffs ‚a‘ und ‚b‘ (Auszug)

Diese sich im Gesang zu Riff ‚a‘ manifestierende Auffassung des Ensemblespiels kann bei Bedarf und je nach Maßgabe des zu singenden Textes aufgelöst werden – bis hin zum parallelen Spiel von Gesang und Gitarre in Riff ‚b‘. Der Bass ordnet sich entweder dem Gitarrenriff oder dem Backbeat unter und fügt der Verzahnung rhythmischer Elemente im Ensemblespiel keine neue Ebene hinzu. Diese Art und Weise der Verzahnung musikalischer Äußerungen findet sich auf Back In Black und dem in der

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VI.3 HARTER ROCK’N’ROLL: AC/DC, GUNS N’ROSES, MOTÖRHEAD

Auswertung an dritter Stelle liegenden Nachfolgealbum For Those About To Rock häufiger als auf Highway To Hell, das noch größere Unterschiede im Ensemblespiel enthält. Dessen gleichnahmiges Titelstück wird somit zum formalen Vorbild für die Weiterentwicklung der Band. Dagegen haben Äußerungen wie „Walk All Over You“ (Hi-A3), bei dem das den Chorus begleitende Gitarrenriff die Spannung aufbauenden Pausen enthält, weniger Einfluss auf das künftige Schaffen der Band. Die Folge von 3+3+3+3+4 bzw. 3+3+2 Pulsen, die in Kapitel VI.2 als wichtiges, einen Blues-Einfluss anzeigendes Element im Rhythmusgitarrenspiel des Heavy Metal analysiert wurde, findet sich bei AC/DC besonders auf Highway To Hell in diversen Äußerungen.67 Diese ‚metrische Kette‘ wird meist von Schlagzeug, Bass und Gitarre parallel gespielt und als kontrastierendes Element zum vorherigen Gitarrenriff bzw. als Überleitung zwischen zwei Gitarrenriffs eingesetzt – ähnlich wie die anderen oben angeführten Stellen parallelen Ensemblespiels. Bei „Touch Too Much“ (Hi-A4) konstituiert diese ‚metrische Kette‘ jedoch das auf einem Backbeat beruhende Riff ‚a‘. Die Folge von 3+3+2 Pulsen entsteht mittels unterschiedlicher Betonungen in einem ansonsten durchgehenden binären Puls auf einem gleich bleibenden Ton und wird damit nur angedeutet. Spielen AC/DC pulsbasierte Riffs, die aus Folgen von Teilgruppen von drei Pulsen und einer eindeutigen, sich über Veränderung der Tonhöhe ergebenden Betonungsstruktur bestehen, fällt die die Betonungsstruktur unterstreichende ‚Palm Mute‘-Technik des Abdämpfens für die nicht betonten Impulse der Teilgruppe weg. Damit wird diese Spielweise im Vergleich zu Judas Priest wiederum nur angedeutet bzw. in einer abgeschwächten Form verwendet. Riff ‚a‘ aus „Given The Dog A Bone“ (Ba-A4) ist ein Beispiel für ein derartiges Gitarrenriff. Die Darstellung aller in „Given The Dog A Bone“ (Ba-A4) vorkommenden Gitarrenriffs in Abbildung 38 zeigt zudem deren enge Verwandtschaft. Riff ‚c‘ enthält alle musikalischen Ideen des Stückes. Es findet sich eine Teilgruppe aus drei Pulsen, bei der der erste Puls betont ist, ein die Spannung steigernder, folgender Powerchord und die Auflösung der Spannung hin zum Backbeat. Alle anderen Riffs sind unterschiedliche Kombinationen dieser Elemente. Riff ‚a‘ wiederholt dementsprechend einfach die Teilgruppe aus drei Pulsen. Riff ‚b‘ kombiniert eine tonale Variation des Anfangs von Riff ‚c‘ mit dem Anfang von Riff ‚a‘. Riff ‚a2‘ kombiniert wiederum den Anfang von Riff ‚b‘ mit dem Anfang von Riff ‚a‘. Riff ‚c2‘ fügt einen um die Tonhöhenveränderung bereinigten Puls hinzu und Riff ‚c3‘ transponiert schließlich Riff ‚c‘ auf die Tonhöhe von Riff ‚a‘. 67 Z.B. Hi-A1 Riff ‚c‘, Hi-A2 Riff ‚b‘, Hi-A3 Überleitung zwischen Riff ‚a‘ und Riff ‚b‘ mit Ausnahme der Einleitung sowie Riff ‚e‘, Hi-B1 Riff ‚a‘, Hi-B3 Überleitung zwischen Riff ‚b‘ und ‚c‘.

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Abbildung 38: Gitarrenriffs AC/DC „Given The Dog A Bone“ (Ba-A4)

In dieser expliziten Reduktion der musikalischen Mittel auf kleine rhythmische und tonale Veränderungen zeigt „Given The Dog A Bone“ (Ba-A4) einen Schwerpunkt des musikalischen Interesses bei AC/DC. Die Variation des immer Gleichen soll über kleine Veränderungen immer wieder mit Spannung aufgeladen werden. Die bewusste Reduktion der musikalischen Mittel prägt auch das Zusammenspiel der beiden Gitarristen der Band, die – ähnlich wie bei Judas Priest – fast immer parallel spielen. Meist stellt einer der beiden allein das erste Riff eines Stückes vor, während sich der andere später – bei „Highway To Hell“ (Hi-A1) zum Beispiel erst im Chorus – hinzu addiert. Trotzdem behalten AC/DC – anders als Judas Priest – die im rockmusikalischen Traditionsstrom übliche personelle Trennung in Solound Rhythmusgitarrist strikt bei. Die Gitarrensolos werden ohne Ausnahme von Angus Young ausgeführt, während sich sein Bruder Malcolm auf Rhythmusgitarre und Hintergrundgesang beschränkt. Dieser Minimalismus unterscheidet die musikalische Sprache von AC/DC deutlich von den bisher identifizierten Merkmalen des Traditionsstroms des Heavy Metal. Überschneidungen und Anleihen finden ihre Begründung in der gemeinsamen Wurzel vieler dieser Elemente im städtischen Blues bzw. Blues Rock. Elemente der musikalischen Sprache des Heavy Metal erscheinen bei AC/DC nicht als die die Komposition tragenden Elemente, sondern als auflockernde Ergänzungen.

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VI.3 HARTER ROCK’N’ROLL: AC/DC, GUNS N’ROSES, MOTÖRHEAD

Motörhead – die Pflege der Uneindeutigkeit Das rhythmische Ensemblespiel bei Motörhead beruht nicht auf dem Backbeat, sondern ist pulsbasiert und damit näher am Traditionsstrom des Heavy Metal. Im Titelsong von Ace Of Spades entsteht der Puls beispielsweise aus der Kombination einer ternären, nahe am Shuffle liegenden rhythmischen Auffassung mit einer binären Rhythmik und ist dementsprechend uneindeutig. Er wird von Gitarre und Bass – unter Verwendung des gleichen Tonmaterials – unterschiedlich ausgestaltet. Abbildung 39: Unterschiedliche Deutungen des Pulses

Die parallele Existenz verschiedener, dem Traditionsstrom entnommener Deutungen des Pulses, die den Fundus an Material bilden, aus dem sich die Musiker bedienen, lässt die für Motörhead typischen Unterschiede in der Kombination langer und kurzer Notenwerte entstehen. Einigkeit besteht im Ensemblespiel von Motörhead vor allem bezüglich der Uneindeutigkeit Keine der Ausformungen des Pulses erklingt unverändert. Damit unterscheiden sich Motörhead grundlegend von der bisherigen Gestaltung des rhythmischen Ensemblespiels im Heavy Metal, das von seiner Eindeutigkeit lebt. Die bisherigen Ausgestaltungen des Pulses, etwa bei Judas Priest oder Black Sabbath, sind entweder binär oder ternär, liegen aber nicht dazwischen. Von besonderer Bedeutung für diese Eindeutigkeit ist die bereits erwähnte Palm Mute-Spieltechnik (P.M.), die über die Abdämpfung der Saiten eine gleichmäßige Betonung der Pulse immens erleichtert. Dieser von Judas Priest popularisierten Spieltechnik ziehen bereits AC/DC eine unterschiedliche Betonungen erlaubende Spieltechnik vor.

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Abbildung 40: Gitarrenriffs Metallica „Whiplash“ (Ki-A6) Riff ‚c‘, Motörhead „Whiplash“ Riff ‚c‘, Amon Amarth „Fate Of Norns“ Riff ‚a‘

Abbildung 40 zeigt zur Verdeutlichung das auf einem binären, mit Palm Mute-Technik erzeugtem Puls beruhende Riff ‚c‘ aus „Whiplash“ aus Metallicas Debütalbum Kill ’Em All (1983, 16/14),68 die uneindeutige, eher rockmusikalische Deutung von Motörhead in ihrer Coverversion des gleichen Stücks69 sowie Riff ‚a‘ aus „Fate Of Norns“ vom gleichnamigen Album (2004, 1/1) der schwedischen Band Amon Amarth,70 das auf einem eindeutig ternären Puls beruht, der zwischen abgedämpften und ausklingenden Anschlägen wechselt. Genauso falsch wäre es jedoch, bei Motörhead von einer eindeutigen Swing- oder Shuffle-Rhythmik zu reden, da auch diese nur ab und zu vorliegt.71 Motörhead sind mit dieser Uneindeutigkeit des rhythmischen Ensemblespiels jedoch fest im rockmusikalischen Traditionsstrom verwurzelt und berufen sich letztlich auf den Rock’n’Roll in der Ausprägung von Chuck Berry. Riff ‚c‘ aus „The Chase Is Better Than The Catch“ (As-B5, Abb. 41) ist beispielsweise eine direkte Reminiszenz an das so genannte Boogie Pattern, das – im Shuffle Rhythmus gespielt – auch „Johnny B. Goode“ von Chuck Berry prägt und in der britischen Musikszene der 1970er Jahre u. a. die Grundlage der musikalischen Äußerungen von Bands wie Status Quo72 bildet.

68 Zu Metallica in der Auswertung siehe Kapitel VI.5. 69 Für diese Aufnahme erhielten Motörhead 2005 einen Grammy in der Kategorie „Best Heavy Metal Performance“. 70 Drei weitere der insgesamt sieben Alben von Amon Amarth finden sich in der Auswertung. Versus The World (2002, 2/2) wird als Einziges mehr als einmal genannt. 71 Während die Stärke des ‚Swing‘ bei einem Jazzschlagzeuger vor allem Tempo abhängig zu sein scheint (vgl. Friberg und Sundström 1999 und Cholakis 1995), ändert sich die Stärke des ‚Swing‘ bei Motörhead bei gleich bleibendem Tempo beständig. 72 Mit Quo Live! (1977, 1 / 1) findet ein Album von Status Quo Eingang in die Auswertung.

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VI.3 HARTER ROCK’N’ROLL: AC/DC, GUNS N’ROSES, MOTÖRHEAD

Abbildung 41: Gitarrenriff Motörhead „The Chase Is Better Than The Catch“ (As-B5) Riff ‚c‘

Die Saiteninstrumente von Motörhead sind einen Halbton tiefer gestimmt. Die Tabulaturdarstellung von Riff ‚c‘ verdeutlicht, dass die Spielweise eine durchgängig angeschlagene Leersaite beinhaltet. Die Bedeutung des Spiels mit Leersaiten ist besonders für die Art und Weise des Bassspiels bei Motörhead grundlegend. Über die Kombination einer Leersaite mit einer anderen an einem bestimmten Bund gegriffenen Saite entstehen Oktaven, Powerchords und andere Mehrklänge, die – mit verzerrten Klang gespielt – die Rolle des Bassspiels im Ensemblespiel neu definieren bzw. personalisieren. Der Bass wird so bei Lemmy Kilmister zur tiefer gestimmten Rhythmusgitarre. Abbildung 42: Ensemblespiel Motörhead „(We Are) The Roadcrew“ (As-A6) Riffs ‚b‘, und ‚a‘

Elemente der musikalischen Sprache des Heavy Metal finden sich bei Motörhead vor allem im Schlagzeugspiel, das in der in Kapitel VI.1 beschriebenen Tradition der Emanzipation aus der puren Begleitungsfunktion steht. Ausgangspunkt bleibt dabei zwar der Backbeat, der jedoch immer wieder verlassen wird. Der in Abbildung 42 transkribierte Ausschnitt aus „(We Are) The Roadcrew“ (As-A6), das Ende eines Verses und der Chorus, zeigt variantenreiches Schlagzeugspiel inklusive parallelem Ensemblespiel aller beteiligten Stimmen. Neben dem parallelen Ensemblespiel finden sich in diesem Beispiel mit den vier Sechzehntel-Noten am

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Ende des ersten Viertels der Transkription auch Elemente der Double BassTechnik im Schlagzeugspiel und damit ein weiteres Element aus dem Traditionsstrom des Heavy Metal. Auf Ace Of Spades wird die Double Bass-Technik jedoch eher verzierend eingesetzt.73 Die 1979er Veröffentlichung von Motörhead, Overkill, ist dagegen für den durchgehenden Double Bass-Einsatz besonders im Titelstück bekannt. „Overkill“ (O-A1) beginnt nur mit Schlagzeug inklusive der Double Bass Technik, Bass und Gitarre setzen anschließend nacheinander ein. Der Schluss entspricht einem doppelten ‚wiederholten Beginn’ bei 3:15 und 4:11 Minuten von 5:14 Gesamtlänge, dem jeweils ein Gitarrensolo folgt.74 Overkill ist die in der Auswertung am zweithäufigsten genannte Motörhead-LP, das Titelstück ist – ähnlich wie „Ace Of Spades“ (As-A1) – aus keinem Motörhead-Konzert wegzudenken. Die prominente Verwendung der Double Bass-Technik bei teilweise hohen Tempi verbindet Motörhead mit Judas Priest und ist möglicherweise für einen Teil der Wertschätzung verantwortlich, die Motörhead laut Auswertung genießen. Nachdem Phil Taylor Motörhead 1992 endgültig verlässt, ersetzt ihn mit Mikkey Dee ein Schlagzeuger, dessen spieltechnische Wurzeln stärker im Traditionsstrom des Heavy Metal verankert sind. Die Art und Weise des Schlagzeugspiels bei Motörhead verändert sich, wie am Beispiel von „Metropolis“ (O-B4) gezeigt werden kann. Abbildung 43: Ensemblespiel Motörhead „Metropolis“ (O-B4) Riffs ‚b‘ und ‚c‘

Der letzte Gitarrenakkord von Riff ‚b‘ erklingt nur in der Version mit Dee am Schlagzeug. Die Unterschiede im Spiel der beiden Schlagzeuger treten deutlich hervor. Taylor spielt Backbeat-Variationen mit durchgehender HiHat, während Dee das in Riff ‚b‘ angelegte Potential paralleler Betonungen von Schlagzeug und Gitarre über die Setzung von Pausen herausarbeitet 73 Eines der wenigen Beispiele für eine durchgehende Double Bass Figur ist Riff ‚c‘ aus „Jailbait“ (As-B2). 74 Vgl. Waksmann 2004: 34f.

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und zu Riff ‚c‘ eine durchaus virtuose Variation inklusive einer hier mit einer Fermate versehenen Tempoverschleppung einarbeitet, ganz im Sinne der musikalischen Sprache des Heavy Metal.75 Eine derartige, über den Einsatz der Double Bass-Technik hinausgehende Hinwendung des Schlagzeugspiels zum Heavy Metal bei Motörhead wird jedoch nicht wertgeschätzt. Keine der Veröffentlichungen mit Mikkey Dee am Schlagzeug ist in der Auswertung genannt.

Guns N’Roses – die Stilisierung der Unordentlichkeit Das Ensemblespiel von Guns N’Roses unterscheidet sich nochmals von den bisherigen Beispielen. Dies manifestiert sich besonders im Umgang mit den beiden Gitarren im Ensemblespiel. Während Bands wie Judas Priest und auch AC/DC das parallele Spiel beider Gitarristen favorisieren, betonen Guns N’Roses die Unterschiedlichkeit der beiden Gitarren in einer Art, die über Solobegleitung und gelegentliche zweistimmig ausgeführte Riffs und Melodielinien hinausgeht. Abbildung 44: Ensemblespiel Guns N’Roses „Welcome To The Jungle“ (Ad-A1) Riff ‚a‘

Während der Stückeinleitungen spielen Slash und Stradlin betont unterschiedliche Stimmen. In Abbildung 44 ist die Einleitung von „Welcome To The Jungle“ (Ad-A1) ab dem Zeitpunkt notiert, an dem Gitarre 1 von Gitarre 2 und 3 begleitet wird. Die Notation von Gitarre 1 entspricht nur annä75 Die transkribierte Version von „Metropolis“ mit Mikkey Dee am Schlagzeug entstammt der DVD 25&Alive Boneshaker (2001). Da Riff erklingt ‚c‘ im Stückverlauf immer inklusive der notierten Tempoverschleppung.

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hernd dem Gehörten, da ein Echogerät Verwendung findet, das die Töne mehrfach verdoppelt und die genaue Notation erschwert.76 Die zusätzliche E-Gitarre 3 erklingt leiser als die Gitarren 1 und 2 und dient nur zur Markierung der Harmonien. Das musikalische Mittel, verschiedene Harmonien unter ein sich gleich bleibend oder leicht variiert wiederholendes melodisches Motiv zu legen, nutzen Guns N’Roses häufiger, so zum Beispiel auch in den Einleitungen zu „Paradise City“ (Ad-A6) und „Sweet Child O’Mine“ (Ad-B3). Abbildung 44 zeigt einen Durchlauf von Riff ‚a‘ und den Anfang der nächsten Wiederholung, die bereits deutlich variiert gestaltet ist. Das Echogerät auf Gitarre eins fällt ab diesem Zeitpunkt weg, die Linie ist eindeutig notierbar. Der (nicht notierte) Bass legt die Grundtöne unter die Harmonien von Gitarre drei und fällt mit Beginn der Wiederholung in einen Sechzehntel-Puls über die harmonischen Grundtöne und betont damit die ab dieser Stelle eindeutig hörbare Linie nochmals. Diese Unterschiedlichkeit wird im weitergehenden Stückverlauf und besonders während der Gesangsbegleitung zugunsten zumindest ähnlicher gestalteter rhythmisch-melodischer Linien zurückgenommen. Oft werden von den beiden Gitarristen dabei zwei unterschiedliche Versionen des gleichen Riffs parallel gespielt. Abbildung 45: Ensemblespiel Guns N’Roses „Welcome To The Jungle“ (Ad-A1) Riff ‚b‘

Die Transkription zeigt das an den in Abbildung 44 notierten Auszug anschließende Riff ‚b‘. Die erste notierte Zeile (Teilriffs ‚b-1‘ und ‚b-3‘) erklingt noch instrumental, mit Beginn der zweiten Zeile (Teilriffs ‚b-2‘, ‚b-4‘ und ‚b-5‘) setzt der Gesang mit dem ersten Vers ein. Mit dem Ge76 Die Rate der Wiederholung beträgt circa 150 Millisekunden.

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sangseinsatz tauschen Slash und Stradlin ihre gespielten Linien, Gitarre zwei übernimmt Teilriff ‚b-1‘ von Gitarre eins, während Gitarre eins die zweistimmigen Powerchords von Gitarre zwei (‚b-3‘) zu einer Single-Note Figur (‚b-4‘ und ‚b-5‘) verändert. Teilriff ‚b-1‘ bleibt ebenfalls nicht unverändert, es wird eine Sechzehntel Pause gespielt und die anschließende Abwärtsbewegung führt vom ‚g‘ zum ‚e‘ (‚b-2‘) und nicht mehr vom ‚d’ über ‚fis‘ zum ‚a‘. Das Ensemblespiel beider Gitarren erfährt eine weitere Variation, wenn Gitarre eins weiterhin Teilriff ‚b-2‘ spielt und Gitarre zwei mit Teilriff ‚b-5‘ eine Überleitung zum nächsten Formteil andeutet, der mit weiteren Variationen von Riff ‚b‘ gestaltet wird.77 Im bisherigen Verlauf dieser Untersuchung hat ein Gitarrenriff eine klare und eindeutig zu identifizierende musikalische Gestalt, die zwar variierbar ist, deren Varianten jedoch nicht parallel, sondern nacheinander erklingen. Die Umsetzung einer musikalischen Idee in die musikalische Praxis des Ensemblespiels folgt bei Guns N’Roses damit anderen Gesetzmäßigkeiten. Das Riff wird zu einer möglicherweise nie genau so erklingenden Idealgestalt einer musikalischen Idee, die im Ensemblespiel permanent variiert und umspielt wird. Tipton und Downing von Judas Priest setzen dagegen – im Gegensatz zu Slash und Stradlin – die musikalische Idee eines Gitarrenriffs im Ensemblespiel in parallel gespielte, identische Riffs um, die nur über den Klang der Gitarren individuell zuordenbar sind. Wie schon im Umgang mit bzw. der Vermeidung des Shuffle angezeigt, neigt die bisher identifizierte musikalische Sprache des Heavy Metal zur einer Eindeutigkeit und Klarheit, die über die bewusste Reduktion der musikalischen Mittel auch bei AC/DC erkennbar ist, bei Motörhead und Guns N’Roses jedoch zugunsten einer ästhetisch gewollten Ungenauigkeit oder, metaphorisch gesprochen, Unordentlichkeit negiert wird. Ihre Wurzeln hat diese sich im Zusammenspiel der beiden Gitarristen konkretisierende Auffassung des Ensemblespiels eher im bluesbeeinflussten Rock der britischen Rolling Stones oder der US-amerikanischen Aerosmith.78 In diesem Zusammenhang sein an das Zitat von Aerosmiths Gitarrist Joe Perry in Kapitel VI.1 erinnert: „The Heavy Metal Bands just picked upon one little thing that we did, you know, and we do that kind of music very well but this is like this much of what we do and we do a whole bunch of things“ (Spheeris 1988 – transkribiert von D.E.). Heavy Metal isoliert das Gitarrenriff und macht es zum Zentrum des musikalischen Geschehens. Andere Ensemblespielweisen – wie die von den in diesem Kapitel behandelten Bands favorisierten – werden vernach-

77 Es folgt Riff ‚b2‘, siehe Tabelle 31. 78 Mit Exile On Mainstreet (1972) wird eine LP der Rolling Stones einmal in der Auswertung genannt. Zu Aerosmith in der Auswertung vgl. Fußnote 65 in Kapitel VI.1.

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lässigt. Da die konkrete Umsetzung einer musikalischen Idee bei Guns N’Roses eben nicht zu einem eindeutig gestalteten Riff führt, findet sie ihre Verwirklichung möglicherweise eher in einer bestimmten Harmoniefolge, die mit dem rhythmischen Ensemblespiel verschränkt und jeweils variiert ausgestaltet wird. Betrachtet man beispielsweise „Sweet Child O’Mine“ (Ad-B3) so zeigt sich, dass die Riffs ‚a‘, ‚b‘ und ‚d‘ mittels der gleichen Harmoniefolge gestaltet werden, während sich Riff ‚c‘ zwar an Riff ‚a‘ anlehnt, aber anders harmonisiert wird. Die ‚a‘, ‚b‘ und ‚d‘ charakterisierenden Harmonien sind als sich wiederholende Folge der Akkorde D-Dur, C9, G-Dur und nochmals D-Dur beschreibbar, wobei jede der vier Harmonien gleich lang erklingt. Riff ‚a‘ beruht dabei auf einer Gitarrenmelodie, die pro Harmonie zweimal gespielt, über leichte Variationen an die wechselnden Harmonien angepasst wird und in der oberen Zeile von Abbildung 46 auszugsweise transkribiert ist. Anfangs wird die in Frage stehende Melodie unbegleitet dargeboten, in den beiden Wiederholungen addiert sich die Band hinzu – und mit ihr die beschriebene Harmoniefolge. Riff ‚b‘ entspricht Riff ‚a‘ mit der Ausnahme, dass die oben transkribierte Melodiefolge durch Gesang ersetzt wird. Riff ‚d‘ entwickelt schließlich über die immer noch erklingende obige Harmoniefolge eine neue, ebenfalls auf der Gitarre gespielte Melodie, die in Abbildung 46 ebenfalls in Auszügen transkribiert ist. Abbildung 46: Gitarrenriffs Guns N’Roses „Sweet Child O’Mine“ (Ad-B3) Riffs ‚a‘ und ‚d‘ (Auszug)

Abbildung 47: Gitarrenriff Guns N’Roses „Sweet Child O’Mine“ (Ad-B3) Riff ‚c‘

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VI.3 HARTER ROCK’N’ROLL: AC/DC, GUNS N’ROSES, MOTÖRHEAD

Riff ‚c‘, der Chorus, benutzt dagegen die Harmoniefolge A5, (B5), C5, DDur und nochmals D-Dur. B5 ist ein nur kurz erklingender Durchgangsakkord. Die restlichen Harmonien erklingen jeweils gleich lang. Abbildung 47 zeigt, das die Gitarrenmelodie zu D-Dur exakt der Melodie entspricht, die als Riff ‚a‘ (Abb. 46) über D-Dur erklingt. Damit sind alle vier Riffs eigentlich Varianten einer musikalischen Idee, die sich als die Riff ‚a‘ mit der Harmonisierung D-Dur entpuppt, jedoch im Laufe des Stückes immer variiert dargeboten wird. Das Prinzip der musikalischen Gestaltung ist damit nur zum Teil riffbasiert, zum Teil auf Harmoniefolgen beruhend. Die Harmoniefolge D, C9, G und D entspricht dabei einer von Black Sabbath bekannten Erweiterung des 12-taktigen Bluesschemas um die Doppelsubdominante C9 bei gleichzeitigem Wegfall der Dominante. Laut Kramarz (2006: 92) entwickelt sich diese harmonische Formel „im direkten Umfeld der Bands, die überwiegend den Blues spielten und eben auch andere, neue Möglichkeiten für ihre Songs suchten.“79 Riff ‚a‘ aus „Paradise City“ (AdA6) beruht ebenfalls auf dieser harmonischen Formel,80 die im Laufe des Stückes in verschiedenen Spielweisen (Akkordbrechungen, Powerchords, mit zusätzlicher Gitarrenmelodie etc.) und Tempi dargeboten wird, während Riff ‚b‘ eindeutig auf einem Gitarrenriff basiert. Der Bass doppelt im Ensemblespiel entweder ein Gitarrenriff oder bedient die zugrunde liegende harmonische Formel in Zusammenhang mit der jeweiligen Schlagzeugfigur. Dabei können – erstmalig im Rahmen dieser Untersuchung – eigenständig wahrnehmbare Basslinien entstehen, die dem rhythmischen Ensemblespiel eine neue Komponente hinzufügen.81 Das Schlagzeugspiel beruht auf Variationen des Backbeat, die jedoch größere Unterschiede aufweisen als die beispielsweise bei AC/DC vorkommenden. Gern kommt dabei eine Glocke zu Gehör,82 ein Element, das Moore (2001: 38) als typisch für den Hard Rock der 1970er Jahre ansieht. Damit verdichtet sich die starke Verwurzelung des Ensemblespiels bei Guns N’Roses im Blues beeinflussten Hard Rock weiter. Allerdings kann die prominente Verwendung der Glocke auch als gezielter Verweis auf bzw. ein absichtliches Zitat aus dem Traditionsstrom der Rockgeschichte betrachtet werden, denn das Ensemblespiel von Guns N’Roses ist voll von derartig deutlichen

79 Kramarz (2006: 95) zitiert als Beispiele u.a. Lynyrd Skynyrd „Sweet Home Alabama“ (Second Helping, 1974, -), Led Zeppelin „Communication Breakdown“ (Led Zeppelin, 1969, 6/5), Ten Years After „Love Like A Man“ (Cricklewood Green, 1970, -), Free „Alright Now“ (Fire And Water, 1970, 2/2) sowie „Sympathy for the Devil“ (Beggar’s Banquet, 1968, -) und „Can’t You Hear Me Knocking“ (Sticky Fingers 1971, -) der Rolling Stones. 80 G(Tonika), C (Subdominante), F9 (Doppelsubdominante), C, G; nur die Reihenfolge von Subdominante und Doppelsubdominante ist umgekehrt. 81 Vgl. z.B. Ad-A6 Riff ‚a‘, Ad-B3 Einleitung. 82 Vgl. Ad-A1 Riff ‚b3‘, Ad-A2 Riff ‚c‘, Ad-A3 („Nighttrain“ – nicht analysiert) Riff ‚a‘, Ad-A5 Riff ‚d‘, Ad-B2 („Think About You“ – n.a.) Riff ‚a‘.

201

SCHWERMETALLANALYSEN

Verweisen. Man hört die an Chuck Berry angelegte Shufflespielweise mit eindeutigen Boogiebezügen,83 den in Kapitel VI.2 aus der Son Clave abgeleiteten, sogenannten Bo Diddley-Rhythmus84 und auch direkte Bezüge auf den Traditionsstrom des Heavy Metal mit (auf Akustikgitarren) gespielten Akkordbrechungen,85 parallelem Ensemblespiel aller Instrumente inklusive der Gesangsstimme86 sowie sowohl die virtuose Kontrolle lang gezogener Schreie87 als auch emotionale vokale Einwürfe.88 Ebenfalls vorhandene chromatische Elemente in den Riffs oder harmonischen Formeln treten meist als Schlusswendung oder Verbindung zweier benachbarter Harmonien auf und haben so eher verzierenden Charakter.89 Einzig Riff ‚b‘ aus „Paradise City“ (Ad-A6) und Riff ‚a‘ aus „My Michelle“ (Ad-B1) arbeiten dezidiert mit chromatischen Elementen. Im ersteren Fall wird über der Bewegung vom ‚f‘ über ‚fis‘ zum Grundton ‚g‘ die große Septime betont, im zweiten Fall der Tritonus über der Bewegung vom ‚cis‘ über ‚c‘ zum ‚h‘ und anschließend zum Grundton ‚fis‘.90 Damit bleiben Guns N’Roses auch in der Verwendung chromatischer Elemente in den Riffs stark im Blues verwurzelt und vollziehen die bei Black Sabbath festgestellte Entwicklung einer Ausweitung der Grenzen der musikalischen Sprache des Blues nicht mit. Grundlage des Ensemblespiels bleibt damit ein vom Traditionsstrom des Heavy Metal klar zu unterscheidender musikalischer Ansatz, der die Eindeutigkeit und Genauigkeit des Heavy Metal zwar konterkariert, sich aber gleichzeitig aus dessen Traditionsstrom bedient. Dem entspricht auch die formale Struktur bei Guns N’Roses, die an die abgesetzten Einleitungen, erweiterten Schlüsse und ausgedehnten Mittelteile von Black Sabbath respektive Judas Priest erinnert, jedoch nie eine Vers-Chorus-Struktur verlässt. Als direkter Bezug wirkt in diesem Zusammenhang der perkussiv geprägte Formteil ‚j‘ aus „Welcome To The Jungle“ (Ad-A1), der Ähnlichkeit mit Formteil ‚c‘ aus „Supernaut“ (V-A5) von Black Sabbath hat. Allerdings mischen Guns N’Roses in bekannter Weise altes und neues, in dem sie in Formteil ‚j‘ eine Variation von Riff ‚a‘ integrieren, während Black Sabbath ihren perkussiv geprägten Teil klar abgrenzen und keinerlei bereits bekannte Elemente integrieren. 83 Vgl. Ad-A3 („Nighttrain“ – n.a.), Ad-B2, Ad-B5 („Anything Goes“ – n.a.). 84 Ad-A5. 85 Vgl. Ad-A2, Ad-A6, Ad-B1 („My Michelle“ – n.a.), Ad-B2 („Think About You“ – n.a.), Ad-B3, Ad-B4 („You’re Crazy“ – n.a.). 86 Vgl. Ad-A1 Riff ‚b3‘, Ad-A3 Riff ‚a‘ („Nighttrain“ – n.a.), Ad-A5 Schluss, Ad-A6 Riff ‚b‘. 87 Vgl. Ad-A1, Ad-A3 („Nighttrain“ – n.a.), Ad-A5, Ad-A6. 88 Vgl. Ad-A1, Ad-A4, Ad-A6, Ad-B4 („You’re Crazy“ – n.a.) Riff ‚e‘. 89 Vgl. Ad-A1 Riff ‚h‘, Ad-A2 Riff ‚f‘, Ad-A3 („Nighttrain“ – n.a.) Riff ‚f‘, Ad-A5 Riff ‚d‘, Ad-B4 (You’re Crazy“ – n.a.) Riff ‚e‘, AD-B5 („Anything Goes“ – n.a.) Riff ‚b‘. 90 Mittels Overdubs wird Riff ‚a‘ auch im Terzabstand zu Gehör gebracht.

202

VI.3 HARTER ROCK’N’ROLL: AC/DC, GUNS N’ROSES, MOTÖRHEAD

Die Nutzung der musikalischen Sprache des Heavy Metal als Verzierung Eine Weiterentwicklung der bisher deduzierten Elemente einer musikalischen Sprache des Heavy Metal ist bei den drei behandelten Bands nicht feststellbar, auch wenn • die Klangfarbe weiterhin grundsätzlich verzerrt ist, • die Gitarre das solistische Hauptinstrument bleibt, • hohe, lang gezogene vokale Schreie hörbar sind, • riffbasierte musikalische Äußerungen vorhanden sind, • sich auf der formalen Ebene Elemente einer periodischen Liedstruktur mit einer Struktur der Reihung und Wiederholung von Gitarrenriffs verschränken können, • pulsbasiertes Ensemblespiel bis hin zur Nutzung der Double BassTechnik im Schlagzeugspiel vorkommt. Jede der drei Bands nutzt nur einen Teil dieser Elemente und bedient sich damit verzierend aus dem Traditionsstrom des Heavy Metal. Die Grundlagen der klanglichen Ästhetik, der formalen Struktur der musikalischen Äußerungen und des Ensemblespiels wurzeln stärker im Traditionsstrom des Blues bzw. Rock’n’Roll. • Im Gesang tritt die Eindeutigkeit der Intonation im Heavy Metal, das wichtige Element virtuoser Kontrolle, bei allen drei Bands zugunsten einer Betonung der Elemente emotionaler Kontrolle zurück, die sich auch im bevorzugt rauen Stimmklang manifestiert. • Die formale Struktur der Kompositionen bleibt bei AC/DC und Motörhead im Rahmen einer periodischen Vers-Chorus-Struktur. Die formalen Möglichkeiten des Traditionsstroms des Heavy Metal werden von Guns N’Roses dagegen stärker genutzt. Sie komponieren Stücke mit abgesetzten Einleitungen, ausgedehnten Mittelteilen und erweiterten Schlüssen. Breakdowns und duale Kompositionen fehlen jedoch bei allen drei Bands. • Im Gegensatz zu dieser (formalen) Nähe zum Traditionsstrom des Heavy Metal beruht das Ensemblespiel bei Guns N’Roses nicht auf Gitarrenriffs, sondern auf harmonischen Fortschreitungen aus dem allgemeinen Formelkatalog der populären Musik – besonders häufig sind dabei Erweiterungen des Bluesschemas. • Dies schlägt sich in der Spielweise der Gitarristen von Guns N’Roses nieder, die parallel unterschiedliche Interpretationen der gleichen musikalischen Idee anbieten – eine Ensemblespielweise, die die unveränderbare Eindeutigkeit eines Gitarrenriffs – z.B. bei Judas Priest – nicht anerkennt.

203

SCHWERMETALLANALYSEN











Die beiden Gitarristen von AC/DC spielen zwar parallel, der Schwerpunkt des musikalischen Interesses liegt jedoch in der variierenden Wiederholung einer möglichst reduzierten musikalischen Sprache. Diese zieht ihre Spannung aus kleinen und kleinsten Veränderungen und verwirklicht sich nicht in der Reihung und ausgefeilten Verknüpfung unterschiedlicher Gitarrenriffs. Das parallele Spiel der beiden Gitarristen findet in dieser Reduktion der musikalischen Mittel ebenso seine Begründung wie die einfachen Songstrukturen. Diese minimalistische Ensemblespielweise bei AC/DC ist zwar riffbasiert, verzahnt die Gitarrenriffs aber grundsätzlich mit dem Backbeat des Schlagzeugs über die Setzung von Pausen. Das Schlagzeugspiel wird so wieder auf seine – minimalistische – Begleitfunktion zurückgestuft. Gelegentliches paralleles Ensemblespiel erscheint in diesem Zusammenhang vor allem als Spannung lösende Verzierung. Das Schlagzeugspiel bei Motörhead bedient sich dagegen aus dem Traditionsstrom des Heavy Metal. Phil Taylor prägt die Entwicklung der Double Bass Technik zur stilprägenden Spieltechnik im Heavy Metal sogar mit. Das pulsbasierte Ensemblespiel bei Motörhead gestaltet sich erheblich uneindeutiger als bei Black Sabbath oder Judas Priest. Verschiedene Ausformungen des Pulses erklingen bei Motörhead parallel und schwanken zwischen binären und ternären Deutungsmöglichkeiten. Dagegen bevorzugt der Traditionsstrom des Heavy Metal entweder eindeutig binäre oder eindeutig ternäre Ausgestaltungen des Pulses. Shuffle-Elemente bis hin zum Boogie sind auch bei Guns N’Roses deutlich wahrnehmbar, während sie bei AC/DC wiederum nur minimalistisch reduziert vorkommen. Die für einen gleichmäßigen Puls verantwortliche Palm Mute-Spieltechnik des Heavy Metal, die eine Betonungsstruktur über Tonhöhenänderungen generiert, wird von allen drei Bands durch einer unterschiedliche Betonungsmöglichkeiten zulassenden Spielweise ersetzt.

Zusammengefasst lässt sich feststellen, das die bisher identifizierte musikalische Sprache des Heavy Metal zu einer Eindeutigkeit und Klarheit neigt, die über die bewusste Reduktion der musikalischen Mittel bei AC/DC noch erkennbar ist, bei Motörhead und Guns N’Roses jedoch zugunsten einer ästhetisch gewollten Ungenauigkeit oder, metaphorisch gesprochen, Unordentlichkeit negiert wird. Im Traditionsstrom des Heavy Metal wird das Gitarrenriff isoliert und mutiert zum Zentrum des musikalischen Geschehens. Andere Ensemblespielweisen – wie die der in diesem Kapitel behandelten Bands favorisierten – werden vernachlässigt.

204

VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

4. Classic Metal II – die Wiederkehr des Progressive Rock-Einflusses: Iron Maiden Iron Maiden in der Auswertung Iron Maiden nehmen in der Auswertung hinter Metallica und Judas Priest auf Platz drei der Metaliste der meistgenannten Bands ein. Die ersten zehn ihrer insgesamt zwanzig offiziellen Veröffentlichungen1 sind in der Auswertung vertreten. Tabelle 32: Iron Maiden in der Auswertung Nennungen

Jahr

Quellen

Kürzel

14

The Number Of The Beast

Album

1982

11

N

10

Iron Maiden

1980

8

I

9

Piece Of Mind

1983

9

Pi

9

Killers

1981

8

K

8

Powerslave

1984

8

Po

6

Somewhere In Time

1986

6

4

Seventh Son Of A Seventh Son

1988

4

3

Fear Of The Dark

1992

3

2

Live After Death

1985

2

1

No Prayer For The Dying

1990

1

Die ersten fünf Studioalben der Band besetzen die ersten fünf Plätze, die Alben sechs bis zehn – vier Studioalben und ein Konzertmitschnitt – folgen. Damit existiert – ähnlich wie bei Black Sabbath – eine klare Präferenz für die ersten fünf Jahre der Veröffentlichungsgeschichte der Band. Das dritte Studioalbum The Number Of The Beast von 1982 erscheint deutlich herausgehoben, es ist eines der insgesamt zehn meistgenannten Alben der Auswertung. Die folgenden vier Alben werden ähnlich bewertet und platzieren sich in der Reihenfolge Album eins, vier, zwei und fünf. Der in der Auswertung vertretene Zeitraum von 1980 bis 1992 entspricht der produktiven Phase der Band. In den folgenden fünfzehn Jahren von 1993 bis 2008 erscheinen nur fünf weitere Studioalben.

1

Vierzehn Studioalben und sechs Konzertmitschnitte. Nicht mit gerechnet wurden Zusammenstellungen bereist veröffentlichter Stücke wie die 2002 erschienene sechs CD-Box Eddie’s Archive, die zwei weitere Konzertmitschnitte und eine Sammlung sog. Raritäten enthält. A Matter Of Life And Death (2006) erscheint nach Abschluss der Auswertung.

205

SCHWERMETALLANALYSEN

Bandbiographie Iron Maiden2 werden Ende 1975 von Bassist Steve Harris in London gegründet. Nach diversen Personalwechseln findet sich 1977 eine Kernbesetzung aus Harris, Bass, David ‚Dave‘ Murray, Gitarre, Paul Andrews aka Paul Di’Anno, Gesang und Doug Sampson, Schlagzeug, die 1979 erste Studioaufnahmen3 macht und permanent auf der Suche nach einem zweiten Gitarristen ist, der sich ebenfalls 1979 mit Dennis Stratton findet. Außerdem ersetzt der ehemalige Schlagzeuger der britischen Band Samson, Clive Burr,4 im gleichen Jahr Sampson. In dieser Besetzung wird 1980 das Debütalbum Iron Maiden aufgenommen, das laut Auswertung zweitwichtigste Album der Band. Adrian Smith ersetzt Stratton als zweiter Gitarrist noch vor den Aufnahmen zur zweiten LP Killers von 1981, der laut Auswertung viertwichtigsten Iron Maiden-Veröffentlichung. Sänger Di’Anno5 verlässt 1982 die Band. Sein Nachfolger ist der Sänger der britischen Band Samson,6 Bruce Dickinson. In dieser Besetzung wird das laut Auswertung wichtigste Album der Band, The Number Of The Beast, eingespielt. Wiederum vor den Aufnahmen zur vierten LP Piece Of Mind – Nummer drei in der Rangfolge der Auswertung – ersetzt 1983 Michael Henry ‚Nicko‘ McBrain7 Schlagzeuger Burr. Diese Besetzung veröffentlicht erstmalig in der Bandgeschichte mehrere Alben.8 1990 wird dann Gitarrist Smith durch Janick Gers9 ersetzt. In dieser Besetzung werden zwei Studioalben10 und drei Konzertmitschnitte11 veröffentlicht, bevor Sänger Dickinson 1993 die Band verlässt, um seine bereits begonnene Solokarriere voranzutreiben.12

2

Vgl. Shooman (2007), Wall (1998) und die auf der DVD The History Of Iron Maiden Part 1: The Early Years (2004) enthaltene 90-minütige Dokumentation „The Early Days“. 3 The Soundhouse Tapes. 4 Burr spielt auf keiner Veröffentlichung von Samson. Zu Samson in der Auswertung siehe Fußnote 6 in diesem Kapitel. 5 Di’Annos folgende Solokarriere wird in der Auswertung ignoriert. 6 Dickinson veröffentlicht mit Samson vier Alben, von denen nur Shock Tactics (1981, 1/1) in der Auswertung genannt wird. 7 McBrain hat bereits zwei Alben mit dem kanadischen Gitarristen Pat Travers und ein Album mit der französischen Band Trust veröffentlicht, die in der Auswertung ignoriert werden. 8 Drei weitere Studioalben – Powerslave 1984, Somewhere In Time 1986, Seventh Son Of A Seventh Son 1988 – und einen Konzertmitschnitt, Life After Death 1985. 9 Gers hat u.a. mit der Band des – zum damaligen Zeitpunkt – ehemaligen Deep Purple Sängers Ian Gillan, Gillan, zwei Alben aufgenommen, die in der Auswertung ignoriert werden. Er spielt auch auf Bruce Dickinsons erstem Soloalbum, Tattooed Millionaire (1990, -). 10 No Prayer For The Dying 1990 und Fear Of The Dark 1992. 11 Live At Donington 1993, A Real Live One 1993 und A Real Dead One 1993. 12 Er veröffentlicht insgesamt acht Soloalben, von denen vier in der Auswertung genannt werden: Balls To Picasso (1994, 1/1), Accident Of Birth (1997, 2/2),

206

VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

Die Band präsentiert 1994 als Nachfolger den Sänger der englischen Band Wolfsbane, Bayley Alexander Cook aka Blaze Bayley,13 mit dem zwei Studioalben14 aufgenommen werden. 1999 kündigt die Band die Rückkehr von Sänger Dickinson und Gitarrist Smith an. Da Gers im Gegensatz zu Bayley in der Band verbleibt, erweitert sich die Besetzung auf drei Gitarristen. Bis 2008 werden drei weitere Studioalben15 und zwei Konzertmitschnitte16 veröffentlicht. Im Unterschied zu den bisherigen Untersuchungsergebnissen existiert bei Iron Maiden keine präferierte Besetzung – nur zwei der fünf meistgenannten Alben wurden in der gleichen Besetzung eingespielt. Bassist Harris und Gitarrist Murray spielen als einzige auf allen Veröffentlichungen. Gesang, Schlagzeug und zweite Gitarre sind jeweils doppelt besetzt. Jedoch ist, ähnlich wie bei Black Sabbath, Guns N’Roses und Motörhead, eine klare Präferenz für eine bestimmte Schaffensphase – die Anfangsjahre der Band – erkennbar. Die ersten fünf Alben von 1980 bis 1984 entsprechen den fünf meistgenannten. Die ersten zehn Alben werden in der Auswertung genannt. Alle späteren, nach 1992 erschienenen Veröffentlichungen werden dagegen, unabhängig von der jeweiligen Besetzung, ignoriert. In der Folge wird ein Schwerpunkt auf die herausgehobene Veröffentlichung von Iron Maiden, The Number Of The Beast von 1982, gelegt. Die beiden vorangehenden Alben mit Sänger Di’Anno und die beiden folgenden Alben mit Schlagzeuger McBrain werden jeweils als Korrektiv herangezogen.

Instrumentierung, Komposition, Produktion Iron Maiden spielen bei den in Frage stehenden Veröffentlichungen in der Besetzung Gesang, zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug. Bassist Harris und jeweils einer der beiden Gitarristen17 sind für Hintergrundgesang zuständig, der jedoch eher selten eingesetzt wird. Tasteninstrumente kommen auf den herausgehobenen ersten fünf Alben nicht vor. Auf den Alben Nummer sechs und sieben18 finden Gitarren- und Basssynthesizer Verwendung. Ab 1988 wird für Konzerte mit Michael Kenney ein Keyboarder beschäftigt, der gelegentlich auch auf Studioalben als Gastmusiker genannt wird.19 An-

13 14 15 16 17 18 19

The Chemical Wedding (1998, 1/1) und Tyranny Of Souls (2005, 1/1) Auf den zwischen 1997 und 1999 erschienenen Alben spielt Adrian Smith Gitarre. Bayleys sonstige musikalische Äußerungen werden in der Auswertung ignoriert. The X Factor 1995 und Virtual XI 1998. Brave New World 2000, Dance Of The Death 2003 und A Matter Of Life And Death 2006. Rock In Rio 2002 und Death On The Road 2005. Stratton auf dem Debütalbum, Smith auf den folgenden Alben. Somewhere In Time 1986, Seventh Son Of A Seventh Son 1988. The X Factor 1995, Brave New World 2000.

207

SCHWERMETALLANALYSEN

sonsten werden die Tasteninstrumente seit 1998 Bassist Harris zugeschrieben. Seit 2000 spielen Iron Maiden in einer Besetzung mit drei Gitarristen, die in der Auswertung – ähnlich wie die inklusive Tasteninstrumente eingespielten Veröffentlichungen – keine Rolle spielt. Ab der dritten LP verwenden Iron Maiden gelegentlich Sprachaufnahmen unterschiedlicher Herkunft als Einleitungen für Stücke. Bandgründer und Bassist Harris ist der Hauptkomponist der Band – ein Novum im bisher stark von den Gitarristen der jeweiligen Bands geprägten Ausschnitt des Traditionsstroms des Heavy Metal. Auf den ersten fünf Alben der Band ist er nur an acht der insgesamt 46 Stücke nicht beteiligt, 27 Kompositionen werden allein ihm zugeschrieben. Gitarrist Smith und Sänger Dickinson20 sind die nächstwichtigen Songschreiber der Band. Das neben Harris beständigste Mitglied von Iron Maiden, Gitarrist Murray, tritt in diesem Zusammenhang selten in Erscheinung.21 Die beiden Schlagzeuger sind ebenfalls kaum an den Kompositionen beteiligt.22 Insgesamt zeigt sich jedoch eine abnehmende Dominanz des Hauptkomponisten. Während Harris auf den ersten drei LPs nur an einem Stück nicht beteiligt ist, entsteht bei Album Nummer fünf immerhin die Hälfte der Stücke ohne ihn. Iron Maiden sind mit dem Klang des von Will Malone produzierten Debütalbums unzufrieden.23 Alle folgenden Alben bis 1993 und damit auch alle weiteren hier in Frage stehenden Veröffentlichungen werden von Martin Birch produziert, einem bekannten Produzenten harter Rockmusik.24 Als Produzenten der in der Auswertung ignorierten späteren Veröffentlichungen gelten Harris und bzw. oder Kevin Shirley.25 Album Nummer zwei und drei sowie Album Nummer vier und fünf entstehen jeweils in den gleichen Studios.

20 Aufgrund vertraglicher Probleme darf Dickinson beim laut Auswertung wichtigsten Album The Number Of The Beast von 1982 nicht als Mitkomponist genannt werden. Sein kompositorischer Anteil am Schaffen von Iron Maiden liegt also etwas höher, als schriftlich dokumentiert ist. Vgl. das Interview mit Dickinson auf der DVD Iron Maiden The Early Years (2004). 21 Ein Stück der ersten fünf LPs wird ihm allein zugeschrieben, bei drei weiteren wird er als Mitkomponist geführt. 22 Burr wird bei zwei Stücken als Mitkomponist geführt, McBrain bei einem Stück von Dance Of The Death aus dem Jahre 2003. 23 Vgl. Interview mit Harris auf der DVD Iron Maiden The Early Years (2004). 24 Martin Birch hat z.B. mit Deep Purple (alle Alben von 1970 bis 1975), Rainbow (alle Alben von 1976 bis 1978) und Black Sabbath (die Alben mit Ronnie James Dio von 1980/81) gearbeitet. 25 Der Produzentenwechsel erfolgt, weil Birch 1993 in Ruhestand geht. Zu Shirley vgl. Fußnote 23 in Kapitel VI.2.

208

VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

Die ‚Metallisierung‘ der Klangfarbe II – die Hörbarkeit spieltechnischer Details und die Notwendigkeit ihrer potentiellen Reproduzierbarkeit Auch bei Iron Maiden dominiert die verzerrte Klangfarbe der beiden Gitarren das Klangbild. Präferiert wird dabei ein transparenter Ensembleklang, in dem jedes spieltechnische Detail möglichst gut hörbar sein soll. In der größeren Transparenz des Klangs liegt auch der Hauptunterschied zwischen dem von der Band als schlecht klingend eingeschätzten Debütalbum und den späteren Produktionen von Martin Birch. Der Klang der beiden Gitarristen ähnelt sich stark und erscheint im Vergleich zu Judas Priest als wieder mehr den mittleren Frequenzbereich betonend. Beide Gitarren erklingen im Stereobild leicht getrennt. Die beiden jeweiligen Gitarristen sind im Rhythmusspiel schwer zu unterscheiden, haben aber jeweils eine klar identifizierbare solistische Spielweise und Klangfärbung. Gewünscht ist neben der klanglichen Transparenz offensichtlich eine Klangästhetik aus einem Guss. Die ebenfalls existente unverzerrte Klangfarbe der Gitarren kommt wie bei Black Sabbath besonders in Stückeinleitungen mittels Akkordbrechungen zum Zuge. Sowohl elektrische als auch akustische Gitarren können Verwendung finden. Der Einsatz frequenzmodulierender Effekte erfolgt bei beiden Klangfarben. Der Bass ist immer präsent und hörbar. Der Klang seiner Klangfarbe ist unverzerrt und eher höhenlastig und metallisch. Man hört sogar die Klack-Geräusche, die durch das Schlagen der Saiten auf die Bundstäbchen des Griffbretts entstehen. Eine derartige Klangästhetik ist hilfreich, um den Bass im Mix hörbar zu halten, ohne den Frequenzbereich der verzerrten Gitarren beschneiden zu müssen. Der Stimmklang der Sänger unterscheidet sich trotz einer ähnlichen Stimmlage, die etwas tiefer als bei Halford und Osbourne angesiedelt ist, jedoch bei beiden weiterhin in den Tenorbereich fällt. Di’Anno bevorzugt einen angerauten Klang, während Dickinson vergleichsweise klar und deutlich intoniert.26 Beide Sänger verzichten auf Elemente emotionaler Kontrolle in ihrem Vortrag und konzentrieren sich auf die Darstellung der virtuosen Kontrolle – ein Aspekt der von Dickinson noch stärker betont wird als von Di’Anno. Da unter den fünf herausgehobenen Alben beide Veröffentlichungen mit Di’Anno und drei mit Dickinson vertreten sind, haben die Unterschiede im Stimmklang beider Sänger keinen Einfluss auf die allgemeine Wertschätzung der Band, obwohl die Stimme im Klangbild immer im Vordergrund steht.

26 Dickinson gilt nicht nur Walser (siehe Kapitel VI.2) als herausragender Vertreter eines opernartigen Gesangstils im Heavy Metal.

209

SCHWERMETALLANALYSEN

Das Schlagzeug agiert eher im Hintergrund des Klangbilds. Der Klang ist unverzerrt und von diversen Becken, Hi-Hat, Basstrommel, Snare und mehreren Toms geprägt. Zusätzliche Perkussionsinstrumente finden kaum Verwendung. Die Möglichkeiten der Mehrspurtechnik werden im Vergleich zu Judas Priest nur sehr begrenzt genutzt. Es erklingen selten mehr als zwei identifizierbare Gitarrenspuren, auch wahrnehmbare Stimmverdopplungen kommen so gut wie nicht vor. Der klangliche Unterschied zwischen der DebütLP und den anderen Veröffentlichungen ist als gering einzuschätzen. Die Kompaktheit und Transparenz des Klangbildes nimmt im Vergleich bei den Produktionen von Birch etwas zu. Insgesamt ergibt sich ein kompakter, trotz der guten Hörbarkeit des Basses nicht basslastiger Ensembleklang, der auf die Reproduzierbarkeit des Gehörten in der Konzertsituation setzt und deshalb auf klangliche Experimente verzichtet, ohne die Authentizität einer Konzertsituation im Studio simulieren zu wollen.

Die andauernde Wichtigkeit der virtuosen Kontrolle im Gesang Hohe bzw. lang gezogene Schreie im Stil von Judas Priest sind auch bei Iron Maiden ein wichtiger und unverrückbarer Teil der Gesangsmelodien. Schreie finden sich häufig an Enden von Formteilen27 bzw. an Stückenden.28 Sie können auch als Übergang zwischen zwei Formteilen dienen29 oder einen (kurzen) Formteil komplett ausfüllen.30 Die Bedeutung lang andauernder Noten für den Gesangsstil im Heavy Metal spiegelt sich zudem in vielen aus relativ langen Notenwerten zusammengesetzten Gesangsmelodien wieder.31 Bei musikalischen Äußerungen, die eine Vers-ChorusStruktur aufweisen, gilt dies besonders für die Chorusmelodien.32 Lange Notenwerte in der Gesangsmelodie konterkarieren auch den schnellen Pulsschlag von Bass und Gitarre in der Schichtung unterschiedlicher Teilungen des Pulses. Auf den beiden Alben mit Sänger Di’Anno finden sich derartige Melodien seltener als auf den Veröffentlichungen mit Dickinson. Das Eröffnungsstück von The Number Of The Beast – „Invaders“ (N-A1) – weist eine Chorusmelodie auf, die stark an die Melodie des Chorus einer 27 Vgl. I-B3 („Sanctuary“ – nicht analysiert) Riff ‚e‘ als Ende des Chorus, Pi-A1 Riff ‚c‘ und Pi-B5 Riff ‚d‘. 28 Vgl. I-A4 („Running Free“ – n.a.), N-A2, N-B2 und Pi-A3 („Flight Of Icarus“ – n.a.). 29 Vgl. in I-A4 den Übergang zwischen Riff ‚a‘ und ‚c‘, sowie in N-B4 den Übergang zwischen Riff ‚a‘ und ‚b‘, d.h. zwischen Formteil A und B. 30 Vgl. N-B1 Riff ‚b‘ und N-B2 Riff ‚f‘ anschließend an das Gitarrensolo. 31 Vgl. Pi-A4 („Die With Your Boots On“ – n.a.) Riff ‚g‘ und Po-B3 Riff ‚g‘/V4. 32 Vgl. N-A1, N-B2, Pi-B1 („The Trooper“ – n.a.), Po-A1 („Aces High“ – n.a.).

210

VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

Komposition gleichen Namens von Judas Priest erinnert.33 Die Transkription zeigt die beiden Gesangsmelodien. Abbildung 48: Vokalmelodie Iron Maiden „Invaders“ (N-A1), Judas Priest „Invader“ (Sc-A5)

Wenn Iron Maiden – wie sie behaupten34 – die Melodie nicht von Judas Priest übernommen haben, zeigt dieses Beispiel, dass innerhalb des Traditionsstroms des Heavy Metal der Versuch der melodischen Umsetzung eines Wortes zu sehr ähnlichen Lösungsmöglichkeiten führen kann.

Die formale Struktur der komplexen Äußerungen Die musikalischen Äußerungen von Iron Maiden umfassen zwischen acht und zehn Kompositionen, die meist gleichmäßig auf die beiden LP-Seiten verteilt sind. Die Länge der Kompositionen auf den herausgehobenen Veröffentlichungen schwankt beträchtlich zwischen 1:45 und 13:34 Minuten, wobei nur drei Stücke kürzer als drei Minuten, knapp ein Viertel (elf) der insgesamt 46 Kompositionen dagegen länger als sechs Minuten andauern. Mit Ausnahme der zweiten LP Killers enthält jede Veröffentlichung von Iron Maiden ein Stück, das länger als sieben Minuten ist.35 Auf den Veröffentlichungen mit Bruce Dickinson finden sich zusätzlich noch jeweils zwei über sechs Minuten andauernde Kompositionen. Es existiert also eine starke Tendenz zu längeren Kompositionen, die wiederum überwiegend von Hauptkomponist Steve Harris verfasst werden. Acht der elf längeren Kompositionen stammen allein aus seiner Feder. Die Wichtigkeit längerer Stücke wird noch dadurch betont, dass alle drei unter drei Minuten langen Kompositionen auf der zweiten Veröffentlichung Killers versammelt sind, die damit nochmals eine Ausnahme von der Regel darstellt. Killers wird deshalb in der formalen Analyse eine geringere Rolle spielen.

33 „Invader“ (Sc-A5). 34 Gitarrist Smith beteuert im Interview mit Götz Kühnemund, dass die Band das Judas Priest-Stück nicht kannte (Kühnemund 2007: 22). 35 Das längste Stück auf Killers ist zumindest über sechs Minuten lang.

211

SCHWERMETALLANALYSEN

Formale Struktur The Number Of The Beast Tabelle 33: Formale Struktur Iron Maiden The Number Of The Beast Nr.

Titel

Dauer

Pulsl. d=8 a,e=16

N-A1

Invaders

3:23

a2=24 b,c,f=32 g=36

Children Of N-A2

The

4:34

Damned N-A3

The Prisoner

a,b,c=32 d,e=64 c,d=8

6:02

e=16 a,b, f,g=32 b2,c,d=16

N-A4

22 Acacia Avenue

a,b,f=32 6:36

c3=40 e2,g =48 e,c2=64 c=16

The Number N-B1

Of The

a,b=20 4:50

d2=24 d,e,f,g,

Beast

h=32 a,b,e, N-B2

Run To The Hills

3:52

f=32 c=40 d=64

N-B3

Gangland

3:47

b,c,f=16 a,d,e=64 a,g=16 d4=24

Hallowed N-B4

Be Thy Name

7:10

i=48 f,i2 =32 a2,b,c,d, e,h =64

Struktur 1

Str. 2

Str. 3

2

3aa 4b 4c4d4e2f A B C C2

4d4c4d4e2f 2

2

2

4b gg gg

BDC A 2

4d4c4d4e2f 3aa 2a2a2

I1 I2 VpC VpC S In VpC O

A B B2

I VC VC

CD

B S Po

I 4a 4b4c2de2f

IABC

I1 I2 VpC

3b4c2de4f 8g 6f

BCDC

VpC InS C

4bcc2cc2 4bc2cc3 4d4d2 4e

2(a2a2a33bb2) Br 4cd3cdcee2 2cd3cdcee

3

AABB CD

2 3

4f 4g Br 7c c O I 2(3aa23aa2) a4b 3cc23cc2 dd2

IAAB

4cc23cc2 dd2

CDCD

4e4fgh26h

ECD

3cc23cc2 dd2

AB

2

2

3aa 3aa a3b O

V1 V1 V2C V2C V3 S V4 S2

I V1V1 In V2C V2C In2S1 In3S2 V2C V1 In

I 5a Br

IA

2(2bc2d)

BCBC

V2pC

4e4f 4d O

DC

SIn C

I 2a bb2bb34c

IABC

I VC

bb2bb32d4c 2e4f

BDCE

VBC In S

bb2bb34c3c2 O

B C C2

VC C2

12a2a2 2b 2c 2d2d2 2c 2e2e2 4d2 2e2 2ff2f 4g 6h3ii2 2c2c2 d3d4 ff3f2f3 O

212

I V1 V2pC

ABC

V1In1 In2

DCE

V2In2 In3

DEF

V2In3 In4

GCDF

S In2C In4

VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

Tabelle 33 zeigt die formale Struktur der musikalischen Äußerungen von The Number Of The Beast. Im Ergebnis vereinigen sich die bisher bei Black Sabbath und Judas Priest getrennt analysierten formalen Elemente bei Iron Maiden zu einer formalen Sprache des Heavy Metal – mit Ausnahme dualer Strukturen. Sechs36 der acht Äußerungen der LP-Version besitzen eine abgesetzte Einleitung, die im Falle von „Run To The Hills“ (NB2) auch Hook-Charakter hat und bei „Children Of The Damned“ (N-A2) und „Hallowed Be Thy Name“ (N-B4) Akkordbrechungen in unverzerrter Klangfarbe beinhaltet. Bei den restlichen drei Stücken dienen die Äußerungen der Einleitung auch als Stückschluss, um die Form zu schließen. Mit einer Ausnahme (N-A1) sind die Soli abgesetzt, aber auch bei „Invaders“ (N-A1) begleitet keine zum Hauptteil gehörige musikalische Äußerung das Solo, sondern das zwischen Einleitung und Hauptteil präsentierte Riff ‚b‘. Bei vier Stücken folgt das Solo zudem auf ein neu eingeführtes Riff.37 Ähnlichkeiten zur Judas Priest’schen Formel38 finden sich bei fünf Kompositionen.39 „Invaders“ (N-A1) und besonders der Titelsong „The Number Of The Beast“ (N-B1) weisen entsprechend aufgewertete Mittelteile auf. Drei Stücke40 haben eine an Black Sabbath erinnernde, reihende Form und fügen sich nicht mehr in eine Vers-Chorus-Struktur, darunter zwei der Äußerungen mit Akkordbrechungen in unverzerrrter Klangfarbe. Wiederum zwei41 von diesen drei Äußerungen weisen auch einen erweiterten Schluss auf. Ebenfalls zwei (N-A4, N-B4) dieser drei Stücke gehören zu den bereits erwähnten längeren Äußerungen, die mindestens sechs Minuten andauern. „Hallowed Be Thy Name“ (N-B4) entspricht dabei – mit Ausnahme der abgesetzten Einleitung – keiner der bisher untersuchten formalen Aufbauten. Struktur 2 des Stückes lässt sich wie folgt vereinfachen: A (AB), B (CDC), C (EDE), D (F), E (G), B2 (CD), D(F) = A B C D E B2 D Es ergibt sich eine Weiterentwicklung der Struktur des ‚wiederholten Beginns‘, bei der auf die Reihung eine Wiederholung bereits bekannter, aber ursprünglich nicht aufeinander folgender Formteile des Hauptteils

36 37 38 39 40 41

N-A2, N-A3, N-A4, N-B2, N-B3, N-B4. N-A3, N-B1, N-B3, N-B4. Siehe Kapitel VI.2, Abschnitt „Die Judas Priest’sche Formel“. N-A1, N-A3, N-B1, N-B2, N-B3. N-A2, N-A4, N-B4. N-A2 und mit Einschränkungen N-A4. Das als letzter Formteil von „22 Acacia Avenue“ (N-A4) sieben Mal wiederholte Riff ‚c3‘ dauert viermal so lang wie das Ursprungsriff ‚c‘ und kann deshalb auch als neue musikalische Äußerung gewertet werden, so dass dieser Formteil als erweiterter Schluss zu betrachten ist.

213

SCHWERMETALLANALYSEN

folgt, um die formale Struktur geschlossener erscheinen zu lassen – auch im Hinblick auf die Dauer des Stückes. Die formale Analyse von The Number Of The Beast deutet darauf hin, dass ergänzend besonders die acht weiteren über sechs Minuten langen Äußerungen der anderen vier in Frage stehenden LPs genauer untersucht werden sollten, da besonders bei diesen Erweiterungen des bisher bekannten formalen Repertoires möglich scheinen. Allerdings zeigt die dritte längere Äußerung auf The Number Of The Beast (N-A3) einschränkend eine konventionelle Vers-Chorus-Struktur. Als zweite näher zu betrachtende Gruppe werden Äußerungen ausgewählt, die Formteile in unverzerrter Klangfarbe aufweisen, da die formale Analyse von The Number Of The Beast auch bei diesen ein Potential zur Überschreitung der Grenzen einer Vers-Chorus-Struktur gezeigt hat.

‚Epische‘ Strukturen und Reihungen Eine „Hallowed Be Thy Name“ (N-B4) ähnliche Struktur findet sich nur bei „Prodigal Son“ (K-B2, Tab. 34). Fünf Formteile werden aneinander gereiht, bevor eine Auswahl dieser Formteile – A, B, D – wiederholt wird. Über das Wiederaufgreifen von Formteil A verschwimmt die Unterscheidung zu einem ‚wiederholten Beginn‘. Zudem unterbricht eine Wiederholung von Formteil B die Reihung, allerdings wird B einmal instrumental (In2) und einmal mit Gesang (V2) vorgetragen, so dass sich die Wiederholung des Formteils im Rahmen des hier Gesagten relativiert. Die Einleitung findet auch als Schluss Verwendung. Gesungen wird über die Formteile C (V1), D (V3) und B (V2). Eine Vers-Chorus-Struktur ist nicht feststellbar. Bei „Remember Tomorrow“ (I-A2, Tab. 34) und „Strange World“ (I-B2, Tab. 34), die beide mit Akkordbrechungen in unverzerrter Klangfarbe beginnen, wird eine mögliche Vers-Chorus-Struktur aufgrund der starken Betonung instrumentaler Formteile nicht realisiert. So liegt bei „Strange World“ (I-B2) der Fokus auf dem dreimal vorkommenden Formteil A in Kombination mit einem Gitarrensolo. Gesungen wird während weniger als einem Drittel der Laufzeit des Stückes. Ähnliches gilt für „Remember Tomorrow“ (I-A2), bei dem die drei Verse etwas mehr als ein Drittel der Gesamtdauer des Stückes ausmachen. Die Mittelteile sind bei diversen Stücken stark aufgewertet. Während bei „Phantom Of The Opera“ (I-A4, Tab. 34) der den Mittelteil einleitende Formteil D einen Bruch zu den vorhergehenden Äußerungen markiert, wird bei „Revelations“ (Pi-A2, Tab. 34) über Riff ‚c‘ eine Verbindung von Haupt- und Mittelteil geschaffen. Es mutiert vom instrumentalen Abschnitt in Formteil B zum Gesangshintergrund in Formteil D.

214

VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

Tabelle 34: Formale Struktur Iron Maiden, ‚Epik‘ und Reihungen Nr.

Titel

D.

RememI-A2

ber To-

5:27

morrow

Phantom I-A4

Of The

7:05

Opera

I-B2

Strange World

5:40

Pulsl.

Struktur 1 2a 4a4b a2 4a4b

b,c=16

4c 2(4c22b2)

2

a,b =32

Str. 2 A B A2 B CCAB

2a 4a8b

Str. 3 I VIn2 In1 V In2 2(SIn3) In4 VIn2

g=12

3a2a3b 4c23c3

e=16

2(d2cd2c a2ca2c)

a2=36

d2cd2cd 2ee23ee2

ABCBC

I In1 VC VC

a,c,d=24

4ee23e 4f 2g2g22g3

BDEFB

B S1 In2 In3

b,f,g2,g3,

2h2h22h3 2i2i24i3

CB

S2 In1 VC

h=48

2i22i d2cd2c

i=64

a2ca2c d2cd

a=18

aba22(ba3)b2 4c 4d

b=24

b3aba22(ba3)b2 4c

c,d=48

4d b3aba2ba3ba4O

ABC

In S V

ABCA

In S V In

4

c,e =12 K-B2

Prodigal Son

a a2b 3cc22c 4d

e,f=24 6:11

3cc22c ee2e3e42f

g=32

2

3(2gg ) a2b

b,d=48

3cc22c ee2e3e42f a

a=64

IABC

I In1 In2 V1

BDEA

V2 V3 S In1

BDO

In2 V3 O

4a Br 6b4c 2dd2d3 Pi-

Revela-

A2

tions

6:48

a,b,c,d,

6c22e 5c22e Br

ABC

e,f,g=32

2d2d2 8f4g 3d2d3

DCECB

6b2c O g=16

2(aa2aa3)

h=24 Pi-

To Tame

B5

A Land

7:27

2b 2c2b 2c2d 2e

a,e,f,j2=

2

3(2f2f )4g

32 b,c,d,

2

2

2h2h 2h2h 6i

i,j3=64

2

3

2

I In Vin VIn2 In3

DEFA

In4V2 V2In5 In6 S In7 O

3

aa2ba 2(a3a4aca) a,b,c,d,

2da2d2a 2(a33ace

e=16

ce) a3ac22(ab)

2

Po-

The

B3

Ancient Mariner

2(2fgg2gg2) 2h3ii2

p =20

Rime Of

2

2

13:34

2

f,g,i,k,l,

5

3

2k 2(2kk 4k )

m,n,o=32 p=36

3 4

Br 3(jj )2(j j ) Br

i =24

4 5

6l4m4n2o 2pp

3 4

j,k =48

aa a a aca a a a

h=64

2da2d2a a33acece 3

a 3acec O

215

In1 In1 ABC 2

3

B B

V2 V2 V3 V4 V4 In2 In3 B V5 V5

2

In4 S

2

In5In6In7

A BC 2

2 4

I V1 V1

DEFGH

6

2k k 2k Br 2

V2 V2 In1 S In2 In1 V1

ABC

2jj jj aa aa

j=96

I V1 In1

B O

I2 V1 V12 In1 In1 V2 V22 O

SCHWERMETALLANALYSEN

Der Mittelteil42 von „Rime Of The Ancient Mariner“ (Po-B3) dauert mit acht Minuten länger als die als Klammer fungierenden Formteile A bis C inklusive ihrer Wiederholung. Zudem werden fünf Gesangsteile43 mit Teilwiederholungen aneinander gereiht, bevor eine Auswahl der Gesangsteile wiederholt wird. In „To Tame A Land“ (Pi-B5) werden sechs Formteile aneinandergereiht, bevor die Einleitung zur Schließung der formalen Struktur wiederholt wird. Die letzten dreieinhalb Minuten des Stückes werden ausschließlich instrumental bestritten. Bei „To Tame A Land“ (Pi-B5) und „Rime Of The Ancient Mariner“ (Po-B3) existiert deshalb eine gewisse Ähnlichkeit zum formalen Aufbau von „Hallowed Be Thy Name“ (N-B4) und „Prodigal Son“ (K-B2). Mit Ausnahme von „Revelations“ (Pi-A2) sind die solistischen Äußerungen abgesetzt. Bei „Rime Of The Ancient Mariner“ (Po-B3) wird das Solo im Sinne von Black Sabbath von neu eingeführten Riffs (‚l‘ und ‚n‘) gerahmt. Erweiterte Schlüsse und duale Hauptteile kommen nicht vor. Die Form wird entweder geschlossen oder beruht direkt auf der Reihung von Riffs. Allerdings kann in den möglichen starken Brüchen zwischen verschiedenen Formteilen ein Echo dieser von Black Sabbath gerne verwendeten Technik vernommen werden. Tempowechsel und Änderungen der zu Grunde liegenden Pulslängen, die über den Wechsel zwischen ternären und binären Strukturen hinausgehen sind neben Modulationen gern benutzte musikalische Mittel.44 Zudem wachsen bei Iron Maiden die Anzahl und vor allem auch die Dauer der instrumental ausgeführten Formteile gegenüber den Formteilen mit Gesang. Die in Kapitel VI.1 vertretene These der relativen Unwichtigkeit des Gesangs für die musikalische Sprache des Heavy Metal wird unterstützt. Auf den in Frage stehenden fünf Alben von Iron Maiden finden sich auch drei reine Instrumentalstücke,45 die jedoch von vergleichsweise kurzer Dauer sind. Tabelle 35 zeigt die bei diesen drei Äußerungen deutlich sichtbare Struktur der Reihung.

42 Formteile D, E, F, G und H. 43 Formteile B/V1, B2/V2, B3/V3, D/V4 und G/V5. In Formteil F/Br wird zusätzlich teilweise gesprochen. Es handelt sich damit zwar nicht um einen sechsten Gesangsteil/Vers, aber doch um einen Formteil mit Stimmensatz. 44 Vgl. I-A2: Übergang zwischen Formteil A und B, I-A4: B und D, Po-B3: E, F und G. 45 „The Ides Of March“ (K-A1) wird nicht als eigenständiges Instrumentalstück betrachtet, sondern als Einleitung des Albums.

216

VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

Tabelle 35: Formale Struktur Iron Maiden, Instrumentalstücke Nr.

Titel

Dauer

Pulslänge

Struktur 1 2

I-B1

Transylvania

4:06

4a4a 2(2b2b ) 4c

a,b,c=16

2b2b2 4c 4a

d=64

d3d2d2d3d22d O

e=8 d2=12 K-A5

Genghis Khan

3:06

a,b,c,d=16 f,g2=32 g=48

Po-

Losfer

A3

Words

4:12

2a 2(2b2c) 3dd2 2(2e2e2) 2f 2

2e2e 4g2g

Str. 2

Str. 3

2

2

ABBC B C A2 D

ABC DEDF

e,f,g=16

2(2a2b) 2c

AAB

a,b=32

2d4d2 8e 2(2f2f2)

CDE

c,d=64

2a2b 2cg

AB

Instr.

Instr

Instr

Gesang scheint als zusätzliches Element einerseits die Entwicklung ausladender, fast episch anmutender Strukturen zu begünstigen. Andererseits macht die Arbeit mit Gesang eine Wiederholung von Formteilen notwendig, die in der Übernahme einer Vers-Chorus-Struktur gipfeln kann.

Aufgewertete Mittelteile in Vers-Chorus-Strukturen Die in Tabelle 36 versammelten Äußerungen schreiben die Entwicklung aufgewerteter Mittelteile fort. Bei „Where Eagles Dare“ (Pi-A1, Tab. 36) dauert der Mittelteil 3:10 Minuten, bei „The Duellists“ (Po-A5, Tab. 36) drei Minuten und bei „Powerslave“ (Po-B2, Tab. 36) immerhin noch 2:20 Minuten. „Murders In The Rue Morgue“ (K-A3, Tab 36) weist zwei Mittelteile auf, von denen der erste die Funktion einer Bridge in einer VersChorus-Struktur hat, während der zweite zusätzlich eingeschoben wird. Das Stück verfügt zudem – wie auch „Still Life“ (Pi-B2, Tab. 36) – über eine abgesetzte Einleitung, die bei „Still Life“ (Pi-B2) zusätzlich über Akkordbrechungen aufgebaut ist. Bei „Powerslave“ (Po-B2) finden sich Akkordbrechungen in Riff ‚d‘ des Mittelteils. Abgesetzte Soli werden in allen fünf Beispielen verwendet. Die formale Struktur dieser Äußerungen entspricht zwar den bereits bei Judas Priest festgestellten Gesetzmäßigkeiten, wird jedoch – im Gegensatz zu Judas Priest – ausschließlich instrumental ausgeführt. Sie schließen damit an die bereits bei den reihenden Strukturen analysierte stärkere Gewichtung instrumentaler Formteile bei Iron Maiden an.

217

SCHWERMETALLANALYSEN

Tabelle 36: Formale Struktur Iron Maiden, ausgewählte Beispiele aus Killers, Piece Of Mind und Powerslave. Nr.

Titel

K-A3

PiA1

PiB2

PoA5

PoB2

Murders In The Rue Morgue

Dauer

4:19

Pulslänge f4=8 f2,f3,g=16 a,e,f=32 c=64 d=72 d3=80 d2=88

Where Eagles Dare

6:10

a,f=16, a2,b,c,e=32 d=64

Still Life

4:53

c=16 b,d,e,f,g=32 g2,g4 =40 a=48

6:06

d=16 a,b,c,f,g, h=32 i=48 e=64

6:47

b,c3,d=16 c2,e2=24 a,c,d2,e=32 f,g=64

The Duellists

Powerslave

Struktur 1

Struktur 2

Struktur 3

A B B2 C B3

I VC VC BC VC S C VC

IABB CDEC A2 B B A2

I1 I2 VC VC In1 S In2 In1 I2 VC VC I2

IAB BCBC DEBC

I1 I2 Vp VpC VpC In S VpC

ABCBC DEFG A B C2

I VpC VpC In1S1 In2 S2 In3In4 I VpC

A A B C A2

VInC VInC In2 S1 S2 In3 S3 In4 VinC

2

4a3bb Br 2cd 2cd2 2ed 2cd3 2f3f22f32f22f3f4 3gg2 d 2cd O I4ab2a 2(2a22c) 2dd2d3 10e 4f2f22f 2dd2d3 4ab 2(2a22c) 4ab O I aa2aa2 4b22c 2(4b2c2d) 2e2f 3gg23g3g4 4b32cd 4a 2bc2(2d2d2)d3 2bc2(2d2d2)d3 5e2e22ff2f 2(2gg2) 4h2i 4a 2bc2(2d2d2) 2(5a4b4c) Br 8d4d2 4e2f3ee2g 5a4b3cc2 2c3 O

Breakdowns und zweistimmige Gitarrenmelodien 42 der 46 in Frage stehenden Stücke weisen mindestens einen Breakdown auf, der damit endgültig als wichtiger Teil des Traditionsstroms des Heavy Metal anzusehen ist. Da über die Hälfte aller musikalischen Äußerungen (25 Stücke) zudem mit einem Breakdown beginnen, wird dieses Stilmittel auch zu einer der beliebtesten Stückeröffnungen im Traditionsstrom. Tabelle 37 zeigt die Anzahl der Stücke mit Breakdown nach Album differenziert. Die Häufigkeit der Verwendung von Breakdowns folgt einer Wellenbewegung, die jedoch die allgemeine Wichtigkeit von Breakdowns nicht mindert. Zudem liegt die reale Anzahl an Breakdowns noch höher, da die Kategorie „Neues Riff in Stückmitte“ bei diversen Äußerungen mehrere Breakdowns beinhaltet, die in der Tabelle nur einmal gezählt werden. „Hallowed Be Thy Name“ (N-B4) besitzt beispielsweise vier derartige Breakdowns. Iron Maiden differenzieren die musikalische Gestaltung der Breakdowns im Vergleich zu Judas Priest erheblich aus. Weiter unten werden deshalb einige Breakdowns gesondert analysiert.

218

VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

Tabelle 37: Breakdowns bei Iron Maiden Album

Breakdown

(StückStückanfang

anzahl) I (9) K (11)

A1, A3, B1, B5 A1, A3, A5, B1, B3, B4, B5

N (9)

A1, A4, B1, Bo

Pi (9)

A2, A4, B1, B3, B4

Po (8)

A1, A2, A4, B1

Bekanntes Riff in

Neues Riff in

Stückmitte

Stückmitte

A1, A4, B1, B3, B5 A3, A4, A6, B4, B5

A1, A3, A4, B3, B4, B5 A2, A4, A5, A6, B1, B2, B5

A4

A2, A3, A4, B1, B2, B4

A4, A5, B1, B3

A2, A3, A5, B2, B3

A1, A2, B1, B5

Tabelle 38: Iron Maiden zweistimmige Gitarrenmelodien Zweistimmige Gitarrenmelodien pro Stück Anzahl der Stücke (n = 46)

0

1

2

3

4

5

5

25

8

5

1

2

Zweistimmige Gitarrenmelodien werden von Iron Maiden erheblich häufiger als kompositorisches Mittel eingesetzt als noch bei Judas Priest. Diese Linien bilden eigenständige Riffs im formalen Ablauf der Stücke und sind einer der Gründe für die Zunahme der instrumentalen Formteile bei Iron Maiden. Wie Tabelle 38 zeigt beinhalten auf den ersten fünf Alben nur fünf Kompositionen keine derartigen Riffs. Ihre Anzahl pro Komposition schwankt – wenn vorhanden – zwischen einer und fünf musikalischen Äußerungen. Auf ihre konkrete Gestaltung wird weiter unten genauer eingegangen. Nur zwei Stücke verzeichnen übrigens weder einen Breakdown noch eine zweistimmige Gitarrenmelodie. Bei beiden handelt es sich um auf Akkordbrechungen basierende Kompositionen auf dem Debütalbum.46

Pulsbasiertes Ensemblespiel Das Ensemblespiel von Iron Maiden ist ebenfalls geprägt von den bereits identifizierten Elementen einer musikalischen Sprache des Heavy Metal. Die Musiker bedienen sich selbstverständlich aus dem Traditionsstrom des Heavy Metal, differenzieren aber dessen musikalische Sprache über aus dem Progressive Rock entlehnte Elemente weiter aus. Kombinationen aus Powerchords und den Puls legenden Einzeltönen in Palm Mute-Spieltech46 I-A2, I-B2.

219

SCHWERMETALLANALYSEN

nik lassen in bekannter Weise ein die Gesangsmelodie begleitendes pulsbasiertes Riff entstehen.47 In den Gesangspausen dominieren wie bei Judas Priest aus Einzeltönen zusammengesetzte Riffs. Allerdings werden diese häufiger als bei Judas Priest von Bass und Gitarre parallel gespielt. Eine Harmonisierung melodischer Motive mit wechselnden Harmonien war im vorherigen Kapitel als Argument für ein dem Hard Rock zuzurechnendes musikalisches Gestaltungsprinzip angeführt worden, das zumindest zum Teil auf Harmoniefolgen beruht. Iron Maiden agieren dagegen eher auf der Basis der Kombination von als Riff begriffenen melodischen Motiven, die auch ähnlich harmonisiert werden können. „Phantom Of The Opera (I-A4) zeigt beispielsweise eine ähnliche Folge von Powerchords über die Grundtöne ‚e‘, ‚g‘, ‚a‘ und ‚c‘ sowohl in ternärer Ausgestaltung (Riff ‚h‘) mit Endharmonie ‚g‘ als auch binärer (Riff ‚i‘) mit Endharmonie ‚d‘. Deren Bezeichnung als zwei unterschiedliche Riffs leitet sich nicht nur aus der unterschiedlichen Ausgestaltung des Pulses ab, sondern vor allem aus den unterschiedlichen Gitarrenmelodien, die zusätzlich zu den Powerchords gespielt werden. Harmonische Fortschreitungen spielen bei Iron Maiden eine größere Rolle in der Gestaltung der Riffs als bei Black Sabbath, dominieren jedoch nicht das musikalische Geschehen.

Der ‚Iron Maiden-Galopp‘ Die von Powerchords getragene rhythmische Begleitung wechselt bei „Phantom Of The Opera“ (I-A4) nicht nur einfach vom ternären Puls in einen binären, sondern zeigt eine Sonderform der binären Pulsgestaltung, die in der Fachpresse gern als ‚Iron Maiden-Galopp‘48 bezeichnet wird. Damit ist die in Abbildung 49 gezeigte Folge von zwei Sechzehnteln und einer betonten Achtel gemeint, die Iron Maiden häufig verwenden.49 Abbildung 49: ‚Iron Maiden-Galopp‘

47 Als exemplarisches Beispiel: „Invaders“ (N-A1) RIffs ‚c‘, ‚e‘ und ‚f‘. 48 Vgl. folgende Äußerung im Wikipedia Artikel über Iron Maiden. „Typisch für die Band ist oft ein ‚galoppierender‘ (Bass-)Rhythmus, der aus Gruppen von einer Achtel und zwei Sechzehntelnoten besteht“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Iron _Maiden#Bass; Zugriff am 24.6.2010). 49 Vgl. K-B2 Riffs ‚b‘ und ‚c‘, N-B2 Riffs ‚b‘, ‚c‘ und ‚e‘, N-B4 Riff ‚b‘, Pi-A3 („Flight Of The Icarus“ – n.a.) Riff ‚a‘, Pi-B4 („Sun And Steel“ – n.a.) Riffs ‚a‘ und ‚b‘, Po-B2 Riff ‚a‘, Po-B3 Riff ‚a‘.

220

VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

Iron Maiden beginnen die ‚Galopp‘-Figur im Ensemblespiel immer auf einer geraden Pulszahl und enden auf einer ungeraden Zahl. Im Verhältnis zu einem gedachten Backbeat im 4/4-Takt endet der ‚Galopp‘ damit auf dem Beat und beginnt auf dem Off-Beat. Eine derartige Verwendung dieser Folge von vier Pulsen durch andere Musiker weckt in der Fachpresse und bei Fans sofortige Assoziationen an Iron Maiden. Manowar50 kombinieren beispielsweise in der Einleitung zum Titelstück ihres Albums Warriors Of The World (2002, -) ein derartiges rhythmisches Motiv im Bass mit an Judas Priest erinnernden geräuschhaften Gitarrensequenzen und vereinen so auf plakative Art und Weise Verweise auf zwei wichtige Vertreter des Heavy Metal in einem Stück. Verschiebt sich der Anfang der ‚Galopp‘-Variation im Ensemblespiel auf einen ungeraden Puls und endet dementsprechend auf einem geraden Puls, entsteht eine im Thrash und Extreme Metal beliebte rhythmische Figur. Die Assoziation mit Iron Maiden wird abgeschwächt, bleibt aber mit Ausnahme von Darbietungen in sehr schnellem Tempo erhalten. Abbildung 50: Ensemblespiel Iron Maiden und The Haunted: ‚Galopp‘-Variation

Abbildung 50 stellt beide Realisierungen der ‚Galopp‘-Figur im Verhältnis zu einem Backbeat dar. Als Vorbild für den ‚Iron Maiden-Galopp‘ dient Riff ‚a‘ aus „Rime Of The Ancient Mariner“ (Po-B3), die Thrash Metal Variante beruht auf Riff ‚a‘ aus „99“ (rEVOLVEr, 2004, -) der schwedischen Band The Haunted.51 In der Version von The Haunted entwickelt die ‚Galopp‘-Variation einen Off-Beat-Charakter, der von Bands aus dem Extreme Metal und besonders dem sogenannten Melodic Death Metal gern noch stärker betont wird. Die folgende Transkription zeigt dies an einem

50 Manowar sind mit fünf ihrer zehn Studioalben in der Auswertung vertreten. Die meistgenannten Alben sind Kings Of Metal (1988, 4 / 4), Hail To England (1984, 4 / 4) und Battle Hymns (1982, 4 / 4). 51 Zwei der sieben Alben von The Haunted sind in der Auswertung vertreten: The Haunted (1998, 1/1) und The Haunted Made Me Do It (2000 1/1).

221

SCHWERMETALLANALYSEN

Auszug aus „Only For The Weak“ (Clayman, 2000, 3/3) von In Flames, einer der beiden meistgenannten schwedischen Bands der Auswertung.52 Abbildung 51: Ensemblespiel In Flames „Only For The Weak“ Riff ‚d‘

Neben der Vereinfachung der ‚Galopp‘-Figur in der Gitarre unterstützt vor allem die Pause in der Bassstimme den Off-Beat-Charakter, der jedoch in das für Heavy Metal als typisch analysierte parallele Ensemblespiel aufgelöst wird. Mit der ‚Galopp‘-Variation fügen Iron Maiden dem Traditionsstrom ein hochgradig personalisiertes Element des Ensemblespiels hinzu, das in unterschiedliche Richtungen weiterentwickelt wird.

Die freie Kombinierbarkeit von Gruppen von Pulsen im pulsbasierten Ensemblespiel Abbildung 52: Gitarrenriffs Iron Maiden „Invaders“ (N-A1) Riffs ‚g‘ und ‚g2‘

Iron Maiden kombinieren Teilgruppen aus zwei oder drei Pulsen im Rahmen des pulsbasierten Ensemblespiels mehr oder weniger frei zu Riffs. Die bei Judas Priest eher angedeutete Möglichkeit, mittels der Subtraktion oder Addition solcher Teilgruppen rhythmische komplexe Einheiten zu schaffen, wird bei Iron Maiden zu einem üblichen Teil des Ensemblespiels. Abbildung 52 zeigt mit den Riffs ‚g‘ und ‚g2‘ aus dem bereits mehrfach ange52 In Flames sind mit neun Alben in der Auswertung vertreten. Keines wird häufiger als Clayman genannt, allerdings erfahren Whoracle (1997), Reroute To Remain (2002) und The Jester Race (1996) die gleiche Wertschätzung.

222

VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

führten „Invaders“ (N-A1) mit einer jeweiligen Gesamtlänge von 36 Pulsen eine noch recht einfache Möglichkeit. Zwei Gruppen von sechzehn Pulsen werden bei beiden Riffvarianten um eine einleitende Gruppe von vier Pulsen erweitert, die sich in ihrer Rhythmik und melodischen Bewegung am Riffende, in ihrer Harmonik jedoch an der ersten Riffhälfte orientiert. Abbildung 53: Ensemblespiel Iron Maiden „The Number Of The Beast“ (N-B1) Riff ‚a‘

Das in Abbildung 53 transkribierte erste Riff des Titelstücks (N-B1) von The Number Of The Beast erscheint dagegen mit einer Gesamtlänge von 20 Pulsen strukturell komplexer. Die Transkription unterstreicht die Bedeutung der bei Judas Priest angedeuteten Verwendung längerer Notenwerte für die Gesangsmelodie als Gegengewicht zum mindestens doppelt so schnellen Pulsschlag von Gitarre und Bass. Im Gesang wird eine Folge von sechs und vierzehn Pulsen addiert. Diese Kombination wird in der Transkription auf alle Instrumente übertragen, obwohl bei Gitarre und Bass sieben und dreizehn Pulse addiert werden – in der Transkription verdeutlicht durch den Auftakt. Das Schlagzeug addiert in einer dritten Ebene Gruppen von vier Pulsen – in der Transkription als 2+4+4+4+4+2 dargestellt. Dieser Befund steht im Gegensatz zu der von Pfleiderer (2006:233) vertretenen These: „Nicht die Überlagerung mehrerer unterschiedlicher Patterns, sondern die unregelmäßige Unterteilung einer einzigen rhythmisch-melodischen Linie erzeugt hier rhythmische Divergenzen.“ Vielmehr können verschiedene Kombinationen von Pulsen parallel existieren und eine Polyrhythmik implizieren. Allerdings bleibt ein solches Ensemblespiel im Rahmen des Traditionsstroms des Heavy Metal eher die Ausnahme. Häufiger werden unterschiedliche Teilungen eines Pulses im Sinne von Pfleiderer geschichtet. Die polyrhythmischen Implikationen von Riff ‚a‘ aus „The Number Of The Beast“ (N-B1) führen in veröffentlichten Transkriptionen des Stückes zu Unsicherheiten in der Darstellung. Ein Mal wird ein 5/4Takt gewählt, obwohl außer der Teilbarkeit von 20 Pulsen durch fünf

223

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nichts in der Betonungsstruktur dafür spricht, ein anderes Mal eine Kombination von 6/4 und 4/4 Takten.53 Das zugrunde liegende Ordnungsprinzip im Traditionsstrom besteht in der Reihung von Teilgruppen aus mindestens zwei Pulsen. Dieses Prinzip gilt nicht nur für die Gitarren, sondern für alle beteiligten Instrumentalstimmen. Abbildung 54: Schlagzeugfigur Iron Maiden „The Number Of The Beast“ Riffs ‚a‘ und ‚c‘

Die Gegenüberstellung der Schlagzeugfiguren zu Riff ‚a‘ und Riff ‚c‘ aus „The Number Of The Beast“ (N-B1) in Abbildung 54 zeigt dies deutlich. Während Riff ‚a‘ wird eine Gruppe von vier Pulsen viermal wiederholt und anschließend eine veränderte Gruppe von vier Pulsen zur Gesamtzahl von 20 Pulsen addiert. Dagegen wird während Riff ‚c‘ eine identische Gruppe von vier Pulsen nur dreimal wiederholt, bevor ebenfalls eine veränderte Gruppe von vier Pulsen die Schlagzeugfigur bei sechzehn Pulsen abschließt. Derartige Elemente im pulsbasierten Spiel von Iron Maiden sind auch als Reminiszenzen an den britischen Progressive Rock der 1970er Jahre zu verstehen, der für den Hauptkomponisten Steve Harris prägend war.54 Einflüsse aus diesem heterogenen Genre befruchten den Traditionsstrom des Heavy Metal nicht nur im Falle Iron Maidens. Dies zeigt beispielsweise das Stück „Blitzkrieg“ der 1980 gegründeten britischen Band gleichen Namens, das von Metallica für ihr Album Garage Inc. (1998, 1/1) neu aufgenommen

53 Vgl. die unterschiedliche Notierung von „The Number Of The Beast“ in zwei Ausgaben der Zeitschrift Guitar (Guitar 2004: 121-130 und Rensen 2007: 64). 54 Sänger Dickinson beschreibt dies im Interview für die DVD Metal – A Headbanger’s Journey (Dunn und Mc Fayden 2006): „You like two or three things and you think how can I reconcile those, and in Maiden’s case you look at what Steve was into [...] Steve was into a lot of prog bands but really into the energy and aggression of metal as well. So glueing Genesis and Jethro Tull in terms of the lyrical concepts and stuff like that on to really aggressive metal stuff seemed to make sense. Nobody else had really done that up to that point. Thin Lizzy were at the edge of being a bit poetrish, Rush were pretty much there in terms of their high concepts and things. Rush were complex, but they were not really in your face“ (ebd.; transkribiert von D.E.).

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VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

wurde.55 Das Anfangsriff zitiert eindeutig den Anfang des Stückes „Hocus Pocus“ der niederländischen Progressive Rock Band Focus aus dem Jahre 1971.56 Abbildung 55: Gitarrenriffs Blitzkrieg „Blitzkrieg“ Anfang, Focus „Hocus Pocus“, Anfang

Blitzkrieg verkürzen sowohl den ersten als auch den zweiten Teil des Riffs von Focus um jeweils zwei Achtel und vereinfachen die Harmonik im zweiten Teil; die prinzipielle Gestalt des Riffs bleibt jedoch erhalten. Während Focus sich im Rahmen des 4/4-Taktes bewegen, bilden Blitzkrieg ‚metrische Ketten‘. Die aus sechs Pulsen bestehende Anfangsgruppe des Riffs wird ein drittes Mal – allerdings um weitere zwei Pulse verkürzt – wiederholt. Damit ignorieren Blitzkrieg die von ihnen vorher implizierte Umwandlung des binären Pulses von Focus in einen ternären und schaffen ein Riff mit einer Gesamtlänge von vierzehn Pulsen. Aus der Idee der Vereinfachung des Riffs von Focus wird so eine Steigerung der rhythmischen Komplexität bei gleichzeitiger Vereinfachung der Harmonik.

Echos des Progressive Rock im Traditionsstrom des Heavy Metal Der Progressive Rock57 entwickelt sich aus dem Psychedelic Rock der 1960er Jahre und beruht einerseits auf harmonischen, melodischen, rhythmischen und formalen Erweiterungen des damals dominanten Blues Rock. 55 Blitzkrieg werden in der Auswertung ignoriert. Zu Metallica in der Auswertung siehe Kapitel VI.5. 56 Das „Hocus Pocus“ beinhaltende Album Moving Waves (1971, 1/1) wird als einzige LP von Focus in der Auswertung genannt. 57 In Fußnote 57 nennt Dickinson mit den britischen Bands Genesis und Jethro Tull sowie den kanadischen Rush drei Bands des so genannten Progressive Rock als wichtig für die musikalische Ausrichtung von Iron Maiden. Weitere wichtige Genrevertreter waren – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Emerson, Lake and Palmer, Genesis, Gentle Giant, King Crimson, Pink Floyd, Wishbone Ash und Yes; allesamt aus Großbritannien. Auch der sogenannte bundesdeutsche Kraut Rock wird über weite Teile – Amon Düül, Can, Tangerine Dream etc. – zum Bereich des Progressive Rock gezählt. Die meisten dieser Bands – mit Ausnahme von Rush (vgl. Fußnote 48 in Kapitel Vi.1) und King Crimson (vgl. Fußnote 57 in Kapitel VI.1) – werden in der Auswertung einmal genannt.

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Als Initialzündung des britischen Progressive Rock gilt andererseits Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band der Beatles von 1967 und damit eine stärkere Verwurzelung in Liedformen. Wicke und Ziegenrücker (1997) schreiben in ihrem Handbuch der populären Musik unter dem Stichpunkt Art Rock:58 „In der ersten Hälfte der siebziger Jahre vor allem in Großbritannien verbreitete Spielart der Rockmusik, in der ein Kunstverständnis durchzusetzen versucht wurde, das an den Normen des bürgerlichen Kunstwerkbegriffs aus dem 19. Jh. orientiert war. Die Konsequenz war eine Entwicklung weg von den sozialen und musikalischen Grundlagen des Rock mit dem Resultat eines schwülstig-bombastischen Eklektizismus voller Mystizismus und sich verselbständigender Artistik.“ (Wicke und Ziegenrücker 1997: 36-37)

Die ‚sich verselbständigende Artistik‘ führen sie im Zusammenhang mit dem „Progressive Rock der neunziger Jahre“ (ebd. 2170) wie folgt aus: „Mit orchestralen Klangbildern, komplizierten metrischen Strukturen, den Riffs des Heavy Metal und harmonischen Anleihen aus dem Jazz“ (ebd. 2169). Bezüglich musikwissenschaftlicher Analysen handelt es sich beim Progressive Rock um einen der, wenn nicht den am besten aufgearbeiteten Stil, so dass an dieser Stelle auf die entsprechenden Arbeiten von John Covach, Walter Everett, Allan F. Moore und anderen verwiesen werden soll.59 Die in der musikalischen Sprache des Heavy Metal angelegten komplexeren Additionen von Teilgruppen von Pulsen bei Iron Maiden und anderen gelten nach Wicke und Ziegenrücker als Echo der sich verselbstständigenden Artistik des Progressive Rock, während sich der bombastische Eklektizismus eher formal in den reihenden Strukturen niederzuschlagen scheint.

Prog(ressive) Metal – Queensrÿche und Emperor Der journalistische Gattungsbegriff Progressive Metal – oft auch kurz Prog genannt – soll nicht deckungsgleich sein mit dem bisher unter Progressive Rock zusammengefassten Musikstil. Zur Überprüfung eines möglichen 58 Der Begriff Progressive Rock gilt ihnen als Etikett der Musikindustrie. „Mit der Suggestivkraft dieses Begriffes wurde vor allem Kundenfang betrieben, und so verlor sich sehr schnell [...] der konkrete Bezug auf irgendeine bestimmte Musikrichtung. Progressiv war alles das, was im Kontext der Rockmusik den Charakter des Ungewöhnlichen und Ungewohnten besaß.“ (Wicke und Ziegenrücker 1997: 2169). 59 Vgl. z.B. Covach 1997 und 2000, Covach und Boone (Hg.) 1997, Covach und Everett (Hg.) 2000, Everett 1999, 2000 und 2001, Moore 1997, 2001 und 2003b. Außerdem Arbeiten von Albiez 2003, Bowman 2003, Halbscheffel 1980, Howie o.J., Pinter 2001 und Whiteley 2000.

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VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

Unterschieds werden die in einem journalistischen Schwerpunkt der Extreme Metal Zeitschrift Terrorizer60 genannten ‚Prog-Bands‘ mit den in der Auswertung genannten Bands abgeglichen. Folgende ‚Prog-Bands‘ werden in der Auswertung mindestens zehnmal genannt. Tabelle 39: ‚Prog-Bands‘ in der Auswertung Nennungen

Band

Quellen

Anzahl der genannten Alben

26

Queensrÿche

13

5

25

Rush

11

11

21

Celtic Frost

12

3 2

16

Mercyful Fate

8

15

Emperor

11

3

14

Fates Warning

6

7

13

Dimmu Borgir

10

4

12

Dream Theater

7

5

11

Opeth

4

8

10

Tool

8

3

Vier Punkte erscheinen in diesem Zusammenhang erwähnenswert: • Die Vertreter der britischen Anfänge des Progressive Rock werden völlig ignoriert. Sie gehören selbst nicht oder kaum zum Traditionsstrom des Heavy Metal. Es scheint also ein Unterschied zwischen Progressive Rock und Prog-Metal zu existieren. • Die Wertschätzung der meistgenannten Band mit 26 Nennungen unterscheidet sich stark von der für die fünf meistgenannten Bands, die eine mindestens doppelt so großen Anzahl der Nennungen aufweisen.61 Keine der genannten ‚Prog-Bands‘ ist unter den zehn meistgenannten. Nichtsdestotrotz gehören alle genannten Bands zu den zehn Prozent der am meisten wertgeschätzten Bands. • In der 62Tabelle finden sich mehrere Bands aus dem Bereich des Black Metal. Progressive Einflüsse durchziehen damit durchaus einen weiten Bereich des stilistischen Kontinuums des Heavy Metal. • Die in der Tabelle genannten Black Metal Bands entsprechen den meistgenannten Black Metal Bands der Auswertung – mit Ausnahme der beiden Vorreiter Bathory (14 Nennungen) und Venom (19 Nennun60 Ausgabe 161 vom September 2007 unter dem Namen ‚The Return Of Prog‘. 61 AC/DC 56, Iron Maiden 67, Black Sabbath 70, Metallica 71 und Judas Priest 72 Nennungen. 62 Emperor und Dimmu Borgir, beide Norwegen. Die Schweizer Band Celtic Forst und die dänische Band Mercyful Fate gelten als zumindest inhaltliche Vorläufer des Black Metal.

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gen). Ein Einfluss des Progressive Rock kann möglicherweise als ein wichtiges Bindeglied zwischen Black Metal und dem Traditionsstrom des Heavy Metal angesehen werden. Tabelle 40: Die meistgenannten Alben der meistgenannten ‚Prog-Bands‘ Band

Album

Jahr

Nennungen

Queensrÿche

Operation:Mindcrime

1988

15/13

Emperor

In The Nightside Eclipse

1994

10/9

Mercyful Fate

Melissa

1983

8/7

Morbid Tales

1984

Into The Pandemonium

1987

Dimmu Borgir

Enthrone Darkness Triumphant

1997

7/7

Rush

2112

1976

7/6

Celtic Frost

7/7

Dream Theater

Images & Words

1992

6/6

Tool

Aenima

1996

5/5

No Exit

1988

Parallels

1991

Orchid

1995

Damnation

2003

Ghost Reveries

2005

Fates Warning

Opeth

3/3

2/2

Tabelle 40 zeigt die meistgenannten Alben der meistgenannten ‚ProgBands‘. Mit Operation:Mindcrime (1988) der kanadischen Band Queensrÿche erscheint eine Veröffentlichung der genannten Bands unter den zehn meistgenannten Alben.63 Emperors Debüt In The Nightside Eclipse von 1994 ist immerhin die am zweit häufigsten genannte Platte der 1990er Jahre.64 Operation:Mindcrime beinhaltet alle von Wicke und Ziegenrücker für den Progressive Rock der 1990er Jahre genannten musikalischen Elemente. Die Brücke zwischen Progressive Rock und dem Traditionsstrom des Heavy Metal schlägt, neben den von Wicke und Ziegenrücker genannten Gitarrenriffs, die Tenorlage von Sänger Geoff Tate. Die Gitarrenriffs sind zudem die Träger der von Wicke und Ziegenrücker benannten ‚komplizierten metrischen Strukturen‘. Diese entstehen aus der Addition von Teilgrup-

63 Vgl. Kapitel V Tabelle 9. Fünf der insgesamt sechzehn Alben von Queensrÿche sind Teil der Auswertung. Auf Operation: Mindcrime folgt mit weitem Abstand das Debüt Queensrÿche (1983, 4/4) 64 Vgl. Kapitel V Tabelle 12. Emperor sind mit zwei weiteren ihrer insgesamt fünf Alben (Anthems To The Welkin At Dusk, 1997, 3/3; Emperor, 1993, 2/2) in der Auswertung vertreten.

228

VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

pen von Pulsen zu komplexen Einheiten und schwimmen damit im Traditionsstrom des Heavy Metal. Abbildung 56 zeigt ein derartiges Beispiel. Im Ensemblespiel fällt allerdings die unterschiedliche Rolle des Schlagzeugspiels auf, bei dem die Hi-Hat in für Heavy Metal untypische Art und Weise den Puls liefert. Auch die Rolle des Basses, der viele rhythmische Markierungen setzt, aber nicht riff- bzw. pulsbasiert spielt, unterscheidet sich vom bisher analysierten. Abbildung 56: Ensemblespiel Queensrÿche „Breaking The Silence“ Riff ‚c‘

Queensrÿche verstehen Operation:Mindcrime als ein so genanntes Konzeptalbum – d.h. die einzelnen Stücke sollen sich besonders über die Songtexte zu einer zusammengehörigen Geschichte verbinden. In formaler Hinsicht sind deshalb fünf der fünfzehn Äußerungen auf Operation:Mindcrime 60- bis 90-sekündige Zwischenspiele. Acht der verbleibenden zehn Äußerungen beruhen auf Vers-Chorus-Strukturen mit leicht aufgewerteten Mittelteilen, sodass weder von starken formale Ähnlichkeiten zu den bisher bekannten Strukturen des Heavy Metal noch von progressiven Strukturen im Sinne von Wicke und Ziegenrücker die Rede sein kann – derartige Ansprüche formuliert nur die zehnminütige „Suite Sister Mary“. Queensrÿche bedienen sich damit zwar virtuos der klanglichen und spieltechnischen Stilmittel aus dem Traditionsstrom des Heavy Metal, fügen dem bisher analysierten aber nichts Neues hinzu. Auf formaler Ebene bewegen sie sich eher im Rahmen des allgemeinen Formelschatzes der Rockmusik. Die relativ einfachen Strukturen dienen als kommerziell notwendige Folie für die Präsentation instrumentaler und konzeptueller (lyrischer) Virtuosität – ein grundlegender Unterschied zu Bands wie Iron Maiden. Emperor schwimmen dagegen auf ihrem Debütalbum In The Nightside Eclipse mitten im Traditionsstrom des Heavy Metal. Sie reihen Gitarrenriffs aneinander und addieren verschiedene Teilungen des Pulses. Manche

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Gitarrenriffs werden im Verlauf einer komplexen Äußerung wiederholt, andere nicht; über eine Auswahl der Riffs wird gesungen. Vers-ChorusStrukturen werden vermieden. Das Tempo ist grundsätzlich sehr schnell. Breakdowns sind üblich. Abbildung 57: Ensemblespiel Emperor „I Am The Black Wizards“ Riff ‚b‘ (Auszug)

Die Schichtung verschiedener Teilungen des Pulses zeigt sich sowohl in der Verdopplung (Bass Drum) als auch der zweifachen Halbierung (Becken, Snare) des Pulses der Saiteninstrumente im Schlagzeug. In Notenwerten ausgedrückt ergeben sich Viertel zudem über die Gruppierung von vier Sechzehntel einer Tonhöhe bei Gitarre eins; Achtel entstehen über die Halbierung dieser Vierergruppen durch die Impulse der Snare. Mit den Halbtonschritten in der Linie von Gitarre eins findet sich ein weiteres Element der musikalischen Sprache des Heavy Metal, das in Kapitel VI.1 im Zusammenhang mit Black Sabbath analysierte wurde. Zudem wird die nicht transkribierte erste Hälfte des Riffs von Gitarre zwei und Bass einen Halbton tiefer gespielt. Im Zusammenspiel der beiden Gitarren ergeben sich an mehreren Stellen kleine Sekunden. Zu einem späteren Zeitpunkt im Stück wechselt das Ensemblespiel ins Triolische und erinnert wiederum an Elemente des Ensemblespiels bei Black Sabbath, namentlich im gleichnamigen Stück „Black Sabbath“ (B-A1). Elemente des Progressive Rock im Sinne von Wicke und Ziegenrücker finden sich bei Emperor über die Addition von Tasteninstrumenten und Samples zum Ensemblespiel, wobei Chor-, Fanfaren und Orchesterklänge bevorzugt werden. Der entstehende Klangeindruck ist der einer vibrierenden Wand bzw. eines pulsierenden Raums, durch den lang anhaltende Töne schwingen. Diese sind oft Schreie des Sängers, der ansonsten in keifendem, stimmlosen Ton eher deklamiert als singt. Diesem Klangeindruck wird die differenzierte Hörbarkeit der einzelnen Instrumentalstimmen untergeordnet.

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VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

Emperor sind damit eine musikalisch von Black Sabbath inspirierte Heavy Metal Band, die vor allem atmosphärische Elemente des Progressive Rock in ihr Spiel integriert. Queensrÿche müssen dagegen entweder als Progressive Rock Band bezeichnet werden, die die musikalische Sprache des Heavy Metal beherrscht und nutzt, oder als Progressive Metal Band, die sich zumindest formal sehr stark an im Rahmen der populären Musik übliche Liedformen annähert. Progressive Metal kann allein schon wegen der grundlegenden Unterschiede der beiden analysierten Vertreter nicht als eigenständiger Musikstil betrachtet werden. Vielmehr handelt es sich bei Progressive Rock und Heavy Metal um zwei unterschiedliche, sich jedoch gegenseitig beeinflussende Traditionsströme, aus denen Bands aus unterschiedlichen Gründen unterschiedliche Materialien entlehnen.

Paralleles Ensemblespiel Die melodisch-rhythmische Parallelführung von Stimmen im Ensemblespiel von Iron Maiden hat meist die beiden Gitarren als Ausgangspunkt. Dieser fest im Traditionsstrom des Heavy Metal verankerten Ensemblespielweise, bei der zumindest Gesang und Gitarren parallel geführt werden, bedienen sich auch Iron Maiden gerne und häufig.65 Gleiches gilt für paralleles Ensemblespiel unter Ausschluss des Gesanges bei gleichzeitigem Einschluss des Schlagzeugs.66 Riff ‚a‘ aus „Run To The Hills“ (N-B2) erweitert die bisher üblichen Ensemblespielweisen, da innerhalb der Parallelführung aller Stimmen mit Ausnahme des Schlagzeugs die Gitarrenlinien in unterschiedlichen Lagen und Spielweisen angelegt werden.67 Eine Parallelführung aller im Ensemble vorhandenen Stimmen kommt nicht vor.

Die Ausformulierung des Breakdowns Iron Maidens Debüt beginnt – sozusagen programmatisch – mit einem Breakdown (Abb. 58). Dieses ebenfalls von Judas Priest bekannte Stilmittel wird bei Iron Maiden ausdifferenziert in unterschiedliche Varianten des Ensemblespiels. So stellt bereits dieser ‚erste‘ Iron Maiden-Breakdown über die fehlende Steigerung der Schlagzeug- und Bassimpulse eine Variation des bei Judas Priest analysierten Breakdowns dar. 65 Vgl. I-A1 („Prowler“– n.a.) Riff ‚a‘, I-A4 Riff ‚a‘, I-B4 („Charlot The Harlot“ – n.a.) Riff ‚d‘, K-A3 Riff ‚d‘, K-B3 Riff ‚e‘, N-A3 Riff ‚f‘, N-A4 Riff ‚d‘, N-B3 Riffs ‚b‘ und ‚c‘, Pi-B3 („Quest For Fire“ – n.a.) Riff ‚c‘, Pi-B5 Riffs ‚c‘ und ‚f‘, Po-A1 („Aces High“ – n.a.) Riff ‚c‘. 66 Vgl. I-A3 („Running Free“ – n.a.) Riff ‚e‘, I-B5 („Iron Maiden“ – n.a.)Riffs ‚d‘ und ‚e‘, K-A5 („Genghis Khan“ – n.a.) Riff ‚b‘, K-B4 („Purgatory“ – n.a.) Riff ‚d‘, N-A3 Riff ‚b‘, N-A2 Riff ‚c‘, N-B4 Riffs ‚d‘, ‚e‘ und ‚g‘, Pi-A1 Riff ‚a‘, Po-B3 Riffs ‚b‘ und ‚q‘. 67 Vgl. den Abschnitt ‚Twin Guitars‘ in diesem Kapitel.

231

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Abbildung 58: Ensemblespiel Iron Maiden „Prowler“ (I-A1) Riff ‚a‘ (Auszug)

Riff ‚a‘ besteht insgesamt aus vier Wiederholungen der transkribierten Äußerung, wobei die letzten beiden Wiederholungen mit Ausnahme der Melodiegitarre um einen Ganzton nach unten transponiert werden. Eine Variation dieses Breakdowns mit Gesang wird in der Stückmitte wiederholt und auch als Stückschluss benutzt. Zudem wird ein weiterer Breakdown über Riff ‚c‘ und ‚d‘ (Abb. 59) inszeniert, der das folgende Gitarrensolo vom vorhergehenden Vers trennt. Abbildung 59: Ensemblespiel Iron Maiden „Prowler“ (I-A1), Riffs ‚c‘ und ‚d‘ (Auszug)

Riff ‚c‘ erklingt anfangs als unbegleitete Melodiegitarre mit der notierten ab- und wieder aufsteigenden Äußerung. Mit der Addition von Schlagzeug, Bass und zweiter Gitarre wird die Äußerung in drei aufeinander folgende Harmonien transponiert. Das anschließende Riff ‚d‘ führt den Breakdown über die Versechzehnfachung des Tempos von Schlagzeug, Bass und zweiter Gitarre weiter. Alle Instrumente spielen parallel. Die Äußerung wird insgesamt viermal gespielt, die dritte Wiederholung ist transponiert und bietet so ein Echo eines Blues-Einflusses. Die bei Judas Priest’schen Breakdowns zu findende regelmäßige Steigerung der Impulsdichte der wiedereinsetzenden Instrumentalstimmen ver-

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VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

ändert sich bei Iron Maiden zu einer Ensemblespielweise, bei der mindestens eine Instrumentalstimme durchgehend erklingt, während die restliche Stimmen Akzente setzen. Derartige Breakdowns finden sich bei Iron Maiden in allen Variationsmöglichkeiten. Neben der häufig verwendeten durchgehenden Gitarrenstimme hört man auch durchgehende Bassstimmen,68 Gesangspassagen69 und sogar – wenn auch eher selten – durchgehende Schlagzeugfiguren.70 Damit wird der Breakdown, der seine Spannung bisher aus dem Wegfall des Schlagzeugs im Ensemblespiel bezog, quasi auf den Kopf gestellt. Ein derartiger Breakdown mit durchgehendem Schlagzeugrhythmus zeigt in „Running Free“ (I-A3, Abb.60) einen bisher noch nicht genannten Einfluss auf den Traditionsstrom des Heavy Metal. Die Verwendung von Toms als das den Puls markierendes Instrument im Zusammenklang mit der um einen Impuls erweiterten Backbeat-Snare erinnert stark an Schlagzeugfiguren aus dem britischen Glamrock, wie zum Beispiel bei Gary Glitter. Derartige Rhythmen werden von Bands des britischen Punk der 1970er ebenfalls gern verwendet und finden sich auch bei den nicht umsonst Glam Metal benannten US-amerikanischen Bands der 1980er Jahre. Abbildung 60: Schlagzeugfiguren Iron Maiden „Runnig Free“ (I-A3), Gary Glitter „Rock’n’Roll Part 1“, The Adverts „Gary Gilmore’s Eyes“, Mötley Crüe „Red Hot“

Abbildung 60 zeigt den Schlagzeugrhythmus aus „Running Free“ (I-A3) von Iron Maiden im Vergleich mit drei derartigen Beispielen. Es handelt sich hierbei um die Schlagzeugfiguren aus Gary Glitters „Rock’n’Roll Part 1“ (Glitter, 1972, -) für den britischen Glamrock der 1970er , The Adverts „Gary Gilmore’s Eyes“ (1977, -) als Beispiel für britischen Punk und Mötley Crüe „Red Hot“ (Shout At The Devil, 1982, 11/11) für eine US68 Z.B. N-A2 Riff ‚d‘, Pi-B5 Riffs ‚d‘, ‚e‘ und ‚f‘. 69 Z.B. N-B4 Riff ‚d‘, Pi-B1 („The Trooper“ – n.a.) Riff ‚c‘, Po-B3 Riff ‚f‘. 70 Z.B. I-A3 („Running Free“ – n.a.) Riff ‚a‘, Po-A4 („Flash Of The Blade“ – n.a.) Riff ‚a‘.

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amerikanische Glam Metal Band.71 Auffällig ist dabei die Dopplung des auf den Toms gespielten Pulses durch die Bass Drum bei Mötley Crüe, so dass in der Übersetzung von Rhythmen aus dem britischen Glam Rock eine weitere Wurzel der Double Bass Technik vermutet werden kann.72 Abbildung 61: Ensemblespiel Iron Maiden „Sanctuary“ (I-B3) Riff ‚e‘

Im Gegensatz zu den selten als Breakdown genutzten, durchgehenden Schlagzeugrhythmen dienen Momente parallelen Ensemblespiels häufig als Grundlage für Breakdowns. So funktioniert das in Abbildung 61 transkribierte Riff ‚e‘ aus „Sanctuary“ (I-B3) als auf den Chorus folgender eigenständiger Breakdown. Die ‚metrische Kette‘ zeigt das bekannte 3+3+3+3+4 Schema. Der nicht notierte Bass spielt parallel zur Gitarre, der Gesang hält eine Note über die gesamte Dauer des Riffs. Über das Zusammenwirken mehrerer Elemente aus dem Traditionsstrom des Heavy Metal (Powerchords, Gruppen von drei und vier Pulsen, Breakdown, paralleles Ensemblespiel, lang ausgehaltener Gesangston) wird diese Stelle zu einem Ausrufezeichen im Ablauf des Stückes: ‚Wir spielen Heavy Metal!‘ Derartige auf parallelem Spiel basierende Breakdowns kommen einerseits häufig als Teile eines ausgedehnten Mittelteils eines Stücks zum Einsatz73 oder andererseits als Unterbrechungen der Gesangslinie.74 Außerdem beenden Iron Maiden Vers, Chorus oder einen anderen Gesang einschließenden Formteil gern mit einer Generalpause der Instrumentalisten.75 Die Gesangsmelodie wird im Sinne der virtuosen Kontrolle gerne mit einem lang ausgehaltenen Ton abgeschlossen, der in die Generalpause der Instrumentalisten hinein klingt. Solche Generalpausen tragen ebenfalls Elemente

71 Fünf Alben von Mötley Crüe gehen in die Auswertung ein. Shout At The Devil ist das mit Abstand meistgenannte Album, gefolgt vom Debüt Too Fast For Love (1981, 4/4). 72 Mötley Crüe verwenden auch Gitarrenriffs, die vom britischen Glam Rock inspiriert sind. So erinnert Riff ‚a‘ aus „Kickstart My Heart“ (Dr. Feelgood, 1989, 2/2) stark an das Anfangsriff aus „Hellraiser“ (The Sweet, 1973, -) der britischen Glam Rock Band The Sweet. 73 Vgl. N-B4 Riffs ‚e‘ und ‚g‘, Pi-A Riff ‚f‘, Pi-A2 Riff ‚d‘, Po-B3 Riffs ‚j‘, ‚k‘ und ‚q‘. 74 Vgl. K-A2 („Wrathchild“ – n.a.) Riffs ‚d‘, ‚e‘ und ‚f‘, K-A3 Riffs ‚c‘ und ‚d‘, K-B1 („Killers“ – n.a.) Riff ‚c‘. 75 Vgl. I-B3 („Sanctuary“ – n.a.) Ende von Riff ‚c‘, K-A3 Ende von Riff ‚d‘, N-A4 Ende von Riff ‚c‘.

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VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

eines Breakdowns in sich bzw. können über die Gestaltung des Wiedereinstiegs der Instrumentalstimmen zu einem solchen ausgebaut werden.

‚Twin Guitars‘ – zweistimmige Gitarrenmelodien zwischen ‚Folk‘- und ‚Klassik‘-Einflüssen Auf den herausgehobenen Veröffentlichungen spielen Iron Maiden wie auch Judas Priest mit zwei gleichberechtigten Gitarristen.76 Das solistische Spiel dient bei Iron Maiden jedoch nicht der Inszenierung einer Konkurrenzsituation wie bei Judas Priest. Vielmehr sollen lange Instrumentalpassagen über die Addition unterschiedlicher individueller Spieltechniken und Klangfärbungen interessant gehalten werden. Solistische Stellen werden dementsprechend nicht mittels schneller Wechsel beider Gitarristen gestaltet, sondern als Folge längerer Blöcke, wobei beiden Gitarristen meist gleich viel Raum für ihr solistisches Spiel zugestanden wird. Neben Soli und rhythmischem Spiel sind häufig in parallelen Intervallen gespielte Melodielinien ein unverzichtbarer Teil des Ensemblespiels der beiden Gitarristen. Dieses bereits Judas Priest zugeschriebene Stilmittel entfaltet erst bei Iron Maiden seine volle Wirkung für den Traditionsstrom des Heavy Metal.77 Während Judas Priest meist in parallelen Oktaven spielen, bevorzugen Iron Maiden parallele Terzen und gelangen so zu einer echten Zweistimmigkeit. Abbildung 62 zeigt eine derartige Melodielinie. Abbildung 62: Iron Maiden „Aces High“ (Po-A1) Riff ‚b‘

Die Bedeutung dieser Melodielinien für den Traditionsstrom des Heavy Metal sowie ihre Assoziation mit Iron Maiden zeigt sich in einer Besprechung des Albums Slaughter Of The Soul (1995, 6/6) der schwedischen Band At The Gates:78

76 Auf dem Debüt spielen Murray und Stratton, auf den folgenden vier LPs Murray und Smith. 77 Siehe Tabelle 38. Nur fünf der 46 Stücke der ersten fünf Iron Maiden Alben verzeichnen keine zweistimmige Gitarrenmelodie. 78 Ein weiteres Album von At The Gates, The Red Sky Is Ours (1992, 1/1) wird in der Auswertung genannt.

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SCHWERMETALLANALYSEN „At The Gates waren die Könige des Göteburg-Elchtods. [...] Die Jungs um den unvergleichlichen Shouter Tomas Lindberg [...] waren die Ersten in der südschwedischen Metropole, die traute Maiden-Gitarren-Zweisamkeit mit Death Metal paarten. Mit „Slaughter Of The Soul“ führen sie diese Rezeptur zur Vollkommenheit...“ (Robert Pöpperl-Berenda in Rock Hard (Hg.) 2005: 92)

Mit ‚trauter Maiden-Gitarren-Zweisamkeit‘ sind die von At The Gates verwendeten zweistimmige Melodielinien in parallelen Terzen gemeint. Abbildung 63: Ensemblespiel At The Gates „Slaughter Of The Soul“, Ende des Solos

Derartige Musikstücke werden journalistisch meist als Melodic Death Metal beschrieben, wobei das Wort ‚melodic‘ die Wichtigkeit von im Stile Iron Maidens gespielten zweistimmigen Gitarrenmelodien für diese Musik beschreiben soll. Derartige Gitarrenmelodien finden sich im Traditionsstrom der Rockmusik bereits seit Anfang der 1970er Jahre – beispielsweise bei der britischen Progressive Rock-Band Wishbone Ash.79 Ihr Debütalbum (1970, -) beginnt mit einer zweistimmiger Gitarrenmelodie, bei der die Gitarren in wechselnden Intervallen parallel geführt werden. In den USA gründen sich Anfang der 1970er Jahre ebenfalls Bands mit mehreren Sologitarristen, die aufgrund ihrer Herkunft unter dem Banner Southern Rock zusammengefasst werden.80 Allerdings ist deren Ensemblespiel stark im Blues verwurzelt. Gerne wird auch die stark mit dem Blues assoziierte Slide-Technik auf der Gitarre verwendet. Das Spiel der Gitarristen ist insgesamt mehr auf paralleles solistisches Spiel denn auf zweistimmige Melodielinien ausgerichtet. Diese US-amerikanischen Bands bilden im Traditionsstrom der Rockmusik einen eigenständigen Seitenarm mit einen eher geringen Einfluss auf den Traditionsstrom des Heavy Metal. Spätestens bei den 1969 in Dublin gegründeten Thin Lizzy,81 die seit 1974 mit zwei Gitarristen spielen, erklingen die zweistimmigen Gitarren-

79 Wishbone Ash werden in der Auswertung ignoriert. 80 Prominente Beispiele sind die in der Auswertung ignorierte Allman Brothers Band und Lynyrd Skynyrd, beide aus Florida. Eines der Alben von Lynyrd Skynyrd wird in der Auswertung einmal genannt. 81 Zu Thin Lizzy in der Auswertung siehe Kapitel VI.3, Fußnote 35.

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VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

melodien in den auch von Iron Maiden gern verwendeten parallelen Terzen – wie in folgendem Beispiel aus „Emerald“ (Jailbreak, 1976, 4/4). Abbildung 64: Gitarrenriff Thin Lizzy „Emerald“ Riff ‚d‘

Im Falle von Thin Lizzy wird in der Fachpresse ein Einfluss aus der britischen bzw. irischen Folklore auf die Melodiebildung konstatiert, der auch bei Iron Maiden durchscheinen soll. Die Assoziation mit irischer Folklore beruht dabei auf ternären melodischen Wendungen in Kombination mit einem liegenden Puls im Bass.82 Der Bass bewegt sich meist auf den harmonischen Grundtönen respektive Quinten oder spielt Powerchords. Iron Maiden entfernen sowohl die angeblich typisch irischen Wendungen als auch die Shuffle-Elemente aus diesen Melodien. Sie achten gleichzeitig darauf, dass die Melodien weitgehend frei von rhythmischen und melodischen Blues-Einflüssen bleiben. Der bei Iron Maiden laut Fachpresse gegebene Folkeinfluss beruht auf der Nutzung ternärer Metrik in den zweistimmigen Gitarrenmelodien sowie von Modi als melodische Inspiration. Abbildung 62 zeigte bereits das Konstruktionsprinzip der Kombination einer regelmäßigen Melodie in parallelen Terzen mit einem liegenden Puls im Bass. Eine derartige Konstruktion findet sich auch in der Transkription von At The Gates (Abb. 63). Allerdings ersetzt hier die tiefer gestimmte zweite Gitarre den Bass. Eine Weiterentwicklung dieser Technik liegt in der Verkürzung der zweistimmigen Melodielinien zu ostinaten Figuren, unter denen ein den Puls gebender Bass zwischen verschiedenen harmonischen Grundtönen wechselt,83 wie in Abbildung 65 dargestellt.

82 Die Begleitung einer Melodie mit liegenden, Bordun ähnlichen Bassstimmen, die jedoch nicht harmonisierend wirken, gilt als eines der Konstruktionsprinzipien englischer und irischer Folklore. Prominentes Beispiel eines derartig aufgebauten Instrumentes ist der Dudelsack (Vgl. Cutting 1993, Sweers 2005). 83 Z.B. I-A4 Riffs ‚g‘ und ‚h‘, I-B1 Riff ‚d‘, K-B4 („Purgatory“ – n.a.) Riff ‚b‘ und ‚d‘, N-A3 Riff ‚g‘, N-B3 Riff ‚e‘, N-B4 Riff ‚a‘ und ‚c‘, Pi-A4 („Die With Your Boots On“ – n.a.) Riff ‚a‘, Pi-B5 Riff ‚c‘.

237

SCHWERMETALLANALYSEN

Abbildung 65: Ensemblespiel Iron Maiden „Purgatory“ (K-B4) Riff ‚b‘

Damit harmonisiert der Bass die Melodielinien und die Assoziation an britische Folklore wird geringer. Der Wechsel des Basses im dritten Durchlauf zeigt natürlich auch einen Blues-Einfluss. Die Entwicklung solcher Gitarrenmelodien in Richtung regelmäßiger ostinater Figuren lässt Assoziationen an Barockmusik aufkommen, die besonders auf der letzten der fünf zur Untersuchung stehenden Veröffentlichungen von Iron Maiden, Powerslave (1984), unterstützt werden. Abbildung 66 zeigt eines der Beispiele84 aus diesem Album. Die Gitarren spielen regelmäßige Ostinato-Motive, der Bass verlässt die harmonischen Grundtöne und bewegt sich so noch etwas weiter von einem den Puls legenden Bass weg. Abbildung 66: Ensemblespiel Iron Maiden „Flash Of The Blade“ (Po-A4) Riff ‚d‘

Von solchen Riffs ist es nur noch ein kurzer Weg zur Geschichte der Beeinflussung des Heavy Metal durch abendländische Kunstmusik, insbesondere aus der Ära des Barock. Richard Middleton (1990: 30) erklärt die Faszination der Musik des Barock für Rockmusiker wie folgt: „(Barockmusik) generally uses conventional harmonic progressions, melodic patterns and structural frameworks, and operates through imaginative combinations, elaborations and variations of these, rather than developing extended, through-composed forms. It also tends to have a regular, strongly marked beat; indeed its continuo section could be regarded as analogous to the rhythm section of jazz and rock.“ (Ebd.) 84 Vgl. Po-A3 Riff ‚e‘, Po-A5 Riff ‚e‘, Po-B1 („Back In The Village“ – n.a.) Riff ‚e‘.

238

VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN

Derartige Einflüsse im Gitarrenspiel sind keine Invention von Iron Maiden; sie lassen sich spätestens im solistischen Spiel von Richie Blackmore von Deep Purple Anfang der 1970er Jahre nachweisen.85 Iron Maiden zitieren diese (zitierende) Art des Ensemblespiels in obigem Beispiel. Laut Robert Walser (1992, 1993: 57-108)86 finden sich Anklänge an barocke Musizierweisen nicht nur,87 jedoch vor allem in den Gitarrensoli, die über diesen Einfluss um eine Möglichkeit der Demonstration von Virtuosität erweitert werden. Als Urvater der virtuosen Rockgitarre erscheint ihm dabei Jimi Hendrix88 (1992: 279). In einem Vergleich von Eddie Van Halen89 und Jimi Hendrix zitiert er Charles Shaar Murrays Urteil: „’Eddie Van Halen, by far the most influential hard and heavy guitarist of the eighties, has borrowed the Hendrix vocabulary – tremolo tricks and all – in order to say very little‘ (Murray 1989: 216)“ und fährt fort: „What Van Halen ‚said‘ had much in common with the exuberance and struggle of Hendrix’s playing; but he became the most influential player of his generation by achieving a particular kind of rational control over all of these risky, noisy techniques“ (ebd. 279). Damit wird das virtuose, klassisch beeinflusste solistische Spiel zu einem weiteren Ausdruck des der musikalischen Sprache des Heavy Metal inhärenten Wunsches nach Eindeutigkeit. Gleichzeitig findet sich mit diesen Anklängen barocker Musiziertraditionen erneut ein Einfluss des Progressive Rock auf die Musik von Iron Maiden.

Die Ausformulierung der musikalischen Sprache des Heavy Metal Iron Maiden bewegen sich von Beginn an mitten im Traditionsstrom des Heavy Metal. Die bisher analysierten Elemente der musikalischen Sprache des Heavy Metal werden selbstverständlich benutzt und ausformuliert. • Die Klangfarbe bleibt grundsätzlich verzerrt. Die klangliche Ästhetik versucht die Instrumentalstimmen in allen Details hörbar zu machen 85 Blackmores Gitarrensolo aus „Highway Star“ (Machine Head, 1972, 13/11) zitiert laut Robert Walser (1992: 269) Vivaldis Violin Concerto in D-moll (F.1, no.21 in den gesammelten Werken, hg. von Malipiero, Edizioni Ricordi, 1949), erster Satz, Takt 87-97. Zu Deep Purple in der Auswertung siehe Kapitel VI.1. 86 Walser (1993: 57-108) ist eine leicht gekürzte Fassung von Walser (1992). Er analysiert das solistische Spiel der Gitarristen Richie Blackmore, Eddie Van Halen, Randy Rhoads und Yngwie Malmsteen mit einem Schwerpunkt auf sogenannte klassische Einflüsse. Als Klassik bezeichnet er einen kanonisierten Bestand abendländischer Kunstmusik, der sich im ausgehenden 19. Jahrhundert als erfundene Tradition im Sinne Hobsbawns gebildet hat. 87 Walser (1992: 281) analysiert in „Mr. Crowley“ von Ozzy Osbourne (Blizzard Of Ozz 1981. 9/8) von Vivaldi abgeleitete zyklische harmonische Fortschreitungen. 88 Von Jimi Hendrix werden Are You Experienced? (1967, 5/4) und Electric Ladyland (1968, 4/4) sowie zwei Zusammenstellungen bereits veröffentlichter Titel in der Auswertung genannt. 89 Zu Van Halen in der Auswertung siehe Kapitel VI.2, Fußnote 37.

239

SCHWERMETALLANALYSEN









• •



und gleichzeitig als Einheit zu erscheinen. Die Klangfarbe des Basses wird metallischer und damit höhenlastiger, um trotz der Dominanz der verzerrten Gitarrenklangfarbe im Ensembleklang identifizierbar zu bleiben. Lang andauernde, detailgetreu reproduzierbare Schreie bleiben im Gesang ein wichtiges Element der Melodiebildung, das die virtuose Kontrolle der Singstimme suggeriert. Ganze Formteile können gesanglich nur über derartige Schreie gestaltet werden. Dem entspricht eine Vorliebe für eine Melodiebildung aus relativ langen Notenwerten, die den Puls der begleitenden Instrumente mindestens halbiert. Die Gitarre ist weiterhin das solistische Hauptinstrument. Eine Besetzung mit zwei gleichberechtigten Gitarren erscheint als fast grundlegend notwendig. Dabei wird die Rolle der Gitarren als potentiell konkurrierende Soloinstrumente um eine sich ergänzende, nicht konkurrente Rolle erweitert, in der unterschiedliche individuelle Klangfärbungen und Spieltechniken nacheinander präsentiert werden. Die Länge der instrumental gestalteten Formteile innerhalb der einzelnen Äußerungen kann damit beträchtlich anwachsen. Die musikalischen Äußerungen sind weiterhin grundsätzlich riffbasiert. Die grundlegende formale Struktur bleibt die Reihung von Gitarrenriffs, die sich durch die Einfügung von Gesangsteilen zu geschlosseneren Strukturen entwickeln kann. Liedförmige Strukturen oder die abschließende Wiederholung eines oder mehrerer bereits bekannter Formteile sind verschiedene Möglichkeiten, eine geschlossenere Struktur zu realisieren. Im Extremfall bildet ein einziges Riff, das als Einleitung und Schluss fungiert, die Klammer. Abgesetzte Einleitungen und aufgewertete Mittelteile bleiben ein wichtiger Teil des Traditionsstroms. Erweiterte Schlüsse und duale Hauptteile verlieren dagegen an Bedeutung. An ihre Stelle treten harte Brüche zwischen Formteilen bzw. einzelnen Riffs, die mittels Tempo- und Rhythmuswechseln gestaltet werden. Sowohl das Ignorieren einfacher Liedstrukturen als auch die Beliebtheit von Tempo- und Rhythmuswechseln zeigen einen Einfluss des Progressive Rock auf den Traditionsstrom des Heavy Metal. Der Einfluss des Blues wird weiter zurückgedrängt, bleibt aber formal und rhythmisch noch erkennbar. Er findet sich weiterhin sowohl in der Transponierung der dritten Wiederholung einer viermal wiederholten musikalische Äußerung als auch in Gliederungen des Pulses in Folgen von Dreiergruppen und einer ganzzahligen Gruppe. Shuffle und Swing werden im Ensemblespiel konsequent vermieden. Im Rahmen des pulsbasierten Ensemblespiels beruhen die einzelnen Instrumentalstimmen auf der freien Kombinierbarkeit von Gruppen von

240

VI.4 CLASSIC METAL II: IRON MAIDEN







zwei oder drei Pulsen. Dies ermöglicht auch die unsymmetrische Gestaltung größerer Gruppen von Pulsen. Im Ensemblespiel werden verschiedene derartige Kombinationen geschichtet, die polyrhythmischen Implikationen dieser Ensemblespielweise werden jedoch eher selten ausgereizt. Die Schichtung von Halbierungen und Verdopplungen eines Basispulses, der entweder von der Bass Drum oder der Rhythmusgitarre vorgegeben wird, ist die üblichere Vorgehensweise. Der Breakdown entwickelt sich zu einem wichtigen formalen Gestaltungselement. Er strukturiert den Spannungsbogen innerhalb von Reihungen von Riffs. Dieser kann sowohl eine ganze Komposition umfassen als auch einen ausgedehnten Instrumentalteil. Gleichzeitig werden periodischen Liedstrukturen über Breakdowns aufgebrochen und erweitert. Zweistimmige, gern in parallelen Terzen ausgeführte Gitarrenmelodien werden ebenfalls zu einem wichtigen formalen Gestaltungselement. Sie können auch als Breakdown eingesetzt werden. Gleichzeitig manifestiert sich so nochmals die sich wechselseitig ergänzende Art der Verwendung der Gitarren im Ensemblespiel. Elemente aus der abendländischen Kunstmusik, insbesondere des Barock, und der britischen/irischen Folklore finden damit Eingang in das Gitarrenspiel jenseits des individuellen solistischen Ausdrucks. Das rhythmische Ensemblespiel bleibt an den Gegebenheiten der Gitarren- oder – im Falle Iron Maidens mit Bassist Steve Harris als Hauptkomponisten – Bassriffs orientiert, die weiterhin die Grundlage für die Ausgestaltung der Stimmen der anderen Ensemblemitglieder bilden. Ein den rhythmischen und melodischen Verlauf dieser Riffs doppelndes Ensemblespiel ist die Grundlage der bisher analysierten musikalischen Sprache des Heavy Metal.

241

VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

5. (Heavy) Metal – auf dem Weg zum Extreme Metal: Metallica, Megadeth, Slayer Metallica, Slayer und Megadeth in der Auswertung Tabelle 47: Metallica, Slayer und Megadeth in der Auswertung Nennungen

Band

Album

Jahr

Quellen

Kürzel

16

Metallica

Kill ’Em All

1983

14

15

Metallica

Ride The Lightning

1984

13

Rl

15

Metallica

Master Of Puppets

1986

13

Mp

11

Metallica

...And Justice For All

1988

10

J

9

Metallica

Metallica (Black Album)

1991

8

Me

2

Metallica

St. Anger

2003

2

1

Metallica

Load

1996

1

1

Metallica

Reload

1997

1

1

Metallica

Garage Inc.

1998

1

16

Slayer

Reign In Blood

1986

13

8

Slayer

Seasons In The Abyss

1990

8

8

Slayer

Show No Mercy

1983

7

7

Slayer

South Of Heaven

1988

7

7

Slayer

Hell Awaits

1985

5

1

Slayer

Haunting The Chapel (EP)

1984

1

1

Slayer

God Hates Us All

2001

1

1986

11

Pe

1990

9

Ru

1985

6

Kb

1988

6

Sw

11

Megadeth

9

Megadeth

Peace Sells ... But Who’s Buying? Rust In Peace Killing Is My Business ...

6

Megadeth

6

Megadeth

5

Megadeth

Countdown To Extinction

1992

5

1

Megadeth

Hidden Treasures

1995

1

1

Megadeth

The System Has Failed

2004

1

And Business Is Good! So Far, So Good ... So What!

Ki

Rb

So

Metallica ist die nach Judas Priest meistgenannte Band der Auswertung. Slayer und Megadeth gehören zwar zu den zehn meistgenannten Bands, liegen bezogen auf die Gesamtzahl der Nennungen aber hinter dem in der Wertschätzung führenden Quartett Judas Priest, Metallica, Black Sabbath

243

SCHWERMETALLANALYSEN

und Iron Maiden. Betrachtet man dagegen als Korrektiv die Nennungen in den 24 Quellen der Stichprobe, bilden Metallica, Megadeth, Judas Priest und Slayer die vier Bands, die in den meisten Quellen vorkommen.1 Neun der zwölf Alben von Metallica sind in der Auswertung vertreten.2 Tabelle 41 zeigt eine klare Dreiteilung der Wertschätzung. Die drei Spitzenplätze sind deutlich abgesetzt, gefolgt von einem Mittelfeld aus zwei weiteren Veröffentlichungen und den kaum wahrgenommenen restlichen vier Tonträgern. Die drei meistgenannten LPs entsprechen den ersten drei Alben der Band, die alle unter den zehn herausgehobenen LPs der Auswertung zu finden sind. Hier nehmen Metallica eine Ausnahmestellung ein, da sonst keine Band mehr als einen Tonträger unter den zehn meistgenannten Alben platzieren kann. Das Mittelfeld besteht aus dem vierten und fünften Album. Im Vergleich zu den bisher behandelten Bands werden diese beiden LPs immer noch sehr häufig genannt. Bei Iron Maiden und Black Sabbath wäre ein Album mit elf Nennungen in elf Quellen immerhin jeweils der zweit meistgenannte Tonträger gewesen, bei Judas Priest übertrifft ...And Justice For All sogar das meistgenannte Album. Die restlichen vier genannten Veröffentlichungen von Metallica spielen in der Auswertung kaum eine Rolle. Damit zeigt sich wiederum eine klare Präferenz für eine bestimmte Schaffensphase, die ähnlich wie bei Black Sabbath und Iron Maiden die Anfangsjahre der Band umfasst. Die ersten drei Alben, die – wie auch bei Black Sabbath – von der gleichen Besetzung eingespielt wurden, bilden den Schwerpunkt der Betrachtungen zu Metallica. Die beiden folgenden Album werden als ergänzendes Korrektiv herangezogen. Im Falle von Slayer wird die Hälfte der insgesamt vierzehn offiziellen Veröffentlichungen der Band in der Auswertung genannt.3 Dabei handelt es sich – mittlerweile nicht mehr wirklich überraschend – um die ersten fünf Alben von Slayer, die alle in der gleichen Besetzung aufgenommen wur1 2

3

Metallica 20 Nennungen, Megadeth 18, Judas Priest 17 und Slayer 16. 10 Studioalben, ein Livealbum, das einen Mitschnitt eines gemeinsamen Konzertes mit dem San Francisco Symphony Orchester unter Leitung von Michael Kamen enthält, und eine EP, die als Teil des 1998er Albums Garage Inc. wiederveröffentlicht wurde. Außerdem existieren vier Konzertmitschnitte auf DVD/ Video (Cliff’em All 1987, Live Shit: Binge & Purge 1993, Cunning Stunts 1998, S&M 1999) drei Dokumentationen (A Year And A Half In The Life Of Metallica 1992, Classic Albums: Metallica 2001, Some Kind Of Monster 2005) und eine Zusammenstellung der zwischen 1989 und 2004 veröffentlichten Musikvideos auf DVD (The Videos 1989-2004 2006). Das zehnte Studioalbum Death Magnetic (2008) erscheint nach Abschluss der Auswertung. CDs mit Zusammenstellungen bereits veröffentlichter Titel wurden nicht beachtet. Elf Studioalben, eine EP und zwei Konzertmitschnitte. Zusätzlich existieren drei Livemitschnitte auf DVD/Video (Live Intrusion 1995, War At The Warfield 2003, Still Reigning 2004), eine Box, die neben Zusammenstellungen bereits veröffentlichter Stücke Raritäten und weitere Konzertmitschnitte enthält (Soundtrack To The Apocalypse 2003). Die Studioalben Nummer zehn und elf erscheinen nach Abschluss der Auswertung. Zusammenstellungen bereits veröffentlichter Titel wurden nicht beachtet.

244

VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

den, eine EP, die zwischen dem Debüt- und dem zweiten Album veröffentlicht wurde, und eine spätere Veröffentlichung. Diese spielt, wie alle späteren, in anderer Besetzung erarbeiteten Äußerungen, in der Auswertung keine bzw. eine geringe Rolle. Die meistgenannte LP, Reign In Blood von 1986, ist die fünfte Veröffentlichung von Slayer und eines der zehn meistgenannten Alben der Auswertung. Mit sechzehn Nennungen verzeichnet Reign In Blood genauso viele Nennungen wie die meistgenannten Alben von Metallica und und Black Sabbath und ist deutlich von den anderen vier genannten Alben von Slayer abgesetzt. Dieses Album bildet den Fokus der Betrachtungen zu Slayers musikalischen Äußerungen. Von Megadeth finden sich ebenfalls sieben ihrer insgesamt sechzehn offiziellen Veröffentlichungen in der Auswertung.4 Wiederum handelt es sich um die ersten fünf Alben und zwei spätere Veröffentlichungen, wobei das zweite und vierte Album herausgehoben sind. Die neueren, nach 1992 erschienenen Veröffentlichungen treten wiederum nicht oder kaum in Erscheinung. Die Analyse wird sich auf die beiden herausgehobenen LPs Peace Sells ... But Who’s Buying?, eine der zwanzig meistgenannten Veröffentlichungen der Auswertung, und Rust In Peace konzentrieren. Beide Alben wurden in unterschiedlichen Besetzungen eingespielt.

Bandbiographien Metallica Metallica5 gründen sich 1981 in Los Angeles um den Besetzungskern Lars Ulrich, Schlagzeug, und James Hetfield, Gesang und Gitarre. Mit Ron Govney am Bass und Lloyd Grant an der zweiten Gitarre wird der Song „Hit The Lights“ für die erste Auflage der Compilation Metal Massacre der damals noch lokalen Plattenfirma Metal Blade Records6 aufgenommen. Kurze Zeit später ersetzt Dave Mustaine, der später Megadeth gründen wird, Grant an der zweiten Gitarre. In dieser Besetzung werden mehrere Demotapes7 aufgenommen, die in der internationalen Tape-trading-Szene große Beachtung finden. Ende 1982 übernimmt Cliff Burton den Bass. 4

5 6 7

Zwölf Studioalben und drei Konzertmitschnitte. Außerdem existieren zwei nur in Japan erschienene Konzertmitschnitte (Live Trax Japan I & II, 1997 und 1998), zwei auf DVD festgehaltene Konzertmitschnitte (Rude Awakening 2002, That One Night: Live In Buenos Aires 2007), eine auf DVD veröffentlichte Anthologie (Arsenal Of Megadeth 2006) und mindestens eine Zusammenstellung der Musikvideos der Band (Video Hits 2004). Ein Konzertmitschnitt und zwei Studioalben erscheinen nach Abschluss der Auswertung. Zusammenstellungen bereits veröffentlichter Titel wurden nicht beachtet. Vgl. Crocker 1993, Pillsbury 2006, sowie Wall und Dome 2007. Metal Blade entwickeln sich in der Folge zu einer der weltweit wichtigsten, auf Heavy Metal spezialisierten Plattenfirmen (vgl. Elflein 2007: 132-135). Power Metal, No Life’Till Leather, Metal Up Your Ass alle 1982.

245

SCHWERMETALLANALYSEN

Kurz vor Aufnahme des ersten Albums Kill ’Em All im Jahr 1983 wird Mustaine durch den Exodus-Gitarristen Kirk Hammett ersetzt.8 In dieser Besetzung werden die drei herausgehobenen Alben Kill ’Em All, Ride The Lightning und Master Of Puppets eingespielt, die mit Ausnahme des Debüts von Flemming Rasmussen9 produziert werden. Den bei einem Unfall während der Europatournee im Herbst 1986 verstorbenen Bassist Burton10 ersetzt Jason Newsted, der vorher bei Flotsam & Jetsam11 gespielt hat. In dieser Besetzung entstehen die nächsten sieben Veröffentlichungen.12 Das vierte Album ...And Justice For All von 1988 wird ebenfalls von Rasmussen produziert, ab dem fünften Album Metallica arbeitet die Band mit Bob Rock als Produzent.13 Newsted verlässt Metallica 2001. Die Bassspuren für St. Anger aus dem Jahre 2003 spielt Produzent Rock ein. Nach den Aufnahmen engagiert die Band Robert Trujillo als neuen Bassisten, der vorher unter anderem bei Suicidal Tendencies und in der Begleitband von Ex-Black Sabbath Sänger Ozzy Osbourne gespielt hat.14 2008 erscheint mit Death Magnetic ein von Rick Rubin15 produziertes Studioalbum dieser Besetzung.

8

9

10 11

12

13

14

15

Kirk Hammett spielt auf keiner offiziellen Veröffentlichung von Exodus. Bonded By Blood (1985, 12/11) von Exodus ist eines der zwanzig meistgenannten Alben. Zwei weitere der insgesamt dreizehn Exodus Alben werden zwei- bzw. einmal genannt. Rasmussen entwickelt sich in der Folge zu einem bekannten Produzenten für Heavy Metal. Er produziert u.a. Morbid Angel (Convenant, 1993, 3/3) und Blind Guardian (Imaginations From The Other Side, 1995, 5/5, Nightfall On Middle Earth, 1998, 5/5). Das posthum veröffentlichte Video Cliff’em All (1987) ist der einzige offizielle Konzertmitschnitt dieser Besetzung. Newsted veröffentlicht mit Flotsam & Jetsam das Album Doomsday For The Receiver (1986, 3/3). Ein weiteres der insgesamt neun Album der Band wird einmal in der Auswertung genannt. The $5.98 E.P.: Garage Days Re-Revisited 1987, And Justice For All 1988, Metallica 1991, Load 1996, ReLoad 1997, Garage Inc. 1998 und der Konzertmitschnitt S&M 1999. Rock ist bereits vor seiner Arbeit mit Metallica ein bekannter Produzent und Toningenieur harter Rockmusik, der u.a. mit Aerosmith (Permanent Vacation 1987, 5/5), Bon Jovi (Slippery When Wet 1986, 9/6), The Cult (Sonic Temple 1989, 1/1) und Mötley Crüe (Dr. Feelgood 1989, 2/2) gearbeitet hat. Trujillo spielt auf fünf der neun Alben von Suicidal Tendencies, von denen eine, Lights...Camera...Revolution! (1990, 2/2), in der Auswertung genannt wird, sowie auf zwei Veröffentlichungen von Osbourne, die in der Auswertung ignoriert werden. Zu Osbourne in der Auswertung siehe Kapitel VI.1 Fußnote 13. Rubin ist im Traditionsstrom des Heavy Metal v.a. für seine Arbeit mit Slayer bekannt, war aber vorher bereits als Hip Hop Produzent aktiv. Mittlerweile gilt er – unter anderem wegen seiner Arbeit mit Johnny Cash und Neil Diamond - als einer der profiliertesten Produzenten populärer Musik.

246

VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

Slayer Slayer16 werden ebenfalls 1981 in Los Angeles von Kerry King und Jeffrey ‚Jeff‘ Hanneman, Gitarren, Tomás Enrique ‚Tom‘ Arraya, Bass und Gesang, und Dave Lombardo, Schlagzeug, gegründet. Diese Besetzung, die anfangs vor allem Coverversionen von Judas Priest und Iron Maiden spielt, veröffentlicht zwischen 1983 und 1992 fünf Studioalben,17 eine EP18 und zwei Konzertmitschnitte19 inklusive des herausgehobenen Albums Reign In Blood von 1986. Die ersten beiden LPs werden von Brian Slagel, dem Gründer der veröffentlichenden Plattenfirma Metal Blade Records, produziert, ab Reign In Blood zeichnet Rick Rubin für die Produktion verantwortlich. Lombardo verlässt die Band 1992 und wird durch den ehemaligen Forbidden Schlagzeuger Paul Bostaph20 ersetzt, mit dem die Band bis 2001 vier weitere Studioalben21 und zwei auf DVD/Video erschienene Konzertmitschnitte22 veröffentlicht. God Hates Us All von 2001 ist das erste Slayer Album seit Reign In Blood, das nicht von Rubin produziert wird.23 Nach Bostaphs Ausscheiden kehrt Lombardo, der in der Zwischenzeit an den unterschiedlichsten Projekten24 mitgewirkt hatte, zu Slayer zurück. Die wiedervereinigte Originalbesetzung veröffentlicht 2004 mit Still Reigning eine DVD mit der kompletten konzertanten Aufführung von Reign In Blood sowie 2006 und 2009 zwei Studioalben.25

Megadeth Dave Mustaine, Gitarre und Gesang, gründet Megadeth26 1983, kurz nachdem Metallica ihn durch Hammett ersetzt hatten. Mit Dave Ellefson findet er schnell einen Bassisten, der bis zur temporären Auflösung der Band im Jahr 2002 bei Megadeth bleibt. Nach mehreren anfänglichen Wechseln auf den Positionen des Schlagzeugers und des zweiten Gitarristen stoßen 1984 16 Vgl. Szugrycht 2007. 17 Show No Mercy 1983, Hell Awaits 1985, Reign In Blood 1986, South Of Heaven 1988, Seasons In The Abyss 1990. 18 Haunting The Chapel 1984. 19 Live Undead 1985, Decade Of Aggression 1991. 20 Bostaph veröffentlicht mit Forbidden zwei auch in der Auswertung genannte Alben: Forbidden Evil (1988, 2/2 ) und Twisted Into Form (1990, 2/2). 21 Divine Intervention 1994, Undisputed Attitude 1996, Diabolus In Musica 1998, God Hates Us All 2001. 22 Live Intrusion 1995, War At The Warfield 2003. 23 Als Produzent wird Matt Hyde genannt. 24 Vier Alben mit Grip Inc., fünf mit Fantomas sowie Veröffentlichungen u.a. mit Apocalyptica, Testament, John Zorn und DJ Spooky, die mit Ausnahme je eines Albums von Apocalyptica (Apocalyptica, 2005, 2/2) und Testament (The Gathering 1999, 2/2) in der Auswertung ignoriert werden. 25 Christ Illusion (2006) und World Painted Blood (2009). 26 Vgl. www.megadeth.com/history.php Zugriff am 30.6.2010.

247

SCHWERMETALLANALYSEN

Gar Samuelson, Schlagzeug, und Chris Poland, Gitarre, zur Band und vervollständigen die Besetzung, die die ersten beiden Alben einspielt27 – darunter die meistgenannte LP Peace Sells ... But Who’s Buying? von 1986. 1987 ersetzen Jeff Young, Gitarre, und Chuck Behler, Schlagzeug, Poland und Samuelson. In dieser Besetzung wird 1988 das dritte Album veröffentlicht.28 In einem erneuten Wechsel übernehmen 1989 Marty Friedmann die zweite Gitarre und Nick Menza das Schlagzeug. Diese Besetzung veröffentlicht bis 1998 vier weitere Studioalben29 – darunter Rust In Peace von 1990 – und eine Zusammenstellung verschiedener, nicht auf den regulären Alben erschienener Stücke.30 1998 verlässt Schlagzeuger Menza die Band. Mit seinem Nachfolger Jimmy DeGrasso nimmt die Band das nächste Studioalbum31 auf, bevor im Jahr 2000 auch Gitarrist Friedmann der Band den Rücken kehrt und durch Al Pitrelli ersetzt wird. Mit DeGrasso und Pitrelli veröffentlichen Megadeth ein weiteres Studioalbum32 und zwei Konzertmitschnitte,33 bevor sich die Band 2002 auflöst. 2004 reformiert Mustaine Megadeth mit Rückkehrer Poland an der zweiten Gitarre, Jimmy Sloas am Bass und Vinnie Colaiuta, einem ehemaligen Schlagzeuger von Frank Zappa, für ein Studioalbum.34 Die folgenden Veröffentlichungen entstehen mit jeweils wechselnden Besetzungen, deren einzige Konstante Mustaine ist.35 Alle Megadeth-Alben werden von Mustaine gemeinsam mit wechselnden Produzenten produziert.

Instrumentierung, Komposition, Produktion Alle drei Bands spielen in einer Besetzung mit zwei Gitarren, Bass und Schlagzeug. Bei Metallica und Megadeth übernimmt jeweils einer der beiden Gitarristen auch den Gesang, bei Slayer der Bassist. Weitergehendes Instrumentarium kommt nicht zum Einsatz. Chorgesang findet sich gelegentlich bei Metallica und Megadeth. Megadeth und Slayer spielen mit zwei gleichberechtigten Gitarristen, Metallica behalten dagegen die Aufteilung in Solo- und Rhythmusgitarre bei. Bei allen drei Bands existieren Hauptkomponisten. Der Besetzungskern um Schlagzeuger Ulrich und Gitarrist/Sänger Hetfield ist bei Metallica mit 27 Killing Is My Business ... And Business Is Good! 1985, Peace Sells ... But Who’s Buying? 1986. 28 So Far, So Good ... So What! 1988. 29 Rust In Peace 1990, Countdown To Extinction 1992, Youthanasia 1994, Cryptic Writings 1997. 30 Hidden Treasures 1995. 31 Risk 1999. 32 The World Needs A Hero 2001. 33 Rude Awakening, Still Alive ... And Well?, beide 2002. 34 The System Has Failed 2004. 35 Die Studioalben United Abominations (2007) und Endgame (2009) sowie der Konzertmitschnitt That One Night: Live In Buenos Aires (2007).

248

VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

zwei Ausnahmen36 an allen 48 Kompositionen der ersten fünf Alben beteiligt. Gitarrist Hammett wird bei achtzehn Stücken zusätzlich genannt. Bassist Burton wird als einzigem Musiker eine Komposition,37 an der Hetfield und Ulrich nicht beteiligt sind, zugeschrieben. Bei neun weiteren Kompositionen wird er zusätzlich genannt. Sein Nachfolger Newsted komponiert zwei Stücke mit. Megadeth Gründer Mustaine wird bei sieben Stücken von Metallica als Co-Autor genannt. Bei Megadeth ist Mustaine an allen 41 Eigenkompositionen38 der ersten fünf Alben beteiligt, 28 Stücke gelten als von ihm allein komponiert. Bassist Ellefson wird bei zehn Stücken als Mitautor genannt. Drei Stücke des fünften Albums werden allen damaligen Bandmitgliedern zugeschrieben. Bei Slayer erscheinen die beiden Gitarristen King und Hanneman als Hauptkomponisten. Alle 52 Eigenkompositionen39 der ersten fünf Alben stammen aus der Feder mindestens eines der beiden Gitarristen. Als Kompositionsteam verantworten sie 23 Kompositionen, Hanneman gilt als alleiniger Komponist von weiteren 22 Stücken, King bei den restlichen sieben. Bassist Arraya schreibt bei vierzehn Stücken zumindest einen Teil des Textes, an den Kompositionen ist er, wie auch Schlagzeuger Lombardo, nicht beteiligt. Die Dominanz der Gitarristen bei der Komposition von Heavy Metal Stücken bestätigt sich damit eindrücklich. Metallica Schlagzeuger Ulrich bleibt in dieser Hinsicht, ähnlich wie Iron Maiden Bassist Harris, eine Ausnahme. Das Kompositionsteam Hetfield/Ulrich unterstreicht nochmals die Wichtigkeit des Zusammenspiels von Rhythmusgitarre und Schlagzeug im Heavy Metal. Die Produzenten der Alben spielen bei der sich in der Auswertung ausdrückenden Wertschätzung bestimmter Alben weiterhin keine große Rolle. Flemming Rasmussen produziert zwar die Metallica Alben zwei bis vier, ist aber nicht am meistgenannten Debütalbum beteiligt, das von Paul Curcio und Joe Zazula, der auch Inhaber der veröffentlichenden Schallplattenfirma Megaforce Records ist, produziert wird. Von Rocks sechs Produktionen für Metallica erscheint nur die erste, Metallica, herausgehoben. Mustaine von Megadeth produziert die ersten fünf Studioalben gemeinsam mit wechselnden Produzenten. Für Rust In Peace von 1990 zeichnet der von Guns N’Roses bekannte Mike Clink verantwortlich. Die ersten beiden Alben von Slayer werden vom Inhaber ihrer Schallplattenfirma Metal Blade produziert, die folgenden drei von Rubin.

36 „Motorbreath“ (Ki-A3) wird allein Hetfield zugeschrieben, das Basssolo „(Anesthesia) Pulling Teeth“ (Ki-A5) allein Bassist Burton. 37 „(Anesthesia) Pulling Teeth“ (Ki-A5). 38 Zusätzlich finden sich drei Coverversionen: „These Boots Are Made For Walking“ (Lee Hazelwood; Kb-A4) „I Ain’t Superstitious“ (Willie Dixon; Pe-B3) und „Anarchy In The UK“ (Sex Pistols; Sw-A3). 39 Außerdem existiert eine Coverversion: „Dissident Aggressor“ (Judas Priest; SoB4).

249

SCHWERMETALLANALYSEN

Die ‚Metallisierung‘ der Klangfarbe III – die Lust an der Verzerrung Gitarren Die verzerrte Klangfarbe der Gitarren dominiert weiterhin das Klangbild. Eine kontrastierende unverzerrte Gitarrenklangfarbe kommt bei Slayer nicht, bei Metallica und Megadeth gelegentlich vor. Wie bereits bei Black Sabbath festgestellt, findet diese sich vor allem in Stückeinleitungen und wird meist mittels Akkordbrechungen zu Gehör gebracht. Klanglicher Ausgangspunkt für die verzerrte Klangfarbe der Gitarren ist der in Kapitel VI.2 beschriebene, auf der starken Absenkung des mittleren Frequenzbereichs beruhende Klang. Dieser wird mittels zusätzlicher Verzerrer um die Übersteuerung der unharmonischen Obertöne erweitert. Die von Berger und Fales (2005: 184 und 190f) analysierte Zunahme des Grades der Verzerrung des Gitarrenklanges über die Zeit bildet sich u.a. im vergleichsweise geringen Lautstärkeabfall zwischen Anschlags- und Ausklingphase jedes Gitarrentons ab. Dabei loten die Rhythmusgitarren bei Metallica und Slayer eher die tiefen Frequenzbereiche des auf der Gitarre möglichen aus, während sich Megadeth gerne auch in höheren Lagen bewegen, die sonst solistischen Einlagen vorbehalten sind.

Das Ende der Tenöre Die Stimmklangfarbe ist bei allen drei Sängern angeraut, der Gestus schwankt zwischen gebrüllt und deklamierend. Entsprechend werden größere Melodiebögen vermieden. Lang andauernde Noten und Schreie kommen trotzdem bei allen drei Bands vor, werden aber nur von Slayer so häufig eingesetzt, wie im Traditionsstrom des Classic Metal üblich. Die opernhaften Tenorstimmen verlieren für den Traditionsstrom an Bedeutung. Frühe Aufnahme von Metallica, wie die auf Metal Massacre enthaltene Version von „Hit The Lights“, zeigen bei Hetfield einen anderen, nicht angerauten, noch stark im Traditionsstrom des klassischen Heavy Metal verwurzelten Stimmklang. Der Umschwung zum angerauten und gebrüllten Gesang muss deshalb auch als ein bewusster ästhetischer Akt der Abgrenzung verstanden werden. Allerdings sind alle drei Sänger weit von einer absichtlich ungenauen Intonation im Sinne der Shouter der Blues-Tradition entfernt. Die gewählten Tonhöhen werden vielmehr im Rahmen der individuellen Möglichkeiten möglichst genau intoniert.40

40 Hetfield und Mustaine versuchen ihre Gesangsleistungen im Laufe ihrer Karriere beständig zu verbessern.

250

VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

Eine denkbare Erklärung für diese andere Stilisierung des Stimmklangs liegt in der Doppelfunktion aller drei Protagonisten als Sänger und Instrumentalisten. Zumindest von Hetfield sind mehrere Äußerungen überliefert, in denen er konstatiert, nur deshalb zu singen, weil es ja irgendjemand tun muss: „Usually the vocals for me were [...] well someone’s got to sing and there’s got to be words in the song, so I’ll do it“ (Metallica 2001).41 Im Traditionsstrom des Heavy Metal markiert dieser angeraute Stimmklang keine Renaissance eines Blues-Einflusses, sondern den Beginn einer – im Extreme Metal dann ausdifferenzierten – Entwicklung in Richtung einer verzerrten Stimmklangfarbe. Dabei können durchaus klangformende Technologien wie Verzerrer und Pitch Shifter zum Einsatz kommen. Für die Sänger des Extreme Metal wird die ausdauernde Beherrschung derartiger – metaphorisch gesprochen – unmenschlicher Klangfarben bzw. der virtuose Wechsel zwischen verzerrter und unverzerrter Klangfarbe ein zusätzlicher Teil der virtuosen Kontrolle der Stimme. Letztere wird bei Metallica und Megadeth noch durch lang ausgehaltene Töne im Chorus bzw. auf der letzten Silbe einer Gesangszeile verkörpert, bei Slayer durch lang gezogene Schreie. Damit ist Slayers Arraya derjenige der hier zu Diskussion stehenden Sänger, der am stärksten im Traditionsstrom des Heavy Metal verwurzelt ist.

Schlagzeug und Bass Der Klang des Schlagzeugs entspricht weitestgehend dem in den vorherigen Kapiteln Gesagten. Zusätzlich wird die Hörbarkeit des Bass Drum-Anschlags im Klangbild deutlich betont. Dies hat Einfluss auf die Gestaltung der Bassklangfarbe, da hier Frequenzkonflikte lauern. Ein Ausweg ist die Verwendung einer bei Motörhead und in Teilen bei Black Sabbath bereits konstatierten verzerrten Klangfarbe, die bei Slayer grundsätzlich, bei Metallica manchmal und bei Megadeth eher keine Anwendung findet. Über die Verzerrung wird das vom Bassklang abgedeckte Frequenzspektrum nach oben erweitert, so dass die für die Hörbarkeit des Bass Drum-Anschlags notwendigen tiefen Frequenzen gefahrlos abgesenkt werden können. Gleichzeitig wird die verzerrte Klangfarbe der beiden Gitarren im Frequenzspektrum nach unten erweitert und verstärkt so deren Dominanz. Bei Metallica bekommt der Bassklang über die Kombination von Verzerrer und Wah Wah Filter, die auch Black Sabbath schon eingesetzt hatten, in einigen Stücken zudem einen fauchenden Charakter. In anderen Stücken verzichten Metallica jedoch auf die Verzerrung des Basses, bei ...And Justice For All ist der Bass sogar fast gar nicht zu hören. Die Bob Rock41 Vgl. Kapitel fünf der DVD Classic Albums: Metallica (Metallica 2001) – transkribiert von D.E.

251

SCHWERMETALLANALYSEN

Produktion Metallica behandelt den Bass dagegen wieder prominenter und orientiert sich an der klanglichen Ausgewogenheit professioneller Rockmusik-Produktionen. Die für Megadeth wichtige Darstellung instrumentaler Virtuosität führt zu einer klanglichen Gestaltung, bei der auch der im Normalfall unverzerrte Bass deutlich zu hören ist. Damit finden sich in der Klangfarbe des Basses die bislang größten Unterschiede, nicht nur zwischen den drei Bands, sondern auch zwischen einzelnen Tonträgern. Die relative Unwichtigkeit einer bestimmten Klangfarbe des Basses für den Traditionsstrom des Heavy Metal spiegelt sich in diesem Befund wider.

Ensembleklang Die Transparenz des Ensembleklangs wächst bei allen drei Bands im Lauf ihrer hier betrachteten Veröffentlichungskarriere vom eher dünnen Klang aller drei Debüt-LPs zum dichten und gleichzeitig transparenten Klang späterer Veröffentlichungen. Die Möglichkeiten der Mehrspurtechnik werden bei den in Frage stehenden LPs kaum genutzt. Zwar strebt keine der Bands eine Simulation eines Konzerterlebnisses im Stile von AC/DC oder Guns N’Roses an, wünschenswert erscheint trotzdem eine klangliche Ästhetik der Nachvollziehbarkeit des zu Hörenden. Dementsprechend sind besonders die Gitarren im Stereobild stärker getrennt als bei Judas Priest und Iron Maiden.

Die formale Struktur der komplexen Äußerungen Alle sechs Alben beinhalten zwischen acht und zehn Kompositionen, die bei vier LPs gleichmäßig auf beide Seiten verteilt sind. Die Länge der Kompositionen schwankt zwischen 1:40 Minuten bei „Necrophobic“ (RBA3) von Slayer und 8:53 Minuten bei „Call Of Ktulu“ (RL-B4) von Metallica. Slayer neigen auf Reign In Blood insgesamt zu vergleichsweise kurzen Äußerungen. Nur zwei Stücke sind länger als vier Minuten, ein weiteres länger als drei Minuten. Metallica bevorzugen dagegen eher längere Kompositionen. Nur ein Stück der ersten drei LPs ist kürzer als vier Minuten, dagegen sind vier Stücke länger als acht Minuten, eines länger als sieben und weitere sieben länger als sechs Minuten. Metallica ist die Band, deren musikalische Äußerungen durchschnittlich am längsten andauern. Megadeth liegen in dieser Hinsicht genau in der Mitte zwischen Slayer und Metallica. Zwei Stücke – je eines pro Album – sind über sechs Minuten lang, drei Kompositionen kürzer als drei Minuten.

252

VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

Die Dauer einer Komposition spielt damit für ihre Wertschätzung im Traditionsstrom keine Rolle, jedoch sind Abweichungen von einer rockmusikalischen Normdauer von drei bis fünf Minuten häufig. Der Traditionsstrom befördert zumindest ein Wohlwollen gegenüber längeren Kompositionen.

Metallica I - Kill ’Em All Metallicas Debütalbum von 1983, Kill ’Em All, erscheint unter formalen Gesichtspunkten als die am einfachsten strukturierte der zu untersuchenden LPs von Metallica. Tabelle 43 versammelt eine Auswahl der Äußerungen des Debütalbums. Das Eröffnungsstück „Hit The Lights“ (Ki-A1, Tab. 43) zeigt trotz abgesetzter Einleitung und erweitertem Schluss eine minimalistische Herangehensweise. Die abgesetzte Einleitung dauert circa 40 Sekunden und beruht auf der Einblendung rhythmisch freien Ensemblespiels auf der Basis zweier aufeinander folgender Powerchords,42 der erweiterte Schluss aus dem Minimum von einem Gitarrenriff. Der unüblicherweise dreimal wiederholte Hauptteil versammelt dagegen vier Gitarrenriffs, die die Basis für Vers, Prechorus, Chorus und ein Zwischenspiel bilden. Auf einen Mittelteil wurde verzichtet. Diese Struktur erinnert einerseits an Black Sabbath, andererseits zeigt der aus vier Riffs zusammengesetzte Hauptteil bereits ein Interesse an Strukturen aus dem Progressive Rock – ähnlich wie bei Iron Maiden. Abgesetzte Einleitungen finden sich bei weiteren vier Äußerungen von Kill ’Em All, wobei Whiplash“ (Ki-A6, Tab. 43) und „Phantom Lord“ (Ki-B1, Tab. 43) ebenfalls mit einer Einblendung beginnen.43 Drei weitere Äußerungen weisen erweiterte Schlüsse auf.44 Fehlt ein erweiterter Schluss, zeigt sich die von Judas Priest bekannte Tendenz zur Aufwertung des Mittelteils in geschlossenen Vers-Chorus-Strukturen.45 Insgesamt überwiegt aber eine Tendenz zur Reihung, die sich bei „Seek And Destroy“ (Ki-B3, Tab. 43) in der Art des ebenfalls bereits von Black Sabbath und auch Judas Priest bekannten‚ ‚wiederholten Beginns‘ äußert. Der Hauptteil von „Seek And Destroy“ (Ki-B3) setzt sich aus fünf Gitarrenriffs zusammen und unterstreicht das Interesse der Band an bereits bei Iron Maiden analysierten komplexen Binnenstrukturen einzelner Formteile.

42 Die Einleitung von „Hit The Lights“ (Ki-A1) erinnert an die Einleitung von „Exciter“ (U-A1) von Judas Priest in der auf Unleashed In The East (1979, 5/4) veröffentlichten Version (vgl. Elflein 2007: 134). 43 Ki-A3 („Motorbreath“ – nicht analysiert), Ki-A6, Ki-B1, Ki-B2. 44 Ki-A6, Ki-B2, Ki-B3. 45 Vgl. Ki-A2 und Ki-B1. Der aus den im Stückverlauf bereits verwendeten Riffs ‚a‘ und ‚d2‘ bestehende Formteil E aus „Four Horsemen“ (Ki-A2) ist kein erweiterter Schluss.

253

SCHWERMETALLANALYSEN

Tabelle 43: Formale Struktur Metallica Kill ’Em All, Auswahl Nr.

Titel

Dauer

Pulslänge e3=8

Ki-

Hit The

A1

Lights

4:17

d=15 a,b,c=16 e=32 f,h=16

KiA2

e,g2=24

Four Horse-

7:12

men

d2=32 c2=48 a,b=56 c,d,g=64

KiA6

Whiplash

4:10

B1

Phantom Lord

5:01

I 6ab2abac4d 2(2ab2abac4d) Br 12e2e22e3 O

Str. 2 ABC

I VpC

BCBCD

VpC VpC S

I 2a3bcc2 2a2bcc2 2aBrd 4d22e 2

2

8f8f 2e 11gg hBr 2

4d 2e 2a2bcc

2

Str. 3

VC VC A2 A B

In1 In2 B

C D B2 A E

S1 In2 VC S2

2aBr12d2a

a,d2,e,f,

4aa24a3 8b4c

I A

I In1VC

g=8

4c3de 4b4c3de

A2 B A3 B

In2VC

a3,b,c,d=16 4b4c3dBr 24fe4b

A3 B2 C

In2VC

a2=64

A2 B3 D

In3S VC O

d,e=8, Ki-

Struktur 1

a=12 b,c,f,g=16 h=32

4c3dd2 4g I 5a4a2 2b 2(4bc2bc2b8d Br) 2(4e4e2) Br 8f4g Br 4h Br

I A B B2 C 3

DEB O

I VC VC S1 In S2 VC Po

2bc2bc2b12d O IS1 InVpC

f=8 Ki-

No

B2

Remorse

6:26

c,d=16 a,b,e,g, h=32

10a 2(6b4c8d)Br 10e3f Br 4b4c8d Br 4g2(2h2g) O

InVpC S2 A B B C B2

In2 InVpC

D

In3V2 In3V2 In3O

8ab b,e=8 Ki-

Seek And

B3

Destroy

7:20

a,c,d,f2, i= 16, f,g,h=32

8c8d3eb3e2b3ff2 4c4d3eb3e2b3ff2 Br 4g3ff24g2 Br 8ab 4c4d3eb3e2b4f

I InVpC A B2 B C A

InVpC In S

BD

In InVpC Po

4h8i3b

Die zur Band gewordenen Heavy Metal Fans Metallica schöpfen bereits mit ihrem Debüt voll aus dem Traditionsstrom des Heavy Metal, ohne diesem mit ihren noch recht einfachen Strukturen in formaler Hinsicht Neues hinzuzufügen. Die Faszination für aus dem Progressive Rock abgeleitete komplexe Strukturen ist für Metallica auf jeden Fall wichtiger als ein Bezug auf Blues-Strukturen.

254

VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

Metallica II - Ride The Lightning und Master Of Puppets Die bei Kill ’Em All deutlich sichtbaren Bezüge auf den Traditionsstrom werden bei Ride The Lightning in komplexeren Strukturen perfektioniert und mit Master Of Puppets noch weiter ausdifferenziert, während gleichzeitig schon an der individuellen Überwindung mancher dieser stilistischen Normen gearbeitet wird – der Progressive Rock Einfluss wird stärker. Tabelle 44: Formale Struktur Metallica Ride The Lightning, Master Of Puppets, A1, A2 Nr.

Titel

Zeit

Pulslänge 4

Rl-

Fight Fire

A1

With Fire

4:44

2

A1

5:12

Str. 3

3aa Br 4b3cc

c,d,g=16

2(2bcc2) 3dd2

A B B2 C

InVC

b,e=32 a=44

4bcc23dd3

B3 C D B3

In2S1

a2=56 f=64

e2fgg2 f2f2gBr

C C2 O

In3S2In3

f2=65

4bcc24d 16d2 O

b ,c,d,f=16

6a4a cbb2bb2

c2=24 b4=26

2(c22bc2bc2b3c

6

Battery

Str. 2

2

d =8 g =15

3

Mp-

Struktur 1 2

2

3 4

b b ) d2d 3d d

3

2

2 3 2

a,b,c ,d ,

3

ee e e 2c 4f Br

3

2

d ,e=32

2 3

4 6

2bc bc b cb b

4

InVC Po O

2

4 5

b =28

I In VVC

A B B2 C 2

B CD EF 3

2

B C F

4 5

d =40

b b 8f O

I In1 In2VC In2VC In3 S In4 VC In4 O

4a12b4cBr 2(3bb2)4b3 e2=8 b,c=16 Rl-

Ride The

A2

Lightning

6:36

a,d,e,j=32 c2,c3,f2,g,h, i=64 f=96

In1In2 In3

2d2b2d4c 2(3bb2)4b3 2d2b2d 4ef3ee2g 6h4h2i4jf22f3 4ef3ee2g2

ABCBC DED A2 B C F A3

12bBr 2(3bb2)4b3

VpCIn3 VpC BSB In2 Vp CIn3 Po In1

2d2b2d4c 2c22c3 a I 4a 2b2(b2b)b3 Br 6c2c2c3 4d 3

3

2

2eff2f3f42ef2e

b ,c ,e,j , 4

Mp-

Master Of

A2

Puppets

8:35

3

2

3

2 3

j =8 f =20

b bb 4c2c c 4d

f4=24 f=28

2eff2f3f42ef2e Br

c=29 a,b,d,

2g2g22g32g22g4

h,i,j=32

h26hBr 4c2c2c3

g=64

2ij22j2j3j4 2bb3 4c2c2c3 4d 2eff2f3f42ef2e 4c O

255

I1 I2 ABCDE

InVpC

B2 C2 D E

I2 VpC

F G C2 H

In2 B S

B3 C2 D

In3In4

E C3 O

I2 VpC In O

SCHWERMETALLANALYSEN

Ride The Lightning und Master Of Puppets weisen erstaunliche Parallelen im formalen Aufbau auf. Tabelle 44 zeigt die ersten beiden Äußerungen aus beiden Alben. Gemeinsam ist ihnen beispielsweise der Beginn mit auf akustischen Gitarren gespielten Akkordbrechungen,46 die jeweils eine abgesetzte Einleitung bilden. Allerdings besitzen – mit einer Ausnahme47 – alle Kompositionen von Ride The Lightning und Master Of Puppets eine abgesetzte Einleitung.48 An zweiter Stelle der Stückreihenfolge steht jeweils das Titelstück, das wiederum in beiden Fällen eine geschlossene Vers-Chorus-Struktur mit stark aufgewertetem Mittelteil aufweist. Zudem nutzen Metallica bei beiden Stücken den Effekt des ‚wiederholten Beginns‘, bei „Master Of Puppets“ (Mp-A2) sogar doppelt. Tabelle 45: Formale Struktur Metallica ‚Balladen‘-artige Äußerungen Nr.

Titel

Rl-

Fade To

A4

Black

Dauer

Pulslänge

a,c,e=32 d,f=64

IABB

InVIn2 SV

4e2e22e 2e38f

CD

In2 In3V2 In3V2 In4S

Welcome

a =8

Mp-

Home

a,c,d,e2=16

A4

(Sanitarium)

Str. 3

I 5ab 8c2d 6c2d

2a4a2

2

6:27

Str. 2

I1 I2

b=16 6:57

Struktur 1

b,c4=20 e=32

12b2b2cc2cc3Br

ABB

8b2b2cc2c2c4

C D C2

d2d34d 2eBr 4d

D2 O

2

3

e 6e2e O

I InSVC SVC In2 V2 S2 Po O

I 2aa2 3bb2c2d h6=4 c=6 4

5

g,h ,h ,i=8 3

J-B2

One

7:24

2(3bb3)e 2d 2 3 4

b =10

2ee e e Br

b,e2=12

ff2f32f4f32f4 2

f,h=16 e=24 f =32 2

a=60 a =64

B1

Unforgiven

6:27

2

3

4

4

2h2h 2h i4gi

2

IABC

In2 VCIn2

B2 D C

VC S CIn3

B2 D C

In4In5 V2

D2 E F

In5 V2 In6 S Po

5 6 4

13gh gh 3h h h gg

The

2

2(4g2g )4gg

3

Me-

I1 I2 In1

2(3bb3)e 4d

3

a,c,d,=16

I 4a2a2 a32a

IAB

b2,d2=24

2(3bb2cdcd22a32a)

CBCB

2

a ,b=32 3

4

a ,a =64

2

2

6a 3bb cdcd Br 3 4

2a a 6a

4

2

A C 2

3

B B

I In In2 VpC VpC In S C Po

46 Siehe Kapitel VI.1 Abbildung 19. 47 Mp-A3, siehe Tabelle 47. 48 Im Falle von Rl-A2, Rl-B3 und Mp-B4 dient diese auch als Schlusswendung. RlA2, Mp-A2 und Mp-B4 nutzen Teile der Einleitung in bekannter Art als ‚wiederholten Beginn‘.

256

VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

Wiederum Akkordbrechungen bilden die Grundlage für die abgesetzten Einleitungen der jeweils an vierter Stelle, also am Ende der ersten LP-Seite stehenden Stücke „Fade To Black“ (Rl-A4) und „Welcome Home (Sanitarium)“ (Mp-A4). Diese Stücke gelten im Kontext von Metallica als Powerballaden, da die Akkordbrechungen auch die musikalische Grundlage des Verses bilden.49 Mit „One“ (J-A4) und „The Unforgiven“ (Me-A4) stehen auf den beiden folgenden Alben ...And Justice For All und Metallica ebenfalls derartige ‚Balladen‘ an vierter Stelle der Songreihenfolge.50 Während „The Unforgiven“ (Me-B1) – wie alle Stücke des so genannten schwarzen Albums von 1991 – eine geschlossene Vers-Chorus-Struktur mit Playout besitzt, erinnern die anderen Balladen an die bei Black Sabbath analysierten dualen Strukturen mit Haupt- und Nebenteil. „Fade To Black“ (Rl-A4) und „One“ (J-B2) weisen neben Haupt- und Nebenteil auch einen erweiterten Schluss auf. „Welcome Home (Sanitarium)“ (Mp-A4) zeigt eine Variante dieser Struktur. Der Nebenteil zerfällt in zwei sich wiederholende Formteile C und D, auf einen erweiterten Schluss wird verzichtet. Derartige, auf der Reihung von Formteilen beruhende Strukturen finden sich bei Metallica nicht nur bei den Balladen, sondern auch bei den ebenfalls auf beiden Alben vertretenen Instrumentalstücken (Tab. 46), die an letzter bzw. vorletzter Stelle der Songreihenfolge stehen,51 sowie „Escape“ (Rl-B2, Tab. 46) und „Leper Messiah“ (Mp-B2, Tab. 46). Dass die beiden letztgenannten Kompositionen wiederum an gleicher Stelle im Aufbau der beiden Alben stehen, unterstreicht nochmals, dass Metallica meinen, mit Ride The Lightning eine Formel für den Spannungsbogen eines Heavy Metal-Albums gefunden zu haben, die sie sowohl bei Master Of Puppets als auch bei ...And Justice For All bewusst zitieren, kopieren und variieren. Neben der Wiederentdeckung von bei Black Sabbath analysierten Elementen verfeinern Metallica auch von Iron Maiden und Judas Priest bekannte Strukturen. Die Mittelteile werden – sofern vorhanden – mit diversen Gitarrenriffs aufgewertet und auch im Hauptteil wird über die Einfügung diverser Zwischenspiele und Variationen immer komplexer gearbeitet. Die steigende Komplexität der Binnenstrukturen einzelner Formteile deutet darauf hin, dass bei den herausgehobenen Veröffentlichungen von Metallica die Orientierung am Gesang noch stärker in den Hintergrund tritt als bisher analysiert. 49 Vgl. Kapitel VI.1 und Pillsbury 2006: 33-57. 50 Das Titelstück von ...And Justice For All steht ebenfalls an zweiter Stelle. Das Eröffnungsstück beginnt zwar nicht mit Akkordbrechungen, aber mit einer langsamen Einblendung und zitiert damit wiederum den Beginn von Kill ’Em All. 51 Das Instrumentalstück auf Kill ’Em All, „Anesthesia (Pulling Teeth)“ (Ki-A5), steht an anderer Stelle im Aufbau des Albums, während „To Live Is To Die“ (JD1) auf ...And Justice For All ebenfalls an die vorletzte Stelle gesetzt ist.

257

SCHWERMETALLANALYSEN

Tabelle 46: Formale Struktur Metallica Ride The Lightning, Master Of Puppets, Reihung von Formteilen Nr.

Titel

Dauer

Pulslänge b,c,d,e3,

RlB4

The Call

e4,e5,

Of

e6=16

8:53

Ktulu

e,f,g=32 a=64

Struktur 1

Str. 2

Str. 3

I 2a 2(4b4c) 2(4b24c2) 2(4d4c3) 4e2e2 2(4d4c3) 4d24c2 4e34e43e53e6 2 4

8b3c c Br

A B B2 C D C 2 D2

Instr.

B3 E A F

4f4f2 Br 2a Br 2g

g=14 MpB3

d3=16 Orion

8:27

2

I 6a6a2 4b4b2 6c

d ,e=24

dd2d3eBr 19f 2g4h

a,b,c,d,

7b2 O

ABC D E F B2

Instr.

h=32 f=48 3aa2 4b

b=8 RlB2

2

Escape

4:23

2

e ,g =12

2(2b23cc23cc24d)

ABB

a,b2,c,e,f,

2e3ff2ee2

CDE

g=16 d=32

4b23gg24b2 18b2/d

a2,a3,b2, d,f,i=16 Mp-

Leper

B2

Messiah

5:40

d2=18 b,c,e,h, i3=32 a,g=64

a 2bc3dd2e 4e22f4f2f3 bb2a2 2

2 3

2 2 3

4e 2f4f f bb a a

2g2g22g32g h2(2fg4) 4 2 3

I VC VC InV2In S Po

I In VC In2 ABCD

VC In2 In3

CDEFD

V2 S In3

2 2

2f ii i Br bb a

Po In2

Ein weiterer Indikator für die Unterordnung des Gesanges unter das Instrumentalspiel sind die zum Teil sehr langen instrumentalen Einleitungen, die bei acht der vierzehn Äußerungen mit Gesang auf Ride The Lightning und Master Of Puppets über eine Minute andauern,52 bei zwei der in Tabelle 47 analysierten Kompositionen (Rl-A3, Mp-A4) sogar über zwei Minuten. Während „For Whom The Bell Tolls“ (Rl-A3, Tab. 47) formal sehr einfach gehalten ist, zeigt sich bei „Damage Inc.“ (Mp-B4, Tab. 47) die angesprochene komplexe Binnenstruktur, deren verbindendes Element Formteil C mit der Riffgruppe ‚cd(e)‘ ist, die sowohl instrumental als auch als Chorus Verwendung findet. Eine ähnliche Funktion hat auch Formteil D aus „Leper Messiah“ (Mp-B2, Tab. 46). Solche Binnenstrukturen finden sich auf Master Of Puppets bei allen Kompositionen mit Ausnahme der ‚Ballade‘ „Welcome Home (Sanitarium)“ (Mp-A4, Tab. 45) und belegen den großen Einfluss des Progressive Rock auf Metallica. Die in Tabelle 47

52 Rl-A4, Rl-B3, Mp-A1, Mp-A2, Mp-A3, Mp-A4, Mp-B1, Mp-B2.

258

VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

enthaltenen Stücke „The Thing That Should Not Be“ (Mp-A3) und „Disposable Heroes“ (Mp-B1) verdeutlichen nochmals die komplexe Binnenstruktur einer Vers-Chorus-Struktur, wobei letzteres zudem einen komplexen Mittelteil aufweist, während der Mittelteil von „The Thing That Should Not Be“ (Mp-A3) einfach aufgebaut ist. Tabelle 47: Formale Struktur Metallica Ride The Lightning, Master Of Puppets, Auswahl Nr. RlA3

Titel

Dauer

For Whom The Bell

Pulslänge a,b=16

5:09

Tolls

Struktur 1

Str. 2

2

f=20 d=32 e=48

I 8a 4b4b Br

I A B B2 C

2c2d 2c22d 2e

B2 D

2c22d 10f

c=64

Str. 3 I In1 In2 In3 VC In4 VC Po

2a2a2 4b2b2c2d aa22baa2b2c2(ef)e2

The Thing

e,g=8

Mp-

That

a,b,d,e2,

A3

Should Not

6:36

f2=16 f=20 c=32

Be

2b2b22d aa22baa2b2c2(ef)e2 4f22gege2 4b2d aa22baa2b2c2(ef)e2

ABCD

I In VpC

B2 C D

In VpC

E F B3

S B In

C D E2

VpC Po

g210f2 2

4a Br 16b2b26cd8b

g =7 2

Mp-

Disposable

B1

Heroes

8:16

b,c,d =8

2(b3b4b3 4b4c22c3

g=11

e4fg) g2

d,e,j=16

4h 4h2(ih)2(2jh)

ABCC

e2=24

4hg2k 6cd

D E D B2

2

3

3 4 3

c ,c =28 3

2

3

b b b 4b4c 2c

4

2

a,b ,b ,f,

e 4f4f

2(3cd2)3c4d23cd Br

b =64

8f Br 2(7fg) c2dcde Damage

B4

Inc.

5:32

C F

VpIn2C B S B In VpIn2CIn3 Po

3cd I 2a2a2 2(3bb2) cde

Mp-

2

2

h,i,k=32 2

I In VpIn2C

d,e,f,g=8

aa2 2(7fg) c2dcded

a,b,c,h,

3(3hh2)e Br 8d8d2

i=16

2(3bb2) c2dci 3hh2cd 2(7fg) c2dc2de a

259

IABC D D2 C2 A D2 C 2 E F B C3 E2 C 4 D2 C 2 A

I In In2In3In4 VCR In VCR In5 V2R S1 S2 S3 In5In3 VCR In

SCHWERMETALLANALYSEN

Diese stärker werdende Verschachtelung riffbasierter Songstrukturen findet bei Metallica auf ...And Justice For All ihren vorläufigen Höhepunkt. Greg Pillsbury (2006: 20-29 und 57-98) bezeichnet, wie bereits in Kapitel VI.2 diskutiert, derartige formale Strukturen als modular und behauptet gleichzeitig eine Unveränderlichkeit der zugrundeliegenden Module (ebd. 22). Im Zusammenhang mit Judas Priest wurde auf die Veränderlichkeit pulsbasierter Riffs hingewiesen und Pillsburys (2006) Begrifflichkeit deshalb nicht übernommen. Metallica konstruieren ihre verschachtelten Strukturen ebenfalls über Varianten und Variationen von Riffs. Bei „Disposable Heroes“ (Mp-B1, Tab. 47) existieren beispielsweise jeweils fünf Varianten der Riffs ‚b‘ und ‚c‘, die nach Pillsbury (2006) als jeweils eigenständige Module betrachtet werden müssten. Der Unterschied zwischen Varianten eines bekannten Riffs und Einführung einer neuen musikalischen Äußerung geht über die allgemeine Bezeichnung als Modul verloren. Zudem sind derartige Variantenbildungen bei Metallica keine Ausnahme. „Battery“ (Mp-A1, Tab. 44) zeigt in den Formteilen B und C eine rhythmisch motivierte Variationsreihe aus Varianten der beiden Riffs ‚b‘ und ‚c‘. Riff ‚b‘ kommt in sieben Varianten mit vier unterschiedlichen Pulslängen vor und dient so einerseits als Begleitung des Verses mit 32 Pulsen (‚b‘), als Zwischenspiel im Chorus mit sechzehn Pulsen (‚b3‘) und als Refrain53 mit 26, 28 und 32 Pulsen (‚b4‘, ‚b6‘, ‚b5‘). Riff ‚c‘ mit sechzehn Pulsen findet sich im Chorus, während die 24 Pulse lange Variante ‚c2‘ den Vers abschließt. Eine weitere, 32 Pulse lange Variation von Riff ‚c‘ (‚c3‘) beschließt zudem das Gitarrensolo in Formteil E. Die ungeraden Pulslängen in „Battery“ (Mp-A1) können als weiteres über den Traditionsstrom des Heavy Metal vermitteltes Echo des Progressive Rock bei Metallica betrachtet werden. Sie finden sich – im Gegensatz zu den komplexen Binnenstrukturen – auch schon auf Ride The Lightning54 und Kill ’Em All, bzw. im ersten von Metallica komponierten und veröffentlichten Stück „Hit The Lights“ (Ki-A1, Tab. 43).55 Die Variantenbildung von Riffs erfolgt bei Metallica über die rhythmische, melodische und/oder harmonische Weiterentwicklung eines den jeweiligen Formteil dominierenden Gitarrenriffs. Der Moment des Übergangs in ein neues Riff kann zu einem fließenden werden und zu Schwierigkeiten in der eindeutigen Benennung führen. An den Riffs ‚f‘, ‚g‘, und ‚h‘ sowie ihren Varianten aus „One“ (J-B2, Tab. 45) lässt sich dies sehr gut zeigen.

53 Als Refrain wird hier der alleinige Ausruf des Stücktitel bezeichnet. 54 Z.B. Rl-A1 Riff ‚g‘ und ‚g2‘ mit 15 und 16 Pulsen. 55 Riff ‚e‘ mit 15 Pulsen.

260

VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

Abbildung 67: Metallica „One“ (J-B2) Riff ‚h‘

Die in Abbildung 67 transkribierten Variationen von Riff ‚h‘ bestehen aus verschiedenen Kombinationen zweier rhythmischer Elemente, die als ‚h4‘ und ‚h6‘ am Anfang und Ende der letzten Notenzeile notiert sind. Die Suche nach unveränderlichen Modulen im Sinne von Pillsbury (2006) wird bei ‚h4‘ und ‚h6‘ unter der Voraussetzung der Ignoranz harmonischer Veränderungen fündig. Riff ‚h6‘ entspricht zudem einer vierten möglichen Variante von Riff ‚f‘. Abbildung 68: Metallica „One“ Riffs ‚f‘ und ‚g‘

Die drei abgebildeten, acht Pulse langen Varianten von Riff ‚f‘ werden ebenfalls zu mehreren sechzehn bzw. 32 Pulse langen Einheiten kombiniert. Riff ‚g‘ entspringt einer zweieinhalbfachen Wiederholung von Riff ‚f‘ und bringt wieder die bereits vertraute Kombination von 3+3+2 (bzw. 9+9+6) Pulsen ins Spiel. Es werden wiederum zwei Varianten von Riff ‚g‘ gespielt, bei denen die Erste das ganze Riff auf dem gleichen Ton erklingen lässt und die Zweite das Riff um vier Noten verkürzt. Das verbindende Element, das die Riffs ‚f‘, g‘ und ‚h‘ auch noch mit Riff ‚i‘ (nicht notiert) teilen, ist die dominante Gruppe der beiden Sechzehnteltriolen.

261

SCHWERMETALLANALYSEN

Pillsburys (2006) Begriff der modularen Strukturen kann die formale Sprache von Metallica nicht adäquat abbilden. Seine modularen Strukturen unterstreichen zwar begrifflich die freie Kombinierbarkeit von Riffs im Stückablauf, sind aber zu grobkörnig angelegt und können deshalb die Dynamik der Variantenbildung nicht fassen. Diese Veränderlichkeit von Riffs über Variantenbildung muss von der in Kapitel VI.3 als Gegensatz zum Ensemblespiel von Guns N’Roses postulierten Eindeutigkeit des Gitarrenriffs unterschieden werden. Jede der hier verhandelten Varianten bildet in diesem Sinn ein eindeutiges Riff. Die eigentlich unveränderlichen Motive oder Module der musikalischen Sprache des Heavy Metal entsprechen Gruppen von zwei oder drei Pulsen, wie sie im Rahmen der Analyse des Ensemblespiels isoliert werden. Eine in diesem Sinne modulare Strukturanalyse führt zu einer Unübersichtlichkeit der Ergebnisse.

Slayer Variantenreichtum in den Gitarrenriffs und ungerade Pulslängen bilden bei Slayer die Ausnahme. Zudem bevorzugen Slayer einfachere formale Strukturen und kürzere Kompositionen als Metallica. Vers-Chorus-Strukturen kommen jedoch nur in Ansätzen vor, da sie, wie auch Metallica, die formale Struktur ihrer Kompositionen nicht zwangsläufig mittels der Wiederholung eines Elementes aus Einleitung, Vers oder Chorus schließen. Deshalb ähneln nur die beiden im Folgenden nicht genauer analysierten Äußerungen von Reign In Blood, „Angel Of Death“ (Rb-A1) und „Piece By Piece“ (RbA2), der Mooreschen Vers-Vers-Break-Vers-Playout-Struktur. „Angel Of Death“ (Rb-A1) weist zudem einen aufgewerteten Mittelteil auf. Dagegen dominiert in den in Tabelle 48 analysierten Stücken im Prinzip die Reihung von Formteilen, wobei „Criminally Insane“ (Rb-B1), „Reborn“ (Rb-B2) und „Epidemic“ (Rb-B3) vergleichsweise geschlossene Strukturen zeigen. Bei „Epidemic“ (Rb-B3, Tab. 48) dient, ähnlich wie bei „Leper Messiah“ (Mp-B2, Tab. 46) von Metallica, ein instrumentales Zwischenspiel (‚c‘) dem Zweck der Schließung der formalen Struktur. „Criminally Insane“ (Rb-B1, Tab. 48) nutzt das bekannte Mittel des ‚wiederholten Beginns‘, bevor die Form mit der Wiederholung des zweiten Verses (‚d‘) geschlossen wird. Der potentiell mögliche erweiterte Schluss von „Reborn“ (Rb-B2. Tab. 48) wird über die Wiederholung von Riff ‚f‘ aufgehoben. „Reborn“ (Rb-B2) und Criminally Insane“ (Rb-B1) weisen zudem – wie weitere fünf Stücke von Reign In Blood – eine abgesetzte Einleitung auf und betonen die Wichtigkeit dieses Formteils auch für Slayer.56

56 Rb-A2 („Piece By Piece“ – n.a.), Rb-A3, Rb-A4, Rb-A5, Rb-B5.

262

VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

Tabelle 48: Formale Struktur Slayer Reign In Blood, Auswahl Nr.

Titel

Dauer

Pulslänge a2=12

Rb-A3

Necrophobic

1:40

a3,b,c,d=16 e2,f2=24

Altar Of Sacrifice

Rb-A5

3ff 2c

a,b2,g,h=24 b,c=32

Saves

2:54

2

2

Struktur 2

Struktur 3

ABB

I V1 V1

C D E C2

In S V2 C

2

a 4b2c bb22b 4dBr 4e4e2 Br

ABCB 2

DED FG

4d2f 2(2g4g22h)2h 5i

b=8 d=18 Jesus

2b2a32ba2c 2c Br 4dee 2a

d,e,f,i=16 2:50

2b2a32ba2ca 2

a,e,f=32

Rb-A4

Struktur 1 aa2

e,f,h=16

4ab27b2b32c8d 8e3f 6e2g3f8h

b3,c,g, i=32 a=64

4e3f Br 4i

ABCBDC EBCF

I Vp VC S C S V2 S V2 S O I1 I2 I3 InVC V S C S InC S

5a Rb-B1

Criminally Insane

4b2b22b2b24b

b=8 2:23

2

A B C2 D

I V1 V2 In

a,c,d,e,f,

3cc 5d4e Br

CED

V2 S1 S2

g,h=16

4d Br 6f4e

A2 E B C

I In2 V1 V2

2

4a 8g 4cc 4d Rb-B2

Reborn

2:11

c,g=8

4a 4b8c2d

b,e,f=16

2b8c2d 4b 4e4f

a,d=32

6b2d 8g 5f

b,d=16 Rb-B3

Epidemic

2.23

e2=24 a,c,e,f=32

A B B2 C 3

B DC

2

I InVC InVC In S1 InVC In2 S2

I 2(4a4b 2c)

IABAB

I VCIn VCIn

4d 3ee2 4f 2c

CDEB

S1 V2 S2 In

2aba2b Rb-B4

Postmortem

3:27

b=8

4c2d 2c2c22d

e,f,g=32

2aba2b

a,c,d=64

2(2e2e2)2e2 Br

ABBA CD

I InVC InVC I In2 V2In3 V2In3

2f2(2f2g) O I 4a 4bc23c

f=4 Rb-B5

Raining Blood

4:17

a,c2,d,f2, 3

f ,g=16 b,c,e=32

8d4e 4a 16f6f24f3 2g4g22g39g22g

IABCDE AFGO

I In1In2 In3 V1V2 In1 In4V3 S O

O

„Altar Of Sacrifice“ (Rb-A4) zeigt dagegen eine duale Struktur im Stile von Black Sabbath. Der Nebenteil beginnt mit einem Wechsel von binärem zu ternärem Spiel bei Formteil F nach etwas mehr als der Hälfte des

263

SCHWERMETALLANALYSEN

Stücks.57 Bei „Jesus Saves“ (Rb-A5) findet sich eine abgesetzte Einleitung, die über ein Drittel der Gesamtlänge des Stückes einnimmt und von der Länge her an bestimmte Äußerungen von Metallica erinnert. Die Reihung besteht aus abgesetzter Einleitung, Hauptteil und erweitertem Schluss. Der Zusammenhang von Vers und Chorus wird im Hauptteil zudem durch zwei Gitarrensoli aufgebrochen. Die formale Struktur von „Necrophobic“ (RbA3), „Postmortem“ (Rb-B4) und „Raining Blood“ (Rb-B5) kann als Reihung von potentiell wiederholbaren Formteilen beschrieben werden.58 Sie erinnern damit an den Aufbau der Instrumentalstücke von Iron Maiden.

Megadeth Tabelle 49: Formale Struktur Megadeth Peace Sells..., Rust in Peace Reihungen von Formteilen Nr.

Pe-A1

Titel Wake Up Dead

Dauer

3:40

Pulslänge

I 4a 4bBr

c=28 e,f,

4c4c2Br 4deBr 2

g,h =32 a,h =64

10h2h

Omen

I V1 S In1 IABCDE

In2 S In3 V2 In4 S C

2

3b2b3 Br

4

d,f,g =16 2

Struktur 3

2a 2(4a2b)

a,b2,b3,c, 4:06

Struktur 2

2

e=8 Pe-B2

2

f 3fgg Br

2

Bad

Struktur 1

b,d,g2=16

4c6d2c4d2c

3

A B C B2 D

2

a ,g =24

4e4e 2cf Br

I S In1 V1V1 S C In2 S V2

2 3 4

b,g=32

8g3g g g

2a 4(bb2) 2b3bb2b3cc2

e=10 2

Ru-A4

Five Magics

3

a,b,c,d ,h , 2(bb2) 5:40

i,j =16

2b3bb2bc2 Br

f=18

7dd2 12e2e2 f

A B B2 CDEFG

I1 I2 I2 V1/S S V2 V3 V4 S

b3,d,g,h=32 2g4g2 4h3h2h3 8i3(j2i)2j Poison Ru-B1

Was The Cure

2:56

c,d=8

4a3a2a3 Br 6b

a,b,f,g=32

2(cd)4c e cdcd2

e=64

3ff22f32g

A B C D C2

I V1 In V2

E

In In2 S

Auch Megadeth sind in formaler Hinsicht stark von Black Sabbath und Iron Maiden beeinflusst. Ähnlich wie bei Metallica und Slayer existieren viele 57 Circa 1:30 von 2:50 Minuten. 58 Rb-A3 wiederholt die Formteile B und C, Rb-B4 Formteil B und Rb-B5 Formteil A, wenn man das jeweils 30 Sekunden dauernde Intro und Outro von Rb-B5 nicht als Formteil zählt. Diese Einleitung aus Regen, Donner und Rückkopplungsgeräuschen erinnert deutlich an den Beginn des Black Sabbath Debüts.

264

VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

abgesetzte Einleitungen und gelegentlich auch Vers-Chorus-Strukturen mit aufgewertetem Mittelteil. Der Fokus soll hier jedoch noch einmal auf der Reihung von Formteilen liegen, da zwölf der siebzehn Kompositionen auf Peace Sells ... But Who’s Buying und Rust In Peace auf diesem Prinzip beruhen. Elf von ihnen werden hier in zwei Untergruppen zusammengefasst, da „Dawn Patrol“ (Ru-B4) nur ein einziges Riff wiederholt und deshalb ignoriert wird. Tabelle 49 versammelt die Kompositionen, die auf die Wiederholung von Formteilen weitgehend verzichten. Die Behauptung einer variierten und stark verkürzten Wiederholung von Formteil B bei „Bad Omen“ (PeB2), die auch als Teil von Formteil C betrachtet werden könnte, findet ihre formale Begründung darin, dass mit Riff ‚c‘ erst- und letztmalig im Stückverlauf eine musikalische Idee wieder aufgegriffen wird. „Five Magics“ (Ru-A4) und „Poison Was The Cure“ (Ru-B1) wiederholen ebenfalls nur einen Formteil. Im gänzlich ohne Wiederholung von Formteilen auskommenden „Wake Up Dead“ (Pe-A1) vergehen zwischen den beiden Formteilen mit Gesang, V1 und V2, über zwei Minuten, sodass – bei einer Gesamtlänge von 3:40 Minuten – die untergeordnete Rolle des Gesangs im Traditionsstrom des Heavy Metal eindrücklich betont wird. Tabelle 50 fasst dagegen die Kompositionen zusammen, die im formalen Aufbau dualen Strukturen im Sinne Black Sabbaths ähneln. Fünf dieser Äußerungen59 bestehen aus abgesetzter Einleitung, einem sich wiederholenden Hauptteil und mindestens einem weiteren Formteil, der ohne Elemente aus Einleitung und Hauptteil auskommt. Da mit einer Ausnahme (Ru-A2, Tab. 50) jedoch noch gesungen wird, kann nicht einfach von einem erweiterten Schluss die Rede sein. Zudem endet der Hauptteil im zeitlichen Verlauf des Stückes so früh, dass es schwer fällt, hier schon den Beginn eines Schlussteiles anzusetzen.60 Die Rede ist also von einem Nebenteil eines dualen Hauptteiles ohne zusätzlichen erweiterten Schluss. Der ‚wiederholte Beginn‘ von „Tornado Of Souls“ (Ru-B3, Tab. 50) markiert genauso den Beginn des Nebenteils einer dualen Struktur, wie bei „Good Mourning/Black Friday“ (Pe-B1, Tab. 50) schon der Name auf eine duale Struktur hin deutet. Der Übergang zwischen Haupt- und Nebenteil endet spätestens mit dem Ende von Formteil E. Ein probates Mittel, um auf den Übergang zwischen Haupt- und Nebenteil hinzuweisen, sind wie schon bei Black Sabbath Rhythmus- und Tempowechsel.61

59 Pe-A2, Pe-A3, P-B4, Ru-A2 und Ru-B5. 60 Pe-A2 2:58 von 5:05, Pe-A3 2:17 von 4:03, Pe-A4 3:10 von 4:55, Ru-A2 2:50 von 5:11 und Ru-B5 3:57 von 5:44 Minuten. 61 Vgl. Pe-A3, Pe-B4, Ru-A2, Ru-B5.

265

SCHWERMETALLANALYSEN

Tabelle 50: Formale Struktur Megadeth Peace Sells...., Rust In Peace duale Strukturen Nr.

Titel

Dauer

Pulslänge h4=4

Pe-

The

A2

Conjuring

c,h3=8 5:05

b,e,h=16 d,f,g=32 a=64 a,d2,e,f,

Pe-

Peace

A3

Sells

4:03

g=16 b,d,f2=32 c=48 f,h=8

Good PeB1

Mourning /Black

c,i,j=16 e=48 5

6:40

e =30 2

d,g,j ,k=32 a=40 b=44

Friday

g3=46 e2=24 e=4 a3=12 Pe-

My Last

B4

Words

4:55

a2,a4,b=16 d2=24 d=32 c2=56 a,c=64

Ru-

Hangar

A2

18

5:11

Struktur 1

Str. 2

4aBr4b2a 8c2d 8c8c24e4f

A B B2 C

6g 4(2hh2h3g)

D D D D D2

2h2h34h4 O

Tornado

B3

Of Souls

5:19

4a 4bc 5bc

A B B2

2de 3(d2e) 2f2f220f 3(gf)g

CDE

B5

Peace... Polaris

5:44

I VC VC In1 S In2 C2 S C2 S

4e4e22e33e4e5

I S V1 In1 S

Br 18f4f2 Br

ABCD

2g2(2g2g2)g3 Br

E F G H F2

In3 V3 V4

8h 2(6hi)

G H2

V5 S V3 V4

2(j2h)j2 kk24k3

In2 V2 V2

Po/C

6hi 2(j2h)j2 8k3 4a3a2a3a4 Br 4b2(4b2c)4bcc2 9dd24e O

A B2 B B B C

I In1 In2 V In2 V In2 V In3 S V2 Po

e3=8

8a4b3b2b3

a,b,h=16

5cd3ee25cd4ee3

ABB

I VC S VC S

c,e,=32

2(2fg) 2(4hg2)

C C 2 C3

S In S In S In

f,g=64

2(4hg)4h2g Br h

b,c=15 f,i=16

2(6b2c2b4d)

d=31 a,e,j=32

2ee2e Br

g,h=64

8a4 8f6g2h 3 2

I VpC VpC B ABBC

I V2 In1 S

A2 E F G

V3 In2 V4 Po

2

4i8i 2(i i ) jj Rust In

In3 In4 4(V3In42)

a4b2c2d

2

Ru-

V2In2 V2V2

Po O

2aa2a3 Ru-

Struktur 3 IV1In1S

g=4 e=16

I 4a Br

e2=24 h=28

b3(bc3dd23ee2)

a,d,f=32 b,c=64

Br 3f 8g 2(h4g) 2

2

3(h 4g) h 8g 2f

266

I A B2 B B CDC

2

I S VVpC VpC VpC V2 S V2

VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

Breakdowns Tabelle 51: Formale Struktur Metallica, Slayer, Megadeth Breakdowns Album

Breakdown

(Anzahl der

Stückanfang

Stücke) Metallica – Ki(10) Metallica – Rl (8) Metallica – Mp (8) Slayer – Rb (10)

Bekanntes Riff

Neues Riff in

in Stückmitte

Stückmitte

A1, A2, A3, A4, A6,

A2, A3,

A1, A2, A3, A6,

B1, B3, B4

B1, B2, B3

B2, B3, B4

A2, A3,

A2,

A1, A2, A4,

B3

B2, B3, B4

B3, B4

A1, A2, A3, A4,

A2, A3, A4,

A3,

B1, B2, B4

B1, B4

B2, B3, B4

A1, A3, A4, A5,

A2,

A1, A2, A5,

B2, B4, B5

B1, B4, B5

B2, B3, B4, B5

Megadeth – Pe

A4,

A1, A2, A3, A4,

(8)

B2, B3

B1, B2, B3, B4

Megadeth– Ru (9)

A1, A3,

A1, A2, A3, A4,

B1, B2, B3, B5

B1, B2, B3

B5

50 der insgesamt 53 Kompositionen der hier betrachteten sechs Tonträger von Metallica, Megadeth und Slayer besitzen mindestens einen Breakdown. Breakdowns bleiben ein unverzichtbarer Teil einer Heavy MetalKomposition. Metallica dehnen bei fünf Kompositionen62 den Breakdown am Stückanfang auf die ersten beiden Gitarrenriffs aus, sodass mit der Erwartung des Hörers auf einen durchgehenden Schlagzeugrhythmus gespielt wird, der jedoch nur einsetzt, um sofort wieder abzubrechen. Viele Kompositionen beinhalten insgesamt mehr als einen Breakdown, besonders Megadeth verwenden auf Peace Sells ... But Who’s Buying bis zu drei Breakdowns über jeweils neu eingeführte Gitarrenriffs im Rahmen ihrer die Reihung von Riffs bevorzugenden formalen Strukturen. Außerdem nutzen alle drei Bands Generalpausen an Enden von Formteilen und erreichen damit weitere Breakdown-ähnliche Effekte.

62 Ki-B3, Ki-B4, Mp-A1, Mp-A2, Mp-B1.

267

SCHWERMETALLANALYSEN

Rhythmisches Ensemblespiel Das rhythmische Ensemblespiel von Metallica, Slayer und Megadeth bedient sich ebenfalls selbstverständlich aller bisher bekannten Elemente aus dem Traditionsstrom des Heavy Metal. Ähnlich wie bei den formalen Strukturen werden bei Black Sabbath bereits analysierte Elemente des Gitarrenspiels wieder wichtiger für das Ensemblespiel als noch bei Iron Maiden und Judas Priest, während die Art und Weise des Schlagzeugspiels an Judas Priest bzw. Motörhead anknüpft.

Rhythmische Variationen des pulsbasierten Spiels Methodischer Ausgangspunkt der Betrachtungen ist ein regelmäßiger, durchgehender Puls, der in Kapitel VI.2 inklusive der Palm Mute-Spieltechnik als Element der musikalischen Sprache des Blues Rock identifiziert worden war. Beide Gitarren spielen den Puls fast immer parallel, so dass im Folgenden nur eine Gitarre transkribiert wird.63 Im Sonderheft „Schöol Of Metal“ der Zeitschrift Guitar (2008: 74) werden diese Riffs in einer Kapitelüberschrift als „Stakkatoriffs“ (ebd.) bezeichnet. Als Übungsgrundlage dienen dort Variationen einer Gruppe von vier Pulsen, bei denen bei einem Puls jeweils das Tempo verdoppelt wird. Es entstehen die in oberen Zeile von Abbildung 69 notierten vier Variationsmöglichkeiten: Abbildung 69: Schöol Of Metal: rhythmische Variationsmöglichkeiten in Gruppen von vier bzw. zwei Pulsen

Quelle: Guitar 2008: 75-77 Natürlich können auch mehrere Pulse im Tempo verdoppelt werden. Die Autoren der „Schöol Of Metal“ halbieren zu diesem Zweck ihre Gruppe von vier Pulsen und erhalten die in der unteren Notenzeile abgebildeten drei frei kombinierbare Basisgruppen aus zwei Pulsen, bei denen jeweils maximal einer im Tempo verdoppelt wird. Die erste dieser drei Variationen entspricht dem Iron Maiden-Galopp (Abb. 49). 63 Metallica spielen diesen Basispuls ohne Variation z.B. in Mp-A4 Riff ‚d3‘, Slayer in Rb-B5 Riff ‚g‘.

268

VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

Abbildung 70: Ensemblespiel Megadeth „She-Wolf“ Riff ‚a‘

Die Transkription zeigt zwei unterschiedliche Darstellungen der Rhythmusgitarre von Riff ‚a‘ aus „She-Wolf“ von Megadeth.64 Die obere Zeile ist nach den eben erläuterten Prinzipien der „Schöol Of Metal“ transkribiert, die untere Zeile nach dem Hörempfinden des Autors. Es entstehen Kombinationen von Teilgruppen aus drei und zwei Pulsen anstelle der variierten Wiederholung von Gruppen von zwei Pulsen. Die Schlagzeugbegleitung ist zum einen dafür verantwortlich, dass die erste Note des Riffs alleine steht und nicht die letzte Dreiergruppe von Pulsen zu einer weiteren Vierergruppe vervollständigt. Zum anderen unterstützt das Schlagzeug über das Fehlen eines Bass Drum-Impulses auf der Eins des zweiten Taktes das Ignorieren des Taktschemas. Die in dieser Untersuchung bevorzugte Art der Notation verdeutlicht das grundlegende Spannungsverhältnis zwischen einer Gruppe von zwei (bzw. vier) und einer Gruppe von drei (bzw. sechs) Pulsen. Diese Spannung wird dadurch unterstützt, dass in der geradzahligen Gruppe von Pulsen eine ungerade Zahl an Noten gespielt, während in der ungradzahligen eine geradzahlige Anzahl an Noten gespielt wird. Abbildung 71: Gitarrenriff geradzahlige Varianten einer Gruppe von drei Pulsen

Betrachtet man mögliche geradzahlige Variationen der Gruppe von drei Pulsen, so entspricht diese den Betonungsmöglichkeiten einer Gruppe von drei Pulsen in Kapitel VI.2 Abbildung 31, wobei die mittlere Variante wieterhin am seltensten Verwendung findet und die Veränderung der Tonhöhen durch die Tempoverdopplung ersetzt wird. Ausgehend von diesem grundlegenden Verhältnis existieren weitere Variationen, wie z.B. die in Abbildung 72 notierten.

64 Aus Cryptic Writings (1997, -).

269

SCHWERMETALLANALYSEN

Abbildung 72: Gitarrenriff Metallica „The Four Horsemen“ (Ki-A2) Riff ‚d‘, Black Sabbath „Children Of The Grave“ (M-A4) Riff ‚a‘, Gitarrenriff Slayer, pulsbasierte Rhythmusfigur

Das mit Riff ‚a‘ aus „Children Of The Grave“ (M-A4) von Black Sabbath identische Riff ‚d‘ aus „The Four Horsemen“ (Ki-A2) von Metallicas Debütalbum zeigt einen stetigen Wechsel zwischen binärem und ternären Puls und damit eine fast exemplarische Betonung des thematisierten Spannungsverhältnisses. Slayer verwenden dagegen auf Reign In Blood sehr oft eine rhythmische Wendung, bei der nur der erste bzw. der erste und letzte Puls einer Teilgruppe von geradzahligen Gruppen von vier oder acht Pulsen halbiert wird.65 Ungradzahlige Gruppen von Pulsen haben bei Slayer im Vergleich der drei Bands eine geringere Bedeutung. Ein in diesen ungeradzahligen Teilgruppen von Pulsen enthaltenes Echo des Blues wird deshalb bei Slayer weiter marginalisiert. Ein stetiger geradzahliger Wechsel von Verdopplung und Halbierung des Pulses findet sich auch in dem in Kapitel VI.2 Abbildung 25 transkribierten Beispiel von Megadeth. Den wiederum ein Bluesecho beinhaltenden ‚Iron Maiden-Galopp‘ zitieren bzw. verwenden Metallica unter anderem in Riff ‚f‘ aus „Trapped Under Ice“ (Rl-B1), Megadeth zum Beispiel in der zweiten Hälfte von Riff ‚h‘ aus „Five Magics“ (Ru-A4), aber auch Slayer im Schluss von Riff ‚e‘ von „Epidemic“ (Rb-B3) – allerdings als Ausnahme und damit als deutliches Zitat. Alle diese Riffs beinhalten keinerlei melodisch-harmonische Variationen, sie verharren auf einem Ton bzw. können transponiert werden. Megadeth transponieren im den Vers begleitenden Riff ‚b‘ aus „Devil’s Island“ (Pe-A4) den ‚Iron Maiden-Galopp‘. Slayer verwenden das Mittel des Transponierens von geradzahligen Teilgruppen von Pulsen mit oder ohne rhythmische Variation sehr häufig.66 Derartig aufgebaute Äußerungen werden in der Folge ein typisches Element für das Rhythmusgitarrenspiel im Extreme Metal. Das bereits in anderem Zusammenhang angeführte Beispiel von Emperor (Kapitel VI.4 Abb. 57) nutzt genau diese Technik der Transponierung von Teilgruppen von Pulsen ohne rhythmische Variation. Bei den im Extreme Metal häufig verwendeten, sehr hohen Tempi sind rhyth65 Vgl. Rb-A1 („Angel Of Death“ – n.a.) Riff ‚a‘, Rb-A3 Riff ‚b‘, Rb-A4 Riff ‚e‘, RbB3 Riffs ‚a‘ und ‚b‘, Rb-B4 Riff ‚f‘. 66 Vgl. Rb-A2 („Piece By Piece – n.a.) Riffs ‚e‘ und ‚f‘, Rb-A3 Riffs ‚b‘ und ‚f‘, RbB1 Riff ‚e‘, Rb-B5 Riff ‚g‘.

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VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER

mische Variationen einerseits auch sehr schwer zu spielen und andererseits kaum mehr differenziert zu hören. Eine weitere Möglichkeit der Variation sind Pausen. Die Verwendung der ‚Palm Mute‘ Spieltechnik mit ihrer Betonung des Saitenanschlages und der abgedämpften, schnell verstummenden Ausklingphase eines Tones lässt den Übergang vom noch ausklingenden Pulsschlag in die Stille der Pause zumindest in der Notenschrift uneindeutig werden. Abbildung 73 zeigt zwei mögliche Darstellungsweisen des den Vers begleitenden Riffs ‚c‘ aus „Five Minutes Alone“ der texanischen Band Pantera.67 Abbildung 73: Gitarrenriff Pantera „Five Minutes Alone“ Riff ‚c‘

Gerade bei höheren Tempi kann der Höreindruck sich bei beiden Darstellungsweisen angleichen. Allerdings bedingt die korrekte Ausführung von Pausen eine über die Palm Mute-Technik hinausgehende Spieltechnik, sodass für den ausführenden Musiker immer ein Unterschied besteht. Zusätzlich zur Palm Mute-Spieltechnik definiert die Griffhand die gewünschte Länge des Tones mittels eines weiteren Abdämpfens des Klangs. Das Ende eines Tons wird nicht über ein Loslassen der Saite erreicht, sondern über eine Verringerung des Drucks auf das Griffbrett. Ein derartiges Riff wird häufig mit einem Backbeat kontrastiert, wodurch das Riff synkopiert wirkt. Der Bass doppelt entweder das Gitarrenriff wie im obigen Beispiel oder legt einen durchgehenden Puls wie im nächsten Beispiel. In „Primal Concrete Sledge“68 bestätigen Pantera die Wichtigkeit von Teilgruppen von drei Pulsen auch im Zusammenhang mit dem Spiel von Pausen. Abbildung 74: Ensemblespiel Pantera „Primal Concrete Sledge“ Riff ‚a‘

67 Far Beyond Driven (1994, 1/1). Zu Pantera in der Auswertung siehe Kapitel VI.2 Fußnote 59. 68 Cowboys From Hell (1990, 7/7).

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Bass und Bass Drum legen einen durchgehenden Puls; auf den Toms wird die bekannte Folge von 3+3+3+3+4 Pulsen gespielt und die Gitarre gruppiert drei Pulse zu einer Folge von zwei gespielten Pulsen und einer Pause. Diese Form des Gebrauchs von Pausen bedeutet auch die Möglichkeit eines erneuten Blues-Einflusses. Setzt man die Pause in die Mitte einer Gruppe von drei Pulsen, nähert sich die Rhythmik im Heavy Metal so weit wie möglich an den Shuffle an. Pantera stehen für ein derartiges Wiedererstarken des Blues-Einflusses im Heavy Metal der 1990er Jahre. In Riff ‚a‘ aus „Psycho Holiday“ vom gleichen Album wie „Primal Concrete Sledge“ variieren sie den stetigen Wechsel zwischen binärem und ternärem Puls. Die einleitende Gruppe von zwei Pulsen wird zu einer Gruppe von drei Pulsen, von denen nur der erste und der letzte gespielt werden, die anschließende Triole wird unverändert übernommen. Bei Riff ‚f‘ aus „One“ (J-B2, Abb. 68 und 85) verlängern Metallica die Pause auf drei Pulse und enden mit einem den Backbeat definierenden Snareschlag. Über die Heavy Metaltypische Parallelführung von Double Bass und Stakkato-artiger Rhythmusgitarre bleibt die Assoziation eines Blues-Einflusses in diesem Fall vernachlässigbar.

Harmonisch-melodische Variationen des pulsbasierten Spiels Im Gegensatz zu dem in Kapitel VI.2 beschriebenen Wechsel zwischen puls- und riffbasiertem Ensemblespiel, das auf der (nahezu) identischen Länge der puls- und riffbasierten Formteile beruht, nehmen die hier zu behandelnden harmonisch melodischen Variationen weniger als die Hälfte der Gesamtlänge eines Riffs ein. Die minimale Länge einer Variation beträgt dabei einen Puls. Riff ‚c‘ aus „Whiplash“ (Ki-A6, Kapitel VI.3 Abb. 40) von Metallica hat einen solchen minimal variierten Puls. Ein weiteres Beispiel ist das in Abbildung 75 auszugsweise transkribierte Riff ‚b‘ aus „Peace Sells“ (Pe-A3) von Megadeth. Es beginnt mit einer dreimaligen variierenden Wiederholung der ersten Hälfte der Transkription. Der Powerchord wird dabei im zweiten Durchlauf einen Halbton tiefer gespielt, bevor das Riff mit einer zwei Pulse dauernden Bewegung um einen Halbton abwärts vom Tritonus zur Quarte abgeschlossen wird. Eine minimale Variation, bei der ein oder zwei Pulse als Powerchords gestaltet werden, kann ein Riff nicht nur beenden, sondern auch einleiten.69 Riff ‚b‘ aus „Epidemic“ (Rb-B3, Abb. 75) von Slayer verbindet eine für die Band als typisch analysierte Gestaltung des Basispulses mit einem variierten Ende von zehn Pulsen Länge, die in ebenfalls typischer Art und Weise in geradzahligen Einheiten unterteilt und auf drei Tonhöhen verteilt werden. Auch Megadeth nutzen diese Rhythmusfigur in Riff ‚g‘ aus „Bad 69 Rb-A1 („Angel Of Death“ - n.a.) Riff ‚a‘, Rb-B1 Riff ‚d‘, Mp-B1 Riff ‚c‘.

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Omen“ (Pe-B2), kontrastieren aber den binären Puls mit zwei ternären Gruppen als variierendes Ende. Metallica verkürzen die zu variierende letzte Teilgruppe gern auf vier oder acht Pulse. Ähnlich wie Riff ‚b‘ aus „Peace Sells“ (Pe-A3) beinhalten alle drei in Abbildung 75 transkribierten Teilgruppen chromatische Bewegungen, bei zwei der drei Beispiele findet sich auch der Tritonus zum jeweils Puls legenden ‚e‘. Diesem Hinweis auf ein Wiedererstarken der Wichtigkeit chromatischer Bewegungen und des Tritonus im Traditionsstrom des Heavy Metal wird weiter unten nachgegangen. Abbildung 75: Gitarrenriffs Megadeth „Peace Sells“ (Pe-A3) Riff ‚b‘ (Auszug), Slayer „Epidemic“ (Rb-B3) Riff ‚b‘, Metallica „Seek And Destroy“ (Ki-B3) Ende von Riff ‚c‘, „Whiplash“ (Ki-A6) Ende von Riff ‚a‘, „Metal Militia“ (Ki-B4) Ende von Riff ‚a‘

Pulsbasierte Gitarrenriffs Wechseln puls- und riffbasiertes Spiel in kleineren Einheiten, wurde in Kapitel VI.2 von einer Verschmelzung zu pulsbasierten Riffs gesprochen. Als exemplarisches Beispiel diente eine Reihung von 3+3+3+4 Pulsen in Abbildung 29. Derartige Riffs finden sich auch im Thrash Metal von Metallica, Megadeth und Slayer. Abbildung 76: Gitarrenriff Metallica „Master Of Puppets“ (Mp-A2) Riff ‚c‘

Bei Riff ‚c‘ des Titelstücks von Master Of Puppets (Mp-A2) wechseln sich puls- und riffbasiertes Spiel ab. In der Wiederholung wird das pulsbasierte Riff um drei Pulse gekürzt und unterstreicht damit auch die These der

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freien Kombinierbarkeit von Teilgruppen aus zwei oder drei Pulsen zu Riffs. Riff ‚b‘ aus Judas Priests „The Sentinel“ (D-A4, Kapitel VI.2 Abb. 26) zeigte bereits die gegenteilige Möglichkeit der Addition einer Gruppe von drei Pulsen zum pulsbasierten Riff. Riff ‚a‘ aus „Orion“ (Mp-B3) beruht auf der ‚klassischen‘ 3+3+2-Anordnung der Teilgruppen von Pulsen. Riff ‚c‘ addiert einige der oben beschriebenen rhythmischen und harmonisch-melodischen Variationen in das pulsbasierte Riff und verdoppelt seine Länge auf 3+3+3+3+4 Pulse. Abbildung 77: Gitarrenriffs Metallica „Orion“ (Mp-B3) Riff ‚a‘ und ‚c‘ Auszug

Megadeth reihen in Riff ‚d‘ aus „Take No Prisoners“ (Ru-A3) vier Teilgruppen mit 3+3+4+6 Pulsen, wo bei die letzte Gruppe nochmals in Gruppen von dreimal zwei Pulsen unterteilt werden kann. Die Kontrastierung geradzahliger und ungradzahliger Teilgruppen von Pulsen, die die rhythmische Spannung von Heavy Metal zumindest mitbestimmt, findet sich hier nochmals exemplarisch. Abbildung 78 zeigt in der oberen Notenzeile zwei rhythmische Varianten dieses Riffs. Abbildung 78: Gitarrenriffs Megadeth „Take No Prisoners“ (Ru-A3) Riff ‚d‘, „Five Magics“ (Ru-A4) Riff ‚e‘

Arpeggios waren bisher vor allem als Spieltechnik in abgesetzten Einleitungen mit unverzerrter Klangfarbe der Gitarren wichtig. Spielt man sie mit verzerrter Klangfarbe und möglicherweise auch noch mit Palm Mute-Technik so werden sie zu einer eigenen Form pulsbasierter Riffs, die gerade Megadeth gerne einsetzten.70 Riff ‚e‘ aus „Five Magics“ (Ru-A4) beruht 70 Ru-A2 Riff ‚e‘, Ru-A4 Riff ‚e‘, Ru-B2 („Lucretia“ - n.a.) Riffs ‚a‘ und ‚d‘.

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auf Powerchords und verkürzt analog zu Riff ‚c‘ aus „Master Of Puppets“ (Mp-A2, Abb. 76) eine Gruppe von acht Pulsen um drei Pulse, wobei die verbleibende Dreiergruppe nochmals in zwei Teilgruppen aus 2+1 Pulsen aufgeteilt wird. Eine weitere Form pulsbasierter Riffs entsteht aus der Reihung sich wiederholender Teilgruppen von Pulsen, wie bei den drei Beispielen in Abbildung 79 gut zu sehen. Abbildung 79: Gitarrenriffs Metallica „For Whom The Bell Tolls“ (Rl-A3) Riff ‚b2‘, Megadeth „Take No Prisoners“ (Ru-A3) Riff ‚c‘, Slayer „Piece By Piece“ (Rb-A2) Riff ‚b‘

Metallica reihen Gruppen von vier, Megadeth Gruppen von drei Pulsen auf binärer Grundlage, Slayer dagegen Gruppen von drei Pulsen auf ternärer Grundlage. Die drei Beispiele zeigen zudem die Möglichkeit der Transponierung (Megadeth, Slayer) und anderer, hier als Schlusswendungen benutzter, harmonisch-melodischer Variationen (Metallica, Megadeth). Die Diskussion optischer Skalen in Kapitel VI.1 zeigte bereits die Möglichkeit der Entwicklung von Gitarrenriffs aus der Transponierung und Spiegelung eines Fingersatzes. Die Gestaltung pulsbasierter Riffs bei Metallica, Slayer und Megadeth bedient sich dieser Skalen, wobei besonders Megadeth die über die Reihung mehrerer Transponierungen einer Gruppe von Pulsen sowie deren Spiegelung entstehenden Möglichkeiten zur virtuosen Ausgestaltung pulsbasierter Riffs nutzen. Das erste Riff, das auf Rust In Peace von Megadeth zu hören ist, deutet diese an. Anschließend an den in Abbildung 80 transkribierten Bereich werden die ersten beiden Takte des Riffs noch einmal wiederholt. Die Tabulaturdarstellung zeigt deutlich die Transponierung und Spiegelung eines Fingersatzes, der drei Töne auf aufeinander folgenden Bünden auf einer Saite umfasst. Die einleitende Griffposition 5-6-7 wird auf zwei Saiten gespielt, anschließend gespiegelt zu 7-6-5 und um zwei Lagen zur Position 5-4-3 verschoben. Im letzten Viertel der Transkription wird diese Abfolge als Variation einfach um eine große Sekunde nach oben transponiert.

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Abbildung 80: Gitarrenriff Megadeth „Holy Wars...The Punishment Due“ (Ru-A1) Riff ‚a‘ (Auszug, Tabulatur)

Fünf Arten der Verbindung von Puls und Chromatik Die Bedeutung nebeneinander liegender Fingersätze für die optischen Skalen führt dazu, dass Folgen von Halbtonschritten ein grundlegender Bestandteil pulsbasierter Riffs und der ihnen zugrunde liegenden Skalen sind. Die Betonung der Wichtigkeit von Halbtonschritten für den Traditionsstrom des Heavy Metal beginnt bereits bei Black Sabbath. Bei Metallica, Megadeth und Slayer lassen sich fünf herausgehobene Arten der Verbindung oder Kontrastierung von Puls und Chromatik – bzw. Typen von Gitarrenriffs – feststellen, die alle Teil des Traditionsstroms geworden sind. ‚Typ 1‘ ist die eben besprochenen Reihung sich wiederholender Teilgruppen von Pulsen, wie sie sich in Abbildung 79 präsentiert. Bei ‚Typ 2‘ entsteht die chromatische Bewegung, wenn man den Puls legenden Ton ausblendet,71 wie bei Slayer in Abbildung 81 gut zu sehen ist. Abbildung 81: Gitarrenriffs Slayer „Angel Of Death“ (Rb-A1) Riff ‚a‘, Metallica „The Thing That Should Not Be“ (Mp-A3) Riff ‚b2‘

Im Falle von Metallica wird ein Riff des ‚Typs 1‘ mit einem des ‚Typs 2‘ kombiniert, da der Puls aus einer sich wiederholenden Gruppe kleiner Sekunden besteht. ‚Typ 2‘ ist sowohl als Variante des pulsbasierten Spiels als auch in pulsbasierten Riffs möglich. Gleiches gilt für ‚Typ 3‘, bei dem der Puls durch mindestens zwei Powerchords im Abstand einer kleinen Sekunde unterbrochen wird. Die Bewegung von einem Powerchord zum 71 Riff ‚b‘ aus „Peace Sells“ (Pe-A3, Abb. 75) von Megadeth gehört ebenfalls in diese Kategorie.

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anderen wird oft mittels der Slide-Spieltechnik ausgeführt, bei der die Griffhand die Bewegung ausführt, ohne den Druck auf das Griffbrett zu verringern, und gleichzeitig die Saite nur einmal angeschlagen wird. Ziel ist der Eindruck eines gleitenden Übergangs zwischen beiden Akkorden. Abbildung 82: Gitarrenriffs Metallica „Welcome Home (Sanitarium)“ (Mp-A4) Riff ‚d‘, Megadeth „Holy Wars ... The Punishment Due“ (Ru-A1) Riff ‚c‘, Slayer „Necrophobic“ (Rb-A3) Riff ‚c2‘

Metallica verrutschen den Powerchord als Variation im pulsbasierten Spiel einen Halbton nach oben, Megadeth nutzen beide Bewegungsrichtungen in einem pulsbasierten Riff und Slayer verschieben in einem transponierenden Riff den Zweiklang nach unten. Die Powerchords können auch durch Einzeltöne ersetzt werden, die dann häufig mittels einer Hammer On/Pull Off genannten Spieltechnik verbunden werden. Abbildung 83: Gitarrenriffs Slayer „Angel Of Death (Rb-A1) Riff ‚d‘, Megadeth „Peace Sells“ (Pe-A3) Riff ‚d‘, Metallica „No Remorse“ (Ki-B2) Riff ‚b‘

Nach einmaligem Anschlagen der Saite werden die folgenden Töne von der Griffhand mittels einem den Anschlag ersetzenden, kräftigen Aufsetzen des nächsten Fingers bzw. Wegreißen des vorherigen Fingers erzeugt. Das Spiel mit der Hammer On/Pull Off-Technik hat in allen drei Beispielen einen stärker verzierenden Charakter als das Verschieben von Powerchords. Zudem kann diese Spieltechnik über die Abfolge unterschiedlichster Fingersätze vor dem nächsten Anschlag der Saite – zudem in Kombina-

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tion mit der Slide-Technik – sehr virtuos eingesetzt werden. Die herausgehobene Verwendung von Halbtonschritten in derartigen pulsbasierten Riffs hängt auch mit der Geschwindigkeit zusammen, in der diese Musik häufig dargeboten wird. Eine kleine Sekunde ist auf der Gitarre die schnellste Möglichkeit, Abwechslung in ein Riff zu bringen, da der Fingersatz nur um einen Bund verschoben werden muss. Gerade bei sehr hohen Tempi wird die kleine Sekunde deshalb manchmal zur einzigen noch spielbaren Variation, wenn die ansonsten notwendige Virtuosität (noch) fehlt. ‚Typ 4‘ ist eine Sonderform oder Variante der in bereits thematisierten Transponierung des pulsbasierten Spiels um einen Halbton.72 Hohe Tempi spielen hier ebenfalls eine begründende Rolle – zumal bei der Reduzierung der Powerchords auf den Grundton, die besonders im Extreme Metal bei hohen Tempi verwendet wird.73 Typ 5‘ umfasst Kombinationen von mindestens zwei der unter ‚eins‘ bis ‚vier‘ genannten Variationen in einem Riff und bezeichnet somit Äußerungen, bei denen optische Gesichtspunkte wieder eine große Rolle spielen können. Im Falle von Riff ‚a‘ aus „Raining Blood“ (Rb-B5) wird ein Fingersatz gespiegelt und transponiert, bei Riff ‚f‘ aus „Postmortem“ (Rb-B4) entsteht über einen Saitenwechsel auf die nächst tiefere Saite in der regelmäßigen Abwärtsbewegung des Fingersatzes ein Tritonus. Abbildung 84: Gitarrenriffs Slayer „Raining Blood“ (Rb-B5) Riff ‚a‘, „Postmortem“ (R-B4) Riff ‚f‘ (Noten und Tabulatur)

72 Z.B. Rl-A2 Riff ‚f‘, Rb-A3 Riff ‚b‘, Pe-A4 Riff ‚b‘. 73 Vgl. das Beispiel von Emperor in Kapitel VI.4 Abbildung 57.

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Die Wiederentdeckung des Tritonus Der in Riff ‚a‘ aus „Raining Blood“ (Rb-B5, Abb. 84) enthaltene Tritonus – er schließt an das Puls legende ‚e‘ an – erinnert unter optischen Gesichtspunkten an die Beschreibung des Tritonus als Teilung des Oktavgriffes in Kapitel VI.1 Abbildung 17. Dagegen verweist der in Riff ‚f‘ aus „Postmortem“ (Rb-B4, Abb. 84) verwendete Fingersatz auf eine zweite Möglichkeit zur optisch geleiteten Entstehung dieses prägnanten Intervalls – ein Saitenwechsel bei gleichzeitiger regelmäßiger Abwärtsbewegung des Fingersatzes. In Riff ‚c‘ aus „Ride The Lightning“ (Rl-A2) von Metallica entsteht auf analoge Weise ein Tritonus in der Aufwärtsbewegung. Alle drei hier behandelten Bands verwenden den Tritonus häufig in Gitarrenriffs.74 Slayer thematisieren die Bedeutung des Tritonus für ihre Sicht des Heavy Metal am stärksten. Jede Komposition auf Reign In Blood enthält mindestens ein Riff mit einem Tritonus, in einigen Riffs verwenden Slayer dieses Intervall mehr als einmal.75 Sogar zweistimmige Gitarrenlinien im Stile von Iron Maiden können bei Slayer im Tritonusabstand geführt werden.76

‚Twin Guitars‘ und solistische Äußerungen Neben Slayer verwenden auch Metallica und Megadeth zweistimmige Gitarrenlinien. Slayer vermeiden meist Terzparallelen – ähnlich wie Judas Priest.77 Diese – und damit auch Assoziationen an Iron Maiden – finden sich eher bei Metallica und Megadeth.78 Das solistische Spiel beider Gitarristen ähnelt bei Slayer in der Anlage ebenfalls eher Judas Priest als Iron Maiden. Häufig spielen Hanneman und King solistische Einwürfe in schnellem Wechsel und reproduzieren so die bei Judas Priest beschriebene Konkurrenzsituation.79 Ähnlich wie Judas Priest ordnen auch Slayer jede solistische Äußerung penibel einem der beiden Gitarristen zu und halten diese jeweils in den den Alben beigelegten Textblättern fest. Der Umgang mit dem solistischen Spiel der beiden Gitarristen von Megadeth ähnelt dagegen eher der ergänzenden Art und Weise 74 Zu Megadeth vgl. „Peace Sells“ (Pe-A3, Abb. 75) Riff ‚b‘ mit einem über einen Halbtonschritt abwärts mittels Slide-Spieltechnik erreichten Tritonus. Andere Riffs, die einen Tritonus enthalten, sind z.B. P-A1 Riff ‚a‘, Ru-A1 („Holy Wars ... The Punishment Due“ – n.a.) Riff ‚b‘ und Ru-B5 Riff ‚f‘. 75 Z.B. Rb-A2 („Piece By Piece“ – n.a.) Riff ‚f‘, Rb-B5 Riff ‚e‘. 76 Rb-A1 („Angel Of Death“ – n.a.) Riff ‚d‘. 77 Quart- in Rb-B5 Riff ‚a‘, Quint- in Rb-A5 Riff ‚d‘ und Oktavparallelen in Rb-B1 Riff ‚g‘. 78 Rl-A4 Riff ‚e‘, Rl-B1 („Trapped Under Ice“ – n.a.) Riff ‚a‘, Mp-A2 Riff ‚g‘, Mp-A4 Riff ‚e‘, Mp-A3 Riff ‚f‘, Ru-A4 Riff ‚b‘, Ru-B3 Riff ‚f‘. 79 Auf der DVD Still Reigning (2004) ist dies bereits im ersten Stück „Angel Of Death“ sehr gut zu sehen.

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von Iron Maiden. Der Wert, welcher der Darstellung instrumentalen Könnens beigemessen wird, ist so hoch, dass beiden Gitarristen ausreichend Platz für ihr solistisches Spiel eingeräumt wird. Metallica spielen von vornherein nur mit einer Sologitarre. Damit relativiert sich die Wichtigkeit der Arbeit mit zwei gleichberechtigten Gitarren im Traditionsstrom des Heavy Metal wieder.

Schichtungen des Pulses im Schlagzeugspiel Der reduzierte Backbeat im Stile von Judas Priest (Abb. 34) und die in Kapitel VI.2 erläuterte Double Bass-Technik bilden bei allen drei Bands die Grundlage des Schlagzeugspiels. Der Nachvollzug von Gitarrenriffs im Schlagzeugspiel findet sich vor allem bei Megadeth und Metallica, weniger bei Slayer.80 Mit der von Veröffentlichung zu Veröffentlichung ansteigenden Hörbarkeit des Progressive Rock-Einflusses bei Metallica steigt die Häufigkeit des parallelen Ensemblespiels unter Einbezug des Schlagzeugs an. Abbildung 85: Ensemblespiel Metallica „One“ (J-B2) Riff ‚f‘

Das transkribierte Riff ‚f‘ aus „One“ (J-B2) ist ein Beispiel für die Möglichkeit der virtuosen Aufladung des Double Bass Spiels mittels der Einfügung von Pausen. Die Double Bass Figur erklingt bereits bevor die Gitarre einsetzt. Alle drei Bands setzten jedoch mehrheitlich auf durchgehende Pulse, die in zum Teil sehr hohen Geschwindigkeiten dargeboten werden. Am eindeutigsten manifestiert sich dies im Ensemblespiel von Slayer. Abgesehen von den Breakdowns wechselt der Schlagzeuger zwischen fünf Arten des pulsbasierten Spiels.

80 Megadeth: Pe-A2 Riff ‚d‘, Pe-A4 („Devil’s Island“ – n.a.) Riff ‚a‘, Pe-B2 Riff ‚c‘, Ru-A1 („Holy Wars ... The Punishment Due“ – n.a.) Riff ‚a‘, Ru-A4 Riff ‚a‘. Metallica: Ki-A6 Riffs ‚a‘ und ‚b‘, Ki-B2 Riff ‚a‘, Ki-B4 („Metal Militia“ – n.a.) Riff ‚e‘, Rl-A1 Riff ‚c‘, Rl-A2 Riff ‚c‘, Rl-A4 Riff ‚d‘, Rl-B1 („Trapped Under Ice“ – n.a.) Riff ‚f‘, Rl-B2 Riff ‚c‘, Rl-B3 („Creeping Death“ – n.a.) Riff ‚a‘, Mp-A1 Riff ‚b‘, Mp-A2 Riffs ‚a‘, ‚c‘, ‚d‘, ‚e‘ und ‚h‘, Mp-A3 Riffs ‚c‘ und ‚d‘, Mp-A4 Riff ‚c‘, Mp-B1 Riff ‚a‘, Mp-B3 Riff ‚a‘, Mp-B4 Riff ‚c‘. Slayer: Rb-A4 Riff ‚a‘, Rb-A5 Riffs ‚a‘ und ‚c‘.

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Abbildung 86: Schlagzeugfigur Slayer, unterschiedliche Schichtungen des Pulses

Auf den nochmals halbierten, reduzierten Backbeat im Stil von Judas Priest (1+2) folgt der durchgehende Einsatz der Double Bass-Technik (3), eine alle vier Pulse gespielte Snare (4) und die fünfte, oft als Blast Beat bezeichnete Möglichkeit. Die Verdopplung der Snare-Impulse zwischen Variation (3) und (4) verlässt dabei das Betonungsschema des Backbeat, indem – an Stelle einer im Taktschema gedachten Verdopplung der Impulsdichte von Variation drei – einfach die zweite bzw. vierte Teilgruppe von Pulsen konstant wiederholt wird.81 Variation (6) zeigt zur Veranschaulichung die das Betonungsschema des Backbeats fortschreibende, wenig genutzte Möglichkeit der Verdoppelung des Snare-Pulses aus Variation (3). Der Blast Beat entsteht aus dem Versuch einiger Schlagzeuger aus dem Grenzbereich zwischen Punk, Hard Core und Metal, möglichst schnell zu spielen. Bei extrem schnellen Tempi wird er in einer weiteren Steigerung als Hyperblast bezeichnet. Den entsprechenden Wettbewerb zwischen diversen Bands beschreibt Mudrian (2004: 46-65) in seiner Geschichte des Death Metal und Grindcore. Das gemeinsame Charakteristikum dieser Varianten des Schlagzeugspiels ist die Schichtung mehrerer unterschiedlicher Teilungen des Pulses. Eine weitere Ausdifferenzierung, die zu extremeren Verhältnissen von vor allem Snare- und Double Bass-Impulsen führt, findet sich besonders im Extreme Metal. Die spieltechnischen Grenzen der menschlichen Fähigkeiten am Schlagzeug werden hier immer weiter ausgetestet und auch mit Hilfe von Schlagzeugcomputern überschritten.

81 Abbildung 33 in Kapitel VI.2 zeigt ein weiteres Beispiel für diese Art der Pulsverdopplung.

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‚Mosh Parts‘ und Blast Beats Tempowechsel spielen als Teil des Erbes des Progressive Rock von Beginn an eine wichtige Rolle für den Traditionsstrom des Heavy Metal – es sei nur an den Wechsel vom binären in einen ternären Puls am Ende des Hauptteils des Eröffnungsstücks von Black Sabbaths gleichnamigen Debüt von 1970 erinnert.82 Im Rahmen des pulsbasierten Ensemblespiels stellen sich Tempowechsel oft als Halbierungen oder Verdopplungen des Basispulses heraus – mithin als Schichtungen unterschiedlicher Teilungen des Pulses – eine schon thematisierte Konstante des Ensemblespiels im Traditionsstrom des Heavy Metal. Abbildung 87 zeigt zur nochmaligen Verdeutlichung die aufeinander folgenden Riffs ‚e‘, ‚f‘ und ‚h‘ aus dem Titelsong von Ride The Lightning von Metallica (RL-A2). Abbildung 87: Ensemblespiel Metallica „Ride The Lightning“ (Rl-A2) Riffs ‚e‘, ‚f‘, ‚h‘ und ‚h2‘ (Auszüge)

Riff ‚e‘ wird im Anschluss an Riff ‚f‘ variiert wiederholt, das in der Transkription fehlende Riff ‚g‘ fungiert als Überleitung zwischen den Riffs ‚e2‘ und ‚h‘. Betrachtet man das Zusammenspiel von Bass Drum-, Snare- und Rhythmusgitarren-Impulsen, ergibt sich eine Schichtung unterschiedlicher Teilungen des Pulses, von denen wiederum eine als Tempo gebend definiert wird. Schon am Verhältnis von Riff ‚e‘ und ‚f‘ zeigt sich, dass dieser Tempo gebende Puls nicht eindeutig sein muss, denn der Puls im Schlagzeug wird verdoppelt, während er im Gitarrenspiel gleich bleibt. Je nachdem welcher musikalischen Äußerung man Vorrang gibt, ändert sich das Tempo oder eben nicht. Das Zusammenspiel von Gitarre und Schlagzeug erzeugt unterschiedliche Tempowahrnehmungen, die im obigen Beispiel – nimmt man Riff ‚e‘ als Ausgangspunkt – von der Verdopplung bis zur 82 Vgl. Kapitel VI.1 Abbildung 5.

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Viertelung des Pulses reichen. Anschließend an Riff ‚h‘ wird der Puls nach dem überleitenden Riff ‚i‘ mit Riff ‚j‘ wieder verdoppelt. In diesem Sinne langsame Formteile wie Riff ‚h‘, die von schnellen Formteilen eingerahmt werden, bezeichnen Fans und Journalisten häufig als ‚Mosh Parts‘.83 Pillsbury (2006: 10-11) schließt sich dieser Deutung in seiner Monographie über Metallica an: „Finally, speed and timbre combine to produce the extra heavy sound of what are often called the ‚mosh parts‘ of thrash metal songs, those sections that either cut sixteenth-note intensities into eighth-note intensities; or maintain a sense of continuous rhythm in the guitar but do so by a halftime drum pattern.“ Nach Pillsbury muss also mindestens eine der Tempo bestimmenden Teilungen des Pulses – Bass Drum, Snare, Rhythmusgitarre – eindeutig langsam sein, damit ein Formteil als ‚Mosh Part‘ gelten kann. Die Neigung, gegensätzliche Teilungen des Pulses zu schichten, nimmt im Extreme Metal nochmals zu. Dies gilt auch und gerade für die Darstellung von Langsamkeit in den ‚Mosh Parts‘. Am Beispiel von „Raining Blood“ (Rb-B5, Abb. 88) von Slayer lässt sich sehr deutlich die Entwicklung der Schichtung unterschiedlicher Teilungen des Pulses aus einem ‚Mosh Part‘ bis hin zu einem Blast Beat darstellen. Die Transkription zeigt zu diesem Zweck die Riffs aus Formteil F und den Anfang von Formteil G für Schlagzeug und Gitarre. Der Bass spielt parallel zu den Gitarren, Gesang erklingt nur zu Riff ‚f3‘, wobei als erste Äußerung ein lang gezogener Schrei über das Titel gebende ‚raining bloooooooood‘ zu hören ist. Ausgehend von dem durch Pausen unterbrochenen Basispuls in Riff ‚f‘, verdoppeln zunächst die Gitarren in Riff ‚f2‘, anschließend das Schlagzeug in Riff ‚f3‘ den Puls. Der vervierfachte Basispuls wird im Break zwischen Formteil F und G von der Gitarre übernommen und vom Schlagzeug in Riff ‚g‘ nochmals verdoppelt, so dass ein Blast Beat als Ende der Steigerung erklingt.

83 Laut der Online-Version des Oxford English Dictionary bezeichnet das Verb ‚mosh‘ eine gewalttätige Art, zu Rockmusik zu tanzen. (http://www.askoxford .com/concise_oed/mosh?view=uk Zugriff am 30.6.2010) Der Tänzer bewegt seine Extremitäten zumindest vermeintlich ‚unkontrolliert‘ und nimmt Zusammenstöße mit anderen Tänzern billigend in Kauf. Der ‚Mosh Part‘ ist also der Teil einer Komposition, der sich besonders gut für diese Tanzform eignet. Pillsbury (2006: 10-11) argumentiert in diesem Zusammenhang mit unterschiedlichen Energiekreisen (i.O. circles of energy – D.E.) innerhalb eines Thrash Metal-Stückes. Eine mögliche These wäre, dass die Intensität der schnellen Teile eines Stückes bei den Tänzern zu einem Energiestau führt, der sich in den langsameren Teilen dann quasi unkontrolliert entlädt. Allerdings sind hier weitere Erkundungen notwendig.

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Abbildung 88: Ensemblespiel Slayer „Raining Blood“ (Rb-B5) Riffs ‚f‘, ‚f2‘, ‚f3‘ und ‚g‘

Diese Art der Schichtung verschiedener Teilungen eines regelmäßigen Pulses ist grundlegend für die musikalische Sprache des Heavy Metal an der Grenze zum Extreme Metal, wobei dort – wie der Name schon sagt – entweder extrem hohe84 oder extrem niedrige85 Impulsdichten gesucht werden bzw. mit starken Kontrasten86 zwischen unterschiedlichen Teilungen des Pulses gearbeitet wird. Während sich die Arbeit mit niedrigen Impulsdichten im Extremfall in Richtung modulierender Dauertöne87 entwickeln kann, führen hohe Impulsdichten in einzelnen Schichtungen des Pulses zu sehr hohen Tempi. Formteil G aus „Raining Blood“ (Rb-B5) hat zum Beispiel ein Tempo von 247 bpm, wenn man Sechzehntel als höchsten abzubildenden Notenwert betrachtet – ein Tempo, das Slayer auf Reign in Blood mehrfach erreichen. Metallica und Megadeth spielen mit 180 bis 19088 bzw. 170 bis 180 bpm89 84 85 86 87

Black Metal, Death Metal, Grind Core. Doom Metal, Drone. Metal Core, Death Metal. Z.B. addiert sich als erstes Lebenszeichen des Schlagzeugers der Melvins in „Hung Bunny“ (Melvins, 1992, -) nach 2:45 Minuten ein Beckenschlag zu dem von Beginn an durchgehend erklingenden, ab und zu neu angeschlagenem, modulierenden Powerchord. Der zweite Beckenschlag folgt 30 Sekunden später. Drei der 27 Alben der Melvins sind Teil der Auswertung. Nur Houdini (1993, 2/2) wird mehr als einmal genannt. 88 Ki-A3 („Motorbreath“ – n.a.) 180 bpm, Rl-A1 184 bpm, Mp-A1 und Mp-B4 jeweils 190 bpm. 89 Pe-A1 175 bpm, Pe-B2 180 bpm, Ru-A4 176 bpm.

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– jeweils bei ausgespielten Sechzehnteln – etwas langsamer. Während Slayer in Bereichen mit extremer Pulsdichte nur noch den Basispuls transponieren, versuchen Megadeth Riffs zu spielen. Riff ‚c‘ aus „Take No Prisoners“ (Ru-A3, Abb. 79) erklingt beispielsweise mit 160 bpm. Betrachtet man ein gesamtes Album als Äußerung, eröffnen und enden Metallica häufig mit einem sehr dichten Stück, während andere Kompositionen im Albumkontext zu ‚Mosh Parts‘ werden.90 Slayer nehmen bei dem auf Reign In Blood folgenden Album South Of Heaven das Tempo etwas zurück. Megadeth legen auf derartige Überlegungen keinen Wert.

Breakdowns ‚Mosh Parts‘ und Breakdowns sind in der musikalischen Sprache des Heavy Metal enge Verwandte, beide verlangsamen die Tempowahrnehmung und ändern das Energielevel der Äußerung. Da der Breakdown den Puls bricht, während der ‚Mosh Part‘ ihn gezielt verlangsamt, folgt ein ‚Mosh Part‘ häufiger auf einen Breakdown als umgekehrt. Abbildung 89: Ensemblespiel Slayer „Raining Blood“ (Rb-B5) Riffs ‚a‘, ‚a2‘ und ‚f‘

Bei „Raining Blood“ (Rb-A5) liegt beispielsweise vor dem in Abbildung 88 transkribierten, mit einem ‚Mosh Part‘ beginnenden Abschnitt der in Abbildung 89 transkribierte Breakdown. Genauer gesagt entwickelt sich der Breakdown am Anfang des transkribierten Abschnittes in einen ‚Mosh Part‘ (Riff ‚a2‘), bevor mit Riff ‚f‘ ein weiterer Breakdown beginnt, der in den in Abbildung 88 transkribierten Abschnitt übergeht. Einen derartigen doppelten Breakdown nutzen wiederum Metallica mehrfach als Stückanfang. Dabei wird das jeweilige Riff ‚a‘ entweder anschließend an den ersten Breakdown noch mehrmals mit ‚normaler‘ 90 Z.B. Ki-B3, Rl-A3 und Mp-A3.

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Schlagzeugbegleitung gespielt,91 wie im obigen Beispiel von Slayer, oder der erste Breakdown hat nur ein simuliertes Ende, auf das sofort der zweite folgt – eine Arbeitsweise, die sehr gut beim Titelstück von Master Of Puppets (Mp-A2) zu hören ist. Diese Art des doppelten Breakdowns benutzen auch Megadeth in ihrem Stück „The Conjuring“ (Pe-A2) bei Riff ‚f‘ und ‚g‘. Anschließend folgt ein ‚Mosh Part‘ über Riff ‚g‘.

Paralleles Ensemblespiel Momente eines den Gesang einschließenden, parallelen Ensemblespiels sind bei allen drei Bands seltener als im bisherigen Verlauf dieser Untersuchung. Im internen Vergleich findet diese Art des Ensemblespiels bei Metallica häufiger als bei Megadeth und Slayer. Abbildung 90: Ensemblespiel Metallica „Fight Fire With Fire“ (Rl-A1) Riff ‚b‘

Jenseits des in der Transkription veranschaulichten Aspektes, dass die das pulsbasierte Spiel unterbrechenden harmonischen Variationen eher für eine melodische Umsetzung taugen als der auf einem Ton liegende Puls, fügen Metallica, Megadeth und Slayer dem Einsatz des Gesangs im parallelen Ensemblespiel nichts neues hinzu. Es liegt nahe, einen Zusammenhang mit dem Fehlen eines eigenständigen Sängers in der Besetzung zu vermuten, der Metallica, Megadeth und Slayer von Black Sabbath, Judas Priest und Iron Maiden unterscheidet. Möglicherweise handelt es sich auch um einen Ausdruck der beschriebenen Geringschätzung des Gesangs. Unabhängig davon ist der Gesang zumindest bei Metallica rhythmisch ausgefeilt. Auf der DVD Classic Albums: Metallica (Metallica 2001) findet sich am Anfang von Kapitel fünf eine Sequenz, die verdeutlicht, dass sich die Gesangsmelodie normalerweise nach den Gitarrenriffs richtet. Auf die fertige Melodie wird dann passgenau der Text verfasst. Bob Rock: „This is the first time I ever heard anybody do this this well. I never got a demo with ‚wha-na-na‘ on it, perhaps“ [...] Lars Ulrich: „James would

91 Z.B. Ki-B3 und Ki-B4 („Metal Militia“ – n.a.)

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VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER always [...] write the melody first and then he would fill in the words according to like syllables per line.“ (Metallica 2001 – transkribiert von D.E.)

Der Bass spielt bei allen drei Bands in typischer Weise für die musikalische Sprache des Heavy Metal parallel zu den Gitarrenriffs. Während sich bei Slayer seine Funktion darin erschöpft, gönnen Megadeth ihrem Bassisten etwas mehr Aufmerksamkeit, in dem einige Riffs vom Bass eingeführt und anschließend von den Gitarren übernommen werden. Dabei sind durchaus kleine Abweichungen vom parallelen Spiel möglich – beispielsweise in der Bassbegleitung zu Riff ‚a‘ aus „Poison Was The Cure“ (Ru-B1). Cliff Burton von Metallica nimmt dagegen eine Sonderrolle ein, die sich in der Existenz eines Stücks für Solobass und (ganz am Ende) Schlagzeug „Anesthesia (Pulling Teeth)“ (K-A5) ausdrückt. Außerdem bereichert er das Ensemblespiel um Gegenbetonungen mit fauchendem Klangcharakter, die beispielsweise in der Bassbegleitung zu Riff ‚a‘ aus „Seek And Destroy“ (K-B3) die für einen Backbeat typischen Zählzeiten zwei und vier betonen. Bezeichnend für die untergeordnete Rolle des Basses im Heavy Metal ist, dass selbst derartige einfache Gegenbetonungen immer wieder als ungewöhnlich auffallen. Derartige Betonungen wie auch die verzerrte bis fauchende Klangfarbe finden sich bereits in „N.I.B“ (B-A4) von Black Sabbaths Debütalbum. Cliff Burton bietet damit – wie auch mit dem Solostück – ein willkommenes Echo der Virtuosität des Progressive Rock im ansonsten noch recht einfach gehaltenen Ensemblespiel von Kill ’Em All. Beim sehr komplexen Album Master Of Puppets finden sich dagegen keine derartigen Eskapaden mehr – sie sind einfach nicht mehr notwendig.

Die Weiterentwicklung der musikalischen Sprache des Heavy Metal in Richtung Extreme Metal Der Traditionsstrom des Heavy Metal wird von Metallica, Megadeth und Slayer in jeweils unterschiedlichen Strömungen ausformuliert und weiterentwickelt. Alle drei Bands nehmen wieder verstärkt Bezug auf die musikalische Sprache von Black Sabbath. Deren Revitalisierung bildet die Grundlage der Weiterentwicklung der musikalischen Sprache des Heavy Metal an der Grenze zum Extreme Metal, der die hier aufgezeigten Entwicklungen fortführt. • Die verzerrte Klangfarbe der elektrischen Gitarren bestimmt weiterhin den Ensembleklang – bei gleichzeitiger Zunahme des Grades der Verzerrung. Zusätzlich kann analog zu Black Sabbath die Klangfarbe des Basses verzerrt werden. • Der grundsätzlich angeraute Stimmklang markiert den Beginn einer Entwicklung in Richtung einer verzerrten Stimmklangfarbe, die sich im

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• •





Extreme Metal weiter ausdifferenziert. Die dominanten klaren Tenorstimmen des Classic Metal verlieren demgegenüber an Bedeutung. Die Gitarre bleibt das solistische Hauptinstrument. Eine Besetzung mit zwei Gitarristen scheint wünschenswert. Ein eigenständiger Sänger wird erstmals verzichtbar. Die Gleichberechtigung beider Gitarren im Ensemblespiel des Classic Metal relativiert sich wieder. Die Rhythmusgitarren spielen jedoch weiterhin überwiegend parallel. Die musikalischen Äußerungen bleiben grundsätzlich riffbasiert. Die vorherrschende formale Struktur ist die Reihung von Gitarrenriffs. Das Wiedererstarken des Einflusses von Black Sabbath findet sich auch im Wiederaufgreifen dualer Strukturen. Dagegen sind die im Classic Metal prominent vertretenen Vers-Chorus-Strukturen mit aufgewertetem Mittelteil von abnehmender Bedeutung. Abgesetzte Einleitungen und Breakdowns bleiben für den Traditionsstrom des Heavy Metal unverzichtbar. Erweiterte Schlüsse nehmen wegen der stärker werdenden Wichtigkeit der Reihung von Formteilen an Häufigkeit ab. Sie werden durch einen dualen Aufbau bzw. durch eine die Form schließende Wiederholung eines einzelnen Formteils innerhalb einer reihenden Struktur ersetzt. Das formale Element des Gitarrenriffs vereinigt sowohl riff- als auch pulsbasierte Ensemblespielweisen. Der durchgehende, Stakkato-artige Basispuls kann sowohl rhythmisch und harmonisch melodisch variiert, als auch zu pulsbasierten Gitarrenriffs weiterentwickelt werden. Die Kontrastierung gegensätzlicher Elemente klanglicher, formaler, rhythmischer und/oder dynamischer Natur wird zu einem grundlegenden kompositorischen Gestaltungsprinzip. Im Ensemblespiel wie auch in einzelnen Instrumentalstimmen findet der aufeinander folgende Wechsel von Formteilen unterschiedlicher Impulsdichte seine Entsprechung in der Schichtung unterschiedlicher Teilungen eines Basispulses. Unterschiedliche Tempowahrnehmungen existieren parallel, je nachdem welche Teilung des Pulses als das Tempo definierend angenommen wird. Ein ‚Mosh Part‘ ist ein Formteil, bei dem mindestens eine der das Tempo bestimmenden Teilungen des Pulses eindeutig langsam ist. Seinen Gegensatz findet er im den Puls möglichst maximal beschleunigenden Blast Beat. Die Ausgestaltung einer Teilung des Pulses ist rhythmisch immer eindeutig, lebt jedoch vom Spannungsverhältnis zwischen ternärer und binärer rhythmischer Auffassung. Shuffle und Swing werden konsequent vermieden. Geradzahlige Teilgruppen von Pulsen gewinnen an Bedeutung. Teilgruppen von Pulsen können beliebig kombiniert und transponiert werden. Optische Skalen bzw. die Transponierung und Spiegelung von

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VI.5 (HEAVY) METAL: METALLICA, MEGADETH UND SLAYER







Fingersätzen auf dem Gitarrengriffbrett sind eine oft übersehene Inspirationsquelle für melodisch harmonische Variationen. Als harmonische Variation gewinnt sowohl der von Black Sabbath bekannte Tritonus als auch die Verwendung von chromatischen Tonfolgen und Halbtonschritten wieder entscheidend an Bedeutung. Es bilden sich (fünf) charakteristische Arten ihrer Verschmelzung mit dem pulsbasierten Ensemblespiel heraus. Der Einfluss des Progressive Rock auf die musikalische Sprache des Heavy Metal erscheint unvermindert stark. Seine Spuren finden sich in kontrastierenden musikalischen Gestaltungsprinzipien sowie den komplexen musikalische Binnenstrukturen z.B. bei Metallica. Der Einfluss des Blues wird dagegen weiter zurückgedrängt, bleibt aber als – jederzeit revitalisierbarer – Teil des Traditionsstroms erhalten. Ein am Nachvollzug des rhythmischen und melodischen Verlaufs der Gitarrenriffs orientiertes Ensemblespiel bleibt die Grundlage der musikalischen Sprache des Heavy Metal. Das Erstarken pulsbasierter Spielweisen führt jedoch zu einer generellen Abnahme der Wichtigkeit melodischer Elemente im Ensemblespiel, während die rhythmischen Elemente noch stärker betont werden.

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VII. D I E Z U F A L L S S T I C H P R O B E Die ausgewählten Stücke Die Zufallsstichprobe setzt sich aus den jeweils ersten beiden Musikvideos der den Januar Ausgaben 2009 von Metal Hammer und Rock Hard beiliegenden DVDs Maximum Metal Vol. 135 (Metal Hammer 1/2009) und Guerilla TV Vol. 11 (Rock Hard 260) zusammen. In alphabetischer Reihenfolge besteht die Zufallsstichprobe damit aus: Deadlock mit „The Brave/Agony Applause“ (Maximum Metal Vol. 135), Edguy mit „Ministry Of Saints“ (Guerilla TV Vol. 11), Legion Of The Damned mit „Cult Of The Dead“ (Maximum Metal Vol. 135) und Trivium mit „Down From The Sky“ (Guerilla TV Vol. 11). „Cult Of The Dead“ ist als einziges der vier Stücke auf beiden DVDs vertreten. Legion Of The Damned und Edguy werden in der Auswertung genannt.1 Deadlock und Edguy stammen aus Deutschland, Legion Of The Damned aus den Niederlanden und Trivium aus den USA.

Die formale Struktur der ausgewählten Stücke Im Vergleich zu den auf den jeweiligen Alben erschienenen Versionen, sind alle vier ausgewählten Stücke gekürzt. Tabelle 52 zeigt formale Struktur der gekürzten Video-Versionen. Bei „The Brave/Agony Applause“ ist das Outro der Albumversion ungefähr 20 Sekunden länger als in der analysierten Version. „Cult Of The Dead“ beinhaltet In der Albumversion ebenfalls ein zusätzliches, circa 30 Sekunden langes, mit Chor und Tasteninstrumenten gestaltetes Outro. Die um circa 75 Sekunden längere Albumversion von „Ministry Of Saints“ enthält ein zusätzliches Einleitungsriff, das einmal zu Gehör gebracht wird. Außerdem dauert das Gitarrensolo über Riff ‚a‘ circa eine Minute länger. Die Albumversion von „Down From The Sky dauert ungefähr eine Minute länger als die Videoversion. Die Einleitung (Formteil A) und das zum Prechorus gehörige Riff ‚c‘ werden in der Albumversion wiederholt. 1

Edguy Hellfire Club (2004, 2/1) und Rocket Ride (2006, 1/1), Legion Of The Damned Malevolent Rapture (2006, 1/1).

291

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Tabelle 52: Formale Struktur Zufallsstichprobe Band

Titel

Dauer

The Brave Deadlock /Agony

3:45

Applause

Pulslänge

2aBr a2 bcb2c2

d,e,f=32

2d Br a2 2(b2c2)

a=64 a4=16

Edguy

Ministry Of Saints

3:45

a=32 b,d=64 c=96

Legion

Cult Of

Of The

The

Damned

Dead

3:46

Down Trivium

From

4:37

The Sky

Struktur 1

b,c=16

3 2

2d 2e2f a a O I 2a2a2 2(2bcdd2) 2aa3 d3d2a4

b=24

I 4a 2(4bcc2)

a,c,d,

2d2ec22d 4bcc2

e=48

4a

f=16

I aa2a3a4

c=46

2(2bcde) 2 3

Str. 2 ABCDB C D E B2

a,g,d=32

7f2g g g 4ff

b,e=64

cde g2g3ff2 O

CVVp S B CO

ABCBC

I VpC VpC

A2 C A3

InS C O

ABBCD B2 C B A

ABCBC 2

Str. 3 I CInVp

DEC E

I VC VC InSCIn VC V2 I VpC VpC B1 B2 S pC B2 O

Deadlock, „The Brave/Agony Applause“ Besetzung und Klangfarbe Deadlock spielen in einer Besetzung aus zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und je einmal männlichem und weiblichem Gesang. Zudem sind Tasteninstrumente inklusive Sampler zu hören. Die beiden Singstimmen werden grundsätzlich alternierend eingesetzt. Während die männliche Singstimme tief grunzt und damit auf Death Metal verweist, erklingt die weibliche Singstimme hell und klar. Stimmdopplungen gleichen Charakters werden benutzt. Das Klangbild unterscheidet sich je nach dominanter Singstimme und unterstützt so einen Wechsel zwischen Verzerrung und Entspannung. Tiefer gestimmte, verzerrte Gitarren dominieren nur während des Einsatzes der männlichen Singstimme, ein ‚Wall Of Sound‘ aus Gitarren und Tasteninstrumenten dagegen bei Einsatz der weiblichen Singstimme. Schreie finden bei beiden Singstimmen keine Verwendung. Das Schlagzeug ist immer differenziert zu hören, der Bass erscheint zurückgenommen. Die Produktion wirkt insgesamt sehr transparent und verwendet auch für Clubmusik typische Elemente wie ‚Filter Sweeps‘. Als Einleitung dient eine nur leicht verzerrte Gitarre, als Stückende wird in den bekannten und mit Zirkusmusik assoziierten ersten Teil des „Grande marche chromatique“ von Julius Fucik übergeblendet.

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VII: DIE ZUFALLSSTICHPROBE

Formale Struktur The Brave/Agony Applause“ verfügt über eine abgesetzte Einleitung in weniger verzerrter Klangfarbe. Ansonsten dominiert eine dreiteilige VersChorus-Struktur, die mit dem Chorus beginnt. Der Chorus findet auch als Playout nach einem Solo und einer Bridge Verwendung. Deadlock bewegen sich damit im Rahmen der allgemeinen Formelsprache der Rockmusik und minimieren Heavy Metal-typische Elemente. Das Stück verfügt jedoch über drei Breakdowns, die im Ablauf des Stückes an jeweils prominenter Stelle stehen und die Verankerung im Heavy Metal unterstreichen sollen.2

Rhythmisches Ensemblespiel Das Gitarrenspiel auf „The Brave / Agony Applause“ wechselt zwischen Harmoniebasiertheit im Chorus und pulsbasierten Riffs in Vers und Prechorus. Pulsbasiertes Spiel findet sich zudem in der Begleitung zum sehr melodiös gestalteten Gitarrensolo. Zusammen mit den wechselnden Stimmklangfarben erscheint das Stück als Aneinanderreihung wahlweise von rockmusikalisch geprägten und eher der musikalischen Sprache des Heavy Metal verbundenen Fragmenten. Erst das Schlagzeugspiel verbindet diese beiden Teile zu einer Einheit, die stärker im Traditionsstrom des Heavy Metal verwurzelt ist. Unterschiedliche Schichtungen des Pulses, die zwischen Double Bass Technik und Blastbeat wechseln, werden in allen Formteilen aneinandergereiht.3 Nur die mehrfachen Breakdowns unterbrechen diese für Heavy Metal typische Art des Schlagzeugspiels. Die Reduzierung der Snare Impulse im Chorus, der nur noch alle acht Pulse erklingt, führt zur Andeutung eines ‚Mosh Parts‘ in einem harmoniebasierten Abschnitt der Äußerung.

Moderner Metal mit Einflüssen aus der Rockmusik Deadlock bedienen sich der musikalischen Sprache des Heavy Metal, limitieren ihr Vokabular jedoch nicht auf diesen Traditionsstrom. Eine Ausnahme bildet das Schlagzeugspiel, das eindeutig im Traditionsstrom des Heavy Metal verankert ist und gemeinsam mit dem Ensembleklang für die Verortung der Band im Heavy Metal verantwortlich ist.

2

3

Breakdown eins umfasst die Riffs ‚b‘ und ‚c‘ (In) nach dem ersten Chorus, Breakdown zwei ist Teil der Begleitung des Gitarrensolos und Breakdown drei leitet den ersten Chorus des Playouts (B2) ein. Siehe Kapitel VI.5 Abbildung 86 Variation 3 bis 5.

293

SCHWERMETALLANALYSEN

Edguy, „Ministry Of Saints“ Besetzung und Klangfarbe Edguy spielen in der Besetzung zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und Gesang. Zusätzlich sind Tasteninstrumente zu hören. Die Klangfarbe wird vom verzerrten Klang der Gitarren dominiert, die einen Ganzton tiefer als Dropped C-Tuning gestimmt sind. Der Klang der verzerrten Klangfarbe ist im Vergleich zu den anderen Beispielen der Zufallsstichprobe mittiger. Der Bass erscheint wiederum zurückgenommen. Der Schlagzeugklang wird von Bassdrum, Snare und Hi-Hat dominiert. Der Stimmklang ist nur leicht angerauht und in Tenorlage. Er erinnert besonders durch die Stimmlage an den Stimmklang im Classic Metal.

Formale Struktur „Ministry Of Saints“ ist einfach aufgebaut. Das Einleitungsriff ‚a‘ findet sowohl als Zwischenspiel, Begleitung des Gitarrensolos und in gekürzter Form als Stückschluss Verwendung. Ansonsten dominiert eine dreiteilige Vers-Chorus-Struktur. Der Chorus wird im Anschluss an das Gitarrensolo als Playout genutzt. Edguy bewegen sich damit im Bereich des in der Rockmusik formal Üblichen. Breakdowns finden sich in einer stark abgeschwächten Form: Die Instrumentierung wird auf ein Instrument reduziert, im Anschluss beginnt die Band wieder gemeinsam zu spielen. Der formale Aufbau erinnert an die in Kapitel VI.3 unter dem Stichwort ‚Harter Rock’n’Roll‘ zusammengefassten Beispiele.

Rhythmisches Ensemblespiel Die pulsbasierten Riffs ‚a‘ und ‚c‘ beruhen auf der bekannten Folge von 3+3+3+3+4 Pulsen. Über die geringe bzw. nicht vorhandene Nutzung der Palm Mute-Technik erinnert das Ensemblespiel im Zusammenklang mit dem durchgehend Backbeat-basierten Schlagzeugspiel wiederum an Bands aus dem Bereich des Hard Rock (vgl. Kap. VI.3). Der in Riff ‚a‘ und Riff ‚d‘ angedeutete Tritonus dient in Anlehnung an die musikalische Sprache des Blues Rock nur als verzierender Durchgangston zur Tonika. Riff ‚b‘ reiht Teilgruppen von drei Pulsen, deren letzter Puls als Pause ausgeführt ist, und spielt mit der entstehenden Spannung zum Teilgruppen von vier Pulsen reihenden Backbeat. Das den Chorus begleitende Riff ‚d‘ beruht auf den aus Powerchords zusammengesetzten harmonischen Fortschreitungen ‚f‘, ‚des‘, ‚as‘ und ‚es‘, sowie ‚es‘, ‚ces‘, ‚ges‘ und ‚des‘, die nach Kramarz (2006: 98-100) als subdominantische Ketten beschrieben werden können und als harmonische Erweiterungen des Blues-Schemas gelten.

294

VII: DIE ZUFALLSSTICHPROBE

Hard Rock In allen Gitarrenriffs ist ein deutlicher Blues-Einfluss konstatierbar, der über die Backbeat-Begleitung und den einfachen formalen Aufbau die musikalische Sprache von Edguy vom Heavy Metal in Richtung Hard Rock verschiebt. Der Traditionsstrom des Heavy Metal wird nur noch zitiert.

Legion Of The Damned, „Cult Of The Dead“ Besetzung und Klangfarbe Legion Of The Damned spielen in der Besetzung Gitarre, Bass, Schlagzeug und Gesang. Auf der Aufnahme sind jedoch immer mindestens zwei Gitarrenspuren zu hören. Die Einleitung besteht aus einem orchestralen Synthesizerklang und Chorgesang. Der Klang stark verzerrter Gitarren bestimmt das Klangbild, der Bass ist stark zurückgenommen. Die Saiteninstrumente sind eine kleine Terz tiefer gestimmt. Der Schlagzeugklang wird von der häufig eingesetzten Double Bass-Technik dominiert. Zusätzlich kommen Snare, Hi-Hat, diverse Becken und Toms zum Einsatz. Der Stimmklang kann als stimmlos geschrieen beschrieben werden und verortet die Band am Rande des Extreme Metal. Lange Schreie werden genauso vermieden wie Elemente emotionaler Kontrolle.

Formale Struktur „Cult Of The Dead“ ist formal einfach gehalten. Ein zweiteiliger Hauptteil erklingt insgesamt dreimal und wird nach der zweiten Wiederholung von einem Mittelteil unterbrochen. Dieser präsentiert zwei neue Gitarrenriffs (‚d‘ und ‚e‘). Riff ‚d‘ dient dabei als Klammer für das Solo (‚e‘) und den verkürzten Chorus (‚c2‘). Der Mittelteil kann damit als leicht aufgewertet gelten und erinnert an bei Judas Priest analysierte Strukturen. Das an eine Totenfeier gemahnende Intro wird mit einem orchestralen Synthesizerklang plus Chor gestaltet und rüde vom instrumental dargebotenen Riff ‚a‘ unterbrochen. Riff ‚a‘ dient auch als Stückende, hier allerdings in Verbindung mit Gesang (V2). „Cult Of The Dead“ verfügt damit weder über eine eindeutig abgesetzte Einleitung noch über einen erweiterten Schluss oder eine duale Struktur. Allerdings werden diese Elemente der musikalischen Sprache des Heavy Metal über die Weiterentwicklung von Riff ‚a‘ zu einem eigenständigen zweiten Vers angedeutet. Riff ‚a‘ fungiert damit als Klammer, die „Cult Of The Dead“ in formaler Hinsicht stärker im Traditionsstrom des Heavy Metal verankert.

295

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Rhythmisches Ensemblespiel Das Ensemblespiel ist pulsbasiert. Der zugrunde liegende Puls ist ternär und wird vom Schlagzeug unter Einsatz der Double Bass-Technik in allen Riffs mit Ausnahme von Riff ‚b‘ durchgängig realisiert. Dieses den Vers begleitende Riff erhält den Charakter eines ‚Mosh Parts‘, da die Bass Drum nur noch alle 24 Pulse erklingt. Außerdem ist Riff ‚d‘ als weitere Variation im Schlagzeugspiel zu Beginn als Breakdown gestaltet. Die Gitarrenriffs setzten sich aus pulsbasiertem Spiel und pulsbasierten Riffs zusammen. Das pulsbasierte Spiel wird in Riff ‚b‘ und ‚d‘ rhythmisch variiert. In für Slayer typischer Art und Weise wird der erste Puls einer Teilgruppe von Pulsen verdoppelt. Ebenfalls an Slayer erinnert die auf rhythmische Variationen verzichtende Transponierung des pulsbasierten Spiels in Riff ‚c‘. Die weiteren harmonischen Variationen des Pulses entsprechen weitgehend Varianten von ‚Typ 2‘ und ‚3‘ und präsentieren dementsprechend chromatische Figuren an exponierter Stelle.4 Riff ‚a‘ und ‚d‘ enthalten zudem einen Tritonus. Paralleles Ensemblespiel jenseits einer einfachen Dopplung des Pulses findet sich beispielsweise in Riff ‚a‘, bei dem die harmonische Variationen der Rhythmusgitarre von der Snare mitvollzogen werden. Die Gesangslinie verläuft sowohl im Vers wie im Chorus parallel zu den harmonischen Variationen des jeweiligen Gitarrenriffs.

Thrash Metal an der Grenze zum Extreme Metal Legion Of The Damned präsentieren sich auf „Cult Of The Dead“ als im Ensemblespiel stark an Slayer angelehnte Thrash Metal-Band, die das deduzierte Instrumentarium der musikalischen Sprache des Heavy Metal auf dem Weg zum Extreme Metal genau kennen und beherrschen. Der Stimmklang deutet ebenfalls in Richtung Extreme Metal. Die formale Struktur ist dagegen einfach gehalten, verweist aber trotzdem auf für Heavy Metal typische Elemente wie abgesetzte Einleitung und duale Strukturen, ohne sie explizit zu nutzen.

4

Vgl. Kapitel VI.5 Abbildung 81 und 82.

296

VII: DIE ZUFALLSSTICHPROBE

Trivium, „Down From The Sky“ Besetzung und Klangfarbe Trivium spielen in der Besetzung zwei Gitarren, Bass, Schlagzeug und Gesang, wobei einer der beiden Gitarristen den Gesang übernimmt. Auch hier dominiert die verzerrte Klangfarbe der in diesem Fall um zwei Ganztöne tiefer gestimmten Gitarren. Der Bass ist zurückgenommen, aber besser hörbar als in den anderen drei Beispielen. Das Schlagzeugklang bezieht diverse Becken und Toms mit ein. Der Stimmklang wechselt zwischen den einzelnen Formteilen. In der Strophe erklingt er angerauht und erinnert an die bei Metallica und Megadeth beschriebenen Charakteristika, während im ersten Prechorus und in der Bridge ein aus dem Extreme Metal entlehnter stimmloser und verzerrter Stimmklang dominiert. Hier finden sich auch lang andauernde Schreie. Der zweite Prechorus und der Chorus erklingen dagegen in klarer Tenorlage und erinnern an den beschriebenen Stimmklang des Classic Metal.

Formale Struktur „Down From The Sky“ besitzt eine abgesetzte Einleitung. Die anschließende Vers-Chorus-Struktur ist mit zwei Prechorussen vergleichsweise aufwendig gestaltet. Zwischen Riff ‚b‘ und ‚c‘ findet sich ein Wechsel vom dualen in den ternären Puls. Die Länge von 46 Pulsen für Riff ‚c‘ deutet darauf hin, dass der Wechsel zurück in den dualen Puls bereits innerhalb des Riffs stattfindet. Der Mittelteil baut auf zwei neuen Gitarrenriffs (‚f‘ und ‚g‘) und ihren Varianten auf. Da über alle Riffvarianten – mit Ausnahme des den Formteil abschließenden Riffs ‚f2‘ – gesungen wird, verliert der Mittelteil den Charakter einer einfachen Bridge mit anschließendem Solo und kann als aufgewerteter Mittelteil betrachtet werden. Formteil E findet auch als Schluss Verwendung und wendet die geschlossene VersChorus-Struktur in Richtung einer reihenden Struktur. Der vorher nicht gehörte Wechsel von Riff ‚e‘ zu Riff ‚g2‘ schafft zudem ein abschließendes Überraschungsmoment im formalen Aufbau. Trivium bedienen sich damit der analysierten Formsprache des Classic Metal und gestalten die Reihung von Riffs als vierteilige Vers-Chorus-Struktur mit aufgewertetem Mittelteil und abgesetzter Einleitung.

Rhythmisches Ensemblespiel Alle Gitarrenriffs mit Ausnahme der melodisch dominierten Einleitung sind pulsbasiert und verwenden chromatische Einschübe, aber keine Tritoni. Puls und Chromatik verbinden sich in Riff ‚b‘ gemäß ‚Typ 2‘, Riff ‚c‘

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ist eine aus Einzeltönen bestehende Variante von ‚Typ 3‘.5 Die Riffs des Mittelteils erinnern dagegen stärker an die bei Black Sabbath analysierten, teilweise optisch inspirierten Riffs. Riff ‚g2‘ zeigt die um einen Puls verschobene Variante des ‚Iron Maiden-Galopps‘, Riff ‚g3‘ besteht aus einer an Slayer erinnernden Transponierung geradzahliger Teilgruppen von Pulsen. Während der Riffabfolge ‚g‘, ‚g2‘ und ‚g3‘ entwickeln Trivium aus einem Breakdown über einen ‚Mosh Part‘ bis hin zum abschließenden schnellen Pulsschlag unterschiedliche Schichtungen des Pulses im Ensemblespiel. Der regelmäßige Pulsschlag der Rhythmusgitarre wird häufig von der Double Bass gedoppelt. Das parallele Ensemblespiel während Riff ‚b‘ erinnert dabei anfangs an Riff ‚f‘ aus „One“ (J-A4) von Metallica.

(Classic) Metal Unterschiedliche Einflüsse aus dem Traditionsstrom des Heavy Metal werden bei „Down From The Sky“ vereint. Formal eher vom Classic Metal inspiriert, zeigen sich im Ensemblespiel auch starke Thrash Metal- und Black Sabbath-Einflüsse, während Teile des Stimmklangs und die tiefe Gitarrenstimmung zusätzlich vom Extreme Metal inspiriert sind. Trivium vereinen damit Einflüsse aus allen analysierten Bereichen des Traditionsstroms des Heavy Metal.

Fazit der Zufallsstichprobe Die Analyse der für die Zufallsstichprobe ausgewählten Stücke zeigt, dass die beschriebenen Kompositionsmodelle und Erwartungshorizonte einer musikalischen Sprache des Heavy Metal eine differenzierte Betrachtung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der ausgewählten Beispiele ermöglichen. Den Untersuchungsergebnissen kann damit eine verallgemeinerbare Relevanz zugesprochen werden.

5

Vgl. Kapitel VI.5 Abbildung 81 und 82.

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VIII. S C H L U S S B E T R A C H T U N G Das Erkenntnisinteresse der vorliegenden Untersuchung liegt zum einen in der Analyse und Beschreibung der musikalischen Sprache eines Stils der populären Musik. Zum anderen konzentriert sich das analytische Interesse auf die im Rahmen der Popularmusikforschung bisher wenig untersuchten Bereiche des Ensemblespiels und der formalen Struktur. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass eine musikalische Sprache des Heavy Metal mit dem gewählten analytischen Schwerpunkt beschreibbar ist. Die Zufallsstichprobe bestätigt dieses Ergebnis und unterstreicht eine verallgemeinerbare Relevanz der Untersuchung, die über die aufgrund der Auswertung der Stichprobe als prägend für den musikstilistischen Erwartungshorizont des Heavy Metal behaupteten Bands und Tonträger hinausreicht.

Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse Zur Dominanz des angelsächsischen Classic Metal – komplexe Äußerungen im Traditionsstrom Die Auswertung der Stichprobe weist darauf hin, dass insbesondere Ausschnitte aus dem Gesamtwerk einzelner Bands als stilprägend wahrgenommen werden. Diese Gruppen von Tonträgern zeigen unterschiedliche Gemeinsamkeiten. Sie wurden entweder in der gleichen Besetzung eingespielt, entsprechen den ersten Alben einer Band oder wurden – im Ausnahmefall – vom gleichen Produzenten betreut. Der Fluss des Traditionsstroms zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis manifestiert sich zudem in einer für Rockmusik typischen Dominanz angelsächsischer Bands, die seit mindestens zwanzig Jahren aktiv sind. Die relevanten Gruppen von Tonträgern wurden analog dazu vor mindestens fünfzehn Jahren veröffentlicht. Tonträger jüngeren Datums werden in der vorliegenden Studie aufgrund der Gegebenheiten des kommunikativen Gedächtnisses uneindeutig bewertet. In der Konsequenz dominieren Tonträger aus den 1980er Jahren die Auswertung und die Analysen. Im Rahmen des gedachten stilistischen Kontinuums mit Classic Metal als Mittelpunkt und Hard Rock und Extreme Metal an den vorläufigen Endpunkten ergibt sich aus der Stichprobe deshalb eine Konzentration auf

299

SCHWERMETALLANALYSEN

angelsächsischen Classic Metal. Dessen spezifische musikalische Sprache manifestiert sich besonders in den Analysen zu Judas Priest und Iron Maiden. Black Sabbath vereinigen als Vorreiter des Genres Elemente aller drei Teile des stilistischen Kontinuums. Interessanterweise sind sie an beiden Rändern von größerem direkten Einfluss als im Classic Metal. Die musikalische Sprache der Besetzung mit Ozzy Osbourne wird bei Metallica, Megadeth und auch Slayer stärker rezipiert als bei Judas Priest und Iron Maiden. In der Besetzung mit Ronnie James Dio bewegen sich Black Sabbath dagegen deutlich in Richtung Hard Rock. Metallica, Megadeth und Slayer erscheinen in den 1980er Jahren als Teil des extremen Endes des Kontinuums, müssen jedoch mittlerweile – vielleicht mit Ausnahme von Slayer – zwischen Classic und Extreme Metal eingeordnet werden. AC/DC, Guns N’Roses und Motörhead zeigen auf je spezifische Weise Unterschiede zur ansonsten als einheitlich analysierten Sprache des Heavy Metal. Die beiden letzen Punkte deuten auf eine fortschreitende Ausdifferenzierung der Ränder des Kontinuums hin.

‚Lieber zuviel als zuwenig‘ – formale Struktur Die musikalische Form beruht auf der Reihung und teilweisen Wiederholung von Gitarrenriffs, die aus dem Blues Rock der 1960er entlehnt und zur zentralen musikalischen Äußerung umformuliert werden. Zu einem Teil der Gitarrenriffs wird Gesang addiert. Über das Vorhandensein von Gesang wird im Rahmen einer grundlegenden dreiteiligen Struktur ein Hauptteil von Einleitung und Schluss der Äußerung unterschieden. Die Existenz von Formteilen mit Gesang regt auch zur Verschränkung der reihenden Struktur mit periodischen Liedformen aus dem allgemeinen Formelkatalog populärer Musik an. Es ergeben sich für den Hauptteil drei Entwicklungsrichtungen der formalen Struktur. Im ersten Fall bleibt die Reihung von Gitarrenriffs dominant, auch wenn einzelne Formteile im Rahmen des formalen Ablaufs wiederholt werden können. Im zweiten Fall wird eine Vers-Chorus-Struktur bevorzugt. Deren Periodik wird durch einen aufgewerteten Mittelteil unterbrochen, der hinsichtlich Dauer und formaler Komplexität den Charakter eines Zwischenteils oder einer Bridge innerhalb derartiger Liedformen oft überschreitet. Im Extremfall kann sich der aufgewertete Mittelteil über die Reihung und Wiederholung von wahlweise instrumental, vokal oder solistisch dominierten Formteilen zu einer Art Lied im Lied entwickeln. Kehrt man vom Mittelteil nicht mehr zum Hauptteil zurück, ergibt sich als dritte Möglichkeit eine duale Struktur mit einem in einen neuen Haupt- und Nebenteil zerfallenden ehemaligen Hauptteil. Musikalische Äußerungen aus dem neuen Hauptteil werden im Nebenteil nicht mehr aufgenommen, so dass die grundlegende Struktur der

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VIII. SCHLUSSBETRACHTUNG

Reihung von Formteilen reproduziert wird. Der Übergang zwischen Hauptund Nebenteil erfolgt nicht allmählich, sondern hat den Charakter eines Bruchs. Gesang und solistische Äußerungen sind in beiden Teilen möglich. Eine übergreifende Vers-Chorus-Struktur existiert nicht mehr. Die musikalische Sprache des Heavy Metal verlangt für alle drei Möglichkeiten der Gestaltung des Hauptteils fast zwingend eine vor diesem platzierte Stückeinleitung, die wiederum komplex ausgestaltet werden kann. In der Form der bereits bei Black Sabbath deduzierten, abgesetzten Einleitung wird sie ein wichtiges formales Gestaltungselement. Abgesetzte Einleitungen charakterisieren sich dadurch, dass sie ausschließlich aus Äußerungen bestehen, die im weiteren Stückverlauf keine Verwendung mehr finden. Häufig wird zwischen Einleitung und Hauptteil ein starker Bruch inszeniert, sei es als Wechsel von der unverzerrten in die verzerrte Klangfarbe oder als deutlicher Tempo- bzw. Rhythmuswechsel. Der bei Judas Priest erstmals beschriebene Breakdown ist ebenfalls ein sehr wichtiges formales Gestaltungselement. Charakteristisch für einen Breakdown ist ein unbegleitetes Gitarrenriff, zu dem Schlagzeug und Bass sukzessive und unisono wieder einsetzen. Die konkrete Ausgestaltung der Breakdowns gewinnt über die Zeit stark an Komplexität. Breakdowns finden sowohl als spezielle Form der Stückeinleitung als auch im weiteren Verlauf eines Stückes Verwendung. Sie dienen einerseits der Strukturierung des Spannungsbogens innerhalb einer reihenden Form und andererseits der Unterbrechung und Erweiterung periodischer Formen. Ein eigenständiger Schluss des Stückes ist in reihenden Strukturen schwer festzustellen. Die Form hat entweder ein offenes Ende oder wird über die abschließende Wiederholung eines oder mehrerer Formteile geschlossen. Dabei können Varianten des bei Black Sabbath analysierten erweiterten Schlusses entstehen, die nicht mehr ausschließlich neues musikalisches Material enthalten müssen. Dominieren periodische Strukturen, wird als Schlussteil meist eine Variante des im Rahmen der Rockmusik üblichen Playouts präsentiert, die bereits bekanntes musikalisches Material auf unterschiedlich originelle Art und Weise verarbeitet. Neben der Ignoranz gegenüber Vers-Chorus-Strukturen durch reihende und duale Strukturen können damit abgesetzte Einleitungen, aufgewertete Mittelteile und Breakdowns als typische formale Elemente einer musikalischen Sprache des Heavy Metal bezeichnet werden. Echos des Progressive Rock finden sich in komplexen Binnenstrukturen einzelner Formteile sowie einer komplexeren Gestaltung reihender Strukturen. Einen formalen Einfluss des Blues Rock kann man entweder bei reihenden Strukturen erkennen, die auf einem immer wiederkehrenden, den formalen Ablauf dominierenden Hauptriff beruhen, oder im Harmoniewechsel zum Beginn der dritten Textzeile eines Verses.

301

SCHWERMETALLANALYSEN

Ansätze formaler Reduktion sind im Traditionsstrom des Heavy Metal in der Minderheit. Sie gelten wahlweise als starker Einfluss von Bluesoder Punk-Rock. Die musikstilistische Einordnung verschiebt sich damit an die Ränder des stilistischen Kontinuums, also wahlweise in Richtung (Hard) Rock oder bestimmter Teilbereiche des Extreme Metal. Im Classic Metal wird eine reduzierte Formsprache mittels einer überdeutlichen Verankerung in anderen Bereichen des Traditionsstroms des Heavy Metal ausgeglichen, die neben der musikalischen Sprache auch Elemente wie Image und Bühnenshow miteinschließt.

‚Metrische Ketten‘ aus Vielfachen von Zwei und Drei – rhythmisches Ensemblespiel Das rhythmische Ensemblespiel beruht entweder auf dem Nachvollzug einer durch ein Gitarrenriff vorgegebenen Betonungsstruktur, ist also riffbasiert, oder basiert auf einem grundlegenden Puls. Die pulsbasierte Spielweise entsteht aus der Funktion des Basses im Ensemblespiel des Blues Rock, die auf andere Instrumentalstimmen übertragen wird. Die metrische Gestaltung des Pulses ist immer eindeutig binär oder ternär. Shuffle und Swing werden konsequent vermieden. Der Puls wird über metrische, rhythmische oder harmonische Variationen in grundlegende Teilgruppen von zwei oder drei Pulsen unterteilt, den kleinsten invarianten Einheiten des Ensemblespiels. Die Betonung liegt dabei meist auf dem ersten oder letzten Puls einer Teilgruppe. Das Spiel mit der Spannung zwischen gerade und ungerade, respektive binär und ternär ist ein grundlegendes Element der musikalischen Sprache des Heavy Metal. Die einzelnen Instrumentalstimmen beruhen auf der freien Kombinierbarkeit von Gruppen von zwei oder drei Pulsen zu ‚metrischen Ketten‘ bzw. zusammengesetzten Metren. Die Addition von Pulsgruppen kann zu im Rahmen der Rockmusik unüblichen Längen führen, in der Praxis bleibt eine Teilbarkeit durch die grundlegenden Einheiten zwei oder drei jedoch meist erhalten. Die Folge von 3+3+2 Pulsen ist – inklusive mehrerer Varianten – eine in einzelnen Instrumentalstimmen häufig anzutreffende Ausformung dieser Spielweise, die für einen vermittelten Blues Rock-Einfluss im Heavy Metal steht. Dagegen wird auf dem Weg vom Classic- zum Extreme Metal die Addition geradzahliger Teilgruppen von Pulsen wichtiger und steht für eine Abnahme des Blues Rock-Einflusses. Im Ensemblespiel werden verschiedene Kombinationen von Teilgruppen von Pulsen geschichtet, die daraus folgenden polyrhythmischen Implikationen jedoch eher selten ausgereizt. Die Schichtung von Halbierungen und Verdopplungen eines Basispulses, der entweder von der Bass Drum oder der Rhythmusgitarre vorgegeben wird, ist die übliche Vorgehenswei-

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se. Die Tempowahrnehmung einer komplexen musikalischen Äußerung variiert dementsprechend, je nachdem welche Teilung des Pulses als Tempo definierend angenommen wird. Als ‚Mosh Part‘ wird ein Formteil bezeichnet, in dem mindestens eine der Tempo bestimmenden Teilungen des Pulses eindeutig langsam ist. Seinen Gegensatz findet er im den Puls maximal beschleunigenden Blast Beat. Die aus dem Jazz entlehnte Double BassTechnik wird zur das pulsbasierte Spiel prägenden Schlagzeugtechnik. Gleichzeitig findet die Schichtung unterschiedlicher Teilungen eines Basispulses im Ensemblespiel ihre formale Entsprechung im aufeinander folgenden Wechsel von Formteilen unterschiedlicher Impulsdichte. Die Kontrastierung gegensätzlicher Elemente klanglicher, metrischer, rhythmischer und/oder dynamischer Natur wird zu einem grundlegenden Kompositionsmodell. Sowohl die Schichtung pulsbasierter Instrumentalstimmen als auch riffbasiertes Spiel führen im Ergebnis zum parallelem Ensemblespiel. Das Ensemblespiel setzt sich damit deutlich vom rhythmischen Ineinandergreifen einzelner Instrumentalstimmen im Backbeat-basierten Ensemblespiel aus der Tradition des Rhythm & Blues ab. Das Schlagzeugspiel entwickelt sich weg von der reinen Begleitungsfunktion im Bandkontext hin zu einem virtuoseren und variantenreicheren Stil, der den Backbeat nur noch als eine mögliche Variante begreift. Das Gitarrenriff präsentiert sich analog zur eindeutigen Metrik des Pulses als eindeutige musikalische Idee, die beim Vorhandensein mehrerer Gitarren in parallelem Spiel realisiert wird. Riffvarianten erklingen dementsprechend nacheinander und nicht gleichzeitig. Eine Gleichzeitigkeit mehrerer Varianten einer musikalischen Idee verschiebt den Schwerpunkt des Ensemblespiels mehr in Richtung des Ineinandergreifens einzelner Instrumentalstimmen und die musikstilistische Einordnung damit in Richtung Hard Rock. Eine Sonderform des parallelen Ensemblespiels mit mehreren Gitarren bilden zweistimmige Melodien. Sie werden gerne in parallelen Terzen oder Oktaven ausgeführt. Theoretisch ist aber jedes Intervall denkbar, auch Tritonusparallelen kommen vor. Zweistimmige Gitarrenmelodien können im direkten und übertragenen Sinn die Funktion eines Breakdowns im formalen Ablauf übernehmen. In der konkreten Ausgestaltung der Melodien finden Elemente aus der abendländischen Kunstmusik, insbesondere des Barock, und auch der britischen/irischen Folklore Eingang in das Gitarrenspiel jenseits des individuellen solistischen Ausdrucks. Im Rhythmusgitarrenspiel dient die Palm Mute-Spieltechnik der eindeutigen Realisierung des Pulses. Das pulsbasierte Spiel kann zum einen über kurze Einwürfe rhythmisch und harmonisch variiert werden, zum anderen sich mit riffbasiertem Spiel abwechseln – im Classic Metal meistens in Abschnitten jeweils gleicher Länge – oder auch mit diesem zu

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pulsbasierten Riffs verschmelzen. Eine Sonderform pulsbasierter Riffs sind Arpeggien, die eher in unverzerrter Klangfarbe als Teil einer abgesetzten Einleitung zu Gehör gebracht werden. Das Erstarken pulsbasierter Spielweisen führt zu einer generellen Abnahme der Wichtigkeit melodischer Elemente im Ensemblespiel, während die rhythmischen Elemente noch stärker betont werden. Ein am Nachvollzug des rhythmischen und melodischen Verlaufs der Gitarrenriffs orientiertes Ensemblespiel bleibt jedoch die Grundlage der musikalischen Sprache des Heavy Metal.

Chromatische Unterbrechungen des Pulses – Harmonik Funktionsharmonische Fortschreitungen spielen in der musikalischen Sprache des Heavy Metal als übergreifende formale Klammer eine untergeordnete Rolle, sie strukturieren vielmehr die Gestalt der (pulsbasierten) Riffs mit bzw. können den Idiolekt einzelner Bands prägen. Innerhalb der Riffs verdienen chromatische Bewegungen besondere Aufmerksamkeit, deren Gebrauch ihre im Blues Rock übliche Funktion als Durchgangston zwischen Subdominante und Dominante bzw. hin zur Tonika überschreitet. Sowohl im Riff als auch im pulsbasierten Spiel finden unterschiedliche Typen von chromatischen Figuren Verwendung. Der Puls kann über Wiederholungen chromatischer Bewegungen generiert werden, mehrfach um eine kleine Sekunde transponiert werden oder durch zwei Powerchords im Abstand einer kleinen Sekunde bzw. eine (kurze) chromatisch geprägte melodische Figur unterbrochen werden. Chromatische Bewegungen können zudem im Verhältnis zu oder unter Ausblendung des Puls legenden Tons entstehen. Mehrere dieser Elemente können auch in einem Riff kombiniert werden. Neben chromatischen Bewegungen wird eine prominente, seine Funktion als Durchgangston in Blues-basierten Skalen überschreitende Verwendung des Tritonus gerne mit Heavy Metal assoziiert. Die Analyse zeigt die Verwendung des Tritonus bei Black Sabbath, die jedoch erst auf dem Weg zum Extreme Metal bei Metallica, Megadeth und vor allem Slayer in charakteristischer Weise wieder aufgegriffen wird. Im Classic Metal ist der Tritonus als Gestalt bildendes Element von Gitarrenriffs von geringer Bedeutung. Eine oft übersehene Inspirationsquelle für melodisch harmonische Variationen sind optische Skalen bzw. die Transponierung und Spiegelung von Fingersätzen auf dem Gitarrengriffbrett. Deshalb sollte aus der Verwendung von Tritonus und Chromatik nicht generell auf die Verwendung von Modi geschlossen werden, auch wenn diese im Classic und Extreme

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Metall weit verbreitet sind. Hard Rock beruht dagegen meist auf Erweiterungen einer aus dem Blues abgeleiteten Harmonik.

Schichtungen unterschiedlicher Impulsdichte – Tempo Wie im Zusammenhang mit dem rhythmischen Ensemblespiel ausgeführt, erlaubt die Schichtung unterschiedlicher Teilungen des Pulses im Heavy Metal oft keine eindeutige Tempowahrnehmung. Zudem existieren Substile, die sich durch einen möglichst langsamen oder schnellen Pulsschlag (mit-)definieren. Die Eingrenzung eines bestimmten Tempos als typisch für die musikalische Sprache des Heavy Metal ist nicht möglich.

Ein metallischer Klang der Klangfarbe? Die Auswertung der Stichprobe hat gezeigt, dass der konkrete Klang eines Tonträgers nur einen geringen Einfluss auf seine Wertschätzung für den Traditionsstrom hat. In Bezug auf die Wichtigkeit des Klangs der Klangfarbe scheinen Unterschiede zwischen den Kompositionsmodellen der Musiker und dem Erwartungshorizont der Hörer zu bestehen. Gleichzeitig muss die Klangfarbe jedoch bestimmte allgemeine Charakteristika erfüllen, damit ein Tonträger als zum Traditionsstrom des Heavy Metal gehörig wahrgenommen wird. Das wichtigste Element ist dabei die deutliche Dominanz der verzerrten Gitarrenklangfarbe, während die Klangfarbe des Basses vergleichsweise unwichtig erscheint. Zudem lässt sich auf dem Weg vom Hard Rock über den Classic Metal zum Extreme Metal eine Zunahme des Verzerrungsgrades konstatieren, die neben den Saiteninstrumenten auch den Stimmklang einschließt. Extreme Metal und Hard Rock unterscheiden sich vor allem im unterschiedlichen Anteil unharmonischer Obertöne an der Verzerrung, der im Extreme Metall größer ist. Die verzerrte Klangfarbe wird zudem über das Tieferstimmen der Saiteninstrumente basslastiger. Durchaus häufig findet sich im Classic und Extreme Metal auch eine Absenkung des mittleren Frequenzbereichs der verzerrten Gitarrenklangfarbe. Eine unverzerrte Klangfarbe der Gitarren ist im Traditionsstrom des Heavy Metal nur als Ausnahme denkbar. Das Schlagzeug erklingt dagegen unverzerrt, es wird sogar Wert auf einen möglichst natürlichen, im Sinne von unverstärkten und tontechnisch wenig manipulierten Klangeindruck gelegt. Wichtig ist zudem eine gute Hörbarkeit der einzelnen Trommeln und Becken. Dies betrifft besonders den potentiell Puls legenden Anschlag der Bass Drum. Wichtiger als die Stimmklangfarbe, die zwischen Hard Rock, Classic Metal und zudem auch innerhalb des Extreme Metal stark differiert, erscheint die Wertschätzung der virtuosen Kontrolle des Stimmeinsatzes, die

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sowohl im lang gezogenen Schrei kulminiert als auch im virtuosen Wechsel zwischen gegensätzlichen Klangfarben. Unsaubere Intonation und eine höhere Wertschätzung emotionaler Kontrolle der Stimme stehen dagegen für einen Einfluss des Blues Rock und verschieben den stilistischen Eindruck wiederum in Richtung Hard Rock.

Stilistische Besonderheiten im Kontinuum Hard Rock, Classic Metal, Extreme Metal Aufgrund der Stärke des Bereichs des Classic Metal im analysierten Ausschnitt der Stichprobe stimmt dessen musikalische Sprache in weiten Teilen mit den beschriebenen allgemeinen Charakteristika überein. Einschränkend muss für den Classic Metal eine Übergewicht von Vers-Chorus-Strukturen mit aufgewertetem Mittelteil über die pure Reihung von Formteilen konstatiert werden. Der Ensembleklang wird von verzerrten Gitarren dominiert, die Verzerrung anderer Instrumentalstimmen wird weitgehend vermieden. Im Gesang sind Männerstimmen in Tenorlage bestimmend. Auf dem Weg zum Extreme Metal wird – wie der Name schon andeutet – die Schichtung und Reihung von Äußerungen stark unterschiedlicher Impulsdichte wichtiger. Das gleichzeitige Erstarken pulsbasierter Spielweisen führt zu einer generellen Abnahme der Wichtigkeit melodischer Elemente im Ensemblespiel, während die rhythmischen Elemente noch stärker betont werden. Chromatik, Tritonus und optische Skalen gewinnen ebenfalls nochmals an Bedeutung. Im Ensembleklang ist eine Zunahme des Verzerrungsgrades zu konstatieren, die auch Bass und Stimmklang einschließt. Dagegen nimmt die Wichtigkeit männlicher Singstimmen in Tenorlage ab. Am anderen Ende des Kontinuums, im Hard Rock, dominieren dagegen Vers-Chorus-Strukturen mit abnehmender Komplexität im Mittelteil. Harmonische Fortschreitungen werden anstelle von Riffs verstärkt zur Grundlage von Formteilen. Abgesetzte Einleitungen verlieren genauso an Bedeutung wie Anzahl und Komplexität der Breakdowns. Im Stimmeinsatz verstärken sich Elemente emotionaler Kontrolle.

Die virtuose Kontrolle der (Ohn-)Macht – Ansätze zur Interpretation der Analyseergebnisse Die deduzierte musikalische Sprache des Heavy Metal repräsentiert natürlich kein „leeres Arrangement formaler Klangmuster“ (Wicke 2003: 121), um eine bereits in Kapitel II zitierte Formulierung von Peter Wicke wieder aufzugreifen. Gleichwohl überschreitet eine umfassende Interpretation der Analyseergebnisse den inhaltlichen Rahmen und die Möglichkeiten dieser Untersuchung. Trotzdem sollen im Folgenden in geraffter und hypothesen-

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hafter Form Ansätze und Anregungen zur Interpretation der musikalischen Sprache des Heavy Metal gegeben werden, die über die innermusikalischen Bezüge auf verschiedene Bereiche des Traditionsstroms hinausgehen. Als Grundlage hierfür dient der in Kapitel III referierte Forschungsstand zur Kulturwelt Heavy Metal. Folgt man Kahn-Harris (2007: 157) Analyse der Wichtigkeit von Transgression als eskapistischer Praxis der ritualisierten Grenzüberschreitung, die eine spielerische Infragestellung der existenten Machtverhältnisse beinhalten kann, gelangt man zur Notwendigkeit einer Interpretation der Analyseergebnisse unter ästhetischen Prämissen. Das für Weinstein (1991: 35) zentrale Element ist dabei „power“, ein Begriff, der sowohl mit Kraft als auch Macht ins Deutsche übersetzt werden kann. Walsers (1993) Untersuchung trägt den Begriff power bereits im Titel und findet diese verkörpert in den Powerchords und der Wichtigkeit instrumentaler Virtuosität. Diaz-Bone (2002: 411) relativiert implizit den Zusammenhang von Macht und Virtuosität über eine Stärkung der Verbindung von Virtuosität und handwerklichem Ethos. Eine Verbindung gehen handwerkliches Ethos und power in Bergers (2004: 49-60) Konzept der virtuosen Kontrolle ein, das er jedoch auf den Stimmeinsatz im Heavy Metal begrenzt. Die Untersuchungsergebnisse lassen die Übertragung der Wichtigkeit des Konzepts virtuoser Kontrolle auf das Ensemblespiel und alle einzelnen Instrumentalstimmen angezeigt erscheinen. Die zentrale Eindeutigkeit der Pulsgestaltung trägt die Notwendigkeit virtuoser Kontrolle für alle Instrumentalstimmen in sich. In der Schichtung unterschiedlicher Teilungen des Pulses, den Wechseln zwischen unterschiedlichen Impulsdichten und unterschiedlichen Ausgestaltungen des Pulses verkörpert sich die virtuose Kontrolle eindeutig sowohl in den einzelnen Instrumentalstimmen als auch im Ensemblespiel. Die laut Diaz-Bone (2002: 408) im Zentrum der Kulturwelt stehende Band als „beseelte Einheit“ zeigt die virtuose Kontrolle zudem im parallelen Ensemblespiel und der komplexen Ausgestaltung von Breakdowns. Paralleles Ensemblespiel stellt das Riff ins Zentrum des musikalischen Geschehens und versucht diesem ein Maximum an (Durchschlags-) Kraft zu geben, während ein Breakdown das Riff über die Setzung von Akzenten kraftvoll kommentiert. In beiden Fällen erfährt Energie eine rhythmisch dominierte Bündelung. Der gemeinsame Wille kommt in spezifischer Form zum Ausdruck. Er reduziert das Stimmengewirr, die Anzahl der parallel möglichen unterschiedlichen Äußerungen und präsentiert sich eindeutig – quasi als Gegenpol zum sich ergänzenden Ineinandergreifen unterschiedlicher Äußerungen in anderen Stilen populärer Musik. Die für paralleles Ensemblespiel notwendige Aufhebung der rein begleitenden Funktion von Schlagzeug und Bass im Ensemble lädt deren

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Spiel zumindest potentiell virtuos auf. Da die Gitarre trotzdem das vorherrschende Soloinstrument bleibt, wird zwar einerseits die Hierarchie zwischen Gesang und Begleitung im Bandgefüge relativiert, andererseits jedoch die hierarchische Unterordnung von Schlagzeug und Bass reinstalliert. Die Bündelung der Energie im parallelen Ensemblespiel ist neben der verzerrten Klangfarbe und Phasen extremer Impulsdichte eines der Elemente der musikalischen Sprache des Heavy Metal, die gerne mit Begriffen wie Aggressivität umschrieben werden. Die journalistische Sprache der Heavy Metal verpflichteten Fachpresse kennt hier eine sehr starke begriffliche Differenzierung, die sich beispielsweise in Rezensionen von Tonträgern finden lässt. Als Hypothese formuliert lebt die Kulturwelt Heavy Metal auf der performativen, ikonographischen, visuellen, lyrischen und musikalischen Ebene von Inszenierungen von Aggressivität, deren jeweils spezifische Ausformungen genossen werden. Als daran anschließende Hypothese scheint der transgressiven Praxis, die keine Verwirklichung im ‚realen‘ Leben anstrebt, eine Desillusionierung eingeschrieben, die die ästhetische Bearbeitung des Themas Aggression mit Schwermut, Fatalismus oder auch Zynismus koppelt. Diese Koppelung unterscheidet Heavy Metal von ebenfalls der Inszenierung von Aggressivität verpflichteten Genres wie Hard Core oder Punk. Auf der musikalischen Ebene lassen sich hier mehrere Interpretationsansätze finden. Die von Walser (1993: 46) beschriebene Konzentration der Harmonik auf modale Skalen impliziert eine Vermeidung der Dur-Tonalität im Heavy Metal mitsamt ihren ästhetischen Implikationen. Chromatik und Tritonus unterstützen den traurigen Beigeschmack der verwendeten Tonalität. Die Verwendung ternärer Pulsgestaltung kann ebenfalls als Reproduktion einer Desillusionierung gelesen werden. Die ternärer Pulsgestaltung inhärente kreisende Bewegung dreht sich auf der Stelle und bildet so einen Gegenpol zum dynamischen Vorwärtsschreiten des binären Pulses. Das der musikalischen Sprache des Heavy Metal eigene Spiel mit der Spannung zwischen binärer und ternärer Pulsgestaltung reproduziert damit eine Dialektik von Macht und Ohnmacht. Auch die jeweilige Eindeutigkeit der Pulsgestaltung, die im Umkehrschluss auch als Fehlen von Zweideutigkeit, von Zwischentönen beschrieben werden kann, ist in diesem Sinne zu interpretieren. Hoffnung benötigt auf einer metaphorischen Ebene Zweideutigkeit. Wenn nicht mehrere Möglichkeiten einer zukünftigen Entwicklung existieren, wird die Hoffnung auf die Realisierung einer dieser Alternativen sinnlos, sie wird zum eindeutigen Wissen. In diesem Sinn beinhaltet die musikalische Sprache des Heavy Metal auch eine Hoffnungslosigkeit, die sich explizit in der in einem Teil des Extreme Metal verbreiteten Ästhetik

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der Menschenfeindlichkeit und einem Hang zur Autoaggression wiederfinden lässt. Dies korrespondiert mit der Verwendung extremer Impulsdichten – sowohl als Beschleunigung wie auch als Verlangsamung –, die die Möglichkeit der Fortbewegung ebenfalls in einer dichten Klangwand verschwinden lassen. Die extrem beschleunigten Blizzard Beats, um einen Albumtitel der norwegischen Black Metal Band Immortal zu modifizieren, wollen zumindest teilweise erlitten werden.1 Damit unterscheidet sich die musikalische Sprache des Heavy Metal deutlich vom Traditionsstrom der Rockmusik, der die Zweideutigkeit des Shuffle zumindest beinhaltet, wenn nicht sogar als zentrales Element enthält. Die von Walser (1993: 49) benannte Dialektik von Freiheit und Kontrolle im Heavy Metal verändert sich damit in Richtung einer Dynamik von Exzess und Kontrolle. Die virtuose Kontrolle steht immer in Gefahr, zum exzessiven Selbstzweck zu werden – als solistischer Ausdruck, als formale Binnendifferenzierung, in der Ausgestaltung des rhythmischen Ensemblespiels. In der Literatur zum Tanz im Heavy Metal und Hard Core (Ambrose 2001, Tsitsos 1999) wird der potentiell gewalttätige Exzess im Tanz als auf einen engen Raum begrenzt analysiert, dessen Grenzen zwischen hörendem und tanzendem Publikum ausgehandelt und in der Folge respektiert werden. Der Exzess bleibt kontrollierbar. Gefahr scheint erst auf, wenn die Grenzen des Tanzraumes sich auflösen und kein Außen mehr existiert. Der Umschlag transgressiver Praxis in Realität ist nicht gewünscht. Als Auslöser für den Tanz gilt wiederum die virtuose Kontrolle unterschiedlicher Impulsdichten im Ensemblespiel, die Pillsbury (2006: 9-13) als unterschiedliche Energielevel begreift, die sich im Tanz abbilden. Die Entwicklung des gedachten Kontinuums von Hard Rock über Classic Metal zu Extreme Metal, das sowohl parallel existiert als auch eine historische Entwicklungsrichtung aufzeigt, ist damit historisch als Abfolge von Neubearbeitungen der zentralen Ästhetik der Aggression interpretierbar. Die virtuose Kontrolle wird von der solistischen Äußerung auf das Ensemblespiel übertragen, der Grad der Verzerrung der Klangfarbe gesteigert, die Impulsdichte wird erst generell erhöht und anschließend wieder verstärkt mit Elementen geringer Dichte – Breakdowns, ‚Mosh Parts‘ – kontrastiert. Diese historische Linearität ist jedoch zwangsläufig eine Konstruktion, die Pendelbewegungen zu anderen Teilen des parallel existierenden Kontinuums ignoriert. Auf eine Steigerung der Eindeutigkeit folgt häufig ein verstärktes Interesse an Uneindeutigkeit. Classic Metal erscheint im 1

Blizzard Beasts (1997, 1/1). Fünf weitere der insgesamt acht Immortal Alben werden in der Auswertung genannt. Die höchste Wertschätzung genießt Battles Of The North (1995, 3/2).

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Rahmen dieser Dynamik als Ruhepol, als Zentrum, dem ebenfalls mal mehr oder weniger Aufmerksamkeit zuteil wird. Diese Interpretation der musikalischen Sprache des Heavy Metal als virtuose Kontrolle der (Ohn-)Macht versteht sich als Hypothese, die zumindest zum Teil der interdisziplinären Verifizierung bedarf. Sie überträgt einerseits bekannte Argumente der Forschung zur Kulturwelt Heavy Metal auf das Ensemblespiel und schlägt andererseits im Rahmen des Konzeptes der Transgression eine andere inhaltliche Gewichtung vor.

Diskussion der Ergebnisse und Ausblick Unabhängig von der Interpretation der musikanalytischen Ergebnisse kann der theoretische Bezug auf Konzepte aus der geisteswissenschaftlichen Forschung zu Gedächtnis und Erinnerung mit Gewinn auf musikwissenschaftliche Fragestellungen angewandt werden. Der stets veränderlich bleibende Traditionsstrom verankert populärmusikalische Stile im Zwischenbereich zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis. Auf methodischer Ebene wird damit eine Bildung von Stichproben verallgemeinerbarer Relevanz ermöglicht. Die Erkenntnis, dass im Traditionsstrom weder einzelne Bands noch einzelne Tonträger, sondern vielmehr Gruppen von Tonträgern normativ und formativ wirken, ist auch für die musikalische Kanonforschung im Bereich populärer Musik von Interesse. Gleichwohl ist der gewählte methodische Zugang durchaus zeitaufwendig und verlangt eine umfassende Recherche und ein ‚Einhören‘ in den Untersuchungsgegenstand. Die Bedeutung dieses Zeitaufwands relativiert sich jedoch, da ausreichende Materialkenntnis eine Grundbedingung der musikwissenschaftlichen Beschäftigung (auch) mit populärer Musik sein sollte. Die musikalische Analysemethodik kann die gesuchten stilistischen Normen darstellen. Die gewählte Verschiebung des Analyseschwerpunkts von tonalen Beziehungen auf das Ensemblespiel und die formale Struktur der Äußerungen führt zu Ergebnissen, die eine relative Unwichtigkeit der Harmonik für die Beschreibung stilistischer Unterschiede im Bereich populärer Musik wahrscheinlich erscheinen lassen. Als These formuliert findet die Harmonik ihre Bestimmung als verbindendes Element populärer Musik, mit dem sich Gemeinsamkeiten über stilistische Grenzen hinaus nachwiesen lassen, während die stilspezifischen Gemeinsamkeiten eher im Bereich des Ensemblespiels und der formalen Struktur zu finden sind. In der Binnendifferenzierung eines Stils bis hin zum Idiolekt einer Band oder der Spezifik einer bestimmten Äußerung spielt die Harmonik dann ebenfalls wieder eine wichtige Rolle. Hier sind jedoch weitere Forschungen notwendig, die von Heavy Metal abweichende Stilistiken populärer Musik untersuchen müssen.

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Bezogen auf Heavy Metal können die von Pillsbury (2006) vorgeschlagenen modularen Strukturen als zu grob bezeichnet werden. Die von ihm als zwingend postulierte Unveränderlichkeit der Module ist bei den relativ großen formalen Einheiten, von denen er ausgeht, nicht gegeben. Vers, Chorus und besonders Gitarrenriffs können in unzähligen Varianten existieren. Die von Berger (1999a) vorgenommene Charakterisierung der Death Metal-Tonalität mittels einer für den Hörer unerwarteten Verwendung von Chromatik und Tritonus kann, zumindest was die Chromatik betrifft, auf die musikalische Sprache des Heavy Metal im Allgemeinen übertragen werden. Ein häufiger Gebrauch des Tritonus bleibt dagegen dem Bereich des Extreme Metal vorbehalten. Bergers (1999a) Vorschlag einer „pitch axis“ erfährt über das Konzept der optischen Skalen eine Konkretisierung, die eine nicht modal oder diatonisch motivierte Auswahl aus dem Tonvorrat erklären kann. Der ansonsten in Kapitel III referierte musikwissenschaftliche Forschungsstand wird durch die vorliegende Untersuchung ergänzt und erweitert. Die methodische Entscheidung, den Parameter Klang beschreibend zu fassen, erweist sich im Nachhinein trotz der aufgezeigten Entwicklung als nicht befriedigend. Zu groß erscheint der in den gewählten Formulierungen immer enthaltene subjektive Anteil. Die Unterscheidung von Klang und Klangfarbe hat sich dagegen bewährt. In der Konsequenz haben sich damit auch die methodischen Bedenken gegenüber der Arbeit mit Klanganalysen bestätigt. Der konkrete Klang einer Klangfarbe, den Klanganalysen von auf Tonträgern veröffentlichten Äußerungen ausschließlich abbilden können, kann im Rahmen des Erwartungshorizontes von nachrangiger Bedeutung sein. Weitere Forschungen könnten beispielsweise Interviews mit Produzenten und Rezipienten der Musik einbeziehen und so die möglicherweise unterschiedliche Beurteilung des Klanges eines Tonträgers in die Interpretation der Klanganalyse integrieren. Die methodische Trennung von Genre und Stil ermöglicht eine musikwissenschaftliche Strategie der Immanenz, die die Diskussion der Bedeutung von Musik nicht negiert oder gering schätzt, sondern methodisch zurückstellt. Einige Möglichkeiten der Diskussion der Untersuchungsergebnisse unter ästhetischen Prämissen wurden im vorherigen Abschnitt vorgestellt. Die vielfältigen musikalischen Bezüge der analysierten Gruppen von Tonträgern zu- und aufeinander ergeben dabei einen Dialog, der stilbildend wirken kann. Gleichzeitig ist dieser Dialog nicht auf den Bereich des Heavy Metal beschränkt. Die deduzierte musikalische Sprache des Heavy Metal vermag den Idiolekt einer konkreten Band deshalb nur im Ausnahmefall vollständig zu beschreiben. Bakhtins am Sprechakt orientiertes Konzept der endlosen Kette von Äußerungen bietet – bei aller vorhandenen be-

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grifflichen Unschärfe mehrfach ineinander geschichteter komplexer und einfacher Äußerungen – ein analytisches Werkzeug, um aufzuzeigen, wie stark ein Erwartungshorizont oder ein Kompositionsmodell auf bestimmte Bereiche eines Traditionsstroms fokussiert ist. Dabei muss das Vokabular der musikalischen Sprache des Heavy Metal nicht als exklusiv zum Traditionsstrom des Heavy Metal zugehörig betrachtet werden. Jede Vokabel kann zumindest potentiell auch in anderen stilistischen Zusammenhängen gebraucht werden. Die Zugehörigkeit einer Äußerung zum Traditionsstrom des Heavy Metal ergibt sich somit aus dem Überwiegen des oben zusammengefassten formalen, spieltechnischen und klanglichen Vokabulars. Abschließend sei angemerkt, dass im Rahmen des gedachten Kontinuums von Hard Rock über Classic Metal zu Extreme Metal besonders an den Rändern des Kontinuums weitere Forschungsarbeiten nötig sind. Hier sind stilistisch stärker fokussierte Stichproben als Ausgangspunkt notwendig. Die geisteswissenschaftliche und journalistische Aufmerksamkeit, die gerade der Bereich des Extreme Metal aktuell genießt, könnte so musikanalytisch begleitet und befruchtet werden und bietet eine Möglichkeit der Verbindung von musikalischer Stilanalyse und musikalischer Bedeutung.

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Vansina, Jan (1985). Oral Tradition as History, Madison: University of Wisconsin Press. Volosinov, V. N. (1973). Marxism and the Philosophy of Language, Harvard University Press. von Georgi, R., Kraus, H., Cimbal, K. und Schütz, M. (eingereicht). „Persönlichkeit und Emotionsmodulation mittels Musik bei HeavyMetal Fans“, in: Musikpsychologie. Jahrbuch der Deutschen Gesellschaft für Musikpsychologie, hg. von K. E. Behne, G. Kleinen & H. de la Motte-Haber, Göttingen: Hogrefe. W., Moses (2007). Das rockt. Bekenntnisse eines Heavy Metal Fans, Berlin: Odium. Waksman, Steve (2004). „Metal, Punk, and Motörhead“, in: Echo: A Music-Centered Journal 6/2, online unter: www.echo.ucla.edu/volume 6-issue2/waksman/waksman1.html, Zugriff am 5.3.2009. Wall, Mick (1992). Guns N’Roses. Shotgun Blues, St. Ändrä-Wördern: Hannibal. Wall, Mick (1998). Run To The Hills: The Official Biography Of Iron Maiden, London: Sanctuary. Wall, Mick und Malcome Dome (2007). Metallica. Story und Songs kompakt, Bosworth: Berlin. Walser, Robert (1992). „Eruptions: heavy metal appropriations of classical virtuosity“, in: Popular Music 11, Vol. 3, S. 263-308. Walser, Robert (1993). Running With The Devil. Power, Gender and Madness in Heavy Metal Music, Hanover London: Wesleyan University Press. Walser, Robert (2003). „Popular music analysis: ten apothegms and four instances“, in: Analyzing Popular Music, hg. von Allan F. Moore, Cambridge University Press, S.16-38. Walser, Robert und Susan Mc Clary (1996). „Start Making Sense! Musicology Wrestles with Rock“ [1988], in: On Record, hg. von Simon Frith, London u.a.: Routledge. S. 275-292. Webber, William (1999). „The History of Musical Canon“, in: Rethinking Music, hg. von Nicholas Cook und Mark Everist, Oxford New York: Oxford University Press, S.336-355. Wehrli, Reto (2005). Verteufelter Heavy Metal: Skandale und Zensur in der neueren Musikgeschichte, Münster: Telos. Weindl, Dina (2005). Musik & Aggression: Untersucht anhand des Musikgenres Heavy Metal, Peter Lang: Frankfurt/Main. Weinstein, Deena (1991a). Heavy Metal – A Cultural Sociology, New York: Lexington. Weinstein, Deena (1991b). Heavy Metal – A Cultural Sociology [Neuauflage 2001], New York: Lexington.

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SCHWERMETALLANALYSEN

Weiß, Martin (2007) „Def Leppard – How To Rock (1)“, in: Guitar 7/07, S. 82-87. Welzer, Harald (Hg.) (2001). Das soziale Gedächtnis. Geschichte. Erinnerung. Tradierung, Hamburg: Hamburger Edition. Welzer, Harald (2002). Das kommunikative Gedächtnis. Eine Theorie der Erinnerung, München: Beck. Welzer, Harald (2005). „Über Engramme und Exogramme. Die Sozialität des autobiographischen Gedächtnisses“, in: Warum Menschen sich erinnern können. Fortschritte der interdisziplinären Gedächtnisforschung, hg. von Harald Welzer und Hans J. Markowitsch, Stuttgart: Klett-Cotta, S. 111-128. Whiteley, Sheila (2000). „Progressive Rock and Psychedelic Coding in the Work of Jimi Hendrix“, in: Reading Pop. Approaches to textual Analysis in Popular Music, hg. von Richard Middleton, Oxford University Press. S. 229-234. Wicke, Peter (2003). „Popmusik in der Analyse“, in: Acta Musicologica 75/1, S. 107-126. Wicke, Peter und Wieland Ziegenrücker (1987). Sachlexikon Popularmusik, Mainz München: Piper Schott. Wicke, Peter und Wieland Ziegenrücker (1989). Sachlexikon Popularmusik (Erweiterte Neuausgabe), Mainz München: Piper Schott. Wicke, Peter und Wieland Ziegenrücker (1997). Handbuch der populären Musik (CD-Rom), Mainz München: Schott Digitale Bibliothek. Wilkinson, Paul (2006). Rat Salad. Black Sabbath. The Classic Years 1969-1975, London: Pimlico. Winkler, Peter (1997). „Writing Ghost Notes. The Poetics and Politics of Transcription“, in: Keeping Score. Music, Disciplinarity, Culture, hg. von David Schwarz, Anahid Kassabian und Lawrence Siegel, Charlottesville/London: University Press of Virginia, S. 169-203. Wood, Linda A. und Rolf O. Kroger (2000). Doing Discourse Analysis. Methods for Studying Action in Talk and Text, Thousand Oaks London New Dehli: Sage.

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LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

Diskografie 50 Cent (2005). „Candy Shop“, auf: The Massacre, Interscope/Universal 602498851272. AC/DC (1974). Can I Sit Next To You Girl/Rockin’ In The Parlour, Albert Productions 10551. AC/DC (1975a). High Voltage (Aus.), Albert Productions 33538 [2004]. AC/DC (1975b). T.N.T (Aus.), Albert Productions 33392 [2004]. AC/DC (1976a). High Voltage, Atlantic Recording Corp. ATL 50257. AC/DC (1976b). Dirty Deeds Done Dirt Cheap, Atlantic Recording Corp. ATL 50 323. AC/DC (1977). Let There Be Rock, Atlantic Recording Corp. ATL 50366. AC/DC (1978a). Powerage, Atlantic Recording Corp. ATL 50483. AC/DC (1978b). If You Want Blood, You’ve Got It, Atlantic Recording Corp. ATL 50532. AC/DC (1979). Highway To Hell, Atlantic Recording Corp. ATL 50628. AC/DC (1980). Back In Black, Atlantic Recording Corp. ATL 50753. AC/DC (1981). For Those About To Rock, We Salute You, Atlantic Recording Corp. ATL 50851. AC/DC (1983). Flick Of The Switch, Atlantic Recording Corp. 7 80100 1. AC/DC (1984). ’74 Jailbreak, Atlantic Recording Corp. 7 80178 1. AC/DC (1985). Fly On The Wall, Atlantic Recording Corp. 7 81263 1. AC/DC (1986). Who Made Who, Atlantic Recording Corp. 7 81650 1. AC/DC (1988). Blow Up Your Video, Atlantic Recording Corp. 7 81828 1. AC/DC (1990). The Razor’s Edge, Atlantic Recording Corp. 7 91413 1. AC/DC (1992). Live, Atlantic Recording Corp. 7 92215 1. AC/DC (1995). Ballbreaker, EastWest Records 7559-61780-2. AC/DC (1997). Bonfire, EastWest Records 7559-62119-2. AC/DC (2000). Stiff Upper Lip, EastWest Records 7559-62494-2. AC/DC (2008). Black Ice, Columbia Records 88697392232. Accept (1982). „Fast As A Shark“, „Princess Of The Dawn“, auf: Restless And Wild, Portrait 39213. Accept (1983). Balls To The Wall, RCA PL 70186. Accept (1985). „Metal Heart“, auf: Metal Heart, Polydor 825 393-1. Adverts, The. (1977) Gary Gilmore’s Eyes (Single), Anchor Rec. ANC 1043. Aerosmith (1973). „Dream On“, auf: Aerosmith, CBS 65486. Aerosmith (1975). Toys In The Attic, Columbia Records 5099747496424 [1993]. Aerosmith (1976). Rocks, CBS Records CDCBS 32360. Aerosmith (1987). Permanent Vacation, Geffen Records 9 24162-1. Aerosmith (1997). Nine Lives, Columbia Records 68191.

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SCHWERMETALLANALYSEN

Amon Amarth (2002). Versus The World, Metal Blade Records 39841441024. Amon Amarth (2004) „Fate Of Norns“, auf: Fate Of Norns, Metal Blade Records 3984-14498-2. Amorphis (1994). Tales From The Thousand Lakes, Nuclear Blast Records NB 097-2 Annihilator (1989). Alice In Hell, Roadrunner Records RR 9488-2. Anthrax (1985). „Armed And Dangerous“, auf: Spreading The Disease, Megaforce Records/Ariola 257476. Anthrax (1987). „Among The Living“, auf: Among the Living, Megaforce/Island 90584. Anthrax (1988). State Of Euphoria, Universal 42284236324 [1995]. Apocalyptica (1996). Plays Metallica By Four Cellos, Mercury 532.707-2. Apocalyptica (2005). Apocalyptica, Universal 986 983-1. Arch Enemy (2005). „Taking Back My Soul“, auf: Doomsday Machine. Century Media 77583-2. Art Brut (2005). „My Little Brother“, auf: Bang Bang Rock & Roll, Fierce Panda NONG 038 CD. At The Gates (1992). The Red Sky Is Ours, Peaceville Records/SPV 80105 6709622 [2003]. At The Gates (1995). „Slaughter Of The Soul“, auf: Slaughter Of The Soul, Earache Records MOSH 143. Baez, Joan (1975). „Diamonds And Rust“, auf: Diamonds And Rust. A&M Records 64527. Bathory (1986). Under The Sign Of The Black Mark, Under One Flag FLAG 11. Beach Boys (1966/1990) Pet Sounds, Capitol Records C2-48421. Beatles, The (1967). Sergeant Pepper’s Lonely Hearts Club Band, Parlophone 46442. Berry Chuck (1958) „Johnny B. Goode“, auf: Chuck Berry Is On Top, Chess Records 9256. Black Sabbath (1970). Black Sabbath, Vertigo 832702-2. Black Sabbath (1970). Paranoid, Vertigo 6360 011. Black Sabbath (1971). Master of Reality, Vertigo 6360 050. Black Sabbath (1972). Vol.4, Vertigo 6360 071. Black Sabbath (1973). Sabbath Bloody Sabbath, Vertigo 6360 115. Black Sabbath (1975), Sabotage, Vertigo 9119 001. Black Sabbath (1976). Technical Ecstasy, Vertigo 9102 750. Black Sabbath (1978). Never Say Die, Vertigo 9102 751. Black Sabbath (1980a). Heaven and Hell, Vertigo 9102 752. Black Sabbath (1980b). Live at Last, Sanctuary Records SMRCD071. Black Sabbath (1981). Mob Rules, Vertigo 8307 777-2.

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LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

Black Sabbath (1982). Live Evil, Vertigo 826 881-2. Black Sabbath (1983). Born Again. Vertigo 814 271-2. Black Sabbath (1986). Seventh Star, Vertigo 826 704-2. Black Sabbath (1987). Eternal Idol, Vertigo 832 708-1. Black Sabbath (1989). Headless Cross, IRS Records 241005 1. Black Sabbath (1990). Tyr, EMI Music Germany 24 1070 1. Black Sabbath (1992). Dehumanizer, IRS Records CDP 7 13155-2. Black Sabbath (1994). Cross Purposes, IRS Records 07777 13222 2 8. Black Sabbath (1995a). Cross Purposes Live, IRS Reecords 7243 4 77806 08. Black Sabbath (1995b). Forbidden, IRS Records 7243 8 37532 2 2. Black Sabbath (1998). Reunion, Epic Records 69115. Black Sabbath (2002). Past Lives, Sanctuary Records 06076-84561-2. Black Sabbath (2007). The Dio Years, Rhino Entertainment Company/ Warner Bros. Records 8122-79992-4. Blind Guardian (1995). „Mordred’s Song“, auf: Imaginations From The Other Side, Virgin Records 7243 8 40337 2 9. Blind Guardian (1998). Nightfall On Middle Earth, Virgin Records 7243 8 45899 2 9. Blitzkrieg (1980). Buried Alive/Blitzkrieg (Single), Neat Records 10. Blue Cheer (1968). „Second Time Around“, auf: Vincebus Eruptum, India Media/ Rough Trade 823566009429 [2005]. Blue Öyster Cult (1976). Agents Of Fortune, Columbia Records 509975022 3727 [2001]. Blunt, James (2004). „You’re Beautiful“, auf: Back To Bedlam, Atlantic Recording Corp. 7567-93451-2. Bon Jovi (1986). „Wanted Dead Or Alive“, auf: Slippery When Wet, Mercury Records 830 264-1. Bon Jovi (1994). Cross Road, Mercury Records 522 936-2. Boomtown Rats, the (1977). The Boomtown Rats, Mercury Records 1188. Boston (1976). „More Than A Feeling“, auf: Boston, Epic Records EPC 32038. Cannibal Corpse (1991). Butchered At Birth, Metal Blade Records 39841417227 [1996]. Cannibal Corpse (1992). Tomb Of The Mutilated, Metal Blade Records 3984-14003-2. Cannibal Corpse (2002). „Hatches To The Head“, auf: Gore Obsessed, Metal Blade Records 3984-14390-2. Carcass (1994). Heartwork, Earache Records MOSH 97. Celtic Frost (1984). Morbid Tales, Noise International/SPV 60-1673. Celtic Frost (1987). Into The Pandemonium, Noise International N 0065.

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SCHWERMETALLANALYSEN

Chemical Brothers (2005). „Galvanize“, auf: Push The Button, Virgin Records/EMI 724356330221. Clover (1977). Love On The Wire, Vertigo 6360155. City Boy (1976). City Boy, Mercury Records 1098. Cream (1967) „Sunshine Of Your Love“, auf: Disraeli Gears, Reaction/ Polydor 594003. Cream (1968). „Sitting On Top Of The World“, „Toad“, „White Room“, auf: Wheels Of Fire, Polydor 583 031/2. Cult, The (1989). Sonic Temple, Beggars Banquet BEGA 98 CD. Darktthrone (1991). A Blaze In The Nothern Sky, Peaceville Records VILE28-CD. Deadlock (2008). „The Brave/Agony Applause“, auf: Manifesto, Lifeforce Records 088. Death (1987). Scream Bloody Gore. Under On Flag FLAG 12. Deep Purple (1970). „Flight Of The Rat“, auf: In Rock, Harvest 1A 038-15 7505 1. Deep Purple (1971). „Fireball“, auf: Fireball, Harvest 1C 062-92 726. Deep Purple (1972a). „ Highway Star“, „Maybe I’m A Leo“, „Pictures Of Home“, „Smoke On The Water“, auf: Machine Head, Purple Rec/EMI 5C 064-93261. Deep Purple (1972b). „Space Truckin’“, „Strange Kind Of Woman“, auf: Made In Japan, Purple/EMI 164-7941831. Deep Purple (1974). Burn, Purple Rec/EMI 1C 062-94 837. Deep Purple (1974). Strombringer, Purple Rec/EMI 1C 072-96 004. Deep Purple (1984). Perfect Strangers, Polydor 42282377722. Def Leppard (1980). On Through The Night, Vertigo 42282253323 [1987]. Def Leppard (1981). High’N’Dry, Vertigo 42281883620. Def Leppard (1983). „Photograph“, auf: Pyromania, Vertigo 42281030826. Def Leppard (1987). Hysteria, Mercury Records 42283067554 [1993]. Deftones (2000). White Pony, Warner Brothers Music Group 93624766728 Diamond Head (1980). „Helpless“, auf: Lighning To The Nations, wiederveröffentlicht als The White Album (2001), Sanctuary Records/Rough Trade 5050159123926. Dickinson, Bruce (1990). Tattooed Millionaire, EMI 0777 7 94273 2 1. Dickinson, Bruce (1994). Balls To Picasso, EMI 7243 8 29682 2 1. Dickinson, Bruce (1997). Accident Of Birth, CMC International 86217. Dickinson, Bruce (1998). The Chemical Wedding, CMC International 862 59. Dickinson, Bruce (2005). Tyranny Of Souls, Sanctuary 06076-84753-2. Diddley, Bo (1958). „Bo Diddley“, „Pretty Thing“, „Mona“, auf: I’m A Man, WZ 90139.

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LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

Dimmu Borgir (1997). Enthrone Darkness Triumphant, Nuclear Blast Records NB 247-2. Dimmu Borgir (2003). „Progenies Of The Great Apocalypse“, auf: Death Cult Armageddon, Nuclear Blast Records NB 1047-2. Dio (1983). „Stand Up And Shout“, auf: Holy Diver Vertigo 8110212. Dio (1984). The Last In Line, Vertigo 42282236623. DJ Assault (1997). „Ass-N-Titties“, auf: The Ass-N-Titties EP, Assault Rifle AR 00002. DJ Funk (1995). „Work it“, auf: Pump’n The Trax, Dance Mania DM001-2 Dokken (1984). Tooth And Nail, Elektra Records 960 376-1. Dokken (1987). „Kiss Of Death“, auf: Back For The Attack, Elektra Records 60735-2. Dream Theater (1992). Images & Words, EastWest Records 75679214829. Dream Theater (1999). Metropolis Pt.2: Scenes From A Memory, Elektra Records 62448. Dylan, Bob (1967). „The Ballad Of Frankie Lee And Judas Priest“, auf: John Wesley Harding, Columbia Records 09604. Easybeats, the (1966). „Friday On My Mind“, auf: The Best Of, Repertoire Records REP 4542-WG [1995]. Edguy (2004). Hellfire Club, Nuclear Blast Records NB 1244-2. Edguy (2006). Rocket Ride, Nuclear Blast Records NB 1627-2. Edguy (2008). „Ministry Of Saints“, auf: Tinnitus Sanctus, Nuclear Blast Records NB 2179-0. Emperor und Enslaved (1993). Emperor/Hordanes Land, Candlelight Records Candle1/2CD. Emperor (1994). „I Am The Black Wizards“, auf: In The Nightside Eclipse, Candlelight Records Candle008CD. Emperor (1997). Anthems To The Welkin At Dusk, Candlelight Records Candle023CD. Exodus (1985). Bonded by Blood, Roadrunner Records RR9787. Fates Warning (1985). „The Apparition“, auf: The Spectre Within, Metal Blade Records 3984-14054-2. Fates Warning (1988). No Exit, Metal Blade Records D1-73330. Fates Warning (1991). Parallels, Metal Blade Records 39841701128 [1996]. Fear Factory (1995). Demanufacture, Roadrunner Records RR 8956-2. Fight (1994). War Of Words, Sony Music Entertainment 57372. Fleetwood Mac (1970/2002). „The Green Manalishi (With The TwoPronged Crown)“, auf: The Best Of Peter Green’s Fleetwood Mac Columbia Records 510155 2. Flotsam & Jetsam (1986). Doomsday For The Receiver, Metal Blade Records 3984-14077-2.

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SCHWERMETALLANALYSEN

Focus (1971). „Hocus Pocus“, auf: Moving Waves Sire Records 7401. Free (1970). „Allright Now“, auf: Fire And Water, Island Records 88019 ET. Forbidden (1988). Forbidden Evil, Under One Flag FLAG 27. Forbidden (1990). Twisted Into Form, Under One Flag FLAG 43. Gillan (1981). Future Shock, Edsel Records EDSS 1005 [2007]. Glitter, Gary (1972). „Rock’n’Roll Part One“, auf: Glitter, Bell Records 2308 048. Grand Funk Railroad (1971). Survival, Capitol Records 724354172526 [2003]. Guns N’Roses (1987). Appetite For Destruction, Geffen Records GED 24148. Guns N’Roses (1988). G N’R Lies, Geffen Records GED 24198. Guns N’Roses (1991a). Use Your Illusion I, Geffen Records GED 24415. Guns N’Roses (1991b). Use Your Illusion II, Geffen Records GED 24420. Guns N’Roses (1993). The Spaghetti Incident?, Geffen Records GED 24617. Guns N’Roses (1999). Live Era: ’87-’93, Geffen Records 490514 2. Guns N’Roses (2008). Chinese Democracy, Geffen Records 0602511790 6075. Halford (2000). Ressurrection, Metal-Is/BMG 52004. Haunted, the (1998). The Haunted, Earache Records MOSH 197 CD. Haunted, the (2000). The Haunted Made Me Do It, Earache Records MOSH 241 CD. Haunted, the (2004). „99“, auf: rEVOLVEr, Century Media 77488-8. Hawkins, Screaming Jay (1957) „I Put A Spell On You“, auf: Frenzy (1989), Edsel ED CD 104. Heaven & Hell (2007). Live At Radio City Music Hall, SPV 98102 2CD. Heaven & Hell (2009). The Devil You Know, Roadrunner Records RR 7853-8. Helloween (1988). Keeper Of The Seven Keys II, Noise International N 0117-3. Hendrix, Jimi (1967). Are Your Experienced?, Polydor 731452103628 [1993]. Hendrix, Jimi Experience, the (1968). Electric Ladyland, Universal 881116 0029 [1997]. Howlin’ Wolf (1961). „I Ain’t Superstitious“, auf: V.A., The Chess Box – Willie Dixon (1997), Chess Records/MCA Records/Sony BMG Entertainment GmbH 76731650029. Howlin’ Wolf (1962). „Spoonful“, auf: V.A., The Chess Box – Willie Dixon (1997), Chess Records/MCA Records/Sony BMG Entertainment GmbH 76731650029.

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LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

Immortal (1995). Battles In The North, Osmose Productions OP027. Immortal (1997). Blizzard Beasts, Osmose Productions OP051. In Flames (1996). The Jester Race, Nuclear Blast Records NB 168-2. In Flames (1997). Whoracle, Nuclear Blast Records NB 284-2. In Flames (2000) „Only For The Weak“, auf: Clayman, Nuclear Blast Records NB 499. In Flames (2002). Reroute To Remain, Nuclear Blast Records NB 624-2. Iron Butterfly (1968) „In-A-Gadda-Da-Vida“, auf: In-A-Gadda-Da-Vida, Atlantic Recording Corp. ATL 40 022. Iron Maiden (1979). The Soundhouse Tapes (EP), Rock Hard 1. Iron Maiden (1980). Iron Maiden, EMI 1C 064-07 26. Iron Maiden (1981). Killers, EMI 1C 064-07 450. Iron Maiden (1982). The Number Of The Beast, 1C 064-07608. Iron Maiden (1983). Piece Of Mind, EMI 1A 064-07724. Iron Maiden (1984). Powerslave, EMI 064-24 0200-1. Iron Maiden (1985). Life After Death, EMI 1C 162-2404261. Iron Maiden (1986). Somewhere In Time, EMI 1C 062-24 0594 1. Iron Maiden (1988). Seventh Son Of A Seventh Son, EMI 064-79 0258-1. Iron Maiden (1990). No Prayer For The Dying, EMI 068-79 5142-1. Iron Maiden (1992). Fear Of The Dark, EMI CDP 7 99161 2. Iron Maiden (1993a). Live At Donington, EMI 7243 8 27511 2 0. Iron Maiden (1993b). A Real Live One, EMI 0777 7 81456 2 2. Iron Maiden (1993c). A Real Dead One, EMI 0777 7 89248 2 1. Iron Maiden (1995). The X Factor, EMI 7243 8 35819 2 4. Iron Maiden (1998). Virtual XI, EMI 7243 4 93915 2 9. Iron Maiden (2000). Brave New World, EMI 7243 5 26605 2 0. Iron Maiden (2002a). Rock In Rio, EMI 7243 5 38543 0 9. Iron Maiden (2002b). Eddie’s Archive, EMI 7243 5 41277 2 4. Iron Maiden (2003). Dance Of The Death, EMI 593 010 2. Iron Maiden (2005). Death On The Road, EMI 336 437 1. Iron Maiden (2006). A Matter Of Life And Death, EMI 0946 3 72324 2 2. Jackson, Wanda (1958) „Let’s Have A Party“, auf: Wanda Jackson, Capitol Records 1041. James, Tommy And The Shondells (1968) „Crimson And Clover“, auf: Crimson & Clover, Roulette Records 42023. Jethro Tull (1971). Aqualung, Chrysalis Records 724349540125 [1996]. Jethro Tull (1982). The Broadsword And The Beast, Chrysalis Records 9463213802 [1990]. Judas Priest (1974). Rocka Rolla, Gull GULP 1005. Judas Priet (1976). Sad Wings Of Destiny, Gull GULP 1015. Judas Priest (1977). Sin After Sin, CBS 32005. Judas Priest (1978a). Stained Class, CBS 82430.

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SCHWERMETALLANALYSEN

Judas Priest (1978b). Killing Machine aka Hell Bent For Leather, CBS 83135 aka Columbia Records 35706. Judas Priest (1979). Unleashed In The East, CBS 83852. Judas Priest (1980). British Steel, CBS 84160. Judas Priest (1981). Point Of Entry, CBS 84834. Judas Priest (1982). Screaming For Vengeance, CBS 85941. Judas Priest (1984). Defenders Of The Faith, CBS 25713. Judas Priest (1986). Turbo, CBS 4633651. Judas Priest (1987). Priest Live, CBS 450639 1. Judas Priest (1988). Ram It Down, CBS 4611081. Judas Priest (1990). Painkiller, CBS 4672901. Judas Priest (1997). Jugulator, Steamhammer/SPV 085-18782. Judas Priest (1998). ’98 Live Meltdown, Steamhammer/SPV 089-1854 2. Judas Priest (2001b). Demolition, Steamhammer/SPV 085-72422 Judas Priest (2003b). Live In London, Steamhammer/SPV 092-74262. Judas Priest (2005b). Angel Of Retribution, Sony Music Entertainment 519 300 2. Judas Priest (2008). Nostradamus, Sony Music Entertainment 88697 315 59 2. King Crimson (1969). „21st Century Schizoid Man“, auf: In The Court Of The Crimson King, Island Records 85796 IT. King Crimson (1974). Starless And The Bible Back, Island Records 87751 IT. King Diamond (1986). Fatal Portrait, Roadrunner Records RR 9721. King Diamond (1987). Abigail, Roadrunner Records RR 34 9622. King Diamond (1988). Them, Roadrunner Records RR 9550 1. Kinks, the (1964). „You Really Got Me“, auf: 20 Golden Greats (1978), Pye Records/Ronco RPL 2031. Kiss (1976). Destroyer, Mercury Records 731453237827 [1997]. L.A. Guns (1988). L.A.Guns, Vertigo 834 144-2. Led Zeppelin (1968). „Communication Breakdown“, Good Times Bad Times“, auf: Led Zeppelin Atlantic Recording Corp. 7567-81525-2. Led Zeppelin (1969). „Moby Dick“, „Whole Lotta Love“, auf: Led Zeppelin II, Atlantic Recording Corp. 7567-82633-2. Led Zeppelin (1971). „Misty Mountain Hop“, „Stairway To Heaven“, auf: Led Zeppelin IV, Atlantic Recording Corp. 7567-82638-2. Led Zeppelin (1973). Houses Of The Holy, Atlantic Recording Corp. 756782639-2. Led Zeppelin (1975). „Houses Of The Holy“, auf: Physical Graffiti, Swan Song/Atlantic Recording Corp. 7567-92442-2. Led Zeppelin (1976). „Moby Dick“, auf: The Song Remains The Same, Swan Song/Atlantic Recording Corp. 7567-90303-2.

336

LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

Led Zeppelin (1979). In Through The Out Door, Swan Song/Atlantic Recording Corp. 7567-92443-2. Led Zeppelin (1982). Coda, Swan Song/Atlantic Recording Corp. 7567-92 444-2. Legion Of The Damned (2006). Malevolent Rapture, Massacre Records 0498. Legion Of The Damned (2008). „Cult Of The Dead“, auf: Cult Of The Dead, Massacre Records 0602. Linkin Park (2000). Hybrid Theory, Warner Brothers Music Group 936247 75522. Little Richard (1956). „Rip It Up“, auf: Here’s Little Richard, Specialty Records SPS-2100. Lynyrd Skynyrd (1974). „Sweet Home Alabama“, auf: Second Helping, MCA Records 413. Machine Head (1994). Burn My Eyes, Roadrunner Records 9016-2. Mad Professor (1995). „Dubbing Jah“, auf: In A Rub A Dub Style (aufgenommen 1983), TKO Magnum Music CDBM 105. Manowar (1982). Battle Hymns, Liberty Records 1C 038 15 7630 1. Manowar (1984). Hail To England, Roadrunner Records 9865. Manowar (1988). Kings Of Metal, Atlantic Recording Corp. 7567-81930-2. Manowar (2002), „Warriors Of The World“, auf: Warriors Of The World, Nuclear Blast Records NB 715-2. Mayhem (1994). De Mysteriis Dom Sathanas, Deathlike Silence Productions Anti-Mosh 006. MC 5 (1969). Kick Out The Jams, Elektra Records ELK 22 022. MC 5 (1970). Back In The USA, Rhino Entertainment Company R2 71033 [1992]. Megadeth (1985). Killing Is My Business ... And Business Is Good, Combat Records MX 8015. Megadeth (1986). Peace Sells ... But Who’s Buying, Capitol Records 240626 1 Megadeth (1988). So Far, So Good ... So What?, Capitol Records 7481481. Megadeth (1990). Rust In Peace, Capitol Records 79 19352. Megadeth (1992). Countdown To Extinction, Capitol Records 07777 98531 13 Megadeth (1994). „A Tout Le Monde“ auf: Youthanasia, Capitol Records 7243 8 29004 1 2. Megadeth (1995). Hidden Treasures, Capitol Records CDP 533670. Megadeth (1997a). „She Wolf“ auf: Cryptic Writings, Capitol Records 7243 8 38262. Megadeth (1997b/98). Live Trax Japan I + II, Capitol Records Japan (unbekannt).

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SCHWERMETALLANALYSEN

Megadeth (1999). Risk, Capitol Records 7243 4 99134 0 0. Megadeth (2000).„Kill The King“ auf: Capitol Punishment: The Megadeth Years, Capitol Records 7243 5 25916 2 6. Megadeth (2001). The World Needs A Hero, Sanctuary Records 0607684503-2. Megadeth (2002a). Rude Awakening, Sanctuary Records 84544. Megadeth (2002b). Still Alive... And Well?, Metal-is Records MISCD024. Megadeth (2004). The System Has Failed, Sanctuary Records 0607684708-2. Megadeth (2007a). United Abominations, Roadrunner Records RR 8029-2. Megadeth (2007b). That One Night: Live In Buenos Aires, Image Entertainment 3082. Megadeth (2009). Endgame, Roadrunner Records RR 7885-2. Melvins (1992). „Hung Bunny“, auf: Melvins, Boner Records BR35-1. Melvins (1993). Houdini, Atlantic Records 7567-82532-2. Mercyful Fate (1983). „Melissa“, auf: Melissa, Roadrunner Records 9898. Metallica (1982a). „Hit The Lights“, auf: V.A. Metal Masscare Metal Blade Records MB-001. Metallica (1982b). Power Metal, auf: No Life ’Til Power, Leather Head Records WSR-10001 (Inoffizielle Veröff.). Metallica (1982c). No Life’Till Leather auf: No Life ’Til Power, Leather Head Records WSR-10001 (Inoffizielle Veröff.). Metallica (1982d). Metal Up Your As, Music For Nations MFN 7-1 (Inoffizielle Veröff.). Metallica (1983). Kill ’Em All, Music For Nations MFN7. Metallica (1984). Ride The Lightning, Music For Nations MFN 27. Metallica (1986). Master Of Puppets, Music For Nations MFN 060. Metallica (1987). The $5.98 E.P.: Garage Days Re-Revisited, Mercury Records 888 788-1. Metallica (1988). ... And Justice For All, Vertigo 836062 2. Metallica (1991). Metallica, Vertigo 510 022-2. Metallica (1996). Load, Vertigo 532 618-2. Metallica (1997). ReLoad, Vertigo 536 409-2. Metallica (1998). Garage Inc., Vertigo 538 351-2. Metallica (1999). S&M, Vertigo 546 797-2. Metallica (2003). St.Anger, Vertigo 0602498653272. Metallica (2008). Death Magnetic, Vertigo 00602517737280. Michael Schenker Group (1982). Assault Attack, Chrysalis Records 946321 39320 [1991]. Ministry (1992). Psalm 69, Warner Brothers Music Group 75992672726. Montrose (1973). Montrose, Warner Brothers Music Group 3106-2. Morbid Angel (1993). Convenant, Earache Records MOSH 81 CD.

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LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

Mötley Crüe (1982). Too Fast For Love, Elektra Records E2 60174. Mötley Crüe (1982). „Looks That Kill“, „Red Hot“, auf: Shout At The Devil, Elektra Records 96-0289-1. Mötley Crüe (1989). „Kickstart My Heart“, auf: Dr.Feelgood, Elektra Records 9 60829-1. Mötley Crüe (2000). New Tattoo, Motley / Beyond 8120. Motörhead (1977). Motörhead, Chiswick Records 2. Motörhead (1979a). Overkill, Bronze Records BRNA 515. Motörhead (1979b). Bomber, Bronze Records BRNA 523. Motörhead (1979c). On Parole, Liberty Records 1004. Motörhead (1980). Ace Of Spades, Bronze Records BRNA 531. Motörhead (1981). No Sleep ’Til Hammersmith, Bronze Records BRNA 535. Motörhead (1982). Iron Fist, Bronze Records BRNA 539. Motörhead (1983). Another Perfect Day, Bronze Records BRNA 546. Motörhead (1984). No Remorse, Bronze Records / Pro Motor 1. Motörhead (1986). Orgasmatron, GWR GWLP 1. Motörhead (1987). Rock’n’Roll, GWR GWLP 14. Motörhead (1988). No Sleep At All, GWR GWLP 31. Motörhead (1991). 1916, Epic Records 467481. Motörhead (1992). March Ör Die, Epic Records 471723. Motörhead (1993). Bastards, ZYX Records 20263-1. Motörhead (1995). Sacrifice, CMC International 7803. Motörhead (1996). Overnight Sensation, CMC International 86207. Motörhead (1998). Snake Bite Love, CMC International 86238. Motörhead (1999). Everything Louder Than Everyone Else, CMC International 86268. Motörhead (2000). We Are Motörhead, CMC International 86292. Motörhead (2002). Hammered, Steamhammer/SPV 08574062. Motörhead (2003). Live At Brixton Academy, Steamhammer/SPV 089726 22. Motörhead (2004). Inferno, Steamhammer/SPV 08569742. Motörhead (2005a). BBC Live & In-Session, Sanctuary Records 237. Motörhead (2005b) „Whiplash“, auf: V.A. Metallic Attack: Metallica: The Ultimate Tribute Album, Big Deal Records 1700. Motörhead (2006). Kiss Of Death, Steamhammer/SPV 99910. Motörhead (2007). Better Motörhead Than Death: Live At Hammersmith, Steamhammer/SPV 98172. Motörhead (2008). Motörizer, Steamhammer/SPV 91630 CD. Mountain (1969). Climbing, Columbia Records 5099751071921 [2003]. Mountain (1971). Nantucket Sleighride, Columbia Records 50997510 7182 2 [2003].

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SCHWERMETALLANALYSEN

Nevermore (1999). „Dreaming Neon Black“, auf: Dreaming Neon Black, Century Media 77191-2. Nevermore (2005). This Godless Endeavour, Century Media 77510-2. Nirvana (1989). Bleach, Sup Pop Records SP 34. Nirvana (1991). „Come As You Are“, auf: Nevermind, Geffen Records 720 642442524. Nugent, Ted (1977) „Cat Scratch Fever“, auf: Cat Scratch Fever, Epic Records 34700. Opeth (1995). Orchid, Candlelight Records Candle010CD. Opeth (2003). Damnation, Pinnacle/Rough Trade 5016583129422. Opeth (2005). Ghost Reveries, Roadrunner Records RR 8123-2. Osbourne, Ozzy (1980). „Mr. Crowley“, auf: Blizzard Of Ozz, Jet Records JZ 36812. Osbourne, Ozzy (1981). Diary Of A Madman, Jet Records JETLP 237. Osbourne, Ozzy (1986). The Ultimate Sin, Epic Records EPC 26404. Osbourne, Ozzy (1991). No More Tears, Epic Records 467859 2. Overkill (1986). Feel The Fire, Megaforce/Noise International N 0035 . Overkill (1989): The Years Of Decay, Megaforce Worldwide/Atlantic Recording Corp. 782045-2. Pantera (1990). „Primal Concrete Sledge“, „Pyscho Holiday“, auf: Cowboys From Hell, ATCO Records 7567-91372-1. Pantera (1992). „This Love“, auf: Vulgar Display Of Power, ATCO Records 7567-91758-2. Pantera (1994). „5 Minutes Alone“, auf: Far Beyond Driven, East West Records 7567-92302-1. Pantera (2000). „Revolution Is My Name“, auf: Reinventing The Steel, Elektra Records 7559-62451-1. Parker, Graham (1976). Heat Treatment, Mercury Records 1117. Pink Floyd (1975). Wish You Were Here, EMI 724382975021 [1994]. Possessed (1985). Seven Churches, Roadrunner Records 9757-2. Queen (1975). A Night At The Opera, Parlophone Records/EMI 946338 47 828 [2005]. Queensrÿche (1984). „Queen Of The Reich“, auf: Queensrÿche Ep, Capitol Records 190064. Queensrÿche (1988). „Breaking The Silence“, „Suite Sister Mary“, auf: Operation: Mindcrime, EMI-Manhattan Records 7 48640 1. Rage Against The Machine (1992). Rage Against The Machine, Epic Records 5099747222474 [2004]. Rainbow (1975). Rainbow, Polydor 2391 190. Rainbow (1976). „Stargazer“, auf: Rising, Polydor 2391 224. Rainbow (1977). On Stage, Polydor 2672 038. Rainbow (1978). Long Live Rock’n’Roll, Polydor 2391 335.

340

LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

Rainbow (1979.) Down To Earth, Polydoe 2490 151. Rolling Stones, The (1968). „Sympathy for the Devil“, auf: Beggar’s Banquet, Decca SLK 16 570-P. Rolling Stones, The (1971). „Can’t You Hear Me Knocking“, auf: Sticky Fingers, Rolling Stones/Virgin Records CDV 2730. Rolling Stones (1972). Exile On Mainstreet, Rolling Stones/Virgin Records CDV 2731. Rolling Stones (2005). „Rain Fall Down“, auf: A Bigger Bang, Virgin Records/EMI 94633006720. Rose Tattoo (2007). „Once In A Lifetime“, auf: Blood Brothers, Armageddon Music AMG 059-2. Roth,David Lee (1986). Eat’Em And Smile, Warner Brothers Music Group 75992547024. Roth, David Lee (1988). Skyscraper, Warner Brothers Music Group 75992 582421. Rush (1976). 2112, Mercury Records 731453462625 [1997]. Rush (1978). „La Villa Strangiato“, auf: Hemispheres, Anthem Entertainment/Mercury Records 534629-2. Rush (1981). Moving Pictures, Mercury Records 731453463127 [1997]. Rush (1993). Counterparts, WEA International 7567-82528-2. Samson (1981). Shock Tactics, RCA Records 5031. Savatage (1985) „Power Of The Night“, auf: Power Of The Night, Atlantic Recording Corp. 7812471. Savatage (1987). Hall Of The Mountain King, Atlantic Recording Corp. 7567-81775-2. Savatage (1990). Gutter Ballett, Atlantic Recording Corp. 782 008-2. Scorpions, The (1975). In Trance, RCA Schallplatten GmbH NL 70028. Scorpions, The (1978). Tokyo Tapes, RCA Schallplatten GmbH CL 28331. Scorpions, The (1982). Blackout, Harvest/EMI 1C 064-64 686. Scorpions, The (1984). „Still Loving You“, auf: Love At First Sting, Harvest/EMI 1C 064-24 0007 1. Screaming Blue Messiahs, The (1987). Bikini Red, Elektra Records 60755. Sepultura (1989). Beneath The Remains, Roadrunner Records RO9511-1. Sepultura (1993). Chaos A.D.,Roadrunner Records 9000-1. Sex Pistols, The (1977) „Anarchy In The UK“, „God Save The Queen“, auf: Nevermind The Bollocks, Here’s The Sex Pistols, Virgin Records 25593-270. Sinatra, Nancy (1966). „These Boots Are Made For Walking“, auf: Boots, Sundazed/Bear Family Records Gmbh 90771605221 [2005]. Slayer (1983). Show No Mercy, Metal Blade Records MBR 1013. Slayer (1984). Haunting The Chapel, Metal Blade Records 71083-1. Slayer (1985a). Live Undead, Metal Blade Records 72217-4.

341

SCHWERMETALLANALYSEN

Slayer (1985b). Hell Awaits, Metal Blade Records MBR 1040. Slayer (1986). Reign In Blood, DefJam Recordings GHS 24131. Slayer (1988). South Of Heaven, DefJam Recordings GHS 24203. Slayer (1990). Seasons In The Abyss, Def American Recordings 846 871-1. Slayer (1991. Decade Of Aggression, American Recordings 314 586 799-2. Slayer (1994). Divine Intervention, American Recordings 74321 23677 2. Slayer (1996). Undisputed Attitude, American Recordings 5051011-60362-4. Slayer (1998). Diabolus In Musica, American Recordings 491302 2. Slayer (2001). God Hates Us All, American Recordings 314 586 332-2. Slayer (2003a). Soundtrack To The Apocalypse, American Recordings 0001 51902. Slayer (2006a). Eternal Pyre, American Recordings 5439156852. Slayer (2006b). Christ Illusion, American Recordings 88697 12160 1. Slayer (2009). World Painted Blood, American Recordings 88697 61491 2. Slipknot (1999). Slipknot, Roadrunner Records 8655-9. Slipknot (2001). Iowa, Roadrunner Records RR 12 085642. Small Faces (1966). „You Need Lovin’“, auf: Small Faces – 40th Anniversary Edition (2006), Universal 602498417218. Soundgarden (1991). Badmotorfinger, A&M Records 82839537421. Spooky Tooth (1969): „Better By You, Better By Me“, auf: Spooky Two. A&M Records 4194. Status Quo (1977). Quo Live!, Vertigo 6641 590. Steppenwolf (1968). „Born To Be Wild“, auf: Steppenwolf, MCA Records MCD01857 [1990]. Stooges, the (1970). Fun House, Elektra Records ELK 42055. Stooges, the (1973). Raw Power, Embassy Records EMB 31464. Suicidal Tendencies (1990). Lights ... Camera ... Revolution, Epic Records 46 65691 . Sweet, The (1973). „Hellraiser“, auf: The Sweet, Bell Records 1125. Ten Years After (1970). „Love Like A Man“, auf: Cricklewood Green, Chrysalis Records 21084 [1990]. Testament (1999). The Gathering, USG Records 1033-2. Thin Lizzy (1976). „Emerald“, auf: Jailbreak, Vertigo 9102 008. Thin Lizzy (1978). Live & Dangerous, Vertigo/Mercury Records 532297-2 [1996]. Thin Lizzy (1983). Thunder & Lightning, Vertigo 42281049026 [1990]. Tool (1996). Aenima, BMG Zoo 614223114422. Trivium (2008). „Down From The Sky“, auf: Shogun, Roadrunner Records 7985-8. Type O Negative (1993). Bloody Kisses, Roadrunner Records 9100-2.

342

LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

Uriah Heep (1970). „Gypsy“, auf: Very’Eavy Very’Umble, Bronze Records 28763 ET. Uriah Heep (1971). Look At Yourself, Bronze Records 85703 XOT. Uriah Heep (1972). Demons And Wizzards, Bronze Records 86185 IT. Van Halen (1978). „Runnin’ With The Devil“, auf: Van Halen, Warner Brothers Music Group 56 470. Van Halen (1979). Van Halen II, Warner Brothers Music Group 7599 2739122 [1987]. Van Halen (1980). Women And Children First, Warner Brothers Music Group 7599 2341523 [1988]. Van Halen (1981). Fair Warning, Warner Brothers Music Group 7599 2354028 [1988]. Van Halen (1983). 1984, Warner Brothers Music Group 7599 239854. Vanilla Fudge (1967). „You Keep Me Hangin’ On“, auf: Vanilla Fudge, ATCO Records 33-224-2 [1990]. Venom (1982). „Black Metal“, auf: Black Metal, Neat Records Neat 1005. Waters, Muddy (1954). „Hoochie Coochie Man“, auf: V.A., The Chess Box – Willie Dixon, (1997) Chess Records/MCA Records/Sony BMG Entertainment GmbH 76731650029. Waters, Muddy (1962). „You Need Love“, auf: V.A., The Chess Box – Willie Dixon, (1997) Chess Records/MCA Records/Sony BMG Entertainment GmbH 76731650029. West, Kanye (2005). „Golddigger“, auf: Late Registration, Roc-a-Fella/Def Jam Records/Universal 602498824016. Wishbone Ash (1970). Wishbone Ash, MCA 510 002 Yes (1970). Time And A Word, Atlantic Recording Corp. 75678268120 [1994].

Filmografie AC/DC (1992). Live At Donington, Epic 56963. AC/DC (1996/2001). No Bull, Elektra / Asylum 40192. AC/DC (2005). The Family Jewels, Epic 58843. Berlinger Joe und Bruce Sinofsky (2005a). Metallica: Some Kind Of Monster, Paramount Pictures P452724. Berlinger, Joe und Bruce Sinofsky (2005b). Paradise Lost. The Child Murders at Robin Hodd Hills/Revelations. Paradise Lost 2, Warpfilms 0106160049. Black Sabbath (2002). The Black Sabbath Story Vol 1 [1991], Sanctuary SVEM0051. Black Sabbath (2005). Rock Milestones – Black Sabbath’s Paranoid, Edgehill Publishing RMS 1927.

343

SCHWERMETALLANALYSEN

Black Sabbath und Blue Öyster Cult (2004). Black And Blue [1981], Universal 0602 498233962. Carruthers, Dick (2007). Heavy Metal – Louder Than Life, MMV metropolis group/Fremantle Media 06448753719. Dunn, Sam und Scott McFayden (2006). Metal – A Headbanger’s Journey, Constantin Film HC083678. Dunn, Sam und Scott McFayden (2008). Global Metal, Universal Pictures Group UPG 5050582566116. Figgis, Mike (2003). Red, White and Blues – wie die Briten den Blues neu erfanden, MC One GmbH 62 3 3008 B3099. Geiger, Andreas (2004). Heavy Metal auf dem Lande, Filmtank/Warner Music Group. Guns N’Roses (2003). Welcome To The Videos [1998], Geffen 000091609. Herek, Steven (2002). Rock Star, BMG UFA 74321 89970 9. Iron Maiden (2001). Classic Albums: The Number Of The Beast, Eagle Vision EREDV229. Iron Maiden (2004). The History Of Iron Maiden Part 1: The Early Years, EMI 7243 5 443137 9 1. Judas Priest (2001a). Classic Albums – British Steel, Eagle Vision EREDV163. Judas Priest (2002). Live in London, SPV 554-74267. Judas Priest (2003a). Electric Eye, Sony 202193 9. Judas Priest (2005a). Rising in the East, Rhino HS 1350. Judas Priest (2006). Live Vengeance ’82, Sony/BMG 82876749109. Megadeth (2002). Rude Awakening, Sanctuary Records 06071-88320-9. Megadeth (2004). Video Hits, Capitol Records 7243 5 99770 9 6. Megadeth (2006). Arsenal Of Megadeth, Capitol Records 09463 30929945. Megadeth (2007). That One Night: Live in Buenos Aires, Image Entertainment 3081. Metal Hammer (2008). Maximum Metal Vol. 135, Beilage zu Metal Hammer 1/2009. Metallica (1987). Cliff’em All, PolyGram 041 666 2. Metallica (1992). A Year And A Half In The Life Of Metallica I & II, PolyGram 085 550-3/086 068-3. Metallica (1993). Live Shit: Binge & Purge, Universal 077 097-0. Metallica (1998). Cunning Stunts, Universal 058 632 2. Metallica (1999). S&M, Elektra 8536-40218-2. Metallica (2001). Classic Albums: Metallica, eagle vision EREDV 162. Metallica (2006). The Videos 1989-2004, Vertigo 06025 1714484. Moretti, Eddy und Suroosh Alvi (2009). Heavy Metal in Baghdad, Hamburg: Groove Attack. Motörhead (1985). The Birthday Party, Capitol 74708.

344

LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

Motörhead (1991/2004). 1916 Live…Everything Louder Than Everything Else, Sony 49093. Motörhead (2001). 25 & Alive: Boneshaker, Steamhammer SPV 7279. Motörhead (2004). Classic Albums – Ace Of Spades, eagle vision EREDV 437. Motörhead (2005). Stagefright, Steamhammer SPV 239928. Rock Hard (2006). „Kapitel 12 Stammposter-Treffen“, In: Rock Guerilla.tv 4, Beilage zu Rock Hard 234. Rock Hard (2008). Guerilla TV Vol. 11, Beilage zu Rock Hard 260 Slayer (1995). Live Intrusion, American Recordings slay 001v (VHS) Slayer (2003). War At The Warfield, American Recordings 440 063 690-9. Slayer (2004). Still Reigning, American Recordings B0003529-09. Spheeris, Penelope (1988). The Decline of the Western Civilisation Part 2: The Metal Years, I.R.S. World Media.

Zeitschriften Break out – Das Heavy Rock Musik Magazin, Michael Müller (Hg.) Neckarsgmünd. Drumheads, PPV Medien GmbH (Hg,), Bergkirchen. Ecclipsed, Sysyphus Verlags Gmbh (Hg.), Aschaffenburg. Legacy – The Voice from the Dark Side, Ertner-Knittel-Vojvoda GbR (Hg.), Devil Inc. Presseverlag Saarbrücken. Guitar, PPV Medien GmbH (Hg.), Bergkirchen. Hitparader, Enoble Media Group (Hg.), Paramus, New Jersey. Heavy Magazin, Sasse Werbeagentur & Verlag (Hg.), Rottenburg-Ergenzingen. Kerrang!, Bauer Consumer Media Ltd. (Hg.), London. Metal Hammer, Axel Springer Young Mediahouse GmbH (Hg.), München. Metal Heart Musik-Magazin, Zoomia Medien Gruppe (Hg.), Glasingen. Rock Hard, Holger Stratmann (Hg.), Rock Hard Verlags- und Handels GmbH. Dortmund. Rock It – Das AOR – Hard Rock – Metal Magazin, Schwanke & Siebenmorgen GbR (Hg.), Selm. Terrorizer, Dark Arts Ltd. (Hg.), London.

345

ANHANG Legende für die Tabellen zur formalen Struktur Nr. X-A1, -B2 ... -1, -2 ...

Kürzel für das Album, auf dem das zu analysierende Stück enthalten ist Platzierung des Stückes auf der LP-Seite Platzierung des Stückes auf einer CD

Titel Xyz

Titel des Stückes

Dauer 0:00

Dauer des Stückes in Minuten:Sekunden

Pulslänge a, b=, c= ...

Angabe der Länge der Riffs in Pulsen. Die Pulslänge von Riffvarianten wird nur dann angegeben, wenn sie sich vom Originalriff unterscheidet.

Struktur 1: I Intro: Einleitung, entweder einleitende Abfolge von mindestens einem Riff ohne Gesang oder nicht riffbasierte musikalische, sprachliche, oder geräuschhafte Einleitung ohne Gesang. a, b, c ... fortlaufende Bezeichnung der Riffs a, a2, a3... Varianten von Riff ‚a‘ 2a = aa 2ab = aab 2(ab) = abab Br Break: nicht ausgezählter Bereich in einer Abfolge von Riff O Outro: Schlusswendung mit musikalischem, sprachlichem oder geräuschhaftem Charakter

347

SCHWERMETALLANALYSEN

Struktur 2: I Intro (siehe Struktur 1) A, B, C ... fortlaufende Bezeichnung von zu Formteilen zusammengefassten Gruppen von Riffs A, A2, A3... Varianten von Formteil A O Outro (siehe Struktur 1) Struktur 3: B Bridge: Zwischenspiel mit Gesang, eine Abfolge von mindestens einem Riff mit Gesang, die auf einen Chorus folgt und sich musikalisch und textlich vom Vers unterscheidet C Chorus: wiederkehrende Abfolge von Riffs mit identischem Text und identischer Gesangsmelodie, die häufig den Stücktitel enthält. I Intro (siehe Struktur 1) In Interlude: instrumentales Zwischenspiel, Abfolge von mindestens einem Riff ohne Gesang O Outro (siehe Struktur 1) P Prechorus: Abfolge von mindestens einem Riff mit Gesang zwischen Vers und Chorus Po Playout: Eine das Stück abschließende Abfolge von zumindest teilweise neuen Riffs mit oder ohne Gesang R Refrain: Gesungener Stücktitel ohne zusätzlichen Text S Solo: Abfolgen von mindestens einem Riff, die der Begleitung instrumentaler solistischer Äußerungen dienen. V Vers: Abfolge von mindestens einem Riff über das gesungen wird

348

ANHANG

Legende für die Transkriptionen Sonderzeichen in der Gitarrennotation

Schlagzeugnotation Die verwendete Schlagzeugnotation entspricht der in der Zeitschrift Drumheads vorgeschlagenen Konvention.

349

SCHWERMETALLANALYSEN

Glossar der verwendeten tontechnischen Begriffe Grundlage der folgenden Ausführungen sind die Handbücher zur Tonstudiotechnik von Dickreiter (1997) und Henle (2001), sowie die Webseite www.sengpielaudio.com. Attack: Einschwing- oder Anstiegszeit einer  Hüllkurve. Die Attack-Zeit gibt die Zeit an, in der die Spannung von null bis auf ein vorgegebenes Maximum steigt. Lange Attack-Zeiten ergeben einen anschwellenden Klang, kurze Attack-Zeiten einen perkussiven Klang. AutoPanner: ein Effektgerät, das ein Monosignal mit wählbarer Intensität und Geschwindigkeit zwischen rechtem und linkem Kanal einer Stereosumme pendeln lässt. Chorus: Als Chorus wird ein Effekt bezeichnet, der einen Ton so ausprägt, als würde gleichzeitig ein zweiter ähnlicher Ton mitklingen und sich dabei im Raum bewegen. Der zu bearbeitenden Klangquelle wird deshalb ein gering zeitverzögertes und ebenfalls gering tonhöhenversetztes Duplikat beigemischt. Der Grad der Zeitverzögerung ist so gering, dass das menschliche Gehör kein  Echo erkennt. Delay: Als Delay wird ein Laufzeitverzögerungseffekt bezeichnet, bei dem eine oder mehrere verzögerte Kopien des Eingangssignals ausgegeben werden und so ein  echoähnlicher Klang erzeugt wird. Distortion: Verzerrung Echo: Ein Echo entsteht, wenn Reflexionen einer Schallwelle so stark verzögert sind, dass diese als separates Hörereignis wahrgenommen werden. Als Echoschwelle bezeichnet man die Grenze, bei deren Überschreitung die Reflexionen einer Schallwelle als separate Hörereignisse wahrgenommen werden. Sie ist stark abhängig von der Charakteristik des Schalls und dem Pegel der Reflexionen. Unterhalb der Echoschwelle werden die Reflexionen als Nach  hall wahrgenommen. Equalizer: Frequenz  filter zur Tongestaltung eines Audiosignals. Frequenzen werden entweder abgesenkt oder angehoben. Filter: Filter verändern ein elektrisches Signal abhängig von der Frequenz in Amplitude und Phase.

350

ANHANG

Flanger: Dem Originalsignal wird ein gering zeitverzögertes Duplikat beigemischt. Dadurch entsteht mit zunehmender Frequenz eine zunehmende Phasenverschiebung zwischen den beiden Signalen, die zu Frequenzauslöschungen und -verstärkungen führt, die auch als Jeteffekt bezeichnet werden. Der Flanging-Effekt beruht auf der zusätzlichen periodischen Änderung des Grades der Zeitverzögerung des Duplikats. Der Klangeindruck ähnelt dem  Phaser. Beim Flanger kann das zeitverzögerte Duplikat auch zum Eingang zurückgeführt (Rückkopplung) und damit erneut bearbeitet werden. Frequenzmodulation: ein Modulationsverfahren, bei dem die Trägerfrequenz durch das zu übertragende Signal verändert wird. In diesem Sinne werden  Chorus,  Flanger und  Phaser als frequenzmodulierende Effekte bezeichnet. Guitar to MIDI Converter: Ein Gerät, das auf der Gitarre erzeugte Töne in  MIDI-Informationen umwandelt und so die Steuerung anderer  MIDIfizierter Musikinstrumente (meist Synthesizer) über die Gitarre erlaubt. Hall: Mit Hall wird die analoge oder digitale Erzeugung künstlicher Schallreflexionen bezeichnet, die unterhalb der  Echoschwelle liegen und der Simulation eines Raumeindruckes dienen. Hüllkurve: Eine Hüllkurve ist eine zeitlich veränderbare Steuerspannung, die z.B. durch den Tastenanschlag eines Keyboards ausgelöst wird. Sie besteht aus vier Phasen  Attack, Decay, Sustain und Release, meist als ADSR abgekürzt. Die Einschwing- oder Anstiegszeit wird als Attack-Zeit bezeichnet. Sie gibt die Zeit an, in der die Spannung von null bis auf ein vorgegebenes Maximum steigt. Lange Attack-Zeiten ergeben einen anschwellenden Klang, kurze Attack-Zeiten einen perkussiven Klang. Die Decay- oder Abfall-Zeit gibt die Zeit an, in der die Spannung vom Maximum auf den Sustain-Pegel absinkt. Der Sustain- oder Halte-Pegel gibt an, wie hoch die Spannung ist, während die Taste gehalten wird. Die ReleaseZeit legt fest, in welchem Zeitraum die Spannung vom Sustain Pegel auf den Nullpunkt absinkt, nachdem die Taste losgelassen wurde. Wird die Taste während vor Ablauf der Decay-Zeit losgelassen, setzt sofort die Release-Zeit ein und die Sustain-Phase wird übersprungen. Desgleichen unterdrückt ein Sustain-Pegel von 0% die Sustain-Phase. Ein typisches Beispiel ist der Lautstärkeverlauf eines Klaviertons. Entspricht der Sustain-Pegel dagegen dem Pegelmaximum, so ist die Decay-Zeit gleich null. Ein typisches Beispiel ist der Klangverlauf eines Blechblasinstruments. Beim

351

SCHWERMETALLANALYSEN

Klangverlauf von Schlaginstrumenten fehlen sowohl Sustain- als auch Release-Phase. MIDI: Abkürzung für „musical instrument digital interface“ – ein Datenübertragungsprotokoll zur Übermittlung, Aufzeichnung und Wiedergabe von Steuerinformationen zwischen Instrumenten oder einem Computer. Overdubbing: Bearbeitungstechnik im Tonstudio, die das Aufnehmen einer Tonaufnahme über eine bestehende Tonaufnahme bezeichnet. Phaser: Dem Originalsignal wird ein phasenverschobenes Duplikat beigemischt. Der Grad der Phasenverschiebung variiert in der Zeit. In der Mischung beider Signale entstehen sich verändernde Frequenzauslöschungen und -verstärkungen. Der klangliche Effekt ähnelt dem  Flanger. Pitch Shifter: ein Effekt zum Tonhöhenversatz des Ausgangssignals um ein wählbares Intervall. Rotary: ein elektronischer Effekt, der aus der Nachahmung des Leslie-Effekts entstanden ist. Beim Leslie-Effekt wird über rotierende Lautsprecher eine Modulation der Tonhöhe durch die Ausnutzung des Doppler–Effekts und der daraus resultierenden Schwebungen erzeugt. Verzerrung: Die Akustik unterscheidet zwischen linearen und nichtlinearen Verzerrungen. Nur die Letztere fügt dem Signal Frequenzen hinzu, die im Original nicht enthalten sind, und wird im musikalischen Sinn als Verzerrung wahrgenommen. Diese zusätzlichen Frequenzen entsprechen Obertönen im Spektrum. Der Klangcharakter der Verzerrung ergibt sich aus dem Anteil der Addition harmonischer oder unharmonischer Obertöne zum Originalsignal. Gleichzeitig wird die Dynamik des Originalsignals komprimiert und limitiert, d.h. seine Schwingungsform nähert sich einer Rechteckkurve an. Die Verzerrung einer Transistorschaltung produziert einen höheren Anteil unharmonischer Obertöne als die Verzerrung einer Röhrenschaltung. Zwischen diesen beiden Polen entsteht – eine Vielzahl unterschiedlicher Klangmöglichkeiten, die im spezifischen Klang unterschiedlicher Verzerrer resultieren. Wah Wah: Durchlauffilter, bei dem eine Frequenzanhebung vom tiefen zum hohen Frequenzbereich verschoben wird oder umgekehrt. Ablaufgeschwindigkeit und Stärke des Effekts sind steuerbar und werden entweder durch ein Pedal ausgelöst oder laufen gesteuert durch den Klangeinsatz automatisch an.

352

ANHANG

Alphabetische Liste der für die Stichprobe verwendeten Quellen und Listen (Stichtag 30.5.2006) Quellen- Listen-

Quelle

Liste

nr.

nr.

1

1

Angelfire.com

2

2

Anus.com

Best Ever Black Metal

2

3

Anus.com

Best Ever Death Metal

3

4

Bleeding4metal.net The Must Have Thrash Metal Guide

3

5

Bleeding4metal.net Thrash Metal Diamonds

4

6

Christie, Ian 2003

Alternative Metal

4

7

Christie, Ian 2003

Avantgarde Metal

4

8

Christie, Ian 2003

Classic Heavy Metal

4

9

Christie, Ian 2003

Death Metal

4

10

Christie, Ian 2003

Doom Metal

4

11

Christie, Ian 2003

Early Black Metal

4

12

Christie, Ian 2003

Early US-Metal

4

13

Christie, Ian 2003

Funk Metal

4

14

Christie, Ian 2003

German Speed Metal

4

15

Christie, Ian 2003

Glam metal

TOP 100 CLASSIC METAL & HARD ROCK SONGS!

4

16

Christie, Ian 2003

Grind Core

4

17

Christie, Ian 2003

Hard Core

4

18

Christie, Ian 2003

Hard Rock

4

19

Christie, Ian 2003

Ian Christie’s Top 25

4

20

Christie, Ian 2003

Metal Core

4

21

Christie, Ian 2003

Nu Metal

4

22

Christie, Ian 2003

NWoBHM

4

23

Christie, Ian 2003

Power Metal

4

24

Christie, Ian 2003

Proto Metal

4

25

Christie, Ian 2003

Punk

4

26

Christie, Ian 2003

Scandinavian Black Metal

4

27

Christie, Ian 2003

Thrash Metal

Heavy-metal-

5

28

6

29

Hitparader

6

30

Hitparader

heaven.de

Redaktions-Klassiker Heavy Metal: The Hall Of Fame (1982) Top 100 Metal Albums (1989)

353

SCHWERMETALLANALYSEN Quellen- Listennr. 7

nr.

Quelle

Liste 100 Albums You Must Hear Before You

31

Kerrang!

7

32

Kerrang!

7

33

Kerrang!

7

34

Kerrang!

8

35

Metal Hammer 2005 Die Top 100 Metal Alben

9

36

Metalbite.com

The Top 100 Metal Albums

10

37

Metal-dungeon.de

Leser-Charts

11

38

Metal-rules.com

The Top 100 Metal Albums Of All Time

11

39

Metal-rules.com

The Top 50 Extreme Metal Albums

11

40

Metal-rules.com

The Top 50 Glam Metal Albums

Die (01/1998) 100 Greatest Heavy Metal Albums Of All Time (01/1989) 100 Greatest Singles Of All Time (12/2002) 200 Albums For The Year 2000 (12/1999)

Musicline.de Genre

12

41

12

42

12

43

12

44

12

45

12

46

12

47

12

48

12

49

12

50

13

51

Pommesgabel.de

14

52

Popoff, Martin 2003

15

53

Popoff, Martin 2003 Top 25

16

54

Rock Hard 2005

Lexikon Musicline.de Genre Lexikon Musicline.de Genre Lexikon Musicline.de Genre Lexikon Musicline.de Genre Lexikon Musicline.de Genre Lexikon Musicline.de Genre Lexikon Musicline.de Genre Lexikon Musicline.de Genre Lexikon Musicline.de Genre Lexikon

Black Metal Crossover Death und Gothic Metal Doom Metal Grind Core Hard Rock Industrial Nu Metal NWoBHM Thrash Metal Top 100 Leser The Top 500 Metal Songs Of All Time (Alben) Best Of Rock & Metal

354

ANHANG Quellen- Listennr.

nr.

17

55

18

56

18

57

Quelle Rocklist.net Ruthlessreviews. com

Liste The best prog rock album/tracks of all time? Highschool Top 20

Ruthlessreviews.

The 8 Most Essential Black Metal

com

Albums

Ruthlessreviews.

The 8 Most Essential Death Metal

com

Albums

18

58

19

59

Schäfer, Frank 2001 Die Subgenres – eine Typologie

20

60

Terrorizer

Albums Of The Eighties

20

61

Terrorizer

Gore Top 20

20

62

Terrorizer

21

63

Udo, Tommy 2002

21

64

Udo, Tommy 2002

Die Wurzeln des Nu Metal

22

65

Vampster.com

Hell Of Fame

23

66

24

67

24

68

Walser, Robert 1993

The 100 Most Important Albums Of The Nineties Das muss man gehört haben.

Select Discography

Weinstein, Deena

100 Defintive Metal Albums

1991

(Neuauflage 2001)

Weinstein, Deena 1991

Suggested Hearings

355

SCHWERMETALLANALYSEN

Die 100 (+14) meistgenannten Alben der Stichprobe (x) Platz

NAME

ALBUM

JAHR

NENNUNGEN in (y) QUELLEN

1

Guns N’Roses

Appetite For Destruction

1987

17 / 13

2

AC/DC

Back In Black

1980

17 / 12

3

Metallica

Kill ’Em All

1983

16 / 14

4

Slayer

Reign In Blood

1986

16 / 13

5

Black Sabbath

Paranoid

1970

16 / 11

6

Metallica

Ride The Lightning

1984

15 / 13

6

Metallica

Master Of Puppets

1986

15 / 13

6

Queensrÿche

Operation: Mindcrime

1988

15 / 13

9

Iron Maiden

The Number Of The Beast

1982

15 / 11

10

Led Zeppelin

IV

1971

14 / 12

11

Motörhead

Ace Of Spades

1980

14 / 10

12

Deep Purple

Machine Head

1972

13 / 11

13

Megadeth

Peace Sells ... But Who’s Buying?

1986

12 / 12

14

Exodus

Bonded By Blood

1985

12 / 11

15

AC/DC

Highway To Hell

1979

12 / 10

15

Venom

Black Metal

1982

12 / 10

17

Van Halen

Van Halen 1

1978

12 / 9

18

Mötley Crüe

Shout At The Devil

1983

11 / 11

19

Metallica

And Justice For All

1988

11 / 10

20

Pantera

Vulgar Display Of Power

1992

11 / 9

21

Judas Priest

British Steel

1980

10 / 10

22

Emperor

In The Nightside Eclipse

1994

10 / 9

23

Black Sabbath

Black Sabbath

1970

10 / 8

23

Deep Purple

In Rock

1970

10 / 8

23

Iron Maiden

Iron Maiden

1980

10 / 8

23

Judas Priest

Stained Class

1978

10 / 8

Rage Against The Machine

1992

10 / 8

23

Rage Against The Machine

28

Accept

Restless And Wild

1982

9/9

28

Iron Maiden

Piece Of Mind

1983

9/9

28

Judas Priest

Screaming For Vengeance

1982

9/9

28

Judas Priest

Painkiller

1990

9/9

356

ANHANG (x) Platz

NAME

ALBUM

JAHR

NENNUNGEN in (y) QUELLEN

28

Megadeth

Rust In Peace

1990

9/9

28

Possessed

Seven Churches

1985

9/9

34

Dio

Holy Diver

1983

9/8

34

Iron Maiden

Killers

1981

9/8

34

Machine Head

Burn My Eyes

1994

9/8

34

Metallica

Metallica

1991

9/8

34

Osbourne, Ozzy

Blizzard Of Ozz

1980

9/8

34

Saxon

Wheels Of Steel

1980

9/8

40

Aerosmith

Rocks

1976

9/7

40

Kiss

Destroyer

1976

9/7

42

Bon Jovi

Slippery When Wet

1986

9/6

43

Anthrax

Spreading The Disease

1985

8/8

43

Black Sabbath

Heaven And Hell

1980

8/8

43

Iron Maiden

Powerslave

1984

8/8

43

Morbid Angel

Altars Of Madness

1989

8/8

43

Slayer

Seasons In The Abyss

1990

8/8

48

Mercyful Fate

Melissa

1983

8/7

48

Napalm Death

Scum

1987

8/7

48

Slayer

Show No Mercy

1984

8/7

48

Venom

Welcome To Hell

1981

8/7

52

Def Leppard

Pyromania

1983

8/6

52

Faith No More

The Real Thing

1989

8/6

52

Led Zeppelin

Led Zeppelin II

1969

8/6

52

Led Zeppelin

Physical Graffiti

1975

8/6

52

Mercyful Fate

Don’t Break The Oath

1984

8/6

52

Nirvana

Nevermind

1991

8/6

58

Black Sabbath

Master Of Reality

1971

7/7

58

Black Sabbath

Sabbath Bloody Sabbath

1973

7/7

58

Candlemass

Epicus Doomicus Metallicus

1986

7/7

58

Celtic Frost

Into The Pandemonium

1987

7/7

58

Celtic Frost

Morbid Tales

1984

7/7

58

Dimmu Borgir

Enthrone Darkness Triumphant

1997

7/7

58

Dio

The Last In Line

1984

7/7

58

Entombed

Left Hand Path

1989

7/7

357

SCHWERMETALLANALYSEN (x) Platz

NAME

ALBUM

JAHR

NENNUNGEN in (y) QUELLEN

58

Judas Priest

Sad Wings Of Destiny

1976

7/7

58

Judas Priest

Defenders Of The Faith

1984

7/7

58

Osbourne, Ozzy

Diary Of A Madman

1981

7/7

58

Pantera

Cowboys From Hell

1990

7/7

58

Scorpions

Love At First Sting

1984

7/7

58

Sepultura

Beneath The Remains

1989

7/7

58

Slayer

South Of Heaven

1988

7/7

58

Whitesnake

1987

1987

7/7

74

Angel Witch

Angel Witch

1980

7/6

74

Blue Öyster Cult

Agents Of Fortune

1976

7/6

74

Carcass

Heartwork

1994

7/6

74

Celtic Frost

To Mega Therion

1985

7/6

74

Death

Scream Bloody Gore

1987

7/6

74

Dokken

Tooth And Nail

1984

7/6

74

Fear Factory

Demanufacture

1995

7/6

74

Helloween

Keeper Of The Seven Keys Pt. II

1988

7/6

74

Ministry

Psalm 69

1992

7/6

74

Rush

2112

1976

7/6

74

Slipknot

Slipknot

1999

7/6

74

Twisted Sister

Stay Hungry

1984

7/6

86

Bathory

Under The Sign Of The Black Mark

1986

7/5

86

Motörhead

Overkill

1979

7/5

86

Queen

A Night At The Opera

1975

7/5

86

Slayer

Hell Awaits

1985

7/5

86

Soundgarden

Badmotorfinger

1991

7/5

91

Sex Pistols

Never Mind the Bollocks

1977

7/4

92

AC/DC

Let There Be Rock

1977

6/6

92

Accept

Balls To The Wall

1983

6/6

92

Amorphis

Tales From A Thousand Lakes

1994

6/6

92

At The Gates

Slaughter Of The Soul

1995

6/6

92

Black Sabbath

Mob Rules

1981

6/6

92

Dark Angel

Darkness Descends

1986

6/6

92

Death

Leprosy

1988

6/6

92

Def Leppard

Hysteria

1987

6/6

358

ANHANG (x) Platz

NAME

ALBUM

JAHR

NENNUNGEN in (y) QUELLEN

92

Dream Theater

Images & Words

1992

6/6

92

Iron Maiden

Somewhere In Time

1986

6/6

92

Mayhem

De Mysteriis Dom Sathanas

1994

6/6

92

Megadeth

So Far, So Good...So What!

1988

6/6

92

Megadeth

Killing Is My Business...

1985

6/6

92

Poison

Look What The Cat Dragged In

1986

6/6

92

Rush

Moving Pictures

1981

6/6

92

Savatage

Hall Of The Mountain King

1987

6/6

92

Scorpions

Blackout

1982

6/6

92

Sepultura

Chaos A.D.

1993

6/6

92

Sepultura

Arise

1991

6/6

92

Terrorizer

World Downfall

1989

6/6

92

Testament

The Legacy

1987

6/6

92

Type O Negative

Bloody Kisses

1993

6/6

92

W.A.S.P.

W.A.S.P.

1984

6/6

359

texte zur populären musik Ralf von Appen Der Wert der Musik Zur Ästhetik des Populären 2007, 344 Seiten, kart., 32,80 €, ISBN 978-3-89942-734-9

Michael Fuhr Populäre Musik und Ästhetik Die historisch-philosophische Rekonstruktion einer Geringschätzung 2007, 154 Seiten, kart., 17,80 €, ISBN 978-3-89942-675-5

Andreas Gebesmair Die Fabrikation globaler Vielfalt Struktur und Logik der transnationalen Popmusikindustrie 2008, 368 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-89942-850-6

Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de

texte zur populären musik Thomas Phleps, Ralf von Appen (Hg.) Pop Sounds Klangtexturen in der Pop- und Rockmusik. Basics – Stories – Tracks 2003, 234 Seiten, kart., 23,80 €, ISBN 978-3-89942-150-7

Helmut Rösing Das klingt so schön hässlich Gedanken zum Bezugssystem Musik (herausgegeben von Alenka Barber-Kersovan, Kai Lothwesen und Thomas Phleps) 2005, 232 Seiten, kart., 22,80 €, ISBN 978-3-89942-257-3

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